Balthasar Neumann als Stadtbaumeister [Reprint 2020 ed.] 9783112351741, 9783112351734

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Balthasar Neumann als Stadtbaumeister [Reprint 2020 ed.]
 9783112351741, 9783112351734

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KUNSTWISSENSCHAFTLICHE STUDIEN BAND X X

MAX H. V O N FREEDEN

BALTHASAR NEUMANN ALS

STADTBAUMEISTER

19 3 7

D E U T S C H E R K U N S T V E R L A G BERLIN

Die Z a h l e n a m R a n d e des Textes verweisen auf die A b b i l d u n g e n

INHALT Vorwort Einleitung

6 7

GRUNDLAGEN UND VORARBEITEN

8

Der Stadtplan von 1715 Die Denkschrift von 1720 Das B a u m a n d a t u n d die Stadtbaukommission 1722

8 11 14

B A U T E N U N D P L A N U N G E N I N W Ü R Z B U R G 1719—29 . . . .

20

Der Reihenhausbau in der Burkarderstraße Der repräsentative W o h n b a u in der Kapuzinerstraße Die Kaserne Der Dietricher Spital-Bau u n d andere Gebäude Der Platz vor dem R a t h a u s u n d der Gasthof zum Hirschen Residenzplatz u n d Hofpromenade Die Hofstraße

22 23 34 35 42 44 49

B A U T E N U N D P L A N U N G E N I N BAMBERG S E I T 1730

. . .

. . .

52

Das Domkapitelhaus Planungen f ü r Residenz u n d Domberg Seminar u n d Spital Die Berufung Küchels. Stadionhof und Michaelsberg B A U T E N U N D P L A N U N G E N I N W Ü R Z B U R G 1735—53

54 64 67 69 •





73

Die Häuser der Neubaustraße Die Adolf-Hitler-Straße Das bürgerliche Wohn- u n d Geschäftshaus: Hof R o h m b a c h . . . . Das K a u f h a u s a m M a r k t Andere G e b ä u d e Sakristei u n d O r n a t k a m m e r am D o m Der Domherrnhof Marmelstein

75 79 90 93 99 101 103

ANHANG

109

Neumanns Denkschrift von 1720 Vorlage Friedrich Karls an das Bamberger Domkapitel 1733 Anmerkungen Literatur Register Die fränkischen Beamten- und Architektenfamilien

.

.

109 .110 112 122 124 127

V O R W O R T Betrachtung u n d Untersuchung der städtebaulichen Tätigkeit Balthasar N e u m a n n s ist die Absicht dieses Buches; neben dem längst bekannten Kirchenu n d Schloßbaumeister soll hier der Stadtbaumeister einmal seine W ü r d i g u n g finden. Nicht, d a ß N e u m a n n Titel oder A m t eines solchen gehabt hätte; jedoch erwuchs i h m aus seiner Stellung eine Aufgabe, die das Anwenden dieser Bezeichnung im heute üblichen Sinne erlaubt. Die vorliegende Arbeit will nicht Bekanntes zusammenfassen oder einen Schlußstrich ziehen, sondern die Kenntnis vom Gesamtwerk Balthasar Neumanns erweitern. Die Untersuchung behandelt die Profanbauten Neumanns in Würzburg u n d Bamberg. Es erwies sich als unzweckmäßig, diesen R a h m e n durch H e r e i n n a h m e mancher Kirchenbauten oder der Schloßplanungen aus den vierziger J a h r e n u n d gelegentlicher Einzelheiten in wenigen anderen O r t e n weiterzuspannen. Die hier untersuchten Werke Neumanns, die zumeist heute noch als entscheidende Baukörper im architektonischen Bild beider Städte in Erschein u n g treten, sind bisher nicht n u r unbearbeitet, sondern — von allgemeineren Erwähnungen abgesehen — auch unbeachtet geblieben. Die zahlreiche ältere lokalgeschichtliche Literatur ist meist topographisch eingestellt u n d bringt vor allem d e m achtzehnten J a h r h u n d e r t noch kein irgendwie geartetes historisches Interesse entgegen. Auch die verdienstvolle Monographie Kellers f u ß t oft auf der Uberlieferung; es hieße Sinn u n d Wert dieser ersten Arbeit über Balthasar N e u m a n n verkennen, wollte m a n jede Unstimmigkeit eigens anmerken u n d Fehlendes hervorheben. Deshalb m u ß t e in ausgedehnter Archivarbeit erst das Gerüst für die Darstellung dieses Ausschnitts aus dem Gesamtschaffen Neumanns gezimmert werden. Den Behörden und den Vorständen der Sammlungen, Archive und Bibliotheken in Würzburg, Bamberg, Berlin, München, Stuttgart und Wiesentheid sowie den zahlreichen Privatpersonen, die das Vorhaben stets bereitwillig förderten, sei an dieser Stelle besonderer Dank ausgesprochen, der vornehmlich aber H e r r n Prof. K n a p p , von welchem die Anregung gegeben wurde, gebührt. H e r r n Geheimrat P i n d e r fühle ich mich zu großem Dank verpflichtet; f ü r freundliche Förderung danke ich besonders H e r r n Prof. Direktor Dr. S c h e n k . Bereitwillige Unterstützung fand ich d u r c h H e r r n Staatsoberbibliothekar Dr. E n d r e s - W ü r z b u r g u n d Herrn Hochschulprofessor Dr. M a y e r - B a m b e r g . Ich gedenke hier auch meines leider allzu früh verstorbenen Freundes Franz B r o i l i - W ü r z b u r g . Es ist m i r eine große Freude, an dieser Stelle dem H e r r n Oberbürgermeister der Stadt Würzburg, T h . M e m m e l , in tiefer Verehrung meinen besonderen Dank aussprechen zu dürfen f ü r das große Interesse u n d die wesentliche Förderung, die er den Untersuchungen in seiner Eigenschaft als Stadtoberhaupt u n d Kreistagspräsident zuteil werden ließ. 6

E I N L E I T U N G Bauen bedeutete dem letzten Drittel des 17. und den beiden ersten des 18. Jahrhunderts mehr, als es vorhergehenden oder folgenden Zeiten bedeutet hat; für Deutschland wurde es der Ausdruck einer wiedererwachenden unerschöpflichen Lebensenergie, die selbst ein Aderlaß wie der Dreißigjährige Krieg nicht hatte vernichten können. Und weil die Baukunst zum Träger dieses, wenn noch nicht politischen, so doch künstlerischen Aufstiegs wurde, ist sie uns wertvoll als Sinnbild eines gesteigerten Lebenswillens und eigenen deutschen Kulturgefühls. In Mainfranken und am Rhein bleibt dieser Aufschwung für immer mit dem Namen Schönborn verbunden. Jene Familie, die, als einfaches Adelsgeschlecht hervortretend, innerhalb eines Jahrhunderts drei Kurfürstenthrone und neun Bischofssitze mit ihren Angehörigen besetzen konnte, hatte die künstlerische Führung weit über das Gebiet ihres politischen Einflusses hinaus. Unmittelbar nach Friedensschluß 1648 fing der erste Schönborn mit Bauen an. Die einst weltberühmte Befestigung von Mainz und auch Würzburgs neuen Bering begann er; die nächsten Generationen konnten schon Schlösser errichten. So entstand jene Kette von Prachtbauten an Rhein und Main, Schönbornlust, Favorite, Bruchsal, Würzburg, Werneck, Bamberg, Pommersfelden. Das „Bauwesen" der Zeit •— um diesen alten Ausdruck zu gebrauchen — wird vom Staat, das heißt: dem Fürsten getragen. Doch waren nicht nur die geistlichen und weltlichen Herren vom ,,Bau-wurmb" —• wie Lothar Franz von Schönborn es nannte — ergriffen, auch das Bürgertum trat auf den Plan. Fürst K a r l Liechtenstein, einer der großen Bauherrn Wiens, hatte einmal gesagt: „Das Geld ist nur, schene Monumenta zu hinterlassen zu ebiger und unsterblicher Gedechtnus"; denselben Gedanken, auf einfacher Ebene gesprochen, findet man bald darauf am Haus des Brückenbecks zu Würzburg, der nach dem Neubau 1706 die Inschrift anbringen läßt: „Bauen ist Ein Lust Was / Mich geKost das Hab Ich / Nit Gewust." Bürgerliche Bauherren treten nun immer häufiger auf; die Förderung ihrer Vorhaben lag dabei durchaus in der Absicht des Landesherrn, der so zu seiner großen Residenz die erwünschte Umgebung entstehen sah. Die Formung des Stadtbildes durch die an seiner Gestaltung beteiligten Gewalten und Unternehmer geschah lange Jahrhunderte ohne besondere Vorschriften; den Ideen einer absolutistischen Zeit entspricht es durchaus, wenn das bürgerliche Bauwesen durch Verordnungen in bestimmte Bahnen gelenkt wird, j a , schließlich in die Hände einer Hofkommission gelegt wird. Das erstere war im achtzehnten Jahrhundert allgemein üblich geworden, das zweite als letzte Konsequenz weniger häufig.

7

GRUNDLAGEN

UND V O R A R B E I T E N

B. N E U M A N N S

D E R S T A D T P L A N V O N 1715 Die künstlerische Persönlichkeit Balthasar Neumanns ist eine der meist umstrittenen: als „den in seiner einzigartigen Universalität vielleicht genialsten Architekten aller Zeiten" nennen ihn die einen, vom „als Architekten bisher maßlos überschätzten Festungsbaumeister und Ingenieur" sprechen die anderen. Es ist das Erbe seines ersten Biographen, Keller, an dem die Erscheinung Neumanns krankt; viele Arbeiten haben dann seit 1896 begonnen, das Bild zu klären, doch wandte sich das Interesse vornehmlich den bekannteren Bauten immer wieder zu, zum Nachteil der vielen anderen, die noch der Bearbeitung harren, ohne deren genaue Kenntnis ein endgültiges Urteil und ein Gesamtbild aber undenkbar ist. Die Grundlagen zu Neumanns städtebaulicher Tätigkeit liegen in einer Zeit seines Lebens, über die es seither noch nicht gelang, Klarheit zu gewinnen, in dem „dunklen" Jahrzehnt vor 1719. Die von der Überlieferung festgehaltenen Angaben über Neumann, die Bönnicke 1788 niederschrieb, wurden einer immer schärfer werdenden Kritik unterworfen, die schließlich zu einer Verwerfung der nicht kontrollierbaren Nachrichten über Neumanns Lehrzeit führte. Man mochte an eine Laufbahn vom Stückgießergesellen zum Artillerieobersten nicht glauben und kam zu allerlei anderen, nicht belegbaren Lösungen; eine akademische Bildung Neumanns wurde angenommen, Abhängigkeiten von den Architekturtheoretikern gesucht, oder frühe Beeinflussungen durch Dienzenhofer oder Welsch vermutet 1 . Von entscheidender Bedeutung sind nun die durch Siegl neuerdings veröffentlichten Briefe Neumanns an den R a t seiner Vaterstadt Eger 2 . In Zusammenhang mit anderen beglaubigten Nachrichten ergibt sich für die Lehrzeit Neumanns in k u r z e n U m r i s s e n folgendes Bild. Balthasar Neumann entstammt einer alten Egerer Tuchmacherfamilie, sein Vater und die beiden Großväter waren Tuchmacher und Bürger in dieser Stadt gewesen. Der 1672 geschlossenen Ehe zwischen Hans Christoph Neumann und der 1645 geborenen Rosina Grassold entstammten fünf Söhne und drei Töchter, als siebentes Kind der am 30. J a n u a r 1687 getaufte Johann Balthasar Neumann. Er lernt bei seinem Paten Balthasar Platzer die Gießerei und erhält — nach Bönnicke — 1 7 1 1 in Würzburg den Lehrbrief für die Ernst- und Lustfeuerwerkerei der Büchsenmacher. Die Eltern Neumanns waren nie begütert gewesen; so muß er sich, als er in Würzburg in Geldschwierigkeiten kommt, an den R a t seiner Vaterstadt um Hilfe wenden; er bittet im J u n i 1 7 1 1 um 30 bis 50 Thaler; dabei gibt er an, daß er noch ein paar Jahre seiner Stückgießerei nachreisen wolle, der verdiente Wochenlohn sich aber nicht weit erstrecke. E r dachte also noch gar nicht daran, etwa 8

für längere J a h r e in Würzburg zu bleiben, das ihm nur Station zur Ausbildung w a r 3 . Was Neumann veranlaßt, gerade nach Würzburg zu kommen, wird der berühmte Name der Gießer Kopp gewesen sein 4 ; aus einem Brief vom März 1 7 1 2 geht hervor, daß er als Geselle bei Ignaz Kopp beschäftigt ist. Er hat inzwischen zur Gießerei und Feuerwerkerei auch noch die Brunnenmeisterei gelernt und faßt jetzt den Entschluß, Geometrie und Feldmesserei noch dazu zu nehmen. Er hat in Würzburg einen Protektor gefunden, einen „freygüthigen vornehmen Herrn", nämlich den hochfürstlichen Ingenieur und Grenadierhauptmann. Der Name wird nicht angeführt, doch kann es sich um niemand anderes als den Ingenieurhauptmann A. Müller handeln, der im Würzburger Bauwesen des zweiten Jahrzehnts eine beachtliche, noch nicht ganz geklärte Rolle spielt; er wird mit Gallus v. J a c o b beim Zeughaus auf der Festung genannt und auch beim „Roten B a u " der Greiffenclauschen Familie. Müller ist nun nicht nur der Vorgesetzte und Vorgänger Neumanns gewesen, sondern er muß als der Lehrer Neumanns bezeichnet werden, der als erster die Begabung des Gießergesellen erkannt hat. Er rät ihm, sich außer dem bisher Erlernten noch mit der Fortifikation und Architekturwissenschaft zu beschäftigen und greift so entscheidend in Neumanns Entwicklung und späteres Schicksal ein. Neumann entschließt sich nach reiflichem Uberlegen, da er ,solche Gelegenheit und solchen Arbeitseifer später nicht mehr haben werde', dem R a t zu folgen; im März 1 7 1 2 ist er schon dabei, muß sich aber, weil ihm die Mittel zur Anschaffung der nötigen Bücher und Instrumente fehlen, mit der Bitte um Geld nach Eger wenden und erhält 50 fl. Im J u n i bittet er nochmals um 75 fl.; er hat, wie er schreibt, in der Geometrie schon ein Fundament und ist fleißig mit der Festungsbaukunst beschäftigt und fürchtet, daß er nun auf halbem Wege aufhören muß. Der Überlieferung nach trat Neumann 1 7 1 2 in die fränkische Kreisartillerie ein; hierbei wird er Müller kennengelernt haben und ist mit einem Zug der Kreistruppen vielleicht auch nach Eger gekommen, wo er sich 1 7 1 3 aufhält und eine erste Probe seines Könnens ablegt. E r berät die Egerer bei ihrem Vorhaben, den Gesundbrunnen in die Stadt hereinzuleiten und erhält dafür 12 fl. In diesem J a h r e entstand auch das „Instrumentum Architecturae", das sich heute im Fränkischen Luitpoldmuseum befindet; es trägt die Aufschrift „ I n v . et Fe. Bai. Neumann 1 7 1 3 " und zeigt den Auftrag der verschiedenen Säulenordnungen. Es beweist, daß er sich nicht nur mit praktischen Übungen, sondern auch mit theoretischen Dingen beschäftigte. 1 7 1 4 tritt Neumann in die Dienste des Hochstifts 5 und seine Tätigkeit läßt sich im nächsten J a h r e schon nachweisen. Man zieht den jungen Fähnrich im Bauwesen der Amtshöfe und Kustodien auf dem Lande heran, wobei zunächst seine Kenntnisse im Brunnen- und Wasserbau im Vordergrund stehen. 1 7 1 5 arbeitet Neumann an einer Aufgabe, die ihn auf seine spätere städtebauliche Tätigkeit vorbereitet: er fertigt einen Plan der Stadt Würzburg an 9

und lernt sie bei dieser Gelegenheit mit allen städtebaulichen Vorzügen und Schwächen kennen. Im nächsten J a h r e ist er neben den hochstiftischen Aufgaben vor allem in Ebrach beschäftigt; für Risse zum neuen Abteibau erhält er ioo fl. — ein Viertel seines Jahresgehaltes von 1 7 1 8 — immerhin eine wesentliche Summe 6 . Dort kommt er auch mit Greising näher zusammen, dessen Einfluß aber nicht übermäßig ist. Neumann wird groß in einem Kreis, dessen Bauweise sich — abgesehen von den im Zeitstil bedingten Gleichheiten — vom Wesen Greisings deutlich unterscheidet; es sind vor allem das Zeughaus auf der Festung, der Hof Friedberg, der Hoftrakt des Bürgerspitals, der erste Hof in der Heinestraße (von dem er einen Plan noch in seinem späteren Besitz hat), der Hof Ingelheim-Guttenberg 7 , und das Haus am Schneidturm, die dem Kreis um v. Jacob und Müller entstammen; von hier nimmt Neumann seinen Ausgang für die Profanbauten seiner Zeit. Müller wird noch im August 1 7 1 9 unter Greiffenclau Oberingenieur und stirbt 1720, dennoch hört man seit der Wahl Schönborns nichts mehr von ihm; er wird wegen seiner Beziehungen zur GreifFenclauschen Herrschaft, wie J a c o b und Greising, dem Regierungswechsel zum Opfer gefallen sein; Neumann schützte seine noch unbedeutende Stellung. 1 7 1 7 ist Neumann zuletzt am 2. Juni in Gaibach nachweisbar und dann erst wieder Ende November. In der Zwischenzeit könnte die überlieferte Teilnahme an Feldzügen stattgefunden haben, für die sich auch aus einem Brief späterer J a h r e ein Hinweis entnehmen läßt 8 . Daß es gerade der Feldzug von 1 7 1 7 war, den er mitmachte, wird wahrscheinlich aus einem Plan „Belgrad avec ses environs bloque par les Autrichiens 1 7 1 7 (par Balthas. Neumann)" und einem weiteren, den der Nachlaßkatalog des jungen Neumann unter 820/822 erwähnt 9 . Da die Belagerung erst im J u n i begann und die Eroberung Belgrads im August 1 7 1 7 erfolgte, wobei die fränkischen Truppen sich besonders hervortaten, ist eine Beteiligung Neumanns zumindest wahrscheinlich. Im August 1 7 1 8 steht Neumann mit 300 Rthlr. Gehalt und Quartier und Kost bei Hof unter Hauptmann Müller 1 0 , und am 10. Mai 1719, noch unter der Regierung Greiffenclaus, erhält er mit zwei anderen Beamten einen Bauplatz jenseits des Mains zur Verfügung gestellt. Der Bildungsgang Neumanns ist tatsächlich so verlaufen, wie ihn Bönnicke nach mündlicher Überlieferung festgehalten hat: ,,Im Umgange mit gebildeten Männern aus dem hiesigen Artilleriekorps sammelte er sich manche Kenntnisse, welche . . . aus den mathematischen Wissenschaften entnommen waren"; oder: „Sein großes Talent für alle Gattungen von Bauwesen entwickelte sich bey Zeiten in dem niedrigen Stande eines Stückgießers." Als Geselle auf der Wanderschaft kommt Neumann nach Würzburg zu einem weitbekannten Gießer; er tritt den Kreistruppen bei und erregt die Aufmerksamkeit eines Ingenieurhauptmanns, der sich seiner annimmt und ihn zur Beschäftigung mit der Architektur veranlaßt; das Hochstift nimmt 10

ihn dann in seine Dienste und 1 7 1 9 hat er die Stellung eines einfachen hochstiftischen Beamten erreicht. Der von Neumann 1 7 1 5 gefertigte Stadtplan ist nicht im Original erhalten, 4 doch befindet sich im Kriegsarchiv zu München eine Kopie, bei der es sich zweifellos um eine vollkommen getreue Nachzeichnung des Originalplanes handelt 1 1 . Der schlecht erhaltene, 125,5 x 184 cm große Plan zeigt das Grundrißbild der Stadt Würzburg und darunter einen Profilschnitt durch die Stadt in west-östlicher Richtung. Das schmale Titelband trägt die Aufschrift ,,Grund Riß und Profil der Hochfürstlichen Residenz Stadt Würzburg von Mittag gegen Mitternacht zu sehen. Balthasar Neumann 1 7 1 5 " . Dieser Antiqua-Beschriftung folgt in Kursive: „Delineavit Joseph Fischer 1 7 7 5 . " Links oben befindet sich der Vermerk ,,Copia", daneben in einem ausgesparten Kreis das Wappen des Bischofs Johann Philipp von Greiffenclau; rechts oben ist entsprechend eine Windrose angebracht. Der ganze Plan ist von einem plastisch gezeichneten Laubwerkstab eingefaßt, den das für diese Zeit typische Ornament verziert. Einzelheiten des Planes werden auf zwei Schrifttafeln erklärt; die linke befindet sich auf einem gezeichneten Postament und hat einen auf ein Geschützrohr aufgelegten Maßstab, die rechte ist von allerlei kriegerischen Emblemen, Fahnen, Kugeln und Pulverfässern umgeben. Die große Bedeutung des Planes für die topographische Forschung ist von Pfister-Bechtold eingehend gewürdigt worden; hier gilt es vor allem, den Wert des Planes als eines entwicklungsgeschichtlichen Dokumentes zu betonen. E r ist entstanden zu einer Zeit, da die Baugeschichte der Stadt sich dem Abschluß der zweiten Periode des fränkischen Barocks näherte; die Ära Greising geht ihrem Ende entgegen und der junge Fähnrich Neumann nimmt den Bestand des bisher Geleisteten auf; er legt das Erbe seiner Vorgänger fest: „er zeichnet das vorneumannische Würzburg". Die Arbeiten für den großen Plan haben Neumann mit dem Stadtbild vertraut gemacht und aus dieser genauen Kenntnis, die Nötiges und Mögliches klar erkennt, entstehen die Vorschläge und Maßnahmen der Folgezeit.

