158 89 30MB
German Pages 837 Year 1888
Baltische
i
Herausgegebe n
Robert Weise.
XXXV.
Band.
Reval, 1888.
In Riga:
A.
Stieda.
Commission
bei
F.
Klnge.
Leipzig
Rmi. Hart mann.
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Harvard College Libraiy
APS 231909 Hohenzollern Collection Gift of A. C. Coolidge
Jo3B0i«no ueH3jpoB.
Peneifc,
22 ro Jteia6pa 1888
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Inhalt. Seile
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22 ro JlesaOps 1888
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Inhalt. Seite
Silhouetten eines rigasehen Patriciergesohlecht*.
III.
Von
4.
Johann
ChristophBerens Aus
dem Leben
W
des
rigaer
Stieda
il h.
in
1
I— IIL
Goldschmiedeamtes.
Rostock
Von
Prot.
20.
115.
Die Fürstin Daschkow. I. II. Von J. Engel m nun Georg Brandes über den russischen Roman. Von Joh. Eckardt. Notizen. Von 0. Külpe, J. Engelmann und Fr. B Zwei Balten über Goethe. Von Dr. R. Boxberger Schiemanns 1, irländische Geschichte. Von Dr. Ph. Sch wart z Leopold von Ranke über die Geschichte der Ostseeprovinzen. Von .
.
.
186
39.
98
.
55 72 81
.
144
.
Dr.
OttoHarnack Von
Notizen.
Dr. R.
159
Boxberger
und Fr.
B
164
Einnahmen in Alt-Livland. Von Richard Hassclblatt Wassili Wereschagin in Paris. Von Wolfgang Selbst Französische Emigranten in Russland. Von Joh Eckardt
169
Kirchliche
.
Von Dr.
Russische Erzählungen.
Von A. Sch.
Notizen.
Die Bauernbefreinng Studentische
ttnd Fr.
in
Ström nngen
212
.
Bern h. Münz
236 246
B
Prcnssen. in
.
201
den
Von
C.
S
257
Eberhard
Von
Jahren.
vierziger
Kraus
282 315
Frau von Kriidener Die gewerbliche Seite der knrliindischeu Ausstellung zu Mitau im Juni
«'''Die Gefolgschaft der
1888.
Von
Oscar Kleinenlierg
344
Die Erhaltung unserer Denkmäler. Von Wilh. Neumann Die Brücke über den Anm-Darja. Von Dr. Otto Heyfelder Der Fall Wendens. Von Georg Rathlef Tolstoi und das moderne Drama auf der pariser Bühne. Von o1 .
W
.
.
.
.
351
360 SSM
.
gang
f
Selbst Dr.
theol.
427
Woldemar
Schnitz,
Von
estländisclier General- Superintendent.
Ferd Luther Der Naturalismus Masi ng Briefe
des
1812
Werther Notizen.
in
in
443
der
Dr.
Woldemar 456
Feldmarschalls
— 1815.
Von
modernen Literatur.
Von
Fürsten
Dr.
Barclay
de
Tolly
den
ans
Jahren
Otto Har nack
490 515
Kurland
Von Fr. B
Die baltischen Raubvögel.
Zur Psychologie
I.
II.
des Pessimismus
Von O
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527.
522 889 557
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Karl IX. in Reval.
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Von
Erich Dahlberg in Livland.
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Von
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.
,
567
.
602
.
81h 1
b
I
a
1 1
.
Von M. Bühin.
Die Handarbeit im Dienste der Knabeuerziehung. Notizen.
.
Hasse
Von R.
Ritter Bartholomäus von Tiesenhausen.
.
623
.
718
.
B
F.
755
Von
Abschiedsworte.
n
N
Von L.
Notizen.
F.
B
757
Besprochene Bücher; 0. L.
.1
Napiersky,
Die
Erheblicher
der
Stadt
1384
Riga.
— 1579. 72
Riga 1888
Lenz, Lässt sich das Dasein Gottes ans der Natnr beweisen? Reval Dorpat 1888 2. Atifl. \V. v. Rohland, Die Gefahr im Strafrecht.
J.
Jn
E
1.
c
k a rd
t
,
Victor Hehn, Gedanken über Goethe. Berlin 1887 D r. Otto Harnack Goethe in der Epoche seiner Vollendung. ,
Theodor Schiemann,
Geschichte Livlands bis
Leopold von Ranke, Weltgeschichte. 8. Froitzheim, Lenz, Goethe nnd
P
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n
1
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,
/.es
Vranrais en Russie
Bitteres Glück.
Deutsch von M.
et les Ritsses
en Franee.
Rontan.
Uebertragen von
Wall236
i
v.
Die Knrsistiu oder weibliche Studenten. Leoni. Breslau 1888
Nadeshda Nikolajewna. Eine Kiinstleruovelle. n B r ö n da t e il. Berlin 1888
242
,
L e o Tolstoi, Zwei Erzählungen Albert. Eine A g. Scholz. Berlin 1888 A. Bensenberger und Dr. A. Bielen st ein,
af
;
Deutsch von
167
Mitait 1888
Breslau 1888
Uebertragen vou F.
Wsewolod G a r s c h
Dr.
164
der Ostsee.
212
friede Stein. Roman.
81
159
Cleophe Fibich von Strass-
An
Fürst W. Meschtscherski,
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Bd.
...
Leipzig 1888
Strassburg 1888
gand Paris 1880 W. D. S o o g h n b ,
G
81
Leipzig 1887
144
Dr. Joh.
Johanna C o n r a d eo no e
76
78
zum Tode Walters
Berlin 1887
von Plettenberg.
bnrg.
74
.
...
Leipzig 1888
L
1888
Ferdinand David nml die Familie Mendelssohn-Bartholdy.
244
Winterfahrt.
244
it
Vndeudsrhe
PSahnen etc. Mitan 1887 Zur Geschichte des Gouv. -Gymnasiums in Riga. Riga 1888 Georg F r i e d r. Knapp, Die Bauernbefreiung und der Ursprung der
246
Landarbeiter in den älteren Theilen Preussens. Leipzig 1887 1887 K. II ü b 1 e n b e ck , Etüde sur /es origines d* laSainte- Alliance. Paris St. Petersburg 1888 Reiseskizzen. Le
257
N.
Flaneur, Schtschedrin, Eckardt.
L.
Arhus ow
,
Des Lebens Kleinigkeiten. Uebersetzt von J o
Milan 1888 Das älteste Wittschopbuch der Stadt Reval 1312
315 -522
h.
^22 1360. 01
Reval 1888
H arry Jan nsen
251
,
Märchen und Sagen des estnischen Volkes. Riga 1888
755
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Silhouetten eines rigaschen Patriciergeschlechts.
Aus der Hamann- und Herder-Periode.
III.
4
J
o
a n n
li
Christoph Bere
ns, Raths- und Oberwettherr,
geh. 7. October 1725, gest. 19.
November 1792.
I.
jjgjfe r die
zu Riga besucht, hat unter den
Stadtbibliothek
Ci Gemälden und Büsten der Repräsentanten der Hamannund Herderperiode
die
Gypsbüste eines Greises
bemerkt, dessen
hochgewölbte Stirn Intelligenz, dessen feingeschnittene Gesichtszüge
Fragt man nach dem charakteristische Züge der Nachwelt
Weltklugheit und Schönheitssinn verrathen.
Namen
des Mannes, dessen
überliefert sind,
so
wird
der
Name Johann
Christoph Berens ge-
Welch eine Reihe von Erinnerungen weckt nicht dieser Name! Wer denkt dabei nicht an jene längst entschwundenen Tage,
nannt.
als
Hamann im
Kreise unserer Aelterväter
jene glücklichen Jahre, als Herder
geweilt,
der Ihrige
wer nicht an
war, wer nicht an
jene der Gegenwart zeitlich
entfernte, inhaltlich derselben so
verwandte
die
Periode,
in
der
altehrwürdige
nach jahrhundertlangem Bestehen haben schien V Wer, oder noch
mehr,
immer
ihr
nah
Verfassung Rigas
Ende
erreicht zu
was war Johann Christoph Berens,
jener Mann, der die Freundschaft
Umgangs
für
Hamanns
genossen, der sich des
einem Kant
rühmen konnte und den noch nach seinem Ableben ein Herder in der Rückerinnerung an seine Jugendjahre im Greisenalter durch einen warm empfundenen Nachruf in seinen Schriften so hochgefeiert hat ? Was hat ihm die Bedeutung Ri»lLii*rlin
mit
Monat
Rami XXXV.
1.
1
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2
Silhouetten eines rigaschen Patriciergeschlechts.
Grenzen seines hinaus bekannt war, was ihn der Ehre gewürdigt, Gegenwart seinen Namen der «allgemeinen deutschen Biographie« einverleibt hat? Die Beantwortung dieser Fragen ist die Aufgabe der vorliegenden Silhouette. Im Hause seiner Eltern (des Aeltermannes Arend Berens und dessen Gattin Johanna Sophia Baumgarten) erhielt der hochbegabte Knabe seine Erziehung, in der rigaer Domschule, welche er im verliehen, dass er zu seinen Lebzeiten weit über die
Heimatlandes
dass die
19.
Lebensjahre
berg.
nach Beendigung des Lehrcursus
Um
Ausbildung.
widmen,
den
sich
Studien
Auf der dortigen
gleichalteriger Jüngling
seine
verliess,
Rechtswissenschaft
der
war zwei Jahre zuvor
Albertina
zu
Jüngling 1748 nach Königs-
trieb es den wissensdurstigen
ein
immatriculirt worden, welcher, zuerst für
Theologie eingetragen, Jurisprudenz
getrieben
seiner Ansicht nach das Brodstudium
hatte,
um
sich,
da
etwas Erniedrigendes hatte,
nach Verlauf einiger Zeit philosophischen, theologischen, philologi-
und naturwissenschaftlichen Disciplinen zuDer polyhistorisch gebildete Jüngling war ein Kind
schen, mathematischen
zuwenden.
unbemittelter Eltern, der älteste Sohn des altstädtischen Baders zu
Königsberg
Hamann.
der
,
nachmalige
Sauvage du
Johann
Nord,
Georg
In den Hörsälen der Universität hatten der arme Sohn
des Kneiphöfischen Wundarztes
und
aus Riga einander kennen gelernt.
der
begüterte
Patriciersolm
Diesem mochte der Scharfsiun
des tief denkenden, wenn auch unter kleinlichen Verhältnissen
zogenen Polyhistors imponiren, jenen die Elasticität
des
er-
Geistes
und die Gewandtheit der Formen des jungen Rigensers mit seinem
—
Enthusiasmus für
alles Schöne mächtig anziehen, in kürzester die gegenseitige Sympathie der beiden akademischen Bürger eins jener Seelenbündnisse geschlossen, denen wir im idealiHier, an der Quelle der stischen Jahrhundert so häufig begegnen. Wissenschaft, war es auch, wo Berens zum ersten Mal mit Kant,
Frist hatte
welchem
in
der Folgezeit die Aufgabe
zufiel,
zwischen den beiden
Studienfreunden in der unter ihnen ausgebrochenen Fehde mitteln,
in
Berührung
kam.
zu ver-
Der königsberger Aufenthalt des
jungen Rigensers währte übrigens nicht volle drei Jahre
;
denn
alt-
akademischem Usus gemäss beendete Berens sein Studium nicht auf dieser Hochschule, sondern begab sich zur Forthergebrachtem setzung
desselben
Riga-Livonus)
in
nach Göttingen, das
Album
civium
wo
er
am
3.
April 1751 (als
academiae Gottingcnsis
einge-
tragen ward.
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Silhouetten eines rigasclien Patriciergeschleclits.
3
Nach Absolvirung seiner Studien, während welcher er Männer wie Putta, Achen wall und Zimmennann kennen und hochschätzen gelernt, zog es ihn in die Welt hinaus. Deutschland, Holland und Frankreich wurden bereist, wo es ihm überall glückte, mit gelehrten und geistreichen Männern in Verbindung zu treten. In Paris war es dem jungen Reisenden vergönnt, dem Verfasser des l’csprit des lois, der die Welt mit seinen Freiheitsideen in einen Taumel des Entzückens
versetzt
hatte,
Wie
nahen.
zu
unauslöschlich
der
damals empfangene Eindruck auf ihn gewirkt, geht daraus hervor,
—
dass er noch unmittelbar vor seinem Tode
wo man der Regel nach wo mancher
einer Zeit,
nicht
mehr zu bewundern
seiner Jugendfreunde
grosse Berühmtheit erlangt hatte thut, bei der
einem Alter
in
—
dieses
und zu minder
pflegt,
eine
also,
nicht
Umstandes Erwähnung
Erinnerung an die Befangenheit, welche den staunenden
Jüngling einst ergriffen, als er dem
hochverehrten Montesquieu
gegenüber stand.
Während Seine jenes
er in den anziehenden Salons der Weltstadt an der
reiche
urbanen Formen
kennen
Geistesleben
lernte
,
dessen
äusseren
man im übrigen Europa nachzustreben bemüht
war, erreichten ihn Nachrichten aus
der Heimat,
weiteren Fortsetzung seiner Reisen hinderten. seiner inzwischen schwer erkrankten Mutter
an der
ihn
die
Der leidende Zustand war immer besorgnis-
geworden und machte dem in geistigen Genüssen eine schleunige Rückkehr zur Pflicht, zumal Kranke von dem sehnlichsten Wunsche erfüllt war, ihren in
erregender
schwelgenden Sohn die
der Ferne weilenden Liebling noch vor ihrem Ableben
In der Tliat schien
die
Hoffnung des Wiedersehens
zu
sehen.
ihres
Kindes
schwindenden Kräfte der Leidenden zu beleben und deren Aufdenn kurz nach der Heimkehr des Sohnes, lösung hinauszurücken
die
;
dem
die Sterbende ihre
auf seinen Lebensweg
Mitte fall
des
Segenswünsche noch
als das köstlichste Erbtheil
mitzugeben
vermochte,
trat
Der Aufenthalt auf den auswärtigen Hochschulen, intelligenten Jünglinge
schaftlichen,
einen
handelspolitischen,
gute
reichen
welche nicht
die Reisen
und hatten
Grund an
philosophischen,
weltmännischen Kenntnissen gelegt,
zu
die
ein.
im Westen waren nun vor der Hand abgeschlossen
dem
um
August 1754 der lange schon vorhergesehene Todes-
ästhetischen
nur
in
fach wissen-
und
ihm selbst
kommen, sondern deren geschickte Nutzanwendung in Wühle
erster Linie der ihm über alles theuren Vaterstadt und deren i
*
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4
Silhouetten eines rigasehen Patriciergeschlechts.
Und wie
dienstbar gemacht werden sollte.
seit
her «der
alters
wie der Kaufmann, der Kaufmann wie der Handwerker Grade von Knappen, Burschen und Gesellen durchwandern mussten, um des Meisterrechts würdig erachtet zu werden», so Ritter
die
hatte auch der junge Rechtsgelehrte sich erst durch die verschiedenen
Beschäftigungen im Kanzleidienste
hindurch
zu
arbeiten, ehe
es
ihm vergönnt war, selbstthätig in die Rechtspflege und Verwaltung der Stadt einzugreifen.
Zwei Jahre vor Berens’ Rückkehr aus dem Auslande hatte an einem rauhen Novembertage(1752)einer der drei grossen Ostpreussen, welche
einem Jahrhundert
vor
Laude
baltischen
in
nähere Beziehung zu unserem
eben Hamann,
getreten,
Mutter und vom Vater
unter
um auf Anrathen
seinen Geburtsort verlassen,
Thräuen
Königsbergs
bis an das Stadtthor
seiner
geleitet,
eines jener Prediger
Livlands, welche, aus Deutschland gebürtig, hierher als Hofmeister
ausgewandert waren, sein lande
seines
weiteres
Universitätsfreundes
auf
Hauslehrerstelle
dem
Fortkommen zu
12 Meilen
suchen.
von
in dem GeburtsNachdem er eine
Riga entfernten Gute
Kegeln bei jeiner Baronin Budberg gefunden, dieselbe jedoch in Folge von Differenzen mit der ungebildeten Mutter seines ihm anvertrauten Zöglings
Jahre 1753
als
wieder
aufgegeben
hatte, stand
er
seit
dem
«Informator» der Kinder des Generals von Witten
auf Grüuhof bei Mitau «in Condition».
Kaum
hatte Berens, vermuthlich durch den mit ihm auf das
Innigste befreundeten Rector helf Lindner, davon
Kunde
der rigaer Domschule, Johann Gotterhalten,
dass
ihr
gemeinschaftlicher
Freund Hamann nur wenige Meilen von ihnen getrennt er
nicht
säumte, diesen
einen Besuch zu überraschen.
Unverzüglich wurde eine Fahrt nach
der benachbarten Herzogsstadt Mitau
Weile
ein
weilte, als
seinen «Liebling» aus Königsberg durch
und
angetreten
nächtlicher
Express mit der Botschaft seines Eintreffens nach Grün-
hof entsandt, wodurch das ganze Haus ringen Aufruhr
versetzt
dem Freunde uoch
ward.
in derselben
des Generals
Hamann
blieb
in
nicht ge-
nichts übrig,
Nacht entgegen zu
eilen.
solche Schnelligkeit nicht gefasst, hatte Berens sich
als
Auf eine
bereits
lange
zur Ruhe begeben, so dass jener, der durch Nacht und Nebel nach Mitau gekommen, diesen ruhig schlafend vorfand. «Sein Willkommen,» sagt Hamann bei dieser Gelegenheit, «war so ausserordentlich zärtlich und freundschaftlich, dass ich in Verlegenheit gerieth, ihm in meiner Antwort gleich zu kommen oder ihn zu
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5
Silhouetten eines rigasehen Patriciergeschlechts.
erreichen. griffen
Er
mich
bezauberte
mit Aussichten, Anschlägen, Be-
von der Welt, neuen Wissenschaften, dem herrschenden GeJahrhunderts &e. und hundert sinnreichen
schmack des jetzigen
Ausschweifungen, die ein menschenfreundlich Herz und eine fruchtbare Einbildungskraft hervorbringen kann
Welchen
Einfluss
die
nur
Rigensers auf den
gewinnenden
an
kleinliche
>
des jugendlichen
Seiten
äussere Lebensverhältnisse
gewöhnten ehemaligen Studiengenossen geübt, wie sein einnehmendes Wesen ihn dazu veranlasst, den ihm verhasst gewordenen Schulstaub von sich abzustreifen und den Lehrstand mit Handelsgeschäften zu vertauschen, wie dieser Wechsel der Verhältnisse jene erfolglose Bewerbung Hamanns um die Hand der Schwester seiner Gönner, Katharina Berens und damit zugleich seinen plötzlichen Abschied von
dem theuer gewordenen Freundeskreise und bereits gesehen
damit auch von Riga zur Folge hatte, haben wir
— St.
und auch seinerzeit erwähnt, wie allem Anscheine nach
ein aus
Petersburg eingegangener Brief von J. C. Berens, in welchem der
dieser
geplanten Verbindung
Ausbruch
offenen
einer
eutgegentrat,
Freunden
den
zwischen
Spannung geboten, deren Beilegung
erst
den Anlass
zum
eingetretenen
gegen Ende ihres Lebens
erfolgte.
Wie
die
ersten Anlässe
werden
Sicherheit festgestellt
der Aussöhnung.
Doch aber
zu
Entfremdung
dieser
auch
können, so
nicht
nicht die
mit
Motive
lassen sie sich aus der verschiedenen
Entwickelung beider Freunde vermuthen. In Anerkennung der feinen, gediegenen Bildung, wie rücksichtigung des weltmännisch gewandten Wesens
winnenden Charaktereigenschaften seines
jugendlichen
Alters,
vom
Rathe Rigas
worden, als Deputirter derselben deren Interessen
au
der
Newa zu
und
in
Be-
der ge-
von Berens war derselbe, trotz
dazu in
ausersehen
der Residenz
während seiner Studienzeit, noch mehr aber auf seinen Reisen hatte Berens seinen Aufenthalt in Paris und den grösseren Handelsstädten der Niederlande dazu ausgenutzt, um sich theoretisch, wie praktisch mit dem Handel jener Städte bekannt zu machen. Der durch Studien und Kenntvertreten.
nisse innerlich gereifte
Schon
Mann vermochte
daher auch die Handels-
beziehungen in einem viel höheren Sinne aufzufassen, als es in der damaligen vielfach beschränkten Zeit der Fall zu sein pflegte. Mit
dem
Interesse für die Wissenschaft und das
Erwachen der deutschen
Literatur verband er eine Liebe zur Heimat und speeiell zu seiner
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Silhouetten eines rigaschen Patriciergeschleclits.
6
welche
Vaterstadt,
ihn
zum Geschäftsträger derselben besonders Zwar war er nicht die Natur, um, auf
befähigt erscheinen Hessen.
dem Boden
gewährleisteter Rechte
fussend, durch Entschiedenheit
und mit Einsetzung der ganzen Person den Gegner zur Nachgiebigzwingen allein einer solchen Persönlichkeit bedurfte es damals kaum, da von einem systematischen Vorgehen gegen be-
keit zu
;
stehende Sonderrechte, bedingt durch das Centralisationsprineip, wie
Bahn
es sich bald darauf
söhnliche, zugleich
Berens,
war daher
brach, noch keine
Rede war.
Eine ver-
aber diplomatisch gewandte Persönlichkeit, wie in
jenen Tagen in der ihr übertragenen Stellung
ganz an ihrem Platze. Seine amtlichen Beziehungen zu den einflussreichen Personen und Würdenträgern am Hofe hatten ihn ganz für diese eingenommen, und je zuvorkommender die Grossen
mehr gewann
desto
Graf Panin, der ihn durch entzückt,
sein,
bald
Lebensanschauung auch
Bald
ist
bei
es der Oberhofmeister
sein Anerbieten, der Stadt nützlich
zu
einer Handelscommission
Niedersetzung
die
ihm gegenüber zeigten,
sich
seine optimistische
ihrer Beurtheiluug die Oberhand.
dem Präsidium des Oberprocureurs von Tschernyschew, von welcher er sich den denkbar grössten Aufschwung der rigaer unter
mercantilen Verhältnisse verspricht.
«Ich
habe,» berichtet
Rathe, «insonderheit
er
unter
dem
12.
Februar 1761 dem
des Herrn Oberprocureurs
das Zutrauen
zu
erwerben gesucht, mit dem ich einige Unterredungen über unseren
Handel
gehabt, die
den Zustand
Einrichtungen betrafen. nöthig
ist,
Weil aber
die Sachen in ihrem
Gründen zu wissen,
so
in der
von
überhaupt und einige
bei allgemeinen Verbesserungen
Zusammenhänge nach den wahren
habe ich
Einsichten Sr. Excellenz
habe
desselben
mir
die Erlaubnis
unserem Handel
erbeten, die
zu dirigiren.
Ich
Absicht den ersten Theil einer französischen Memoire
von den Grundsätzen der rigaschen Handlung, die ich dem Herrn Landvogt Schick zuzusenden die Ehre gehabt, überreicht.»
Wie
gross
nun
auch die Hoffnungen
sein mochten, die der
Deputirte Rigas auf die Handelscommission und den Erfolg seines
Memorials gesetzt, die eigenen Erfahrungen lassen auch ihn gegen Ende des beregten Berichts zu dem später leider nur zu oft vergeblich gehegten
gedrungen,
Wunsche gelangen, «dass keine Wohlthaten aufnach dem Sinne der Bittenden eingerichtet
sondern
werden mögen».
Während Berens um
jene Zeit sich
in
dem Glanze
des
viel-
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Silhouetten eines rig&schen Patriciergeschlechts.
bewegten Lebens der Residenz
Manne
und
sonnte
7
einem
dort mit
u. a.
Berührung kam, dem er Zeit Lebens die höchste Anerdem ihm gewidmeten Nachdes Landes» nennt, Carl Friedlich Baron Schoultz von Ascheraden hatte auf seine Initiative hin sein Schützling Hamann jene geheimnisvolle und völlig misglückte Mission nach London angetreten, wo man in massgebenden Kreisen sowol über die ganze Natur der Angelegenheit, als auch namentlich über deren Vertreter in gerechtes Staunen gerieth. Der ihm von den rigaer Freunden gewordenen Instruction gemäss hatte Hamann in dieser dem Anscheine nach diplomatischen Angelegenheit ein Memorial verfasst und dasselbe dem russischen Gesandten am Londoner Hofe, in
kennung
ruf den
gezollt und den er selbst in
«Mann
—
Fürsten Galizyn, überreicht. Wiewol er durch Berens' Empfehlungen
Welt erhalten, wie z. B. in an Mendelssohn, so scheint der hypochondrische und ungewandte Mann durch den Miserfolg seiner Sendung in dem Grade niedergedrückt worden zu sein, dass er sich von aller Welt isolirte und bei seiner Unerfahrenheit in die Hände von Betrügern und Zutritt zur vornehmen und gelehrten
Berlin
lasterhaften Persönlichkeiten gerieth, welche,
ihn in ihre dunklen
Von
um
ihn auszubeuten,
Bahnen hineinzuziehen kein Bedenken
trugen.
Geld- und Nahrungssorgen gequält, von Gewissensbissen über
seinen Lebenswandel gepeinigt, hatte er geflissentlich seinen Wolil-
thätern
in
Riga nicht nur, sondern gar den Seinen
in
Königsberg
Kunde von sich vorenthalten. Das ihm mitgegebene Reisegeld war verbraucht und jede Hoffnung auf Deckung seiner Schulden,
jede
welche sich
in
London auf 150 L.
auf das Doppelte griff er
beliefen,
unbeachtet hatte liegen lassen. in
das Wort Gottes
göttlichen
St., in
geschwunden.
einem Buche, welches
zu
er
Liv- und Kurland jedoch In dieser Seelenstimmung
London
in
Es war
gekauft, jedoch
die Bibel.
Immer
tiefer
eindringend, wurde
ihm «das Geheimnis der Liebe und die Wohlthat des Glaubens» immer mehr
offenbar.
Aller Welt
entfremdet, aber
erfüllt
von
dem Trostesworte
der Schrift: «Ich will dich nicht verlassen, noch versäumen,» hörte
Londons von einer Persönlichkeit, welcher er wenig sympathisch zu sein wähnte, in freundschaftlichster Weise er auf einer der Strassen
seinen v.
Namen
rufen.
Der Secretär
der
russischen Gesandtschaft
Luders, durch Berens in Petersburg auf ihn aufmerksam gemacht,
brachte ihm
Briefe
seines Vaters
festigte seinen Entschluss zur
und
seines Freundes
und
be-
Rückkehr nach Riga.
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Silhouetten eines rigaschen Patriciergeschlechts.
8
Hier staunten seine Freunde über die innere Wandlung, welche Aufklärung war das Losungssich mit ihm in London vollzogeif. wort jener Tage. Aufklärung hallte es von Paris her, wo Montes1
quieu her,
dem Geiste der Gesetze nachforschte, Aufklärung! von Genf wo Jean Jacques Rousseau den Ursprung und den Grund
der Ungleichheit unter den Menschen untersuchte und den Contrat
und Aufklärung
social behandelte,
wo der
der Spree,
von den Ufern
Lallte es wieder
königliche Held an
der Spitze den aus Frank-
reich importirten Zeitideen huldigte, und
am
von der Hochschule
wo Immanuel Kant sie von seinem Lehrstuhl predigte. Das ganze Bereich des Wissens wurde der Kritik unterzogen; überall, auf dem Gebiete der Religion, der Gesetzgebung, der Staatsverwaltung und der Naturwissenschaften brachen sich neue Anschauungen Bahn. Dass auch Berens, von der alles mit sich fortreissenden Strömung ergriffen, in seiner Heimat in den ersten Pregel,
Reihen der Vorkämpfer für die neue Richtung anzutrelfen war,
ist
eben so selbstverständlich, wie seine zuversichtliche Voraussetzung, in
Hamann
dabei einen Genossen zu finden.
Als jedoch jener erkannte, dass dieser nach seiner Rückkehr nach Riga
dem
sich, statt
Zeitgeiste
stellt hatte,
— und
war
die
dem
Zeitidol zu huldigen, in den Dienst des
somit auch Berens
— unbekannten
Gottes ge-
um au
Stelle der
Enttäuschung gross genug,
Freundschaft Bitterkeit
und Abneigung
treten
zu
lassen.
Was
war es von Berens’ Standpunkt aus anders, als Eigensinn und Undauk gegen ihn, den Wohlthäter, der weder Geld noch Mühe gespart. um den am Abgrunde des Verderbens stehenden Freund aus seelischen wie materiellen Verlegenheiten zu retten, wenn dieser sich auf der beschrittenen Bahn immer weiter von ihm entfernte ? Und was stürzte nicht alles mit jenen auf Hamaun gesetzten
—
Plänen
?
Gemeinschaftliches
Schaden
auf
literarischem
Gebiete,
Anregung im Verkehr mit einander, das Glänzen mit dem Freunde in dem Kreise, dessen Mittelpunkt Berens selbst war. Mit dem Momente, wo der junge königsberger Gelehrte in Folge gegenseitige
des unglücklichen Zwischenfalls
mit
der Tochter
des
gastfreund-
Hauses aus demselben und damit auch aus Riga für immer war alles dahin. Das konnte und wollte der Mäceu dem Undankbaren nicht vergeben. Die den seinen durchaus entgegengesetzten, nach seiner Meinung veralteten religiösen Anschauungen
lichen
schied,
Hamanns
—
boten den erwünschten Anlass
zu den Angriffen, welche
des Letzteren Gegner selbst in den Briefwechsel einfliessen Hessen,
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Silhouetten eines rigaschen Patriciergeschlechts.
mit jenem
den der Domschulrector Lindner
Lindner,
unterhielt.
von Hamann zum Vermittler in dieser Polemik erwählt, eignete wegen Mangels an Selbständigkeit und Math zu dieser Stellung wenig und seine Bemühungen hatten keinen Erfolg, so dass sich Berens’ Abneigung gegen den ehemaligen Freund in dem Grade
sich
steigerte, dass er
«Mischmasch von grossem Geiste
für einen
ihn
Während
und elendem Tropfe» zu erklären keinen Anstand nahm. Berens
es
nicht
verschmähte,
gegen des Gegners Person
zu
hof zu
reden,
«bald
Hamanns
haarscharf, wie
widerhakig, wie ein
spitz,
und
richten
Zuflucht zu Drohungen nahm, sind
Pfeil,
gar seine
schliesslich
um
Briefe,
eiu Schwert,
mit Dissel-
bald
geflügelt
bald wuchtig, wie die Keule eines
Hercules, bald unscheinbar, unbedeutend, aber
wie Schleudersteine Davids»,
direct
gelegentlich
Angriffe
seine
ohne jedoch
gefährlich
dabei
treffend,
Sache
die
und
Person mit einander zu verwechseln.
Wie erwähnt, war Hamann kurz nach Beginn
des Jahres
1759 in seine Vaterstadt zurückgekehrt -- und nur wenige Monate nöthigten
später
Familienverhältnisse
Königsberg zu unternehmen. sich nämlich ohne
Riga
entfernt,
Berens,
nach
Reise
eine
Sein jüngerer Bruder (Georg
Wissen und Willen
V)
älteren Brüder
seiner
hatte
aus
und nun lag ihm, Johann Christoph, die Pflicht ob,
den Flüchtling wieder auf den rechten
Weg
zu
leiten.
Kaum
hatte der ehemalige Lehrer seines Zöglings AnwesenKönigsberg vernommen, so suchte er alles daran zu setzen, habhaft zu werdeu. «Es ist mir,» schreibt er an Lindner, «unendlich viel daran gelegen, ihn selbst zu sehen und
heit in
um
mich
—
seiner
nach
dass er alle
seinen
Umständen zu erkundigen.
seine Zeit
durch einen Irrthum weil
er
die
an
öffentlichen Orten
seinen
Nachricht
von
Bruder Christoph des
Ich
habe
zubringe.
gehört,
Er
hat
gewaltig
beweint,
jungen Schwartz Tode
auf den
Ersteren misverstanden. Dieser Umstand von seiner Zärtlichkeit macht mir noch einige Hoffnung, da ich weiss, dass dieser Bruder ihn
gleichfalls
vorzüglich
geliebt.»
—
Bei
weitem
weniger mild
beurtheilte übrigens Berens den Fehltritt seines Bruders, da er ihn
«zu seiner Besserung in ein Loch stecken lassen wollte,
wo weder
Sonne noch Mond scheine». Die gleiche Theilnahme, wie für den jüngeren Bruder, hatte Hamann auch dem älteren, J. C. Berens, bewahrt, und es spricht gewiss für seinen versöhnlichen Charakter, dass, als er von seinem
Vater erfahren, Berens
habe
ihm
versprochen, ihn
zu
besuchen,
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10
Silhouette» eines rigaschen Patriciergeschlechts.
dieser aber sei» Verspreche» nicht gleich einlöste, ihn
ohne ihn jedoch zu Hause anzutreffen, aufsuchte. 2.
Juli (1759), erschien
Hamann, «der
schreibt
der
Abend
gestrige
Sie selbst
leicht
Freundes,
des Herrn Berens,
erachten, da ich
Er hat
beschlich.
ersehnte Gegner.
mich gewesen, können
für
ihn in der Gesellschaft unseres
zugebracht,
gewusst, dass
nicht
wiederholt,
—
Endlich, am «Wie angenehm,«
ihn
ich
unvermuthet
mich
der
Tage nach
drei
einander aufgesucht, und ich nicht, dass er mich zu sehen wünschte.
Ich
weiss,
Freund,
liebster
Theilen Uber gewisse Dinge
beiden
uns zu einem Misverständnisse vieler
verleitet
Eiue Appellation an Cäsar, den grossen Er-
hat.
—
oberer menschlicher Vorurtheile und Anschläge
meine erste
von
Unwissenheit
eine
und zu einem frevelhaften Urtheii über amphibische
Kleinigkeiten
Dinge
dass
und
letzte Zuflucht.»
—
Und
die Zeit
—
ist
Hamann
hierin sollte
denn auch thatsächlich Recht behalten, wenngleich eine völlige Beilegung der Differenzen, wie gesagt, erst nach Verlauf von Jahrzehnten erfolgen
sollte.
Berens war jedenfalls nicht der Mann,
um
einen,
noch
so
War
der Versuch, durch Lindners Vermittelung
kehrend
schnell
einzuwirken,
wenn auch
unverrichteter Sache aufzugeben.
gefassten Flau
Hamann
be-
und
der Schwächlichkeit
an
hauptsächlich
auf
Weichlichkeit des Ersteren gescheitert, so glaubte Berens in seinem
Freunde Kant nunmehr die geeignete Autorität gefunden zu haben. In Erfüllung des von ihm übernommenen Freundschaftsdienstes hatte der Professor der Weltweisheit
Hamann vorzugehen und
gegen
erst
es
versucht, zunächst allein
nachdem
er sich
von der Aus-
sichtslosigkeit seines Versuches überzeugt hatte, es für
angemessen
befunden, die beiden Gegner unter seiner Leitung mit einander den
Zweikampf des Geistes durchkämpfen zu grösserem Erfolge
wie
den Frieden
Magister» (Kant)
kleine
Hamann
die beiden
lassen,
zu schliessen.
mit «dem
um dann
mit desto
So wanderte «der
grossen Alcibiades» (Berens),
Freunde bezeichnet, und diesem Letzteren
Thoren Königsbergs nach dem nahe belegenen Trutenau zur dortigen Mühle, um seine Mission an dem hartnäckig eines Juliabends aus den
auf seinem Standpunkt
verharrendeu
Magus zu
erfüllen.
Widerlegung der religiösen Anschauungen Hamanns er von
dem Gegentheil überzeugt
mit Berens nicht schwierig.
War
sein
Nach
schien, sobald
würde, eine Verständigung
dieser Theil der
Aufgabe
gelöst,
dann
—
und das war das Endziel, wie es diesem vorschwebte
galt
es
jenen
aus
seiner Unthätigkeit
aufzurütteln
und
ihn
— zu
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Silhouetten eines rigaschen Patriciergesc h leehts
der
veranlassen, sich
11
.
wiede nun zu-
schriftstellerischen Thätigkeit
zuwenden.
gemeinsame Ziel der Wanderung war erreicht, «das Vergeblich hatte Abendessen im Kruge» verzehrt. in «sanft säuselnden Wahrheiten» ergangen, vergeblich
Das bäuerische
Berens sich
der Professor der Beredtsamkeit seinen Scharfsinn aufgeboten
:
der
Unverrichteter Sache und ohne
Gegner war nicht zu überzeugen.
anch nur eine Annäherung angebahnt zu haben, kehrten die drei Peripathetiker zur Stadt am Pregel zurück, wo jeder von ihnen Beschäftigungen wieder zuwandte.
sich seinen
Berens Thätigkeit
—
Gesundheit Tagelöhner,
mittag
jener
in
uns Hamann, wenn
schildert
bei
ganzen Tag
den
wie
Stadt,
Jahreszeit
—
Papieren
in
zittere für seine
arbeitet
wie
er,
ein
Nach-
ganzen
den
Er hat
Zerstreuungen.
in gesellschaftlichen
Charakter
dessen
«Ich
schreibt:
er
der jetzigen
beiden eine
in
Heftigkeit, deren ich nicht fähig bin, weil ich einen schwächlicheren
Leib und feigere Triebe habe.»
Wie maligen
nachhaltig die Spannung zwischen
Freunde
war,
Die Weisheit
sich fürchtet.
weil
sie
—
Schild
unter
sich
trägt
hat
für
verdeckt, und dieser
ihn
Die Weisheit
Medusenkopf.
ihm verächtlich und lächerlich gemacht, weil
Geschmack und zu wenig
welche Letzterer
im Kopf, für deren Lösung er sich ihm fürchterlich gemacht,
ihrem Schilde
einen
ihm und seinem ehe-
die Beurtheilung,
zeigt
von ihm zu erfahren hatte: «Eine Legion von Zweifeln
Urtheil
hat
sich
bei
einen schlechten
Wahl
der
in
sie
ihrer Lieblinge
unter den Vögeln zu erkennen giebt.» «
der stärkere Genius
Ein heimlicher Groll gegen mich, den
unserer Freundschaft
in
Fesseln
—
hält
seinen hiesigen Bruder, den er für
ein
verloren
bitterer
Gram um
und
im Wider-
hält
spruch mit dieser Einbildung retten will und zu retten glaubt.»
«Gieb deinen Bruder
auf,
nicht aufgeben, so glaube, dass die rechten Mittel, so
und die Mittel einen Abend,
werden
wo
wird
so
nach
gesegnet
er in grosser
Gesicht leugnete, ungeachtet er
bist
ihm zu
dir
Willst du ihn
du ruhig. helfen
ist
und
;
deinem Glauben
—
werden.»
Unruhe war,
«Ich
die er
mir immer ins
gegen seinen Bruder
suchte ihn damit zu beruhigen, dass Gott
sich
um
brauche
geschehen
besuchte ihn
eiferte.
unsere
Ich
Wege
bekümmere und unserer am meisten auf krummen wartete und hütete. Er fuhr darüber so auf, dass ich ihm unbegreifliche und
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»
12
Silhouetten eines rigaschen Patriciergeschlechts.
unverständliche Einfälle
vorsagte, dass
mich
ich
sunden Gliedern die Treppe herunter zu kommen
freute, mit
ge-
»
am
In einem Briefe an Kant, welcher ihn mit Berens
29. Juli
(1759) zu demselben Behufe besuchte, heisst es dann: «Frankreich,
und
das Hotleben
sein,
d.
Er
blossen Selbstgenuss
Hamann macht
auf Rechnung ihrer Tugend
und
In der Freundschaft, wie es,
in
in
diesem Briefe Kant, der «die Berens’ Gesellschaft
in
bringen pflegte, vor diesem warnt, demselben er mit seinen «Schwachheiten
über unter vier
Verweilen bis tief in
Augen
Tom
Berens'
zuzu-
zum Vorwurfe, dass
und Blossen, aus denen er ihm gegen-
kein Geheimnis gemacht, seine Gesellschaft
unterhalte.
handelspolitische
in
und Ehre.
der Liebe verwirft er alle Geheimnisse.)
indem er
langen Sommer- und Augustabende»
von gutem
mit lauter das mensch-
liebt
wie der Franzmann das Frauenzimmer zu seinem
liche Geschlecht,
Ja,
Umgang
des Letzteren,
h.
Calvinisten sind an allem Unglück schuld.
erheischten
Studien
Königsberg, so dass
den Herbst
hinein
er
längeres
ein
seinen Aufenthalt
Als
ausdehnte.
nun
daselbst
die Arbeiten
ihrem Abschlüsse entgegengingen und damit die Zeit seiner Abreise herannahte,
da mochte
Königsberg nicht
ihm
der Gedanke
Wusste
werden.
leicht
dass solche Abende, wie er
an er
das
von
Scheiden
ja doch im voraus,
hier im Ideenaustausch mit
sie
Kaut
ihm weder in Petersburg, noch auch in Riga bieten würden. Von der Aussichtslosigkeit weiterer Einwirkungen auf Hamanns Lebensanschauungen und dessen ferneres Schicksal überzeugt, und wol auch des Haders müde, mochte er fast täglich genossen, sich
gestimmt
diesem gegenüber versöhnlicher
sein.
Kurz,
es
bahnte
wenn auch keine gänzliche Aussöhnung, doch in so weit eine Annäherung der beiden Gegner an, dass sie wenigstens nicht in Unfrieden von einander schieden. Auch hierüber erhalten wir aus Hamanns Briefen Kunde. Unter dem 30. October 1759 meldet er nämlich seinem Bruder nach Riga «Mein Freund ist Sonntags abgereist und schickte gestern den Magister Kant, uns nochmals grüssen zu lassen. Herr Berens
sich,
:
hat mir alle die Achtsamkeit, Redlichkeit und Zärtlichkeit erwiesen, die gute
Freunde sich schuldig
sind,
wenn
sie sich gleich genöthigt
sehen, nach verschiedenen Entwürfen zu leben.
Während
Berens
nun
in
seiner
amtlichen
Deputirter seiner Vaterstadt, Petersburg wiederum
Stellung,
als
zueilte, sandte
der Theosoph seine «Sokratischen Denkwürdigkeiten für die lange
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»
Silhouetten eines rigaschen Patriciergeschlechts.
13
Weile des Publicums, zusammengetragen von einem Liebhaber der Diese kleine, das Motto aus Persiu«: langen Weile» in die Welt.
Jugend
dem lebendigen
Vortrage des jugendlichen Lehrers, staunten die Collegen über die
ungewohnte Milde
ihres neuen
A nitsgenossen,
mit
er den
welcher
und die Art und Weise, wie er diese leitete Die Vorstadtkirchen, von dem besseren Publicum
Schülern begegnete,
und an sich zog.
nur spärlich besucht, waren, nachdem er (am 25. April 1767) zum Adjunct des Stadtministeriums erwählt worden, selbst in den
bisher
Nachmittagsgottesdiensten
kaum mehr im
dächtigen zu fassen, wenn es
liiess,
Stande, die Zahl der
|
An-
dass der neue Predigeradjunct
—
Kanzel besteigen würde. Der geniale Jüngling hatte alles, was mit ihm in Berührung kam, für sich zu gewinnen gewusst, und wenn es hiervon eine Ausnahme gab, so waren es seine in der Orthodoxie erstarrten Amtsbrüder, welche dem freisinnigen Verkündiger der Humanität, dem unübertroffenen Redner nicht die
und Misgunst begegneten. Durch Hartknoch und Lindner mit den
selten mit Neid
bekannt geworden und führt; konnte es nicht und
dieser Familie,
znsehen, ganz
in
den
er
dem
geistigen Oberhaupte
solches ist J. C. Berens unzweifelhaft an-
als
besonders
bedürftige Seele
Gebrüdern Berens
deren literarisch angeregten Kreis einge-
fehlen, dass
nahe
Hatte Berens’ freundschafts-
trat.
schleunigen Rückzug
Hamanns noch immer
nicht recht verwunden, so bot sich ihm für den entmissteu Freund in
dessen Schüler Herder ein
um
so reicherer Ersatz
;
—
war
dieser
doch, wie Gervinus von ihm sagt, jenes Lieblingsschüler und Freund,
der ihn
gleich
Reizbarkeit häufig
anfangs
durch
seine
des Gefühles, welche
gefunden
haben
wollte,
jungfräuliche Seele
Hamann an jungen
anzog, dessen
und die
Livländern
kühne Geistesflüge
dem strengen Lehrer Achtung abnöthigten, der dessen scharfen und bitteren Ton ertrug und ihm Süssigkeiten unter die Neckereien streute.
Fehlte dem starren Geiste des Theosophen die Elasticität in Form und Ausdruck, so fand Berens iu dem jugendlichen Humanitätsapostel eine freimüthig unbefangene, in Blick und Sprache zwanglose Persönlichkeit, deren mitempfindendes, liebevolles
Grosse
um keit
und Gute
glühendes Herz
so sympathischer berühren
der
Fassungsgabe
,
eine
ihn
musste.
bei
unversiegbar
und für
alles
ähnlicher Beanlagung
Und dazu
eine Schnellig-
sprudelnde
,
oft
sich
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16
Silhouetten eines rigaschen Patriciergeschlechts.
überstürzende Quelle von Plänen und Ideen, welch einen unsagbaren
Reiz mussten diese Eigenschaften nicht auf ßereus' für alles Neue
—
so sehr empfängliche Seele ausüben ?
seinem Einzuge
in
Hatte Herder einst
bei
Königsberg über die Grösse und den Reichthum gestaunt, welche ihm im
der geränsch- und geschäftsvollen Stadt
Vergleiche zu seinem armen Mohrungen «eine halbe Welt; dünkte, so imponirte ihm in
Riga
die
von aristokratischem Geiste
besten Bedeutung des Wortes geleitete alt-reichstädtische
verfassung,
deren
von
Patriotismus
edelstem
der
in
Communal-
beseelte
Vertreter
ihn für höhere Ideen von bürgerlicher Freiheit, bürgerlichem Wollte
und weiser Wirksamkeit begeisterten. Sein reicher Genius hingegen lohnte die empfangenen Eindrücke durch vielfache Anregung höherer, über die Localverhältnisse hinausreichender Interessen, wie sie bisher hier
bei
kaum jemals geboten worden
seinem Scheiden
währte sich
in
im Verlaufe busch-,
eines Jahrhunderts
war.
Dieses von ihm
geistige Vermächtnis
hinterlassene
in
aber be-
Wirkungen noch nahezu
so reichem Masse, dass seine
den Wilpert-, Sonntag-, Seng-
Jochmaun- und Grave-Holteischen
Kreisen
ihren
Nach-
klang fanden.
Die kurz bemessene Spanne alle Verhältnisse mit einer
welche den Aufenthalt des
Zeit,
staunenswerthen Leichtigkeit beherrschen-
den Geistesheroen umfasste, war für Berens und dessen Gesinnungsgenossen gleich einem schönen, flüchtigen Traume dahingeschwunden.
Man
hatte hohe Pläne mit
dem genialen Gastfreunde, und
der
er,
Jüngling, noch höher fliegende Pläne für das Land, dessen Intelli-
genz er zu heben und zu beleben Allein
jene
von
ihm
Aussicht genommen hatte.
in
geplanten
Ideen
und
Eutwürfe,
sie
mussten doch der Einsicht weichen, dass die örtlichen Verhältnisse, wie glücklich er auch immer sich
ihnen
in
strebenden Geiste zu eng geworden.
fühlte,
seinem 'empor-
Als vollends seine
leicht erreg-
durch Anfeindungen aus den Kreisen seiner Amtsbrüder hart auf die Probe gestellt ward und eigene religiöse Zweifel und Bedenken in ihm rege wurden, auch endlich die anonyme Autorschaft der «Kritischen Wälder» für Deutschland in Frage gestellt zu sein schien, da war der Entschluss, diese
bare Empfindlichkeit
—
Lebensperiode, sein eigentlich goldenes Zeitalter, baldmöglichst
Abschluss
zu
bringen, in
seiner
leicht
empfänglichen Seele
zum zur
Reife gelangt.
Vergeblich waren die Vorstellungen vergeblich das Zögern
des Raths
bei
der bestürzten Freunde,
der Ertheilung der naclige-
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:
Silhouetten eines rigaschen Patrieiergeschlechts.
suchten Entlassung, welche ihm endlich unter dem in ehrenvollster
5./ 10.
17
Mai
176t)
Weise zu Theil ward.
Herders von langer Hand geplanter Abschied war seinen Verehrern und Freunden so plötzlich und unerwartet gekommen, dass
einzelne derselben sich
den Gedanken, die einstmals nur
in
vorübergehend aufgetretene Befürchtung, ihn zu verlieren (1767), nunmehr zur unabänderlichen Thatsache geworden, gar nicht zu finden vermochten. Am meisten schien Joh. dir. Berens von
sei
dem drohenden Verluste
Von Mismuth
betroffen.
erfüllt,
verlieh
den Domschulrector Schlegel
für den intellectuelleu Urheber Herder gereiften Entschlusses haltend, seiner bedrückten Seelenstimmung dadurch unverhohlenen Ausdruck, dass er den Rector für einen « Lumpenhund», dem man es zu danken, dass man Herder verloren, und diejenigen, die seines Theiles wären, für er,
des
in
.
»Flegels und Esels» erklärte.
Wie
Herders
Abreise
bevorstehende
die
im
Berensschen
anderen Gliedern aufgenommen und beurtheilt
Familienkreise von
wurde, dafür legt folgende kleine Episode einen redenden Beweis ab.
Wie
einst
an Hamann, so hatte Berens’ jüngerer Bruder Georg
sich jetzt an Herder geschlossen,
gelegenheiten rathend und
dem
AnWiewol jener
er in allen praktischen
zur Seite
helfend
trat.
damals nicht volle 30 Jahre zählte und somit nur 5 Jahre älter als Herder selbst war, pflegte dieser, dem dabei das « Bild eines Heiligen
der
alten
Welt» vorschwebte, jenen
ihm
eines
eigenen
Ernstes und einer gewissen Feierlichkeit seines Wesens halber, soum seiner hohen Rechtlichkeit willen den «antiken Berens»
wie
Georg Berens Herders was erklärlich genug ist, wenn in denen Georg
Bei seinem reichen Herzen hatte
zu nennen.
ungetheilte Zuneigung gewonnen,
wir uns Wilperts Aufzeichnungen vergegenwärtigen,
Berens
in
folgender Weise geschildert wird
«Wer
sein
Herz kannte, wer
halten wollte, den
schreckte
an seine hohe Rechtlichkeit
sich
nicht
der
alterthümliche Ernst, der
umzog, und die Censormiene, die er bisweilen annahm. Denn durch die Strenge seiner Worte und bei der Sehwermüthigkeit, die im denkenden Auge sich verbarg, leuchtete dieses Gefühl seine Stirn
und Mitempfindnng für Menschenwohl und -weh. wie
in
der Noth Anderen
Krankenbette Lohmanns ihren Särgen
mit
Biltiwlic N«n»U«-lirifl,
ihm Ban.I
Auch wusste
ein Menschenfreund, so
und Freunden ein innigst theilnehmender Freund
und Blulnns
habe
Redlicher
geweint. XXXV, H«ft
1.
ich
sein.
—
gesehen,
ihn
konnte
er,
unter Freuden
zu
Am an
keiner seinen 2
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Silhouetten eines rigaschen Patriciergeschlechts.
18
Freunden dienen, wie
den
er;
sie
lieben, mit ihnen
heiteren Scherz,
kannten seine Freunde mit
auch jubelnd erfreuen, Ernst,
beides
der Tafel, beim Kelchglase sich so
er
gern der Freude und
sich
er
sich
untersuchenden bei
;
dem Spaziergang, wo
so gut, wie auf überliess
den
ihm
mischte
gern
mittheilte,
sich gern in die
Gespräche Anderer.» 23.
Den Tag seiner Abreise hatte Herder auf Sonnabend, den Mai 1769, angesetzt. Mit einem Schiffe des Berenssehen Haud-
lungshauses
er
sollte
Begleitung des Commerzienraths Gustav
in
Zum
Berens über Kopenhagen nach Nantes.
war das bis
mit dem
Schiff,
anberaumteu Termine
das Land
der Dichter
verlassen wollte,
auf die Ausclarirung fertig und war die Besorgung dieser An-
Firma Carl Berens & Co. dessen
von dem Chef der
gelegenheit
Bruder Georg übertragen worden. Unmittelbar vor der Ausführung des ihm ertheilteu Auftrages in Erfahrung gebracht, der Regierungsrath Baron Campenhausen einer der einflussreichsten Gönner
dieser jedoch
hatte J. C.
,
Herders, habe den Letzteren noch kurz vor seiner Abreise zu sich beschieden,
um
ihn
lockende Aussicht
zum Bleiben auf eine
in
Riga zu bewegen, ihm die
Anstellung
als
Adjunct des
ver-
bereits
alternden Rectors des Lyceums Loder eröffnend.
In der Hoffnung, Herder würde,
am
festgesetzten
Tage
falls
das Schiff seines Bruders
nicht den Hafen verlassen
würde, Zeit zur
Ueberlegung des Campenhausenschen Planes gewinnen und das ihm
gemachte Anerbieten seines Gönners annehmen, beanstandete Georg Berens die Ausführung des Auftrages, entfernte sich aus der Stadt
und kehrte Bruders
des Abends
erst
zurück.
Eines
spät wieder
gewärtigt, wohl
gerechnet.
In der ersteren
aber
Lohn
Annahme
in der letzteren
Annahme
seine Unterredung
wie
Gegenstände
seines Planes
hatte er sich, als Geschäftsbittere
Vorwürfe
den unver-
für den wohlgemeinten Freundschaftsdienst
wohl aber sich erklärte,
das Comptoir seines
auf das Gelingen
mann, denn auch nicht getäuscht, da dienten
in
Empfanges hatte G. Berens
freundlichen
kaum
sich
betroffen,
letzterer
geirrt,
mit Campenhausen
auch
bildeten,
da Herder
aus Rücksicht
selbst
ganz andere für
seinen
jder zur Annahme eines Adjuncten nicht wohl zu bewegen gewesen, seinen Plan längst vorher schon fallen
ehemaligen Lehrer Loder, gelassen hätte.
Des folgenden Morgens, den Schiff ausclarirt, welches
24.
Herder und
Mai 1769, wurde denn ihm bis zur Rhede
die
das das
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Silhouetten eines rigasehen Patriciergeschlechts.
Geleit gebende Gesellschaft
bei
strömendem Regen,
19
unter Sturm
und Gewitter stromabwärts seinen hohen Zielen entgegenführte. Vor Lichtung des Ankers erschien Georg Bereits, mit den nöthigen Schiffspapieren versehen, an Bord und brachte Empfehlungs-
und Geld
briefe
Herder.
den
für
Dieser aber,
des letzteren
in
der Regel bedürfenden
dem vorsorglichen Freunde
seine wohlgefüllte
Börse zeigend, lehnte das wohlgemeinte Anerbieten mit den Worten ab:
«Sehen
Wilpert,
Sie,
ich
dem wir
bin
diese
—
versorgte
«und
nun,» so
schliesst
Aufzeichnung verdanken, seinen Bericht,
«nun hielt die Abreise nichts weiter
auf, er
war von uns auf immer
geschieden.» einigen Anhängern Herders gehegte Hoffnung auf Rückkehr des Dichters zu bleibendem Aufenthalte dessollte nicht in Erfüllung gehen. Das Dichtertalent brach sich unter günstigeren Bedingungen unaufhaltsam die ihm vorgezeichnete Balm zu dem Sonneutempel des Ruhmes
Die
von
eine baldige
selben
in
der Dünastadt
im deutschen Vaterlande.
Berens aber und der von ihm Mittelpunktes signation
den
beraubt,
kühnen
schauten
Flügen
gebildete Kreis, des geistigen
aus
der Ferne
des Geistesheroen
voll
stiller
nach,
sich
Reer-
freuend an jeder Kunde, welche von demselben oder über ihn nach
Livland herübergelangte.
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Aus dem Leben des rigaer Goldschmiedeamtes. Von
die St. ist
als
eine
gewerbegeschichtliche
Johannisgilde
das Interesse
das, im
Prof. Willi. Stiiila in Rostock.
in
namentlich
auf ein
welche
Ausstellung,
Riga um Ostern
die
1887 veranstaltete,
Handwerk gelenkt worden,
Range weit über den anderen stehend, richtiger vielleicht Kunst bezeichnet wird. Es ist jenes, welches den Haupt-
bestandtheil der Ausstellung, die silbernen und vergoldeten Pocale,
Trinkgeschirre, Löffel und Willkommenschilder lieferte
schmiedegewerbe. die schon auf
Die Leistungsfähigkeit,
desselben
der culturhistorischen Ausstellung
deutlich hervortrat, hat sich
glänzender Weise
bei
dieser Gelegenheit
Von den etwa 60 dem
gezeigt.
geräthen, insbesondere den Trinkgefässen aus
— das Gold-
in alter Zeit,
vom Jahre 1883 gleichfalls in
grösseren 17.
und
Silber-
18.
Jahr-
Laden geholt Legen diehatten, sind zwei Drittel die Arbeit rigascher Meister. selben mit einigen Ausnahmen auch nicht gerade von einem aussergewöhnlichen Grad künstlerischen Könnens Zeugnis ab, so ist doch die Wahrnehmung, dass die Goldschmiede jener Tage sich nicht auf die Anfertigung von Ringen und mehr oder weniger werthvollen hundert, welche die verschiedenen Zünfte aus
ihren
Schmucksachen und Zierrathen beschränkten, sondern regelmässig derartige monumentale Werke hervorzubringen pflegten, höchst erfreulich. Es giebt uns einen guten Begriff von den Fähigkeiten der Meister im Durchschnitt, wenn fast jede Werkstatt solche Stücke zu liefern vermochte denn es ist wohl zu merken, dass ;
jene
40 rigaschen Silberarbeiten
von
23
verschiedenen Meistern
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Aus dem Leben des herrnliren.
Aehnlicli
rigaer Goldschmiedeamtes.
war das Verhältnis
zwischen
21
einheimischen
und auswärtigen Geräthen auf der cultnrhistorischen Ausstellung. Unter 190 Nummern, die aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert stammten mitunter mehrere Stücke umfassend -- konnten 114
—
mit
Sicherheit
rigaschen
als
Ursprungs
nachgewiesen
Hiermit ist erwiesen, dass das Niveau, auf welchem Goldschmiede früherer Jahrhunderte gestanden haben,
war
und
ihn
zu nehmen bisher noch nicht
uns ein Einblick in die frühere Thätigkeit gegönnt, wie
möglich
war.
Sicherlich recht-
fertigt es sich bei solcher Sachlage, der Geschichte
ragenden diesen
Die und
werden*.
die rigaschen
kein niedriges
Gewerbes
Zweck
die
dieses hervor-
Aufmerksamkeit zuzuwenden und für nachfolgenden Blätter in Anspruch zu nehmen. seine
dem 14. Amts aufbewahrtes
beiden uns erhaltenen Schrägen der Goldschmiede aus 16.
Jahrhundert, sowie ein
in
der Lade des
Protokollbuch bieten das Material dazu. Allerdings kann die Entwickelung des Handwerks nicht von seiner Entstehung an bis auf die
wird selbst soll,
die Schilderung
dem Vorwurfe
können.
Allein
der
Gegenwart
verfolgt werden und
der Periode, die charakterisirt werden
Unvollständigkeit
die Studien,
sich
nicht
auf welchen dieselbe
sind vor Jahren gemacht, zu einer Zeit,
wo
die
entziehen
sich aufbaut,
Erweiterung und
neu aufzufindendes Material in Riga war. Gegenkann an solche Forschung seitens desselben nicht mehr gedacht werden, und so mag auch das Lückenhafte zu Nutz und Frommen glücklicherer Nachfolger immerhin ans TagesVertiefung derselben durch
selbst durch
den Verfasser nicht unwahrscheinlich
wärtig indess
licht treten.
Der Schrägen aus dem 14. Jahrhundert (1360) ist sowol in den Liv. anliq .*, als auch im Liv-, Ehst- und Curländischen Urkundenbuch* abgedruckt. Der Schrägen des 16. Jahrhunderts (1542) hat sich abschriftlich in dem im Besitz der alterthumsforschenden Gesellschaft in Riga befindlichen «Schragenbuch der
Monum.
Stadt Riga» erhalten, das im Jahre 1588 auf Anordnung des Raths-
herrn Evert
Hussmann angelegt wurde*.
Auch
ist
er in das er-
wähnte Protokollbuch eingetragen, dort indess wol durch Versehen des Abschreibers aus
Dass
dem Jahre 1532
datirt.
diese Jahreszahl nur auf einem Versehen beruhen kann,
ergiebt sich aus
dem Schlusspassus:
c
und
ist dcsse
schräge dorch de
ersamen und vorsichtigen herrcn Putroclus Kloclccn und her Johann Spenckhttscn, nu lor
tijd
verordnete awptherren ut befelch eines
erbarm
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Aus dem Leben des
22
rigaer Goldschmiedeamtes.
ruths den gedachten yoldschmeden averantwordet mit ernstlichem befehle sich allenthalven
darnach
hier genannten Rathsherren
to richten
und
wurden, wie
to
holden
>
gung erfuhr
Die beiden
aus Böthführs Rigischer
Rathslinie erhellt, erst im Jahre 1542 Amtsherren. dieser Schrägen durch Sigismund
Eine Bestäti-
August
1561, wie ich einer Antwort entnehme, welche das
II.
im Jahre
Amt
im Jahre
1740 auf eine vom Generalgouverneur nach ihren Statuten ergangene
Anfrage ertheilte. Es heisst darin Abermals eine Bestätigung des Schragens zugleich mit einer Erweiterung wurde den Goldschmieden durch Stephan Batory im :
,
Jahre 1582
zu
Die angezogene
Tlieil.
diesen Bestätigungen sind mir in den rigaschen Schragen-
büchern (im Besitze des Bürgermeisters Böthführ, des Wettgerichts, der Ritterschaftsbibliothek)
keine Abschriften
aufgestossen.
Ver-
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Aus dem Lebeu mnthlicl» Sind
des rigaer Goldschmiedeamtes.
erfolgt,
sie
ohne irgend
Inhalt der Statuten vorzunehmen.
eine
23
Veränderung an dem
Peter der Grosse, der bekannt-
lich von dem Zunftwesen eine sehr gute Meinung hatte und sogar denVersuch wagte, dasselbe in Russland einzubürgern*, wirdVerände-
kaum
rnngen
Was
für nötliig erachtet haben.
nun das Protokollbuch
betrifft,
über das sechszehnte Jahrhundert ich
durchgesehen habe, waren
Hand
ältere
versehen,
jüngere
nur noch
sind
Nicht alle
76, 77,
99 sind ganz
Eine
doppelt.
römischen Zahlzeichen
Ziffern
von
vorhanden Blatt
diese Blätter
1
I
sind beschrieben.
leer geblieben, andere
— 99
durch-
—
7,
10—39,
Blatt 7, 37,
nur theilweise benutzt
Die Handschrift wechselt beständig.
schwunden format,
arabischen
in
Auszüge
Die Blätter, die
zwar
Leider sind aber diese 99 Blätter nicht vollständig er-
vielmehr
76—99. worden.
so gehen meine hinaus.
hat die ersten 40 Blätter mit
eine
numerirt. halten,
nicht
p&ginirt, und
Der Einband
ist
ver-
;
es sind lose Schichten eines groben Papiers in Quart-
die
aber ursprünglich zweifellos zusammengeheftet waren.
—
Die Einträge erstrecken sich über die Zeit von 1482 1596. ist im ganzen als schwer leserlich zu bezeichnen
Die Schrift selbst
und ihre Entzifferung wird
überdies
Buch, wie es scheint, feucht
dadurch erschwert, dass das
gelegen hat.
Wenigstens
lässt
sich
nur so erklären, dass fast auf jedem Blatte die Hälfte des Eintrags verwischt
oder
bis
zur Undeutlichkeit
verblasst
ist.
Wenn
ich
trotzdem glaube im Wesentlichen richtig gelesen zu haben, so muss ich
immerhin für Namen und Zahlen um Nachsicht bitten. Bei der Abfassung dieses Amtsbuches war wol massgebend,
Denkwürdige, was im Lebeu der Zunft sich ereignete, für Nachwelt zu bemerken. Ein eigentliches Protokollbuch ist es
alles
die
nicht,
denn
weder sind
Lehrlingsverträge
oder Freisprechungen
Erwerbung der Meisterschaft vores als das «Buch der Aeltermänner» bezeichnen, denn von diesen stammen die Rechenschaften über Einnahme und Ausgabe, welche den Hauptbestandteil des Baches ausmachen. Einer dieser Männer schreibt auf Blatt 39b, oder Aufzeichnungen
handen.
Am
über
die
besten könnte
man
wie mir scheiut, in der Schrift des
«In verschriebene dato «einzuschreiben
wass
notig
ist ist
17.
Jahrhunderts:
mir diss Ambtes-Bueh zugestellet
hab gesehen
dass dass Buch
«anfencklich wol angefangen vornen an einzuschreiben, sein aber
«hernaeher etzliche gewesen, die balt hinden,
in die mitte,
«wieder vorne, nicht ordentlich geschrieben haben,
ist
bald
aber wie
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Aus dem Leben
24
von Anno
«zu sehen
des rigaer Goldscluniedeanites.
KiOO Folj I2ö ordentlich nach'ein ander
«geschrieben halt zu ende,
hab darumb (weilen noch uml umb die alten
«viel unbeschriebene folien sein
fast vorne
schrifften so
«noch darinnen sein nicht mugen bey seites setzen) ein Register «hinten gemacht die Folien zu ende
geschrieben
wirt zu
«kan werden,
kan
«
Buch
und wass
nuinmerirt.
register gesetz,
diss
nummer
die
ein-
verzeichnet
wol volgeschrieben
in richtigkeit
«werden.
«Auch ist in diesen huch nieistettheils geschrieben von «Rechnung was aussgegeben und entpfangen, weinig wass vor«gelauffen ist; «
ist
haben
schrieben
,
nur eine
oder
was vor
gesehen
wass darinnen
zwe, die
auch
ist.
die
ist
ge-
alte
hab ess vor gutt gesehen, dass
«schräge darinnen vorschrieben,
buch bleibt zur einnahm und aussgab und ein ander buch
«diss
war vorlaufft im Arnbte.» That je ausgeführt wurde, entMeine Auszüge weisen keine
«zuzurichten lassen dass einzuschreiben,
Ob zieht
diese gute Absicht in der
sich
meiner
Beurtheilung.
Bemerkung darüber
auf,
ob
ähnliche
wie
Bücher,
dies
in
letzten Zeilen angedeutete, mit Einträgen zur Geschichte des
werks sich
in
Theodor Beises «Das Goldschmiede- Amt zur Geschichte des Städte wesens, verlesen
in
Riga», ein Beitrag der 163. Versamm-
in
lung der Gesellschaft für Geschichte und Alterthumskunde
am
14.
den
Hand-
der Lade oder sonst erhalten haben.
November
1851®,
ergab
leider
für
in
Zweck
unseren
Riga keine
Ausbeute. 1
Als unter den
.
rigaschen Gewerbetreibenden
nach genossenschaftlichem Zusammenschlüsse es die
Goldschmiede gewesen zu
sein,
sich
welche
das regte,
allen
Bedürfnis scheinen
anderen mit
gutem Beispiele vorangingen. Wenigstens ist der ihnen am 25. Jan. 1360 auf ihren Wunsch vom Rathe ertheilte Schrägen, der die Verfassung enthält, nach welcher sie nunmehr ihr gewerbliches Leben richten wollen, der älteste aller rigaschen.
Und
es ist bemerkens-
werth, dass diese Ordnung überhaupt eine der ältesten ist, die uns von den Goldschmieden überliefert sind. Natürlich ist das Gewerbe ein uraltes
und machen bereits die Volksrechte Goldschmiede nam-
Auch wird uns schon aus dem dreizehnten Jahrhundert von der Verselbständigung der Goldschmiede Mittheilung gemacht, haft 10
.
die aus
dem Staude der Hörigen und Unfreien
sich heraufgearbeitet
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Aus dem Leben
des rigaer Goldschmiedeamtes.
25
und zünftig organisirt haben. So erseheinen tieuossenscliaften der Goldschmiede im Jahre 1231 in Braunschweig", in den Jahren 1258 und 1259 in Köln", im Jahre 1276 in Augsburg", im Jahre 1288 in Wien", im Jahre 1298 in Breslau", im Jahre 1300 in Erfurt", im J. 1330 in Magdeburg" u. s. w. Aber wir wissen von diesen ältesten Verbindungen nicht viel mehr, als dass sie überhaupt existirt haben. Die frühesten auf uns gekommenen ausführlichen Statuten und Rollen stammen aus dem letzten Drittel des vierzehnten Jahrhunderts. Der erste «Brief» der strassburger Goldschmiede ist vom Jahre 1362". Dann kommen die Goldschmiedeordnuugen von Konstanz und Ulm aus dem Jahre 1364". In Wien erhalten die Goldschmiede ihre Ordnung im Jahre 1366". Die «rechticheide der Goldsmede» zu Hamburg sind im In Wismar ertheilt der Rath den Jahre 1375 aufgezeichnet» Goldschmieden im Jahre 1380 eine Rolle*», in Reval 1393*», in Ulm 1394»', in Lüneburg gegen 1400»*, in Danzig 1418»*. Die 1
.
lübecker Rolle, die das Vorbild für eine ganze Reihe von Städten
gewesen zu sein scheint, ist uns sogar nur in einer Aufzeichnung vom Jahre 1492 erhalten. Die rigasehen Goldschmiede bezogen ihren Schrägen aus Ein Vergleich desselben mit der erwähnten späteren Lübeck. Redaction der Lübecker von 1492 lässt eine fast wörtliche Uebereinstimmung erkennen. Auch die Wismarer haben ihr Statut
wenn auch mit gewissen Abänderungen, geboten erschienen. Lübeck war eben der Vorort Hanse und durch eine rege gewerbliche Entwickelung ausgezeichnet, daher war es ganz natürlich, dass man sich dorthin wandte, um die in der grösseren Stadt gemachten Erfahrungen verwerthen zu können. Es war das ein Vorgehen, wie es in den So sehen wir städtischen Kreisen jener Tage oft beliebt wurde. beispielsweise Köln in einem Schreiben vom 16. Juli 1372 an
von dorther entlehnt»», wie sie local der
Breslau Auskunft über einige Satzungen der Goldschmiede geben»»,
und wendet sich im Jahre 1464 der Rath von Speier nach Strass-
burg
mit der Bitte,
ihm
raittheileu zu wollen»».
nommen
haben,
kann
Riga bestimmt werden. holt
dort geltende Goldschmiedeordnung die Revalenser ihren
mit der
deitt),
tu
eine
andere als
in
ist
Lubekc recht
doch weicht der Wortlaut ab,
der Paragraphen
Schrägen ge-
gleichen Sicherheit wie bei
In einzelnen Artikeln desselben
auf Lübeck Bezug genommen (talsc
men tu Lubekc folge
die
Woher nicht
der
ist
wieder-
ist,
«
alsc
die Reihen-
lübeck-rigaschen
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Aus dem Lehen
26
man
Rolle und hat
des rigaer Goldschmiedeamtes
jedenfalls eine selbständige Verarbeitung nach
gegebenem Muster vor sich. Dasselbe gilt für Hamburg und Lüneburg, bei denen der Vergleich der Statute mit dem lübecker wol eine Verwandtschaft, aber keine völlige Uebereinstimmung
Wie
nachweist.
Tage
die
trat,
Zuständen
weit
Aehnlichkeit
eine
schliesslich
den
in
werden wir im Verlaufe
den
bei
Städten
Regelung
der
in
zu
im allgemeinen wol gleichen
Hansebundes
des
nahe
genug
lag,
dieser Studie noch zu erkennen Gelegen-
heit haben.
Wie
Zünfte jener Tage, so hatten auch die Goldschmiede
alle
war
ihren Schutzheiligen, welcher St. Eligius
genannt
deutsch
abzuhalten
amptes
kost
brachten
er nieder-
Zwar
Eloy».
des
Eligius (den
heiligen
Der
die jähr-
December)
1.
Item de goltsmede, de in tmserme ampie, sollen des Die Rigaer mede holden uppe sunte Lögen dach. ihre Huldigung ebenfalls dar und errichteten ihm, heiligen Erasmus und der heiligen Katharina einen
sei
:
ihm
sowie dem Altar»“
oder, wie
«sunt
von 1453 verfügt (Art. 21), dass
am Tage
Amtskost
und
dem rigaer Schrägen keine Erwähnung.
in
revaler Schrägen aber liche
Loye»
«sunte
wird,
geschieht seiner
(in
welcher Kirche,
weiss
anzugeben), der
nicht
ich
Jahre 1495 am 25. October eingeweiht wurde. der Eligiustag ursprünglich
In
nicht nachweisen.
Dass auch
gefeiert wurde, lässt
Wismar hatten nach dem Amtsbuch der Gold-
schmiede dieselben gleichfalls dem heiligen Eligius einen Altar richtet.
Uebrigens
schmiede
allein,
schaft
der
wird der
Wien,
war unser
Heiliger
Patron
nicht
sondern aller Schmiede, wie denn
rigaer
billigen eruces
im
Riga
in
urkundlich
sich
Schmiedeknechte
ausdrücklich
z.
der
er-
Gold-
B. die Bruder-
.
es darauf an, das erschmolzene Silber, bevor es in den
Handel
kam, nach seinem Feingehalt zu bestimmen, damit der Käufer Hiernach wäre das nicht eine Probe anzustellen nöthig hatte. Silberbrennen in Reval ein Geschäft der Goldschmiede gewesen, während in Riga besondere Persönlichkeiten damit betraut waren 6 » und in den Hansestädten nach einem Recess vom .fahre 1373'", bei dem nur leider die sich verbündenden Städte nicht genannt sind, den Goldschmieden das Silberschmelzen ausdrücklich verboteu war.
Der Stempelzwang
findet sich unter den Städten des Hanseund mag vielzunehmenden Verschlechterung der Gold- und Silberwaaren Zusammenhängen. Im Jahre 1395 beschlossen die in Marienburg versammelten Sendboten aus Thorn, Elbing, Danzig und Marienburg, dass jeder Goldschmied seine Waare mit seinem Zeichen und dem Zeichen der Stadt versehe*'. Dreizehn Jahre später wird bei der Wiederholung dieses Beschlusses erläuternd
bundes zuerst bei den preussischen ausgesprochen leicht hier mit
hinzugefügt wisse,
:
welch
der
talso op das gut gebrechlich wtterde gefunden, das
goltsmyd
das
geniachet
Indess
habe •*.*
Neuerung doch auf manchen Widerstand gestossen zu
man noch
in
den Jahren 1445 und 1452 sich
nums
scheint
die
sein, so dass
genöthigt sah, von
neuem die Anbringung eines Zeichens einzuschärfen*». Die wendischen Städte scheinen nicht früher als im Jahre 1439 die Stempelung für nöthig erachtet zu haben. Erst der schon erwähnte Münzrecess aus diesem Jahre schreibt den Goldschmieden den Gebrauch des Zeichens vor, das auch hier nicht sogleich An-
-
in den folgenden Münz Verträgen von 1441 und 1450 immer wieder besonders betont werden musste'». Verlangt wurde nur die Stempelung von «grobem» Werk, d. h. also grösseren
klang fand, sondern
Geräthen. schmiedes
Es
die Anbringung des Zeichens des GoldDass neben die Marke des Verfertigers ein
genügte
selbst.
städtischer Stempel durch die Aelterleute zu setzen die wendischen Städte
gemäss
geht
dann
erst
die
im Jahre 1463".
lübeckisehe
Rolle
sei,
beschlossen
Diesen Beschlüssen
von
1492
vor.
Mau
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Aus dem Leben fertigte in
Lübeck
des rigaer Goldschmiedeamtes.
37
eine Tafel an, welche Abbildungen der Stempel
der einzelnen Meister enthielt und hängte dieselbe öffentlich aus.
In
der Goldschmiede aus dem 16. Jahrhundert ist der Stempelzwang allgemein vorgesehen, so in dem revaler von 1537, den Statuten
im rigaschen von 1542, im wismarschen von 1545, im hamburgischen In Dorpat scheint er im Jahre 1594 eingeführt worden Der Rath verlangte damals, dass die Goldschmiede das nach derselben Probe verarbeiteten wie die rigaschen Meister
vou 1599. zu sein. Silber
und schrieb vor,
Aeltermann,
dass
wenn
die
neben Arbeit
Stadtwappen darauf schlagen bereits
geübte Massregel, die
oder eine
Gadebusch
das Zeichen
nur
des Goldschmieds
richtig
für
sollte”.
befunden
Ob wir
der
wurde,
das
aber
hier
eine
wiederholt eingeschärft wurde,
Neuerung vor uus haben, geht aus der Mittheilung nicht
hervor.
bei
Die Verpflichtung der Aelterleute oder
Werkmeister, die Gold- und Silberwaareu zu prüfen, erstreckte sich übrigens nicht nur auf die Fabrikate der Amtsgenossen, sondern auch auf eingeführte.
wo
die
Da man
immer wissen konnte, von
nicht
Gegenstände kamen und wie die gesetzlichen Verfügungen
au den betreffenden Productionsorten lauteten, so
war
dies wol eine
Schntzbestimmung im Interesse der einheimischen Goldschmiede so gut wie im Interesse der Käufer.
Um
das einheimische Gewerbe
hoch halten zu können, bedurfte es der Fernhaltung minderDem Käufer aber wurde vermittelst Prüfung die Controle erspart, die er doch nur unvollkommen anstellen konnte. So wurde in Wien im Jahre 1366 bestimmt, dass alles Goldschmiedewerk, das anderswo gemacht war und in allezeit
werthiger Coucurrenzartikel.
dieser
Wien zum Verkaufe kommen
sollte,
vorher
von den
«
ztcain die
darüber gesetzet sind* beschaut werde, damit man niemand betrügen Die älteste lübecker auf Goldschmiede Bezug nehmende könne.
Verordnung von 1371 gestattete den « Meisterleuteu», waudelbares sie auf dem Markte feilgeboten fanden, anzuhalten Das aber konnte nur fremde Waare seiu, da die einheimische schon der Beaufsichtigung in der WerkGeschmeide, das
und vor den Rath zu bringen. stätte unterlag.
In Lüneburg waren die Werkmeister ausdrücklich
berechtigt, das Feilbieten von nicht
gutem Silberwerk durch Krämer In Riga ordneten
oder andere Persönlichkeiten zu unterdrücken.
Burspraken von 1376 und 1399 an, dass niemand von auswärts eingebrachtes Geschmeide verkaufen durfte, ehe es die Werkmeister
die
der Goldschmiede besichtigt hätten”.
sowol
im
Ausserdem aber
findet sich
rigascheu (Art. 16) als auch im wismarschen Schrägen
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Ans dem Leben
38 (Art.
14)
die
des rigaer Goldsrhmiedeamtes.
Bestimmung, dass die Kleiderhändler und Trödler
(cledersellersclie)
nur dann Gold- und Silberwaaren verkaufen durften,
wenn sie dieselben den Werkmeistern vorgelegt* hatten. Vielleicht war es hierbei nicht so sehr darauf abgesehen, die gute Beschaffenheit der Artikel festzustellen, als
die Althändier über den
War
die Gelegenheit
Erwerb der Stücke
herbeizufuhreu,
sich ausweisen zu sehen.
Verordnungen theilweise sicherlich der Gesichtspunkt massgebend, dass den Goldschmieden der Absatzkreis erhalten für diese
bleiben sollte, der
Käufer
sich
ihnen
leicht
an Schundwaare
verloren
gehen konnte, wenn der
gewöhnte, so lassen sich ausserdem
noch andere Bestimmungen nachweisen, welche darauf abzielen, den
Goldschmieden ihren Gewinn nicht verkümmern zu lassen.
Im
riga-
schen (Art. 3) und wismarschen Schrägen (Art. 2 ) war z. B. verfügt, dass die Goldschmiede für Wiederverkäufer nicht arbeiten sollten
und drei
in Lüneburg den Krämern und auswärtigen Goldschmieden nur Mal im Jahre, mit Ausnahme des Michaelismarktes und einiger
anderer (nicht namhaft gemachter) Messen, erlaubt, fertige Gold- und
Silberwaaren zu verkaufen.
minderwerthigem ist
Dr. Crull meint freilich von der wismar-
verhüten sollen, dass Käufer mit und Gold übervortheilt würden. Indess diese Auffassung nicht recht verständlich, da die Goldschmiede
schen Bestimmung,
sie
hätte
Silber
minderwerthige Fabrikate überhaupt nicht veräussern durften, also
auch nicht an Wiederverkäufer.
Dass diese letzteren durch irgend
welche Manipulationen den Feingehalt an den eingekauften Gegenständen hätten schmälern können,
ist
nicht gut denkbar und über-
auch ihr Verkauf unter Controle. Es konnte eine solche Verfügung demnach nur den Sinn haben, das Publicum darin bestärken zu wollen, dass es direct beim Producenten, nicht beim Zwischenhändler einkaufte, der die Waare vertheuerte oder den dies stand
Einkaufspreis herabdrückte. Prof. Willi.
Stieda.
sr*--»
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Die Fürstin Daschkow'
ie
Fürstin Katharina
fß Woronzow, Jahrhunderts.
An
ist
edler,
eine
Romanowna Daschkow, der
geh. Gräfin
bedeutendsten Frauen
des
18.
demüthiger Weiblichkeit weit zurückstehend
hinter Natalia Borissowna Dolgorukow, der vielgeprüften Dulderin
und einstigen Braut Kaiser Peters
1
II.,
ist sie in
der zweiten Hälfte
Die vorliegende Darstellung beruht auf den Mi-moires de la princesse
Dashknw, d'apres le manuscrit ree u et corrigc par lauteur, heransgegeben im Bande des ApxaBi Kusus Bopouttooa. Mocssa 1881, sowie auf der biographi-
21.
schen Skizze Katharina Hioaallccaro.
Romanowna Daschkow von D.
Mocssa 1884.
S.
223—443).
Memoirs of
Jt-
H-
Mrs Bradford the
princess
ladij of honnnr to Catherine II. ritten btj herseif, comprising of the empress and other correspotulencc. In two rol. London 1840. Die von ihm angeführten Stellen aus den Memoiren stimmen nicht immer
genau mit der französischen Ausgabe, deren 2.
:
W
Daschkow, Utters
Ilowaiski (Coxunenis
Ilowaiski hat die von
der Memoiren benutzt
besorgte englische Ausgabe
er
gar nicht erwiihnt, obwol die
Auflage seiner biographischen Skizze erst 1884, also drei Jahre nach dem Er-
scheinen
der
Ausgabe der Memoiren, lierausgegeben wurde. In englische Ausgabe zur französischen steht, ist noch gar
französischen
welchem Verhältnis
die
Bnrtenjcw, der Herausgeber
nicht untersucht worden.
deB Archivs des Fürsten
Bolche Untersuchung gewesen wäre, begnügt ihm veröffentlichten Textes zu constatiren, ohne auf weitere Untersuchungen einzugelien, ja ohne auch nur zu erwähnen, dass es bereits seit langer Zeit eine englische Ausgabe dieser Memoiren und russische
Woronzow, dessen sich,
die
Echtheit
Pflicht
des
eine
von
Uebersetzungen derselben giebt.
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40
Die Fürstin Daschkow.
des 18. Jahrhunderts in
Frau Russlands,
einzige
die
eine Rolle
die
der Politik, der Verwaltung und der Literatur gespielt hat und
neben
der Kaiserin Katharina
genannt zu werden verdient.
II.
Ihre Familie, die Woronzow, gehört zu den ältesten moskowimit
dem Vicekanzler,
seinem Bruder,
den Reichsgrafenstand erhoben Livland der
Name
Als Senator zeichnete er
worden.
Seine Tochter erwähnt, dass
sich aus durch strenge Gerechtigkeit. in
Roman ilarionowitsch war vom römischen Kaiser in
Ihr Vater
schen Bojarengeschlechtern.
ihres Vaters sehr geehrt werde: er
Senat stets die Inländischen Privilegien die
(Martha Iwanowna Ssurmin)
habe im
verteidigt und mit Erfolg
abweichenden Ideen anderer Senatoren bekämpft.
Ihre Mutter
war ausgezeichnet durch Schönheit,
Grazie, einen sanften Charakter und die Freundschaft der Kaiserin
Elisabeth
welcher
,
vor
sie
Thronbesteigung
wesentliche
1743, wurde Katharina
Romanowna
deren
Dienste geleistet hatte.
Geboren am von
17.
März
aus
der Kaiserin Elisabeth
Patlie
der Taufe gehoben,
ihr
war der Thronfolger, der nachmalige Kaiser Peter ihren Memoiren,
hatte das Unglück,» schreibt sie in
zweiter
«Ich
III.
«zwei Jahre
meine Mutter zu verlieren, von deren Tugenden, deren Edelmuth und feinem Gefühl ich nur von Anderen hörte, die ihr Bealt,
wunderung und Dankbarkeit bewahrt
kam
alt war,
ich in das
Als
hatten.
ich
vier Jahre
Haus meines Oheims, um anders erzogen
zu werden als blos durch die grenzenlose Liebe einer Grossmutter.»
Da
damals noch jung, ein zerstreutes Leben führte, Oheim Michael Ilarionowitsch Woronzow ihre Erwar eine Cousine der Kaiserin, eine geh. Gräfin Skawronska, und das Haus des damaligen Vicekanzlers ihr Vater,
übernahm
ihr
ziehung.
Seine Frau
eins der
vornehmsten
zeichnet.
und
Die Kaiserin
durch feine aristokratische Sitte ausgebesuchte
zärtlich gegen ihre Pathe.
das
Haus
oft
war
und
stets
Katharina Romanowna wuchs mit ihrer
Cousine, der einzigen Tochter des Vicekanzlers, Anna, nachmaligen
Gräfin Stroganow, zusammen auf.
wir hatten
dieselben
Lehrer,
«Wir
wir
theilten dasselbe
gingen
gleich
Zimmer,
gekleidet,
wir
wurden gleich behandelt, und niemals sind zwei Personen in allen Perioden ihres Lebens einander unähnlicher gewesen als wir: eine
Warnung
für die, welche nach abstracten Theorien
vorsehreiben wollen.»
Von
ihren Geschwistern
ihrem Bruder Alexander vertraut. grössten Tlieil
seines
Lebens
in
die
war
Erziehung
sie
nur mit
Ihren Bruder Ssemen, der den
England
verbrachte,
kannte
sie
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:
Die Fürstin Daschkow. nur wenig.
Ihre älteren Schwestern
4L
Marie
und Elisabeth waren
Hof gekommen, sie sah sie nur selten. Ueber ihre Erziehung schreibt sie Mein Oheim sparte nichts, uni uns die besten Lehrer zu verschaffen, und nach damaliger Anschauung waren wir ausgezeichnet schon früh an den
•-
erzogen
wir
:
sprachen
französisch,
fliessend
lernten
italienisch,
deutsch und russisch, letztere Sprache freilich nur wenn wir gerade
Last verspürten
,
zeichneten
etwas und
tanzten gut.
Bei liebens-
würdigem Benehmen, guten Manieren, Tact musste man uns
Was
ausgezeichnet erzogen halten.
unser Herz und
aber
hatte
unseren Geist zu bilden ?
man
Nichts
!
für
getliau,
um
Mein Oheim
hatte keine Zeit dazu und meine Tante weder Lust noch Geschick.
Da bekam ich so
ich die Masern und diese Krankheit ward Ursache, dass geworden bin, wie ich bin. Von Kindheit auf wollte ich so, wie ich liebte, und als ich 13 Jahre alt zu be-
geliebt sein
merken glaubte, dass ich eine solche Liebe nicht hervorrief, fühlte ich mich vereinsamt. Damals war, um den Grossfürsten Paul vor Ansteckung zu bewahren, durch Ukas verboten, dass Personen, in deren Häusern ansteckende Krankheiten waren, bei Hofe erschienen. Man schickte mich also aufs Land. Die Damen, die mich be-
Nach meiner Auffassung fühlte ich mich der Umgebung zärtlicher Verwandten und Freunwar trostlos. Eine tiefe Melancholie bemächtigte Mein Frohsinn, meine zu Scherzen aufgelegte Leb-
gleiteten, liebte ich nicht.
nur glücklich dinnen. sich
Ich
meiner.
in
haftigkeit verwandelten
ward schweigsam und Sache wirklich kannte.
Augen, so warf
iu
sich
in
Ernst und Nachdenklichkeit
mich gekehrt, ich sprach nur,
Kaum
erlangte ich
ich mich mit Leidenschaftauf die Lectüre:
Montesquieu, Voltaire und Boileau wurden steller.
wo
Von da an
begriff ich, dass eine in
ich
:
ich die
den Gebrauch meiner Bayle,
meine LieblingsschriftEinsamkeit verbrachte
Anstatt wie früher das nothwendig unerträglich sei. Mitgefühl Anderer zu suchen, zog ich mich auf mich selbst zurück und suchte die Kräfte meines Geistes zu entwickeln, Muth, Festig-
Zeit nicht
keit
zu
und innere Ruhe, welche uns befähigen, über den Verhältnissen Als ich zurückkehrte, war mein Bruder Alexander
stehen.
niemand in meiner Umgebung, Aufmerksamkeit widmete. Doch war ich
nach Paris gereist, ich hatte nun der
mir
eine
zarte
ruhig und zufrieden unter meinen Büchern und glücklich,
mich mit Musik beschäftigen konnte
;
wenn
ich
ausserhalb meines Zimmers 3 **
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Die Fürstin Daschkow.
42
war
Das anhaltende ganze Nächte hindurch fortgesetzte Lesen und der abnorme Seeleuzustand ich traurig
und fühlte mich gedrückt.
schwächten meine Nerven und
krankhafte Zufälle herbei,
führten
welche meinen Oheim beunruhigten und sogar Kaiserin hervorriefen.
have behandeln. achtet
Dieser erklärte, nachdem er mich sorgfältig beob-
mein Organismus
hatte,
Theilnahme der
die
mich durch ihren Leibarzt Boer-
Sie Hess
sei
gesund
völlig
und jene
be-
unruhigenden Erscheinungen könnten ihren Grund lichen
nur in gemütliwurde von deu Meinigen mit Da diese Fragen jedoch weder viel Gefühl, noch
Aufregungen
Fragen bestürmt. viel Interesse für
haben.
Ich
mich verriethen, konnten
mir hervorrufen, die übrigens nur grosser Empfindlichkeit, enthüllt,
vielleicht
ausgesehen hätte.
gar
ein
sie
keine Offenheit bei
wirres Bild meines Stolzes,
zu genügen Vorwürfe gegeu meine Verwandten
mir
meines Strebens
wie
allein
Ich verschwieg daher meinen Seelenzustand und
Auch
schob alles auf Nerven und Kopfschmerzen.
gewann mein Geist an Kraft und Stärke. Von jeher interessirte mich die Politik. begierde belästigte ich
alle
in dieser Krisis
Durch meine Wiss-
Ausländer, Künstler, Gelehrte, Diplo-
maten, welche meinen Oheim besuchten.
Ich befragte einen jeden
über sein Vaterland, die Regierungsfonn und die Gesetze desselben.
Schuwalow, der Günstling der Kaiserin, erfuhr von meinem Eifer und versorgte mich mit allen literarischen Neuigkeiten aus Paris. Diese Aufmerksamkeit war für mich eine Quelle grossen Genusses. Mein ganzes Taschengeld verausgabte ich für Bücher. Im ersten Jahre meiner Ehe kaufte ich mir die Grosse Encyklopädie I. I.
und das Wörterbuch von Moreri.
Kein noch so theurer und schöner
Schmuck hat mir jemals halb so viel Vergnügen gemacht, wie Mit meinem Bruder Alexander begann ich eine fortgesetzte Correspondenz. Ich berichtete ihm, was bei Hofe, in Diese Correspondenz trug der Armee und in der Stadt vorging. dazu bei, meinen Stil auszubilden und ilun seine Kürze und Prägnanz dieser Erwerb.
zu verleihen^
Das
ist alles,
Ist
in
dieser
was wir von Darstellung
ihrer Jugendzeit wissen.
der
61jährigen
Frau
über
ihre
Jugendjahre auch manches aus späterer reiferer Auffassung hineingetragen, vielleicht
haben wir
in
manches
derselben
doch
verschwiegen, ein
anderes
vergessen, so
im wesentlichen richtiges Bild
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Die Fürstin Daschkow.
Aufgewaohsen
Entwickelung.
ihrer
einer Mutter, mit tiefem Gefühle
Vom
sich selbst gestellt.
wo
sellschaften,
sie
auch
Gesellschaft, so doch
nicht
Die Lectüre ernster,
langweilte.
über
Geist
ihren
bildete
hob
Dazu kam, dass
über deren Kleinlichkeiten. ihr
und
der damaligen
die Vorurtheile
glänzende Erscheinung war:
sie keine
beobachtend
früh
Jahre an der Aufsicht einer Gouverfast völlige Freiheit, besuchte nur Ge-
nicht
sich
sie
gewohnt von einer
dessen
findet sie sich in früher .lugend aut
philosophischer Schriften
empor, wenn
Fürsorge
13.
nante enthoben, genoss sie
besonders
liebende
begabt, früh
Kaiserin verwohnt zu werden, in Folge
und Anerkennung verlangend,
43
ohne die
kluges
ausdrucksvolles
kleinem Wüchse hatte sie
Gesicht hatte fast männliche Züge, bei
Bewegungen. Solche Personen entwickeln sich durch Ausbildung des Geistes und Charakters allein
lebhafte, energische früh,
denn
können
sie
Ueberlegenheit über ihre
körperlich
schöneren Alters-
genossinnen erlangen. Alle
Umstäude beförderten eine rasche Entwickelung
diese
ihres Geistes, ihrer Energie, aber
auch ihres Selbstbewusstseins und
Stolzes.
Ihr fehlte wie eine mütterliche Freundin, so der mildernde
Einfluss
warmer gegenseitiger Freundschaft.
Fünfzehn Jahre
verliebte sie sich unter Umständen, welche ihrer
alt,
Wahl den roman-
Schimmer einer höheren Fügung verliehen, in den schönen Fürsten Daschkow, einen vollendeten Cavalier. Die Kaiserin bewies tischen
auch hier ihre Herzensgüte und mütterliche Freundlichkeit. zeitig knüpfte
sich
schreibt darüber:
und die Grossfürstin, welche genannt wurde.
der F'olge Katharina
in
der Lectüre widmete.
ich
meine ganze Zeit dem Studium und
Das hat mir
Achtung erworben und
ihre
meiuen ganzen Lebenslauf beeinflusst, mich stellt,
auf welchem
zu
stehen
ich
gab damals ausser der Grossfürstin welche sich
mit
Sie
die Grosse
Sie hatte durch die fremden Diplomaten von mir
sie wusste, dass
gehört;
Gleich-
der Thronfolgerin.
mit
die F'reuudschaft
«Im selben Winter besuchten uns der Grossfürst
ernster Lectüre
auf ein Piedestal ge-
Es
niemals erwarten konnte.
und
mir
keine
beschäftigten.
Wir
zwei Frauen, fühlten eine
gegenseitige Wahlverwandtschaft und der Zauber, den sie ausübte,
wenn
sie
jemand gewinnen
junges Ding,
Schwung
um
ihrer
besass, prägten ihr Bild
war zu mächtig für ein 15j übriges immer mein Herz zu weihen. Der
wollte,
ihr nicht für
Gedanken, in
die
umfassenden
mein Herz
Kenntnisse,
die
sie
und meinen Geist mit den
Attributen eines von Natur bevorzugten Wesens, dem ich mich für
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44
Die Fürstin Daschkow.
immer weihte.
Dieser lange Abend,
manchen späteren Ereignissen.» ehrung für die Thronfolgerin.
wo
nur mit mir sich
sie fast
wurde der Grund gelegt zu
Hier
unterhielt, erschien mir kurz.
Ihr Bräutigam
Diese
warme
ihre Ver-
theilte
begeisterte Liebe für die
Grossfürstin und nachmalige Kaiserin hat sie mit unerschütterlicher
Treue
Leben hindurch bewahrt, obwol
ihr ganzes
ihr
keine volle
wo
Gegenseitigkeit entgegengebracht wurde, treu liebend auch da, die
Gunst der Kaiserin
sich
von ihr
und deren Ungnade
wandte
Sie verzeichnet solche Abschnitte ihres Lebens
sie traf.
mit ein-
fachen Worten, aber nirgends findet sich ein abfälliges Urtheil, ein
Wort über
feindliches will,
die Person der Kaiserin,
was um so mehr sagen
wir wissen, dass die Memoiren so geblieben sind, wie
als
sie
dieselben zuerst niederschrieb, dass sie nicht an denselben gefeilt hat.
wurde Mutter eines Tochterleins. Das folgende Jahr verbrachte sie in Moskau, wiederholt getrennt von ihrem Manne, was sie nur schwer ertrug. Ihre leidenschaftliche Liebe, die keine Hindernisse und keine Vorsicht kannte, hätte ihr fast das Leben gekostet. Sie genass eines Sohnes und Sechzehn Jahre
fiel
28. Juni
1701
sie sich
Tag
der
nur langsam erholte.
kehrte sie nach Petersburg zurück.
wunderschöner Tag, schreibt
ein
dieser
heiratete sie und
schwere Krankheit, von der
in eine
Am war
alt,
sie,
bemerkensweitheste
und
12
«Es
Monate später wurde
ruhmvollste
für
mein
Vaterland.» Sie lebte blühte,
in
einem Jahrhundert,
wo Russland
war und noch 35
bereits
wo
die
politische Intrigue
32 Jahre von Frauen regiert worden Frau des vorigen .Jahr-
«fahre von der grössten
hunderts regiert wurde, welche sämmtlicli, nachdem Peter der Grosse die alte
Thronfolgeordnung aufgehoben
zur Regierung gelangt waren
—
energischer Charakter, schon früh
zu directer Thätigkeit der
angeregt
politischen Intrigue.
fürstlichen
scheinen.
da in
hatte, durch Staatsstreiche
musste
ein
der Politik
fühlen.
Sie
so selbständiger
bewandert, sich
lebte
bald
ganz
Das junge Paar wurde an den
Hof gezogen, täglich sollten sie beim Obwol ihre ganze Familie zur Partei
in
gross-
Grossfttrsten er-
des Grossfürsten
gehörte und ihre Schwester die Hauptrolle spielte, schloss sie sich
der Grossfürstin an.
Die
Ermahnungen des Grossfürsten,
sich
Worte und gelehrte Lectüre fangen zu lassen, durch kecken Widerspruch und spielte die Rolle eines naiven verzogenen Kindes. Ihre Memoiren enthalten darüber nicht durch schöne
beantwortete
sie
pikaute Schilderungen.
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Die Fürstin Daschkow.
Mit der Sohn der
war
(Trossfürstin
sie
45
lebhaftem Verkehr.
in
letzteren, der Grossfürst Paul, befand
Kaiserin, es
war der Mutter nur
Der
sieh stets bei der
gestattet, ihn einmal wöchentlich
zu sehen, auf der Rückfahrt nahm die Grossfürstin stets die Fürstin
Waren die Damen sich auf den ganzen Abend. zusammen, so correspondirten sie doch sind uns nur einige
Daschkow mit nicht
;
Briefe der Grossfürstin erhalten, weil letztere, von Spionen umgeben,
Den Ausgangspunkt
die Briefe, die sie erhielt, sofort vernichtete.
der Correspondenz bildete das gemeinsame Interesse an neuen rarischen Erscheinungen.
Grossfürstin zeige
sich
Ilowaiski bemerkt,
den Briefen
in
lite-
der
Gemachtes, wenig Offenheit und eine
viel
bewusste Absichtlichkeit, ein
gewandtes
Spiel
mit
Worten,
das
Streben, die Frau, deren Begabung und Fähigkeiten, deren selbst-
und energischen Charakter
bewussten
erkannt
sie
habe, an sich
zu fesseln.
Die
öffentlichen Verhältnisse halten sich
allmählich so zuge-
Die Kaiserin
dass sie einer Entscheidung entgegentrieben.
spitzt,
Elisabeth
hatte
bei
grosser
Herzensgüte
keinen Sinn für Staatsgeschäfte, belästigt werden.
sie
gegen
wollte
ihre
Umgebung
Ruhe haben und
nicht
Sie liess die Dinge gehen, wie sie eben gingen.
Die Erziehung des Grossfürsten war schon
von Jugend
auf noch
in Holstein durchaus vernachlässigt und durch die Umgebung am Hofe nicht verbessert worden. Die Kaiserin war höchst unzufrieden mit ihm. Durch Tactlosigkeit hatte Peter nicht nur die
Geistlichkeit, sondern letzt,
auch
das
religiöse Gefühl
des Volkes ver-
durch Pedanterie war er bei der Garde unbeliebt, durch Un-
beständigkeit und Schwanken stiess er jeden von sich ab, der für
Russlands
Grösse
ein
Herz
hatte.
Seine
Haltlosigkeit
und die
Unsicherheit und das Unleidliche ihrer Lage hatten seine Gemahlin veranlasst, daran zu gehen, sich selbst
doch war der zuerst
viel
eine Stellung zu schaffen
;
versprechende Versuch, durch den Reichs-
kanzler Grafen Bestushew, der es
Katharina die einzig mögliche Nachfolgerin der Kaiserin Elisabeth sei, Einfluss auf die Politik zu erlangen, durch des letzteren Sturz gescheitert'. Sie war bei der Kaiserin in
Ungnade
begriff, dass
gefallen und als diese sich zu mildern schien,
hatten die Intriguen französischer uud österreichischer Diplomaten
dafür gesorgt, dieselbe aufs neue hervorzurufen. erfuhr die ganze Schwere derselben.
’
Siehe
«las
Die Grossfürstin
Sie lebte in völliger Zurück-
Detail bei Briiekner, Kathariua
ilie
Zweite.
S 48—72.
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Din Fürstin Daschkow.
46 gezogenheit, scheinbar
Je mehr
sie ihre
ergeben
Umgebung
über ihre
die Möglidikeit
sie
nur
ihr Loos, aber
in
Ueberlegenheit
so entschlossener suchte
seheinbar. fühlte,
um
Handeln vorzu-
zuin
In späterer Zeit liebte sie sidi dessen zu erinnern, dass
bereiten.
beim Betreten des russischen Bodens sich gesagt hatte «hier werde ich regieren.» Nachdem sie den Urossfürsten und ihre Umgebung kennen gelernt hatte, ging sie mit meisterhafter Kunst an sie
:
Wenn
die Erreichung dieses Zieles.
verloren schien, begann
alles
e
mit
sie
i
scheiterte und
n Versuch
unnachahmlichem Geschick
einen weiteren vorzubereiten, vor allem sich Freunde zu erwerben.
Mitte December
des Jahres 1761
erklärten die Aerzte,
die
Kaiserin habe nur noch einige Tage zu leben. Die Fürstin Daschkow, obwol bettlägerig, begab sich um Mitternacht zu Fuss in das Palais, es gelang ihr, uubemerkt auf der Hintertreppe in dasselbe zu gelangen. Völlig unbekannt in diesem Theile des Schlosses, trifft
Kammerfrau der
sie zufällig die
Grossfürstin, die
Begegnungen bewahrt und auf
lichen
Die Grossfürstin, obschon
Vorwürfen, dass
sie ihre
sie
Gesundheit aufs Spiel
««Was
mit
liebreichen
setze, lässt sie sich
aufs Bett setzen und ihre Füsse erwärmen, ehe erlaubt.
vor bedenk-
sie
ihr dringendes Bitten meldet.
im Bett, empfängt
sie
ihr
zu reden
—
mir?»» «Meine Unruhe die Kaiserin nftr einige Stunden zu leben, was
führt Sie zu
hat nur einige Tage, vielleicht
ist Ihr Plan? Wie wollen Sie sich schützen gegen die Gefahren, die Ihnen drohen ? Befehlen Sie über mich!» Ein Strom von Thräuen antwortete mir. ««Ich habe keinen Plan! ich werde muthig allem begegnen, was mir bevorsteht, ich vertraue auf Gott!»» 1
«Dann müssen Ihre Freunde handeln,
ich scheue vor keinem Opfer.» setzen Sie sich keiner Gefahr aus! Wenn Unglück widerführe, würde ich mir ewig Vorwürfe Ausserdem, was könnte man unternehmen ?>> «Alles,
««Um
Gott, Fürstin,
Ihnen
ein
machen.
was
ich jetzt
Sie,
gnädige Frau, compromittireir könnte;
dass ich nichts thuu werde, was wenn ich leide, werde Grund haben, sich meiner ErgebenVerbindung mit irgend einem Kummer oder Unglück für
sagen kann,
ist,
ich allein leiden, Sie sollen nie heit in
Ihre Person zu erinnern
»
Die Grossfürstin
massigen, aber ich unterbrach sie «Ich muss fort!»
aus:
Sie
;
ihr die
wollte
Hand
meinen Eifer
küssend, rief ich
umarmte mich und wir blieben
einige
Es war «las Gerücht verbreitet, der Grossfiirat, auf den Thron gelangt, werde seine Gemahlin verstosseu, in ein Kloster sperren und Elisabeth Woron1
zow
heiraten.
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:
Die Fürstin Dasclikow.
Augenblicke alles
und
an
fest
theilte
einander
47
geschlossen.
Mein
Mann
billigte
mir mit, dass mein Oheim, wie jeder wahre Patriot,
mit grossen Befürchtungen
dem bevorstehenden Regierungswechsel
entgegensehe.
Am sechs
Weihnachtstage
Wochen
aufgebahrt.
starb
die Kaiserin.
Die Leiche blieb
In dieser ganzen Zeit bewies die junge
Kaiserin ihre Ueberlegenheit in ihrem Verhalten vor
dem Publicum.
Sie erschien täglich in tiefer Trauer und tactvoller würdiger
am Sarge
Haltung
zu den Todtenmessen, was allgemeine Sympathie erregte,
während Peter III. sich kaum zeigte oder, wenn er kam, stets an den wachthabenden Offizieren und Soldaten etwas zu rügen hatte Die oder spöttische Bemerkungen über die Geistlichen machte. Massregeln, die Peter
ergriff,
erregten allgemeine Unzufriedenheit
Einführung der preussischen Uniform, das Abbrechen des Krieges gegen Preussen, die Ernennung unbeliebter Commandeure in der
die
Garde, die Vorbereitung eines Krieges gegen Dänemark. Die Fürstin schildert in ihren Memoiren ausführlich, in welcher Weise sie der Kaiserin Freunde und Anhänger zu gewinnen, Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen und Allen stets den Hauptzweck vorzuhalten wusste. Es erregt unser Staunen, mit welchem Tact, mit welcher Energie und Gewandtheit die 19jährige junge Frau handelte. Die Kaiserin hatte ihre eigeue Thätigkeit vor der jugendlichen lebhaften Frau stets geheim gehalten und erst der Tact, die Umsicht und Entschlossenheit, die sie in ihrem Auftreten ihr gegen-
über bewies, hatte sie überzeugt, dass sie ihr vertrauen könne.
Garde war von Beiden ausgegangen, Gebrüder Orlow, von der Fürstin seine Freunde Passek, Lassunski, Roslawlew ßredichin. In den vornehmen Kreisen wirkte die Fürstin persönlich. Sie gewann ihren Oheim, den Erzieher des Die Eiuw'irkung auf
von
der
Kaiseriu
Daschkow durch
durch
ihren
die
die
Mann und
,
Rasumowski u. a. Der Erzbischof von Nowgorod, der
Grossfürsten Panin,
noss,
ergriff aus
eigenem Antrieb,
um
ein grosses die Stellung
Ansehen geder Kirche
besorgt, die Partei der Kaiserin.
Dem
Kaiser gegenüber spielte die Fürstin die Rolle des verfort mit einer Keckheit, dass sie aus seiner Um-
zogenen Kindes
gebung einmal das Wort hörte: «Das ist ein Satan, aber keine Frau!» Diese Frau aber setzte ihre Thätigkeit unermüdlich fort; sie dachte an alles. Als der Kaiser und die Kaiserin nach
—
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Die Fürstin Daschkow.
48
Peterkof zogen, ordnete
der Kammerdiener der letzteren
sie an, dass
Miethwagen und Pferde
stets einen
jeden Augenblick nach Petersburg
Die Zahl der
in
bereit halte, damit die Kaiserin
kommen
könne.
war sehr
Sache Eingeweihten
die
gross.
Als die Soldaten unruhig wurden und nicht mehr warten wollten, liess die.
Fürstin ihnen sagen, dass sie
Dadurch, dass
beruhigte
man konnte
sich
Namen
sie gestattete ihren
Es war
ängstliche Gemüther.
sie
halten
sollten,
Nachrichten von Ihrer Majestät, es stünde alles
sie erhalte täglich
gut.
ruhig
sich
über
Beginn
den
nicht
nennen,
direct zu alles
aber
bereit,
einigen,
es
fehlte
der
Entschluss oder vielmehr ein Anstoss.
«Am
Nachmittage des
27. Juni
Orlow bei Mein Onkel,
erschien Gregor
und berichtete, Capitän Passek sei verhaftet. Graf Panin, der gerade bei mir war, bewies, das habe nichts zu bedeuten, er werde ein Disciplinvergehen begangen haben. Ich behauptete, der Moment sei gekommen. Wir konnten uns nicht einigen und Orlow wurde abgesaudt, Erkundigungen einzuziehen er sollte mich und Panin benachrichtigen. Als die Herren mich verlassen hatten, machte ich mich zu Fuss auf die Strasse. Plötzlich sprengt ein Reiter daher. Ich habe das Gefühl, er eile zu mir, und rufe aufs Gerathewohl Orlow mir
—
!
:
Er kam, um zu berichten, Passek Doch warum steheu wir hier
Es war Alexei Orlow. sei als
Staatsverbrecher verhaftet.
«Weil
auf der Strasse? setzte er hinzu. ist.
Benachrichtigen
mentern,
Brüder sie
um
haben.*
Brüder Orlow in der sie
zu
bei
ob es
:
nicht
Nacht zu belästigen? Ich gerieth
ihrem Bruder, dass er sofort
Begreift
ihr
denn
dass
nicht,
Moment gezeigt hat?» Noch in der Nacht
Sie oder
Sagen wie
sie,
in
die
traf Alexei
Miethwagen, den die Fürstin
unnütz
wo
sei,
Orlow
mich
sie
der
einer
die Kaiserin
Zorn: «Sagen
nach Peterhof
Vorsehung
ihrer
einer
der Kaiserin,
sie
und
in heftigen
Carriere
verlieren
sollen zu den Regi-
sie
Stunde später traf wieder
Eine
mir ein
keine Zeit zu
empfangen.
Erzählen
sofort aufbrechen.
gesprochen
Kameraden,
sie ihre
Kaiserin
wie der Blitz nach Peterhof.
eilen
möge
die
selbst
uns
reite.
diesen
in Peterhof ein.
Der
in Bereitschaft zu halten angeordnet
Ohne denselben hätte man nicht abfahren können. In Begleitung ihrer Kammerfrau und zweier Offiziere fuhr die Kaiserin nach St. Petersburg. Alexei Orlow sorgte hatte, leistete jetzt seine Dienste.
dafür, dass die Pferde wie
im Sturme dahin brausten.
Als
sie
auf
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Die Fürstin Daschkow.
Wege
halbem
49
stürzten, fanden sieh Bauernpferde; gleich darauf be-
gegnete man dem Wagen,
dem Gregor Orlow der Kaiserin
in
ent-
gegenkam.
Es
Aufgabe dieser Blätter, die dramatischen und tragischen Ereignisse jener Tage zu schildern. Die Fürstin Daschkow sah die Kaiserin wieder, als dieselbe schon zur Selbstherrscherin ausgerufen worden war. Sie lagen sich in den Armen und konnten nichts sagen als: Gott sei Lob und Dank Sie begleitete die Kaiserin in der Kleidung eines Offiziers auch die letztere halte Männerkleider angelegt auf dem Zuge nach Peterhof, war unzertrennlich von ihr, wachte über sie. Durch ihre Geistesgegenwart wusste sie Ausschreitungen der Soldaten zu verhindern, Hier in Peterhof bemerkte sie zuerst, was Gregor sie war überall. Orlow sich erlaubte, welche Stellung er einnehme und einnehmen ist
nicht die
!
—
—
werde, sowie dass diese Beziehungen nicht geheim bleiben würden.
Ueber
Repscha
Katastrophe von
die
schreibt
«Die Nachricht vom Tode Peters
Folgendes:
die
Fürstin
III. erschütterte
und
Obwol überzeugt, dass die Kaiserin keinen Theil am Tode, konnte man mich doch erst am anderen Tage
empörte mich. hatte
überreden,
zur
Kaiserin
«Ich
fassungslos.
zu
und
den
meinen,»
war
der Kaiserin
gehen.
erschüttert
bin
diesen Tod,» sagte sie mir.
—
erwiderte
ich so
Ich
und
fand
ich.
Am
Abend
unklug zu sagen, ich
werde begreifen, dass wir keine Gemeinschaft könnten,
wagen,
dass
mich
ich
so
stolz
jemals
grossen Dreistigkeit
wagt mich haben
mehr
kann
es nicht
wurden dadurch hat trotz
20 (40) Jahre hindurch
als
ich den
Alexei Orlow
werde
er
Brüder
Alle
Zimmern
den
in
durch
Ruhm
mit einander haben
Alexei übrigens
Wenn jemand
anzureden.
sollte, so
anzunehmen,
sei
anzureden.
meine unversöhnlichen Feinde.
für Ihren
hoffte,
und
trübe
sie
niedergeschmettert
«Er kam zu früh
die Kaiserin
Diesen
Gegenbeweis fuhren.
seiner
nicht
ge-
im Verdacht liefert
er, benommen von Wein dem Tode Peters der Kaiserin
der eigenhändige Brief Alexei Orlows, den
und Entsetzen, schrieb.
Die
unmittelbar Kaiserin
Als Kaiser Paul
in
nach
bewahrte
den
Brief
lesen lassen, bekreuzte er sich mit den
der
geringe Verdacht, den
seitigt.»
Er
befahl
Rostopczin zu zeigen.
in
ihrer
Gegenwart der Kaiserin und
vom Reichskanzler Grafen Besborodko den
Worten:
hegte, ist
ich
Schatulle.
Frl.
Nelidow
hatte
Brief sich
«Gott
durch diesen
sei
vor-
Dank,
Brief be-
den Brief den Grossfürsten und dem Grafen
Der Brief
Bauliche Unnalsichrifl, Band XXXV. H«ft
1.
lautet: 4
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Die Fürstin Daschkow.
50
«Mütterchen, barmherzige Herrin
was geschehen
beschreiben,
kaum
glauben, aber
wie
ist:
Du
Mütterchen, ich bin bereit zu sterben;
Wir
das Unheil geschah.
—
Mütterchen,
gnadigst.
Wie
I
wirst
vor Gott will
soll ich es erklären,
Deinem treuen Knecht die Wahrheit reden.
ich
ist
nicht
wie
ich weiss selbst nicht,
Du
wenn mehr in
sind verloren, er
uns
nicht
be-
Aber
dieser Welt.
niemand hat das beabsichtigt, wie sollten wir absichtlich die Hand gegen den Herrscher erheben. Aber, Herrin, das Unheil ist geschehen. Er fing bei Tische Streit an mit Fürst Fedor (Barätinski)': ehe wir sie trennen konnten, war er nicht mehr.
Wir wissen
nicht,
was wir thaten; aber alle sind wir schuld und haben Strafe verErbarme Dich meiner, wenn auch nur um meines Bruders
dient.
willen.
Ich habe das Geständnis abgelegt, zu untersuchen
nichts.
Ich habe mein schuldiges (Haupt) gebracht.
oder befiehl sofort ein Ende zu machen.
erzürnt und unsere Seelen
wir haben Dich
hasst:
ist
Verzeihe
Die Welt
ist
für
mir
immer
da
—
ver-
ver-
derbt’.»
Das selbstbewusste, offene Auftreten und jene Aeusserung der Fürstin waren Grund genug, dass Gregor ürlow, besonders aber dessen Anhänger und Schranzen, alles daran setzten, die Fürstin bei der Kaiserin zu verleumden: ihre Offenheit wurde als Auflehnung und Nichtachtung, die Aeusserung ihres Rechtsgefühls als Untergrabung der Autorität dargestellt. Da die Fürstin für ihre Familie, welche dem Kaiser bis zuletzt die Treue bewahrt hatte und sich durchaus würdig benahm, eintrat, gelang es ihrem Gegner schon
am Tage nach dem hervorzurufeu.
noch
ein
Staatsstreich in der Kaiserin eine Misstimmung Durch den klaren Blick der Kaiserin wurde jetzt verhindert. Die Fürstin bewies auch hier ihre Selbstbewusstsein und ihr warmes Herz.
Bruch
Offenheit, ihr
«Als
die Kaiserin
die
lebhafte Auseinandersetzung mit den
Worten schloss: ««Diese Bemerkung Die Bewachung Peter«
für
ihre Lebhaftigkeit und
Ropscha hatten: Alexei Orlow, Capitun Passck, Purst F. Barätinski, Lieutenant Baskakow. ’ Die Copie dieses Briefes stammt vom Grafen Rostopczin, der den Brief seihst gelesen und die ihm wohlbekannten Schriftzüge des Grafen Alexei Orlow 1
erkannt hat.
III. in
Rostopczin berichtet
über die Vorlesung des Briefes
Paul ähnlich, nur in Details abweichend, und fugt hinzu
:
von Kaiser
Besborodko habe ihm
mitgetheilt, Kaiser Paul habe sich den Brief noch einmal geben lassen,
nochmaligem Dnrchlesen
ihm selbst sehr 430 -432.)
später S.
in
Besborodkos Gegenwart
leid
getlmn habe.
(Vgl.
in
den
ApxBsi
nnd nach
Kamin geworfen, was Kn. Boponuoua XXI.
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Die Fürstin Daschkow.
und
eine
Katharinen-Orden
mir
anzulegen
eigenen
51
Bewegung machte, um
dies für ihre Verdienste,»»
dem Augenblicke
befinden sich jetzt in
ich
zurück
und
sagen
werde.
Sie
trat
,
«Verzeihen Majestät mir das, was ich
sagte:
ihren
ihres Lebens, von
dem
an,
auch gegen ihren Willen, die Wahrheit vou ihren Ohren verbannt Ich bitte Sie, mich nicht mit diesem Orden zu schmücken
sein wird.
—
wenn es ein Schmuck sein soll, Werth auf solchen lege; soll es
so wissen Sie, dass
ich keinen
meine Dienste sein
für
—
so
mittelmässig dieselben auch einigen Personen erscheinen mögen, in
meinen Augen können
sie nicht bezahlt
werden, weil
ich
nie
für
irgend einen Preis käuflich weder gewesen bin, noch sein werde.»
Die Kaiserin, die sich
und erwiderte:
stets zu finden
«Gestatten Sie
Freude zu machen.»
wusste, umarmte mich
der Freundschaft
Ich küsste ihr die
selbst eine
sich
Hand und
stand nun da in
dem Grosscordon und dem Stern des und sah aus wie ein Knabe von 14 Jahren.»
der Kleidung eines Offiziers mit
Ordens
in
Als
Brillanten
die Kaiserin
sie
verliess,
theilte
die Fürstin
ihre Be-
Gregor Orlows den Grafen Panin das seien Graf Panin lachte sie aus Hallucinationen einer 19jährigen, welche 24 Stunden nicht geschlafen habe! «Lacht nur,» erwiderte sie, «wenn ich Recht habe, verlange ich das Recht, euch kluge Herren Narren zu heissen.» Am anderen Tage erschien Gregor Orlow bei der Messe mit dem Grosscordon des Alexander Newski. Die Fürstin hatte Recht. Doch verstand sie sich so zu benehmen, dass sie die Genugthuung hatte, in ihrer Gegenwart die Kaiserin den Fürsten Gregor Orlow wie jeden fürchtungen
über
Rasumowski
und
die Stellung
mit.
:
anderen General behandeln zu sehen. «
nach bat
Es
fehlte
eine Audienz.
empfing.
Er
sie wisse,
von
Am
auch nicht an heiteren Episoden.
der Thronbesteigung
um
Ich
erschien
Tage
vierten
der Geheimrath Betzki
war zugegen,
als
die Kaiserin
und ihn
kniete nieder und bat die Kaiserin ihm zu sagen, ob
wem
sie
auf den Thron erhoben
sei ?
Ich verdanke
«Dann
meine Erhebung Gott und meinen guten Untertlianen. diene ich diesen Orden nicht!»
Was
Unglücklichste der Menschen,» rief er dass Sie es mir verdanken.»
haben
Sie?
aus,
«da Sie
«Ich
bin
ver-
der
nicht wissen,
Ich wollte ihm ins Gesicht ausplatzen.
Die Kaiserin jedoch, ohne eine Miene zu verziehen und ohne auch
Moment zu zögern, sagte mit Hoheit: «Ich weiss vollw a s ich ihnen verdanke, und darum übertrage ich ihnen Fürsorge für die Anfertigung meiner Krone.»
nur einen
kommen, die
i‘
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52
Die Fürstin Daschkow.
Er
gerieth ia Entzücken und stürzte fort, diese grosse Neuig-
Freunden mitzutheilen
keit seinen
Wir haben war
ich
voller
!
nicht oft so herzlich gelacht wie dieses Mal, und
Bewunderung
die Findigkeit der Kaiserin,
für
den
langweiligen Narren zu befriedigen und sich seiner zu entledigen.»
in
Der Fürstin und ihrem Manne wurde eine Wohnung im Palais der Nähe der Zimmer der Kaiserin angewiesen. • Der Petersburger Hof bot damals ein interessantes Schauspiel
Die neuen Personen, welche die Umgebung der Kaiserin bildeten nnd die Hofleute aus der Zeit Elisabeths trafen hier zusammen mit
dar.
den Verbannten aus der Zeit der Kaiserin Anna, der Regentschaft Birons, der Regentin
Personen,
von
der Kaiserin Elisabeth.
Es verging kaum
bedeutende
risch
Anna und
Peter III. zurückgerufen,
der anderen ein.
Persönlichkeit,
ein
ein
trafen
Alle diese
lebendes
vergangener
Bild
Zeiten, interessant durch ihr Unglück und die Kenntnis
Geheimnisse, bei Hofe auftraten.
Sehr
nach
eine
jetzt
Tag, wo nicht eine histoso
vieler
habe ich mich
befreundet
Da war
damals mit dem Feldmarschall Grafen Münnich.
noch Graf
Da war der Graf Bestushew, eiust Grosskauzler, mit seiuen Zügen und seinem fälschen Blick. Ihm sagte die Kaiserin, uns bekannt machte: «Das ist die Fürstin Daschkow Hätten Sie es wol jemals geglaubt, dass ich der jungen Tochter Roman Woronzows meine Krone verdanken würde ?» Die Orlow hätten diese Worte erstickt, wenn sie im Stande gewesen wären, Lestocq. feinen
als
sie
1
es zu thun.»
Zur Krönung reiste die Fürstin im Wagen der Kaiserin. Krönung wurde sie durch die Orlows aus Gründen der
Bei der
Etiquette von der Kaiserin entfernt und
erhielt
Stellen hoch oben auf den Estraden der Kirche.
bestem
Humor
Kathedrale
und
auf,
ging
begab
dicht
sich
merkung, je höher derselbe Ceremonie übersehen.
dann
sei,
um
eine
auf
der
letzten
nahm das mit
Sie
der Kaiserin
hinter
bis
mit
ihren Platz
in
die
der Be-
so besser werde sie die ganze
Um dergleichen zu begegnen, ernannte die Kaiserin sie zur Staatsdame und ihren Mann, der schon Commandeur der Kürassiere der Kaiserin geworden war,
zum Kannnerherrn.
gestorben war nnd ihr Gesundheitszustand
nnd Lustbarkeiten Gegner gewonnenes Spiel, denn
den
Festen
keinen
litt,
Theil.
sie hatten
Da nahm
ihr erster
Sohn
die Fürstin an
Nun
hatten
ihre
ununterbrochen das Ohr
der Monarchin. In allen Tonarten ging es über die Fürstin her.
Ihr
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Die Fürstin Dasebkow.
53
Haus war voll von Besuchern und sie äusserte sich sehr frei über manches, was bei Hofe vorging. Ihre Aeusserungen wurden entstellt
der Kaiserin hinterbracht.
Bald nach ihrer Niederkunft
Mann
erhielt
ihr
gleichfalls
kranker
eine Botschaft durch den Geheimsecretär der Kaiserin
wünsche
nicht
vergessen,
Kummer.
aber Ihr
sie sich eine
welche
die Dienste,
deren
freie
sie
ihr
Verhalten
unvorsichtiges
Mann möge
zu
die Fürstin
verursache
darauf aufmerksam
Sprache erlaube und sich
sie
:
geleistet,
zu ihr
machen, dass zu Drohungen
bis
vers teige.