D I E D E N K S C H R I F T V O N 1720 Am 18. September 1 7 1 9 wird Johann Philipp Franz Graf von Schönborn 1 2 zum Fürstbischof gewählt. Mit beispiellosem Eifer geht er daran, die Schäden in Stadt und Hochstift, die er in seiner fünfzehnjährigen Domprobstenzeit kennengelernt hatte, auszumerzen; die Verwaltung wird von allen unsauberen Elementen gereinigt und Verwaltungsreformen in Angriff" genommen. Vor allem liegt dem Fürsten daran, den baulichen Zustand Würzburgs mit den Forderungen in Einklang zu bringen, die an eine Residenzstadt des achtzehnten Jahrhunderts gestellt wurden. Petrinis Kirchen und die große Reihe der Stifts- und Adelshöfe bildeten die erste Epoche in der Neugestaltung 11

Würzburgs. Doch das Bürgertum hatte sich nicht so schnell wie der Adel von den Folgen des furchtbaren Krieges erholen können. Erst in der zweiten Epoche, die sich mit dem Namen Greisings am besten umreißen läßt, können Bürger, Handwerker und Beamte in größerer Zahl daran denken, Neubauten vorzunehmen. Nachdem dann die Regierung diesem Bestreben durch Steuererleichterungen entgegen kam, wie sie 1722 festgesetzt wurden, gehörte es bald zum „guten T o n " , durch Neubauten oder Reparaturen sich bemerkbar zu machen. Den großen Adelshöfen der ersten Stufe stehen jetzt die reich ausgestatteten Bürgerhäuser gegenüber; die Wende ist, obwohl natürlich vorher schon bürgerliche Neubauten entstanden, immerhin so klar ausgeprägt, daß nach Vollendung des Roten Baus 1 7 1 5 auf Jahrzehnte hinaus kein neuer Adelspalast oder Domherrnhof entsteht 13 . Bei der nun sich regenden Baulust galt es rechtzeitig festzulegen, nach welchen Grundsätzen die neue Bewegung geleitet werden sollte; dabei kam es nicht nur auf Aussehen und Größe zu erbauender Häuser an, auch an eine vernünftige, geregelte Straßenführung mußte gedacht werden. Überlegungen solcher Art wurden dringliche Aufgaben, als der Bischof sich entschloß, die Residenz vom Marienberg in die Stadt zu verlegen. Mit dem mittelalterlichen Stadtbild mußte aufgeräumt werden, vor allem aber bedurfte man für die neue Hofhaltung der Zufahrts- und Repräsentationsstraßen. Es ist nun ein Schriftstück erhalten geblieben, das in acht Punkten die städtebauliche Entwicklung Würzburgs im dritten Jahrzehnt des achtzehnten Jahrhunderts vorzeichnet. Das vom 19. J u n i 1720 datierte Dokument ist ohne Unterschrift, ist also eine Kopie, deren Original vielleicht dem Bischof geschickt wurde, der sich zu dieser Zeit in Schlangenbad aufhielt. Als Urheber dieser Denkschrift kommt nur Neumann in Betracht, da von auswärtigen Architekten damals niemand in Würzburg war; die Vertrautheit des Verfassers mit den örtlichen Verhältnissen bis zu den Namen der Hausbesitzer spricht ebenfalls dafür. Die Schrift ist die des Bauverwalters Röscher, der natürlich nicht als Verfasser genannt werden kann; dafür kommt einzig Neumann in Betracht 1 4 (s. S. 109). Der erste Punkt greift eines der Hauptprobleme an, den weiteren Bestand und die Verwendung des mittelalterlichen Mauerberings; für eine radikale Lösung, wie sie später in der Adolf Hitler-Straße vorgenommen wird, tritt Neumann noch nicht ein. Mauern und Gräben sollen erhalten bleiben, aber, da sie keine eigentliche Aufgabe mehr haben, zur Verschönerung des Stadtbildes umgestaltet werden. Der Weg längs des Grabens soll von der Juliuspromenade entlang der Adolf Hitler-Straße und Hofpromenade bis zum Stephanskloster mit Maronien bepflanzt werden, sodaß drei Seiten des alten Stadtfünfecks eine schattige Allee bilden; bei der Residenz soll ein Aufgang auf das neue Befestigungssystem geschaffen werden, der wohl an der Stelle anzusetzen ist, wo man heute hinter der Orangerie im Hof12

garten auf den Wall gelangt. Auch hier oben sollen Bäume gepflanzt werden, die eine Fortsetzung des unten begonnenen Spaziergangs in Richtung zum Pleichertor auf den neuen Wällen ermöglichen. Die Umkehr des Weges beim alten Stephanstor ergibt sich aus der erst bis dorthin vollendeten neuen Befestigung; von hier bis zum Main mußte die alte Mauer noch ihren ursprünglichen Zweck erfüllen. U m das Bild zu beleben, soll der alte Graben, der im Laufe der Jahre versumpft war, wieder mit Wasser gefüllt werden, das am Sandertor eingelassen wird, und beim Ochsentor (heute Kranen) wieder in den Main fließt. Auf dem Wasser sollen Schwäne und wilde Enten ausgesetzt werden. Die Zwingermauer müßte neu verputzt werden und würde oben einen neuen Abschluß durch Bailustraden erhalten, die mit Statuen belebt werden sollen. Ein interessantes Beispiel praktischer Denkmalpflege wird hier von Neumann gegeben: der alte, seiner eigentlichen Aufgabe beraubte Mauerring, zu gut erhalten, als daß Einreißen rentabel wäre, wird umgestaltet zu einer zeitgemäßen dekorativen Straßenabschlußwand; davor dann der mit Schwänen belebte Graben und eine schattige Allee. Die teilweise Verwirklichung des großzügigen Projekts wird in dem Abschnitt über die Hofpromenade behandelt. Der dritte Punkt schlägt die Errichtung einer Kaserne vor, die sich vom Sandertor bis an die Büttnersgasse ausdehnen soll; gleichzeitig sollen die Häuserfluchten am Main, nämlich von der Kaserne bis zur Brücke und von da flußabwärts bis zum Schneidturm modellmäßig gebaut werden, um das uneinheitliche Durcheinander, wie es sich heute zwischen Brücke und Kranen noch erhalten hat, zu beseitigen. Der Plan mußte daran scheitern, daß gerade hier unten am Main die ärmere Bevölkerung wohnte, Neubaukosten also ganz dem Staat zugefallen wären. (Vergleiche hierzu den Abschnitt über die Kaserne.) Ferner ist die Regulierung der Domstraße vorgesehen; beiderseits sollen die Häuser in eine Linie gerückt werden, linksseitig vom Rossatschen Haus neben dem Dom bis zur Brücke hinauf. Um die Auffahrt dorthin frei zu machen, müßten die kleinen Häuser am Fuß der Brücke abgebrochen werden. Während das Regulieren der Straßenflucht durch die Aufsicht der Baukommission in den nächsten Jahrzehnten teilweise erreicht wird, bringen die folgenden J a h r e schon die Beseitigung der kleinen Häuser und damit die Schaffung des Platzes vor dem Rathaus (siehe S. 42 fr.). Der fünfte Punkt bringt den Vorschlag, die ganze Domstraße modellmäßig aufzubauen. Diese in neugegründeten Städten, wie zum Beispiel Mannheim und Karlsruhe, damals übliche Art war für Würz bürg etwas neues; der praktischen Durchführung hätten große Schwierigkeiten gegenübergestanden, zumal die Grundstücke schon bebaut waren; erst auf dem neuen Gelände der Adolf Hitler-Straße kann Neumann später diesen Plan verwirklichen. '3

Da die Domstraße einen der Hauptverkehrswege darstellt, soll sie dauernde Beleuchtung erhalten durch auf Pfahle gesetzte Laternen; dieser damals wohl noch allzu moderne Gedanke ist erst unter Franz Ludwig in den neunziger Jahren verwirklicht worden. Im nächsten Abschnitt ist die Neugestaltung der Domfassade vorgesehen, für die ein Projekt schon vorhanden ist. Neumann wird damit den Entwurf Welschs meinen, der schon im Sommer 1 7 1 9 entstanden w a r 1 5 . Schließlich soll noch der diesseits der Brücke stehende Wachtturm abgebrochen werden, damit den von der anderen Seite des Mains über die Brücke Kommenden der Blick auf die Domstraße und die Domfassade eröffnet wird. Gegen den Willen der Stadt erreicht Neumann schließlich seine Absicht mit Unterstützung des Bischofs. Der letzte Punkt fordert eine Verbesserung der Straße bei der Johanniterkirche (an Stelle des heutigen Johanniterplatzes), durch die der Verkehr nach dem Süden zog. Neumann setzt sie 1726 gegen alle Widerstände mit Hilfe der Baukommission durch 1 6 . Insgesamt ist hier von Neumann ein Programm aufgestellt, das die wesentlichsten Schwierigkeiten und Fragen im damaligen Stadtbild mutig anpackt und zu bessern versucht; einige Punkte wurden durchgeführt — manche teilweise —, vieles mußte auf dem Papier bleiben. Mit Ausnahme der Erweiterung der Auffahrt vom Dom zur Residenz, die zur Zeit der Abfassung dieser Denkschrift schon im Gange ist, zeichnet sie in wesentlichen Punkten die Tätigkeit des folgenden Jahrzehnts vor. Unter dem Einfluß dieses Projekts steht auch der von Neumann und Salver herausgebrachte Stich, dessen Vorarbeiten im Sommer und Herbst 1722 gemacht wurden; er zeigt ,Würzburg nicht, wie es damals war, sondern wie es werden sollte'. DAS B A U M A N D A T U N D D I E S T A D T B A U K O M M I S S I O N 1722 Im September 1721 erläßt der Bischof ein Dekret, das zum ersten Male die behördliche Beaufsichtigung des bürgerlichen Bauwesens verkündet. Wenn es bis dahin jedem Grundbesitzer erlaubt war, auf seinem Boden unter Innehaltung gewisser Sicherheitsvorschriften nach eigenem Belieben zu bauen, so macht nun die öffentliche Gewalt ihr baupolizeiliches Recht geltend. Der Erlaß, der in seinen wesentlichen Punkten auf Neumann selbst zurückgeht — der Entwurf ist von seiner Hand geschrieben —, zeigt in seiner scharfen Sprache, wie ernst es dem Fürsten mit diesen Dingen war: „Nachdeme wir in unserer Residenz Statt Würzburg verschiedentlich wahr genohmen, wie mit herausfahrung als auch gesuchten Vbergebäuden nicht allein die gassen geenget, sondern auch viele häusser so wohl mit Bedachung, als auch mit ihren auf die gassen und Strassen gehenten fenstern zu nicht geringer unzierde 14

der Statt sehr u n f ö r m b l i c h eingericht und aufgeführet worden seyen; Wie nun dergleichen d e f o r m i t ä t e n in unserer Residenz Statt so viel möglich und Thunlich nicht allein abzustellen — sondern auch fürs künftig gänzlich zu verhindern ernstlich gemeynet seyndt. . . . " 1 7 . So wird befohlen, daß jeder Baulustige dem Oberrat einen Riß vorlegen müsse und die Anweisung abwarten solle. Der Oberrat war zwar eine städtische Körperschaft, ihr Präsident aber war der Domdechant, so daß der Einfluß des Hofes jederzeit gewahrt blieb. An alten Gebäuden werden Änderungen nur noch zugelassen, wenn gleichzeitig vorspringende Obergeschosse reguliert werden. Bauherren und Unternehmer werden zur Einhaltung der Vorschrift ermahnt, deren Übertretung mit „demolirung solcher Ihrer unförmblich arbeith" bestraft wird. Diese Verordnung hatte mehr den Charakter einer vorläufigen Regelung, denn in den ersten Monaten des nächsten Jahres beruft der Bischof eine Konferenz ein, die am 3 1 . März 1722 zusammentritt, um über die ihr gestellte Aufgabe: Einrichtung des Bauwesens, zu beraten. Die Anwesenden, Geh. R a t Ganzhorn, Hofrat Fichtel, Oberbürgermeister Schmidt und Stadtbaumeister Papius beraten über eine genauere Fassung der Vorschriften. Neumanns Name fehlt; wie sich aus einem Brief des Generals Schönborn an den Bischof entnehmen läßt 18 , hält er sich in diesen Tagen in Mainz auf, um mit dem Kurfürsten die Residenzpläne zu besprechen. Daß dennoch nichts ohne ihn geschah, zeigen die Punkte der Tagesordnung: ,, erstlich seind die Beede: von Oberrath vnd Ingenieur-Hauptmann (— Neumann) ad Comissionem gegebene projecten abgelesen." Dann kommen Auszüge aus dem Bambergischen Obereinnahmsedikt zur Verlesung und ein Auszug aus den Mannheimer Stadtprivilegien. Die beiden Projekte haben sich nicht erhalten; es ist nicht unwahrscheinlich, daß das des Oberrats sich mehr mit dem verwaltungs- und finanztechnischen Teil, das Neumanns hauptsächlich mit der Frage der Hausgestaltung und entsprechenden Vorschriften beschäftigte. Neumann tritt in den folgenden vielen Verhandlungen verhältnismäßig zurück, nicht weil er an dem später erlassenen Mandat unbeteiligt ist, sondern weil die Verwaltungsfragen das Hauptthema bilden. Uber die praktischen Anweisungen zur Baugestaltung, soweit sie in das Mandat aufgenommen werden sollen, wird nicht mehr diskutiert, sie werden in Neumanns Vorschlag ihre anerkannte Formulierung gefunden haben. E r gibt nur Grundsätze und Richtlinien, ohne zu verlangen, daß nun ein Haus wie das andere aussehen müsse, wie das in den Neugründungen der Zeit der Fall war. Schon frühere Verordnungen hatten burgischen Bauwesens befaßt; so war verordnet worden, daß Neubauten erst werden sollten. 1705 entschließt sich

sich mit der Förderung des würz1697 bei der Schatzungsrenovatur nach zwanzig Jahren neu veranlagt Johann Philipp, damit die Bürger 15

„umb so mehr zu abschaffung der alten VnfÖrmblichen Bäu angefrischt, mithin der Decor civitatis im Bauweesen befürdtert werden möchte", anzuordnen, daß eine Neuveranlagung in Zukunft überhaupt wegfallen solle, solange ein Haus im Besitz des Bauherrn oder seiner Erben bleibt 19 . Fortschrittlicher waren in Bezug auf die Bauförderung durch Vergünstigungen die beiden Verordnungen, die der Kommission im Auszug vorlagen. Das Obereinnahmsedikt hatte Lothar Franz von Schönborn im März des Jahres 1700 für Bamberg erlassen und damit den Anstoß zu dem beispiellosen Aufschwung der bambergischen bürgerlichen Baukunst gegeben, der unmittelbar danach einsetzt20. Einem ganz in Stein aufgeführten zweistöckigen Haus stehen 10 Jahre Steuerfreiheit zu, für ein dreistöckiges werden ¡20 gewährt, beiVerwendung vonHolz entsprechend weniger. Der Riß soll vorher eingereicht werden. Das Mannheimer Privileg von i6g8 besagt, daß Neubauten im Wert von 1000 fl. fünfzehn Jahre, solche im Wert von 1000 Rthlr. zwanzig und 2000 Rthlr. dreißig J a h r e steuerfrei sein sollen. Wer aber ein ganzes Quartier mit Bebauung der vier Ecken (entsprechend dem Grundrißplan Mannheims) übernimmt, soll für immer von allen Lasten, die auf dem Hause ruhen, befreit sein. Steine können ohne Entgelt im Neckartal gebrochen werden, der Transport ist zollfrei und Bauholz wird billig abgegeben 2 1 . Während das Bamberger Edikt über das Aussehen der Häuser nichts angibt, spricht das Mannheimer von Modellen. In dieser Beziehung erweist sich am fortschrittlichsten ein Edikt, das den Kommissaren offenbar nicht bekannt war: ein Erlaß des Markgrafen Johann Friedrich von Ansbach von 1686, in dem es heißt, daß bei Gründung der neuen Auslage ( = Vorstadt), wo französische Flüchtlinge angesiedelt wurden, allen Baulustigen Privilegien und Freiheiten erteilt werden sollen; außerdem hat man „zu besserer Information derjenigen, so Lust und Belieben zum Bauen haben, nicht nur die Situation, sondern auch das Modell in der Fronte und Tieffe von dreyerley Häusern ins Kupfer bringen und abdrucken lassen" 22 . In Anlehnung an das Mannheimer Privileg wird angeregt, die hochstiftischen Steinbrüche bei Winterhausen zur Verfügung zu stellen. Die von der Kommission in Vorschlag gebrachten Freijahre finden die Genehmigung des Bischofs. Nach ihrem Ablauf tritt, bis zum Verkaufsfall, die alte Schätzung wieder ein. Nach verschiedenen Lesungen kann Johann Philipp Franz am 22. August 1722 die Urkunde unterzeichnen, die für das städtebauliche Schicksal Würzburgs so entscheidend geworden ist. Im Druck erschien sie als: „Bau-Mandat, Oder Hochfürstliche Würtzburgische Verordnung Wie In hiesiger Hochfürstlicher Residentz-Stadt sich jeder im Bau-Wesen künfftig zu verhalten habe. Dann Was auch ein solcher für Ergötzlichkeiten in ein- und anderen Fällen auss seiner Hochfürstlichen Gnaden Specialgnädigster Verwilligung zu geniessen haben solle." 16

Im einzelnen besagt das Mandat, daß niemand einen Bau beginnen dürfe, weder Bauherr noch Unternehmer, der nicht einen Abriß des geplanten Baues den dazu bestellten Kommissaren vorgelegt habe; der eingereichte Riß ist dem Bischof zur Genehmigung vorzulegen und geht dann an die Kommissare. Praktisch bedeutet das nur den Vorbehalt der letzten Entscheidung in wichtigen Angelegenheiten; die üblichen Eingänge werden von der Kommission genehmigt. Dann hat durch die Kornmission Anweisung zu ergehen über die Beachtung der gleichen Baulinie und- Höhe, der Dachund Fensterform. Nach den Bestimmungen über Feuersicherheit wird ganz besonders betont, daß alle Erker und ähnliche Vorbauten, auch Giebel, strengstens verboten sind (vergleiche dazu das „freie" Nürnberg mit seinen vielen Barockerkern!); an alten Gebäuden sind sie einzulegen. Langwierige Prozesse sollen durch Einsichtnahme der Nachbarn in den Riß des geplanten Baues vermieden werden. Die anderen Absätze beschäftigen sich mit den weitgehenden Erleichterungen, die für Neubauten i o Jahre, für Teilerneuerungen, hauptsächlich an der Fassade, 5 Jahre und für besonders reich ausgestattete Häuser in Quadern und mit besonderer Ornamentierung 12 Jahre betragen. D i e H a u p t b e d e u t u n g des B a u m a n d a t s l i e g t d a r i n , d a ß es d i e g e s e t z l i c h e G r u n d l a g e f ü r N e u m a n n s T ä t i g k e i t in d e r F o l g e z e i t b i l d e t . Durch seine Bestimmungen ist das bürgerliche Bauwesen der Hofkommission unterstellt, deren Präsident nun immer ein Jurist ist, weil die finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten nur von einem Fachmann begutachtet und erledigt werden können, deren künstlerischer und architektonischer Gutachter aber allein Neumann ist. Das gedruckte Mandat wurde öffentlich angeschlagen, vom Rat aus an alle Viertelmeister verteilt und außerdem je ein Exemplar an alle Handwerker und Läden gegeben 23 . Es blieb bis zum Jahre 1808 in Kraft, wo es von Großherzog Ferdinand durch neue Bestimmungen ersetzt wurde 24 . An Stelle des in der ersten Verordnung herangezogenen Oberrats ist im Mandat die Aufsicht einer Kommission übertragen. Ihre Mitgliederzahl ist zunächst noch nicht genau festgesetzt, sie tritt je nach Bedarf zusammen. Im Dezember 1723 werden durch Dekret die Kommissare endgültig ernannt und ihre Tätigkeit geregelt 25 . Zweimal wöchentlich, Dienstags und Freitags, findet um 1 / 2 1 o eine Sitzung statt, über die ein Protokoll geführt wird. Z u Kommissaren werden ernannt Geh. R a t Ganzhorn und als sein Stellvertreter Neumanns nachmaliger Schwiegervater Geh. R a t Schild, ferner die Hofräte Fichtel und Fries, Neumann, Bürgermeister Schmidt und der Stadtbaumeister Papius. Mit der an ein Ratsmitglied vergebenen Stellung eines Stadtbaumeisters verband sich früher ein anderer Begriff, als er heute geläufig ist; sein Arbeitsgebiet war ein Teil jener Tätigkeit, die jetzt den städtischen Bauämtern zufallt, nämlich die Aufsicht über die stadteigenen Baulichkeiten, 17

wie Häuser, Türme und Tore, die einer vierteljährlichen Besichtigung unterzogen werden mußten. Schon Tilman Riemenschneider hatte als Ratsmitglied dieses Amt versehen, das keinen unbedingten Fachmann erforderte; Papius z. B. ist Ehegerichtssekretarius 26 . Heute wird der Begriff Stadtbaumeister nur mit dem der Stadtbaukunst zusammen verstanden; diese ist aber der Ausdruck für etwas, das erst dem Zeitalter des Barock bewußt wird, aber eben deshalb noch keinen Namen hat. Neumann ist also nie Stadtbaumeister im alten Sinne des Wortes gewesen. Im neuen Sinn darf die Bezeichnung für ihn verwendet werden, weil er ohne die Stellung oder den Titel zu haben, bewußt wie ein moderner Stadtbaumeister gearbeitet hat. 2

Hofrat Fichtel wird einer der eifrigsten Mitarbeiter in der neuen Kommission. Er stellt ihr nicht nur seine reichen juristischen Kenntnisse zur Verfügung, sondern beschäftigt sich auch mit künstlerischen Dingen, wie j a auch sein Haus ein Dokument dieses Kunstsinns ist. Er hatte jesuitische Erziehung genossen, war schon unter Greiffenclau Geh. Sekretär und bekleidete bei beiden Schönborn Vertrauensstellen; Friedrich Karl machte ihn zum Hofkanzler; er stirbt 8ojährig 1758. Fichtel bringt noch Anregungen zur rechtlichen Vervollständigung der Bauordnung und er liefert historisch fundierte Denkschriften für die größeren Vorhaben der Kommission und erleichtert so ihre Schritte beim Fürsten. Für die Stellung Neumanns in der Kommission, die auch von den Nachfolgern Johann Philipp Franzens immer wieder bestätigt wird 2 7 , ergibt sich, daß in allen städtebaulichen Fragen er der allein zuständige ist. Er nimmt die Anweisung an Ort und Stelle vor 28 , ihm obliegt das Festsetzen der neuen Baulinie, nach der sich die folgenden Bauten zu richten haben, um so allmählich eine Korrektur des Straßenbildes zu ermöglichen; auch die technische Beratung fällt ihm zu und bei reicheren Bauten die Begutachtung, nicht das Entwerfen ornamentalen Schmucks. Neumann entwirft auch selbst Risse, wieweit aber diese Tätigkeit geht, läßt sich nicht genau nachweisen, weil die Protokolle meist nur allgemein von eingereichten Rissen sprechen und Privaturkunden aus jener Zeit sehr selten sind. Neumann schreibt einmal an Friedrich K a r l anläßlich einer Beschwerde über den Leutnant Tatz vom Planentwerfen für Privatgebäude: , , . . . . deren sachen dass jähr ich wohl 20—30 mache alles gratis, dan ich geschwind damit fertig bin . . . ," 2 9 . Dabei wird aber neben beratender Tätigkeit auch die große Zahl einfacher und einfachster Gebäude inbegriffen sein. Die Risse werden meist von den ausführenden Maurermeistern eingereicht, deren Würzburg damals eine Menge hatte, die auch selbst als Planfertiger in Betracht kommen 30 ; keinesfalls wird man ihre Tätigkeit unterschätzen dürfen. Sie halten sich mehr oder weniger an das „Modell", dessen Einzelheiten offenbar auf Planzeichnungen eingesehen werden konnten und das neben den Richtlinien für größere Bauten auch Einzelteile der Fenster18

und Gesimsgliederung enthalten haben wird. Anders läßt sich der Ausdruck „modellmäßig gebaut zu haben", der immer wieder verwendet wird, und zwar bei Bauten, die sich durchaus nicht gleichen, nicht erklären. Unter der Regierung Friedrich Karls wächst der Einfluß Neumanns auf die Gesamtgeschäfte der Kommission immer mehr. E r unterschreibt Risse von sich aus und genehmigt sie durch seine Unterschrift, ohne daß sie der Kommission vorgelegen hätten; es kommt auch vor, daß der Aktuarius ihm einen Plan direkt zur Billigung vorlegt. Als der Architekt bei einer Sitzung nicht anwesend war, macht ihm die Kommission Mitteilung von den inzwischen gefaßten Beschlüssen und es wird eigens vermerkt, daß Neumann alles gut geheißen habe. Das ändert sich mit dem Regierungsantritt Ingelheims. Der erste würzburgische Hofkalender von 1747 führt in der Abteilung „Hofstaat" als Mitglieder der Baukommission den Hofkanzler Habermann, Hofrat Unger, Hofkammerrat Rossat, Oberbürgermeister Laudensack, Stadtrat Dietrich und Ingenieurhauptmann Müller an; Neumann ist seiner Hofämter enthoben. Als er kurz nach dem Regierungswechsel noch von sich aus eine Genehmigung erteilt, wird ihm das ausdrücklich verboten und Anselm Franz hält es bei Durchsicht der Protokolle für nötig, das durch eine Randbemerkung noch eigens zu betonen. Neumann zieht sich dann ganz zurück, er ist auch immer seltener in Würzburg. 1749 taucht sein Name aber in der ersten Zeit Karl Philipps gleich wieder auf und er ist noch bis zuletzt für die Kommission tätig, um die endgültige Einteilung der Häuser auf dem Graben (Adolf Hitler-Straße) vorzunehmen. Als er 1753 aus dem Leben scheidet, rücken seine Schüler in die Kommission ein. Seine Arbeit wurde immer anerkannt; als er 1727 um Freijahre für sein Wohnhaus nachsucht, werden sie gewährt „in ansehung da Er ansonsten dem publico viele Diensten leiste . . . .". Ihren Entscheidungen weiß die Kommission stets den nötigen Nachdruck zu verleihen; einer Hausbesitzerin werden wegen Widersätzlichkeit 10 fl. Strafe zudiktiert und vom Schultheißenamt eingezogen; als die Johanniterkomturei gegen die Erweiterung der Gasse an ihrer Kirchenmauer Einspruch erhebt, werden die von Neumann angeordneten Arbeiten auf Kosten des Ordens unter dem Hinweis, daß in Polizeisachen kein Orden exempt sei, in Angriff genommen. Der Maurer, „so der franciskaner thor so unartig zugemacht", wird bestraft und der Tünchermeister Eyrich, der dem Kanzlisten der Baukommission auf der Domstraße zuruft, daß „ E r tüncher weder auf ihm noch auf die Bau Commission s. v. einen pfüfferling geben wolte", kommt auf einen Tag in die Kohlenkammer. Eyrich hatte das Haus des Büchsenmachers Arneth „mit allerhand Farbe" angestrichen und an einem anderen Haus das glatte Dachgesims „auf bildhauer arbeith gemahlet". Beides mußte bei Strafe wieder entfernt werden, denn wenn die Bauordnung auch über die Farbe, die zum Hausanstrich 19

verwendet werden durfte, nichts angab, so übte die Kommission doch auch hier ihr Aufsichtsrecht aus. Zunächst achtete man darauf, daß nach Vollendung des Rohbaus auch das Äußere der Häuser ,,in vollkommenen Stand" gesetzt wurde, erst dann trat der Steuernachlaß ein. Als Farbton ist hauptsächlich weiß anzunehmen. Gesimse und Fensterrahmungen wurden mit Ölfarbe gestrichen, verputzte Fassaden mit weißer Kalkfarbe; die architektonischen Gliederungen wurden steinfarbig gehalten. Ornamentierte Fassaden in Stein oder Stuck sind durch besondere Tönung hervorgehoben, die sich aber dem Gesamtton durchaus anpaßte, „bunte" Bemalung ist keinesfalls anzunehmen. Stein- oder silberfarbene Einfassung bei weißem Anstrich war die Regel; für andere Farben bedurfte es eigener Genehmigung, die erteilt wurde, um größere Bauten noch besonders hervorzuheben. Gleichmäßiger Anstrich ließ vor allem den unregelmäßigen Stand der Häuser nicht so sehr hervortreten und das Weiß trug in engen Gassen wesentlich zur Helligkeit in den Häusern bei; erst in den achtziger Jahren wird es Mode, die Steinfarbe mehr und mehr zu verwenden.

BAUTEN

UND

PLANUNGEN

IN W Ü R Z B U R G

1719—29

Für die Behandlung einzelner Werke erweist es sich als zweckmäßig, unter Herausstellung der Typen doch eine chronologische Abfolge einzuhalten, weil nur so die Entwicklung sich deutlich verfolgen läßt. Die Teilung in Abschnitte ist keine willkürliche, die durch äußere Daten des Regierungswechsels allein bedingt wäre; es sind entwicklungsmäßige Einschnitte im Schaffen Neumanns, das eben von den politischen Ereignissen oft stark beeinflußt ist. Die Zusammenarbeit Neumanns mit Johann Philipp Franz ist in städtebaulichen Fragen, wie bei der Residenzplanung, eine außerordentlich enge; der Bischof nimmt an allen Vorhaben regen Anteil und ohne seine kräftige Unterstützung durch Dekrete und Befehle wäre Neumann nicht immer zum Ziel gekommen. Das große Vertrauen, das der Bischof in den jungen Architekten setzt, der eigene Werke von Bedeutung noch nicht geschaffen hatte, läßt sich nur mit dem nämlichen Grund erklären, der auch den Kurfürsten von Mainz veranlaßt, sich seiner anzunehmen und weitere Ausbildung zu empfehlen: seine einzigartige Begabung 3 1 . Neumann hat nun das große Glück, nachdem die Grundlagen für die Beschäftigung mit der Architektur gelegt und die Lehrjahre im Kreis der Würzburger erledigt sind, mit den größten Architekten seiner Zeit nicht nur bekannt zu werden, sondern mit ihnen auch zusammenarbeiten zu dürfen. Welsch, Hildebrandt und Dienzenhofer sind es zunächst und auch der größte Bauherr Frankens im frühen achtzehnten Jahrhundert, Lothar Franz v. Schönborn, ist ihm kein Fremder. In Paris trifft er mit den berühmten Meistern 20

verwendet werden durfte, nichts angab, so übte die Kommission doch auch hier ihr Aufsichtsrecht aus. Zunächst achtete man darauf, daß nach Vollendung des Rohbaus auch das Äußere der Häuser ,,in vollkommenen Stand" gesetzt wurde, erst dann trat der Steuernachlaß ein. Als Farbton ist hauptsächlich weiß anzunehmen. Gesimse und Fensterrahmungen wurden mit Ölfarbe gestrichen, verputzte Fassaden mit weißer Kalkfarbe; die architektonischen Gliederungen wurden steinfarbig gehalten. Ornamentierte Fassaden in Stein oder Stuck sind durch besondere Tönung hervorgehoben, die sich aber dem Gesamtton durchaus anpaßte, „bunte" Bemalung ist keinesfalls anzunehmen. Stein- oder silberfarbene Einfassung bei weißem Anstrich war die Regel; für andere Farben bedurfte es eigener Genehmigung, die erteilt wurde, um größere Bauten noch besonders hervorzuheben. Gleichmäßiger Anstrich ließ vor allem den unregelmäßigen Stand der Häuser nicht so sehr hervortreten und das Weiß trug in engen Gassen wesentlich zur Helligkeit in den Häusern bei; erst in den achtziger Jahren wird es Mode, die Steinfarbe mehr und mehr zu verwenden.

BAUTEN

UND

PLANUNGEN

IN W Ü R Z B U R G

1719—29

Für die Behandlung einzelner Werke erweist es sich als zweckmäßig, unter Herausstellung der Typen doch eine chronologische Abfolge einzuhalten, weil nur so die Entwicklung sich deutlich verfolgen läßt. Die Teilung in Abschnitte ist keine willkürliche, die durch äußere Daten des Regierungswechsels allein bedingt wäre; es sind entwicklungsmäßige Einschnitte im Schaffen Neumanns, das eben von den politischen Ereignissen oft stark beeinflußt ist. Die Zusammenarbeit Neumanns mit Johann Philipp Franz ist in städtebaulichen Fragen, wie bei der Residenzplanung, eine außerordentlich enge; der Bischof nimmt an allen Vorhaben regen Anteil und ohne seine kräftige Unterstützung durch Dekrete und Befehle wäre Neumann nicht immer zum Ziel gekommen. Das große Vertrauen, das der Bischof in den jungen Architekten setzt, der eigene Werke von Bedeutung noch nicht geschaffen hatte, läßt sich nur mit dem nämlichen Grund erklären, der auch den Kurfürsten von Mainz veranlaßt, sich seiner anzunehmen und weitere Ausbildung zu empfehlen: seine einzigartige Begabung 3 1 . Neumann hat nun das große Glück, nachdem die Grundlagen für die Beschäftigung mit der Architektur gelegt und die Lehrjahre im Kreis der Würzburger erledigt sind, mit den größten Architekten seiner Zeit nicht nur bekannt zu werden, sondern mit ihnen auch zusammenarbeiten zu dürfen. Welsch, Hildebrandt und Dienzenhofer sind es zunächst und auch der größte Bauherr Frankens im frühen achtzehnten Jahrhundert, Lothar Franz v. Schönborn, ist ihm kein Fremder. In Paris trifft er mit den berühmten Meistern 20

Boffrand u n d de Cotte zusammen; sie alle, die auf der Höhe ihres Ruhmes standen, würden dem jungen H a u p t m a n n k a u m eine Position in ihrem Kollegium eingeräumt haben, wenn nicht Begabung u n d tatsächliches K ö n n e n i h m eigen gewesen wären. Welsch war bis 1724 alle Vierteljahr in Würzburg; er ist Neumanns großer Lehrer auf d e m Gebiet des Festungsbaus geworden. Einwirkungen für die hier interessierende Profanbautätigkeit sind soweit anzunehmen, d a ß Neumanns an sich maßvolle Art durch Welsch gefestigt wurde gegenüber dem östlichen Einfluß Dienzenhofers. Dieser hatte bis 1723 mit N e u m a n n zusammen die Bauleitung der Residenz inne — standen ihm doch durch den großen Schloßbau in Pommersfelden Erfahrungen zur Seite, die N e u m a n n noch nicht haben konnte 3 2 . So sind denn Würzburgs Bürgerhäuser meist etwas zurückhaltender als die mit reich geschwungenen Fensterverdachungen gezierten Bauten Dienzenhofers in Bamberg. N u r ein Beispiel dieses im G r u n d e ostdeutschen Barocks hat Würzburg: den Fichteischen Hof in der Bronnbachergasse. Die Ausschmückung dieses petrinizeitlichen Baus wird allgemein f ü r N e u m a n n in Anspruch genommen, doch macht das völlige Alleinstehen nicht nur in der würzburgischen, sondern auch Neumanns Gesamtentwicklung diese Vermutung, die sich auf wenig beweiskräftige Angaben stützt, unmöglich; Einzelheiten müßten einer eingehenderen Untersuchung vorbehalten bleiben, f ü r die hier nicht Platz ist. Der Thronwechsel 1724 bringt N e u m a n n zwar den Majorsrang, aber als ein Schönbornanhänger m u ß er doch allerlei Zurücksetzungen erfahren. Insbesondere ist es K a m m e r r a t Gerhardt, Vertrauter des neuen Bischofs, der i m m e r wieder einen G r u n d findet, N e u m a n n zu verdächtigen, d a ß er dienstlichen oder geldlichen Verpflichtungen nicht nachkomme 3 3 ; erst das Eingreifen des Bischofs selbst, mit d e m N e u m a n n sich offenbar nicht schlecht stand, verhindert d a n n unangenehme Folgen. Die Schönbornsche Familie läßt ihn nicht fallen, Lothar F r a n z verwendet sich f ü r eine Rangerhöhung u n d als es N e u m a n n 1725 gelingt, durch die Heirat mit der Tochter des ältesten würzburgischen Geheimrats u n d Kanzlerstellvertreters seine Position gegenüber Hof u n d Stadt zu festigen, trifft aus Wiesentheid ein Hochzeitsgeschenk ein. 1727 beginnt er dort f ü r den Grafen Rudolf Franz Erwein den Bau der Pfarrkirche u n d 1728 ist er d a n n mehrere Wochen beim K a r d i n a l Schönborn in Bruchsal. Für den Festungsbau u n d andere von N e u m a n n betreute Aufgabengebiete werden I n g e n i e u r h a u p t m a n n de Wenz u n d Leutnant Compensis herangezogen; Welsch k o m m t n u r noch selten nach Würzburg, erhält aber —• nicht nur als eine Geste Huttens gegenüber K u r m a i n z — seine Bestallung. Wie die Pläne im M ü n c h e n e r Kriegsarchiv zeigen, n i m m t er noch entscheidend teil an den weiteren Planungen. I n der Baukommission bew a h r t N e u m a n n uneingeschränkt seine maßgebende Stellung u n d die n a h e 21

Verwandtschaft zu allen hohen Beamten wird die Einflußnahme im Bauwesen noch gefördert haben. (Aus den Akten der würzburgischen und bambergischen Pfarrarchive ließen sich noch ganz unbekannte verwandtschaftliche Beziehungen fränkischer Beamten- und Architektenfamilien feststellen, worüber auf Seite 127 eine Übersicht gegeben ist.) Das früheste gesicherte Werk, das Neumann selbständig ausführte, ist der Block von drei einfachen

REIHENHÄUSERN 5 in der B u r k a r d e r s t r a ß e 28/32. A m 10. Mai 1 7 1 9 , drei Monate vor dem Tode Greiffenclaus, stellt die Hofkammer den ihr gehörigen Platz bei der Schönfärberei jenseits des Mains drei Beamten des Hochstifts zur Verfügung, die gleichzeitig die Erlaubnis zum Bauen erhalten. Diese drei waren der Kammersekretär Blum, der Schanzschreiber Sebald und Ingenieurleutnant Neumann. I m Oktober des Jahres gehen die Häuser ihrer Vollendung entgegen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Neumann die Planung und Ausführung innehatte, denn die anderen Teilhaber waren dazu kaum fähig. Der zweiunddreißigjährige Leutnant baut hier mit anderen einfachen Beamten sein Wohnhaus in wenig bevorzugter Gegend; es entspricht seiner Stellung, bevor ein neuer Fürst ihn emporhebt auf den weithin sichtbaren Schauplatz seines Bauwesens. Es handelt sich um reine Zweckbauten einfachster Art, zu deren Ausführung alle Beteiligten 800 fl. bei der Hofkammer aufnehmen mußten; es ist darum nicht angängig, aus diesem ersten Werk ein „architektonisches Glaubensbekenntnis" herauszulesen und daran allerlei Folgerungen zu knüpfen 3 4 . Wenn auch kein Bauherr dem Architekten ins Wort fiel, so mußte auf die vorhandenen Mittel um so mehr Rücksicht genommen werden und mit der Schaffung eines eigenen Daches wird Neumann sich in diesem Falle haben begnügen müssen. Der Bau umfaßt die heutigen Häuser Burkarderstraße 28, 30 und 32; er stößt nördlich an den Mühlkanal und schließt südlich an das Portal der Färberei an; in diesem letzten Haus wohnte Neumann. E r faßt die drei Häuser zu einem Bau zusammen, der nach außen nicht erkennen läßt, daß hier drei Besitzer ihr Anwesen haben. Selbst die drei Türen sind so einfach gehalten (vergleiche die jetzt zugesetzte am mittleren Haus), daß sie bei dem ursprünglich allen Häusern gleichen Anstrich wenig auffielen. Dem nördlichen Teil fallen sieben Achsen zu, den beiden anderen je sechs. Die Fenster sitzen ohne eine horizontale oder vertikale Bindung frei auf der Mauerfläche, aber durch ihre schnelle Abfolge wird eine optische Bindung in der Wagerechten erreicht, die das „Schwimmen" der Fensteröffnungen auf der Wandfläche verhindert. Das Untergeschoß ist als solches nicht charakterisiert, 22

vielleicht ist es früher durch eine besondere Farbe abgesetzt gewesen.