Die Fürstin hörte
am Abend im Nebenzimmer
und
flüstern
glaubte die Stimmen der Grafen Panin zu erkennen. Ihre Schwägerin, die sie befragte,
unruhig;
sie
wer da
sei,
erwiderte
verlangte
zu wissen, was
war eine furchtbare Aufregung.
Statt
durch den Grafen Panin die Kaiserin
Abend
trat eine starke
sie
Die Folge Antwort liess sie wann Ihre Majestät
vorgehe.
aller
fragen,
Taufe ihres Sohnes ansetze, den aus noch vor der Geburt versprochen habe.
die
Am
Das machte
Niemand.
:
der Taufe
Verschlimmerung
zu heben
ein
sie
— ihr Leben
war längere Zeit in grosser Gefahr. Die Kaiserin erfüllte ihr Versprechen und war mit dem Grossfürsten Paul Taufpalhe ihres Sohnes.
Die Fürstin erholte
sich
nur langsam uud kehrte
nach dem Hofe nach Petersburg zurück.
mehr im Ihr
Palais, sie
Mauu
war
erhielt
kränkelte beständig.
in
Sie hatte
erst lange
kein Quartier
Ungnade.
eine
Sendung nach Polen.
Die Briefe ihres Mannes waren
Die Fürstin ihr einziger
Hause mit ihrem Oheim, dem Grafen Panin. Das benutzten die Anhänger der Orlows, sie auf das empörendste zu verleumden. Der bekannte Verschwörer Mirowitsch war unter den Bittstellern bei Panin gesehen worden, es wurde ausgesprengt, er sei im Hause der Fürstin Dasebkow gewesen. Die Verleumdung wurde durch Panin widerlegt, aber diese ThatDazu traf sie der härteste sache wirkte furchtbar auf die Fürstin. Ihr Mann starb in Schlag, der ein liebendes Weib treffen kann. Folge der Anstrengungen als Commandeur der Truppen in Polen. Er hinterliess ein zerrüttetes Vermögen, er hatte einen grossen Theil seiner Einnahmen seiner Mutter überlassen, er hatte, um Bedrückungen der Einwohner zu verhüten, seine Offiziere aus seinem Vermögen unterstützt. Ein weiterer Schlag war der Tod Trost.
Sie wohnte in einem
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:
!
Die Fürstin Daschkow.
54 ihrer
Tante
,
der
Gräfin
Panin
mit
,
der
innig
sich
sie
be-
freundet hatte. Sie die
war einsam und
allein trotz ihrer grossen
Verwandtschaft:
Einen hatten für sich selbst zu sorgen, die Anderen, die Ver-
wandten ihres Mannes, Lage,
um
sie
selbst ihre Schwiegermutter, benutzten ihre
Ihr Charakter
zu beeinträchtigen und zu verkürzen.
nahm au Ruhe und
Entschlossenheit, aber auch an Herbigkeit zu.
Mit der ihr eigeuen Energie ging sie daran, durch sorgfältige Verwaltung die Güter ihres Mannes ihrem Sohne zu erhalten schuldenfrei hat sie dieselben ihm später übergeben.
grösster Sparsamkeit,
Reise
durch Russland,
stets begleitet
bereiste die
Güter und machte
Sie lebte mit eine längere
um Land und Leute kennen zu
lernen,
von ihren Kindern.
Sie ging daran, ihrem
Hause
eine neue Stellung
zu schaffen
und ihre Kinder für dieselbe zu erziehen. Ihr stand eine neue Laufbahn, ihr standen
neue Schicksals-
schläge bevor J.
*.
J|
E ge m 11
1
a n
n.
IAJ
*1V*
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Georg Brandes Ober den russischen Roman. Turgenjew
— Dostojewski — Leo
S
n den
ersten
Tolstoi,
Johannes Eckardt.
übersetzt von
Monaten des Jahres 1887 hatte der
dänische Kritiker Georg Brandes
eine
Reise
Residenzen des russischen Reichs unternommen, trägen
das russische Publicum mit
neueren
französischen
und
seineu
russischen
um
in
geistvolle
beiden
die
in einigen Vor-
Anschauungen über
die
bekannt
zu
Schriftsteller
machen.
Der «Europäische Bote» (Westnik Jewropy) hat
Vot träge
iu
seinen letzten October- und Novemberhefteu
scher llebersetzuug
wünscht
sein,
in
Es
dürfte
Zeilen
die
veröffentlicht.
nachfolgenden
Kritikers
wie Georg Brandes
nehmen.
Wir
legen unserer Reproduction
so
in russi-
unseren Lesern
er-
Anschauungen eines
über den russischen
Roman
zu ver-
deu erwähnten Artikel
der russischen Monatsschrift zu Grunde, indem die wichtigsten
diese
wir uns dabei auf
Gruudzüge des Braudesschen Vortrages beschränken.
Ich beabsichtige hier einen Gegenstand zu begann der berühmte Kritiker seinen Vortrag
behandeln
—
—
der meinen Gegenstand ist der russische Roman. Vielleicht ist es dennoch nicht ganz ohne Interesse, den Eindruck kennen zu lernen, welchen die Lectüre der bedeutend-
Zuhörern besser bekannt
ist
als
mir;
dieser
sten russischen literarischen Erzeugnisse auf einen Ausländer machte,
der
hierbei
nur auf Uebersetzung
angewiesen
blieb
—
ich
bitte
daher das von mir hier Gesagte nicht als einen kritischen Vortrag, sondern als eine literarische Plauderei anzusehen.
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-d
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56
Georg Brandes über den russischen Roman. In
dem
die Erzeugnisse
frischt
;
gegenwärtig
Europa den
wurde
letzten Jahrzehnt
durch
gewähltesten
die europäische Belletristik
russischen Literatur
der
wenngleich
,
sozusagen aufge-
die russischen Romanschriftsteller in
finden
den
nicht
zahlreichsten
Leserkreis.
Zu Anfang
unseres Jahrhunderts
war
auch Die und Grossartigkeit seiner Ausdrucksweise erregten eben so grosses Aufsehen, wie seine ganz europäische Denkart. Selbstverständlich konnteu die deutschen und französischen Prosaübersetzungen es Puschkin, der
ausserhalb Russlands einen bedeutenden Eindruck hervorrief.
Kraft
nur
sehr schwachem Masse
in
tiefe Originalität des
die
Dichters
und die prachtvolle Schönheit seiner Verse wiedergeben. Lermontows Roman: «Der Held unserer Zeit« wurde durch die Uebersetzung
weniger
entstellt,
und
seine Prosa
verlor nicht so sehr
durch die Uebertragung wie z B. die Verse im «Eugen Onjegin»,
und ich erinnere mich sehr wohl des
unauslöschlichen Eindrucks,
Roman auf mich machte, als ich im Alter von siebdas Buch in die Hand bekam. Petschorin, dieser Typus des Byronismus ausserhalb Englands, ist ganz
welchen dieser zehn Jahren vollendete
dazu
dem
geeignet,
Ideale
eines Jünglings
zu entsprechen
:
der
Muth, die Einfachheit, die Kälte und der Skepticismus des Helden Hessen ihn wenigstens in meinen Augen damals als den vollendetsten, melancholischsten
Helden unserer Zeit erscheinen.
Etwas später wurden
wir Ausländer,
hauptsächlich
durch
—
er war es, der uns zuerst Merimöe, mit Gogol bekannt gemacht einen Begriff von der mächtigen Originalität der russischen Schrift-
Erzählungen Gogols, in Hoffmann zum Vorbilde geTaras Bulba» überzeugten uns davon, eine wie hohe Bedeutung Gogol als moderner Erst die bittere Satire und die grobe, Dichter beanspruchen kann. Nicht die
gab.
steller
welchen
er
nommen
hatte,
aber
sich
phantastischen
Theodor Amadeus
auch nicht sein berühmter Roman:
grossartige
«Revisor» Hessen
Naturtreue uns
in
den
erkennen, dass
Begriff stand, einen ganz neuen
Weg
«Todteu die
Seelen»
uud
russische Literatur
einzuschlagen
— es
dem im
bedurfte
Muthes und einer grossen Originalität, um diesen Weg zu Unbewusst wies sie andeien Völkern, welche sich auf wandeln. den Irrwegen der Romantik verirrt hatten, die einzige Bahn, die Welt der Träumereien zu verlassen. Die Grossartigkeit und Tiefe der russischen Originalität wurde Europa neuerdings durch die drei bedeutendsten Romauvielen
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Georg Brandes über den russischen Roman.
Tolstoi;
Gontscharow,
kommt, kann ster
der
ihnen
vielen
in
—
ist.
der zuerst die weite russische Ebene
Obgleich
verlassen hatte,
nm
sich
nie
Turgenjew
mit
im Alter von
er
Beziehungen
gleich
da mir nur sein bedeutend-
ich hier nicht erwähnen,
Roman «Oblomow» bekannt
völkerte.
57
kund gethan, durch Turgenjew, Dostojewski und Leo
Schriftsteller
war
es,
modernen Menschen
be-
35 Jahren
sein Vaterland
wieder dauernd in demselben aufzu-
halten, schildert er dennoch stets nur seine Landsleute
;
Deutsche
und Franzosen sind zur Hälfte russificirt und erscheinen in seinen Romanen nur in ihren Beziehungen zu Russen. Er wollte nur solche
Menschen
schildern, deren Eigenartigkeit er von Kindheit an kannte.
Als Ausländer kann ich nicht beurtheilen, ob sein langer Aufenthalt in der Fremde seine Erinnerung an das Vaterland abdarüber mögen seine Landsleute entscheiden. Fremder wage ich zu behaupten, dass Turgenjew die ganze civilisirte Welt eingedrungen wäre, wenn er um ein Jota weniger Westeuropäer gewesen wäre. Er entrollte vor unseren Augen ein Gemälde von Wäldern und Steppen, Frühling und Herbst, von allen Ständen der Gesellschaft und allen Er gab uns eine Stufen der geistigen Entwickelung in Russland.
geschwächt
hätte:
Aber gerade
als
niemals so tief in
reiche Psychologie einer ganzen Menschenrace und
tiefem Gefühl, welches
dennoch
Wie
objectiv
zählung hemmte.
sein mochte, niemals
mit
that dies
die Deutlichkeit der Er-
niemals
auch
die Schilderung
Turgenjews
wurden seine Erzählungen und Romane zu GeFärbung tragen.
dichten, obgleich alle seine Schöpfungen eine lyrische
Das Gefühl
stiller
Trauer, eines
eigenthümlichen
Kummers
liegt
ihnen zu Grunde, und dennoch bleiben sie aller Sentimentalität fern.
Die grossen Melancholiker der lateinischen Race, wie Leopardi und Flaubert, überraschen durch die bestimmten scharfen Züge ihrer Charakteristik und ihres Styls die d e u t s c h e Trauer ;
ist
entweder rein humoristisch oder rein sentimental. Die Melancholie dieser breite, tiefe Strom edlen Kummers, welcher
—
Turgenjews
durch seine Schöpfungen strömt
Product traurigen
der
slavischen
slavischen
—
ist
Race
Volksliedern
;
seinem Inhalt nach ein echtes sie
geht direct aus den
hervor.
Die
tief-
bedeutendsten
modernen russischen Schriftsteller sind Melancholiker. Aber die Melancholie Turgenjews ist die eines Denkers, der eingesehen hat, dass die Ideale der Humanität, der Gerechtigkeit, der Vernunft, der Güte und des Allgemeinwohls für die Natur gleichgiltig sind und nicht in ihrer göttlichen Kraft zum Ausdruck gelangen.
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;
Georg Brandes über den russischen Roman
5b
In seinen «Seuilia» entwirft Turgenjew eine Schilderung der
Natur, welche
darauf bedacht
Auf
verstärken.
ist,
ich
sorge
für
Muskelkraft der Flühe zu
die
Menschen ihre Lieblingsmeine Kinder
die Frage, ob nicht die
kinder sind, antwortet die Natur alle
alle Thiere sind
:
gleicher Weise,
in
ich vernichte
alle
sie
in
gleicher Weise. Hier offenbart sich der wahre Charakter von Turgenjews Melancholie. Ist Gogol traurig, so kommt das daher,
dass er unzufrieden
Leiden
fieirte
ist
Melancholie
—
;
Melancholie
Turgenjew
erfasst
Bedeutung
,
Moment, wo
aber
von
sie
gleichzeitig
veranlasst,
sie
tritt diese
religiösen
seiner
in
der religiösen Be-
neues Licht und neue Productionsfühigkeit
ihre
der Poesie untreu
Krisis zu einer Zeit ein,
Stimmung hingeben, bisweilen
wo
iu
Slaven gemein haben.
unserem Jahrhundert
Im
J.
werden.
zu sie
wo
sie
Die Hinneigung ist
wurde auch
1840
Bis-
einer rein
sich
einer Epoche,
in
von dem nationalen Mysticismus ergriffen werden. zu diesem Mysticismus alle
seinem
in
auch
bleibt
werden, die ihrer Existenz
verleiht
mindert und
wurzelt
Tolstois
allein
der anderen eben genannten grossen Dichter giebt
einen kritischen
es stets
weilen
Dostojewski trauert, weil er das personi-
;
die
ein Philosoph.
Im Leben wegung
ist
;
Fatalismus
religiösen
ein
Zug, den
die polnische
Literatur iu Mizkewicz, Slowacki, Krassinski und anderen Schriftstellern
von dieser Hinneigung zum Mysticismus
russischen Literatur beherrschte dieselbe
in
ergriffen.
In der
verschiedenen
Formen
Naturen wie Gogol (1846), Dostojewski (zu Ende der 00er Jahre) und endlich neuerdings Tolstoi.
selbst so geniale
Turgenjew
ist
ruhigen beobachtenden Natur der
mit seiner
einzige unter ihnen, für welchen das religiöse Entzücken ein Stoff für die Schilderung ist wie jeder andere. sein Gleichgewicht
zu verlieren
:
wir
Heldin der «Sonderbaren Geschichte».
Daher
ist
Er
analysirt ihn, ohne
erinnern
hier
nur an die
,
seine Melancholie weniger religiösen als philosophi-
schen Charakters,
zugleich
aber
die
eines
zum Pessimisten
ge-
wordenen Patrioten; denn trotz seines scheinbaren Kosmopolitismus Turgenjew ein Patriot, der an seinem Vaterlande zweifelt. ist Dieser letztere Umstand
setzte ihn manchen Angriffen aus, wie B. Dostojewski ihn in der Gestalt Karmasinows lächerlich zu machen versuchte. Turgenjew verlor übrigens nicht den Glauben an eine grosse Zukunft seines Vaterlandes, ihn entzückte die Sprache und die z.
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Georg Brandes über den russischen Roman.
59
Literatur desselben so sehr, dass er grosse Dinge von
dem Volke
Die vielen mis-
erwartete, welches dieselbe hervorgebraclit hatte.
lungenen Anläufe, deren Zeitgenosse er gewesen war, erklären
es,
wenn er seinen Erzählungen einen traurigen Ausgang zu geben pflegte. Eine Liebesgeschichte konnte in seinen Angen nicht den Charakter des Russischen tragen, wenn sie nicht mit einer Trennung endete, die durch die Kälte der Frau oder durch die Unbeständigkeit des Mannes hervorgerufen worden. Keine Anstrengung erschien ihm russisch, wenn sie nicht die Kräfte desjenigen überstieg, machte, und nicht an der Gleichgiltigkeit derjenigen zu Grunde ging, zu deren Gunsten sie unternommen wurde. Turgeujew
der sie
konnte nicht umhin, die unbeständige Liebe und
Anstrengungen in Russland zu schildern. Die Grundstimmung Turgenjews ist
Erregung, das Mitgefühl eines Zuschauers der den Untergehenden selbst
—
messen muss
Ausdrucksweise stets gemässigt
Es weht
ein
vergeblichen
bei
einem Scbiffbrueb,
an ihrem Unglück beiStimmung, welche in ihrer
die Schuld
eine ruhige, besonnene
fruchtbarer Schriftsteller
die
die einer melancholischen
Noch
bleibt.
nie
ist
ein grosser,
so wenig geräuschvoll gewesen
aristokratischer Geist
in
wie
er.
einfachen, edlen Be-
den
ziehungen, welche er schildert; ein geistiger Anstand war ihm an-
Das
geboren.
ist ein
jenen Typus des fehlte.
wahrhafter Weltmann, und
frischen Menschen, der
Aber das machte
ihn
den
weder herzlos,
in
ihm finden wir
deutschen Dichtern
noch cynisch, wie
nicht zum Moralisten, wie den guten Tou in seinen Ton dennoch kein Weltton, seine herzlose sein Ton ist immer ein
einige französische Schriftsteller, auch viele
Engländer.
Obgleich er niemals
Schilderungen verletzt,
Verachtung
ist
ist
dieser
keine kalte,
—
gemüthvoller, seelischer.
Die Ursachen anzugeben, aus welchen Turgenjew zu einem Künstler ersten Ranges wurde, ist, besonders in wenig Worten, schwierig.
Vielleicht
haftigkeit seiner liche,
ist
die
Gemälde und
wesentlichste die
derselben
die
Wahr-
schöpferische Fähigkeit, wirk-
lebendige Menschen darzustellen.
Sein grösster künstlerischer
Vorzug besteht in der Harmonie zwischen der Darstellung der von ihm geschilderten Person und dem Eindruck, den sie beim Leser hervorbringt.
Nie begegnen wir bei Turgenjew verfehlten Effecten. Unbeschwache, unbeständige, unnütze und vernachlässigte Menschen sind es, welche die Sphäre der Beobachtungen unseres
deutende,
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Georg Brandes über den russischen Roman.
60
Er
Autors bilden.
schildert nicht, gleich Dostojewski, das äussere,
sichtbare Elend: Armuth, Rohheit, Unsittlichkeit oder Verbrechen,
Nein, Turgenjew
mit einem Wort, das weithin sichtbare Unglück. entrollt
vor
verbirgt
—
Augen Schilderungen
unseren
er ist ein Sänger
dem Geschick
unterwerfen;
geduldig
eines Elends, das sich
leidenden Menschen, die sich
jener
er
beschreibt
Leiden des versteckten Jammers, der schweigsamen stenzen:
die
inneren
bitteren Exi-
wir erinnern nur an «Ein Briefwechsel», an das «Tage-
buch eines Ueberflüssigen» oder an die «lebendiger Gebeine».
Als Schriftsteller zeichnet er sich mehr durch Eleganz als in den Typen Rudins und Basarows hat er sich
durch Kraft aus,
jedoch bis zum Grandiosen erhoben.
Rudin
Mangel jeder Widerstandsfähigkeit,
in rein
menschlichen
sten
Schwierigkeiten
Charaktere
kämpfen:
zu
stehen aus Widersprüchen
der personificirte
ist
russischer Gestalt, in
Bei der Zeichnung der verschieden-
mächtiger Sprache geschildert.
hatte die
Turgenjew
mit
besonderen
seiner Charaktere
meisten
be-
er hat es verstanden, die Inconsequenz
;
Grundzug derselben darzustellen, ohne die Einheitlichkeit zu vernichten. Iu Rudin ist die Schilderung seiner Schwäche so tief,
als
so
vollständig, dass
durch
uns
in ihrer specifisch russischen
Männer von fehlen in den
denselben
Form
Charakterschwäche
die
verdeutlicht wird.
von Willenskraft
unerschütterlicher Festigkeit,
ersten Schöpfungen Turgenjews
gänzlich.
Schildert
Mann, so wählt er dazu einen Ausländer, einen Bulgaren. Gestalten, an denen der Dichter selbst Freude hat, sind nur leichthin skizzirt uud dienen nur als Gegensatz oder er dennoch einen echten
als
Nebenpersonen, wie In
vor
z.
B. Pokorski im «Rudin».
seinem Basarow («Väter
allem
und Söhne») wollte Turgenjew
den Götzendienst des Utilitarismus zeichnen;
zugleich
verstand er es aber auch, ihn als einen Menschen zu schildern, der
durch
seine
Festigkeit,
durch seinen Mutli und
Standpunktes
schliesslichkeit seines
über die
durch
die
Aus-
moderne europäische
Literatur weit hinausreicht, die an wahrhaft mannhaften Gestalten
ohnehin nicht reich
ist.
Alle unsere Romanhelden sind unbedeutend
—
—
zu unbedeutend, meiner Meinung nach und schwächlich, sie sind zu wenig mannhaft: selbst die Vorstellung wahrhafter Mannhaftigseine
Zwecke zu verwirk-
versteht, seine Absichten
auszuführen, seiner
keit ist verschwunden! lichen weiss, der es
Einem Mann, der
Idee und seiner Liebe treu zu bleiben, seine Feinde
zu
bestrafen
und zu vertilgen, einem Mann, der zornig werden kann und dann die
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Georg Brandes über den russischen Roman.
Gl
—
Waffen seines Zornes zu schleudern versteht einem solchen Mann begegnen wir jetzt nur noch in Gestalt einer Caricatur in naiven Romanen, welche von Damen geschrieben sind. Mit unbeschreiblicher Feinheit hat Turgenjew junge Mädchen wie Helene und Dschemma gezeichnet, die seiner vollen Sympathie Jedes über dieselben
geniessen.
scharf charakterisirend.
ihrem
Lachen,
Helene prägt demselben
sich
Wort
gesagte
Dschemma
eine
ist
Bewegungen,
ihren
ihrer
dem Gedächtnis des Lesers
leben als wunderbare Darstellung einer
Der Cultus der Schönheit, welcher
druck
schädigt
durchaus
nicht
und
ein
in
Denkart;
ihrer
Frauengestalt gelangt,
bestimmt und
ist
echte Italienerin
Liebe,
bleibt
in
russischen zum Aus-
hier
die Naturtreue;
es sind
keine idealen Gestalten, sondern Studien, die mit feiuem Verständ-
Wahrheit ausgeführt wurden.
nisse der
Sie wirken
auf den nichtrussischen Leser, als sie nicht
—
sten Frauengestalten Tolstois
sondern
nur
in
Turgenjewschen
in
allen
Charaktere
sind
leichter
so stärker
— gleich den bedeutendmöglichen Lebenslagen,
Momenten
wichtigen
einigen
um
erscheinen.
als
die
Die
übrigen
aller
russischen modernen Schriftsteller mit einem mal zu fassen.
Der
Dostojewskis
nationale Optimismus
steht in grell-
stem Gegensatz zu dem nationalen Pessimismus Turgenjews; dieser grosse Skeptiker, welcher überhaupt nur an wenig Dinge glaubte,
war gutmüthig und dogmatisch genug, an die Cultur des westlichen Europa zu glauben. Dostojewski verachtete den Westen und glaubte an Russland, verachtete die Wissenschaft und glaubte an die Religion.
Wenn
die Schöpfungen Turgenjews gewissermassen als Producte einer
Emigrantenliteratur angesehen werden können, so steht Dostojewski auf reinrussischem Boden
Von
;
er
ist
durch und durch ein nationaler Dichter.
allen fremden Schriftstellern ist der einzige, an
den er
—
Dickens. Sein fanatischer Glaube schwachem Masse erinnert an die Macht und Zukunft des russischen Volkes, seine Liebe für das einfache Volk sicherten ihm eine grosse Popularität sogar bei
in
denen, welche nicht ganz sein grosses poetisches Talent anerkannten.
Er
ist
der Philanthrop unter den Dichtern Russlands, der Sänger
Kein russischer Romanschriftsteller
der Mühseligen und Beladenen. hat,
wie
er,
das
geistige,
wie
Vaterlandes kennen gelernt. er dieses Proletariat Idealist, dass er findet,
den
welche sehr
nicht
das
Er
göttlichen
ungebildete Proletariat
liebt so sehr
idealisirt
;
ist
Funken auch
seines
die Wahrheit, dass
aber
dennoch in
so
sehr
den Menschen
tief gefallen sind.
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: ;
Georg Brandes über den russischen Roman.
62
Er
Er
im höchsten Masse Dichter, weit weniger aber Künstler.
ist
liess seine
Schöpfungen so drucken, wie er
sie
geschrieben hatte,
veränderte sie nie, ja verbesserte sie nicht einmal. bestrebt, durch
Auslassungen und Verkürzungen
reichbaren Grad von Vollendung zu erreichen.
Er war
nicht
den höchsten
er-
Ungeachtet seines
poetischen Talents schrieb er wie ein gewöhnlicher Publicist, daher
Sein wesentlichster Vor-
sind auch seine Schriften sehr wortreich.
zug besteht in einer gewissen psychologischen Hellseherei, deren Kraft und Bedeutung dort ganz besonders sichtbar ist, wo der Gesundheitsgrad der Seele an das Gebiet des Wahnsinns grenzt. Für den Zustand der menschlichen Seele hat er den scharfen Blick des Psychiaters; aber ihm widerfuhr das, was bisweilen bei Irrenärzten vorzukommen pflegt: die Gewohnheit, beständig seelische Anomalien vor Augen zu haben, lässt sie schliesslich überall Anomalien wittern und erschüttert allmählich das Gleichgewicht ihres eigenen VerDostojewski beschäftigt sich mit Vorliebe mit jener Grenz-
standes. linie,
welche das logische Denken von der Ueberreiztheit, das Ver-
brechen von dem gesetzlich Erlaubten trennt.
Von
dieser schmalen
und vergisst niemals, aufmerksam zu machen, welche in Wirklichkeit das Gesunde vom Kranken, das Gute vom Bösen trennt. Mit ungewöhnlicher Virtuosität schildert er jene seelische Betäubung, welche die Menschen veranlasst, sich in den
Linie aus blickt er nach beiden Seiten hin seinen Leser
auf die Enge
dieser Liuie
Abgrund des Verbrechens oder der Selbstopferung zu
stürzen
niemand kennt besser als er die Anziehungskraft dieses Abgrundes. In Dostojewskis Schöpfungen finden wir Spuren seines krankhaften Zustandes, seiner Hatlucinationen und seiner epileptischen Natur.
Aber diese hochgespannte Nervosität ist zugleich seine Stärke. Als Kenner des Seelenlebens ist er ein echter Patholog. Daher Werke: « Verbrechen und Strafe» (in der
sind seine bedeutendsten
Uebersetzung
deutschen
innerungen
aus
«Raskolnikow»
dem todten Hause»
brechern gewidmet.
und
die
Schilderung
von
betitelt)
der
«ErVer-
In «Verbrechen und Strafe» liegt ein typisches
Beispiel für die Vollendung
seiner
psychologischen Analyse
hier schildert er das Verbrechen in allen
vor
Phasen seiner Entwicke-
lung, beginnt mit dem Keim des ersten Gedankens und endigt mit dem Augenblick, wo es zur That wird.
in
Die wichtigste Aufgabe des Autors und seiner Helden besteht das menschliche Leben einen
der Beantwortung der Frage, ob
absoluten
Werth
repräsentirt.
Die moderne Gesellschaft antwortet
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;
Georg Brandes über den russischen Roman.
63
hierauf widerspruchsvoll: sie bestraft streng die Mutter, welche ihr
neugeborenes Kind tödtet, ohne darauf Acht zu geben, dass diese Mutter aus Furcht vor den Menschen und vor der Armuth sich selbst einen viel grösseren
Kummer,
einen schwereren V’erlust zulügt als
wenn die Mutter beabsichtigte, Kind durch den Tod vor der drohenden Armuth zu bewahren,
der menschlichen Gesellschaft. Selbst ihr
verlangt die Gesellschaft, dass die ganze Schale menschlicher Leiden
Haupt des Kindes ausgegossen werde.
auf das
Erfordert dagegen
das Bestehen einer chemischen Fabrik von Jahr zu Jahr eine gewisse Anzahl von Opfern an Menschenleben, so hält die öffentliche
Meinung den Gründer einer solchen Fabrik dennoch für einen Wohlthäter seines Landes und wird der Werth des menschlichen Lebens nur gering angeschlagen. Ich erwähne hier nur principiell dieses Widerspruches der Anschauung der menschlichen Gesellschaft; in dem Dostojewski-
Roman wird
schen
Menschen aus
vom Standpunkte
die Kritik
geführt, den die
Natur
von
dem
leidenschaftlichen
Jammer
Wunsch
erfasst
menschlichen Gesellschaft zu werden. versenkt
und
Retter
der
fühlt, ein
Melancholie und
in
beginnt zu grübeln, unaufhörlich zu grübeln.
Er gedenkt
einzelnen
der Menschheit
Als Melancholiker geboren,
Armuth mehr und mehr
ihn die
eines
als düsteren, leidenschaftlichen
Melancholiker erschuf, der sich vom
.
er
.
einer alten, reichen, Ekel erregenden Wucherin.
Einerseits betrachtet er dieses untaugliche böse Geschöpf, welches
niemandem Gutes thut und Armuth und Bosheit um sich verbreitet von all dem Guten, welches sich mit dem Gelde dieser alten Hexe thun liesse. Seine greise Mutter ist in
andererseits träumt er
einem
fernen
Arbeit
im
Provinzialstädtchen
zu erblinden
Mädchen,
ist bereit,
seine
;
einzige
sich selbst
Begriff,
übermässiger
vor
Schwester, ein
zum Opfer zu
reines, edles
bringen, iudem sie
einen ungeliebten Menschen in der Hoffnung heiratet, ihrem Bruder die
Mittel
zur
Beendigung seiner
Studien,
materiell gesicherte Existenz zu verschaffen.
Mutter
ihrer
eine
Er, Raskolnikow, hat
nicht einmal das Recht, ihr dieses entsetzliche Opfer zu verbieten.
Von Jugend auf hat
er
brechen ersonnen und
ist
wöhnliche Mensch
welche
die
das
sich
eigene Theorie
eine
über das Ver-
zu dem Ergebnis gelangt, dass der unge-
Recht
hat,
übrigen Sterblichen
vor
jene
Linie
zu
überschreiten,
dem Verbrechen
zurückhält.
Seine eigene Erfahrung und die Weltgeschichte habeu ihn gelehrt, dass
fast
alle
Reformatoren
des
Menschengeschlechts Verbrecher
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:
Georg Brandes über den russischen Roman.
64 waren, weil bis
sie
neue Gesetze schufen und alte
Er
dahin für heilig gegolten hatten.
der Nothwendigkeit, Blut selbst
wenn
es
zum Schutz
zu
vergiessen,
verletzten, welche
sah, dass
das Blut unschuldiger Menschen
der alten Gesetze vergossen.
zu den ungewöhnlichen Menschen ?
.
.
sie
hatten,
war, welche es
Gehörte er nicht selbst
Dennoch empörte
.
nicht vor
zurückgescheut
sich seine
ganze Natur gegen dieses Verbrechen,
alles Edle und Vornehme in ihm schauert vor einer solchen Handlung zurück. Allmählich lebt
er sich jedoch in diesen
Gedanken hinein und bringt das Verbrechen
zur Ausführung, ohne sich oder anderen dadurch zu nützen.
Er stand eben nicht auf der Höhe seines Verbrechens, seine Natur war zu edel, um es auszuführen. Der begangene Mord erweckt keine Reue, aber er vernichtet ihn, trennt ihn von allen anderen Menschen, verurtheilt ihn zu ewigem Schweigen, zu der ewigen Angst, als Mörder erkannt zu werden, zu einer ewigen und endlich zum und alles. Der Ausgangspunkt für Raskolnikows war das Grundaxiom: «Der Zweck heiligt die
Selbstverurtheilung in räthselhaften Ausdrücken
Hass gegen
alle
Handlungsweise
Dieser von den Jesuiten gemisbrauchte Satz
Mittel.»
wahrhaften Bedeutung
Das Wort
richtig.
dass hier von einem gesetzmässigen
(?)
ist in
seiner
«heiligt» beweist schon,
Ziel die
Rede
nur derjenige Mensch, welcher der Menschheit wohl
und dass
ist
will, ein solches
Er wählt eben von zwei Uebeln das mindere, und die Folgen seiner Handlung sind bedeutungslos, da in sittlicher Beziehung die Absicht und nicht das Resultat werthvoll ist. Uns allen ist ja bekannt, dass es im gewöhnlichen Leben keine, absoluten Ziel verfolgen kann.
Pflichten giebt.
Wenn
uns die menschliche Gesellschaft sagt:
sollst nicht tödten, so fügt sie
Fällen,
wo
das Vaterland
gleichzeitig
(d. h.
hinzu
:
ausser
diesem Fall besteht die Pflicht gerade darin, möglichst
zu tödten.
Ebenso
verbietet
die
in
der gute Zweck) es verlangt;
Du den in
Feinde
viel
menschliche Gesellschaft, einem
Menschen die Hände oder Füsse abzuschneiden, fügt aber hinzu wenn ein Arzt es timt, um das Leben des Kranken zu
ausser
retten.
So heiligt der Zweck das Mittel.
Dieses
Axiom
ist
unter folgenden Bedingungen von unbestreitbarer Wahrheit Ziel
muss
:
daher 1)
das
ein gutes, 2) die Erreichung desselben durch unschädliche
Mittel nicht möglich und 3) das begangene Unrecht muss geringer sein als dasjenige, welches eingetreten wäre, wenn man das Mittel nicht gebraucht hätte.
Warum
bleibt
nun Raskolnikows Gewissen nicht ruhig nach
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;
Georg Brandes über den rassischen Roman. Ausführung seiner Absicht?
Hier
docnmentirt
Raskolnikow
grosse psychologische Feinheit.
um
Erlaubten zu überschreiten.
ist,
seiner
Nacli
ungewöhnliche
Grenze des
die
ergriffen.
werden
;
Ihn
quält
nicht
stellen
aber erschüttert
nur
aufs
zu
entdeckt
Angst,
die
das System der Lüge und des Truges, in welches er sich Bis zu dem Moment,
verwickelt, drückt ihn zu Boden. selbst als
wo
er sich
Mörder angiebt, grenzt Raskolnikows Zustand an Wahn-
Seine
siun.
ist
seiner Handlungsweise
und daher wird er durch die Folgen
er-
sittlich
eigenen Theorie dürfen
Naturen sich über das Gesetz
der Glaube an seine hervorragende Bedeutung
tiefste
zu
zu vergewissern, ob er ein
sich selbst dessen
ungewöhnlicher Mensch und berechtigt eben nur
Er Grunde den
er im
um Anderen Wohltbaten
ausgeführt habe, nicht
weisen, sondern
davon über-
gezweif'elt hat.
gelangt schliesslich zu der Ueberzeugung, dass
Mord nur
eine
Eiuen Monat nach
immer daran
er aus, dass er
ruft
nicht
ist
zeugt, dass das erreiciite Ziel sittlich gut war.
dem Morde
G5
der Dichter
sittliche
Auferstehung
einem jnngen Mädchen,
zu Sonja,
befördern
welches
Beziehungen
seine
die
Liebe
zu
ihren
Das Gefühl Achtung und des Entzückens über die Reinheit ihres sittlichen Wesens lassen ihn ihre Gesellschaft aufsuchen; denn kein Tröpfchen sittlicher Verworfenheit ist in ihr Herz gedrungen. Er achtet die, welche von der ganzen Welt verachtet jüngeren Geschwistern zur Prostituirten werden
lässt.
innigsten Mitleids, der
wird.
hat
sie
Auch sie hat die Grenze Hand angelegt an die
des Erlaubten überschritten, auch sittliche
Menschenwürde, an
sich
Aber Sonja steht unendlich Mädchen wird schliesslich sein personifinachdem er lange und schweigend ihr ver-
selbst: sie hat sich zwecklos geopfert. viel
höher als er
dieses
;
cirtes Gewissen.
Einst,
weintes Gesicht betrachtet hatte, stürzt er auf die Knie und küsst ihre Füsse.
«Was machen Sie?» ruft sie aus, «Sie knien vor mir?» Er aber antwortet: «Nicht du bist es, der Menschheit ganzer .
Jammer
ists,
Diese Scene ist die
Muse
.
.
den ich verehre!» ist
charakteristisch für Dostojewski:
das Leid
dieses Dichters.
Sonja verlangt beständig, dass Raskolnikow selbst sein Verbrechen eingestehe, sie seine einzige leiht,
so
spricht
um
der
Ualtiitclic Monatsschrift,.
Ilantl
dasselbe zu leiden
für
Rettung.
Wenn
sie
XXXV,
Iloft 1«
;
denn
hierin
sieht
diesem Gedanken Worte ver-
Autor eigentlich
selbst
in
ihrem
Namen.
5
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Georg Brandes über den russischen Roman.
GG
Dostojewski
von
ist
jenem nationalen Mysticismus
Leiden die Rettung der Menschheit
erfüllt,
der im
Derselbe Grundgedanke
sieht.
der anderen handelnden Personen Dostojewskis in
wird von einer
den Worten ausgedrückt:
ilch fürchte mich
meiner Leiden
Das Leid wird also jemanden rettet.
würdig zu erweisen.» trachtet, welche stets
Naturschilderungen
spielen
diesem
bei
nicht
Auszeichnung
als
be-
keine
Schriftsteller
Er begnügt sich mit der Vorstadt irgend einer grossen Eckchen Horizont, einem Flickchen des blauen Die ganze Handlung seiner Romane verläuft in Ge-
Rolle.
Stadt, mit einem
Himmels.
sprächen, in dramatischen Handlungen, in
lebendiger Psychologie.
Seine Vorliebe für anormale Charaktere und Situationen trägt die
Schuld
dass
daran,
Psychologie
diese
immer
nicht
richtig
ist.
Sonja, dieses gefallene Mädchen, welches sich jedem Vorübergehenden hingiebt und dennoch
eher
«ä
Antithese
einer
Menschen.
vollster Seelenreinheit strahlt
in
Dostojewskis
Hugo»
Victor
la
Talent
aber
ist
als
so
—
einem
gleicht
lebenden
mächtig,
dass
der
Leser an Seelenznstände glaubt, denen er ln Wirklichkeit niemals begegnete.
Unter allen russischen Dichtern Dialektiker.
zwischen Leuten, die
entreissen wollen.
Dostojewski der grösste
in ihren feinsten
ihre Geheimnisse
einander
In seinen Monologen (und
losen Selbstgespräche) analysirt er
und
ist
Seine Gespräche gleichen einem Inquisitorium, einem
Kampf
endlosen
er
diese end-
liebt
die menschliche Seele
allseitig
Einzelheiten.
Als Kenner krankhafter Seelenzustände, als Sänger des steht Dostojewski
lichen Fieberzustandes
seine
Lebensanschauung
traditionell-doctrinäre.
als
gastalten
seiner
unübertroffen
da
;
sitt-
aber
weniger originell und weniger subjectiv
Seine religiösen Ueberzeugungen erscheinen
als seine Psychologie.
uns
ist
Romane
die
Bisweilen
Dinge
scheinen
tiefsinniger
Haupt-
die
anzuschauen
als
der Autor selbst.
Der
letzte unter den grossen Realisten Russlands,
ist kraftvoller als
Sein Pessimismus
das
russische
Mistrauen
Turgenjew und geistig gesunder als Dostojewski. bringt ihn Turgenjew nahe, seinen Glauben an
Volksthum
gegen
Tolstoi,
theilt
er
mit Dostojewski,
die Cultur Westeuropas, mit
ebenso sein
dem Unterschiede,
dass Tolstoi dieses Mistrauen auf die Givilisation ausdehnt.
Seine Phantasie ihn das
ist
Wort an wenden
so lässt:
grossartig, so episch, dass
der
Roman
ist
sich
auf
das moderne Epos.
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Georg Brandes über den russischen Roman.
Er
schildert nicht nur. wie
eine
andere,
viele
der Cultur und des Lebens, welches die grosse Welt der
des
Heeres,
mit
,
Autobiographie
seiner
zuerst
Charakter seines Realismus massgebend. Schöpfungen gänzlich
tritt in seinen
jewski
Russland
eines Welt-
des Volkes,
Die Tlmtsache, dass Tolstoi mit Betrachtungen über sich
krieges. selbst
ganzen Zeit,
in
bedeutendsten Schöpfung ein
führt, sondern er giebt uns in seiner
Gemälde
67
bestimmte Stufe
verräth
sich
selbst
und Hingabe
losigkeit
in
auftrat
den
für
ist
,
Turgenjews eigene Person den Hintergrund.
in
Dosto-
den Gestalten, welche, voll Selbst-
an Andere,
glänzenden Eigen-
jene
nicht
schaften besitzen, die im gewöhnlichen Leben zu Erfolgen verhelfen.
Ein solcher Charakter
Iwan Petrowitsch, der
ist
«Todten Hause»
So
z.
erwachsener Mensch aber
Kind
ein
selbst
in
B. der Held
—
zur
selbst im
sich
Dostojewski
sich
ungewöhnlicher
von
Romans «Der
des
Bezug auf seinen
die Epilepsie,
Idiot» ein
bedeutenden Verstand,
und Reinheit seines Herzens. an
welcher
auch
der Dichter
unsere
hat ihm alle
litt,
genommen:
einen Menschen
er
der Einfachheit
in
Seine Krankheit
wenn
Jedesmal,
ansehen.
ist
von
ihrer Bescheidenheit, ja
in
zu verstehen giebt, dass Andere ihn als
er uns
Wesen
schildert, zeichnet
Herzensgüte.
rührend
entwirft, ist
Demutli, obgleich
besonderes selbst
auftritt.
den «armen Leuten» trägt diesen Charakterzug
in
Die Schilderuug, welche Dostojewski
Schau.
dem Roman Auch
in
«Erniedrigte und Beleidigte» als erzählende' Person
der Greis
schlimmen Eigenthümlichkeiten Hochmuth, die Eigenliebe, die Geldgier
die Ironie, den
und hat nur die edlen Seiten seines Charakters entwickelt.
Wenn
Tolstoi seine Schilderungen mit sich selbst beginnt, so
das
geschieht das nur deshalb, weil er nur er weiss.
Er
Andere. seines
als
Offizier
seine Erinnerungen
an
Sewastopol
Ueberall
Gestalt hervor.
Tolstoi
und
bringt
ist
und
ironische
bemerkbar,
Niemals
gewöhnliche Leben
erwähne
sein
eine
ist
eigenen Selbst
Fehler aufdeckt.
einen
Leben
Incognito
(«Die Kosaken»),
wenn er
mächtigen Eindruck
er
und
Schwächen und
wahrheitsliebend, auch schildert.
einer idealen
wenn
durch die Schilderung
er das
Als Beispiel
Erzählung «Familiengliick»
der Entwickelung, endlich des Verlustes
vieles
Auffassung
kritische
seine
in
Kaukasus
im
den Eindruck
andere Personen
ich der prächtigen
Der Autor zeigt
beschreiben will, was
und Jugend, ferner
seine Kindheit
uns
erzählt
durchsichtigem
;
sie
macht
des Entstehens,
der Illusionen im Leben.
uns, wie anfangs die Liebe
erwacht und erblüht, !)•
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Georg Brandes über den russischen Roman.
G8
im Herzen beider Gatten in Freundschaft übergebt und endlich die Liebe zu den Kindern an die Stelle aller anderen Abgesehen von dem Realismus seiner Schildetritt. wie dieselbe
Leidenschaften
ist Tolstoi auch noch mit jener historischen Phantasie begabt, welche nur selten vorkommt. Uebrigens ist er vollständig ein moderner Mensch und versucht es nie, längst vergangene Zeiten zu schildern er greift nie über jene Zeiten hinaus, aus welchen
rung,
;
er sich nicht auf die mündliche Tradition stützen könnte.
Das Gemälde der Regierungszeit Alexandere würdig,
die
historischen Porträts
I. ist
bewunderns-
Roman «Krieg
im Tolstoischen
und Frieden» bringen den Eindruck hervor, auf persönlichen Erinnerungen zu beruhen Napoleon und Kutusow können als Beispiele hierfür dienen. Die Scene der Audienz des russischen Ge:
sandten bei Napoleon macht den Eiudruck, dass der Verfasser bei derselben zugegen gewesen sein müsse. ist
die
Bemerkung:
kleine
Wie bedeutungsvoll beredt
«Sein weisser,
dicker Hals
hob sich
von dem schwarzen Kragen seiner Uniform ab, welche stark nach
Eau de Cologne
duftete
Wie
»
verräth sich der Parvenü in diesem
kleinen Umstande des zu starken Duftes!
Das Porträt Kutusows das Napoleons
;
es
ist
eben so bewunderungswürdig wie
durch seine Lebens Wahrheit, obgleich
frappirt
Kutusow zu sehr
der Leser den Eindruck behält, dass der Autor erhebt, Napoleon
zu sehr
aber
nichts tritt uns
In
herabdrückt.
die Genialität des letzteren entgegen, wir finden überall nur seinen
Hochmuth und stürzte.
Selbstüberhebung,
die
welche
ihn
ins
Verderben
Die Thatenlosigkeit, die Apathie Kutusows wird dagegen
vom Antor
und
gepriesen
Beweis
als
für
Anschauungsweise
die
desselben angesehen, dass die historischen Ereignisse in folgerechtem
Wechsel
auf einander
folgen, dass der einzelne
Mensch
in ihnen
nichts ändern, nichts hinzufügen kann.
Diese Sympathie Tolstois sonderen
Lebensanschauung
Dostojewskis bleibt er zwar
für
der
;
Kutusow
und
und
Nervosität
fern, achtet
dieser den Geist, den Verstand
fnsst
auf seiner be-
Ueberreizung
jedoch eben so wenig wie
lässt sich
durchaus nicht von
der Genialität eines Menschen impouiren.
In Deutschland
und an die Cultur
;
an den Verstand England an die SelbAutoren von der Nichtigkeit des Menschen gegenüber glauben
in
die Schriftsteller
Skandinavien und
ständigkeit des Charakters; Tolstoi
überhaupt, sind blos
dem Weltall durchdrungen.
Er
—
in
ja, die russischen
achtet das Weltall, das Schicksal
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Georg Brandes über den russischen Roman.
69
—
aber keineswegs die Wissenschaft, die Kunst, die Cultur. Nicht diese letzteren sind für ihn wichtig, sondern blos das Leben und
Die
der Tod, diese ernsten, unerreichbaren Factoren des Daseins.
erhabene Lehre, welche Leben und Tod täglich dem Dichter ertheilen, übertönt für ihn allen liche Geist scheint
nissen
Lärm
Der mensch-
des irdischen Treibens.
ihm so schwach im Vergleich zu den Geheimer in gewisser Beziehung den geringen
des Daseins, dass
Verstand dem
grössten
Der
gleichstellt.
persönliche
Wille
ist
nichts gegen den Strom geschichtlicher Ereignisse; in Wirklichkeit führt nicht der Feldherr die Armee, nein, das Geschick
treibt sie
Die Schlacht wird gewonnen oder verloren nicht durch Anordnungen des Commandirenden, sondern nach geheimnis-
vorwärts. die
Die Scene, wo der Fürst Andrei verwundet auf
vollen Impulsen.
Schlachtfelde liegt, ihm alles, selbst Napoleon klein und nichtig
dem
erscheint im. Vergleich zu den
Vorgängen
—
der eigenen Seele
in
ist
im höchsten Grade charakteristisch für Tolstoi, ebenso der Umstand, Tod mit solcher Wahrheit, mit solcher
dass kein Autor vor ihm den
Er kennt eben
zu schildern verstand.
Mannigfaltigkeit die
Seelenstimmung
,
welche
dem
Selbstmorde
so
genau
vorausgeht
(bei
Männern, wie bei Frauen), als die Gefühle, mit denen starke oder schwache Naturen dem Tode auf dem Schlachtfelde oder auf dem Krankenlager entgegensehen. Das Ideal einer Umkehr zu dem Naturzustände entspringt bei Tolstoi aus seinem Mistrauen gegen den
menschlichen
Geist;
es
gleicht
aber
durchaus
dem
nicht
Rousseaus, weil es einen religiösen Charakter trägt, der dem Ideal des
französischen Philosophen
gänzlich
fehlt
—
dennoch erinnert
Tolstoi bisweilen an den letzteren.
Karatajew
in
«Krieg und Frieden» macht auf Besuchow des-
halb einen so starken Eindruck, weil er ein primitiver Mensch
ist,
welchem noch jene echte christliche Liebe und Demuth lebt, In gewisser Beziehung deren der civilisirte Mensch unfähig ist. in
ist
in
Tolstoi ein echter Romantiker,
denn
sagt hat, beständig versucht, dasselbe die
er sucht sein Ideal nicht
Er ist aber kein dem Streben nach dem Ideal nicht ent-
der Zukunft, sondern in der Vergangenheit.
reiner Pessimist, weil er
zu
erreichen
und
anderen
Verwirklichung desselben verkündet.
Gerade hierdurch unterscheidet sich sein Pessimismus von dem der modernen französischen Schriftsteller, denen das Leben so gar nichts mehr gilt, dass sich darüber nicht mehr nachzudenken lohnt Alles, was die einzig und allein die Kunst noch gelten lassen.
—
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;
Georg Brandes über den russischen Roman.
70 sie
Wirklichkeit hassen und verachten, schätzen sie in der
in der
Kunst.
Wenn
ein Product
dann
liches darstellt,
wir
in
nur Hässliches und Wider-
derselben
können wir überzeugt davon
allein
dem Kuuslproduct
Kunst
die
sein,
dass
Um
sich
lieben.
selbst
daher vollständig befriedigt zu fühlen, verlangt der künstlerische Aristokrat, dass Schmutz und Niedrigkeit das Element der Darstellung bilden.
Im Gegensatz zu ein
so
Anschauung ist für Tolstoi das Lebeu Thema, dass das künstlerische
dieser
unerschöpfliches
ernstes,
Interesse vor der Wichtigkeit des Lebensräthsels ganz zurücktritt dieses hat daher für ihn keinen Werth. ist
ihm die Kunst nur dann
haft zu erkennen, es
wenn
mit Dingeu
und
werth sind erkannt zu werdeu,
welche
unwürdig
Betrachtung
der
In allen seinen Schöpfungen
Mittel, um
ein sich
sie
über
das Leben wahr-
beschäftigt, welche
diejenigen
Eine
scheinen.
fortgeht,
literarische
Schule, die sich darauf beschränkt, das Leben zu schildern, wie es
uns umgiebt, ohne daran zu denken, ob Hesse
organisiren
—
und
wie es
der Schriftsteller-Naturalist,
das
von George Sand angreift, weil er
—
besser
Moral was alle
die
hat
nur
formeller Beziehung für die Kunst einen gewissen Werth.
Wo
unsittlich
zu
nennen
sich
der
unsittlich nennt,
pflegen
eine
Schule
solche
in
es
aber grosse Gedanken und Hoffnungen, erhabene Vorstellungen von der Zukunft giebt, da lebt in den Geistern das Princip literarischen
Lebens, da wird die Literatur davor bewahrt, zu verknöchern oder
zu versiegen. In unserer Epoche
unsere Schriftsteller geben
geworden, die Heiterkeit aus
es Sitte
ist
der Erzählung zu verbannen
unser Zeitalter
:
ist ein
trauriges und
der Auserwählten wieder.
die Gefühle
Das wird aber nicht mehr lange dauern in keinem Falle ist dies däs letzte Wort der Menschheit auf den Gebieten der Kunst und der Poesie, weil dieser Pessimismus dem psychologischen Gesetz :
widerspricht,
nach
übergeht und so zurückkehrt.
oft,
welchem
eine Zeit
Momente der Freude, der wird
eine
zu
den
die
Kunst entstehen, in
Eindrücke
Momenten
die unschätzbaren
der Dichtkunst
in
moderne Mode vorübergegangen
die
als
des Glücks, gleich blitzenden Edelsteinen
dann weithin leuchten
traurige
glücklichen
kommen, wo
glücklichen Stunden
Wenn
wiedergegeben werden. ist,
Erinnerung
die
wie möglich,
Es wird
Einfassung
— dient,
der
Momente
und diese werden
den Büchern, wie im Leben.
Ich will es nicht verurtheilen, dass die Dichtkunst aufgehört
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Georg Brandes über den russischen Roman. hat, iileale
Gestalten zu zeichnen
die Folge
;
hiervon
71
ist
es aber,
wenn das Niveau der Menschheit im modernen Roman gesunken oft sind die
ist:
Schilderung
sie
wärtig sind wir die geistige
—
Charaktere so unbedeutend, dass
aucli
mehr interessant gestalten kann.
nicht
alle darin einig, dass in
die beste
Gegen-
Beziehung zu der Kunst
Bedeutung der dargestellten Personen ganz gleichgiltig
begabtere Naturen werden sich aber stets durch grossartige und schwierige Probleme angezogen fühlen. Es ist eine Eigentümlichkeit des wahrhaft poetischen Genius, alle Bewegungen, ist
volle Bedeutung
die
fühlen
— man
Zeitgenossen
Seelenlebens
des
seiner
Zeitgenossen
denke nur an Shakespeare und Goethe.
Dichter wird sich stets stehen,
der Höhe
zu
er
wird
alle
zu
Ein grosser
erheben, auf welcher seine
Schätze
des Geistes uud
der
Seele in seine Netze ziehen.
Das Ewigweibliche in
Seufzern und
dar,
in
ergiesst
Thränen
—
was grob oder erbärmlich
zu neuer Entwickelung
Grösse im Leben, wie
gedeiht, in der
artigkeit, deren schwaches
sich
in
der modernen Literatur
das Männliche ist.
Wenn
dann
stellt
nur dasjenige
die Literatur
wird
wieder
Europas
die erhabene
Dichtkunst kund werden, jene Gross-
Morgenroth die
alte romantische Schule
vorausahnte.
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Notizen. Die Erbobücber der Stadt Riga. von der (leuelUchuft für
Kymmel.
1888.
Ueacliiclito
HeraHsgegebcu 1384—157!). und Altertbuuiskuude der Oatsee-
Bearbeitet von J. U. L.
prorilUEeil Russlands.
LXXXIII
S.
ti.
515.
\ ap
i
e r s k y.
Riga,
(ir. 8.
ist eine nach jeder Richtung hin respectable Ehrengabe, welche unsere centrale historische Gesellschaft der gelehrten
gtyjpffli
estnischen Gesellschaft
mit diesem
in
Dorpat zu deren öOjähriger Jubelfeier Sie bezeugt, dass von den hat.
Werke dargebracht
freilich nicht allzu reichlichen Mitteln,
welche der Gesellschaft für
Geschichte und Alterthumskunde der Ostseeprovinzen zum Zwecke
Verwendung an ihrem Ehrentage von den Stünden der Stadt übergeben wurden, der geeignetste Gebrauch gemacht wissenschaftlicher
vor allem
wird,
aber,
dass
die
wissenschaftlichen
noch
Kräfte
wirksam sind, welche eine derartige Verwendung erHerr dim. Rathsherr Napiersky hat mit seiner sorgsamen Arbeit einen ganz beträchtlichen, aufs sauberste zugerichteten Quaderblock zum Bau der deutschen Städtegeschichte beigetragen.
immer
in ihr
möglichen.
Von besonderer Wichtigkeit
ist
das
Werk nun
für
freilich
die
Localgeschichte Rigas.
Wer
da erfahren hat, wie mühselig
zu arbeiten, welche Schwierigkeit es eine Handschrift sich hineinzulesen,
es
ist,
in
den Archiven
unter Umständen
macht, in
wie zeitraubend, eine gewisse
Forschung zu verfolgen, einen bestimmten Namen aufzusuchen, und wie es geradezu niederdrückend wirkt unter der Arbeit sich zu vergegenwärtigen, dass
so
mancher denselben
gegangen, ohne dass der Nachfolger von seiner
kann
—
Weg
schon
Mühe Nutzen
vorher ziehen
der bringt von vornherein die dankbarste Würdigung einer
Arbeit entgegen, die nun ein für allemal vollendet
ist
und jeden
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73
Notizen.
Benutzer
ohne Aufenthalt seinem
derselben
Diese können
nacbgelien lässt.
zelnen Einzeichnungen
bei
den
in
Zwecke
besonderen
der Durchsicht der 2824 ein-
beiden Erbebüchern, deren
älteres
von 1384—-1482 und deren jüngeres von 1493—1579 reicht,
Der Herausgeber weist im
dings sehr verschiedene sein.
2.
aller-
Oapitel
seiner umfangreichen Einleitung auf die Richtungen hin, nach denen
das gebotene Quellenmaterial verwerthbar wäre.
Da welche
vor allem die Fülle der Personennamen in die Angen,
fällt
von
einen Zeitraum
durch
Sie gewährt
verfolgen lässt
zwei Jahrhunderten sich
fast
sowol Einblicke
in
die allmähliche
Einbürgerung der Familien- und Geschlechtsnaraen, wie
in die Be-
völkerungsverhältnisse der Stadt nach der Besitzlage, wie nach der Nationalität
oder
den
Standes-
und
Gewerbsverhältnissen.
Sie
bietet Einzelheiten zur Geschichte schon bekannter hervorragender
Persönlichkeiten
,
sie
auch
besondere
dient
der
genealogischen
Forschung. Verfassung und Besitz der städtischen Gemeinde, der einzelnen Stände, der Kirche, überhaupt
der
vorhandenen Institutionen und
ihrer Verwaltung wird durch ihr häutiges
und Verkäufer,
Vorkommen
Gläubiger und Schuldner
als
als
Käufer
in ein helleres
Licht
gestellt.
Wie
viel die
Topographie Rigas aus dem Studium der Erbe-
bücher Nutzen ziehen muss, ergiebt sich aus der Bestimmung dieser Bücher, der zufolge jeder Uebergang eines Immobils in das Eigenthum jemandes vor dem Rathe der Stadt in dieselben eingetragen Zu diesem Behuf wurde das betr. Immobil seiner Lage und Beschaffenheit nach, oft mit dem Zubehör, möglichst genau angegeben. Durch die besonderen Bedingungen, unter denen («aufgelassen») wurde.
sich häufig der
Eigenthumswechsel vollzog, werden wir aber auch
viel-
fach über einzelne Theile des Hauses oder Grundstücks unterrichtet.
Hieraus sich
viele
erhellt,
wichtige
dass
weiter
Erhebungen
auch
aus
für die Culturgeschichte
diesem
Material
gewinnen
lassen können.
Nicht zum wenigsten dieser Publication gedient. eine
ist
der Geschichte des Privatrechts mit
Als erste Frucht hat der Herausgeber
Abhandlung über das Aüflassungsrecht mit specieller Ausin Riga genommen, seiner Einleitung
führung der Gestaltung, die es einverleibt.
Endlich
ist
an
die
Ausbeute zu erinnern, die der Sprach-
forscher aus diesen Büchern ziehen wird, sowol was die Auffindung
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,
74
Notizen.
auch was den Uebergang vom Gebrauch dss Lateinischen zum Niederdeutschen und das allmähliche Eindringen hochdeutscher Wortformen in das Niederdeutsche betrifft.- Eigentümlich ist es, dass mit dem Jahr 1417
ungewöhnlicher Worte und Wortformen, als
die niederdeutsche
Eintragung bei der Nr.
Ref. gesehen, ohne Unterbrechung
t>08 beginnt und, so weit
während mit
wird,
ibrtgeführt
diesem Jahre, dem Herausgeber zufolge, doch kein Wechsel
Person des Schreibers
in
der
Der Reihenfolge nach ist freilich dem Jahre 14 IG verzeichnete Eintragung,
eintritt.
die Nr. 007, die letzte bei
die erste in niederdeutscher Sprache
tatsächlich aber ein
sie ist
;
Zusatz aus dem Jahre 1420 zur vorhergehenden (lateinischen) lu-
Ganz umnassgeblich
seriptiou Nr. 000.
will es Ref. scheinen, dass
Nr. 607 nicht besonders hätte gezählt werden
Zusatz
in
Cursivdruck,
gleich
dürfen, sondern als
ähnlichen Fällen
deu
im zweiten
Erbebuche, hätte erscheinen sollen.
Das Werk
einem
sehliesst mit
fast
100 Seiten umfassenden,
ausserordentlich sorgfältigen siebenfachen Register und wird dadurch erst in vollem
Möchte
es
Masse zum Handgebrauch beim Studium geeignet.
nun auch recht Heissige Benutzung
Stadtrechts«, vor 7 Jahren
bücher,
der
libri
mit.
redituum
Dem
finden.
seinen «Quellen
geber, der uns vor 12 Jahren mit
des
Heraus-
rigaschen
der Ausgabe der städtischen Einnahme-
beschenkt, sagen wir
für
jüngste Darbringung wärmsten Dank.
Fr. B.
Lässt sich das Dasein Gottes aus der Natur beweisen ? Vortrag von J. Pastor und
Kluge.
Der
Diakonns
au
Nicolai
St.
seiue
diese
Reval.
in
Reval
Le
gung des Theismus
die
Zweckmässigkeit
in
zur Verteidi-
der gesummten Natur
nicht als zwingenden Beweis, wohl aber als wahrscheinlichen für die
Annahme
eines
persönlichen Gottes
der «alles zermalmende» Kaut
bekannten
die
drei Gottesbeweise dargethan
bestehen geblieben, sich
im Anschluss
sichern,
an
der
Grund
zu verwerthen.
logische Unzulänglichkeit
auch kaum wieder behauptet worden.
auch
nz Frau*
,
1S88.
Verf. versucht in diesem kleinen Beitrage
Wahl heit
hat,
Dennoch
ist ist
Seit
der
das Gegeutheil das Bedürfnis
seines religiösen Glaubens
die Wissenschaft
von
der Natur zu ver-
und darin drückt sich deutlich aus der Einheitstrieb unseres
gesainmten geistigen Lebens.
So weit geht unsere Zustimmung zu dem Unternehmen des Aber wir können seine Meinung und Absicht, auf
Herrn Verf.
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Notizen.
75
Kampf gegen
Weise einen wirksamen
diese
Wir behaupten,
führen, nicht tlieilen.
Uuglauben
den
Wege
dass auf diesem
zn eine
Stärkung des Glaubens, eine umfassendere Grundlage für denselben allerdings den schon Ueberzeugten zugewaudt werde, dem Ungläubigen dagegen nur dann eine Veranlassung zur Aufgabe seines Standpunktes erwachse, wenn Zweifelsgründe naturwissenschaftlicher
Art das faltung
ihm
bei
kommen
vorhandene
religiöse Bedürfnis
der Natur
thatsächlich so, dass derjenige, welcher
zur Ent-
uicht
Denn mit dem, was der
lassen.
zweckmässigen Organisation
Verf. aus
der
beibringt, verhält es sich
wissenschaftliche Er-
eine
klärung allein gegeben wünscht, auf die religiöse Folgerung oder
Erweiterung verzichten kann. Es handelt sich ja für den Naturforscher so wenig wie für den Psychologen darum, dasjenige, was ausserhalb
unmittelbaren
aller
äusseren oder
Erfahrung
iunereu
zu erklären, sondern nur darum, das Gegebene zu erklären,
liegt,
überall in der
d. h.
hang nachzuweisen.
n u u g s w e 1 1 causaleu ZusammenAlles, was uns unmittelbar gegeben ist, trägt
E
r s c
h e
i
zusammengesetzten Charakter, verlangt die Zurückführung auf die Elemente und den Nachweis ihrer gesetzmässigen Wirksamkeit. und nur
Ist dies gelungen, so ist unser Erkenntnistrieb befriedigt,
mag
der Metaphysiker
noch
und
gehen
weiter
den Grund alles
Seins zu finden versuchen. Bei der Darstellung seiner Forschungen wird der Naturwissenschaft
treter
gern
und des Zweckmässigen bedienen. Bedeutung,
Man von
als
es
*
Zwecks
des
dieselben eine andere
aus,
dem vorliegenden Schriftchen sondern
hervortritt.
von der Wirkung, und
gegebene Resultat
dieser rückläufigen
Ueberschau
entsteht bietet
in
bildlicher,
aber
sehr
oder entstanden
sich
dem menschlichen zwecksetzenden Willen von denn
sucht zu
dem Zusammenarbeiten verschiedener Bedingungen
das anschaulich
wird
aber der Ver-
der Begriffe
kehrt nur die causale Betrachtungsweise um, geht nicht mehr
der Ursache
zeigen, wie aus
Bei
in
sich
Doch haben
ist.
die Aualogie mit selbst
dar,
und so
verständlicher Redeweise die
Ursache zum Mittel und die Wirkung, von der man ausgeht, zum
Zweck. Gründe
Daraus nun. dass wir vielfach noch nicht die zureichenden für die Entstehung einer Erscheinung kennen, zu folgern,
dieselben
seien
in
einem
übersinnlichen Weltregierer
zu suchen,
wird demjenigen fern liegen, welcher mit unbefangenem Vertrauen die bisherigen Fortschritte der Wissenschaft verfolgt hat.
Wir meinen
also, dass der
Glaube an einen persönlichen Gott,
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76
Notizen.
dass das Christenthum auf einem anderen
Wege
als
dem von Lenz
eingesehlagenen den Leugnern und Zweiflern nahe gebracht werden
muss und kann, nämlich von der praktisch-sittlichen Lebenserfahrung aus. Hat man dann die Religion zu einem werthvollen ßestandtheil seines inneren Seins
die Verbindung mit der
gemacht, so
Geist und wirkt geistig in
W.
P.
vo
li
o h
1
a n d
Der Verfasser hat im J. 1886
gekommen
Aufgabe
die
114 S.
Leipzig, J. C. Hinrichs. 1888.
und nicht
in
Er behandelt
Revision zu unterziehen.
den Buchhandel
wichtige und mancherlei
gestellt, eine
einer umfassenden
Schwierigkeiten bietende Lehre des Strafrechts die
Gefahr im Strafrecht
nur so weit, als dieselbe eine Bestrafung hervorruft letzung betrachtet der sich zu
jemand
schützen
wird, nicht befindet,
und,
ohne
Dorpat,
8.
sich in dieser Schrift, deren erste Auflage
als Festschrift erschien
ist,
verhältnismässig leicht,
Die Gefahr im Strafrecht. Zweite vermehrte Aull.
,
Karow und
E. J.
ist es
Welt des Mechanischen herzustellen. Gott dem Sichtbaren. K.
ist ein
aber
wo
die Seite,
und als Verdie Gefahr, in
demselben das Recht giebt, sich selbst zu werden, Rechte Anderer zu
straffällig
verletzen oder zu gefährden.
Nach
einer kurzen Einleitung über den
Zusammenhang zwischen
Gefahr und Verbrechen werden die Delicte erörtert, in denen die Gefahr als Thatbestandsmerkmal erscheint, die Gefährdungsverbrechen. Anknüpfend an die strafbaren Gefährdungen von Leib und Leben, Freiheit und Ehre, untersucht der Verfasser das Wesen im Gegensatz zum Polizei- oder Un-
des Gefährdungsverbrechens
bei dem ersteren sich aber nur ist, bei dem letzteren Der Unterschied wird dahin näher bestimmt, dass das Gefährdungsverbrechen Handlungen umfasst, die särnrnt-
gehorsamsdelicte und findet dasselbe darin, dass stets eine
Gefahr vorhanden
regelmässig
lich
einstellt.
ihrem Gattungscharakter nach gefährliche sind,
concreten Falle
die
Gefahr
gemangelt
gehorsamsdelict Handlungen in sich
haben,
begreift,
mag auch im
während
das
Un-
welche generell ver-
Handlungen, welche je nach der Sachlage gefährlich sein können oder ungefährlich sind. Im Anschluss hieran wird die Frage erörtert, in wie weit eine Gefahr durch das Vorschieden sind,
d. h.
handensein einer Gegenursache in ihrer Existenz aufgehoben oder in ihrer Intensität verringert wird.
Im zweiten Abschnitt kehrt einzelnen Gefährdungsverbrechen
der Verf. zur Betrachtung der
zurück
und
behandelt
zunächst
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Notizen.
die
Gefährdungen des Vermögens,
77
sowie
Gefährdungs-
diejenigen
welche wie Raufhandel, Abtreibung &c. zugleich eine
verbrechen,
Verletzung von Rechtsgütern ausführlicher Darstellung
um
sich schliessen,
in
dann
sich
gemeingefährlichen Verbrechen
den
in
zu-
Das Wesen der Gemeingefahr wird dahin bestimmt, dass sie eine unbestimmt grosse, in ihrer Ausdehnung nicht voraussehbare Gefahr für Leib und Leben oder für Eigenthum ist. Als gemeingefährliche Verbrechen werden diejenigen Handlungen bezuwenden.
zeichnet, denen, generell betrachtet, die Möglichkeit innewolmt eine
solche Gefahr hervorzurufen.
Bei Besprechung der einzelnen gemein-
gefährlichen Verbrechen polemisirt der Verfasser gegen
die neuer-
dings aufgekommene Eintheilung der gemeingefährlichen Delicte in
zwei verschiedene Gruppen, liche
in abstract
und betont dem gegenüber den
und concret gemeingefähr-
einheitlichen Charakter
sämmt-
licher gemeingefährlicher Verbrechen.
Weiter wird die Frage
aufgeworfen, in wie
dem Delinquenten beim Gefährdungsverbrechen
tretenen Folgen
der Nachweis
zurechnen sind und
auch der zufälligen Folgen eine
Thatsache
Den Grund
sei.
weit die einge-
rufenen Möglichkeit
des
die
zu-
Zurechnung
dieser Haftungspflicht für Zufall sucht
den Handelnden schuldhaft
der durch
der Verfasser in
erbracht, dass
den Gesetzbüchern feststehende
in
und verweist
Erfolgseintritts
hervorgein
dieser
wo
Hinsicht auf die nämliche Erscheinung beim Verletzungsdelict, gleichfalls eine
an
die Schuld geknüpfte
Haftung für Zufall
sich
vorfindet.
Sodann wendet der Verfasser
vom Gefährdungsverbrechen durch
sich
dem Versuch
zu, der sich
die Willensrichtung unterscheidet,
durch den Vorsatz, das Recht nicht blos zu gefährden, wie dieses, sondern zu verletzen.
Die durch Feuerbach
in Fluss
gekommene,
in
Wissenschaft, Gesetzgebung und Praxis vielfach erörterte Frage nach
dem Versuch mit
absolut untauglichen Mitteln und
lichen Object wird eingehend erwogen.
sorgfältige Kritik
24.
Mai 1880
Strafbarkeit
gelungen
ist,
absolut untaug-
Der Varfasser weist durch des Reichsgerichts vom
der Plenarentscheidung
nach, dass
des
am
absolut
den Beweis
es
der
subjectiven Theorie, welche
untauglichen Versuchs für
die
behauptet, nicht
die Richtigkeit ihres
Standpunktes
Schliesslich zeigt er in eingehendem, durchdachtem Aufbau, wie nur vom Standpunkt der objectiven Theorie, welche
zu erbringen.
die Straflosigkeit des absolut untauglichen Versuchs behauptet, die
Lösung gefunden werden kann.
Er
führt aus, wie auch beim Ver-
:
78
Notizen.
such, entsprechend der
Verantwortung für Zufall beim Gefahrdungs-
verbrechen, die zufällige Unmöglichkeit des Erfolges nicht von der
Verantwortlichkeit befreie und weist nach, der absolut untaugliche
Versuch als
ist,
stelle sich, in so
weit die Untauglichkeit eine nothwendige
Wahnverbrechen, in so strafbarer Versuch
ein
als
fällige ist,
weit
sie eine
Um
dar.
sprechung allen Zweifeln zu begegnen, empfehle es
blos
zu-
in
der Recht-
sich,
nach dem
Vorgang des neuen russischen Entwurfes eines Strafgesetzbuches Bestimmung in das Deutsche Strafgesetzbuch aufzunehmen Der Versuch mit völlig ungeeigneten Mitteln oder an einem völlig
folgende
untauglichen Objecte
ist
straflos,
falls
oder Object
nicht Mittel
blos zufällig untauglich sind.
Für
die Besitzer der
bemerken wir noch,
Aufl. (Festschrift)
1.
14—15, Neu hinzugekommen sind und weitere 30—33, 49— 51, 77. Auf S. 55
dass wesentliche Umarbeitungen sich finden auf SS. 12, 13, 89. 101
87
— 102,
106
— 109.
Ausführungen enthalten
S. 17
— 19,
65 erörtert der Verfasser eingehend Hälschners Erörterungen
bis
in Bezug auf des Verfassers Ausführungen über den Begriff der Gefahr und Gemeingefahr, wie selbige in der 1. Auflage Vorlagen.
J.
Fenlinaml Davitl
die
uinl
Engelman n.
Familie MendeUsohn Hartholdy.
Briefschaften znsaiinnengestellt von
Duncker und Hnmblot, Seit zwanzig Jahren
1888.
Julius E
S. 289.
Ans besondere, von anderen
Mittheilungen nicht zu reden, haben die Theilnahme auf den ganzen
hochbegabten Familienkreis Künstler war.
In
ausgedehnt,
künstlerischen
und
dessen
Mittelpunkt
der
diese ausgezeichnete Gesellschaft verheisst das
vorliegende Buch einzuführen.
Und darüber hinaus deckt
es die
freundschaftlichen Beziehungen Felix Mendels-
sohns zu einem Manne
auf,
an
den die Erinnerung
noch
der
in
musikalischen Welt lebendig
ist, zu Ferdinand David, dem meisterdem Concertmeister des leipziger Gewandhauses, der 37 Jahre dem Musikleben der Stadt angehört und ihren Ruf
haften
als hat.
Geiger,
der Pflege deutschen Musiklebens mit begründet Mit ihm aber verknüpften den Herausgeber innigste Bande der
erste Stätte
Liebe und Verehrung. Und von dem Antriebe, den diese Empfindungen
ihm
eingaben,
getragen,
überwand
die
er
Bedenken,
dass
er,
kein Sachkenner auf dem eigensten Gebiete Davids und Mendelssohns, es unternehme, das Leben des Einen und
Anderen mit jenem zu
schildern.
Er hat
den Verkehr des
völlig recht daran gethan.
Spricht das Verhältnis der beiden zu einander und der musikalische
Charakter Davids sich doch eben in ihren Briefen aus, die bei weitem den Haupttheil des Buches bilden und uns Mendelssohn von seinem 17. Jahre an bis an seinen Tod im Verkehr mit dem
Jahr jüngeren Freunde zeigen, der ihn dann freilich um Der liebenswürdige, eingehende Plauder-
um
ein
ein
bedeutendes überlebte.
ton beider Schreiber,
die
volle Offenheit
zwischen
ihnen, die sie
beide heseelende Hingabe an ihre Kunst, der Sinn und
nahme
für alles
um
sie her,
der beiden
eigene
die Theil-
Humor machen
die
Lectüre zu einer Quelle grossen Genusses.
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80
Notizen.
Die Verbindung der Einzelstücke dieses reichen Briefwechsels, zu dem sich die Schreiben gesellen, welche Frau Lea MendelssohnBartholdy, die Mutter des grossen Künstlers, an den Freund ihrer
Kinder
richtete, ist so geschickt
und tactvoll geknüpft, dass
Zeit häufigen Austausches, wenn, wie
Freunde getrennt ihr
fast allein
lebten, aus
Thun und
—
Freuden und Leiden wenige — hervortritt. lich in
den
Schilderung
als
der
der
in
meist der Fall war, die
Treiben, ihr Schaßen
und Denken, ihre genug gab es der letzteren
und glücklich
In den übrigen Lebensperioden, so nament-
am Anfang und Ende
sich Eckardt
es
den hin- und hergesandten Episteln
uns
des Buches behandelten, bewährt
vertraute
der Entwickelungsjahre
Zeit und Stätte derselben
uns
ragen das zweite und vierte Capitel
mit
der
Schriftsteller,
seines Schwiegervaters
heraufzubeschwören hervor:
«
weiss.
der
auch
Darin
Beim Königstädter Die dazwischen
Orchester» (in Berlin) und «Leipziger Anfänge». liegenden
sechs Jahre «In Dorpat» sind, vielleicht aus Rücksicht
für den grössten Theil
der Leser, sehr
kurz,
unserem heimat-
in
lichen Interesse viel zu kurz behandelt, bringen aber
um
so reichere
Briefe des Freundes und seiner Mutter und jüngeren Schwester.
Der Tod Felix Mendelssohns im Jahre 1847 zerschnitt das Verhältnis. «Das Schönste war doch weg, das kommt nicht wieder.» «Mehr wie ein mal hat David noch in späteren Jahren
—
gesagt, dass
Leben
das Leben
ohne
Mendelssohn
nur ein
doch
halbes
sei.»
Der Verfasser greift nun wieder vorzugsweise ein. Briefe Davids, Hillers, Schumanns unterbrechen nur spärlich den warmen Fluss der pietätvollen Erzählung in den Abschnitten «Nach Mendelssohns Tode», «Auf der Höhe des Lebens», «Der Tag ist Auf diesen Charakter seiner schönen Darstellung weist überlebt». Eckardt mit einem scherzhaften Worte Mendelssohns hin « Ueber:
:
schätzt
mich
nur ein bischen
—
die
anderen Leute
bringen das
durch Unterschätzung wieder ein.» Fr. B.
Herausgeber:
R.
Weiss.
—
Verantwortlicher Redactenr:
,tn:inojenuo neinypo».
—
Pcbcjl, 28 - ro Auj
Gedruckt bei Liiidfors’ Erben
r.js
H. Holländer.
1888
r.
in Boval.
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Zwei Balten Ober Goethe.
Gedanken über Goethe von Victor 1887.
Goethe
S. 327.
Hnrnnrk.
1
11 e
li
n.
-
Berlin, Gehr. Borntritger (Ed.
Eggern ),
8.
Epoche seiner Vollendung (1805—1832). Versuch einer Dar Stellung seiner Denkweise und Weltbetrachtnng von Dr. Otto
der
in
i
c
t
o r
handlungen
8.
hat sich schon durch eine Reihe von Ab-
Goethe
über
Goetheschen Dichtung
Gr.
S. 249.
Leipzig, Hinriehs, 1887.
Hehn
Freunden
deutschen
den
von einer so
vorteilhaften Seite
der
gezeigt,
man mit gutem Zutrauen ein neues Werk von ihm in die Hand nimmt. Und wirklich hat die Lectüre dieses Huches auf mich dass
einen sehr günstigen Eindruck
gemacht.
Klarheit als Selbständigkeit des Urtheils solchen vollen
Wärme
der Empfindung
Besonnenheit
und
des «Ausdrucks
ähnlichen Eindruck hinterlässt wie
Kunstwerkes
oder
die
Goethes «Dichtung und Wahrheit».
dankengang des Verfassers
in
zeigt ist
geschrieben,
das Anschauen
etwa
Lectiire
Es und
zugleich mit
den
von
Ich
einem
will
eben
löbliche Eigenschaft
hat
dass
es
eines
einen
schönen
Abschnitt
aus
versuchen, den Ge-
einzelnen Abschnitten wieder-
Denn auch
es
eben durch die
zum eigenen
Urtheil anregt.
das Buch, dass
Selbständigkeit des Urtheils mächtig
viel
einer so mass-
zugeben und daran einige eigene Gedanken anknüpfen.
die
so
dabei mit einer
Was ich einwende, soll also nicht den Leser mistrauisch machen gegen Hehns Behauptungen, sondern ihn selbst wo möglich wieder zu eigenem Nachdenken anregen: so werden wir UiHixrlK- Monulftwltriri.
Ban.)
XXXV,
llofk 2.
dem Verfasser
in
(i
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Google
Zwei Balten über Goethe.
82
am
seinem eigenen Sinne
besten danken für die
schöne Gabe, mit
welcher er uns beschenkt hat.
Schon dem ersten Aufsatze muss
unbedingte Anerkennung
ich
Er führt die Ueberschrift «Südwest und Nordost* und Gegenden Deutschlands bezeichnen, in denen Goethe sich während seiues ganzen Lebens vorzüglich aufgehalten hat. Seine Jugend verbrachte er bekanntlich, von dem dreijährigen
aussprechen.
will damit die beiden
leipziger
Aufenthalt
Mannes- und ganz
stätten
abgesehen,
an
Greisenalter
Da
Thüringen.
am Main und am Ilm,
der
in
Rhein,
sein
Mitteldeutschland,
in
denn nuu die Schilderung von Goethes Jugend-
ist
gelungen
vorzüglich
sie
;
ein
bietet
farbenreiches,
lebensvolles Bild jener Mischung von kleinen geistlichen und welt-
von
Staaten,
lichen
protestantischer,
jüdischer
katholischer,
Be-
völkerung, von Ritterburgen
und kleinen deutschen Reichsstädten und von den aus dieser bunten Mischung entsprungenen geselligen Zuständen Deutschlands, Berlichingen » nicht
so,
ohne
wie wir
,
deren Anschauung der «Götz von ihn haben, im
Kopf des Dichters
Besonders angezogen hat mich, der ich
sich hätte bilden können.
immer einmal einen Aufsatz: «Die Poesie der Landstrasse* schreiben wollte, die Schilderung des Vagabunden-, Bettler- und Gaunerthums (S. 18), welches sich in Süddeutschland r besonders nach dem siebenentwickelte und welches auch die Farben «Räubern» hergab, so dass auch in dieser Hinsicht
jährigen Kriege, Schillers
Erstlingswerke
beiden
kommen.
stehen
unserer
Weniger
späteren Aufenthaltsort,
will
grossen
in
Parallele
zu die
zu
mir Zusagen, was er über Goethes es befremdete
über Thüringen, sagt, ja,
mich einigermassen seine Behauptung als
Dichter
S. 22,
Goethe habe sich immer ich habe einen
Ich muss gestehen,
fremd im Norden gefühlt.
anderen Eindruck aus Goethes Dichtungen und Briefen bekommen.
Zwar
erinnere ich
mich ja wohl der Stellen,
von den Herrlichkeiten spricht, aber
so
scheinen
— kennt
;
unser Dichter hat.
doch seine
des
wo
er mit Freuden
süddeutschen Volks- und Naturlebens
der Verfasser Thüringen? Mir will es nicht
wie
dem auch
Reize
sei,
verstanden,
Nein, Weimar, Thüringen
das
ist
mir gewiss, dass
empfunden
war wirklich Goethes
und genossen zweite, seine
Heimat geworden, zum Segen für seine Dichtung und für uns. Soll doch nicht als ein Pilz der Mensch dem Boden eutwachsen Und verfaulen geschwind an dem Platze, der ihn erzeugt hat. Einen ähnlichen Gedanken war ich schon einmal in der Lage übei- Schiller zu äussern war ein Glück für die deutsche es geistige
:
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;
Zwei Balten über Goethe.
83
Literatur, dass Schiller im Süden Deutschlands geboren und erzogen
wurde, aber es wäre ein Unglück
für
gewesen, wenn er dort
sie
Seine Verbannung aus Schwaben hatte für
hätte bleiben müssen.
dem
ihn denselben Erfolg wie die Vertreibung aus
Kant
und
Schiller,
gleichen, nnd das
das erste Menschenpaar
für
ist
;
Paradies, nach er
lernte
ver-
schon geistig anregend; er lernte der eigenen
Kraft vertrauen, er erfuhr, dass die wahre Heimat des denkenden Menschen da ist, wo er seine Geisteskraft am freisten entfalten kann.
Auch
scheinen mir die S. 22 angeführten Gedichte uicht auf
den weimarschen Aufenthalt
zu
passen,
wo Goethe «zwar
in der
ersten Zeit sein Unbehagen noch nicht aisogleich geäussert habe»,
denn diese Gedichte sind ja
alle
aus
einer früheren,
der strass-
burger oder frankfurter Zeit. Man konnte nun freilich sagen, Thüringen habe durch seine Kleinstaaterei, die die Landkarte von Thüringen wie einen Stieglitz erscheinen lässt, an dem der liebe
Herrgott die Farben ausgewischt seiner Herrscher
hat, durch die aus der
Bildung, durch
wenn auch kleiue Stätten der
frühere Gleichgiltigkeit
die
Ohnmacht
seiner Bewohner, durch die
begünstigte Freiheit
vielen Residenzen als eben so viele,
gegen
die Geschicke
des deutschen Gesammtvaterlandes noch eine gewisse Aehnlichkeit
Wald mit dem Schwarz-
mit Süddentschland, so wie der Thüringer
habe
wald und den Vogesen, und Goethe kleinen
dem
deutschen Staates,
als Minister eines
sich
politischen
die
Interessen
einer
deutschen Grossmacht fremd waren,
in einer
Lage gefühlt wie
Bürgermeister seiner republika-
als Ratlisherr oder
nischen Vaterstadt Frankfurt
auch das gebe
ich
—
ähnlichen behaglichen
und das würde ich gelten lassen;
dem Verfasser zu
(S. 30),
dass
er
sich
noch
Hamburg, und unter dem strammen prenssischen Regiment nicht recht am Platze gefühlt haben würde aber Thüringen war jedenfalls für ihn das Land der weiter
nördlich,
etwa
in
Berlin oder
:
goldenen Mitte. als
Wollte mir der Verfasser einwenden, ich spreche
geborener Thüringer mit Vorliebe für meine Heimat, so würde
ihm entgegnen, er als Balte kenne die Schönheiten meiner Heimat nicht, oder mit den Worten des Schillerschen Demetrius «Du denkst als Pole, ich bin Moskaus Sohn«. Sehr geistreich ist aber dann wieder von S. 32 an die Ent-
ich
wickelung die
derjenigen
man ihm
Eigcnthümlichkeit
so oft zuiu
von
Vorwurf gemacht
Goethes Charakter,
hat. aus
den Verhält-
nissen seines Geburtslandes, einer Eigenthümlichkeit, die ich, ich
sie
mit einem
einzigen
Worte bezeichnen
sollte, nicht
wenn
anders
•o
Digitized by
Google
:
Zwei Balten über Goethe.
84 zii
Dieses Weltbürgerthum
Weltbürgerthum.
nennen wüsste als:
auf der einen Seite eben so sehr ein Fehler, als es auf
ist freilich
wo «das Volk aufSturm losbricht», da wird es, wenigstens von den bedem kühlen Weltbürger sehr übel vermerkt.
der anderen ein Vorzug steht, der
In Zeiten aber,
ist.
theiligten Zeitgenossen,
Goethe stand eben
Warte heissen
wie als Mensch «auf einer höheren
als Dichter
auf der Zinne
als :
der Partei», sollte
auch
diese Partei
Ohne
Verteidigung des heimischen Herdes.
dieses Welt-
bürgerthum wäre Goethe eben nicht Goethe wir müssen ihn hinnehnien, wie er einmal ist. Von Schiller durfte Weimar und im ;
höheren Sinne Deutschland sagen « Denn er war unser!» von Goethe darf die ganze Welt sagen, und wollte Gott, sie sagte es :
«Denn
er
i
Goethes Vorzug
—
ist
Vorzug
Schillers
unser.»
s t
seine
—
seine
ist
Deutschheit,
Verzeihung dem neu gebildeten Worte!
Weltheit.
Der zweite Aufsatz
«Goethe und das Publicum.
heisst:
Er
Literaturgeschichte im Kleinen. >
Auffassung der Goetheschen Werke Ist
Zeit.
wählt?
aber
Was
der Ausdruck «Publicum» wol
man
versteht
Eine
giebt uns eine Geschichte der
im deutscheu Publicum seiner
unter
Publicum
auch
richtig
ge-
Doch wol jenes
?
tausendköpfige Ungeheuer, welches nur als Masse eine Stimme hat,
welches seine Stimmung über äussert, dass
es
fein
dem, klatscht oder
ein Theaterstück
zu Hause
bleibt
Ungeheuer seine Stimmung über oder ehe es auf das Theater
Lesen
oder
Nichtlesen.
mangelung anderer
entweder dadurch
oder im Theater, je nach
Aber wie äussert
pfeift.
dieses tausendköpfige
ein Dichterwerk, welches
kommt ? Doch wol nur durch
Also
statistischen Nachweise, wie
z.
nicht
fleissiges
würde meines Erachtens
in
Er-
B. der Ausleihe-
bücher der Leihbibliotheken, nur die Zahl der Auflagen und Nachdrücke massgebend lich
diesen
sein
für die
Stimmung
Ausdruck und nicht etwa:
Denn mit der Zeitungskritik
Kritik,
befasst
wenigstens sich
das
mit
(ich
gebrauche absicht-
Urtheil) des «Publicums».
der zu
Publicum
schreibenden
nicht,
und
mündliche
kommt nur ausnahmsweise auf die Nachwelt, kann also Den sichersten Massstab würden vielleicht, gerade weil sie nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt sind, briefliche Urtheile geben, aber auch diese kommen entweder nur Kritik
nicht massgebend sein.
ausnahmsweise auf die Nachwelt, oder sie fliessen aus der Feder hervorragender Geister, die also auch nicht zum Publicum, wie ich diesen Begriff auffasse, gehören.
Und
drittens ist in diesen Briefen
Digitized by
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Zwei Balten über Goethe.
sagt, gewöhnlich
Feder
oder Hass, für oder eiu
solches
ist
es
85
Drang das
der Fall so selten, dass blosser innerer
Urtheil
persönliche Theilnahme,
in die
in
Liebe
gegen die Persönlichkeit des Verfassers, die
briefliches
Urtheil
Hätte
hervorruft.
Publicum nicht heissen müssen: Kritik? Für
es
also
statt
diese, die zeitgenössische
Zeitungs- und ßriefkritik, haben wir jetzt eine Sammlung, die
Verfasser wol als Quelle gedient hat es gestehen,
Entsetzen
linden
Genies nicht die
S
t
i
den
Albernheiten
ist
eben, dass
Stimme
mm
Nun
diese
ist,
wenn
des
fördert.
sie
auch recht wohl
u u g des Publicums, leider beeinflusst. Geist wie Lessing iu seinem !
freilich verdient (S. 59) ein
Lessing war
Urtheil über Goethes «Werther» gehört zu werden. gereifter, erfahrener,
abgekühlt er als der darum konnte er konnte es nicht, sage
des «Werther», aber eben
gerecht werden, er nicht mit
Werken
zu Tage
berufsmässige Kritik
zunft- und
des Publicums
ja mit einem ge-
den
die
,
gegenüber die zeitgenössische Kritik
Mein Trost die
vor
habe,
dem muss
ein Buch, das ich, ich
:
nur mit Widerwillen gelesen
dem Verfasser behaupten möchte,
der Unmuth,
ausser
Besitz
gesetzt
jugendliche Dichter
Werke nicht wenn ich auch
diesem ich,
dass «Neid, Eifersucht,
zu werden, Erbitterung» die
Ursachen dieses Nichtkönnens gewesen seien. Oder etwa behaupten, dass es ähnliche Motive gewesen seien,
Hehn
will
die
Goethe
hinderten, sich für Schillers Jugendwerke, die «Räuber», ja selbst
«Don Carlos» und «Ueber Anmutli und Würde» zu begeistern? Das wird Hehn nicht behaupten wollen, und ich selbst will es Goethe fühlte eben nicht mehr jugendlich genug, um für «Don Carlos» und seinen Weltverbesserer, Marquis Posa, zu schwärmen. Sagt er doch selbst einmal Was der Dichter in der Jugend und für die Jugend dichtet, kann auch nur von der Jugend den
auch nicht.
:
anerkannt und genossen werden, oder so ähnlich (im Gespräch mit Eckermann, den 17. Januar 1827). Es war ungefähr ein Jahr, seit
Lessing seine «Emilia Galotti» dem Druck
Ubergeben
hatte, als
sätze recht lebhaft:
und dem Theater
Goethes «Götz von Berlichingen», und
Jahre, als sein «Werther» erschien.
Man denke
sich diese
zwei
Gegen-
«Emilia Galotti» nur mit dem Verstände ge-
arbeitet, ein vollendetes
Kunstwerk, aber eben
weil
es
zu
sehr
Kunst werk
war, «Caviar für das Volk», und halte dazu Lessiugs
Aensserungen
über
Stücke
der
seinen
dichterischen
Genius
in
dem
letzten
hamburger Dramaturgie, und mau wild seinen Mis«Werther» begreiflich finden, ohne jene Motive zu
inuth über den
Digitized by
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Zwei Balten über Goethe.
86
Zudem, war denn Lessing auch wirklich so ungehalten über den «Werther»? erkannte er ihn nicht rückhaltslos für das Werk eines Genies ersten Ranges? Nur die Folgen beHilfe zu nehmen.
fürchtete er, die dieses
Werk, gerade durch
seine Genialität,
für
Leute haben musste, die eben keine Genies waren. Und hat ihm Erfahrung darin nicht Recht gegeben? Hatte er Unrecht, statt
die
des verführerischen Selbstmordes Werthers eine grössere Betonung
sinnlichen
der
als einen Ableiter zu
Kunstwerk
Befriedigung
überspannten Liebesgefühls
des
wünschen? Dann war
das Goethesche
freilich
eine genialere Parodie als die albernen
zerstört, aber
und hausbackenen «Freuden
des
jungen Werthers» von
Nicolai,
sie plante, hätte vielleicht dem Uebel wirksamer Weise gesteuert, und dann wäre das Goethe-
eine Parodie, wie Lessing in gleich
sche Kunstwerk für alle empfänglichen Seelen in seiner Schönheit
Wie wäre
unversehrt geblieben.
in
wenn Lessing das «Marthdem Besseren» (Lessing
es,
von «Werther
zweiten Scene
ehen» der
der Nat.-Lit. III. 2, S. 288) dazu bestimmt gehabt hätte, diesen
«übersinnlichen
etwas
zu
Freier»
sinnlichen
ungefähr
bekehren,
liebten» die
von
wie
Egle dies dem Eridon
seiner
Uebersinnlichkeit
Goethes «Laune
in
Dem muss
leistet?
des Verich weiter
nachdenken.
Geht
es
mir
mit Hehns bestrickendem Buch
doch
Gerade
wie Lessing mit Werther.
weil
mich
es
hoffentlich noch recht Viele fesseln wird,
so
wünschte ich
dadurch ein schiefes Licht auf Lessings edlen Charakter seiner Stellung zu Goethes Faust, den
er nur gehört
hatte, ist es ähnlich,
Hatte er etwa
kehrt.
hätte sich der sittliche lichen,
nicht
er
oder wol
er,
kannte, von
dem
auch gerade umge-
Mann, dessen einzige Liebe zu einer glück-
dem Teufel ergeben
habe,
höchste Seligkeit
dessen Faust durch die
was konnte
Liebe
Was
wenn
Ekel
an der Wissen-
er sich daraus machen,
die Wissenschaft, das Studiren war,
zur Wissenschaft
werden sollte? Ich wiederhole:
nicht verstehen, auch
lied,
und
Mit
nur zu kurzen Ehe führte, daraus entnehmen könuen ? Oder
dessen
führt
fiele.
der Gretchenkatastrophe gehört, was
von
hatte er davon gehört, dass Faust sich aus schaft
ähnlich
fesselt
nicht, dass
er
vom Teufel
konnte
ver-
Goethes Faust
er ihn noch genauer gekannt hätte.
der Verfasser dann von Goethes Verhältnis
zum Volks-
von der verschiedenen Auffassung und Nachahmung desselben
bei den zeitgenössischen Dichtern und der verschiedenen
dieser Dichtungen vorbriugt, ist
eben
so
wahr
als
Aufnahme
schön gesagt.
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Zwei Balten
Was
Knaben»
87
Goethe.
mir dieser Mangel von Goethe
(S. 70) betrifft, so scheint
zu
beabsichtigt sicht
tiber
den mangelnden Schluss der Ballade Goethes vom «untreuen
aber ihren
um das Schauerliche zu erhöhen, Zweck verfehlt zu haben, weil man
sein,
Ab-
diese
allerdings
immer nach der Auflösung des Räthsels begierig ist. Aber Goethe hatte nicht allein bei dem Volke mit der Unempfänglichkeit für seine doch dem Volke entlehnten Dichtungen zu kämpfen auch bei seinem Herzog fand er Abneigung gegen das Deutsch-Volksthiimliche, gegen die Nachahmung des Shakespeare und Hinneigung zu der Pseudoklassik der Franzosen. Der Verfasser scheint mir sehr Recht zu haben, wenn er (S. 75) des Herzogs Wohlgefallen an dem Gedicht «auf Miedings Tod» nur darauf zurückführt, dass Mieding zu den Vergnügungen seines kleinen Hofes Beziehungen hatte. Ausführlich ergeht sich der Verfasser Uber die Aufnahme der ;
Goetheschen
Schöpfungen
Romantiker, wie
sie
der
bei
jüngeren
vielmehr sich
der
Dichterschule
anfangs Schiller fallen Hessen,
deu Schild zu heben oder
um Goethe
auf
unter seinem Schilde zu
decken, wie die Schlangen bei Virgil unter der Aegis der Minerva,
wie sie aber dann, als
auch
glaubten,
sie selber eine poetische
gegen Goethe
widerhaarig
Macht
wurden.
vorzustellen Schiller
kannte seine Gegner sehr wohl
und
Goethe
ihm spater schlecht lohnten.
sie mit Artigkeit, die sie
behandelte
er-
sie rücksichtslos,
Nun
zwar der Verfasser Schiller gegen die Abkanzlungen, ihm Friedrich Schlegel zu Theil werden liess, nicht aber ohne rügen, den ich nicht finden kann Schlegel weht «aus Schillers edelsten und lebendigsten 125).
verteidigt die
an Schiller einen Mangel zu (S.
Werken ist
Hauch
bisweilen der
Schlegels Sache
;
einer innereu Kälte entgegen».
Das
ich bedauere ihn wie jeden, der bei Schillers
Dichtungen nicht warm wird
;
wenn aber Hehu
diese
Empfindung
der Kälte zugesteht und
sie aus einem «Rest poetischen Unvermögens» erklärt («Schiller wusste nicht alles, was er ergriff, in Phantasie aufzulösen und fiel dann öfter in sein Element, die Rhetorik, zurück»), so möchte ich den Verfasser fragen, ob bei
einem Dichter, der
alles
im Lichte der Poesie verklärt sah, von
einem «Rest poetischen Unvermögens» die Rede sein kann.
was
heisst in Phantasie auflöseu ?
Klares dabei gedacht? für
:
Poesie
V
Endlich
es
Hat
etwa
sich
;
von seinem
Ferner:
der Verfasser etwas
verschrieben oder verdruckt
die Rhetorik Schillers
:
geht durchaus nicht an Wallenstein
Ist
Element zu nennen,
eher würde ich statt Rhetorik sagen, wie
Max:
das «Feuer
seines
liebendeu Ge-
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Zwei Balten über Goethe.
88
Aber
fühle».
streiten
;
es
ist er
:
ästhetischen
Gründen zu
Moliereauf das Urtheil seiner Magd,
ich berufe mich, wie
aut mein Gefühl folglich
weitläufig, mit
zu
ist
jeder Vers Schillers zittert mir durch alle Nerven,
(und nicht blos mir) ein echter Dichter, ein ganzer
Dichter, ein grosser Dichter.
nach meinem Sinn
Sehr schön und ganz
dann wieder die
ist
Auseinandersetzung von Tiecks Verhältnis zu Shakespeare mit ja,
dem
er
mehr
f.),
den er zu einer Art Tieck macheu wollte, während Tieck besser
gethau hätte, sich
zu
Art Shakespeare zu
einer
Shakespeare nicht kennt, wird sich aus Tiecks der
Wirklichkeit
geradezu
*
Wer
macheu.
Dichterleben» eiueu
entgegengesetzten
machen.
ihm
von
Begriff
% Anwalt der siiudigen, von urtheilenden Menge rücksichtslos verdammten Mensch-
Vortrefflich ist sodann
der lieblos
Goethe
heit geschildert (S. 137), seine
so
134
(S.
coquettirte, als dass er ihn recht verstanden hätte,
als
Nachsicht gegen das Publicum, das
wenig Nachsicht gegen ihn
hatte,
wahrheit, sein Hass gegen Heuchelei.
sein
Dringen
auf Natur-
Dieses Dringen auf Natur-
wahrheit, der auch noch in späteren Jahren bewahrte und bewährte
Würde und
titanische Trotz auf seine
jeder Bemäntelung bittere
um
seinen Werth, die
Verwerfung
der lieben Conveuienz willen hat ihm manche
Stunde gemacht, und er hat schwer genug für das gebüsst,
was er that, ohne die Gesellschaft um ihre Erlaubnis zu fragen. Fern sei es daher von uns, einen Stein auf ihn zu werfen im ;
Gegenthei.l
fühle
ich
mich
mit
fassung von Goethes Verhältnis Christiane Wulpius.
Er
findet
Hehn durchaus sowol
einig in der Auf-
zu Frau von Stein als zu
und
«psychologisch
sittlich
viel
dunkler als das Verhältnis zu Christianen den zwölfjährigen Liebes-
—
weil der letztere mit der immer bund mit Charlotte von Stein reinen Natur nicht in so vollem Einklang zu stehen scheint als
jenes».
jüngst
Denn
wenn
erschienenen
wirklichen Ehebruch halte
ich
auch
Schrift:
nicht
mit
der
und den vollzogenen sinnlichen Ehebruch
Tüpfelchen» nennen möchte, so halte geistigen Ehebruch für moralisch
haben unsere
beiden
ich
einer
von Stein» den
dem
geistigen
nicht blos das «I-
doch auch wie jene den
eben so aufreibend.
Und
leider
grössten Dichter, Goethe uud Schiller, diese
Erfahrung machen müssen, oder vielmehr, zu ihrer eigenen späteren geistigen und
Durchgaugspunkt
Verfasserin
«Goethe und Frau
für ganz gleichbedeutend mit
nicht
erspart
worden.
sie ist ihnen,
sittlichen
vielleicht
Läuterung, als
Aber eben
so
leicht
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Googl
89
Zwei Balten über Goethe. halten
auch
sie
in
Kampf
diesem moralischen
zu Grunde gehen
können.
Nun
vielleicht
diesen unmoralischen Verhältnissen noch Dank abzuDenn schwerlich würden wol ohne diese Verhältnisse «Don Carlos» und Goethes -Wahlverwandtschaften» so,
statten.
Schillere
da dies nicht geschehen, hat unsere Literatur
freilich,
Die Rolle, die ich «Marthehen» in
wie sie sind, entstanden sein.
Leasings Parodie bei Goethes Werther spielen lassen wollte, spielte Eine wirkliche, standesChristiane bei Goethe in Wirklichkeit. aus
den Banden der
befreit haben, vorausgesetzt, dass
Goethe überhaupt
gemässe Ehe würde Goethe
Frau von Stein
nicht
vielleicht
jemals Neigung gehabt hätte, eine
solche
Aber
einzugelien.
ich
dass gerade Behauptung aufgestellt dass Frau von Stein nicht aber gerade dadurch die Seine werden konnte, dieses aufreibende Verhältnis so lauge haben dauern hissen, länger auch anziehende
habe
anderswo die
schon
Goethes Ehescheu
und
.
,
der Umstand,
—
—
als
das zu jeder Anderen, die
Doch
ich finde, dass
ich
gemesseuen Raumes gelangt
frei
und za haben war.
über die Hälfte des mir zu-
schon bin,
ohne
solches
Buch
noch
die Hälfte des vor-
Warum
kann mau über ein Buch schreiben? Doch freilich würde
liegenden Buches erreicht zu habeu. nicht wieder ein
dann eintreten, was Goethe in der ersten «Epistel» sagt: Dass auch Andere wieder darüber meinen, und immer So ins Unendliche fort die schwankende Woge sich wälze. Glücklicherweise fühle ich mich auch in dem Folgenden so im Einklang mit legenheit
zu
wenigstens,
möchte,
Denn
ist,
dem
einem
wenn was
Verfasser, dass ich nur noch einmal die Ge-
Einwand
ergreifen
ich auch nicht
ganz
will.
Beherzigenswerth
unbedingt ihm beipflichten
er S. 175 Uber die «Goethe-Philologie» vorträgt.
allerdings ist zu befürchten, dass mit dieser «Akribie», deren
sich die Philologen so
gern
für die Lectiire des Dichtere
wird.
rühmen, das
grössere Publicum nicht
gewonnen, sondern davon abgeschreckt
Für meine Person möchte
der «Goethe- Philologen» nicht
Methode Grammatik
ich freilich diese kritische
gern
entbehren, da die
und die Lexikographie unserer geliebten Muttersprache davon Nutzen ziehen.
Ausserdem entbehren solche gelehrten Ausgaben auch keinesan den immer zahlreicher
wegs ihres Publicums, wie man schon
werdenden Sammlungen von Neudrucken sehen kann, die einer sorgsamen kritischen
Methode behandelt werden.
alle
nach
Die höheren
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Zwei Balten über Goethe.
90
Schulen und besonders die Universitäten mit ihren germanistischen Seminarien, in denen auch
ist
immer mehr neudeutsche
der Preis einer" kritischen Einzelausgabe,
fragments,
Und
sich ihn leisten kann.
z.
B. des Faust-
auch ein Student oder ein
geringfügiger, dass
so
ein
Gymnasiast
Schriftsteller
schon ein Beträchtliches;
worden, absorbiren
erklärt
philologisch
auch
so wird wol auch die Zeit
mehr fern sein, wo die niemals für die Oeft'entlichkeit bestimmt gewesenen Herzensergüsse Goethes an die Frau von Stein als Material gebraucht werden, um die Studenten in der Bestimmung von Lesarten und Briefdaten zu üben. Es wird also wol eine doppelte Art von Ausgaben geben müssen, die eine für das genicht
bildete, die
andere für das gelehrte, lehrende und lernende Publicum.
Trefflich ist
lebens», in
nun
der Aufsatz:
«Naturformen des Menschen-
dem aus dem Panorama Goethescher Dichtungen uns
der Mensch in seinen verschiedenen, durch Stand, Alter, Geschlecht,
Beruf oder Neigung bedingten
typischen Verhältnissen zur Natur
vorgeführt wird.
Die verschiedenen «Stände» zeigt uns dann der
folgende Aufsatz
in
zur Kirche, zur Gesellschaft.
ganz
phantasie»
zum Ganzen, zum
ihren Beziehungen
den
Hingegeu
herrlichen
widmet, und jedenfalls
ist
ist
dies eine der
Betrachtung Goethescher Dichtung. Mir
Staat,
der Abschnitt «Natur-
Goethes
Naturschilderungen
ge-
wichtigsten Seiten in der
ist
der Unterschied zwischen
ihm und Schiller gerade von dieser Seite immer am deutlichsten geworden Für Schiller redete die Natur immer nur die Sprache, die er selbst ihr lieh; es ist das eben Schillers grossartiger Idealis-
mus; und allerdings war sein Geist reich genug, Das Todte zu beseelen,
Er Erdkreis
Mit dem Stoff sich zu vermählen. Karl Moor es wünscht, einen eingeäscherten bevölkern können. Er war wie
hätte, wie sein
mit
Pygmalion
seinen Phantasien
fähig, mit
Liebesarmen sich um die Natur zu schlingen,
Bis sie zu athmen, zu erwärmen
Begann an seiner Dichterbrust. Ganz anders Goethe. Für ihn redete die Natur Sprache, ja sogar eine doppelte, eine dichterische und sche, die
Sprache
der Poesie
ihre eigene
eine prosai-
Es
und die der Wissenschaft.
eben so anziehend als lohnend, aus Goethes Dichtungen eine lung
von Naturschilderungen
denn auch der Verfasser uns die Natur
zusammenzustellen
in meisterhafter
—
und
Weise gethan
—
ist
Samm-
dies hat
aus der
zur Tages- und Nachtzeit, im Sommer, im Winter,
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Zwei Balten über Goethe. im Frühling und Herbst, im Gebirg. auf öde
entgegentritt, dichterisch
Aber
immer
in
91
dem Wasser,
in
der Ein-
reizender Gestalt.
gleich
diese Quelle Goethescher Dichtung ist unerschöpflich, und es
wäre daher für einen Nachfolger des Verfassers
vielleicht empfehleus-
werth, einzelne darin besonders reichhaltige Dichtungen, wie Faust
und Werther,
Den
in
diesem Sinne zu besprechen.
Schluss macht ein Aufsatz,
den
mich
ich
war
es nur ein ähnlicher.
doch angeben sollen,
die
,
1 .
eher «Studien» als «Gedanken» sind,
allerdings
fehlen
Auch Goethes «Gleichnisse» sind eine dichterische Welt für man kann nicht sagen, man lerne aus ihnen, in welchen
hier.)
sich
wo diese «Gedanken über Goethe» Hehns Aufsätze im Goethe-Jahr-
und
ob
vielleicht
;
(Nebenbei bemerkt, hätte der Verfasser
schon einzeln gedruckt waren
buch 1
eriunern
zu
glaubte mit Vergnügen schon eiumal gelesen zu haben
;
Sphären der Dichter besonders heimisch sei, denn er ist eben in allen heimisch, und diese Bemerkung, wenn sie richtig ist, gäbe wieder einen hübschen Anlass schen
Gleichnisse
in
der Goethe-
zu einer Vergleichung
beschränkten
den
mit
Universalität
ihrer
Sphären etwa der Klopstockischen oder der Homerischen. Goethes Dichtungen sind
so
wol auch werden
gelegt werden können und
wie in diesem Buche;
eine ausgiebigere Beute
Was
nommenen.
gewähren
den Einwand
noch hundert
reichhaltig, dass
ähnliche Durchschnitte durch dieselben
aber
gewiss wird keiner
Hehn
als die von Victor
betrifft,
den
ich
vorge-
zu machen
noch
hätte und den der Verfasser, da er nun ineine Vorliebe für Schiller kennt, vielleicht
der (S.
Raum
schon
mangelt,
errathen
auf
223) «die Gestalten
einen
blutlose Schatten, aus schönem
an uns vorübergehen». mit mir. für
Stellen dieses
1
vor.
I). '
Und
freudige
so beschränke ich mich, da
Redeschaum
hoffentlich
Schiller wenigstens
sehr
ihn
hat,
blossen Protest.
Ich
leugne, dass
der beiden Liebenden im Wallenstein, als gebildet, wirkungslos
leugnen
dies
recht Viele
machte im weimarschen Theater die
Wahrnehmung, dass gerade
die
lyrischen
Dramas den meisten Eindruck machten.
Unseres AVisseu» liegt
liier
eben die Veröffentlichung
zum
ersten
Male
K e d. Im Goethe-Jahrbuch Bd.
«Kmiges über Goethes Vers» und Mittheilungen zu Goethes «Deutscher Parnass» ltd. 8 «Goethe und die Sprache 6:
;
:
der Bibel».
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Zwei Halten über Goethe.
92
Nicht ganz so anregend, aber eben so gediegen
Otto Harnack:
von
Nur muss
einverstanden
nicht
nämlich
von 1805
Titel
«Epoche seiner Vollendung»
gerade 50 Jahre
andere Künstler
Werk
dem
von vorn herein mit
seinem Tode,
zu
das
ist
Epoche seiner Vollendung!.
in der
ich
Diese
biu.
bis
1805 war Goethe welcher
«Goethe
ich gestehen, dass
das
alt;
ist
Periode, in
die
gewöhnlich Feder, Meissei
soll
Im Jahre
1832, gehen.
oder Palette
Das hat nun Goethe freilich nicht getlian; genug geschaffen, reife Früchte seines
hinlegen und ausruhen.
er hat noch Meisterwerke
Alters, aber doch seines Alters. Ich begreife gar nicht, wie man dazu kommt, Goethe zu einer Art umgekehrtem Wunderkinde
machen zu wollen, zu einem Jüngling im Greisenhaar. Oder will nicht gelten lassen, was Goethe selbst den Dichter im «Vor-
man
auf dem Theater» so schmerzlich vermissen lässt: seine dichte-
spiel
Jugend?
rische
Darin meine ich fast Goethe besser
als seine Enthusiasten, die
die
z.
zu verstehen
dem zweiten Theil des Faust
B. in
ganze Jugendkraft des ersten wiederfinden, für die Goethe ein
und derselbe Unvergleichliche
der Jugend
in
ist,
im Alter.
wie
In seiner lateinischen Gedächtnisrede auf Goethe führte Eichstädt,
Gedanken aus: es sei bewundernswerth, wie in den Dichtungen dieses einen Mannes alle Gattungen der Poesie, und zwar in ihrer höchsten Vollkommenheit, vertreten seine Creatur, den ganz richtigen
durch
seien,
die
ganze
die
Epochen geglänzt habe,
Romane entstanden wird es
aber doch
uische Zeitalter
ja
griechische Literatur
ln
nicht
allen
allen
in
—
ihren Epochen
keinem Verständigen
ihren
denn die
im alexandrinischen Zeitalter.
Nun
einfallen, das alexandri-
wegen einiger schönen Romane und Kunstdichtuugen
etwa dem perikleischen an die Seite setzen zu wollen. Und gleichwol war das alexandrinische Zeitalter, ja die römische Dichtung Aber wer wild noch eine schöne Nachblüthe des Hellenenthums. von
diesem
Zeitalter
Gelehrsamkeit,
der
Vertiefung die Jugendfrische etwa
warten
?
Periode.
mir
in
Und Goethes Mir
ist
Goethe
dieser Hinsicht
Alter
jedes
mit
des
Greisenaller
seinen
gerade
geradezu
ist
eben seine alexandrinische
deshalb
der
wissenschaftlichen
der
homerischen Zeitalters er-
so
gross,
in
sich
er
ist
weil
er
ja,
Mensch,
normale
Eigenthümlichkeiten
rein
aus-
Jugend Jüngling, in Er war sich als Greis recht wohl beseinem Alter Greis war. wusst, was er gegen die Gnadengaben seiner Jugend eingetauscht hatte uud wusste die Gnadengaben des Alters wenigstens und
durehgelebt
,
hat,
weil
er
in
seiner
,
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Zwei Balten über Goethe.
seines
Alters,
der
in
93
würdigsten Weise
schicklichsten,
anzu-
wenden.
Doch
ins
bekannte Saitenspiel
Mit Muth und Anmuth einzugreifen,
Nach einem
selbstgesteckten Ziel
Mit holdem Irren hinzuschweifen, Das, alte Herrn, ist Eure Pflicht, Und wir verehren Euch darum nicht minder. Soll nun aber einmal eine Epoche in Goethes Dichterleben als die seiner «Vollendung» bezeichnet werden, so würde ich die Jahre seit seiner italienischen Reise bis zu Schillers Tode, also gerade die nächst vorhergehende, als solche benennen. Es ist die, welche, nach Rosenkranz’ Vorgang, wenn ich nicht irre, gewöhnlich und sehr zutreffend die idealistische genannt wird (so auch von
Gödeke),
im
Gegensatz
zu der
Gödeke, oder titanistischen, wie der Periode
bezeichnet,
sie
charakteristischen,
wie
sie
weniger zutreffend Rosenkranz
seines Götz,
Werther und ersten Faust.
Aber wenn ich diese Werke nur nenne, die zu ihrer Zeit DeutschEuropa entzückten, wird man da nicht schon zugestehen, Das heisst: vollendet
land, ja
dass Goethe schon damals «vollendet.» war? als Jüngling,
Marmor anf aber
einmal
als Götterjüngling,
der
als
welcher
er
auch
noch
weimarschen Bibliothek festgehalten wird.
Epoche als
seine idealistische
festgehalten werden, nun so
ist es
seiner Iphigenie, seines Tasso, die,
die seiner
im Soll
Vollendung
entschieden die der Vollendung
wenn auch
nicht
mehr das Ent-
zücken Deutschlands, aber doch die stille Freude aller Gebildeten aller Völker Europas ausmachen und als «Tröster der Schulen», noch halb unverstanden,
Leben begleiten. halb
den Jüngling
von
der Schulbank
das
in
Als Verehrer Schillers würde ich es schon des-
gutheissen
nicht
können,
dass
Goethes
«Vollendung»
erst
nach Schillers Tode, wo er vereinsamt war und einen Theil seines Selbst
sich
entrissen
fühlte,
anheben
sollte.
Im Gegentheil
ist
«Die natürliche Tochter», die noch zu Schillers Lebzeiten gedichtet in gewissem Sinne der Abschluss dieser idealistischen
wurde
,
Periode und trägt schon Spuren
auch
der
neueste Herausgeber
der alternden Dichterkraft, derselben (Schröer
National-Literatur) dies nicht zugeben will.
in
wenn
Kürschners
Jedenfalls hat Schiller
Recht, wenn er über «Hermann und Dorothea» an Heinrich Meyer schreibt (den 21. Juli 1797): «Sie werden gestehen, dass es der Gipfel seiner und unserer ganzen neueren
Kunst
ist.
—
Bs
ist
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Zwei Balten über Goethe.
94
welcher Leichtigkeit
unglaublich, mit
wohlangewandten Lebens und
er
jetzt
Früchte eines
die
anhaltenden Bildung an sich
einer
selber einerntet, wie bedeutend und sicher jetzt alle seine Schritte sind,
wie ihn die Klarheit über sich
über die Gegen-
und
selbst
stände vor jedem eiteln Streben und Herumtappen bewahrte.
Der
>
XLIV), dass die Bezeichnung dieser Epoche, der Epoche von «Hermann und Dorothea» als der einer Periode «innerer Gährung» «seltsam» erscheinen muss. Und das Verfasser
fühlt
tliut sie in
selbst
(S.
Aber wenn auch eine solche Bezeichnung werden muss, so kann doch das Buch eine Gedanken enthalten und enthält sie wirklich.
der That.
als verfehlt erachtet
Menge
trefflicher
Schon nach dem Titel Hess sich erwarten, dass uns jler Verfasser, im ergänzenden Gegensätze zu Hehn, mehr in die Werkstätte des denkenden als des dichtenden Goetheschen Geistes einführen würde, und so ich,
Nach
findet es sich.
der
Verfasser
würde
einer Stelle der Vorrede vermuthete
uns,
wenn auch
gerade
nicht
blosse
ähnliche Auslesen
oder
«Lichtstrahlen» oder «Goldkörner»
aller-
hand geistreicher Aussprüche, aber doch im wesentlichen nur eine nach Fächern geordnete Sammlung Goethescher Aussprüche über Sehr angenehm fand ich Wissenschaft, Kunst und lieben geben. mich daher enttäuscht, als mir statt dessen
-
eine selbständige Be-
trachtung der Goetheschen Denkweise, durchzogen mit Belegstellen nicht blos
aus seinen Werken, sondern
und anderen Quellen, vor Augen lesenheit des Verfassers
nicht zersplittert,
am
Einzelne
auch aus
seinen Briefen
von einer grossen Be-
die
trat,
zeugen, aber
einer Belesenheit, die
immer das Ganze im Auge hat
die
und
schicklichen Orte einreiht
sich
und das
einigermassen ein
so
System auferbaut, welches
als solches
Werken
aber doch darin eingefältelt liegt wie,
nicht zu finden
ist,
nach Olearius, die zehn Gebote im cor/ms
Der weise».
erste Abschnitt giebt die «Grundlage Goethesclier
Hier constatirt der Verfasser
jeden Versuche, die eines
allerdings in Goethes
juris.
logisch
Summe
(S.
aufgebauten Systems
zu
fassen,
vollbewusst mit unüberwindlicher Skepsis wiss,
denn hätte er ein System
auch
geschaffen
,
und
dann
wesentlich andere geworden.
Laune, sondern
aus
fi),
schatten
Denk-
«dass Goethe einem
menschlicher Erkenntnis
in
das Ganze
grundsätzlich
so
hätte
und Ge-
gegenüber stand». wollen,
er
es
wäre des Verfassers Aufgabe eine Er wollte es aber nicht, nicht ans
dem Wesen
seiner Dichternatur
nur im Einzelnen das Ganze schaute,
aber
heraus, die
eben deshalb auch im
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Zwei Balten über Goethe.
95
SchAuen dieses Einzelnen sich nie genug thun konnte, immer nach neuen Gegenständen der Erkenntnis tastete und sich nie dazu verstehen konnte, das Einzelne nur als Beleg
Voraus
bereit gehaltene
darauf
aus,
deshalb, weil viel
dem Gebäude
aus
schwerer heraustreiben
als selbst eins
eines Systems
lässt als aus
Du
Prächtig habt ihr gebaut.
Nun
für eine im Geiste im
Er ging eher
Behauptung zu handhaben.
Systeme zu zerstören,
zu bauen, schon
sich
der Irrthum
einer Einzelbeobachtung.
Himmel, wie
lieber
treibt
man,
er so königlich erst wohnet, den Irrthum heraus?
sagt er bekanntlich von dem Newtonschen System.
mehr
galt ihm
nothwendig
Consequenz, die doch
als
Und wohl uns, dass dem so war! Tag über mit Systemen bis zum Ueberdruss
bildung gehört. der den
und Schüler Erholung heiteren
Räumen
der
der Tausend und
Alles
zugleich
Unten
ist.
wenn
finden,
blüht,
Alles uns in
oder
wächst
Einem
zur System-
Wo
sollte sonst
geplagte Lehrer
beim Dichter,
nicht
wo, wie
Phantasie,
einen Nacht
Wahrheitsliebe
in
den
den Wunderländern
in
den Gärten des Alkinoos
in
und gedeiht,
kein
Oben und
kein
seligen Wohlgefühl zerfliessen lässt!
Ja, auch der Schöpfer vou Systemen, der Denker, der Naturforscher,
der Sprachkundige
müssen
alle,
dass dies
in
ihm
Lehre gehen, und
die
immer mehr gerade von den bedeutendsten Gelehrten
geschieht (ich erinnere
das
von Wieland
nach Schillers
eingeflüsterter Forderung, beim Dichter
ist nicht
nur
an Alexander
von Humboldt), gerade
das geringste unter den Verdiensten
unserer grossen
Dichter de3 vorigen Jahrhunderts.
Der Schätze, die der Denker aufgehäufet, Wird er in euren Armen erst sich freun,
Wenn
seine Wissenschaft, der Schönheit zugereifet,
Zum Kunstwerk wird geadelt sein. Der zweite Abschnitt behandelt «Goethes Wenn
giöse Anschauungen».
Consequenz,
so
ist
es
religiösem Gebiete die Menschenliebe ja,
dass ihm der Glaube
dass
ihm
mehr galt
an sich
Glaube, der durch die Liebe thätig
Uud Und
ethische und
reli-
Wahrheitsliebe Goethe mehr galt als
begreiflich,
nichts
auf ethischem und
als Priestersatzungen, galt,
sondern nur der
ist.
dein Streben, sei’s in Liebe, dein
Leben
sei die
führt der Verfasser selbst an (S. 18).
That
Und dadurch
stellt er sich
ebenso über die Kirchensatzungen, wie durch seine Wahrheitsliebe über die Systeme, und wenn ich oben behauptete, der Denker habe
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Zwei Balten über Goethe.
96
von dem Dichter zn lernen, so habe
von den Denkern natürlich
icli
Und
auch die denkenden Theologen
nicht
war er
grossen Nebenbuhler Schiller voll-
kommen
Aber
einig.
seinem
mit
gleichfalls
wohl
als die
achtete
er
Grundlage seines Glaubens wie zu
nichts
hierin
er blieb ein getreues und gläubiges Mitglied
seiner, der protestantischen Kirche,
durch
ausgeschlossen.
ersetzende
Urkunde
aus
die Bibel
eben so
ehrwürdige,
als eine
Zeiten,
in
die
keine
anderen ähnlichen hinaufreichen, und thut von ihr den beherzigens-
ewig wirksames Buch, weil, so lange die Welt steht, niemand auftreten und sagen wird: Ich begreife es im Ganzen und verstehe es im EinWir aber sagen bescheiden: im Ganzen ist es ehrwürdig zelnen. werthen Ausspruch
und im Einzelnen zu entsagen,
um
Faust weiter zu schliessen, in
(S. 45):
ist es
ist
die Bibel ein
Dem Verbände
anwendbar.»
seiner Kirche
entweder als Philosoph
wie Spinoza auf eigene
einem
anderen Verbände anzu-
leben oder
dem
«Deshalb
sich
ist, wäre ihm Haut zu fahren
und erzogen
inan nicht geboten
eben so unmöglich gewesen, als
aus
der eigenen
und sich daneben zu setzen. Friedrich Schlegels Uebertritt zur katholischen Kirche erschien ihm als ein Act der Selbstvernichtung. Betrachtungen über Goethes Naturanschauung, seine Kunstanschauung und seine Auffassung der politischen und socialen Vermachen den weiteren Inhalt des interessanten Buches ans. In der ersteren spielt natürlich auch Goethes Polemik gegen Newton eine Rolle. Ich habe Goethes Farbenlehre noch nicht hältnisse
vollständig gelesen, und doch glaube ich, so weit ich sie und seine
anderen
naturwissenschaftlichen
kenne
Schriften
können, dass es mit ihr so bestellt
wie
ist
,
behaupten
zu
mit manchem anderen
Buche, wie ich schon oben sagte, dass man unendlich viel aus ihr lernen kann, trotzdem dass, ja vielleicht gerade weil der Verfasser sein
Hauptziel
Systems.
nicht
erreicht
hat:
den
Sturz
des Newtonsehen
Denn hat er es nicht gestürzt, so hat er es erschüttert, Anhänger desselben genöthigt, neue Stützen zu suchen alten zu befestigen. Er hat auf einem anderen Wege der
so hat er die
oder die
Wahrheit beizukommen gesucht ist
das
nicht
I
Vorausgesetzt,
—
wie
dass
liebenden Geiste wie Goethe ausgeht.
anregend, wie
es
erfrischend
von einem so wahrheits-
Der Verfasser
charakterisirt,
das Newtonsche Experiment mit der dunklen und dem gebrochenen Lichtstrahl sehr richtig (S. 83) als
meines Bedünkens,
Kammer
trotz der anscheinenden Complicirtheit «nur darauf ausgehend, das
Phänomen um
so
reiner
darzust eilen
und
so gerade jene Forde-
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Zwei Balten über Goethe.