I n ihm

befinden sich die T ü r e n , von denen nur die am Haus 28 noch alt ist; ihren Sturz ziert ein einfacher Scheitelstein.

N e u ist auch der ornamentierte Putz

a m Neumannschen Haus, der das Gesamtbild empfindlich stört. Das Innere der Häuser zeigt eine übersichtliche Aufteilung, ein gerader G a n g führt mit einigen Stufen z u m Hochparterre; die T r e p p e z u m Obergeschoß ist an die Rückseite des Hauses verlegt, wo ihr genügend Licht zur V e r f ü g u n g steht. Die einheitliche Zusammenfassung mehrerer Häuser hinter einer Fassade und unter einem D a c h ist nicht nur zweckmäßig, sondern sie entsprach auch den Anforderungen der Zeit nach einheitlich gestalteten Straßenfluchten. Die städtebauliche Absicht ist hier vollkommen erreicht, die Straßenflucht ist geschlossen, und d a die Häuser kein Einzelleben führen in jeweils eigener Gestaltung, gleitet das A u g e an ihnen entlang weiter zu den folgenden Bauten und ruht d a n n auf der K i r c h e , die nun erst Blickpunkt und A k z e n t der Straße wird.

Es ergibt sich ein ähnlicher städtebaulicher E f f e k t , wie ihn N e u m a n n

schon beobachtet h a b e n m a g , als sein Lehrer die ersten Höfe der Heinestraße begann —

hier T ü r m e und Schiff der Burkarder K i r c h e , dort die K u p p e l

von Stift H a u g als wirksamer Abschluß einfacher Reihenbauten.

Die Seite

des nördlichen Hauses ist d e m V e r l a u f des K a n a l s entsprechend abgeschrägt; das Gefühl zu starken Abschneidens wird durch teilweises A b w a l m e n zu vermeiden gesucht, das N e u m a n n am Hofstall und beim Jagdzeughaus auch wieder anwendet.

DER R E P R Ä S E N T A T I V E

WOHNBAU

In dem Streben n a c h einem planmäßigen A u s b a u der Stadt denkt m a n auch daran, die innerhalb des Festungsgürtels noch leer stehenden Plätze zu bebauen.

Die Stadt innerhalb des mittelalterlichen Berings w a r nicht

mehr fähig, Neubauten aufzunehmen, hier w a r aller Platz vergeben.

Die

neue Befestigung aber hatte weiter ausgegriffen und zwischen dem alten Mauerring und den neuen W ä l l e n dehnte sich im Nordosten eine Fläche, die von G ä r t e n und Weinbergen, auch einzelnen Gutshöfen besetzt, größere Gelegenheit zu Neubauten g a b .

Abgesehen v o n dem natürlichen Wachstum

der Stadt entstand jetzt ein größeres Bedürfnis n a c h W o h n u n g e n durch den Z u z u g fremder K ü n s t l e r und Handwerker, der sich aus den Bürgerrechtsverleihungen ersehen läßt. I m A p r i l 1722 hatte sich der R a t schon — w o h l a u f höhere A n r e g u n g



mit den bebauungsfähigen Grundstücken, die zumeist in Stifts- und Klosterbesitz waren, beschäftigt 3 5 .

V o n Seiten des Hofes, das heißt des Bischofs

und Neumanns, hatte m a n schon größere Pläne ins A u g e gefaßt, denn i m M a i berichtet der Oberbürgermeister im R a t , d a ß er mit d e m Bischof wegen eines geplanten Häuserbaus und der Einrichtung einer Gasse über

den

23

Eichelsee (westlich der Kapuzinergasse) gesprochen habe.

D e r Oberbürger-

meister hat den Platz gegenüber dem Kapuzinerkloster, dort, w o das Bürgerspital einen Weinberg habe, vorgeschlagen, der „ h i e r z u bequemlicher" sei. D e r Bischof wird auf diesen Vorschlag eingegangen sein, w e i l eine B e b a u u n g des Geländes hinter dem Rosenbachischen Garten der a u f den Residenzplatz führenden Kapuzinergasse das Ansehen einer Straße geben würde.

So l ä ß t

er gleich durch seinen „ I n g e n i e u r " ( = N e u m a n n ) den Platz besichtigen u n d auch schon abstecken.

D a b e i w u r d e eine Gasse bis an das Rennweger T o r

hinaufgezogen und ein Platz für die „ h o f f b a w e r e y " in Aussicht g e n o m m e n . Es ist nötig, auf die Einzelheiten der Baugeschichte i m folgenden näher einzugehen, u m verschiedentlich angeschnittene Fragen endlich zu klären. N o c h im M a i 1722 werden drei Verträge abgeschlossen, die, wie andere wichtige Urkunden für diese Untersuchung, i m Bürgerspitalarchiv ermittelt wurden. N a c h dem ersten V e r t r a g 3 6 verkauft das Bürgerspital an den K a m m e r rat H a r t m a n n einen T e i l des sieben M o r g e n umfassenden Grundstückes, das heute v o m Rosenbach-Garten, der Kapuziner-, Hofstall- und Husarenstraße begrenzt wird, einen weiteren T e i l an N e u m a n n und einen dritten T e i l a n die K a m m e r .

Die drei Urkunden beginnen gleichlautend, der Bischof h a b e

beschlossen, „ d a s die b e y denen H H r r n PP. Carthäusern V n d Gapuzinern über hinterhalb dess aldasigen Rosenbachischen garthen gelegene

Wein-

berg zur Hofstatt genant zue bürgerlichen Wohnungen gemacht, V n d theils zu den Neuen Hochfürstl. H o f f h a l t u n g s Baw gezogen werden sollen".

Da

dort das Bürgerspital Besitzer sei, werden ein Morgen und 155 R u t e n 24 Schuhe Feld, „ s o gleich ahn Herrn Balthasar N e w m a n n Hochfürstl. Ingenieur

Vndt

Stückh

Haubtmann

angewiesenen

Platz

Würtzburg.

anstosset",

an

J o h a n n D a v i d H a r t m a n n , hochfürstlichen K a m m e r - und Kriegsrat, O b e r kommissar und Domprobsteiamtmann um 394 Rthlr. verkauft.

Das zweite

Schriftstück besagt, d a ß ein Morgen 13 Gerten Feld, „ s o gleich an H e r r n Johann D a v i d t H a r d t m a n n . . . angewissenen Platz anstosset, an den H o c h undt WolEdlen Herrn Balthasar N e w m a n n . . . der zeith noch ledigen standts" den Morgen u m 200 rthlr verkauft wird; der Platz soll z u allen „ b e l a a g undt beschwehrnuss" herangezogen werden, soweit diese nicht durch das bald zu erwartende B a u m a n d a t aufgehoben werden. Die beiden Urkunden beziehen sich in der Ortsbestimmung aufeinander, so d a ß die genaue L a g e der Plätze nicht entnommen w e r d e n k a n n ; sie wird deutlich aus d e m Vertragskonzept, w o es heißt, d a ß der N e u m a n n angewiesene Platz „ g l e i c h an dem Rosenbachischen garten anstosset". I m dritten V e r t r a g werden der H o f k a m m e r dritthalbe Morgen f ü n f Gerten verkauft, die unten an die eben erwähnten Grundstücke und oben an den W a l l anstoßen. Es ergibt sich also, d a ß das H a r t m a n n angewiesene Grundstück das der heutigen Hüberspflege ist, Neumanns das der Rotkreuzklinik.

Eine zunächst

überraschende Tatsache, d a ß der doch immerhin in bescheidenen Verhält24

nissen lebende Ingenieurhauptmann hier als Käufer für ein großes Baugelände auftritt, wo er doch in der Burkarderstraße sein Haus hatte! Neumann äußert sich selbst darüber, als er zwei Monate nach Abschluß des Vertrages dem R a t seiner Vaterstadt Eger die im J a h r e 1 7 1 2 geliehenen 175 fl. zurückzahlt. I m Begleitbrief an die Ratsherren schreibt er, daß sein Fürst ihm nicht nur die „Besorgung der neu erbauenden Residenz vndt aller dero landgebäu nebst der fortification in Würzburg vndt könig/Hoff(= Königshofen, die Festung des Hochstifts im Grabfeldgau) nebst auch dero privatgebäude vndt, Gott sey danckh, noch mehreres vertrauen beigeleget, sondern auch bin ich vor etlichen Wochen animiret worden mit ebenfalls seiner hochfürstl. Gnaden gnädigster approbation einen blatz ganz nahe ahn der Residenz bey den Capuzinern vor 1 morgen 12 ruthen zu kauffen, worauff ich mir den angefangen Ein Haus von 108 schuch lang zu bauen, nebst hoff, stallung vndt garten 3 7 ." Einige Pläne, die als zu diesem Bau gehörig festgestellt werden konnten, lassen keinen Zweifel an dem, was Neumann selbst in dem letzten Satz sagt, daß er das Haus als sein eigen betrachtet und auch die Absicht hatte, es zu bewohnen; findet sich doch im Erdgeschoß seine Werkstatt und ein Zeichenraum eingetragen. Daß er daran dachte, sein bisheriges Haus zu verkaufen, beweist sein Gesuch um Festlegung der Schätzung 38 . Im Dezember 1722 wenden Neumann und Hartmann sich in einem Memoriale an den Fürsten 39 , in dem sie darauf hinweisen, daß sie angefangen haben, hinter dem Rosenbachischen Garten nächst den Kapuzinern zwei große Häuser mit großen Kosten zu bauen, „hauptsächlich der Stadt zur Zierde, wo das wenigste Gomercium zu treiben sei". Wann der Bau nun fertig wurde und ob er überhaupt von Neumann bezogen wurde, läßt sich nicht feststellen. Im April 1724 bietet er sein Haus in der Burkarderstraße der Kammer zum Verkauf an 40 , was ein Bewohnen des neuen Hauses nicht auszuschließen braucht. Es muß angenommen werden, daß Neumann um die nämliche Zeit mit der Familie von Hutten in Verhandlungen getreten ist wegen eines Verkaufs seines neuen Hauses. Durch Urkunden läßt sich das erstmals für November 1725 belegen, aber der Hoffourier Spielberger berichtet in seinen Aufzeichnungen, daß Johann Philipp Franz mit dem Domdekan v. Hutten eine heftige Auseinandersetzung hatte; „Es sollte nemblich besagter Herr Domdechant seinen Herrn Bruderen dahin vermögen, daß E r den noch dermahlen vor Augen stehenden Huttischen Hof wiederum zum Theil abbrechen und weiterhin gegen den Garthauser Kirchlein fortsetzen lassen, damit das Huttische Tor eben die Mitte der neuen Gasse, welche der Fürst aus der Semmelsgasse hieher schneiden wollte, präsentieren und aus der Semmelsgasse zur Capuzineren en Frond haben sollte 4 1 ." Für diese Szene muß der J u n i oder J u l i des Jahres 1724 angesetzt werden; zwei J a h r e nach Baubeginn befindet sich das Haus schon nicht mehr in Neumanns Händen. Daß er es 25

in fremdem Auftrag — etwa f ü r die Huttische Familie — baute, ist nach dem oben Angeführten nicht möglich, weil der Bischof den Platz für bürgerliche Häuser bestimmt hatte, u n d N e u m a n n auf dem Entwurf seine Werkstatt schon eintrug. Er würde d a n n auch, als er 1752 anlässig eines Prozesses als Zeuge auftrat, nicht gesagt h a b e n : , , . . . . wie hernach das neumännische haus ist an die Huttische familie gekommen . . . 4 2 " ; es m u ß , u m diesen N a m e n , den auch andere U r k u n d e n verwenden, zu erhalten, zumindest als solches gebaut oder auch bewohnt gewesen sein. Uber die näheren Abmachungen anläßlich des Besitzwechsels unterrichtet eine U r k u n d e vom 6. November 1725, die den Wechsel als schon vollzogen bezeichnet; sie besagt, d a ß zwischen d e m Bischof Christoph Franz, f ü r den sein Bruder Franz Ludwig Freiherr v. H u t t e n eintritt, u n d Major N e u m a n n ein Haustausch stattgefunden habe; der vom Stückmajor angelegte Bau geht dabei in Huttischen Besitz über u n d N e u m a n n erhält den bisherigen H u t t e n schen Hof in der Stadt u n d dazu 6000 rthlr. 4 3 . Der Grund, der N e u m a n n veranlaßte, seinen großen modernen N e u b a u mit einem Adelshof der Petrini-Zeit zu vertauschen, ist nicht ganz ersichtlich. Das Haus in der Burkarderstraße, das für den Leutnant Neumann 1719 gedacht war, entsprach den Anforderungen eines angesehenen Majors natürlich nicht mehr; der Neubau andererseits war vielleicht zu groß geworden oder ließ sich finanziell nicht halten. So konnte der Huttensche Hof O b e r frankfurt, eine geräumige Anlage, wohl in Frage kommen, zumal j a eine namhafte Summe avisbezahlt wurde. Das Haus jenseits des Mains wird erst 1726 verkauft 4 4 . Anfang 1725 wohnt N e u m a n n aber schon im neu erworbenen Hof, denn am 9. Februar läßt Christoph Franz ihm, „Weilen der M a j o r N e u m a n n n u n m e h r o seine eigene Wohnung genommen", jährlich 12 Klafter Holz anweisen 4 5 . Der Hof in der Kapuzinergasse heißt fortan der „Huttische H o f " und obwohl der Bischof ihn für seine Familie erwarb, ließ er die Zahlungen an N e u m a n n doch zu Lasten der H o f k a m m e r vornehmen. Die von N e u m a n n gezeichnete u n d von Salver gestochene Stadtansicht auf 7 dem Reitzensteinschen Thesenblatt von 1723 zeigt merkwürdigerweise an Stelle der heute noch stehenden ausgeführten Neubauten in der Kapuzinergasse einen einzigen Langflügelbau von beträchtlichen Ausmaßen; es m u ß also einmal die Absicht bestanden haben, einen solchen Bau auszuführen, denn die Miturheberschaft Neumanns an der Vedute läßt über die Glaubwürdigkeit keinen Zweifel. I m Memoriale vom 6. Dezember 1722 wird, wie oben erwähnt, von zwei Häusern gesprochen, die Zeichnung der Ansicht m u ß also vor diesem T e r m i n entstanden sein, wenn sie auch erst 1723 erschien. Drei Pläne aus der Sammlung der Universitätsbibliothek, die als hierzu 8 gehörig erkannt wurden, geben weitere Auskunft. Die Blätter Del. I I . 6 4 / 6 5 zeigen einen dreigeschossigen, aus drei Häusern bestehenden langen Flügelbau, eine Vergrößerung des Themas der Burkarderstraße. Der rechte Teil ist n u n — 26

wie am eingezeichneten Maßstab ablesbar — das Haus von ,,io8 schuch lang", das Neumann im J u l i 1722 erwähnt. Die drei Teile sind unter sich gleich gebildet, der mittlere hat über dem Portal einen Balkon, der linke zeigt den Versuch einer Risalitbildung. Die Grundrißdisposition auf Blatt 64 und 65 ist noch nicht vollendet, der linke Teil ist ganz frei gelassen, im rechten aber hat Neumann zu ebener Erde schon zwei Räume für seine Werkstatt bestimmt; da findet sich in dem einen der eingebaute Blasebalg und die Esse, davor ein Amboß mit zwei Hämmern, am Fenster die Werkbank und im anderen die große Presse für Planzeichnungen! Es scheinen sich bald Bedenken ergeben zu haben über dieses allzu große Unternehmen, das Hartmann und Neumann wohl gemeinsam durchzuführen die Absicht hatten; im Dezember ist von zwei Häusern die Rede und die zeigt auch ein von Neumann unterschriebener Plan in der Staatlichen Kunstbibliothek Berlin mit einer perspektivischen Ansicht der Residenz und ihrer Umgebung, der noch v o r Antritt der Pariser Reise im Januar 1723, aber n a c h der Zeichnung für den Salverschen Stich entstanden ist 46 . Ein Niederschlag solcher Erwägungen findet sich schon auf dem großen Plan Nr. 65: im Dach sind mit Bleistiftstrichen Trennungen markiert; der erste Versuch ist die Dachschräge über dem linken Pilaster des rechten Gebäudeteils; weil aber nicht eine Dimension der Fassadenausdehnung beliebig geändert werden kann, ohne daß die andere auch Änderungen erfahren muß, die einzelnen Drittel des Gesamtflügels einzeln also eine andere Wirkung haben als in der Zusammenfassung, versucht Neumann durch Hinzunahme einer Achse ein neues Verhältnis zu erreichen. Daß es nicht etwa darum ging, die Dachmasse des gesamten Flügels durch Zäsuren aufzulockern, wird durch dieses Übergreifen auf den zu opfernden Mittelteil klar. So wird schon vor der Jahreswende der erste große Plan in seiner noch echt barocken Gesamtdisposition aufgegeben. Er ist besonders interessant im Vergleich mit den Entwürfen Neumanns für die Häuserfluchten in der AdolfHitler-Straße, wo im Sinne einer bewegten Umrißbildung und leichten Massendisposition zwei- und dreistöckige Häuser im Wechsel angeordnet werden; hier ist es noch das ins Monumentale übersetzte Motiv der drei Häuser unter einem Dach, das Neumann in der Burkarderstraße schon angewandt hatte. Der um eine Achse vermehrte rechte Teil des ersten Projekts wird nun ein selbständiges Gebäude mit drei gleichhohen Geschossen; daß es dasjenige Neumanns ist, ist oben gezeigt worden. Neumann fertigt nun einen neuen Grundriß an, der in Del. I I . 10 festgestellt wurde; auch dieser Plan ist, wie die anderen, unbeschriftet, doch läßt die Übereinstimmung mit dem heutigen Bestand an der Zugehörigkeit keinen Zweifel; sie erstreckt sich bis auf die schräge Gartenmauer und das Abschlußgitter des Hofes; daß auch die Werkstatt sich wieder findet, ist ein weiterer Beweis für die Bestimmung von Blatt 65 (zu dem als Einzelzeichnung der Mittelfassade Blatt 68 gehört hat). 27

Die Fassade des ausgeführten Neumannschen Hauses hat drei gleichwertige 11 Geschosse, während der große Plan die obere niedriger gehalten hatte. Sie bilden zusammen zwei Drittel der Gesamthöhe bis zum First, und werden durch ganz einfache Gesimsbänder voneinander getrennt. Fast in der Mitte der Geschoß-Streifen sind die Fester angeordnet, die ohne Bindung an horizontale oder vertikale Gliederungen auf der Mauerfläche sitzen. D a der breite Sturz mit dem Schlußstein höher ist als die schmale Bank, hat Neumann die Fenster so gesetzt, daß die Entfernung von der Oberkante des Schlußsteines zum oberen Gurtband ebenso weit ist, wie von der Unterkante der Fensterbank zum unteren Gurtgesims. Die Fenster sitzen also nicht in der Mitte der Geschosse, aber der Abstand ihrer Rahmungen von den Gesimsen ist nach oben und unten gleich, sie befinden sich in einer Art labilem Gleichgewicht innerhalb der einzelnen Geschosse. In das Gesamtsystem sind die Fenster derart eingegliedert, daß bei dem Verhältnis von lichter Fensterhöhe zu lichter Fensterbreite wie 2 : 1 , die Höhe des Fensters, das heißt die Höhe der Maueröffnung gleich der halben Geschoßhöhe ist; aber nicht die Öffnungen, sondern der Rahmen ist so gesetzt, daß er die Mitte zwischen den Gurtbändern einnimmt. In der Gesamthöhe der Fassade machen die Fenster mithin in der Höhe bis zum First '/„ aus, wobei der Sockel — wie üblich — nicht mit in das System der Fassade einbezogen gilt. Ein unaufdringliches, feines Maßverhältnis verbindet also den Bau mit seinen Einzelteilen, das nicht das Werk eines stumpfsinnigen oder schematisierenden unkünstlerischen Rechners ist; es hätten ebenso andere Zahlen sein können und es sind an den anderen Bauten Neumanns immer wieder andere; die Qualität ist nicht durch dieses oder jenes Teilungs- oder Proportionssystem bedingt, sondern durch das Vorhandensein einer Bindung zwischen dem Ganzen und dem Einzelnen überhaupt. Die Gesamtbindung läßt sich in irgendeiner Form bei den meisten Neumannschen Bauten finden, ihre Einzelheiten und Systeme aber sind mannigfaltig. Die Anwendung solcher Bindung ist noch keine künstlerische T a t , sondern nur Voraussetzung für architektonische Wirkung, wenn solche beansprucht werden soll. Was dem Künstler überlassen bleibt, ist die Anwendung und Aufteilung der Maße und Proportionen; hier wird sich sein eigener Stil und sein Können zeigen. Es ist naturgemäß mehr oder weniger dem Zufall überlassen, daß der „Schlüssel" sich dem Betrachter eines Bauwerkes offenbart und es ist auch nicht notwendig, ihn zu kennen. Wo Maßbeziehungen auftreten und nachgerechnet werden, dürfen sie nur als das verstanden werden, was sie wirklich sind: ohne Spekulation entstandene natürliche Äußerungen eines gesunden künstlerischen Empfindens. Das Rahmenwerk der Fenster besteht hauptsächlich aus einem sehr flachen Karnies, Band und Viertelstab. Ein außen umlaufendes kleines Band entfaltet sich auf dem Sturz zu kleinen Blattvoluten; ein Motiv, das an anderen 28

Bauten nicht nachzuweisen ist. I n der schon früher geübten Art sind die Stürze im mittleren Teil, zu Seiten des keilförmigen diamentierten Scheitelsteines verkröpfend hochgezogen; die strengen Formen erhalten so zusammen mit den Voluten eine gewisse Auflockerung u n d leichte Aufwärtsbewegung. Die beiden Obergeschosse werden allseitig durch Kolossalpilaster, die von der K a n t e zurückgesetzt sind, zusammengefaßt; sie tragen komposite Kapitäle u n d verkröpfen sich in ein die Ecke übergreifendes Architravfragment u n d das Dachgesims. Die zusammenfassende Wirkung wird durch das Hinweggehen der Pilaster über dem Gesims zwischen den beiden Obergeschossen betont; das untere Gesims läuft verkröpft weiter u n d dient dem rustizierten Pilasterstuhl als Abschluß. Die Pilaster fassen in den beiden Obergeschossen zwei Drittel der Fassadenhöhe, die selbst zwei Drittel der Gesamthöhe beträgt, zusammen; die 2 / 3 -Teilung, findet sich wie a m Ganzen, so auch an den Teilen. Die Hauptwohngeschosse haben also mit vier Neunteln das Übergewicht, ohne deswegen gegen die 2 / 9 + 3 / 9 von Erdgeschoß u n d Dach die absolute Mehrheit zu haben. D a d u r c h werden aber die oben schon genannten Teilungsarten nicht hinfallig; sie alle sind gleichzeitig vorhanden, gleichzeitig —• wenn nicht klar bestimmbar — so doch für den Beschauer wirksam. Dieses Widerspiel verschiedener K r ä f t e u n d Ineinandergreifen ungleichwertiger Maßbeziehungen ist es, was den Bau der Barockzeit von einem „klassischen" Werk unterscheidet, das in klar übersehbaren Verhältnissen ausruht. Den einzigen Akzent der Fassade bildet das Portal. Das erste Projekt hatte über der mittleren Einfahrt einen Balkon vorgesehen, während die seitlichen nach oben mit einem Gesims abschnitten, das mit dem geschoßtrennenden Gesimsband zusammenfiel. D a jetzt der rechte Teil des großen Projekts f ü r sich allein aufgeführt wird, ü b e r n i m m t N e u m a n n die frühere Anordnung nicht, weil auch der neue Einzelbau eines Vertikalakzentes bedarf, wie ihn vorher der Balkon f ü r den ganzen T r a k t dargestellt hatte. Er überträgt n u n nicht den Balkon, der die gewollte Flächigkeit der Fassade wohl zu sehr gestört hätte, sondern läßt das Gebälksystem des Portales in das zweite Geschoß hinaufgreifen, das somit in bescheidener, aber bestimmter F o r m seine Bedeutung veranschaulicht. Auch die Flankierung durch j e zwei Pilaster seitlich des Portals wird aufgegeben, weil diese A n o r d n u n g d e m stehenden Bau eine zu große Schwere gegeben, j a , wohl den Eindruck einer gewissen prunksüchtig-unbeholfenen Dekoration gemacht hätte, —• so nötig sie f ü r das erste Projekt zur kräftigen Durchbildung der wenig gegliederten Fassade war. Die Reduzierung h a t aber auch noch einen zweiten G r u n d . I m ersten System zu elf Achsen m u ß t e das Erdgeschoß der Symmetrie wegen in 4 + 3 + 4 Achsen aufgeteilt werden, wobei die drei mittleren d e m T o r zufielen, das so eine durchaus entsprechende Größe erhielt. Der neue Einzelbau u m f a ß t aber, wie schon erläutert, zwölf Achsen; f ü r die Aufteilung z u m Eingliedern des Portales hatte N e u m a n n 29

also nur zwei Möglichkeiten: 4 + 4 + 4 oder 5 + 2 + 5 Achsen; praktisch kam nur die letztere in Betracht. Es stehen jetzt für die Durchfahrt und ihre Rahmung nur noch der Platz von zwei Achsen zur Verfügung. So muß beiderseits ein Pilaster geopfert werden, was Neumann hier ohne Schwierigkeiten zugeben kann. In Anlehnung an die üblichen Formen des Sockelgeschosses und um für die rahmende Architektur eine geeignete Unterlage zu schaffen, wird der Wand eine quer rustizierte Mauerschicht vorgelegt, auf der die einfachen toskanischen Pilaster Platz finden. Darüber liegt ein aus Architrav, Fries und Gesims vollständig gebildetes Gebälk, das dann ins nächste Geschoß übergreift. Die Frieszone ist in enger Anlehnung an die Architekturtheoretiker, ähnlich jener an den Toren der Residenzseitenflügel, in Metopen und Triglyphen aufgeteilt und geziert. In die Rustikarücklage ist der Torbogen eingeschnitten, den ein reiches Profil umläuft; ihn schließt ein volutenartig gebildeter Schlußstein, über dem anläßlich des Besitzwechsels das Wappen der freiherrlich v. Huttenschen Familie angebracht wurde. Die Durchfahrt ist in moderner Zeit zugesetzt worden. Die innere Einteilung des Hauses imponiert durch ihre Zweckmäßigkeit und die schöne Proportionierung der Räume; in den noch unberührt gebliebenen Zimmern macht sie auf den heutigen Besucher großen Eindruck, ist hier doch mit selbstverständlicher Sicherheit etwas geschaffen, das modernen Schöpfungen so oft fehlt. Von der Durchfahrt aus gelangt man links in das Treppenhaus. Die erste Planung hatte eine auf fast quadratischem Grundriß disponierte einarmige Treppe mit zwei Umkehrpodesten vorgesehen, die von einem Gang aus betreten wird; die Quadratseite des Treppenraumes entsprach zwei Fensterachsen; die ganze Anlage war eigentlich nichts „besonderes". Im Ausführungsentwurf war durch Hinzunehmen einer Fensterachse und Änderung des Portals für die Erdgeschoßräume der Platz von zwei Achsen gewonnen worden und eine davon kommt dem Treppenhaus zugute, das nun breiter, aber weniger tief wird. Der vorgelagerte Gang wird dadurch zum Vorplatz von gleicher Tiefe, man kann von einem Treppenhaus reden, das als gesamtes wieder einen ungefähr quadratischen Grundriß hat. In diesen großzügig geschaffenen Raum, der Y , der ganzen Hausfläche einnimmt gegenüber 1 / 9 im ersten, auch an sich noch etwas kleineren Teilgebäude, stellt Neumann nun seine Stiege hinein, die bequem von Geschoß zu Geschoß steigt, und gestaltet damit das erste große Treppenhaus in Würzburg überhaupt. Das Hinaufführen der Haupttreppe bis zum zweiten Geschoß unterscheidet die Anlage von den Stiegenhäusern gleichzeitiger Schloßanlagen. Dort sorgt für die Verbindung vom ersten herrschaftlichen Stock zum für das große Leben nebensächlichen zweiten eine Neben treppe, das heißt: nur das untere Drittel des Treppenhausraumes wird für die Treppe selbst beansprucht, die anderen zwei Drittel kommen der räumlichen Entfaltung zugute und die Decke wird

schon von unten her, ohne Überschneidungen durch weiter ansteigende Läufe, sichtbar. I m Neumannschen Haus ist das erst im zweiten Stock möglich, denn erst dem vom ersten noch weiter Emporsteigenden öffnet sich der Raum in seiner ganzen Weite und Helligkeit; hier erst wird man der im ornamentalen Programm auf uneingeschränkte Gesamtansicht berechneten Decke ansichtig. Wenn der Treppenraum selbst bis heute unverändert blieb, wie es die Decke j a beweist, so ist doch die Treppenführung nicht mehr die originale aus der Erbauungszeit. Das zeigen nicht nur die Geländer, die j a ohne weitere Eingriffe hätten erneuert weiden können, sondern die eleganten Wölbungen und Kurvierungen des Treppenlaufs und auch das Fehlen der Stützen im ersten Obergeschoß, Dinge, die Neumanns Plan nicht zeigt und die zur Zeit der Erbauung so noch nicht möglich waren. In der Sammlung Eckert finden sich unter Nr. 397 und 3g8 zwei Pläne, die als hierher gehörig angesehen werden müssen; der Beweis ergibt sich aus der übereinstimmenden Grundrißbildung und der gleichen Stufenzahl 8 + 14 + 8; das Geländer ist auf beiden Plänen in Schmiedeeisen vorgesehen, das auf 398 zeigt einfache Spätrokokoformen und verwendet zur Verzierung das Wappen und die Helmzier der v. Hutten. Es handelt sich also um einen Entwurf für ein Stiegengeländer im Huttischen Hof; 397 zeigt eine Variante des Gitters in rein klassizistischen Formen und ist von Franz Ignaz Michael v. Neumann unterschrieben mit dem Datum 1770. Wie weit die Änderungen im Einzelnen gehen, kann hier nicht untersucht werden, jedenfalls ist es der Sohn Neumanns, der hier die großzügige Anlage seines Vaters zu einem fast modern wirkenden Treppenhaus umbaut. Gleichzeitig mit dieser Änderung dürfte auch die Neudekoration eines Teiles der Zimmer erfolgt sein. Den Festsaal hat Neumann, barocker Tradition entsprechend, noch in das zweite Obergeschoß gelegt. Ein durch zwei Geschosse reichender Saal wäre nicht angebracht gewesen; so nutzt er hier oben die Gelegenheit, die Saaldecke wenigstens beträchtlich in den Dachstuhl hinein überhöhen zu können. Das war nötig, weil die grundrißmäßige Erweiterung eines Zimmers ihm noch nicht als Saal erschien, dazu mußte auch die Höhenproportion geändert werden; so überragt der Deckenspiegel — wie auch auf dem Dachboden zu erkennen — die anderen Zimmer um ein Wesentliches. Die Fensternischen zeigen schon jene Rundung und Schräge, die auch in Holzkirchen wieder verwendet wird. Der Charakter des Baus ist der eines Frühwerks, herb, verschlossen, das Kantige, wenn es sein muß, nicht scheuend, wie zum Beispiel das Umbrechen des unter den Pilastern durchlaufenden Gesimsbandes über den Kanten des Gebäudes. Dabei ist nichts unsicher oder tastend versucht, und die Innendisposition zeigt, daß sie durchdacht und gemeistert ist. Nach den oben angeführten Belegen ist kein Zweifel daran möglich, daß Planung und Baubeginn vor der Pariser Reise liegen. U m so interessanter ist ein Vergleich 3i

mit dem ersten. Werk nach der Rückkehr aus Frankreich, dem Ostflügel des Chorherrenstiftes Heidenfeld 47 . Was in der Kapuzinergasse unbewußt aus dem Zeitstil herausgeschaffen wurde, ist hier nun Berechnung geworden. Die angeboren vornehme Haltung ist in verkrampfte Manier umgeschlagen, die z. T . auch das Äußere der Holzkirchener Rotunde noch zeigt, deren Innenraum dann wieder ganz neumannisch ist. Dieses Haus ist das erste größere selbständige Werk Neumanns. Man wird vergeblich fragen, wer denn von anderen Architekten hier Pate gestanden haben könnte und wird auch die folgende Pariser Reise nicht überschätzen; da spricht, von Wien ganz zu schweigen, weder Dienzenhofer, mit dem Neumann über ein J a h r zusammenarbeitete, noch Welsch oder Greising. Wenn sich Einzelformen, wie die Fensterstürze oder Kolossalpilaster auch in ähnlicher, nicht gleicher Form in der Würzburger Baukunst der vorangehenden Jahrzehnte finden: entscheidend ist doch die Gesinnung, aus der heraus sie verwendet werden. Man möchte am ehesten noch an Petrini denken, — nicht, daß Neumann ein Menschenalter zurückschritte — sondern er langt wieder auf dem selben Punkt an, nicht im Kreislauf, aber in der Spirale der Entwicklung eine Drehung weiter. So ist vor allem der Entwertung der architektonischen Einzelform, wie sie unter Greising Platz gegriffen hatte, ein entschiedenes Halt entgegengesetzt; aber es sind nicht wieder Petrinis kräftige Gesimse und schwellende Profile — es ist die Zeit des in der Fläche lebenden Bandelwerks. Der unarchitektonische Stil der Greisingzeit hatte für das Bürgerhaus in einem Werk, wie es Neubaustraße 14 darstellt, seinen Gipfelpunkt erreicht, von dem aus — und das ist entscheidend — eine Weiterentwicklung nicht möglich war; sie wäre von dem ein Menschenalter jüngeren Falkenhaus auch nicht möglich gewesen. Neumanns Verdienst ist es, über das „Gestern" hinweg den Anschluß an das „Vorgestern" hergestellt zu haben; daß er mit seinen letzten Wohnbauten auch den Weg zum Kommenden, zum Klassizismus schon wies, daß also seine Endstufe nicht mit einem nicht weiter entwicklungsfähigen T y p abschloß, wird noch zu zeigen sein. Wer ein architektonisches Glaubensbekenntnis des jungen Neumann sucht, der wird es an diesem seinem Haus in der Kapuzinergasse finden, nicht aber im Bau der Burkarderstraße und auch nicht am Hof Oberfrankfurt, den er 1724/25 durch Tausch mit der freiherrlich v. Huttenschen Familie erhielt. Dieser Hof lag an einer Biegung der damals sehr engen Franziskanergasse 6 und mag um die Jahrhundertwende neugebaut worden sein. Gegenüber befand sich der Neumünsterische Sauerschenkenhof. Das Stift wird, zweifellos auf Neumanns Betreiben, veranlaßt, das in sehr schlechtem Zustand befindliche Gebäude äußerlich wieder herzustellen; eine alte Gartenmauer wird abgebrochen und ein Teil des Grundbesitzes zur Erweiterung der Gasse verwendet. So entsteht, nachdem Neumann das Haus Franziskanergasse 2 32

bezogen hatte, der schöne Freiplatz, der heute noch in das Gewirr der schmalen und engen Gassen eine willkommene Auflockerung bringt 48 . Die Veränderungen am Äußeren des Hofes scheinen sich neben Reperaturen auf eine Dekoration des Portals beschränkt zu haben, über dessen Bogen zwei Reliefs mit allerlei kriegerischen Trophäen angebracht werden, wie sie in jener Zeit gern verwendet wurden. Neumanns Gesuch um Freijahre wird weniger dieser Arbeiten wegen bewilligt, als seiner öffentlichen Verdienste wegen, wie es in der Zustimmung heißt. In den Vierziger Jahren kauft er von der Familie Demerat den anstoßenden Hof Niederfrankfurt hinzu; da er ihn „von grund auf neu erbauet, und zur Erweiterung der gassen i y 2 schuhe weit den Bau hineingerücket", werden ihm zehn Freijahre gewährt 49 . Der Neubau ging unter Wiederverwendung der alten Gewände vor sich, denn nur das Portalgewände gehört der Umbauzeit an; die rückwärtigen Teile des Hofes zeigen noch wesentlich ältere Formen. In diesem ausgedehnten Gebäudekomplex hatte Neumann auch wieder seine Werkstatt, die er in Briefen an den Bischof Friedrich K a r l erwähnt. Auf dem Dache legte er ein kleines Belvedere an 60 . Wenn aus diesem Haus etwas über Neumanns Wesen abgelesen werden kann, so ist es das, daß er für sich anspruchslos im architektonischen Aufwand war und dem Dekorativen ohne besondere Neigung gegenüberstand. Der zweite Bauplatz in der Kapuzinergasse war, wie aus den oben erwähnten Verträgen hervorgeht, dem Kammerrat Hartmann gegeben worden. Er verkaufte sein Haus 1729 an den Geh. Rat und Oberamtmann Freiherrn Ludwig Zobel von Giebelstadt, einen Sohn des Oberstallmeisters, um 12500 fl. Im Besitz dieser Familie bleibt es bis 1797, wo Karl Heinrich v. Zobel es an den Stadtmagistrat und das demselben gehörige St. Josephspital um 1 9 5 0 0 0 . verkauft. Anlässig der Besitznahme durch das Spital, heute Hüberspflege genannt, wurde dem Haus ein neues Portal vorgeblendet 51 . Der ausgeführte Bau weicht von der ursprünglichen Planung erheblich ab. Offenbar erst während des Bauens wurde auf das zweite Obergeschoß verzichtet, so daß die ganze Anlage einen etwas gedrückten Eindruck macht, weil die Gliederungen nicht zu freier Entfaltung kommen können. Ob Neumann die nicht besonders glückliche Eckrundung im Obergeschoß veranlaßte, erscheint fraglich. Im Innern ist der große Saal bemerkenswert, der auf der Rückseite risalitartig vorspringt. Er ist gleichzeitig gebaut. Zwischen dem Hartmannschen und dem Neumannschen Haus zieht sich eine Mauer, über die das Gesims beider Bauten hinwegläuft. In ihr befinden sich die Portale für die Hofeinfahrten eingegliedert. Das kleine Nebengebäude war die Stallung des Neumannschen Hauses. Es ist zu bedauern, daß das Hartmannsche Haus nicht dem anderen entsprechend aufgeführt wurde, eine einheitliche Flucht wäre der Gewinn gewesen. Das Haus jenseits der Gasse (heu tejulianum), baute 1726 der schon genannte Kammerrat Gerhardt. Christoph Franz schenkte ihm Fuhren und Materialien. 33