97
rungen beständiger Vereinfachung der Phänomene bis zur Erreichung
Urphänomens, welche Goethe selbst aufstellt, zu erfüllen.» Aber zwischen dem, was ein Dichter ahnt und was ein exacter Forscher beweist, ist immer noch eine so gewaltige Kluft bedes
festigt,
der Verfasser
dass
sehr recht
gethan hat
(S. 102),
jeden
Versuch, Goethe als Vorläufer Darwins hinzustellen (auch Herder ist
als solcher bezeichnet worden),
Man
thut mit solchen geistreich scheinenden Vergleichungen beiden
Theilen
muss
kurzum von der Hand zu weisen.
bei
freieren
Der exacte Forscher, wie ich schon sagte, dem Dichter in die Schule gehen, um durch ihn einen zu gewinnen, um einen Zusammenhang des
Unrecht.
Ueberblick
Weltganzen ahnen zu lernen diesen Dienst konnte Goethe Darwin leisten oder hat ihn ihm geleistet, was ich nicht weiss, und sicherlich würde auch Goethe durch die Ergebnisse von
grossen
;
Darwins Forschungen befestigt
haben
;
das
sich
seiner Natur- und
in
aber auch
ist
der
einzige
Weltanschauung
Zusammenhang
zwischen beiden.
So
viel
hatte
ich
Leistungen zu sagen
;
für
diesmal
Über
genügt, denke
es
Helms und Harnacks
ich,
um
zur Lectüre der-
selben anzuregen, ohne sie überflüssig zu machen.
Sulza
in
Thüringen.
Dr.
'
RaltUche Monatsschrift.
Rand XXXV, Heft
Robert Boxberger.
kam die Kaiserin. Der Empfang war sehr freundlich, den Uebrigen gab die Kaiserin die Hand zum Kusse, die Fürstin nahm sie mit sich. Das rührte die Fürstin und benahm ihr den Zorn. Sie küsste der Kaiserin leidenschaftlich die Hand und bat, das Geschehene zu Gleich darauf
vergessen.
«Aber gestehen
Sie,
Fürstin
...»
«Majestät,» unterbrach diese, «eine graue Katze
zwischen
lief
uns hm, wollen wir selbige nicht wieder herbeirufen!»
Die Kaiserin lachte und ging auf ein anderes Thema über. Die Fürstin blieb zum Diner und war entzückt über den Frohsinn und die Liebenswürdigkeit der Kaiserin. Allein mit der Zeit
trat
es
doch
immer deutlicher hervor,
dass das Verhalten der Kaiserin nur Liebenswürdigkeit, keine auf
festem Vertrauen beruhende Freundschaft war.
So ging
die Fürstin
auf dem Lande frischte
sie.
stolz auf die
Sie
1795 zu ihren Brüdern
stärkte
und
lebte
ganz
;
der Aufenthalt
das Zusammenleben der Verwaltung
mit
ihrer
ihnen er-
war
Güter,
Wohlfahrt und die Wohlhabenheit ihrer Bauern.
Später hatte
sie
die Freude,
zu erfahren, dass
die Kaiserin
von ihr spreche und sie zur OberhofAlexandra nach Stockholm bestimmt habe.
mit grosser Hochachtung raeisterin der Prinzessin
Zur Heirat mit Gustav IV. von Schweden kam «Ich
bin überzeugt,» hatte die Kaiserin gesagt,
Dasehkow mich
so
sehr
liebt,
dass
es freilich
nicht.
»dass die Fürstin
meinen Wunsch erfüllen
sie
—
wird und dann bin ich ganz beruhigt Uber die Zukunft der jungen Königin.» Als die Fürstin 1796 um ihren Abschied einkam, erhielt sie eine Verlängerung ihres Urlaubs und eineu sehr freundlichen Brief
von der Kaiserin. ihr
über
sie
Es war der
letzte.
Die nächste Botschaft, die
ward, war die Botschaft von ihrem Tode.
todtenbleich und wankte.
sprang erschreckt
Ihre Tochter,
«Beruhige Dich, mein Kind, fürchte unter diesem
die
damals
Sie wurde bei ihr
war,
auf.
schweren Schlage
nicht
zu sterben, wäre
für ein
mein Leben, zu
grosses
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108
Die Fürstin Daschkow.
Glück
für
Das Schicksal
mich.
bewahrt
mich
zu
grösseren
Leiden auf!»
Eine schwere Krankheit ergriff hergesteilt, dass sie das
Kaum war
sie.
Bett verlassen
konnte, so
sie so
weit
erhielt sie die
Nachricht, auf Befehl Sr. Majestät seien alle Aemter ihr genommen.
Der Befehl war unterschrieben von einem ehemaligen Freigelassenen ihres Oheims.
Sie antwortete
dem Generalprocureur:
Maj. danken,
sie lasse Sr.
dass er sie von einer Last befreit habe, die ihre Kräfte überstieg.
sich
Dann kam der Befehl an die Kranke, Moskau zu verlassen, auf ihr Gut zu begeben und an 1762 zu denken. Kaum dort
angelangt, erhielt sie einen neuen Befehl:
wurde
sie
des nowgorodschen Gouvernements verbannt, das
hörte und dessen
Lage niemand kannte, wo
Bauerhause den
Winter verbringen
sollte.
handelten Gouverneure, sogar Polizeimeister sie
Achtung.
Sie hielt durch
Ergebung
ihre
Gesellschafterin, eine Engländerin,
Ende
mit
der grössten
ihre Tochter
und
ihre
Als der Winter
aufrecht.
ging, schrieb sie der Kaiserin
in ein Dorf ihrem Sohne ge-
Kranke in einem Auf der Fahrt be-
die
Maria einen
zu
Brief, der zuerst
zur Folge, hatte, dass der Kaiser einen Courier absandte, der sich
im Hause der Fürstin einquartieren sollte und verhindern, dass irgend jemandem
mit nach,
sie
verkehre.
Doch
und Fräulein Nelidow
gaben
Sohne des
Kaisers,
führten ihn
zum
dem
Kaiser.
Kaiserin
die
einjährigen Grossfürsten
«Meine Damen, Sie
Michael,
verstehen
zur Milde zu stimmen,» sagte er und schrieb der Fürstin
Katharina Romauowna, Sie
—
reisen Sie.
wünschen
sie
nicht
auf Ihr Gut
es, :
und mich
«Fürstin
überzusiedeln
Ihr wohlgewogener Paul.»
Der zweite Courier überholte den sie:
liess
den Brief dem jüngsten
ersten.
Als die zitternde Miss Betsy ihr den Brief einhändigte, sagte «Wollen wir- nicht verzagen, auch in Sibirieu ist Gott!» Ihr
Gottvertrauen hatte sie nicht getäuscht.
Im Jahre 1798 genoss wagte er nicht
für seine
ihr
Sohn
Mutter zu
die
Gunst des Kaisers.
bitten.
Doch
Erst als die Kaiserin
und Frl. Nelidow geäussert hatten, es sei doch sonderbar, dass er nichts für seine Mutter thue, liess er durch Andere die Bitte um
Begnadigung Vorbringen. Sie erhielt die Erlaubnis, zu wohnen, wo nur nicht, wo der Hof sich aufhalte. Sie lebte nun im Winter in Moskau, im Sommer auf dem Lande, pflanzte Parks und sorgte gewissenhaft für ihre Bauern. Ihr Sohn erhielt ein
sie wolle,
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Die Fürstin Daschkow.
109
zum Kriege gegen Frankreich bestimmt war.
Corps, das
Als er
einen Gefangenen verwandte, wurde er entlassen, weil er Dinge mische, die ihn nichts angingen. Die Fürstin erfreute sich des Zusammenseins mit ihrem Bruder,
sich für
sich in
nahm regen
am Gange
Antheil
der grossen Zeit Katharinas.
«Es naht
sie:
der Politik und sprach gern von
Beim Beginn des Jahres 1801 sagte
jetzt bald eine schönere
Ich habe das
neue Zeit.
Ihr Bruder hat oft über diese Prophezeiung ge-
sichere Gefühl.«
Allein mit der Thronbesteigung Kaiser Alexanders
lacht.
diese neue schönere Zeit.
kam
I.
Die Fürstin ward an den Hof gerufen.
In den 6 Jahren ihrer Abwesenheit hatte dieser sich bis zur Unkenntlichkeit verändert: es war ihr alles fremd, Menschen, Etiquette,
Manieren, Anschauungen.
Sie meinte, jetzt gebe es bei Hofe nur
noch Jacobiner und Corporale, die
feine, geistreiche
Zeit des Hof-
lebens sei dahin.
Nur
junge Kaiserin
die
ihre Bildung,
ihren Geist,
sie
Rolle
sie die
ging
sie
stille
Zeit
in
unter
Katharina
als
durch
Volkes,
um
die
dessen
Bei der Krönung spielte
Als der Hof Moskau ver-
ersten Staatsdame.
auf ihr Gut Troizkoje Gesellschaft
that alles,
Charakter des
war, bekannt zu machen.
der
liess,
Entzücken
Es waren wahrhaft
und die Fürstin
Art und dem
mit der
Herrscherin
in
sie
ihre Sanftmuth.
freundschaftliche Beziehungen
Kaiserin
versetzte
und verlebte eine schöne Ssemen, der bis dahin,
ihres Bruders
Gesaudter,
England gelebt hatte und den
unter Paul
sie erst jetzt
als
Privatmann,
genauer kennen
in
lernte.
Im J. 1803 kam eine Nichte ihrer Freundin Lady Hamilton, Miss Mary Wilmot, zu ihr. Die Liebe und Freundschaft dieses jungen Mädchens verschönten ihren Lebensabend; für sie schrieb Später kam noch sie, auf deren dringendes Bitten, ihre Memoiren.
Mit diesen
Schwester, Miss Kate Wilmot.
die
theilte
sie
alles,
ihres Geistes, sie behandelte
ihnen öffnete sie die reichen Schätze
wie ihresgleichen. Sie sorgte, dass sie auf der Reise nach Russland bei Hofe empfangen wurden, es machte ihr Freude, sie
sie
in
moskauer Gesellschaft einzuführen.
die
sie
jung
Hier war
war
und
lebhaft.
Er wünschte
Urtheil
ihrem Element, die Erinnerung machte sie Auf die Bitte des Grafen Alexei Orlow, der
sie in
als volksthiimlicher
ihn.
Originell gekleidet,
der Mittelpunkt der Veteranen aus der glänzenden Zeit Katha-
rinas.
der
Grandseigneur ihr seine
Fürstin
über
in
Moskau
lebte,
empfing
sie
einzige Tochter vorzustellen und das dieselbe
zu
hören.
Seit
40 Jahren,
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:
!
Die Fürstin Daschkow.
110
jenem Abend, wo sie ihn abgesandt hatte, die Kaiserin auf den Thron zu rufen, hatten sie mit einander kein Wort mehr geseit
sprochen, sich
kaum
«Viel Zeit
gesehen.
Graf, seit wir uns nicht gesehen,»
ist verflossen,
sagte die Fürstin, indem
ihm
sie
ihre
Hand zum Kusse
reichte,
«die Welt, in der wir einst lebten, ist so verändert, als begegneten
Und
wir uns jenseits des Grabes.
dieser sanfte Engel, der uns in
diesem Augenblicke vereinigt, ergänzt so schön das Bild einer Be-
gegnung
Welt.»
in jener
Seitdem
benutzte Orlow
Graf
eines
seiner
seine Tochter in
jede Gelegenheit,
Ihr zu Gefallen gab der
die Gesellschaft der Fürstin zu bringen.
um
prachtvollen Feste,
den Miss Wilmot ein
echt russisches Fest zu zeigen.
Ueber ihr Fürstin
Verhältnis
zu
Miss
Mary Wilmot
schreibt
die
:
«Dieser Engel hätte meine Einsamkeit wandelt, wenn nicht
—
doch daran war
Sie spielte auf den
Kummer
an,
in
Mary
ein Paradies ver-
nicht schuld.»
den ihr der Leichtsinn und
die Haltlosigkeit ihrer Tochter verursachten, sowie das unbefriedi-
gende Verhältnis zu ihrem Sohn, mit dem
sie äusserlich versöhnt
war, der alle Formen der Rücksicht erfüllte, der ihr innerlich aber
fremd gegenüberstand
sie
schob alle Schuld den Kindern zu.
Ihre Memoiren schliessen
«Ich kann
in
Wahrheit sagen, dass
zu thun im Stande war, gethan habe.
Böses zugefügt, ich habe mich nie
ich alles Gute,
was
ich
Ich habe niemals jemandem
anders
gerächt als durch Ver-
gessen und Verachtung der Ungerechtigkeiten, Intriguen und Ver-
leumdungen. stand.
Ich habe meine Pflichten so
erfüllt,
wie ich
Mit ehrlichem Herzen und reinen Absichten habe
Kummer
dem ich Gefühl unterlegen wäre, wenn mein
bittersten
ertragen,
sie ver-
ich
den
meinem zu zarten tiefen reines Gewissen mich nicht
bei
Schliesslich sehe ich meiner Auflösung ohne Furcht und Unruhe ..entgegen.» Kein Wort der Selbsterkenntnis über ihren Stolz und Egoismus, kein Wort der Reue über ihre Härte, nicht der geringste Zweifel an ihrer eigenen Vollkommenheit Das schrieb sie, während fern vom glänzenden Troizkoje, einsam, von ihrem wankelmüthigen Manne und Allen verlassen, die einfache, sanfte, ihren Mann immer noch warm liebende Schwiegertochter ihre Tage in Trauer und Kummer verbrachte. Nie hatte die Fürstin diese
getröstet hätte.
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Die Fürstin Daschkow.
moskauer Klatschbasen
Als die
werden.
sprochen
111
der armen Schwiegertochter ge-
von
Heirat verziehen, nie durfte
das
Gerücht
ausgespreugt hatten, Miss Mary Wilmot angele nach dem schönen,
und verhindere jede Aussöhnung, und Miss Mary sich abzureisen entschloss, war die Fürstin tief ergriffen. Aber von der einzigen Bedingung, unter der jene bleiben wollte, von der Ausreichen Fürsten
söhnung mit der Schwiegertochter, wollte
Um
Daschkow fand
Von
statt.
man
ihr die
Nachricht
Aussöhnung mit dessen
die
um
brachte
den Tod des
Sarge des letzten
verlassener
derselben
nie
hat
Wittwe
sie
dieselbe
mit der in
ihrer
Die einfache,
allgemeine Tlreilnahme,
ihre Dienstfertigkeit
Dagegen
Mary Wilmot,
Miss Kate
zugleich
lassen,
zerriss
jetzt
gefallen.
innig mit Miss
abzureisen aufgab
—
geliebten Mannes.
erregte
doch
blieb bei der Fürstin,
Anna
aufsetzen
hatte
Todes
seines
demüthige Frau
Fürstin
Am
alt.
der Fürstin Anna wissen wir nur den einen Zug: als Schenkungsurkunde, welche ihr Mann zu ihren Gunsten
Verzweiflung
würfigkeit
43 Jahre
ihr Sohn,
auf seinem Todtenbette
sanfte,
nichts wissen.
ihr Stolz
den zu brechen, bedurfte es eines härteren Schlages: im
Januar 1807 starb
sie
und Unter-
befreundete sich die die jetzt ihre Absicht
reiste allein.
Miss Kate Wilmot schildert die Fürstin folgendermassen «Ich wünschte, ihr könntet die Fürstin sehen, wenit spazieren geht oder die Arbeiten ihrer Unterthanen übersieht. kleidet
in
sie
Ge-
weiten Ueberroek, vort oben bis unten geknöpft,
einen
um den Hals
:
ein
einen
in
Lappen verwandeltes seidenes Tuch.
Ihr Aeusseres, ihre Unterhaltung, ihre Manieren sind völlig originell
und
unterscheiden
zeigt den
Maurern
wie und wo
an,
sich
absolut
an, wie sie
Wege
von .denen
anderer
Gebäude aufführeu
Leute.
Sie
sollen, sie giebt
anzulegen seien, beaufsichtigt die Fütterung
des Viehes, eomponirt Musikstücke, schreibt Artikel für deit Druck, in
der Kirche
fällt
Wort, wenn sie irgend Im Theater unterbricht sie
sie deit Geistlichen ins
etwas auslassen oder sonst abweichen. die Schauspieler
haben.
mann, Bruder,
und belehrt dieselben, wie
sie ihre
Sie ist Arzt, Apotheker, Feldscherer,
Richter
ihrem
und Administrator.
Sohne
Sie
wie eine Heldin
Ausdrucksweise, durch einander,
sie
mit
ihrem
und allen Verwandten, mit Schriftstellern,
Gelehrten, Juden, und findet für alles Zeit.
vor
Rolle zu spielen
Kaufmann, Zimmer-
correspondirt
aus
der Märchenwelt.
spricht
Sie
kommt mir immer
Sonderbar
russisch, französisch,
sie versteht italienisch
ist
englisch,
ihre alles
und deutsch.
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Die Fürstin Dasehkow.
112 Ich glaube,
es
ist
ihr
niemals eingefallen, ihre Gefühle zu
verheimlichen, ein Zeichen, welch privilegirte Stellung sie hier einrechts und links die Wahrheit, ohne sich zu kümmern, ob es den Leuten gefällt oder nicht. Zum
nimmt.
Die Fürstin
nach
sagt
Glück hat ihr die Natur ein gutes, zärtliches Herz gegeben, sonst wäre sie eine Plage der Gesellschaft. In der Gesellschaft spielt durch ihre hohe Stellung, ihren Geist und ihre Bildung stets
sie
Uns erweist sie grosse Aufmerksamkeit, vou allen Anderen verlangt sie Unterwürfigkeit. Kein Mann wird es wagen, ihrer Gegenwart sich ohne Aufforderung zu setzen und oft Ihren Charakter zu schildern ist fordert sie auch nicht dazu auf. er ist eine Vermischung entgegengesetzter Sonderfast unmöglich die erste Rolle.
in
:
Sie besitzt die Eigenthümlichkeiten aller Temperamente,
barkeiten.
jeden Alters und Standes. eines Staates
Sie wäre an ihrem Platze an der Spitze
und eines Heeres.» von Miss Kate
Dieser Schilderung
fügen
wir einige Zeilen
von Miss Mary hinzu über die religiöse Stellung der Fürstin: «Die Fürstin und ihr ganzes Haus beobachten streng die Regeln der Kirche, ja, ein gewisser poetischer Aberglaube ist Aber ihre Handlungsweise steht unter höheren ihr nicht fremd. Grundsätzen, sich ohne
sie
glaubt an
ein zukünftiges
Murren den Prüfungen, welche
die
Leben und unterwarf Vorsehung ihr sandte.
Einst überraschten mich folgende Worte der Fürstin: «Ich habe viele Menschen beseelt von festem Glauben gesehen und viele, die eifrig ihre kirchlichen Pflichten erfüllten, aber ich habe uie einen Menschen getroffen, dessen Gedanken über Gottes
Grösse und Güte dem gleichkäme,
was
ich
fühle.
Ich
will dies
Gefühl nicht herabziehen zu dem gewöhnlichen Begriff der Menge, welche die Gottheit auf eine Stufe mit sich selbst nicht, dass der Schöpfer jede
stellt.
Ich meine
meiner Handlungen geleitet hat.
Ich
glaube, dass der Allmächtige, der uns geschaffen und die Erkenntnis
über Gutes und Böses gegeben hat, uns auch den freien Willen gab
—
wo wäre sonst die Gerechtigkeit? Ich glaube fest, dass Lohn und Strafe im zukünftigen Leben vom Gebrauch unserer Freiheit Ich war bestrebt, alle meine Pflichten in diesem Leben abhftngen.
wenn ich das Ziel nicht erreichte, so lag das am Irrthum des Verstandes. Ich bin meinen Begriffen über Wahrheit zu erfüllen
;
auch da gefolgt, wo weltliche Vortheile dem widersprachen, und die Hoffnung, am jüngsten Gericht gerechtfertigt zu werden, hält mich aufrecht in der Stunde des Leidens und der Ermattung.»»
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:
113
Die Fürstin Dasclikow.
Auch Mehr
Abwesenheit jeder Selbsterkenntnis. rauthet uns schon eine andere Aeusserung an
hier die
«Ich habe den neuesten Philosophen und Atheisten stets entgegen gehalten: «Ihr könnt den Armen und Elenden keinen solchen Trost bieten, wie das neue Testament es thut. >>
Auch aus dieser Schilderung geht hervor Sie war eine Frau von feiuem Geiste, unbeugsamer Energie und rücksichtsloser Wahraber Egoismus und Stolz hatten eine harte Rinde heitsliebe :
—
um
warmes, liebebedürftiges Herz gelegt.
ihr
war.
geistig ihresgleichen
kratie
war
nicht
Despotisch
Ilowaiski
fügten.
ihr
sich
Sie achtete nur,
herrschte
über
sie
wer
die, die
moskowische Aristo-
bemerkt: «Die
gewöhnt ihren Kopf aufrecht zu tragen,
sie
war
gewöhnt, sich zu bücken und zu beugen.» In den Miss Wilmot hatte die Fürstin an Herz und Geist fein gebildete Wesen gefunden, welche genug Selbstgefühl und Tact besassen,
um
sich
ebenbürtig
ihr
Geltung zu bringen. als ihresgleichen,
zu
und
fühlen
auch zur
das
dieselben daher auch stets Beweis der edlen Natur der Fürstin,
behandelte
Sie
und es
ist ein
Der
dass dieses Verhältnis von Gleich zu Gleich sie befriedigte.
Liebe dieser jugendlichen das bis
zum
letzten
Wesen gelang es, das warme Gelühl, in ihr, wenn auch verborgen lebte,
Athemzuge
an Gottes helles Tageslicht zu locken.
Das Leben im Hause der Fürstin war Jahre 1806 beschäftigte fühle sie ihr
sie
Ende nahen.
sich
still
geworden.
Im
damit ihr Haus zu ordnen, als
Sie erlangte
dem Tode
nach
dass
es,
Sohnes einer ihrer Neffen den Namen Daschkow mit seinem Familiennamen vereinigte. Ihre Leibeigenen liess sie nicht frei. war nicht liberal, und die Liberalen haben es ihr übelgenommen, ihres
Sie
dass sie
die Leibeigenschaft
eben erfahren, was
sie
nothwendig hielt. Sie hatte es Bauern thun, wie sie für dieselben genossen und wie
für
für ihre
sorgen konnte, welchen Wohlstand ihre Bauern
schlimm es
die
Wie
Bauern der Krone hatten.
ihren Pflichten den Bauern
Testament hervor, wo
gegenüber
war,
sie erklärt, dass sie
haltlosen Charakters ihrer Tochter
es
mit
es
ernst
tritt
in
noch
Folge
ihr in
mit
ihrem
des heftigen,
ihrem Gewissen
nicht
vereinigen könne, derselben ein Gut zu vermachen und irgend jemand von ihr in Abhängigkeit zu bringen und ihr daher eine Rente vermachte. Als 1807 die Feindseligkeiten gegen England begannen und
—
alle
Engländer abreisten, zögerte Miss
Baltisch* Monatsschrift,
Band XXXV, Hoft
2.
'
Mary
längere Zeit, ja, 8
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Google
Die Fürstin Daschkow.
114
kehlte einmal noch aus Petersburg zurück sie
obwol
ab,
Trennung
warum lich
1808
reiste
brach.
da die
es geschah,
— im Jahre
war und der Fürstin diese Es ist nicht recht verständlich, junge Dame, beiden Kaiserinnen persönschwer
sehr
ihr
es
das Herz
fast
bekannt, schliesslich doch
stets Schutz
—
gefunden hätte
es
weist aber darauf hin, wie sehr Beamtenwillkür und geheime Polizei
damals die Zustände und das Leben unerträglich machten. Diese Abreise
verwunden.
Sie
hat
entgegengetragen wurde
Katharina Romanowna nicht
die Fürstin
zwei Wesen
hatte
verloren, die
waren, von denen
liebte, die ihresgleichen
— wonach
Nach der Trennung war
sie ihr
sie
ihr
grenzenlos
sie
eine gleiche Liebe
Leben lang gedürstet
hatte.
beständiger Correspondenz
in
mit ihnen.
«Was sie
Euch sagen, um Euch nicht zu betrüben, schreibt ich sehne mich stets nach Euch und keine noch dem Gedanken an Eure Abwesenheit Ich habe versucht, mich zu zerstreuen, habe eine Brücke
soll ich
im October 1809,
so lange Zeit wird mich mit
versöhnen. gebaut,
einige
100 Bäume und Sträucher
schön sein, aber das
zieht
«Wie hat sich Das Theater
ändert.
es
sehr
soll
Ein anderes Mal schreibt sie
:
ihrem Gute Troitzkoje) alles
hier (auf ist
gepflanzt,
mich nur auf Augenblicke von meiner
—
Sehnsucht nach Euch ab. »
ver-
geschlossen, seit Ihr fort seid, hat keine
Vorstellung stattgefunden, das Fortepiano schweigt, und sogar die
Mägde haben
aufgehört
ihre Lieder
zu
singen.
£lles
verehren, leiden.
Ihr seid bei den Eurigen,
Eure Tage sind
freudvoll.
So
die will
Euch ich
bedauert
wozu
Doch
Eure Abreise und nimmt Theil an meinem Schmerz. schreibe ich das.
lieben
schon
und
allein
Ich weiss, dass Ihr glücklich seid und will nicht klagen.»
Der letzte Brief, mit zitternder Hand geschrieben, an Mary Wilmot gerichtet, schliesst mit den Worten: «Lebe wohl, mein liebes Kind,
Gott segne Dich!»
Einige Tage darauf, dieser
am
4.
Januar 1810, hatte
sie
aufgehört
Welt anzugehören. .1.
Engel m
an
n.
A/NA/ '-A*
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Google
Aus dem Leben des rigaer Goldschmiedeamtes. V'in Prnf.
dem
Tr$'Jv
offenen
Willi. StiiiU in
Unstuck.
Gewerbe wurde mit der
erwähnt, ein geschlossenes.
«
Zeit, wie bereits
Bit scha de vorncmbste arlichel
Ordnung von 1542, «in desscm schrägen, dal in unser stadt liiga vordun nicht mehr dun twolf goldschmcde in einem Nur wenn einer dieser 12 Meister beschlaten ampte sein sollen. >
sein,* heisst es in §
1
der
das Zeitliche segnete oder das Geschäft
Goldschmied sich niederlassen.
am
Der
aufgab, konnte ein neuer
älteste Geselle, der
in
Riga
längsten gearbeitet und sich ehrlich und fromm dabei gehalten
und Dienstbriefe
hatte, durfte, falls seine Geburts-, Lehr-
waren, zunächst Anspruch erheben, diese
Beschränkung knüpften
sich
Lücke
in die
die
weiteren,
in
Ordnung
sich nicht verheirathen durfte, sowie dass seine
Mädchen
fällen
konnte,
dass
der junge
werdich >;
dass
der
,
Amts
Wahl nur auf
welches «ran ehrlichen
unberüchteden lüden echt und recht gcbarn
An
einzutreten.
Meister ohne Genehmigung der Aratsherren und des ganzen
franun
ein
diitschcn
dut sie beide gildstaven
Bewerber bereits Jahr und Tag bei einem haben musste und nur ein Mal im sein Gesuch dem Amte vorlegen
rigaschen Meister gearbeitet Jahre,
nämlich
zu
Johannis,
Die Zeit, welche derjenige Geselle, der sich später in Riga uiederzulassen gedachte, auswärts verbrachte, wurde ihm auf nicht angerechnet. Vielmehr musste er sein Jahr unabhängig davon in Riga beschäftigt gewesen sein. Eine Wandernicht vorgesehen. Im übrigen blieb es zeit ist im Schrägen
durfte.
diesen Dienst
8
*
Digitized by
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Aus dem Leben des
116 bei den
rigaer Goldschmiedeamtes.
früheren Bestimmungen
des Nachweises
eines
Vermögens
von sechs Mark löthigen Silbers, der Stellung zweier Bürgen, der
und der Veranstaltung einer
Anfertigung des Meisterstücks
licke unstrafelicke amptkoste) Mahlzeit.
Noch immer wurde
wenig geändert. in
Das Meisterstück
(
her -
hatte sich
ein emaillirter Biworp, eine
Niello-Weise angefertigte Spange, ein
goldener Ring gefordert.
Nur musste dieser jetzt mit einem Edelstein geziert sein. Neu war das geschnittene Siegel, welches den vierten Bestandteil des Meisterstücks so weit
bildete.
geltend, als
Amtes gefunden
hatte,
Eine Veränderung das
fertige Stück,
machte sich ferner welches
junge Meister es mit einer
Mark
Alle diese Anordnungen
löthigen Silbers
wie
liefen,
Man
die Niederlassung zu erschweren.
man
in
den Beifall
im Besitze desselben so lange
des
blieb, bis der
ausgelöst hatte.
sieht,
darauf hinaus,
wollte nur geringen Nach-
wohlhabend und behäbig, von guter VerwandtWie viele junge schaft und rühmlichem Anhänge in der Stadt. Männer unter diesen Bedingungen Meister geworden sind im Laufe wuchs, und diesen
der Zeiten, und ihre Namen, geben, so wenig, wie
sich
ist
man
eine
schen Goldschmiede aufstellen
leider nicht
im Stande anzu-
vollständige Namenliste der riga-
Immerhin ergeben
lässt.
sich
aus
den Einnahme- und Erbebüchern (ed. L. Napiersky) mehrere Namen. Der älteste Goldschmied, von dem man weiss, ist Johannes Ribbenisse,
der in den Jahren 1334
— 1344
thätig war.
In der zweiten
Hälfte des 14. Jahrhunderts werden Hintzo Sulversmet und Johann, Thomas, Jacobus, Magnus und Henricus oder Hintzo Goltsmet namhaft gemacht.
den Jahren nachstehende
Letzterer wird in
1400—1406 erwähnt. Namen auf bewahrt:
den Jahrbüchern
Aus dem
1400
Wilkinus Aurifaber.
1406—1416
Johann Varenberch.
1413
Rupertus Aurifaber.
1416—39 1417
1434-50 1448 1452
1455-56 1475
Hermann
Zum
auch
noch
in
Jahrhundert sind
Aurifaber.
Andreas Sulversmet. Nicolaus Goltsmet.
Rotger Goltsraed. Cord Goltsmed. Werner Goltsmyd, anders genant Stenberch. Peter Goltsmydt.
Das Amtsbuch erwähnt nur Meister.
15.
gelegentlich die
Aufnahme neuer
Johannistermin des Jahres 1488, also noch unter der
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Aus dem Leben des Herrschaft
des
ligaer Goldschmiedeamtes.
alten Schragens von
117
mit den leichteren Be-
1360,
dingungen, wurden drei Meister angenommen. Es waren
Symon Messouvv, Hans Kemtter, Claus Sassinehhusen.
Schon damals war es üblich von
sich
man mit Geld
geworden, dass
der Amtskost befreien konnte. Nur der erstgenannte bietet die Mahlzeit, die beiden anderen finden sich mit je 20 Mark Rig. ab, die im Interesse des Amtes verwandt
werden.
der Veranstaltung
Vermuthlich geschah dies deshalb, weil drei Meister gleich-
zeitig aufgenommen wurden. Sonst hielt man am Ende des 15. Jahrhunderts streng darauf, dass die Mahlzeit vor sich ging. Kein Meister, besagt ein Eintrag in das Amtsbuch, der die Bedingungen, unter denen mau Meister werden kann, aufzahlt, darf arbeiten, ehe
er die
Kost veranstaltet
Mahlzeit oder neben aus
dem Schrägen
Ob
hat.
später
eine
Zahlung
derselben gewohnheitsrechtlich
nicht
dass
statt der
wurde, geht
1523 der angehende Meister eine Zahlung von 25 Mark zu erlegen hatte, wie Eintragungen in das Amtsbuch, zwar unmittelbar unter einander, aber von verschiedenen Händen herrührend, bezeugen. Hieraus, wie aus einigen anderen gelegentlichen Angaben im Amtsbuche lässt sich nachstehende Liste
hervor.
der
in
Sicher
ist,
der ersten Hälfte
seit
des IG. Jahrh.
dem Amte angehörenden Meister aufstellen. Bei denjenigen Peisönlichkeiten, wo die Jahreszahl nicht den Amtsantritt, sondern irgend ein
Jahr bezeichnet,
in
welchem
sie
genannt
sind, ist dieselbe ein-
geklammert. (1505) Claus Jorden. *
1523. Tebbes von
Blasius Molenbeke.
Kurt Saltynk. (1513) Dyryck van der Heide *
(Hedden).
dem Berge
(Borgh). 1525.
Tomess Möller.
(1526) Hans Oldendorff. 1528. Rotteger Wytte.
*
Hans Grasdyck.
1533. Tornas Sommer.
*
Hinrich Stemme.
1537.
Hermen Smith.
*
Hans Konynck.
«
Pawel Wybers.
(1516) Christian Schütte. 1517. Hynrych Stampe.
«
«
Hans Rodenkrans. Hans Konynck.
«
Hans Hadder.
1538. Andres
«
Gert Scryffer.
1543. Hanss Solthut.
1519. Heinrich Wyldenborg.
Hatten (Hot).
?
Jasper Grohuessin.
?
Joggim
Idde.
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Aus dem Leben des
118
Irgend eine nicht.
Gewähr
Nicht einmal
sich unleserlich
für
rigaer Goldschmiedeamtes.
für Vollständigkeit
richtige
bietet
diese
Liste
Wiedergabe der Namen, die, an verblasst sind, kann die Ver-
eingetragen, lange
antwortlichkeit übernommen werden. sich die
Namen
Durch andere Quellen lassen Denn ob z. ß. der rigasche Bürger
selten belegen.
Jochim Yde, der im 2. Erbebuche in den Jahren 1542—44 erscheint und in einer Urkunde vom 17. März 1559 als gestorben aufgeführt wird'», identisch ist mit dem obengenannten Idde, kann uicht mit Sicherheit behauptet werden. Von Jasper Grohuessin (oder Grotthuss) sind
wir
im Stande auzugeben, dass
am
er
der Sohn
18.
Juni 1542 mit der Tochter des Engelbrecht Fueke aus Doblen
vermählte
1
».
des Sattlers Kersten Grotthuess
Vermuthlich
seiner Verheiratung J.
ist
war und
sich
der Termin seines Amtsantritts mit
Nach dem 2. Erbebuch war er im Er war in guten Verhältnissen, denn dem Ordens-
zusammen.
1576 bereits gestorben.
vermuthlich
fällt
er derselbe J. Grothusen, der bei der
im Jahre 1559 von rigaschen Bürgern geliehenen Summe von 30Ü00 Mark sich mit dem Betrage von 200 Mark betheiligte". Bei derselben Gelegenheit lernen wir auch einen Goldschmied Hans Konink kennen, der gleichfalls 200 Mark dem Ordensmeister vorschiesst". Ob wir hier zwei Koninks haben, etwa Vater und Sohn, oder der im J. 1513 Meister Gewordene noch im J. 1559, also nach 46 Jahren, im Amte war, bleibe unentschieden. Das 2. Erbebuch fuhrt »Hans Koniugk, den goltschmet» in den Jahren 1542 1556 und im Jahre 1573 als gestorben auf. Gert Scryffer, der im Jahre 1507 ins Amt eintritt, ist augenscheinlich identisch mit dem Münzmeister Gertli Schreiber in Riga, der in einer Urkunde aus dem Jahre 1557 als gestorben erwähnt wird". Er ist im 2. Erbebuch in den Jahren 1517 1560, im Jahre 1524 ausdrücklich als Meister des Goldschmiedeamts namhaft gemacht. Anno 1517, also offenbar das Jahr, in welchem er Meister wurde, erstand er ein Haus in der Kaufstrasse, das er im Jahre 1550 seinem Schwiegersöhne Hans Ahorn Brocken, der aber nicht als Goldschmied nachweisbar ist, überliess. Sein Nachfolger als Münzmeister wurde Thomas Rh» me oder Ramme, welchen der Ordensmeister Wilhelm Fürstenberg im Jahre 1557 ernannte*“ und den das zweite Erbebuch wiederholt in den Jahren 1537 74 nennt. meister Gotthard Kettler
—
—
—
Er war, wie es scheint, ein reicher Mann uud Besitzer mehrerer Der Zusammenhang zwischen den Goldschmieden und Münzein liegt auf der Hand. In deutschen Städten lag oft genug
Häuser.
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:
Aus dem Leben die
Münzprägung
in
der
:
des rigaer Goldschmiedeamtes.
Hand
Auch
der Goldschmiede.
119 er erbot
Ordeusmeister die erwähnte Anleihe machen wollte und
sich, als der
deshalb im August 1559 die einleitenden Schritte dazu that, 1000
Mark
herzugeben,
nicht
aufgeführt".
ist
aber dann freilich im Verzeichnis der Schuldner
Nach dem zweiten Erbebuch
lassen
sich im
übrigen von den oben genannten als Goldschmiede sicher bestimmen
Heinrich
Stampe 1517,
Dyderick de Goltsuied,
anders
von
der
Heyde genannt, 1519 — 24, Haus Grossdick 1523 und Kersten Auch ein Tornas de Goldsmit, im Jahre 1534, vielleicht identisch mit Tornas Sommer, und eine Wittwe Tile Goltsmedesche im J. 1532 werden namhaft gemacht. Die Namen anderer, wie Tewes v. d. Berge 1526—47, Thomas Möller 1545 — 54, Hermen Smet 1542-75, Andres Huidt 1547, kommen gleichfalls vor, ohne Schutt 1520.
dass wir ihre Träger indes als Goldschmiede reeognosciren können.
Im Jahre
1555
waren
laut
einem
Eintrag
folgende zwölf Goldschmiede Mitglieder des 1.
Tomas
Möller.
Jochim
8.
Mathies Roloves.
2.
Hinrick van Essen.
3.
Thomas Ramme. Pawel Wybers.
10.
Hans Kaven.
Hans Koeninck.
11.
Cornelius.
9.
Amtsbuch
Ide.
4.
5.
ins
Amtes
7.
Hinrik Unna.
6. Jasper Grothusen. 12. Hans Unna. Nur von einem dieser Meister ist eine Arbeit bekannt, nämlich von dem letztgenannten. Hans Unna ist der Verfertiger des silbernen Amtsbechers vom Jahre 1553, welchen das Glaseramt noch
heute besitzt". In
Amtsbuch
der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
nennt uns das
bei verschiedenen Gelegenheiten, jedoch nicht
beim Antritt
der Meisterschaft, folgende Goldschmiede als Amtsbrüder
Im Jahre 1555 «
1557
«
«
1573
*
*
«
Roloff Roloffsen.
Clawes Smyth. Martin
i
In
den Jahren 1573 -81 I
Im Jahre 1581
AVolletf.
Lambert Guldenstein.
«
Tomes Smolde, Hans Dorlef, Hans vam An ge re. Arent Rodewolt.
1573
Hans Trendelenborch.
«
1581
Valeutyu Möller.
«
1582
Wolf Teyr.
wolle, starb indess, ehe er zur Ausführung seines Vorhabens hatte schreiten können. Seine Erben zahlten nun am 18. Februar 1556 die Summe von 166 Mark an das Amt aus, welche aus der Rechnungsführung des Verstorbenen herstammten. Jasper Grothusen, der neue Aeltermann, und seine Beisitzer Paul Wybers und Mathias Roloves bescheinigen im Amtsbuche den Empfang. Im übrigen wollte der neue Aeltermann die Lade nicht übernehmen ohne eine vorhergegangeue Inventarisirung derselben, « dat he wüste worvan he enem ampte up ein ander tyt hescheit geven soldc >. Daraufhin wurde der Rathsschreiber Jürgen Wyborg mit dieser Aufgabe betraut und stellte, abgesehen von den 166 Mark, folgenden Besitz des Amtes fest 1.
Item
amptes boeck.
erstlich des
2.
Item ein jtergamen, etliche papircnbreve.
3.
Item noch ein gebunt breve.
1.
Item in einer karpe 111 etliche pergamenen und andere breve.
5.
Item noch 23
6.
Item 1 kelck mith einer patteneu.
7.
Item ein sulveme krutze.
loct
min
8.
Item des amptes
9.
Item in einem linnen
10.
Item in
segel,
1
quenlyn sulver.
mark min
darin 9
biidel
38
daler,
einem swarten ladeken
l >ortagiser" >
,
keiser gülden
1 goltgulden,
1 ferdingk ligyende.
6 Schreckenberger
ein leddei en budel,
darinne
2
1 dubbelt kaisers gülden, 1 einfach
unde 1 kröne.
11.
Item
12.
Item ein Castedonier “ 6
ein ringk
von pagament"'. .
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Aus dem Leben
des rigaer Goldschmied eamtes.
135
Item noch anderhalven daler.
13.
und 2 hornegulden.
14.
Item noch in einem papire 1 gülden
15.
Item eine grote stände, ungef erlich von 10 stopcn mangkgut.
IG.
Item elven kleine tynnen kennekens. Item ein sydeudnck
17.
so
,
man
lotce
thor begreffnis der doden gebruket.
Der Besitz des Amtes war demnach zu
nennen
und
Verschleuderung
eine
ganz stattlicher
ein
Veruntreuung
oder
man dem wackeren Thomas Möller kaum vorzuwerfen Indess
haben.
mochte
Leitung
seine
in
anderer
wird
gehabt
Beziehung
zu
wünschen übrig gelassen haben. Am 1. August 1555 versammelten daher alle Amtsbrüder im Hause von Jasper Grothusen und
sich
beklagten, dass
es
zu Thomas Möllers Zeiten
etwas
bunt, herge-
gangen, manches •dorch vorslyperinge und vorsumcnissc gar uth der orileninge gehanten
besser Obacht
Schrägen und
geben alle
Man
» sei.
zu
versprach sich gegenseitig, nunmehr .Jasper Grothusen
wollen.
den
verlas
gaben ihm den Handschlag darauf, dass
sie den-
selben ordentlich halten wollten.
Die Stelle, ca.
als bei
das
wo
Rechenschaft Jasper Grothusens sie
chronologisch
30 Blätter ausgerissen.
fehlt
eingetragen
ist dies
um
so
leider.
sein
An
der
sollen, sind
mehr zu bedauern,
der löblichen Absicht, von der er unverkennbar beseelt war,
Amt
führlich
hätte
Es
redlich
zu
verwalten, seine Rechnung gewiss sehr aus-
und genau ausgefallen wäre.
welche sie
sich erstreckt
haben
Durch
muss,
die lange Zeit, über
von 1555—72, würde
sie
unser Interesse besonders erregen.
Der nächste Aeltermann, dessen Rechenschaft sich erhalten hat, ist Hans Unnaw, der zu Johannis 1572 die Würde übernommen hatte. Er berichtet ein Mal, im Jahre 1579, ganz kurz. Das Ergebnis war ein befriedigendes, denn er konnte dem Amte 689 Mark
in baarem Gelde und 3'/j Mark lötnigen Silbers überSeine Rechnung wird eingehender, als er, zwei Jahre später, August 1581 zurüekiritt, seinem Nachfolger die Lade übergiebt und nun über seine ganze Thätigkeit es scheint, als ein ländliches Fest auf
befreundeten Mannes.
1583 bezifferten sich auf 125 Mark. leben.
sich
Unsere Goldschmiede verstanden, wie hieraus ersichtlich, zu Sie wussten die Mittel, die sie besassen, zu gebrauchen und
den Ernst des Lebens
wir bereits gesehen haben, zur
um
ehrbare Vergnügungen
durch
zu
er-
Sie hatten das Geld iudess auch für ernstere Dinge, wie
heitern.
Hand und
wo
sparten nicht,
es sich
gemeinnützige Zwecke handelte.
Tüchtig
Beutel greifen
in seinen
musste das
Amt
1582, als es für zweckmässig erkannt worden war, kostete
Summe
nicht
weniger
strich der
als
506 Mark.
Rechtsanwalt
ein,
Den
im Jahre
sich eine Be-
stätigung des Schragens von König Stephan auszubitten.
Dieselbe
grössten Theil dieser
der die Eingabe des Amtes an
persönlich vertrat. Er erhielt 262 Mark und 2 Ringe im Werthe von 38 und 60 Mark. Ausserdem wurde der königliche Secrctär mit einem Ringe im Werthe von 65 Mark bedacht. Der Rest diente zum Ankauf von Wachs,
den König besorgte und vielleicht
Pergament, Seide, einer Siegelkapsel und zur Bezahlung der Schreibgebühren.
Wie
dass
schade,
dieses
kostbare Stück sich in
der
Amtslade nicht erhalten hat Solche Geschenke, wie sie
hier bei Gelegenheit der Bestäti-
gung des Schrageus erwähnt werden, machte das Amt
öfter, offen-
bar an Persönlichkeiten, die ihm dienstwillig gewesen waren.
Hochzeitgeschenk
an
den
Unterschreiber Jürgen Wiborg
Im Jahre 1581
Das wurde
Johannes Tastyuss einen von Hans Unnaw angefertigten Ring, dessen Macherlohn im Betrage von 7 Mark das Amt bestreitet. In dem genannten Jahre wurde Tastyuss in den Rath gewählt”“; welche Verdienste er sich
schon angeführt.
um
das Goldschmiedeamt
erhielt
erworben hatte
,
ist
unbekannt.
Vier
Jahre später, im Jahre 1585, erhielt Mertinus Geyse einen gleichaus der Werkstätte Hans Unnaws herrührenden Ring, im Werthe von 24 Mark, vom Amte verehrt. Gemeint ist doch wol
falls
der Aeltermann
der St. Johannisgilde
Kalenderuuruhen, die
in
jener Zeit
dieses
begannen,
Namens, gleich
der in den
dem obenge-
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;
Aus dem Leben
des ligaer Goldschmiedeamtes.
genannten Tastyusa, den Tod fand
1
Es
”.
141
eine auffallende Er-
ist
gerade die beiden vom Goldschmiedeamte ausgeMänner von einem so tragischen Geschicke ereilt wurden. Auch Gises specielle Verdienste um unser Amt, welche ihn jenes
scheinung, dass
zeichneten
Geschenkes würdig
im Amtsbuche
werden
gemacht haben,
nicht
erwähnt. Ebenfalls nicht zu erklären
Vorgang aus dem Jahre
ist ein
1586, bei welchem die Goldschmiede aufs neue Geld spendeten. Die Amtsbrüder machten damals freiwillig eine Collecte unter sich, 39 Mark ergab, und schossen dann aus der Lade so viel zu, Diese wurde dem Aelterdass die ganze Summe 10 Thaler betrug. die
mann der grossen einem Doctor ist
denn 10 january sinem
nach 3!)
Hans thom Bryneke,
Gilde,
zuwandte.
Königsberg
aus
diese Angelegenheit folgendennassen
mr.
gefall,
myn
mr. 33
Dat
van
dat yck
Dar
1 sch.
lecht 22-
gebrocht.
ampt thosamend
cynn
hefft
yst
tAnno 8C item
van teegetm dess amptes thogc-
man
det
der Amtsrechnung
gcschotcn, eyn eyder
denn amptbroder entfangen heble
hebbe yck
alss
sch.,
gell
überreicht, der sie
In
erzählt:
hefft
Hanns Unna
olderman up den groten geyldestevenn
10 olde daler thosamend
overantxcordet,
hefft ess
dem
yst
Hanss thom Bryneke eynem doch thoer van Konssberch tho gude gekamen > Regelmässige Ausgaben verursachte die Theilnahme des Amtes
au
den Versammlungen
geleffert
.
Gebäude
als
das
besonders
der
>nygc
Lustbarkeiten, die hier
Scbwarzenhäuptergesellschaft.,
die Fastnachtstrünke,
theiligt, erscheinen.
Zur
wird.
bezeichnet
houss*
abgehalten zu
an
festlichen
werden
denen
Unter
deren
den
waren es die Goldschmiede bepflegten,
Beleuchtung der Räumlichkeiten
während der Dauer derselben lieferten auch die Goldschmiede wol neben den anderen Mitgliedern der Gesellschaft Lichte. Da diese
Trünke bis
zum
sich
1584
über
mehrere Tage, vom Mittwoch vor Fastelabend
ersten Sonntag in den Fasten ”, erstreckten, tbaten viele 1
Lichte Noth. mit
19
Unser
Mark 4
Amt Sch.,
spendete
drei,
deren Kosten im Jahre
im Jahre 1586 mit 7
Mark
12 Sch.,
im Jahre 1587 mit 25 Mark 20 Sch., im Jahre 1589 mit 18 Mark 21 Sch. angegeben sind. In den beiden letzten Jahren trugen die Goldschmiedegesellen die Kosten eines Lichtes, so dass auf das nur
die
für
zwei Lichte entfallen.
Amt
Ein Trinkgeld von 3 Mark
wurde, wenn auch nicht jährlich, so doch in gewissen Zeiträumen «
dem Jungen upt nygc houss »
verabfolgt.
Für
ein
Schap oder
Sehenckscheytc, d. h. wol einen Schrank oder Credenztisch, gab das
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Aus dem Leben
142
Amt
im Jahre 1584 45
und 26 Mark an den «
des rigaer Goldsclimiedeamtes.
Mark
aus, nämlich
Kleinschmied
für
l'J
die
Mark dem
Tischler
Beschläge.
Bänke,
dar men upsctt », die im Jahre 1586 angeschafft wurden, kosteten
20 Mark 27 an der 2'/j
Sch.,
Wand
und 2 Fussschemel
aus Holz,
die
mit Eisen
tangekrumppet unde vorfestiget » waren, im Jahre 1589
Indess sorgten die Goldschmiede nicht nur für die Be-
Mark.
auch ästhetischen Sinn und legten Gewicht darauf, den Schauplatz ihrer Zusammenkünfte geschmackvoll zu verzieren. Eine grössere Ausgabe, die sie im Jahre 1588 auf sich nehmen, ist im Amtsbuche mit folgenden Worten bequemlichkeit, sondern bewiesen
schrieben
;
‘Anno 88 Hem de latem unde eynen unden an hencket,
raut
nyg houss wedder iho
rose upt
rychtcn
darum macken latenn, ock dat .*) dat myt snytzwerck malicerck, maler.
gemaket, kostet
.
,
wath dar tho gedann yst, alle unlcost 46 mr. » Zu diesen Ausgaben und zur Anschaffung der Bänke steuerten nachträglich (im
gelt
Jahre 1589) die Gesellen des Amtes den dritten Theil mit 22 Mark 9 Sch.
bei.
Dass
das
Amt
sein
eigenes Inventar
Unbrauchbares durch Neues ersetzte,
ist
Nur einmal werden zwei
erwähnt.
vervollständigte
oder
merkwürdigerweise nicht
Schlüssel
zur Amtslade,
zu
Die Tiegel, die im Jahre 1584 und « dem ampt uthgeddeth > wurden, waren wol Geräthe für die Werkstatt eines jeden, die das Amt im grossen erstanden hatte und nun den Einzelnen gegen den 9 Ferdingen das Stück, angekauft. für
Mark
104
angeschafft
Einkaufspreis überliess.
Waren
die
eben
genannten Ausgaben
vorzugsweise solche,
welche dem Vergnügen oder der Repräsentation dienen, so gab es ferner
können,
solche, d. h.
Interesse
welche als
als «Geschäftsunkosten.»
Ausgaben,
.
welche
der Aufrechterhaltung
das
der
ihm
Amt
bezeichnet werden
auf sich nahm im
zustehendeu Vorrechte.
So w'ar es für das Amt wichtig, alles im Umlauf befindliche gefälschte und nachgeahmte Gold- und Silbergeräth zu unterdrücken und zur Anzeige zu bringen. Der Polizeibeamte, dem es gelang, solche Stücke zu entdecken, die, wie es scheint, namentlich in den
unteren Ständen, bei den Undeutschen,
angetroffen wurden, wurde
von dem Amte stets mit einem reichlichen Trinkgeld bedacht.
Die Beilegung von Streitigkeiten,
in
welche das
Amt
mit den
*) bis zur Unleserlichkeit verwischt.
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Aus dem Leben
des rigaer Goldschmiedeamtes.
mitansehen Goldschmieden gerathen war, kostete
Die Ursache der Differenz
uns nicht bekannt;
ist
143
.
gleichfalls Geld.
man
erfährt aus
der Amtsrechnuug nur, dass eine solche Vorgelegen hat und zwar,
wie
man
der Bemerkung, dass
legenheit
der Herr Bürgermeister die Ange-
wieder ein gebracht
habe, entnehmen
kann, seit
längerer Zeit. Im Jahre 1588 liess sich das Amt einen Protokollauszug anfertigen, für welchen man den Herrn Secretär natürlich
entschädigen musste.
Unbarmherzig ging das fugt, d. h.
des Wachtmeisters,
wiederholt wirkt.
gegen diejenigen vor, die unbe-
der
eingesperrt
zu
Die armen Bönhasen seinen Vortheil
haben, die Gold-
wurden mit Hilfe
dabei fand, aufgestöbert,
und gerichtliches Urtheil
über
sie
ausge-
Auch das verursachte Kosten.
Seiner Verpflichtungen allezeit
Amt
ohne die Meisterschaft erworben
schmiedekunst betrieben.
eingedenk.
von den Strafgeldern
gegen
die
Obrigkeit
war das Amt
Nach den Artikeln 5 und 6 hatte der Rath und dem weggenommeuen, weil schlecht be-
fundenen, Silber die Hälfte zu beanspruchen.
In der That begegnet
man dem Nachweise derartigen verfallenen Silbers und Goldes zu Händen des Herrn Bürgermeisters. In den 9 Jahren, über welche die 16.
Rechenschaft
sich
erstreckt,
3'/>
erhielt
Juli 1585 20 Loth Silber, Herr Evert
1589 30 Loth Silber und am
11. Juli
Herr Nicolai Fyck am Haussmann am 22. Aug.
1590
16'/.
Loth Silber, wie
Kronen Gold
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Schiemanns Livländische Geschichte.
Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen, herausgegeben von Wilhelm Oncken. Berlin,
Zweite Hauptabteilung,
G. Grote.
Polen und Livland
bis
ins 17. Jalirh
Von
10.
Theil.
Russland,
Theodor Schie-
Geschichte Livlands bis zum Tode Walters von Plettenberg. (Der Baud umfasst die Gern
an
n.
Band
ti.
:
1
schichte Russlands bis zu
Polens bis zu Sigismund
|it
.
Iwau dein Schrecklichen und II. Angust 1548.)
dem vorstehend genannten Werk hat
fasser ein grosses Verdienst
schichte erworben.
Schwer war es
um
die Geschichte
sich
der Ver-
unsere heimische Ge-
allerdings, die Geschichte des
Landes bis zum angegebenen Zeitraum in den engen Rahmen von 224 Seiten hineinzufUgen. Die Beschränkung des Stoffes musste gehandhabt und vieles konnte nur flüchtig und fragmentarisch skizzirt werden, um für das Wichtigere mehr Raum
oft aufs äusserste
Im allgemeinen wird man mit dem Verfasser in der Auswahl des Gegebenen übereinstimmen, im einzelnen mit ihm darüber streiten können, was übrigens in der Natur der Sache liegt, da es immer so viele differirende Ansichten, als aufmerksame und kundige Leser einer solchen Arbeit geben wird. Die vorliegende beruht auf genauer Kenntnis und sorgfältiger Benutzung des einschlägigen Quellen materials und der in Betracht kommenden zu gewinnen.
Literatur, beweist Durchdringung
und was auch
als
hier,
kein
des Stoffes und kritischen Tact,
geringer Vorzug
anzuschlagen
ist,
es tritt uns
wie in allen Arbeiten Schiemanns, eine anziehende und
gefällige Darstellung
entgegen.
Das
alles
zusammengefasst, be-
deutet gegen früher einen wesentlichen Fortschritt.
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Schiemanns Livländische Geschichte.
«Von dem
145
heiligen römischen Reich deutscher Nation ist nur
einmal eine überseeische Colonie ausgegangen
.
.
.
Livland dankt
dem Scbaffensdrange der deutschen Nation.
seine staatliche Existenz
Die Geschichte Livlands hat ihren eigenartigen Gang genommen, sie ist Colonial-, nicht Provinzialgeschichte, und das mag erkläreu, weshalb ihr eine besondere Behandlung in einer Allgemeinen Geschichte zugestanden worden ist. Dass sie nicht zur Provinzialgeschichte werden konnte, ist ihr Verhängnis. Weil Livland Colonie blieb und nicht im Stande war, die sichere Basis einer Verbindung auf dem Landwege den
für
dem deutschen Reiche zu
mit
deutschen Bauer,
der
nun
einmal
nicht
finden, weil es
über See
zog,
keine Eingangspforte batte, musste nach langem und schmerzlichem
Ringen der Zusammenhang mit dem deutschen Reiche aufgegeben werden; die deutsche Colonie wurde zur Provinz fremder Staaten. So ist Livland ein Gebilde, welches uns zeigt, was das deutsche Bürgerthum und der deutsche Adel ohne die nationale Basis eines Bauernstandes, der gleicher Wurzel entspross, vermögen und die
—
Geschichte desselben bietet überraschende Parallelen mit der griechischer Colonien auf barbarischem Boden
an den Küsten Kleinasiens
:
—
an den Ufern Siciliens die Differenz liegt in nationalen und zeitlichen Gegensätzen, nicht im Wesen der Verhältnisse.» Mit diesen Worten beginnt der Verfasser sein Werk, das in
oder
grossen Zügen die Geschichte unseres Landes in seiner älteren Zeit
Ohne ermüdendes Detail, aber mit Hervorbedeutsamen Momente wird dm- Anfang die erste Landung deutscher Kaufleute von Wisby auf Gotland her, die Wirksamkeit Meinhards, dem als
zu schildern unternimmt.
hebung der wichtigeren
der Colonisation dargestellt
:
Pfadfinder volle Gerechtigkeit zu Theii wird, dann die kurze Zeit Bertolds und endlich die des eigentlichen Gründers
Herrschaft bischofs
ira
Lande,
Hartwich
II.
des Bischofs Albert,
der deutschen
des Neffen
des Erz-
von Bremen, der als Domherr der dortigen
Kirche früh an eine umfassendere und selbständige Politik gewöhnt war.
Die Persönlichkeit und die Tbätigkeit dieses Mannes werden
uns anschaulich
vor
männisches Talent, er
Augen geführt:
seine
seine Klugheit, sein
staats-
unermüdliche Thatkraft, die Freude, die
über seine Erfolge, aber auch die Trauer, die er über mancherlei
getäuschte Hoffnungen empfinden musste, wie über das Fehlschlagen seines Planes, der alleinige
Herr im Lande zu
sein,
da der Orden
der Schwertbrüder, der, auf seine Initiative ins Leben gerufen zu,
ihm im Verhältnis der Vasallität stand, RjUitfche Monatsschrift.
Band XXXV, Hoft
2.
immer selbständiger ihm JO
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;
Schiemanns Livländische Geschieht«.
146
gegenübertrat, wie auch darüber, dass Papst Innocenz III., der aus
Livland einen dem päpstlichen Stuhl direct untergebenen geistlichen Staat machen und die Metropolitangewalt überhaupt brechen wollte,
ihm
die Verleihung
der
erzbischöflichen
Würde
verweigerte.
Er-
der rigascheu Kirche über diese
eine Oberherrschaft
wollte nicht
Gegenden dulden,
welches Recht
bremer Erzbischöfe
die
in
An-
dem sie noch immer festhielten Riga sollte nicht Bremens Nachfolgerin werden. Neben dem Bischof von Riga sollten andere selbständige geistliche Gewalten im Lande «Hielten, was ja möglich war, alle diese Mächte sich entstehen.
spruch genommen hatten und an
das Gleichgewicht, so konnte, allgewaltig über ihnen stehend, der
Papst als alleiniger Herr gebieten. ersten
Mal
in
in
Deutschland oder
—
Dann
war thatsächlich zum
einem geistlichen Staatskörper die Idee der Metropolitan-
gewalt durchbrochen, und was
wo
sonst
in
II. sich
geschehen
war, konnte
immer zum Vorbild dienen»
Schwere Tage kamen dann
könig Waldemar
Livland
(S. 26).
für Albert, als er au den
Dänen-
wenden musste, um Hilfe gegen
die auf-
ständischen, mit den Russen verbündeten Eingeborenen zu erbitten,
dann die Dänen darauf ausgingen, das Land, das mit und deutscher Kraft erobert worden, sich anzuMit Genugthuung musste ihn aber wiederum erfüllen, als er sah, wie die Dänenmacht gebrochen wurde und ihre auf die Erwerbung vonEst-und Livland gerichteten Bestrebungen scheiterten, wenn er es auch nicht hindern konnte, dass die vom Orden den Dänen in Estland entrissenen Gebiete diesem in ganz unabhängiger Weise zuftelen und nicht einmal in geistlicher Beziehung ihm unterund
wie
deutschem Blut eignen.
Als er starb, war ganz Liv- und Estland und von Kurland den Deutschen gewonnen. Treffend bezeichnet Schiemann die Regierung Alberts als die heroische Periode der
stellt sein sollten.
ein Theil
«Was
livländischen Geschichte.
schah, hat
sich
in
dieser
hier
in
Weise nicht
einem Menschenalter gewiederholt;
der
freudige
Math, die Schaffenskraft und der religiöse Impuls der Zeit wirkten zusammen, um dem Unternehmen diejenige Weihe zu geben, ohne welche es ein Frevel gewesen wäre. Wer sich von diesem Geiste durchdringen der die
will,
Wunder
der lese
jener
die
Chronik Heinrichs
von Lettland,
erlebte und in unbefangener
Wahr-
Eingehendes Studium seines Buches
ist die
Tage mit
heitsliebe aufzeichnete.
Brücke zum Verständnis der Geschichte Livlands, das einen Hauch des Geistes, der in ihm und seinen Zeitgenossen lebte, sich bis zuletzt bewahrt hat» (S. 45 f.).
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Schiemanns Livländische Geschichte.
147
In dem die Zeit nach Alberts Tod behandelnden Capitel wird besonders die Thätigkeit Balduins
zum Träger
von Alna geschildert,
der sich
Papst Gregor IX. wieder aufgenommenen
von
des
Planes Innocenz’ III. machte, in Livland einen päpstlichen Vasallen-
und
zu gründen
staat
der Livläuder zu ver-
die Selbständigkeit
denen
nichten, Bestrebungen,
sich
die
Gewalten des Landes
ein-
müthig widersetzten und die schliesslich scheiterten. Hier ist bereits die über so manche Episode ein deutlicheres Licht verbreitende Drk. 21 iu Hildebrands «Livonica, vornämlicli im
im Vaticanischen Archiv. durch gezeigt,
wie
möglich
darzustellen
manche Lücke noch fehlen.
war,
anders
Jahrhundert,
bleibt,
auch,
als es früher
wie
trotzdem so
manche Mittelglieder
so
Bald darauf endete die Existenz des Schwertbrüder-
Der Ordensmeister Volquiu
ordens.
erscheint,
aber
zugleich
noch auszufüllen
—
13.
1887» benutzt und verarbeitet, und da-
nicht weniges
schon früher versucht,
hatte
dem
Preussen seit kurzem Der Deutsche Orden Herrn ausser den Papst über sich anzuerkennen, und Volquin mochte hoffen, nach der Vereinigung sich von der Vormundschaft der Bischöfe freimachen und in gleich unabhängiger Stellung den Prälaten des Landes gegenübertreten eine Vereinigung seines Ordens
mit
angesiedelten Deutschen Orden zu
in
erzielen.
hatte keinen anderen geistlichen
Vorläufig aber lehnte der Hochmeister des Deutschen
zu können.
Ordens Hermann von Salza die Union ab, und als er dann später einige Brüder nach Livland sandte, um sich über die Verhältnisse zu informiren, lautete der Bericht ungünstig für den Schwertbrüderorden.
Im
J.
1236
erlitten aber die Livläuder
durch die Littauer
da anders das Ende der deutschen Herrschaft in Livland bevorzustehen schien, nach Oeberwiudung einiger Schwierigkeiten durch Papst Gregor IX. eine fast vernichtende Niederlage, und jetzt wurde,
die
Vereinigung
vollzogen.
Die Hoffnungen
des
Schwertbrüder-
ordens, von der Oberhoheit der Bischöfe befreit zu werden, erfüllten sich
jedoch
nicht:
Bischöfen gegenüber in
aber hat
die
Deutsche
der
Orden
Livland
dem früheren Verhältnis
livländische Entwickelung
hunderte gekrankt.»
in
der
sollte
bleiben.
den
«Daran
folgenden drei Jahr-
Aeusserst schmerzlich musste es
der Orden
auch empfinden, dass er den Dänen Nordestland, nämlich Wirland und Harrien
mit Reval,
wieder überlassen musste. mit
ein
—
unaufhörlichen Kämpfen
die auswärtigen
bereits
deutsch
colonisirtes Gebiet,
Die darauf folgenden Jahrzehnte sind gegen die Eingeborenen, wie gegen Verhängnisvoll wirkte besonders
Feinde angefüllt.
io*
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Schiemaims Livländische Geschichte.
148 die Niederlage
des Ordens
bei
Darben 1260 and zwar nicht nur Dort brach ein furcht-
für Livland, sondern auch für Preussen.
barer Aufstand
der
alten
Einwohner
der erst 1283 mit
aus,
dem
der Deutschen endete; hier fielen Kurland und Oesel ab, Semgallen war im Aufruhr, wozu sich Einfalle der Russen, Littauer
Siege
gesellten. Die von allen Seiten drohende Gefahr Ausdruck in der Thatsache, dass von 1260 ab 7 Meister im Kampf den Tod gefunden haben. Aber der Orden blieb Sieger. Zuerst wurde Oesel zum Gehorsam zurückgebracht; im J. 1267
und Samaiten findet ihren
herrschte auch in Kurland wieder Ruhe,
unterworfen,
und
bis
auswärtigen Feinde
die
1290 war Semgallen
waren,
trotz
mancher
Wechsel- und Unglücksfälle, zurückgedrängt.
Aber den Erfolgen durch die Waffen entsprach nicht eine Erhebung und Kräftigung im Inneren, und daran war der Gegensatz zwischen dem Orden und dem Erzbischof von Riga seit 1251 war Riga zum Sitz des schon 1245 zum Erzbischof von Preussen, Livland, Estland, Kurland und Semgallen ernannten Albert Suerbeer bestimmt worden schuld, ein Gegensatz, der bald das ganze Land in Mitleidenschaft zog. Begründet aber war derselbe dadurch,
—
—
dass beide Theile nach der Herrschaft über ganz Livland strebten.
«Dass es keinem Theile gelang, des anderen Herr zu werden, ist des livländischen Mittelalters.» Schon der erste Erzbischof Albert Suerbeer ist vom Orden gefangen genommen worden (1268). Seitdem hielt er bis zu seinem Tode Frieden auch während der Regierung seiner beiden nächsten Nachfolger, Johanns I. das Verhängnis
;
und
II.,
war das Verhältnis
ein
erträgliches.
Unter Johann
III.
Kampf wieder aus, und zwar bildete Moment das Verhältnis des Ordens zu Riga.
von Schwerin aber brach der jetzt das entscheidende
Diese von Bischof Albert gegründete Stadt war rasch emporgeblüht, hatte mancherlei Privilegien erworben und galt bei weitem als die erste
im Lande.
Deshalb strebte aber auch der Orden, der
Stadt den Jürgenshof sitz
derselben
oder
Daraus entwickelte
oder den Wittenstein besass,
wenigstens
nach
sich ein verheerender Bürgerkrieg, in
Erzbischof auf "Seiten der Stadt
stand,
in der
nach dem Be-
der Mitherrschaft über
sie.
dem der
welche sich nicht scheute,
Mal mit den Landesfeinden, den Littauern, zu verDer Orden ging schliesslich siegreich aus dem Kriege 1330 musste sich Riga dem Ordensmeister Eberhard von Munheim auf Gnade nnd Ungnade ergeben. Eine wohlthueude Abwechselung in der Darstellung der sich mehrere
bünden.
hervor:
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Schiemanns Livländische Geschichte.
149
Kämpfe mit auswärtigen Feinden oder verheerender Bürgerkriege Staatliches Leben,
bietet der Abschnitt:
welchem
in
die Verhält-
nisse der Vasallen, des Kriegswesens, der Bauern, der Städte
des ßildungsstandes
bis
die Mitte
in
des
und
Jahrh. geschildert
14.
werden, leider nur kurz, wie es die Nothwendigkeit der Beobachtung der Sparsamkeit in der Benutzung
Es sind
nur flüchtige
oft
nannten Momente Verfasser
gerade
hier
Wenige dankbar
Raumes
gebot.
auf irgend einen der ge-
mau meint zu erkennen, wie der Entsagung geübt hat, wo mehr zu sagen und
von Interesse gewesen wäre. dieses
des gestatteten
Streiflichter, die
fallen,
Trotzdem wird der Leser auch für da es in anziehender Schiemann schliesst den
sein müssen, besonders
und lebendiger Darstellung geboten wird. Abschnitt mit den Worten
«
:
Es
immer
war, wohin
man
blickt,
Emporstreben der materiellen und geistigen Kräfte des Landes,
ein
dem es jedoch, vielleicht zu seinem Heil, nie vergönnt war, in Ruhe der Früchte seiner Arbeit zu freuen.»
Und nnr zu
bald zeigten
im dänischen Estland ein
dem
der
Beispiel,
furchtbarer Aufstand
schwedische Vogt
in
Äbo
sich
1343
brach
aus, Oesel
folgte
neue Gefahren.
sich
landete mit Heeres-
macht, den Esten zu helfen, dazu kamen verheerende Einfälle der
Russen und Littauer. Kraft.
Nur
die
Der Orden bewährte auch
Littauer
zogen
ungestraft
hier wieder seine
mit
der
gemachten
Beute davon, aber die Russen mnssten nach blutiger Schlacht,
in der
allerdings beide Theile sich den Sieg zuschrieben, zurückziehen, der
schwedische Vogt wurde bewogen das Land zu verlassen und
in
Oesel
niedergeschlagen. Der Orden gewann Die Umstand einen wesentlichen Vortheil. dänische Herrschaft in Estland war nie erstarkt, die überwiegende Mehrzahl der Vasallen war deutschen Ursprungs, noch mehr war
und Estland der Aufstand
durch
den
letzteren
das mit der Bürgerschaft Revals der Fall.
Ohnmacht der Dänen
hatte sich die
den Orden hätten
sie
nichts
Im
letzten Aufstande
aufs deutlichste gezeigt
auszurichten vermocht.
Der
;
ohne
erstere
Landes geworden. Dänemark erkannte, dass es dasselbe nicht werde behaupten können, und trat es 1346 dem Hochmeister ab, welcher es ein Jahr später auf den Deutschen Orden in Livland übertrug. Dem Namen nach blieb zwar der
war
factischer Besitzer des
Hochmeister der Landesherr, thatsächlich lag aber die Verwaltung in
Händen
des livläudischen Meisters.
Die eben entsprechend
erwähnten
ausführlicher
Begebenheiten geschildert
sind
worden.
ihrer Wichtigkeit
»Durch
die Ver-
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Schiemanns Livländische Geschichte.
150
der drei Lande Kurland, Livland und Estland zu einem
einigung
Ganzen tion
ist
die
Grenze gezogen, über welche
im Osten nie hinausgekommen
hört für den livländisehen
ist.
die deutsche Colonisa-
Die Zeit des Vordringens
Zweig des Deutschen Ordens
auf.
Seine
Aufgabe ist nunmehr wesentlich, das Errungene der aufstrebenden Macht Littauens und Moskaus gegenüber zu behaupten, was um so schwieriger wurde, als der Deutsche Orden in Preussen genöthigt war, alle seine Kraft gegen Polen zu wenden t (S. 93).
Dazu kam der auflebende
ausbrechende
aufs neue
zum
Gegensatz
innere Zwist, der
zur Geltung zu bringen, der Orden weigerte sich
vom
zuerkennen, und erst der Danziger Vertrag die Curie nicht anerkennen wollte,
endete
Besitz der von Eberhard von
eine
solche an-
J. 136C, den aber
den Streit:
Riga zu Gunsten des Erzbischofs,
verzichtete auf
wieder
Riga. Der Erzbischof verdem Orden gegenüber wiederum
Erzstift
suchte seine Oberlehnsherrlichkeit
blieb
der Orden
jedoch im
Munheim neu erbauten Ordensburg;
der Erzbischof entsagte jedem Gehorsams- und Huldigungseide von
Damit war,
des Ordens.
Seiten
welches
wie
letztere
wie
in
Preussen
erstere behandelt
das
und Kurland,
worden war, auch
in
Livland der Orden von der geistlichen Macht eximirt.
Wahrend
so
ersten
die
hob sich die Macht der Städte, veranlasst besonders durch
stritten,
ihre Zugehörigkeit zur
punkte stand
Hansa, die gerade damals auf ihrem Höhesie mit Dänemark den Frieden von
1370 schloss
:
Stralsund, nach welchem
König
Lande mit einander
Gewalten im
in
in
Zukunft ohne
Dänemark herrschen
sollte
ihre
Zustimmung kein
und der die Handelsheri'schaft
derselben im skandinavischen Norden auf lange hinaus begründete.
Zur
Illustrirung
der,
abgesehen
von
den städtischen, verwirrten
Verhältnisse im Lande dienen die ausführlicher geschilderten Wirren,
dem Orden feindlich gesinnten Bischofs von Dorpat, Theodofich Damerow, hervorgerufeu wurden. Der Papst Bonifacius IX. hatte nämlich mehrere für deu Orden sehr vortheilhafte Bullen erlassen: Johann von Wallenrode, ein Glied des Ordens, war zum Erzbischof von Riga ernannt worden, welche
durch
die Thätigkeit
des
das Domcapitel sollte in Zukunft nur aus Brüdern
des Deutschen
Ordens bestehen, und sobald diese die Mehrheit erlangt, rigasche Kirche
aus einem Augustiuerstift
sollte die
umgewandelt werden und das weisse Gewand des Ordens an die Stelle des früheren schwarzen treten; auch in Zukunft sollte nur ein Bruder des Ordens Erzbischof werden und der Orden das Visitationsin
ein Ordensstift
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Schiemanns Livlftmlische Geschichte.
Wurde das
151
wäre das Erzstift Deshalb traten vollständig unter den Einfluss des Ordens gerathen die Feinde des letzteren dagegen auf. Au ihre Spitze stellte sich Theodorich Damerow und begünstigte den von einem Theil der recht haben.
zum Erzbischof erwählten Otto von Stettin. Damerow eine weit-
rigaschen Domherren
Um
alles durchgeführt, so
dessen Anerkennung zu erzwingen, brachte
verzweigte Coalition von Gliederu
wie
innerhalb
Landes gegen den Orden zu Stande; ihr
unter
ausserhalb
anderen
gehörten
des
zu
auch die sogenannten Vitalienbrüder, Seeräuber, die damals eine
Plage
und
aller Ostseefahrer
Der Orden
auch Livlands waren.
Kampf siegreich hervor. Die hier erauf Schiemanns Aufsatz Die VitalienBedeutung für Livland iu seinem t Historische Darstellungen und archivalische Studien» 188t», und ebenso auf seinem Aufsatz Ein Jahrhundert vor der Reformation (ebenda), die Schilderung der Kämpfe zwischen dem Orden einerseits und ging aber auch aus diesem zählten Wirren
und
brüder
beruhen
:
ihre
:
und Littauen
Polen
Tannenberg
bis zu
andererseits
dem
für
Ferner
land beitreteu musste.
an
die Darstellung
iu die
der Zeit
seit
den Orden
Melnosee, der 1423 zu Welun
ratificirt
lehnen
der Hineinziehung
der Schlacht
schimpflichen Frieden
bei
am
wurde und dem auch Livsich
an denselben Aufsatz
der Ordensangelegenheiten
Berath ungsgegenstände des Costnizer Concils
der dortigen
;
Thätigkeit Johann Wallenrodes, der als Erzbischof von Riga, ob-
Ordens war, durchaus nicht immer mit dem-
gleich er ein Glied des
selben harmonirte
;
seiner Versetzung
nach Lüttich
und der Er-
nennung Johanns Ambuudi zum Erzbischof von Riga im Zusammenhang mit der kirchlichen Reformfrage, welche die deutsche Nation vor der
Wahl
Preis des
eines neuen Papstes erledigt sehen wollte.
Bisthums Lüttich
Wallenrode und Ambundi die
Reform der Kirche
;
und
ihre
denn
des
Erzstifts
Für den
Riga verkauften und damit
bessere Ueberzeuguug die
durch ihren Abfall gesprengte
deutsche Nation musste ihren Widerstand gegen die vor der Reform
vorzuuehmende Papstwahl jetzt aufgeben.
Die Jahre
bis
1435 sind wiederum
erfüllt
durch Kriege gegen
und Littauen, wie durch innere Streitigkeiten, besonders welche in der livländisehen Geschichte unter dem Namen des Habitsstreites bekannt ist, ob nämlich die Geistlichkeit des Polen
durch
die,
rigaschen Erzstifts die weisse Tracht des Ordens tragen frühere schwarze der Augustiner beibehalten sollte. sollte natürlich ein
oder die
Mit der ersteren
Uebergewicht des Ordens über die Geistlichkeit
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Schiemanns Livländische Geschichte.
152
begründet
nachdem
Streit
verschiedene Phasen, je
durchlief
die eine oder die andere Partei
Abhängigkeit von ihr standen.
von der päpstlichen Politik
auf die zurückwirkte, welche
wurde, eine Politik, die
begünstigt in
Der
werden.
Das
tritt in greller
Beleuchtung
Rom am
hervor durch den Brief, den der Ordensprocurator
in
Juli 1429 an den Hochmeister richtete
bruchstückweise
und der
Auf dem Landtage
mitgetheilt wird (S. 118 f.).—
12.
Walk (Dec. 1435)
zu
Orden darein, dass Erzbischof und Capitel das Augustinergewand beibehalten sollten. Auf demselben Landtage ward auch eine Landeseinigung zwischen den Herren uud Ständen von Livland auf sechs Jahre abgeschlossen, eine erfreuliche und willigte endlich der
massgebenden Gewalten
seltene Erscheinung der Eintracht unter den
im Lande.
war diesem Ereignis
Allerdings
anderes
ein
gegangen, das gebieterisch die Eintracht gefordert
welche
der
mit
Switrigail
Zweig des Ordens von den Nebenbuhlers
wie
(Mittheil. d. Ges.
f.
Gesch.
dem Verfasser zugeben,
livländische
Streitkräften des mit Polen verbündeten
erlitten (8. 122).
eben so wenig,
voraus-
die Niederlage,
:
verbündete
am
des erstereu, Grossfürst Sigmund,
an der Swienta jetzt
von Littauen
u.
dass
1.
Sept. 1435
Nebenbei bemerkt, kann Referent
schon
früher
an
anderen Stelle
einer
Alterthumsk. Bd. 13, S. 461, Anm.) der Gegensatz zwischen deu beiden
im livländischen Zweige des Ordens entstandenen Parteien der Westfalen und Rheinländer bei der Niederlage eine Rolle gespielt oder gar von entscheidender Bedeutung gewesen
Der
Streit des
sei.
Ordens mit den übrigen Mächten des Landes trat in den Vordergrund ein Zwiespalt
Dagegen
ruhte zunächst.
im Inneren des Ordens
selbst, der
seinen Ursprung
in
dem schon
früher entstandenen eben erwähnten Gegensätze zwischen den beiden
landsmannschaftlichen hatte.
1438
Meisteramt;
wählten der
Parteien
beide Parteien
einen
je
Westfalen
Candidaten
zum
von der Minderheit, der rheinländischen Partei,
Gewählte wurde vom Hochmeister falen protestirten.
und
Rheinländer
der
bestätigt,
Das ganze Land wurde
in
wogegen
die
West-
den Zwiespalt hinein-
gezogen und erhöhte Bedeutung erlangte derselbe, weil
er in Be-
ziehung trat zu dem Streit, der zwischen dem Hoch- und Deutsch-
dem Ordensregiment unzufriedenen preussischen Stände verwickelt wurden. Bemerkt sei, dass meister ausgebrochen war, in den auch die mit
die Tagfahrten der livländischen Stände
im Juli und Sept. 1438 nicht
beide zu Pernau stattfanden, sondern zu Pernau und
Diese Wirren
konnten
nur flüchtig
skizzirt
Walk
(8. 126).
werden, eingehender
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Schiemanns Livländische Geschichte. ist
nur
neuen Statuts
des
dem
von Erlichshausen, der
153
gedacht, das der Hochmeister
Konrad
Ende machte, 1441
für Liv-
Streit ein
land erliess und das bestimmt war, die Zucht innerhalb des Ordens
zu kräftigen und dem Parteiwesen der Rheinländer und Westfalen
entgegenzuwirken
(S. 128).
—
lange nachher trat der alte
Nicht
Zwiespalt zwischen Orden und Geistlichkeit wieder hervor. 1448 wurde der Ordenskanzler Silvester Stodewäscher, ein Glied des Ordens, durch die Bemühungen des letzteren vom Papst zum Erzbischof von Riga ernannt, dessen Zeit mit Recht ausführlicher be-
Ueber Silvester
handelt wird.
ist ein
abschliessendes Urtheil dar-
über noch nicht möglich, ob er von Anfang an
zum Orden
treten
wollte,
in
auch Schiemann
und
einen Gegensatz lässt
die
Krage
Charakter des neuen Erzbischofs aber zeigte sich sogleich darin, dass er allen das zugestand, was sie wünschten, offen; der ränkevolle
dem Orden wie seinem
Capitel und seiuen Vasallen, und doch konnte nur einem Theil das Versprochene halten. Durch einen frechen Betrug aber erzwang der Orden zu Woltnar 1451, dass Erzbischof und Capitel in Zukunft das Ordensgewand tragen sollten, ein Ver-
er
dank den
gleich, der
die
aufgewandten Geldmitteln 1452
reichlichen
päpstliche Bestätigung
demselben Jahr
ln
erhielt,
kam
der
Kirchholmer Vertrag zu Stande, nach dem Erzbischof und Orden gemeinsam über die Stadt Riga herrschen sollten. Kein Theil aber hielt ehrlich
den Vergleich, jeder versuchte die Stadt zu alleiniger
Anerkennung seiner Oberherrschaft zu gewinnen, schliesslich aber wurde 1454 zu Wolmar der Vertrag zu Kirchholm erneuert, und bis zum Jahr 1469, dem Todesjahr des Ordensmeisters Mengden, herrschte jetzt im Inneren Friede, den der Orden in Livland benutzen konnte, um dem in Preussen gegen die Polen, mit denen die aufrührerischen im preussischen Bunde geeinten Stände des Landes sich verrätherisch vereinigt, Hilfe zu leisten. Als Preis der Hochmeister
für dieselbe verzichtete
Estland, das bisher, wenn auch
nur
auf das früher dänische
nominell, unter
seiner Ober-
hoheit gestanden, zu Gunsten des livländischen Zweiges des Ordens, eine Angelegenheit,
die
Abschluss gelangte. doch
nicht
erst
Trotzdem nun
an Geld und Mannschaft
Preussen
übrigens
leisteten,
abwenden
musste Westpreussen an
Polen
:
einem definitiven
zu
1525
die Livländer
konnten
im
sie
Frieden
abgetreten
reichliche Hilfe
das Unglück von
von
werden
Thom und
dieser Zeit
(
1466)
nur Ost-
prenssen blieb dem Orden, aber unter polnischer Oberhoheit.
Seit
wird die Verbindung beider Theile des Ordens immer
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Schiemanns Livländische Geschichte.
154
mehr
gelöst,
Livland
tritt
immer selbständiger dem Hochmeister
gegenüber.
Der Erzbischof
hatte unterdessen eine Stütze
—
schaft seines Stifts zu gewinnen versucht
an der Ritter-
denn Riga mistraute
ihm wegen des zweideutigen Verhaltens, das er ihr gegenüber in der Zeit zwischen dem Kirchholmer Vertrag und der Erneuerung
—
desselben beobachtet
indem er ihr durch die sogenaunte «neue
Gnade» 1457 das gleiche Recht verlieh, welches die Ritterschaft die mächtigste adelige Corporation Harrien und Wirland
von
,
ihr
bewegliches und
fünfte Glied
männlichen und
des Landes, seit 1397 bereits besass,
unbewegliches Vermögen bis in das erben zu dürfen.
von einem
der Seitenverwandten
Der Verfasser spricht
Mann recht
fünfte Glied
fortan
mit Einschluss
weiblichen Geschlechts
und dass das Vermögeu nur
männlicheu
ver-
hier (8. 141) irrthümlich
Geschlechts
vererbt
bis in
das
werden durfte,
obgleich er das Beispiel der Ritterschaft von Harrien und Wirland
anführt nnd früher
hervorgehoben
105) selbst
(S.
dieser das Erbrecht auch in weiblicher Linie
hat,
dass 1397
zugestanden worden
—
Nach Mengdens Tod brach der Streit mit dem Erzbischof wieder aus, unter dem Ordensmeister Wolthuss von Herse (S. 146 muss es 6000 Mark heissen), der 1471 seines Amtes entsetzt wurde
sei.
und im Kerker starb, allerdings noch nicht aber geschah das unter dem Meister Bernd
war
in offener v. d.
die Quelle des Zwistes die Stadt Riga.
Weise, wohl
Borch, und wieder
Der Erzbischof
ver-
band sich mit Schweden, aber der Meister blieb Sieger, nahm das
Kokenhusen gefangen, wo er 1479 starb. Ueber der Frage der Neubesetzung des Erzbisthums entzündete sich der Hader von neuem. Der Meister hatte seinen Neffen, den Bischof von Reval Simon v. d. Borch, zum Erzbischof wählen lassen, während der Papst von sich aus den Bischof von Erzstift ein und Silvester
Troja
(in
Unteritalien), Stephan Grube, dazu ernannte.
Riga erklärte Kriege
sich für den letzteren
zwischen
glücklich
in
war.
der Feldzüge
;
Stadt, in
Dieser Umstand, sowie die
gegen Pleskau
Die Stadt
das führte zu einem erbitterten
dem Orden und der
erschütterten
dem
die
letztere
unglückliche Führung
Borgs Ansehen
;
eine
Reihe von Nothjahren, die Krankheit uud Hunger brachten, steigerten die Unzufriedenheit,
genöthigt.
Kampf theil
Sein Nachfolger, Freitag
mit Riga
war
und 1483 wurde der Meister zur Abdankung
—
fort,
in
dem
von Loringhoven, setzte den
dieses anfangs aber ebenfalls
unter anderem ward
das Ordensschloss
in
im Vor-
der Stadt
itized
by
Google
Schiemanns Livländische Geschichte. zerstört
153
\S.
155
dem neuen Erzbischof, Michael Hildebrand zu verbessern: Domherr zu Reval uudOesel), erlangte unter
erst
;
ist
nach einer Niederlage Rigas
bei Neuermlihlen
der Orden
wieder
Herrschaft über die Stadt (149t).
die
Die
letzten
Seiten
(18
Walters
Regierungszeit
die
füllen
von Plettenberg (1494-1535) aus, ein
gewiss nicht allzu grosser
Raum
Auch
Walten dieses Mannes.
für das
der Verfasser Entsagung geübt, wie vieles in
hier
nur
man, wie
sieht
kurz berührt und
gedrängter Darstellung zusammengefasst werden musste.
dem erhält man
Wie
gegen das unter Johann
III.
geeinigte Russland
und wie trotzdem die Sachlage eiue gefahrvolle geschildert.
Schiemann
105
S.
lässt
1.
die
ist
Darstellung
Beschiessung unterworfen
während
dann
Ostrow
belagern.
und dann
zerstören
Pleskausche Chronik 8.
zum
14. Sept.
erst
Isborsk
spricht davon,
8. Sept.
7.
Ostrow
September 1501
nachdem
dass,
1501 Ostrow angegriffen
Sept.
oberung der Stadt am bis
richtige.
erst
«Schoune hysthorie» sagt, dass die
die
am
und
treffend
ist
ganz
keine
und
Livländer, Isborsk zur Seite liegen lassend,
7.
Kampf
ruhmvoll bestand blieb,
nach der ersten Pleskauscheu Chronik zuerst Isborsk
flüchtigen
belagert werden,
am
Plettenberg
des Landes, ohne Bundesgenossen, den
mit geringer Hilfe
einer
Trotz-
über die betreffende Periode
ein anschauliches Bild
und die Persönlichkeit des bedeutenden Maunes.
Auch
die
die Livländer
hatten, sie
nach Er-
wieder abzogen und von diesem Tage
vor Isborsk lagerten.
Diese zweite Belagerung
vou Isborsk erwähnt der Verfasser nicht und lässt irrthümlich nach der Zerstörung der Stadt Ostrow noch die
überhaupt
Burg
bis
zum
14. Sept.
Die erste Beschiessung von Isborsk erscheint (s. Archiv f. d. Gesch. Liv-, Est- uud Kur-
werden.
belagert
zweifelhaft
lands Bd. 8, S. 233
f.).
S.
170
ist als
Tag
des Sieges Plettenbergs
unweit Pleskau (1502) uicht 8 Tage vor Kreuzeserhöhung (12. Sept.), am Abend Exaltationis Crucis (13 Sept.) zu setzen. In
sondern
350 f., sind diese Dinge richtig erzählt. Ferner zeigt der Verfasser, wie grosse Gefahren Plettenberg
der Geschichte Russlands, S.
auch in
den inneren Verhältnissen
wie vorsichtig er
in
des Landes
gegeuüberstanden,
der Behandlung der übrigen Herren des Landes
und der Stände verfahren musste, welche auch unter einander durchaus nicht immer einig waren, wie besonders die Ritterschaften und Städte.
gen
und
Plettenberg hat es aber bei seiner
zähen Politik,
wobei
er
nicht
massvollen, verständi-
selten
die
Eingebungen
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Schiemanns Livländische Geschichte.
156
Erkenntnis
besseren
seiner
unberücksichtigt
Seite waren
es
ver-
Auf der anderen
auswärtigen Beziehungen,
die
musste,
lassen
standen, den inneren Frieden aufrecht zu erhalten.
wie besonders das
wenig gesicherte Verhältnis zu Russland, mit dem man zu keinem
kam, sondern immer nur zu
dauerhaften Frieden
einzelnen
auf
längere oder kürzere Zeit abgeschlossenen Waffenstillständen, welche einen Gegenstand der Besorgnis bildeten.
Die politische Reife und
den staatsmännischen Blick des Meistere zeigte
aber der Zweifel,
optimistischen Hoffnungen
den er in das Gelingen der
des Hoch-
meisters Al brecht von Brandenburg setzte, welcher das Ordensland
im
Umfange wiedergewinnen
alten
nur
zu
war:
gerechtfertigt
wollte,
Pessimismus,
ein
konnte
Albrecht
der
ausrichten.
nichts
Plettenberg hatte, so weit es in seinen Kräften stand, und die liessen
damals nicht grosse Anspannungen zu, Hilfe geleistet, freilich nicht, ohne Zugeständnisse vom Hochmeister erhalten zu haben. 1525
Verwandlung des Ordenslandes Preussen in ein weltHerzogthum unter polnischer Lehnshoheit. Damit war jede
erfolgte die liches
Verbindung zwischen Preussen keine feste mehr gewesen war,
Das
letzte
welches sich
zum
und Livland, welche
schon lange
gelöst.
behandelt
Capitel
die
Theil, wie das auch
in
Reformation
in Livland,
anderen Abschnitten ge-
schehen, an eine frühere Arbeit des Verfassers anlehnt,
und zwar
an den zur Lutherfeier in Reval 1884 gehaltenen Vortrag: «Die Reformation Alt-Livlands«. Frühere traditionell gewordene Irrsind vermieden und neue urkundliche Funde verwerthet. Der Vorwurf, der gegen Plettenberg erhoben worden ist, dass er
tliümer
nach dem Vorbild Albrechts von Brandenburg nicht den Entschluss
zum
fassen konnte, sich
weltlichen Herrn
des Landes zu machen,
sondern mit der Schutzherrschaft sich begnügte, .wird als ungerecht
verworfen
219
f.),
eine Frage, über die die Ansichten sich wol
werden ausgleichen
nie ganz
Zur
mann
(S.
lassen.
letzten Seite sei eine kleine Erörterung erlaubt.
sagt, dass Plettenberg mit
Tod
überraschte.
dass Plettenberg ist 5.
für
Worauf in
Referenten
Bande des Archivs
die
f.
d.
sass, als ihn
der
immer wiederkehrende Behauptung,
der Kirche nicht
Schie-
dem Schwerte umgürtet gerade vor
dem Altar derJohanniskirchein Wenden gestorben
nachweisbar.
sei,
Die
eigentlich bernht,
Meisterchronik
im
Gesch. Liv-, Est- und Kurl. S. 186 sagt
nur: «Starb In gutem alter sitzende vff einem stuel vnd vmbgürtet
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Schiemanns Livländische Geschichte.
157
«Starff von Bande S. 297 Natürlichem Older in sinem Hosen vnd Wambs vp einem stule». Plettenberg starb am Sonntag Oculi (28. Febr.) 1535; dass der Tod aber gerade in der Kirche während des Gottesdienstes erfolgt wird meines Wissens nirgends ausdrücklich überliefert. In sei,
schwerdt» und
mit seinem
dort
hat
ftn
Wenden
der Johanniskirche in
Seibertz,
die
von
:
der Meister nur
ist
sein Grabstein
sich
Walther
4.
bis
Gadebuseh, Livl. Jahrbücher,
I. 2,
einem
Stuhle
Recht vor
Alter
Stuhle vor dem
Stuhle» beruft, verlesen,
dem
vor
Bei
Altar.
W.
starb
Altar.
v.
Wams
wenn
Gadebuseh
Plettenberg zu
Er hat eben
von sich aus hiuzugesetzt, denn
in
und
erhalten.
S. 88, meint,
348, habe sich, indem er sich
S.
auf die Stelle in Arndts Chronik, II, S. 205: «in
für Alter auf dem
bestattet,
zum heutigen Tage
Plettenberg, Sonderabdruck,
und Hosen
er sagt:
heisst
es
Worte und das
beide
den von
auf
aber:
Wenden auf einem
ihm
citirten
letztere
Quellen
findet sich dasselbe nicht.
Ausser den gelegentlich bemerkten Unrichtigkeiten sind Refenoch eine Anzahl anderer aufgefallen, zum Theil Druck-
renten
resp. Gedächtnisfehler, die der
aufmerksame Leser
leicht als solche
erkennen wird.
Dem
Text sind eine Reihe von Abbildungen beigegeben, von denen das Bildnis Walters von Plettenberg nicht unbedingte historische Treue beanspruchen kann. Eine grössere besitzt die von diesem Bildnis abweichende Statue Plettenbergs am Schloss zu Riga aus dem Jahr 1515, von deren Kopf, nachdem ein Zinkguss desselben in getreuester Wiedergabe hergestellt worden ist, jetzt auch Photographien existiren. Dieser Kopf zeigt grosse Aehnlichkeit mit einem auf Schloss Nordkirchen in Westfalen, einer alten Plettenbergschen Familienbesitzung, erhaltenen alten Gemälde Plettenbergs. S. Rig. Zeit.
sehen
1885, Nr. 220.
Den Schluss des 2. Bandes und damit Werkes wird der Abschnitt «Iwan
des ganzen Schiemannder
Schreckliche
und
welchem neben den russischen auch die davon theilweise nicht zu trennenden polnischen und livländischen Angeseine Zeit» bilden, in
legenheiten eine Erörterung werden finden müssen darin besonders die Schilderung des Unterganges keit des
Landes von Interesse
ausgesprochen, dass lands abgesondert
die
für
sein.
—
;
für
uns
wird
der Selbständig-
Zuletzt sei noch der
Wunsch
Verlagsbuchhandlung die Geschichte Liv-
sich verkäuflich
machen möge.
Wol
wird
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Schiemanns Livländische Geschichte.
158
der Besitz der beiden Bände angehehm sein, da der Inhalt derselben öfters
zu
eiuander
in
Beziehung
tritt.
Trotzdem
werden nicht
Wenige, die sich des nicht unbedeutenden Preises wegen nicht das Werk anschaffen wollen, dankbar sein, wenn ihnen der An-
ganze
kauf nur der livländischen Geschichte, oder wenigstens des zweiten
Bandes
allein, also
zur livländischen Geschichte noch die Schluss-
abtheilung, ermöglicht wird.
P
h.
Schwartz.
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Leopold von Ranke über die Geschichte der Ostseeprovinzen.
Freund der baltischen Geschichte
r
klagen, dass er in
wild es oftmals be-
den allgemeineren Geschichtswerken,
wie in den specielleren Werken, die die Geschichte der angrenzenden Staaten behandeln, nur wenig Rücksicht auf die Ereignisse in den Ostseelanden, auf die Entwickelung ihrer eigentümlichen Sitte und
genommen
Verfassung
Ja,
findet.
man
darf sagen,
dass dieser
Mangel wol eine Hauptschuld an der geringen Kenntnis der heimatLanden wahrzu-
lichen Geschichte tragt, die in unseren baltischen
nehmen ist denn zur Beschäftigung mit den ausführlichen einheimischen Werken, welche diesen Gegenstand behandeln, gelangen nur ;
Wenige, um so mehr,
als jene
Werke
für einen weiteren Leserkreis
meist nicht fesselnd genug geschrieben sind.
Erfreulich
ist
es
nun, dass
in
der Weltgeschichte Leopold
von Rankes, die unzweifelhaft auf lange Zeit hinaus
die populäre
Geschichtsdarstellung beherrschen wird und deren Inhalt allmählich
wol
eine
Art Kanon
für
die
Geschichtskenntnis
der Gebildeten
werden dürfte, die Entwickelung christlich-germanischer Cultur an der Ostsee eine ihrer weltgeschichtlichen Bedeutung entsprechende Darstellung gefunden hat.
Selbstredend keine ausführliche Darstellung,
denn diese würde aus dem Gesichtskreise universalhistorischer Betrachtung heraustreten, wohl aber eine scharfe und, so weit es die Objectivität
des
nicht
politisirenden
Historikers
gestattet,
liebevolle Beleuchtung der hervorstechendsten Punkte. es
ä
-ü
mehr Preussen, der
Sitz der
auch
Freilich ist
Hauptmacht des Deutschordens,
als
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;
Leopold
160
Ranke über
v.
die Geschichte der Ostseeprovinzen.
Düna, welches den Historiker fesselt der Reiclis- und Kirchengeschichte er-
die ferneren Gebiete an der
aber in
dem Zusammenhang
hält doch auch die Colonisation
gebührende Stellung.
Iu
und Christianisirung Livlands die
dem vorliegenden achten Bande wird
die
Geschichte der Hochmeister bis auf Winrich von Knieprode geführt.
Wir müssen punkt uns
bei
Geschichte
zu
eines
einzelnen
gestehen, dass der universalhistorische Gesichts-
weitem die befriedigendste Ansicht Inländischer gewähren scheint. Die Geschichte Livlands als politischen Gebildes läuft im 16. Jahrhundert in
die traurige Katastrophe
der Auflösung
der Zertheilung des
aus,
Landes unter die umwohnenden Machthaber; man könnte den Ausgang tragisch nennen, wenn er weniger kläglich wäre. Die Geschichte Livlands dagegen,
weitere
eine
in
culturhistorische
Be-
Jene Aufgabe,
ziehung gesetzt, wirkt erfreulicher und erhebender.
welche dem Ordenslande hier an den Grenzen der occidentalischen Cultur und Kirche gesetzt war, die Bildung einer festen Warte und Grenzmark gegenüber dem Andrange von Osten her (Ranke redet von dem Anstürme der Mongolen, die Europa zu überfluthen drohten), diese Aufgabe ist gelöst und auch unter wechselnden politischen Verhältnissen
eine eigenartige Gestaltung europäischer
In der Gruppirung der welt-
Cultur erhalten und bewahrt worden.
historischen Gebilde hat diese Colonie an der Ostsee ihre bestimmte
unverrückbare
Stelle, die sie ehrenvoll
kettung der Ereignisse
Ranke
betrachtet
;
aus der Ver-
nicht hinwegzudenken.
ist sie
die
behauptet hat
Colonisation Livlands
im Zusammen-
hänge der allgemeinen «Ausbreitung der lateinischen Christenheit nach Norden und Osten». Vor dieser universellen Betrachtung verschwindet die Rivalität und der Kampf zwischen Deutschen und
Dänen um den Besitz der Ostseelande;
diese
Fehden sind gering-
fügig im Vergleich zu der Thatsache, dass Beide weltgeschichtliche Ergebnis sie
gegen einander
gearbeitet
stritten, keiner
haben.
hätte
doch
für
das gleiche
So leidenschaftlich ohne
den anderen
sein Ziel erreichen können.
Selbst
der
Düna
einer
von
urtheilt
der ersten, durchaus deutschen Colonisation an Ranke, «Dänemark habe ihr durch die Gründung
Seemacht in der Ostsee unleugbaren Vorschub «Der Ausdruck und die beste Frucht der damaligen
christlichen
geleistet».
deutsch-dänischen Beziehungen land.
Auch
.
.
.
war
die Stiftung der Colonie Liv-
hierzu vereinten sich wie zu deu orientalischen Unter-
nehmungen der Epoche
mit
den christianisirenden Tendenzen die
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Leopold
v.
Ranke über
der Eroberung
und
über Meinhard, erwähnt bei
die Geschichte der Ostseeprovinzen.
vornehmlich
des Handels.»
kurz Berthold und
«Albert von Appeldern, dem
livländischen Wesens».
Ranke
verweilt dann länger
eigentlichen Stifter
Die Gründung
161
berichtet
von Riga,
ganzen
des
die Errichtung
Anlage der Burg Wenden wird erwähnt, aber auch auf das von Anfang an unklare Verhältnis des Bischofs zu dem Orden hingewiesen. Ranke versäumt nicht den Zusammenhang mit der allgemeinen Weltlage zu betonen, indem er die Belehnung des Ordens,
die
den deutschen König Philipp,
durch
des Bischofs
sowie das
Missionsgebiet zollte.
ob die Colonie
trotzdem
Allein
auf die Dauer
haupten können, zumal
mit
gegenüber
hält er es für zweifelhaft,
eigener Kraft
hätte be-
sich
dem hartnäckigen Widerstande
der Esten, die auch von russischer Seite unterstützt wurden.
somit
Waldemar von Dänemark, von Bischof Albert
Hilfe
angegangen,
seine
leb-
dem neuen
hafte Interesse hervorhebt, welches Papst lunocenz III.
gewaltigen Waffen
Wenn
selbst
um
nach den baltischen
Küsten wandte, so lag darin trotz der augenblicklichen Schmälerung der deutschen Herrschaft dennoch eine nothwendige wirkungsvolle Unterstützung des
gesummten Colonisatiouswerkes.
Nachdem
Waldemar
Hilfe gebracht, zugleich aber freilich Estland und Oesel genommen, so urtheilt Ranke, dass bei natürlicher Entwickelung der Dinge der dänische Einfluss in den baltischen Gegenden den Sieg davon getragen haben würde, zumal da er von Papst und in Besitz
Kaiser unterstützt wurde.
Allein
der
kaiserliche, vor
allem auf
Beherrschung Italiens gerichtete Wille war damals schon nicht mehr der Ausdruck des deutschen Gesammtwillens. In richtigerer Würdigung der eigenen, wie der allgemeinen deutschen Interessen
die
brach
bekanntlich
Uebermacht;
seit
eine Coalition
deutscher Fürsten
die
dänische
1227 gab es keine Hegemonie einer christlichen
Macht mehr auf der
Ostsee.
War
nun auf diese Weise
die deutsche
Colonie wieder auf sich gestellt, so zeigte sich auch sogleich, dass sie in ihrer
konnte. die
Vereinzelung sich eben so wenig wie früher behaupten
Da
aber
erfolgte
im Augenblick
der äussersten Gefahr
Besetzung Preussens durch den Deutschen Orden. Ziemlich ausführlich wird
dieses Ordens von Ranke behandelt, die Vereinigung mit dem Schwertorden kurz erwähnt und festgestellt, dass auf diese Weise eine verteidigungsfähige Macht an den baltischen Küsten zu Stande kam, die nun ohne Gefahr «jedem ferneren Anspruch von Seiten Dänemarks einen die Geschichte
Riegel vorschieben» konnte. Ualti*rlie Monatsschrift.
Rand XXXV,
ll»*fl
2.
11
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Google
;
Leopold
162
Wie Macht,
v.
Ranke über die Geschichte der Ostseeprovinzen.
schon zu Anfang erwähnt, setzt nun
emporkam,
«die imposante
Preussen und
in
weltgeschichtliche Beziehung zu der
eine
in
Ranke
des Deutschen Ordens
zu der der Staat
Livlaud
drohenden Ueberfluthuug Europas durch die Mongolen.
wäre
wie sehr nun jenes Widerstreben
den Einwirkungen gegen.
.
allein
.
Institutionen
christlichen
und befestigt werden
angeregt
diesen
nächsten Feind
bezwang und
Bereich unüberwindlich aufstellte, setzte er
sich in seinem eigenen sich zugleich den
am Tage liegt, Heidenthum ... in seinem .
vordringenden
die
der Tataren
der Orden
Indem
musste.
;
nördliche
uralte
gegen
den Einbruch
durch
von dem überwältigten Russland herüberdringender Goldenen Horde auf das Kräftigste ent-
zum vornehmsten Bollwerk des Abenddem sich auch das gesunkene Polen und
Sein Staat wurde
landes gegen Osten, an weiterhin
Ungarn
allmählich
wieder
vermochten.»
aufzurichten
Ausdrücklich hebt Ranke hervor, diese Combination eine gelehrte Abstraction
lebten und webten in dieser Idee.»
Kämpfe gegen
Besonders ausführlich werden in
denen hauptsächlich
Ordens als Vormauer gegen Osten für Europa
sichtbar und greifbar
mehr und mehr, während
Wenn
patriotischen Interesse
Auf
und Ordens beschränkt sich die Darstellung
wurde.
die dortige Geschichte des
rührt werden.
die Zeitgenossen selber
;
die Littauer behandelt,
die Wichtigkeit des
nicht nur
sei
Bullen der Päpste des dreizehnten
«die
;
Jahrhunderts weisen wiederholt darauf hin die
«Nicht als
Eroberung des Ordens von vornherein durch
die preussische
den Mongolensturm veranlasst worden
die Schicksale Preussens
die livländischen Ereignisse nur
sich
dies
zum
kurz be-
aus einem besonderen
Theil
des grossen Historikers
erklären
lässt, so
hat es doch auch seine unzweifelhafte sachliche Begründung
in
der
hervorragenden Bedeutung, welche die preussische Ordensgeschichte
Fortgang der Weltgeschichte genommen die Entstehung des Herzogthums Preussen, dessen Vereinigung mit Brandenburg zur Begründung des Staates, den wir heute Preussen nennen, diese Ereignisse sind es, welche ihre Bedeutung auch in die Verfür den
;
—
gangenheit zurückwirken lassen und das Interesse
für
die
Keime
der gewaltigen späteren Schöpfung erwecken müssen. Indess berührt
Ranke auch
die Frage,
warum
die Schicksale
Livlands sich so ganz anders als die Preussens entwickelten? führt als
Antwort zwei Ursachen an
:
erstens,
«dass die
Er
Gewalt
des Erzbischofs in Riga mit der des Ordens hinderlich concurrirte» verallgemeinert,
würde
dies
heissen, dass
es
der Organisation an
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Leopold der
v.
Ranke über
die Geschichte der Ostseeprovinzen.
erforderlichen Einheit
zweitens:
dass «sich
entlegenen Gebiete
Preussen
die
und
gebrach
Geschlossenheit
bäuerliche Einwanderung
die
hinüberleiten
Einwanderung so
völkerung allmählich ganz
und
Hess»
;
stark,
gar
;
nicht in diese
dem gegenüber
dass
durch
103
sodann tvar
in
die einheimische Besie
aufgesogen wurde.
Die mangelhafte Besiedelung Livlands erklärt sich
auch dadurch,
dass das zwischen Preussen und den nördlichen Ordensländern ge-
legene Samogitien
auf die Dauer
nicht
von dem Orden
erobert
werden konnte und dadurch die Abgeschlossenheit und Abgelegen-
Mit den Ver-
noch steigerte
heit jener nördlicheren Gebiete sich
suchen zur Unterwerfung Samogitiens beschäftigt sich Ranke ziemlich
eingehend; mit
dem vorübergehenden
Erfolge, der 1370 erzielt
wurde, schliesst die Darstellung.
An
den
raschen Streiflichtern,
welche Ranke
seiner Geschichte auf die Vorzeit unseres
Landes hat
im Fortgange fallen lassen,
mag der Specialforscher vielleicht manches auszusetzen finden. Ein Werk so umfassenden Inhalts, wie das des dahingeschiedenen grossen Geschichtsschreibers, kann nicht in allen Einzelheiten dem Gange der allerneuesten Forschung folgen keit
des
gegenwärtigen
schlechthin unmöglich. das,
;
die
unermessliche Vielfältig-
wissenschaftlichen
Wir glauben
Getriebes
wir
aber, dass
macht
dennoch
es
für
was Ranke von unserer heimatlichen Geschichte gesagt, ihm
unbedingten dort Anstoss
Ranke
Dank zu
zollen haben.
nimmt, sich
an
sich selbst unterbricht,
Möge
der,
welcher hier oder
die Worte erinnern, mit welchen nachdem er gegen Tacitus einigen
Widerspruch erhoben hat; «Ich bin es müde, Ausstellungen an den Werken des Meisters zu machen, den ich bewundere und verehre.» Dr. O.
H
a r n a c
k.
11 *
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Google
Notizen. BvitrHge zur Lande»
Goethe
mul Volkskunde von Elsas» Lothringen.
IV. Heft.
nml Cleophe
Ein
Fibicli
von Strnssburg.
Lenz,
nrknndlii-her
Commentar zu Goethes Dichtung und Wahrheit, mit einem Arnmintaa
in
farbigem Lichtdruck und
Lenz-Stammbuch von Dr. Job. neuen Realschule in Strassburg.
!§^^j|er Name
Froitzheim,
des unglücklichen Dichters
Lande deutscher Zunge.
l’ortriit
ans dein
Oberlehrer au
ifcr
Strassburg, Heitz, 1888. S. 98. 8.
nun mehr als hundert Jahren westlichsten
ihrem Facsimile
Lenz verknüpft
die beiden östlichsten
War
auch
sein
Leben
seit
und ein
kurzes und mühseliges und seine Dichtungen, wenn auch Zeugnisse entschiedensten Talentes und genialer Auffassung der ihn umgebenden
Natur- und Lebensverhältnisse, wie auch reichen
Keimen
für
die
Folgezeit
einer
fruchtbaren
merkwürdigen, an Periode
unserer
deutschen Literatur, doch wie sein Leben zerrissen und bruchstück-
kann er sich wenigstens über Mangel au Nachruhm nicht beklagen. Seit Goethe in «Dichtung und Wahrheit* die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte, ist meines Wissens die literarische Specialforschung mit keinem deutschen Dichter zweiten Ranges so aufmerksam beschäftigt gewesen als mit ihm. Selbst zu einem albernen artig, so
literarischen Täuschungsversuch, der dadurch
um
nichts geistreicher
(W. Arent) sich später als Urheber des Machwerks entpuppte, hat er seinen Namen hergeben müssen. Und wird, dass der Verfasser
noch stehen uns bedeutende Veröffentlichungen über ihn bevor. Sind nun auch die meisten dieser Forschungen, und wir möchten sagen die grundlegenden, auf seine Landsleute in den Ostseeprovinzen zurückzuführen, so hat doch auch, seit Ludwig Tieck, Deutschland
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by
Googlel
-.k
J
Notizen.
sich
immer wieder mit ihm
165
Bot die Heimat natnr-
beschäftigt.
gemäss das Material zur Feststellung der Biographie des Dichters, so
seine
ist
zeitgenössischen
Geistesrichtung
Zudem hat
Gegenstand der Untersuchung gewesen.
Periode, eigentlich die einzige bedeutende
auch
bedeutenden
Goetheschen letzteren
nun
mehr
hier
die strassburger
seinem kurzen Leben,
in
und Freunden der August Stöber, Anlass geboten, ins
Geistesverwandten
elsftsser
wie
Dichtung,
über Lenz
gehende Studien
Einzelne
ihrer Totalität und im
literarische Persönlichkeit in
Zusammenhänge der
zu
Diesen
veröffentlichen.
reiht sich der Verfasser der vorliegenden Schrift an.
Nach einem kurzen Abriss von dem Leben des Dichters, worin mir der Nachweis von dem Einfluss Lenzscher Dichtungen auf Goethe nicht recht gelungen scheint, geht er zunächst die
bis-
herigen Documente über Lenz’ Verhältnis zn jenen beiden kurländi-
schen
Offizieren
deren
durch,
nicht gerade grossem
Glück
in
und Aufseher Lenz
Begleiter
Strassburg zu spielen hatte.
mit
Dabei
bot ihm das aus Schillers Nachlass
von 1772, welches
v.
Urlichs in
stammende Lenzsche Tagebuch der «Deutschen Rundschau« 1877
Anhalt zur Ermittelung jener auf die Lenz dort gewöhnlich Araminta und nur einmal Clephchen nennt, mit welcher der ältere jener beiden Kurländer, v. Kleist, sich verlobte. Seine Nachveröffentlichte, einen wichtigen
dem
Titel
forschungen
genannten Cleophe Fibich,
dass Susanna Cleophe Fibich, Tochter eines
ergaben,
dem
Juweliers, wirklich mit
älteren
v.
Kleist verlobt und von ihm
und den Eltern seiner Braut ein Eheversprechen unterzeichnet war,
dem Verfasser
das es somit
gleichfalls aufzufinden gelungen
die Verhältnisse
Lenz’ «Soldaten»,
in
er deshalb Klinger gebeten
der
Wirklichkeit
konnte. eröffnet
hatte
übereinstimmen
sich ,
als
ist,
und dass
deren Verfasser
zu nennen, noch mehr mit
man
als
bis
jetzt
annehmen
In diesem Eheversprechen, welches erst nach 15 Monaten
werden
sollte,
wenn nach Verlauf nicht zu Stande
verpflichtete sich Friedrich
Georg
v.
Kleist,
dieser Zeit der Ehecontract durch seine Schuld
kommen
wollte der Baron in die
sollte,
Heimat
14000 Livres zu zahlen. reisen,
um
Bis dahin
die Einwilligung seiner
Eltern zu erhalten; wer aber nicht wieder kam,
war besagter Baron,
der sich im Gegentheil schon 1776 mit einem adeligen kurländischen 16jähr. Fräulein vermählte.
cavaliermässig benommen.
Weniger beglaubigt
Der Verfasser Und dem kann
äussert, er habe sich nicht ich
als die amtlichen
mich nur
anscliliessen.
Nachrichten über diesen
würdigen Zögling unseres Lenz sind die Mittheilungen der Familie
Digitized by
Google
166
Notizen.
Fibich, Cleophe sei eine Jugendfreundin der Friederike von Seseulieim gewesen,
noch weniger die Vermuthung, Goethe
sei
auch der
Fibichsclien Familie bekannt gewesen und habe auf seiner Schweizer-
1775 einem Concert im Fibichscheu Hause beigewohnt.
reise
Durch
obige Ermittelungen nun werden auch die Verhältnisse in den Ent-
würfen des dramatischen Nachlasses von Lenz, die Weinhold 1884 herausgab, etwas mehr aufgeklärt.
Die «Katharina von Siena»
Cleophens ältere Schwester dieses Namens, ist
Wiedeburg Lenz
selbst
Schwester Cleophens. Jungfer»
tritt
Richtige
hatte
der
und Ott einem
In
Vater
anderen
Fibich
Weinhold
schon
ist
der «Alten Jungfer»
Entwürfe der
«Alten
Namen auf. Das Anmerkung vermuthet. mit
selbst
in
in
der Freier Katharinas, der
ist
einer
Lenz
spielte nun mit der verlassenen Araminta, nachdem ihr Bräutigam von Strassburg abgereist war, ein ähnliches Spiel, wie
er es bekanntlich nach seiner
von Sesenheim
spielte:
Rückkehr von Weimar mit Friederike
er drängte sich ihr als Liebhaber auf, und
Vermuthung des Verfassers, er habe dies Spiel getrieben, um die Braut dem treulosen Bräutigam zu erhalten und im letzten Augenblicke vor dem wahren Bräutigam zurückzutreten, ist denn
die
doch zu abenteuerlich, als dass man nicht ihr gegenüber die andere aufstellen möchte, der schon vor seiner Abreise treulose
um
habe Lenz zu diesem Spiel veranlasst, überhoben zu werden.
Bräutigam
so seines Eheversprechens
Ja, auch der jüngste Bruder des Bräutigams,
der noch vor der Abreise desselben in Strassburg eintraf und sich
mit Lenz
über
mit Cleophe,
dessen Liebelei
mir als ein
die
in
jeder Hinsicht schändlich belogenes und betrogenes ehrliches Bürger-
mädchen vorkommt, entzweite,
von ihm trennte, scheint mir dieser fern gestanden zu haben.
Untersuchungen haben. seits
des
Das
fleissigen
Lenz
so dass
ist
sauberen Angelegenheit nicht
der Eindruck, den die sorgsamen
Verfassers
gerichtet
spiegeln.
die
besonders
getreu
Die Untersuchungen
Vergleichung desselben
(S.
mit
dieses Beispiel so
zeigt
in
französischen
Dramen unserer Sturm- und
aber 81
zurückgelassen
«Richtet nicht, auf dass
werdet,» andererseits
geschlechtlichen Verhältnisse
Garnisonstädten, die sich in mehreren
Drangperiode,
mir
den unglücklichen Dichter
bald genug ereilte, ein ernster Mahnruf: ihr nicht
in
für Lenz, so ist doch einer-
Ist er nicht gerade ehrenvoll
das furchtbare Schicksal, welches
recht die unseligen
eine Zeit lang
sich
ff.)
in
Lenz’
«Soldaten»
ab-
über dieses Lustspiel und
Wagners «Evchen Humbrecht»
werden jedem Freund der deutschen Literatur
höchst willkommen
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Google
167
Notizen.
sein,
wie wir überhaupt dem Verfasser
Dank
verpflichtet sind.
schen
Garnisonstädten
seine
für
Bemühungen zu
Jene unseligen Verhältnisse haben
auch
französi-
in
Unglück
Schillers
gemacht:
Frau von Kalb musste sich von ihrem Manne trennen, weil man es für unschicklich hielt, dass die Frau eines Offiziers mit ihm in französischen Garnisonstadt
einer
besonders
lebte,
aber,
weil es
den Offizieren bequemer war, keine Ehefrau zu Zeugin ihrer Aus-
schweifungen Schiller mit
haben
zu
so
;
blieb
Gemüthsaufregungen
Sulza,
der Ostsee.
Du
Robert Boxberger.
Strand
Mitnu 1888.
S. 31.
8.
Deine Wellen haben schon
!
Dünen und Jomen die Feste gesehen, an denen der Knabe theilnehmen Glieder
ersten ländlichen
durfte
hetzte
eine gefährliche Krankheit.
in
Johanna Conradi.
Von
alter lieber rigischer
des Dreijährigen
Mannheim und
Thüringen.
in
Dr.
An
in
sie
deine
umspült,
aus der Einförmigkeit deiner langgeschweiften Linien und
;
dehnenden
der jenseits derselben
sich
der Jüngling den
übertrofFenen Eindruck
gewonnen, und
nie
an
wie
Küstenbildungen der
Mann
ist
Kiefern Asserns mit
der Meeresmajestät
an
wie
mannigfaltigen
auch geweilt, die Vorstellung der Un-
endlichkeit, der in ihrer Ruhe, wie
Grösse des Meeres
unübersehbaren Fläche hat
vielen Gestaden,
in ihrer
Erregung imposanten
ihm fast nirgends so erweckt wie unter den
dem Blick auf den
fast
verschwindenden Leucht-
thurm der Dünamünde und dem ungeahnte Geheimnisse bergenden Horn von Raggazeem. Wie verheissungsvoll ragen die blauen Kuppen des Hüningsberges und der Talsenschen Höhen nach Süden über den Föhrensaum hervor! Gar viele sind nicht dort hinauf gedrungen, viel weniger
noch
um
jene Spitze
gebogen, die
eine
neue Schweifung eröffnet, ähnlich der altbekannten und doch wieder eigenartig für sich.
Es sind auch schon 30 Jahre einem
Schreiber als fröhlicher Student mit ersten
Male den Strand entlang
schritt bis
aufsuchte, 22 Jahre, dass ihn der
am Kangersee
vorüber,
um
Wagen
brachte.
er wieder dort an der Stelle gestanden,
her ans
Meer mündet,
ists
Biggaun,
wackeren Frater zum Biggaun und Kemmern
des Schlockschen Pastors
herum nach Plönen und dann
die Spitze
landeinwärts jiach Nurmhusen
her, dass der
Im wo die
ists
vorigen
Sommer hat Kemmern
Strasse von
Pihksteneek
?
Das weiss
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168
Notizen.
mehr
er nicht
— aber
hübsch und heimlich
und schön und erhaben
ists
dort aufs
ist
das Fleckchen dort
Meer zu schauen.
Dorthin und immer weiter bis ans Ende des Rigaschen Busens bei
Domesnäs
führt
zählung nicht neu
Johanna Conradi
Dass ihre Er-
ihre Leser.
*
vor 20 und 25 Jahren mit hinaus ? Der Verfasserin dass sie
zum Wiederabdruck
strecke gegriffen
Badeorte
seit
Nimmt denn
thut der Sache keiuen Schaden.
ist,
der heutige Strandbewohner etwa die .Jahrgänge des
die
hat,
Rig. Almanach»
zu danken,
ists
ihrer frischen Schilderung der
von den Veränderungen
1863 wenig berührt worden
Man
siud.
Wander-
der rigaschen greife
nur
nach dem Büchlein und lerne kennen, wohin das Auge nicht mehr reicht
trägt
;
und der Fuss zum gewöhnlichen Spaziergang nicht mehr wer Kraft und Müsse hat, lasse sich auch reizen, den Weg
thuender
ist
der Fremde
ist,
um
Lücken
klaffen die
Je mehr man
das Bewusstsein, die Heimat zu kennen,
selbst nachzugehen.
in der
in
um
so wohl-
so gähnender
selbstgewonnenen Kenntnis der Heimat,
um so schmerzlicher, wenn sie sich nicht mehr schliessen Der Genuss des Schönen an anderen Orten bietet für den Mangel keinen vollen Ersatz.
und
lassen.
Fr. B.
Herausgeber
:
R.
Weis».
—
Verantwortlicher Redacteur:
Jossojeno neinypom.
-
Peseji, 28-ro
Mas
Ho
H.
188.8
1
1
a
ml
c r.
r.
Gedruckt bei Lindfora' Erbon in Koral,
Digitized by
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/
Einnahmen
Kirchliche
in
Altlivland.
^^jlegenseitig sich bedingend und bestimmend vollzieht sich | V^ q. im Mittelalter das Wachsthum des Einflusses der Kirche und die Zunahme des Besitzes derselben; jeder Wechsel in der
J
Organisation der Kirche wirkt ein auf die Verwaltung des Kirchen-
Der
vermögens.
Eintritt der christlichen Kirche in die Reihe der
anerkannten Factoren unter Konstantin dem Grossen ist Gewinn einer rechtlichen Unterlage für die
politisch
bezeichnet durch den
Gründung die
eines selbständigen Kirchenvermögens, indem der Kaiser
Kirche für erwerb- und
erbfähig
der Völkerwanderung gelang
erklärt.
der Stürme
Trotz
der Kirche bald, sich grosse Be-
es
sitzungen zu erwerben, doch blieben die Einnahmen unregelmässige, zufällige,
bis
die Kirche
Staaten, namentlich im
in
den
neu entstandenen
germanischen
fränkischen Reiche sich eine feste Organi-
sation geschaffen hatte und
nun von sich aus an die Aufgabe ging,
der Kirche gesetzmässigen Besitz und feste Einnahmen zu erringen in Form des «Zehnten» und der «Beneficien», Die Lieferung des zehnten Theiles sämmtlicher Naturaleinkünfte
und zwar
an die Kirche war
als
freiwillige Leistung schon vorher hie
und
da üblich gewesen, zu einer gesetzmässigen Abgabe erhob erst die
MAcon 585 den Zehnten, indem sie zugleich den Säumigen mit dem Banne bedrohte. Zu dieser wesentlich aus dem Synode
von
mosaischen
Gesetz
entsprungenen
welche einst als Abgabe an
Leistung
traten
nun
Zehnte,
den römischen Staat entrichtet, nun-
mehr vielfach der Kirche geschenkt wurden. Auf dieser combinirten Grundlage beruhend, breitete sich der Zehnte allmählich als kirchliche Steuer über das Frankenreich aus, bis ihn die grossen Neuordner Baltische Monetiaebrift.
Band XXXV Heft.
3,
12
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170
Kirchliche Einnahmen
in
Altlivland.
der fränkischen Kirche, Pipin und Karl der Grosse, als allgemeine Abgabe bestätigten. Nicht zufrieden damit, der Kirche eine derartige reiche Einnahmequelle gesichert zu haben, schufen die Karolinger
der Kirche
auch
einen
festen
Landbesitz,
schrieben, jede Kirche solle mindestens mit einem
einem vollen Morgen dotirt
indem
sie
t mattstes
vor-
integer*;
Seitdem gehörten zu jeder Kirche bestimmte Grundstücke, deren Nutzniessung den kirchlichen Beamten sein.
zustand, das Beneficium, wie dieses Verhältnis nach Analogien aus
dem bürgerlichen Leben bezeichnet wurde.
Somit waren schon
in
der fränkischen Monarchie der Kirche ihre drei grossen Einnahmequellen gesichert
freiwillige
:
zehnte und das Beneficium.
Schenkungen und Gaben, der KirclienDie weitere Entwickelung der Kirche
führte dann dazu, dass, wie sachlich und räumlich die einzelnen Kirchenämter von einander abgegrenzt wurden, so auch die ursprünglich als Eigenthnm der Gesammtkirche betrachteten Ein-
künfte
gesondert
wurden;
das
Schlussresultat
war,
dass
jedem
(Amt) auch ein ständiges Beneficium entsprach, dass auch Zehnten uud Gaben regelmässig getheilt wurden unter die einzelnen Beamten der Kirche, um, mit dem Beneficium an ein beOfficium
die
stimmtes
Amt
gebunden, die Präbende oder Pfründe desselben zu
bilden.
Diese
im
Mutterlande
Einrichtungen
üblichen
deutschen Colonisten auch an die
Düna hinüber
unter
trugen
die
die Letten
und Esten trotz heftigen Widerstandes namentlich gegen den Zehnten. Leider sind uns keine genaueren Nachrichten
über die Beschlüsse
des livländischen Provinzialconcils von Riga erhalten, welches unter
dem Vorsitze des um Livland so verdienten päpstlichen Legaten Wilhelm von Modena 1225 die kirchlichen Verhältnisse Livlands und Estlands regelte um so erwünschter ist es, dass uns eine Urkunde (L. U.-B. I, Nr. 240) instrnctiven Aufschluss über die Stiftung von Pfarren in Kurland gewährt. Hiernach einigen sich (1252) der Bischof von Kurland und der Statthalter des Hochmeisters ;
über die Errichtung von Kirchen nächst 11 gestiftet werden,
in
Kurland, und zwar sollen zu-
4 vom Bischof und 7 vom Orden, da
letzterer zwei Dritttheile des
Landes
besass.
erhalten gleichmässig von
tgehnVedemc >
4 Haken und Heuschläge,
welche 30 Fuder
Dazu kommen dann an
(d.
i.
Alle diese Kirchen bearbeitetem) Lande
znm Fundus. dem einen Bezirk (*/, Mark)
liefern,
jährlichen Einnahmen in
je eine Last Roggen, Gerste und Hafer und drei Ferdinge Silber,
welche
der
Bischof oder
Orden
leistet,
und
3
rigische
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Kirchliche Einnahmen in Altlivland.
171
Pfennige pro Seele von jedem Gemeindegliede, männlich oder weiblich,
welches
das
14.
Jahr überschritten
Diese jährlichen
hat.
Leistungen sind für den anderen Bezirk dahin abgeändert, dass die Kirchspielsbewohner pro Haken jährlich je ein Külmet Roggen, Gerste und Hafer
zu
während
haben,
entrichten
Wenn
«Ofterpennige» gleich hoch normirt sind.
Pfarrgründungen
auch
hier
die
uns auch über die
Livland und Estland nicht derartige eingehende
in
Nachrichten erhalten sind, so können wir doch mit Rücksicht auf die späteren ähnlichen Verhältnisse und
Einrichtungen
—
wenigstens
in
auf die Gleichartigkeit aller
grossen Zügen
—
aus jener ersten
Zeit annehmen, dass im grossen und ganzen die materiellen Grund-
lagen der neu gestifteten Pfarren in Livland und Estland ähnliche
gewesen sind wie die die
Zehnten nicht
Lieferung
des
in
Schon
Kurland-
in der praktisch
zehnten Theils
hier zeigt es sich, dass
kaum durchführbaren Form der Naturaleinkünfte
aller
in
Livland
zur Geltung gelangten, sondern schon früh abgelöst wurden.
Die Fragen über Zeit und Art der Ablösung sind jedoch so schwierig und führen durch den Zusammenhang mit dem gesammten Steuerwesen und durch die Abhängigkeit vom «Haken» so weit ab, dass hier nicht näher auf dieselben eingegangen werden kann. Während die Anordnungen in Bezug auf die Plärren in ihren wesentlichen Formen sich durch die Stürme von 6 Jahrhunderten erhalten haben, hat die Regelung der Einkünfte der höheren Geistlichkeit
—
von
den Klöstern
wir hier völlig ab
sehen
derartig bleibenden Werth, dennoch
auch
in
diese Einblick
Bischof Heinrichs
zu
dürfte
es
gewinnen, wie
von Oesel
über
die
—
keinen
von Interesse
ihn
sein,
uns die Urkunde
Einsetzung
des
öselschen
Domcapitels im Jahre 1251 gewährt (L. U-B. VI. Nr. 2731). Hier werden 12 Domherren eingesetzt, von welchen 4 die Würden des Propstes,
Dekans,
welche Aemter Allein mit
Scholasticus
und Custos
bekleiden
auseinandergesetzte Pflichten
klar
Ausnahme
des Dekans,
welcher
die
sollen,
gebunden
an
sind.
oberste Aufsicht
über das vorschriftmässige Leben der Domherren hat und deshalb
vom
vom Bischof aber
Capitel gewählt,
bestätigt wird, ernennt der
Bischof alle Domherren und vertheilt die Pfründen unter dieselben,
doch wird als Regel halb des Capitels ein
den oberen Stellungen als
Besetzung der verschiedenen Würden innerallmähliches Aufrücken von den unteren zu
bei
in
ständige Vertretung
zeichnet werden
und
hat
genommen. Das Capitel kann gesammten Diöcesangeistlichkeit be-
Aussicht der als
solche
als
wichtigste Befugnis das 12 *
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172
Kirchliche Einnahmen in Altlivland.
Recht und die
Pflicht,
vollen Stellung
den Bischof zu wählen.
unter die Domherren
auch
dann
entsprechen
herren, denn ausser den reichen
Dieser bedeutungs-
die Einkünfte
Gaben an
der
Dom-
Domkirche, welche
die
werden, den Distributionen, werden
getheilt
zum Unterhalt
des Capitels
bestimmt, von welchen 12 Pfründen gegründet werden.
Vieren von
weniger
nicl^t
300 Haken Landes
als
wiederum dreien je 18, endlich zweien je 13 Haken Landes zugewiesen, ausserdem erhält der Propst 18, der Dekan 8, der Scholasticus 6 und der Gustos diesen Pfründen werden
je 20,
Ferner werden 12 Haken reservirt für die Kirchenbau-
4 Haken.
dem Custos zur Anschaffung von KirchenGewändern &c. zugetheilt, endlich erhalten die
0 werden
und
kasse
24, dreien
je
geräthen, Büchern,
2 Glöckner das bedeutende Reneficium von je 5 Haken Landes zu ihrem Unterhalt.
und Kurland
—
—
Wol eben
waren
so reich
letzteres besass
die Capitel
von Riga
neunten Theil von Kurland
den
nur das Capitel von Reval war weniger reich
dotirt,
während
über Dorpat die Quellen leider nur ungenügende Nachrichten geben.
Nimmt man
hinzu, dass die Bischöfe,
ausser
denen
von Kurland
und Estland, Obereigenthümer des grössten Theiles ihrer Diöcesen
waren
und
grosse Gebiete
als
unveräusserliche
Tafelgüter
zum
Unterhalt der fürstlichen Haushaltung der Bischöfe dienten, nimmt
man
hinzu, dass
auch
die Klöster
über
reichen Grundbesitz ver-
fügten, endlich, dass jene oben dargelegte gesetzmässige Ausstattung
der Pfarren vielfach durch
private Schenkungen
wurde, dann hat man erst einen Einblick welche
der katholischen Kirche Livlands
noch
vergrössert
in die grossartigen Mittel,
zur
regelmässigen Ver-
fügung standen. Dennoch genügten diese Zehnten
und Beneflcien der Kirche denn ausser den grossen Ausgaben, welche die zahlreichen Kirchenbeamten und die prächtige Ausstattung dps Gottesdienstes
nicht.,
notlnvendig machten, erforderten die
Kämpfe und
Rechtsstreitigkeiten
ausserhalb und innerhalb Livlands grosse Kosten und das gesammte
Gebiet der Wohltliätigkeit im weitesten Umfange war der Kirche überlassen.
Immerhin
ist
es
doch
vor allem der Umstand, dass
die Pfründen als persönlicher Besitz der einzelnen
Kirchenbeamten
galten und dass diese ein prunkvolles Wohlleben
führten, welcher
uns die Stellung des Inländischen Concils von 1428 zu der Frage über die kirchlichen Einkünfte erklärt.
Die
zwanziger Jahre
des 15. Jahrhunderts können
als eine
der lichtvollsten und wohlthuendsten Perioden der Geschichte Liv-
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Kirchliche Einnahmen in Altlivland.
lands bezeichnet werden
jeuer unheilvolle
:
und Erzbischof, welcher
sich
als
summte Geschichte Altlivlands
Kampf
Faden durch
blutrother
zieht,
war
173
zwischen Orden
—
wenigstens
die ge-
officiell
—
auf einige Zeit verstummt und auch nach aussen hin hatte Livland, glücklicher als das benachbarte Preussen, die im 13. und 14. Jahr-
gewusst, wenn auch
hundert errungene Stellung sich zu bewahren die durch den
Erwerb von Sanmiteu
erstrebte
engere Verbindung
mit Preussen und damit die erhoffte Grossmachtstellung der deutschen
Colonien an der Ostsee
der Schlacht von Tannenberg für
seit
aufgegeben werden mussten.
immer
Dieser Verzicht, besiegelt durch den
von Welun von 1423, sicherte dafür Livland eine Reihe ununterbrochener Friedensjahre, welche die Landesherren in der
Frieden
schönsteu Weise ausnutzten, indem sie sich in warmer Fürsorge für
das
Land
einer
gesetzgeberischen
eifrigen
Als hervorragendste Denkmäler dieses
Thätigkeit
edlen Eifers
hingaben.
uns die
sind
Landtagsbeschlüsse von 1422 und die Statuten des Provinzialconcils
von Erzbischof Hennig Scharfenberg Ende erhalten. Die überaus wichtigen Beschlüsse des
abgehalten
von Riga,
Januar 1428, Landtags von 1422
—
jährlicher Berufung deu
schatten
sie
Landtag
erst
für sittliche, intellectuelle und
volkes
—
künfte,
während
in
die
Bestimmung Vertretung
liebevollster
Weise
auch materielle Hebung des Land-
kaum
berühren jedoch
durch
als verfassungsmässige
des livländischen Staatenbundes und sorgen
Frage der kirchlichen Ein-
die
sich die Statuten der rigischen
Synode um so
ein-
gehender mit derselben beschäftigen.
48 Artikeln zusammengefassten Beschlüsse des Provinzialconcils von Riga lassen sich als erste livländische Kirchenordnung ansehen, denn sie erstreben die Regelung der gesammten kirchlichen Die
in
Innerhalb dieses Rahmens erscheint dann als wesentHebung des Landvolkes, als wesentlichstes Mittel Zwecke die Hebung der Landgeistlichkeit. Die An-
Verhältnisse.
lichstes Ziel die
zu
diesem
forderungen, welche
müssen werden
an
im Vergleich Europas aus
Gebiete ;
ihnen
die
mit
niedere Geistlichkeit gestellt werden,
ähnlichen
jener
entspricht
Zeit
dann
materielle und rechtliche Stellung
Synodalbeschlüssen
als
wiederum
sehr die
hohe
der Pfarrer, wobei
aller
bezeichnet
Fürsorge zu
für
die
betonen
Bestimmungen der Provinzialgesetzgebung überlassen waren und darum selbständig gefasst sind, während ein grosser Theil der übrigen Satzungen direct auf das kanonische Recht zurückgeht. Charakteristisch erscheint es, dass überhaupt
ist,
dass
gerade
diese
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Kirchliche Einnahmen in Altlivland.
174
nur ein einziges Mal die Einkünfte
Auge
gefasst werden und
zwar
der
in der
höheren Geistlichkeit
ins
Form, dass den Domherren an den Gaben, ge-
der Verlust der Distributionen, ihres Antheils
droht wird,
falls
theilnehmen.
welche zwar
nicht
sie
Weit wichtiger in erster Linie
an
die die
niedere Geistlichkeit von Bedeutung
Die Procuration bedeutete bei der Visitation
lichen
Ausübung des Gottesdienstes
der
ist
für
Regelung der «Procuration», höhere, doch auch für die ist.
der Laien,
die Pflicht
aufzunehmen
und
bedeutend diese Last sein mochte, ergiebt
zu
die Geist-
Wie
verpflegen.
daraus, dass
sich
z.
B.
der Schwertbrüderorden beim Vergleich mit Bischof Albert (1210) sich verpflichten musste, den Bischof jährlich einmal bei den Visita-
vom Orden geaufzunehmen und das «mit einem Geleite von 20 XVI); ebenso mussten die Bürger von Riga,
tionen in den Ordenshäusern, zweimal aber in den stifteten Pfarren
Pferden» (L. U.-B. Nr.
von Bischof Nikolaus Ländereien
als sie
zu Lehn erhielten, ver-
sprechen dem jedesmaligen Visitator 7 Reitpferde zu stellen, endlich in
Oesel mussten dem Bischof sogar zweimal jährlich je 12 Pferde
gestellt werden, oder
mal aber
musste
dem Archidiakouus an
der Visitator
und verpflegt werden
seiner Stelle 7, jedes-
mit seinem Gefolge aufgeuommen
(L. U.-B. III, Nr.
Wenn nun
99 a).
die rigi-
scheu Statuta erklären, dass jeder Einzelne bei der Visitation seines Prälaten zu der Procuration verpflichtet
durch
und
eine
normirte
alljährliche
ferner, dass eine
auch noch
Leistung nicht befreie, so
ist
das
sei,
Lieferung so lange in
falls er dieselbe nicht
von Getreide
ablöse,
Verjährung von dieser
doppelter Beziehung von Inter-
Abgesehen davon, dass wir aus dieser Verfügung auf eine Durchführung der Visitation bis in das 15. Jahrhundert und regere Belebung dieser wichtigen Einrichtung um jene Zeit schliessen können, zeigt es sich, dass und wie aus der ursprünglich nur an die Visitation gebundenen Aufnahmepflicht eine esse.
lässige
auf eine
ständige
Abgabe wurde, ausserdem aber
erhellt aus jener Vorschrift,
dass bereits 1428 vielfach die Procuration durch jährliche Getreidelieferungen abgelöst war.
Sehen wir nun
die
Bestimmungen
der Kirchenordnung über
die kirchlichen Einkünfte durch, so fällt es auf,
Einnahmequelle
der
sog.
Zehnten
nur
dass die wichtige
ein einziges
Mal erwähnt
wird, indem Artikel 20 «Ueber Zehnten und Darbringungen» handeln soll.
Die Erwartung
werden
in
mit keinem
Worte
diesem Abschnitt die Zehnten auch nur gestreift.
Diese
wird jedoch
getäuscht,
Digitized by
Google
Kirchliche Einnahmen in Altlivland.
sonderbare Erscheinung dürfte sich wohl dadurch dass eben die Leistung der Zehnten schon
Pfarren festgestellt und
seit
war,
geregelt
völlig
175
erklären lassen,
der Gründung der
Synode
so dass die
von einer Neuordnung und auch von der Einschärfung der Zehntabsehen konnte.
pflicht
Nur wenig eingehender wird
gedacht, denn
der Beneficieu
auch diese waren ja bei der Stillung der Kirchen ein für
alle
Mal
gesichert worden, weshalb nur der allgemeine Grundsatz aufgestellt
Widmen und Pfründen müssten
wird, die kirchlichen
ständige und
ihnen bequem und anForderung nicht allgemein
so reichliche sein, dass der Geistliche von
ständig leben könnte.
Freilich ist diese
durchgeführt worden, wie Artikel 16 «lieber die Unveräusserlichdes Kirchengutes« beweist.
keit
dass «diejenigen, deren Pflicht das
Patrone, einzelne Kirchen, schnell mit
dem
die
Während
der Schluss
ist»,
die Landesherren oder
üblichen Landbesitz
d. h.
verlangt,
nicht dotirt seien, möglichst
noch
ausstatteten, beschäftigt
sich
der grösste Theil dieses Abschnitts mit der Frage über Entfremdung
von Kirchenvermögen. gestellt, dass einige
Zunächst wird die traurige Thatsache
Landpfarrer im Laufe
fest-
der Zeiten Ackerland,
zum Theil persönlich dem zum Theil das durch andere In solchem Umfänge sei diese
Heuscliläge und andere Appertinenzien Besitz der Kirche
entzogen
hätten,
Personen hätten geschehen lassen.
Beraubung vor
sich gegangen,
dass Pfarren,
welche
einst
einem
Priester mit zwei Caplanen genügenden Unterhalt gewährten, jetzt
kaum
einen,
jedenfalls
aber
keinen
tüchtigen
Pfarrer
ernähren
Deshalb wird bestimmt, dass sämmtliche Grundstücke &c., Kirche entzogen worden, unverzüglich zurück-
könnten.
die widerrechtlich der
Bemei kenswerth
erstattet werden. lich
bei diesem Bericht nament-
ist
der Umstand, dass auf jeden Fall bei Entäusserung des Kirchen-
guts die Pfarrer als schuldig bezeichnet werden, nirgends aber von
Beraubung der Kirchenländereien durch Laien geredet wird. geringe Entschuldigung für die Priester können nur die
brochenen inneren und äusseren Fehden
im
14.
kaum
Als unter-
Jahrhundert Livland durchtobten, sowie der Umstand, dass
je so allgemein über die Entartung der katholischen Priester
geklagt worden
einem Blick das
kaum
angeführt werden, welche
Bild
ist,
zeigt es sich fast
geneigt
ist
wie
auf die
derselben
zum Beginn
des 15. Jahrhunderts;
kirchlichen Zustände Westeuropas in
Livland weit
überall, dass
die
weniger düster.
nach
erscheint
Uebrigens
Synode von Riga keineswegs
rosenroth zu malen, im Gegentheil, sie zieht das
Grau
Digitized
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Google
Kirchliche Einnahmen
176 in
Grau
in
Altlivl&nd.
auch bei den wenigen Bemerkungen über die kirch-
vor, so
lichen Baulichkeiten.
«Weil Wir,» äussert Erzbischof Henning in § 29, «viele Pfarrkirchen gesehen haben, welche, statt nach den alten Vorschriften von Sauberkeit zu glänzen, losigkeit der
zum Bau
in
Folge der Nachlässigkeit und Sorg-
verpflichteten Provisoren namentlich in
Bezug
auf die Besserung von Dächern, Fenstern und anderen nothwendigen
Dingen den Einsturz drohen, so dass zur Zeit grosser Regengüsse oder Schneefälle nicht nur die Gemeinde in dem Schiff der Kirche, vor dem Altäre kaum vor Regen, Sturm und Unwetter schützen können, wo-
sondern auch die das Opfer bereitenden Priester sich
durch die Andacht in den Kirchen aufhört und die Contemplation
Wir für die Besserung der Kirchen zweckDeshalb befehlen Wir strengstens allen Prälaten uud übrigen Geistlichen, die zur Visitation verpflichtet sind, dass
gehindert wird, wünschen
mässig zu sorgen. dieselben, so
bei
sie
oft
zu
ob
haben,
leiten
der Restauration be-
ihren Visitationen
dürftige Pfarrkirchen finden, die Provisoren
Kirchenbauten
derselben, welche die
weltlich
oder
geistlich,
zur
Reparatur der verfallenen Kirchen von den Gütern, die zum Kirchen-
bau geschenkt oder
dann aber auch, wenn
Wenn
treiben.
Noth
es
aber
Ermahnung,
zuerst mit geistlicher
testirt sind,
thut, mit kirchlichen Strafen auzu-
der Kirchenbaukasse
die Mittel
nicht
hin-
reichen, sollen die Visitatoren die Gemeindeglieder solcher Kirchen
ermahnen und überreden, dass sie nach Möglichkeit Hilfe bei der nothwendigen Restauration ihrer Kirche leisten. In gleicher Weise soll bei Reparaturen der Pfarrhäuser vorgegangen werden. Und weil die Pfarrer, welche ihrer Pflicht gemäss die Eingepfarrten zu einem so verdienstlichen Werk ermuntern wollen, zuerst das Beispiel des guten Werkes, welches sie ihrer Gemeinde predigen, beweisen sie
sollen,
die Pfarrer
befehlen
Wir
den Visitatoren
antreiben
und,
wenn
mässigen Strafen zwingen, dass Mitteln, die
sie
aus
es
dieselben
den Einkünften
Noth
strengstens, thut,
mit
dass
gesetz-
von ihren überflüssigen
ihrer Kirchen
zurückgelegt
haben, wie sie billig schuldig sind, zur Besserung der Kirchen nach
Möglichkeit beisteuern.
Hand
öffnen
zum Bau
thun und beichten, willen
um
Wir aber
erlassen allen, welche ihre milde
solcher Kirchen,
welche
wahrhaft Busse
der Barmherzigkeit des allmächtigen Gottes
und dem Ansehen
der Heiligen Petrus und Paulus, Seiner
Apostel, vertrauend, vierzig
Tage von der ihnen auferlegten Busse
milde in Gott.»
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Kirchliche Einnahmen
in
177
Altlivland.
Fürwahr eine trostlose Schilderung, und sie wird bezeugt durch die Worte des Erzbischofs selbst: «Wir haben viele solche Kirchen gesehen» Indessen muss zugestanden werden, dass die Synode energisch daran ging, Abhilfe für diese traurigen Zustände zu schaffen, lässt sie es doch weder an Drohungen, noch an Ver!
heissungen fehlen.
Namentlich die Versprechung des Ablasses in
Form Erlass der Busse
gleicher
be-
nur noch einmal wird in deu
denn
den Eifer des Concils,
zeugt
ausführlichen Statuten
ver-
zwar den Priestern, welche für ihre verstorbenen Domherren acht Tage hindurch Vigilien Indem wir näher zum Heil der Seele halten. auf die Mittel zum Bau der Kirchen und Pastorate eingehen, kommen wir zn der dritten Einnahmequelle der Kirche, dem weitund
sprochen
Erzbischöfe, Bischöfe oder
Messen
und
ausgedehnten,
Gebiet
mannigfaltigen
der
Darbringungen
Gaben,
und Schenkungen, welches naturgemäss. da hier alle Verhältnisse schwankend waren, am ausführlichsten in den Statuten behandelt wird. Der Regel gemäss sollten alle Kosten für den Bau und die Reparatur von Kirchen, Pfarrhäusern und Nebengebäuden, für die Anschaffung von Salböl, Licht, Gewändern, Geräthen, Glocken &c. aus
den Mitteln
deckt werden.
der Kirchenbaukasse,
der tfabrica ecclcsiae » ge-
Bisweilen waren der Baukasse Einkünfte bestimmter
Güter zugewiesen, wie
z.
ß. in Oesel nach der oben wiedergegebenen
Urkunde, bisweilen bezog
sie
den vierten Theil
des sog. Zehnten,
meist aber bestanden ihre vornehmsten Einnahmen der Gaben, in testamentarischen Schenkungen,
von Gelübden durch Geld und
Zahlungen
in
einem Theil
in
ferner in Ablösung
und
für Beerdigung
Glockengeläute, endlich auch im Nachlass der von den Geistlichen
im
Amt
Vacanzen.
gemeinsam mit dem Pfarrer den feter»,
den Einnahmen
während der Die Aufbewahrung und Verwaltung dieser Kasse kam
erworbenen Güter und
«
in
Amte als
vom Bischof
sonders die
Wucher
nennen
bestätigte Vertreter der
Einkünfte
— anzulegen
einzutreiben,
das
Preussen
sie in
dem heutigen
Im allgemeinen
der Kirchenvorsteher entspricht.
die Provisoren oder, wie wir sie
Kirchen-
Provisorts struetnrae » zu,
einmal wol auch .«Kirchenstifveter» werden
genannt, einer Institution, welche im wesentlichen noch
erscheinen
wollen, Kircheuvorsteher
Gemeinde und haben Capital
—
be-
ohne
jedoch
und Processe der Kirche zu führen, letzteres
nur mit Einwilligung der Kirchenoberen, vor allem haben den Bau und die Reparaturen der kirchlichen Gebäude
Ueber diese Thätigkeit müssen
sie
dem
Ordinarius,
d. h.
sie
zu
dem
aber
leiten.
jedes-
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Kirchliche Einnahmen in Altlivland.
178
maligen übergeordneten Geistlichen, zumeist dem Bischof, Rechenschaft ablegen und sind eventuell zur Schadloshaltung verpflichtet.
Dass in
in
immer
die Kirchenvorsteher Livlands nicht
musterhafter Weise erfüllt haben, geht deutlich
übersetzten Artikel der
ihre Pflichten
dem oben
aus
hervor, doch
rigischen Statuta
Aussicht genommene Art der Abhilfe, Beisteuer
zeigt
die
der Gemeinde
und der Pfarrer, dass vielfach nicht die Kircheuvorsteher
allein die
Schuld trugen, sondern die Einkünfte der Kirchenbaukasse eben zu gering waren, als dass
sie allen
Ansprüchen hätten genügen können.
Die Frage, wie die einlaufenden Gaben zwischen dem Pfarrer und der Kirchenbaukasse getheilt
werden
sollten,
zu lösen und vielfach nahmen die Pfarrer
Dadurch entstanden
Anspruch.
alle
häufige
war oft Gaben
nicht leicht für sich in
Streitigkeiten
zwischen
Pfarrern und Kircheuvorstehern, wie sie uns in Preussen mehrfach urkundlich bezeugt sind; dass sie auch in Livland vorkameu, sagt
der Kirchenordnung «Leber Zehnten und Gaben»,
uns Artikel 20
welcher folgendermassen lautet:
«Um
gewohnten
die
Streitigkeiten
zwischen
Pfarrern
und
Kirchenvorstehern beizulegen, bestimmen Wir mit Bestimmung der heil.
Synode, dass alle Natural- oder Geldgabeu,
Gottesdienstes bei den Altären niedergelegt
zukommen.
Dagegen gehört
die
werden,
während des den Pfarrern
jener Gaben, welche
die eine Hälfte
ausserhalb des Gottesdienstes in Kirchen und Capellen dargebracht
weun der Zweck nicht ausdrücklich genannt ist, dem dem Kirchen Vorsteher. In gleicher Weise wird
werden,
Pfarrer, die andere gelheilt,
was
bei
den Heiligenbildern
gespendet wird,
doch
Darbringungen,
welche
verbleiben
in
und
völlig der
hebung und Vorzeigung der geweihten Hostie) und die Becken gegeben werden.» In recht, liegt,
in ist
wie
weit
in
entscheiden,
durch
der Kirche
Offertoriums (Aufin
diesem Gesetz Fixirung
wie weit Beeinflussung
kaum zu
ausser
Kirchenbaukasse jeue
nach Beendigung des
den Kirchenstock
von Gewohnheits-
preussische Gesetze
jedenfalls
vor-
löst es die bisherigen
Unklarheiten, aus denen jene Streitigkeiten entsprungen, in klarer
indem es, zum mindesten äusserlich, die Gaben gerecht zwischen Pfarrer und Baukasse tbeilt. Noch einen
und präciser Fassung,
zweiten Differenzpunkt gab es zwischen den Interessen des Plärrers
und der Kirchenbaukasse, nämlich den Nachlass des Pfarrers, so Bis zum Beginn des 13. weit derselbe im Amte erworben war. Jahrhunderts hatten die deutschen Herrscher das Spolienrecht aus-
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Kirchliche Einnahmen in AlÜivland.
geübt, d. h. die fahrende
Habe
179
der Erzbischöfe, Bischöfe und Aebte
gemäss der alten Gewohnheit für sich in Anspruch genommen und, ihrem Beispiel folgend, Vögte und Patrone die der Aebte kleinerer Klöster und der Pfarrer. Seit jedoch 1209 und 1222 Rom den Kaisern dieses Vorrecht abgerungen hatte, sollte gesetzmässig der Nachlass
der
Kirchenbaukasse
der
Geistlichen
der
betreffenden
Kirche verbleiben, da ja'bekanntlich die katholischen Priester nicht heiraten und daher keine legitimen Leibeserben haben konnten.
Regel
kaum jemals
ist
vollem Umfange durchgeführt
in
Zunächst verschenkten und
Habe
ihren
Form
Kindern
illegitimen
wenig mochte es
gemäss
auch
anderen Verwandten,
oder
Riga
von
Concil
noch
nur
und
schieden werden, wie viel von
war oder nicht
wie
denn
konnte
und die
genau ge-
dem Vermächtnis im Amte erworben
Uebrigens scheinen solche Fälle weniger zahlreich
?
gewesen zu sein
;
und
diesem
schärferer
in
solchen Geistlichen kirchliches Begräbnis weigerten
Schenkungen für ungiltig erklärten
Diese
worden.
vielfach ihre
das kanonische Recht
dass
helfen,
das
die Geistlichen
testirten
wo der
als jene,
unbekümmert um das
geistliche oder weltliehe Patron,
den Nachlass der Geist-
kirchliche Gesetz,
lichen eiuzog, jedenfalls
wenden
sich die Statuta sehr heftig
gegen
derartige Misbräuclie.
Es
klingt allerdings
arg,
wenn
im Artikel 22 «Ueber
hier
das Patronatsrecht t berichtet wird, dass die Patrone
von
Pfarrkirchen
gleichfalls der
nicht
nur
des
des
Mahnung Mahnung
sondern
Geistlichen,
dessen Krankheit einzögen. geistlicher
Habe
die
und die
Geistlichen
Kirchenbaukasse zukommenden Einnahmen der Kirche
dem Tode
nach
sogar
Solche Patrone
sollen
während
schon
sogleich unter
zur Restitution aufgefordert werden
;
leisten
Monaten nicht Folge, dann werden sie, falls es Geistliche sind, von Amt und Benefiz suspendirt, falls es Laien sind, ohne weiteren Urtheilsspruch excommunicirt. Dass in dieser Beziehung die Zustände wirklich so schlimm gewesen sind, sie dieser
wie
sie
in drei
geschildert
werden,
darf jedoch
in so fern angezweife.lt
werden, als dieser Abschnitt völlig dem Corpus juris canonici, der grossen
Sammlung
Welt,
entlehnt
sich
kirchlicher Gesetze für die
ist.
Unter allen Umständen
mehrfache Uebergriffe erlaubt
;
gesammte katholische haben
die
Patrone
so wird geklagt, dass sie, denen
nur das Recht zustand, einen Candidaten dem Bischof zu präsentiren, Geistliche
folgende
nicht
nur
ein-,
sondern auch
Bestimmung des Concils
absetzten, und
auch die
dürfte wol in erster Linie gegen
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Kirchliche Einnahmen in Altlivland.
180 die Patrone
gerichtet
Im Artikel 20 wird
sein.
»ilmlich
zuerst
zum Nachvom Bischof
einfach das kanonische Verbot, Bethftuser und Capellen theil
der Pfarrkirchen zu erbauen,
genehmigt
wiederholt,
ist,
verboten, Kirchen
Strafen
falls solches nicht
sodann
aber
und Capellen,
noch in
unter verschärften
denen
Antonius oder anderer Heiliger aufgestellt
heil.
Körbe und Stöcke,
Man
Flecken und an öffentlichen Strassen zu errichten. der Aberglaube des Volkes, darauf
um zum
benutzt wurde, kasse
das Bild
des
werde, oder auch
denen Gaben niedergelegt werden, vor Städten,
in
weist
sieht,
dass
der Antoniusdienst hin,
Nachtheil der Pfarrer und der Kirchenbau-
zu schlagen; man sieht zugleich, wie bediese Gaben gewesen sein mögen, wenn Bau von Capellen zu einem lohnenden Geschäft wurde.
daraus Capital
deutend und verlockend
durch
sie
der
Trotzdem scheint aus den Statuten von 1428 hervorzugehen, dass der fromme Eifer, der sich so mannigfaltig in Stiftungen und
Schenkungen
bethätigt
begann, wenigstens
um
hatte,
werden
jene Zeit
einzelne
wird bemerkt, dass häufig die
«
fundirt seieu, vielmehr die Patrone derselben die für diesen
verwenden
zu
bereits
derartige Fälle
erkalten
gerügt.
So
Vicarien» nicht auf sichere Rente nicht scheuten,
sich
Zweck bestimmten Capitalien für profane Dinge zu Auch die Vicarien, Altäre, die von einzelnen
(§ 14).
Familien einem besonders verehrten Heiligen
gestiftet worden, be-
deuteten eine nicht unerhebliche Einnahme für die Priester, welche
an
ihnen
zum
Seelenheile
der
einzelnen
lasen und die üblichen Gebete hielten, da
Familienglieder Messen in
jener Zeit
fast alle
vornehmeren Vasallen- und Patriciergeschlechter ihre gut dotirten Vicarien hatten.
Das
Mittel, welches die
Synode gegen derartige
unzureichende Stiftungen anwendet, erscheint recht praktisch, denn nicht die Stifter, sondern die Priester
an solchen Altären fungiren (Artikel
werden 14).
die
Münzverschlechterung können wir hinweggehen, da Zeit von Interesse sind, ausserdem
auch
völlig
wenn sie Massuahmen
bestraft,
Ueber
der Synode gegen die Verringerung ihrer Einkünfte
in
sie
Folge der
nur für jene
erfolglos
blieben,
dagegen erscheinen
die Auslassungen der Synode über die Testirund über die Freiheit der Kirche (§ 30) sehr charakfür jene Zeit und zugleich wichtig für die Einnahmen
freiheit (§ 18)
teristisch
Dort heisst es: «An vielen Orten Unserer Provinz Gott verhasste Unsitte herrschend geworden, dass Cleriker freier Abfassung der Testamente zu frommen Zwecken
der Kirche. ist die
und Laien an
gehindert werden,
d. h.
nur
in
bestimmtem Masse der Kirche Güter
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Kirchliche Einnahmen in Altlivland
der guten Sitte,
Da
spricht.
181
vermachen dürfen, obgleich das in gleicher Weise wie dem kanonischen uml dem Civilrecbt wider-
für ihr Seelenheil
alle
Gesetze Freiheit des
und
letzten Willens
bestimmen Wir, dass jeder,
Testamente verlangen,
Recht, Gewohnheit, Privileg oder Statut erlaubt
dem
ist sein
der
nach
es
Testament
oder krank an fromme Orte und Personen und überhaupt frei über sein Vermögen Daher verwerfen Wir besonders das Gesetz einiger Städte, welches ein Testament nur für giltig erklärt, wenn es in Gegenwart zweier oder dreier Personen aus dem Rath vom Stadt-
gesund
abzufassen,
Legate
schenken
stiften,
verfügen kann.
notar abgefasst
Namentlich,
ist.
oder für Kirchen ausgeworfen
wo Legate zu frommem Zweck
sind, befehlen
Wir,
dass
über
die
Abfassung derselben innerhalb zweier Monate nach dem Tode des Erblassers dem Ordinarius berichtet und demselben auf einen diesbezüglichen Wunsch hin auch eine Copie überreicht werde, damit das Testament
—
der gesetzlichen Frist vollstreckt werde.»
in
So
zeigt es sich klar, dass namentlich in den Städten starke Opposition
gegen das beständige Wachsthum des Besitzes der «todten Hand»
gemacht wurde, ein Vorgehen, welches der Kirche um so empfindlicher wurde, als gerade die Schenkungen durch Testamente und den leicht bestimmbaren letzten Willen ihr grosse Reichthümer zuDiese Tendenz
geführt hatten.
der
dass
livländisch,
Corpus juris canon. 1418 entnommen
Noch
geistliche
Personen
einige Personen
dem von
und
um
die
die
Angelegenheiten
zum Schaden
Leider
reformatorische
haben,
ihrer Selig-
und Gebräuche, oder vielmehr Misbräuche, einzugewohnten heilsamen Darbringungen an die Kirche kirchlichen Verrichtungen ein
Art und Weise vorzuschreiben.
Um
die Seelen der-
selben zu retten und Aergernis vorzubeugen, erklären •
specifisch
wörtlich
beiderlei Geschlechts' in Unserer
zu hindern und diesen, wie anderen
Mass und
wenig
ist.
ihren geheimen Conventikeln
in
keit Statuten
führen,
so
Synodalbeschlüssen
dieses Artikels
:
über
wagen dennoch Provinz
übrigens
Salzburger
Synode vor im Artikel 3U, wie folgt «Obgleich Laien, sie zu einem Orden gehören, keinerlei Macht und
wenn
Autorität
den
schärfer zeigt sich diese Tendenz, noch energischer geht
die rigische
auch
ist
grösste Theil
und
steht
dieser
Bewegungen
überaus in
interessante
Wir
solche
Hinweis auf so frühe
vor-
Livland ganz vereinzelt in unseren Quellen da,
höchstens Hessen sich die gleichzeitigen Vorgänge in lleval mit ihm in
Zusammen
hang bringen.
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Kirchliche Einnahmen in Altlivland.
182 Statuten
und Gewohnheiten
Rath der Städte,
und nichtig, welche der
kassirt
für
Vertreter desselben
die
andere
oder
weltliche
Personen, gleichviel welchen Standes, gegen die Freiheit der Kirche
und kirchlicher Personen einzuführen und einzuhalten gewagt haben. Ferner sind die Urheber solcher Vorschriften sogleich ohne Process der Excommunication
Monate nach Erlass tilgt,
Wenn
verfallen.
sie nicht innerhalb dreier
ihren Büchern ge-
solche Gesetze aus
dieses
solche Misbräuche abgestellt und darüber den Ordinarius des
Orts benachrichtigt haben, sollen
sie öffentlich als
verkündigt werden.
Bleibt aber
eine
Mahnung hartnäckig
bei solchen Beschlüssen,
dict über sie verhängt.
Commune
Excommunieirte
trotz kanonischer
dann wird das Inter-
Unwissenheit entschuldigt zwar nicht, doch
heilsame Gesetz an den Sonntagen nach Quatember von
soll dieses
der Kanzel veröffentlicht werden.» stolzes
«Die Freiheit der Kirche», ein Wort, der Schlachtruf, welcher einst Tausende von Kriegern
zum Kampfe gegen
unter die Fahnen der Kirche
Staatsgewalt
auch
ertönt
rief,
am Dünaufer
die beschränkende
und auch
hier als
Schlachtruf, denn nicht zufällig wird auch den zu geistlichen Orden
gehörigen Laien
jegliche Macht,
jegliches Recht
Versammlung,
die Kirche abgesprochen sein von einer
lichem
zu Eingriffen in
Kampfe gegen den Deutschen Orden
die in heim-
begriffen,
die bereit
war, ihn mit Abwerfung des Ordenskleides auch offen aufzunehmen.
Aber nur
eine flüchtige
Bemerkung
Haupttheil dieses Artikels
wendet sich
der Gaben, wie sie die Städte und
durchsetzen wollen, besitzes einen
streift
gegen
die
an ihrer Spitze
um dem Wachsthum
Damm
diese Verhältnisse, der
entgegenzustellen
Beschränkung damals Reval
des anschwellenden Kirchen-
— Versuche,
die gleichfalls
ihre Analogien haben,
Bestimmungen,
die,
im kanonischen Recht
gründet, gleichzeitig
am Rhein und
an
der Donau
specialisirt
werden.
Energischer
als
alle
übrigen
erneuert
be-
und
Synoden geht
aber die rigische vor, denn Verschärfungen haben wir dem kanoni-
dem sofortigen Eintreten der Excommuniund in dem Interdict gegen die Communen, dem Kölner Concil von 1423 gegenüber in der öffentlichen Exschen Recht gegenüber in cation ohne Process
commuuication
zu
erblicken.
So kämpft das rigische Concil mit und Interdict
den furchtbarsten Waffen der Kirche, mit Anathem
gegen die Städte, dennoch erfahren wir nichts von einer Nachgiebigkeit Revals.
Der ganze
Streit scheint spurlos im
Sande verlaufen
zu sein.
Um
so erfolgreicher
ist,
die
rigische
Synode mit der
letzten
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Kirchliche Einnahmen in Altlivland.
183
Verfügung, die wir zu betrachten haben, gleichfalls gegen die Lau-
Geben vorgegangen denn diese Verordnung ist bis auf Es handelt sich um heutigen Zeiten grundlegend geblieben. in wie weit dürfen für kirchLosung der schwierigen Frage liche Handlungen Gaben verlangt werden ? Schwierig erscheint
heit im
;
die die
:
die Lösung, weil die Kirche seit .Jahrhunderten
mit
der
der grössten
Kampf gegen die Simonie geführt hatte ohne Entgelt Amt erworben, ohne Entgelt sollten die geistlichen Gaben Kirche ausgetheilt werden. Nun verlangte der Unterhalt der
Strenge den sollte
;
das
katholischen Kirche bedeutende Mittel,
so grossartig entwickelten
welche häufig die regelmässigen Einnahmen von Zehnten, Beneficien
und festen Stiftungen nicht gewährten. verpflichtet werden, ihre
Wie
sollten aber die Laien
Gaben der Kirche zu
bringen, ohne dass
machte
diese sich durch solche Verpflichtung der Simonie schuldig
Auf Grund der
der Kirchenordnung «Ueber die Simonie» den
Dilemma. streng
?
kirchenrechtlichen Bestimmungen sucht Artikel 36
Wird
verboten,
hier einerseits in
dem Pfarrer
keiner Weise
Ausweg aus diesem Excommunication
bei
Zahlungen,
Gaben, Cautionen
vor
Amtshandlungen zu fordern oder gar letztere direct von solchen Zahlungen abhängig zu machen, so wird andererseits den Eingepfarrten dringend anempfohlen, «die lobenswerthe, durch fromme Hingabe der Laien entstandene Gewohnheit, nach Empfang der
An
Sacramente Gaben zu bringen» einzuhalten. Grundsätze schliesst
sich
dann
noch
als
diese kanonischen
praktisches Gesetz die
Vorschrift, dass die Pfarrer Gemeindeglieder, welche diese heit verletzen,
dem Bischof namhaft machen
sollen, dieser
zunächst die Vermögensumstände der Uebertreter
Gewohnaber
sorgsam
soll
prüfen
und sodann je nach denselben eine Strafe von einem halben Pfund
Wachs
oder auch eine mehr gefürchtete zu Gunsten der betreffen-
den Kirche verhängen.
Weg
Auf
diese
Weise hatte
aufgefunden, der allerdings nur
um
ein
die
Kirche einen
Haar an der
so hart
verdammten Simonie vorüber, aber doch aus der unhaltbaren Theorie in das praktische Leben führte. Mit dieser Verordnung hatte die Synode von Riga eine neue, einigermassen feste Einnahmequelle geschaffen,
die
noch
mässigen Einkünfte ist die letzte in
heute
in
den Accidentien
unter
der lutherischen Kirchen Livlands
die
regel-
zählt
;
es
der katholischen Periode entstandene.
IJeberblicken wir nochmals die verschiedenen Arten der kirchlichen Einkünfte in Altlivland, so dürfte sich als Resultat ergeben,
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Kirchliche Einnahmen in Altlivland.
184
dass es grossartige Mittel waren,
welche der katholischen Kirche
aus ihrem ausgedehnten Landbesitz, den Naturallieferungen, hervor-
dem Zehnten und auch der Provision, und den mannigfaltigen Gaben zuflossen. Schier unersättlich scheint uns die katholische Kirche, wenn sie sich trotzdem noch nicht zufrieden giebt, wenn sie in Form der Testamente und des letzten Willens Krankheit und Todesfurcht, in Form der Gaben vor dem Antoniusbilde den Aberglauben des Volkes auszunutzen strebt, wenn sie endlich die Provision in eine ständige Abgabe wandelt und für Amtshandlungen Zahlung verlangt. Unleugbar ist es auch, dass ein grosser Theil dieser bedeutenden Einnahmen nur dazu gedient gegangen
aus
Wohlleben zu sichern, doch muss nochmals darauf hingewiesen werden, wie grosser Mittel die Schon die Erhaltung und der Bau der Kirchen, die zum Gottesdienst nothwendigen zahlreichen Geistlichen und Kirchenbeamten, schliesslich die mannigfaltigen und kostspieligen Gewänder und Geräthe hat, der Priesterschaft ein prunkvolles
damalige Kirche zu ihrer umfassenden Thätigkeit bedurfte.
brachten grosse Ausgaben mit sich
;
dazu kam aber noch der Um-
stand, dass die Kirche jener Zeiten die Fürsorge für viele Gebiete
des Lebens hatte, in welchen sie
heute
vom
Staate, vou
der Ge-
meinde und von der Gesellschaft abgelöst ist. Nicht nur griff die Kirche vielfach segensreich mit ihrer Rechtspflege weit über
—
die
Sphäre
ihr
—
rein
Fragen hinaus, sondern
kirchlicher Interessen und
war auch das gesammte Gebiet der Wohlthätigkeit, Armen-
uud
wäre
Krankenpflege
Schulwesen
und das
es auch, wollte
man verkennen,
antwortung
voll
die katholische Kirche
dass
hohen Aufgaben
sich mindestens zu Zeiten dieser
bewusst gewesen
ist
;
Ungerecht
überlassen.
und
ihrer Ver-
zeugt doch die Fürsorge für
das Landvolk in der rigischen Kirchenordnung
laut
genug dafür.
Aber es kam die Zeit, wo die bürgerliehe Gesellschaft sich reif genug fühlte, selbst für Rechtspflege, Wohlthätigkeit und Schulwesen zu sorgen, es
kam
die Zeit,
wo
aus der ursprünglich wohlthätigen
Bevormundung der Gesellschaft durch die Kirche ein unerträglicher Druck ward, wo die Geistlichen in Prunk und Ueppigkeit, die Kirche selbst auch
in
in
Aeusserlichkeiten aufging.
Diesen Uebeln
schuf
Livland die siegreiche Reformation die erwünschte Heilung.
Gewaltig fegte
sie
aus dem Lande Bischöfe, Domherren und Mönche,
mit ihnen die Aeusserlichkeit Oratorien, Vicarien
und
viele der mannigfaltigen
und Pracht des Gottesdienstes, die
Heiligenbilder.
Damit schwanden auch
Gabeu, für immer verlor die Kirche den
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Kirchliche Einnahmen in Altlivland.
18»
mächtigen Grundbesitz, der einst Bischöfen, Domherren und Klöstern
zum Unterhalt lische
gedient.
Dennoch war das Erbe, welches
Kirche ihrer Nachfolgerin
blieben
die Beneficien
oder
die katho-
Es
hinterliess, nicht unbedeutend.
Widmen
der Pfarren,
es
blieben die
dem Grundbesitz ruhenden Naturalabgaben, es blieben Zahlungen für Amtshandlungen. Und dieses Erbe hat
wichtigen auf
auch
die
die lutherische Kirche
hoch
zu
schätzen
—
gewusst
noch
heute
bilden jene drei Einnahmequellen die materielle Grundlage für das
Gedeihen Rückblick
der in
schwedischer
lutherischen Kirche Livlands. die
Hand
Vergangenheit,
dass
So
nicht
erst
jene Grundlage gelegt wurde,
uns dieser
von
fremder,
sondern dass es
Begründer des Christen-
die Schöpfer baltischen Souderlebens,
die
thums an den Ostseegestaden waren,
welche
die richtigen Bausteine erkannt, die sie
lehrt
mit
sicherem Blicke
mit kräftiger
Hand
zu so
Fundamente gefügt haben, dass noch nach mehr als GOO Jahren auf diesem Werke sicher die dankbare Gegenwart fussen konnte bis zu dem Augenblicke, da die Gegenwart zur Vergangenheit zusammenzuschwinden begonnen hat. festem
Richard Hasselblatt.
RaHtsiehp Monatsschrift.
Band XXXV,
lieft 3.
13
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Aus dem Leben des rigaer Goldschmiedeamtes. Von
Prof. Willi. Sticda in Rostock.
4.
ie
neue Bestätigung, welche dem Schrägen im siebzehnten
Jahrhundert zu Theil
wurde,
seines Inhalts nicht bewirkt zu haben.
Alten und die
man
Vorfahren
lebte schlecht sich
zu
geben
scheint
eine
Veränderung
So blieb denn
alles
beim
und recht nach den Gesetzen, welche für
zweckmässig erachtet hatten.
durch die Gesellenrolle vom Mai 1773'". Schon 10 Jahre vorher hatten die Goldschmiede«zum Besten der Kranken und Notbleidenden, und zur Beerdigung dergleichen Gesellen, die ohne Vermögen verstürben» Nun Hessen mit Erlaubnis des Wettgerichts eine Lade errichtet.
Eine Erweiterung erfahren dieselben 7.
gesellen
sie sich die
Grundsätze, nach
welchen die Verwaltung
derselben
Es handelte sich, wie wir heute Der erkrankte Geselle (mit Ausnahme derer, die durch liederliches Leben mit bösen ansteckenden Krankheiten behaftet waren) wurde, wenn er kein Vermögen besass, von der Lade verpflegt, musste aber nach seiner Genesung das ihm gespendete Geld wieder zurückerstatten. Die Mittel hierzu wurden in der Weise aufgebracht, dass jeder Geselle vierteljährlich 10 Ferdinge und den ersten Wochenlohn, den er in Riga erwarb, beisteuerte. Starb der erkrankte Geselle, so wurde er auf Kosten der Lade beerdigt. vor sich gehen sagen würden,
sollte,
um
bestätigen.
eine Krankenkasse.
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:
Ans dem Leben Ueber thätigen
des rigaer Goldsehmiedeamtes.
während des
die
Goldschmiedemeister
unterrichtet.
Bei
Gelegenheit
17.
und
ist
Schreiber
der
18.
187
Jahrhunderts
in
Zeilen
dieser
cnltnrhistorischen
Riga nicht
Ausstellung
von 1883 und der gewerbegeschichtlichen von 1887 sind die
Namen
Goldschmiede bekannt geworden, die hier zusammenzustellen,
vieler
wenn auch ohne Gewähr bietet.
für Vollständigkeit,
immerhin Interesse
Die eingeklammerten Jahreszahlen bedeuten wie oben, dass
die Meister in diesem
Jahre nachgewiesen
die
sind,
klammerten Zahlen geben das Jahr der Aufnahme (1616
— 1625)
1642— (1651) 1652 (1654)
1661- (1671) 1667
Joachim Meinecke. Gert Winckelmann. Andreas Bruchfeldt oder
(1671)
Jürgen Linden.
1674
Michel Mejer.
1676
Heinrich von Köln. Andreas Becker. Johann Grünenberg.
1691
Israel Cordi.
1697
Johan Behrend. Georg Dehkant. ßereud Dorchmann
1698 o.
J.
Goldschmiede des
18.
Jahrhunderts:
1703
Johan Georg Eben.
1712
Joh. Spannier.
1712
Jacob Stubenau.
1715
Jacob Huppach.
1716
Hinrich von der Eiche.
1717
Carl Gustav Kretzner. Jacob Heinrich Lansky.
1719 1719 1720 (1724)
Braekfelt..
Michael Kressner. Heinrich Leisericht.
1690
Johan Lamoureux. Franz Hagen. Paul Christian Cordes.
1729
Christoffer Dey.
1733
Johan Muermann oder Mirmann. Johann Dietrich Rehwald. Joh. Friedrich Lamoureux.
1738
1749
Amt
Herman Winckelmann.
(1671)
1683- (1688)
nicht einge-
in das
Eberhard Meyer.
13 *
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Aus dem Leben des
188
rigaer Goldschmiedeamtes.
Jolmn Christian Henck.
1750
Michael Kresner.
1758
1763
Peter Schlüter.
1771
Anton Braun. Johann Christoph Barrowsky Theodor Matthias Gennerup. Georg Vendt. Joachim Johann Krusemann. Friedrich
1773
1764—1775 1777— (1786) 1778
1784
Jolian Friedrich Brandt.
1793
Christian Dietrich Rehwald. Johan Gottlieb Kresner.
1795
Lars Jansson Silfwerstädt.
J.
o.
Friedrich Grabbe.
«
Kohlhoff.
David Mencke.
&
Ob während
dieser ganzen Zeit regelmässig alle zwölf Meister-
stellen besetzt waren, ist
die Pest in den
mir nicht bekannt.
zahlreiche Opfer
selbe schliesslich bis auf einen
1740 gab
es
Eine
Thatsache
ist,
Mann
dahinraffte,
so dass das-
Im Jahre
ausgestorben war.
12 Meister, im Jahre 1763 dagegen nur 10 1,C
für
dass
Jahren 1710 und 1711 auch unter den Mitgliedern
des Goldschmiedeamtes
Amt
das
sehr
.
wurde im
wichtige Angelegenheit
Jahre 1671 verhandelt, nämlich die Art und Weise, wie der Feinbestimmen war.
zu
gehalt des Silbers
Man
kannte
damals zwei
Proben, die sowol beim Golde als beim Silber zur Anwendung kamen, die Strichprobe und die Capellenprobe. Erstere bestand im Streichen auf dem Probirsteiue, wobei man aus der mehr oder
weniger röthlichen Farbe des Strichs auf die Grösse des im Silber
vorhandenen Kupferzusatzes schloss, indem man
in dieser
Beziehung
den Strich des zu untersuchenden Silbers mit dem der Probirnadel verglich.
Der Probirstein
von schwarzer Farbe. oder Silberstifte,
die
ist
glattgeschliffener
ein
harter Stein,
Die Probirnadeln sind dünne schmale Gold-
man
räthig haben musste.
Bei
in
den verschiedenen Legirungen vorder mit dem zu
der Goldprobe wurde
prüfenden Metall gemachte Strich mit Salpetersäure benetzt, welche die
beilegirteu Metalle
sichtbar
bleibenden
auflöst,
Strich
und
reinen Goldes
man zur Vergleichung auch
dann
nach
die Feinheit
einige Probirnadeln
der
Menge
beurtheilt,
streicht
des
indem
und den
behandelte. Diese Methode war nicht Der Schluss von dem geprüften Golde auf den gleichen
auf gleiche Weise
sehr genau.
Digitized
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Google
:
Aus dem Leben
keine
1
selbst
Loth genau
der amtlichen Controle über die Goldschmiede, zur
Methode,
der Capellenprobe,
eben
Uebung
zu
Fällen, namentlich beim Einkauf grosserer
schärferen
vieler
bei
Es war beim Silber schwer, den Daher griff man in schätzen.
vollkommene Sicherheit.
Feingehalt auf vielen
189
des rigaer Goldschmiedeamtes.
Feingehalt wie bei der Nadel gewährte
dass eine kleine sehr genau gewogene
Menge
Mengen und bei Anwendung einer bestand,
darin
die
des betreffenden Edel-
metalls mit Blei auf der Capelle, unter der Muffel des Probirofens,
wobei dann
wurde,
abgetrieben
Wägen
zurückblieb uud durch
werden konnte
gestellt
1
»
Gold- oder Silberkorn
das
.
Die rigaschen Goldschmiede hielten Strichprobe
welche
,
war
dem
tappt
nicht,
dass
er
,
an
die
auch
die
wesentlich
sich
benutzten
indess
vorgekommen, dass ein Meister, visitirenden Aeltermann darüber er-
es
Andreas Brackfeit, von wurde,
war
einfacher
Dabei
Capellenprobe.
wie
nunmehr verlangt
wurde, 13-
Am
löthiges Silber (im IG. Jahrhundert 141öthig) verarbeitet hatte. 14.
sich
Mai 1670
rein
desselben somit der Feingehalt fest-
1
Rath ihn dafür gestraft. Brackfeit rächte nun am Amte, indem er beim Rathe zunächst den Aeltermann hatte der
Leisericht
anzeigte,
schlechter,
sondern
theils
unter
»/j
lot,
dem
dessen Silber «nicht allein
auch theils
die Capelle
drey
auf
Quentin,
nach
Strich
nicht hält, ja
13 lotig
beynahe
ja
ganz
loht
während er seine Arbeit doch mit dem Stadtstempel geFerner aber unterbreitete er dem Rath zwei Vorschläge zur besseren Einrichtung des ganzen Prüfungswesens. Es
fehlet»,
zeichnet habe.
sollte
1)
für alle Goldschmiede nur die Capellenprobe
nur 131öthiges Silber passiven
;
gelten
und
2) sollte an die Stelle der Stempe-
lung mit den Stadtschlüsselu ein anderer Stempel eingeführt werden.
Den
ersten Antrag begründete er, wie folgt
1
»»
«Solches kan ein jeder Goldschmied in Riga
rechte wohl
thueu. 1.
Also,
wan
Namen haben mag,
er polnisch, deutsch, cursch &e., wie es den
Silber
empfahet und
in
Bevsein der Leute
schmelzet, auch davon Probe giebet, hernach aber granuliret und
mit Salpeter-Schmelzen verführet, so läst der Goldschmied,
wo
er
dem Stadtsgwarden abprobiren, der ihme die Warheit entdecket, und wie viel es hält, feiner oder schlechter, schriftlich von ihm giebet. So ist man ausser allem Verdacht.
nicht probiren kan,
2.
Kan
der Goldschmied
arbeiten, weil er des Gwardirers
nach
der Capelle
Prob zu
al
hat,
voll
131otig
weswegen der
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;
Aus dem Leben des
190
rigaer Goldschmiedeamtes.
Geber des Silbers umbsoviel melir gläuben und der Verbesserung wegen auf 131ötig bezahlen muss sarapt den geringen Unkosten der Kohlen und Salpeters 3. So ist ein Goldschmied befueget condionate ehe ein Besteller
und
Arbeit
der
Pfening besser dan ein Pfening schlechter verarbeiten. Ursachen, weil auf die
Mark
ein Pfening
gl.
kan einer
Was
in der
nur 36
wird,
besser
Mark
in der silber
oder
PW.
’/i
zu
Silbers, so
verschelet und wie leichte
Arbeit solches eindingen mit ein
aber seinen zweiten Vorschlag betraf,
gl
'/2
»
so hatte er sich
dessen Ausführung folgendermassen gedacht:
Wan
«1.
voll
so
131otig,
das
Werk
nach dem Strich und Capelle erkant
der Elterman dasselbe auf
schlägt
A
nebst eiuer
ein Jahr lang gelten, auf ein Jahr C und so fortan, bis 24 aus nach derselben Buchstaben und Jahren muss man ein klein a b c vornehmen; solches dient zur Nachricht Käufern und Verkäufern und kan Niemand sich entschuldigen, ich bin schon gestraft davor, sonsten käme der zu Schaden Gebrachte nicht zu seinem Gelde und dergestalt schlagt man die Bücher nach, hie und dar, auch erfahret man, wer zu derselbigen Zeit der Elterman gewesen und ob er nach Gunst geprobiret &c.
Buchstabe A.
Selbiges
ander Jahr B,
aufs
2.
dritte
Bey dem Eltermann
das Silber,
auch
soll
so
soll
werden
erkant
der Elterman
auch Beysitzer sein und Uber
soll,
mit
ihm judiciren, so kan
seinem schlechten Silber
kein
Unter-
wollen wir 2 Tage expresse in der
Wochen
mit
schleif üben. 3.
NB. dabey
haben als Mittwochens und Sonabends, damit nichts ungezeichnet aus Riga komme, auch sich damit sei
nicht entschuldigen möge, es
der Elterman nicht zu Hause gewesen &c.
Item dass gross und kleine Sachen als Degengeheng, Degengefess, Baur-Breitzen &c.,
alles
gezeichnet
werde,
sonsten
ist
darunter der allergröste Unterschleif. 4.
Wolle E.
Strich arbeiten, es
zu verstehen.
Raht nicht zugeben,
ist
darunter nicht allein das günstige Probiren
Als dan
sagen, wer weiss,
sie
wan das
Item so ziehlen Person als
in
sie
dass
sie
übersehen wollen, kan der Elterman Silber gemacht
altes Zeichen, es ist vor mir geschehen u.
kommen,
nach dem
E.
ist, s.
es ist ein voriges
w.
damit bloss auf mein und des Schwagers
der Zwickmühle,
wan
ihnen
die
Lust
wird
an-
so können sie sagen, als die uns Beiden nicht gut sein,
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Aus dem Leben es
des rigaer Goldschmiedeamtes.
dem
nach
schlechter
ist
wollen nach der Capelle laufen &c. haus, gib solt
male
alle
Straffe,
dem Ampte
aus
Wan
5.
waren
Diese Vorschläge
die Strichprobe unzuverlässig
Es
fragt
werden mussten.
der Ehren
aufzuladen.
Du
allen
T allem V erdacht und der ewige
Ende haben. so
nicht
und
>
Ohne Zweifel war
übel.
konnten Versehen ob
Persönlichkeiten
dem
von
der Arbeiter und Elterman
ist
ein
nur,
sich
Bei
aufs Ralit-
verlustig,
und
probiret
diese
eine
dabei
nicht
hoch angeschlagen
so
beabsichtigte den die-
Die neue Stempelmethode
selbe ausfuhrenden keit
so
ausserhalb
sampt Processen wird
ausbleiben.
191
schlechter, wir
komme
endlich
;
bist
der Capelle
gearbeitet wird 131otig vol,
sampt dem Gwarden Streit
Du
was
ist
gestossen werden.
nach
aber
es
Strich,
grössere Verantwortlich-
konnte
bisherigen Verfahren
es
vor-
kornmeu, dass der zur Rede gestellte Goldschmied vorgab, vielleicht schon für das betreffende sein,
Manco am Feingehalt
gestraft worden zu
und der Aeltermann konnte sich damit aus der Affaire ziehen,
dass er sagte, die Stempelung
Man
schehen.
wusste eben
des Stücks
nie
sei
vor seiner Zeit ge-
zu bestimmen,
Dieser [Jebeistand
bei der
fiel
welchem Jahr
in
die betreffenden Gold- oder Silbersachen gestempelt
Buchstabenstempelung
worden waren. fort, die es er-
möglichte das .fahr festzustellen, in welchem das Erzeugnis verkauft
Aber man wäre bei ihr schon nach 48 Jahren, falls man nun mit dem Alphabet von neuem beginnen wollte, in eiue heillose worden war.
Verwirrung gerathen und übrigens war vermutlich das Bedürfnis nach einer Aenderung des Stempels gar nicht so lebhaft, wie Andreas ßrackfelt anzunehmen schien. richtig
und
die
1671
langen
Welt
sei.
stets
sei,
wurden, oder ob der der Sache aufforderte
uns
verlesenen Vorschläge
des
und Zeichnung
allen
und jeden
während
Ehrlich hätten eingedenk, dass,
sie
kennen.
der Probirstein «in
die am 7. August Amtes wegen der Das Amt erklärt
der ganzen
auch
Goldschmieden,
und
und verkaufen« bekannt
Golt und Silber kaufen
im Gebrauche
in
lehrt
Actenstück
diesem Aufsatz, dass
und die
mit Strafen vorzugehen.
ersucht
zu einem Gutachten
anderes
künftigen Silberprobe in
antworten
zu
sie schlechthin
genug,
sein,
Goldschmiede eine Abschrift dieser Anträge bekamen
auf dieselben
Rath
—
Meistentheils wird wnl der Feingehalt
und selten nöthig gewesen
Ob
die Capelle «ein Erz- und
alle
wenn
breiten allen,
überall
Muntzproba»
bisher I31öthiges Silber verarbeitet, ein
geringhaltiges Stück
auch nicht
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Aus dum Leben
192
des rigaer Goldschmiedeamtes.
sogleich als solches erkannt würde, es doch in
10 oder 20 Jahren
Wenn
der Fall seiu könnte, worauf sie beschämt dasteheu müssten.
man 2.
Probe nicht ganz genau einhalten könne, sondern um den
die
oder
oder
3.
4.
Pfennig bisweilen
Denn auch
kein AVort zu verlieren.
Ob nun
vollkommene Garantie.
darüber
zurückbleibe, so sei
die Capellenprobe biete keine
aus dem
der Probe
bei
richtig
befundenen Silber der Gegenstand wirklich angefertigt worden
könne man nicht
wissen.'
Da muste
qucntin komm. Item so na m yck ock 3 mr. /or sgtcer dal krusse mer icoch alss dat aide. ">* eitern anno 77 hcbbe yck der kerken tho sunthe Pether eilen kelck dnrch kerken tcoreret goltsmedc an dem maketon der de yemakct, dar hebbenn 1,1
,
bede halten des heren borget meysters Jochim bin geneigt zu glauben, dass der Katalog
dieser
liier
cultnrgeach. Ausstellung
der
Wytliny en hundert mark».
Ich
erwähnte Kelch derselbe ist, welchen unter Nr. 1540 als da» Werk eines
Ob
unbekannten rigasehen Meisters ans dem Jahre 1-177 anführt. Stock hängende Traube da« Zeichen des Hans L’nnaw ist,
eine an einem
lässt
sich
freilich
nicht behaupten, denn das einzige ihm bis jetzt beglaubigt naehgewieseue Stück
—
der
silberne
der beiden Ausstellungen
Hausmarke kann
gebildete
—
Amtsbecher der Glaser von 1553
hat,
den Katalogen
nach
wenigstens,
keinen Meisterstempel.
nicht die des
Hans Unnaw gewesen
Die daselbst abda sie in dem
sein,
Deckel des Becher» sich befindet und dieser Deckel erst im J. 1565 angefertigt Eine Verwandtschaft zwischen
wurde, vermnthlich von einem anderen Meister.
dem Becher des Glascramtes und dem Kelch deuten
die 6 getriebenen Brust-
bezw. Männerköpfe an beiden an.
bilder,
—
Art. 28 des Schrägen».
-
Art. 3, 4, 5, 6, 7, 11.
1,1
'•*
Art. 15, 16.
Art. 25.
-
Art.
5.
-
"• Art. 13, 14.
Späterer Zusatz zu dem Schrägen von 1542 über das Recht de Wittwen und Kinder zur Fortsetzung des väterlichen Gewerbes. hölzerne Kiste. "* Eine Münze, vom Schreckenberge in Meissen genannt,
wurde.
Sie
galt
im Jahre 1551 18 Big.
Jahre 1560 eine halbe Mark *'•
ig.
Schill.
(Bienemann,
portugiesische Goldmünze,
Eine
Renners Livl.
1
Gesell. S. 281
etwa
0. Bd.
sie
geprägt
4,
191),
genannt; nach
im Jahre 1549
Rig.,
Rig. (Jürgen Padels Tageb. cd. Bothführ S 333). "• Hier wol im Sinuc von ungemünztem Silber.
Urkunde von 1557 (Bienemanu, a. a 0. Bd. 1, Nr. meuth.» Sonst heisst Pagament eigentlich Währung.
einer
im
Nr. 643).
4,
«Portugalose»
sonst
70—80 Mark
wo
(Monura. Liv. Ant.
a. a.
Mark
51
Aehnlich heisst es in
13) «ein marck
iotig
paga
"* Unerklärlich.
eyn grote kan myt eynem hauten.
—
"* "•
1,4
1,1
verblasste Stellen.
Die Schillinge und Ferdinge sind hierbei ausser Ansatz geblieben. Die technischen Ausdrücke sind inteken (eiuzeiehneu), ynschryven, :
ynt bok teken (ins Buch zeichnen). 1,4
111
Mettig, Zur Gesell
d. Rigaschen Gewerbe, S. 28. Item anno SG up Jnhanny denn goltsuieden eyn mollyenn thogerycht
kostet 13 mr.
22
sch.
«Mollie»
ist
hier wol eine kleinere Mahlzeit, I
linie
’*
t
eine Brotsuppe, eingeweichtes Brod, bedeutet
etwa Frühstück oder Imbiss.
Padels Tagebuch, ed. Böthfiihr.
S. 382.
Pudels Tagebuch, ed. Bothführ.
S.
398.
Bothführ,
Rigiselie
Raths-
Nr. 614.
n * L. Napiersky, Zur Geschichte des Schwarzhäupterhauses «Mittheilntigen ans
m
iler livl.
in
Riga
in
Gesell.» Bd. 13, S. 272.
Verzeichnis» derer Meistern und Amtsgenossen nachstehender teutschen
wie auch uutentsehen Aemter
;
Rathsnrehiv.
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Aus dem Leben des
200
rigaer Goldsclimiedeamtes.
"• Prechtl, Technolog. Encyclopädie. Bd. ***
15, S. 144-145. 7, S. 135, Bd Die Actenstüeke über diese Angelegenheit befinden eich im äusseren Schrank 1, Fach 6. Dasjenige Papier (ein Quartblatt), dem ich ist zwar nicht unterzeichnet, kann aber kaum etwas anderes
Archiv des Raths.
das Obige entnehme,
Antrag sein. Das Protokoll lautete: Den
als Brackfelds
Herrn lieh
sich
über
7.
die Vorschläge beredet
Angusti anno 1671: Die anwesenden und denen Herren Amptherreü freund
angemnhtet, die Goldschmiede insgesammt über folgende Piincte
nud davon E. E. Raht zu
referiren, dass
des
zu hören
Ampts wegen, der Eiterinan öder dem Strich zuerst probiren, und
dessen Antecessor alle angefertigte Arbeit nach
wan
er sie ldlothig befindet, des Meisters Zeichen darauf schlagen,
durch
den
Ordinarien Stadtmiinzwnrdein
nud hernach
mit des Rahts Schlüsseln hcstempeleu
lassen, auch von allen stücken mit dem griffel etwas ausstechen und abnehmen und hernach alle /» Jahr eines jedes Meisters proben allein schmelzen soll, dabey denen Herren Ambtherren selber committiret wird alle 6 Wochen der Ainbtsmeister Werkstätte zu besuchen und die Stücke, so sie in der Arbeit befinden, durch den Strich wie auch durch das Feuer probieren zu lassen.
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Wassili Wereschagin
a
um
Mal hat unter
zweiten
Wassili Wereschagin,
in
Paris.
lebhaften
dessen Ruf
Beifallsbezeigungen
Grenzen Russlands
die
weit überschreitet, in Paris eine Gemäldeausstellung eröffnet.
dem
schon, nach
die dramatisch
vom
russisch-türkischen Kriege, staunten
empfundenen Kriegsbilder an,
Noch
übertragen.
sieht
man
die weite, stille, schnee-
der Gefallenen, sich
grausig
packenden Gemäldes prägte
Er
hatte den
die Empfänglichkeit
Seitdem
ist
der
Und
vibriren machen.
—
Ton
sich
heisshungrig auf
Der Schöpfer
den fleischentblössten Schädeln niedergelassen. gesslich ein.
die Raben, die
auf der
bedeckte, jetzt verödet daliegende Ebene,
einzigen grausen Gefährten
1876
die Pariser
Augenzeuge
greifbarer Realistik auf die
mit
grösstentheils
Schlachtfelde
Leinwand
die er als
naturalistisch
dieses
dem Gedächtnis unver-
getroffen, die Saite berührt,
welche
wollenden Franzosen
sein
er hatte sich als Talent geoffenbart.
der Boden, auf
dem
bedeutend ergiebiger geworden.
russisches
Bestand
in
Korn
aufgeht, noch
Russland schon früher
was französisch ist, so herrscht sie jetzt in Frankreich noch weit mehr für alles, was russisch ist. Russische Dichter, Schriftsteller und Maler üben hier eine Zugkraft eine starke Sympathie
für alles,
aus, wie sie ihrem Vaterlande oft fremd
ist.
Wereschagin hat für
seine Gemäldeausstellung den rechten Augenblick
standen. in seinen
Er lockt jenes Tout Paris, das sonst Mauern nicht gar beweglich ist.
Das Leben des Künstlers ist ein nach Brest gekommen, erwachte
offizier
ßsltiücbe Monatsschrift.
Ban«l
XXXV, Heft
3.
zu
ihm
hier,
ver-
Element
Als Marine-
wechselvolles. in
treffen
für fremdes
au den Küsten 14
Digitized
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Google
Wassili Wereschagin in Paris.
202
der Wunsch,
Frankreichs,
Malers
zu
Vaters,
Seemannsberuf gegen
seinen
Bald
vertauschen.
Pläne seines
eine«
darauf führte
des
Nowgorodschen,
Nach Frankreich zurückgekehrt,
seinen Vorsatz aus.
den
ungeachtet der
er,
im
Adelsmarschalls
arbeitete er
im Atelier Jeromes, wuchs aber allmählich aus dessen Schule heraus. Tragen seine ersten Gemälde noch den Stempel derselben, so weist die reiche Folge seiner Werke ein eigenes Talent auf: das einer ihm ganz persönlichen Genremalerei. Im besten Sinn des Wortes der Schule der Impressionisten und somit einer specifisch französi-
schen Richtung angehörend, löst ihn das, was er an Eigenart und Selbständigkeit hinzubringt, wieder von ihr ab und macht nach der
bezeichneten Richtung eine besondere Persönlichkeit ist
aus ihm.
Er
wahrer, unbegrenzter als die französischen Impressionisten, schon
weil er als Slave weniger theoretisch als factiscii realistisch wirkt.
Nationale und eigene Charakteranlage geben ihm eine «Art« nach verschiedenster Richtung, während der Franzose sich in allem leicht
an gewisse Ueberlieferungen und Gegenstände
die sich allmäh-
hält,
und nicht immer wahr sind. Wereschagin bieten Natur und Menschen so
lich erschöpfen
Stoff, dass er
zu Hilfe, so
leitet ihn dieselbe nicht
mit Dorö gemein. aus
Bei letzterem
nimmt
mühsam
etwas
immer
mannigfachen
— und
er ihn findet
er findet
er die Phantasie
Er hat das
glücklich.
dieses Misgeschick jedoch
rührt
an Phantasie
Ueberfülle
einer
schagin
wo
denselben ergreift,
Hierin wurzelt sein Talent;
ihn überall.
während
her,
Ausgearbeitetes
bei
sie
Diesen
hat.
Were-
Stempel
tragen wenigstens gewisse Gemälde, besonders, wenn sie religiöses
Gebiet streifen und bestimmte Dimensionen überschreiten. in
Farbe und Stimmung,
Idee,
geraden, ebeuen
noch ein
in
eine
Weg
vor;
zweite Schwäche
Ganzes zu
sein
zeichnet
überall,
und
:
wo
ihm
sein
Zu wahr
Talent
einen
er ihn verlässt, verfällt er
Zersplitterung.
zu schaffen.
Nicht
Sie hindert ihn,
immer
heisst
alles
wollen viel erreichen.
Die Ausstellung im Cercle Volnei/ umfasst Genrebilder, Landschaften, Charakterköpfe und Skizzen, Früchte längerer Reisen in Palästina, Indien und Mittelasien. Die Vereinigung dieser Gemälde bietet
dem Zuschauer
Thätigkeit beobachten.
des
die
Meisters
Sie
ganz anderes Bild
spricht
Möglichkeit,
während zugleich
einer
den
Gedankengang, die von Jahren zu
Reihe
für Einzelausstellungen, die ein
von dem Wirken und Können eines Künstlers
entwerfen als jene Massenausstell ungen,
wo Aufmerksamkeit und
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Google
Wassili Wereschagin in Paris. Interesse, stets unterbrochen
und abgelenkt,
sich
203 nur mühsam con-
centriren können und bald ermüden.
Die grösste Anziehungskraft auf das
Publicum
grosse Gemälde, die, unstreitig nicht die schönsten, die mittheilenden, gleichsam philosophischen Idee haben.
üben
vier
Macht
einer
Immer wieder
durch den Umstand berührt, dass überall eine der Menschheit inne-
wohnende sinnend,
auf
Kraft,
brutale
alle
möglichen
—
bewahren, vertilgt
zu
anstatt
zwiefacher Art behandelt
Krieg
:
hat
Zerstörungsmittel er
uud Execution.
diese Idee
in
Beides, obwol
dem Künstler gleich verdammens werth, Darüber wird er zum Redner in Oel. Dazu
rechtlich statuirt, erscheint
gleich verderblich. fehlt
was
ihm jedoch die Breite des Historikers, die Weite des Genies, bemerkbar macht, wo nicht getreue Wiedergabe
sich überall
des Erlebten und Gelebten vorwaltet, sondern ein gewisses Theoreti-
dem
siren auftritt,
schagin
besitzt
die Phantasie
zu Hilfe
die Grazie
den Zauber,
mit fortreissende Gewalt eines Redners.
kommen
Were-
muss.
des Erzählers,
Er überzeugt
nicht die
nicht.
Viele
seiner Kriegsbilder, von denen augenblicklich nur eines ausgestellt ist,
sind schön, doch
als lebensvolle Kriegschronikeu, als be-
nur
merkenswerthe Arbeit. Die drei grossen Hinrichtungsgemälde, welche im Cercle Volney das grösste Aufsebeu erregen, heissen «Kreuzigung bei den Römern»,
«Tod durch Kanonen «Tod durch Erhängen
Von den Künstler
drei
in
den englisch-indischen Besitzungen» und
in Russland».
ist
in glücklicher
letzteres allein
«wirklich».
Auch hat der
Eingebung über das Ganze einen Schleier
von Schneeflocken gebreitet, der ungemein versöhnt. Er verdeckt halb die fünf Gerüste im Hintergründe, an denen, in graue, kuttenartige,
mit Kapuzen versehene Gewänder gehüllt, zwei Verbrecher
hängen.
Rund umher
ein
dichter
Kranz
von Militär, dann
kreisförmige, schneebedeckte Fläche, weiter, von in widerstandsloser
gierigen.
Ordnung
Obgleich im Rücken gezeichnet, sind dieselben so sprechend
und typisch
haben meint. in dasselbe
in
Haltung und Geberden, dass man sie gesehen zu Das Ganze ist ein dramatisch gefärbtes Genrebild
überschreitenden Umrissen,
aber
Wereschagin
hier,
nicht
wie auch
in seinen
von
kein Aufstellen
Thesen, kein Ansturm gegen das Gesetz, wie er gewollt.
gemälden
eine
Kosaken zu Pferde
gehalten, ein dichter Kreis von Neu-
Das
ist
zwei anderen Hinrichtungs-
gelungen.
«Tod durch Kanonen
in
den englisch-indischen Besitzungen» 14 *
Digitized by
Google
204
Wassili Werescliagin in Paris.
wirkt etwas hölzern.
Eine lange Reihe von Kanonen, eine gleich
am Lauf
grosse Zahl aufsässiger Eingeborenen, die durch Querhölzer
derselben befestigt sind und eine doppelte Anzahl englischer Soldaten.
Das
Darüber
ist alles.
Himmel
blaut, schön abgetönt, der indische
in seiner gleichmässigen Klarheit
und
Tiefe,
die
sichtige Luft aber verleiht den Jammergestalten
gleichsam durch-
noch ärm-
einen
licheren, Ideen entkleideteren Charakter. t
Kreuzigung
bei
Gemälde, und
dritte
den Römern» nennt Werescliagin einfach das
doch schwebte ihm
Von den
Christi vor.
Kreuzigung
offenbar die
Dornen-
drei Verurtheilten trägt der eine die
krone, und bis in die Einzelheiten hinein ist mit grösster Genauigkeit
alles
und
verfehlt, verfehlt als Princip
Zu
besonders.
Es
nachgeahmt.
der ßibelerzählung
ist
religiöser Vorwurf.
doppelt
also
Als letzterer
lebendig und zu unruhig, ohne jenen religiös ideali-
sirenden Gedanken, der auf der Leinwand den Gekreuzigten nicht
nur als solchen, sondern auch als Erlöser
gewohnt ist die
und Heiland
wirkt das Gemälde weder ethisch noch
ist,
trotz
gewitterschweren
des
wunderbarer Plastik hervortreten lässt
hübsch
;
Baumgruppe hinweg
lärmend
dazwischen
offenbar
zu
scheinen
realistisch
schaffen, welche
die.
nicht
wählen
;
das
und schöne Auffassung Christi hat,
kann
sich
mit
nicht
sich
verleitet,
durch die älteren Meister gewöhnt befreunden.
langen,
hageren,
roth-
Es giebt Ideen,
die
der Wahrheit nicht zu Gunsten eventueller Wirklichkeit ent-
kleiden darf
;
wirkt nicht immer schön, sie wirkt auch ent-
diese
nüchternd, verarmend und deshalb nicht künstlerisch.
Von
Wirkung
grösserer
türkischen Kriege
:
«
ist
eine Episode
So
Reihen die Unglücklichen eng an einander gepresst ihrer
hier.
aus dem russisch-
Halt der Kriegsgefangenen nach der Einnahme
Plewnas». Von sichelartigen Schneewolken überragt, sitzen
Aus
Und
unbegabt.
vielfach
aber, das sich an die ideale
der so realistischen,
haarigen Heilandsgestalt
man
Auge
hat Einzelheiten ge-
ist religiös
doch hat ihn sein Aufenthalt in Palästina religiöse Stoffe zu
Esel und Wereschagins
hinzugehören.
Er
ver-
in
und ermüdend.
arbeitende Phantasie
Idee ertränken.
Mauer,
Die Menschenmasse im
Vordergründe des Bildes, Römer, Juden, Frauen, Männer schiedensten Trachten, berührt
in
auch die Staub-
ist
sich an der hohen
die das Bild einerseits abschliesst, bricht.
Pferde
Schön
von Licht-
welche die drei Kreuze auf Golgatha
streifen durchhellte Luft,
wolke, die Uber eine
zu fassen
religiös.
dunklen Himmels
in dichten
in tiefem
Schnee.
gekrümmten Haltung, den heranfgezogenen Knien, den
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:
Wassili Wereschagin in Paris.
205
Mänteln und Kapuzen erkennt man den furchtbaren unterliegen: den Frost. Kein Feuer, kein Obdach,
steif gefrorenen
dem sie Noch- mehr leiden ihre unglücklichen Begleiter und Wächter zu Pferde. Vom Sturm erfasst, bestreben sich Ross und Das ist «gelebter» Reiter umsonst, demselben Stand zu halten.
Feind,
kein Brod!
Protest, kein theoretischer.
Ein kleines, überaus in
«
Erhängungstod
von dem so
sich
hübsch
Reizend auf
bei
ist
einer
auch
anderen
reichen
so
weiche
Schnee,
der
Bäume
Eindruck des sonneLeinwand: «Strasse in
der
Wol
Sonnenuntergang».
hat diesen künstlerisch
Hier wieder, wie schon greifbar
jener
gefärbte, laublose Geäst
das bräunlich
abhebt.
beschienenen Schnees
Smolensk
Russland»,
in
darunter gehört
gearbeitetes Bild
fein
gleichsam dazu: «Vorposten im Balkan».
keiner, Klever ausgenommen, Schmuck nordischen Bodens so
greifbar, so schmelzend, so leuchtend wiederzugeben verstanden wie
Wereschagin.
Sechzehn theils
kleine,
skizzenartige Gemälde, theils hingeworfen,
durchgeführt,
fein
spitzenartige
bilden
Baumgruppen
und «Gilgal», sehr hübsch
Studien
aus
Palästina.
Durch
zeichneu sich aus «Thal des Jordans» ist
auch das fast grau
in
grau gehaltene
«Grab Abrahams» diesen folgen «Gipfel des Thabor», «Samuels Grab», «Höhle zu Endor», «Bethsaida», «Gideons Brunnen», «Caper naum», «Bethel» und andere. «Das todte Meer», aus der Nähe Sodoms und Gomorrhas aufgenommen, sieht in seiner grünen Starr;
heit zwischen steiniger Hügellaudsehaft
einem Wasser,
als
kein
künstlerisches
«Brunnen in
mehr einer Wiese ähnlich
und «Jakobs Brunnen» hat historisches, aber
Zur
Interesse.
des Propheten Elias», «Ruinen
Sichern»,
Kategorie
selben
eines
gehören
Samaritertempels
«Altes jüdisches Felsengrabgewölbe» mit seinen
Aufnahme der Leichen bestimmten Nischen und «Kuppel der
zur heil.
Grabstätte».
In
zwiefacher
Wiedergabe
fesselt
Mauer Salomons».
«die
Hier niedriger, kleiner, länger gestreckt, erscheint von denen die ersten sechs
aus
sie dort kürzer,
Die Steinschichten,
gedrängter, doch höher, mit grösseren Gestalten.
den Zeiten Davids und Salomons
stammen, während die folgenden denen Herodots und der Muselmänner gehören, sind mit ausserordentlicher Sorgfalt und plastischer Deutlichkeit gemalt.
hätte
einförmig
Der Ton der prachtvollen wirken
Gras unterbrochen,
Steine, der
können, erscheint, von
durchaus
verschieden
in
so leicht
wild wucherndem
seinen
starken Ab-
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Wassili Wereschagin in Paris.
206
Beide Gemälde stellen den «Ort der Klagen» vor, einen
Stufungen.
der grossen Mauer, die den Tempel Salomons umringte. Hier versammelten sich, um ihre Klagelieder anzustimmen, die Juden am Gedenktage der Zerstörung Jerusalems, und hierher Theil
pilgern sie jetzt, so
es
oft
Grösse und Zersplitterung beiderlei Geschlechts,
dazu drängt,
sie
um
ihre verlorene
Juden jeden Alters und Herren Ländern, besonders
zu beweinen.
Juden aus
aller
aber aus Palästina, Mittelasien, Indien und Russland, flehen jammern-
den Tones zu Jehovah, sich
an die Brust schlagend, hin und her bewegend oder auch regungslos gegen die Mauer lehnend, ihr Haupt in die Hände bergend. Andere sitzen gebeugt auf grossen Steinen, alle aber scheinen sie ein
und andere Gestalten lischen
Hier
Gewändern Weib, das
ein
wirft, dort
von ihren Zügen.
in
Für wie
Ein alter Rabbiner
:
Volk
:
Leser
sitzt
Theuer
man
liest
!
auf einer leeren Tonne,
Bordeaux
trägt.
Interessant
ist,
Sitzen wir einsam und weinen.
Weil Weil Weil Weil Weil
:
:
viel ?
Fragmente der dort gesungenen Litaneien.
Weil der Palast verödet
Leser
Geberde an die Mauer
Betens müde, von ihren Geschäften
die, des
Gekauft?
welche die unveraeidliche Aufschrift sind auch die
und orienta-
sprechender Lebendigkeit festgehalten.
sich mit verzweifelter
zwei Männer,
zu reden scheinen.
Diese
grosses Leid ausweinen zu wollen.
in ihren langen, alttestamentlichen
sind
der Tempel zerstört die
ist,
Mauern umgeworfen
sind,
unsere Grösse geschwunden.
Tempels in Staub zerfallen, unsere Priester sich verirrt und den geraden Weg verloren, Weil unsere Könige Gott verleugnet,
Volk I-ieser
Volk
Sitzen wir einsam und weinen.
:
:
:
Leser
;
Volk
:
Leser
:
von Zion Hede nach dem Wunsch Jerusalems.
!
Zion, sei geschmückt mit Schönheit und Majestät Sei Jerusalem gnädig
1
Zion, finde deine Kunige
:
Volk
:
Leser
:
Volk
Wir flehen Dich an, erbarme Dich unser Und versammle die Kinder Jerusalems. Eile, eile Dich, oh Erlöser
Volk: Leser
die kostbaren Steine des
:
!
Tröste, die über Jerusalem klagen. Dass Friede und Freude in Jerusalem wiedergeboren werden Dass der Zweig aus Jerusalem wachse nnd blühe.
1
Zwei weitere Gemälde behandeln «Das Grab der Könige», von
Grabgewölbe
denen
das
erste
den Eingang,
das zweite das
selbst aufweist. Dieses Grab befindet Nähe von Jerusalem auf dem Wege nach Damaskus.
sich
in
der
Aus einem
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Wassili Wereschagin in Paris.
Vorhof
in
man den Steinsarkophag unter
sieht
Weintraube,
des
Sinnbild
mit
einer
wenngleich beschädigten Fries geschmückten traditionelle
einem
Wölbung
schönen,
Die
stehen.
Landes,
verheissenen
Der Eingang zum Hof, der
noch sichtbar.
207
umgebenen imposanten Hof gelangend,
den von Felsen
aus
kürzlich
ist
seinem
Felsen herausgehauen worden und mit einer monumentalen Treppe
versehen
ist,
weist durch seine röthlich gefärbte untere Steinschicht
auf Jahrzehnte langes Verweilen
Nach
und
anderen
einer
Erdreich hin.
in
richtigeren
Version
die
als
des
französischen Gelehrten de Saulcy enthält der Sarkophag nicht die
oder anderer israelitischer Könige, sondern die
Ueberreste Davids der
Kaiserin Helene
griechischen
und
Familie Pereire d’Adiabene erworben,
ihrer
sind
Von der
Familie.
sie
von dieser Frank-
reich geschenkt worden.
Eine Reihe von vier Gemälden behandelt den Berg, auf dem Christus versucht worden
Auf dem
ist.
hinweg
eine Mauer,
über die
des Berges,
in die Tiefe
Perspective gleich meisterhaft.
ersten
hohe Felsen, links
griechischer Mönch,
ein
schaut.
Wie immer,
Die
in
Bewohner
sind Steinton
und
den Felsen gehauene Thür
Anachoretenwohnnngen, wie man sie vielfach in dieser Felsengruppe findet und wie sie der Künstler auf dem führt in eine jener
zweiten Bilde dargestellt. Dass Christus in einer derselben seine 40 Fast- und Bettage verbracht, ist sehr annehmbar. Das dritte Bild zeigt uns die Küche der Mönche, das vierte ein mit Fresken geschmücktes Refectorium. Das erste Gemälde mit seiner schönen Felsenwand ist das bemerkenswertheste. Drei Gemälde haben Christus zum Gegenstände: «Christus in der Wüste», «Christus und Johannes au den Ufern des Jordan» und «Jesus am See Genezareth». In letzterem bilden die landschaftliche Schönheit, der tiefblaue See, das sich amphitheatralisch
am Horizont
erhebende Städtchen, die
in
«Christus
faltigem
Haar,
an
das
zum
den
sichtbaren Berge die Haupt-
Die Christusgestalt im Boot
anziehungskraft des Bildes.
schwindend, und
Vortheil des Ganzen.
Ufern
des
Jordan»
Anders
hervor.
In
ist vertritt sie
weissem,
Gewände, mit rothem, herabhängendem, jüdisch gescheiteltem er in gekrümmter Haltung neben dem ihm gleichDer ganze Schwerpunkt des Gemäldes fällt
sitzt
sehenden Johannes.
auf die beiden Männer ähneln den im
Sommer
;
auch in
ist die
Landschaft öde, die Sandhügel
Feldlagern aufgeworfenen Schiessscharten.
Doch vom «Messias», vom «Täufer» auch
hier nichts.
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Wassili Wereschagin
2ü8 Gleich uackt
In
als Idee
gefasst
«Christus in der Wüste».
der Hügellandschaft
grau-grünen Färbung
der
Paris.
in
ist
hebt
sich
die
einem schmalen Pfad einherwandelnde Gestalt ab wie Gedanken verloren, vor sich
weisse, auf
die eines einsamen Wanderers, der, in
Wie
hinschaut.
in allen Christusbildern,
verdeckt das lange, schlaffe
Haar
fast gänzlich Antlitz und Ausdruck. Ungemein lebendig und hübsch als Genrebild ist « Das Intiere eines Hofes», wie ihn sich Wereschagin zur Zeit Christi vorstellt. Es fehlt nichts, was man zum antiken Familienleben rechnen kann. Im Vordergründe zwei am Boden liegende, spielende Kindergestalteu, die eines Rubens würdig sind, im Hintergründe eine säugende Mutter mit zwei kleineren Kindern, in einer Mauervertiefüng Wäsche,
eine Männergruppe,
rechts
eine
links
Apostel
der
einer
ständigt
das
seiu
mit seltener Feinheit
selbst, vielleicht
Hühnergesellschaft
Eine
kann.
in
nach
sitzende Gestalt, die
den vorbenannten Bildern sehr wohl Christus
auch
vervoll-
Zeichnung und Ton ausge-
führte Gemälde.
Damit
ist die
Gruppe
grösste
Die aus Indien und
erschöpft.
Mittelasien stammenden sind in kleinerer Zahl, jedoch fast ausnahms-
von ausserordentlicher Schönheit, Genauigkeit der Ausführung und einem architektonisch sicheren Wurf, der nicht allein von
los
Wereschagins grosser Gewissenhaftigkeit auch von überraschender Sorgfalt erscheinen
alle
Fähigkeiten
des
in Vorstudien,
der Detailmalerei
Künstlers
sonderu
Licht
Farbensinn, Richtigkeit der Zeichnung, Schönheit der Form, heit,
Hier
zeugt.
hellstem
in
:
Wahr-
Leben.
«Fenster eines Monuments von Selim Sbisti» gehört zu einem Denkmal, das der Grossmogul Akbar über den sterblichen Ueberresten seines Freundes und Rathgebers, des noch von allen Mohame-
danern
Indiens
verehrten Selim Shisti,
Veranda gehende Fenster
Marmor mit Glasmosaik,
ist
gleich
errichtet. Das auf eiue dem Gebände aus weissein
die der Künstler
Schattenspiel meisterhaft wiedergegebeu.
mit
Man
seinem Licht- und
meint reiche, schwere
Brabanter Spitzen zu sehen.
Von
gleicher Schönheit ist die in zwiefacher
gestellte «Perlmoschee in
haft
Agra».
ausgeführte Steinmosaik
Fussböden
!
in seiner gleissenden
Ja, das sind Prachtstücke
Welch
Wie
der
Wiedergabe dar-
reizend,
Marmor
welch meisterder Bogen
und
Kälte und Glätte blinkt und blitzt
1
1
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Google
209
Wassili Wereschagin in Paris.
Ferner: ein Dieses
in
Haus
rothem Stein
ausgefiihrte
Nähe von Agra).
der
in Futtespore-Sikri (in
Gebäude
von solcher
sclieint
Massigkeit, dass die überaus feinen und koketten Einzelheiten dem-
das Aussehen
selben
nungen
in
geben,
Ein
Elfenbein geschnitzt.
man
hätte
als
die reizenden Zeich-
Gemach mit
solches
Ottomanen und Opiumrauchern hat Wereschagin
Das gedämpfte
Vollendung wiedergegeben.
Wände
zu verbreiten scheinen,
ist
seinen
hier in seiner ganzen
Licht, das
die rothen
von künstlerischer Wirkung.
im Landschaftliche Meisterwerke sind « Sonnenuntergang Himalaya«, «der Berg Kamchinjinga in den Wolken«, «Sonnenuntergang in Indien« und der dreifach wiedergegebene «Taj« in :
der Pracht seiner indischen Architektur und imposanten Grösse.
Der Taj
ist ein
vom Grossmogul Shah-Iclmu über dem (Labe Aus weissem errichteter Denkmalpalast.
Lieblingsgattin
seiner
Marmor,
ist
er von
oben
Cornaline und anderen
bezaubernder
Pracht
mit Lapis
unten
bis
lazuli, Malachit,
Mit ganz
geschmückt.
kostbaren Steinen
vom dunklen
hebt sich,
Griin
des Gartens
und reichem Blattpflanzenschmuck eingerahmt, der kuppelgeschmückte Mittelbau bei Morgenlicht in der ganzen Reinheit seiner Linien und
Der Taj am Abend, wieder
blendenden Marmorweisse ab.
grünen Rahmen, ist
eben so schön.
ist fast
Auf
in
seinem
der dritten Ansicht
in der
Wiedergabe des mächtigen Bauwerks nur
«Sonnenuntergang
im Himalaja» mit seinen ganz hell abgegrau auf tiefblau übergehenden Wolken,
Wereschagin
Architekt.
tönten Bergen und
von
ebenso das nachgenannte Gemälde mit den reizenden Baumgruppen
im Vordergründe und endlich «Sonnenuntergang keit in voller Natürlichkeit
Den Abschluss
seiner Geisteskinder
gehört.
Hier
ist
Man
gelebt,
er
hat
sie
Ausdruck. Farbe. Leben
den Matronenkopf gewickelten Seideutuch,
und ein Kupferschmied,
verfeinernder
theils
Zweig
bemei kenswerther,
besten getroffen sind Wereschagins
sieht es, der Künstler hat in
mit seinen derb gntmüthigen Zügen, sein
kutte
Indien« halten
fest.
ganze Reihe
Am
werthloser Porträts.
«russische Köpfe«.
und Tiefe
der Ausstellung bilden eine Anzahl russischer
Are.hitekturbilder und eine theils
in
schwer zu treffende Himmelsfärbung und Wolkenbeweglich-
die so
seines
in
dessen
der Mitte
sprechen, lachen, weinen !
Da
sind
ein
Schmied
Weib mit dem rund um ein Dwornik in Lederverfeinerten Zügen ein
Handwerks gleichsam
seine
Merkmale
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210
Wassili Wereschagin in Paris.
Er hat
gegraben.
Leben
sein ganzes
lang
in
Metallcocardeu
für
Militärmtitzen gearbeitet.
Von besonderer Züge
Plastik
Die
Eremit».
»Russischer
ein
ist
sind gewöhnlich, doch von jener bäuerisch-religiösen Ruhe, die
sturmloses,
Vegetiren
zufriedenes
Müller
kann.
erzeugen
allein
von Profession, wartet Bruder Wassian aus Kamenez-Podolsk nur den
Zeitpunkt
glücklichen
Dann
Kloster erbauen zu dürfen.
Windmühle
eine
ab,
will er ruhig
irgend
für
ein
an den Ufern des
heiligen Flusses sterben.
Nächst dem russischen Typus
ist
dem Künstler der jüdische Das
Mehrere Rabbiner sind von überraschender Treue.
gelungen.
Bildnis des Alten aus den westlichen Provinzen Russlands ist mit
Augen auf die etwas gebogene Nase gesunkenen Brille und dem langen weissen Bart voll Wahrheit. Er hat, wie viele seines Stammes es ihm
seinen tiefen Furchen, der von den stillen, klugen
gleich thun,
die heilige Stadt
beerdigt zu werden.
aufgesucht,
Gelockt durch
um im Thale Josaphat
den Glauben,
dass
die
dort
ruhen, zuerst auferstehen werden, hat die Bevölkerung Jerusalems in
den
letzten
Montefiore,
Jahren
und
Rothschild
stützungsanstalten
zugenommen.
ungemein
Bankherrschern
anderen worden,
eröffnet
Auch
sind
von
viele Unter-
grossen Zuspruch
die
haben.
Dadurch nun fühlte sich die türkische Regierung zum Befehl verJuden fortan nicht länger als 30 Tage im heiligen Lande bleiben dürfen. Offenbar fürchten sie das Land wieder in die Hände ihrer ehemaligen Bewohner fallen zu sehen, was einst anlasst, dass die
gewiss geschehen wird.
Zwei Rabbiner Weinnase, stellen mit
,
der
eine
ihren
lesend
südlich
,
andere
der
gebräunten
mit
rother
und accentuirten
Zügen Juden aus Jerusalem vor und schliessen die Studien des jüdischen Typus wirkungsvoll ab. Ihnen folgen noch weitere verschiedensten
Araberin
in
Charakters
:
ein
Araber
,
eine
ältere,
doch
schöne
weisser Kopfumhüllung, Eremiten aller Nationalitäten,
zwei Samojeden ähnliche Lamas aus Thibet von sprechender Gutmüthigkeit, Gefrässigkeit und Uncultur in Ausdruck, Haltung und
Kleidung, ein zur mongolischen Race gehörender -Bouthia aus Sik-
khim im Himalaja,
sein männlich aussehendes
Weib, ein mohameda-
nischer Hinduarbeiter und Andere.
Damit
Wird
ist
die Zeit
die
Gemäldeausstellung Wereschagins erschöpft.
seinem unverkennbaren,
doch
noch
nicht einheit-
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Wassili Wereschagin
liclien,
sich selbst
in
211
Paris.
noch nicht erkennenden Talent den rechten
Weg
weisen, oder sollte es ihm doch noch aufbewahrt sein, nicht allein
glänzend
wiederzugeben, sondern
auch zu
schaffen
—
etwas
mit
Fortreissendes zu schaffen ?
Wolfgang Paris,
Selbst.
im April 1888.
•Qi*
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Französische Emigranten
den
in
den
gehungen
letzten
Russland.
in
Jahren
so
seht-
und
zwischen Frankreich
auch die literarische Thätigkeit des ersteren
in
gesteigerten Be-
Russland hat
sich
gauz hervorragendem
Masse der Erforschung des Staates zugewandt, von welchem zur gegebenen
Stunde
der
Beistand
in
wunsches der rachedürsteudeu Nation
der Erfüllung
erwartet
nicht zuerst an Leroy-Beaulieus grosses
Werk und
Herzens-
des
wird.
sehr bemerkenswerthe Arbeiten in dieser Hinsicht vor.
Es
liegen
Wer
denkt
seines Bruders,
des Nationalökonomen, volkswirtschaftliche Studien über Russland,
an Graf Voguös Betrachtungen
über
die neue russische Literatur
und seine eigenen Novellen, die auf gründlicher Beobachtung russiLebens und Landes sich gestaltet haben. Rambaud hat
schen
seine Landsleute mit
einer
kurzgefassten,
ganz
brauchbaren Ge-
schichte des ihnen so interessanten Kaiserreichs bedacht und
P
Löonce
n g a ud Professor in Besannen, ist deu culturellen Wechselbeziehungen zwischen Russland und Frankreich nachgegangen, wie i
sie in
,
den
einzelnen Persönlichkeiten
beider Nationen
durch ihre
Einwanderung in den einen oder anderen Staat zu Tage getreten Sein Buch < Les Frangais an Russie et les Busses en France »
sind.
1836) ist eine höchst achtungswerthe Studie, mit grossem Geist und vorzüglich geschrieben. Sie beruht auf voller
(Paris, Didier,
Kenntnis beute
des
der
zahlreichen
pariser
russischen Publicationen
Staatsarchivs.
kennen gelernt, und da wir nun im schen Boten» von 1887
und der Aus-
Wir haben das Buch einmal 10.
Hefte des moskauer
einem Auszuge
»
Histori-
aus demselben begegnen,
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Französische Emigranten
213
Russland.
in
auf die Franzosen
nur
der sich jedoch
Russland
in
beschrankt,
stehen wir trotz seiner Dürftigkeit nicht an, denselben im wesent-
um
lichen zu reprodnciren, vorzüglich
Originalwerk
das
den und jenen der Leser auf
werden
Hier
hinzuweisen.
leider
nur
nackte
dem anmuthigen Beiwerk, mit dem
Thatsiichen geboten, nichts von
der Verfasser dieselben zu umkleiden und zu beleben weiss, nichts
von seinem anziehenden Urtheil, seiner Beleuchtung der jeweiligen Sein Buch ist uns zur Zeit nicht mehr zur Hand, und möge der Lückenbüsser seine Aufgabe nicht völlig verfehlen.
Sachlage. so
*
* *
Im
IG.
Jahrhundert
welche
Rede,
zum
ist
nach Russland
ersten
Male
von Franzosen die
oder
Ubersiedelten
wenigstens
nur Namen
werden
l&ngere Zeit zubrachten, doch
liier
genannt, ohne
dass irgend welche Einzelheiten oder erwälinenswerthe Thatsachen
So
an dieselben geknüpft sind.
geschieht
B. eines
z.
Kaufmannes
Michel Moucheron und eines Arztes Paul Citadin Erwähnung, die
Ende dieses Jahrhunderts in Russland lebten, ebenso sind die Namen, ja sogar die Denkwürdigkeiten zweier Abenteurer Pierre zu
de la Ville und Margeret erhalten, die als Krieger im Dienste des
Zaren standen. Einige Hugenotten, welche durch von Nantes ihre Heimat verlassen
Weg
nach Russland
versah
sie
laubte, in seinem
habe
in
ihm
Aufhebung des Edictes scheinen
erzählt,
russischen Heeres
und
Histoire de
dass
von
Pierre
diese
ihren
dieser erliess
eingewanderten Franzosen
den
er
I.
Heere Kriegsdienste zu nehmen.
seiner
auch
Der grosse Kurfürst
mit Empfehlungsbriefen an Peter
einen Ukas, durch welchen
jedoch
die
mussten,
genommen zu haben.
le
Grand
Hugenotten
12000 Mann
Wenn
er-
Voltaire
Lefort
versichert,
ein ganzes Drittel des
ansgemacht
hätten,
nach europäischer Weise bewaffnet und organisirt war
— so
welches scheint
uns das eine sehr übertriebene Angabe.
Es steht übrigens fest, dass einige dieser eingewanderten Hugenotten in Russland Fabriken begründeten, so z. B, Delannoy eine Krystall- und Spiegelfabrik, Montbrion eine Strumpfwirkerei, Loubattiö
eine
Waffenfabrik &c.
Franzosen Erwähnung, der
als
Ja,
es
geschieht
sogar
eines
Lehrer der Philosophie seine Arbeits-
Jugend widmete. Einige dieser Emigranten drangen bis an die Wolga, wo sie eine Colonie für sich bildeten, deren Bewohner der französische Reisende Lagarde kraft der Belehrung der russischen
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214 noch
Französische Emigranten
am Anfänge
in
Russland.
unseres Jahrhunderts die baskische Kleidung und
die umfänglichen
Perrücken ihrer Vorfahren tragen sah. Die Mehrzahl dieser ersten Emigranten scheint übrigens
Petersburg geblieben zu
sein,
wo wir
in
im Jahre 1720 eine
bereits
französische Kirche mit einem Pastor aus
Genf
antreffen.
Die Beziehungen zwischen Frankreich und Russland beginueu eigentlich erst mit
dem Anfang des
18.
Jahrhunderts lebhafter zu
werden, besonders nach der zweiten Reise Peters des Grossen durch
Europa.
Seit dieser Zeit begegnen wir jenen französischen Familien-
namen, die sich längst
in Russland das Bürgerrecht erworben haben und von Leuten getragen werden, welche in jeder Beziehung echte Russen sind.
Unter Peter Löpinau, Lambert,
dem Ersten
dienten
de Collonges &c.,
als
Ingenieure
als
Coulon,
:
der Graf de
Offiziere:
Brazas, der frühere Malteserritter Villeneuve-Traus, der ehemalige
ßarfüsser Cailleau.
Gelegentlich der
Gründung
einer Marineschule
in Petersburg
geschieht
Erziehers
an
1715
eines
dieser Anstalt
Erwähnung, der gleich vielen seiner Landsleute auf die Empfehlung des Bretonen V i 1 1 e b o i s welchen Peter auf seiner Reise von Holland nach England kennen und schätzen geSaint-Hilaire
,
lernt hatte, aus der
französischen
iu
die russische Flotte ttberge-
Auch auf dem Gebiete der Wissenschaften und Künste war der grosse Reformator bestrebt, hervorragende Kräfte aus Frankreich, der Heimat des guten Geschmacks und der verfeinerten Eleganz, für sein Reich zu gewinnen. Der zu jener Zeit wohltreten war.
bekannte Architekt Leblond folgte der Einladung des Kaisers und trat für einen
jährlichen Gehalt
von 20000 Livres (für damalige
bedeutende Summe) dem Vorbilde des Palastes von
Verhältnisse eine
in
nach
Versailles
russische Dienste,
wo
er
Peterhof das
in
Palais erbaute, die Pläne für die umliegenden Gärten entwarf und
den Pavillon Marly (gleichfalls nach französischem Vorbilde) inmitten der spiegelklaren, ewig ruhigen Teiche herrichtete.
Begünstigt von
diesem Architekten wurde der unternehmungslustige Kunstindustrielle Bourdin, welcher den Versuch machte, in der
burg eine Teppichfabrik ä
la
Gobelin zu
Umgegend von
errichten,
die
Peters-
aber nur
kurze Zeit bestand und bald vollständig einging.
Nach dem Tode Peters des Grossen tritt wanderung und damit auch der französische wickelung
der
grund
fast allen
;
in
russischen Oultur
für
die französische Ein-
Einfluss auf die Ent-
einige Zeit
in
den Hinter-
Zweigen der Verwaltung, des Kriegsdienstes
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Französische Emigranten
in
215
Russland
und der Gelehrsamkeit werden Deutsche bevorzugt und als pünktliche Ausführer der Absichten der herrschenden Partei begünstigt. Durch kostspielige Bekanntmachungen »in den Couranten» (Zeitungen) werden sie autgefordert, in die Dienste der russischen Regierung der Aegide Birons, Müunichs, Ostermanns
zu treten, die ja unter
zum grossen Theil aus Deutschen bestand und jene Antipathien gegen das deutsche Wesen unter dem russischen Volke weckten, welche leider bis jetzt noch nicht ganz geschwunden sind. daher
Unter der Regierung der Kaiserin Anna Iwanowna sind es nur einige wenige französische Namen, welche neben der
Legion deutscher Einwanderer Erwähnung verdienen, der
Delisle,
z.
B. Nicolas
Verbindung mit der Petersburger Akademie der für russische Astronomen zu grüuden
in
Wissenschaften eine Schule
Ferner der katholische Priester und Jansenist Jube
beabsichtigt.
de la Cour, welcher als geheimer Agent der römischen Curie
Papste des ist
die
heil.
Vollmacht
erhält,
Stuhles näher
die
russische Kirche
zu bringen.
dem
vom
Einfluss
Drei Jahre lang (1728—31)
der schlaue Franzose in dieser Richtung thätig und entwickelt,
geschützt von
der Fürstin Irina Dolgoruki (welche während ihres
vieljährigen Aufenthaltes im Auslande treten war) alle
—
reichen
zum Katholicismus
denkbaren Anstrengungen,
schliesslich bringt er es jedoch
um
sein Ziel
überge-
zu
er-
nur dahin, dass er ans
Russland verbannt wird.
sten
reich
Die Tochter Peters des Grossen, Elisabeth, war von der früheJ ugend an unter dem Einfluss lebhafter Sympathien für Frankund den glänzenden Hof von Versailles erzogen worden, zu
dessen einstiger Königin sie von ihrem kaiserlichen Vater bestimmt
war.
In der ‘Gazette de la rvgence > (publice par E. de Barthclemy,
Paris, 1887) fehlt es nicht an directen Hinweisen darauf, dass der
Zar bei seiner Anwesenheit in Paris 1717 dem Regenten nicht nur ein Bündnis zwischen Frankreich und Russland anbot, um seine im nordischen Kriege gemachten Eroberungen zu sichern und Frankreich von jeder näheren Verbindung mit Schweden zurückzuhalteu, sondern auch dem Gedanken einer Verheiratung seiner Tochter letztere
freute
Elisabeth
mit
Ludwig XV. Ausdruck verlieh. Dieser immer wieder auf und erZustimmung Elisabeth Petrownas, deren
Plan tauchte auch späterhin sich
der
vollen
schwere Jugendgeschicke, deren muntere leichtlebige Natur es begreiflich erscheinen lassen,
wenn
sie sich stets
mehr zu den
liebens-
Digitized
Französische Emigranten in Russland.
216
würdigen Franzosen fühlte, die
den verhassten Deutschen
als zu
überdies
der
sich
hingezogen
der sogenannten
feindlichen Partei
«Braunschweigschen» Dynastie angeschlossen hatten.
Der Enkel
eines hugenottischen Flüchtlings, Lestocq, und der
französische Gesandte de la Chetardie hatten nicht wenig dazu beischliesslich den Thron ihres Vaters beund die russische Regierung unter dieser Kaiserin ihre VorFrankreich zur Schau trug, während sie die aufkeimende
getragen, dass Elisabeth stieg
liebe für
Machtstellung Preussens durch Theilnahme
Am
niederzuhalten bestrebt war.
am
russischen
siebenjährigen Kriege
Hofe
fehlte es nicht
an französischen Diplomaten, welche die persönliche Sympathie der Kaiserin Elisabeth für alles Französische zu Gunsten
der Politik
Ludwigs XV. auszubeuten bestrebt waren. Der merkwürdigste unter ihnen war wol jener Chevalier d’Eon. ein sonderbares Zwittergeschöpf, der bald als
N
c h t e des französischen Gesandten, bald
i
um
als Secretär desselben vor der Kaiserin erschien,
ihr wichtige,
chiff'rirte politische
Depeschen zu
überreichen oder den Schlüssel zu diesen Chiffren in
dem Einbande
«zu eigenen Händen» adressirte,
eines prachtvoll ausgestatteten
des
bis
1758)
;
der
seiner Staffelei
Exemplars von Montesquieus
«
Esprit
Als geheime Agenten Ludwigs XV. erder Maler Tocque (1757
Lois> darzubringen.
schienen ferner
der Arzt Poissonier und letztere sass,
verstand
ihr
es,
während
politischen Pläne
die
vor
die Kaiserin
der
französischen
Diplomatie zugänglich zu machen.
Es
hiesse
wir hier die
die
Geduld
lange Reihe
des Lesers
unnöthig
wenn
ermüden,
französischer Einwanderer wiedergeben
wollten, welche unter der Regierung der Kaiserin Elisabeth
oder weniger bedeutende Handelsbeziehungen zwischen
Reichen begründeten.
Wir erwähnen
mehr
den beiden
beispielsweise nur des reichen
Kaufherrn Michel aus Bordeaux, der zuerst eine regelmässige Verbindung seiner Vaterstadt mit den Ostseehäfen herzustellen bemüht war, und der Firma Raimbert. die allmählich den gesummten Handel mit französischen Weinen und Galanteriewaaren beherrschte. die
Akademie der Künste
in
Petersburg
begründet
wird,
Als ist
es
Vallin de la Mothe, der sich an der Erbauung derselben betheiligt,
während der Bildhauer Gillet und die Maler le Lorrain und Lagrenee unter den ersten Professoren an dieser Pflanzstätte russischer Kunst genannt werden.
Der auf
die.
Einfluss, den die pseudo-klassische Literatur der
junge russische Literatur ausübte,
ist
Franzosen
zu bekannt, als dass
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Französische Emigranten
217
Russland.
in
wir auf denselben noch besonders hinzu weisen brauchten:
Tredja-
kowski, Ssumarokow, ja selbst Lomonossow konnten sich von der
Nachahmung
französischer Dichter
geisterte Verehrer
Schuwalow
stets
Kaiserin
die
gewesen
die blosse Lectüre
nicht
sowol,
frei
als
machen,
deren be-
Iwan mehr
Günstling
ihr
Raid genügte
sind.
ihnen
nicht
der französischen Dramen, eine Truppe pariser
wo der Hof
Schauspieler ward nach Petersburg geladen,
hoher
bei
Geldstrafe verpflichtet wurde, ihren Vorstellungen beizuwohnen.
Um
der Liebhaberei der Kaiserin für das französische Theater
noch höherem Grade zu genügen, versuchte es Schuwalow, wiewol vergeblich, einige der berühmtesten Schauspieler jener Zeit
in
bewegen,
dazu zu
der «nordischen Palmyra»
suchs zu Theil werden zu lassen Clairon konnten
sich
nicht
:
Ehre
die
ihres Be-
Lekain sowol wie Mademoiselle
entschliessen,
ihr
geliebtes Paris zu
verlassen. Dagegen verstand sich Voltaire dazu, den Wünschen Schuwalows entsprechend, seine Geschichte Peters des Grossen ganz in dem Sinne zu schreiben, welcher dem Geschmack des russischen Hofes entsprach. Vermuthlich hielt es der Weise von Feruey eben nicht für noth wendig «mit den Bewohnern der nordischen Residenz viel Umstände zu machen, er glaubte es daher mit der historischeu Wahrheit nicht
gar zu genau nehmen zu müssen und ihren Beifall leicht wenn er nur ihrer Eigenliebe schmeichelte». In
gewinnen,
zu
seiner Vorrede
macht er aus dieser Auffassung denn auch kein «Nicht jede Wahrheit darf man offen aus-
Geheimnis und sagt:
Schuwalow schrieb er (am 21. Sept. 1760) geradezu «Dictiren Sie mir nur, was ich schreiben soll !» Es versteht sich fast von selbst, dass während der Regierung der Kaiserin Elisabeth auch eine Menge französischer Abenteurer hier ihr Glück zu machen oder wenigin Russland erschien, um In ihre Heimat zurückgekehrt, verfehlten sie stens zu suchen. dann auch nicht, das ferne, von ihnen eilig durchstreifte Land
sprechen», und
:
zu
Landsleuten
ihren
zuschreiben, in
schildern
denen die
Denkwürdigkeiten
und
fabelhaftesten
nieder-
Dinge über Russland
be-
Als Beispiel für das Auftauchen solcher meteorartiger Erscheinungen sei hier auf den ehemaligen Rath des Parlaments zu Metz, Tschudi, hingewiesen, welcher in einer Broschüre
richtet
das
wurden.
Freimaurerthum
gegen
Schutz genommen hatte und
Russland entwichen war.
Namen
eines Chevalier
B»ltl»ch»
UonaUxcUiin
de
päpstlichen
die
—
Hier
erschien
Lussy
Rind XXXV, Hoft
Verurtheilungen
mit der Bastille
3.
in
er
bedroht
unter
Moskau und
—
in
nach
dem erdachten fignrirte
als
15
Digitlzed by
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Französische Emigranten in Russland.
218
Privatsecretär des Grafen Stroganow, dann trat er als Schauspieler in der
bei
Comidie fravrnisc zu Petersburg auf, um später als Secretär angestellt zu werden, der ihn um seines
Iwan Schnwalow
wegen
munteren, fröhlichen Charakters willen und
Dem
kenntnisse ganz besonders schätzte.
seiner Sprach-
Einflüsse des kaiserlichen
Günstlings hatte Tsehudi es zu verdanken, dass er als Hofmeister
im Pagencorps
aufgab, um
eine Anstellung
das
erste
fand,
auf die unbeständige Natur den
dann
Katharina rich II.,
Leben zu beenden
(f
1740).
II.
war, gleich ihrem
Volkes
der «Semiramis
lebhafter
Be-
des
aller Anerkennung der Vorzüge auch für die aufMängel im Charakter der «grossen Nation» ein offenes
Sie verstand es vortrefflich, aus ihren mannichfaltigen
hatte.
Beziehungen zu
den
allen
fast
Nutzen
zu
russischen Reiche
jedoch eine
hervorragenden Franzosen
wurde
;
Niemals überschritt
konnten.
niemals
erlaubte
einer wohl organisirten
Einwanderer
ihres Zeit-
den dieselben ihr persönlich oder
ziehen,
bringen
gewisse Grenze,
zum Schauplatz sische
in
dennoch war der Nordens» so bedeutend,
erwachsen;
bei
fallenden
dem
grossen Zeitgenossen Fried-
Ursprungs
deutschen
ihres
um
für französische Sitten und Begrift'e, wie für die geist-
kritische Scharfsinn
alters
er zu
der Bastille absitzen,
dieses
Auge
nicht,
in
vollen Schriftsteller
dass sie
so dass
schien.
seine Strafzeit
erst
ungeachtet
wunderung
auch
flbel
passen
auf die Dauer
es
Heimat zurückgesandt wurde.
vierziger Jahre in seine
friedlich sein
zu
anzubequemen,
russischen Verhältnissen
Anfang der
Hier musste er
Petersburg «Lc
in
des Herausgebers
Der abenteuerliche Redacteur verstand sich
jedoch bald wieder
er
die
Journal
französische
herauszugeben, ein Name, der nicht
Catnilfion lUlcraire »
auch
ist
sie,
sie
dass Russland
Ausbeutung durch franzö-
sie
nie
dem französischen
Staate geneigt gewesen.
Aus
ihren Briefen, wie aus den von ihr verfassten Lustspielen
Hessen sich zahlreiche Stellen Bosheit
sich
Franzosen
über
die
denen
citiren, in
und
Sonderbarkeiten
sie voll geistreicher
die
Prablsucht der
lustig macht.
Bei der Staatsumwälzung, durch welche Katharina den Thron bestieg,
Villebois
sind
und
zwei Franzosen betheiligt
der Chef der Artillerie
;
der Haarkünstler Bressan;
hierbei spielten, trat jedoch
Katharinas gänzlich
in
hinter
der
den Hintergrund.
die
der
Rolle,
russischen
Von
welche
sie
Anhänger
grösserer Wichtig-
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Französische Emigranten keit
waren
die
Beziehungen
219
Russland.
in
zu
der Kaiserin
den
bedeutendsten
Dichtem, Philosophen und Gelehrten Frankreichs, welche ihrerseits dem Throne» in allen Tonarten in den Himmel
die «Philosophin auf
hohen und
in
Prosa und Poesie zu lobpreisen nicht müde wurden,
so dass Voltaire sich noch lange nicht
auf die höchste Stufe der
Schmeichelei erhoben hatte, wenn er ausrief:
du Kord aujonrd'hui que nous vient ln lumirre /> Seinem Beispiel folgten La Harpe und Dorat., welche Katha*
C'est
rina begeisterte schrieb,
der
Oden widmeten, Diderot, der
Thomas, welcher
sie
in
für sie seine «Salons»
seiner «Petreide»
ihre orientalische Politik verherrlichte
dem jungen Dauphin
pries;
Volney,
Mercier, welcher
;
die
Der Abbü Roman widmete Katharina seine Dichtung Uber die Pockenimpfung und der Abbe de Lubersac benutzte in seinem Traetat, «Ueber den Nutzen der Reisen für die Monarchen» die Erwähnung
weise Herrscherin
Muster
als
hinstellte.
Peters des Grossen dazu, seiner würdigen Nachfolgerin die begeistertsten
Huldigungen
für ihre grossen Verdienste
Suard hatte Recht,
zubringen.
«Wenn
1814 sagte:
wenn
er
um
ihren Staat dar-
dem Kaiser Alexander
erhabene Grossmutter
Ihre
Russland die
in
Unsterblichkeit verdient hat, so hat sie in Frankreich sie erlangt.»
Wir
nur
erinnern
den Vorschlag machen
noch
liess,
dass Katharina d’Alembert
daran,
von 100000
gegen einen Jahrgehalt
Livres die Erziehung des Grossfürsten-Thronfolgers zu übernehmen dass sie Diderot für eine
bedeutende
Summe
;
seine Bibliothek ab-
Verwaltung ihm für eine jährliche Pension überlassen blieb; dass sie endlich Buffon eine Reihe von Fragen vorlegte, welche dieser durch Uebersendung seiner sämmtliehen Werke be. antwortete und als Gegengeschenk für eine ihm von der Kaiserin geschenkte Medaillensammlung ihr seine Büste übersandte, deren kaufte, deren
Ueberbringer sein eigener Sohn war.
Neben
dieser
allerdings
weniger
französischer Lohredner
stattlichen Reihe
Verehrer Katharinas
fehlte
es
jedoch
berühmten Söhnen
auch
über die russischen Verhältnisse jener Zeit
schmähender Weise aussprachen.
nicht
an
der hrlle France
in tadelnder,
Rulhiere, Secretär
und
einzelnen, ,
die
sich
mitunter
der französi-
schen Gesandtschaft zu St. Petersburg, schilderte die Hauptpersonen der Staatsumwälzung
von 1762
Weise, Sabatier de Cabres
in
liefert eine
recht
wenig schmeichelhafter
wahrheitsgetreue Beschreibung
der schrecklichen Entbehrungen und der entsetzlichen Miswirthschaft in
Moskau während der Zeit der
Pest,
und
Hungersnoth 1771, 15*
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220
Französische Emigranten in Russland.
Chappe-d’Auteroche
endlich
hielt
nicht
es
für notli wendig, seine
Reisebeschreibung von Petersburg bis Tobolsk (wo er im Aufträge der Akademie den Durchgang der Venus durch die Sonne beobachten sollte)
mit den üblichen Schmeicheleien und Lobpreisungen
schmücken, sondern zeigte die Lage des Volkes
auszu-
recht düsterer
in
Färbung.
Nach diesem
flüchtigen Ueberblick der lebhaften und mannich-
faltigen Beziehungen, welche im Zeitalter Katharinas II. zwischen
Russland und Frankreich bestanden, versteht es sich dass
Massen
ganze
strömten,
um
fast
von selbst,
Emigranten nach Petersburg machen und das «russische Volk mit
französischer
hier Carriere zu
den Segnungen westeuropäischer Cultur zu beglüeken>. Der National-
ökonom Mercier de
Riviere
la
erschien
einem
mit
ausführlichen
Plan grossartiger Reformen, überreichte denselben der Kaiserin und schien seine sofortige Ernennung zu irgend einem höheren Posten zu erwarten. Katharina sah jedoch seine Vorschläge ganz « Dieser Herr und gekommen, um uns anzuzeigen, wie man auf den Hinterfüssen stehen kann > Einem anderen theoretischen Administrator Senac de Meilhan ging es nicht besser, als er beim Ausbruch der Revolution nach Russland flüchtete und hier naiv genug war, die Aeusseruug fallen
anders an und sagte lachend zu ihren Vertrauten
:
scheint sich einzubilden, dass wir noch auf allen Vieren gehen, ist
hierher
!
zu lassen, er oder
eines
sei nicht
abgeneigt, den Posten eines Finanzmiuisters
russischen Gesandten
in
Konstantinopel
nur müsse er sich das Recht Vorbehalten, gänzlich
anzunehmen, nach
eigenem
Ermessen handeln zu dürfen! . Katharina war grossmüthig genug, diese alberne Bemerkung zu überhören und beauftragte S6nac, nach einem von ihr entworfenen diese erwies sich Plan eine Geschichte Russlands zu schreiben jedoch als so vollständig ungenügend und unter aller Kritik ober.