Der Plan stammt von einem der zahlreichen handwerklichen Meister der Stadt. Die beiden Obergeschosse des Gebäudes sind moderne Zutat; es ist ursprünglich in der gleichen Höhe wie das Hartmannsche Haus zu denken. DIE

KASERNE

In der Denkschrift von 1720 hatte Neumann die Errichtung einer Kaserne am Main vorgeschlagen. 1721 denkt Johann Philipp Franz schon an die Ausführung. Aber er hat zunächst noch einen anderen Platz im Auge, denn er möchte den Neubau möglichst nahe der Residenz errichtet wissen; so teilt er im März des Jahres dem R a t der Stadt mit, daß er auf dem Gelände zwischen dem Hirten- und dem Stephansturm einen Bau für seine Soldaten errichten wolle, von dem verschiedene Bürgerhäuser mit guten Kellern und fünf Zwinger betroffen würden 52 . So sehr erwünscht ein solcher Vorschlag der Stadt an sich sein mochte — fielen doch die lästigen Einquartierungen beim Vorhandensein einer ausreichenden Kaserne weg —, so ist der R a t über die Wahl des Bauplatzes doch außer sich, das Gelände sei zu wertvoll, Krankheiten könnten eingeschleppt werden und der Lärm werde die umliegenden Kirchen behelligen. Man schlägt deshalb einen Platz jenseits des Mains vor, wo die alten Kasernen schon standen, doch darauf wollte der Fürst keinesfalls eingehen. Man einigte sich auf den Platz am Main, den Neumann schon vorgeschlagen hatte; hier befanden sich nur kleinere Häuser, die billig zu erwerben waren und einiges Gartengelände der Reuerer und Johanniter; für den Kasernenbau war die Gelegenheit zur Ableitung der Abwässer in den Main besonders günstig. Der Bau wurde bald begonnen, ist aber 1724 noch nicht vollendet 63 . Die Erscheinung der fertigen Kaserne hat dann Salomon Kleiner 12 1725 festgehalten. Aus seiner Zeichnung ist ersichtlich, daß der nahezu einen Viertelkilometer lange Flügel früher unmittelbar am Wasser lag; die Promenade ist erst durch Aufschüttungen jüngerer Zeit entstanden. Auf dem Neumann-Salverschen Blatt von 1722/23 ist die gerade begonnene Anlage schon als vollendet eingetragen. Der schlichte Nutzbau, der bis in neuere Zeit seinem alten Zweck diente, war ursprünglich nur als ein Teil des größeren Vorhabens: Neugestaltung des östlichen Mainufers, gedacht. Angesichts des Häusergewirrs, das die Kleinersche Ansicht zeigt, wird der Vorschlag Neumanns verständlich, im Anschluß an die Kaserne nach Norden hin die anderen Häuser reihenmäßig aufzuführen, und zwar von der Kaserne bis zur Mainbrücke und von da weiter bis zum Schneidturm. Dabei wäre natürlich der heute als Reiz empfundene Gegensatz zwischen dem kleinteiligen Vielerlei der Stadt und den großzügigen Linien der Marienbergbefestigung verloren gegangen. Der Ausführung dieses monumentalen Projekts standen die großen Kosten entgegen und der alte Zustand mußte bestehen bleiben, wie er sich heute zwischen Mainbrücke und Kranen noch am besten erhalten hat. 34

DER DIETRICHERSPITALBAU

UND ANDERE

GEBÄUDE

Der Domdechant läßt 1723 durch Stadtbaumeister Papius dem Rat mitteilen, daß das Kapitel sich entschlossen habe, das ihm unterstehende Dietricher Spital am Kornmarkt „ a d majus ornamentum civitatis" auszubauen 64 . Aus unbekannten Gründen bleibt das Vorhaben zunächst unausgeführt; erst 1725 werden wieder Verhandlungen aufgenommen und Christoph Franz erlaubt, acht Kramläden beim Anbau einzubeziehen 55 . Neumann wird mit der Anfertigung der Ausführungsrisse betraut und 1727 werden ihm wegen „seyner bey dem Dietricher Spitalbau gemachten rissen und anderen bemühungen pro praesenti 12 Rthlr. nebst einem Fuder Wein gdg gebilliget, ratione futuri aber daVor gehalten, das die dem baumeistern zugelegte addition ihme post huius obitum gereicht werden könte" 5 8 . Das Domkapitel hatte einen eigenen Baumeister mit Namen Georg Bayer, der 1687 als Nachfolger von Michael K a u t sein Amt angetreten hatte. Er resigniert 1726 und sein Nachfolger wird als Bauschreiber Kilian Metzger, der 1749 noch tätig ist; als Bauinspektor wird aber Neumann berufen, der dieses Amt von 1728 bis 1744 versieht 57 . Von April bis J u n i 1725 ist man mit dem Einlegen der alten Gebäudeteile beschäftigt und dann beginnt der Aufbau, den Neumann nicht leitet, aber doch beaufsichtigt. Der Bischof legt noch im Juni den Grundstein und Anfang 1727 steht das Gebäude unter Dach. Die Finanzierung war gesichert, und da im Erdgeschoß Kramläden eingerichtet werden, erklären sich noch Kaufleute bereit, zuzuschießen 58 . Ein Plan zu diesem Neubau hat sich erhalten (UBW. Del. II. 81); seine 14 Zugehörigkeit trotz der Unterschiede gegenüber dem Ausgeführten ergibt sich als zweifellos aus dem rechts anschließenden Bau der Petrini-Zeit, der heute noch steht und aus der Verwendung des Domkapitelwappens als Portalbekrönung, das nur bei einem dem Kapitel eigenen Bau erscheint. Der ganz unbezeichnete Riß ist nun keine Arbeit Neumanns, sondern eine in Anlehnung an seine Werke entstandene Zeichnung des Georg Bayer. Dafür spricht nicht nur die Art der zeichnerischen Ausführung, die dem Büro Neumanns fremd ist, sondern auch Einzelformen, wie die Bildung des Oberlichts, das ganz genau so auf dem Entwurf für die Vikarienhäuser der Hofstraße, der in der gleichen Sammlung festgestellt wurde, erscheint; auch für diesen Bau war der Baumeister des Domkapitels zuständig. Bayer ist einer jener Meister, die bisher nicht einmal dem Namen nach bekannt geworden sind —• die Namen Greising und Neumann haben alles überschattet. Er ist zweifellos der bedeutendste unter den kleineren, mehr handwerklichen Meistern um 1720/25, deren im Verlauf dieser Untersuchung mehrere genannt werden, soweit sie durch ihre Werke lebendig wurden. Anhand erhaltener Pläne und archivalischer Notizen läßt sich soviel sagen, daß Bayer, der 1 7 1 5 das berühmte Haus Neubaustr. 14 erwarb und neubaute, 35

jene Persönlichkeit ist, die über Greisings T o d hinaus dessen Stil bis zur Mitte des Jahrzehnts weiterführte. E r m u ß als Meister des Huttenschlößchens u n d von Schloß u n d Kirche in Steinbach angesehen werden. So ist er gewisserm a ß e n der Architekt des Dompropsts u n d Bischofs H u t t e n , der als Anführer der Schönborn-Opposition sich des Hofarchitekten N e u m a n n nicht bedienen wollte. Die Fassade des Planes hält sich an Neumanns Einzelformen u n d ist angeregt durch ein Gebäude, das sich damals gegenüber dem neuzubauenden T r a k t des Spitals befand, das Schäffer-Efferzische Haus, später „Württemberger H o f " . V o m Aussehen dieses Baus gibt Kleiners Ansicht der Marienkapelle das Wesentlichste an; es entstand n a c h Anweisung der Kommission gleich zu Beginn der zwanziger J a h r e . Eigenartig u n d nicht nach Neumanns Art ist der A u f b a u der Fassade nach dem Bayerschen Plan. Er hatte offenbar an der Residenz sich umgeschaut u n d von dort blieb ihm eine Erinnerung an die Mezzaningeschosse. Er bringt sie hier auch an, u m dem Bau ein möglichst vornehmes Aussehen zu zu geben, u n d teilt ganz richtig: Erdgeschoß, Mezzanin, Hauptgeschoß, Mezzanin. N u r hat er nicht beachtet, d a ß an der Residenz das untere Mezzanin — das j a n a t u r g e m ä ß zu unteren Gebäudezone gehört — unter dem Gurtgesims liegt; er setzt es n u n über das rustizierte Erdgeschoß u n d zieht es durch die gliedernden Kolossalpilaster vollends zum Hauptstock; so entsteht ein unarchitektonisches Gebilde, das N e u m a n n auch sofort korrigiert. Eine zweite Eigenart des Bayerschen Entwurfes ist die Durchbrechung des abschließenden Sockelgesimses zugunsten der Türbekrönung; N e u m a n n geht auch über Gesimse hinweg, er läßt sie aber nicht einfach unterbrechen, u n d vor allem nicht ein Gesims über dem Sockelgeschoß, das j a doch das gesicherte Lagern des ganzen Baukörpers betonen soll. Diesen Plan Bayers hat das Kapitel N e u m a n n zur Begutachtung vorgelegt, 13 der ihn nach Erledigung behielt u n d in seine M a p p e legte. N e u m a n n streicht das unnatürliche erste Mezzanin zugunsten eines zweiten Hauptgeschosses unter dem einen zuerst vorgesehenen. Dazu war aber eine größere Ausdehnung in der Senkrechten nötig. Nach oben hin konnte sie nicht erreicht werden, weil des geschlossenen Platzbildes wegen das Kranzgesims sich an den N a c h b a r b a u anschließen m u ß t e ; so streicht N e u m a n n die unteren Stufen, u m deren Höhe vor dem Portal das Erdgeschoß niedriger gelegt und gleichzeitig die Möglichkeit einer Durchfahrt geschaffen wird. D a diese mehr Platz als die von Bayer vorgesehene T ü r beansprucht, hätten sich Schwierigmit den Bögen des Erdgeschosses ergeben. Die d e m T o r e zunächst gelegenen wegfallen zu lassen, war nicht angängig, weil die D u r c h f a h r t j a n u r die Hälfte eines Bogens beiderseitig benötigte, u n d ein häßlicher Rest ungegliederter Mauerfläche geblieben wäre. N e u m a n n vergrößerte die Fassade u m eine Fensterachse auf acht u n d hatte dadurch die Möglichkeit, unter den beiden 36

mittleren Fenstern das T o r einfügen zu können u n d die seitlichen Flächen d u r c h zwei Bögen auf j e d e r Seite zu gliedern, die gegenüber den vorher geplanten vergrößert sind, u m in einem richtigen Verhältnis zum Portal zu erscheinen. Aus dem Block von 7 x 5 Achsen wird eine Anlage zu zwei Flügeln von 8 x 8 . Ü b e r dem rustizierten Erdgeschoß erheben sich zwei H a u p t u n d ein Mezzaningeschoß. Beiderseits des Portales sind zwei früher offene Bögen zu denken, die oben durch Hakensteine so geschlossen werden, d a ß die Lagerfugen der Rustika in R i c h t u n g auf das Z e n t r u m des Bogens umbiegen. Das Portal wird von einem auf einer Kämpferplatte aufruhenden Korbbogen mit diamantieitem Schlußstein gebildet. D e m Gewände sind seitlich jonisierende Pilaster beigeordnet, deren verkröpftes Gesims mit dem Sockelgesims zusammenfällt. Die Bogenzwickel sind mit diamantierten Füllungen geschmückt, wie sie bei den Portalen dieser Zeit oft vorkommen. Über dem Portal ist ein ornamentaler Aufsatz angebracht, der der sammelnden K r a f t des Tores die R i c h t u n g nach oben weist und mit dieser leicht vertikalisierenden Tendenz den Übergang vom Sockel zu den Obergeschossen erleichtert. Von Akanthus u m r a h m t erscheint in der Mitte das Wappen des Domkapitels, u n d seitlich, in kleineren Medaillons, die Wappen des Domprobstes J o h . Phil. Fuchs v. Dornheim u n d des Domdechanten J o h . Veit v. Würtzburg. Die drei oberen Geschosse sind durch mit kompositen Kapitalen geschmückte Kolossalpilaster zusammengefaßt, deren Stühle sich im Sockelgeschoß verkröpfen; sie geben dem ganzen Bau ein stattliches, vornehmes Aussehen, wozu auch die von N e u m a n n geänderte Geschoßeinteilung beiträgt. Die Dachgauben sind auf die geraden Achsen gesetzt, rein rechnerisch also unsymmetrisch verteilt; optisch aber sind sie richtig angebracht in Berücksichtigung der Tatsache, d a ß durch den schrägen Verlauf der Dachkontur eine G a u b e über der ersten Achse links scheinbar weiter außen sitzend erscheint, als die über der achten. Das Gebäude bildet die südliche Platzwand des alten Kornmarkts, dessen frühere Geschlossenheit durch den Abbruch des Gegenstücks, des „Württemberger Hofs" zerstört wurde. Für die Zeit von der Mitte bis z u m Ende der zwanziger J a h r e lassen sich noch eine Reihe von Häusern stilistisch oder urkundlich festlegen. Ihre Bedeutung erreicht in keinem Falle die der bisher behandelten Gebäude, es sind einfache Bürgerhäuser u n d Reihenbauten. Es wäre verkehrt, sie alle, soweit sie sich mehr oder weniger eng den durch N e u m a n n angeregten Formen anschließen, i h m oder seinem Büro zuschreiben zu wollen; das hieße die Leistungsfähigkeit des einheimischen Bauhandwerks wesentlich unterschätzen. Durch das M a n d a t ist festgelegt, d a ß f ü r jeden N e u b a u oder U m b a u ein R i ß der Hofkommission vorgelegt werden m u ß , was zumeist durch den ausführenden Maurermeister geschieht, der eben oft auch der Planfertiger ist. Werden die Risse nicht ohne weiteres gebilligt, d a n n wird ein allgemeiner „Augenschein" eingenommen oder N e u m a n n gibt die Anweisungen, die 37

Fluchtlinie, Dachhöhe oder Einzelheiten der Fassadengestaltung betreffen, wie Zahl und Abstand der Fenster oder Anlage der Tür. Allgemein kann man sagen, daß eben nichts entstand, was nicht Neumanns Billigung oder — was meistens dasselbe ist — die Zustimmung der Stadtbaukommission hatte. Nicht sehr groß, aber durch seine mit Pilastern geschmückte Fassade 15 auffallend ist das Haus des Goldarbeiters Ernst gegenüber dem Neubauturm. Den Plan reicht Maurermeister Rösch im März 1728 bei der Baukommission ein; er wird approbiert, doch soll mit dem Festsetzen der Fluchtlinie gewartet werden, bis Neumann wieder in Würzburg ist 59 . Es wird dann vom Münsterschen Hof aus die Schnur gezogen und gegen Ende des Jahres ist das Haus schon vollendet; das J a h r der Erbauung 1729 findet sich auch über dem Türstein. Weil Ernst beim Herausrücken an die neue Fluchtlinie Boden gewonnen hat, erhält er anstatt der ihm eigentlich zugedachten 12 nur 10 Freijahre. Das nicht besonders große Haus zeigt alle jene Einzelformen, wie sie ähnlich von den bedeutenden Bauten der Epoche als dem Modell entsprechend bekannt sind. Der Entwurf geht nicht auf Neumann zurück, der die reiche Ausstattung kleinerer Bauten mit Pilastern nicht gern anwandte; auch seine Abwesenheit zur Zeit der Vorlage des Planes, die sich auf mehrere Wochen um dieses Datum herum erstreckte, macht das unwahrscheinlich. Das Haus ist ein Werk des Maurermeisters Rösch und in enger Anlehnung an die von Neumann aufgestellten Modellanweisungen entstanden. In die nämliche Zeit fallt das Haus der Köppleinschen Erben, Ecke Eich45 horn- und Wöllergasse, bei dem Neumann berät und anweist; es zeigt das von ihm bevorzugte Rustika-Eckband. Das Gebäude ist durch moderne Aufstockung entstellt, früher hatte es gleiche Höhe mit dem Hof Rohmbach und dem Eckhaus zur Adolf-Hitler-Straße, beides späteren Neumannbauten; dieser schöne Gleichklang ist heute zerstört. Ähnlich in der Art der Eckbildung ist der große Block der jetzigen Einhornapotheke, einst das Haus des Hofkammerrats A. Fries, an der Ecke der Neubau- und Augustinerstraße. Im Torschlußstein findet sich die Jahreszahl 1725; gleichzeitig entstand als ein Umbau das kleine Haus gegenüber (Neubaustraße 4). Wie weit trotz aller Bestimmungen der Spielraum gelassen war, zeigt das große Haus in der Textorstraße nahe dem Stift Haug, das Kanonikus Caesar 1726 sich erbaute und „über das noch mit Einem besonderen zierlichen portal gesimbsern und künstlicher bilthauer arbeith mit großen Kosten schmückte", wie er der Kommission gegenüber angab, um nach den Sonderbestimmungen des Mandats ,,10 + 1 0 " Freijahre zu erhalten. Diese aber meint, das Haus sei nichts mehr als nach dem Modell gebaut, „außer das Er ober dem Thor ein paar urnas und Eine statuam gesezet, welches nicht sonderlich considerable" sei; so bleibt es bei 10 Freijahren. Besondere Erwähnung verdient noch das Haus des Schwertfegers Schnee38