.
;
flächlich zusammengestellt, dass die Kaiserin schliesslich froh war,
nls
Senac de Meilhan Russland
ein .Tahrgeld
in
in
welcher er
kritischen Ausspruch Katharinas:
gewisser Dinge bei
manchen
nachdem ihm allergnädigst
könnte
seiner
Auch der
Petersburg führte trotz aller Gunstbezeugungen
und der Vertraulichkeit,
dem
verliess,
von 1200 Rubeln ausgesetzt worden war.
Besuch Diderots
man
mit der Kaiserin lebte, zu
«Nach
seiner Beurtheilung
glauben, Diderot
sei
theoretischen Behauptungen
100 Jahre
alt,
man
ihn
könnte
jedoch für einen 10jährigen Knaben halten!»
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Französische Emigranten
Ganz andere verstand Franzosen zu schätzen ernste Gelehrte
oder
es die
und
Russland
iu
begabte
221
Russland.
in
grosse Herrscherin, diejenigen
Künstler
festzuhalten,
von
sich
welche als
phantastischen
Projecten und weitschweifigen Plänen fern hielten. Als Daguesseau, ein
junger Gelehrter und Verwandter des französischen Gesandten
Sögur, in Petersburg erschien,
um
sich mit der russischen Gesetz-
gebung bekannt zu machen, wurden ihm
alle nöthigen
zu dieser Arbeit bereitwilligst geliefert, und
selbst
Materialien
Potemkin
ver-
Der Maler Greuze und der Bildhauer Jean Antoine Houdon (1741 1828) folgteu zwar nicht der Einladung der Kaiserin, nach Petersburg zu kommen, führten jedoch mehrfach Arbeiten für sie aus, die in der Eremitage aufbewahrt werden. Besonders die Büste Voltaires schmähte es
ihm einige Erklärungen zu geben.
nicht,
—
im runden Saale der Kaiserlichen Oeffeutlichen Bibliothek hat deu
Namen Houdons
zu der verdienten Berühmtheit verholfen; er war
es auch, der eine
Anzahl anderer französischer Künstler dazu vernach dem fernen Norden anzutreten, um als
Reise
die
anlasste,
Lehrer an der 1765 erweiterten Akademie der Künste eine sichere zu
Stellung
finden.
Graveure
Die
und Leprince,
Vernier
der
Emailkünstler C'arteaux, endlich der Bildhauer Falconet und seine taleutvoile
Newa, wo
Schülerin
Collot
an
erschienen
die beiden letzteren sich in
den
dem prächtigen
Ufern
der
Reiterstand-
Grossen ein unvergessliches Denkmal setzten.
bilde Peters des
Gleichzeitig
Barrale
Anne
erwarben
sich
einige
Industrielle,
und die Gebrüder Anthoine, ersterer
Stahl waarenfabrik in Onega,
letztere
durch
als
die
wie
z.
B.
Begründer einer
Anknüpfung von
zwischen den Häfen Südfrankreiehs und des Schwarzen Meeres, nicht unerhebliche Verdienste um die Entwickelung der russischen Industrie. Dank solchen erfolgreichen Unternehmungen wuchs der Zufluss französischer Einwanderer mehr und mehr, während gleichzeitig unter ihnen auch die Vertreter schlechter Elemente Zunahmen, so dass ein französischer Reisender < Petersburg und Moskau werden von jener Zeiten klagen konnte Massen unserer Landsleute förmlich belagert, welche die Heimat
Handelsbeziehungen
:
verlassen,
um
zu entgehen.
verdienter
Wir waren
scher Grandseigneurs
oder
polizeilichen
zu
Verfolgungen
nicht wenig erstaunt, im Kreise russi-
ehemaligen Deserteuren,
dunklen Industrierittern hier Carriöre
Strafe
ßankroteuren
begegnen, die unter
zu machen suchten.»
falschen
und
Namen
Diderot versichert, unter diesen
Einwanderern Personen angetroffen zu haben, welche zu deu noch die kritische Analyse eines Manuscripts
der dorpater Universitätsbibliothek:
von
schen Gebietiger
Klagepunkte der Inländigegen den Hoch-
die
der westfälischen Partei
dem Jahre 1439, durch Dr. Aufsatz über die rigaschen Kannen-
meister Paul von Russdorf, etwa aus
Philipp Schwartz, giesser
W
von Prof.
Bienemanns
zu
i
1
einen
St
h.
i
e d
und einen Nachtrag Dr. Fr. und Urkunden» aus dem
a
«Briefen
seinen
Archiv der grossen Gilde zu Reval,
ihm
die
s.
Z. von Dr. Herrn.
Hildebrand freundlichst überlassen worden.
Der
13.
Gesellschaft Festschrift
Dr.
Band der «Verhandlungen» der Gelehrten Estnischen
ist
zu deren 50jähriger Jubelfeier als
436
von
Zum
ausgegeben.
S.
Leopold von Schröders,
sehr stattliche
Hauptinhalt
hat
er
nachdem auch selbständig
als
Buch erschienene, grosse Arbeit « Die Hochzeitsgebräuche der Esten und einiger anderer finnisch-ugrischer Völkerschaften in Vergleichung :
Unter den übrigen Aufsätzen, von denen drei der Steinsetzung zu Türsei in Allentaken gewidmet sind, der letzte einen Brief des Reisenden Tabbertmit denen der indogermanischen Völker».
Strahlenburg
vom Jahre
Bibliothekar
B.
C.
bringt
,
Thätigkeit des Verewigten,
Das Bild des um
die
das
dürfte
reichhaltigsten Beilagen
versehen mit
vom
1725, herausgegeben und eingeleitet
Cordt
Grewingks von seinem Jugendfreunde
Prof. em.
über
die
Lebensbild
wissenschaftliche
allgemeinste Theilnahme
die Gesellschaft
Prof.
Carl Schmidt, erregen.
hochverdienten Begründers der
prähistorischen Forschung in unseren Provinzen schmückt den Band.
Auch der «Jahresbericht dieser Charakter
zwölf Tafeln
mit
der Felliner
litterarischen
Gesell-
eben erwähnten Jubelfeier gewidmet,
schaft» ist als Festgabe der
und
eignet
ihm
ausgezeichneten
durch
die
Beilage von
reiche
Lichtdruckbildern,
einer
will-
kommenen Erläuterung zum vortrefflichen Aufsatze Th. v. R e k hoffs über Liborius Bergmann in den JJ. 1774 1778, den in i
—
Deutschland
,
Bildungsjahren
vor
allem
des
Seinen herzlichen
1823
Dank
in
Leipzig
verbrachten
verstorbenen
für den
rigaschen
akademischen Oberpastors.
ihm bereiteten Genuss
will Ref'.
Digitized by
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256
Notizen.
dadurch bezeugen, dass er ein
Stammbuch
in
in
seinem Besitze befindliches altes
ähnlicher Weise bearbeitet.
sich ergeben, in wie geistvoller
Auch aus diesem wird
nutzbringender Weise unsere
und
jungen Landsleute ihre Bildungsreise benutzten und wie verschieden doch
wieder
auch
ihre Beziehungen
und
Geistesrichtungen
sich
gestalteten.
Fr. B.
5'D-T«v»'-
Hcransgeber
:
R. \V eins.
—
Verantwortlicher Reditctenr
Ackirojoiio neu:typox>.
—
Peuejb, 2-ro Ikmh
Qedrarlt bni I.lntWotV
Er>»»-n in
:
Holländer.
H.
188S
r.
It«u!.
Digitlzed by
Google
)
Die Bauernbefreiung
nachfolgenden Seiten trifft
wundervolle
,
ausschliesslich
in
bilden,
einen
Georg Fried
Werk von
Preussen.
was
alles
Thatsächliche
Inhaltsbericht
Knapp:
r.
über
das
Die Bauern-
befreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den alteren Theilen Preussens.
(2 Theile, Leipzig,
Duncker & Humblot.
1887.
Gr.
8.
In ihm ist zum ersten Mal auf Grund archivalischer Forschungen dargelegt, welche Bemühungen schon im vorigen Jahrhundert die preussischeu Könige auf das grosse Werk, die hörigen
M. 16
.
Bauern zu emancipiren, verwandten, wie essen des Adels diese ihrer
Wirkung
Bauernstandes die
die selbstsüchtigen Inter-
Bemühungen aufzuhalten und
schliesslich in
für die Schaffung eines möglichst zahlreichen freien
zu
grossentheils
paralysiren
Hardenbergsche Gesetzgebung, indem
wussten, wie endlich
sie diesen
Bestrebungen
manchen Strahl aus dem Glorienschein Einzelne Punkte der von Knapp geschilderten Vorgänge gaben dem Verfasser Veranlassung zu den
des Adels Vorschub leistete,
ihres Liberalismus einbüsst.
eingestreuten
Betrachtungen.
socialistischen
Die äusserliche Freiheit des Menschen kann in dreierlei Bees kann ihm die Verfügung über seine
ziehungen beschrankt werden
:
Person, über seine Leistungen, über seinen Besitz
genommen werden.
Als eine Verschärfung der Abhängigkeit, welche sich an jede ihrer
Formen
heften kann, erscheint die Erblichkeit derselben.
D-iHImI.i' Vonalwrhrirt.
Ilnn.l
XXXV,
llitfl 4.
18
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Die Bauernbefreiung
258
in
Preusseu.
Sehr verschiedenartige Masse und Mischungen dieser Möglichkeiten sind es, in denen wir in Preussen den Bauern gegenüber seinem Gutsherrn zu der Zeit antreffen, als die Fürsorge der preussiselieii
Könige
anfangs des
sich
18.
der Regulirung der Verhältnisse
Jahrhunderts zum ersten Male
zwischen Bauern und Gutsherrn
zuwandte.
Die Leibeigenschaft der romanischen und germanischen Länder ist
man vermuthet
keineswegs, wie
hat, ein
Nachkomme
oder Ueber-
sie ist vielmehr nach Vervollkommene Neubildung, wie sie sich, selbst von ursprünglich freiheitlichen Grundlagen aus, überall da ausbilden muss, wo die oberste Staatsgewalt schwach genug ist, um den Differenzirungsprocess zwischen Starken und Schwachen
bleibsel der vorchristlichen Sclaverei
schwinden dieser letzteren
'
;
eine
blos natürlicher Lauf dahin immer stärker und der Schwache immer Der Centralgewalt als solcher muss die Integrirung der Bestandtheile des Staates ebenso oder mehr am Herzen liegen als ihre Differenzirung wie sehr es nur ein Mangel an Macht (manchmal auch wol an richtiger Einsicht) war, aus dem
ungehindert walten zu lassen, dessen der Starke
führt, dass
schwächer wird.
;
die
Regierungen Westeuropas
Process duldeten, offenbart der Leibeigenschaft
dazu
die äussere Möglichkeit
Der Bauer d. h.
ungefähr bis
in
den
zum
zur Leibeigenschaft
den
sich
begünstigten
darin,
oder
sie
die
führenden
Aufhebung sobald sich
zeigte.
preussischen
15.
dass
herbeiführten,
Landen
war ursprünglich,
oder IG. Jahrhundert, ein freier Mann,
der weder in Bezug auf Leistungen, noch auf Eigenthum und seiue
Vererbung anders schränkt war.
als durch sein Verhältnis
zum Landesherrn
be-
Zwischen diesen und ihn schiebt sich erst allmählich bewogen durch
die neue Instanz des Grundherrn, indem der Bauer, .
die Unsicherheit der öffentlichen Zustände, die seine Existenz über-
haupt oder durch den Kriegsdienst, der wenigstens seine wirschaftliche Existenz bedrohte, Schutz gegen jene und Abnahme dieses
von dem ihm benachbarten Ritter heischte und sich dafür als ihm Grund und Boden als von ihm zu Lehn empfangen
zugehörig, seinen
anerkannte
;
oder auch der Landesherr belehnte seinen Ritter mit
einem Gebiete, welches Bauerndörfer umfasste oder mit einem solchen, auf das jener erst Bauern herbeirief. Interessanter ist eine andere Entwickelung, die davon ausgeht, dass der Landesherr einem Edelmann nur gewisse hoheitliche Rechte über Steuern, Leistungen und Besitz des Bauern abtritt.
Da
nun jener als Ritter, als relativ
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Die Bauernbefreiung
259
Preussen.
in
Mann, meist auch als Gerichtsherr, eine grosse ^tatsächliche Macht dem Bauern gegenüber darstellt, so bedurfte es begreiflich genug nur geringer gesetzmässiger Einschränkungen der bäuerlichen Freiheit zu Gunsten jenes, um ihm als Sprungbrett zu immer weiteren Einschränkungen und Ausnutzungen des Bauern zu dienen. reicher
Diese
gingen
indess,
so
viel
Leibeigenschaft im strengsten Sinn
;
wir
wissen,
—
Frohneu
an
von der
dem
es
;
zur
— selbst bei den sogenannten ungemessenen
wisse Grenze der Arbeit
gehörten, und von
fast nie bis
sich immer nur gab immer eine ge-
handelte
es
um Leistungen und Besitzbeschränkungen die
Früchte
derselben
dem Bauer
selbst
willkürlichen Schalten über die Person des-
Epoche bei den französischen Edelleuten bis zum Verkauf und unbeschränktem Misbandeln ihrer Unterthanen ging, hören wir in Preussen so gut wie nie. selben, die in derselben
Am
verständlichsten erscheint die allmähliche Steigerung der
Frohnen
Daraus entstanden, dass der Landesherr den Wagendienst,
den die Bauern ihm schuldeten, abgab, oder des Grundherrn oder überhaupt
dass
die Ueberlassung
sie
den Schutz
des
diesem ge-
hörigen Bodens mit Beihilfe zur Bestellung seines Ackers bezahlten,
waren
dem ursprünglich geringen Umfang des Gutes nur wenig merkbar. Als aber mit dem ritterlichen Berufes der Edelmann sich auf die
Frohnen
die
herrschaftlichen
Aussterben
des
Vergrösserung
bei
seiner
warf und
Landwirthschaft
sie
durch
Be-
lehnungen, Einziehen wüster Stellen, Auskaufen anderer, auch wol
durch Gewaltthat erreichte und die Zahl der Bauernstellen dadurch verkleinerte, mussten
Aufgabe mit Die Unsicherheit der da-
die Bleibenden eine gesteigerte
einer geminderten Personenzahl leisten.
maligen
so zu sagen überall
verhältnisse ermöglichte
entweder
zu
messenen.
sehr
mit Gewalt durchschossenen Rechts-
dem Gutsherrn
die
Erhöhung der Frohnen,
hohen »gemessenen» oder
Gleichsam eine
Fortsetzung
überhaupt
frohnmässigen Bearbeitung des Ritterackers war des Bauern
ist
des Bauern
wurde, dass
es,
zur
dass die Kinder
zum Gesindedieust auf dem Gntshof gezwungen waren.
Schwieriger Besitz
zu unge-
dieser Verpflichtung
der Uebergang, durch
den der gute erbliche
dem Grundherrn gegenüber
schliesslich
dieser
sich
als
der
so
allein
abgeschwächt rechtmässige
Eigenlhümer empfand, der mit dem Boden machen konnte, was er wollte. Ich vermuthe, dass der Ausgangspunkt auch hierfür jene Zwangsleistungen gewesen sind
;
es ist naheliegend, dass der Besitz
des Bauern zur Sicherheitsleistung für seine Dienstpflichten wurde. 18 *
Digitized by
Google
260
Da
Die Bauernbefreiung
Preussen.
in
diese gerade von der Stelle, die er bewohnte, abhingen, so Wal-
auch für
es natürlich, dass diese Stelle
kein
Vermögen
nicht
erfüllte,
hatte,
anderen, tüchtigeren sich der
konnte nur
eben
haftete;
sie
man dem Bauern, Und
geben.
da
er
sie
demselben Interesse
in
sonst
der seine Pflichten
wegnehmen und
diese Stelle
einem sprach
Gutsherr auch das Recht zu, bei der Vererbung des Hofes
unter den Kindern des Erblassers wenigstens dasjenige auszusuchen,
Es
welches ihm das tauglichste schien.
ist
durchaus verständlich,
wie dieses unter Umständen eintretende Verfügungsrecht über den
Besitz
des Bauern, der ihm ursprünglich nur zu
verpflichtet war, allmählich zu der Vorstellung
dass
dem Gutsherrn überhaupt das Recht
Leistungen
auswachsen konnte,
Verfügung
zu- jeglicher
über die bäuerliche Stelle und schliesslich überhaupt das Eigenthum
wurde dieser Process dadurch, dass es eine Anzahl von Bauern gab, die von vornherein auf den dem Edelmann unzweifelhaft gehörigen Acker gesetzt waren gegen derselben
zustande.
Erleichtert
So konnte sich die Vorstellung ausbilden zu Recht bestehende Frohndienste überlassenen Boden des Edelmannes
Leistungen von Frohnen.
und
dass
festigen,
stets einen
überhaupt
dem Bauern nur
zum Correlat
hätten. In dieser Form gehen viele sociale und Entwickelungen vor sich: die Verpflichtung des Bauern zur Leistung wird zum Rechtstitel für die Besitzergreifung seines Landes durch den Ritter, und dann wird der Besitz seines Landes zur Grundlage, ihn zu Leistungen zu verpflichten.
psychologische
Von diesem selben
luteresse an der Frohndienstleistung geht
nun auch eine Fesselung nach der
persönlichen Seite
aus
:
nicht
Bauer Dienst thue, ist die Sorge, sondern dazu vorhanden sei. Wurde bei wie es sehr wahrscheinlich ist die Bedingung
nur, dass der vorhandene
dass überhaupt auch ein Bauer
Neubesetzungen
—
—
der Bauer
hinzugefügt, dass
nicht
ohne
gutsherrliche Erlaubnis
seine Stelle wieder verlassen dürfe, so konnte bei
dem Hinarbeiten
des Gutsherrn nach dieser Richtung auch diese Bestimmung leicht
Verbindung mit der Vorstellung des bäuerlichen Verhältnisses überhaupt treten; und so wurde denn die Fesselung an die Scholle, in
namentlich seit nach dem 30jährigen Kriege
die
barer Besitz wurden, ein überall angetroffenes
Das
unterthänigkeit.
Frohnleistungen
Rückhalt zn
vitale Interesse,
hatte, führte
lösen,
Grund und Boden
den
er
besass,
an
und
erstens
einem
das dazu,
Bauern ein kost-
Moment der Guts-
der Gutsherr an den
den Bauer
von dem
ihm nicht wegzunehmenden
zweitens
ihn
an diesen, nun dem
Google .
11 .
Die Bauernbefreiung
um
Gutsherrn ungehörigen,
261
Preussen.
in
Zu
so fester zu binden.
der negativen
Bestimmung, dass kein Bauer seinen Hof verlassen dürfe, war es nur die positive Ergänzung in gleichem Sinne, dass jeder Bauer eines Gutsherrn auf dessen Verlangen einen Hof zu übernehmen
Auch der Vorbehalt
verpflichtet war.
dem Sinne die
des Heiratsconsenses
ist
in
einer Sicherung der Leistung der Person zu verstehen,
dem Heimatsort entfremdet werden oder deren
durch Heirat
Arbeitskräfte durch eine irrationelle Eheschliessung leiden konnten.
Die Arbeitsleistung des Bauern nur
Beschränkungen
durch
dass
nicht
,
unmittelbare
der
konnte
Walde
er
;
das
Herr
sein
auf der
durch
sie
positive
eigene Dasein
für sich
herrschaftlichen
an Haus
ihm Schäden
lässt
der Gutsherr nicht
so viel Unterstützung gewähren,
Kampf um
Kräfte völlig beanspruchte, die giebt ihm Hütungsrechte
aber
musste
sondern
Er musste ihm
Massregeln sichern.
er unterstützt ihn mit Saatkorn, oft auch
die
brauchte. Er Weide und im
und Geräth ausbessern mit Brotkorn bei be;
;
sonderen Unglücksfäilen gewährt er ihm Erleichterungen und zahlt die Staatssteuern für ihn.
Alle
diese Unterstützungen
gebenen Zweck
Arbeitskraft
:
das Hütungsrecht ermöglicht
bezeichnend für den ange-
sind
des
Bauern
Vieh, das
einen geringeren Arbeitsaufwand fordert, als zu demselben
beim Landbau lässt
mau
Durch
freizumachen.
man ihm das Halten von
Gewinn
Ausbesserungen an Haus und Geräth vornehmen oder ersetzt es selbst, weil der ist, damit eine unverhältnismässige Zeit
nöthig
ist;
lieber selbst
Bauer, ungeschickt wie er
und Kraft verbrauchen oder das Geräth stande lassen würde
indem man ohue also
mehr Zeit zu
die
;
in
dem
untüchtigen Zu-
Koniunterstützung verzinst sich
dem Bauern
sie
reichlich,
ein viel grösseres Ackerfeld und
seiner Bestellung hätte lassen müssen.
Bei den
allgemeinen Erleichterungen liegt der Zweck, den Bauer und seine
Kräfte
zu
gesetzlichen Pflichten
von
ursprünglich nur heiten;
sie
Fixirungsprocess
,
des Gutsherrn
in
geworden,
so
sind sie doch
seinem eigenen Vortheil dictirte Gepflogeneben
erfahren
Sind diese Gewährungen zu
der Hand.
erhalten, auf
nur
welchem
durch das
die
Länge der Zeit jenen
aus Zweckmässigkeitsgründen
Gethane so häufig zum Recht wie zur
Pflicht auswächst.
—
ganz
ebenso wie der Bauer, nachdem er und seine Vorfahren lange Zeit
den
Hof
besessen
gewesen uud ihnen mählich
in die
,
der
nur
zweifelloses
Eigenthum
des
Gutsherrn
zu Lehen überlassen war, seinerseits
all-
Vorstellung eines Besitzrechtes hineinwächst.
Digitized by
Google
:
2G2
Die Bauernbefreiung
Es
ist also
in
Preussen.
thatsächlich der richtige
Ausdruck
für den Gesichts-
punkt der blossen Arbeitsleistung, unter dem der Bauer angesehen wurde, wenn J. G. Hoffmann die Bauern « angesiedeltes Gesinde»
Der Zustand derselben war im 18. Jahrhundert noch elend gleicher Weise der Privatbauern wie derer auf
nennt.
genug, und zwar
den königlichen Domänen, die unter denselben Bedingungen standen
;
und schon zu Anfang des Jahrhunderts erheben sich Stimmen und zur Besserung
Vorschläge
Auge
fiel,
ihrer Lage.
war doch weniger
die
Allein
was zunächst
ins
Unwürdigkeit der Halbsclaverei,
die in den angeführten Freiheitsbeschränkungen lag, als die wirth-
Die
sclmftlich-rechtliche Unsicherheit ihrer Besitzverhältnisse.
fast
oder ganz willkürliche Verfügung des Gutsherrn über die Bauern-
gab ihm nicht nur den Bauern
stelle
auch leicht zu lichen
die
einer
dem
Verminderung der
suchen aber,
mit
Hand, sondern konnte
in die
der Landescultur sehr schäd-
Interesse
Bauernstellen
Von
führen.
denen Preussens Könige etwa
bäuerlichen Verhältnisse
regelnd
allen Ver-
von 1702 au
eingreifen
wollten,
ist
in
bis
17G3 nur einer geglückt, der die letzterwähnte Gefahr beseitigte der durch eine Reihe von Verder sogenannte ßauernschutz ordnungen unter Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. zu Stande ,
kam und zum
Inhalt hatte
zum
dass kein Bauerngut
:
Herrschafts-
gut geschlagen und jedes Bauerngut über eine gewisse Grösse hinaus
zerschlagen
werden stellen
solle
und
Stellen
verwandt
das Verbot, mehrere Bauern-
gleichzeitig natürlich
;
zusammenzulegen.
ordnung wird
Gründung mehrerer
zur
Gelegentlich der Aufhebung dieser Ver-
der Regierung folgendermassen zuvon Rittergütern liegt die VerAnzahl von Bauernhöfen zu ewigen Zeiten mit besonderen Wirthen besetzt und im wirthsehattlichen
sammengefasst
sie :
(1811) von
«allen Besitzern
pflichtung ob, eine bestimmte
Zustande zu erhalten, denselben Ländereien
und Gerechtsamen
ihnen ruhenden Leistungen
nichts
zu
von
änderung vorzunehmen und
für
den
dazu
entziehen, in Absicht
an Abgaben
gehörigen der
auf
und Diensten keine Ver-
die Staats-
und Communallasten
Der damit befestigte landwirthschaftVermehrung des in seiner Existenz zwar wesentlich auch Gründen, da man gern Bauernsöhne zum Militär
von denselben zu haften.»
liche Kleinbetrieb sollte eine
gesicherten Bauernstandes herbeiführen und
aus militärischen
nahm
(die
eine
möglichst
etwas zu vertheidigen hatten) und für Einquartierungen verbreitete
Anzahl
von
Bauernhöfen
sehr
er-
wünscht war.
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Die Bauernbefreiung
Der
263
Preussen.
in
war indess dadurch
einzelne Bauer
Weise
in keiner
ge-
Da es nur auf Erhaltung der Bauernstellen als solcher ankam, so konnte der Herr dem einzelnen nach Belieben kündigen, wenn er nur einen anderen an seine Stelle setzte. Auch war schützt.
vom Gutsherrn ihm ange-
ferner jeder Unterthan verpflichtet, die
tragene Stelle zu übernehmen, keiner
nommene wieder
aufgeben.
war verboten, durch selbe mit
seinem
welches
freien
durfte
der Inhaber
an
oder
einer Bauernstelle die-
auf Grund
Willen, etwa
gungen, an den Gutsherrn
die über-
seinerseits
Jedes privatrechtliche Uebereinkommen
von Entschädi-
schon eine Stelle
andere
be-
sitzende Bauern hingab.
Das Recht, dem dem Gutsherrn
einzelnen Bauern
zu
kündigen,
gab indess
an die Hand, aus dem Bauerngut,
die Möglichkeit
dessen Einziehung zu eigenem Besitz ihm verboten war, doch noch
Nutzung zu ziehen: indem er den Bauer durch die Drohung der Kündigung zum Eingehen eines Pachtverhältnisses nöthigte. Der Bauer musste ihm die Sicherung seines Landes auf besondere
längere Jahre mit jährlichem Pachtgelde bezahlen.
Die weiteren Reformbestrebungen Friedrich Wilhelms dahin,
Leibeigenschaft
die
dem Bauern verkaufen
Dafür aber
können.
haltung des Gehöftes keine Unterstützung nicht ohne
der Domänenbauern
seine Scholle gehören, er soll
soll
sorgen,
erhalten
soll
ausser
von doppeltem Gesichtspunkt: eine edle Sache
sei,
welcher
in
aus
dem statt
d. h.
allgemeiner Noth
Zeiten
zu verlassen.
sich
gehen
vererben oder
nun selbst für Instand-
er
und einen Eid
besondere Erlaubnis
I.
aufzuheben, sie
leisten, seine Stelle
Er begründet
ethischen,
dass
dies
«dem
es
der Leibeigenschaft
der
rühmen könne« dann aus dem utilitarischen, dass der Bauer für Haus und Inventar, wenn sie ihm gehörten, ganz anders
Freiheit
;
Sorge tragen würde als derselben
dadurch
nur Schaden der
jetzt,
wo
die
Allein dieser Plan
gewissenloseste Behandlung
wurde,
hervorgerufen
Herrschaft
dass
scheiterte
fast
Ohne
andererseits der Bauern
einen ilirecteu Beweis dafür zu haben, möchte ich annehuieu, dass
der Widerstand der
Kammern gegen
der Besorgnis stammte, es würde ihr folgen,
gegen die
die
Emaneipation der Domäuenbauern aus
auch die Emaneipation
sie persönliche Interessen
hatten.
Ein
Misbranch trieben,
um
der Frivatbauern
officieller
Jahre 1710 erwähnt, ausdrücklich, dass die Edellente mit ihren oft
Beschädigung
vollkommen, einerseits an
dem Widerstande der Domänenkammern', 1
ihre
war.
Bericht
officiellen
vom
Stellungen
ihren Gütern Vortheile zuzuwenden.
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264
Die Bauernbefreiung
selbst:
Preussen.
in
immer einen Herrn gehabt und wollten einen
hätten
sie
ohne die bisherige Hilfe könnten
behalten;
sie nieht
bestehen und
verzichten deshalb lieber auf die Freiheit und den eigenen Besitz.
Seine
spärlicheren Versuche,
die
Privatbauern aufzuheben, haben
kein anderes Resultat.
Pommern wie
ihm
in Preussen
wird
um
der
Sowol
in
dass weder der
vorgestellt,
man weder und dem Bauern
Bauer noch der Edelmann davon Vortheil hätte, diesem das ihm gehörige Land einfach entziehen schenken, noch jene
auch
Leibeigenschaft
dass
die gutsherrlichen Unterstützungen bringen
«Auch verdiene erwogen zu werden, dass nicht alle Menschen vollkommene Freiheit, sonderlich wenn die Freiheit mit Armuth verknüpft ist, wohl ertragen können auch sind nicht alle Menschen
dürfe.
eine
;
von der Art, dass selbst oder
Gutes
sie,
ohne von
anderen
dem gemeinen Wesen
zu werden, sich
regiert
zu sein trachten, etwas
nützlich
Acht nehmen.» (Bericht der preussischen Regierung aus Königsberg 1724.) Dieser Gesichtspunkt wird vielfach hervorgehoben und unterscheidet sich nicht von schaffen
demjenigen, mit
oder
das Ihrige
dem
Aristoteles die Sclaverei rechtfertigt
in
:
es
gäbe
eben qjvoet öovXoi, die nicht von selbst, sondern nur auf äusseren
Zwang
In
thäten.
solchen
all
mehr oder minder der Irrthum,
steckt nur
Sclaverei
Rechte
das
hin
aus
der
des
Beschaffenheit
während thatsächlich und wesentlich herzuleiten
die
Deductionen
Berechtigung der
Beherrschten
herzuleiten,
die letztere aus der Sclaverei
ist.
Es ist nur eine leise Abwandlung dieser Meinung, wenn Garve 1789 von der Verbreitung des «unglücklichen Vorurtheils» «dass der Bauer nie besser seine Pflicht thue als im Elend oder unter dem Drucke, und dass Wohlhabenheit und gute Tage ihn verderben» wozu er das Sprichwort anführt: rustica gens spricht,
—
optima
flens
pessima ridens.
Friedlich
1
ordnete 1777
die Erblichkeit
auf den Domänen an, wenn auch
der Bauernstellen
keine unbeschränkte
:
das
Amt
suchte das tauglichste unter den Kindern des Erblassers dazu aus.
Es weil
ist also
noch kein eigenthümlicher Besitz, schon deshalb nicht,
der Besitzer
keine Schulden
auf
den
Hof aufnehmen
darf,
sondern nur erbliche Nutzniessung. Seine
den
wichtigste
Domänenpächtern
Gesindedienst
zu
Massregel, 1763 begonnen, untersagt
zwingen,
wie
wurde es
,
bisher
die als
war
die,
dass
Unterthanen
zum
Folge
der Unter-
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Google
Die Bauernbefreiung tliänigkeit geübt war.
265
Preussen.
in
Hierdurch entstand eine so
feste Vorstellung
von der Freiheit der Domänenbauern, dass eine spätere jene widerrufende Verordnung Friedrichs
Von Wilhelms
gar
von 1799 an. das Scharwerk,
dafür
Domänen
in
Hebung
Ostpreussen
des Bauernstandes
und
der
hauptsächliche Gesichts-
Bauern
alten
auch
Sie
nicht
da
leisten,
dann
wollen
sie
ganz
lieber
;
doch die der
in
Es muss ihnen auch 1805 nachgegeben Aufhebung der Dienste stattfinden.
Verfassung bleiben.
werden und
Es war noch
Anzahl von Diensttagen Vorbehalten
nuu
Dienste mit Geld ablösen.
und
materielle
die
Die Durchführung hatte
war.
Schwierigkeiten.
in Littauen
für die Erntezeit eine geringe
diese wollen die
die Frolmdienste
d. h.
Sie sollten ein gewisses
abzulösen.
wenngleich
bezahleu,
punkt nicht das fiskalische Interesse, sondern sociale
nicht zu prakti-
kounte.
grösster Wichtigkeit sind nun die Bestrebungen Friedrich III.
der Bauern auf den
Entgelt
von 1773
II.
Anwendung durchdringen
scher
vollkommene
Besser geht es
Westpreussen.
in
werden besser bearbeitet, von Zeit und Kräften
indem
Die bäuerlichen Ländereien
die entsetzliche Verschleuderung
der Dienstbauern
aufhört
;
der Charakter
wenn
der Bevölkerung werde sich, wie berichtet wird, heben, die durch das
erst
Scharwerk grossgezogene Trägheit und Verschmitzt-
heit schwinde.
An die Ablösung der Dienste schliesst sich nun das wichtigste Unternehmen: die Domänenbauern zu unbeschränkten Eigen-
tümern
Dafür sollte der Bauer eine 200 Thalern bezahlen und auf die bis-
ihrer Stellen zu machen.
Entschädigung von 100
bis
herigen Unterstützungen verzichten. der Bauer
trotz
hatte, den alten
seiner
elenden
Es
ist
nicht zu leuguen, dass
Lebenslage
mancherlei
Gründe
So lange er seine Pflichten erfüllte, blieb er so wie so auf dem Hofe und derselbe ging auf eines seiner Kinder über, wenn auch nur auf das, welches das Amt Zustand vorzuziehen.
auswählte; auf Nutzungen, Ausbesserungen, Beihilfen hatte er hebliche Ansprüche
u.
s.
w.
Zudem
spreche
Sachverständiger 1799 anführte, dass er seinen er sein
dagegen
Hof
,
sofort,
wie
er-
ein
nachdem
Eigenthum geworden, mit Schulden überladen und ihn
des-
halb bald durch Zwangsverkauf verlieren würde.
Erst 1807 schlägt Kriegsrath Wloemer vor,
Krieg erschöpften Bauern das
freie
Eigenthum
den durch den des
Hofes
ohne
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266
Die Bauernbefreiung
Preussen.
in
Wolle nmn ihnen auf dem Boden der bisherigen Ordnung aufhelfen, so koste es viele Millionen und stelle doch nur eine klägliche Existenz her, die bei jedem Unfall neu gefährdet sei. Erst wenn der Bauer Eigentümer sei, sei er
jede Bedingung zu
verleihen.
Gut
ereditfäbig und könne sein
verbessern.
vom
In diesem Sinne betont Freiherr
1808, dass ohne
Stein
selbständiges Eigenthum die Viehzucht nicht verbessert, die Wiesen nicht drainirt, keine Baumpflanzungen angelegt würden.
In demselben Jahre Littauen
die
erfolgt
für Ost- und Westpreussen
Zuteilung der Höfe
endgiltige
als
und
Eigentum, wo-
Nur
gegen sftmmtliche Unterstützungen von amtswegen wegfallen.
zwei Jahre werden sie noch zur Erleichterung des Ueberganges und zur Beihilfe gewährt werden.
die nächsten
In
tum
Pommern und
weder
in
nach
;
wer
der Uebergang
in
Eigen-
es nicht haben wollte, blieb im alten
In jenen Provinzen dagegen musste jeder Bauer ent-
Ordnung
die neue
löse seiner anderweitig
Nach
Kurmark war
der
nicht obligatorisch
Verhältnis.
einigen
1810 der
eintreten
oder
abziehen
mit dem Er-
verkaufen Stelle.
Schwankungen und Schwierigkeiten
Beihilfe
Bauern
entbehrenden
stellte
für sich
die
das
Resultat doch ausserordentlich günstig; es waren 30000 selbständige
Grundbesitzer geschaffen und die Staatskasse gewann von der Neu-
ordnung
allein in Littauen
mindestens
1
00000
Tlialer jährlich aus
der Ersparnis der Unterstützungen und der bäuerlichen Nutzungen in
den Forsten.
die
Für die Mark Brandenburg, Pommern und Schlesien erfolgte Aufhebung der Erbunterthänigkeit auf den Domänen durch
Edict vom 28. October 1807.
Der zunächst allein greifbare Nutzen des Bauern war die Erhöhung seiner Creditfähigkeit, sowie die Möglichkeit von Verkauf und Vertausch seines Hofes. Nachdem die Gesindepflicht und das Scharwerk aufgehoben worden, zog er aus seinem Hofe thatsächlich den gleichen Nutzen, als wenn derselbe ihm eigenthümlich zugehört hätte. Ganz klar war nur das, was er verlor die UnterEs stützungen von oben her; unklar das, was er dafür gewann. :
kam
hinzu, dass
eine
grosse Anzahl
geldwirthschaftlichen Verkehr bisher
von Menschen,
nur im
welche den
kleinsten Massstabe
gekannt hatten, durch die Möglichkeit der Belastungen Verkaufs ihrer Grundstücke plötzlich so zu sagen
und des
auf einen
viel
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Die Bauernbefreiung
Markt
grösseren
Summen und
grossen legt
die Unbekanntschaft
durch
Thür und Thor
ge-
mit ihnen
neuen Macht zum
einer
Ausbeutung von Leicht-
reizen, endlich der gaunerischen
sinn und Unkenntnis
Hand
verwickelten Verhältnissen in ihre
wurden, die einerseits
abstiessen, andererseits durch das Gefühl
Misbraueh
267
Preusseu.
in
versetzt, dass Transactionen mit verhältnismässig
Wie
öffnen konnten.
wenig
der Nutzen des Bauern bei dieser Massregel ein unmittelbarer und
Mon-
klarer war, geht daraus hervor, dass in einigen Theilen der
vom Scharwerk nur dann erfolgte, wenn der Bauer sich zugleich zur eigentümlichen Uebernahme seines Hofes
archie die Befreiung
wurde also
bereit erklärte; diese
als eine
Last für ihn angesehen,
mit der er sich anderweitige Erleichterung zu erkaufen hatte.
Das Ausschlaggebende war
Der Werth,
die Prineipienfrage.
den die Existenz freier Menschen
solcher
als
äusseren Vortheile überwiegen, deren
sie
musste die
besitzt,
gebundener Stelluug
in
genossen.
Allein wir haben hier, wie überhaupt
Aufhebung der schliesslich
auch
widersprechen hiervon .
Feudalität,
desjenigen
füllung
ist
,
was
dem
der Geschichte der
materiellen
Interesse,
war,
gefordert
Interesse
idealen
dienstbar
schien,
in
leuchtendes Beispiel, wie die Er-
ein
vom
dem
zu
zuerst
es
Der sociologische Grund
wird.
offenbar der, dass in die Sphäre des idealen Interesses
nur der erhoben wird, dessen reelle Nützlichkeit durch die Gattungserfahrung festgestellt
Wenn
ist.
sich eine gewisse
sehr mannigfachen realen Verhältnissen findet
Lebensnorm
nützlich
als
in
bewährt, so
im öffentlichen wie im individuellen Geiste eine gegenseitige
Paralyse und Verdunkelung der verschiedenartigen Einzelumstände statt, in
denen
sie sich
gemeine losgelöste
—
bestehen
eines
synthetischen
jetzt
bleibt
scheinbar
in
zu
Verhältnisses
Lebens harrend, während
und nur die allim Bewusstsein als Idee, und
körperhaft ausgestaltete,
Norm und Form
Ideal
sie
zu derselben hervorgegangen
selbständiger Geltung
der
materiellen
Seite
des
doch nur aus analytischem Verhältnisse ist.
Aus
dieser Entstehuugsweise der
idealen Forderungen erklärt es sich, dass sie sich bei den einzelnen oft in
wenn fernen
Gegensatz
zu seinen materiellen Interessen
seine Verhältnisse sich weit ;
dass
dagegen
vom
in breiteren
muss,
weil
das
eine
mögen,
auf längere
Perioden socialer Entwickelung hin beider stattfinden
setzen
socialen Durchschnitt ent-
Massen und nur
eine
Congruenz
das destillirte,
geistigte Product der Gattungserfahruug über das andere
ist.
ver-
Die
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268
Die Bauernbefreiung
Entfernung
in Preussen.
Bevormundungen, die
unwürdiger
Freiheit
fügung über Person und Besitz hat sich offenbar so
der Ver-
Hebel
oft als
materiellen Fortschritts heraasgestellt, dass sie über die einzelnen
Norm ausgewachsen ist, die diesen idealen Werthes um so schärfer in sich aus-
Fülle hinweg zu einer idealen
Charakter eines
prägt, als es hier und da Fälle giebt, in
denen
in
zunächst
sie sich
Gegensatz zu den materiellen Interessen stellt. Der Gedanke, das Individuum völlig auf sich selbst zu
findet
übrigens
fasser derselben,
Herr von Schön, schlägt
Anzahl derselben
ihre
;
;
damit verlören
sie
nur die wirtschaftlich Stärksten würden
bestehen bleiben, und diesen solle
der Ver-
vor, zunächst alle Unter-
und ihre Verpflichtungen nicht erfüllen könne; natürlich ihr ßesitzrecht
;
die Folge davon würde Wirtschaft nicht fortsetzen
stützungen der Bauern fortfallen zu lassen sein, dass eine
stellen,
dem Vorschläge der königsberger Immediat-
in
commission von 1808 schon eine extreme Ausgestaltung
im
Kampf ums
Dasein Auserlesenen
dann das Besitzrecht verliehen werden. Es ist wundervoll, wie die angeführten wirklichen Mas? regeln
nachher die Vortheile der Verselbständigung ohne solche Grausamkeiten lierbeizuführen wissen.
Schwieriger war die Reform bei den Privatbauern.
Domänen konnte herrschaften dieser ist
Auf
seiuen
der König machen, was er wollte; bei den Privat-
grifi'
er
dem König
in
Recht
des Adels
unterthan, ihm aber der Bauer.
ebenso wie Friedrich Wilhelm solchen Versuchen
und Besitz
I.
Nur
Friedrich
I.
scheitern, wie schon erwähnt, bei
am Widerstande
Nicht besser ging es Friedrich
ein.
II.,
und der Beamten.
der Stände
der 1763 zunächst für
Pommern
anordnete: «sollen absolut und ohne das geringste Räsonniren alle Leibeigenschaften von Stund an gänzlich abgeschafft werden.» Thatsächlich erreichte er eine Erklärung der Gutsherren, die
Leibeigenschaft abschaffen zu wollen, worunter sie aber nichts verstehen, als
was schon längst
thatsächlich galt: dass sie keine un-
bedingte willkürliche Verfügung
Bauern
treffen wollten;
im
überhaupt festes Besitzrecht,
über Person
übrigen ist
an
hat
gemessenen Frohnen und Gesindedienst
Um
dieselbe Zeit
versucht
er,
und Vermögen
des
er weder erbliches noch
die Scholle
gebunden, zu un-
verpflichtet.
den
unerblichen Besitz
Privatbauern in Überschlesien in erblichen zu verwandeln
der
— wegen
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Die Bauernbefreiung
269
Preussen.
in
des Widerstandes sowol der Gutsherren wie der Bauern gleichfalls
ohne durchgreifenden Erfolg.
In beiden Fallen lag der Miserfolg
mit daran, dass der König wol das grosse ideale Ziel, aber nicht
dazu angab. Friedrich Wilhelm III. versuchte
die realen Mittel
Weg
die
:
Aufhebung der
noch nützlich
Dienste
1798
einen
dagegen
gebührende Untertänigkeit auflöslich sein
man von
vielleicht so überleiten, dass
Allein
erklärt.
frei
zu beseitigen,
Man
lässt.
an
jetzt
über fünfzehnjährigen Gutsunterthanen bestehen für
sei
indem er Auswanderung gestattet, die ihm
da der Staat sogar,
dagegen
vermittelnden
weder rechtlich möglich
sei
die Erbunterthänigkeit
;
könnte dies
den Zustand der
lässt, alle
jüngeren
auch dieser Vorschlag
ist
zu
keiner Verwirklichung gediehen.
Dennoch
sah
Unterthänigkeit
man schon damals, dass
Aufhebung der
nur eiue Frage der Zeit sein konnte.
meinen Ueberzeugungen, rechte
die
ausgestrahlt
die
von
königsberger Immediatcommission grössere Ungerechtigkeit, als ein vernünftiges
Wesen
Scholle geboren
ist,
ihren
Boden
erklärte 1807:
wenn
Die
Erklärung der
der
waren, hatten
«es
allge-
Menschen-
unterwühlt.
Die
giebt keine
Mitunterthan eines Staates
ein
blos deshalb, weil es auf dieser oder jener
verhindern
will, seine
Kräfte auf eine dem
Staate nicht nachtheilige Weise zu seinem Besten
zu verwenden.»
—
So unbezweifelbar dieser Grundsatz im vorliegenden Falle ist, so ging er doch aus jener unhistorischen Weltanschauung hervor, der für die Aufstellung ihrer Normen die Bedingungen ganz gleichgiltig waren, unter denen der Einzelne so geworden war, wie sie ihn antraf; sie operirte mit dem «blossen Menschen», unabhängig
vom
Zufall der Geburt, losgelöst von seiner und seines Geschlechts
Vorgeschichte, die
ihn
in
bestimmten, aus
diese
dem
Begriff des
blos Menschlichen nicht herzuleitenden Verhältnisse und Qualifica-
tibnen hineingesetzt hatte.
nur greifen könnten
!
Wenn
Wenn
wir diesen «blossen Menschen»
wir
nur den Menschen nicht immer
und überall als einen durch geschichtliche Bedingungen bestimmten und den vorgeblich «rein menschlichen»
anträfen, zwischen welchen die
Grenze eine ganz willkürliche
ist
!
Die französische Revolution
fand freilich das historisch Gewordene als ein so elendes vor, dass
man
ihrs
werfung
kaum verdenken
konnte,
wenn
sie
ihr Ideal in der Ver-
alles Historischen fand.
Es kamen
praktisch-ethische Ueberlegungen
von Timer, der 1802 sich
Uber
die Frohndienste
hinzu,
dahin
wie die äusserte,
Digitized by
Google
;
:;
270
Die Bauernbefreiung
dass
Preussen.
in
wenn ungemessen, die vollkommenste Sclaverei bedeuteten, gemessen, dem Gutsbesitzer jede Umgestaltung der Wirthunendlich erschwerten, da der Bauer sich jeder Neuerung
sie,
wenn scliaft
widersetzte
für beide Theile sei es eine Quelle von VerdriessliehKraftverschwendung nnd Charakterverderbnis die gesetz-
keiten,
;
;
gebende
Macht des Staates
Frohnden zu bewirken
berechtigt,
sei
die
trotz der Eigensinnigen
es sei freilich ein Eingriff
in
Aufhebung der
und Kurzsichtigen
das Eigenthum,
daraus folge
allein
nur, dass der Gutsherr entschädigt werden müsse.
Entscheidend war das Kriegsunglück von 1806, welches das
Land im Zustand
unseligster Zerrüttung
Auf diesem wie auf
und Verarmung zurückliess.
allen anderen Gebieten schien es, als ob
nur durch Abkehr von der Verfassung, auf deren Boden ein solches Unheil überhaupt möglich war, ein Heil zu findeu
Man
hatte
nun
für
jene Entschädigung
Aufhebung der Erbunterthänigkeit früher erwähnten Bauernschutz.
das
ihm
bisher
aus
nichts
sei.
des Adels, für die
zur Verfügung
Nahm mau ihm
musste man auch die Pflicht aufheben, die sich
an
die Bauernstellen in ihrem Bestände zu belassen,
indem er
zum Vorwerk
ganz im Sinne des
nach
beiden
laisser faire,
sie
betheiligten Seiten
weder
des Reichen
und Verarmung des Armen
aus seiner unbeschränkten
war
hin
Weisheit betrachtet wurde.
Allein, dass die so oft eintretende Folge dieses Princips
leicht
so
knüpfte
ihn
das damals von den Aufgeklärten
als die überlegene staatswirthschaftliche
reicherung
fort,
einziehen noch zu grösseren Stellen zusammenschlagen
Diese Freiheit
durfte.
den
als
das Recht
dem Besitz des Bodens gequollen war,
—
die Be-
:
auch hier
Anwendung hervorgehen
möchte,
erkannte Freiherr vom Stein sehr wohl.
Das Edict vom
9. Oct. 1807 hebt nun die Gutsunterthänigkeit für die ganze Monarchie auf; «nach dem Datum Verordnung entsteht fernerhin kein Unterthänigkeitsverhältnis weder durch Geburt, noch durch Heirat, noch durch Uebernehmung
endgiltig und dieser
einer unterthänigeu Stelle, noch durch Vertrag.»
Die bestehenden
Unterthänigkeiteu endigen spätestens mit dem Martinitage 1810.
Eine nähere Ausführung dessen, was der
aufgehobenen
Erbunterthänigkeit
Bekanntmachung vom
durch
8.
April
zu
eigentlich
alles
verstehen
1809.
Die
sei
,
unter erfolgt
aufgehobenen
Rechte des Gutsherrn sind darnach folgende: 1) für
fordern
die
Loslassung aus der Unterthänigkeit
Gelder
zu
;
Die Bauernbefreiung
in
Preussen.
271
2) die Kinder der Unterthanen zum Gesindedienst auf dem herrschaftlichen Hofe oder zu einer Geldentschädigung dafür oder für die Erlaubnis zu auswärtigem Aufenthalte zu
3) jeden Unterthan zur
im Dorfe zu nothigen
Annahme
zwingen
einer dienstpflichtigen Stelle
;
4) zu bestimmen, welches unter mehreren Kindern die Stelle erben solle; 5) zur Verheiratung oder
Erlernung eines Gewerbes die Er-
laubnis zu gewahren oder zu verweigern.
Dagegen bestimmt das Edict vom der Grundbesitzer,
dass
9.
October 1807 zu Gunsten wie Zusammenziehung
sowol Einziehung
bäuerlicher Höfe, auf denen weder Erbunterthänigkeit noch erblich
Zustimmung der Regierung zum einzelnen Fall gestattet sein soll. Also eine Aufhebung des Bauernschutzes, über deren nähere Bestimmungen freilich noch alles Vorbehalten blieb. Diese Bestimmungen erfolgten zwischen 1808 und 1810 und beseitigten den Bauernschutz zwar nicht ganz, aber doch zum grossen Theile, indem erstens nur ein Theil des adeligen Besitzes der völlig freien Verfügung des Herrn entzogen blieb (die bäuerlicher Besitz stattfindet, mit
vor 1752 resp. 1774 gegründeten Stellen) und zweitens die übrigen
Höfe mit gewissen Beschränkungen zu grösseren zusammengeschlagen Die urin Vorwerksland verwandelt werden dürfen.
oder auch
sprüngliche Bestimmung des Edicts, dass nur im Falle obrigkeitlich festgestellten
Unvermögens des Herrn des eingegangenen Hofes
Einziehung stattfinden dürfe, ist verlassen Grunde gegangenen Bauern
die wirklich zu
Möglichkeit,
auch
eine
ganze Anzahl
;
mau fallen,
anderer
liess
nicht nur
sondern gab die
durch jene Ein-
ziehungen nahrungslos zu machen. Eigentlich wurde keiner von beiden Beiten ganz genug gethan.
Die Gutsbesitzer querulirten fortwährend über die noch bleibenden
Beschränkungen ihrer Verfügung über ihr Land. scholl
bald
die Klage,
Andererseits er-
dass der Vergrösserungssucht
der
Guts-
nun Thür und Thor geöffnet und dass der Bauernstand im Schwinden begriffen sei. Die einzig reale Schranke für das «Legen» der Bauern waren nicht die gesetzlichen Bedingungen, die durch das Einsetzen von Strohmännern leicht umgangen werden konnten, besitzer
sondern die Geldnoth der Besitzer, welche die mit der Zusammenschlagung, Einziehung und Selbstbewirthsclmftnng der Stellen ver-
bundenen Kosten nicht überall aufzubringen vermochten.
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—
’-ir*
-
1
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272
Die Bauernbefreiung Die
Erbunterthänigkeit
Thatsache
Geborenseins
des
Preussen.
in
war aufgehoben
also
auf eiuer Scholle
mehr gegen den Herrn derselben
pflichtungen
und
blosse
die
;
legte
auf,
keine Ver-
alle Pflichten
sind nur Folgen eines freiwillig eingegangenen Verhältnisses.
Es war nur
eine sachlich naheliegende Fortsetzung eben der-
selben Bestrebung,
wenn
Regierung sich
die
der eigenen Person
freien Besitze
noch
nun
einen
bemühte, dem
freien
von
Besitz
Grund und Boden hinzuzufügen. Wie das Werkzeug nur eine Verlängerung des Armes ist, dieser selbst .aber der Seele gegenüber ein äusseres Werkzeug, das sich von jenem nur graduell unterscheidet,
so
unterscheidet
die
sich
freie
Verfügung über
die
eigene Person als ein reales Recht gar nicht absolut von der über ein
äusseres
Es
Besitzthum.
ein
ist
Irrthum,
unter «Freiheit»
schlechthin die willensgemässe Verfügung
Uber die eigene Person zu verstehen; für den Willen als rein innerliches Princip ist auch die eigene äussere Person
nur
Zweck
Verfügbarkeit nur den
stellungen herbeizuführen.
man
ein äusseres Object, das
ein Object
unter Objecten, dessen
hat, gewisse
Empfindungen und Vor-
Jedes Versagtsein der Verfügung über besitzen möchte,
schränkung der «Freiheit», wie eigenen Körper.
War
die
ist
ebenso eine Be-
versagte Verfügung über den
die
Forderung
der Freiheit als Bedingung
menschenwürdigen Daseins einmal ausgesprochen, so war es keine Principienfrage mehr, sondern nur eine solche der Angänglichkeit und Zweckmässigkeit, wie weit
sie
unter den Objecten
möglicher
Verfügbarkeit, von denen die äussere Persönlichkeit nur das nächstliegende war, erstreckt werden sollte.
Auch
in
Bezug auf
Culturwirkung zeigt es
die
Person gleichen Wesens
freie Besitz der eigenen
Besitz äusseren Eigenthums
an der Ausbildung seiner Persönlichkeit hat, weil nicht für sich, sondern lässt
man
einen
für
die sittlichen
was
er,
Eigenthum
Vollkommenheit
dem
bares
an
bearbeitet,
Erträgnis
seinem Eigenthum, so doch
Interesse
arbeitet.
Wenn
Bauern wirklich so verhalten
der
freien
hat,
er wird,
— — überhaupt
ein Interesse an der
seiner
Arbeit.
natürlich nicht für den eigentlichen Lohnarbeiter, der, nicht
dem
anderen wird, so wenig hat
Beziehungen ausser Betracht
derjenige, der fremdes
und
sich, dass
mit
So wenig der Sclave ein Interesse
ist.
es
Dies
wenn
gilt
auch
für
sich
und sein unmittel-
sich
mit
der
Trägheit der
wie der Ruf im vorigen Jahr-
hundert aussagte, und wenn dieser Ruf nicht von den Gutsherren sehr übeitrieben wurde, denen
der frohnpflichtige Bauer natürlich
Digilized
by
Die Bauernbefreiung
273
Preussen.
in
genug sein konnte, so war die ganz natürliche Ursache davon der Gedanke, dass er hier Zeit und Kraft umsonst hergäbe, die er auf seinem eigenen Acker mit so grossem Nutzen für sich selbst verwenden konnte. Diese ableitende und alle Lust an der Arbeit vergiftende Vorstellung fehlt beim Lohnarbeiter und der Gutsherr hat noch dazu den Vortlieil, seine Arbeiter sich jetzt frei und nach ihrer Tüchtigkeit auswählen zn können, was dann nie fleissig
weiter zu einer Concurrenz
denselben
unter
und der dieser ent-
spriessenden Steigerung der Tüchtigkeit führen musste.
Es war kein Bauern auf Grund grösserem
haben
Zweifel, dieser
Kraftaufwand
die
Eigenthumsverleihung an die
Umstände eine
viel intensivere,
betriebene Bodenbearbeitung
wie jede Verleihung
ebenso
musste,
dass
mit viel
zur
des Rechtes
Folge an
der
intensiverer Selbstbearbeitung führt.
eigenen Person gleichsam zu
Aber eben aus diesem Zusammenhänge heraus
wiederholte
ob die freie Verfügung über seine Person dem Bauern selbst zum Heil oder zum Unheil gereiche, hier gleichsam nur in einem höheren Stockwerk: ob freie Verfügung über einen Besitz sein persönliches Wohl fördere oder nicht. Für die Domänen wurde diese Frage 1808 praktisch gelöst; grundsätzlich aber wird sie in demselben Jahre von Männern verneint, denen wir keinen Grund haben besondere Rücksichtslosigkeit den Bauern gegenüber zuzutrauen. Der Geh. Justizrath Schmalz schlägt ein-
sich zunächst jene Frage,
ihm
fach vor, dass der Gutsherr so viele Bauerstellen, als
beliebe,
zum Tagelöhner mache die meisten Bauern «werden daduich beträchtlich gewinnen». Der Landrath von Dewitz hält den Bauernschutz für ein Hindernis der Cultur
einziehe und den freien Bauer
;
und meint, bei Einziehung ihrer Höfe würden ein leichteres
als Tagelöhner Ebenso sagt der
sie
und reichlicheres Brot verdienen.
bauernfreundliche Oberpräsident
wenigstens
Sack,
in
Bezug auf
diejenigen Bauern, die gntsherrlicbe Unterstützung brauchten, dass dieselben als Büdner weit besser
macht sich dann wieder
die ideale
—
auf den Besitz statt auf die Person bezogen ein
Mann
mit
Dem
wären.
gegenüber Bedeutung der Freiheit hier geltend. Gerade
daran
hervorragendem Blick
für
die
—
wirklichen Mächte
des wirthschaftlichen Lebens, J. G. Hoffmann, betont dies 1810: «obgleich es ist
manchem Bauern
es doch stets als ein
schlechter geht als
dem Tagelöhner,
Vorzug geachtet worden, Bauerwirth zu
so
sein,
und man kann das bittere Gefühl einer Depravation nicht anslöschen,
wenn der
jetzige
Bauer
RaWaclia MnnaUaehrift
in einen
ml XXXV,
llafl 4.
Tagelöhner verwandelt wird.» |{4
Digitized by
,
*1 •-
II:,
•
- -*
—
Google
274
Die Bauernbefreiung
Darüber war kein Zweifel
in
Preussen.
hemmte
der Bauernschutz
:
nöthige und nützliche Vornahmen im Grundstückverkehr
gezeigte
Vergrösserung oder
die Starrheit eines überlebten
vielerlei
war
und
durch veränderte Verhältnisse an-
ein Prokrustesbett, welches die
Verkleinerung
Besitzstücke
der
in
Zustandes zwängte.
Andererseits wurden auch die Dienstleistungen für den Gutsder Bauer
auch
nach Aufhebung der Erbunter-
thänigkeit gezwungen blieb,
wenn
er
herrn, zu denen
seinen
Hof
behalten wollte,
denen er ihm überdiese wurden den fortgeschrittenen Verhältnissen wurde eben so wenig angemessen befunden als die Unterstützungen und
weil sie eben die Bedingungen waren, unter
—
lassen
der Gutsherr
ver-
Obgleich der König also noch 1798 geschrieben hatte:
eich
Steuervertretungen
für
den Bauer,
zu
denen
pflichtet war.
habe mich überzeugt,
an Aufhebung
dass
das Gesetz bewirkt werden
der Dienste, die durch
nicht gedacht werden kann.
soll,
habe daher alle Gedanken hieran fahren lassen» — dem Ministerium Hardenberg am 14. Sept. 1811 edict»
dieses Inhaltes
der Regierung
kam doch
so
ein
*
zwar von
zu Stande, dessen Grundtendenz
angegeben,
dessen
Ich
unter
Regulirungs-
wesentlicher Inhalt
indess von
der Versammlung der Nationalrepräsentanten bestimmt worden war.
Als Activa und Passiva standen sich gegenüber: die Dienste, Servitute, welche der Bauer seinem Grundherrn zu
Abgaben und leisten hatte
und
die regelmässigen
und ausserordentlichen Unter-
stützungen (Holz, Weide, Inventar 4c.), sowie die Steuervertretung,
auf welche der Bauer dem Grundherrn gegenüber Anspruch hatte; ferner die beiden Theilen
der
noch
Lähmung
gebliebene
obliegenden Beschränkungen:
Theil
für die Actionen
Bauernschutzes,
des
des Bauers, die
einerseits
andererseits
daraus
die
hervorgingen,
dass er eben nicht rechtlicher Besitzer seines Hofes war.
Jenes Edict des Soll und
nun
berechtigt
beide Theile, auf Ausgleichung
Haben und Herstellung unbeschränkten Eigenthums
für jeden anzutragen.
wiegenden waren,
Bauer kein Geld
gilt
Dass als
Ansprüche des Gutsherrn
die
selbstverständlich
hat, so soll die
von Land geschehen.
;
Ausgleichung
da
nun
die über-
aber
der
durch Herausgabe
Bei erblichen Inhabern der Scholle soll der
Bauer ein Drittel, bei unerblichem und Pachtbesitz die Hälfte des Landes an den Gutsbesitzer herausgeben und dafür den Rest als freies,
mit keiner Verpflichtung mehr belastetes Besitzthum haben.
Vom
Standpunkt einas abstracten
Rechtes
aus
konnte
es
Digitized
by
Google
Die Bauernbefreiung
275
Prenssen.
in
man dem Grundherrn seines Bodens wegnahm
allerdings sehr willkürlich erscheinen, dass
ohne weiteres die Hälfte
und
bis Zweidrittel
jemand anderem
sie
und
erb-
Regierung konnte auch diesen
eigenthümlich
schenkte
theoretischen Redenken
Berufung auf höhere ethische
und Staatsraison
;
die
nur
durch
begegnen.
Vom
Standpunkte der Wirklichkeit aus aber war es eine durchaus zu-
wenn der Grundherr
reichende Entschädigung,
halb
—
Trotzdem fand
—
;
Schwäche Hardenbergs
nachgiebigen
isolirten Stellung des
einzigen
,
wirklichen Bauern freundes bei der
Regierung, des Kriegsrathes Scharnweber, Regulirungsedict
von
1811
gelingt
eine Declaration
(vom
welche die Eigenthumsverleihung
erzielen,
Nur
einschränkte.
(z.
sie
bedeutendste die
ferner muss sie muss alten Bestandes vor 1763 bestanden haben), ;
katastrirt,
und Pommern
den Marken
B. in
endlich nach
29.
war darnach
Bauerstellen
solchen
bei
als bäuerliche Besitzung
zum Mai 1816)
ihnen,
es
aufs
Regulirung zu erzwingen, die spannfähig waren bereits
bis ein
erhielt.
Ausführung des Edicts vielfachen Widerbei der geringen Sachkenntnis und in dieser Frage bei der
die
stand seitens der Gutsbesitzer
zu
ein drittel
zur völlig freien Verfügung
Bauerlandes
seines
die er vorher nicht besass
dem Bauernschutz mit der gutsherrlichen Verpflichtung,
mit besonderen Wirthen
Die
besetzt zu halten, belastet sein.
kleineren Stellen also, von denen nur Handdienste geleistet werden, bleiben unregulirt und
auch
von
den
anderen Beschränkungen
durch die drei
wird
anderen
eine Anzahl
der Regulirung aus-
von
geschlossen.
Und auch
bei
deu
zugelassenen
ist
die
Regulirung
nicht
obligatorisch, wie 1811 gewollt war, sondern bei der Zufriedenheit
beider Parteien mit
dem
—
der Gutsherr
wobei natürlich
hatte,
alten Zustande konnte er bestehen bleiben
mancherlei Mittel
in
der
Hand
den Bauer von dem Regulirungsantrag zurückzuhalten.
der Nachgiebigkeit besitzer im J.
1816
der Regierung gegen liegt
die
In
Wünsche der Guts-
der Grund, weshalb das Jahr 1848 noch
Rechte der alten Verfassung und damit so viel Anlass zu Misvergnügen der mittleren und unteren Klassen auf dem Lande so viele
vorfand.
Auch von
'/,
bricht
resp.
'/>
Und
die Declaration
des Ackers
den einzelnen Fall
und
mit
der Normalentschädigung
lässt
besondere Bemessung für
zu.
ferner wird der Bauernschutz für die regulirbaren, aber 19 *
Digitized
by
Google
;
276
Die Bauernbefreiung
in
Preussen.
thatsächlich nicht regulirten Stellen ausdrücklich aufgehoben
Gutsherr darf die Bauern
:
der
auskaufen und beliebig
auf denselben
mit den Stellen durch Einziehen oder Zusammenschlagen verfahren die nicht besetzten dürfen ohne weiteres eingezogen werden.
Staat verlangt
also
Und
Kriege durchgesetzt hatte.
auch
drücklich legalisirt, hörte
nach dem siebenjährigen
sie
IT.
thatsächlich,
wenn auch
der Schutz
für
baren besetzten wie unbesetzten Stellen
Der
der durch den Krieg
keine Wiederbesetzung
verwüsteten Stellen, wie Friedrich
nicht aus-
die nicht regulir-
1816 auf,
nach
und
der
Gutsherr konnte mit jedem privatrechtlichen Mittel jede von ihm beliebte
Eigenthumsveränderung erstreben.
Viel principieller und energischer fahren.
Für den 1807 im
wurde
Tilsiter Frieden
Provinz ver-
in der
verlorenen Theil von
Posen, der als «Herzogthum Warschau» an den König von Sachsen
kam, war sofort jede Unterthänigkeit, aber und Schutz herren
den
der Bauern
jeder Anspruch die Grund«dem Bauer die Beim Rückfalle von Posen 1815 wurde
Freiheit, uns das Land.»
auch
worden,
aufgehoben
erwünschtesten
Zustand
so dass
erhielten
dieser Zustand zunächst bestätigt, führte aber
der Bauern, dass schutz seitig
bis
eine
Verordnung vom
zur Regulirung
einführte
:
6.
:
zu solchem Elende
Mai 1819 den Bauern-
kein Gutsherr
durfte
ein-
dem Bauer kündigen, jeder musste die leergewordenen Stellen Die Regulirung war freilich auch hier nur für
wieder besetzen.
die grösseren Bauerstellen vorgesehen, allein
Eigenthumsverleihung sich als in
Auftreten des Staates
Gutsherren sie
die
Beschützung und
ging hier durchgreifender und schneller vor
den anderen Provinzen. wol
Erklärbar
ist
dies kräftigere
hauptsächlich dadurch, dass
fremder Volksart
weniger,
den Bauern
man den
dagegen,
um
an die fremde Herrschaft zu gewöhnen, mehr Rücksicht zollte
als in
den alten Provinzen.
Die umgekehrte Tendenz hatten die schlesischen Gutsbesitzer Da ihnen die Regulirung ihrer Kossäthen
zu erreichen gewusst.
—
dort «Gärtner» genannt
—
sehr unbequem gewesen wäre, aber
auch das Fortbestehen des Dienstverhältnisses andererseits wegen der Faulheit und Liederlichkeit der Gärtner unerwünscht war, so setzten sie 1811 eine
welcher nicht
Verordnung durch:
dass der Dienstgärtner,
zu besonders günstigem Rechte sass, sein Land bis
auf drei und vier Morgen
und
seine Berechtigung
auf Holz und
Digitced by
Google
Die Bauernbefreiung
Weide
verlieren,
ausserdem
auch
vier Jahre lang als Tagelöhner
soll,
dafür erhalt
er
jene
drei
also
dass der Gärtner
ist,
leisten.
aufhört
277
Preusseu
haben
Verpflichtung
die
Als Aequivalent
zu dienen.
vier
bis
und hat keine Frohndienste zu
in
noch
Morgen als freies Eigenthum Der Sinn dieser Verordnung
ein
Landwirth zu sein und
in
einen häuslerartigen Arbeiter umgewandelt wird.
Die
—
Declaration
von denen auch
—
war
wieder
kein
auf,
hob
Sonderbestimmungen durchgreifender Gebrauch gemacht
sehr
erhielt
schlesischen Gutsherren
gesehen von den
1816
von
jedoch
diese
auf das Drängen
so erschwerende Zusätze,
1827
grossen Bauern
gekommen
nur zehn Regulirungen zu Stande
Alle diese Regulirungsbestimmungen
der
oberab-
dass,
von 1826—46
in Oberschlesien,
sind.
bezogen
natürlich
sich
nur auf Zeitpachtbauern und auf solche, deren Besitz der Scholle überhaupt keine unbedingte Sicherheit und rechtliche Form besass.
Wo
der Bauer schon Eigenthümer
dem
befestigteren Verhältnisse
stand,
wenigstens
oder
der Erbpacht in die Besitz-
des Erbzinses
Das Befreiungswerk
Objecte, insofern
Dienste
auch
an
fand
diesem
und Leistungen
indessen
auch
besseren Besitze
deu Gutsherrn
für
trag
Zunächst sind
einer
Partei, gleichgiltig,
vom
Die Juni
7.
ob die andere zustimmt,
eine
in
und auch von dieser kann der Ver-
durch einmaliges Entrichten
pflichtete sich
ihnen persön-
und sonstige Abgaben auf An-
alle Natural-
jährliche Rente umzuwandeln,
an
noch
hafteten.
Ablösbarkeit dieser bestimmt nun die Ablösungsorduuug 1821.
in
oder
verhältnisse.
liche
geworden
war keine Veranlassung zu einem Eingreifen
des
25fachen Betrages
befreien.
Die gleiche Ablösbarkeit burg,
Pommern,
Schlesien
—
gilt
für
nun
—
in Preussen,
die Frohndienste
Branden-
jener Bauern
mit besserem Besitzrechte und zwar auf einseitigen Antrag. Verpflichtete giebt an Stelle
Rente oder
in
Land
des Dienstes
gegen den der Antrag gerichtet
Für
die
Der
eine Entschädigung
welches von beiden, hat der
:
in
zu bestimmen,
ist.
abzumessende Höhe der Entschädigung
gilt der
Grund-
satz, dass nicht die geleisteten Dienste abgeschätzt werden, sondern
die Kosten, für welche der
Gutsherr bei der bisherigen Wirthschafts-
weise die wegfallenden Dienste anderweitig beschaffen kann.
bedeutsam aber war
es,
Höchst
dass diese Bestimmung einer fast eben so
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Google
278
Die Bauernbefreiung
Einschränkung
grossen
iu Preussen.
wie
unterlag,
Recht auf
ein
sie
;
für
die
nach
Regulirung
die
Declaration von 1816: nur die grösseren,
haben
der
spaunfähigen Bauern
d. h.
bleiben
kleineren
die Dienste
unablösbar bestehen.
Mag
dies letztere
herren liegen, so
im egoistischen Interesse der Guts-
auch
doch einzuräunieu,
ist
dass
der Uebergang von
Frohndiensten zu Lohndiensten ein ausserordentlich schwieriger
und
hohe Ansprüche an Klugheit
ist
und Energie der Gutsbesitzer
mehr für Hand- als für Spanndienste, weshalb eben von der Ablösung die kleineren Höfe ausgeschlossen blieben, die nur zu jenen verpflichtet waren. Eine Veränderung in dem, was der einzelne mit seiner Person zu leisten hat, ist bei weitem schwieriger und greift viel tiefer in die sociale Ordnung ein, als eine Veränderung so zu sagen mehr objectiver Leistungen. Dies
stellt.
gilt viel
Kurz, es blieben noch genug Reste des Feudalismus
in
,
der
um von dem Strom des Liberalismus im Jahre 1848 einen Seitenarm auf sich zu lenken. In Schlesien besonders war
Agrarverfassung,
die
weitere Liberalisirung
stürmisch
Durch
betontes Bedürfnis.
Gesetz vom 2. März 1850 (unter Manteuftel) wird dem entsprochen zunächst werden gewisse veraltete, so zu sagen abergläubische Ge;
bräuche, zu denen die Bauern hier und da noch verpflichtet waren,
aufgehoben berupfen
(z.
zu
B. das Recht der Herren, die
wurden
ferner
lassen);
die
Gänse
ihrer
Bauern
und
Erbzinsleute
Erb-
pächter ohne weiteres zu vollkommenen Eigenthümern ihrer Stellen (natürlich unter Fortbestehen ihrer Lasten) erklärt und eine andere
erbliche Ueberlassung
als
die
zu
vollem Eigenthum
Beschränkung der
Regulirung auf grössere Stellen
Normalsatz der Entschädigung.
Als Schranken
bedeutende) der Regulirung bleiben Stellen haben, falls
durch Gesetz auf
sie.
oder
für die Zu-
Ferner wurden aufgehoben das Heimfallsrecht,
kunft ausgeschlossen. die
nur die:
und
der
(freilich nicht un-
die
nicht
erblichen
dem Gutsherrn nicht ihre stete Neubesetzung Herkommen auferlegt war, keinen Anspruch
Dagegen werden
die
Beschränkungen der Ablösbarkeit
der Reallasten aufgehoben und zur Erleichterung derselben Renten-
banken
gegründet, die
die Entschädigungsrentenzahlung
wie die
Amortisation des Capitals vermitteln.
Das Drängen
der Gutsbesitzer
auf eine Einschränkung der
Regulirbarkeit hatte wesentlich den Erfolg,
dass gemäss
dem Ge-
Digitlzed by
Google
;
Die Bauernbefreiung setze
vom
16.
werden
rücksichtigt
gemeldet
1857
zum
der nicht bis
ist dies in
darf, dass der
Antrag
279
Preussen.
in
mehr
Regnliruugsanspruch
kein
sollte,
Indessen
sei.
annehmen
März
be-
1858 an-
31. Dec.
man wenn
so fern ohne Bedeutung, als
bis
dahin erfolgt sein wird,
einer der Theile seinen Vortheil bei der Reguliruug sieht.
Uebrigens
kam
die
ganze
Erleichterung
Regulirungs-
der
diejenigen 1850 so wie so im wesentlichen zu spät welche bis dahin nicht regulirungsfähig und dabei für den
fähigkeit Stellen,
:
Gutsbesitzer von Nutzen waren, sind gewiss
ihm
von
schon
ein-
gezogen gewesen, da der Bauernschutz es ihm nicht mehr verbot Bauern waren zu Tagelöhnern geworden.
die darauf befindlichen
Angesichts die neue ihre
der Complicirtheit
Agrargesetzgebung
Wirkung
der Verhältnisse,
war
eingriff,
nicht
in
welche
zu erwarten, dass
wohlthätige
sofort eine ungetrübt
werde.
sein
In
menschlichen, insbesondere in socialen Dingen pflegt sich das Gute
und das Böse, das Gesunde und das Kranke sondern, dass
man mit einem
nicht so reinlich zu
nur dieses sauber heraus-
Schnitte
Dazu kommt:
lösen könnte, ohne jenes irgendwie mitzuverletzen. es giebt
denen
gewisse Grundforderungen
sich
jede Einrichtung,
völlig ablehnendes Verhältnis bestellen will
wöhnung
und mit denen
vergesellschaftet.
schlechter
der
auch setzen
sich
sie
menschlichen Natur, mit
die schlechteste,
Darum
muss,
wenn
in ein nicht
überhaupt
sie
durch Anpassung
auch
ist
die
und Ge-
Umwälzung
Einrichtungen so oft von einer Erschütterung des
ganzen Gemeinwesens
begleitet, weil sich schliesslich die
unserer Natur an die bestimmte
Forderung
ihr dargebotene Befriedigung an-
gepasst hat, so dass die neue Befriedigung
dem momentan bewussten
Bedürfnisse nicht entspricht.
Dies ist z. B. überall da zu beobachten, Zustand der Bevormundung in eine Form der Selbstübergeht. Das Bedürfnis nach Sicherung des Lebens hat sich an die Form der Anlehnung an höhere Gewalt angepasst; wird nun statt dessen eigene Kraftbewährung verlangt, so scheint die Sicherung des Lebens wegzufallen, die man vermöge lang-
wo
der
regierung
wirkender psychologischer Association
vormundung gesetzt
als
identisch
mit
der Be-
hatte.
Verhältnismässig
sind
aber
die
Uebergangsschwierigkeiteu
und üblen Nachwirkungen geringe gewesen,
und
von überall her
hört man, dass sowol auf Seiten der Herren wie der Bauern nach
Digitized by
Google
2H0
Die Bauernbefreiung
Preusseu.
in
der Regulirung zu intensiverer und rationellerer Wirthscliaft über-
gegangen
sei. Nicht nur der Bauer, sondern auch der Gutsbesitzer stand nach Regulirnng und Ablösung der Dienste freier und beweglicher da als vorher es giebt keinen Herrn, der nicht mehr oder weniger der Sclave seiner Sclaven wäre. Die Verschwendung der Kräfte, die in den Frohndiensten lag, hörte zum ;
Vortheile beider Seiten auf, da der Gutsherr jetzt, wo jeder Dienst kostete, zu grösserer Ordnung, Zusammenhaltung und Berechnung der AVirthschaft genöthigt war er verwandelte sich dadurch allmählich aus dem Feudalherrn in den Gutsbesitzer der
ihn Geld
;
Neuzeit, der Getreide, Spiritus und Wolle producirt. ilienste
waren sowol
für die Seite
ein irrationaler Factor
Die Frohn-
wie die des Habens
des Solls
und gestatteten
sowol im Voranschlag wie
Ganz
in der Jahresbilanz kein klares wirthschaftliches Bild.
selbe Unbestimmbarkeit des
wirklichen Werthes traf
schaften, so lauge die Mischverhältuisse
Nichteigenthum herrschten.
Ausdruck,
den
als durch die
Erst als die Arbeiten auf den klaren
das Lohnverhältnis
Reguliruug
die-
die Liegen-
zwischen Eigenthum und waren, erst
zulässt, gebracht
der Gutsherr
verfügbar besass und was nicht, war
bestimmt
eine
wusste,
was er
und zuEbenso war
regelmässige
verlässige Buchführung sowol möglich wie erfordert.
Land mit desto grösserem was dem Lande wie ihm selbst zu gute kam.
der Bauer gezwungen, das nun verringerte Fleisse zu bebauen,
In der Provinz Posen zeigte sich noch die bezeichnende Erscheinung, dass, seitdem der
Bauer
Eigenthümer geworden
selbst
sicherten Rechtszustäudeu lebt, er auch
achteu gelernt hat
;
keit tagtäglich der nachbarliche
Das hat
sich jetzt so
und
in ge-
dass
man sogar
Wege
die
Die gleiche psychologische
Beobachtung hat man an den Negern gemacht nach der Emancipation
geschädigt.
öffentliche Besitz
weit geändert,
ruhig mit Obstbäumen bepflanzen kann.
sie
und
fremdes Eigenthum mehr
früher wurde aus Bosheit wie aus Nachlässig-
dahin brachte,
;
soweit
erst
selber
sich
man
Eigenthum
zu erwerben, hörten ihre sonst gewohnheitsmässigen Uebergriffe
in
fremdes auf.
Die Hauptschwierigkeit für die Landwirthschaft
hebung
aller
Zwangsdienste bestand natürlich
anderweitiger Arbeitskräfte.
Die
Besitzer
in
nach Auf-
der Beschaffung
kleinerer
Stellen,
bei
denen Ablösung und Einziehung der Stelle zum Gutslande erfolgte,
waren
oft froh,
weun
sie als
Arbeitsleute behalten wurden, die mit
Digitized *
by .
Coogh ,4
^
Die Bauernbefreiung
281
Preussen.
in
kündbarem Vertrag Wohnung und Entlohnung mit geringem Land und hauptsächlich Naturalbezügen erhielten. Den Vorgang der Differenzirung, der Ursache wie Wirkung der steigenden f'ultur ist, zeigt auch die Befreiung der Bauern: während der Bauer in den früheren Verhältnissen die theilweisen Qualitäten Eigentümers und des Arbeiters für fremde Rechnung in sich nun scharfe Sonderung ein der eine Tlieil wurde
des
vereinigte, trat
;
zu reinen Eigentümern, der andere zu reinen Arbeitern.
Es
Bezug auf dieses Princip auch nicht zu übersehen, dass die Befreiung der Bauern von dem gemeinsam getragenen Joch auch eine wachsende Differenzirung und Individualisirung unter ihnen ermöglichen musste. Aus der Zeit der Untertänigkeit wird berichtet, dass die Bewirtschaftung der Bauernäcker sich in den unbeweglichsten traditionellen Schranken gehalten habe, dass in der Gemeinde jeder durchaus nur das Verfahren eingehalten ist in
War
habe, das jeder andere befolgte.
das Durcheinanderliegen so
hing
es
dies auch
verschiedenen
der
zum
Tlieil
Ackerstücke
doch gewiss psychologisch auch davon
ab,
durch
bedingt,
dass
die
Bauern so zu sagen eine einheitliche und festgeschlosseue Partei dem gegenüber bildeten und durch die Gleichheit dieser
Gutsherrn
wesentlichen Lebensbedingung auch unter einander eine viel geringere Freiheit und Beweglichkeit in Hinsicht
auf ihre Person und ihre
Thätigkeit besassen, als nach Wegfall jenes gemeinsamen Druckes.
Uebrigeus
ist
der nach der Bauernbefreiung reich entwickelte
Stand der clnstleute» nicht
Bauern
alter
anderes als
viel
Verfassung:
Arbeiter,
welche
ein
mit
Nachkomme von einem
kleinen
Stücke Land angesetzt werden, zweiseitig kündbar, wesentlich vom
Lohne uud Dreschantlieile lebend und zu täglicher Arbeit auf dem Gutshofe verpflichtet, zu der niüsseu.
sie
noch je einen Gehilfen mitbringen
In den östlichen Provinzen leben diese Leute nicht besser
und auf kaum höherer Culturstufe als zu den Zeiten der Abhängigkeit;
es
steht
dahin,
ob
ihr physisches oder moralisches
Niveau
durch Verleihung eigenthümlichen Besitzes zu erhöhen und ob eine solche Massregel nach der heutigen Staatsverfassuug noch möglich
wäre.
G. S. lg •
J
/
Digitized by
Google
Studentische Strömungen Unter
(heil weiser
1842
Entwickelung
den vierziger Jahren.
in
Karl Hesselberg»,
Beuutrunp von Briefen
— 46
gegenwärtigen
der
stml. thtnl.
.
studentischen
Ein-
ditungen au unserer dorpater Hochschule hat sich unter unzäliligen Schwierigkeiten,
Kämpfen und Gefahren
ganze Werdegang
eigenartigen
dieses
vollzogen.
Burschenstaats
stellt
Der ein
unausgesetztes Ringen mit inneren und äusseren Gegnern, ein unablässiges Streben nach
dar
,
dann
bis
schliesslich
Wechselbeziehungen stattliche
dem Vernünftigen, Echten und Dauernden
Gebäude
gesunden
diejenigen
gefunden
Nur
den Verbandes errichtet werden konnte. konnte,
wie
und
gerechten
auf deren Grundlage das
wurden,
eines die ganze Studentenschaft fest umschliessen-
überall,
wo Söhne
unseres
unter heftigen
eigenwilligen
Wehen
deutschen
—
Stammes gemeinsam rathen, thateu und zechen, aus dem Chaos verschiedener Meinungen das freundliche, wohlthätige Gebilde der Einigkeit hervorgehen.
Besonders bemerkenswerth der vierziger Jahre, über die
Material zur Verfügung erachten,
um durch
steht,
in dieser Hinsicht die
ist
verschiedenes
uus das
wir
die Vermittelung der
wurde in eine Fenster-
brünetten «Fremden» (d
h.
blende gedrängt und brach dort zusammen, der Blonde stand einen
Augenblick mit «gezücktem Schwerte» über ihm.
«Und
siehe da,»
Diqiliz ad .
...
by
Google
Studentische Strömungen
schliesst die Schilderung,
des lichten Erzengels Michael mit
Dass gerade
ein
Anblick gleich dem Kampfe
dem Pürsten der
Söhne des «Gottesländchens»
die
280
den vierziger Jahren.
in
war
«es
Finsternis».
jeher die
seit
ärgsten Renommisten und Raufbolde gestellt haben, kann eigentlich
Wunder nehmen, da schon im siebzehnten Jahrhundert über unbändiges und streitsüchtiges Wesen Klage geführt wird und
nicht ihr
sie solchergestalt
nur als die echten Söhne ihrer Väter erscheinen.
«Die Herren Edelleute,» schreibt in
Tag
den
hinein und schiessen
Der Freiherr
ein
alter Chronist,
Duellen
in
«leben wild
Hunde
einander wie
Blomberg giebt folgende Schilderung der gesellschaftlichen Zustände seines Heimatlandes: «Wird jemand todtgeschlagen, so mag Gott seiner Seele gnädig sein, denn um den Leib bekümmert man sich nur in so fern, als man ihn ehrlich
nieder.
»
v.
Einen Zweikampf ausschlagen heisst so
bestattet.
viel
sein
als
Bündel
schnüren und das Land verlassen, denn kein ehrlicher würde einem solchen Feigling die Hand reichen.» Unter
Kerl
solchen Verhältnissen spiel
verständlich, wenn das glorreiche BeiNachkommen zu mächtigem Thatendrang
ist es
der Altvordern die
entflammte und wenn andererseits der Vorgang der ältesten Corporation
den
Uebrigens
übrigen
Sporn
ein
rüstigem
zu
Nacheifern
war.
bemerkt, dass diejenige Verbindung, welche die
sei hier
meisten Lorbeern
auf diesem Gebiet
von jeher die Livonia war.
einheimste, unseres Wissens
Selbst der Altmeister Goethe
ist,
als
er in Leipzig studirte, durch einen livläudischen Pastorensohn «ab-
gestochen» worden.
Wie sehr mussten nun die Vertreter der neuen Richtung gegen die Ehrwürdigkeit der Ueberlieferung, gegen das Ansehen alter
Burschensitte,
Gefühlsleben der
vom Nimbus
fast
möchte
man sagen gegen
das
damaligen Studentenwelt verstossen, als
vom Glanze
geheimnisvoller Romantik,
der
ganze sie
das
Sagen-
berühmtheit umwobene Mensurwesen zum Gegenstände ihrer Kritik, ihrer unablässigen Angriffe machten. die doch bis zur
Was
Durchsetzung ihrer Sache
anderes konnte ihnen, in einer
verschwindend
geringen Minderzahl auftraten, den Sieg verschaffen als der schöne
Zug, der die im Besitze der Macht befindlichen Körperschaften und Gesellschaftsklassen unserer Provinzen fast auf jedem Gebiete aus-
gezeichnet hat. das Gerechtigkeitsgefühl V
Wir
Zwar
wie wir
sind,
des Duells,
am
liegt es
oben
allerwenigsten
bemerkt des
haben, keine Verurtheiler
studentischen
Schlägerduells.
uns durchaus fern, eine Apologie des Zweikampfes
nalti»che Hon«tMchrifl.
Band XXXV,
II, ft
4.
20
Digitized by
m
*
fa . A«
Google
:
Studentische Strömungen
290
schreiben
in
den vierziger Jahren
ein Brauch,
wolleu, da
zu
der eben so sehr durch die
Gesetzgebung sftmmtlicher Culturstaaten, wie durch jedes folgeverdammt wird, unmöglich gerechtfertigt und
richtige Sittengesetz
Es
manches zur Verteidigung des muss leider festgestellt werden, Anhängern vorgebracht wird, auf Redensarten, fast alles, w as von seinen Gegnern ins Treffen geführt wird, auf guten Gründen beruht., Professor A. v. Oettingen werden
gebilligt
kann.
Duells geschrieben
ist
worden, doch
dass fast alles, was von
seinen
r
hat in einem von allen baltischen Blättern abgedruckten Vortrage das
Duell,
diesen
zerfasert, dass
«hochgeborenen Wechselbalg», in
einer
Weise
im vollsten Sinue des Wortes kein gutes Haar mehr
an ihm geblieben
ist.
Selbst ein nachsichtiger und für den Duellanten-
standpuukt Verständnis zeigender Beurtheiler wie der Amtsrichter
Tkttmmel
(
im Grunde noch immer ein wenig von oben herabsieht. In der That könnte eine durchgreifende, vom Entschluss getragene Reform
aller
äusseren Höflichkeit
gegenüber dem Duellwesen wol
nur
in
den
meisten
vom Adel ausgehen, denn
schaftlichen Bräuchen, in allen
an
europäischen Ländern
so viel die Bürgerlichen sich
auch dagegen sperren mögen, so betrachten
sie ihn in allen gesell-
bestimmte Formen
geknüpften
Beziehungen von Peison zu Person schliesslich doch noch als tonangebend.
Welches
ist
der Standpunkt
der
guten Gesellschaft?
Gedanke, der beim Austrage wol der meisten Ehrenhändel entscheidend ist. Max Nordau sieht das Duell als den anthropologischen Beweis dafür an, dass der «Heerdensinn» dies ist der leitende
des Menschen stärker sei der That
dürften
viele,
als
denen
sein Selbsterhaltungstrieb.
ein Duell,
in
das
sie
Und
in
verwickelt
werden, durchaus widersinnig und thöricht erscheint, nur aus Rück-
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Google
Studentische Strömungen in den vierziger Jahren. sicht auf das Urtheil der Gesellschaft nicht den
Doch muss auch
es zurückzuweisen.
werden, dass uns Nachgeborene in
dem der
zeihlicher
293
Entschluss finden
Berücksichtigung gezogen
iu
dem grossen Daseinskämpfe,
aus
immer genug verAtavismus anhaften mag, um uns ungern vor einem uns lassen. So mancher Stärkere, Muthigere obsiegte, noch
augetrageuen Waffengange zurückweichen zu den
findet nicht
«
moralischen
physischen Mutli an-
Mutli, seinen
»
zweifeln zu lassen, und oft sind es gerade die kräftigsten, gesunde-
und harmonischsten Naturen, die in diesem Punkte eine auffallend geringe Unabhängigkeit von ihrer Umgebung bekunden, die übrigens wol auch im Gefühl ihrer Ueberlegeuheit und Kühnsten
heit oft
genug die Gelegenheit willkommen heissen
verhassten Gegner eigenhändig Bei alledem kann
Duell nicht gerade als eiuen
tief-
gehenden Krebsschaden der baltischen Gesellschaft bezeichnen, denn die
Verbindlichkeit
ihrer
Umgangsformen und
den
das
meisten
Nordländern einmal eigene ruhig-besonnene Naturell bewirken, dass ernstere Conflicte durchaus zu den Seltenheiten gehören.
Vorfälle auf diesem Gebiet
kommen
Lande des Duellauteuthums, Ein Todesfall
vor.
in
dem
selbst in
Betrübende
einstigen gelobten
Kurland, so gut wie gar nicht mehr
iu
einem Duell
zwischen
gereiften
Männern
ereignete sich unseres Wissens während des letzten Jahrzehnts nur
einmal in Estland, und hier war
der Erschossene eine Persönlich-
nur geerntet
keit, die eigentlich
was
halte,
wüchse
ist
das Pistolenduell
nur
der
die ungeeignetste
dorpater,
Waffe
da dieser
für
namentlich
in
begann, bis
Unwesen durch In der Tliat
am
den Studenten,
cavalier-
socialen Aus-
verdrängen
zu
Chargirtenconvent diesem
schärfte Gesetzgebung ein Ziel setzte.
durch
geworden, wo es in
Dorpat
in
letzter Zeit das Schlägerduell nahezu
endlich
sie
Zu einem
mässigen Uebermuth häufig genug gesäet.
Conflicten
eine ver-
ist die
meisten
Pistole für den
persönlicher Natur
längst alle Disciplin und Formgemässheit über den Haufen geworfelt
hat
und
in
leidigungen
Folge dessen dort
die
allerschärfsten
zur Tagesordnung
gehören.
studirende Jugend, bevor unser
unsere
sie in seinen
spanischen Stiefel
schnürt,
enges
und derbsten BeEs ist, als wollte bürgerliches Leben
die akademische Freiheit
so recht nach jeder Richtung hin auskosten, als wollte sie wenigstens
während der goldenen Burscheujahre
Zwang
schmeckt,
auf das
Entschiedenste
Die traurigen Ergebnisse dieses
Maugels
alles,
was irgend uach
von sich
abschütteln.
an Selbstbeschränkung
294
Studentische Strömungen
den vierziger Jahren.
in
und Selbstbeherrschung siud die Gräber der fallenen auf
dem dorpater
Die Scblägermensur
und
Duell «
einem
ist
das Schlägerduell zu beurtheilen.
Mittelding zwischen einem eigentlichen
ist ein
ritterlichen Turnier,
wenigstens verhindert bei
Fremdenreissereien » der Corporationsstolz
gleich, der sonst vielleicht hätte zu
Stande
Gefahr für Leben und
ist
Bandagen
Gesundheit
so eingeschränkt, dass das
kaum weniger Opfer
genug einen Ver-
oft
kommen
dabei
können.
Binden
durch
Die
und
englische Footballspiel
rohe
dahinraffen dürfte als das deutsche Studenten-
Andererseits kann aber die Schlägermensur auch nicht gerade
duell.
als
im Pistolenduell Ge-
Friedhofe.
In ganz anderer Weise
«Kindereii bezeichnet
werden, wie
wol
das
und
hin
wieder
oder schreiben, haben sicher
Die Leute, die das sagen
geschieht.
dem Kreidestrich gestanden und das verhängnisvolle «Mein Gegenpaukant schlägt an. an ihr Ohr klingen hören. Die Wunden,
nie auf
die eine gute «bocksteife Schilfklinge» schlägt, sind tief und blutig
genug,
und
um
das Schlägerduell nicht zur Spielerei ausarten zu lassen,
die Möglichkeit tödtlichen
Ausganges steht denn doch immer
im Hintergründe.
Weniger
an irgend ein anderes Duell lässt sich an die Studentenpaukerei der Massstab von Abstractionen legen, wie sie von den Gegnern des Duellwesens ohne jede Berücksichtigung von als
angewandt zu werden genug den vorgerückteren
Zeit- und Gesellschat'tsverhältnissen gewöhnlich
Der Jüngling, der zwar
pflegen.
Altersstufen gegenüber ist
iu
skeptisch
den Beziehungen
höherem Grade ein
«
zu
oft
und
gesinnt
reformatorisch
seinen Altersgenossen
in
noch
ist,
weit
Heerdenthier» als der gereifte Mann, und das
gut so, denn wer nicht, schon in der Jugend die Wohlthaten gemeinsamen Denkens und Handelns gemeinsamer Leiden und
ist
,
Freuden
voll
kennen
gelernt
hat, verliert
leicht
die Fähigkeit,
Menschen zu schliessen und in Gemeinschaft mit ihnen zu wirken und zu schaffen. Die hochgehalteue alte Burschensitte, der jugendliche Uebermuth, die überschäumende Kraft tragen das Ihrige dazu bei, um den alten Schlägerboden stets weiter
sich später an andere
«blühen
und schallen» zu
lassen,
wie
lasse endlich nicht ausser Acht, dass
Rohheit wie
sie
der germanischen Jugend
es
im Liede
heisst.
die natürliche Wildheit
irgend
Man und
einer Ableitung bedarf,
im Box- und Wettruderwesen der englischen Hochschulen,
im Duell wesen der deutschen gefunden sten und Kaltblütigsten werden sich
ist.
unter
Die Kühnsten, Kräftigden
Nachkommen
des
Studentische Strömungen
einst rastlos durch
eines gewissen
in
Ansehens zu erfreuen
haben,
nicht hinter ihnen Zurückbleiben und
Dorpat an eine Eindämmung der hinausgehenden Duellwuth
wenn
295
den vierziger Jahren.
ganz Europa berserkernden Germanenvolkes so
in der
die
stets
übrigen wollen
wäre denn wol auch in That über alle Schranken
schwerlich jemals
zu
denken gewesen,
Moment hinzugeMoment war. wie wir oben bemerkten, das
nicht ein anderes eben so bedeutungsvolles
treten wäre.
Dieses
religiöse.
Auch jene jungen Theologen, von denen wir am Eingänge sprachen, fühlten gewiss rasches, warmes Blut
unseres Artikels
durch ihre Adern rollen, auch
sahen sich eingeengt und bedingt
sie
durch das Urtheil ihrer Umgebung.
Je mehr
Geiste ihres Studiums hingaben, desto Sitten und Bräuche, die sie vor
unterworfen waren, mit demselben
sie selber
Unaufhörlich stiessen
sie in
sie sich
jedoch dem
weniger vermochten
sie die
Augen hatten und deren Zwange Einklang zu bringen. ehrwürdigen Buche, welches die
dem
in
Grundlage ihrer Wissenschaft bildete, auf Stellen wie: «Wer Menschenblut vergiesset. dess Bluf soll auch durch Menschen vergossen werden» (Genesis 9,6). «Ich aber sage euch, wer mit seinem Bruder zürnet, der ist des Gerichts schuldig» (Matth. 5, 21). «Wer seinen Bruder hasset, der ist ein Todtschläger, und ihr wisset, dass ein Todtschläger nicht hat das ewige Leben bei ihm bleibend» (1. Joh. 3, 15) u. a. m. beständig wurden Sie durch die Lehre und das Beispiel ihrer Professoren, unter denen Philippi damals den grössten Einfluss ausübte, darauf hingeleitet, mit äusseren weltlichen Formen, die ihren innersten Ueberzeuguugen widersprachen, zu brechen und sich für frei uud unabhängig zu erklären. Die Ehrlichkeit, die, man möge sagen, was man wolle, doch immer einen Grundzug in unserem provinziellen Charakter bildet, liess nicht ab, sie mit beständig mahnender Stimme zum öffentlichen Bekenntnis ihrer Anschauungen zu drängen, und so
—
—
;
geschah es
denn,
dass
schliesslich
das Tafeltuch
zwischen ihnen
und der Majorität der Studentenschaft mit raschem Schnitte durchtrennt wurde, dass sie' freimüthig
Man verkenne
die
Bedeutung dieses
ihren Standpunkt
kühnen Schrittes
verkündeten.
Die
nicht.
während einer Reihe von Jahren die schimpflichste studentische Strafe, den Verruf, über ihrem Haupte schweben es konnte ihr nicht gleiehgiltig sein, von der Masse der Studentenschaft, mit der sie unzählige freundschaftliche nnd kleine Oppositionspartei sah
;
verwandtschaftliche Beziehungen verbanden, misachtet
und
in
den
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296
Studentische Strömungen in den vierziger Jahren.
Bann gethan zu werden, aber
unter den schwierigsten
sie blieben
Verhältnissen fest und sahen endlich
nach
einer
langen Zeit des
Mühens und Kämpfens ihr Streben von vollständigem Erfolge gekrönt. Für unzählige andere war der Weg freigemacht, Bangens,
deu diese nun mit sicherem und festem Schritte betreten konnten, ja unmittelbar nach sich durchaus auf
M.
v.
dem Siege der Bewegung
den Standpunkt
Engelhardt und A.
derselben
stiegen zwei junge, stellende Theologen,
Oettingen, in der Livonia zu den höchsten
v.
Zwar
studentischen Ehrenämtern empor.
giebt es unter den dorpater
Theologen noch heute eine Richtung, die nach dem Grundsätze des Horazischen * Quid sit futurum cras, fuge quaerere > das Studenten:
leben bis auf die Neige geniesst, sich den herrschenden Burschen-
nach jeder Richtung
sitten
hin
anschliesst und
später
doch sehr
und tüchtige Prediger stellt. Die grosse Mehrzahl der Theologen aber, die sich ihrem Studium mit vollster geistiger Hingebung widmet, schwört doch der Fahne zu, welche die kleine ernste
Schaar der vierziger Jahre erhoben
Man
den Sieg, welchen
hat
vorwiegend au einen einzelnen
Karl Hesselberg
hat.
muthige Partei
die
Namen
erfochten,
geknüpft, den des Theologen
aus Kurland,
kurz
den
nach der glanz-
Beendigung seines Studiums das tragische Schicksal traf, In der That war Hesselder bedeutendsten und entschiedensten Vertreter der neuen Richtung, und es wird uns eine besonders willkommene Aufgabe sein, deu Antheil, den er an der Bewegung der vierziger Jahre genommen, nach Briefen von ihm, die bisher noch nicht der Zu bemerken Oeffentlichkeit übergeben worden sind, darzulegen.
vollen
von der Cholera dahingerafft zu werden. berg
ist
einer
jedoch, dass,
ein sehr
als
die
Bewegung im kaum
junger Student war, der
Einfluss besessen
haben kann
wol noch sehr wenig
wegung jedoch
und
unterrichtet
J. 1843 begann,
er
noch
einen sehr weitreichenden
über Burschenangelegenheiten war.
Er
schloss sich
der Be-
und nahm später, und angesehensten Mitglieder der Partei die Uni-
sofort auf das rückhaltsloseste au
als die ältesten
versität verlassen hatten, die Angelegenheit
zum
grössten Theil auf
seine Schultern, ja blieb sogar noch nach abgelegter Gradualpriifung
Student,
um
seine Kraft der vertretenen Sache nicht zu entziehen.
Das Ansehen, dessen
er sich durch
die Reinheit
seiner Absichten
und die versöhnliche Milde seiner Persönlichkeit erfreute, trug nicht
wenig dazu lich die
bei,
den von ihm verfochtenen Anschauungen schliess-
Anerkennung der Corporationen zu
verschaffen.
Mancher
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Studentische Strömungen
den vierziger Jahren.
in
kühne Vorstoss wurde der kleinen Schaar, wie
2 lJ7
ein objectiver Be-
urtheiler jener Verhältnisse gelegentlich äusserte, einzig und allein
«Hesselberg zu Liebe» nachgesehen. Corporation, mit der ihn
die
der Sache
war,
welche
richtungen unermüdlich thätig,
um
Gegner zu durchbrechen, das
eine
geschlossene Phalanx
die
mag
Parteimitglied
der Estonia, Livonia
u. a.
der
mit der
m. verhandelt
Nach den Briefen von Hesselberg, sowie nach den Mit-
haben.
theilungen der Zeitgenossen handelte es sich überhaupt zuerst eine von
Häupter hatte und
sich erst später klärte,
Krystallisationskern die
mitten
um
unterschiedliche
als ihren eigentlichen
zusammenstehende kleine Theologen-
fest
jener
in
einem uns freundlichst wie folgt:
die
Eine angesehene und verdiente Persönlich-
partei nachzubehalten. keit, die selbst
den Wilden,
unter
um
und Strömungen durch-
verschiedensten Strebungen
den
Massenbewegung
zogene
selbe,
mit
und Willens-
die verschiedensten Einflüsse
Curonia, das andere mit
zuerst
sich
arg verketzerten Oppositionspartei an-
der
Es waren eben
die
ihrem gegnerischen Standpunkt, während
diejenige Verbindung
Estonia
Nachdruck nahm.
Doch verharrte gerade
meisten Beziehungen verbanden, die
die
Curonia, bis zuletzt auf
Bewegung gestanden,
urtheilt in
vorgelegten Briefe
über die-
«Die Ueberwindung eines Vorurtheils
und eines
durch Jahrhunderte
zur Einsicht
einer Körperschaft oder
geheiligten Brauches
kann
einer grossen Gesellschaftsschicht
nicht
und durch
plötzlich
einen Mann
vollzogen
Arbeit
Der Boden muss unterwühlt und Breschen müssen
vieler.
an verschiedenen Stellen werden, ehe dasselbe
werden, sondern das Bollwerk
in
Werk und
die
und anderen
verliert
und Existenzberechtigung
zu-
>
Wie
sich aus den uus vorliegenden Berichten von Zeitgenossen
entnehmen in
das
des Vorurtheils gelegt
seine Alleinherrschaft
Ansichten ebenfalls Ebenbürtigkeit erkennt
ist
lässt,
hat sich die
Weise
folgender
Stimmen
Umwälzung Es
vollzogen.
welche
laut,
sich
gegen
der vierziger Jahre etwa
wurden
das Duell
zuerst
vereinzelte
erklärten,
die
aber
von den übrigen entweder lächerlich gemacht oder todtgeschwiegen
wurden.
Als
Theologe
F
r
ereter Fanatiker
ü h a u
f
neuen Strömung
der
nicht schlagen,
da
für verrückt erklärt.
das Duell
Da
eine
zu
Sünde
der
Markt zu begebeu und
sich täglich auf den
den dort stehenden Studentengruppen
pflegte
erklären, sei.
er werde sich
Er wurde
einfach
ereignete sich eine Mensur, deren trauriger
Ausgang besonderes Aufsehen
erregte.
Die
Paukanten hiessen
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2U8
Studentische Strömungen in den vierziger Jahren.
Dem
Duellen und Gaspari.
geschlagen, er wurde mit
Arme
steifem
hatte blos
an
starb
die Axillaris durch-
vor den Pedellen verborgen
Als Krüppel
mit
unheilbar
Grenze ins Ausland. Doellen Prime erhalten, bekam aber die Rose und
flüchtete er über die
eine kleine
Die
derselben (1841).
wurden
Secundanten
unter
die
Der Rector Volkmann versammelte damals die hielt eine zündende Rede gegen das
Soldaten gesteckt.
Studenten
wurde
Letzteren
Mühe und Noth
gehalten und nothdilrftig hergestellt.
der Aula und
in
Duellwesen.
Seit
dieser
begannen
Zeit
Gegner des
die
Duells
unter der Studentenschaft sich zu sammeln und aneinanderzuschliessen.
Es waren deren Semester hatte
bereits
war zu
Camby
gestellt
bei Dorpat), der,
und
Es
nachdem er
(gegenwärtig Propst
Oldermann der Estonia
als
zwei Mensuren ausgefochten, aus der Corporation Erklärung, er werde
sich
achtete Persönlichkeit
austrat mit der
mehr schlagen.
nicht
war,
zweiten
eigener Initiative
aus
völlig
Hasselblatt
Theologe Ed.
dies der
im
gegen das Duell Front gemacht.
ein Corporeller
ganz auf sich selbst
Schon 1840
wenige.
nicht
man gegen
ging
so
Da
er eine ge-
ihn
nicht
vor,
sondern sah ihm seine Stellungnahme als Marotte nach.
gannen
selbst aus der Mitte der Corporationen
Der Kurländer Sponn,
zu machen.
hatte Hasselblatt
«vom
Bald beUeberzeugung Sympathien geltend
sich für den unerschrockenen Vertreter seiner
breiten Stein
dieser
offene
ein leidenschaftlicher Duellant,
hach damaligem Renommistenbrauch wiederholt geschubst«
dem unermüdlichen
(d. h.
vom
»Anrempler»
gedrängt), bis
Trottoir
ruhig
auseinandersetzte,
derselbe werde damit nicht Ehre einlegen, da das Duell in seinen (Hasselblatts)
entspann
Sponn
Augen einmal
sich ein
Unrecht
ein
sei.
Von
der Zeit
ab
persönlicher Verkehr zwischen den Heiden, der
schliesslich für Hasselblatt so weit einnahm, dass er
klärte, sich eintretenden Falles
für
ihn
schlagen
ihm
er-
zu wollen, was
Hasselblatt natürlich, als mit seinem Standpunkte ebenfalls unvereinbar, lächelnd ablehnte.
Um
diese Zeit
begannen bereits einzelne
Gesinnungsgenossen unter den Wilden Hasselblatt
in
ihren Kreis
zu ziehen. Er wurde schliesslich aufgefordert, an einer Wildenversammlung theilzunehmen, die über ein gemeinsames Vorgehen zu beschliessen hatte Es traten hierbei drei verschiedene Richtungen hervor:
die
eine
wollte
eine Wildenvertretung
mit Corporations-
rechten erlangen, die zweite verlangte Wildenvertretung und Auf-
hebung des Duellzwanges, die das Duell
dritte
bekämpfende Richtung,
die
blos sich
das in
letztere.
Die blos
ihren Forderungen
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Studentische Strömungen in den vierziger Jahren.
299
auf ein vernünftiges Muss beschränkte, vermochte sich allein zu be-
haupten und errang schliesslich die lange vorenthaltene Anerkennung
Zuerst
der Corporationen.
freilich hatte ihre
mit 35 Unterschriften
versehene Eingabe an die Oorporationsconvente einen argen Sturm
gegen
man
dass
der schliesslich nur dadurch beschworen wurde,
sie entfesselt,
sich dahin einigte, die
Eingabe als «ungeschehen» anzu-
Die kleine Kämpferschaar wurde aber nicht müde, immer und immer wieder vorzurücken, bis die Reihen der Gegner sich zu lichten begannen und sie ihnen einen Fussbreit Boden nach dem sehen.
anderen abringen ihr
auch
standen.
war
wird,
der
Schmidt
dies
freilich
(gegenwärtig
der
erst, als
überzeugte Anhänger
Corporationen
unterrichteten Persönlichkeiten
namentlich
es
wurde
Möglich
konnte.
innerhalb
Wie uns von
Chargirte
Estonia
der
er-
versichert
E
u
gen
Moskau), der durch seine unablässigen
in
Bemühungen dem Standpunkt der sogenannten «Gewissensfreien» in der Burschenwelt verschaffte, nachdem er die Sache derselben auf dem eigenen Convent mit einer Stimme allgemeine Anerkennung
Mehrheit durchgesetzt hatte.
Die beiden anderen Richtungen, welche die Gleichberechtigung mit den Corporationen auf ihre Fahnen geschrieben
der Wilden
dem
hatten, tauchten bald in das Dunkel zurück, aus
waren.
Zwar wurde
die
theoretisch
Wildenvertretung wiederholt aufs neue so im J. 1846
bei
Einführung des
berechtigte in
sie
gekommeu
Forderung der
Berücksichtigung gezogen,
sogenannten «Repräsentanten-
convents» an Stelle des Chargirtenconvents (je 20 Studenten stellten einen Repräsentanten), ferner noch in den Jahren 1859 und 1873, in
denen sich Wildenverbäude organisirten
diese Vereinigungen
in
hanges nicht zu halten. die
Folge
ihres
;
doch vermochten sich
lockeren
inneren
Zusammen-
Die kleine Theologengesellschaft hingegen,
auf ihren geselligen Zusammenkünften ganz ihren nächstliegenden
Zwecken
lebte
und höchstens noch literarische und künstlerische mit
Eifer pflegte, blühte später, trieben,
unangefochten
weiter
fort
und
musste
erst
sich, von einem falschen Bethätigungsdrange geim Jahre 1865 als Corporation «Arminia* constituirte, dem
als
sie
separatistischen Tendenzen abholden landsmannschaftlichen Princip unterliegen.
Wir gehen nun Momente gewiss
daran,
dem Leser
nicht entbehrende
in
diese,
bedeutsamer
Studentenbewegnng einen
inter-
essanten Einblick nach Briefen von Karl Hesselberg zu gewähren,
welche dieser an seinen Onkel, den Pastor
Johannes Elver-
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Google
:
Studentische Strömungen
301)
den vierziger Jahren.
in
feldt
zu Zelmeneeken (f 1859) gerichtet hat. Ein vom 9. Oct. 1843 datirter Brief enthält die folgenden Mitteilungen über die
Anfänge des «theologischen Abends»
ersten
.
.
«
.
Wiederholt sind wir schon zu unserem theologischen
Erbauungsabend versammelt gewesen.
Hasselblatt
Behm
und
Schulen zu Wiborg. (dieser
äusserte
anfingen fromm
selbst
r ö
D.
ra.
18(31,
Ref.).
seine Zöglinge schon
Die Acte,
sehr
ist
Neues Bewunderung
f ft s t
sind
vom Rector und Curator
ist
werden) bestätigt.
altklassischen Philologie
Cr a
Er
freue sich, dass
sich, er
zu
von uns unterschrieben wurde, sie
Seine Hauptstifter
(f 1857 als Leiter der deutschen
D. Ref).
die
darüber
abgefasst, so dass
fein
Neue,
erregte (Chr.
Prof, der
war damals Rector, Curator war Es heisst darin u. a., wir würden
uns daselbst mit religiösen Wahrheiten in einer
dem Bedürf-
Form beschäftigen; der Abend zwar nur für Theologie Studirende, aber jeder Student würde gern aufgenommen, von Philistern nur Theologen. Du siehst, wir haben uns eigentlich volle Freiheit ausbeduugen, und doch ist dieser Schein gemieden. Neue hat uns gerathen, diesen Abend nisse entsprechenden
sei
Die Form
so öffentlich wie möglich zu machen.
dazu Lust
fühlt,
Versammlungsort Zeit war, zeigt in
kann
um
sich
halb acht Uhr
Dass der Abend
einfinden.
grosse Zuspruch, den
der
der Kirche gewöhnlich
ist:
jeder, der
am Sonnabend im ein Bedürfnis der
er findet.
Während
über 5 oder 6 Studenten sind,
nicht
Zahl der Besucher unserer Erbauungsabende bereits in Darunter siud auch vier Sonnabenden von 1 1 auf 35 gestiegeu. ist
die
viele
Landsleute
Ueberhaupt
ist
Kurland
aus
,
freilich
nur
fast
Theologen.
der Geist unter den Theologen hier gewaltig ver-
Wahrheit nicht mehr widerstehen. Selbst in der Landsmannschaft wird die Zahl derjenigen, welche über den Pietismus spotten, immer geriuger. Viel trägt hierzu Ph i 1 i p p i s Ansehen bei, bei dem sie Wissenschaftlichkeit mit Glauben vereint finden und der sich durch die Gediegenheit seines Charakters eine solche Achtung erzwungen Sie können
ändert.
hat, dass
habe.
ich
Der
über
alte
dem
Einfluss des Geistes der
ihn
noch
Sündenbock
seinem Glauben doch gar zu
nie ein
bleibt viel
Wort
Busch,
des Spottes gehört
der
Geschrei macht,
am Ende
mit
wie denn ein
Theologe seineu Wahlspruch dahin verkehrte: «Ich glaube, darum schreie
(st.
rede) ich
Der Brief geht
1
*
.
.
des weiteren auf die damals eben ins Rollen
Studentische Strömungen in den vierziger Jahren.
301
gerathene Bewegung gegen das Duell über, die iu folgender Weise geschildert wird .
.
.
:
«Viele Rlüthen der letzten Zeit werden leider vielleicht
einem Sturm zum Opfer in
fallen, der
letzter Zeit,
vom
begünstigt
rauh
jetzt
hereingebrochen
Die Zahl der Wilden hatte sich
einem Reformationssturm
ist,
Zeitgeist, so vermehrt, dass sie
den Kurländern die Hälfte ausmachten, darunter die geSchon das machte eine Reform nöthig, und wurde manchmal beiläufig daran gedacht. Eine Verlesung des Verrufs von Seiten eines der Wilden zog die Aufmerksamkeit der Landsmannschaften auf sich. Man fragt ihn; er antwortet, er gebe nichts auf diese Dinge. Darauf erscheint ein unter
aehtetsten Leute. es
Clmrgirter
kurischer
ßdsen
Beuningen
bei
und Sehlock, gegenwärtig paslor
(später
lich
begehrten.
darunter
verspricht
B.
folgenden Tage statt,
findet
29
ihm
bei
Kurländer.
in
Prediger
zu
D. Ref), einem
einer.
unserer angesehensten Leute und fragt, was
Wilden eigent-
die
Tagen Antwort. Am Versammlung von Wilden
acht
eine
Beschlossen
:
Abschaffung
des
Duells, Ehrengericht (d. h. wol Erweiterung der bisherigen ehren-
Bestimmungen im Hinblick auf die Antiduellanten. D. Ref), Fechtboden, akademische Müsse. Fünf werden zu Räthen erwählt, vier Kurländer (die meisten Stimmen hatte Beuningen) und mit grossem Consens der Estländer Hasselblatt, ein
gerichtlichen
Da
sehr geistvoller Mensch.
zeigt sich denn ein
grosser Zwie-
Ansichten trennt. Der eine Theil will nur sein Gewissen und seine Ueberzeugungen reserviren und betont daher
spalt, der die
vor allem
die Abschaffung
deren Gewissen diesen
dasselbe
des Duells
(natürlich
widerstreitet), die
Punkt gar nicht berühren, sondern
nur
für die,
andere Partei will
strebt nur die Rechte
Indessen sehen wir auf unserer Seite ein,
der Corporationen an.
wenn wir die Rechte der Corporationen, hauptsächlich Anan den Wahlen, verlangten, wir dadurch selbst wider unser Gewissen an einer unerlaubten Verbindung theilnähmen. Hassel-
dass, theil
blatt,
Behm und
klärung
ich
abzugeben,
vereinigen
dass
wir
uns also das Duell
weigerung desselben verhängten Verruf gehend nicht anerkennen. stücke aufgesetzt
Corporationen
:
die
als
dahin,
nur
eine Er-
und den wegen Vergegen unser Gewissen
Es werden drei verschiedene Schrift-
einen verlangen
gleiche Rechte mit den
(Propositionisten),
die
zweiten
gleiche
Rechte mit den Corporationen und Abschaffung des Duellzwanges
Digitized by
iA.
.
Google
302
Studentische Strömungen in den vierziger Jahren.
(Clausulo-Propositionisten)
und
die
dritten
(wir
drei) nur den Punkt gegen das Duell (Clausulisten), weil nur Gewissen und Ueberzeugung Richter sein sollen, jene Proposition
aber ein Unding
ist,
insofern
sie
immer abhängiges
doch
ein
Verhältnis von einer Verbindung will, in die wir eben
Gewissens willen nicht getreten
Es kommt zu
sind.
um
unseres
einer zweiten
Versammlung, auf der zwei kurische Edelleute, voll Stolz und mit einer ungeheuren Suade fanatisch den PropositionistenStandpunkt vertreten und uns durch ihre Beredtsamkeit am
Auch
meisten schaden.
die Clausulo-Propositionisten stellen sich
Wir
uns feindlich gegenüber.
finden keinen, der uns beistimmt,
legen feierlich Protest ein und verlassen die Versammlung.
bekämpfen einander
beiden anderen Parteien
voll
Die
Erbitterung.
Die Partei der Propositionisten, die zuerst unbedeutend erschien, zeigt sich bei der Verlesung der Schriftstücke als die überwiegende.
Auch
—
unsere Erklärung wird verlesen.
«Drei,» sagt der Vor-
Drei, wiederholt eine spöttische Stimme. — Und noch am selben Abend hatten diese verspotteten Drei den vollkommensten Sieg erfochten. Die
leser nachlässig.
«
»
Partei
der Propositionisten
nisten,
unter sich uneins, fassen endlich eiumüthig den Beschluss,
sich uns anzusehliessen
zieht
Clausulo-Propositio-
die
ab,
und ihre Forderungen
fallen
zu lassen
Den anderen Tag versammeln wir
und schicken daher zu uns.
uns, es wird eine Erklärung aufgesetzt, worin wir offen bekennen, die bestehenden Misbräuche
unser Gewissen
gegen
als
gehend
Viele in der Verfernerhin nicht mehr anerkennen zu können. sammlung widersprechen. Wir unsererseits erklären, wir bedürften nicht der Menge, sondern nur der Wahrheit und des
Rechts, jene verlassen uns, und wir bleiben 17 27.
Mann
zurück, zählen aber
Indessen scheint doch
so freundschaftlich
als
möglich
Wort an Bestimmtheit zu
in
der Stärke von
noch an demselben Abend
die
Form zu gemacht,
verlieren.
schroff,
sie
ohne nur
Obwol
ein
schon
wird also mit
paar
einem zurück-
sind wir doch am folgenden Tage schon 35, darunter 20 Theologen, also über ein Drittel aller deutschen Theologen. So reichen wir denn unsere Erklärung den vier Conventen ein, «Wir nicht ohne die Gefahr zu kennen, der wir uns aussetzen. treten,
suchen
heute
um
unseren Laufpass nach,» sagte
Angesehensten, der Jurist
Kupffer
von Dorpat, lebt daselbst. D.
Ref.),
(bis
einer unserer
1887 Justizbürgermeister
«bekommen wir keine Antwort,
:
Studentische Strömungen in den vierziger Jahren.
303
i
dem
so fahren wir ohne Pass aus
Obwol nun
ruf).
ein
Stadoll heraus» (d.
Kurländer mir
ist
Mehrzahl
selbst sagte, die
der Landsleute halte das Duell ebenfalls
für
ein
Unrecht («Es
ein nothwendiges Uebel,» sagt die allgemeine Stimme),
Chargirten
estländischen
die
Wir hören aus
stehen.
Mögliche
alles
der Mitte
um
thun,
unsere Sache sehr
unterstützen, so scheint doch
Ver-
in
h.
obwol uns zu
zweifelhaft zu
der Corporellen
wiederholt
Aeusserung, man billige uuser Vorgehen zwar privatim, könne aber den Comment nicht ändern. Die Corporationen erdie
kennen, dass wir allein ihre Basis antasten: den Propositionisten, scheinbar viel mehr verlangen,
die
Doch sind
nisse machen.
haupt
darum
halten sich sind
schwach,
zu
viel
erbittert, scheinen
sich
in
zu stellen.
Verruf zu kommen.
die Corporellen
Anzahl Commilitonen,
die
Sie ver-
was aus uns wird.
ruhig, bis sie sehen,
ganz gefasst darauf,
eine solche
wollen sie eher Zugeständ-
diese nur halb so stark wie wir, über-
um Forderungen
doch
von
Wir
Doch, obgleich noch zu scheuen,
einer
vom
Zeitgeist
begünstigten, ihnen selbst nicht ganz fremden Ueberzeugung durch-
drungen
zum
sind,
äussersten zu bringen.
Sie selbst haben uns
erklärt, es befänden sich unter uns mit die achtbarsten
haben keinen anderen
Namen
unerschrockene Kohorte».
Leute und
uns erfinden können
für
als
«die
Jedenfalls müssen wir uns opfern, wir
dürfen unserem Gewissen nach keinen Schritt nachgeben.
Zwar
scheinen wir ohne Zufluss, da
wir meist ältere Burschen sind, Dorpat bald verlassen, aber wir vertrauen auf Gott und die auch manche Hoffnung auf Zuwachs.» die
Gerechtigkeit unserer Sache, haben .
Aus
.
.
dieser
jeder einzelnen Zeile
Auseinandersetzungen
leuchtet
der
massvollen und sachlichen
allem
Zelotismus
blinden Parteihass gleich fremde, milde, ruhige
sammelte Charakter Hesselbergs
Er
in
und
und
allem
innerlich
harmonischer Weise
ge-
hervor.
schrieb an einen Verwandten und Gesinnungsgenossen, brauchte
also
seinen Empfindungen
und
doch
stossen
wir
durchaus
auf kein
keinen
Wort
Zwang
des Tadels
aufzuerlegen,
oder
der Er-
bitterung gegen die mächtigen Gegner.
Nach
einiger Zeit finden wir den Briefsteller bereits in viel-
fache persönliche Beziehungen zu den Corporellen getreten.
Durch
den von seiner Gesellschaft gegründeten Fechtboden kommt er mit dem frisch pulsirenden Studentenleben in innigere Berührung. Ein
vom
8.
März 1844
datirter Brief berichtet darüber Folgendes
Digitlzed by
Google
,
Studentische Strömungen
304
.
.
Vogel dem
burschen Director theol.
des
den vierziger Jahren.
in
verkehre
«Freundlich
.
mit dem kurischen Corps-
ich
tüchtigsten Philologen hier (gegenwärtig
mitauer Gymnasiums.
Grüner
D. Kef.)
und
(gegenwärtig Pastor zu Barbern)
Im ganzen
essanten und begabten Menschen.
,
dem
cand.
sehr
inter-
stehe
ich eigent-
ganzen kurischen Landsmannschaft recht freundlich, obwol unsere Parteien sehr getrennt dastehen, denn wenngleich zur Abschatfung der bedeutendsten Uebelstände eine Commission lich mit der
von Chargirten
handlungen einträchtigt.
niedergesetzt
am
doch
wird
so
ist,
gerade
meisten
diese in ihren Vervon den Kurländern be-
Dazu kommt, dass wir ihnen
angethan, indem wir Wilden jetzt
jetzt bitteres Leid
uns einen Fechtboden einge-
30 Mitglieder zählt und später der LandsDer Erbauungsabend mannschaft grossen Eintrag thun kann.
richtet,
der
schon
am Sonnabend,
der Verein gegen das Duell und der neue Fechtboden bilden mit ihren Mitgliedern schon eine ansehnliche Macht,
mit der die Weltgebieter sehr sanft verfahren müssen.
was thun
sie nicht alles!
Freilich,
Die Füchse werden von ihnen jetzt so dass sie uns den jungen
gehätschelt, so liebreich aufgenommen,
Zuwachs
so
gut
wie ganz
Unser Fechtboden hat
entziehen.
'übrigens auch einen Nebenzweck, nämlich den, den Vorwurf der Weichlichkeit und Furchtsamkeit ganz von uns abzuwälzen.»
.
.
.
Die Fechtübungen zogen den jungen Theologen sehr an und schwang mit Lust seine Klinge. An seine Eltern schreibt er, wie wir einer von seinem Schwager, dem Pastor Paul Seeberg,
er
herrührenden Lebensbeschreibung (Mitau, Neumanns Verlag, später Fr. Lucas 1853) entnehmen, unter
dem
4. Sept.
1845: «Die Quarte
ist
der offenste und gewichtigste Hieb auf die Brust, ich wünschte
sie
wol geistig zu führen.»
Diese kleine Stelle dürfte bezeichnend
für die aufrichtige und gerade
kein Hehl und kein Falsch war.
Gesinnten
trat Hesselberg
Natur des Briefstellers sein, in der Auch im Verkehr mit gegnerisch seinen Ueberzeugungen bei jeder
mit
sich darbietenden Gelegenheit hervor, wusste sie aber stets in eine
anspruchslose und nicht verletzende
Form
zu kleiden.
Von einem
Gespräch, das er über die Duellfrage mit einem jungen Estläuder gehabt, berichtet ein ebenfalls in Seebergs Lebensbeschreibung ab-
gedruckter Brief an seine Eltern vom 18. Mai 1846. u. a.
Sie
waren
auch auf den «Ehrenpunkt» zu sprechen gekommen, und der « Du hältst also von der Ehren-
Estläuder hatte erstaunt gefragt haftigkeit nichts?»
—
:
«Von der
fälschen
Ehre
nichts,»
war
die
Digitized by
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»
:
Studentische Strömungen in den vierziger Jahren.
Antwort, «von der wahren
viel.»
Menschen
und
haben
Unrecht
bin es nicht, der
—
Du
«Das bedeutet
Entgegnung Hesselbergs, Mittlerweile
Anderer
«ein
hatten
die
sich
Recht hast!»
allein
Recht hat.» lautete die
vielleicht
klingende, aber von seinem Standpunkte
305
also, dass alle
—
«Ich
etwas lehrhaft
aus durchaus schlagende ist's.
Kämpfe
weiter
ohne dass ein baldiges Ende zu erwarten staud.
fortgesponnen,
In einem
Briefe
an den Oheim Elverfeldt vom 28. April 1844 heisst es: .
«Unsere Sache
.
.
die Hartnäckigkeit der
so günstig aus, als die wir
auch
noch immer nicht zu Ende: durch
ist
Kurländer
Zustimmung geben
können
der Endbeschluss nicht
fällt
Doch
es zuerst schien.
wir nur zu einem Frieden,
wir vollkommene Sieger bleiben) gemessen, die
Gesinnung dessen, der
sich
nicht
wesentlich:
schlägt,
des Losgehenden
ehrenvoll mit derjenigen
sind die Vortheile,
Annahme (geradezu
stillschweigender
bei
als
unsere in
dem
1)
dass
ganz gleich
angesehen wird
;
2)
dass der Beleidigte in keinem Falle loszugehen braucht, sondern
durch Vermittelung des Ehrengerichts eine Ehrenerklärung erhält
Bestimmung bestand
(diese
bereits.
D.
Ref.), endlich dass
auch
der Beleidiger unter gewissen Umständen sich nicht zu schlagen
Aber
braucht.
dies ist freilich der schwächste
Die Kurländer gehen
Funkt.
aus, dass Leute, die so
von
der falschen Voraussetzung
friedlich sind, dass
Was
abscheuen, auch nie beleidigen werden. so hat er
betrifft,
nicht
so viel
und schwebendste das Duell
sie
ver-
unseren Fechtboden
Widerspruch
erregt,
und
wir
harmoniren jetzt besonders mit den Kurländern, deren Nachbarn wir sind, ganz gut.»
Um
diese Zeit
.
.
.
begann Hesselberg nach
Gesinnungsgenossen
ältesten
Antiduellantenpartei
bereits
übernehmen.
zu
erwähnten Briefe widmet zweien
.
.
blatt, der
der
dem Fortgange der Führung der in dem
alleinige
Eine weitere Stelle
fortziehenden Gefährten die
Worte
folgenden .
die
«Ein grosser Verlust für uns
vielleicht der geistvollste unter
auch
die
meisten
Unternehmungen
ist es,
dass
Hassel-
den hiesigen Theologen, geleitet
hat,
weggeht.
Achtung einflössende Persönlichkeit und seine Energie werden uns in fühlbarer Weise fehlen. Auch der zweite unserer Geschäftsträger, der Jurist Kupffer, ein Kurländer, geht
Seine
weg, ein Mensch von Thätigkeit.
—
Eine
R»lti»ebp XunnlAftchrirt.
viel
sehr
Scharfsinn, Eifer
und
unermüdlicher
interessante Bekanntschaft
Hand XXXV, Hort
4.
habe ich
21
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Google
Studentische Strömungen
30(3
neulich in
dem Estländer
fabrik
Sarepta.
in
G
D. Ref.)
deutendste Dichtertalent, das
wenigstens glaube
Budbergs viel
Am
hin.
1.
.
.
.
ist
wol
das
unseren Provinzen
in
.
be-
kenne,
einen lebendigen Geist,
.
den Corporationen
mit
Sept. 1840, also nach
schreibt Hesselberg, der damals
gelegt hatte
Er
gemacht. ich
Wesen drückt
weniger Gemüth aus.»
Die Verhandlungen
Jahre lang
den vierziger Jahren.
z s c h (f als Besitzer einer Senf-
dass sein Talent viel grossartiger als das
ich,
Sein ganzes
ist.
in
t
1 i
mehr
zogen sich noch als zwei Jahren,
seine Gradualpriifung ab-
bereits
:
«Ich bin noch Bursch,
.
Gewissensfrage
ist
weil
ich eine Sache, die eine
und deren Fortgang wenigstens durch meine
persönliche Stellung
in
der Burschenwelt
wird,
erleichtert
zu
vertreten habe. Freilich, so viel ich auch das versöhnende Element
darzustellen
strebe,
der Sache kann
der Consequenz
Wo
das Geringste vergeben.
ich
ich nicht
etwas zu vertreten habe, da
darf keine Spur von Duell oder geheimer Verbindung mehr Vor-
kommen, und das hat hatten, zerstreut.
die Schaaren, die sich
zu uus gesammelt
Idealität und Consequenz der
uns allgemein zugestanden, aber darum
ist
Ausführung sind
unsere Zahl auch so
geschmolzen, dass höchstens an einen Waffenstillstand, nicht mehr
an einen allgemeinen und gründlichen Sieg zu denken
wo der
nicht erfochten
Frieden.»
.
.
schliessen wir unter keiner
ist,
ist,
und
Bedingung
.
Und doch
im J. 1848 starb, noch die von ihm verfochtene Sache mit dem vollständigen
hatte Hesselberg, der
Genugthuung,
die
Siege gekrönt
zu
sehen.
Er konnte das erhebende Bewusstsein
empfinden, mit vollster Hingebung für sie gewirkt
und die ganze
Kraft seines reinen, idealen Sinnes zu ihren Gunsten in die WagIn welcher Weise Hesselberg auf schale geworfen zu haben.
—
Umgebung
seine
einwirkte und ihre Zuneigung und Sympathie zu
erwerben wusste, dürfte am besten aus dem folgenden anschaulichen hervorgehen,
Charakterbilde
A.
das
uns
auf unsere Bitte Professor
Oettingen von ihm entworfen hat:
v.
«Karl Hesselberg,»
schreibt Prof.
Oettingen,
v.
«war eine
mystisch angehauchte Natur, mehr für wissenschaftliche Vertiefung, als praktische
Wirksamkeit angelegt. Die
letztere blieb aber nicht aus
— wie seine Predigten und seine Arbeiten im christlichen Studentenverein beweisen
was
er lehrte
— weil
er eben ganz von
und erkannte.
dem durchdrungen war,
Dabei war er
nicht
einseitig
.
theo-
Digiiized by
G
Studentische Strömungen in den vierziger Jahren.
Er brütete damals
logisch gebildet.
Drama» und
pflegte
in
307
über einem «christlichen
mit feinem Ver-
ästhetischen Interessen
die
— wie
Aber
ständnis.
viel
seinem Aeusseren (mit den Augen mehr nach
Innen schauend, mit dem Worte fast
wie
in ekstatischem Selbst-
gespräche sich bewegend) nichts der gewöhnlichen gesellschaftlichen
Verkehrsform sich anpasste, so vermochte er sich auch kaum einem
Er blieb immer apart und Weise hat ihn oft darob geneckt,
harmlos fröhlichen Verkehr hinzugebeu. Philippi in seiner sarkastischen
dem jungen Manne noch Menge ungehobener Schätze in dem tiefsten Schacht seines Bei alledem war Hesselberg unter den Studenten
obwol jener für eine
sehr
wusste, was in
wohl
Inneren ruhte.
eine allgemein anerkannte Persönlichkeit, deren Einflüsse die Sache
des Antiduellantenthums viel zu danken hat.
nach Kräften, war aber durch den Adel
Weihe
seiner
mehr
ein
Disputax,
religiös-sittlichen
Behm
assistirte ihm während Hesselberg
Ueberzeugung, durch die
durchdrungenen Charakters gewinnen wusste.»
seines christlich
für sich zu
die
Aehnlich äussert sich auch Propst Hasselblatt zu Hesselberg. lauteres
lautet
seine
ist.
über
«war
ein
Schilderung,
Gemüth im Salon fast dass man bei oberflächlicher
jungfräuliches
vorgekommen
,
In Sachen
Bekanntschaft ihn sogar für unbedeutend gehalten hat. aber,
die
sein Innerstes
erfüllten, namentlich
Vorträgen, be*
bei
Strom der
lebten und durchgeistigten sich seine Züge, und der edle
Rede
floss ihm,
die
Gemüther
Camby
Hörer überzeugend und gewinnend, gewisserEr war keine kampffreudige
massen mitten aus dem Herzen heraus.
Natur, ein schlechter Dialektiker: nicht durch Beweis und Gegenbeweis schlug er den Gegner, sondern innerstes Erfülltsein vou der Sache.
er
gewann
ihn durch sein
Hesselberg war nichts weniger
Menschenkenner; kindlich traute niemandem das Schlimmste zu.» als
er jedem
nur
das
Beste,
Hesselberg war eben noch weit mehr Gemülhs- als Verstandesmensch, und dieser Umstand war es vor allem, der
ihm
bei aller
Abstractheit und Weitabgewandtheit seines Denkens so zahlreiche
Freunde, selbst unter den Gegnern seiner Anschauungen, verschaffte.
«Keiner seiner Studiengefährten,» schreibt Seeberg, «wagte ihn dafür zu verhöhnen, dass er ihrem Treiben innerlich so fern stand, weil
man ihn eben anderweitig so hoch stellen musste und weil Wesen weit entfernt davon war, als mönchische Askese oder
sein
Alt-
klugheit aulzutreten.» 21
*
Digitized by
Google
308
Studentische Strömungen in den vierziger Jahren.
Ein anziehendes Bild von Hesselbergs bietet
junger
war
Seeberg
in
gross, kräftig, schwer, ja
langes Oval,
äusserer Erscheinung
nachstehender Schilderung: «Hesselberg war eiu
Mann von grossem Wuchs und war etwas
etwas
gerader Haltung, sein
aber nie hoch aufgeschlagen waren, denn
Gang
Der Kopf,
unbeholfen.
ein
freundlichen Augen, die
spitz mit sanften,
sie
waren
sehr leidend
Die Nase war sanft gebogen, der Mund von einem Lächeln belebt; die Züge des blassen, bart-
und gedrückt.
liebevollen, kindlichen
machten
Gesichts
losen
sehr jugendlichen
einen
Eindruck.
Im
ganzen konnte Hesselberg damals an Schiller erinnern, wenn man sich diesen
man von ihm
nach den sanfteren Bildnissen, die
denken darf.»
.
.
hat,
.
Als weiterer Nachtrag zu dem entrollten Bilde der Antiduellantenbewegung möge hier noch die nachfolgende Charakteristik Platz finden, die Propst Hasselblatt-Camby von zwei anderen eben-
mehrfach erwähnten Führern der Bewegung entwirft: «Behm,» bemerkt Propst Hasselblatt, «war ein klarer Kopf und ausgezeichneter Dialektiker, dabei aber beherrscht von einem falls
merkwürdigen Hange zur Mystik; ein ganz theologisch angelegter Mensch, auch keineswegs kampffroh. Das studentische Treiben, Auf seine Versammlungen &c. waren ihm ein Greuel. intimeren Bekannten hat er grossen Einfluss und grosse Anziehung ausgeübt sich dagegen in den Duellkämpfen soweit Massenversammlungen, Berathungen mit den Corporationen &c. in Frage kamen, fast ganz im Hintergründe gehalten. Viel mehr Sturmbock grosse
,
war Victor als
,
Knpfl'er, vielleicht nicht so sehr auf Gewissensfreiheit,
«War
auf Wildenvertretung hin.
später
zu äusseru,
das eine Mühe,»
Wildenbanden
«diese
pflegte er
zusammenzuhalten
zusammenzutreiben, und es war kaum zu glauben, wie
viel
und
Schund
darunter war.»
Die Früchte der Bewegung gegen das Duell kamen nicht blos den Einzelnen, keineswegs auch allein der Masse der ausserhalb der
Corporationen Stehenden
den
Verbindungen
selbst
zu
gute,
und
sondern
ihrem
nicht
zum wenigsten Forum, dem
gemeinsamen
Chargirtenconvent. Der Verfasser der bereits weiter oben erwähnten Schrift über die dorpater Universität
Entwickelung des dorpater
äussert
Burschenstaats
«Für die Anerkennung
darüber: ist
die
der Gewissensfreiheit von der weittragendsten Bedeutung gewesen,
denn dadurch waren wieder zwei ander gegenübergestellt, welche
entgegengesetzte Principien einin
dem allgemeinen Comment mit
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:
Studentische Strömungen
einander zu verschmelzen und
in
in
309
den vierziger Jahren.
Einklang zu bringen den Conventen
Das
eine vieljährige legislatorische Arbeit auferlegte.
hatte einen
Gedankenaustausch zwischen den einzelnen Corporationen zur Folge, nur
der, obgleich
zu
häufig
zur Festigung
wesentlich
der
in
heftige Polemik
ausarteud, doch
gegenseitigen Beziehungen beitrug,
bis schliesslich die Vierheit zu einer so festen Einheit wurde, dass
ohne eigenen Schaden keines der vier Glieder sich von dem anderen losreisseu konnte.» .
.
.
.
,.
Unter den uns vorliegenden Briefen Hesselbergs befinden
.
sich noch einige, die sich mit
Facultätsangelegenh eiten die theologischen Leser der
beschäftigen und in Folge. dessen für «Balt. Monatssehr
»
vom
urtheilt in folgender
Mai 1843
2.
Ein Brief
von einigem Interesse sein dürften.
Weise über die damaligen
Professoren
«Philippi
ist
von eben so
Er
Innigkeit.
im
nicht
viel
den Theologen) vielleicht
(nicht blos bei
der geachtetste Professor Dorpats
und
ein
Die Lehre
Buchstabendienst.
von der
dereinst noch nebeu ihm leuchten wird.
Keil
gesondert von den übrigen Theologen und
ist in
zu,
freien
Gnade
Die beiden anderen,
Keil, verdunkelt er sehr, vielleicht, dass der erstere
Busch
noch vielfach schwankend. an.
Mann
lutherisch und streng kirchlich, aber im Geist,
ist
hat er in seine innerste Seele geschlossen.
Harnack und
interessanter
wissenschaftlicher Bildung als Herzeustiefe und
Der Sinn
schliesst
steht
sehr ab-
seinen Ansichten
an Philippi
sich
wahre Theologie nimmt unter uns Studenten
für
auch im Gegensatz zu unseren Antagonisten, den Medicinern,
einer Spaltung, die sich selbst unter den Universitätsprofessoren
ausspricht und noch vor kurzem eine
bühne herab Theologen dieser
von Seiten
positive Sinn
unter
den
H
i
jungen Theologen des Estländers
n s c h und des Kurländers
es
in
Wie
L
i
c h
ein
geweckt
ist,
Carlblom, t
e n s t e
i
n.
Zeugnis vou
so schöner Vollendung, in eiuer solchen
Fülle von biblischer Tiefe in Dorpat wol ist.
gegen unsere
herbeiführte.
Geradezu ausgezeichnet war Carlbloms Predigt, der Gnade, wie
von der Redner-
Kämtz
der Wissenschaft
bezeugen die drei letzten Predigten des Livländers
Anklage
des Physikers
Verfolger
als
selten
gehört worden
(Carlblom hat auch die letzte goldene Medaille, die für die
Bearbeitung dieses Gegenstandes ausgesetzt war, erhalten.)» Philippi ein
war damals noch
paar Jahren
(seit
eine
1842) in Dorpat
frische Kraft, die
erst seit
wirkte, aber gleichwol auf
Digitized
by
Google
:
Studentische Strömungen in den vierziger Jahren.
310
Studirenden
die
bereits
mächtigen
einen
ßeurtheilung Philippis finden wir fach
der
citirten
Broschüre
einer reinen,
Da
nun
ein
in
festes,
makellosen Persönlichkeit
so
Zur
ausiibte.
«Mit
.
.
.
klares, consequentes
aber Consequenz, zumal
sich paart, zu allen Zeiten auf die
ausgeübt hat,
Einfluss
der in diesem Aufsatze mehr-
eigentümlichen Schärfe des Ver-
der jüdischen Nationalität
standes war bei Philippi alles
System gebracht.
in
folgenden Ausführungen:
die
gewann auch
wenn
sie in
wahrer Begeisterung
mit
Jugend einen gewaltigen Zauber
Philippi
auf die Studenten einen
ausserordentlichen Einfluss, so dass noch jetzt, nach vier Decennien.
wärmster Verehrung und Dankbarkeit seiner gedenken. Durch seine fast vor einem halben Jahrhundert begonnenen dogmatischen Vorlesungen hat er der theologischen Facultät die Richtung gewiesen, von der seine ehemaligen Schüler nur
mit einer einzigen
sie
wichen
den Ausdrücken
in
Ausnahme
bis heute kein
und Berlin und Hess sich 1833 J.
breit abge-
um nach Rostock
zu
Keil war gebürtig aus dem Voigtlande, studirte in Dorpat
gehen.
Im
Haar
ist.»
Philippi verliess Dorpat im Jahre 1852,
in
Dorpat
als Privatdoeent nieder.
1839 stieg er zum ordentlichen Professor empor, wurde 1858
emeritirt und lebte
seitdem
in Leipzig,
wo
er im Frühling dieses
—
Busch war 1824 49 Professor der historischen Er ist ebenfalls schon aus dem Leben geschieden. Harnack wurde 1843 Privatdoeent in Dorpat, ging später nach Erlangen und wurde 18G9 von neuem als Professor der praktischen
Jahres
starb.
Theologie.
Theologie nach Dorpat berufen, emeritus
lebt.
Von den
in
dem
wo
er
gegenwärtig als professor
Briefe namhaft gemachten Studenten
der Theologie starb Carlblom als Generalsuperintendent von
um
Hinsch
1878,
als
Divisionsprediger
in
Smolensk
Moskau
1869
und
Lichtenstein als Prediger der deutschen Stadtgemeinde in Mitau 1860.
Ueber die Doctorpromotiou Hainacks weiss ein Brief vom 28. April 1844 Folgendes zu berichten «Vor vierzehn Tagen war Harnacks Disputation. Sie fiel seingut aus. Nie war eine grössere Anzahl Studenten zusammen. Die Dissertation Harnacks war, wie auch die Disputation, deutsch. Thema: Die Idee der Predigt, aus dem Wesen des protestantischen Cultus entwickelt, voll hübscher Gedanken. .
.
.
Philippi griff mit Scharfsinn an, Carlblom (Oberlehrer der Religion
am Dorpater Gymnasium,
eine Zeit lang Stellv. Professor.
mit der würdevollen Klarheit, die ja
D. Ref.)
der Spiegel dieses
tiefen
Digitized by
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:
Studentische Strömungen in den vierziger Jahren.
311
Doch antwortete Harnack gut und gewann Beifall. Zuletzt trat als Extraopponeut Kruse (Prof, der Geschichte bis D. Ref.) auf. Der 1853, starb bald nach seiner Emeritirung. kleine spitze Mund, der viele lateinische Sätze rasch .hervorsprudelte, arbeitete tüchtig. Als Harnack deutsch antwortete, entstand Gelächter, was den Kleinen etwas verlegen machte. Mehr noch geschah dies, als er nun mehr Ungereimtheiten in Geistes
ist.
der nächsten Viertelstunde
vorbrachte,
Jahren gehört haben mochte.
Z. B.
das Auditorium
als
in
«Unsinn, dass du die Predigt
:
das Bild der prophetischen Thätigkeit Christi im Cultus nennst,
denn es wird
in ihr
das Lachen, rings
> Immer lauter wurde waren die hinten Stehenden auf Bänke bildeten ein dichtgedrängtes Amphi-
doch nicht prophezeit.
um
und Stühle gestiegen
ihn
und
theater, das jede seiner Niederlagen begleitete.
erst eine
mit
schallendem Gelächter
Harnack schonte ihn nicht und rieth ihm Dogmatik anzuseheu, ehe er disputire.»
endlich,
Die Urtheile und Schilderungen Hesselbergs erscheinen fern nicht ohne Bedeutung, als er offenbar nicht
Augen
lichen in
des Durchschuittsstudeuteu
Dingen, die im Zusammenhänge
mit
mit den
inso-
jugend-
sah, sondern, namentlich
seinem Studium
eiuen sehr ausgereiften und geklärten Blick besass.
standen,
Die Facultät
wusste seinen früh entwickelten Geist wohl zu schätzen und
hielt
für ihn bereits den Lehrstuhl des unmittelbar vor seiner Emeritirun^ stehenden Busch bereit, als sein plötzlicher Tod ihn der sich ihm so verheissuugsvoll öffnenden Laufbahn entriss. In wie hohem
Grade
die Professoren sein Hinscheiden betrauerten, geht aus
Seeberg abgedruckten Beileidsbriefe
den Philippi
hervor,
dem
bei
an
die
Mutter des Verstorbenen schrieb und der u. a. folgende Stelle enthält ... «Er war der Stolz und die Hoffnung unserer Facultät, er wäre auch die Zierde unserer Hochschule und der theologischen Wissenschaft geworden. Er war geliebt von Feinden wie
Freunden des Evangeliums, denn
welche
die,
der Ernst
seines
Charakters und die Entschiedenheit seines Bekenntnisses in Wort
und Tliat hätte abstossen können, wurden doch durch die kindliche Anspruchslosigkeit und die liebenswürdige Bescheidenheit seines Wesens gelockt und festgehalten.» .
Zum
Schlüsse setzen wir
einige
.
.
biographische Notizen über
Hesselberg hierher, die wir ebenfalls dem Seebergschen Buche ent-
nehmen
:
Karl Hesselberg
war geboren im Pastorat Sackenhausen im
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:
312
Studentische Strömungen in den vierziger Jahren.
Später wurde sein Vater nach Dal-
südwestlichen Kurland 1825.
bingen in der Nähe von Mitau versetzt,
welcher letzteren Stadt
in
Karl das Gymnasium besuchte, das er im J. 1842
Er
unter sämmtlichen Reifeprüflingen verliess.
von 1842—46, erzielte für
von
der
freien
Gnade Gottes
bestand 1848
examen.
Seine Dissertation handelte
Der junge Gelehrte
Er
bahn zu bleiben.
Dogma
über Tertullians Leben und
nach Angern (Kur-
Rufe
erhielt
land) und Marienburg (Livland), entschied dahin, bei der so erfolgreich
Dorpat
glänzender Weise sein Magister-
und
in
das
behandelte, die goldene
Christo
in
Medaille
Schriften.
als der tüchtigste
studirte in
eine Preisaufgabe, welche
aber zuletzt doch
sich
begonnenen
wissenschaftlichen Lauf-
ihm angetrageuen
bereitete sich schon vor, den
Lehrstuhl anzutreten, da raffte ihn
am
1848 zugleich mit
21. Juli
seinem Vater die Cholera dahin. Hesselberg besass auch ein hübsches dichterisches Talent, das bereits in seiner frühesten
Knabe machte «
Jugend zu Tage
Schiller,
an
ein
schweizerisches
Biographie theilweise abgedruckt
ist,
vom Vater vorgeleseneu
einen
Während Drama «Stussi
Der Reichstag zu Wien».
er
dramatischen Versuch Schuljahre
seiner ,
Als siebenjähriger
trat.
er sich, angeregt durch den
Krieg von
30jährigen
dichtete
der Seebergschen
das in
aber gerade von keiner sehr
Begabung für das Dramatische zeugt. Grösser war Hesselbergs Talent für die Lyrik, seine Lieder sind meist und innig empfunden, doch ist der Ausdruck nicht immer von der erforderlichen Prägnanz und Anschaulichkeit, während die Form hervorragenden
tief
hin und wieder etwas vernachlässigt erscheint.
Natur,
weichliche
die
nur
beim Verfechten
Seine zarte, etwas einer Idee
von
er-
staunlicher Kraft und Zähigkeit war, tritt in den folgenden Versen in ihrer
ganzen Eigenart hervor:
-Mich drängt’ es nicht, in froher Lust Mit den Genossen mich zu schaaren, Kampf ich keck die Brust. .
.
.
Nicht bot zum
Ich könnt’ die andern nicht verstehen,
Sah ich sie toben auf der Flur, Mir schien es stets ein roh Vergehen
Am
Liebesgeist und der Natur.»
.
.
.
In Dorpat dichtete Hesselberg für die Schaar seiner Gesinnungs-
genossen
(die
«unerschrockene
Kohorte»)
ein
Bannerlied»,
welches zu dem Schwungvollsten und Bedeutendsten gehört, das er geschrieben.
Der Anfang desselben
lautet:
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!
Studentische Strömungen
313
den vierziger Jahren.
in
zum hoU’gen Martyrthum,
Auf, auf
Der Herr
will dich verklären.
Fahr’ hin, fahr’ hin, du ird'scher Ruhm,
Du Glanz der eitlen Ehren. Nun trag’, mein Volk, die Dornenkron’, Die ich zuvor getragen,
Der Purpur
soll,
Hohn
wie mir, zum
Dir um die Schultern schlagen.
Du
mit Schmach begossen sein,
sollst
Gesunken vor den Leuten.
Und
Schand’ hinein,
führ’ ich dich in
Sollst du nicht widerstreiten,
Du sollst, Und deine
mein Volk, geschlagen sein Schläge leiden,
Gedenke dran
Ich
:
die Rach’ ist
mein,
will für dich entscheiden
!>
Ein bisher noch ungedrucktes Gedicht von ihm, das den
«Curouia und Livouia»
führt,
wägt
die
Vorzüge der
Namen
beiden Pro-
vinzen gegen einander ab und spricht dabei manchen hübschen Ge-
danken aus.
Da
der älteren Zeit
es aber viel von dem, namentlich den
eigenen Particularismus
sich birgt, so bringen wir es citiren
rischen
nur die folgende
nicht
lieber
Kurländern
und Provinzialdünkel in zum Abdruck, sondern
(freilich ebenfalls
nicht wenig mit dichte-
Ueberschwenglichkeiten durchsetzte) Stelle,
in
welcher die
Jungfrau Curonia sich zu ihrer stolzen Nachbarin wendet, die den ersten Platz für sich beansprucht: «lieh
las
im Buche der Geschichte,
/*
Wie Kurlands Söhne diel» befreit, Als über dich im Blutgerichte Entschied der Waffen wilder Stieit.
Wohl
musst’ ich in der Chronik lesen.
Dass du dich Mutterland genannt,
Doch Zeug
ist
mein Land
allein
mir’s, der Freiheit
Wohl
seh' ich unter
gewesen,
Vaterland
fremdem Schilde
Die Schiffe liegen auf der Höh’
—
Stolz zog mit ihrem Löwenbilde
Die Flotte Kurlands
in
die See
!
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314
Studentische Strömungen
in
den vierziger Jahren.
Es reden meine muth'gen Söhne Nicht, wie ihr
Ruhm
so herrlich sei,
Sie Hessen auch das Wortgetöne,
Sie
Wir
sprachen
nicht und
waren
frei.»
sehliessen in der Hotl'uuug, den Lesern einiges Interesse
für die begabte,
und
ehrenwerthe
mit wahrhaft
liebenswürdigen
Gaben des Gemüths ausgestattete Persönlichkeit abgewonueu zu haben, welche ihnen auf diesen Blättern eutgegeugetreten es auch nur ein Wirkungskreis
ist.
War
von untergeordneter Bedeutung, der
Hesselberg während seines kurzen Lebens beschiedeu war, so zeigte er doch schon hier Gesinnungen und Anlagen, die ihn
späteren Laufbahn
eiuem
zu
gewiss
tüchtigen
auf seiner
und erfolgreichen
Vertreter seiner Wissenschaft, zu einem würdigen Mitgliede unserer
Landeskirche gemacht hätte.
Eberhard Kraus.
-
*
% *.
>*\ :
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\
Die Gefolgschaft der Frau von KrUdener.
Etüde sur
lc* origines
de ln Saintc- Albaner.
Strasburg, 1887.
Gr.
8.
Var E. AI uhlenbcck
(Paria
uud
S. 332.).
den berühmt gewordenen Söhnen unseres Landes haben
nur einzelne, langten
Töchtern
zurückgelassen.
von
desselben
den zu einer gewissen Notorietät hat
keine
in
ihrer
ge-
Heimat Spuren
Die bekannteste Livläuderin neuerer Zeit, Juliane
von KrUdener, war so durchaus unlivländisch, dass sie vielen ihrer Landsleute erst durch eine Abhandlung ins Gedächtnis gerufen
worden ist, welche C. Schirren vor nächstens dreissig Jahren der merkwürdigen Frau an dieser Stelle widmete. Auf dieses Cabinetstück biographischer Kunst weiden sich heute nur noch wenige Leser der «Baltischen Monatsschrift» besinnen. Für diese sei bemerkt, dass die Schirrensche Charakteristik der Frau von Krüdeuer weder früher noch später übertrolfen worden ist und dass derselben auch gegenwärtig, wo zahlreiche, damals verschlossene geschichtliche Quellen geöffnet worden sind, Wesentliches nicht hinzugefügt zu werden braucht. Wer die berühmte Schwärmerin war und wie sie dazu geworden, hat ihr livländischer Beurtheiler genauer gewusst, deutlicher gesagt als irgend ein Anderer. Höchstens dass das damals entworfene Bild eines Rahmens bedarf. Auf einen solchen haben die nachstehenden Blätter es abgesehen, indem sie
wie
festzustellen versuchen, sie
zu einer Geltung
wofür Frau von Krüdener gelangte,
hältnissen versagt geblieben wäre.
die
An
ihr unter
der
Hand
galt
und
normalen Verdes Mühlenbeck-
schen Buches, welches nicht sowol die Vorgeschichte der Heiligen
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Die Gefolgschaft der Frau von Krüdeuer.
316
Allianz, als die Geschichte einer dieser vorausgegangenen geistigen
—
Verirrung erzählt
an
der
Hand
dieses
Buches
soll
von eigeu-
thüralichen Verhältnissen berichtet werden, welche die Tochter des
Hauses der marienburgschen Vietinghof auf die YVeltbtihne geführt und zur Wehmutter eines europäischen Fürstenbundes gemacht haben. Kein Abschnitt neuerer Geschichte hat so zahlreiche und so bemerkenswerthe
Bearbeitungen
erfahren, wie
das
der
Zeitalter
Befreiungskriege und der auf diese folgenden europäischen Wieder-
Weil
herstellungen.
Jahre
die
1813
bis
1823
nahezu
für
alle
Nationen des Welttheils bedeutsam gewesen waren, haben Deutsche
und Russen, Engländer und Franzosen, Spanier und Italiener Darstellungen des grossen Processes unternommen, der auf den Zu-
sammenbruch der napoleonischen Gewaltherrschaft folgte. Der geistigen Bewegung dieser merkwürdigen Zeit ist dabei eben so wie den kriegerischen viel Aufmerksamkeit zugewendet worden, und politischen Ereignissen. Schon wegen des beispiellos engen Zusammenhanges, der zwischen den Gedanken und Stimmungen, den Wünschen und Hoffnungen der Culturvölker des damaligen Europa bestand, erschien unvermeidlich, dass bei diesen Darstellungen weit
allgemeinen
ausgeholt und dass die Betrachtung der
den Vordergrund
der Zeit in
der Befreiungskriege doch
auf
Kirchenthum
und
wurde.
gerückt
und
auf äusseres
Wissenschaftsleben,
Signatur
Hatte die Periode inneres Staatswesen,
Literatur
und Kunst
der betheiligten Völker gleich nachhaltig gewirkt und in noch nicht
dagewesener Weise das Nächste
dem Entferntesten in VerIm Grunde genommen war es ja eine und die-
bindung gebracht.
Flamme gewesen, an welcher
selbe
mit
Burschenschaften, Carbonari und
Dekabristen sich erhitzt, die Maler der Nazarenersehule, die Forscher
und Dichter der deutschen und der französischen Romantik sich
wärmt hatten lichen
wenn
Wer
!
zugleich
von
den
Anderen
handeln und,
Werke ging, auf den gemeinsamen Heerd Bewegung jener mächtig bewegten Zeit zurückgreifen.
er gründlich zu
der geistigen
Trotz
der
Vielgestaltigkeit
wendeten Arbeit übrig.
er-
Ziele und Ausgangspunkte der Einen verdeut-
musste
wollte,
Dass
Kirchenglauben
Napoleons in höchst
die
bleibt
die
über
der
den Gegenstand vernoch Manches zu sagen Rückkehr zu Volksthum,
auf
t
und Ueberlieferung der Väter» nach dem Sturze um die Welt machten und dass dieselben
Runde
eigenthümlicher Weise
perhorrescirten
der
denselben
Losungsworte
mit
gewissen Schlachtrufen
revolutionären Zeitalters verquickt wurden
des
•— das
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Die Gefolgschaft der Frau von Krüdener.
317
weis« freilich, wer von der Geschichte des grossen'russiscb-deutschfrauzösischen Krieges und seines Ausganges überhaupt etwas weiss.
Der Strom,
welchen
der Culturvölker damals an ihm eine wer immer von den Ufern der alten Zeit zu denjenigen der neuen übersetzen will. Der Hauptsache nach, sind auch die Nebenflüsse und Querthäler bekannt, deren Wasser in das grosse Bett der Reaction gegen die Aufklärung»- und in
Zusammenflüssen,
Weile
Revolutionsideen
Ufern
den
an
die Geschicke
von so ansehulicher Breite, dass
ist
muss,
steheu
stille
Besonders ausführlich pflegen
zusammenflossen.
Gewässer
dieser
geschichte zu verweilen, denen
gewisse Nautiker
der
Kirchen-
«Umkehr» der
die sittlich-religiöse
Restaurationszeit noch wichtiger und folgenreicher gewesen zu sein
Und das
dünkt, als die politische und nationale.
Während
Grund.
worden
zerstört
Kirche die in
von
der
viele
wieder
führten Staatenbauten
datiren
sind,
dem
nicht ganz ohne
die
Europa aufge-
restaurirten
von Grund aus
eingestürzt, andere
römische und die evangelische
jener Periode eine Erneuerung und Wiederherstellung,
seit
gewissem Sinne noch gegenwärtig fortdauert. Zu den mächtig-
und widerstandsfähigsten kirchlich-theologischen Systemen der
sten
Gegenwart, dem römischen Ultramontanismus und dem lutherischen Orthodoxismus, wurde des Heiligen Bundes, die
Schriften
der
den Jahren 1813 bis 1823 der Grund ge-,
in
nachdrücklicherer Weise
ungleich
In
legt.
die Protokolle
Gentz und
die Paragraphen
als
des Wiener Congresses
Adam
wirken
Müller
und Bulle
die
omnium, de Maiströs Bücher, Claus Harms' Thesen und unverSchleiermachers Lehrbücher in unsere Tage hinüber gleichlich tüchtiger als die Schutzwehren der deutschen BundesSollicitwlo
,
und
verfassung
wiener
der
restaurirten Kirchenglaubens
der
revolutionären
schied.
so die
gelegen
dass
,
politische
der
deren
—
ein
katholischen innere
Restauration
Spanien abgesehen
sich
Zeitströmung bewährt,
Rücksichtlich
hat
in
den
und
folgte
Einfluss
keit auf die Völkergeschichte nicht
Dafür
—
haben die Mauern des im Kampf gegen den Andrang
Schlussacte
der
wohl
protestantischen
mit Unter-
allerdings
Kirche äussere
und
hat
die
Sache
Erneuerung
dass
—
etwa
auf
von
wiedererwachten Gläubigbehauptet werden kann.
Ländern,
zumal
denjenigen
des deutschen Nordens, die «Rückkehr des Volkes zu den Altären seiner
Väter»
an
dem Wiedererwachen nationalen
Bewusstseins
und nationaler Thatkraft in der That sehr erheblichen Antheil gehabt. Vor Ueberschützungen desselben wird man sich ebenso
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Die Gefolgschaft der Frau von Kriidener.
318
hüten müssen,' wie vor der früher
gangbar gewesenen,
von überAnschauuug,
eifrigen Kirchengeschichtlern noch heute verfochtenen
ob
als
die
Befreiung Deutschlands
von
überhaupt erst durch die Befreiung der Vorherrschaft
der
erst
befangener
Betrachtung
durch die
religiöse
kann
Ausgangspunkt der Bewegung
evangelischen Kirche vQn
Anschauungen,
rationalistischer
Aufraffung
der Franzosenherrschaft
die
ermöglicht worden
nicht
zweifelhaft
nationale sei.
dass
sein,
in äusseren Ereignissen
lag,
Under dass
und
Erregung der Gemüther kirchlichen politisch-nationalen Erneuerungsbestrebnngen gleichmässig zu
gute
kam und
die durch diese hervorgebrachte
dass ein wechselseitiges Hinübergreifen der Motive
stattfand, welches
die
Frage nach Ursache und Wirkung gegenDie Zeugen der Katastrophe von 1812
standslos erscheinen lässt.
standen
unter
dem Eindruck
aller
eines Bankerotts
seit
der
Aufklärungszeit herrschend gewesenen Anschauungen und waren demgemäss geneigt, auf den verschiedensten Gebieten das Gegentheil dessen anzuerkennen, was vorher Geltung besessen hatte. Man glaubte ein Wunder erlebt zu haben und war darum geneigt, an andere Wunder, neue wie alte, zu glauben. Bei der Masse der Zeitgenossen
verflog
die
Begeisterung
sittlich- religiöse
eben so rasch wie die politisch-nationale übrig, welche
die Fähigkeit
indessen
Einzelne blieben immerhin
:
besassen,
kommende Geschlecht
das
Bahnen zu zwingen und bei den Söhnen zu erreichen, was Väter nicht mehr hatten aufbringen können. Wie immerdar und allenthalben standen die wahrhaften
in ihre
die
Männer der Zukunft während der Jahre 1813 der vordersten Reihe.
Ihre Stelluug wurde
bis
1823 nicht in
von Schein-
vielfach
grössen eingenommen, welche als Träger der Situation galten, weil sie
sich
dieser Situation
unterzuordnen
wussten
oder
Irrthümer mit denjenigen der Zeit zusammentrafen.
weil
Während
ihre die
Rückkehr zu den Heiligthümern der Väter auf dem Hintergründe der Scene wirkten und erst nach Wiederherstellung der Ruhe der Gemüther zur Geltung kamen, tunjmelten sich auf dem Vordergründe Vertreter einer ganz anderen Richtung. eigentlichen Apostel der
Schwärmer und Phantasten, welche bis dazu in der Stille ihr Wesen und mit Ankündigungen des tausendjährigen Reiches,
getrieben
der Besiegung des Antichrists, des neuen Himmels und der neuen
Erde kleine und unbemerkte Gemeinden um sich gesammelt hatten, begannen für eine Weile bei den Grossen der Erde Gehör zu finden
und auf diese Einfluss
zu
üben.
Aeusserlich
stellte
die
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Die Gefolgschaft der Frau von Kriidener.
Sache sich
neue und
so
dar,
habe
als
frisch entdeckte
Wahrheiten zu verkündigen hatten
keit handelte es sich nur
dem Untergründe der
Was
:
in
Wirklich-
darum, dass der gewaltige Wellenschlag
der Ereignisse eine trübe Hefe war.
319
ungeheure Bewegung der Zeit
die
Propheten geschaffen, welche der Welt u e u e Offenbarungen
auf die Oberfläche
trieb,
die auf
Gesellschaft lange zuvor vorhanden gewesen
Juliane von Krüdener
quartier der Verbündeten von
und deren Genossen im Haupt-
1813 predigten, war nicht ihre eigene
Weisheit oder Tollheit, sondern uralter Wahn- und Irrglaube, dem
man
ein
zeitgemässes
Kleid
umgehängt
Anhänger
hatte.
der
phantastischen Vorstellungen, mit denen die Tochter des rigasehen
«Geheimraths» vor den Kaiser Alexander I. trat, gab es während das. des in Rede stehenden Zeitpunktes in aller Herren Ländern :
Nachweis gewesen
Mühlenbecksche
Buch
elsässische
Schwarmgeistoreien
von
Krüdener zum
führt
Opfer
den
gefallen.
,
dass sind
Er erzählt
dieses Processes mit einer Ausführlichkeit,
es ,
specifisch
Geschichte
die
zuweilen
die
Frau
denen
ermüdet,
indessen eine grosse Zahl merkwürdiger und bisher unbekannt ge-
wesener Thatsachen zur Sprache bringt.
Bei
einzelnen
derselben
wird verweilt werden dürfen. Juliane von Krüdeners angebliches Proplietentlium rührt von
dem Aufenthalt
her,
den dieselbe im Juni 1808 in dem protestanti-
schen Pfarrhause zu Markirch (Saintc-Marie atu
genommen
Wahn
Minen) im Eisass
Der Mann, der die merkwürdige Frau in den ausserordentlichen Bestimmung wiegte und von dem
hatte.
einer
nachgewiesen
ist,
dass er sie zu ihren Ausschreitungen aufstachelte,
war ein notorischer Betrüger und hiess Jean Fredöric Fontaines. Es hatte damit folgenden Zusammenhang. Zu Markirch bestanden zwei reformirte Gemeinden eine ,
deutsche uud eine französische, die unter den Wirren der Revolutionszeit
schwer gelitten hatten, durch Zuzügler aus den benachbarten
schweizer Cantons erheblich an'gewachsen waren
und
unter ihren
Anhänger mystischer und insbesondere Seit den furchtbaren ErAnschauungen zählten. schütterungen der französischen Revolution war der Glaube an den Mitgliedern
zahlreiche
chiliastischer
bevorstehenden Beginn des tausendjährigen Reiches eine Lieblingsvorstellung
zahlreicher
frommer Gemüther des deutschen Südens Hochangesehene Männer wie
und der Nachbarländer geworden.
und Jung-Stilling hatten dieselbe getheilt. Auf seinem letzten Krankenlager hatte der Erstere sich mit der Hoffnung geLavater
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320
Die Gefolgschaft der Frau von Krüdener.
tröstet,
«dass das Reich des Herrn und die Offenbarung desselben
auf Eiden näher
sei,
als kein
Gläubiger oder Ungläubiger denken
dem benachbarten Karlsruhe lebende Jung hatte auf unwahren Zeitungsnotiz von der napoleonischen Expedition nach Egypten die Wiedereroberuug Jerusalems durch die Juden und das Erscheinen der «zwei Zeugen» (Offenb. Job. 11) mag».
Der
Grund
einer
in
vorhergesagt, ein angesehener irländischer Parlamentsredner Dobbs
den
—
in
Berechnungen
—
Untergang des verwandtem Sinne ausgelegt. Man besann sich auf G. Francks (eines hannoverschen Theologen) und
anscheinend unmittelbar bevorstehenden,
Papstthums
J.
auf Andeutungen der sogenannten Berleburger Bibel, die damit in
Zusammenhang gebracht werden konnten, und gelangte zu dem Schlüsse, dass
Jungs Vorhersagung, nach welcher das tausendjährige
Reich im Jahre 1816, spätestens 1819 beginnen einen hohen
Grad von Wahrscheinlichkeit
1820, längstens bis
sollte,
mindestens
In dem Glauben, zum Jahre 1815 oder
besitze.
«dass die im J. 1800 begonnene Periode bis
zum Jahre 1836 währen und
—
der gesammten Weltgeschichte bilden werde»
in
die
wichtigste
diesem Glauben
war Jung
überdies mit einem anderen angesehenen und «geprüften
Christen»,
dem Pfarrer Friedrich (Verfasser des «Glaubens- und
Hoffnungsblicks»), zusammengetroffen.
Die Gläubigen von Markirch
waren
scheidene Leute, die geräuschlos ihres
sagungen
des
aus
Zürich
zumeist
Weges
eingewanderten
stille
und
be-
gingen, den Vorher-
Arztes
Staub
(eines
Schülers Lavaters) gläubig zuhörten und den letzten Pfennig opferten,
um
ihrem Wohnorte die Wohlthat eines
Predigers
zu
Damit
sichern.
aber
in
ihrem Sinne lehrenden
hatte
ausserordentliche
es
Schwierigkeiten, seit die Revolutionszeit nicht
nur das Land aus-
geplündert, sondern die bescheidenen Staatsgehalte in Wegfall ge-
bracht hatte, welche den evangelischen Pfarrern
in
früherer Zeit
Als zu Anfang des Jahres 180;") beide Markirch thätig gewesene Prediger Berufungen in die Schweiz gefolgt waren, stieg die Verlegenheit der Gemeinden, insbesondere bewilligt gewesen waren. in
diejenige der deutschen, so hoch, dass
man den
einzigen Bewerber
die ärmliche deutsche Pfarrstelle so zu sagen «unbesehen»
hiess
und ohne weiteres
in das verödete
Der neue Pfarrer Herr Fontaines war beredter und in
confessioneller Rücksicht
brachte eine Frau und
fünf Kinder mit,
der verschiedensten Richtungen
um
willkommen
Presbyterium einführte. ein wohlaussehender,
weitherziger
verkehrte
Mann
;
er
mit Personen
auf ungezwungenem Fuss, bewies
Digltized
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Die Gefolgschaft der Frau von Krfldener.
den beiden Häuptern
321
der pietistisch-chiliastischen Partei, dem
er-
wähnten Dr. Staub und dem hochangesehenen Küster Schmidliuber, und wusste sich in der Gemeinde so gut festzusetzen, dass man ihm eine gewisse Weltlichkeit nachsah und
den gehörigen Respect
seine Vergangenheit
dass die über
umlaufenden wenig
günstigen
Gerüchte allmählich verstummten. Eine alte Bauersfrau wollte Herrn Fontaine»
im Gefolge
des berüchtigten,. Eulogius Schneider,
eines
vom Expriester zum Jakobiner und Kirchenschänder gewordenen Fanatikers, gesehen haben und klagte den Pfarrer der Theilnahme
an den 1794 zu Strassburg begangenen blutigen Greueln an: geschickte
Mann
wusste sich durch Uebergang
der
das Lager der
in
«Erleuchteten» seiner Gemeinde indessen so günstig zu empfehlen, dass seine Anklägerin
durchzudringen
nicht
vermochte.
Die Er-
regung der Freunde Staubs und Schmidhubers war eben damals (1805 bis 1807) auf einen aussergewöhnlichen hohen Grad gestiegen. Alltäglich wusste der im Ruf besonderer geistlicher Gaben stehende Küster und Glockenläuter
zu Tage getretenen «Zeichen
neu
von
der Zeit» zu berichten, die auf den Anbruch des unmittelbar bevor-
stehenden tausendjährigen Reiches hinweisen sollten.
«Krieg, Pesti-
f
lenz und Aufruhr» waren aus den verschiedensten Theilen der eivilisirten
Welt gemeldet worden, und
am Himmel
dräuender Komet
an dem Eintritt
geschwunden
der
sein.
sich
als
sollten
zeigte,
vorhergesagten
im October 1807 ein die
letzten Zweifel
apokalyptischen Katastrophe
Besonderes Gewicht wurde dabei auf die Vorher-
sagungen einer mit himmlischen Gesichtern
und
geheimen Olfen-
barungen reich begnadeten Jungfrau, der Prophetin Marie
Neu-Kleebronn
Würtemberg,
in
raschung plötzlich
in
Kummer aus
gelegt, welche zur allgemeinen Ueber-
Markirch erschienen, von den Sehmidhuberschen
in das Haus Fontaines' geführt und von diesem mit höchster Verehrung und dankbarer Bewunderung aufgenommen worden war. Die Erklärung für Fontaines’ Verhältnis zu Marie Kummer
Eheleuten
ist erst viele
Jahre später gefunden worden.
Beide
waren abge-
feimte Betrüger, die sich als solche erkannten und die Gläubigkeit ihrer
Umgebung zur Sicherung und Besserung
ihrer
durch
ein
vorwurfsvolles Vorleben gefährdeten materiellen Existenz auszubeuten versuchten.
An
Kummer mögen Antheil
—
damals fünfzigjährigen
—
körperliche und geistige Krankheit einen gewissen
gehabt
Blnte und mit
den Verirrungen der
haben all
Fontaines hat
:
unzweifelhaft
der Ueberlegung gehandelt,
deren
bei
kaltem
sein
mittel-
mässiger Kopf fähig war. ftaltisrlie
Monatsschrift
ILintl
XXXV,
lieft 4.
Digitized
by
Google
322
Die Gefolgschaft der Frau von Krüdener.
Der Pfarrer von Markirch hatte von .fugend auf ein Abenteurerleben geführt. Seiner Angabe nach stammte er aus einem gräflichen Geschlechte, das nach Aufhebung des Edicts von Nantes in
Baden Zuflucht gefunden
—
hatte,
in
Wahrheit waren sein Vater
und sein Grossvater markgräfliche Hofperrückenmacher zu Karlsruhe gewesen und hatte er die ihm von diesen gebotenen Bildungsmittel nur höchst mangelhaft benutzt.
sischen Revolution Student
Bei Ausbruch
in Strassburg, hatte
eines Commissars, richtiger Spions, der
er
zum Einmarsch
der franzödie
in
Stellung
Deutschland
bestimmten Armee Custines angenommen, dann zu den Jakobinern geschwenkt und die Freundschaft des öffentlichen Anklägers in Strassburg, des erwähnten Terroristen Schneider, erworben.
auf diesen Abschnitt
von
Leben bezügliche,
Fontaines’
Eine den
in
Kirchenbüchern von Leinsweiler aufgefundene Notiz bestätigt wörtlich,
was
die Bauersfrau von
scheinen in
ihrer
Markirch zur Zeit von Fontaines’ Er-
Heimatgemeinde
erzählt
hatte
«
:
Er bekleidete
zur Zeit der Jakobinerherrschaft die Stellung eines Commissars und
dann die eines Bauerugenerals im Eisass. Schneider und
soll
Er war
ein
mit diesem blutige Tollheiten
anderen
Fontaines sollte mit
Freund von
.
.
.
getrieben haben.
werden, wurde
erschossen
von
den
Kugeln aber nur an den Füssen getroffen und hinkte deshalb.» Eulogius Schneider hatte nach kurzer Frist abgewirtschaftet.
Ein St.
Weise
unkluger
dem
mit
allmächtigen
Conventsdeputirten
Just begonnener Streit kostete ihm den Kopf
Fontaines aber
kam mit
einer
Gerstheim ein Unterkommen.
Haft davon
und
(1.
April 1794)
fand
alsbald
— zu
Einer seiner früheren Genossen, der
Expastor Busch, bekleidete an dem genannten Orte die Stelle des öffentlichen Vorlesers im
den
republikanischen
halten.
Ende.
sperrung seines Freundes vollzogenen Heirat
weihe
«Tempel der Vernunft» und
Decadenfesten
Hess ihn zu
theologisch -politische
Reden
Mit dem «Oultus der Vernunft» nahm es indessen rasch ein Busch kam ins Gefängnis, Fontaines benutzte die Ein-
zu
zu einer
wider
mit Busch’ Tochter,
den Willen der Eltern
wusste sich die Prediger-
und erhielt eine Stellung als reformirter Prediger zu Oberseebach bei Weissenburg. Nach Jahresfrist (im verschaffen
Juli 179(5) musste
er
durch Theilnahme
an
hatte.
Nicht
besser
dieses
anderen Planstellen, die
Wunderthäter
spielte,
Amt
indessen
niederlegen,
pietistischen Oonventikeln Anstoss
in
weil
er
gegeben
dem unwürdigen Manne in zwei ihm abgenommen wurden, weil er den schändlicher Weise dem Aberglauben
erging
es
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Die Gefolgschaft der Frau von Krüdener.
Vorschub
323
und gleichzeitig das ziemlich erhebliche Kirchenvermögen einer seiner Gemeinden verschleuderte. leistete
Nicht minder bewegt war das Vorleben von Fontaiues’ Vertrauter, der Prophetin
Kummer, gewesen.
Als Tochter eines über-
spannten, in sittlicher Rücksicht ziemlich zweifelhaften, vornehmlich
mit geistlichen Vorträgen beschäftigten Winzers zu Neu-Kleeborn in
Würtemberg geboren,
leien
gewöhnt,
dabei
früh an Müssiggang und religiöse Tände-
kränklich
und verlogen, hatte
sie vierund-
verlassen, in Augsburg und Speier Verwandten zur Last gelegen, iu Wien die Somnambule gespielt, während ihres Aufenthalts in der österreichischen Hauptstadt das katholische Bekenntnis angenommen, nach ihrer Rückkehr in die Heimat das Propbetenhaudwerk getrieben, schliesslich zu Meinsheim ein Unterkommen im Hause des Plärrers Hiller gefunden und diesen Schwachkopf durch die Mittheilungen angeblicher OffenGemeinsam betriebene barungen zu ihrem Anhänger gemacht. Studien der Apokalypse und ihrer Ausleger knüpften das Band zwischen der Kummer und dem Pfarrer so eng, dass sie sich zur
zwanzigjährig das Elternhaus
Erzeugung eines der beiden im 11. Capitel der Offeubarung angekündigten Zeugen zusammenthaten und dass dieser am 8. Juni 1797 der Gestalt eines todtgeborenen Kindes zur Welt kam. Jetzt legte die Polizei sich ins Mittel, die Kummer wurde an den Pranger
in
gestellt
und zu
zum Amtsverlust freien
Fuss
wo
dreijähriger Einsperrung, der
wandte
hochwürdige Hiller
Nach Verbüssung
verurtheilt.
gesetzt,
ihrer Strafe
die halbtolle Betrügerin
auf
in die
sich
während des Jahres* 1800 als Auslegerin der Schriften Brägels und des erwähnten Friedrich die Rathsamkeit einer Uebersiedelung der Frommen nach Palästina so wirksam predigte, dass ein Dutzend Bauernfamilien sich in der That entschloss, der Prophetin Pfalz,
in
sie
das heilige Land zu folgen,
stehenden Anbruch des
um
die zu der weiten
aufgezehrt
die österreichischen
hafter die
;
daselbst den unmittelbar bevor-
tausendjährigen
Wien waren
Reise
Reiches
Armuth herabgesunkenen Auswanderer
Heimat zurück.
Speier und
von dort
abzuwarten.
gesammelten Mittel
Behörden sandten die
Die Anführerin derselben nach Markireh,
wo
zu
In
bereits bettel-
unter Bedeckung in
aber entwich nach
sie bei
ihrer Schwester,
der Frau des «erleuchteten» Küsters Schmidhuber, dann
bei
Herrn Pfarrer Aufnahme und Ermuthigung zur Fortsetzung
dem ihrer
prophetischen Thätigkeit fand.
Ueber die erste Zeit des Aufenthalts der
Kummer
im Fontaiues-
*>»>•
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:
324
Die Gefolgschaft der Frau von Krüdener.
sehen Hause
fehlen nähere Angaben. Für die Geschichte ihrer Wirksamkeit kommt erst das Jahr 1808 in Betracht sei bemerkt, dass diese Marie
öffentlichen
bevor auf diese eingegangen wird,
Kummer
dieselbe
Jahre lang
viele
welche Eynard, der Verfasser des bekannten,
ist,
als Quellenschrift behandelten
Buches über Frau
von Krüdener, mit einem Wunderschein umgiebt und zur Predigerin der höchsten und reinsten Moral macht.
— —
»Am
Bewohner zwei grosse Reisewagen vor der Thür des Aus der ersten der beiden Karossen stiegen zwei junge, elegant gekleidete Mädchen und eine im mittleren Lebensalter stehende weissgekleidete mit blauen Bändern geschmückte blonde Frau. Auf der Schwelle des Hauses erschien fünften Juni 1808 sahen die erstaunten
Markirch
des Dorfes
Pfarrhauses halten.
,
um
sodann der Pfarrer Fontaines,
mit den folgenden Worten zu begrüssen
da kommen
und feierlich du diejenige, die
die Reisende :
«
laut
Bist
oder sollen wir einer anderen harren ?»
sollte,
Die Fremden, an weiche diese Frage gerichtet worden, waren (damals
die
Krüdener, liche
Baronin
vierund vierzigjährige)
geb.
(die spätere Staatsräthin
Dem Mühlenbeckschen Buche bildung des Portraits
Barbara Juliane von
deren Stieftochter Sophie und leib-
Vietinghof,
v.
Tochter Juliette
ist
der Krüdener
eine
von Berckheim).
photographische Nach-
beigegebeu,
welches
die be-
Rom gemalt «Zeichnung und Colorit des Bildes, » so urtheilt ein Kenner über das gegenwärtig im Louvre aufbewahrte Original, «sind unkannte Angelika Kaufmann zwanzig Jahre früher zu
hatte.
bedeutend. niemals aber hat ein Gemälde seinen Gegenstand treuer
wiedergegeben.» in
einen Zopf
Gesicht.
Man denke
sich ein
von röthlich blondem, hinten
znsammengefasstem Lockenhaar
Aus den
weichlichen,
trotz einer
umgebenes rundes
gewissen Fülle zarten
Zügen sehen ein Paar grosse, feuchtglänzende Augen hervor, deren Ausdruck zwischen Schwermuth und Koketterie die Mitte hält.
Auf den von
Mund
sieht eine leicht nach
vollen Lippen ein geschlossenen, wohlgeformten
oben geschweifte weiche Nase herab,
welche den dem Gesicht eigenthümlichen Ausdruck charakterloser, zugleich sinnlicher und schwärmerischer
Verschwommenheit erhöht.
Kopf ist nach vorn geDemuth und Ergebenheit als Haltungslosigkeit und Schwäche andeuten kann. Lebhaft kann man Der auf einem
beugt,
weichen Halse
eine Stellung,
sitzende
die ebensowol
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;
Die Gefolgschaft der Frau von Krüdener. sich verstellen, dass die
Züge
dieses Gesichts
325
den verschiedensten
Ausdruck annelnnen, zwischen überraüthiger Freude und wehmüthiger sie in ungewöhnlichem Grade Mitleideu
Trauer wechseln und dass und
liebevolle
Theilnahtne
konnten.
einflüssen
Vertrauen
haben sie unter keinen Umständen erwecken können, weil sie eine Seele verratheu, die allen denkbaren Kegungen, nur nicht denjenigen wesen
—
ist
dem
streift,
der
einen Geist,
sittlichen Ernstes
die
zugänglich ge-
verschiedensten Gebiete durch-
die Stütze des Charakters aber
stets
und vollständig
gefehlt hat.
Der Lebensgang der auf dem Kaufmannschen Bilde dargeFrau
stellteu
ist
seinen Hauptumrissen nach
aus
den zahlreichen
derselben gewidmeten Büchern und Abhandlungen bekannt. sichtlich
der
nothweudig
Entwickelung derselben
religiösen
sein, bei
dürfte
Rückindessen
den kirchlichen Zuständen Livlands zur Zeit
der Kindheit und Jugend seiner berühmtesten Tochter einen Augenblick zu verweilen.
Barbara Juliane von Vietinghof war im Jahre der Publication
von Karl Friedrich
v.
Schoultz’s
«
Römershof-Ascheradensehen
Bauerrechten» (1764) zu Riga geboren und von dem Pastor primarius an der Domkirche Martin Andreas von Reussner (dem Mitherausgeber des rigaschen Gesangbuchs von 1782) getauft worden; unter den Nameu ihrer Pathen wird auch derjenige des Herrn
Landrath Karl Baron Schoultz genannt, ein Umstand, der darauf lässt, dass dieser damals aut dem Zenith seiner Un-
schliessen
popularität stehende treffliche Mann mit dem Geheimrath von Vietinghof, dem Vater Julianens, auf freundschaftlichem Fusse gewesen sein muss. Was wir sonst von dem «Geheimrath» wissen, lässt darauf schliessen dass derselbe nicht nur in politischer, sondern auch in religiöser Hinsicht der damals im Herauf kommen ,
begriffenen
rationalistisch
-
aufgeklärten
Richtung
augehört
habe.
Der Begründer des rigaer Stadttheaters, der «Müsse» und anderer dem «gebildeten Vergnügen» bestimmten Anstalten, war Mitglied des Freimaurerbundes, Würdenträger der rigaer Loge «zum Schwert», Freund der zeitgenössischen deutschen und französischen Literatur von seiner Gemahlin, einer dem trefflichen Sonntag befreundeten
Dame, möchte
gleichfalls
anzunehmen
sein, dass sie
dem kühlen
Verstandeschristenthum des philosophischen Jahrhunderts gehuldigt habe.
In dem Riga jener Zeit standen die steifleinene Orthodoxie,
wie sie von dem General-Superiutendenten Zimmermanu, dem Ober-
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32G
Die Gefolgschaft der Frau vou Krttdener.
pastor
Essen
v.
vertreten wurde, und die rationalistische Schule
u. a.
einander ziemlich unvermittelt gegenüber.
Knechten
des
Die unter Herren und Landes zur Grossmacht gewordene herrn-
flachen
hutische Gefühlsseligkeit hatte unter ßürgerthum und Geistlichkeit
Rigas niemals Eingang gefunden.
Otto Hermann
von Vietinghof
um
auf Kircheuthum und religiöses Leben
besonderes Gewicht zu legen.
Eine seiner Töchter hatte er an einen
war zu
sehr Weltmann,
—
—
Sohn des bekanntlich streng katholischen General-Gouverneurs Grafen Browne verheiratet, was auf eine für jene Zeit ausservon confessioneller Voreingenommenheit schliessen lässt von dem Gemahl seiner zweiten Tochter, dem Gesandten Alexis Constantin von Krüdener, wissen wir, dass er
gewöhnliche Unabhängigkeit ;
mit beiden Füssen auf dem Boden der Philosophie
des
18.
Jahr-
hunderts stand, Jean Jacques Rousseau persönlich kannte und seiue Frau,
unsere Heldin,
für
die
Anschauungen des Emile und der
neuen Heloise zu gewinnen suchte.
Auf den Julianens tiefer
auf die
«
Entwickelungsgaug und die Geschicke Barbara von Einfluss gewesen, dass sie ohne
es unzweifelhaft
ist
gehende
religiöse Bildung, in
einer
kirchlich
indifferenten,
Diesseitigkeit* gerichteten Gesellschaft aufgewachsen war.
I
Kaum sität
achtzehnjährig wurde das schwächliche, zu krankhafter Nervoneigende Mädchen
rissen
und
an
einen
dem heimatlichen Boden
vollständig ent-
vierunddreissigjährigen, zweimal verheiratet
gewesenen und zweimal
geschiedenen Diplomaten
verheiratet, der
ihrem lebhaften Geiste reiche Nahrung, ihrem Herzen bieten konnte,
geben können. in
was dessen zarteren Bedürfnissen
Im
weiteren Verlauf des Lebens,
das üppige Venedig,
dann an
die
schiedensten Einflüssen bewegt kennen gefehlt.
:
die
schaftssecretär Alexander Stakimo,
Welt den Nerv
des berliner Aufenthalts
hatte
in
Dann war
zu
Kopenhagen
vergebliche
Freundschaft der Königin Louise die Zeit ausgefüllt.
ver-
nur die religiösen batten
dem Gesandtdie
ihrer Existenz gebildet
das
sie zuerst
Welt von den
In Venedig hatte ein Liebesverhältnis
thuerei der grossen
das
von Kopenhagen und
Höfe
Berlin führte, lernte Frau von Krüdener
aber nichts
hätte Befriedigung
;
Voruehmwährend
Bemühen um
die
der Frau Geheimräthin
eine Periode ruhelosen Hin- und Herreisens,
und schriftstellerischer Anläufe gefolgt. Während Herr von Krüdener, von Sorgen und Krankheiten verzehrt, dem Grabe entgegenging und die in seiner dritten Ehe geborenen Kinder in der denkbar verkehrtesten Weise erzogen wurden, schweifte künstlerischer
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und
deutsche«
in
französischen Badeorten,
Russland umher, allenthalben nur
in
und mit Schaustellungen ihrer Eitelkeit See buhlte
um
Frau von
Am
Genfer
Stael, in Paris
zum Erfolge ihres Romans «Valerie» behilflich sein das eine Mal suchte sie als Shawlt&nzerin, ein anderes
ihr
sollten
;
als Musikkennerin,
—
glänzen, auf,
der
mit sich selbst
beschäftigt.
die Freundschaft der
in
Lobsprüche Bernardins de Saint-Pierre und Chateaubriands,
die
welche
Mal
um
sie
327
Gefolgschaft der Fra« von Krüdener,.
I)ie
Fra« Jnliare Schweiz und
gelegentlich
dann tauchte
um Beziehungen
sie
als
wieder
in
Freundin .Tean Pauls zu
Petersburg oder
nach
war an der
Wiedersehen
einem
—
,
Berlin
Der Tod des
schiedensten Gattungen und Arten zu suchen. geblich
in
zu nordischen Männern und Frauen der ver(ver-
Gatten (f 1802)
verlangenden)
gemütlilosen Frau eben
bei aller Sentimentalität
so spurlos vorübergegangen, wie der zehn Jahre früher (1792) erfolgte
Tod
ihres Vaters
sie
war
so
ausschliesslich schöne und
interessante Seele, dass sie sich niemals auf die Pflichten der Tochter,
i
Auch dann nicht, und der zweiten Jugend verrauscht, die Reize des blonden Haares, der schlanken Gestalt und der vollen Arme verwelkt waren und als sie, kaum einundvierzigjährig, so rasch Ehefrau oder Mutter zu besinnen vermocht hatte. als die
Tage der
ersten
zu altern begann, dass auf eine veränderte Lebensführung Bedacht
genommen werden
Was
musste.
Welt an Lust und Pracht, an
die
Erfolgen höherer und niederer Eitelkeit, an zarten und schwärmerischen Gefühlen bieten konnte,
ausgekostet worden bieten, irgend
Diesseitigkeit probirt:
bis
auf den
letzten Tropfen
wenn das Leben noch irgend welchen Reiz
:
welchen
eine andere, höhere
war
neuen Inhalt
gewinnen
sollte,
musste in
Welt geflüchtet werden. Mit allem, was konnte, hatte Frau von Krüdener
aufbringen
so blieb nur die Jenseitigkeit übrig,
um
die
es
(
welche man sich
Tage selbstsüchtigen Schwankens von Begierde zu Genuss und von Genuss zu Begierde nicht gekümmert hatte und die darum von dem vollen Zauber der Neuheit umgeben war. Bis zu dem Zeitpunkte, von welchem hier die Rede ist, hatte Juliane Barbara keine andere Gattung vou Religiosität als die rationalistische gekannt. Der Rationalismus war ihr in zwei verschiedenen Formen eutgegengetreten als die nüchterne Moral der während
der
:
vernünftigen Gedanken, welche die rigaer Theologen ihrer Jugend
gepredigt
hatten,
lieben Gott
scheinen
als
Hess.
und
zugleich
Von
romantisirende Schönseligkeit, die
als
liebenden
beiden
und
unbefriedigt,
zartfühlenden Vater
machte
unsere
den er-
Heldin
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:
328
Die Gefolgschaft der Fra« von Krüdener.
während
eines Aufenthaltes, den sie im Jahre
1805 zu Riga nahm, von welcher
die erste Bekanntschaft der herrnhutischen Richtuug,
kaum eingehendere Kunde
sie bisher
näheren Umstände,
der
sichtlich
Rück-
besessen haben mochte.
welche
diese
Wendung
dem
in
Leben der merkwürdigen Frau begleiteten, lassen die Quellenschriften uns im Stich. Die einen behaupten, der plötzliche Tod eines an dem Fenster der Frau von Krüdener vorübergehenden Bekannten habe dieselbe zur Einkehr und Besinnung auf sich selbst bestimmt,
—
von
wollen
andere
in Christo erschlossen
wirkung einer Wittwe Blau, rigaer Frömmlerclique
einer
frommen herrnhutischen Schuster Kundin das Geheimnis der göttlichen
einem
wissen, der seiner vornehmen
Gnade
mehrere Jahre später als Prophetin
zu
Das Mühlenbecksche Buch, das
von der Ein-
andere
wieder
habe, die
Berühmtheit
trauriger diese
verschiedenen
zählt, beschliesst den bezüglichen Bericht
gelangte.
Angaben
auf-
mit der nachstehenden,
durchaus zutreffenden Bemerkung: «In der Wolle gefärbte Pietisten pflegen von langsamen und allmählichen Bekehrungen nichts wissen
zu
wollen
faut
Je
für
:
sie
coup de
bedarf es
fandre
eines Gnadenblitzschlages
de Grncc) und
gelingt es regelmässig das gesuchte
—
machen.» loser, als
Für den vorliegenden
bei
kur
(il
einigem guten Willen
Wunder irgendwo
Fall gilt das
um
ausfindig zu
so bedingungs-
mit der wunderbaren Erweckung ein anderes, specifisch
Anschauungen entsprechendes Wunder zusammentrifft auf die durch plötzliche Sündenerkenntnis bewirkte Erweckung folgt sofortige Erhöhung Nahezu unmittelbar nachdem sich die vornehme Sünderin der Tiefe ihres Falles und des Umfanges der ihr pietistischen
!
zu Theil gewordenen unverdienten Gnade bewusst geworden, fühlt bereits zur Stellung
sie sich
rufen und
tritt sie
zusamraeugebrochen war.
Grade lichen
charakteristisch.
Wortes
ihr
in ein strenges
Weltkind und
unter
dem Druck
im Reiche Gottes beihrer Sündhaftigkeit
Dieser plötzliche Uebergang
Ausser Stande, Gericht
zu gehen, lässt
sie
phantastischen Neigungen sofortigen
vertieft sie sich so einseitig in die
hohem
ist in
des
die Pflugschar
Herz durchfurchen zu lassen und mit
sittliches
ihren
einer Leuchte
auf die oberste Sprosse der Himmelsleiter, an
deren Fusse sie eben erst
gött-
sich selbst
echtes
als
freien
Lauf
schwärmerischen Einseitig-
keiten des herrnhutischen Pietismus, dass zu
der
für
jede innere
Erneuerung unentbehrlichen Prüfung «von Herz und Nieren» keine Zeit übrig bleibt.
Weg
der
In Selbstbetrug alt
geworden, glaubt
Sie
den
Gnade und Erneuerung mit einem Sprunge zurücklegen
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Google
Die Gefolgschaft der Frau von Kriidener. und
in
der Gemeinde
zu können, das ihr auf den Märkten geblieben war.
D
i
e
das Herrscheramt
der Gläubigen
Gläubigen
waren schwach und vornehmen Proselytin zu
der
hohen Eitelkeit versagt
aber, in
deren Mitte sie alsbald
genug,
kurzsichtig
trat,
theilen
329 erlangen
und dieselbe
um den Wahn in
der
dem Glauten an
ihre angebliche höhere Mission zu bestärken.
An
die Stellung
einer
politischen Prophetin, Buss-
neuerungs-Predigerin, wie sie
sie
Frau von Kriidener zur Zeit
ihrer
dacht und nicht denken
können.
und Er-
in Anspruch uahm, hat «Erweckung» freilich nicht geVon einem Zusammenbruch des
später
I
auf den Rationalismus gegründeten alten politischen und kirchlichen
Systems war im J. 1805 eben so wenig die Rede, wie von einer Wendung, welche die als Chiliasten verspotteten «Stillen im Laude» an die Schwelle der massgebenden Gesellschaftskreise und in eine sichtbare Stellung gerückt hätte.
Unserer Heldin kam es zunächst
darauf an, innerhalb der Kreise Fühlung zu gewinnen, auf welche sie
durch
den Wandel
worden war.
Sie
ihrer
im
reist
J.
Anschauungen
religiösen
1807 nach Königsberg, wo
gewiesen ein
er-
neuter Versuch zur Annäherung an die Königin Louise angestellt
und nach dem Scheitern desselben mit dem halbverrückten Chiliasten Müller (einem Bauern aus Meisenbacherhof) Freundschaft geschlossen wird,
—
dann
nach Dresden
weiter
wöchentlichem Besuch
in
die
und
von Dresden
zu mehr-
Niederlassung Klein-
herrnhutische
Mit einer Anzahl daselbst angesiedelter frommer Gräfinnen weiss die liebenswürdige Convertitin sofort nähere Beziehungen auzuknüpfen, von den schlichten Landleuten der Klein-Welcker Welck.
Brüdergemeinde wird
sie
dagegen mit so unverhohlenem Mistrauen
behandelt, dass sie alsbald den Staub von
um nach Karlsruhe
ihren Füssen schüttelt,
Baden überzusiedeln und sich dem Kreise der dortigen Erleuchteten anzuschliessen. Der Führer dieses Kreises war Jung-Stilling, nicht mehr der naiv-gläubige Schneidergeselle, den Goethe in Strassburg gekannt und durch die Herausgabe des Berichts über seine Jugendgeschichte zu einer literarischen Berühmtheit gemacht hatte, sondern der früh gealterte, halb kindisch gewordene Geheime Hofrath, der als Verfasser des «Grauen Mannes» den in
—
Propheten des tausendjährigen Reiches
spielte,
stand an der Spitze
der vornehmen Erweckten, die vou Karlsruhe aus den pietistischen
und schwarmgeisterischen Bestrebungen professionellen Vorschub leisteten.
mit dem der aus Armuth
in
den benachbarten Ländern
Von dem Weihrauch umnebelt,
uud Niedrigkeit zu Wohlstand und Be-
Digitized
by
Google
330
Die Gefolgschaft der Frau von Kriidener.
riihmtlieit gelangte alte
Mann von
seinen fürstlichen und gräflichen
Verehrern und Verehrerinnen umgeben worden war, hatte Jung-Stilling zur Zeit seiner Bekanntschaft mit Frau von Krüdener nahezu den vollen Rest' des Unterscheidungs- und Urtheilsvermögens eingebüsst, das
ihm
besseren Tagen
in
Er bedem Glauben an das Bevorstehen
eigenthümlieh gewesen war.
stärkte seine neue Freundin in einer
grossen
weltgeschichtlichen
Wendung und an
die Mission,
welche ihr innerhalb derselben zufallen könne, er berichtete ihr von
den Wundern
Würtemberg, der Schweiz und dem nahen Eisass gethan worden sein sollten, und trug auf solche Weise dazu bei, dieselbe um ihr moralisches und intellectuelles und Zeichen, die
Gleichgewicht zu bringen.
dem
Kummer
und die
Fontaines
galten in
Kreise für- eben so auserlesene Werkzeuge der Gnade wie Oberl in. der berühmte Pfarrer vom Steinthal
karlsruher
göttlichen
und
in
dessen
Freund Wegelin.
nach Markirch zu gehen, wo
1808 eintraf und
in
der
So
sie,
beschloss Frau von Krüdener wie wir gesehen haben, am 5. Juni
geschilderten Weise als längst an-
oben
des Himmels, als
gekündigte Botin
Weib
das
aus,
Norden»
ehr-
furchtsvoll aufgenomraen wurde.
Für Unterkunft und Bequemlichkeit seines vornehmen Besuches und der Begleiter desselben (Frau von Krüdener führte ihre Stieftochter Sophie, ihre Tochter Julie, zwei Kammerzofen und einen russischen Diener
mit
kömmlich zu sorgen. läufigen,
zum
gefällige Fontaines
aus-
Der grösste Theil des altmodischen und
weit-
sich)
Ueberfluss
wusste
der
mit Gespenstern
gesegneten Pfarrhauses
wurde den verehrten Gästen eingeräumt, die ihre Zeit zwischen und Spaziergängen theilten, den schönsten Punkten des Gartens ihre Namen beilegten und wie sie versicherten ein nie geahntes stilles Glück empfanden. Den einzigen störenden Punkt innerhalb dieses paradiesischen Daseins bildete der Geldmangel, an welchem die «Frau Gräfin» litt und der sie daran Gebeten
—
verhinderte, den
Wünschen zu
willfahren, mit
verschiedensten Seiten bedrängt wurde.
das besondere Vertrauen
—
denen
sie
von den
Die «Kummerin», welche
der «Frau aus Norden» erworben, hatte
Grund ihr gewordener Offenbarungen verkündigt, dass die Frommen von Markirch berufen seien, in dem bei ihrem Heimat-
auf
dorfe Kleeborn belegenen Orte Katharinen-Plaisir
eine christliche
Colonie zu begründen und in dieser das unmittelbar bevorstehende,
durch hundert
verschiedene Zeichen
tausendjährigen Reiches zu erwarten.
angekündigte Einbrechen des Fontaines,
dem
die
Abneigung
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Die Gefolgschaft der Frau von Krüdener. des nüchtern gebliebenen Theiles seiner
Gemeinde und
331 die
Ungunst
des benachbarten republikanischen Präfecten von Ober-Elsass Ver-
Unruhe Welt mit dem Frieden des Jerusalem von Katharinen-Plaisir seine Schwester Auguste hatte dringende Gründe, ihr mit dem frommen Handlungsreisenden Wepfer angeknüpftes Verhältnis ausserhalb der Gemeinde ihres Bruders legalisirt zu sehen und von demselben Wunsche war Frl. Sophie von Krüdener legenheiten androhten, fühlte das dringende Bedürfnis, die dieser
zu vertauschen,
—
beseelt, die nicht die Ehefrau, sondern die Geliebte eines spanischen
des Marquis Ochando de la Vanda war, dem sie im August 1808 einen todten Knaben gebar. Glücklicherweise wusste Kummer für alles Kath. Ihre Prophezeihung, dass Frau von Oftiziers,
die
Krüdener nur nach Genf zu reisen Weisung,
Würtemberg
sich in
Niederlassung
ertheilte
einen elsässischen Consistorial-
für
Gemahlin des russischen Geund auf solche Weise den für die
Präsideuten, seine Freundin für
auszugeben
sandten in Paris
und daselbst Hilfe zu suchen
dem Pfarrer Fontaines
brauche, traf ebenso zu, wie ihre
die
in Katharinen-Plaisir
erforderlichen Credit
zu
er-
Obgleich die Krüdenerschen Verwandten und schliesslich
werben.
auch Jung-Stilling von dem würtembergischen Unternehmen abriethen
und auch die üble
finanzielle
Lage der «Frau Grälin» Aufwendungen
zu Gunsten desselben durchaus unrathsam erscheinen Hessen, setzten
und
Fontaines
Kummer
die
Willen
ihren
durch.
«Katharinen*
für Rechnung der Krüdener auf ein Jahr gemiethet, dem benachbarten Schlösschen Bönnigheim neu hergerichtet und in den Dienst der kleinen Gemeinde gestellt, welche sich um das Trifolium Fontaines-Krüdener-Kummer zu sammeln Plaisir>
wurde
zusamtnt
begann,
Trotz
um
den Eintritt des tausendjährigen Reiches vorzubereiteu.
der Strenge, mit
Friedrich
I.
welcher
der
damalige Landesherr König
von Würtemberg Oonventikel und Laienpredigten unter-
sagt hatte, überboten die drei wunderlichen Verbündeten einander
Vorträgen und geistlichen Ue.bungen. Fontaines pflegte in der Amtstracht der evangelischen Geistlichen zu celebriren, die Kummer in
legte,
wenn
sie ihre
Prophezeihungen öffentlich von sich gab, einen
Schleier an, der ihr
Frau
von
Krüdener
blauen Bändern
das Ansehen
einer Sibylle
ihr Lieblingskostüm
geschmückte Gewand
ü
verlieh,
während
la Valerie (das
der Heldin
ihres
mit
Romans)
auch als Predigeriu beibehielt.
Wie
sich
voraussehen
Hess,
währte
neuen Prophetenthums nur kurze Zeit.
die Herrlichkeit dieses
Statt
des tausendjährigen
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332
D.e Gefolgschaft der Frau von Kriideuer.
Reiches brach im
Sommer 1809
die Periode
unumschränkter Gewalt-
herrschaft des über Oesterreich triumphirenden kaiserlichen Frank-
Die Erweckten
reich an.
von Katharinen-Plaisir
hatten die Unbegangen, den Sturz des «Thieres mit den sieben Hörnern» (Napoleons) vorherzusagen, und das genügte, um ihrem Treiben von Obrigkeitswegen ein Ende zu bereiten. Königlich vorsichtigkeit
würtembergische Gensd'armen
Kummer
das
besetzten
neue Jerusalem,
die
wanderte auf Grund
ihrer ärgerlichen Vergangenheit in Krüdener und deren Anhänger aber wurden sofortigem Verlassen des Landes bestimmt, dessen Ruhe sie
Frau
ein Spinnhaus,
zu
durch ihr Treiben in die
v.
gestört
hatten.
Schloss Katharinen-Plaisir
Hände unbarmherziger Gläubiger, welche
sich aus
fiel
dem Ver-
kauf der dortigen Einrichtnngsgegenstände für die schuldige Miethe bezahlt machten.
Frau von Krüdener dem Glauben an sich
liess sich durch diese Erfahrung weder selbst, noch in dem Glauben an ihre Freunde auch nur für kurze Zeit beirren. Während der ärmere Theil der Vertriebenen rathlos in der Welt umherirrte, wusste sie sich mit Hilfe ihrer vornehmen Verbindungen ein in
falschen
Unterkommen
in
Lichtenthal bei Baden-Baden zu sichern.
Ohne auf
ihre Mission zu verzichten, beschränkte sie sich für eine Weile auf
Weltdame; böse Zungen behaupteten sogar, die sechsund vierzigjährige Wittwe habe damals an eine Wiederverbeiratüng gedacht unii zu diesem Behuf ihr Augenmerk auf einen Verehrer ihrer Tochter gerichtet. Dauernd vermochte die krankhaft unruhige Frau die Schranken einer gewöhnlichen Existenz indessen nicht zu ertragen. Obgleich ihre Beziehungen zu den Erweckten von Mardie Rolle der
kireli in
alte
gegeben
den weitesten Kreisen Anstoss
Geheimräthin Vietinghof mit
hörte Juliane Barbara uicht
deutigsten
Art
in
auf,
Verbindung zu
fahrungen zum Trotz zog
sie
tiefem sich
und die würdige
Kummer
erfüllt
mit Existenzen
setzen.
Allen
hatten,
der
zwei-
gemachten
Er-
den unseligen Fontaines abermals in
Haus und dachte daran, mit dem um mehrere Jahre jüngeren, längst verheirateten Manne eine «mystische Ehe» einzugehen; dann knüpfte sie wieder mit dem pietistischen Krämer Wegelin (einem
ihr
Freunde Jung-Stillings)
ein näheres Verhältnis an,
um
von diesem
«neuen Elias» Geld zu leihen, ihn zu ihrem geistlichen Gewissensrath
zu machen
und
Weisungen gemäss Herrn Fontaines Noch bevor diese Absicht in Ausführung
seinen
den Abschied zu geben.
gebracht worden war und inmitten von materiellen und moralischen
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Die Gefolgschaft der Krau von Krüdener. der peinlichsten Art
Verlegenheiten
Kummer
entlassene
abermals
Kreis
den
in
derselben das
unmittelbare Bevorstehen
Wendung zum
zweiten Male
333
aus dem Gefängnis
die
trat
um
ihrer Gönnerin,
einer
weltgeschichtlichen
und mit zunehmender Gewissheit zu verkündigen. Das Zusammentreffen dieser Prophezeihangen mit dem
Eingang eines Briefes der Königin Louise versetzte unsere Heldin in so
krankhafte Erregung,
um Zu Anfang
falles bedurfte,
dass es
eines unerwarteten Zwischen-
dieselbe von neuen Ausschreitungen zurückzu-
war Frau von Vietinghof Schwer erkrankt und von dem leidenschaftlichen Wunsche erfüllt, ihre Tochter noch ein Mal zu sehen. «Ein Wunder» setzte die halten.
Letztere
des
den Stand,
in
Jahres
1810
diesem Verlangen
zu
Ein
entsprechen.
jüdischer Geschäftsmann liess sich bereit finden, die zur Bezahlung
dringender Schulden und zur Bestreitung der Reiseunkosten erforderlichen Mittel vorzustrecken. in
Riga
wo r
ein,
Genesung
sie ihre
Im August
181,0 traf Juliane
Mutter nicht nur lebend,
begriffen vorfand
—
ein
Umstaud, den
Barbara
sondern in der
sie
ohne weiteres
der Kraft ihrer Gebete und den Fürbitten ihrer Freunde zuschrieb.
Dass Frau
Vietinghof einige
v.
Wochen später (im Januar 1811)
und dass die zur Bezahlung der karlsruher Schulden aus dem Nachlasse der alten Dame nicht beschaffen lassen wollten, vermochten freilich weder die Prophetin noch deren neue Freunde (die gedachte Witte Blau, plötzlich starb
10000 Thaler sich
erforderlichen
deren halbblödsinniger Sohn und
von Richter thätiger Sohn
ein
Hauslehrer des Generals
als
Es
alten Oberlin) zu verhindern.
des
bedurfte eines abermaligen «Wunders», damit das nöthige Geld sich
und Frau von Krüdener
dennoch fand
zu Ende
des Jahres 1811
nach Baden zurückkehren konnte, wo ihrer «wichtige Dinge», neue Offenbarungen der Marie
Kummer
harrten.
d. h.
An dem Himmel
des von Erwartungen des Feldzuges von 1812 geängstigten deutschen
Südeus war abermals ein dräuender Komet erschienen
Mal
wusste
die Vertraute
des
und
wider alles Erwarten
badischen Pfarrstelle begnadigten Fontaines ganz genau, ersehnte, im 14. Capitel des Jesaias V.
«der weisse Engel binnen kurzem
und dass
der
des Volkes
war
für
aus
die
den
schwarzen
dieses
einer
dass
13—18 angekündigte
Katastrophe nicht länger auf sich warten lassen werde. dass
mit
die
grosse
Darüber, besiegen»
vom Propheten Jeremias vorliergesagte «Einbruch Norden» die Welt umgestalten werde, darüber
Freunde und Verehrer der
Kummer
so
wenig
Zweifel möglich, dass es nur einer kleinen Geduld bedürfen
ein
sollte,
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Google
334
um
Die Gefolgschaft der Frau von Krüdener. den Beginn des neuen Zeitalters In
dem
Form
in aller
Die Zeit der Erwartung wusste Frau
Abenteuer zu kürzen.
v.
feiern zu dürfen.
Krüdener durch mancherlei
Prftfecten
des Karlsruhe
benach-
barten Departements Unter-Rhein entdeckte die Freundin Clmteaubriands und Bernardins schöngeistigen
ihrer
musste nicht nur dem
genommenen) Sohn
einen
ehemaligen Verehrer und Genossen Dieser
Periode.
Präfect
,
Herr de
(als russischer Gesandtschaftsattachö
seiner Freundin zu Hilfe
selbe nach Steinthal und
Waldbach
Lezay,
gefangen
kommen, sondern
die-
das Pfarrhaus Oberlins be-
in
an den daselbst abgehaltenen Andachtsstunden Theil nehmen
gleiten,
neuer Mensch d. h. als vom Imperialismus zum Royalisals mus bekehrter Gläubiger, nach Strassburg zurückkehren: dass der
und
«
»
,
Einfluss der «Frau aus Norden» diese Conversion Lezays bestimmt
und dass der Ausgang des russischen Feldzuges auf dieselbe kaum beiläufig
eingewirkt
natürlich von selbst.
hatte,
—
verstand
Zu Anfang
sich
tiefer
sehenden Augen
des Jahres 1813 nach Baden
zurückgekehrt, unternahm die unermüdlich Reisende einen Ausflug
nach Genf,
von den
wo
sie ein wichtiges
Werk,
die Wiederaufrichtung der
Facultätstheologen
calvinistisehen
bedrängten Pietisten-
Ausführung zu bringen hatte. Sie begann damit, einen zweiundzwanzigjährigen Jünger dieser Richtung, den in der Folge als ihren Hauptapostel und Leibschriftsteller vielgenannten Henri Louis Empaytaz, an ihre Person und Sache zu fesseln. Nachdem Empaytaz, auf den «rechten Weg» gebracht und zur regelmässigen Abhaltung im Geiste des neuen Christenthums geleiteter Betstunden angeleitet worden war, eilte die Rastlose nach Basel, wo sie mit Spittler zu conferiren und Hirtenbriefe an von Basel nach Walddie genfer Freunde zu schreiben hatte, bach in das Oberlinsche Haus und von Waldbach nach Baden, wo und Chiliastenpartei,
in
—
sich
(der
im Sommer 1814
die Gelegenheit
Gemahlin Alexanders
I.),
fand,
mit
einer Kaiserin
den Königinnen von Bayern und von
dem Vicekönige von Italien und der einflussreichen schen Hofdame Roxandra von Stourdza in Verbindung zu Holland,
russi-
treten
— diesen
hohen und höchsten Herrschaften «von Christo zu reden» und insbesondere Eugen Beauharnais die Zeichen der Zeit und die kommenden «grossen Ereignisse» auszudeuten. Nach Beendigung dieses
wichtigen
und selbstverständlich von unerhörten Erfolgen ging es zu Vater Oberlin nach Ban de la
begleiteten Geschäfts
Roche
(ins Steinthal),
triebene
wohin
auch
aus Genf ver-
der inzwischen
Empaytaz beordert wurde, um endgiltig
in
die
seit
dem
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Google
»
335
Die Gefolgschaft der Frau von Krüdener.
Ausscheiden Fontaines’ unbesetzt gewesene Stellung eines Secretärs
und Haustheologen der vornehmen Reisepredigerin zu rücken. Ihr dieselbe für eine Weile in Strassburg auf.
Hauptquartier schlug
Für den Verlust Lezays, der Schrecken genommen hatte
Bekehrung
trotz seiner (bei
Gelegenheit
der
ein
Ende mit
feierlichen Ein-
holung des Herzogs von Berry war der unglückliche Neophyt der Legitimität auf
ihm
seinen
von Napoleon geschenkten Degen ge-
stürzt und von diesem gespiesst worden), fand sie durch eine neue
Dem
Eroberung reichlichen Ersatz. sich ein Herr von Berckheim Schwiegersohn
der
in
der Folge der
wurde und im Jahre 1833
russischer Staatsrath und Beamter St.
Krüdenerschen Kreise gesellte
zu, derselbe,
Meisterin
seiner
als
des Unterrichtsministeriums zu
Die Legende hat aus diesem Herrn eineu
Petersburg verstarb.
Märtyrer seiner Ueberzeugung gemacht, der der € Wahrheit» und Frau von Krüdener zu Lieljp eine glänzende Laufbahn aufgegeben und der neuen Prophetin selbstlose Nachfolge geleistet hatte. Den wahren, leider wenig erbaulichen Zusammenhang legt das Mühlenbecksche Buch durch die nachstehenden,
actenmässig festgestellten
«Franz Karl von Berckheim war im J. 1785 Sohn des badischen Geheimraths Ludwig Karl von B. und seiner Gemahlin Franziska Louise von Glaubitz zu Strassburg geMittheilungen klar.
als
Zu
boren worden.
Mann
als
Bayern,
Steinthal von Oberlin erzogen,
Kammerherr
— Napoleon
in
die
Dienste
trat der junge
König Maximilians von
aber entzog ihn der aussichtsvollen bayrischen
Laufbahn, indem er ihn zum Referenten ( maitre des requctcs) seines
und
Staatsraths
einige
Zeit
darauf
zum
kaiserlichen
General-
Mainz machte. Im J. 1813 (d. h. bei Armee) verliess der Herr Oommissar heimlich seinen Posten, indem er nicht einmal die ihm auvertrauten
commissar
der Polizei
Annäherung
der
in
alliirten
Papiere zu retten versuchte, ja in den Verdacht gerieth, dieselben
verkauft Deutschen
zu haben.
gleich
Ohne Amt und Vermögen, Franzosen und spielte Herr von Berckheim eine
verdächtig,
ausserordentlich traurige Figur, als sein alter Lehrer Oberlin sich seiner
annahm und
ihn
mit
Frau von Krüdener
in
Verbindung
brachte.
Berckheim erschien zur rechten Zeit, denn zwischen den Anhängern seiner Meisterin war eben damals ein heftiger Zwist ausgebrochen,
der
erst
mit
seiner
Hilfe
beigelegt
Fontaines, der sich in seinem neuen geistlichen
eben so schlecht geführt hatte wie
in
seinen
werden
Amte
konnte.
(zu Sulzfeld)
früheren Stellungen,
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336
Die Gefolgschaft der Frau von Krüdener.
und dem daran gelegen war,
sich
den Fall einer Absetzung
für
abermals als Secretär der Krüdener festzusetzen,
Empaytaz
als Eindringling
Seine Verbündete, die Sibylle bereit
Sache
die
finden,
in
Kummer, liess sich auch ihre Hände zu nehmen.
der Krüdener qine Offenbarung mit,
Herrn wäre, dass
nach
Demuth
sich in der
zu üben.
in eine
Mal
dieses
Sie theilte
der Wille des
welcher
Bruder Ernst,
ihre Tochter Sophie mit Fontaines’
einem misgestalteten Apothekergehilfen,
um
den jungen
sah
an und suchte denselben zu beseitigen.
mystische Ehe trete,
«Hargott« (diesen
Namen
hatte
Frau von Krüdener ihrem ehemaligen Günstling, dem Pfarrer,
bei-
gelegt) sprach sich in demselben Sinne aus, und die bethörte Mutter '
war drauf und
Kinde gestellte Falle zu gehen. Empaytaz, der sofort verstand, was für ihn auf dem Spiele stand, vereinten rief den jungen Paul von Krüdener zu Hilfe, und den Bemühungen Beider gelang es, dem «Fontainesschen Plane durch Einleitung einer Verlobung Sophiens mit Herrn von Berckheim dran, in die ihrem
zuvorzukommen. Dass der schändliche Pfarrer und die «Sibylle» nach wie vor im Vertrauen ihrer thörichten Beschützerin blieben und
mindestens
unterhielten,
aus
der
Entfernung
mit
derselben Beziehungen
vermochten die beiden jungen Männer indessen nicht Als Fontaines zu Anfang des Jahres 1815 seiner
zu verhindern.
sulzfelder Stellung entsetzt
wurde
und
der Unwille über das
als
von ihm getriebene Wesen so weit verbreitet war, dass sich selbst
genommener Frau von Krüdener sich ohne
Jung-Stillings zu Gunsten des Expfarrers in Anspruch Einfluss
ohnmächtig erwies,
liess
weiteres bestimmen, ihrem Freunde eine Freistatt zu bereiten.
Auf
Kummer kaufte sie das unweit Weinsberg belegene Gütchen Rappenhof, welches zur «christlichen Colonie» erklärt und
den Rath der
der Fontainesschen Familie überwiesen wurde. die
Krüdener
sich
bestimmen,
in
Nähe
der
Um
Wohnung zu nehmen. würtembergischen Polizei aus dem Wege
seiner
Sibylle
Wenig ihres
später liess
«Hargott» und
Berührungen
mit
der
zu gehen, zogen sie und ihre
Hausgenossen indessen nicht nach Rappenhof, sondern in die benachbarte, zu einer badischen Kuclave gehörige Mühle von Schlüchtern.
Auf dem hof
halben
liegt Heilbronn.
Russland
am
4.
Wege
zwischen Schlüchtern und dem Rappen-
Hierher verlegte
Kaiser Alexander
von
I.
Juni 1815 sein Hauptquartier, und hier erfolgte
Abende desselben Tages
am
— eines Sonntags — der «Ueberfäll», durch
wehdien die Tochter des rigaer Geheimraths den Grund
sogenannten geschichtlichen Stellung
zu
ihrer
legte.
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Die Gefolgschaft der Frau von Krüdener.
Den berühmtesten und Europa persönlich kennen zu
eitlen
x
zu
dessen
Interesse
war
nannte,
ziehen,
gefeiertsten Fürsten
337
des restaurirten
lernen und ihren Landesherrn in das
was
des Evangeliums
die Sache
sie
und Tag der leidenschaftliche Wunsch der
seit .Fahr
Zu diesem Behuf
und aufregungsbedürftigen Frau gewesen.
hatte sie mit der Kaiserin Elisabeth angeknüpft, zu diesem Behuf die
Bekanntschaft des Fräulein
selben einen Briefwechsel eine höhere Adresse
bemerkt, dass
v.
zu
düstere und
der
Stourdza gesucht,
geführt, der
gebracht
und mit dem-
darauf berechnet
werden.
asketische
Ton
war, an
hat Falloux
Treffend
dieser Briefe und
die in dieselben verwebten Hinweise auf Alexanders weltgeschicht-
darauf abzielteu,
Beruf direct
lichen
die
Aufmerksamkeit eines
der
vom Weltleben ermüdeten grossen Herrn zu erregen und zu Sprache
in
Contrast zu treten,
in
welcher sonst an Höfen geredet
Das schwärmerische Hoffräulein hatte denn auch nicht ermangelt, bereits zur Zeit des Wiener Congresses einzelne an sie gerichtete Briefe dem Kaiser zur Kenntnis zu zu
werden
pflegt.
bringen, den beabsichtigten Eindruck
noch
indessen
zu er-
nicht
Erst nach Napoleons Rückkehr aus Elba war vermocht. Alexander auf die Prophezeihungen aufmerksam geworden, die ihn zielen
als
Erwählten des Herrn
bezeichneten
unaussprechliche Dinge zu sagen haben in
und
malige Stimmung des Monarchen durch kannt.
ihre Briefe
zu
erregte Spannung
deren Urheberin
ihm
Die Art und Weise,
sollte.
welcher die Freundin Fontaines' und der
Kummer zu
nutze
sich
die da-
machen
auszubeuten
und
wusste,
die
ist
be-
Als der von den Anstrengungen der Reise und der ihm dar-
gebrachten Huldigungen ermüdete Kaiser sich treffens in
Heilbronn
in sein
am Abend
des Ein-
Schlafzimmer zurückgezogen und alle
weiteren Empfänge untersagt hatte, Hess die durch Roxandra von
Stourdza angekündigte
Weise
merkwürdige Frau»
«
sich in so stürmischer
bei Sr. Majestät melden, dass sie vorgelassen
stündigen Unterredung
gewürdigt
wurde.
und einer
Als der Kaiser
drei-
seine
bemerkte der dienstthuende Abends entliess Adjutant, dass Thränen in den Augen des Monarchen glänzten. Frau von Krüdener kehrte in den Rappenhof zurück, «wo Berckheim, Fontaines und die Kummer inzwischen fürbittend niedereinige Tage später aber erhielt sie die Aufgekniet waren» forderung, dem Kaiser nach Heidelberg zu folgen. Empaytaz und das Berckheimsche Ehepaar wurden eben dahin beschieden. Als der Gang der Kriegsereignisse den Monarchen nach Besucherin
spät
,
—
lUltlmlio M..n»ti.«chrlf»
Ban,!
\XXY,
llnft 4.
23
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Die Gefolgschaft der Frau von Kriidener.
338
Hess
er
die
Paris
rief,
Nähe
des Elys6e-Bourbon
Capelle
einrichten
Andachtsübungen
,
in
Wohnung zu
die
,
eine
beziehen
in
und
der eine
begonnenen
Heidelberg
Das Aufsehen, das
wurden.
fortgesetzt
Uebungen erregten, war so
nachkommen
Kriidener belegene
welcher
diese
vornehme pariser Welt begann und dass so verschieden ge-
gross, dass die
sich in dieselben zu drängen
stimmte Personen wie der hochliberale Schriftsteller Benjamin Oonder Legitimist Chateaubriand,
staut,
Exrevolutionäre Isnard
die
und Bergasse, die schöne Madame Recamier, die Herzoginnen von Bourbon und von Escars an denselben gleich eifrigen Antheil nahmen.
Wir übergehen den
Bericht
über
die
Auszeichnungen, deren
Frau von Krüdener während dieser Glanzzeit ihres Lebens theilwurde und unter denen die Berathung über die der heiligen Allianz zu Grunde liegende erste Denkschrift die wichtigste war.
liaft
Den bekannten Ausführungen
des Bernhardischen Geschichtswerks,
der Metternichschen Memoiren
und der Condorcetschen Aufzeichnungen über diesen Punkt weiss das Miihlenbecksche Buch WesentDesto ausführlicher verweilt dasselbe liches nicht hinzuzufügen. bei der diesem Erfolge auf
dem Fuss
lichen Thorlieit, durch welche die
folgenden, geradezu unglaub-
Krüdener
ihre
mühsam errungene
und den gütigen Monarchen, der sie für immer von sich abstiess. Wiederum
Vertrauensstellung untergrub
an seine Seite gezogen, waren es Herr Fontaines und seine Helfershelferin Marie Kummer,
welche auf ihre kurzsichtige und urtheilslose Beschützerin das Verderben herabbeschworen.
Zu dem hier in Rede stehenden Zeitpunkte war der sog. Mesmerismus zu Paris ebenso in die Mode gekommen, wie anderswo. Ihren neuen Bekannten hatte Frau von Krüdener so häufig von den exstatischen Zuständen und wunderbaren Offenbarungen der Sibylle von Kleeborn erzählt, dass dieselben Verlangen zeigten, die schwäbische Prophetin von Angesicht
genügte,
um
Das Tempo wahrnehmen
kennen zu lernen.
Fontaines und seine Gefährtin ihr
zu lassen, plötzlich in Paris zu erscheinen und sich ohne weiteres
dem von
ihrer Gönnerin bewohnten Hotel Montchenu einzuDas Folgende erräth sich von selbst. «Während der vorgenommenen Sitzung kündigte die Hellseherin an, dass sie am nächsten Tage zur Zeit des herin
quartieren. ersten,
im
kleinen Kreise
kömmlichen Besuches Sr. Majestät Somnambulismus versinken werde.
in
In
einen Zustand
dem Vorsaal
von ,
der
Auto-
zum
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Die Gefolgschaft, der Frau von Krüdener.
Empfangszimmer der Baronin
339
führte
und den der Kaiser durch-
schreiten musste, Hessen die
Kummer
und Fontaines sich zur an-
gekündigten Zeit und unter
ausdrücklicher Zustimmung der Frau
von Krüdener nieder,
Gott
hatte,
um
der Kaiser zu
Kummer
welche
mehrere Stunden
damit
zugebracht
die Offenbarung seines Willens zu bitten.
gewohnter Stunde
den
Vorsaal
betrat,
.
Als
lag
die
.
.
Des Monarchen an Frau
auf einem Sopha desselben da.
was das zu bedeuten habe, blieb unbeantwortet, Fontaines aber ergriff das Wort, um dem Kaiser anzukündigen, dass er eine Prophetin des Ewigen vor sich habe, welche ihm im Namen Gottes Mittheilungen zu machen berufen sei. Der Monarch setzte sich nieder, die Kummer aber begann
von Krüdener gerichtete Frage,
um
eine sentenzenreiche Ansprache, welche mit der Bitte
summe
für
Begründung
einer
eine Geld-
Weinsberg und ihre das Nebenzimmer gegangen einen christlichen Colonie
bei
Bei diesen Worten waren Frau von Krüdener
schloss.
Tochter aufgestanden
und
in
;
um den Kaiser in den Salon und unterbrach die ihm gemachten Entschuldigungen, indem er sagte, dass er die Welt genug kenne, um Augenblick später erschien
wieder,
ihr
von Leuten betrügen zu lassen, die sofort mit Bitten
sich nicht
Geld
sie
Alexander folgte
zu bitten.
bei der
Hand
seien
um
Frau von Krüdener werde wohl daran vom Halse zu
;
thun, sich diese Gesellschaft so schnell wie möglich schaffen.
>
Jetzt waren die Augen auch der Frau geöffnet, die acht Jahre lang das Opfer der beiden Betrüger gewesen war, welche
Prophetin eines neuen Zeitalters hineingeredet
sie in die Rolle der
hatten
Vor
!
Die Einsicht
seiner
am
der immer höfliche
Vertrauten
in die
wahre Sachlage kam indessen zu spät. machte
28. Sept. (1815) erfolgten Abreise von Paris
und
liebenswürdige Kaiser
einen Abschiedsbesuch,
—
kaiserlichen Hauptquartier zu folgen,
indessen eben so wenig
die Rede, wie von einem späteren Wiedersehen.
Nie
Barbara von Krüdener den Monarchen, dem
zu
begegnet war, wieder gesprochen, nie
ihm erhalten', nie mehr
erreicht, als
ehemaligen
seiner
von einer Einladung, dem
war
ein
dass
sie
hat Juliane übler Stunde
directes Schreiben sie
von
mit der Rücksicht
behandelt wurde, an der ein edeldenkender Fürst es niemals fehlen
wenn Personen,
lässt,
—
die seine
Gnade genossen,
ins Spiel
kommen.
Enttäuscht, von der Mehrzahl ihrer bisherigen Bewunderer ver1
Hnlitziu.
Doch
mit einer
Leipzig.
Ausnahme im
Duneker
&
J. 1821.
Hnmhlot.
1882.
Vgl.
1’.
S. 54.
v.
Holze, Fürst A. N.
D. Reil.
23 *
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Die Gefolgschaft der Frau von Krüdener.
340
und neuen Gläubigem bedrängt, musste die «Weh-
lassen, von alten
mutter» der heiligen Allianz bis zum 22. October
Als
sie die französische
Hauptstadt endlich
in
Paris bleiben.
verlassen konnte, be-
sass die Tochter des reichsten Livländers seiner Zeit wenig mehr, als
den ihr vom Kaiser persönlich ausgestellten Pass zur Rückreise
nach Russland und das längst übei-schuldete Gut Kosse bei Werro. Nichtsdestoweniger suchen, die einmal
verbrachte sie
folgenden Jahre
die
übernommene Rolle weiter zu
mit Ver-
den
und
spielen
Glauben an ihre Prophetenbestimmung in neue Kreise zn tragen. Es war vergeblich. Trotz aller darauf verwendeten Mühe und kurzsichtigen Thoren be-
trotz des Erfolges, der ihr bei einzelnen
schieden .war.
Geschichte
bildete, die
lediglich eine Kette persönlicher
Die rappenhofer
C'olonie,
Vermögens gewendet
an welche
hatte,
sie
Gemeinden zu begründen versuchte,
die unglückliche Prophetin ausgewiesen
ihr so vollständig litt,
den Rest ihres verfügbaren
sie
machte Bankerott, aus den verschiedenen
schweizer Orten, an welchen
wurde
folgenden Lebensjahre
ihrer
Enttäuschungen und Demffthigungen.
aus.
dass
zuweilen
sie
;
die Geldmittel gingen
am
Nöthigsten Mangel
unter ihren Vertrauten aber brachen so ärgerliche Händel ans,
dass es schliesslich auch der unverwüstlich gut- und wundergläubige
Empaytaz
für gerathen hielt, die Thätigkeit
vom Pöbel
der Polizei und
der Stellung
eines
bereits
seit
dem Zusammenbruch
schriften
Kellner,
chiliastischer
und
herrschaft
zum Opfer
in
ihrer in
und
in
dessen Zulassung
und sittlichen Ver-
welchem Frau von Krüdener pariser Hoffnungen befand. älteren
pietistischer
und
Aus
unglücklichen
verdrängt
ersetzt worden,
der
als ehemaliger Oberpostdirector
seiner
früher
intellectuellen
wahrlosung erklärt werden kann, Ein Herr J. G.
Heimat zu vertauschen.
ersten Vertrauensmannes
war der junge Mann derselben durch einen Menschen lediglich aus dem Zustande der Meisterin
sich
des heimatlosen, von
verfolgten Wanderlehrers und Propheten-
schülers mit einem Pfarramt in seiner
und neueren Partei-
Schwärmer herkömmlich
als der französischen
Gewalt-
gefallener deutscher Patriot bezeichnet wird,
Wahrheit aber nichts weiter als ein wegen Veruntreuung weggejagter braunschweigischer Postschreiber war, Herr J. G.
der
in
—
zum obersten Vertrauten der einst gefeierten, Welt verlassenen Weltdame aufgeschw’ungen. Alles,
Kellner hatte sich jetzt von aller
was wir von diesem verzweifelten, eben so frechen Gesellen
wissen,
kommenheit
lässt
schliessen.
wie haltlosen
auf einen ungewöhnlichen Grad von VerDerselbe.
Missionsschriftsteller
Ostertag,
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Google
Die Gefolgschaft der Frau von KrUdener.
341
und das Wachs-
der Kellners «reiche Gaben», seine «edle Kraft»
thum «seiner Liebe zum Heilaude» nicht genug zu preisen vermag, des Abenteurers Verzicht auf eine glänzende Laufbahn und den Herren Spittler und Gossner zum besonderen Verdienst aurechnet, dass sie den hohen Werth des Mannes zu erkennen gewusst dieser Schriftsteller räumt ein, «dass Kellnerden Eindruck eines Vagabunden oder Komödianten gemacht habe» und dass das «Schwärmerische, Treiberische und Stürmische seines Wesens» in Zaum habe gehalten werden müssen. Unbefangene Zeitgenossen stimmten in der Meinung überein, dass dieser letzte Adept der Krüdener den verderblichsten Einfluss auf seine Gönnerin der von fabelt
—
geübt, dass er
ihrer Eitelkeit
unverantwortlichster Weise
in
ge-
schmeichelt und sie in einen Glauben an ihre Mission und Wuuderhineingeredet
kraft
der
hat,
schliesslich
bei vollendetem Unsinn
anlangte.
Die
Geschichte
der
letzten
Lebensjahre Juliane
Barbaras
von Krüdener liegen ausserhalb
des Kähmens dieses vornehmlich Umgebungen der merkwürdigen Frau gewidmeten Berichtes uud werden in dem Mühlenbeckscheu Buche ziemlich summarisch
den
weniger,
letzten
um
Eines näheren Eingehens auf dieselben bedarf es
behandelt. so
als
neuerdings
ausführliche Darstellungen
livländischen Erlebnisse
dieser
unseres Landes veröffentlicht worden die späteren Schicksale
Kürze zu handeln
ihrer
über
die
meistbesprochenen Tochter
Minder
sind.
bekannt sind
vertrauten Anhänger, von denen in
erübrigt.
Von den auf etwa anderthalb Dutzend eingeschmolzeneu Anhängern, welche Frau von Krüdener erfolgten
auf
ihrer
Rückreise nach Livland begleiteten,
im Frühjahr 1818
hielt
allein Kellner
Herr und Frau von Berckheim hatten nach kurzem Aufenthalt in Kosse ihre Reise in die russische Hauptstadt fortgesetzt und die inzwischen alt und kränklich gewordene Mutter bei
ihr
aus,
selbst
auf ihrem einsamen livländischen Laudsitze zurnckgelassen.
Eine
Weile erregten Kellners und seiner Patronin an die Bauern Kosses
Güter gehaltene Predigten und die denselben gespendeten Liebesmahle eiu gewisses Interesse, alsbald erlosch aber auch dieses, und noch bevor die Krüdener ihr Heimatund
der
benachbarten
war
land verliess und nach Petersburg übersiedelte (Januar 1821) sie
uahezu allenthalben vergessen.
Kellner verstarb 1823, vor wie
nach seinem Tode schwärmerisch von seiner Gebieterin verehrt, die
ihm
wenige Monate
später (25. Dec.
1824)
ins
Grab
folgte.
—
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342
Die Gefolgschaft der Frau von Krttdener.
Fontaines erlebte ein hohes Alter, bekleidete
von Frau
von Krüdener
noch
zwei
sich indessen so still zu halten, dass
hafte Vergangenheit vergass
Seine
konnte.
ehemalige
und
nach
der Trennung
wusste
weitere Pfarrstelleu.
man
dass
Verbündete,
seine
mehr
als zweifel-
unangefochten
er
Kummer,
die
sterben
der
hatte
würdige Manu so vollständig vergessen, dass dieselbe nach der Entlassung aus ihrer dritten Gefängnishaft als Bettlerin verstarb wunderbare Gaben waren während dieser (24. Februar 1824) :
Periode von niemand
an der
ehemaligen Zuchthäusleriu
entdeckt
—
Empaytaz nahm an den kirchlichen Kämpfen in Genf und dem Waadtlande eifrigen Antheil und zählte unter die Begründer der Egliar lihre später heiratete er eine vornehme und reiche Dame, von deren Vermögen er bis zu seinem im J. 1853 erfolgten worden.
;
Die letzte Ueberlebende des Krüdenerschen Kreises war die Tochter der Prophetin Sophie von Berckheim, welche ihren Gemahl und ihre Geschwister um viele eine behäbige Existenz führte.
Eude
Jahre überlebte und deren auf einem Landgute des Gouvernements Urei erfolgter Tod erst im Jahre 1805 gemeldet wurde. von
Obgleich wir
den
besprochenen Vorgäugen
vorstehend
durch wenig mehr als ein reichliches Menschenalter getrennt
sind,
erscheinen die Verhältnisse, unter welchen Frau von Krüdener und
deren
Anhänger
ihr
Wesen
wunderliches
heutigen Geschlechte nur schwer
treiben
konnten,
Und doch
verstäudlich.
dem
hat die
krankhafte Bewegung, an deren Spitze unsere Landsmännin stand, mit
dem
grossen
staurationsperiode
der
Name
und religiösen Umschwung der Reengem Zusammenhänge gestanden, dass
geistigen in
so
der Juliane Barbara von Krüdener
von gewissen Vor-
kämpfern der positiven Richtung mit einer Ehrfurcht genannt wird, die Absicht tendenziöser Beschönigung ihrer Verirrungen
welche
Fünfundzwanzig Jahre
ist
dass ein angesehener berliner Geistlicher
W.
deutlich verräth.
Fontaines’, Kellners
und
der
Kummer
eine
es
noch
nicht
her,
Ziethen der Günnerin Schrift
widmete,
in
welcher er dieselbe als Musterbild einer christlichen Frau verherrlichte und im Anschluss an das von Widersprüchen und Unwahrheiten strotzende Eynardsche Buch
von einer ganzen Anzahl
an das Wunderbare streifender Vorgänge der letzten und traurigNoch unbesten Periode ihres Wanderlebens gläubig berichtet. greiflicher
erscheint
freilich,
dass
ein
so hochgebildeter
sonnener Theologe wie J. H. Kurtz noch
in
und be-
der neunten Auflage 1
seines weitverbreiteten Lehrbuchs «Kirchengeschichte für Studirende»
Digitized
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Google
343
Die Gefolgschaft der Frau von Kriidener.
des grossen Einflusses dankbar gedenkt, «welchen die schwärmerische
Erweckung des Gegenden Deutschlands und in der eiuem Buche, das Goethe mit
Missinnsthätigkeit der Frau von Krüdener für die kirchlichen Lebens in mehreren
haben
Schweiz» gehabt fünf, Schiller
mit
In
Lavater und Jung-Stilling
elf,
der Krüdener
wird
abtlmt,
Zeile
soll.
fassender Abschnitt gewidmet und
mit je
achtz ehn
ein u. a.
einer um-
Zeilen
das Folgende gesagt:
«Sie durchreiste einen grossen Theil Europas, predigte Busse,
verkündete Heil und Fluch, brachte den Verbrechern
in die
Kerker
den Trost des Evangeliums, predigte den Weisen dieser Welt die Thorheit des Kreuzes, den Königen und Fürsten die Hoheit Christi als
des Königs
sie
sichere Sünder,
ganze Schaaren an sich»
u. s.
Wer
über
alle Könige.*
Wo
hinkam, erschütterte
sie
erweichte Felseuherzen
zu
zog
Bussthränen,
von geistlich Elenden jeder Art und aller Stände
w.
vou dem lieben der Tochter des Geheimraths
v.
Vieting-
hof überhaupt weiss, weiss zugleich, dass von den vorstehend enthaltenen
Angaben keine
einzige vollständig
eigentlich charakteristischen
Momente der
zutrifl't
und
dass die
Wirksamkeit
öffentlichen
Juliane Barbaras mit Stillschweigen übergangen sind.
-v.
1
Iicilniilig sei
•? -J-'.'r-itS?' «v »fcA—
.
•"'gS'SWMi'-
bemerkt, dass das Kurtzsche Huch
neben anderen schwer
erklärlichen Irrlhiiinern die geradezu ungeheuerliche
Kehnuptuug
Kobespierre habe gemeint:
il
oti>
Ahiju-
Den legendären Engländer, aber
ein
wilden Feinden
war.
gebildeter Europäer
auf
kamen wir und Skobelew nicht lebend aus der asiatischen Wüste zurück, in die wir uns gewagt. Ich sage ausdrücklich Wüste. Was Oasis, was Culturland Vor uns her wichen ihrer Seite,
so
!
die
Tekes
zurück
und
liessen
uns
den
leeren Boden, das flache
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364
Die Brücke über den Amu-Darja.
Land, die Wüste.
In jenen regenlosen Zonen, in jenen von Völker-
und Verheerungen
zügen
Wasser
lieimgesuchten Ländern
—
wo
nur
das
und die geschäftige Hand des Menschen uud nachhilft, wächst und gedeiht etwas. Von einer grünen Oase, von Palmengebüsch und Weideland, wie man sich hingeleitet wird
stets schützt'
das denkt,
keine Spur.
ist
Technik, die Intelligenz,
die
Die Zukunft
kanns,
der Pleiss,
vermehrte Bevölkerung
kann
die
dieses
ganze Gebiet zu reichen Ernten zwingen, zur Fruchtbarkeit erheben, nicht das Räubervolk, das dort herrschte, als wir das
Land
betraten.
Da ragen Mauern links von der Eisenbahn, ein grosser länglichRaum ist eingehegt, im Inneren steht ein Hügel Tepe heisst
runder
;
Zu
solch eine Erdaufschüttung in der Landessprache.
der Festung fliessen eine Mühle. ist
die
dies alles
so
ja Gök-Tepe, die Stätte unseres Sieges
das
i
beiden Seiten
stehen Weidenbäume,
lebendige Bäche, links
Wie dünkt mich
Gott
bekannt.
Dort
ist die
I
das
Bresche,
Dynamit gebrochen, wo Midshipman Mayer schwer
ver-
dort die andere Oeffnung, wundet wurde, da er sie entzündete in die Umfassungsmauer gesprengt. Das waren unsere ;
mit Pulver
Einfallsthore, über diese ging der Sturm.
Wie
oft
sind
wir dar-
Je näher der Zug kam, um so deutjeder Stein hervor und mit ihnen die steht der Denkstein auf dem Grabe Erinnerung. Die langwierige Belagerung, da wir mehr belagert der Gefallenen. Der Tod, der täglich aus gut gezieltem waren, als belagerten. Rohr in unsere Reihen schlug, die nächtlichen Ueberfälle, die über ans- und eingeritten.
Stamm und Und da — da
licher trat jeder
Sehnsucht nach dem Ende, alles stand wieder lebhaft vor der Seele.
Mit Fragen hatten die Mitreisenden mich bestürmt, und in Rede hatte ich erzählt und gezeigt. Aber als der weisse vor unsere Augen trat, schwieg der Erzähler und sie gingen leise hinaus und ehrten auch die Frager verstummten durch Schweigen die tiefe Bewegung ihres Reisegefährten und sein Andenken an die Todten. Aber nicht lange lässt das Leben um die Gefallenen trauern, die gemeine Wirklichkeit, wie Schiller sie nennt, macht sich geltend, neben dem Vergangenen hat die Gegenwart ihr Recht. Man rief zum Speisen. Ein Armenier, der als Lieferant den Feldzug mitfliegender
Gedenkstein
;
gemacht, hält die Restauration.
mir zu.
«Sie
«.
In der Angst richteten sich die Augen
in
Livland auf Magnus
;
König des Landes, war er doch der Verwandte des in Pleskau mit Ehren von ihm behandelt worden an ihm hoffte mau in der Noth und Haltlosigkeit Seit seiner Rückkehr einen Fürsprecher und Vermittler zu finden. aus Pleskau hatte er die Miene angenommen, als könne er Schutz gewähren er hatte die Aufforderung an das Land gerichtet, sich ihm zu ergeben, ihn als König atizuerkenneu und dadurch Sicherheit zu suchen, indem er dabei auf sein gutes Verhältnis zum liiess
er doch
Grossfürsten und eben noch ;
;
Grossfürsten hinwies, ja dessen Unterstützung Baltincb« Monataachrift.
Rand XIXV, Heft
5.
in
Aussicht
stellte,
27
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Der Fall Wendens.
400 wie
selbst,
von
scheint,
es
thöriehten
der
Hoffnung
geblendet,
Iwan werde schonen, was sich seinen Vasallen ergeben. Anfang August Hessen die Bürger von Wenden Magnus ihre Unterwerfung anbieten, sagten sich von Polen
vertrieben die schwache polni-
los.
sche Besatzung und übergaben dein Herzog die Stadt und das Schloss.
In das wendensche Schloss zog er nun
König von Livland,
lose
iu die stolze
nur einen einzigen Monat
residiren
der junge macht-
ein,
Herrmeisterburg,
der er
in
Zwei Wochen später
sollte.
wurde er hier auch von den Abgesandten anderer Orte Livlands als König anerkannt. Die Unterwerfung unter Magnus, den Vasallen Iwans, enthielt zugleich eine Lossagung von Polen. Magnus' neue Unterthaneu sollen dabei förmlich ihren dem Polenküuig geleisteten Eid aufgesagt haben". Sie hofften von diesem Schritte Rettung
—
sie
ahnten nicht, dass
sie
damit erst recht das Verderben auf sich
Magnus Untergebene mussten
zogen, denn gerade des
des Feindes
Zorn empfinden.
vollsten
Wenden
hatte der Grossfürst
Magnus zu
besetzen gestattet,
aber Ascheraden, Lennewarden, Erlaa und andere Orte,
etwa um diese Zeit König Magnus ergaben, lagen
in
das der Grossfürst sich selbst Vorbehalten
;
hatte
die
dem
sich
Gebiete,
ebenso Koken-
war und von nach Wenden gelangte. Nach dem pleskauer Vertrage Orte zwischen Aa und Düna besetzte, den
husen, das von der polnischen Besatzung verlassen
wo
um
dringende Bitte
jetzt die
Hilfe
König Magnus zauderte zunächst. musste
er,
ehe er
die
um
Grossfürsten besenden und ihn
Er
schickte
also
denselben
andere Reise
erst noch eine
nicht
an
sein Ziel.
Rath,
d. h.
um
Erlaubnis fragen.
einen Boten ab, dieser
machte,
Magnus wartete
erreichte
eine
aber, der
zu spät oder gar
Antwort
nicht
ab, fasste
einen raschen Entschluss und schickte eine Besatzung von 50
Damit hatte er
nach Kokenhusen. verletzt.
die
pleskaner
Mann
Abmachungen
Zugleich mit dem nach Kokenliusen bestimmten Fähnlein
sandte er einen zweiten Boten
in Wenden in seine Gewalt gerathenen Russen als zum Grossfürsten mit einem Schreiben, iu welchem
ob solch eine Anzeige den Vereinbarungen entspräche und
er, als
Ordnung wäre, ganz naiv diejenigen Städte aufzählte, die ihm ergebeu hatten, darunter auch solche, die der Grossfürst Durch diesen Brief hoffte er wol für die von ihm besetzten Orte Schonung zu erlangen und nahm
alles in sich
schon in seiner Gewalt hatte ,,
damit
die
Miene an,
fürsten festzuhalten
;
an aber
dem
.
bisherigen Verhältnis
zum Gross-
fast gleichzeitig that er einen
anderen
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Der Fall Wendens. damit
der
401
Widerspruch stand und seine schwankende Haltlosigkeit, seine Verblendung und seine UnzuverSchritt,
im
schroffsten
lässigkeit darthut.
Am
24. August,
Iwans gelangte,
Tag ehe jener Brief in die Hände Magnus von seinem Schloss in Wenden ein Erwehlter zum Könige in Lilflandt» und
einen
erliess
dem
Schreiben, in
er als
als ein deutscher christlicher
Pflicht
gegen
geschehe
Fürst die Städte und Lande, die noch
den Schutz
übrig seien, unter
Polen,
zum Besten
seiner Regierung
aufnimmt
;
ihrer
erklärt er, sei das nicht zuwider, denn es
der Krone
Polens.
Eben
hatte er sich
gegenüber den Schein gegeben, er nehme Bestem in Besitz, «zum Besten der Krone Polens»; damit hatte er offen ausgesprochen, was er längst geplant hatte. Es ist schweierklärbar, was Magnus sich bei dieser unsinnigen Proclamation gedacht hat im Augenblick, als das russische Heer heranzog, als alle Rettungsaussichten, die er etwa machen konnte, darauf
noch dein Grossfürsten *
die Orte als dessen Vasall und damit zu dessen
und
jetzt sagt er:
—
beruhten, dass der Grossfürst in seines Vasallen Untergebenen zugleich die eigenen Untertlianen sah.
auf diese Weise den Angen
leichter
—
deutung zu gewinnen
Er
sowol
wol die Livländer
hoffte
zur Unterwerfung
des Grossfürsten
zu
locken, dabei
wie des Polenköuigs
in
an Be-
und wurde sich nicht klar, dass er damit
Mochte er aber in den Boden unter den Füssen verlor. Verblendung glauben, auch jetzt noch nach beiden Seiten von seinem Verwandten Schonung hoffen zu dürfen, thatsächlich hatte er sich als Gegner des Grossfürsten von Moskau
völlig
seiner
hinken und
ihm, sobald
bekannt, er musste von
Verräther angesehen werden
Rache zu
;
er
derselbe
hatte
hiervon
erfuhr, als
dessen Strafe und desseu
fürchten.