bach, das letzte diesseits links auf der Mainbrücke. Neumann berichtet im Februar 1726 über den vom Schwertfeger ihm zugestellten Riß für den Neubau des Hauses, das durch das kürzlich erfolgte Abbrechen des Hauptwachtturmes gefährdet geworden ist. Schneebach wollte noch ein weiteres Grundstück hinzuziehen, aber, obwohl man der Meinung ist, daß es einen „schönen Bau präsentieren würde", kann man nichts entscheiden wegen der Zuständigkeit des Rats als Besitzer. Gegen Ende des Jahres sind die Fundamente fertig und im Februar 1727 fragt der ausführende Maurermeister Gerst in der Kommission an, wie er sich wegen der Höhe des Gebäudes zu verhalten habe, „worauf derselbe nach den von H. Major Neumann gemachten projekt mit ladenfenster, einer Thür, und dann 4 einfachen fenster item den ersten stockh 10 schuch, den anderen i o y 2 , dritten und Vierten gleichfalls 10 schuch hoch und statt d. Lessine von quater zu machen angewiesen worden". Der Bescheid ist hier im Wortlaut gegeben, weil er in sonst nicht üblicher Ausführlichkeit zeigt, worin die Arbeit des Bauanweisens, die immer Neumann übertragen wird, besteht. Die Bemerkung, anstatt der Lisene ein Rustikaband zu verwenden, zeigt, daß nicht der Gesamtplan von Neumann stammt, sondern daß er Korrekturen an einem vorhandenen Riß vornimmt. Diesem entsprechend ist das Haus ausgeführt worden, das durch die schöne Gliederung zu den bedeutenderen gehört. Unter den Fensterbänken sind Zierplatten angebracht, die mit ornamentalen und figürlichen Darstellungen geschmückt sind, ähnlich dem Haus Domstraße 1 1 ; an dieser Dekoration ist Neumann unbeteiligt. Schneebach erhält 12 Freijahre. Die zielbewußte Arbeit wird besonders deutlich aus einem Bauvorhaben auf der Brücke 7/9. Der Besitzer des linken Hauses, Gutbrod, reicht 1726 einen Riß ein, nach welchem er sein Haus von Grund auf neu bauen will; die Kommission ist einverstanden, doch soll gleichzeitig der Nachbar Franz Renninger (Brückenbeck) „animirt" werden, dem Neubau gleich, seinem Haus noch einen Stock aufzusetzen. Im Februar 1727 ergeht neue Anweisung; Gutbrod soll nämlich sein Erd- und erstes Obergeschoß dem schon seit 1706 stehenden des Brückenbecks angleichen, dieser dafür sein neues Stockwerk und Dach dem Haus Gutbrods anschließen. Wie der Augenschein lehrt, ist die Aufforderung bei Renninger umsonst gewesen. Dem in der Einleitung zitierten Hausspruch zufolge hatte er 1706 offenbar schlechte Erfahrungen gemacht. Eines der schönsten Häuser in der von Neumann gewünschten Art ist das des Maurermeisters MichelSchäffer, heute Juliuspromenade 2 1 , das 1726 entstand. Das Erdgeschoß ist modern verändert, die oberen Stockwerke zeigen die fein durchgebildete Fassade, die in Quadern, im Gegensatz zum meist üblichen billigeren Verputzmauerwerk, aufgeführt ist; dem Mandat entsprechend erhält Schäffer deswegen 12 Freijahre 60 . Der nämlichen Zeit gehören noch die einfachen Häuser in der Semmelstraße 9, 13 und Eichhornstraße 18 an, 39

ferner Domstraße 68y 2 , Sterngasse 5 und Plattnergasse 10, ohne daß diese Aufzählung vollständig wäre. Auch das 1730 entstandene Haus des Maurermeisters Mathes Kolb in der Semmelstraße gehört dazu. Sie alle zeigen und bezeugen die Wirksamkeit der Kommission und das Eingehen des Bauhandwerks auf die von Neumann geschaffenen Formen, der Gleichmäßigkeit, aber keine Gleichmacherei erstrebte. Wie nötig immerhin die Überwachung des Bauwesens war, wird deutlich 16 aus einem Beispiel, zu dem sich Plan und Gutachten erhalten haben. Hauptmann Rubia, der nahe der Peterskirche wohnt, läßt im November 1726 durch seinen Maurermeister „Asimus", das ist Asmus, auch Erasmus Wolfhardt genannt, einen Riß für einen geplanten Neubau unter Verwendung von Holz einreichen. Der Beschluß der Kommission wird auf dem Plan vermerkt, der sich in der Universitätsbibliothek befindet. Es heißt dort, daß ihm erlaubt werde, nach dem eingereichten Riß zu bauen, „Jedoch, der gestalten, das der andere ( = 2.) Stockh keinesweegs von Holtz sond. alles von Stein aufgeführet, die fenster eines so weith als das andere von einander gesezet, auch in d. thor ein Schluß Stein gemacht werden." Mit anderen Worten: von dem ursprünglichen Plan bleibt nicht viel übrig, die Fenster dürfen nicht mit Holzrahmen hergestellt werden, vor allem aber müssen sie gleich weit von einander entfernt sein; in den Torbogen ist auf dem Plan schon mit Blei der Schlußstein hineingezeichnet; er soll den niedrigen Bogen über die Höhe der Erdgeschoßfenster hinweg mit dem Gesims in Verbindung bringen. Dieser Fall zeigt, welche Wege die handwerkliche Baukunst, oft unter Zwang der Bauherrn, gegangen wäre ohne das Eingreifen Neumanns, dem das Mandat und die Kommission die gesetzliche Handhabe zu einer von allgemeinen Interessen verlangten einheitlichen Gestaltung des Bauwesens bildete. Der Widerstreit zwischen zweckmäßiger Inneneinteilung des Hauses, der bequemen Gestaltung privater Wohnräume einerseits und der städtebaulichen Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit und dem städtischen Gemeinwesen andererseits, in den der weniger fähige Baumeister immer hineingerät, würde, wie auch im Falle Rubia, ohne das Aufsichtsrecht der Regierung stets zugunsten der ersteren entschieden werden. Der Grundriß beweist im Wolfhardtschen Plan für das Haus des Hauptmanns Rubia, daß die nach außen so unangenehm wirkende ungleiche Fensterverteilung nur zuliebe der Innenraumdisposition erfolgte, die in ihrer unklaren Anlage viel zu wünschen übrig läßt. Wie Neumann zur nämlichen Zeit eine solche Aufgabe löste, zeigt am 18 besten ein Plan, der, seiner Überschrift entsprechend, zwei Projekte eines Landhauses vorführt. Jeder Entwurf bringt im Untergeschoß eine Wohnung für einen Bauern, im Hauptstock und im Mezzanin für einen Herrn und Bedienten. Das Blatt ist unterschrieben ,,Balt. Neumann Major", fällt also in die Zeit zwischen 1724 und 1729. Es war vielleicht zur Vervielfältigung, als Vorlageblatt für Interessenten oder auch für Unterrichtszwecke gedacht. 40

Die Bezeichnung Landhaus und die auf dem linken Projekt gegebene Erdgeschoßbezeichnung läßt vermuten, daß es sich um ein städtisches Gebäude — etwa für Würzburg — handeln könne, weil j a früher auch in der Stadt noch etwas Landwirtschaft betrieben wurde; wahrscheinlicher ist es, daß Neumann hier versuchte, auf das Bauwesen der kleineren Landstädte Einfluß zu nehmen, wenn auch ,,in denen landstätten auf solches bauen nicht wie dahier in der residenz gesehen" wurde 6 1 . Die Innendisposition muß als geradezu mustergültig bezeichnet werden und wird trotz vieler theoretischer Veröffentlichungen der Zeit doch als eigene Leistung Neumanns zu gelten haben, der durch seine nun schon zehnjährige Tätigkeit für die Landgebäude und Pfarreien des Hochstifts mit den Erfordernissen und Möglichkeiten dieser Bauten vertraut war. Der Haupteingang liegt beim linken Projekt, das 6 x 3 Achsen umfaßt, auf der Schmalseite; im Untergeschoß befinden sich Küche, Milchkammer, Stube, Kammer und Vorratsgewölbe, daneben die Kellertreppe und das „s. v. privat". Alle Räume, mit Ausnahme der Milchkammer, sind vom Mittelgang aus zu erreichen, der sich in der Mitte des Hauses nach rechts hin zum Treppenhaus erweitert. Von hier erreicht die Stiege mit zwei Umkehrpodesten das Obergeschoß, das zunächst Platz gibt für einen Vorraum mit gerundeten Ecken. V o n hier außen sind die Öfen für drei Zimmer zu bedienen. An der Langseite des Hauses sind zwei größere Zimmer mit je einem kleineren kombiniert, beide von fast quadratischem Grundriß, ferner ist ein größerer R a u m von 2 X 2 Achsen vorgesehen und die nötigen Wirtschaftsräume. Entsprechend ist auch das Obergeschoß für Bedienung, Gäste und Benutzung durch die Herrschaft eingerichtet. Das andere Projekt zeigt eine Variante, die das erste mit seiner klaren einfachen Disposition nicht erreicht. Im Äußeren sind die beiden Obergeschosse durch Kolossalpilaster zusammengefaßt, die auf rustizierten Sockelgliedern des Erdgeschosses stehen; dessen Fenster sind stichbogig geschlossen. Bemerkenswert ist auch das Blatt 30 der Sammlung Del. I I . in der Universitätsbibliothek, das drei Modelle für Landpfarrhäuser zeigt. Die Kartu- 19 sehen über den Oberlichtern der Türen rücken die Entstehungszeit in die vierziger Jahre. Die beiden linken Projekte gleichen sich, nur die Längsausdehnung ist leicht differenziert; das rechte Gebäude ist wesentlich geräumiger. Neumann hatte das Landbauwesen des Hochstifts und der Hofkammer stets zu überwachen und bei seinen Überlandreisen besuchte er auch die kleinen Dörfer, in denen neue Pfarrhäuser entstanden. Die immer wiederkehrende Aufgabe für die gleichen Anforderungen ließ ihn die passenden Typen für verschiedene Geldverhältnisse festlegen. Die einzelnen Räume sind leider ohne Beischrift; daß es sich um ein Pfarrhaus handelt, läßt sich aus ähnlichen Plänen, wie sie in der nämlichen Sammlung für das Pfarrhaus in Falkenstein vorhanden sind, schließen. 41

DER P L A T Z V O R DEM R A T H A U S U N D DER ZUM HIRSCHEN

GASTHOF

In der Denkschrift von 1720 hatte Neumann schon den Abbruch der kleinen Häuser am Fuß der Brücke empfohlen, damit die Domstraße ein besseres Aussehen erhielte. U m den von jenseits des Mains Kommenden den Blick zum Dom zu öffnen, sollte auch der Hauptwachtturm auf der Brücke abgebrochen werden. Im Auftrage des Bischofs kann Neumann zu Beginn des Jahres 1722 dem Stadtbaumeister mitteilen, daß der T u r m fallen soll 62 . Der R a t beschließt, sich vollkommen passiv in dieser Frage zu verhalten, ohne daß er damit etwas ändern kann. Der T u r m wird eingerissen, nicht weil er baufällig ist oder ein Verkehrshindernis bildet, sondern einfach aus städtebaulichen Erwägungen heraus, weil er ein optisches Hindernis ist für eine repräsentative Hauptstraße und die Verbindung der beiden Mainufer. Es entsteht bald — vielleicht auf eine Anregung Dientzenhofers — der Plan, die Brücke mit Statuen zu besetzen. Neumann hatte vorgeschlagen, die Domstraße nun beiderseitig modellmäßig zu bebauen, wie Petrini es mit den Rossatschen Häusern neben dem Dom begonnen hatte. Es wird nichts unversucht gelassen, der großen West-Ost-Achse, die die links- und rechtsmainischen Zentren Würzburgs, Festung und Dom, miteinander verbindet, die ihr gemäße Ausgestaltung zu geben, als deren Glanzpunkt die neue Domfassade gedacht war. Doch nur ein Teil dieser Ideen wird Wirklichkeit. Im April 1722 tritt unter Teilnahme Neumanns die Kommission zusammen, um über Entfernung der Häuser auf der Brückenauffahrt, dem Gelände des heutigen Vierröhrenbrunnenplatzes, zu beraten. Den Hausbesitzern ist schon ein Räumungstermin gestellt worden, doch macht die Abfindung in der Folge die größten Schwierigkeiten; eine Hälfte der Summe übernimmt schließlich der Rat, während die andere der Kammer zufallt. Die Besitzer der Häuser werden vorgeladen und nach endlosen Verhandlungen einigt man sich. Es taucht dann bald die Frage auf, ob nicht die Besitzer der umliegenden Häuser, „als in specie die possessores von der gahrkuchen zum Hirschen, und der Glockhen, welchen beeden dardurch insonderheitlich, und zwar so wohl ratione prospectus, als wegen Eröffnung des Platzes ein ziemlicher Vortheil zu gienge", veranlaßt werden könnten, die Fassaden ihrer Häuser ,,ad decorem civitatis ejusdemque loci nach dem von Ih. Hochf. gn. gdgst belieben würdenden A b r i ß " neuzubauen; andernfalls würde die „deformitet" der abzubrechenden Häuser zwar wegfallen, diese anderen dafür aber umso mehr in Erscheinung treten. Dieser Vorschlag wird dem, die Wirte zu den Kosten des Abbruchs heranzuziehen, vorgezogen, weil, wenn der R a t seinen Bau weiterführe, der Platz gleich sein „völliges ansehen" erhielte 63 . Man will also nicht nur Platz schaffen, sondern der gewonnene R a u m soll auch nach städtebaulichen Gesetzen gestaltet werden; mit einfachen Freilegungen oder 42

Durchbrüchen ist es nicht getan. Die westliche Platzseite muß in ihrem derzeitigen Zustand bleiben, da sie gerade vor wenigen Jahren einige Neubauten erhalten hat, auf der nördlichen will der R a t das Seine tun. U m beim Bauwesen nicht behindert zu sein und dem Platz einen vornehmeren Sinn zu geben, wird der Pranger nach dem Kürschnerhof verlegt. Johann Philipp Franz, der von Neumann stets unterrichtet wird, drängt auf baldigen Abbruch der Häuser, der Oberbürgermeister Schmidt hat aber wieder Schwierigkeiten, als er ,,bey dorthiger vicinität sontiret"; da trifft im J u n i 1722 ein in Schlangenbad ausgefertigtes Dekret des Fürsten ein, wonach sofort zu beginnen ist 64 . Nach der Freilegung erklärt sich der Hirschenwirt Bechtold bereit, zu bauen, aber der Beginn zieht sich noch bis 1726 hin. Er läßt durch Neumann der Kommission sagen, er sei entschlossen, vom Fundament auf neu zu bauen und einen „rechtschaffenen" Bau dahinsetzen zu lassen, wenn ihm das Unigeld erlassen würde, da er zum Bau ohnehin Kapital aufnehmen müsse. Am 8. März 1726 legt Neumann der Kommission einen Entwurf vor, nach dem das Haus des Hirschenwirts gebaut werden könne; da man sich nicht einig geworden war über den Nachlaß, war zunächst noch an Verwendung von schon bestehendem Mauerwerk gedacht worden. Wegen der daraus sich ergebenden Schwierigkeiten geht ein Bericht an Christoph Franz, der dann darauf hinweist, „das man wohl in obacht nehmen soll, damit ein so ahnsehnlicher plaz nicht deform gemacht werden möge". So gibt man in der Sache der Steuern nach und der vollkommene Neubau nach Neumanns Plan beginnt. Im Februar 1727 ist der Rohbau vollendet und gegen Ende des Jahres erhält der Hirschenwirt Christoph Bechtold 10 Jahre Schatzungsfreiheit für sein neues Haus gewährt 65 . Dieses Gebäude muß zu den schönsten bürgerlichen Häusern Würzburgs 17 gezählt werden; mit den sicherlich sehr beschränkten Mittel hat Neumann es verstanden, hier einen wirklich glücklichen und repräsentativen Platzabschluß zu geben, wo das Werk eines Meisters, der mit starken dekorativen Effekten zu arbeiten gewohnt ist, vielleicht nur ärmlich hätte aussehen können. Zwei Seiten des Platzvierecks dienen den Hauptverkehrsstraßen nach Süden und in der Ost-Westrichtung und dem aus der Augustinergasse Kommenden oder in sie Einbiegenden macht der Neumannsche Bau den gleichen großartigen Eindruck wie dem auf der Domstraße Vorübergehenden. Als Neumann 1733 für Würzburg die Fließendwasserversorgung einführt, wird auf dem Platz vor dem Hirschen ein mehrröhriger Brunnen, noch in einfachen Formen, aufgestellt, der 1756 durch den großen „Vierröhrenbrunnen" ersetzt wird. Die Fassade ist aus drei gleichhohen Geschossen aufgebaut, die ursprünglich unter sich gleich waren, denn das Erdgeschoß hatte, wie aus alten Abbildungen hervorgeht, ebenfalls Fenster; die beiden Obergeschosse sind durch kapitälgeschmückte Pilaster zusammengefaßt. Daß die Wirkung des Gebäudes 43

trotz scheinbarer Ubereinstimmungen eine g a n z andere ist als die des Neumannschen Hauses in der Kapuzinergasse, beruht wesentlich darauf, d a ß die Gesamthöhe geringer ist. D a d u r c h werden die Höhen der einzelnen Geschosse geringer; bis zu einem gewissen G r a d e unveränderlich bleiben aber immer die Abstände der Fensterbänke v o m Boden; so können die Fensteröffnungen nicht mehr in der Mitte des Geschoßstreifens sitzen und da ihr Abstand nach unten nicht wesentlich verändert w e r d e n kann mit Rücksicht auf die Innenraumwirkung, rücken sie dicht an das obere Gesims heran; sie erscheinen im V e r g l e i c h zu denen des Neumannschen Hauses geduckt und die ganze Fassade mehr behäbig-bürgerlich als eigentlich vornehm, um es etwas übertrieben auszudrücken. D e n stilistischen W a n d e l v o m Beginn zur Mitte und zum Ende der zwanziger J a h r e wird m a n vornehmlich in den gerundeten K a n t e n erkennen, die den W a n d e l v o m betont Flächigen z u m wieder körperlich Werdenden verdeutlichen.

D i e Fassade z u m R a t h a u s und die Seite zur Augustinerstraße sind

nicht mehr

zwei voneinander

unabhängige

Wände,

übergehende A u ß e n m a u e r n eines umbauten Raumes.

sondern Die

ineinander

Anerkennung

eines seitlich stehenden Betrachters, j a geradezu eine Aufforderung, nicht die Fassadenfläche zu betrachten, sondern in Schrägansicht zwei Seiten des Baukörpers zu erfassen, stellen die Plastiken dar, die auf der Eckrundung Platz gefunden haben.

Der bewegte U m r i ß des Hauses, wie er sich von

der Augustinerstraße her ergibt, zeigt, wie N e u m a n n schon um die Mitte des Jahrzehnts die knappen Formen wandelt; der Unterschiebung des Mansarddaches greift weit vor; der ganze Pilaster kann im Profil wirken, weil die Ecke gerundet abgeschnitten ist, die vorher die R ü c k l a g e bildete. Z u r Augustinerstraße hin ist ein Gedenkstein erhalten mit der von Engelsköpfen umgebenen Inschrift: ,,C. B .

Si petis auxilium, V i r g o Maria dabit.

1726."

RESIDENZPLATZ UND

HOFPROMENADE

Bedeutende städtebauliche A u f g a b e n stellte die auf dem R e n n weger Gelände entstehende Residenz.

Sie war nicht der erste Bau an dieser Stelle; ein

V o r g ä n g e r w a r das noch von Petrini entworfene und nach seinem T o d e vollendete

Schlößchen, das wegen ungenügender Fundamentierung

Schäden zeigte und überhaupt nie bewohnt wurde. aus Neumanns Plan von 1715.

bald

Seine Situation erhellt

O h n e Beziehung zur Stadt oder zu den Be-

festigungsanlagen hatte es sich an den zufällig vorüberziehenden W e g v o m Stephanstor z u m Rennweger T o r angelehnt.