Der Grossfürst war indessen an die Düna gerückt und hatte Dünaburg eingenommen von hier hatte er sich nach Norden geverbrannte Kreuzburg besetzen, ;
wendet, das von den Einwohnern
Laudohn, das sich ergab, zerstören lassen und Sesswegen erobert Die Einwohner der Orte, die sich sofort ergaben, wurden in der Regel freigelassen, gelegentlich gnädig behandelt, ja einmal sogar beschenkt
;
an anderen Orten wurden
sie
ausgeplündert und brachten
Schwer zu beklagen waren diejenigen, die Gefangenschaft geriethen, denn sie mussten dass man sie erst nach grauenvoller Kerker-
das blosse Leben davon.
auch nur zeitweilig wol gewärtig haft
sein,
ausgeplündert,
in
mishandelt
und
nackend
wieder entliess
1
».
27 *
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: ;
Der Fall Wendens.
402
Der einzige Ort, wo man dem Feinde die Stirn zn bieten wagte, war Sesswegen, obgleich der Ort schwach armirt war, nur 6 grössere Unter dein Wojewoden and 30 ganz kleine Geschütze* hatte. Boturlin erschien am 19. August die russische Vorhut in Sesswegen, überbrachte die Aufforderung des Grossfürsteu zur Ergebung, besetzte
die
und
Vorstadt
man
Tage, als
schon
hätten
gestern
mächtigsten
sie
umzingelte
die Belagerten
erhalten
räumen, da Livland sein Erbland
Eide stehen, und es
sie eidlich
ist
Treue gelobt, wüssten
unmöglich
uns
nicht vorenthalten.
Antwort gaben gross-
sollten
zu
die Stadt
so
seid,
sie
davon
«auf unserem
Schreiben,
schliesst das
so
feste
ihm Sesswegen Durch Seine Majestät den
sei.
und wie Ihr Eurem Grossfürsten treu
Antwort
folgenden
durchlauchtigsten,
sie
,
übergeben
wollen wir seiner
sein.
Das konnten wir Euch
Gegeben
zu Sesswegen, den 20.
Majestät dem Könige von Polen treu als
die
vom
Schreiben
ein
Am
Ort.
zum Sturme begann,
aus der Stadt eingegangenes Schreiben
ein
Grossfürsten
König von Polen, dem «Wir wollen,» uichts.
den
den Erdarbeiten
mit
wurde dem Grossfürsten überbracht, in welchem
August, Seiner Königlich polnischen Majestät Getreue und Ergebene in
Sesswegen.»
Auf diese im russischen Kriegsrath als unhöflich empfundene Antwort schickte der Grossfürst ein zweites drohendes Schreiben nach Sesswegen. nicht
räumen
«Ihr wollt,» heisst es in demselben, «Sesswegen
und Euch
barmherzige Gott gegen
uns entgegenstellen
Weise
licher
in
von
dasselbe
;
wahr uns der
so
unsere Feinde helfe, wollen wir jetzt
all
unser livländisches Erbe
denen säubern, die
allen
eingedruugen
sind.
Ihr
ungebühr-
hättet
dieses
Blut nicht über Euch, Eure Frauen und Kinder bringen und unseren
Zorn durch
Gehorsam auslöschen
Gottes Barmherzigkeit
—
Munde lagerten
—
diese
sollen.
führt
Jetzt
Ihr
sollt
der Grossfürst
erklärten
später,
von
diesem
nach
immer im
unser Schwert und Feuer über Euch sehen.»
zweiten Briefe
Die Benichts zu
wissen, der Lette aber, der ihn überbringen sollte, erzählte, er sei
unter Drohungen abgewiesen w’orden.
entbrannte, er rückte selbst
vor
die
Der Zorn des Grossfürsten Stadt, und die Beschiessung
Der erste Sturm verlief ohne Resultat, beim zweiten fiel die «Wehr und Wall» wurde niedergeschossen, eine weitere Verteidigung schien nicht möglich man entschloss sich, das Schloss anfzugeben und um Gnade zu flehen. Auf die Frage der Russen, begann.
Vorburg.
;
*
wol gleichfalls etwa zwischen Kanonen mul Flinten stehend.
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Der Fall Wendens. wer im Schlosse befehlige und wie
403
Deutsche
viel
demselben wären,
in
antwortete der Unterhändler: zwölf Gutsbesitzer, der sei
Commandant
auf den Tod verwundet, der Besitzer Johann Taube
nicht dort,
—
der
in
sei
Auf
Polen.
sei selbst
um Gnade
die Bitte
aber
Gnade zurückgewiesen, wie kann unser Herrscher Euch jetzt Gnade gewähren!» Nur Rache hatten sie zu erwarten, und ihr Geschick war furchtbar. Die Vornehmsten wurden gepfählt oder sonst zu Tode gequält, die Anderen den Tataren in die Knechtschaft verkauft. erwiderten die russischen Fürsten:
«Ihr habt
Die Bauern, die zugegen gewesen, schickte
Umgegend,
um
durch Schrecken erzählte
man
anzuzeigen, «was Schönes
zur Unterwerfung
zu
von
sich mit Entsetzen
die
der Grossfürst sie
den
in die
um
gesehen» und
Im Lande
treiben.
aber
schrecklichen Greueln,
Männern und Weibern verübt worden seien'*. Von Sesswegen wandte sich der Grossfiirst wieder nach Süden und zog, nachdem in den folgenden Tagen durch ihn oder seiue Wojewoden
die -an
ohne
Kampf
Bersohn, Kalzenau, vielleicht auch Pebalg und Firsen
besetzt worden waren, aufs
Nene der Düna
aufhaltsames Vorwärtsdringen
;
Es
zu.
war
man
einen Siegeszug kann
ein un-
es
kaum
nennen, da fast nirgends Widerstand geleistet wurde.
Vier Tage nach den Greueln vor Kokeuhusen.
Im
in Sess wegen
standen die Russen
letzten Standlager vor dieser Stadt erschien
Magnus mit dem oben erwähnten zweiten welchem er die von ihm besetzten Orte aufzählte. Im russischen Lager trat nachdem Magnus’ Brief angelangt war, der Kriegsrath zusammeu und erklärte, dass Magnus damit den pleskauer Vertrag verletzt habe. Die Antwort des Grossfürsten lautete: «An unseren Vasallen, den Herzog Magnus. Deinem Briefe nach entziehst du uns, im Vereine mit unseren Widersachern, was unser Erbe ist; auch die Schätze dort bringst du uns durch. Als du bei uns in Pleskau warst, haben wir dir die von dir besetzten Orte nicht zugestanden; einzig Wenden und die Festen, die jenseits der Aa liegen, haben wir dir zu besetzen gestattet ungebührlicher Weise hast du dich in die von dir genannten der Bote des Herzogs Briefe desselben, in
,
;
Festen eingedrängt.
Und
unser livländisches Erbe.
jetzt säubern
Nimm
die Städte, die Gott schon
in
wir
nach Gottes Willen
uns doch, wenn
unsere
Hand
du
gab.
willst,
auch
Aber wir sind
nicht weit von dir und in diesen Festen sitzen nach Gottes Willen
unsere Feldherren und Leute; dich bewahren, dir
gebührt
es
sie
werden
nicht,
dich
dieselben
um
diese
schon
ohne
Burgen
zu
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404
Der Fall Wendens.
kümmern.
Wir werden
Gott
aber, soweit uns
und werden
in deine Städte senden,
hilft,
selbst, so weit
Wächter auch wir können, in
Wache halten. Wir haben Geld und Vorräthe («Zwieback») nun gut oder schlecht sein Und wenn du uns ihnen
—
—
wir sind bereit
willst,
zu entziehen. der
Aa
Und wenn du
in
Wenden und den Festen
dich
wir
übers Meer,
auch
nach Kasan
ziehst über das Meer.
mögen
Wir
haben
dich
Erbe
jenseits
Land Oesel und
nicht
schicken, besser
sie
nicht hören
dir aber gebührt es nicht, uns unser
dich nicht halten kanust, so gehe in dein
nach Dänemark
können
;
aber
wir
nöthig, ist
es,
du
aber werden nach Gottes Willen unser
livländisches Erbe säubern und behüten
1
'
»
Das unglückliche Kokenhusen, das Magnus hatte schützen bekam nun den vollen, ungezügelten Grimm des gereizten zu fühlen, und von Tag zu Tage ist, wie es in einer Schrift jener Zeit heisst, die Bluttragödie immer schrecklicher wollen,
Feindes
Lauernd, wie es scheint, auf einen Vorwand zur Rache,
geworden.
fragt der Grossfürst einen der nach
woden, ob er Widerstand
Kokenhusen geschickten Woje-
gefunden oder ob er irgend eine wider-
Antwort gehört; und als er vernimmt, dass die Königlichen zuerst das Thor nicht hatten offnen wollen und nach einem Befehle des Königs Magnus gefragt hätten, da befiehlt er, obgleich setzliche
ihm, als des
übergeben
Magnus Oberherrn, denn doch die Stadt ohne Kampf die Besatzung mit dem Tode zu bestrafen Der Auftrag wurde gründlich aus-
—
worden,
bis auf drei oder vier Leute.
Anderen wurden zusammengehauen, die Einwohner, Männer und Weiber gefangen fortgeschleppt, Am folgenden Tage fiel auch Ascheraden die Polen entlassen. Der alte Landdem Wojewoden Bogdan Bjelski in die Hände marschall Kaspar von Münster wurde hier vor den Mauern erschlagen, die Bewohner in die Gefangenschaft geführt. Als wenige geführt, es blieben nur zwei übrig, die
Tage darauf Erlaa genommen worden, wurden auch hier die Bewohner fortgeschleppt, nachdem eine Anzahl von ihnen niederDie gesäbelt oder sonst auf sckreckliche Art umgebracht war. Leichen blieben auf einem Haufen liegen, den Hunden und Vögeln
zum
Frasse.
Das Entsetzen, welches
die
Kunde von
diesen Schreckens-
thaten im Lande erregte, wird uns durch einige Zeitungen lebendig, die unter
dem unmittelbaren Eindruck
geschrieben sind 1 «: «Mir
ist
in
jener Ereignisse
in
Riga
höchster Wahrheit nit anderst, als
Dipitiz.ed by
Der Fall Wendens. sehe ich mein weih und kinder lebendig todt.»
.
.
in
406 stehen, wir seind
erzeiter noth
.
«Ich kann für hertzleidt, so wir im Lande sehen, hören, er-
mer schreiben
faren, nit
Amen
wenden.
Gott
;
wolle
alles
Unglück veterlichen
»
«Diese Stunde,« heisst es
Tage
einige
«kumpt
darauf,
eine
Diese Zeitung brachte Nachricht aus Wenden.
andere Zeitunge.»
«Kein verlaszener volk*,» heisst es am Schluss, «möchte auf dieser erfunden werden als
weldt
schmerzen
tür grossen
wir
arme
Mer kann
Lifflender.
ich
nit schreiben.»
Freilich konnte er sagen
:
«wir arme Lifflender!» aber
wem
ist
mit Sichselbstbedanern schon geholfen worden? Der Schreiber fügt aber noch ein anderes
Was war
Wort
hinzu: Lucas 13, 2.
.
.
.
denn nun das für eine Zeitung, die aus
Wenden
nach Riga gelangt war? Von Kokenhusen hatte der Grossfürst sich
zum zweiten Male nach Norden, über Erlaa nach Wenden und gegen König Magnus gewendet. Die beiden Kriegsleute desselben, die er in
Kokeuhusen hatte leben
zu ihrem Herrn sollten,
—
Magnus
in
seiner
lassen,
waren geschont worden, weil
um ihm zu erzählen, was sie erlebt. Verblendung wollte es nicht glauben und
sie
hielt es für ein Märlein.
am 28. August auf dem Wege von KokenWenden vor Erlaa stand, erhielt er eine neue, ihn er-
Als der Grossfürst husen nach
regende Nachricht, wieder durch einen Brief und Boten, den König
Magnus, der also
die Rolle des Getreuen noch
selbst geschickt hatte.
Der Bote
Wolmar gesandt und
nach
hätten,
immer
meldete, dass
dass diese
sich
weiterspielte,
Magnus 80 Mann
der Stadt
bemächtigt
während der polnische Commandant Fürst Alexander Polu-
binsky sich noch im Schlosse halte.
Wohl
durfte
Magnus nach den pleskauer Vereinbarungen
Wolmar, das am Nordufer der Aa gelegen ist, besetzen, aber in kam das dem Grossfürsten höchst ungelegen, und er kreuzte damit dessen Pläne, denn der Grossfürst wollte jetzt Wolmar selbst haben. Mit jenem Polubinsky, dem Commandanten von Wolmar, stand er nämlich schon seit einiger Zeit, mindestens diesem Augenblicke
seit
dem
wollte
letzten pleskauer Aufenthalt, in Verbindung.
Wolmar und andere Orte dem
durch ihn hatte dieser
•)
Zusatz
Grossfürsten
Polubinsky überliefern,
— wie uns berichtet wird — von den Umtrieben
zum Vortrag.
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I
Der
406 des
Fall Wendens.
Magnus mit Polen Kunde
auch
gerathen
haben,
sich
und Polubinsky
erhalten,
bemächtigen
zu
desselben
1
soll
ihm
Wenn
’.
wurde dem Grossfürsten die Möglichkeit, Näheres zu erfahren, woran ihm in diesem Augenblick viel liegen musste, genommen. Sofort hält er einen Kriegsrath und sendet zwei seiner Wojewoden, einer von ihnen gehörte zu den angesehensten im Heere, mit 2—3000 Mann nach Wolmar, Polubinsky jetzt in Magnus’ Hände
um
die Stadt zu erobern.
fiel,
so
Sie erhalten die perfide Instruction, die
Leute des Magnus unter dem Vorgeben, dass dieselben doch auch seien, herauszulocken, dann aber den die Höhergestellten gefangen zu nehmen die zusammenzuhaueu sei Magnus selbst in Wolmar, so sollten sie bei etwaigem Kampf sich hüten, ihn zu tödten dem Polubinsky sollten sie die Gnade des Grossfürsten verheissen, ihn festlialten und bewahren. Auf ihn kam es dem Grossfürsten besonders an sei er nicht mehr in Wolmar. so sollten die Wojewoden sofort umkehren, sei er noch in der Nähe, ihn mit dem ganzen
Unterthanen des Grossfürsten
Hauptmann und
,
Anderen
;
;
:
Heere einzuholen versuchen. Während der Grossfürst von Erlaa aus gegen Wenden weiter zieht und seine Scharen noch einzelue Orte zur Ergebung nöthigen, gehen Boten zwischen ihm und seinen nach Wolmar geschickten Feldherren ab und zu auf keinen Fall :
sollen sie den Polubinsky, über dessen Verbleiben
bald jene Nachricht erhalten,
— wol
sie
bald diese,
lassen.
—
an dem am 28. August welchem des Magnus Leute Wolmar besetzten, von ihnen Bürgern von Wolmar gefangen genommen und nach
Dieser war indessen
Tage, an
und
entkommen
den
Wenden zu Magnus
worden. Als das dem GrossWojewoden gemeldet wurde, sandte
abgeführt
fürsten gerüchtweise durch seine
Magnus und
er Boten zu
schon
forderte,
er
solle
ihm
den Polubinsky
mit den Geldern, die derselbe bei sich gehabt, es waren vermuthlich
und ihm Gesandte entgegendas war am 30. oder 31. August.
polnische Staatsgelder, herausgeben
Magnus gehorchte;
schicken.
Polubinsky
wurde
freigelassen
und
zum Grossfürsten gebracht;
durch das Loos aber waren zwei Männer zu dem gefährlichen Aufträge bestimmt worden, ihn als Magnus’ Gesandte
der schon
aber
—
nächster
in
Nähe war, zu Henning
erzählt der Chronist
begleiten.
—
hat
zum Grossfürsten, Der Grossfürst
ihnen
eine scharfe
Lauge aufgegossen, ihnen die kokenhusensche Tragödie erzählt und König Magnus habe übel an ihm gehandelt. Zuihnen gesagt :
nächst fordert
er,
die Gelder
des Polubinsky, die demselben nach
;
Der
Fall
Wendens.
Behauptung der Gegenpartei
schon
waren, sollten
werden.
herausgegeben
407 ersetzt worden
überreichlich
Vergeblich
versuchen
Magnus
Gesandten ihren Fürsten zu entschuldigen.
die
scheint, fast
unglaublicher Weise, auch nach Rückkehr dieser Boten noch immer nicht recht an Gefahr geglaubt zu haben;
endlich wird noch einmal
Gaben und allem Geschmeide, das die Herzog Magnus dazu darboteu, an den Grossfürsten abgefertigt, um den Forderungen zu genügen und den Zorn des Furchtbaren zu besänftigen. Es war vergeblich. Hastend, ungeduldig war er von Erlaa au3 weitergezogen. Am 20. August hatte er seinen Truppen zuerst nahe von diesem Orte Stellung angewiesen, daun aber den Weitermarsch befohlen am 30. hatte er anfangs nach eiuem ziemlich kurzen Marsch sein Lager aulschlagen, es dann aber, wie es scheint, wieder abbrechen lassen und war, Schuien bei Seite lassend, weiter geeilt; mehr als je im ganzen Feldzuge war das russische Heer an diesem Tage vorgerückt*) am Abend desselben war es nur noch 10 Werst von eine
Gesandtschaft
mit
Frauen Wendens dem
;
am
seinem nächsten Ziel entfernt;
Stunden nach der Ankunft Grossfürst
dem
vor
Wenden
1
der
31. August, vielleicht nur einige
Gesandtschaft, stand
letzten
war am
es
*;
letzten
der
Tage des damals mit
September beginnenden russischen Jahres.
1.
Da
lag sie vor ihm, die einstige Residenz der Ordensmeister
Altlivlands und die jetzige Residenz seines unzuverlässigen Vasallen
Magnus.
Den am
weitesten nach N. (oder NO.) hin ragenden Theil der
Stadt bildete das starke fünfthürmige, Plateaus gelegene Schloss. (ziemlich
lichen
von
SW.
am Rande
Es hatte etwa
NO.
nach
zwei längeren parallelen und
eiues abfallenden
die Gestalt eines läng-
gerichteten)
Trapezes
mit
Die
zwei kürzeren schiefen Seiten.
ganz gradlinig verlaufende, im ganzen gegen NW. gerichtete Seite und die kürzere Ostseite waren Aussenseiten, Hinter der SüdSchloss- und Stadtmauer fieleu hier zusammen. nicht
längste,
west- und der Sudostseite des Schlosses breitete sich die Stadt aus.
Den Kern des Schlosses burg, an
drei
ihrer
Mitte derselben lag der
einen Seite
NNO.
gerichtete
bildete die quadratische
Ecken der
durch
drei
Haupt- oder Hoch-
Thürme
markirt.
Ln der
gleichfalls quadratische Burghof, der
unmittelbar
au
Aussenmauer
Immerhin mir 19 Weist,
die
stiess;
«un.it
lange (hier
an
ist ein
von
SSW.
an
nach
den drei anderen Seiten
Tagesmarsch 10—15 Werst.
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Der Fall Wendens.
408
wurde der Hot
von
den Hauptgebäuden
An
drei
anderen Seiten lag
eben diesen
geräumige Vorburg,
eine
festigt
des Schlosses
um
der Hochburg ge-
von
Hinter jener Aussenmauer des Hofes
der Hochburg ziemlich
steil,
am Abhange
mauer der Burg,
von
hier
wurde, von denen zwei
sie
drei
sich erhebende
starken
der Hochburg, der
In sieben Truppen körper zerfiel
Nordwest-
Thürmen
dritte,
aus
ziemlich weit vorspringende, der Vorburg an gehörte*
Heer:
das Terrain
nach NO. hin
Die Hauptfront des Schlosses bildete die
von der Stadt abgewendete die
fiel
zu theilweise sumpfiger Niederung ab,
noch zum Graben oder der Vertiefung, die
von der Vorburg trennte.
umringt.
Hochburg herum
die
durch zwei Thtirme be-
gleichfalls
und durch einen trockenen Graben
schieden war.
steiler
die
überragt
der
Mauer
13
das heranziehende
russische
die «eigene Heerschaar des Grossfürsten», das sog. «grosse
Namen
be-
Nachhut und
die
Corps», das «rechte und linke Flügelcorps» (die hielten, gleichviel Artillerie.
Auf
wo
sie
standen), die Vorhut,
ihren
der von Süden über Arrasch herziehenden Strasse
herankommend, zwei Werst von der Stadt, schlug der Grossfürst selbst sein Lager auf, eine Werst davon nach rechts, anderthalb Werst von der Stadt, südlich von der (nach O. ziehenden) Ronneburger Strasse (auf die sich das östliche Hauptthor von Wenden, Eine Werst das Ronneburger Thor öffnete) lag «das grosse Corps».
vom gi ossfürstlichen Hauptquartier, an der Rigaschen Strasse SW. der Stadt, vor dem stark befestigten Rigaschen Thor Wache haltend) das «rechte Flügelcorps», und wieder eine Werst weiter, jenseits der Rigaschen Strasse (vielleicht vor der am nörd-
links
(im
lichen Theile der Westseite gelegenen Catharinenpforte) eampirten
Truppen der Vorhut, endlich (den übrigen Theil der Stadt umWerst von der Stadt und Aa, und zwischen 'ihm und dem grossen Heere die Nachhut. Die beiden letzten Corps haben wir uns wol
die
schliessend) das linke Flügelcorps, eine
zwei Werst von der der
Burg gegenüber lagernd zu denken. Die Artillerie, von der über Schuien nach Wolmar beordert worden war und kam, war zunächst vielleicht noch nicht
ein Theil
gar nicht nach Wenden zur Stelle, und
wo
sie
• I)a ich hei der
dann zuerst aufzog, wissen wir
nicht,
doch
Schilderung des Schlossss und Terrains keine Gelegen
heit zu erneuter Besichtigung
Angaben beruhen auf einem
gehabt
habe, bitte
ich hier
alten Grundriss, Karten,
Theil gewordenen Mittheilungen.
um
Nachsicht.
Die
Zeichnungen und mir zu
;
Der Fall Wendens.
409
dem Schlosse gegenüber Posto
dürfte sie wol hauptsächlich
gefasst
So hatte der Feind rings die Stadt umzingelt* 0 Es mag hier, ehe die Belagerung uud Einnahme Wendens
haben.
.
kleine Episode
zählt werden, eine
Chronist Henning
berichtet,
die
Erwähnung
er-
finden, die uns der
auf das,
ein grelles Licht wirft
was damals die Herzen zu erdulden hatten, und uns aus dem Zeit ahnen lässt.
Jammer Einzelner das Elend jener unseligen Im Heere des Grossfürsten, so erzählt Adels Matronen,
so
umb Gottes
lauter
sollen werden, dass sie
gesegnen möchten.
er,
waren:
«etliche
Männer auf dem Schlosse gehabt uud sie nunmehr weggeführet nur dieselben auf ein Wort sprechen und
ihre
willen gebeten, weil
Seien also fürs Schloss geführet, da sie durch
verschlossene Pforten mit einander im beysein der Russen geredet,
und unter der Pforten ein dem andern die
Mau
segnet.
erbermlich
geweseu,
Hand gegeben und
was solcher aber
sagt, scheiden tliut wehe,
scheiden
sonderlich Ehegatten, die
für
geein
ire liebe
Kinder gehabt und nicht gewusst, wor sie gestorben oder geflogen das kann ein jedes getreues Ehegespan bey sich leicht ermessen.»
sein,
Als die Russen vor Wenden augelangt fürst sofort fordern,
Truppen
Magnus
solle
sind,
lässt der Gross-
ihm erscheinen
vor
aufnehmen.
das Schloss
in
Statt
und
seine
kommen
des Königs
noch einmal zwei Abgesandte ins russische Lager, Christo ffer Kurssei
uud Fromhold von Plettenberg; geschickt
Magnus
:
solle selbst
seiner Unterthanen fasst
aufzumachen
um mit
sie
werden ausgepeitscht uud zurück-
Auf das dringende
kommen.
Magnus
sich ein
Bitten
Herz und wagt es, sich dem Schlosse,
mit etwa 25 Begleitern reitet er aus
;
den Führern
der
zum Vorrücken beorderten Schaar zu
Sein Versuch, die Gefahr abzuwenden,
unterhandeln.
ist vergeblich,
König Magnus weiss, dass dem Feinde nicht gewachsen sind, dass die Lebensmittel auf der Burg zu längerer Verteidigung nicht aus-
sie
fordern die Uebergabe
seine
der Stadt,
Streitkräfte
reichen
;
—
augenblickliche Uebergabe
ehesten retten.
Führer, mit
Wenn
denen
er
durch
er
ihn
die
Eine Berathung mit den Bürgern,
auch nur ausserhalb der Thore, die willigt war,
am
ihm
unterhandelt, werde Leben und Eigenthum
der Einwohner geschont werden.
schliesst
konnte vielleicht noch
er die Stadt übergebe, versprechen
ihm
wird doch nicht gestattet; sich nachzugeben.
—
anfangs
und den einen Bürgermeister
schaft Wissen
und Willen, ohne dass
von
ihnen
be-
—
ent-
gedrängt, rathlos
Ein Rathsherr
sie
wird auch
steht
am Thor
ohne der Bürgernur
eine Stunde
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Der
410
Wendens.
Fall
—
Zeit erhält, Rieh auf das Schloss zu retten
Königs Magnus das Thor aufgeschlossen. die Feinde rückten ein,
Magnus war
noch nicht.
Stadt
die
auf den Befehl des
Sofort wurde es besetzt,
war
Schloss
verloren, das
umringt und Waffen werden ihm und seinen
indessen von den Feinden
nicht mehi- losgelassen worden
die
;
Begleitern abgenomraen; gegen seinen Willen, gezwungen, wird er
vor den Grossfürsten
zum
Verräther
wird
steigt
,
um Schonung erweist
So
vom Pferde
für
stehen
wo
Schlosse her,
indessen der
eine «verflogene Kugel»
schwört
wenn
Der
da
es
:
solle
gleich
es
ihn
zu
Fürst
sei.
—
haben
anderen nackend
dieser
im
flüchtig,
in
heisst ihn auf-
In diesem Augenblicke
Kampf voll
bereits
begonnen
Wuth zu Ross und
hoffen
sein?
Elend,
dürfen,
Livland
einzu-
Ich habe dich, da du aus
von
einem Ort
zu
bloss umzogest, in mein Geschlecht
und
es
Sohne
Wenden am Leben bleiben und «Du elender Tropf» — so soll
«hast
bekommen und darüber König zu deinem Vaterlande
aber
Magnus
und saust dicht am Haupte des
steigt
niemand
eiu
angeredet
fleht
Grossfürst
wie
er
ansichtig
und
steigt mit seinem
er
er sei eines grossen Königs Kind.
:
Grossfürsten vorbei”;
er
Boden
Magnus den Dolch zurück und
giebt
kommt vom hatte,
seiner
zu
gnädig,
Auch
dem
an
Magnus sich
Seinen.
grossmüthig,
keiner Weise erwarten durfte.
vom Rosse,
wie wirft
,
und die
sich
zunächst
sich
den Grossfürsten,
vor
geführt,
geworden.
er
dem
aufge-
nommeu und dir meines Bruders Tochter, der du nicht würdig bist, zum Weibe gegeben, dich reich gemacht, dir Volk, Geld und Kleider gegeben und dich in grosses Ansehen jetzt
dich
erzeigest
gegen
untreu
gebracht
deinen Wohlthäter?
;
und
du
Wolltest
du nicht deinen Herrn, dem du geschworen hast, verrathen ? oder wie? was antwortest du V Hast (du) dir nicht das Livland .
—
.
.
—
und Betrug hiutergangen unterthänig Aber Gottes Augen haben für mich gewacht und
so du mit Hinterlist
machen wollen?
Hand gegeben und dir deine Anschläge und Practiken gemacht.» Auf den Knien liegend, wird Magnus
dich in meine
zu
niehte
.
.
.
ihm über die Erde nachgeschleift, endlich entkleidet, angespien und in ein dachloses Bauernhaus gesperrt.
mit den Seinen
Während man Magnus zum Grossfürsten brachte, war die Stadt Jammers und der Verzweiflung geworden 1 *. Viel-
ein Schauplatz des leicht
als ihnen auf Magnus’ Bedem gegebenen Versprechen
haben sich die einziehenden Russen,
fehl das
Thor
geöffnet worden, zuerst,
gemäss, ruhig verhalten.
Voll Furcht suchen die Einwohner, die nicht
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ahnten, dass
Der Fall Wendens.
411
waren, sich
aufs Schloss zu retten.
preisgegeben
sie
Die Russen fordern auch hier Einlass ihn;
auch
soll,
bleibt
ein Befehl
Da
Eine der
gefeuert.
gesagt, beinahe
nicht
sich
ein
;
gerathen
die
— jetzt
—
auf
das Schloss
Reitersmann
aus
zu der
zu lassen
;
vermögen,
retten
Bürgerschaft
um
durch
schiesst
die Strassen
voll
die
dabei
ihn nicht in Feindes-
auch seinem Weibe diesen Dienst ver-
zweifelter Treue zu leisten, wird er von auderen gehindert. liegen
,
Eiudringenden den
wird vom Schlosse aus
selbst getödtet. Das war der und wenn nicht früher, so begannen jetzt In Todesangst eilen die Unglücklichen,
seinen siebenjährigen Sohn selbst nieder,
hand
Besatzung verweigert
den Magnus ertheilt haben sich
dabei abgeschossenen Kugeln hätte, wie oben
wendenschen Greuel.
Strassen
— die
den Grossfürsten
Anfang des Kampfes die
suchen
zu erzwingen, und jetzt
Einlass
die
zur Ergebung,
unbeachtet.
zertretener Leichen,
in
—
Bald
der Schnle eine
damit genug davon”. Anzahl niedergemetzelter Kinder, Mit dem Morgengrauen des 1. September begann aus drei an verschiedenen Orten aufgestellten Batterien das Bombardement auf Einige hundert von den hierdas stolze, hochgethürmte Schloss. her Geflüchteten sollen es versucht haben, durch Ergebung Gnade
Als nun die sie fanden nur qualvollen Untergang”. — Männer, Weiber und Kinder, in hellem Entsetzen das die und Bauern waren es” Luft erfüllende Wehgeschrei ihrer gemarterten Mitbürger hörten als sie aus den Fenstern der hohen Thürme sahen, was Männer
zu finden,
noch auf dem Schlosse Befindlichen
Deutsche
—
—
und Weiber erfuhren, w i e sie mishandelt wurden, da schwuren sie sich gegenseitig zu, mussten
—
getreulich auf
kommen zu
ihrem Posten ausznharren:
allen
kommenden Zeiten werde
für sie
w
i
e sie sterben
Mann
für
Mann
und ihre Nach-
es viel ehrenvoller sein
die Waffenehre zu wahren, als den Feinden in die Hände zu fallen Unter dem Feuer der Geschütze brach zunächst ein Thor zusammen, ein zweites; daun half den Belagerern Verrath, durch einen dem König Magnus früher sehr vertrauten Befehlshaber
—
wurde ihnen ein geheimer Gang gezeigt. Jetzt stürmen die Feinde werden sie zurückgeworfen, aber in die Vorburg; zwei-, dreimal zwei Thürme, deren Einnahme die sie erhalten frischen Zuzug Hauptburg in grosse Gefahr brachte, werden mit einigen Neben;
gebäuden von ihnen besetzt, und das Feuer der Batterien macht eine weitere Behauptung der Vorburg unmöglich. Als das die
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Fall Wendens.
Der
412
Verteidiger erkannten, da entzündeten sie das sorgsam vorher unter diesen
Thürmen aufgehäufte Pulver die beiden mit Feinden Thürme brechen mit der anschliessenden Mauer so weit
ge-
;
füllten
zu-
Vorburg eingedrungenen Scharen dadurch erschlagen oder verscheucht werden. So gut es ging, wurde in der Eile die innere Burg befestigt; man fühlte sich vom Verderben enger umdroht an zwei Stellen zog der Feind seine Geschütze näher heran und nahm das Bombardement von neuem auf, das bis zum 5. September Tag und Nacht fortgesetzt wurde. Die Munition, die Lebensmittel und das Wasser gingen indessen im Schloss auf die Neige’*, einmal wurden die Belagerten noch durch einen Regen erquickt, der wie ein göttliches Gnadengeschenk empfunden wurde, aber allmählich werden die Kräfte der Verteidiger durch Hunger, Durst und Anstrengung erschöpft. Einer so und der Andere sucht die Verzagenden noch aufzurichten der katholische Propst, von Suckau aus Preussen, ein Herr von Eden, der erst vor kurzem ins Land gekommen war, ein beherzter, sammen,
auch die
dass
die
in
;
—
Mann
kräftiger
er wirft
;
seinen Priesterrock
ab,
zu den
greift
—
Waffen und spricht den Zagenden Muth ein aber nur bei wenigen will es ihm gelingen. Kugel auf Kugel schlägt gegen die Mauern; glücklich die Todten Mancher drängt sich, um den Tod zu finden und nicht in die Gefangenschaft zu gerathen, an die gefährlichsten 1
gang durch
Da heit,
man vor Augen Henker des Feindes.
Nichts sieht
Stellen.
die
wird aus der Angst
mit der
geboren,
man dem Tode
zuerst
flehen die
der
in
Männer
als
den
qualvollen Unter-
und zugleich aus der Entschlossen-
ins
Seele
Auge
sieht, ein
der Frauen
rettender
Gedanke
und Jungfrauen.
Sie
an, sie nicht den drohenden Folterqualen, nicht
der Gewaltthat der Feinde preiszugeben, lieber sich mit ihnen zu-
sammen schon
doch
in
die Luft
wiederholt
davor
oder anders
—
die
—
den sicheren Tod
leicht furchtbare
keine
Gnade zu an
Todesqual über hoffen
den
sie
hatten
Ausführung gehen wollen, waren Als nun die Bedrängten vor
Verlangen, ehe die letzten Stunden
zu suchen,
Einige Männer
zu sprengen.
an
zurückgescheut.
Augen
des Lebens
glaubten, vor
abliefen
wo
bei
Gnade
bei
sie hereinbrach,
war, Vergebung und
aber
—
so
sahen, erwachte das
und
viel-
Menschen dem Gott
dessen Hichterstuhl
sie
zn
Gemeinsam Abendmahl empfangen lebend
stehen erwarteten, vielleicht noch ehe die Sonne sank. wollte
man noch einmal das
heilige
;
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Der Fall Wendens. und sterbend wollte man sich mochte geschehen, was ihm die sie
413
Hand
Gottes
befehlen, dann
gefiel.
Die Vorbereitungen werden getroffen und alles wird bereitet, Frauen legen «ihren besten Zierrath und Geschmeide an» oder schmücken sich noch einmal zu einem heiligen Feste
—
—
zum Tode die
in seines
—
?
da
—
Versammelten
Trost fehlen
Wein.
Bestürzung und Trauer erfasst
sollte ihnen in der letzten
Die Prediger hielten ihnen
!
Augustin vor: so erzählt
fehlt der
und du
«Glaube,
Henning
—
«es
ein
Noth auch dieser
Wort
des
heiligen
—
«Aber»
hast es genossen.»
hatte der liebe, getreue Gott, der uns
Vermögen und der rechte NotliWeise so gefügt, dass die Kammerdiener des Sachen kramten von ungefähr nnd dort, wo kein lebendiger Mensch im Hause es ahnte, ein Fass voll schönen guten Weines gefunden und es den Pastoren zugestellt.» Neben oder doch nicht weit von dem grossen Meistersaal des nicht versuchen lässt Uber unser helfer
ist,
es wunderbarer
Königs Magnus,
—
als sie unter seinen
Wänden
Schlosses, von dessen
die
Bilder all der Herrmeister, die
über das Land gewaltet, herabblickten, fenstern
da
man hinausschauen konnte auf
draussen,
lag.
Schlosskapelle des
Feindes
;
wie
hier
an
die
aus
hohen Bogen-
dessen
die Stadt
und die Feinde
vermuthen
einige Nachrichten
konnte jetzt, während draussen Mauern des Schlosses schlugen,
lassen, die die
Kugeln
die
heilige
Handlung nach dem Brauch der Kirche vollzogen werden an den Erwachsenen, unter diesen etwa 300 dem Tode Geweihten. Sie wussten, es war ihr letztes Abendmahl auf Erden. Gewiss waren die Herzen vieler in dem Gedanken an eine Barmherzigkeit, die allen Erdenjammer überragt, stiller und fester geworden; der muthige Gedanke der Frauen findet jetzt Anklang sie wurden ;
eins mit einander
und sich selbst
in
und auch die Prediger stimmten
versuchen, sich zu retten. sie sich
zu, das Schloss
Einzelne
die Luft zu sprengen.
Die Nacht brach
ein,
wollten noch
an Stricken Hessen
von den Mauern hinab, auf Händen und Füssen versuchten der Versuch mislang,
sie
durch das russische Lager zu schleichen
sie
kehrten zurück und wurden wieder aufs Schloss gezogen.
Als es zur That
Vorhaben
ging, haben
nicht einverstanden
;
sich noch einige, die mit
waren, in
den
bei der
dem
Sprengung
—
es Räumen des Schlosses verborgen. Wieder begannen die Feinde, während die Kanonen war am fünften Tage Gelang der Sturm, so war es zu spät donnerten, zu stürmen. jetzt also jetzt war es Zeit zu sterben.
ungefährdeten
—
—
—
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Der Fall Wendens.
414
Unter dem Gewölbe der Scblosskapelle” hatte man vier Fass Pulver aufgehäuft und so geschüttet, dass es vom Kapellenfenster aus mit einem langen Luntenstabe erreicht werden konnte.
Hierher,
kurzem mit einander das Abendmahl empfangen, eilen zum Sterben Entschlossenen, um dem Tode entgegen zu gehen. Mit dem Feuer in der Hand tritt Heinrich Boismann unter sie, Hanptmann in Magnus’ Diensten, ein Mann, »der seit den Jahren, da mau einen Beruf für das Leben wählt, nur den
wo
nun
sie vor
die
Krieg gesehen und ihm gelebt hatte»
um
nieder und
die Brust;
an
einmal
er wirft sich auf die
;
Die Ehegatten
her die anderen Alle.
ihn
Knie fassen
den Händen, die Mütter drückeu die Säuglinge noch
einander bei
verharren
so
Boismann
sich Heinrich
sie
im Gebet.
Jetzt beugt
aus dem Fenster und legt das Feuer an.
— die Kapelle
zusammen und begräbt
Das Pulver
lodert auf
unter ihren
Trümmern Männer, Frauen und Kinder.
bricht
Heinrich Boismann selbst war aus dem Fenster des Schlosses hinausgeschleudert worden
Russen ihn im Grase Grossfürsten
;
aber
vor weiterer Qual.
;
er
liegen
kaum war er
lebte
noch, als die herbeieilenden
fanden.
Sie schleppten ihn vor den
dort angelangt, so rettete ihn der
Seine Leiche
liess
Tod
der Grossfürst auf einen Pfahl
Zwei Andere waren wunderbar beim Zusammenbrechen des Thurines gerettet wie Petrus aus dem Kerker und Daniel aus der Löwengrube, sagt der alte Chronist; mit höchster Gefahr krochen sie bei Nacht durch das Lager der Russen, mehrmals streiften sie die Kleider der schlafenden Feinde, des Tages steckten sie bis zum Halse in einem Sumpf aber sie kamen glücklich hindurch. Und sie, die alles auf dem Schlosse angesehen und sich stecken.
—
—
selbst mit
haben
die darüber
in die
berichten
auf dem Schloss zu
gesunken
Luft sprengen wollen
konnten
und
berichtet
—
sie sind es auch,
haben, was damals
Wenden geschehen und wie
es
in
Trümmer
ist 2 *.
Nicht nur diese zwei glücklich Entronnenen, auch eine Anzahl
— diejenigen,
Anderer
—
die sich bei der Explosion verborgen hatten
war von den niederstürzenden Steinen
Ein
den übrigen Nachrichten
nicht erschlagen worden.
entgegengesetzter Bericht 18 erzählt,
dass sich in einem Theile des Schlosses noch viele Leute befunden hätten, die mit Schrecken gesehen und gehört,
geschah
;
was vor ihren Augen
zu ihnen, heisst es dort, trat ein Prediger
Sünde
ihnen
als
Gottes
Namen
vor,
tragen,
selbst
den Tod
zu suchen
was ihnen auferlegt würde.
:
und sie
hielt es
sollten in
Das von ihnen
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Der Fall Wendens.
415
Ob
Verlangte war schwerer als zu sterben.
sie der
Mahnung zu
sie zu keinem Entschluss kamen, ist uns Sprengung unterblieb lebend fielen sie oder der Feinde. Der Grossfürst liess später den Prediger vor sich kommen, redete ihn zuerst hart an, lobte ihn dann aber, dass er von der Sprengung abgerathen und schenkte denjenigen, die mit ihm in demselben Raume ergriffen worden und auf seine Mahnung gehört hatten, zunächst das Leben sie wurden nach Moskau geführt, wo sie ein Jahr später mit anderen zusammen umgebracht sein mögen*. Die letzten im Schlosse Befindlichen setzen den Todeskampf
folgen
ob
beschlossen,
nicht überliefert
ergaben
die
;
;
Hand
sie sich in die
;
auch jetzt noch
So
gut
es
An
fort.
gehen
—
des Schlosses
mehreren Stellen
und
will
sucht der kleine Rest der
noch
sich
zu
brennen die Gebäude.
ermatteten
die
Kämpfer
—
wol
in
verteidigen.
Kräfte
zulassen,
es
Räumen
den unteren
Als aber die Feinde
Gräben ziehen, um an diese unteren Räume und an die Fundamente heranzukommen, da legen die letzten Streiter Minen unter das Fundament der innersten Schlossmauer, entzünden sie und sprengen sich selbst mit den anstürmenden Feinden und den schanzenden Landleuten brechen ein
die Luft.
in
—
Jetzt
finden
sie
ist
und
der
Zugang noch
ergreifen
Feinde
offen, die
sieben todesmatte,
unbewehrte, durch Flammen und Steine verwundete, von Trümmern halb verschüttete Männer.
Noch etwa zwei Tage stand der Grossfürst vor Wenden er häufte, ehe
er abzog, noch
Jammer und Qualen auf
—
seine un-
glücklichen Opfer.
Als stei'ben,
der Gefangenen
ein Theil
da
hatten
einige «ehrbare
um
hinausgeführt wurde,
zu
gefangene Frauen» den Muth,
an diese Unglücklichen, die der gereizte Feind m>t seinem ganzen
Grimm
treffen
*
Oderbom
und ihnen
wollte, heranzutreten
:
Vita .Toannis
Basilidis
1585
erzählt,
einen Labetrunk anschliessend
an die
Wenden, von einem Nachspiel, das sie ein Jahr später in Moskau Gefangenen ans Oberpahlen, Kokenhnsen und Wenden. Namentlich berichtet er von dem heldenrafltliigen Sterben einiger unter diesen Opfern befindlicher Mädchen deutschen Geblütes,
knapper Zusammenstellung
Hilfsquellen hin.
erwählt,
anzuweisen sein
Frage haudele, welche Mittel
die
gemacht werden
geistliche Amt. herbeizuschaflen
In
neue Pfarren herzustellen, nicht,
viel
oder
vollständige Pfarren
Dingen
allen
wie
auf Geld
Wartestellen oder
Commission
jährliche Beisteuer
eine
der Ritterschaft aufzusetzen hat.
von Seiten
Ebenso melden sich auf Schultz’
Aufforderung sogleich zwei Pastoren, Meyer von Jewe und Haller
von Keinis, die
bereit
sind,
ohne Ersatz
auf
die
Einnahmen zu
verzichten, welche sie bisher aus den von ihren Kirchspielen abzu-
Schon auf der nächsten Synode
sondernden Theilen tezogen haben.
von 1867 kann Schultz über die Thätigkeit einer aus Gliedern der Ritterschaft und der Geistlichkeit zusammengesetzten «Commission
zur Theilung als
ersten
der Pfarren
in
Estland» Mittheilungen machen, die
thatsächlichen Erfolg
Abtrennung des Kirchspiels
die
Emmast von Dagö-Keinis aufzuweisen 1
Vgl. fünf Jahre
«Bnlt. MonatÄselirift»,
später, 1872, die
Bd. 21, S. 50—53,
hat
1 .
Estland ische Correspondenz» in der die,
zuin
Kirehenwescn
übergehend,
Digitized by
Google
450
Dr.
Ich
tlieol.
Woldemar
erster Pastor von
als
Schultz.
Emmast
welcher hin-
weiss, mit
gehenden unermüdlichen Thätigkeit Schultz damals
alle,
auch die mit
mancherlei Unangenehmem verbundenen Schritte zur bestmöglichen
Dotirung der neuen Pfarre gethan, mit welcher Festigkeit er alle zukünftigen Rechte des neuen Pastors sicherzustellen gesucht hat. Ich
habe
mit wie
damals
einen
Ernste
tiefem
superintendentenamt
bleibenden
Schultz
Eindruck
seine
ihm
auferlegteu Pflichten
das
Geueral-
mit
welchem
er denselben gerecht zu werden
tliatkräftigen Eifer
empfangen,
davon
durch
auffasste,
bestrebt war.
der Schultzschen Amtsführung
Lassen sich die ersten Jahre
als Zeiten äusseren Friedens kennzeichnen, so
gab es doch dabei während dieser Periode innerlich manchen tiefgehenden Kampf. Principielle Fragen von der allergrössesten Tragweite sind in dieser Zeit auf der Synode erörtert worden. Ich führe als von besonders einschneidender Bedeutung nur an die Ehescheidungsfrage, in der sich eine strengere und eine mildere Richtung gegenüberstanden, ferner verschiedene auf Abänderung der bestehenden Beichtpraxis hinzielende Vorschläge, und besonders die Verhandlungen über :
Kirchenzucht, ziehen.
die sich durch acht Jahre, 1809 —77, hindurchMit ihnen verbunden waren Anträge auf Abschaffung des
staatlichen Confirmations- und
genommen,
schliesslich
Abendmahlszwanges,
die,
wenn
an-
zur vollständigen Treunung von Staat und
Kirche hätten führen müssen.
Gerade
in dieser Zeit, in der sich die Diseussion oft
Messerscheide
der
auf der
schärfsten sachlichen Gegensätze bewegte
und
immer entschieden Stellung nahm, trat auch das eigentlich Bedeutende in Schultz’ Persönlichkeit immer leuchtender Weil er durch unermiidet geübte Selbstzucht immer zu Tage. mehr die Kraft der Selbstbeherrschung gewann, darum gelang es ihm, die oft durch die verworrensten Widersprüche erschwerte Lage Jene angeführten, immer an der Grenze eines zu beherrschen. in der
Schultz
schwerwiegenden
geführten
Conflictes
synodalen
hätten nimmermehr so gewinnbringend auf
die
Besprechungen
Bahn des Friedens
zurückgelenkt werden können, wenn nicht Schultz’ inassvolle Festig-
danials mit Hecht sagen kennte Mit der Wahrung der äusseren Ehre uuil Rechte unserer Kirche, mit der Wahrung ihres ausseren Bestandes haben wir es, :
ja (iott Lob und Dank nicht zu thnn ; Hin so mehr kann die ganze Kraft auf die innere Stärkung, auf den Ausbau der estländischen
wie die Verhältnisse liegen, Kirche verwandt werden
!
1»
Digitized by
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Woldemar
Dr. theol.
Wir
keit über ihnen gewaltet hütte.
wie
schwer diese Mässigung
bei
451
Schultz.
dürfen dabei nicht vergessen,
seiner zu schroffem, rücksichts-
losem Verfahren angelegten Natur errungen sein mochte. es gerade
Mir
ist
im Hinblicke auf diese Naturanlage immer bewunderns-
werth erschienen, mit welcher Geduld, mit welcher Schonung Schultz
während der angeführten Verhandlungen, wenn auch nicht dem objectiven Standpunkte, so doch den Motiven der Gegner alle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen bestrebt war. Es ist der Sache unstreitig nur forderlich gewesen,
dass Schultz
so
sich
ernstlich
bemühte, auch den prineipiellen Gegnern gegenüber sich die persönliche
Achtung und warme Herzensstellung zu bewahren. Ueberhaupt sind
sachlich
Schultz
oft
mir
aus dieser Zeit her,
gegeniibergestaudeu
bin,
in der ich
die
selbst
Vorzüge
der
zum Bewusstkonnte man mit Recht
Schultzschen Weise, die Synode zu leiten, erst recht
Nach der
sein gelangt.
an derselben manches
formellen Seite hin
vermissen.
Schultz
übte nicht
jene straffe
parlamentarische Zucht, wie sie vielen erwünscht erscheinen musste.
Er übte sie nicht, weil er, wie bemerkt worden ist, selbst sich zu sehr und zu persönlich an der Discussion betheiligte. Aber auch hier lässt der Schatten
wannen
die
auf das Licht
schliessen.
Inhaltlich
ge-
Verhandlungen dadurch, dass der Generalsuperintendent
abwägende Präses
der kühl
nicht lediglich als
über ihnen stand,
sondern sich auch mit seinem gauzen Interesse
in
Dadurch wirkte er belebend und doch zugleich
massigem! auf die
Debatten
Und wie
ein.
ihnen
bewegte.
nun, je ernster die Zeiten wurden, wie
um
mehr das in der ersten Zeit durch den Trieb zu thatkräftigem Handeln zurückgedrängte warme treue Herz unseres verstorbenen Generalsuperintenten sich geltend machte, wie um so mehr nach innen hin in die synodalen Berathungen aus diesem Herzen ein so
erquickender Friedenshauch ich allein
davon habe gewiss nicht
ausströmte,
den wohlthuendsten Eindruck empfangen.
etwa beginnen mit der juugestnisch-revolutionären Erhebung die Wogen um das Schiff unserer Kirche immer höher zu gehen. Zu den nationalen Umtrieben tritt dann nicht Seit 1871
lange darauf die geistliche
Es
spricht
für
ein
Bewegung und
gesundes Wachsen
endlich die Gonversion.
und Heraureifen
der
be-
deutenden Persönlichkeit Schultz’, dass je mehr er äusserlich in den
Kampf
gestellt war,
je
mehr
sein mit
dem Leben der Kirche und
der baltischen Heimat eng verwachsenes Leben von herbem Schmerze
und bitterem
Wehe durchzogen
wurde,
um
so
mehr
sich in seinem
Digitized
by
Google
452
Dr.
ganzen Wesen
Weil
spiegelte.
tlieol.
Adel
der
wo
sein,
haftes Auftreten von
Woldemur
Schultz.
gewonnener
Ruhe
es galt, entschiedenes, muthiges,
mann-
besonnener
Gott
in
durch den inneren Frieden geweihten
dieser
darum
Besonnenheit getragen war.
hat
es
seinen Eindruck nicht
verfehlt.
Immer mehr
trat
jetzt
an Schultz
gegen
seine eigentliche
Natur das Streben hervor, Menschen anderer Richtung, ganzen Strömungen, die seinem eigenen Sein entgegengesetzt waren, doch gerecht zu werden. Selbst in Bezug auf die jungestnische Agitagezeigt. In voller Anerkennung an der Hebung ihres Volksthums zu bemüht gewesen, mit den besseren Elementen innerhalb dieser Bewegung Fühlung zu gewinnen, sie zu gesunder Mitarbeit an dem Ausbau unserer Kirche, wie überhaupt unseres provinziellen Lebens heranzuziehen. Diese seine Bemühungen sind freilich bis zuletzt vergeblich geblieben. Aber ein unparteiisches Urtheil wird ihm die Anerkennung nicht versagen können, dass er auch hier mit Hintansetzung dessen, was ihm persönlich tion hat Schultz
dieses Streben
des Rechtes auch der Esten,
arbeiten, ist er stets
sympathisch war, das Beste gewollt hat.
Ebenso
hat
Schultz
der
geistlichen
Bewegung
gegenüber
gegen die confessionell gerichtete Art seines tilaubenslebens doch das,
was
er für den guten
Kern
in
jener Erregung
krankhaften Hülle herauszuschälen gesucht. in
aus der
hielt,
Ja noch mehr,
er hat
mancherlei Weise jene doch immerhin sectirerischen Bestrebungen
zu stützen und zu schützen gesucht.
nach
wol
noch
Hier
ist er
mancher Anderer Lieberzeugung
nach meiner und in seiner
venz, in seinem Bestreben, das Gute, das Christliche
znerkennen,
wo
es
in
gänzlich
Conni-
auch da an-
unserer lutherisch-biblischen An-
schauung widersprechender Gestalt auftrat, zu weit gegangen. Im Bisherigen ist Schultz' Wirksamkeit mehr nach ihrer öffentlichen bedeutsamen Seite hin geschildert worden.
im privaten Verkehre gab,
das
zu beobachten,
Wie
ist allen
er sich
Pastoren
mehr oder weniger Gelegenheit geboten gewesen. Zur Zeit der Synode war es ihm ein Bedürfnis und eine Freude, die Amtsbrüder Jeder von uns bei sich in seinem Hanse als Gäste zu sehen. Pastoren weiss, welch ein liebenswürdiger Wirth er da war und wie er in hohem Grade die Gabe besass, in zwangloser Unterhaltung das Gespräch immer auf wichtige Fragen nicht nur aus kirchlichem, sondern
aus jeglichem
geistigen Gebiete
zu
lenken.
Bei der Gastfreiheit, die Schultz im edelsten und besten Sinne des
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Dr. theol.
Wortes
übte,
schaftliche
war
es
ihm
Woldemar
um
nie
453
Schultz.
eine blos oberflächliche gesell-
Berührung mit seinen Gästen zu thun. Namentlich die wie er den Wunsch hegte, zu
Pastoren mussten es ihm abfühlen,
Zeigte
ihnen allen in ein nahes persönliches Verhältnis zu treten. sich das nicht
immer nach aussen
konnte
hin,
scheinen, als ob Schultz auch im geselligen
hervorkehre
Generalsuperintendenten
ziehungen zu ihm gestanden
—
,
der hat
hat,
es
wol bisweilen
Umgänge zu wer
in
sehr den
intimeren
Be-
es erfahren, wie fremd
Prunken war, wie er gerade durch seine oft rührende Demuth die Herzen gewinnen konnte. Die städtischen Amtsbrüder werden sich dessen erinnern, mit welcher ungekünstelten Beschämung Schultz uns, als wir zur Lutherfeier auf dem Markte von Reval versammelt waren, die Mittheilung machte, dass ihn die theologische Facultät in Dorpat zum Doctor der Theologie ernannt habe. Je mehr Schultz sich fast bedrückt fühlte von dieser, wie er es aussprach, ihm unverdient zu Theil gewordenen Ehre, um so mehr mussten wir alle Hattet! wir doch der ihm gewordenen Anerkennung uns freuen. dabei alle das Bewusstsein, dass sie ihm wegen seiner ganzen im Grunde seinem schlichten Sinne
einschneidend
Wohl
bedeutungsvollen weitreichenden Thiitigkeit
für
das
unserer Kirche voll und wohl verdient gezollt wurde.
Wie wahrhaft die er den
ihm
gross Schultz
seine Stellung,
untergebenen Pastoren
das offenbarte sich da besonders,
Noth, Bedrängnis
oder
wo
Abwehr
er da,
alles äussere
es die
in
wo
seine Aufgabe,
gegenüber hatte,
auft'asste,
er einen der Brüder in äusserer
innerer Anfechtung
wusste.
Wie
hat
ungerechtfertigter äusserer Angriffe galt,
mit der hingehendsten Selbstaufopferung, mit dem unerschrockensten
Muthe, mit Einsetzung
ganzen Persönlichkeit Alles
seiner
wahr-
genommen, was wahrzunehmen war. Aber wie hat er auch da, wo es im Leben der Pastoren innere Noth gab, diese Noth mitgefühlt als seine eigene, wie hat
er mitgelitten, mitgekämpft, mit-
gebetet.
Und jegliche
Noth der Pastoren, er hat für Noth innerhalb der Gemeinden in Stadt und Land ein gehabt, das nimmer rastete in unerer hat nicht nur für die
brennend mitfühlendes Herz
müdetem Liebesthun. Präses er war, die er
Waisenhaus
,
das
Die Wohlthätigkeitsanstalten Revals, deren
zum Theile mitbegründet
Frauenstift
,
die
kirchliche
hat
:
das
Armenpflege
Dom,
die
Diakonissenanstalt, die Blindenschule, der evangelische Verein mit seinen Zweigvereineu (Herberge zur Heimat, Asyl für Obdachlose,
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»
454
Di\
Arbeitswerkstätte Missionsschule), sie
Woldemar
tlieol.
Männer,
für
Schultz.
am
kennzeichnete Gabe zu organisiren, schnell die
machen,
Wege
erkennen,
zu
zum
besten
Ziele
ausfindig
richtigen Mittel
die
entschlossene Weise
die
von Schultz’
In ihr trat jene seine schon ge-
grossartiger Liebeswirksamkeit.
führenden
ab
legen beredtes Zeugnis
alle
Wiesingerseite
Jünglingsverein,
zu
Hand auzulegen ans Werk, im
glänzendsten Lichte zu Tage.
Ein Blick
ausgebreitete Liebesthätigkeit.
weit
diese
in
an
der Schultz nicht nur obenhin, sondern mit Einsetzung aller Kräfte
war,
betheiligt
uns
lehrt
Er
und
voll
erstaunliche
die
Mannes würdigen, dessen Hingang wir
Leistungsfähigkeit des betrauern.
ganz
erst
hätte das alles, was
alle
er als Generalsuperintendent,
Vicepräsident des Consistoriums, als Pastor der Domgemeinde, als Leiter
Wohlthätigkeitsanstalten
der
können, wenn
er
Arbeiter, als
Pastoren
durch
Grundsätze
dass
geleitet,
er
Diesem Grundsätze
sich
zu
ist
wo
seine letzten Jahre hinein,
leisten
Auch
Mann konnte
gestählter
ganzes Lebeu
Sein
dienen.
seine Bequemlichkeit Rücksicht
Herrn.
uicht
hat,
ihm bewundert haben.
die Arbeit
zum Muster
geleistet
ungewöhnliche Energie im Arbeiten
nicht jene
bewiesen hätte, die wir alle an
nicht
als
er allen
war von dem
zu schonen, niemals auf
nehmen
habe
im Dienste des
mit eherner Festigkeit bis in
er
schon die Krankheit an seiner
bis-
her unerschütterlichen Gesundheit zehrte, treu geblieben. Schultz ging dabei
mit
seinen Interessen keineswegs in der
Er hatte einen aufgeschlossenen Sinn
Berufsarbeit auf.
Schöne und Grosse konnte,
nahm
er
für alles
Wissenschaft und Kunst, für alle Vorgänge
in
auf geistigem Gebiete, für alles menschlich Erhebende.
auch
hier
an
allen
So
viel er
Bestrebungen Theil, suchte
fördernd auf sie einzuwirken.
«Er war
Mann, nehmt Alles nur in Allem. Mühe, sein Bild, das ich mit schwacher habe, uns zu vergegenwärtigen. Es
ein
Es lohnt wohl
Hand
die
zu zeichnen versucht
wäre Unrecht, wenn wir an einmüthig zum Danke dass
er
schenkt.
uns
diesen
Denn was
verleiht, ist, dass
sie
einfältig, fest, kindlich
des
Glaubens an
diesem Orte
gegen Gott
die
seiner als
uns
stimmen
Mann geschenkt
hat.
nicht noch einmal
lassen wollten dafür,
Gott hat ihn uns ge-
Wirksamkeit ihren bleibenden Werth hervorgewachsen ist aus einem
Frucht
auf dem Boden des Glaubens unserer Kirche, rechtfertigende
Gnade Gottes
in
Christus
ruhenden Herzen.
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Dr. theol.
«Dank’
nicht,»
das
Woldemar
freilich
die
letzten
Schultz an mich auf seinem Sterbelager richtete. fügte er hinzu, «nur
meine Sünde und
455
Schultz.
waren
will
Worte,
die
«Ich sehe jetzt,»
nirgendwo anders
hin-
blicken, als auf Christus, den Sünderheiland.»
Hat
er
uns
auch
das Danken
wehren wollen
und
in
dem
Sinne, wie er dies im Angesichte des Todes aussprach, es versiegelt,
dass
sein
Wirken
im Leben der
rechten,
einzig
lebenskräftigen
Wurzel entsprossen war, Gott wehrt uns das Danken im Hinblicke zweifellos nicht. So sei denn auch an
auf diesen seinen Knecht dieser Stelle unser
Dank
Gott, so sei er in Gott unserem theuren
dem muthigen dem festen, ehrlichen, weiten Herzen, der uns und unserer Kirche, der dem geistlichen und geistigen Leben der gesammten Wir aber, die baltischen Lande zu so reichem Segen gewesen ist. entschlafenen Generalsuperintendenten ausgesprochen,
Mann
mit
wir ihm zunächst gestanden sind, wir wollen insbesondere ein treues
Gedenken
an
diesen Lehrer bewahren, wir wollen
sein
Ende
an-
schanen, seinem Glauben nachfolgeu. F.
Luthe r.
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/•
Der Naturalismus
der modernen Literatur.
in
a
wie der bildenden ls eine Hauptaufgabe der Dichtkunst, Kunst, bat von jeher die Naturnachahmung gegolten, d. h. nachahmende Darstellung der Wirklichkeit. Während aber bei jeder anderen Art der Naturnachahmung das Abbild weit hinter die
seinem
Urbilde
wenigstens
zurtickbleibt,
das menschliche Gemüth,
in
seiner
Wirkung auf
der künstlerischen das Gegentheil
ist bei
wäre unerklärlich, wenn die künstlerische Darstellung weiter nichts wäre als Nachahmung. In der That ist sie mehr als das. Selbst da, wo sie auf alles Uebernatürliche verzichtet und nur die natürliche Wirklichkeit darzustellen sucht, ist sie eine selbständige Schöpfung des Menschengeistes, aus einem geistigen Bedürfnis hervorgegangen und zur Befriedigung eines Dies
der Fall.
solchen bestimmt.
Welches
ist
aber dies Bedürfnis
aber findet ein
grosser Theil
?
—
Die hergebrachte Ant-
Schönheit.
wort lautet: das Bedürfnis nach
In unseren Tagen
der Kunst- und Literaturwelt diese
Kunst auch Hässliches darstelle und dadurch nicht minder starke Wirkungen hervorbringe, als durch Antwort unzureichend, da
die Darstellung
die
Das
des Schönen.
Hässliche, wie
der künstlerischen Darstellung wirke aber es auf keit
des
tiefste
nach
Wahrheit beruhe,
mehr
dargestellten Gegenstandes
und
letzte
Wahrheit
welchem
d. h. je
in
Daseinsgrund
anderer Weise
in
so
entspreche.
aller
zu suchen, also
um
das Schöne
stärker, je
in
mehr
es der natürlichen Wirklich-
Daher sei der im Bedürfnis
echten Kunst
demselben geistigen Bedürfnis,
auch die Wissenschaft zu dienen sich
bestrebt.
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Der Naturalismus
in
der modernen Literatur.
457
Die Kunstrichtung, welche dieser letzteren Ansicht entspricht,
etwa
ist erst
dem Jahre 1870 zu
seit
fortgeschritten
;
aber
sie
ihren äussersten Consequenzen
hat bereits lange vorher bestanden.
Namen.
führt in verschiedenen Ländern verschiedene
land und Russland wird sie meist
Sie
In Deutsch-
Realismus» genannt,
genannt hatte, fand bald ein an
Grössenwahn offenbar schwer leidender Forscher, dass diese
Art im Hinblick auf seiue «Grösse» nur « Otus minor » betitelt Zwei farbenblinde Ornithologen erwerden könne und müsse. achteten es für dringend geboten, zur grösseren Ehre der Wahrheit dem Waldkauz neun charakterisirende lateinische Namen zu octroyiren, und siehe! der graugelbliche Waldkauz wurde Strix alba und Strix rufa benamset, etwa mit gleichem Rechte, wie ein witziger Pferdebesitzer sein weisses Ross «Othello» nannte. Ein
—
deutscher Patriot beanspruchte für den
den
Namen Bubo
Uhu den
örtlich begrenzen-
germanicus, während ein Europafreund ihn Bubo
europaeus betitelte,
und ein Dritter, Sibirienfahrer,
Sibiriens hinstellte
ein
beehrte
ihn
mit
;
Vierter, vermuthlich
der Anrede:
Bubo
Fünfter ihn als Strix lurcomana vorführte sprüche
,
Beschränktheit
und
ein
—
Neuerungssucht
ähnlichen Unsinn massenhaft zu
Tage
ihn als
alter
septentrionulis,
Bubo
Norweger,
während' ein
kurz überall Wider,
die
solchen
uud
förderten.
Das neueste Vogel Verzeichnis für Deutschland führte 12 Enlenarten in 10 Sippen vor, Russow brachte 12 in den Ostseeprovinzen
Digifeed by
C^fjgle
543
Oie baltischen Raubvögel.
gefundene Arten unter 9 Sippennamen, Cuvier stellte 7 Unterfamilien
Arten unter 4 Gruppennamen, ein Anderer Bald schob man die
auf, Friedrich placirte 14
schuf
5,
wieder jemand nur 3 Sippen &c. &c.
Habichtseule
den Kreis der Tageulen,
in
daun verbannte man
man
zu den Nachtkäuzen, schliesslich verurtheilte haft, rückte sie nach
um
vorn,
la queue
Der verlängerten Ohrfedern halber schuf man
stellen.
sie
zur Einzel-
sie
morgen wieder ä
sie
zu
die Familie
der Ohreulen, obgleich dieselben sonst durchaus nichts Gemeinschaftliches oder von den übrigen
man
schloss
Eulen Abweichendes besassen.
die Sumpfohreule
aus,
Darauf
um
darnach den Uhu,
zuletzt
jede einzelne eine Sondersippe repräsentiren zu lassen, nachdem die
Sumpfohreule mit der Waldohreule einen kurzen Bund erlebt hatte. Die Sumpfohreule wurde als Ulula sogar den Käuzen zugeschoben 70
was
Alles,
die zahlreichen,
Reval.
in
einheimischen Archiven an ge-
unseren
entbehrt für eine
hörigen Schreiben der Stände darüber enthalten,
nach Ton und Inhalt jeder
bemerkenswerthen Abweichung von dem Cardinalsatze «Treue beiden Theilen», bis die Entscheidung für Karl von Südermanland als unabwendbare von Jahren
Reihe
Thatsache vorlag und damit die Zeit der politischen Gewissensnoth ein
Ende nahm. Das Werden der Dinge,
welche
zu
solcher
führten, vollzieht sich ja bekanntlich in den Reichen
Polen, sowie in
dem
geringeren Tlieile
dazu
gehörigen Livland,
Entscheidung Schweden und
und nur zum weit
dem damaligen Estland.
in
Während aber in in der Schwebe dem Kampfe hervor-
wechselndem Waffenglücke es ja noch recht lange
wer von den Fürsten
blieb,
als Sieger
ans
gehen werde, und namentlich
für Livland und auf livländisehem Boden Jahre lang hin- und herschwankte, neigte sich ja für Estnachdem der Widerstand Finnlands gebrochen war, schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts die Waage immer deutlicher zu Gunsten Karls.
land,
Den
übte
grössten Einfluss
darauf die Persönlichkeit dieses
Fürsten und seine wiederholte Anwesenheit
in
Reval.
Was
wollten
Sigismunds, des fern vom Schauplätze der Begebenheiten weilenden Polenkönigs, von Natur schon schwache und durch polnisch-clericale Einflüsse noch
mehr geschwächte Geistes- und Charaktereigenschaften
gegen die Einsicht und Thatkraft Karls von Südermanland besagen Dieser durch und durch
ein
Mann von
schriften
jener Zeit bezichtigen ihn ja
!
und Schmäh-
eiserner Willenskraft
von nöthigenfalls vor rücksichtslosem Eingreifen
(die vielen
geradezu des Blutdurstes!)
nicht zurückschreckender Energie und jener
—
ein Spielball seiner
Umgebung. Die Persönlichkeit Karls und Geschicke Estlands
in die
sind
es
nun,
welche
Urkundenmaterials
Grund
lege ich das
nannten Momente.
Karls Anwesenheit
man um
ich
unmittelbares Eingreifen
während seiner Anwesenheit an
der
vorzuführen
Hand
die
bisher
Absicht
nicht
habe.
in
Reval
bekannten Nicht
ohne
Hauptgewicht auf das erste der von mir gehaben sielt während
Die Geschicke Estlands in
dessentwillen
Reval
nicht
so wesentlich verändert,
die betreffenden
ziehen sich veranlasst sehen könnte. lichkeit des
sein
ist
es die Persön-
hochbedeutenden Regenten Schwedens und seine
sche Anschauungsweise, deren Bild
aus
dass
Archivstücke ans Licht zu
Wohl aber dem
politi-
neuen Materiale um
Digitized
byJjiQUjiji
Karl IX. nicht
Zwar
besitzen
wir
den
in
f>7L
zahlreichen,
an
es
portraitirung dieses Fürsten aus eigener Feder
verspricht.
zeitgenössischen
vielfach
zumal
,
werden
zu
reicher
Denkwürdigkeiten
und
Nachrichten
Reval.
in
Züge
unwesentliche
einige
einer
Selbst-
nicht mangelt, ein
Hauptzüge des unvergesslichen Mannes recht Aber abgesehen davon, dass die Erdeutlich hervortreten lässt. gänzung dieser Züge um einige weitere immerhin denkenswerth ist, welches
Bild,
die
bleibt doch noch ein
Zug
zu der Inländischen Provinz,
Tage
fremd
fern gelegen, dass sie sich
nicht
erst in zweite Reihe
geblieben
tritt,
ein-
Behandlung
oder
haben
ihnen so
des baltischen Landes stehen
Was
in
der Geschichte Schwedens
steht für die Geschichte unseres
Landes
.
schen Stadtarchive an. «
zu Estland,
1
Das IJrkundenmaterial, dessen
:
es
veranlasst gesehen haben, näher
Wir Bewohner
einzugehen.
selbstverständlich anders dazu.
trägt
Wie
traten, sind den schwedischen Histori-
kern zum grössten Theile
in erster
aber
insonderheit
die Charaktereigenschaften, welche bei der
dieser Beziehungen zu
sie
den Untersuchungen
so wiederholt sichs hier bei
ist,
Die Beziehungen, welche beide Regenten Schwedens
seinem Vater.
auf
in
schmerzlich _ vermissen.
ihnen bei Gustav Adolph gegangen
nahmen und
wir
übrig, den
schwedischer Geschichtsschreiber
Reval
In
dem
reval-
einem Conyolute, welches die Aufschrift
im Contlicte
Herzog von Südermanland»
ich erwähnt, gehört
zwischen König Sigismund befindet
sich
neben
und dem
zahlreichen Con-
cepten und Abschriften, die insgesammt einer Correspondenz zwischen
den genannten Fürsten und der Ritterschaft und Stadt innerhalb eines schon erwähnten Zeitraumes angehören, ein besonderes Actenstück
,
das
halb
einen
protokollarischen
erstere Eigenschaft
Die
Charakter trägt.
werden, weil es entschieden
halb
,
muss
hat.
Für eine Art Tagebuch oder Diarium muss
weil
für
Zeit
dieselbe
rechtlichen Inhalts
—
und
von der Form damaliger Protokolle
die
zu
Zwecke gedient
ich es
eingebundene Protokolle
existiren
tagebuchartigen
ihm beigemessen
amtlichen
einem
—
aber halten,
meist
sehr
abweicht.
Wer
Verfasser des Diariums gewesen, vermag ich nicht zu sagen. es ein Glied '
Ueber
des Raths die
gewesen,
privat-
ganze Darstellungsweise
unterliegt
der
Dass
keinem Zweifel, und
Unkenntnis der schwedischen Historiker,
so weit es sich
am
Livland handelt, vgl. den Eingang des Aufsatzes des Verf. «Heimische Conflicte
mit (Instar Adolph»
Heft
in
-Beitrage znr Kunde Est-, Liv- und Kurlands. Bd. III,
l.»
Digitized by
Google
572
Karl IX.
meine Vermuthung, gewesen, hat
den
bez.
übrigen
dass
den Umstand für
Reval.
in
damalige Vicesyndicus Herbers
der
es
dass
sieh,
obschon er
er sich,
in
gewesen ist und die immer namentlich anführt, seinen
eine Hauptperson
Verhandlungen
betheiligten Personen
—
Namen neben dem Amte, das er bekleidet, stets verschweigt. Auf 10 Foliobogen in zwei gehefteten Fascikeln folgen sich für 9. August 1000 bis zum 10. Juni 1601 die Auf-
den Zeitraum vom
Leider reichen
zeichnungen streng chronologisch.
Anwesenheit Karls bis in den
in
obschon die
sie,
Reval über das letztgenannte Datnm hinaus
Spätherbst des Jahres 1001 gedauert hat, nicht so weit
und brechen sogar in einem unvollendet gebliebenen Satze ab. Die schriftliche oder mündliche Verwerthung des in dem beregten Archivstücke gebotenen Materials für Hörer oder Leser der Jetztzeit findet darin
dass
der Schreiber
eine
des
kaum zu überwindende
Diariums
Vertreter mit Karl, welche
zum
Schwierigkeit,
Verhandlungen
die
allergrössten Theil
von Dialogen stattgefunden haben, diese
mit den Eingangsworten: «Der und der sagte» resp.
Form
aber
welches in
wird allerdings durch das Interesse,
liegt,
ausdrücklich
dessen
Form
«der und der
welches der Inhalt bietet, reichlich wieder gut gemacht.
musste
der
Weise, meist
Das Unschmackhafte,
antwortete» wiedergegeben hat. dieser stereotypen
ständischer in
in stereotypster
Immerhin
Erwähnung geschehen, um von
Hause aus den Leser auf das, was kommen wird, vorzubereiten. Eine Gruppirung des Stoffes anders als nach Zeiträumen erAber selbst diese ist kaum etwas mehr, weist sich als unthunlich. als
ein
da
dürftiger Nothbehelf,
kürzere Zeiträume
Kalenderjahre 1600 und 1601,
auf welche
Karls in Reval vertheilt, nicht
am
1
Das Diarium beginnt mit des Empfanges Karls in Reval.
Der Herzog
sich
die
als
die der
Anwesenheit
Platze sein möchten.
6 0 0
.
Ankunft und August 1600 statt'.
einer Schilderung der
Sie fand
am
9.
verlegte ja in diesem Jahre, nachdem er den finnländi-
schen Aufstand unter Claes Flemming glücklich gedämpft und der letzte Reichstag
von Linköping ihn statt des abgesetzten Sigismund hatte, den offenen Kampf gegen Letzteren nach
zum Könige erwählt Est- und Livland.
1
Darin stimmt
An «las
der Spitze
eines Heeres
Diarium mit ITjärn
(cf.
von 9000 Mann
Xapierskys Ausgabe S. 382
überein.
Digitized
Karl IX.
573
in Reval.
Begleitung seiner Familie landete er
uml
in
aus
mit
glücklichem Erfolge Krieg
anfangs
Reval,
in
um von
hier
gegen seinen Neffen
zu führen.
Eine zahlreiche Flotte ankerte Rhede.
Zuerst
dem
und
er
Karl
verliess
an
9.
August auf der hiesigen
Gefolge
liehst
das Orlogschiff,
von Schweden gemacht Sieben Kanonenschüsse
vom «hohen Zwinger» und von Süstermvall verkündeten der
Die
Stadt.
Stadtknechte
vom Schlagbaume
(städtische
Brücke an
der
auf
die Ueberfalirt
der Hafenbrücke.
die Seinigen
hatten und landete
am
bis
solches
Miethtruppen) bildeten
zur
grossen
Strandpforte
der Bürgermeister Hans Korfmacher Nun ging es durch die LangDomberg hinauf bis zum Schlosse, auf
Hier empfing ihn
Spalier.
an der Spitze einer Rathsdeputation. strasse
und
langen
den
welcher Strecke zuerst die Bürger der Stadt
uml
wohlstaffirt
«
in
guter Ordnung» unter ihren vier Quartierfahneu aufgestellt waren,
im Anschlüsse an auf diesem
—
merkt
aber die schwedischen Knechte.
sie
—
Wege
wie
auf dem Schlosse
ist
ausdrücklich
unser Berichterstatter
gegrüsst
häufig
Haupt
und sein
entblösst.
langen Gasse war allenthalben Gras gestreut.»
Karl hat «In
be-
der
Bei seiner Ankunft
wieder ein Salut «aus zwei groben und scharf
geladenen Stücken» abgefeuert und
ist dies
in gleicher
den Schiffen auf der Rhede beantwortet worden.
Weise von
Der Bericht
lässt
nun die Namen der fürstlichen Personen folgen, welche den Herzogwie es scheint, auch zu Fuss durch die Stadt bis Regenten
—
zum Schlosse
begleiteten. Es waren dies: « Herzog Johann, König Johanns Sohn, ungefähr 12 Jahre alt, Herzog Gustav Adolph, Herzog Karls Sohn 6 Jahr alt. Die Fürstinnen Frau Christina, Tochter weilandt Herzogs Adolphs aus Holstein und Christina, die Tochter des Landgrafen Philipp aus Hessen; Fräulein Catharina, :
F. D. älteste Tochter von der Pfalzgräfin geboren', Fräulein Elisa-
beth Margaretha, Tochter weilant Herzog Christophs voii Meklen-
und dessen
burg
Frau
Elisabeth,
Gustav Wasas
Tochter,
und
Fräulein Maria, F. D. und der Fürstin Christina jüngste Tochter».
—
—
—
im Tagebuche weiter «verleihe, dass die Ankunft solcher hohen und hiebevor niemalen
in
«Gott der Allmächtige»
Livland
gewesenen,
Unterthanen Nutz
n.
I.
heisst
fürstlichen
es
Personen
zu Gottes Ehr’, der
F. D. selbst zu einem unsterblichen
Ilhum
gereichen möge.» Kurl» erste Gemahlin war Maria, Torliter de» Kurfürsten Ludwig VI von der Pfalz. Von ti Kindern au» dieser Ehe blieb nur Katharina am Leben. 1
Digitized by
Google
574
Karl IX.
Am
Reval.
in
—
nachdem auf den Schiffen eine August wurde Predigt gehalten worden die gesammte Kriegsmacht an Fussvolk und Reiterei (deren Starke auch Hjärn und Kelch auf 9000 10.
—
Mann angeben) Der Fürst begab
ausgeschifft sich
um und dann
und
ausserhalb
der Stadt
einlogirt.
an diesem Tage auf eine Fasswanderung zu-
Er besuchte bei dieser Gelegenheit die Olaikirche und probirte auf dem alten Markte «bei den Wasserhähnen« das Trinkwasser. Am 12. August fand seitens der Stadt die Uebergabe der üblichen Geschenke auf dem Schlosse statt. Sie bestanden in 1 Bode (?) Alicante, l Pipe Canarien- und ö'/a Ahmen Rhein-Wein, ferner 2 Last Revalschein Bier, 2 Lasten gutem Hafer und 0 guten, gemästeten Ochsen. Alle diese Gaben waren «auf dem Platze des Hauses« aufgestellt und wurden dem Fürsten und seiner Gemahlin Namens des Raths vom Vice-Syndicus und dem Rathsherrn Rhabe übergeben. Der Fürstin hat diese Darbringung besonders deshalb bemerkt der Chronist weil sie nach «deutschem Gegefallen Am Vormittage desselben Tages hatte brauche» geschehen war. nächst
durch die Stadt.
1
—
—
—
sich der Kriegsobrist Carl Carlsohn’
Fürsten
grossen» Ochsen,
rührte,
des Fürsten herausstellte, von
frage her,
für den die Stadt (50
Das Geschenk
überreichen.
die Erlaubnis
bestehend
besonderes Geschenk,
ein
in
Thaler
:
«das
Müller die fettesten Schweine, hätten.
Sprichwort
die Glosse:
zu
«Also hat dieser
sei
zu
der lachend
wahr,
dass
die
Ochsen Der Tagebuchschreiber Schreiber mehr Schimpf
die Schreiber
Das machten des Bauern Säcke!»
macht dazu
dem
hatte,
wie sich auf deslallsige Andem Schlossschreiber Nielsen
und veranlasste diese Auskunft den Fürsten
vorgebrachten Bemerkung
erbeten,
einem «herrlich-
geboten
die fettesten
Ehr mit seiner Verehrung eingelegt.» Noch an demselben Nachmittag nahmen die Verhandlungen zwischen dem Fürsten und der Stadt in den schwebenden Landesund Communalangelegenbeiten ihren Anfang. Der Bürgermeister Johann Holthusen (Holzhausen), die Rathsherren Johann Korfals
macher und Joh. Balemann, sowie der Vicesyndicus Beruh. Herbers begaben sich zu dem Ende aufs Schloss und zum Fürsten. In 1
Da» Amt
gekommen und
eine» Vicesyndicus
nicht
war unter der schwedischen Regierung
dauernd besetzt.
Im Jahre 1000
bekleidete
diese»
auf-
Amt
Bernhard Herber» (Bnuge, Rev. Rathslinien. S. 07). ’ Carl Carhudm (iyllenhjelm (des Regenten natürlicher Sühn) wnr im Jahre 1000 Feldoherster.
Digitized by
GijogJi
Karl IX. dessen
575
Reval.
in
Schlaf kammer» entboten, bewillkommneten sie ihn zunächst
«
—
mit einer «ehrfurchtsvollen» Begrüssungsansprache. eröffnete
Der Fürst
das Gespräch mit der Anfrage, wie der Rath sich zu dein
von ihm, dem Fürsten,
intercessionsweise für einen gewissen Der-
freien Geleite gestellt habe Derselbe habe Abo an einem revalschen Bürger «vergriffen» und sei ihm dem Fusse gefolgt. Gewähre man ihm nicht das freie
beantragten
felden sich in
hierher auf Geleite, so
habe.
Die
gern
bereit
einzulegen,
wenn
sprache
für
dass
Mann
den
sie
compromittirt, da er
einigermassen
der Fürst,
sei er,
ihm Aussicht dazu gemacht klären ihm darauf,
städtischen Vertreter er-
beim Rathe Für-
seien,
um
sich nicht
es
einen
Derfelden handle, der in Finnland den Sohn des verstorbenen Bürgermeisters Sandstede
erstochen
Ermordeten schon um
«
da
hätte,
Blutsverwandten
die
Bestrickung» des Mörders gebeten
des
hätten.
Sandstede habe in der letzten Muscowitischen Belagerung zu grosse Verdienste
um Reval
gehabt',
nicht
—
als
Um
dieser Bitte versagen konnte.
erwidert ihnen der Fürst
dass
der Rath die
—
um
sondern
eine Person, die
den revalschen Bürger Victor Rhuten umgebracht habe. fügte er hinzu,
man
man
sei
hier
in
Gewährung
diesen Derfelden handele es sich
Uebrigens,
einem Irrthume befangen, wenn
Das
glaubte, Derfelden habe Sandstede getödtet.
sei
gar nicht
Muthe
der Fall, sondern Derfelden habe Letzteren nur im trunkenen «ins dicke Beinfleisch»
gestochen.
—
Nach
dieser Zurechtstellung
wird dem Fürsten das erbetene freie Geleite sofort zugesagt.
Bevor wir es
der
den
weiteren Verhandlungen
vorausgehenden Bemerkung,
dass
die
rachgehen, sich
stets
bedarf wieder-
holende Initiative der städtischen Vertreter in diesen Verhandlungen
und ihre dabei erfolgende Bezugnahme auf bereits früher erörterte Materien darin ihren Grund hat. dass im der Stadt mit
dem
fürstlichen
Wege
des Schriftwechsels
Regenten manche der jetzt mündlich
behandelten Fragen schon früher formulirt worden waren. Schriftwechsel
zum Theil
ist
in
dem
hiesigen Stadtarchive
und mag dieser Umstand
mehr vorhanden,
Dieser nicht
Erklärung dafür dienen, dass wir uns bei manchen der folgenden Verhandlungen in mediis rebus befinden werden, ohne den Anfang und mit ihm den ganzen Umfang
und
die
Motive der
als
beiderseitigen Ausführungen
genau zu kennen. Per Bürgermeister Sandstede
'
begleitete
1569
den
Syndieus
Bellingshausen bei dessen Unterhandlungen mit Taube und Krause nach borg.
Küssows Chronik Mntiatflftfhrifl.
Conrad
Wesen
S. 78. 11*1.
XXXV,
lieft 7.
JJ9
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Karl IX.
570
Zu
in
Reval.
diesen Gegenständen gehört in erster Stelle das Anverlangen
zu weisen.
Es war
Fremden aus Reval
alle
der schwedischen Regierung,
dieses
Anverlangen vom Statthalter
worden, und wurde jetzt vom Rathe
aus-
gestellt
auf das Missliche desselben
Eine solche Massregel werde die Stadt nicht
aufmerksam gemacht.
nur zu «allen benachbarten Potentaten» in ein unfreundliches Ver-
Karl führte
Handel schädigen.
hältnis bringen, sondern auch den
dagegen aus: Das Fremden verbot werde besonders deshalb begehrt, Und «dass die Muscoviter von hinnen möchten geschafft werden. damit
dieselben
so habe
um
nicht
sich
sie
abzuschaffen
Fremden mehr vermeinend
keine Nation von
damit
Beschuldigung
eine
kümmern möchten.
allerlei
Zuvörderst,
Ausflüchte zu bedienen beflissen
daraus
Von dem Verbote getroffen werde,
allein
alle Fremde
insgemein
er
ihm
möchten
nicht
machen, dass diese Nation
Sachen weil
Ankunft
Muscoviter
um
doch
den Muscoviter,
bei seiner
die
wären,
als
gebeten,
be-
aller
sich
der Bestätigung
des
Erbfriedens zu entgehen, vorgebend, König Sigismund habe solchen
Das
Frieden nicht bekreuzküsset.
habe
Man
hinderung
aber
sie
also
sei
Sigismund gewesen.
—
nicht bei
—
die
Der König
jedoch erlogen.
sei
zu dem Zwecke
seinen Gesandten
habe
Grenze
nach Moskau passiren
dem Muscoviter und
geschickt
Die Be-
lassen.
König Ebenmüssig seien auch seine -— des Fürsten beim
nicht
Gesandten auf der Grenze aufgehalten worden, unter dem Vor-
geben, dass
Narva
zuerst
dem Muscoviter einzuräumen
sei,
noch die Legaten des Fürsten (Boris Godunow) angelangt. aber das Verbot die Lübecker
da
und Blei
zugeführt
sie
so hätten sie
bevor
Wenn
es selbst ver-
dem Erbvertrage zuwider dem Muscoviter Pulver
schuldet,
Gefahr haben,
trelle,
da
Uebrigens könne das Verbot keine ihrem Lande gebräuchlich sei, dass «wenn eine Aufrüstung vorhanden sei». Delegirten die Bitte vor, es möchte unter
hätten. es
auch
in
die Strasse geschlossen würde,
Weiter bringen die den
neu angelangten Kriegsknechten die
forderliche Mannszucht
gehalten
Klagen der Einwohner über Zerstörung
ihres
gewaltigung ihrer Person seien eingegangen. in
der
Nähe der Stadt
werden.
er-
Zahlreiche
Eigenthums und VerNamentlich seien die
befindlichen Gärten nicht sicher vor ihnen,
wobei zum Schaden der Gesundheit das unreife Obst gepflückt und
Gern wolle der Rath für die nöthige Zufuhr von Lebensmitteln sorgen, wenn nur die Uebergriffe der Soldaten damit aufhörten. Der Fürst sucht nun die Beschwerdeführer damit zu verzehrt werde.
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Qloßgj
Karl IX.
Reval.
in
577
beschwichtigen, dass er ihnen eröffnet, wie er schon
her «umblasen
und
keiner Gewalt
thun
»ein
Liebhaber
bei
Trommel habe ausrufen
der
«bei seinem Höchsten».
solle,
von Gärten
sei»,
so
am Tage
vor-
lassen», dass
Und
weil er
wolle er es nochmalen ver-
und «so jemand dessen beschuldigt und überzeugt werde», wollte er sie so strafen lassen, dass Andere daran denken sollten, ja er wollte sie hängen lassen. Aehnlicheu Inhalts war bieten
die
lassen,
Bitte der Delegirten
um Schutz
der
Spitalgüter,
«dass
möchten verwüstet, geplündert und verheert werden». «Er wäre mit seinem Volke nicht anher gekommen» erwiderte der Fürst «einem Menschen das Seine zu nehmen. Auch hätten sie ihre Nothdurft mitgebracht. Deswegen wolle er nicht allein die Seeken, sondern auch alle anderen Güter vor grausamer Beraubung schützen und vertreten. Es werde deshalb ein strenges sie nicht
—
—
Mamlat
ergehen.»
Allerder Unbilde und dem Schaden, welche der
Stadt aus der herübergeführten Heeresmacht erwachse schliesslich die Delegirten
—
verlegt
werde.
Nothdurft
dafür
in ein
Rath und Bürgerschaft erboten zu leisten».
—
meinten
werde am einfachsten dadurch vorge-
beugt werden können, dass die Kriegsmacht
—
Feldlager
sich
dazu, «alle
«E. E. R.,» erwiderte der Fürst,
Tage Geduld tragen, sintemal er selbst gern sähe, dass seine Kriegsmacht in ein Feldlager gebracht werde. Aber es wäre noch hochbedenklich, wohin er sie wenden sollte, ob nach des Muscoviters oder nach Polens Seite. Denn beide würden also einen Muth bekommen, wenn er sich auf des einen oder des anderen Seite mit seiner Kriegsmacht wendeu würde.» Mit dem 29. August beginnen Verhandlungen, welche die Angelegenheit, um die es Karl besonders zu thun war und die schon längere Zeit Gegenstand schriftlichen Meinungsaustausches zwischen dem Herzog und unseren Ständen gewesen war, in den Vorder«solle noch 8 oder 14
grund treten Hessen.
Bevor wir zu ihnen übergehen, dürfte ein kurzer Blick auf und militärische Lage am Platze sein. Der Waffenkampf zwischen Sigismund und Karl war auf vaterländischem Boden zu Ende. Die Macht Sigismunds in seinem die damalige politische
vaterläudischeu Reiche
war,
wie Geijer
es
bezeugt, «bis auf den
Namen» gebrochen, der
finnische Aufstand unterdrückt und die Häupter der Königspartei durch Henkersbeil gefallen. Karl selbst aber war, nachdem Sigismunds unmündiger Sohn Wladislaw binnen der von den Reichsständen auberaumten Frist von 6 Monaten nicht 39 *
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578
Karl IX.
Reval.
in
nach Schweden übergesiedelt war, durch den Stockholmer Reichstagsbeschluss vom 20. Juli 1599 erwählter und wenn auch noch nicht doch thatsächlicher König
gekrönter, so
erfolge und Accorde
von Schweden.
von der Ostgrenze
der
Waffen-
des finnischen Meer-
busens unter dem Obersten Peter Stolpe ^eran rückenden Heeresmacht
Punkt nach dem anderen, vor allem Narva, und Hapsal in Karls sich selbst mit seinem Heere nach aus nach Westen und Süden gegen Reval eingeschifft, die polnischen Heerlmufen und eventuell, wenn Boris Godunow den hatten einen
festen
aber Wesenberg, Weissenstein, Lode
dann
Hände
Nun hatte er um von hier
gebracht.
Frieden brechen sollte, gegen Osten zu operiren.
Doch wollte Karl offenbar nicht früher beginnen,
die Kriegszüge von Reval aus ihm gelungen, seine unbedingte,
als bis es
d. h.
dem Linküpingschen Erbvertrage
der
estländischen Ritterschaft
Wie
geuiässe
Anerkennung
und der Stadt Reval
war schon
seitens
zu
erwirkt
dem Jahre 1597 das schriftliche Drängen Karls auf dieses Ziel gerichtet gewesen. Aber Weder alle diese Versuche hatten bisher keinen Erfolg gehabt. haben.
schon erwähnt,
die harrisch-wirsche Ritterschaft
noch
seit
die Stadt hatteu sich
entschlossen können, Sigismund den Gehorsam aufzukündigen.
am
haben gesehen, dass eine zwischen den Ständen
geschlossene Vereinbarung sie dazu verpflichtete, nur
zu handeln, und eine weitere Vereinbarung setzte einen Ausschuss
kein Schritt in alle Briefe
der Stände
fest,
vom
12.
dazu
Wir 1597
gemeinsam
September 1599
ohne dessen Gutheissung
Streite Karls contra Sigismund geschehen, ja
von Karl nur
werden
öffnet
dem
25. Juni
in
Karl
sollten.
Gegenwart von Ausschussgliedern gehatte zuletzt von Sandhamn aus in
einem vom 21. October 1599 datirten Schreiben an den Rath diesen tcategorke > aufgefordert, sich zu erklären.
dasselbe ruft
am
8.
November noch ganz
in
Letzterer beantwortete
dem früheren Sinne und sie es mit dem
dadurch die fürstliche Drohung hervor: «wenn
Papste
halten
werde er
wollten,
sie als
Abtrünnige behandeln».
Der Rath beharrt auf seinem früheren Standpunkte und Karl kommt darauf im August IGOO nach Estland, ohne dass die verlangte Er-
klärung erfolgt
war.
hätten sich damals
tung Richters 1
1
1
—
Die Angabe Geyers',
sogleich für Karl erklärt,
der sich
dabei
Reval
und Estland
sowie die Behaup-
auf Kelch und Hiärn stützt
—
Oeijer, Btl. II, S. 320. Rii
liter.
Gm-bichte
* MittheUungen ans dem Gebiete der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands.
fass 146 L.
Bd. VII, S.
69—155
u.
Bd. VIII (Nachträge) S. 422.
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Karl
IX
iu
597
Reval.
Letzterer war ja bekanntlich ein Vetter des berühmten Erbstatt.halters
Nachdem
der
Niederlande,
der
des
von
Prinzen Moritz
Oranien.
dem
niederländischen Kriegstheater als Feld-
ersten
explodirenden Geschosse und Verfasser
er sich auf
herr, Erfinder
des ersten Exercierreglements schon einen bedeutenden Namen gemacht, verlor er seine erste Gemahlin, die Mutter von 10 Kindern,
und suchte nun, um
diesen
Sein Blick
ausser Landes.
polnischen Krieg gerichtet.
Schmerz zn betäuben, eine Wirksamkeit war auf Livland und den schwedischDort standen
sich ja dieselben religiösen
Interessen schroff gegenüber, für welche Johann in den Niederlanden seine Kriegstüchtigkeit erprobt
hatte.
E'ür
die schwedische, d. h.
protestantische wider die polnische oder katholische Sache ins Feld
zu ziehen, erschien ihm als eine des weiteren Lebens werthe Aufgabe. Nachdem er sich von seinen pfälzischen Verwandten Empfehlungsbriefe an den mit
manland
dem Curhause verschwägerten Herzog von Süderschiffte er sich in Travemünde ein und langte
verschafft,
am 12. Juli hier an. Hier traf er aber Karl, der sich zum Heere nach Pernau begeben hatte, nicht an und Gegen bestimmte Bedingungen, zu denen
dahin.
inzwischen folgte
ihm
die Einführung
neuer, in den Niederlanden bewährter Waffen, einer neuen Heeres-
—
eintheilung und neuer tactischer Regeln gehörten
Karl den Oberbefehl der Truppen, jedoch nur auf
übergab
die
ihm
vom Grafen Wie be-
beanspruchte capitulationsmässige Zeit von drei Monaten. kannt, bewährte sich diese Kriegsführung
Düna
befand.
Karl begab sich nach Reval, wo sich seine Familie
Johann, unmuthig über das fehlgeschlagene Ende der Cam-
pagne, traf auch
bald
sich gebunden hatte,
land
anfangs vortrefflich die
aufwärts bis ins littauische Gebiet, bis im Herbste der Rück-
schlag eintrat.
zurück
wolle.
um
darauf hier war,
ein.
erklärte
Da
er,
Das gab aber Karl
die Zeit, für die er
dass er nach Deutschiu
keinem Falle
zu.
Seinem inständigen Ueberreden gelang es, den Grafen noch für Monate zu fesseln. Es galt ja dem unter Fahrensbach von Süden her auf Fellin und Weissenstein anrückenden Heere die
drei
Spitze zu bieten und nur der gerade in Reval anweseude Feldherr
war
es,
diese
Es fehlte sofort übernehmen konnte. dem Allemöthigsten, an Geld zur Ablöhuung
der diese Aufgabe
ihm dazu zwar an der Truppen
und an Proviant, aber Karl
gelang
es,
auch über
hinwegzukommeu. Für drei Tage Proviant zwar auf und 1000 schwedische Thaler nicht unwahr-
Schwierigkeit
trieb er
scheinlich dieselben,
—
welche
er
im Sommer
von den Schildtschen
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598
Karl IX.
Erben einkassirt hatte
—
Graf Johann
denn auch bereit
liess sich
in
Reval.
besass er noch; die gab er denn hin und finden, mit diesen geringen
Mitteln ausgerüstet, sich sofort ins Feldlager im südöstlichen Liv-
Trotz
land zu begeben.
weit überlegener Streitkräfte
behauptete
Es Ruhe gebot war das schreckliche Pest-, Hunger- und Kältejahr, das den ganzen Norden heimsuchte, die Zeit, von der unsere Chronisten uud nament-
er hier das Feld, bis der früh eintretende Winter
lich
Textor berichten, es seien damals
in
Liv- uud Estland binnen
6 Wochen 40,000 Menschen erfroren oder vor Hunger umgekommen. beschäftigen, verdient neben Otto Sjögren, auf dessen
bedeutsame Publication über den livländischen Theil des nordischen Krieges
auch
in
dieser Zeitschrift
aufmerksam gemacht wurde,
bereits
Agathon Hammarskjöld
werden,
ein
Kriege die
Nachkomme Insel
Oelaud
in
Stockholm genannt
jenes Hammarskjöld, verteidigte.
Von
zu
der im nordischen
seineu Arbeiten
auf
diesem Gebiet darf der in einem schwedischen illustrirten Kalender das Jahr 1887, genannt
für
c
Pil.stjcman > (der Polarstern), unter
obigem Titel erschienene Essay über Erich Dahlberg, der sich auf Dahlbergs Briefsammlung stützt, auch bei uns auf Interesse rechnen, c Erinnerungsbild» dieses bedeutenden Mannes uns die Tage Gedächtnis ruft, in denen wir vor bald 200 Jahren vor dem Ausgange der Schwedenherrschaft und damit dem Beginn der russiSieht man von einigen Stilhärten und der schen Aera standen.
da ein ins
eines Berechtigungsnachweises als
noch
harrenden
Unterstellung
ab,
wenn das mit Schweden durch Personalunion' verbundene Liv-
land eo ipso denselben Reductionsmassregeln rechtmässig habe unter-
worfen werden dürfen, so wird man an dem kleinen Cabiuetporträt, das
Hammarskjöld von seinem berühmten 1
Wir habe»
schein öfter
Landsmann
entwirft,
gegen diese Bezeichnung Einspruch erhöhen, die
durchaus ein schiele» Bild vom staatsrechtlichen Verhältnisse Livlands und Estlands statt,
zu Schweden Bondern
Real
giebt.
Es fand weder Personalunion, noch Incorporation
Union.
Die K e d.
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Erich Dahlberg
in
603
Livland.
Gefallen finden und der seinen Forschungen entstammenden Schilde-
rung der sächsischen Kriegsoperationen und der schwedischen Verund Gegenzüge im Anfänge des nordischen um so grösserer Theilnahme folgen können, je mehr
teidigungsanstalten
Krieges mit
Irrthitmer und Ungenauigkeiteu der bislang geltenden Richterschen
—
Darstellung man zurecht gestellt sehen wird. Mit Bewilligung des geehrten Verfassers folgt hiermit eine getreue Uebersetzung,
welche den kleinen Artikel von seiner Unzugänglichkeit in einem abseits liegenden Kalender befreit und nur den Anfang ein wenig
zu kürzen sich erlaubt. «Zu Weihnachten im Jahr 1695 war Graf .
plötzlich in Riga verschieden.
scher Generalgouverneur
Das Misverguügen mit und
sich
aber
ganz
kein schwedi-
doch so gehasst worden, wie er
.
.
.
über die Reduction und die Umwälzungen, die sie
war auch sehr
brachte,
die Provinzen
man
ist
J. J. Hastfer
Seine Feinde haben wahrscheinlich
seine Fehler und Schwächen sehr übertrieben,
mit
gross.
Um
es zu besänftigen
der schwedischen Herrschaft auszusöhneu,
Mannes von ganz anderem Schlage. Und Livdem neuen Gouverneur Erich Dahlberg, welcher der grösste von allen damals lebenden Schweden und neben Axel Oxenstjerua der grösste während der ganzen Epoche war, In Vaterlandsliebe, Herzensdie män unsere Grossmachtszeit nennt
bedurfte
land
eines
erhielt ihn in
1
.
adel, Tiefe des Geistes
Männer
und Vielseitigkeit sind diese beiden grossen
Für den Abkömmling «des alten nordischen Königsadels> jedoch hatten das Glück und die Verhältnisse früh viel Vorsorge getroffen, was sie für den nichtadeligen Sohn eines Landkämmeriers nicht tlmn konnten, von welchem bei seiner Geburt in dem kleinen Hause der Franciscanergasse seine Eltern einander
gleich.
sich niemals träumen lassen konnten, dass er der bedeutendste und
hervorragendste Typus des jungen Adels werden werde, den se ne ;
Zeit hervorgebracht.
Für eine Persönlichkeit mit Erich Dahlbergs Begabung lag ein grosses Hindernis in dem Umstande, dass Schweden ein armes und abseits liegendes Land war. Mitten in Europa geboren, wäre Er war neben er wol schon zu Lebzeiten weltberühmt geworden. Coehoorn und Vauban der grösste Ingenieurgeneral seiner Zeit. Die Erstgenannten erlangten die höchste Anerkennung schon während ihres Lebens. Erst etwa 100 Jahre nach Dahlbergs Tode wurde 1
So n Gnatw Adolf etwa
nnageHelilossen
werden?
Der
Uel>erHet.*er.
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;
.
604
Erich Dahlberg in Livland.
sein Genie als Festungserbauer erkannt; denn damals sein System das seiner beiden Zeitgenossen. Er
hatte die schönste
Anlage
das zeigt seine tSuecia antiqua
et
gross in unserer Kunstgeschichte, er es hätte werden können. hinterlassen hat, zeigen,
verdrängte
ein grosser Künstler zu
Sein
hodiema*'. aber
lange
Name
nicht
werden ist
zwar
so gross, als
Die Briefe und Schriften, welche er
dass
er die
politischen Ereignisse seiner
Zeit als ein grosser Staatsmann autfasste,
aber er
erhielt niemals
Gewiss hätte er Ryswick werden können, denn Karl XI., welcher von Europas kriegführenden Mächten zum Vermittler ernannt wurde, wollte Dahlberg als seinen Ge-
einen derartigen Eiuttuss,
wie
er ihn verdiente.
«der ehrliche Makler» des Friedenscongresses
in
sandten auf den Gougress senden, aber der 73jährige
Mann
lehnte
den ehrenvollen Auftrag ab.
Auch
als administrative
Kraft war Dalilberg einer der Grössten
seiner Zeit. Hierfür zeugen seine
und noch mehr
Wirksamkeit
als
Generalgouverneur
die Vorschläge, welche er als solcher der
Als Militär
machte.
dürfte
er
Regierung
kaum unter jemanden
gestellt
Das hat er sowol im Kriegsgetümmel als in den Unternehmungen gezeigt, deren Seele er gewesen. Er war der eigentwerden.
liche
Eroberer der wichtigen Festung Fredriksudd,
Gustav Wrangel
war
die
Ehre und
obgleich Karl
Belohnung dafür
die
Er
erhielt.
Worten zufolge, nächst Gott das schwedische Heer gegen den König vou Dänemark über den Belt geführt hat, was den nützlichsten und ehrenvollsten Es Frieden, den Schweden jemals geschlossen, zur Folge hatte. war wiederum Dahlberg, welcher beim Beginn des zweiten dänischen Krieges Karl Gustav den Rath gab, Kopenhagen, dessen Festungswerke er von Grund aus kannte, sofort zu stürmen. Er erbot sich auch, «über Gräben und Wälle nach Kopenhagen mit Wagen und Pferden zu fahren und somit diejenigen anzuführeu, welche stürmen welcher, seines königlichen Herrn eigenen
es,
sollten
»
Hätte der König seinem Rath Folge gegeben, er würde Dänesich selbst und seinem Volke viel Unglück erspart haben. Als darauf erst nach mehreren Monaten der Sturm unternommen werden sollte, rietli Dahlberg von demaber seinem Rathe folgte man selben ab, weil es nun zu spät war
mark über den Haufen geworfen und
;
•
Ebenso
die grösstentheils
dorfs Geschichte Kurl Gustavs.
von ihm herriihrcndcn Kupferstiche
in
Rufen-
Die Red.
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605
Erich Dahlberg in Livland.
und die Folge
jetzt eben so wenig,
war wieder
L'nglückstag
ein
für Schweden. Dagegen war die Eroberung der Festung Kronborg Dahlbergs Verdienst, sowie die Anlage des Lagers, welches Kopenhagen so vollständig von der Landseite einschloss. Zur Belohnung für diese Dienste erhielt er blos den Adelt Sein königein Obristlieutenantpatent und ein Gut in Schonen. licher Freund hatte ihm weit mehr gelobt, aber er kam niemals erfüllen. Erst 14 Jahre darnach wurde Dahlberg Obrist und Generalquartiermeister, wie man damals das
dazu, diese Gelöbnisse zu
Haupt des Befestigungswesens nannte. An dem glücklichen Ausgang von Karls XI schonischein Feldzug hat Dahlberg gleich grossen Antheil, wie ein jeder andere, aber das ward damals nicht anerkannt. Er war es eben, der die Marschordnungen ersah und
aufsetzte, der die beiden Syllings-Lager bei
wodurch
befestigte,
gefährlicher Plan, mit
Viskan aus-
des Dänenkönigs für Schweden so
dem Heere
des norwegischen Statthalters sich
zu vereinigen, vereitelt wurde, ebenso die Lager, welche Christianstad umschlossen und die Dänen am Entsatz dieser Festung hinderten. In der Schlacht bei Halmstad sah man Dahlberg lichsten
Dass
Handgemenge an des Königs
in dieser
wurde,
ist
in
dem
So auch
Seite.
bei
fürchter-
Lun d.
Schlacht der Sieg den Händen der Dänen entrissen
zu einem guten Theil Dahlbergs Werk.
Obgleich er also fast gleich viel zur Erhaltung der Landschaft Schonen beigetragen hat, wie früher zu deren Eroberung, ward er dennoch nicht befördert, was um so merkwürdiger ist, als Hastfer, Christoph Gyllenstjerna, Lichton und Otto Vellingk «die Treppe hinaufgestossen wurden >. Es macht einen eben so betrübenden wie komischen Eindruck, wenn man den 41jährigen königlichen Rath, Generalgouverneur und Grafen Hastfer noch 1687 an den König schreiben sieht über den 63jährigen «Oberst Dahlberg», der schon
über den Belt zog,
als
Hastfer noch ein lljäliriger Knabe war.
Aber im selben Jahre begann Leben.
ein neuer
Zeitraum
Seine Beförderungen folgten einander
scher Schnelligkeit.
Er
hatte
nun auch
die
in
Dahlbergs
nun mit exemplaribeste
Empfehlung,
haben kann, nämlich dass man ihn brauchte. Schwedens Befestigungen sollten in Ordnung gebracht werden, und wer konnte wol hierin mit ihm wetteifern ? Im Jahre 1687 ward er Generalmajor der Infanterie und Freiherr. In den folgenden 6 Jahren wurde er ernannt zum Generalfeldzeugmeister, königl. Rath, Grafen,
welche ein Mensch
Feldmarschall und Generalgouverneur von Bremen und Verden.
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606
Erich Dahlberg in Livland.
Am
25. Dec.
Am
storben.
16.
1695 war Hastfer,
Januar 1696
Am
selben
fers
Nachfolger zu weiden:
Tage schrieb
erhielt
erwähnt,
wie
Riga ge-
in
Karl XI. hiervon Nachricht.
er auch an Dahlberg
«Wir wollen
und bat
einen
Mann
ihn,
Hastder
haben,
Unser und uninteressirtes Herz
nicht blos für sich selbst Stand hält, sondern auch für Uns,
Haus und Reich ein treues trägt, wovon Ihr Uns in beidem bei verschiedenen Wir auf keinen anderen in diesem Fall unsere Gedanken lenken konnten, der grössere Meriten hätte und dessen Wir Uns in allen guten und redlichen königliches
in der Brust
Gelegenheiten Proben gegeben habt, so dass
Dingen versichert halten könnten.» Dahlbergs Antwort war, dass er das
Amt annahm.
jedoch an, ob er sich von Stade über Danzig
Er fragte
nach Riga
begeben
oder über Göteborg, dessen Befestigungsarbeiten er zu besichtigen
wünsche, nach Stockholm reisen
Im Wunsche,
nach Riga fortzusetzen. berg
beratschlagen,
zu
«Wenn
solle,
schrieb
um sich
von
dort
persönlich
seine Reise
mit Dahl-
ihm der König unter anderem
Ihr eines Unserer Schifte zu Euerer Beförderung und
:
dem
Transport Euerer Sachen bedürft, werden Wir dasselbe von Carls-
krona absenden.»
Nachdem Dahlberg mit dem König einige Berathungen geam 8. August auf eiuer königlichen Yacht unter dem Commando von Ankarkors nach Reval. Seine «Sachen» hatte pflogen, reiste er
der Capitän und nachmalige Admiral Ankarstjerna auf einem kgl.
Fahrzeug in Lübeck abzuholen und nach Riga zu schaffen. In Reval hiess ihn Ebba Brahes jüngster Sohn, der Generalgouverneur Estland, königliche Rath und Feldmarschalllieuteuant Axel
von
Julius
de
la
Gardie,
«sein
hochgeehrter Herr Bruder»,
mit
32
Kanonenschüssen willkommen.
Nachdem Dahlberg die Befestigungsarbeiten in Reval inspicirt hatte, schrieb er dem Könige, dass, wenn nicht grössere Arbeit darauf verwandt endet sein würde.
wäre»,
werde,
die
Festung
nicht
vor 100 Jahren voll-
Karl XI. antwortete, dass dies «wohl bemerkt
klagte aber über «die knappen Mittel».
Dennoch Hess er
die Arbeiterzahl bedeutend vermehren.
Am
August hielt Sr. K. Maj. Rath, der Generalgouverneur des Herzogthums Livland und der Stadt Riga, der FeldmarschaU und Obrist über ein Regiment zu Fuss, sowie auch Kanzler der Universität Dorpat, Erich Dahlberg, Graf von Skenäs, Freiherr zu Strappsta und Herr zu Verden, seinen feierlichen Einzug in 31.
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C aoole
:
Erich Dahlberg
Zwischen Trappen
Riga.
G07
Livland.
in
Waffengattungen
aller
Salut von 64 Kanonenschüssen von der Citadelle
Rigas fuhr Dahlberg auf das Schloss.
dem und den Wällen und
unter
Obgleich ein grosser Theil
des livländischeu Adels Patkulls Auffassung theilte,
dass
man
in
der Frage nach Dahlbergs Genealogie nicht weiter als bis auf den ersten schwedischen Bauern zurückzugehen brauchte,
um
«Sr. Hochgrätiichen
erbietung zu bezeugen.
.
.
dies doch
auf dem rigasehen Schlosse
kein Hinderungsgrund, sich zahlreich einzufinden,
war
Excellenz»
seine
tiefe
Ehr-
.
Dahlbergs Ernennung zum Generalgouverneur wurde in ganz Livland mit Jubel begrüsst. Professor Hermelin in Dorpat brachte das
zum Ausdruck
einem lateinischen Gedicht, worin jede Zeile
in
Unwillen und Tadel gegen Hastfer athmet ruhe, Livland
Haupt
in die
!
«Lege ab deine Unund hebe statt dessen dein von Sorge niedergebeugtes
Höhe
deswegen hat er
Du
1
hast
dir einen
:
Gnade gefunden
bei
dem Könige,
achtungswerthen Steuermann gesandt.»
Der allgemeine Unwille gegen Hastfer sprach
sich besonders in
folgenden Versen aus
«Zu
des Tartaros Höhlen die Ungeheuer zurückfloh’n,
Sie,
Stammmutter
der Laster Schaar, die die gierigen Kiefern
1
Aufsperrt und immer mehr von dem gleissenden Golde begehret.
zog auf und davon,
Hoff'ahrt*
Hat und
sie,
die stets
Verderben verbreitet
den Kindern der Notli nie Ohren und Thüren geöffnet.
Jetzt mit Frieden und Freud’ des Alterthums Tugenden kamen,
auch Treue und Recht, in unsere Gegend.» Als königlicher Rath und Generalgouverneur in der reichsten
Klugheit, Verstand,
Provinz der schwedischen Krone ragende Stellung inne.
Das
hatte nun Dahlberg eine hervor-
Er verstand
am
sie
auch
mit
Würde zu
ver-
darin, dass der Herzog von «Ew. Kurland seine Briefe an ihn mit folgenden Worten schloss Diese Excellenz bereitwilliger Freund und Diener Ferdinand.»
treten.
zeigt
sich
besten
;
Worte zeugen gleich sehr von der Macht der schwedischen Krone, wie von dem hohen Ansehen, in dem zu jener Zeit ein Mann der schwedischen Grossmachtsepoche staud.
Als Generalgouverueur und «des Königs Vicarius» hatte Dahlberg einen eigenen Hofstaat, 12 Trabanten von Unterolfiziersrang, ein eigenes Leibregiment und zum Gehalt 30000 Kronen, was iu
unseren Tagen infolge der Münzentwerthnng eine vier- bis fünt-
1
—
Die Reilnction, Hammarskjold. Bd. XVXV, Hoft 7.^
Kultisch« Monat-'achrifl.
2
Hastfer, HnminarakjoM.
41
Digitized by
Google
Erich Dahlberg
608 mal so grosse
Summe
Livland.
in
Er übte die höchste MilitärAusserdem hatte er die Ober-
repräsentirt.
und Civilgewalt im Lande aus.
aufsicht über das Kirchenwesen und die Rechtsprechung.
Livland hatte allen Grund mit seinem neuen Steuermann zufrieden zu sein.
Organisation,
war noch
die
Er ordnete und vollendete die neue Verwaltungser in einer gewissen Unordnung gefunden. Er
nicht lange in der Provinz gewesen,
klaren Ueberblick über
was
das,
dort
es
als er schon eiuen
thun galt,
zu
besass.
Die schriftlichen Vorschläge, die er Karl XII. beim Beginn seiner Regierung einreichte, zeigen, dass Dahlberg sowol eine eminente administrative Kraft
Seinem
scharfen
auch
als
ein
entgingen
Blick
Staatsmann
wirklicher
weder
die
war.
Anforderungen
der
äusseren noch die der inneren Verhältnisse.
Die Ostseeprovinzen waren barkeit, theils durch ihre
Russland
und Polen
infolge ihrer eigenen Frucht-
Lage neben den kornproducirenden Reichen blos Schwedens, sondern auch West-
nicht
Daher wurden auch
europas Kornkammer. ziellen
tlieils
aus
den ostseeprovin-
Häfen, namentlich aus Riga, ungeheure Mengen Korns ver-
Schweden hätte den 30jährigen Krieg ohne den Besitz dieser Lande unmöglich führen können, denn mit dem von dort her bezogenen Getreide wurden die Heere in Deutschland unterhalten. Gustav Adolfs und der Vormundschaftsregierung Briefe an die Generalgouverneure dieser Provinzen geben davon genügende Beweise'. Und als die grosse Hungersnoth unter der Regierung Karls XL in Schweden wüthete, war es ein Glück für unser Land, schifft.
dass die Ostseeprovinzen unter dessen Botmässigkeit standen. land
war
zur
schwedischen Krone
die fruchtbarste
gehörten.
Die Einkünfte von
dort her
waren auch sehr bedeutend, und das zufolge der Reduction. bergs Papiere beweisen, dass die Einnahmen der Krone sich
in seiner Zeit
bis
Liv-
und reichste von diesen Provinzen, welche
auf 1800000 Kronen beliefen,
in
Dahl-
Livland
ungeachtet
Hiervon ging mehr als die Hälfte zur Verund zum Unterhalt der dortigen Truppen auf. Der Rest verblieb für die Flotte, die Besoldung des (Reichs-) Rathes und der schwedischen Residenten an fremden Höfen. Letzteres
der Münzentwerthung.
waltung Livlands
Durch eine Veröffentlichung 8 u. 970.
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635
Ritter Bartholomäus von Tiesenhausen.
rung der Lage und Rechte Rigas,
Da
Absichten fälsch deuten.
nur
böses Gerede
wolle seine
Hess der Bürgermeister ein officielles
Notariatsinstrument über seinen Protest aufnehmen und hier fungirt als
Zeuge auch Ritter Bartholomäus von Tiesenhausen, Vogt von
Nur noch
Treydeu, als einziger Laie'.
ein
im Jahre 1361» führt Bartholomäus diesen
Amt
er dieses
wie
angetreten,
lange
einziges
Mal
später,
wann
Titel urkundlich;
er
wissen wir
es geführt,
anzunehmen, dass unser Ritter es im Sommer 1362 bereits niedergelegt hat, da ihm der Erzbischof nicht mehr diesen
nicht, doch ist
Titel giebt*.
Haben auch
Vögte
die
in
Deutschland unbedeutende Rolle
wo
jener Zeit,
Livland gespielt,
im Verhältnis
eine
zu
war doch gerade
so
in
der Erzbischof in Deutschland weilte, mit der Vogtei
Mass vou Einfluss und Verantwortung verbunden. Hatte doch der Vogt die Oberverwaltung sämmtlicher erzbischöflicher Schlösser und Güter, war er doch in rechtlicher und admini-
ein bedeutendes
strativer Beziehung der Vertreter des Erzbischofs als Landesherrn. So hat er bei Abwesenheit des Bischofs das Aufgebot der Eingeborenen zum Kriegszug*, so wird auch in dem Processe zwischen Erzbischof und Orden dem letzteren anbefohlen, die oceupirten
—
erzbischöflichen Schlösser
Vertreter
des Erzbischofs
Da
Vogt zu übergeben*.
—
wahrscheinlich die Tiesenhausens damals
wieder im Besitz von Kokenhusen waren Vogtei im Südosten
ausübten,
und
die
Führung im
damit zugleich die
dieses Geschlecht
hat
hervorragendster Vertreter Ritter Bartholomäus schieden
dem dem
und Güter entweder dein Vicar in geistlicher Beziehung oder
Erzstift.
um
und
als ihr
jene Zeit ent-
Die Grundlage dieser Macht-
stellung blieb neben persönlicher Tüchtigkeit der grossartige Besitz
an liegenden Gründen geschickt
und und
zu verwalten
seinen Einfluss
Jahres 1361
und
finden
baarem Gelde, welchen Bartholomäus zu verwenden wusste, um zugleich zu mehren.
seine Einkünfte
wir denselben
in
Lübeck,
Im August des wo damals auch
Erzbischof Fromhold nach längerem Aufenthalt in Avignon weilte.
Hier wurde das gute Einvernehmen zwischen Lehnsherrn und Vasall noch enger geknüpft, indem Bartholomäus dem Erzbischof die sehr •
bedeutende
Summe
obigen Berechnung
’
ü.-B. Nr. 975.
*
U.-B. Nr. 250.
von 2800 Mark Rigisch
vorschoss,
nach
etwa 220000 Rbl. heutiger Währung.
— —
*
•
U.-B. Nr. 2973.
—
’
der
Dieses
TT.-B. Nr. 973.
U.-B. Nr. 773.
Digitized by
Google
Ritter Bartholomäus von Tiesenhausen.
G36
Darlehn, welches spätere Chronisten* fälschlich schon in die Jahre
wusste
1355, 1356 ja 1352 verlegen,
sich
der vorsichtige Ritter
dem Erzbischof,
jedoch dadurch sicher zu stellen, dass er sich von
den die kostspieligen Processe
Landes
wol
Avignon und das Leben ausser
in
gestürzt
Geldverlegenheiten
in
Schlösser Serben und Pebalg
dem
mit
hatten
beiden
die
,
zubehörigen Gebiete
ver-
schreiben Hess». Freilich
ist
es
höchst
den ge-
ob diese Vorsicht
fraglich,
wünschten Erfolg gehabt, denn die Thatsache, dass der Pfandbrief im Familienarchiv geblieben, ferner die trockene Schluss'bemerkung der Geschlechtsdeduction hierüber
aber
«ob
:
das Geld wiederum
ausgekommen und bezahlt worden,
ist Gott bekannt», endlich der Umstand, dass Bartholomäus 1363 vor dem Capitel von Riga eine Schuldforderung an deu Erzbischof geltend macht», scheinen viel
eher das Gegentheil zu beweisen.
Jedenfalls
hatte Bartholomäus
durch diesen Vorschuss nicht nur seinen Landbesitz bedeutend er-
Gunst
weitert, sondern auch die
seines
Herrn
erhöhtem Grade
in
gewonnen, und der Erzbischof säumte nicht diese zu beihätigen, bevor noch Tiesenhausen in die Heimat zurückgekehrt war. Am 15. September 1361 verlieh nämlich Fromhold «dem gestrengen und berühmten Ritter, Herrn Bartholomäus von Tiesenhausen, Unserem Vogte» und seinen Erben für die getreuen Dienste alle Güter, welche
einst der selige Nikolaus
von Pallien besessen, und investirte ihn nach
geleistetem Treueide durch die ist
damals
übliche
Kuss und Ueberreichung
Form
feierliche
eines Ringes»,
Bald darauf
der Belehnung.
vermuthlich Herr Bartholomäus wiederum nach Livland gezogen,
denn im Sommer 1362 wird
nebst seinem Bruder Engelbrecht
er
zum
und zwei Brüdern von Rosen
Schiedsrichter
in
einem
lang-
wierigen Güterprocess zweier rigischer Vasallenfamilien ernannt». Seine
einflussreiche Stellung,
sein
Reichthum,
sein lebhafter
Sinn für Ehre und Gedeihen des Geschlechts Tiesenhausen mochten
im Ritter den Wunsch wachgerufen haben, auch über die Wechselfälle des menschlichen Lebens hinaus seinem Namen Fortdauer zu sichern, seiner Familie ein schönes Denkmal zu stiften. Dem Sohn seiner Zeit 1
war kaum
Hiärn,
«Livl. Jahrb.»
Mounm. I,
Liv.
eine
I,
Wahl
158.
Vorbehalten,
wenn
Armlt «Lfld. Chronik»
II.
es sich
105,
um
Gadrimstb
p. 450.
UH9a
'
U.-B. VI, Reg.
"
•Sitanngeber. d. Kig. Gearllsch.
•
U.-B. Nr. 2973.
-
»
n.
Giwbleolilsdrd. tfcc.
1874
p. p.
10
u.
II.
11
U.-B. Nr. 993.
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by
Google
Ritter Bartholomäus von Tiesenhausen.
C>37
dauernde Stiftungen handelte, sie konnten schwerlich andere sein als kirchliche, und meist wählten die vornehmen Geschlechter der So gründet Vasallen, wie der Patricier die Form der Vicarien. von
Bartholomäus,
seiner
Frömmigkeit
und
der Liebe
seine
für
Familie veranlasst, zwei Vicarien in der erzbischöflichen Kathedrale, der Domkirche zu Riga, «für ewige Zeiten». Zu Ehren Gottes und St. Johannis des Apostels und Evangelisten ante portam Latinam weiht er den einen, zu Ehren der heiligen Anna den anderen
An
Altar.
ihnen sollen zwei Vicare, welche aus seinen Lehngütern
iu der rigischen Diöcese und
Rig.
Ahnen und Vicarien war
Ritters, seiner
seiner
Mit
ein
diesen
verbunden,
in
welchem
des Stifters die
haben
sie
bis in
lesen
das
für
Seelenheil
Nachkommen zu ewigen
des
Zeiten.
Erbbegräbnis des edlen Geschlechts
da3
17.
Jahrh. hinein die
welche
geschmückt,
Nachkommen
Mit frommem Eifer
Ruhe gefunden haben.
letzte
diese Stätte
Mark
allem Erbbesitz jährlich je 8
Messen
und
beten
erhalten,
als Zierde
der
Dom-
kirche, nachdem sie von edler Pietät restaurirt worden, noch heute an den Ahnherrn des Bersonschen Stammes mahnt, der sie vor
500 Jahren gegründet. Diese Stiftung bestätigte Erzbischof Fromhold' 13(34 «dem hochangesehenen und edlen Ritter, Herrn Bartholomäus von Tiesenhausen, Unserem vielgeliebten Oheim» und ordnete zugleich im
Einvernehmen mit diesem an, dass der Vicar für den Altar St. Johannis von dem jedesmaligen Erzbischof von Riga zu ernennen für den Altar der hl. Anna das Patronatsrecht dem sei, während
Nachkommen
derzeitigen Senior der
des Ritters Vorbehalten blieb.
Eingehende Bestimmungen über Rechte und Pflichten dieser Vicare, in der Bestätigungsurkunde folgen, können hier füglich über-
welche
gangen werden. Leider
das die letzte Urkunde,
ist
hold seinem mächtigen, ihm so dass uns nur
so nahe
welche Erzbischof From-
stehenden Vasallen
ertheilt,
hier die Bezeichung
«Unser vielgeliebter Oheim» begegnet. Es ist über Namen und Herkunft Fromholds gestritten worden. Man wollte ihn zu einem Vishusen, resp. Fischhausen machen und ihn aus Westplmlen stammen lassen, doch ist von Mettig’ überzeugend
dargelegt
worden,
schlechte Vifhusen entsprossen und
wo
wol
diese Familie «Je quiuque domibus »
hervorragende 1
U.*Ji.
Rolle
Nr. 2880.
spielt.
—
*
dass Fromhold
dem Ge-
aus Lübeck gebürtig seit
dem
Dieser Nachweis
ist
12.
sei,
Jahrh. eine
von
Interesse
Mittlieiiuugen XII, p 488.
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Google
G38
Ritter Bartholomäus von Tiesenhausen.
auch für Bartholomäus, denn kaum wird man
nur einen Ehrentitel erst jetzt
und
schon
vorher,
in
dem Worte «Oheim» sollte Fromhold
Warum
können.
erblicken
nicht
Bartholomäus noch Vogt
als
von Treyden, also sein weltlicher Stellvertreter war, diese Bezeich-
nung gewählt haben? Da nun Bartholomäus zweimal vermählt gewesen und nach den Daten über die Kinder zweiter Ehe diese ohngefähr im Beginn der 60er Jahre vollzogen sein muss, liegt die Annahme nahe, dass
Herr Bartholomäus vor dem December 1364 zum zweiten Mal habe und zwar eine Verwandte Erzbischof Fromholds. Weder Name noch Herkunft der ersten Gemahlin unseres Rittei-s
gefreit
ist
bekannt, dagegen hat Else oder Elsebe, die zweite Gattin des-
selben, wie wir später sehen werden, enge Beziehungen zu *
Lübeck,
und Bartholomäus selbst hat nach 1364 Besitz daselbst, ausserdem auch
aber
Warendorps.
So spricht
mäus Elsebe,
die reiche Tochter
vieles
des seebeherrschenden Lübeck, ferne Ritterburg an der
Eng waren
dem
mit
Erbstreitigkeiten
lübischen
dass etwa 1364 Bartholo-
eines
mächtigen Patricierhauses eine Warendorp,
vielleicht
Düna heimgeführt
in
die
habe.
Bande zwischen dem Mutterlande
ja damals die
und der Colonie und rege der Verkehr
zwischen beiden,
wie wir
Schon 1366 finden
wir ihn wiederum «über der See» in Deutschland,
wohin
ihn das
seines Vaterlandes und zugleich ein Familienfest berief.
Das Jahr 1366 bezeichnet den unseligen Fehden des
der
dafür,
das auch an Bartholomäus selbst sehen können.
Wohl
Geschlecht
einen der wenigen Ruhepunkte in
Man war
zwischen Erzbischof und Orden.
wechselvollen, kostspieligen Processirens in Avignon,
des Un-
müde geworden und sehnte sich nach Vertrags massiger Feststellung und Neuordnung der thatsächlich den bisherigen Verträgen nicht mehr entsprechenden Verhältnisse. Der
friedens in Livland
grosse Hochmeister
des Deutschen Ordens Winrich von Kniprode
übernahm die Vermittelung
und
nach
langen
Verhandlungen
—
das Protokoll, geführt von dem livläudischen Chronisten
Hermann kam es am 7. Mai 1366 in Danzig zu einem Vergleich zwischen dem Orden und den Bischöfen, wobei beide Theile von ihren Forderungen nachliesseu. Der Orden von Wartberge,
ist
uns erhalten
gab die Oberhoheit über Riga
—
auf, behielt aber sein festes Schloss
daselbst mit dessen Vorstadt und einer Reihe von Besitzungen und
Einnahmen, ihm blieb das wichtige Recht, dass das mächtige Riga verpflichtet sein sollte
ihm zur Heerfahrt
zu
folgen.
Vor
allem
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C-omgle
Ritter Bartholomäus von Tiesenhausen.
639
aber wurde dem factischen Macht Verhältnis wenigstens
in
so weit
Rechnung getragen, dass der Erzbischof und damit auch
seine
Suffraganbischöfe für ewige Zeiten Verzicht leisteten auf die bisher
genommene Oberlehnsherrlichkeit über den Inländischen Meister. Nicht mehr soll der mächtige Meister vor den in
Anspruch
schwachen
Länder
Prälaten
Knie
das
ihm
flehen, die
Absclulttelnng fall
des
nur
des
«Obedientia»,
Orden
von
der
nun auch
die Bischöfe durch
Livland
Eine stolze Versammlung hatte sich
eingefunden
stadt
,
um
in
dann
festlich
.
Wegfall
in
wie
in
der Hanse-
Friedensschluss
segensreichen
diesen ihn
geist-
kirchlicher Beziehung
er
völlig frei da.
in
die
Weg-
Damit war
1
Jurisdiction;
bischöflichen
Preussen stand
Stande zu bringen und
der
als
Aufhebung der
ist die
Treugelöbnisses
kirchlichen
des
«exemt»
noch
formellen Lehnsverhältnisses durch
Unterordnung des Ordens unter
lichen
der
Verleihung
Wichtiger aber
«Homagium», des Lehnseides,
der
um
und
beugen
starkes Schwert, nicht aber der Be-
sein
lehnnngsring der Bischöfe sichert.
zu feiern.
zu
Winrich von
Kniprode, der mächtigste Hochmeister des Deutschen Ordens, war
umgeben von sämmtlichen Gross Würdenträgern, der Grosscomthur, der
Oberstmarschall.
Oberstrappier,
der
Oberstspittler,
der
der
Begleitung zahlreicher Ritter sie alle waren in und Priester zu dem wichtigen Tage gekommen, und dem Inländischen Ordensmeister Wilhelm von Vrimersheim standen rathend zur Seite Burchard von Dreynleve, sein einstiger Vorgänger im ürdenstressler,
Amte, der 1344 machtvoll den Estenanfstand gebändigt, und die Doch auch Erzbischof Comthnre von Fellin und Dünamiinde. Fromhold trat den Gegnern in einer glänzenden Umgebung entseine 5 Sutfraganen von gegen, nicht weniger als 7 Bischöfe Dorpat, Ermland, Culm, Pomesanien und Samland und die Bischöfe
—
von Lübeck und Reval
—
scharten
Decane von Oesel und Ermland,
— der
von Riga und Lübeck
um
ihr geistliches Ober-
von Oesel, Ermland
haupt, daneben die Pröpste die
sich
und Pomesanien, Domherren
schliesslich je drei
niederen Cleriker nicht zu gedenken.
Aber neben den beiden contrahirenden Parteien gab zwei Körperschaften, für deren lung entscheidend war Diese
hatten
versäumt,
1
sich
:
Bedeutung des Tages
die
würdig
vertreten
Rathlef, «D. Verhältnis
naUinche Monat- sehr
i
Wohl und Wehe
fl.
IIJ.
Ritter Bartholomäus vou Tiesenhauseu.
662
Am
selbständiger Politik.
zu Segewold
und
das rigische
die Vasallen
und Trutzbiindnis
ein Schutz-
und
einzelnen Contrahenten
Feinde jedes
beizustehen und keiner ohne deu anderen
gegen
zu
die Notli
sie
1316 schlossen
23. April
der Deutsche Orden
Domcapitel,
zwang
da
ihres Treueides entbunden,
Vasallen
des Erzstifts
und jede
alle
gelobten einander treu irgend welche Verträge
oder Vergleiche abzuschliessen'. Dieses Bündnis darf neben seiner Bedeutung
Sieg
den Anspruch
des Ordens
politischer
als
der Ausgangspunkt des
erheben,
Drei Gesichts-
ständischen Lebens der rigischen Vasallen zu sein.
punkte sind in dieser Beziehung hervorzuheben. Erstens fühlen und zeigen sich die Vasallen, die bisher nur das gleiche Lehnrecht verband, als eine durch gleiche Interessen verbundene Einheit, welche als solche für das eigene Wohl handelt und tens lässt
diese
treten, das setzt
auf die v.
da
Sechszahl
Rosen,
Johann
v.
schon
hinzutritt,
der
(Johann
Vertreter
Johann und Rudolf
v.
v.
Woldemar
Pahlen,
Ungern, Johann
v.
Uexküll
und
Ostinghusen) kein grosses Gewicht gelegt werden kann, in
der
scheint
später
die
des späteren Stiftsraths
die Thatsache, dass dieser
Führung übernimmt, dieser Vertretung
mit
doch
Johann von
diesbezüglichen Urkunde*
der nächsten
Tiesenhausen,
Keim
eintritt. ZweiGesammtheit sich durch einzelne Genossen verVersammlungen und Wahlen voraus. Wenn auch
gegeben
zu
sein.
siebenter
als
der Vasallen der
Endlich brachte
Bund gegen den Lehnsherrn geschlossen in dem Verhältnis der Vasallen zu
war, eine wichtige Aenderung
den Bauern,
ihren Hintersassen,
mit
Bisher hatte der Erz-
sich.
bischof allein das Recht gehabt die Bauern des Erzstifts zu Heerfahrten aufzubieten, jetzt
Verhältnisse vou selbst
zum Kampfe
selbst
welche
es
fiel
fort,
die
Ja, uns
auf.
wahrscheinlich
Recht durch die Macht der Vasallen riefen ihre Bauern nun
dieses
macht,
ist
eine
Andeutung
erhalten,
dass die Vasallen seitdem auch
Wünsche des Ordens von dieser Befugnis selbständig Gebrauch gemacht, wenn es in einer Bulle vom Jahre 1324* heisst: ^Ferner gebieten Wir, dass der Deutsche Orden die Vasallen des Erzstifs Riga und andere Christgläubige nicht hindert ohne, ja gegen die
sich gegen die
Ungläubigen
zu verteidigen und diese anzugreifen,
soll er ihnen darin mit Hilfe, Rath und That beistehen. Dieser Gegensatz hat indessen die Vasallen nicht abgehalten trotz
vielmehr
1
U.-B. Nr. 654.
-
*
U.-B
Nr. 661.
-
*
U.-B. N>\ 700.
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Google
Ritter Bartholomäus von Tiesenhausen.
663
der Erlasse des Papstes, welche das Bündnis für ungiltig erklärten, die Eide aufhobeu und die Contrahenten nach
Rom
beriefen', trotz
der Drohungen, Ueberredungen und Bitten, wie des Anathems und
mannhaft an ihrem Treufestzuhalten, während das Capitel
Erzbischofs Friedrich 5
des
Iuterdicts
gelübde dem Orden
gegenüber
Erst die Unterwerfung bald genug seine Zusage brach*. Rigas im Jahre 1330 und die damit verbundenen Umänderungen der staatsrechtlichen Verhältnisse Livlands scheinen das Bündnis gelockert zu haben, welches nunmehr der alten Voraussetzungen
schon
entbehrte.
Um in der
die Mitte
Stimmung zu
des 14. Jahrh. begann
Orden
vollziehen, der
man
söhnlichere Haltung an,
strebte
Umschwung nahm eine ver-
sich
ein
selbst
aus den Ausnahmezuständen
zu geordneten Verhältnissen durch eine Versöhnung mit dem ErzFreilich war es Voraussetzung, dass auch
bischof zu gelangen.
Wucht
dieser der
der thatsächlichen Verhältnisse Rechnung trug.
Die Tiesenliausens
wie
sind,
wir gesehen,
ihrem Lehnsherrn geschlossen.
Ob
in
diesem Streben der
und haben Frieden mit
Ritterschaft des Erzstifts vorausgegangen
ein officieller Vergleich zwischen
dem Erzbischof und
seinen Vasallen erfolgt
doch begegnen wir
seit
wissen wir nicht,
ist,
in den Anklagen gegen Mal mehr Vorwürfen gegen die Stifts-
den 50er Jahren
den Orden
kein
ritterschaft
und 1366 erscheint Bartholomäus, der kurz vorher
einziges
als
Vogt von Treyden Vertreter Fromholds gewesen und stets dessen Gunst besessen hat, als erster Vertrauensmann der erz-
volle
stiftischen Ritterschaft
ein
freundschaftliches
in
Ob
Danzig.
Verhältnis
war
offlciell
Urkunden auf dem
zwei
Wege
erste betrifft
oder nur
jedenfalls
fragt sich nur, unter welchen Bedingungen.
es die
welche
wesentliche Fortschritte,
officiös,
hergestellt,
Hier zeigen uns
die Ritterschaft
ihrer corporativen Ausbildung erlangt. Der Frage des Aufgebots der Hintersassen. In den verlangt der Erzbischof, der Orden Bischöfe und ihre Unterthanen nicht zwingen au
zu
die
Verhandlungen von Danzig' solle fürder die
seinen Heerfahrten theilzunehmen, vielmehr solle letzteres nur ge-
wenn die Prälaten freiwillig ihren Unterthanen die Theilnahme geboten hätten. Darauf erwidert der Ordensprocurator, nie habe der Orden Zwang gebraucht, sondern die nothwendige,
schehen,
lobenswerthe Landesgewohnheit habe es mit sich gebracht, dass die '
1
U.-B. Nr. 659, 660, 661, 700, 2775.
*
U.-B.
Nr
710.
—
'
—
*
U.-B. Nr. 710.
U.-B. Nr. 2884, Art. 18.
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Google
Ritter Bartholomäus von Tiesenhausen.
604
Vasallen des Erzstifts und der Orden,
der Ungläubigen,
gemeinsame Nachbarn
als
sich wechselseitig bei
Angriff und Verteidigung
was auch für die ZuWenn nun im Vertrage von und passend sei. Danzig der Erzbischof diese Forderung nicht durchsetzt, so bedeutet das eben eine stillschweigende Anerkennung des Rechtes gegen die Ungläubigen
unterstützt
hätten,
kunft noth wendig
Damit Gewinn für die Vasallen verbunden, das letzte, Baud zwischen dem Landesherrn und den Bauern war
der Vasallen auf persönliches Aufgebot ihrer Hintersassen.
war
ein gewaltiger
wichtigste
durchschnitten; die Vasallen vertreten jetzt politisch sassen allein nach aussen hin, der Erzbischof
Gelüsten
kriegerischen
an
ihre Hinter-
ist factisch
Zustimmung
die
seiner
bei allen
Ritterschaft
gebunden.
Von ist
einer verfassungsmässigen Vertretung des Vasallenstandes
dagegen nirgends die Rede, weder Stiftsräthe werden erwähnt, In diesen Beziehungen hat die Ritter-
noch regelmässige Stiftstage.
schaft nur sehr langsam Erfolge errungen und nicht
liche,
das
politische
zwar war das recht-
der Ausgangspunkt dieser Ent-
Leben
wickelung, welche gleichfalls mit der Mitte des
14.
Jahrh. für das
Erzstift beginnt. Die zweite grosse Errungenschaft der selbständigen
der
erzstiftischen
eigenen
Richters
Politik eines
erster «Richter der
demar
Vasallen
aus
ihrer
ist
nämlich die Anerkennung
Mitte,
des Mannrichters.
Mannen» des Erzbischofs
erscheint
Als
Herr Wol-
Rosen 1356, mit dessen Vollbord die Gebrüder von Tiesenhausen das Dorf Kreisdorf von Hinke Cosculle kaufen. Der zweite
uns
v.
bekannte
Mannrichter
des
Erzstifs
ist
Herr Bartholomäus
von Tiesenhausen.
Im Jahre 1385
vollzog sich ein ausserordentlich interessanter
und für das livländische Rechtsleben sehr instructiver Rechtsstreit
dem Erzbischof Johann von Sinten und seinen Vasallen Henneke und Otto Pitkever*. Der eingehend beschriebene Hergang des Rechtshandels ist folgender: Henneke Pitkever und sein Bruder Otto hatten nach dem Tode ihres Vaters «ihre» Lehen im Erzstift nicht «gemuthet», sondern dieselben ohne Belehnung des Erzbischofs fort besessen, woraus dann offener Streit zwischen dem Lehnsherrn und den Vasallen erwachsen, in welchem letztere mehrere zwischen
Unterthanen des Erzbischofs verstümmelt und getödtet hatten. beruft
der
Erzbischof Propst
U.-B. Nr. 1218.
und Oapitel
von Riga
und
Da seine
Ritter Bartholomäus von Tieseiiliauseu.
Vasallen
665
zusammen auf den «gewohnten« Termin, Sonntag nach
Epiphanias.
Der
erste
Tag
vergeht unter privaten Verhandlungen
und Discussionen, die jedoch zu keinem Ziele führen; so muss das Am Dienstag, als der Richter, Herr Bartho-
Gericht entscheiden.
lomäus von Tiesenhausen,
zeitig
im Tribunal
prüsidirte, zur Seite
die für diesen Fall besonders beigeordneten Beisitzer
Andreas Kegel
und Woldemar von Rosen zu Rosenbeck, klagte der Erzbischof gegen seinen Vasallen und verlangte Absprechung des Lehnguts. Pitkever entgegnete, der Erzbischof habe ihn bisher nie von den Tagen, Verhandlungen und aus seinem Rathe verwiesen, vielmehr habe er diesen, wie allen Entschliessungen und Rechtsprechungen beigewohnt, ja sei sogar Führer im erzbischöflichen Heer gewesen.
Vor allem habe ihm aber der Erzbischof Lehn zu mutlien, versichert,
erklärt, das
einst,
als
er sich bereit
er solle in seinem Besitz
Dieser Erklärung widerspricht der
(Rechte) nicht verletzt werden.
Erzbischof, worauf die Sache «der Entscheidung und Untersuchung
der Vasallen wollten
von
und
des
dieser
Riga anssch Hessen,
Richters»
übergeben
wird
Die Vasallen
ßerathung den Propst und das Gapitel von obwol diese den «Verhandlungen und Tagen,
gemeinsam mit den Vasallen Domherren endlich wegen Nach langer Berathung verkündet Gottschalk von Pablen den Spruch könne Pitkever jenen Ausspruch des Erzbischofs durch zwei glaubwürdige Zeugen und zwar rigische Vasallen beweisen, dann solle er das Lehn behalten, wenn nicht, fällt es dem Erzbischof heim. Zwei Verwandte Pitkevers, Heinrich Rosen und Heidekin Aderkas, bezeugen darauf, dass Erzbischof Johann im vorigen Jahre auf seinem Schlosse Ronne-
insbesondere
den
allgemeinen
beigewohnt hatten»,
doch
stets
wurden
die
«der alten Gewohnheit» zugelassen.
:
burg vor dem Kamin während des Manntages diese Aeusserung in Gegenwart von Johann Vithensis, Propst von Riga, Johann de Monte, Domherr von Riga, und von Heinrich Salza, einstigem Vogt von Treyden. Nun entsteht neuer Streit, da der Erzbischof diese Zeugen, als Verwandte der Beklagten, nicht anerkennt und die Vernehmung auch der anderen Zeugen verlangt, während Pitkever Durchführung des Unheils fordert, wobei stets Rede und Gegenrede auf Befehl und unter Vermittelung des Richters geschieht. So beginnt die Verhandlung früh morgens am Mittwoch unter «unseres Richters» Vorsitz von neuem, da wurden endlich Johann und Ludwig, Pröpste von Riga und Dorpat, und gethan
Nikolaus, Scholasticus
von Dorpat,
auf
Wunsch
des Erzbischofs,
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Ritter Bartholomäus von Tiesenhausen.
666
sowie Burehard, Comtliur von Segewold, Gerhard, Vogt von Wenden,
und der
gestrenge
Ritter
Diese
richtern ernannt.
«Leib und Gütern»
um Vergebung
der
Herr Johann von Rosen zu dass Herr Hennekin des Erzbischofs
Schiedssich
mit
unterwerfen,
ihn
verfügen,
Gnade
Paggast Canemoyse mit seinem Bruder Otto verzichten und wegen seiner Frevel gegen die Unterthanen des Erzbischofs Sühne leisten soll. Als Johann v. Rosen bitten,
auf die
diesen Spruch verkündet und Hennekin
sich einverstanden erklärt
warf Hennekin Mantel, Gürtel und Messer ab, fiel vor die Kniee und übergab sich seiner Gnade «mit Leib und Gütern» und flehte mit gefalteten Händen ehrfurchtsvoll und demüthig um Verzeihung. Der Erzbischof aber, nachdem er
hatte, da
dem Erzbischof auf
auf die Bitte aller
den Vergleich gebilligt,
nahm Hennekin, wie
dessen in gleicher Weise knieenden Bruder zu Gnaden an und belehnte einen nach
dem anderen
er die Knieenden küsste.
mit den väterlichen Gütern, indem
Darauf erhoben
sich die
Brüder Pitkever
wie Herr Johann v. Rosen dem Erzbischof den Lehns- und Treueid. Dieser Hergang ist hier so ausführlich wiedergegeben worden, nur wegen der Betheiligung von Bartholomäus als Maun-
und schworen mit erhobenen Fingern, es ihnen vorsprach,
nicht
richter, nicht
nur wegen der lebhaften Darstellung eines Prozesses
und einer Belehnung vor 500 Jahren, sondern namentlich, weil er uns einen tiefen Blick thun lässt des
Erzstifts.
Es
ist
welches sich uns zeigt.
ein
in die
Fortbilduug der Verfassung
eigentümliches
Feste Normen,
Uebergangsstadium,
geschweige denn eine ge-
schriebene Verfassung existiren noch nicht, denn überall wird nur
auf
die
Gewohnheit,
die Ueberliefernng
auch, wie es scheint,
noch
Alles
in
gestaltet
sich
gar
nicht
Anlehnung an
verwiesen,
man begehrt
darnach, Alles
flüssig,
ist
den einzelnen praktischen
und dennoch sehen wir schon ein reich gegliedertes staatliches Leben vor uns. Sehen wir genauer zu, so lassen sich folgende
Fall,
Züge aus dem Verfassungsleben des Erzstifts um 1885 fixiren. Es gab regelmässige Versammlungen, zu welchen vom Erzbischof der Propst, der eine Ausnahmestellung einnimmt, das Capitel und die Vasallen von Riga berufen wurden, und zwar sind diese Versammlungen schon so weit eingebürgert, dass es einen «gewohnten Termin», den ersten Sonntag nach Epiphanias giebt. Es gab ferner verschiedenartige Versammlungen, welche als ttradatus seu placita », ats
tplarita geveralia », als
schieden
werden.
idies vnsallorum
»
und
Eine Ausnahmestellung nehmen
«
consilia
»
unter-
die «Consilia»
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Gßßgle
Ritter Bartholomäus von Tiesenhausen.
ein,
werden
sie
handlungen» mit
er
erwähnt und
einmal
entgegengesetzt,
welchem
welchen
nur
er
es
ist
wichtigsten
die
der «Rath»
setzte, ein privates Institut, das sich erst in
den
wandeln
ständigen «Stiftsrath»
berief
am Ende
sollte.
des 15. Jahrh.
wöhnliche für alle «Tage» und wird
in
und
«2Vacer amtlich durch
oder einen Ver-
Regierung gefördert
die
wird,
aus-
genommen, dass dieselbe dem Verein und Clauson-Kaas eine Unterstützung von zusammen 7500 Kronen jährlich gewährt. Die Verbreitung pflegte au den Kosten zu scheitern die Seminarieu hatten sich ablehnend dazu verhalten. Meist wurden nur einfache Laubsäge;
und Holzschnitzarbeiten getrieben. Die Hausfleissbestrebungen haben
demnach Schweden
in
Dänemark
nicht
die Handfertigkeit
vollster Blüthe stellt.
feste
nach
Wir werden
während
in
erzieherischen Grundsätzen
in
Wurzel sehen,
gefasst,
dass diese Erscheinung
nicht vereinzelt dastellt.
Die Jahre 1881 und 1882 brachten zwei Congresse
und Leipzig, die für den Fortschritt der Sache
Der
deutung waren. Schenkendorff'
und
erstere
unter
fand
dem
Biedermann im Juni 1881 statt sei
gestattet, die
wie
fertigkeit,
von
auf Einladung
Vorsitz
des
und zählte
iu Berlin
grosser Be-
des Herrn von
hochverdienten
sie
von jenem Congress angenommen wurden,
deren erste Grundlage und bis heute nur wenig beanstandete hier vollständig wiederzugeben.
Es
Dieselben lauten
als
Norm
:
Die deutsche Conferenz für Handfertigkeitsunterricht und
l.
'
Prof.
43 Theilnehmer.
Thesen über Wesen, Ziel uud Methode der Hand-
K.
v.
Schenkendorff, «Der praktische Unterricht, eine Forderung der Zeit
an die Schule».
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Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung.
731
häuslichen Gewerbefleiss zu Berlin spricht die Hoffnung aus, dass die Staatsregierung fordernd und unterstützend in die freie Vereins-
bewegung
eingreifen und dies besonders dadurch bethätigen möchte,
dass sie den Handfertigkeilsunterricht nach
und
nach,
anfänglich
eventuell in facultativer Form, in den Lehrplan der Seminare auf-
Hierbei dürfte auf eine enge Verbindung des Handfertig-
nehme.
keitsunterrichts mit
dem Zeichenunterrichte hinzuwirken
Die Leitung des Handfertigkeitsunterrichts
2.
Hand
sein.
muss
in
der
eines in den elementaren technischen Fertigkeiten vorgebildeten
Pädagogen
liegen
;
ihm zur Seite muss thunlichst für jede Richtung
Handwerker
des Unterrichts ein tüchtiger 3.
stehen.
Die zur Leitung des Unterrichts bestimmten Pädagogen sind
gegenwärtig am zweckentsprechendsten während der Sommer- oder Herbstferien
in
Im
4.
secliswöchentlichen Unterrichtscursen auszubilden.
Lelirsystem
ist
versuchsweise derart stufenweise vor-
zugehen, dass anfänglich nach körperlichen Vorlagen, wie
dem
sie
Alter angemessen sind, später nach analogen Zeichnungen und endeigenen Entwürfen
nach
lich
gearbeitet
wird.
muss eine theoretische Anweisung gehen, welche
hiermit
Parallel sich mit
dem Ge-
brauch der Werkzeuge, mit der Anleitung zu der zweckmässigsten
Nachbildung der Modelle und Zeichnungen, mit den Grundzügen des Stils, der Formen- und Farbenlehre, sowie mit der Materialienkunde
befasst. 5.
Die körperlichen Vorlagen und Zeichnungen
zu wählen, sie
dass
sie
sind derart
den Formen- und Schönheitssinn bilden, dass
den übrigen Unterricht unterstützen und dass
sie endlich,
soweit
hiernach möglich, auch nützlicher Art sind. 6.
Wiewol
es vortheilhaft
im Handfertigkeitsunterricht
ist,
die Anleitung zu einer thunlichst mannigfaltigen Materialbeherrschung
zu geben, so dürfen doch niemals mehr als drei Unterrichtsgegen-
stände gleichzeitig gepflegt werden.
Hierbei
ist
strengstens darauf
zu achten, dass die Arbeiten einerseits technisch richtig und andererseits in correcter, die Oberflächlichkeit
der Weise zur Ausführung gelangen.
und Fahrigkeit ausschliessen-
Im allgemeinen
dürfte ge-
nügen auf den Handfertigkeitsuuterricht wöchentlich 4 Stunden zu verwenden. 7.
sich,
Bei
dem gegenwärtigen Stande der Sache empfiehlt
den Handfertigkeitsunterricht
im
wesentlichen
zunächst
es
für
den letzten Jahrgang der Volksschule fruchtbar zu machen. In schneller Aufeinanderfolge entstanden nun in allen Theilen
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732
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung. von Jahr zu Jahr ver« Nordwest», ein von Dr. Lammers Förderung gemeinnütziger Zwecke,
Deutschlands Schülerwerkstätten, die sich
Wichtig war, dass der
mehrten.
Bremen
in
geleitetes Blatt zur
annahm, deren treuer und beredter Fürsprecher er bis heute geblieben ist. Der Leipziger Congress vom J, 1882 zeigte bereits einen grossen Fortschritt,
sich ebenfalls der Haudfertigkeitsbestrebungen
was
die
Zahl der Theilnehmer betraf.
reichhaltige Ausstellung
aus
ausser
Auch war die gleichzeitige Schweden und der Schweiz Der
auch von über 10 Schülerwerkstätten Deutschlands beschickt.
dem Berliner Congress gewählten Centralausschusses
Bericht des auf
zeigte, dass die Handfertigkeitsidee sich in in erfreulicher
Weise
verbreite, obgleich der
durch laute Agitation Schülerwerkstatt
;
die
Dinge
Ausschuss keineswegs auf die
entwickelte
der
in
Dr. Goetze
der bis jetzt für Leipzig massgebend geblieben
dieselben sollten sich möglichst auf
Werkstatt
Norddeutschland schon
In Bezug
habe.
herzustellenden
seinen Grundsatz, ist
gewirkt
sollte
das Schulleben
zwischen Schule und Haus
beziehen,
vermitteln.
Der-
dass die Betheiligung der Lehrer an den
selbe theilte ferner mit,
für ihre Ausbildung bestimmten Cursen auf ein lebhaftes Interesse in der
Lehrerwelt schliessen
Endlich
lasse.
ist
zu erwähnen, dass
Bezug auf das Verhältnis der Werkstatt zur Schule wie über Zweck des Unterrichts sich abweichende Meinungen zeigten, während in Bezug auf die Gesammtauffassung von der Nützlichkeit in
den
der Bestrebungen volle Einmüthigkeit herrschte.
Einen Monat später fand auch Cursus zur Ausbildung 61 Theilnehmern Unterricht
von Lehrern
in
Dresden ein sechswöchiger
statt.
Die Leitung
besucht.
wurde aber diesmal
von
Derselbe
wurde von
hatte Olauson-Kaas,
der
HandBezug auf die Wahl der Lehrgegenstände hatten die Dresdener Abänderungen durchgesetzt, indem die Metallarbeit Aufnahme fand, die Naturschnitzmethode dem Kerbwerkern
ertheilt.
Auch
schnitt weichen musste,
Der Erfolg
dieses Cursus
die
deutschen
in
die Bürstenbinderei
war
der, dass die
für die Sache der Handfertigkeit
an
tüchtigen
ausgeschieden wurde.
Lehrer sich sämmtlich
erwärmt hatten und
voller Liebe
Aufgabe herantraten, die erworbenen Fertigkeiten der Jugend
weiter zu vermitteln. In Leipzig wurde die erste öffentliche Schülerwerkstatt Michaelis
1880
eröffnet.
.Jahr fortgesetzt
wurden die Curse daselbst Jahr zwar während des ganzen Schuljahres. war die Theilnahme keineswegs rege,
Seitdem
und
den ersten drei Jahren
für
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In es
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Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung.
733
waren blos ca. 75 Schüler im Semester gemeldet. Im Jahre 1883 dagegen stieg diese Zahl in Folge eines von Dr. Goetze verfassten Aufrufs, der in frischer, dem Knabeu verständlicher Sprache sich unmittelbar
550
an
die Schülerwelt
einem
mit
richtete,
Schlag
auf
Schüler.
wurden
Seit 1880
in
Leipzig wiederholt Curse zur Ausbildung
von Lehrern der Handfertigkeit abgehalten. welche
dieselben
fanden,
führte
dahiu,
bildungsanstalt gegründet wurde, ferien ihre Curse hält.
Die rege Betheiligung, 1887
dass
welche jährlich
wurden
Dieselben
Lehrer-
eine
den Soramer-
in
von Lehrern aus allen
Gegenden Deutschlands, aus Oesterreich, Ungarn und den baltiim Sommer d. J. nahmen auch vier Damen aus England theil. In den Jahren 1884 86 wurden 64 Lehrer ausgebildet, 1887 besuchten die Sommercurse 54, 1888 bereits 60 Lehrer. Da ich im Juli und August d. J. ebenfalls an den Cursen
schen Provinzen besucht, ja
—
theilnahm
so
,
sei
finden
vom
in 1.
in
erlaubt
Kürze
über die Einrichtung
,
zu
berichten.
zwei gesonderte Lehrercurse
Leipzig
— 29.
mir
es
Lehrerbildungsanstalt
Juli,
der
vom
zweite
1.— 29. August
dieser
Sommer
In jedem statt,
deren erster dauert.
In
liebenswürdigster Weise werden im voraus gute und billige Quartiere in der
Nähe der Werkstatt
besorgt.
Am
30.
Juni fand die
Eröffnung durch den Director des Seminars, Oberlehrer Dr. Goetze, statt.
Am
1.
Juli
früh
um
7
sich von den vier Lehrfächern:
begann die Arbeit. Jeder durfte Hobel bankarbeit, Papparbeit, Kerb-
und Metallarbeit ein Haupt- und ein Nebenfach wählen. Auf ersteres wurden 30, auf letzteres 20 Arbeitsstunden in der
schnitt
Woche
verwandt.
Zur Erlangung
eines Reifezeugnisses
war man
Fächer erst berechtigt, wenn man es zwei Cursen als Hauptfach betrieben hatte, natürlich normale
für das erste der genannten in
Fortschritte vorausgesetzt; erreicht werden, in
den Ubrigtn konnte das Ziel bereits
in
wenn man
sie in
einem Cursus als Haupt- oder Die Theilnehmer desJuli-
zweien als Nebenfach gewählt hatte.
cursus, fast sämmtlich Lehrer, standen im Alter 'von
mit einer zweistündigen Mittagspause von 12 stündigen stätten
etwa
22—45
Die Tagesarbeit dauerte von 7 Uhr früh bis 7 Uhr Abends
Jahren.
Erholungsfrist
befinden
sich
in
am den
Vor- und
Räumen
—2
und je einer halb-
Nachmittag. der
Die
Werk-
alten Thoraas-Schule.
Ausserdem waren dem Seminar daselbst zwei Erholungszimmer, ein Lesezimmer und zwei Zimmer für die permanente Ausstellung von
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734
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerzieliung.
Auch befand
Schüler- und Lehrerarbeiten eingeräumt.
sich daselbst
enthaltend die gesammte auf die Handfertigkeits-
eine Bibliothek,
Die Leitung der Werkstattarbeit lag den Händen bewährter leipziger Meister, die simmllich mit an-
frage bezügliche Literatur. in
erkennenswerthem Eifer ihrer Aufgabe oblagen und es verstanden, recht herzliche Beziehungen zu den Curstheilnehmern zu gestalten.
Obvvol
man
gelegentlich
bemerkte,
den daheim
der Meister
dass
gewohnten höflichen Verkehrston auch auf diese
mündigen
bereits
Lehrlinge übertrug, gab es nie eine mehr als vorübergehende Ver-
Das sah man besonders
stimmung. abenden,
deutlich
an
Commers-
den
zum Schluss der Curse Meister und Schüler in Auch hatten jene allen Grund,
welche
herzlichster Eintracht vereinigten.
mit uns zufrieden zu
sein,
denn es wurde mit grossem Pflichteifer
und eingehendem Interesse gearbeitet,
Und wenn auch das Mass
aus. bei
den Einzelnen
sehr
oft
über die Arbeitszeit hin-
der Geschicklichkeit
war,
verschieden
Resultat bei weitem meine Erwartungen.
naturgemäss
so übertraf doch das Die gefertigten und zum
Schluss zur vergleichenden Prüfung ausgestellten Arbeiten zeigten einen grösseren Unterschied
stände
als
lieferten
der
in
zu nennen pflegen, die bei festem
überwinden Theil
in
meist
der Zahl der hergestellten Gegen-
und Sorgfalt der Ausführung.
Solidität
mir den Beweis dafür,
nur
dass, als
Willen und hingebender Bemühung
ist.
derselben
fast
ist,
immer zu
Ich habe unter 60 Lehrern, obvvol nur bei einem ihre
günstige
an den Cursen theilzunehmen keinen gefunden,
Sie
was wir Ungeschicklichkeit
Ungeiiblheit zu bezeichnen
der
,
Beanlagung massgebend
für
den
Entschluss,
gewesen sein
unbefriedigende Resultate
erzielte.
dürfte,
Im
all-
gemeinen wird jeder vorurtheilsfreie Beurtheiler zugeben, dass hier in
kurzer Zeit auf einem
hebliches
geleistet
wordeu
gänzlich ungewohnten Arbeitsfelde Erist.
Auch
unparteiische
Handwerks-
meister schüttelten verwundert die Köpfe und erklärten, das hätten sie nicht für
möglich gehalten.
Ich bin dadurch zur Ueberzeugnng
gekommen, dass in unserer Schuljugend Schätze von technischen Anlagen liegen, die gewiss mit der Zeit verkümmern. Pflicht der Erziehung also ist es, diese Anlagen zur Entfaltung zu bringen, die zwar oft entbehrlich sein mögen, weit öfter aber ihrem Träger von grossem Nutzen sein würden. Zwei Nachmittage in der Woche wurden dazu verwandt, Vorträge zu hören, die entweder die Bedeutung des HandfertigkeitsUnterrichts
vom
culturhistorisohen, uationalükonomischen, socialen,
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Google
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung. und
pädagogischen
Standpunkt
gesundheitlichen
735
klarzulegen
be-
zweckten oder, aus der Praxis hervorgegangen, nützliche Fingerzeige
Anwendung der erworbenen technischen Fertigkeiten boten. Oder man stattete den Schülerwerkstätten Leipzigs und der Umgebung Besuche ab, um zu sehen, wie bereits geübte Lehrer den für die
Unterricht
Einen
ertheilten.
ungemein
interessanten Nachmittag
verbrachten wir auch mit der Besichtigung
analoger Anstalten
in
wo sich der Handfertigkeitsunterricht einer regen Theilnahme erfreut. Im Winter 1887/88 wurden daselbst 169 Schüler in der
Halle,
allgemeinen Werkstatt viele
Knaben
den
in
Knabenhorten
von zwei Monaten sowol
in fachlicher
zu
gelegt
auf dem
haben,
worbenen Fertigkeiten
der Stadt
dem Bewusstsein,
mit
in
unterrichtet.
der kurzen Zeit
Beziehung einen guten Grund
es mir leicht fallen würde, meine er-
weiter
vervollkommnen,
zu
neuer Anschauungen
reiche Fülle
ausserdem aber wurden noch
unterrichtet,
vier
Ich schied ans Leipzig
Leben gewonnen zu haben.
als
auch eine
dem Leben
aus
mitten
Die geringe
Mühe
für das
hatte reiche Frucht
getragen.
Es
ist
unmöglich, auch nur annähernd genaue Daten über die der Handfertigkeit
Verbreitung
den Schulen Deutschlands
in
zu
Gegenwärtig finden von Seiten des «Deutschen Vereins für Knabenhandarbeit», der seit 1886 die Bewegung leitet, Erhebungen
geben.
nach deren Abschluss wir ein einigermassen klares Bild zu
statt,
Nach den
erhalten hoffen dürfen.
bisher eingelaufenen Nachrichten
wie mir Herr Lehrer Sonntag
steht, theilte,
dass an 40 Orten
fest,
in
Leipzig frenndlichst.
mit-
des Königreichs Sachsen in etwa
70 Anstalten von 1000 Kindern Handarbeit getrieben wird. Der »Deutsche Verein» ist unermüdlich thätig, richtige Anschauungen über
die
Bedeutung und
des Handfertigkeitsunterrichts
die Ziele
zu verbreiten, und seine Bemühungen sind keineswegs erfolglos zu Von besonderer Bedeutung darf genannt werden, dass
nennen.
der deutsche Reichskanzler Fürst Bismarck im Juni dieses Jahres
der Vereinskasse aus Reichsfonds eine Unterstützung von 5000 überwies.
Sodann
Herrfurth
am
präsidenten,
sehr
jener
welchem
in
wirksames
Wunsch
erliess
Herren
er den
BallUch« Honat.vhrin.
in
die
Mark
Regierungs-
Erziehung» bezeichnet
möchte
geschlossenen
als auch M. XXXV, Haft
an
Inneren
des
Minister
Schreiben
Handfertigkeitsunterricht als «ein
der
derselbe
sowol
Blindenanstalten &c.
ein
c.
Hilfsmittel
ausspricht,
preussische
der
25. Sept. a.
in S u.
den
Anstalten, Waisenhäusern,
Privatkreisen ff.
und
durch die rege Mitwirkung
Eingang
finden.
4$)
Digitized
by
Google
736
Auch
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung. lieferte der
«
VIII. deutsche Congress für erziehliche Knaben-
am
Handarbeit», welcher
München
22. Sept. in
Beweis, dass der Arbeitsunterricht
Kreisen Interesse gewinnt.
in
Zweck
Eintrag, dass die Auffassung über den
in Deutschland keineswegs eine einheitliche
wie
In Leipzig wird,
nachdruck
eröffnet wurde,
Deutschland
in
Diesen Fortschritten
auf die erziehliche Seite
des Unterrichts auch
betont!
Es
gelegt.
der Hauptalso
soll
der Jugend
nur eine bisher vernachlässigte Naturanlage sondern der Arbeitsunterricht geradezu
keinen
es
ist.
mehrfach
bereits
den
immer weiteren tliut
nicht
gepflegt,
den Dienst des Unter-
in
indem durch ihn viele der in der Schule erworbenen Anschauungen geschärft und geklärt, das Wissen vertieft werde. Durch den fortgesetzten Kampf gegen die zu überwindenden richts gestellt werden,
Schwierigkeiten
Werkzeugbehandlung
welche
,
Material der jugendlichen Kraft
Weg
den
in
und
das
legen,
soll
ein sittlicher Einfluss ausgeübt, der Wille gefestigt, der
In diesem Sinne
gebildet werden.
Schülerwerkstätten
ausser in den leipziger
der Beustschen in Höflingen bei Zürich,
in
denen Halles und gewiss
bereits
Die Arbeitsschule zu Görlitz, gegründet
man
ist
spröde zugleich
Charakter in
vielen anderen Orten tliätig.
an
welche von Herrn
Schenkendorff
v.
und unter seiner Oberleitung steht, hat zwar auch im Auge, doch erst in zweiter Linie.
ist
den pädagogischen Zweck
Wichtiger erscheint den Leitern die Erzeugung technischer Geschicklichkeit.
Der Arbeitsunterricht
Festigung, die er bezweckt, lust
zielt
besonders
dort
auf
neben
der
Weckung
sittlichen
der Arbeits-
und Bildung des Geschmacks, des Gefühls für Formenschönheit.
Man giebt sich der Hoffnung hin, auf diesem Wege das Handwerk und das 'Kunstgewerbe zu heben. Die schlesischen Schulwerkstätten vollends stellen das Nützlichkeitsprincip voran,
Arbeiten
derart,
den Verkauf
für
dass
die in denselben hergestellten
berechnet
sind.
Die Einführung
des
Wunsch hervor, die wirthLage der Bevölkerung zu bessern. Meiner Meinung nach ist es durchaus natürlich, dass für Begründung von Schülerwerkstätten verschiedenartige Gesichtspunkte massgebend waren. Verbindet man doch auch mit Einrichtung Arbeitsunterrichts
geht
hier
aus dem
schaftliche
von Schulen
den
gehende Absichten.
localen Bedürfnissen
Im
weitesten Sinne
entsprechend dienen
auseinander-
darum doch
alle
demselben Zweck, der Erziehung und Veredelung der Menschheit.
Bekennen
sich
die
Freunde des Arheitsunterrichts dazu,
dass
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sie
Google
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung.
Auge
dasselbe Ziel im
welches
haben,
die Schule
737
verfolgt,
dann
muss diese sie als Bundesgenossen betrachten und eine Verständigung mit ihnen anstreben. Erweist es sich, dass der Arbeitsschule der erziehliche Zweck wenig gilt gegenüber dem gewerblichen, so hat die Lernschule mit ihr nichts zu thun, wenngleich die Berechti-
gung solcher Einrichtungen an bisweilen
nicht
der
sich
erziehliche
Aushängeschild benutzt, während
Vordergründe stehen
unbestreitbar
Wird aber
ist.
Nutzen nur gewissermassen als in Wahrheit andere Interessen im
Und kann nicht eine falsche Lehrmethode, Auswahl der Fächer dazu führen, dass durch mehr geschadet, als genützt wird ? Ich
?
eine unzweckmässige
die Handarbeit erziehlich
Deshalb
glaube allerdings.
Handarbeitslehrer
bildete
achten
sein, dass alle
wird,
dass
Vorschub
nicht
wird
durch Aufnahme
geleistet wird, dass der
solcher Gegenstände
nur
die Schule
znlassen
Es
dürfen.
vieler
Forderung
erfüllt,
gleichgiltig sein,
ob
zu
Stümperei
Lehrgang nicht zur Herstellung
welche realen Werth besitzen, wofern die
eilt,
leidet.
Ist aber
dass der Unterricht streng methodisch, nach
erzieherischen Grundsätzen
*
darauf
Fächer der
Gründlichkeit und Sauberkeit der Arbeit darunter die
methodisch ge-
wird
mechanische, geisttödtende Arbeit ausgeschlossen
geleitet
wird,
so
kann von
hergestellten Arbeiten
die
es der Schule
der Familie
benutzt oder veräussert werden.
Wenn
ich
im Folgenden eine kurze Uebersicht über den Stand
der Handfertigkeitsfrage in den übrigen Ländern Europas zu geben
versuche
so
1
,
muss
ich
mich nach der ausführlicheren Darstellung
ihrer Entwickelung in Deutschland, die naturgemäss in erster Linie
unser Interesse beansprucht, hier auf das Notli wendigste beschränken.
Es giebt mit Ausnahme der drei südlichen Halbinseln kein Land Europa, das unserer Frage kein Interesse geschenkt hätte. Fast
in
überall ist dasselbe vielmehr
Oesterreich sind zunächst die
In in stetem Wachsthum begriffen. Bemühungen des Directors Er. Schwab
nicht ohne Nutzen gewesen:
wenigstens hat
der Schulgarten als Ergänzung
mocht.
Die Handarbeitsidee
wie wir sahen,
sich,
der Lernschule
einzubürgern ver-
wurde aufs neue angeregt und
in
überzeugender Weise begründet durch den Director des österreichi1
von Elm
leb schöpfe in diesem Theil meine
und Rauseher, Th.
I
nnd
III,
Angaben ans den genannten Werken aus Gelbe «Papp- und feinere
sowie
Holzarbeiten» nnd den «Blättern für Knabenhandarbeit» 1888. vielleicht hier
statistischen
nnd da durch
die augenblicklich von Leipzig
Genaueres wird
aus veranstalteten
Erhebungen bekannt werden. 49*
Digitized by
Google
738
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung.
sehen
Museums
Kunst und Industrie
für
Eitelberger
in
seiner Schrift «Ueber Zeichenunterricht
die
Nothwendigkeit hinweist,
dass
.
.
in
.
die Volksschule
Edelberg
v.
der
er auf
auch für das
Gewerbe vorbereite. 1883 entVerein zur Gründung unentgeltlicher Knaben-
praktische Leben, speciell für das
Wien
stand in
ein
beschäftigungsanstalten,
der
1884 jährlich denen bisher
ein
zwei
bisher
denen demnächst weitere
richtete,
Schülerwerkstätten
folgen
Auch
sollen.
zur Ausbildung
Cursus
von Lehrern
er-
fand seit
an
statt,
bereits 110 Lehrer theilgenommen haben. Nach Auszeichnungen zu sehliessen, welche, den hier gefertigten Arbeiten
auf den Ausstellungen zu Zürich und Antwerpen zu
tlieil
wurden,
dem Lernstoff
scheint es, dass das Ziel, den Arbeitsunterricht mit
der Schule in Einklang zu bringen, hier besonders glücklich ange-
Dem
strebt wurde.
Leiter der ersten Schttlerwerkstatt A. Bruhns In der Schweiz
geringes Verdienst zuzusprechen.
nicht
ist hierin
sind auch bereits Anfänge zur Verbreitung der Handfertigkeit ge-
macht worden,
indem ein baseier Verein bereits vier Werkstätten Die Beschreibung, welche mir von der bedeutendsten
errichtet hat.
derselben zu Klein-Basel vorliegt, zeigt, dass dort «arme, besonders
verwahrloste Knaben» Unterweisung
Art der deutschen Knabenhorte Doch haben bereits
erhalten,
Curse
vier
mehr
also
der
in
allgemeinen Schülerwerk-
der
als
stätten.
Ausbildung
zur
von
Lehrern stattgefunden, ein Zeichen, dass die Bewegung ihren Fort-
gang nimmt. In Belgien bestehen schon in
denen gewisse
unterricht
rühmte
in
Besserungsanstalt,
diesem
Jahrzehnt
Kalken, der
System
in
in
das Seminar
gegeben,
in
in
Schweden
Art
das
in
gehalten
zur Folge hatte,
studirt hatte, das dort geltende
zu Brüssel verpflanzte,
worden,
In Holland der
ln Folge dessen
das dahin
Derselbe
anzubahnen.
der Volksschule
Handwerkern gegeben.
Clauson-Kaas
aller
ist. Eine Anregung zur Anunserem Sinn wurde jedoch erst indem der Semiuarlehrer N. van
Dresden von Clauson-Kaas ausgebildet war, später
in
Unterricht
dort von
Handarbeit
der
in
50 .fahren Industrieschulen, in Verbindung mit Schul-
besteht in Ruysselede eine be-
aufgenommeu
der Handfertigkeit
auch die Handfertigkeit den
Auch
werden.
Erziehungsprogramm pflanzung
seit fast
gewerbliche Arbeiten
gepflegt
die
sind
ist
ein
Gründung
strebt,
wird
Vortrag von eines Vereins
etwa 50 Slöjdschulen
er-
richtet worden.
England verhielt
sich lange Zeit abwartend.
In letzter Zeit
Digitized by
Googl
739
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung. scheint jedoch
dahin
scheint
ein
erwacht zu
lebhafteres Interesse
zu werden
gestrebt
Mädchenschulen einzuführen.
sein.
Ja, es
den Slöjdunterricht auch in Wenigstens hat sich in den letzten ,
Jahren eine ganze Reihe von Damen in Schweden und
in
Leipzig
ausbilden lassen. In Frankreich
bereits
ist
1882 durch
ein
Gesetz die Hand-
zum Uebungsfach in allen Lehrerseminaren und Volksschulen gemacht worden. Das Beispiel hierfür hatte Professor Salicis ge-
arbeit
geben, der in Paris
Jahr 1884
soll
Bis
erste Arbeitsschule begründete.
die
zum
der Unterricht bereits in 80 pariser Volksschulen
eingeführt gewesen sein.
Wiederholt haben Delegirte Frankreichs
Reisen durch Deutschland und Schweden unternommen,
um
die dort
Die Regierung war fest zu studiren. gesammte männliche Jugend des Landes in der Handunterweisen zu lassen. Wenugleieh ein solches Unternehmen
bestehenden Einrichtungen gewillt, die
arbeit
naturgemäss
viel Zeit
beanspruchen muss, zumal es dazu einer be-
deutenden Anzahl von Lehrern bedürfte,
so
werden doch
bis jetzt
nur erfreuliche Nachrichten von den dortigen Fortschritten gemeldet.
Dänemark hat
unstreitig das Verdienst,
für Hausfleiss vieler Orten
Agitation Clauson-Kaas’ das Interesse
zu
angeregt
Vielseitigkeit,
haben, die
es scheint
nothwendig
durch die lebhafte
dass
aber,
die dort befürwortete
zum Dilettantismus führen muss,
gegenüber der nur erziehlich fruchtbare Arbeitsfächer berücksichti-
fast
Aus industriellen oder socialErwägungen entstanden, kann ihr auch in der Art der wenig pädagogischer Werth zugesprochen werden. Wir kommen nun zu Sch weden, dem Lande, welches seit 20 Jahren in immer steigendem Mass die Augen aller Freunde
der
Handfertigkeitsidee
genden Richtung nicht bestehen kann. politischen
Ausführung
derselben
ist
Deutschland
jedoch,
absehen,
auf sich
zieht.
Die eigentliche Mutter
wenn wir von den geringen Anfängen
Uno Cygnaeus,
Finnland.
der
in
Begründer
der heutigen finnischen Volksschule, hatte sich in Deutschland mit
den oben dargelegten Ideen Pestalozzis, sowie mit den praktischen
Versuchen seines Lehrers Froebel seit
Durch
eine
technische Handarbeiten
als
Schule eingeführt.
wurden in
befreundet und, zuriickgekehrt,
1860 den Handfertigkeitsunterricht
in die
als formales Bildungsmittel
Verordnung vom Jahre 1866 obligatorisches Uebungsfach
den Lehrplan der Semiuarien und Stadtschulen und «Slöjd» als
solches in den Unterricht der ländlichen Volksschule ‘
O. Salomon «Haiidfertigkeitssckule
u.
aufgenommen 1
Volksschule», Leipzig 1883.
p.
.
B3.
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Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung.
740
schwedische Bezeichnung für Ausbildung der Handgeschicklichkeit in ausdrücklichem Gegensatz zum Gewerbe. Angewandt wird das Wort meist auf Holzarbeit. In Schweden selbst war zwar in einer Schule zu Upsala schon seit 1854 die Handfertigkeit eingeführt, weitere Fortschritte machte sie jedoch erst, «Slöjd«
als
ist eine
man
Finnland
in
aufzuweisen ver-
Erfolge
günstige
bereits
Schweden zunächst in die öffentliche Hier bildete sich die erziehliche Richtung aus, die heute Nääs zu ihrem Centrum hat, während daneben an anderen Orten wie in Claestrop und Göteborg, die Arbeitsschule zu erwerblichen Zwecken Pflege findet, etwa dem Jetzt drang
mochte.
sie in
Schule, sodann in die Volksschule
Unterschiede
zwischen der leipziger und der görlitzer Richtung
Nääs benutzt den Slöjd
Deutschland vergleichbar.
in
als allgemeines
Erziehungsmittel, Göteborg will geschickte Handwerker Vorschulen.
Der
Seminar zur Ausbildung von Slöjd-
erstere Ort, der heute als
lehrern Weltruf besitzt, verdankt dieses Emporblühen seinem reichen
Besitzer Abrahamson, der in hochherziger
auf diese Gründung plan
verwandt
Weise grosse Capitalien
Die Direction
hat.
des Seminai-s
den bewährten Händen des Herrn O. Salomon.
liegt in
enthält
Tischlerei,
wissenschaftlichen Fächern
neben
Drechslerei
Schnitzarbeit,
Schnitzen
ist
wie
hier
schnitzen zu verstehen,
in
Der Lehr-
Elemente der
und Schmiedearbeit.
Leipzig nicht
sondern
die
das
Frei-
Unter
oder Natur-
das Kerbschnitzen, das, dem geo-
metrischen Zeichnen vergleichbar, mit Hilfe von Cirkel uud Lineal
ausgeführt wird und auf geometrische Grundformen zurückgeht.
Aeusserst
thätig
für
Verbreitung
der
Handfertigkeitssache
Vorträge
viele
Anhänger gewonnen
—
war
der ihr durch zahlreiche
auch der deutsche Bildhauer 0. Ahlborn,
In ca. 700 Schulen soll
hat.
daselbst bereits vor zwei Jahren der Slöjd eingeführt gewesen sein.
Auch von
der Einführung
Cultusministerium viel für
>n
die
Gymnasien verspreche
sich das
der Schul-
die GesundheitsverhältP'sse
jugend.
In Russland zeigt sich auch bereits seit 10 Jahren esse für
Den
Aufnahme technischer Beschäftigung
ersten Schritt
zur Verwirklichung
Ostseeprovinzen gethan, der Erfolg
Wege
viel
haben
die Leiter,
wol die
auch
wenn
zu wünschen übrig Hess, rüstig auf dem betretenen
fortgeschritten.
dem emdener Cursus, durch
und seitdem sind
viel Inter-
in den Schulunterricht.
der Idee
Am
Januar 1878, also zwei Jahre vor sich in Folge persönlicher Anregung
10.
bildete
Clauson-Kaas Ja Dorpat der «Verein
zur
Förderung des
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Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung. Hausfleisses v.
in
Land»
und
unter
der alsbald Theilnehmer
Stryk-Palla,
Kaas zu
Vorsitz
zu
unbedeutenden Kosten
des
74 t
Herrn A.
eiuem durch Clauson-
Derselbe fand, nachdem
leitenden Arbeitscursus suchte.
nicht
die
Stadt
worden
gedeckt
waren,
den
in
Monaten September und Oetober 1878 in Dorpat unter Betheiligung von 48 Herren und 19 Damen statt, nachdem eine dorpater Lehrerin, Frl. Baranius, im Sommer desselben .Jahres sich in Kopenhagen durch Theilnahme am dort abgehaltenen Cursus zur Leitung der weiblichen Abtheilnng vorbereitet hatte.
Dieselbe hatte die Schul-
einrichtnngen in Stadt und Land in Bezug auf ihre Anwendbarkeit in
unseren Verhältnissen
Baranius für ungeeignet
sah, dass dieselben auch dort
erlernt wurden.
fühlte sich
jedoch
in ihren
Mehrere der dort betriebenen Arbeiten
wartungen getäuscht. Frl.
geprüft,
Erhielt
unsere Mädchenschulen oder sie
für
zum Kuabenunterricht von den Damen
Durch das Entgegenkommen des Vereinsvorstandes
dem dänischen
gelang es ihr denn auch, gewisse Abweichungen von
Programm von Herrn Olausou-Kaas zu erwirken.
In acht Stunden
täglicher Arbeit trieben die Herren Tischlerei, Korbflechterei, Buch-
binderei und Papparbeit, Bürstenbinderei, Laubsägearbeit, Einlege-
und Poliren, Bildschnitzerei,
arbeit
Damen
die
flechterei,
und
Bildschnitzerei
Stroharbeit
,
ausgenommen an
deren
und methodischer Handarbeitsunterricht
flechterei
Wie gering die Programm in den
und Stroh-
grobe Stroharbeit
dieselben Arbeiten,
grobe
Tischlerei,
Spahngewöhnlichem
Stelle
in
Sinne kamen.
Fertigkeit sein kann, die bei einem
so reichen
einzelnen Fächern
geht daraus hervor, dass man von Clauson-Kaas
zu
nach
erzielen
ist,
im ganzen
48stündiger Arbeit das Recht, in Tischlerei zu unterrichten, erhielt,
während im leipziger Seminar 240 Stunden dazu erforderlich sind, hier gegen 200 zum Ziele führen, obwol in Leipzig das Buchbiuden nicht geIm übrigen stellt der Leiter den Theilnehmem am lehrt wird. ähnlich in der Papparbeit, in welcher 48 Stunden
dort
dorpater Cursus ein überaus günstiges Zeugnis aus.
Die Erfolge, was Verbreitung des Hausfleisses in den Schulen betrifft,
lassen
Verein, wie
Eingang
heute als gering bezeichnen.
1878
Vertrauensmänner
den
der Idee
— 1887
in Stadt
die niederen Schulen
in
reisen mit
sich
die Berichte von
thätig, durch
Zwar war
ausweisen,
der
unermüdlich
und Land dem Hausfleiss
zu verschaffen,
gewonnenen Anstalten
durch Revisions-
Fühlung
zu
be-
halten, durch Ausstellungen das Interesse zu beleben, endlich neue
Seminarcurse
zur Ausbildung
von Lehrern
zu veranstalten.
Au
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742
Die Handarbeit im Dienste der Knabeaerziehnng.
Theilnahmlosigkeit
Mangel an
vom
bericht
Landvolkes
des
opferwilligem
J. 1881
der
Mittellosigkeit
,
Interesse
der
gebildeten
Schale,
Bevölkerung
Während daher der Vereins-
Bemühungen.
scheiterten die meisten
35 Schulanstalten aufführt,
denen Hausfleiss
in
gelehrt wurde, kann der letzte, 1887 erschienene nur noch folgende
Schulen nennen, die
der Sache treu geblieben sind:
das estnische
Gemeindeschullehrer-Seminar, die Parochialschulen zu Lemsal, Uexkttll,
Wendau, Eecks,
Magdalenen;
Kaunap&h,
Hallist,
ferner 6 Gemeindeschulen.
Thatsache, dass der Hausfleiss bei uns
auch
dadurch
,
dass
Lehrer
Talkhof und
zurückgegangen ist, ihren Wirkungskreis
Pastore
oder
Marien-
Vielfach erklärt sich die stetig
verliessen und durch
Männer
ersetzt
saclie fern standen.
So
B. durch die Entfernung des Pastor
Brandt
Palzmar,
in
wo
Gegend,
ist
z.
einer
in 9 Schulen
Arbeitsunterricht erhielten,
433 Schulkinder
der Hausfleiss-
die
rührigen
überaus
Hausfleiss
beiderlei
Geschlechts
dieser Segen entzogen worden,
stens scheinen augenblicklich
Von
wurden,
den
für
zum Verein
Beziehungen
die
weniggelöst.
weit tiefer gehendem Einfluss vollends
muss die Regierungsmassnahme sei’), der zufolge unsere Landschulen dem Einfluss der protestantischen Geistlichkeit entzogen werden. Immerhin darf der Versuch, den unser Haustteissverein mit so anerkennenswertbem Eifer gemacht hat,
noch nicht für verunglückt gelten.
wird die verwandte Bestrebung
wie in Deutschland besser gedeihen.
auf dem
Einzelne Ansätze
Vielleicht
erzieherischen Handfertigkeit
der
vorbereiteten Boden
schon
hierzu
sind
um
so
jetzt be-
bereits
merkbar.
Schon werkstatt
1883
hatten
Fortschritte
die
der
leipziger Schüler-
Aufmerksamkeit des Vorstandes des Livländischen auf sich gezogen, und man war mit Dr. Goetze Verbindung getreten. Daraus entsprang der Wunsch,
die
Hausfleissvereins in briefliche
wie
in
Leipzig der städtischen Schuljugend durch öffentliche Schüler-
werkstätten Gelegenheit zur Handarbeit zu geben.
wurde 1887 Herr A.
v.
Hofmann, der
seit
Hausfleisses beständig thätig gewesen war,
gesandt,
um
sich dort in der Lehrerbildungsanstalt mit den bezüg-
lichen Einrichtungen leitete der
der Sache,
bekannt
zu machen.
genannte Herr bereits
Professoren
In Folge dessen
1878 für Förderung des
vom Verein nach Leipzig
sowie Lehrer
in
im ganzen 19 Herreu, sich
arbeit, Tischlerei
Im
II.
Semester 1887
Dorpat einen Cursus,
in
welchem
von allen Schulen und andere Freunde in
die
Elemente der Papp-
und des Kerbschnitts einweihen Hessen.
Dieser
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743
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung. Cursus wurde mit Hinzunahme der Metallarbeiten auch im
worauf unter
1888 fortgesetzt, schulten Lehrer
im
II.
der nunmehr vorge-
der Leitung
Sem. 1888
In derselben wurden
wurde.
Sem.
I.
eine Schülerwerkstatt eröffnet
die vier
genannten Lehrfächer nach
den in Leipzig geltenden Grundsätzen gelehrt, und bereits im ersteu
Semester wird eine grössere Zahl von Schülern beschäftigt, ein Zeichen, dass die gebildete Bevölkerung Dorpats dieser Erziehungsidee viel i
Doch schon
Vertrauen entgegenbringt. stadt nicht für
mehr
steht unsere Universitäts-
In Riga hat
alleiu da.
durch
praktische Arbeit
die
Herr Oberlehrer Schlau und private Be-
einen Vortrag
mühungen Interesse zu erwecken versucht, und es ist ihm, obgleich er anfangs nicht viel Entgegenkommen fand, gelungen, die Entsendung des technisch recht beanlagten Lehrers Meyer zu dem diesjährigen leipziger Sommercursus zu erwirken, der schon vorher eine
Privatwerkstatt
richtet hatte.
Nach
für
und Laubsägearbeit eingeRückkehr aus Leipzig setzte er den
Kerbschnitt
seiner
privaten Unterricht im Kerbschnitt und Papparbeit mit 44 Schülern fort.
Die Energie und Aufopferung, mit der Herr Meyer
fast
ohne
jede Unterstützung der für richtig erkannten Erziehungsidee in der
Hauptstadt unserer Provinz Boden zu gewinnen sucht, verdient die Auch im Laudesgyinnasium zu Birkenruh vollste Anerkennung.
wurde im
II.
Sem. 1888 Handarbeit getrieben.
Den Verhältnissen
entsprechend, die das Fortbestehen der Schule fraglich
erscheinen
gewagt werden. Alle kostspieligeren Einrichtungen mussten gegenwärtig, obwol das Schulcollegium sich dem Unternehmen durchaus günstig zeigte, vermieden werden. Doch fanden sich, obwol wegen Mangels au Lehrkräften nur die vier unteren Klassen herangezogeu werden konnten, sogleich 40 Knaben zur Theilnahme an Papparbeitscursen bereit, während die übrigen abwarten wollten, ob sich ihnen Gelegenheit Hessen, konnte nur ein bescheidener Versuch
bieten würde, die in Aussicht gestellte Tischlereiarbeit zu erlernen.
Die Schüler zeigten ein ungemein lebhaftes Interesse arbeit,
das
des
trotz
strengen Lehrplans,
sich fügen mussten, bei fast allen bisher
Handarbeit hat sich hier als allein in
für die
Hand-
die Theilnehmer
ein überaus wichtiges,
kaum zu entbehrendes Erziehungsmittel
ist.
Die
für Internate
Jedoch
erwiesen.
nicht
Livland sind Versuche mit Einrichtung von Arbeitsschulen
gemacht worden. Vorträge
dem
rege geblieben
Clauson-Kaas hat auch
gehalten,
Arbeitsschulen ins
und
Leben
in
in
beiden Städten
getreten.
Mitau und Goldingen sind
In wie weit
in
Folge dessen
dieselben
noch
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Google
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung.
744
heute bestehen,
von Goldingen leider
mir
ist
In Miiau
worden.
besteht
Werkstatt
die
Umstand, dass ihr Leiter, Baron
an den leipziger Cursen 'entsandt wurde, berechtigen,
bekannt ge-
nicht
und der
unausgesetzt,
diesem Jahre zur Theilnahme
ß., in
scheint zur Hoffnung zu
mitauer Werkstatt methodisch den heute in
dass die
Deutschland geltenden Anschauungen gerecht weiden wird. kannt
—
Be-
dass auch das Ministerium der Volksaufklärung
ist ferner,
der Frage seine Aufmerksamkeit zugewandt hat und sich für Verbreitung
der Arbeitsschulen
wurde deswegen
ein
lebhaft
Leider
ist
Aus
interessirt.
Petersburg
Lehrer nach Schweden geschickt, und es sind
seitdem in der Reichshauptstadt Werkstätten
meine Bemühung, Näheres
über
eingerichtet worden.
zu erfahren,
dieselben
erfolglos geblieben.
Es erübrigt nun noch die Frage zu beantworten, ob die im Obigen in ihrer Entwickelung und gegenwärtigen Verbreitung geschilderte Idee, die Handarbeit in den Erziehungsplau der männlichen
vom pädagogischen Standpunkt,
Jugend einzufügen,
als be-
rechtigt gelten darf, ferner, welcher der augenblicklich vertretenen
Richtungen der Vorrang vor den anderen gebührt, localen Verhältnisse
baltischen Provinzen
unserer
endlich ob die die Pflege
der
Handfertigkeit empfehlen und in welcher Ausdehnung.
Mir scheint
treffliches Hilfsmittel der sittlichen
des
Knaben
wie der körperlichen Erziehung
Nur durch
sein kann.
die Handarbeit ein vor-
dass
unzweifelhaft,
es
Selbstthätigkeit,
geistige
wie
physische, kann sich der Charakter bilden.
Die geistige Gymnastik
pflegt ja die Schule genügend, ja es ist bei
dem
der unausgesetzt
eifrigen Schüler,
häuslichen Aufgaben
Ansprüche
erreicht,
gewissenhaft
dem Unterricht anfertigt,
wol
folgt
und seine
der Gipfel
die an die Geistesthätigkeit des
des Jünglings gestellt werden dürften.
wissens-
fleissigen,
der
Knaben oder
Dass dagegen die
sittliche
Energie und der Wissenstrieb nicht immer gleichen Schritt mit der
Entwickelung der Iutellectualität
hält, sieht der
aufmerksame Beob-
achter gar oft selbst an den wissenschaftlich tüchtigsten Schülern.
Knaben, welche
in
durst zeigen, der alles,
zu wollen scheint,
unteren Gymnasialklassen einen Wissens-
den
was
in
seinen Bereich
erlahmen allmählich.
äusserlich ihre Pflicht
das rege Interesse aber
in
Sie
kommt, verschlingen thun vielleicht noch
Folge der Gewöhnung und aus Ehrgeiz,
fehlt.
In den Ferien empfinden sie
kaum
den Trieb, sich auch nur durch gute Lectüre fortzubilden, und ein-
mal
der Zucht
der Schule
entwachsen,
fehlt
ihnen
der sittliche
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Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung. Ernst und die Willenskraft,
Wie
zu erreichen.
Ziel
die
viele,
745
Zwanges ihr befriedigend das Gymnasium
auch nach Fortfall
des
absolvirt haben, verlassen vor beendetem Studium die Universität, weil ihnen
ein
Schule wird
tieferes
daher
oft der
Vorwurf gemacht, dass
Erziehung
für die allgemeine
Der
wissenschaftliches Interesse abgeht.
zu wenig
sie
zu einseitig das Lernen betone.
tliue,
Ich will hier nicht die Berechtigung dieser und vieler anderer Anklagen, die heute lebhafter als je gegen die Schule erhoben werden,
Eins scheint mir unzweifelhaft, dass gar oft die Er-
untersuchen.
folge der Schulerziehung der
aufgewandten Kraft nicht entsprechen.
Die geistige Arbeit würde erfolgreicher körperlicher
Nun
ist die
Thätigkeit
und
Denn iudem
weiterer Anstrengung
zu
Willen neue Aufgaben, die erfasst,
und
wenn sie in vielseitiger Gegengewicht fände.
denkbar nützlichste Körperthätigkeit uaturgemäss
welche sich schadend äussert. entlastet
sein,
entsprechendes
ein
er
die Arbeit
kräftigt,
die,
den Geist
stellt
sie
dem
der Abwechselung wegen begierig
macht den Körper,
vor
Auge und Hand, die Der Knabe empfindet Handhabung des Hobels,
allem
wichtigsten Organe des Menscheu, geschickt.
nach mehrstündiger geistiger Arbeit
die
Diese Erfahrung wird von namhaften Physiologen bestätigt, nach deren Urtheil wirksame Erholung eines überangestreugten Organs nicht durch völlige Ruhe, sondern durch Aenderung der Thätigkeit erreicht des Pappmessers, der Feile nicht als Anstrengung.
wird
Wir spüren
die körperliche
Ermüdung nach
einer anstrengen-
den Fusstour nicht, wenn wir anregende Unterhaltung finden oder ein
Buch unsere Aufmerksamkeit
erholen
wir
uns
am
besten
fesselt.
durch
Vom Studium müde
aber
einen Spaziergang oder durch
Noch höher muss der Werth einer solchen Erholung in den Augen des Erziehers steigen, wenn sie selbst in den Dienst der Erziehung tritt. Es ist eben kein'e Unthätigkeit, Kanu denn überhaupt ein körperlich der das Kind sich hingiebt. körperliche Arbeit.
und geistig gesunder Knabe je unthätig sein? Stets sucht er sich doch eine Beschäftigung, und die schönste nach seinem Geschmack ist
immer
diejenige, durch die er sich neue
Gegenstände
verfertigt.
Dieser Trieb, zu schaffen und umzugestalten, zeigt sich in den ersten
Lebensjahren im Kinde und braucht nur
Bahn geum ungemein fruchtbar zu werden. Dabei verzunehmende Kraft beständig nach Hindernissen. Auch das Spiel erfreut nur dann, wenn es Schwierigkeiten zu überwinden gilt. Man braucht also dem Knaben nur allmählich sich steigernde, in
die richtige
lenkt zu werden,
langt die
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746
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung.
zweckmässig ausgewählte Handarbeit zu geben, und man kann
es
allmählich dazu bringen, dass er in seinen Freistunden bedeutende technische Fertigkeit
andere weniger
Der
erwirbt.
eine wird dieselbe mehr,
seinem Beruf oder
in
der
Häuslichkeit anzu-
in seiner
wenden Gelegenheit haben, unnütz ist sie nie. Denn die Erziehung nicht, wie viel Nutzen der Schüler einst von dem auf der Schule erworbenen Wissen und Können haben wird, sie verfolgt fragt
nur das
hohen Vollkommenheit aber
soll
körperlichen Kräfte
und
geistigen
seine
Ziel,
möglichst
der Handarbeit
zu einer
Durch Hinzunahme
zu führen.
geistige Bildung
die
nicht
im
leiden,
da die praktische Arbeit in der Erholungszeit geübt werden und erst eine wirksame Erholung ermöglichen soll, schadet Gegentheil,
sie
keineswegs,
Bildung
der geistigen
Wird
indirect.
zugegeben
vollends
Willensgymnastik
indem
ist,
fördert
dass
,
vielmehr
dieselbe
Handarbeit
die
eine
das Kind gewöhnt, die Sprödigkeit
sie
des Materials zu überwinden, die ungeübte
Hand an den Gebrauch
der einzelnen Werkzeuge zu gewöhnen, alle sich entgegenstellenden
Schwierigkeiten zu überwinden, so
Hoffnung nicht zu kühn,
ist die
dass der so gekräftigte Wille auch die Aufgaben, welche die Lernschule au ihn
bereitwilliger wird lösen lernen.
stellt,
Freilich ist der
Einwand
berechtigt, dass ja auch die Schule
dahin strebt, durch den Unterricht den Willen zu kräftigen
nach flerbart jeder Unterricht erziehend den Willen in Zucht nehmen.
sein,
ziehende Unterricht jede Unterstützung abzuweisen,
vielmehr oft bedürftig einseitige
doch
ist
er ihrer nicht
Ein starker Körper erträgt die beständige Geisteskräfte, der schwache Organismus
Anspannung der
erliegt ihr.
erlahmen.
Statt
Und
gefestigt
als
muss
zu werden,
wenn das
selbst
mancher Beziehung üben
'?
soll
;
das Interesse anregen,
Gewiss, braucht aber deshalb der er-
der Wille vielfach
der Fall
nicht
ist,
vermag
in
Handarbeit wirksamer die Willenskraft zu
die
indem
die Kopfarbeit,
sie
Die Mäugel einer lateinischen Arbeit
einen regeren Sporn enthält. sieht
der Schüler trotz der
rothen Striche nicht so klar ein, als die eines windschief geschnittenen
Kästchens.
Dort
und der Schüler hier sieht
und
blos
ist
das Unheil
des Lehrers
er
die Fehler selbst,
versehen und traut sich die Fähigkeit zu, keit
massgebend,
sieht oft nicht die Möglichkeit es besser zu fühlt
er weiss,
machen;
worin er es
mit mehr Aufmerksam-
und Bemühung es eben so gut
Kamerad.
Er versucht
das Gelingen nicht aus.
es gern
zu machen wie jeder andere immer wieder, und zuletzt bleibt
Erfahrene Handfertigkeitslehrer aber ver-
Digitized by
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung. sichern,
Leistungen innerhalb der Schule hatten. zu glauben,
Knabe
sieht,
Ich stehe nicht
an,
das
denn gefährliche Feinde des Unterrichts, Flüchtigkeit
und Unordnung,
sie
werden hier aufs
Der
bekämpft.
schärfste
wie die kleinste Ungenauigkeit sich rächt, der Fleck
auf dem schönen selbstgefertigten Pennal stört ihn jemals
747
dass gar oft diese Fortschritte ihre Rückwirkung auf die
vorher
der Tintenfleck
in
seinem Heft.
weit mehr als
Allmählich
ver-
So werden durch die Handarbeit verschiedene in Nicht gering zu der Schule störende Unarten wirksam bekämpft. veranschlagen ist endlich die Bildung des Geschmacks und des schwindet beides.
Farbensinnes, auf welche hinzuarbeiten jedes Fach des Handfertigkeitsnnterrichts
nommen
bei
weit mehr Gelegenheit
dem
sich für den
gezwungen
Nutzen sagen,
hat als die Schule,
ausge-
unsere Gymnasien
leider
deu
Zeichenunterricht,
recht zu vernachlässigen
sind.
und
Dies
mehr Hesse
den der Handfertigkeitsunterricht der
Erziehung, indirect auch dem Unterricht bringt.
Doch auch
directe
Vortheile für die wissenschaftliche Förderung müssen sich ergeben,
wenn
dem Herbartschen Grundsatz der Concentration den Handarbeitsunterricht mit dem Lehrgang und Lehrstoff in Einklang zu bringen. Denn einmal muss der Knabe durch die nach
es gelingt,
Behandlung der Pappe, Beobachtungen machen,
der Metalle
des Holzes, die in
eine
Fülle
von
dem naturwissenschaftlichen Unter-
richt ihre Erläuterung finden, er wird
beim Zuschneiden der Pappe,
beim Schnitzen und Bearbeiten des Holzes gewissermassen praktisch Geometrie lernen; es kann aber bei richtiger Leitung der Arbeitsunterricht auch in
Dienst
den
Bezug auf
die
des Lernunterrichts
herzustellendeu Gegenstände in
treten.
Schon
bisher
hielt
der
Lehrer im Stereometrieunterricht den Schüler dazu an, sich die Körper in Pappe nachzubilden, und in den Physikstundeu suchte er ihn zur Anfertigung einfacher Apparate auzuleiten.
Knaben besessen aber ihnen
ein Leichtes
Wie
die dazu erforderliche Geschicklichkeit?
künftig ein grosser Theil der Schüler technisch geübt, sein,
nach Anweisung
des Lehrers
viele
Ist
so wird es
oder eines
Hilfsbuches derartige Vorrichtungen zur Illustration des Unterrichts herzustellen.
Ja noch mehr, der Philologe wird es erreichen können, aus dem Gebiet der Kriegsalter-
dass seine Schüler sich Modelle
thtimer oder zur Erläuterung der Wohnungsverhältnisse der Alten, ihrer die,
Bühne &c.
anfertigen.
Die Lectüre der antiken Literatur,
gerade weil die Mittel zur Veranschaulichung fehlen, oft ihres
Eindrucks auf die Jugend verfehlt,
aber
schon durch häufige Be-
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Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung.
?48
nutzung von Illustrationen weit fruchtbarer gemacht werden kann, wird ungemein viel Leben erhalten, wenn es gelingt, die Schüler für selbstthätige Unterstützung des Unterrichts im angedeuteten Sinne zu gewinnen.
Freilich bedarf es hierzu der
Mitwirkung der
Lehver, besonders auch derer, die an Gymnasien unterrichten, wie
noch in dem Stadium der ersten Versuche sich befindet. Wenn es aber mit der Zeit dahin kommt, dass Lehrer aller Schulen sich für diesen Unter-
überhaupt der deutsche Arbeitsunterriclit methodisch
richt interessiren
und nicht einen Feind, sondern einen Verbündeten
der Lernschule in ihm erblicken,
wenn
Mühe
selbst die
sie
seltenen, sich technische Fertigkeiten zu erwerben,
nicht
dann kann durch
Bemühung auf diesem Wege noch Grosses geleistet werden. Nun herrscht in Deutschland noch immer lebhafter Wider-
vereinte
spruch
die Frage, ob der Arbeitsunterricht innerhalb
Bezug auf
in
der Schule, oder als eine Einrichtung für sich bestehen
Osnabrück aus,
300 Schülern sage
ihres
würde,
besitzt, deren
Leiters,
ertönte
Zahl
das Doppelte
auf
lebhafter Appell
ein
bekennt
Von
genügendem Raum nach Aus-
in
einem
für
soeben
steigen
Trennung
die
1
erschienenen Auf-
dass er im Interesse des Concentrationsgedankens eine Ver-
satz»,
einigung der Arbeitsschule erst,
bei
Schulrath Brandi,
kürzlich
Dr. Goetze dagegen
soll.
blühende Schülerwerkstatt mit über
welches eine
wenn über
viele die
treffende Einzelfragen
mit
Bei meiner geringen Erfahrung eines Urtheils enthalten, keinerlei praktischen
der Lernschule
wünsche,
freilich
Ausgestaltung des Arbeitsunterrichts be-
grössere Klarheit
um
möchte
so mehr,
Werth hat
und ich
Einigkeit
mich
in
als dieselbe
herrsche.
dieser für
Frage
uns noch
Erst wenn es der Handfertigkeits-
ist, auch in unseren Provinzen Wurzel zu schlagen, und wenn ihre Früchte offenbar geworden sind, kann bei uns hierüber discutirt werden Bis dahin wird man aber in Deutschland
idee gelungen
und Schweden
Auch
in
Osnabrück
—
neue Erfahrungen gemacht haben. wer an der Arbeitsschule unterrichten soll,
bereits viele
der Frage,
herrscht unter den Freunden
der Idee
in
Deutschland Zwiespalt.
lässt unter der Oberleitung eines
technisch
Lehrers den Unterricht durch Handwerker ertheilen.
gegen
stellt 1
den Grundsatz auf: «der Lehrer werde nur
J. Backhaus, «Stellung
geschulten
Leipzig da-
vom Hand-
und Gestaltung des Handfertigkeits-Unterrichts»,
Gotha 1888. '
Dr.
W.
Goetze, «Die Idee der Erziehung zur Arbeit, in ihrer praktischen
Ausgestaltung».
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Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung.
749
werker, der Schüler nur vom Lehrer unterrichtet, dei aich immerhin von einem
Handwerker berathen Es mag
für das Letztere bekennen.
Handwerker gefunden
um
den Unterricht
hat, die
an Schulen
wird es nicht möglich
Es bedarf der
lasse.» Ich muss mich auch sein, dass man in Osnabrück genügend pädagogisch beanlagt sind,
erfolgreich zu ertheilen.
Wahl um den
sein, eine solch glückliche
vollen Autorität des Lehrers,
Der Handwerker versteht
zeigen,
und auch das oft
Häufig treffen.
immer aufs neue zu wieder-
veranlassen, den misglückten Versuch holen.
zu
Schüler zu
nur das «wie» zu
in der Regel
in einer für die
Auffassung des Knaben
nicht genügenden Weise; auf die Frage nach
dem «warum» weiss
Antwort zu geben. Und doch ist es für die unumgänglich nöthig, dass sie nichts
er selten eine klare
Erziehung unserer Schüler gedankenlos thun
warum
;
dieses oder
gerade
der
in
beständig
für den Unterricht
dass nur darf.
Will
fruchtbar machen,
der Lehrer
Was
auftretenden Frage,
jenes gerade so zu machen
bedeutenden Nutzen der Handarbeit.
selbst
die
man
so liegt
Unterweisung
ist,
sehe ich einen
diese endlich auch
der Hand,
es auf in
Händen haben
dagegen angeführt wird, scheint mir nicht stichhaltig.
Die eine Schwierigkeit,
auf welche Backhaus
hiuweist,
dass
es
schwer halten dürfte, eine genügende Anzahl technisch geschulter Lehrer zu
finden,
gesetzt jedoch,
mag
dass
ja
hier
und
die Schule die
da vorhanden
sein.
Voraus-
Begründung von Werkstätten
wünscht, wiid sie wol auch die Lehrkräfte dazu beschaffen können.
Dass das möglich ist, beweist vor allem Leipzig, das heute eine ganze Anzahl technisch geschulter Lehrer besitzt, uud auch in Dorpat hat sich, wie wir sahen, eine genügende Anzahl von Lehrdie sich der dankbaren Mühe unterzogen, um ungesäumt den für gut erkannten Plan zu verwirklichen. Eben jene Herren widerlegen auch den zweiten Einwand des osnabrücker Pädagogen, in 4—8 Wochen könne sich der Lehrer nur stümperhafte Fertigkeit erwerben, durch die That. Denn, wie ich aus eigener Erfahrung versichern und durch das Urtheil tüchtiger Handwerker belegen kann, ist, was in jenen acht Wochen und
kräften gefunden,
fortgesetzter
Uebung
geleistet wird,
selbstverständlich
bei
meistenteils gut.
Die energische, unausgesetzte Arbeit des Lehrers
stetig
innerhalb zweier Monate sichert demselben der nur zwei Stunden in der
Woche
dem Schüler gegenüber,
beschäftigt
wird,
einen Vor-
sprung von mehreren Jahren, welcher Zeitraum zur eigenen Fortbildung benutzt werden kann.
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Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung.
750
Mir scheint ausserdem
die
den sonstigen Schulverhaltnissen
bereite Frage ein Analogon in
zu
Wir
finden.
im Rechnen
der Elementarunterricht
dass
oder
finden gar oft,
im Latein
nicht
von einem Fachmathematiker oder Philologen gegeben wird, ohne dass der Unterricht dadurch an Werth verlöre. Die Beherrschung giebt solchen Männern sogar einen dem rein wissenschaftlich gebildeten Eben so wenig, als in den unteren Gymnasialklassen Philologen und Mathematiker ausgebildet werden sollen, will der ArbeitsDie Elemente der Handarbeit unterricht Handwerksmeister bilden. aber eignet sich der gebildete Mann bald an und weiss andere Im übrigen besser in ihnen zu unterweisen als der Handwerker. muss auch hier die Erfahrung .auf den richtigen Weg führen. Eine weitere Frage, welche noch der durch die Erfahrung zu gebenden Lösung wartet, ist die nach den Arbeitszweigen, welche ihres erziehenden Werthes wegen Berücksichtigung verdienen. Mit Recht werden jetzt diejenigen Beschäftigungen von der Schule zurückgewiesen, die rein mechanischer Art sind, wol gar von Blinden verrichtet werden können, wie das Bürstenbinden, Korbflechten &c. Ebenso ist man von der früher so beliebten Laubsägearbeit zurückgekommen. Da die Vorlage mechanisch copirt wird, das Aussägen der Muster eine äusserst gleichförmige Arbeit ist, ausserdem die bei dieser Beschäftigung erforderliche gebückte Haltung und die Anstrengung der Augen Bedenken für die Gesundheit in sich
der elementaren Lehrmethode
gewissen Vorzug gegenüber
Maun.
—
schliesst, ist in
den leipziger wie auch sonst
von
Deutschlands
werkstätten
Gewiss lassen
in
den meisten Schüler-
der Laubsäge
sich Beschäftigungen finden,
die
worden.
abgesehen
bildender und ge-
sundheitlich weniger bedenklich sind, doch scheint mir das Verdict-
zu streng.
Wegen
des decorativen Charakters der Laubsägetechnik,
der, vorausgesetzt, dass die
ge führt
sind,
den Sinn
Dienst der Tischlerei
Muster stilgerecht und sorgfältig auszu wecken und zu
für Formenschönheit
pflegen durchaus geeignet
ist,
gestellt
möchte ich diese Art Arbeit beibehalten
wissen.
Anwendung kann von gesundheitsschädlichem Rede
sein,
und was die Nutzbarkeit der Gegenstände
sind sie denen aus leichter
nicht
den
betrifft,
die
so
Pappe mindestens gleichwerthig.
Allgemeinen Beifalls erfreut sich
um
in
massiger
Bei
Einfluss
Leipzig,
die Tischlerei, in
jeden Verdacht des Handwerksmässigen abzuwenden, schlechthin
Hobelbankarbeit genannt. seminars Osnabrück pflegen
Nääs und
in
Nachfolge dieses Muster-
sie ausschliesslich.
Der Schüler
soll
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G£c i
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung. den Gebrauch
bei dieser Arbeit
der
wichtigsten Werkzeuge: Hobel, Säge,
7:'>1
zur Bearbeitung des Holzes
Hammer,
Stecheisen, Bohrer,
Winkelmass &c kennen lernen. Auge und Hand werden in hervorragendem Mass geübt, der ganze Körper vielseitig in Anspruch genommen, so dass neben dem formal bildenden Werth dieser Be-
Nach beiden
schäftigung gleichberechtigt der gesundheitliche steht. Seiten
stellt sich die Tischlerei
empfehlenswertheste Ab-
die
als
Eine werthvolle Ergänzung nach
lösung der geistigen Arbeit hin.
der Seite des Kunstgewerbes erhält sie durch den aus Skandinavien
heriibergenommenen
Kerbschnitt
auf
eine
,
streng
geometrischer
Grundlage beruhende, mit dem Schnitzmesser auszuführende Technik, vermöge welcher grössere Holzflächen durch vielseitig eombinirbare
Ornamentformen gelernt,
geschmückt
freie
«
die
in
werden
wird
und Ge-
Anspruch genommen werden.
in
von
meist
Schülerwerkstatt
der
da es Talent voraussetzt, nicht von jedermann
Wo
ist.
hohem Grade
Bildschnitzen»
ausgeschlossen, lernbar
Grundformen
Sache des Schülers, dessen Selbstthätigkeit
ist
schmack daher
Das
Die
werden.
dem jedesmaligen Zweck entsprechende Composition
die
derselben
er-
künstlerisches Schaffen angestrebt wird, ohne dass
Naturgabe dazu vorhanden
ist,
da muss schädlicher Dilettan-
tismus das Ergebnis sein.
Nächst
der Arbeit
grössten Beliebtheit.
in
Holz
erfreut
sich
die
in
Pappe der
In ökonomischer Beziehung hat sie vor jener
die weit grössere Billigkeit der Werkstatteinrichtung voraus.
Nachtheil
involvirt
Einen
die geringere Nutzbarkeit der herzustellenden
Gegenstände
,
gymnastik.
Doch werden Sicherheit der Hand nnd Augenmass
das
sowie
Fehlen
beim Zuschneiden der Pappe und kleine
Farben
Manipulationen bildet
sich
geübt,
der
einer
durchgreifenden
Körper-
des Papiers, wie durch vielerlei
und
durch
ästhetische
Zusammenstellung
Geschmack.
Für
der
kleinere
Knaben, deren Kraft zur Handhabung des Hobels und der Säge noch nicht ausreicht, ist die Papparbeit höchst nützlich. Durch die vielfache Verwendung der herstellbaren Dinge im Schulleben
Knaben noch besonderen Reiz und erzieht ihn zwanglos zur Schonung seiner Schulgeräthe und Bücher. Weniger verbreitet sind bisher zwei andere Arbeitszweige, enthält sie für den
welche sich in den leipziger und strassburger Werkstätten bereits
Heimatrecht erworben haben: Metallarbeit und Modelliren
Was
die erstere betrifft,
wenn der Knabe während Baltische Monatsschrift.
B«l.
so
kann nicht geleugnet
seiner Schülerjahre in die
XXXV, Heft
8 und P.
in
Thon.
werden,
dass,
Welt der Arbeit 50
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Google
752
Die Handarbeit, im Dienste der Knabenerziehnng.
eingeführt werden
völlig
die
sich
körperlichen und geistigen Ent-
seiner
abweichende Art der
Die Metallarbeit enthält durch Behandlung,
der Verbindungen, durch die Bekanntschaft wichtigen Stoßen
überaus
der Behandlung von
die Aufeinanderfolge
soll,
Pappe, Holz, Metall
wickelung naturgemäss anschliesst.
gewiss
durch
die
Neuheit
mit für unsere Cultur
Die Einwände, die dagegen erhoben werden, erscheinen nicht stichhaltig.
so
Denn wenn
wegen
genug.
der Arbeit von manchen Lehrern könnte man denselben Einwand gegen die
die Unsauberkeit
wird,
perhorrescirt
Benutzung
des Bildenden
so
des Leims erheben,
dem Schüler
die
gar
oder
der
vielen Tintenflecke
Benutzung der Tinte
arbeiten lernen will, darf unsaubere
jugendliche Hammerschmied seiner
Hände
Mama
untersagen.
Wer
nicht scheuen; ehe der
Augen kommt, kann ja jede Spur der unsauberen Arbeit mittelst Wasser und Seife entfernt sein. Dass die Kräfte eines Knaben dieser Art Arbeit nicht gewachsen seien,
kann
unter die
nur
der behaupten, der sich
eine falsche Vorstellung von derselben macht. 11
— 14jährige
Knaben,
schnitt unserer
die
Jugend erheblich zurückstehen, ohne
Feile und Löthkolben.
In Leipzig arbeiten
an Kraft überdies hinter dem Durchden Eindruck
eifrig
mit
zu machen,
Hammer, sie
wären
überanstrengt.
Auch mit dem
Modelliren,
einer Erweiterung des Zeichen-
d. h.
unterrichts durch Nachbildung geometrischer taler
Formen
in
Thon oder
Plastilina,
hat
Körper und ornamen-
man
in
Leipzig unter
der sachverständigen Leitung des bekannten Zeichenlehrers Flinzer erfreuliche Erfahrungen
gemacht.
Nicht mechanisches Abgiessen,
auch nicht künstlerische Bildnerei wird hier gelehrt, sondern eine Anwendung des Zeichnens auf den Raum. Gewiss muss eine solche Arbeit für den im Zeichnen geschulten Knaben von erheblichem
Nutzen
sein,
und von den erfreulichen Resultaten konnte ich mich doch wird die nothwendige Voraussetzung
persönlich überzeugen,
zeichnerischer Beanlagung des Schülers, eingehender Fachkenntnis
des Lehrers
einer
Dafürhalten
nach
strittige
weiten Verbreitung
im
Wege
stehen.
Fragen näher einzugehen,
meinem Auf manche audere noch
dieses Unterrichts
— muss
ich
mir leider versagen.
Es wäre zum Schluss zu entscheiden, ob und in welcher Ausdehnung die Einführung des Handfertigkeitsunterrichts in unserem Lande wünschenswerth erscheine. Die erste Frage beantwortet sich von selbst. Es liegt kein Grund vor, weshalb wir einen Lehrzweig, dessen Berechtigung wir
y
Google
753
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung. im allgemeinen anerkennen müssten,
das Erziehungswesen unserer
in
Provinzen nicht aufgenommen sehen möchten. wie es sich
In demselben Mass,
anderen Ländern bewährt hat,
in
Und zwar müsste
uns bewähren.
bei
würde
es sich auch
HandSchwer aus-
die Beschäftigung mit
arbeit den Schülern aller Schulen ermöglicht werden.
dem Lande
führbar dürfte dies zunächst auf liche Thätigkeit
des Vereins
unter
bildeten Bevölkerung des Landes,
und Pastore zum Ziel
lebhafter
vor
Ein
werden,
Hierin
nun
setzt jedoch zunächst
für unsere Erziehungsidee vor-
kann nicht durch theoretische Erörterungen
solches
weckt
beharr-
Mitwirkung der ge-
allem unserer Gutsbesitzer
Dies
kann.
führen
ein lebhaftes allgemeines Interesse aus.
wo nur
sein,
sondern
müssen
durch
einzig
praktischen
den
vorangehen,
die Städte
er-
Versuch. Linie
erster
in
die
grösseren, in denen der Sinn für Erziehungsfragen in einer grossen
ßevölkerungszitfer rege gebildeten
körperlichen
und
Ferien, einige
finden
Schuljugend
unserer
dauern,
thaten,
ist
kundiger Leitung es
nicht
schwer
ich
eine
füge
einige Stunden
der
dem
eigenen
täglich
in
den
zum Opfer bringen
ohne
Anzahl
von Lehrern
sein,
auch
nachher
es
zu be-
unter sach-
braucht
hat.
und das Ergebnis des Versuchs,
Nur sei
hoch
zu
worden,
so
einer Schüler-
den Anfang
für
ja
die
Ausgaben
sind,
noch ehe
damit
lehren,
Einrichtung nicht gleich anfangs
bewährt
gewonnen
die Einrichtung
Dieselbe
nur ein oder zwei Arbeitsfächer zu der Versuch sich
in
die
ihrem
hinzu,
Dorpat,
damit der Sache
werkstatt zu ermöglichen.
für die
unseren Werk-
in
derselben Männer,
Handfertigkeit ausgebildet und. ich glaube
behaupten zu können,
kann es
in
in der Schulzeit in
somit
in der
sich
Wohl
geistigen
Wochenstunden
nicht an tüchtigen und
genügendes Interesse
Ist
und,
wollen, wie es die Collegen
es
deren Hilfe wir
fehlt,
können.
entrathen
Lehrerwelt vorhanden,
Wohl
denen
in
ist,
Handwerkern
stätten nicht
der Anfang es
muss gemacht günstig oder nicht, etwa
nach Jahresfrist dem grösseren Publicum mitgetheilt werden.
Dann
werden auch weitere Kreise sich für die Handfertigkeitssache erwärmen, die ja in unmittelbarer Berührung mit dem Familienleben steht.
Sollte nicht eine Frage, welche seit einem
Decennium immer
weitere Kreise der Lehrer Deutschlands beschäftigt,
Beachtung finden heit wie
?
Haben
unsere Collegen
auch bei uns
wir auch nicht dieselbe reiche Gelegen-
im Auslande,
in
Directorenconferenzen,
Provinziallehrerversammlungen, allgemeinen Congressen und schul-
pädagogischen
Zeitschriften
unsere
Meinung
Uber
erzieherische 50 *
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p
Die Handarbeit im Dienste der Knabenerziehung.
754
Frageu auszutauschen, willig gewesen,
regte Fragen
so ist doch unsere Presse
jederzeit bereit-
dem Gedankenaustausch über angezu eröffnen. Es wäre
ihre Spalten
von allgemeinerem Interesse
an der Zeit, dass dies auch
dieser
in
Frage geschähe,
die
nicht
nur die Beachtung der Lehrer, sondern auch der Aerzte, Techniker, der Vertreter der Industrie und des Handwerks, ja jedes Familien-
dem die gedeihliche Erziehung seines Sohnes am Der Erfolg einer solchen öffentlichen Discussion, Versuchen ihre Ergänzung finden müsste, wäre ohne Zweifel der, dass vieles, was sich anderenorts bewährt hat, auch bei uns ungehindert Eingang fände, anderes vaters verdient,
Herzen
liegt.
die in gleichzeitigen praktischen
noch beanstandet oder, ausgeschieden
eignet,
man zur
als
unsere localen Verhältnisse unge-
filr
würde.
Nur auf diesem Wege aber kann Werth des neuen und doch so
völligen Klarheit über den
alten Erziehungsmittels gelangen.
Die Freunde des Handfertigkeits-
unterrichts in Deutschland blicken nach den vereinzelte!! Anfängen,
welche
in
unseren Provinzen gemacht worden sind, mit der Zuver-
sicht zu uns herüber, dass die einmal angeregte Idee bald bei uns
Mögen sie sich darin nicht in uns täuschen. Von hoher Wichtigkeit auch für unser Land, in unserer Zeit ist dass die Jugend zur Arbeit erzogen werde.
heimisch werden wird.
es,
Birkenruh.
M.
Böhm.
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Notizen.
Mlirchen und Sagen deB estnischen Volkes. versehen
von
Kymtnel.
R
m
Jalire
und mit Anmerknngeu
Uebereetzt
Harry Janusen.
1888.
Zweit«
1881 konnte die erste Lieferung
augezeigt
Riga,
Lieferung.
S. 203.
8.
werden (B. M. Bd. 28,
dieses
Werkes
hier
freuen
uns,
Wir
S. 445).
dass der Herausgeber von den Aufgabeu, die ihn siebdn nicht eben fruchtbare Jahre lang aufgehalten, sich abgewendet hat und wieder
zu der lohnenden Beschäftigung zurückgekehrt die volle
Begabuug längst bezeugt
unterbrochenen Fortgang
ist,
welche er
für
Wir wünschen
hat.
Empfindung und tiefem Verständnisse vollzogenen Arbeit führung
des Planes,
Heimat
und
eine
ihr
un-
und als Krönung der mit dichterischer vollständige
der Wissenschaft
die
Mythologie
estnische
Ausder
Hierdurch wäre erst
vorzulegen.
der Schlüssel zur rechten Würdigung des Märchenschatzes gegeben, der
in der
ansprechenden Fassung,
in
an unterhaltendem Reize wol genug
welcher
bietet,
mancherlei fremdartigen Züge, namentlich tretens des meteorologischen Gebietes leicht sich einbürgern dürfte,
wie
es
er
doch
um
willen,
uns
aber
erscheint,
wegen der
des starken Hervor-
im Hause
nicht so
der vertrautere Lebensboden
des deutschen Märchens gethau. F.
-'CZMMs'S®’'*?
B.
'-St-Srasias'-
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tsagle
Abschiedsworte.
läuten die Heimatglocken mit gar ernstem, traurigem
Vom Thurme
nge.
Dom
und
St.
Peter fallen
ein,
zu
und
Jakob
St.
über
hebt er an,
der
trauernde Stadt hin
die
weckt er den Widerhall weitum im Lande, vor allem in Pernau. Die evangelisch-lutherische Kirche Livlands hat ihr Haupt verloren,
der
Generalsuperintendent Hein-
livländische
Girgensohn ging am 26. October zur ewigeu Ruhe ein. Vom Herrn über Tod und Leben wurde er seines Amtes enthoben, das er um seiner Körperschwäche willen schon niederzulegen sich rich
und das
hatte
entschlossen
er
nur
verwalten
zu
gedachte, bis
seinem gewählten Nachfolger die Bestätigung ertheilt worden und er ihn eiugesegnet hätte.
Erinnerung
Nun haben
auch von ihm nur die
wir
!
und doch um nichts was der nun Entrissene im Leben
Schmerzlich emptinden diesen dürftigen zu missenden Rest
all
dessen,
geboten, seine nächsten Hinterbliebenen, die vertrautesten Freunde, die Landesvertretung, die Geschäfts-
und Berufsgenosseu, die Amts-
brüder, denen Girgensohn ein treuer ßerather, ein sorgsamer Führer, ein
unerschrockener Vertreter
gewesen.
In
der Stellung unserer
Kirche zu allen Lebensgebieten unseres provinziellen Daseins batte die
Hochschätzung
viel
weitere Kreise ergriffen
Provinzen
in
Nord
und
hat jetzt
und Süd
der Verlust Girgensohus
und trauert mit Livland
das Laud,
um
sehr
trauern die
die Einbusse
eines
werthvollen Mannes.
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758
Abscliiedsworte.
Acht Jahre stand der Verewigte auf dem hochragenden Posten, den seine Tüchtigkeit in jeglicher Berufserfüllung, nicht zum mindesten sein offener Blick, sein Geschick und seine ruhige Besonnenfür die kirchlichen Dinge rirra sacra ihm erworben hatten. Die Feier der fünfzigsten Wiederkehr der livländischen Synode im J. 1884 zu Dorpat theilt so ziemlich die Amtszeit des letzten livheit
ländischen
Generalsuperintendenten
zwei
in
Wol kann man
zeichnende Perioden.
scharf
kenn-
sich
heute den ersten Abschnitt
harmlosen betrachten, obschon während
als einen verhältnismässig
desselben die Empfindung nicht eben so war. Er gipfelte in jenem schönen Gedächtnis- und Sammlungsfeste, bei dem in Vertretung und Leitung der Geistlichkeit Livlands ihr Haupt angesichts aller zahlreichen Theilnehmer sich so ganz als der rechte Mann an seiner Stelle erwies.
Nicht
nommen.
plötzlich
ist
Girgensohn' seinem Wirkungskreise ent-
Seit drei Jahren hat er gegen
gekämpft,
das
seine Thätigkeit
tiberhoben,
er,
der Letzte
letzten Jahrzehnte.
gegeben,
aus
schwere Leiden an-
das
zu
wiederholt
manchmal längere Zeit gehemmt auf dem Platze. Nun ist er des
enden drohte und
Immer wieder
hat.
erschien er
pflichtgetreu geführten
der
Kampfes der
Familie
kircheleitenden
Die Girgensohn haben ja Livland viele Prediger
achtungswerthe
tüchtige
Männer
aber
;
ihre
pastorale
Bliithe gehört doch der jetzt aussterbendeu Generation
und speciell
dem Oppekalnschen Zweige der Familie an. Es ist Ereignis und wol werth im Andenken der Heimat zu dem alten revalscheu Superintendenten, der 25 Jahre
leben,
sitz
im Consistorium inne hatte, der jüngere Sohn
in
eiu seltenes
dass
seinen Vor-
der gleichen
Stellung folgte, der ältere livländischer Generalsuperintendent wurde,
während zwei Töchter und
eine Enkelin
nach einander als Haus-
frauen in der Generalsuperintendeutur Estlands schalteten.
Möge
das alte gute Blut in den Enkeln, wenngleich vielleicht anderen Namens, der evangelisch-lutherischen Kirche tüchtige
Im
seihen Oetobermonat
zwei Männer,
mit
hatte
deren Dasein
Männer zuführen
auch Estland
zu rechnen
!
den Schmerz,
zur Gewohnheit der
Zeitgenossen geworden, nun zur Vergangenheit zählen zu müssen.
Ausserhalb der persönlichen Stellung des Einzelnen,
Abbruch
eines vertrauten Verkehrs durch den
welcher den
Tod schwer zu
ver-
winden vermag, wird im Fortgange des Geschäfts- und des Gesellschaftslebens ja wol jede
Lücke
bildende Bedürfnis
neue Mittel
sich
immer neu der Befriedigung, wenn
ersetzt, schafft das
sich die
759
Abschiedsworte.
genommen werden.
alten versagen oder
dem
dem inneren Geistesauge der Erinnerung auf
wohlbekannten Kreise
da ein Glied
Fehlt
hat.
vertrauten Vorstellungen,
so
man und muss man
das Altgewohnte, Selbsterlebte,
:
dass die Wirklichkeit dem nicht entspricht, so
öde wird mehr und mehr.
Glücklich, die,
Antheilnahme an allem, was
um
ein
Mann
Otto Baron Budberg am Charakterbild
Stelle
dem
dim. 1.
keine
sich
dann sagen,
ists, als
ob die Welt
immer mitlebend,
in
der
Landrath
estländischen
so
»
ist.
an
dass
Keine anderen
Sein
worden
trefflich skizzirt
weiter getragen,
nichts hinzuzufügen
der Kette
und
schaut doch nur
October aus dem Leben.
der «Rev. Ztg.
ist in
und durch die anderen Blätter
die
her vorgeht, immer jung bleiben!
sie
schied im
in
kein Verstand
hilft
Phantasie die gähnende Leere auszufüllen
Solch
aus
ihm allmähliche Verschiebung er
deren
blickt,
mehr wahrgenommen
nicht
ists für den, der,
jenem Leben heraus auf einen anderen Standort
vollen Antheil an
versetzt, mit
der
Anders
dieser
als häufige
und
nahe gesellschaftliche Beziehungen haben Schreiber dieses mit dem aber
Verstorbenen verknüpft,
quicklichsten Niederschlag
ihr Gedächtnis
eines
er-
langjährigen ausgebreiteten Ver-
und Herrn erfreuen
Uebereinstimmung der Anschauungen Verf. sich seitens des alten in
dem
Die Verwandtschaft, vielleicht dürfte man sagen, die
kehrslebens.
auch
zu
gehört
die grosse Güte,
weil die im Stimmgewirr
Unterhaltung,
Harthörigkeit dazwischen halten mochte.
Im
gern
im
deren
durfte, gönnten ersterem
zahlreicher Gesellschaft den Genuss
seiner
besonders
lebensfrischen
hervortretende
Zwiegespräche sich
schadlos
mässig
beim ruhigen,
kleinen Kreise freilich,
laut geführten Meinungsaustausch gelangten
seine hervorragenden
Geistesgaben, sein nie schwankendes Urtheil, seine edle Gesinnung, sein
strenges
Rechtsgefühl
am
meisten
zur Geltung,
und
seine
Gegenwart hob oftmals die Plauderei zu höherer Würde. Ein Edelmann von echtem Schrot und Korn, war Landrath Budberg einer der edelsten und thatkräftigsten Vertreter
baltischer Selbst-
verwaltung. Sein Schwager, der dim. estländische
Landrath Ferdi-
nand von Samson Hi mmelstierna, kaum -
jünger, folgte ihm
am
7.
October
in
den Tod.
drei
Jahre
Bei der ungemeinen
Schlichtheit und Stille seines Wesens, die in grösserem Cirkel ihn
kaum wäre
je das es
würdigen
Wort
ergreifen oder gar seine
schwer geworden
Manne
zu
in ein Verhältnis
treten,
wenn
nicht
Stimme erheben
Hess,
zu diesem verehrungsder Verf.
im Anfänge
Digitized by
Google
760
Abschieds Worte.
seines Berufslebens
Landrath
v.
ihm seinen Vorgesetzten
in
Samson
1860
von
ernstes Gespräch
bewog des
uns
in
gehabt
1866 Präses des
bis
Wie
der Ritter- und Domschule war.
da
liittte,
Curatoriums
es so geht, brachte ein sehr
Ein Jahr darnach
die erste Berührung.
ihn eine schwere Erfahrung im Schulleben zur Niederlegung
Nun ganz
bezüglichen Amtes.
führte
die uns
gemeinsame Liebe
von Berufsbeziehungen,
frei
zur
vaterländischen Geschichte
und seine Wahrnehmung meines erwachenden Interesses für die besondere Entwickelung Estlands
zusammen, und da habe ich sein Vertrauen früh erworben und bewahren dürfen bis ans Ende. Wie sein Vater, der Landrath Wilhelm v. Samson, ein jüngerer Bruder Reinhold Johann Ludwigs, die unschätzbaren ausführlichen chronologischen Inhaltsregister der Ritterschaftsprotokolle während der Periode russischer Herrschaft in langen Jahren angefertigt, so hatte er während seines 23jährigen Dienstes in der Ritterschaftskanzlei die schwedische Zeit arbeitet
:
uns
unter
sachlichem Gesichtspunkte be-
den er bis in die letzten Jahre
ein stattlicher Band, behielt.,
reichen bereit war.
Zu Anfang 1868 schon übergab
damals, so viel
weiss,
ich
Jakob Georgs von Berg,
er mir das
Exemplar der Selbstbiographie
einzige die
in
aber zur Nutzniessung immer darzu-
seinem Privatbesitze
dann
auf
lange Zeit
hin der Aus-
gangs- und Krystallisationspunkt meiner Studien und Sammlungen
zur inneren Geschichte Estlands
geworden
deren Zusammen-
ist,
fassung und Verarbeitung der Mangel hierzu erforderlicher Müsse
Da Berg
noch nicht hat gestatten wollen.
mit Samsons Vater in
vertrauter Freundschaft gestanden und der Begründer
der Credit-
casse gewesen, des Instituts, dem Samsons Wirken vorzüglich ge-
widmet war, machte es
sich natürlich, dass unser wissenschaftlicher
Verkehr ein immer lebhafterer und innigerer wurde und ich Gegewann den bescheidenen edlen Mann nach dem vollen Werthe seines Wissens und auch seines Gemüthes zu würdigen und
legenheit
seiner
herzlichen Gesinnung
mich
auf seinem
einziger Sohn in
An
vergewissern konnte
ihn treffenden schweren Schicksalsschlägen hat es
sowol
eigensten Berufsfelde,
dem Augenblicke, da
wie
ihm nicht
als Vater,
tief
gefehlt,
da sein
er zu Strassbnrg den Doctor-
hut erringen wollte, plötzlich erkrankt den Eltern entrissen ward.
Friede und Ehre seinem Andenken!
Indem
die »Baltische Monatsschrift»
und unwillkürlich
ein
persönliches
der drei jüngst dahingegangenen
durch
diese
schlichten
Gepräge annehmendeu Zeilen
Männer gedenkt,
die
dem
allge-
Digitized by
Google
761
Abschiedsworte.
meinen
Wohle
gelebt
Herzen trugen, muss
das Ganze
und
Provinzen
der
im
dabei
beklagen, einem schon länger Vermissten
sie
noch nicht ein Wort gewidmet zu haben, das ja sicher in ihren Vorläufig nur sei bei der sich erSpalten nicht ausbleiben wird.
gebenden
auch
Gelegenheit
an
dieser
mir ein Bedürfnis
es auszusprechen,
des
Stelle
Landraths Ernst von Mensenkamp
livländischen
Es
ff gedacht.
wie hoch der
ist
sittliche Ernst,
die Aufopferungsfähigkeit, die unermüdliche, ihn aufreibende Thätig-
der eindrucksfähige Sinn, der patriotische Ideengang des alten
keit,
von den
Jugendgenosseu
dorpater Studienjahren an mir
früheren
Das
vor Augen gestanden haben.
stets
pietätvolle
Band
alter Er-
innerungen knüpfte mich zudem an ihn; mir stehen noch die Tage
wo wir zusammen — nur zwei Theilnehmer leben die Umgegend noch oder gar einer, es war im Frühsomraer 1860 von Teplitz zu Fuss und zu Wagen durchstreiften; dann auch
vor Augen,
—
noch die Strebezeit ich
nicht
in
den ersten sechziger Jahren.
mehr das Verständnis
weniger für seine Argumente;
Später fand
politischen Ziele, noch
für seine
das lag in der Verschiedenheit der
die gegebene Sachlage. Die Augen des Einen eben anders als die des Anderen. Die Getrenntheit der Wohnorte, dazu die Mannigfaltigkeit der Einflüsse hüben und drüben bewirkten eine völlige Entfremdung. Um so mehr ist es ein Zeugnis der freien Gesinnung des Livland zu früh entrissenen
Anschauung über
sahen
Patrioten, dass er dieser Zeitschrift, als trat,
doch
die
er
die
unter meine Leitung
sie
vermochte und
es
gewährte und bewahrte.
wendung der Heimat und
wo
seine Unterstützung,
forderlich war,
Gerade da
sie er-
die Schicksals-
Meinungsverschiedenheiten zurückdrängte
ungewöhnliche Arbeitskraft Ernst von Mensenkampffs für Verwaltungsbehörde des Landes in Anspruch genommen
die höchste
war,
ist sein
Leben erloschen, und ihm ward
oder es ward ihm
erspart
selbst
es
wahrzunehmen,
theilweise Verwirklichung fänden oder
nicht beschieden
ob
seine Ideale
als Illusionen
sich heraus-
stellten.
Endlich gebührt
innerung zwei
Höhepunkt
aus
in diesen
Wort dankbarer Er-
Blättern ein
unserer Mitte geschiedenen Männern,
ihres verdienstvollen
Wirkens
für
noch
immer
sondern
sie,
der einstige
die Früchte
ihrer
gesegneten
wills Gott, den Späteren livl.
Vicegouverneur
Thätigkeit
vererben
die den
das Gemeinwohl in
weit zurückliegender Zeit erreicht haben, während nicht
werden.
nur
wir
geniessen,
Es
sind
Wir kl. StaatsrathJulius
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:
762
Abschiedsworte.
von Cabe, ratli
gestorben
Adolf Thilo,
am
6.
Sept.
gestorben
am
d.
J„ und ManufacturDecember vorigen Jahres
LG.
Sie waren in der Vollkraft ihrer bahnbrechenden und schöpferischen
Thätigkeit, als die heutigen
Männer
in
den Jünglingsjahren standen.
Schreiber dieses hat die beiden Genannten sogar nie von Angesicht
zu Angesicht gesehen, so viel er zu jener Zeit auch von ihnen ge-
Er
hört.
Zug
ist
denn auch nicht im Stande, irgend einen eigenartigen
der Charakterzeichnung hinzuzufugen, welche die «Rig. Ztg.»
von ihnen gegeben
Aber
hat.
er hat hervorzuheben, dass sie beide,
jeder in seiner Sphäre, zu den Begründern dieses Organs gehörten,
das wie die erste Eisenbahn
in
unseren Provinzen, die Riga-Düna-
burger, wie das Baltische Polytechnikum, die rigasche Börsenbank in
hoffnungs- und
jener
gewonnen
auch im «Jubelhefte» der
Ist
hat.
schaffensfreudigeu Aera seinen Ursprung «
Balt. Monatsschrift»
1884 der Mitwirkung dieser Männer bei der Entstehung der Zeitschrift gedacht, so sei es
doch erlaubt, mit den Worten eines 1862 als
Manuscript gedruckten Buches noch einmal darauf zurückzukomraen
«Der Regierungsantritt des Kaisers Alexander II in
gab auch
den Ostseeprovinzen das Signal zur Lösung des Bannes, welcher
nur zu lange auf dem öffentlichen Gedankenaustausch nach
Raum und
Inhalt erweiterten, es entstanden in Folge des
wiedererweckten Interesses eine
der localen
Nicht allein, dass die Tagesblätter sich so-
Presse gelegen hatte. fort
in
des Publicums
Anzahl neuer Zeitschriften,
an
öffentlichen
Dingen
die sich rasch einen ausgebreiteteu
Leserkreis erwarben, ja es dehnte sich die politische Tagesliteratur
auf ein Gebiet aus, hatte
—
welches
sie
bisher
gar
noch
nicht betreten
auf die Leserkreise des Landvolks, der Esten und Letten,
Für diese wurden im J. 1856 mehrere Zeitungen neu begründet. Der Fürst Suworow unterstützte alle diese Unternehmungen und förderte kräftigst die freie Richtung,
welche
neuerer Zeit
in
die
deutscheTagespresse und insbesondere die «Rigasche Zeitung» und die im J. 1861 concessionirte
«
Rigasche Handelszeitung» eiuschlugeu,
durch milde Ausübung der seinem Officium durch das Gesetz übertragenen Censur
Jahre 1857
in
;
socialen
Revue
wandte sich einem im Anregung gekommenen grösseren literari-
sein Hauptinteresse aber
Riga
in
schen Unternehmen zu
— der Gründung einer selbständigen politisch-
für die baltischen Provinzen.
Vereins von Männern
aus
herbeigeschafft,
unterlegte
An
der Spitze eines
dem Gelehrten- uud Kaufmannsstande,
welche die geistigen und materiellen Mittel der
für
Staats rat h
das Unternehmen v.
Cube
(gegen-
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7G3
Abschiedsworte.
wärtig
Vicegouverneur) das Gesuch, eine solche Revue unter
livl.
Namen
dem
der
*Bal tischen Monatsschrift»
herausgeben zu dürfen.
Der Fürst
ergriff den
und auf seine warme Befürwortung
erfolgte
in
Riga
Gedanken mit
Eifer,
die Allerhöchste
Ge-
nehmigung im Mai 1858, indem ihm zugleich die Censur der ZeitMit dem Programm derselben musste er, der liberalen Tendenz seiner Verwaltungsgrundsätze gemäss
schrift anheimgestellt wurde.
und
Folge seines unausgesetzten Strebens, das
in
selbständige
Leben der Provinzen v o n i n n e n heraus zu fördern ganz besonders sympathisiren. Denn die ausgesprochene und später durch die That bewährte Absicht der Re-
politische
und zu entwickeln, daction' war, ein
in
Organ zu
schaffen, welches das erschlaffte Inter-
an öffentlichen, das Gemeinwohl berührenden Angelegenheiten
esse.
den Ostseeprovinzen neu beleben, die Kenntnis der hiesigen Zu-
und Institutionen dem
übrigen Reich und dem Auslande und Leben der inneren Provinzen hier bemachen und dadurch beiderseitige Vorurtheile hinwegräumen sollte. Seit dem Herbste 1859 erscheint die Zeitschrift in monatlichen Heften und hat sich bisher, ihres gediegenen und zugleich anregenden Inhalts wegen, eines immer steigenden Interesses zu erfreuen gehabt und in der im Programm angedeuteteu BeDass dies geschehen konnte, ist ziehung fruchtbringend gewirkt. stände
vermitteln, Literatur
kannter
zu nicht geringem Theil der wahrhaft
liberalen und aufgeklärten Art und Weise zu danken, in welcher, auf speciellen Antrag des Fürsten Suworow, die Censur der Monatsschrift gehandhabt worden
Letztere verdient nach der Bedeutung, welche ihr dadurch zu
ist.
erlangen möglich wurde, gewiss einen hervorragenden Platz in der
langen Reihe öffentlicher Verbesserungen, welche die Verwaltungs-
Fürsten Suworow den baltischen Provinzen gebracht hat.» Die Theilnahme Julius von Cubes an der • Baltischen Monats-
zeit des
schrift»
lässt
sich
weiter
nicht
nachweisen
;
seine
Wirksamkeit
gehörte fortan der Verwaltung der Riga-Dtinaburger Bahn und der
um
Sorge
ihren Anschluss an
seine Verdienste
um
diese
sind
Zeit wäre noch zu erwähnen, des
am
19.
April
’
innerrussische Bahnnetz, und
anerkannt.
dass er
1849 Allerhöchst
beschlusses in Riga unter
Faltin
das
Ans
seiner früheren
auch Glied der auf Grund bestätigten
Ministercomite-
dem Präsidium Walujews niedergesetzten
Dieselbe wurde von dem Hofgerichterath Bottichc.r nnd dem Rnthsherrn übernommen, welchen später der Stadtbibliotheknr G. Berkholz eich
nnschlnaK.
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764
Abschiedsworte.
Commission zur Revision der baltischen Handelsordnungen gewesen ist und einen hervorragenden Antheil an ihren Arbeiten genommen hat, deren Ergebnis war, dass an Stelle der alten engherzigen Satzungen
neue
reformirten Handels-
den
zeitgeinässe Principien
Grunde gelegt wurden, die dadurch eine freiere Bewegung und mächtige Entwickelung des Handels ermöglichten eine Wendung, welche in unseren Tagen durch ausserhalb Rigas
institutionen zu
—
Einfluss liegende Neugestaltungen
man
zu begegnen
aufgewogen
noch
nicht die Mittel gefunden hat (vgl. die
Besprechungen der Schriften von Oskar Mertens 1883 und 1886 zur
arbeiten
und
Riga»
in
eines
für
Lagerhauses
öffentlichen
in der
der «B. M.»
in
der Commission
des «Berichts
Errichtung
Getreidehandel
denen wirksam
ist,
kaufmännischen Welt des alten Handels-
in der
sitzes an der Dilna
die Vorfür
den
«B. M.» 1885).
In den erwähnten Interessensphären mit .Julius von Cube zu-
sammenwirkend, hat reicheres
meister
Gebiet
Adolf Thilo,
wie uns scheint, ein weit
Neben dem
umfasst.
Hernmarck
die Seele
er als Glied des rigaschen Börsencomites
1862 seine
auf ernsten
und
Rathsherrn
Bürger-
rigaschen Kaufmannschaft,
der
in
hat
den Jahren 1857 bis
nationalökonomischen Studien beruhenden
handelspolitischen Anschauungen mit durchschlagendem Erfolge zur
Geltung
zu bringen gewusst,
Baltischen Polytechnikums
Baucommission
so
vor allem
ist
in
der Gründung der
der Begründung
an
Seiner Theilnahme
rigaer Börsenbank.
hat er sich das grösste Verdienst
gebäude dieses Instituts erworben.
An
des
als Präses der
wiederholt gedacht;
um
das Pracht-
der Spitze des Consortiums
zur Errichtung der Riga-Mitauer Bahn, gelang es seinen rastlosen
Bemühungen, zu erlangen.
die Concession
und die Garantie der Staatsregieruug
Die glückliche Hand
seinen
in
widmeten Bestrebungen bewährte sich
dem Gemeinwohl
ge-
leider nicht in seinen eigenen
zahlreichen industriellen Unternehmungen.
Seine finanzielle Kraft
brach zusammen, aber unter dem schweren Misgeschicke blieb dieser energische Charakter ungebrochen
auf seinem
Laudhause
schlichten
und bei
in
der Zurückgezogenheit
Schlock
fand
sein
nimmer
ruhender Geist Genüge und Befriedigung an philosophischen Studien,
am Gartenbau und an
poetischer Production,
ist
Thilo
in
ihren
ersteu
ein werthvoller Mitarbeiter gewesen.
der ein nicht
Der «Baltischen MonatsJahrgängen (so Bd. 1, Bd. 5)
unbedeutender Nachlass Zeugnis giebt schrift»
von
Abschiedsworte.
Nur
da
vorhanden,
gen, mutiiigen Zeit
7 t >5
Männer aus jener
spärlich sind noch die
die
alte
schaffensfreudi-
Hansestadt
sich
an-
schickte zur modernen Grossstadt sich zu entwickeln.
In einer Reihe von Jahren lmt der
Manne
verdienten
Wort
gemeintes
herzlich
ein
manchem Grab nach-
Unterzeichnete ins
gerufen und, so viel an ihm lag, sein Andenken verbreiten wollen,
manch
anderes
ihm von berufenen diesen Blättern übergeben worden.
Gedächtniswort
zur Veröffentlichung
in
ist
hindern die veränderten Verhältnisse seine regelmässige, jede Betheiligung Sein letztes
Wort
diesem
an
sollte
ihm
Federn Fortan vielleicht
theuren Organe der Provinzen.
dem Gedächtnisse
solcher Persönlichkeiten
gewidmet sein, deren Kenntnis es begreiflich macht, dass die sche Heimat unvergleichlich thener werden kann und muss.
balti-
Im November. Fr.
7, S. öSti
S. 001
Herauageber
:
R.
Weis».
ii
Amu. Amu.
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B.
berichtigen: X. I.
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I.
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I’iifendorf* st
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Verantwortlicher Rednctenr:
—
I’CReji,,
21-ro JtekaOpH
H. I88H
Holländer. r.
Gedruckt bei I.indforV Erben in Reval.
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