So w a r ein durchaus unregel-

mäßiger Platz entstanden, der v o m K a m m e r b a u , dem Schlößchen und dem Rosenbach-Hof begrenzt wurde; n a c h Westen bildete die alte Stadtbefestigung den Platzabschluß. 44

Diese L a g e ist bezeichnend für die Frühzeit des Jahr-

hunderts, wo sich die entscheidenden Gedanken barocker Gestaltung noch nicht so durchzusetzen vermochten, daß hier eine Planung von städtebaulicher Bedeutung entstehen konnte. Die verhältnismäßige Kleinheit des Gebäudes mag dabei eine Rolle gespielt haben, aber es ist wesentlich zu bemerken, daß der vorbeiführende Weg eine größere Richtungskraft auszuüben vermochte als der Rosenbachhof. Die von Johann Philipp Franz begonnenen Neuplanungen sahen zunächst nur einen Umbau des bestehenden Schlößchens vor und auch der erste erhaltene Plan (SE. 286), der entstand, als man von der Verwendung alter Teile in größerem Maße abgesehen hatte, geht noch von der nämlichen Situation aus. Da die Frühgeschichte der Residenz zur Zeit von anderer Seite bearbeitet wird, erübrigt es, hier darauf einzugehen. Erwägungen, eine neue Residenz jenseits des Mains unterhalb der Festung oder auf dem Schottenanger zu bauen, die man vor dem Baubeginn des ersten kleinen Schlößchens 1700 angestellt hatte, werden wieder erörtert 66 . Am 21. Dezember 1719 schickt Johann Philipp Franz seinem Mainzer Oheim einen Plan, „castello in aria" nennt er ihn, und spricht davon, daß er eine Drehung der ganzen Schloßanlage vorgenommen habe; welcher Art diese war, läßt sich leider nicht feststellen. Der entscheidende Schritt zur heutigen Gestaltung — was die Situation betrifft - - i s t dann eine Tat des Kurfürsten von Mainz; er schreibt antwortend, daß das Gebäude doch noch mehr gedreht werden möge „und dessen mitte nach den point der bastion spitze gerichtet werden möge" 6 7 . Am 30. Dezember 171g entsteht dieser Vorschlag, eine der wichtigsten Anregungen für den Bau überhaupt, genau ein Vierteljahrhundert vor der Vollendung am 30. Dezember 1744. Der Kurfürst, dessen Kunstverständnis und Bauleidenschaft j a bekannt ist, tritt hier wieder als ein Gestalter großen Formats auf. Bei den Planungen für Pommersfelden ist es die riesige Stiege, das erste große Treppenhaus überhaupt, das seiner Phantasie entspringt, und hier ist es die große Anregung zu monumentaler Baukomposition, zur Verbindung von Schloß und Umgebung, die seinem Geist entstammt. Der Residenzplatz hat nun regelmäßige Gestalt bekommen, der Residenz gegenüber zieht in annähernder Parallele die alte Befestigung; nördlich steht, fast im rechten Winkel, Hof Rosenbach. U m die Gestaltung der südlichen und westlichen Platzwand gehen die Planungen der folgenden Jahrzehnte. Z u Neumanns Lebzeiten bleibt die Idee im Grunde stets die nämliche; er will anstelle des alten „Gropshausen" und des Kammerbaues einen großen Komplex von Wirtschaftsgebäuden und Stallungen errichten. Im Herbst 1722 hatten diese Gedanken spätestens feste Gestalt gewonnen. Die 7, 20 Planansichten zeigten ein großes Rechteck von ein- und zweistöckigen Gebäudeflügeln, das durch Pavillons betont und belebt wird. Der Trakt zum Platz ist, entsprechend dem Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite, zurückgesetzt von der Südflucht der Residenz, östlich und westlich der Anlage 45

führt Neumann Straßen vorbei. Das nächste bekannte Projekt von 1730 zeigt 21 eine Veränderung insofern, als durch weiteres Zurücksetzen der Wirtschaftsgebäude der Platz nach Süden vergrößert wird und eine langrechteckige Gestalt annimmt; die Residenz bildet nun nicht mehr die Mitte der östlichen Platzwand. Diesen Zustand hat Neumann natürlich nicht als endgültige Lösung betrachtet, wie man angenommen hat, sondern als Zwischenlösung. Auf dem Gelände, das als südliche Erweiterung des Residenzplatzes erscheint, stand damals noch die „alte K a m m e r " , zu deren Abbruch Friedrich Karl sich nicht entschließen konnte. Die Bleistiftskizzierungen des Planes zeigen, daß nach dem Fallen dieses Gebäudes die neuen Wirtschaftsbauten an die Südflucht der Residenz herangeführt werden sollten. Friedrich Karl erlebt den Abschluß nicht mehr; trotz wiederholter Anregungen Neumanns, den im Wege stehenden Kammerbau, der sich bis vor die Hofkirche erstreckte, abzubrechen und eine neue Platz wand einzurichten 68 , glaubt er mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung seine Genehmigung nicht erteilen zu können. Unter Anselm Franz findet der Bau dann durch Brand sein Ende und unter Adam Friedrich entsteht 1765 durch Geigel der heutige Platzabschluß, der zweifellos eine sehr glückliche Lösung darstellt. Auf die umfangreichen Baulichkeiten, die Neumann vorgesehen hatte, wird verzichtet und man begnügt sich mit einer getreuen Nachbildung des Rosenbach-Hofs, den Zwang der Symmetrie voll anerkennend; an diese Gebäude schließen die Kolonnaden an. Die Einrichtung der westlichen Platzseite geht eng zusammen mit der Gestaltung der Hofpromenade als Auffahrt zur Residenz; sie geschieht zunächst ganz im Sinne der Neumannschen Denkschrift von 1720. Der Bischof setzt sich selbst wieder für eine rasche Durchführung ein. Zunächst sollen die Wege am Stadtgraben überall gepflastert werden; es wird erwogen, für die Folge einen eigenen Pflasterer anzustellen, der umhergehen und auftretende Schäden gleich ausbessern soll69. Im November 1721 wird mit der Herstellung des gepflasterten Weges an der Hofpromenade begonnen, wobei Neumann dem Stadtbaumeister die Anweisungen erteilt. Dann beginnt auch die Schmückung der Zwingermauer; wieweit sie durchgeführt wurde, läßt sich nicht feststellen, aber an der Ecke Hofstraße-Residenzplatz hat sich ein Stück der bekrönten Zwingermauer erhalten als Ummauerung des Bechtolsheimer Gartens. Zur Adolf-Hitler-Straße und ihren Mauerzügen ergab sich dann ein Anschluß. Eine Ansicht von 1840 zeigt die dortige Zwingermauer (heute Gauleitung) ebenfalls, der Denkschrift entsprechend, mit Statuen besetzt. Auf Neumanns Vorschlag teilt der Bischof im Februar 1724 dem Stadtbaumeister mit, daß er den Wunsch habe, „wilde Kastanienbäumb zur besser zierth vndt ansehen auch gewinnung des schattens zur sommerzeith" vom Stephanstor bis an das Ochsentor zu setzen; er stellt auch die Bäume zur Verfügung und im März ist der Gärtner Paulus schon mit dem Setzen beschäf46

tigt 70 . Wie erhaltene Pläne zeigen, ist die Bepflanzung längs des alten Grabens an der Hofpromenade, Adolf-Hitler-Straße und Juliuspromenade ganz durchgeführt worden und auch die vorgeschlagene Bepflanzung der neuen Befestigungswälle gelangt zur Ausführung. Da verschiedentlich Bäume beschädigt werden, will die Kommission 1726 „zum abscheu stöckh aufrichten" und Straftäfelchen aufstellen, auf denen für mutwilliges Beschädigen Geld- oder Schanzstrafe, ,,ad terrorem" sogar Handabschlagen angedroht werden soll. Neumann denkt auch schon an eine Regulierung der nicht ganz gerade verlaufenden Mauer vom Hatzfeldischen Anwesen bis zum Stephanstor. Dort wird 1726 einem Anwohner das Baugesuch abgelehnt mit der Begründung, daß in absehbarer Zeit das Stephanstor fallen werde und eine neue Fluchtlinie zum Pfauenhof gezogen würde. Im Dezember 1730 schickt Neumann seinem Herrn einen Situationsplan und bemerkt im Begleitbrief, daß der Abbruch des Stephanstores empfehlenswert sei, um hier einen Freiplatz zu schaffen; dies lasse sich ohne Schwierigkeiten machen und Neumann meint, „es gebe waß recht guthes vndt schönes" 7 1 . Er dachte damals auch daran — der in diese Zeit zu datierende Plan SE. 330 beweist es — 22 den Hofgarten nach Westen hin etwa bis zum Beginn der heutigen Kolonnaden am Gesandtenbau auszudehnen und hier dann die Promenade durchzulegen. Zwischen dieser und der heute noch stehenden Zwingermauer sollten dann Wirtschaftsgebäude aufgeführt werden. Auch hier geht eine Erweiterung des Projekts schon über das noch vorhandene Stephanstor hinweg. Im September 1738 wünscht Friedrich Karl, daß Neumann den Hauptriß „des grosen garthens und des probsthausser gebawes" an Hildebrandt zur Begutachtung abschicke 72 . Damit ist sicher der Plan SE. 334 in Verbindung zu bringen, der den großen Südgarten und die neuen Propsthäuser Gebäude zeigt und stilistisch in diese Zeit gehört. Die Gebäude würden im Aufriß etwa den Wernecker Wirtschaftsgebäuden entsprochen haben. Als der Hofkammerpräsident v. Erthal 1749 unter Umgehung der Baukommission dem Domkapitel einen Riß zum Neubau des Vornburger Hofes (Ecke ZwingerStephansgasse) vorlegt, gibt dieses den Plan weiter. Neumann nimmt den Augenschein ein und kommt zu dem Ergebnis, daß er „nicht bestehen könne"; er korrigiert und trägt ein, wie sich der Bau nach den Vorgebäuden der Residenz (die auf dem Platz des heutigen Südgartens geplant waren) zu richten habe, zumal die Front des Hofes auf die „Haubtstraß" nach der Residenz schaue. Neumann wacht eifersüchtig, daß seine großzügigen Pläne nicht durchkreuzt werden. Hier sollte ein neues Gebäude die besonderen Aufgaben als Blickpunkt der Hofpromenade erfüllen. Für den am Residenzplatz stehenden Betrachter wäre als Abschluß dieser von einheitlichen Fluchten gebildeten Promenade der Vornburger Hof erschienen und deshalb wird 47

den Herren v. Erthal ausdrücklich bedeutet, sie hätten sich an die von Neumann ausgesteckte Linie zu halten 73 . Da eine Verkleinerung des durch Abbruch des Stephanstores gewonnenen Platzes sich nicht hätte vermeiden lassen, ist die Stadt gegen einen Neubau, weil man an offenen Plätzen „dahier nicht viele habe". Die verschiedenen Projekte für eine neue Baulinie des Vornburger Hofes mit der Absicht einer besseren Verbindung zwischen Hofpromenade und Neubaustraße im Zusammenhang mit den Planungen für diese und die Adolf-Hitler-Straße sind auf dem Plan S E 237 von Neumann eingezeichnet. Die heute stehenden Gebäude sind erst 1771 mit Beteiligung von Geigel und Fischer unter Beibehaltung der ursprünglichen Fluchtlinie gebaut worden 74 , denn aus Neumanns Bauprojekten war j a nichts geworden. Bemerkenswert ist an diesen Häusern die enge Anlehnung an die Neumannschen Formen der zwanziger Jahre, — eine Parallele zu der in dieser Zeit erfolgten Neudekoration in den Zimmern des Ingelheimer Traktes der Residenz, die durch die Ähnlichkeit der Stuckdecken aus den zwanziger Jahren und der Wanddekoration der Seinsheimzeit in gleicher Weise überrascht. Die Schmückung der Zwingermauer am Residenzplatz faßt Neumann nur als einen Notbehelf auf, und als sich Gelegenheit bietet, hier die vierte Platzwand nach Westen würdig zu gestalten, greift er gleich zu. Er erfahrt 1730, daß der Hofmarschall von Bechtolsheim sein Haus verkaufen will und wenig später erzählt ihm Graf Hatzfeld, daß er beabsichtige, Hof und Garten als einstigen Familienbesitz zurückzukaufen. Neumann schreibt das dem Fürsten nach Wien 7 5 und fahrt dann fort, daß er eine Parallele zur Residenz in vierhundert Schuh Abstand gezogen habe, die größtenteils auf dem alten Graben verlaufe, doch fallen dem Bechtolsheimer Garten 20 bis 30 Schuhe zu und weil „ a u f diesen blatz wass schönes vndt zur Zier des Residentz blatzes künde Eingericht werdten", schlägt er dem Bischof vor, das ganze Anwesen für den Hof anzukaufen. Doch daraus wird nichts 76 , ebensowenig aus einem vom Grafen Hatzfeld 1732 geplanten Neubau, zu dem Neumann schon Vorschläge gemacht hatte 77 . 1768 gehen die Schneller und anderen Gebäude durch Vertrag des Hochstifts mit dem fürstlichen Haus Hatzfeld an das erstere über 79 — vielleicht, daß Adam Friedrich noch an die Vollendung einer einheitlichen Platzgestaltung im Anschluß an die fertiggestellten Kolonnaden dachte. Der Teil südlich der Hofstraße hat bis heute das alte Aussehen mit den noch gut erkennbaren Veränderungen nach Neumanns Denkschrift behalten, das der nördliche fast bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts noch bewahrte. Die oben erwähnte Parallele Neumanns, die im Abstand von 400 Schuhen zur Residenz gezogen war, hat er selbst auf einem Plan aus dem J a h r e 1730 markiert, der sich in der Sammlung Eckert erhalten hat (Nr. 292); zum Schaden des Platzes und der Residenz ist ihre Umsetzung in Stein damals unterblieben. 48

DIE

HOFSTRASSE

Wenn Johann Philipp Franz 1 7 1 9 noch daran dachte, aus Ersparnisgründen die durch das Greiffenclausche Schlößchen gegebene Situation für den Erweiterungsbau und auch für den Neubau seiner Residenz zunächst beizubehalten, so war er sich doch bald darüber klar, daß es nicht angehe, den neuen Fürstensitz ohne jede städtebauliche Beziehung zum Häusermeer Würzburgs als eine zufallig dort in vorstädtischem Gelände entstandene Unterkunft zu belassen. Zwischen der Residenz und der Stadt lag die alte Stadtmauer mit dem Zwinger und nur durch die enge Öffnung des Hatzfeldischen Schnellers gelangte man auf einer winkeligen Gasse, „Plönlein" genannt, zum Dom. Hier mußte den Bedürfnissen der Zeit für so große Aufzüge und Staatsaktionen entsprechend, eine repräsentative Auffahrt zwischen Residenz und Kathedrale geschaffen werden. Deshalb schlägt der Bischof, kaum daß ein Monat seit der Wahl vergangen ist, der Hofkammer vor, diese Straße zu erweitern und zu vergrößern, denn sie „Wäre die Hauptstraß"; doch könne man warten, „bis der Neumann ein Riß darüber verfertiget, dem er schon commitiret sey" 7 9 . Eine Beratung des Bischofs mit Neumann ist vorausgegangen, wobei die enge Zusammenarbeit, wie in der Residenzplanung, nicht immer gestattet, zu entscheiden, von wem dieser oder jener Gedanke stammt. Man hatte hier vor allem die „Commodität des Prospects" im Auge; von der Residenz her sollte der Blick auf die Schönbornsche Begräbniskapelle, deren Bau schon seit 1 7 1 8 geplant war, erschlossen werden und andererseits soll vom Dom, dem Zentrum der Stadt, her der neu entstehende Fürstensitz, nun das nächstwichtige Bauwerk nach ihm, sichtbar sein. Als 1741 die Gerüste vom Mittelbau der Residenz genommen werden, sieht Neumann diesen Traum von einst wahr werden und mit berechtigtem Stolz schreibt er Friedrich K a r l über den Mittelrisalit des Ehrenhofs und den großen Giebel: „nun siehet mann das schöne wappen, welches weiß gestrichen vndt zu jeder Manns vergnügen schön vorspihlet, vndt schon beym hinausgehen von den Domb schön vorleichtet". Das Domkapitel hat für die Absichten des Bischofs wenig übrig, denn im April 1720 verlautet, daß neben bürgerlichen auch zwei Vikarienhäuser geräumt werden sollen und kurz darauf trifft die Forderung des Fürsten ein, mit dem Einreißen noch vor dem Peremptorialkapitel zu beginnen, da das Bauwesen der Residenz seinen Anfang nehme und die Durchfahrt für hin und her gehende Fuhren zu eng sei 80 . Neben den Vikarien St. Theodor und St. Matthäus muß auch noch St. Leonhard weichen; die Häuser wurden, wie eine Aufstellung von 1722 sagt, „dem Erdboden gleich gemacht in ornamentum civitatis". Der Bischof hatte sich selbstverständlich zum Ersatz für das dem Kapitel genommene Eigentum bereit erklärt. Schon im August 1720 verhandelt Neumann in seinem Auftrage mit dem Dechanten v. Hutten 49

und es wird vorgesehen, auf dem Platz des Scheffnerischen Hauses, das demoliert wurde, der neuen Fluchtlinie entsprechend, sechs Wohnungen einzurichten. Doch die Angelegenheit zieht sich hinaus, obwohl die Häuser schon im Mai 1720 abgebrochen werden 8 1 , Neumann hat 1723 noch keine Risse angefertigt. Die Streitigkeiten um eine Entschädigung trugen mit zu der immer stärker werdenden Entfremdung zwischen Bischof und Kapitel bei. Als Johann Philipp Franz im Mai 1724 einen Teil des Katzenwickerhofes abbrechen ließ ,,zu künfftiger gerader Linien von der neu erbauenden Hofhaltung aus gegen die hohe Domkirche", kommt es zu einem offenen Konflikt; das Domkapitel weiß sich keinen anderen Rat, als beim Reichskammergericht in Wetzlar ein mandatum inhibitorum gegen weitere Eigentumsentfremdungen zu beantragen 82 . Die nördliche Seite der Hofstraße wird dann durch eine Mauer mit eingelassenen Gittern abgeschlossen, die die neue Ausdehnung des Katzenwickers (heute Maxschule — Neidert) bestimmt; weiter folgt nach dem Torbau des Katzenwickers und einer Gitterpartie der etwas vorspringende Schönbornische Familienhof (heute aufgestockt zu verschiedenen Höhen). Das Kapitel wendet sich 1725 wieder wegen eines Ersatzes der Vikarienhäuser an den Bischof und Anfang Februar wird auch Neumann hinzugezogen, der sich über die Einteilung des Gebäudes äußert; im nächsten Jahre ist das Werk vollendet und am 9. März 1726 werden dem Domdechanten die Schlüssel überreicht. Der Entwurf, der festgestellt wurde (UBW. Del. II. 68), zeigt enge Verwandtschaft in Einzelformen und Zeichnung mit dem schon erwähnten Plan zum Dietricher Spital; der Domkapitelsche Baumeister Georg Bayer ist sein Meister. Die unter einem Dach zusammengefaßten Vikarienhäuser lehnen sich an den Bechtolsheimer Hof an. Zwei vorspringende Flügel werden durch eine niedere Mauer verbunden, so daß sich mit dem rückwärtigen Trakt ein Hof ergibt. Nach einem Freiplatz folgt zur linken Seite der Hof Neulobdeburg. Der schräg gegenüberliegende Hof Altlobdeburg war von seinem Inhaber, dem Kurfürsten von Mainz und Würzburger Domherrn Lothar Franz von Schönborn 1 7 1 2 säkularisiert worden und bestand seitdem als Schönbornscher Familienhof. Die Familie hatte sich verpflichten müssen, als Entschädigung den Neulobdeburg genannten Hof, der unvollendet oder nicht ganz ausgebaut seit der Zeit Petrinis stand, zur Dechantenwohnung auszubauen 83 . Solange Johann Philipp Franz Domdechant war, hatte es damit natürlich keine Eile, aber als die vom neuen Domdechanten Hutten geführte Partei Macht gewann, nahm es kein Ende mit Drängen und Mahnen. Johann Philipp Franz hatte noch Teile des Hofes zur Straßenkorrektur einreißen lassen; den Bestand um die Mitte der zwanziger J a h r e zeigen Pläne aus Neumanns Nachlaß (UBW. Del. II. 19/22). Es stand damals der ganze rechte Teil des Gebäudes und nach links über das Portal hinaus eine Achse. 5°

Auf einem dieser Pläne, die unter Neumanns Leitung aufgenommen wurden, um Unterlagen für Ausbauprojekte zu haben, befindet sich die rückwärtige Situation mit wenigen, aber typischen Strichen eingetragen, die in der nämlichen Linienführung auf einem anderen Plan (Del. II. 60) festgestellt wurde, der einen Aufriß und zwei Grundrisse eines kleinen Palais zeigt und 24 mit dem Monogramm J D h unterschrieben ist. Es handelt sich also um einen Entwurf Johann Dienzenhofers, der auf den Holzkirchener Entwürfen neben dem vollen Namenszug dieselbe Abkürzung gebraucht. Da neben der erwähnten Situation die Frontlänge auf den Schuh jener der Neumannschen Planung, die das Bestehende zum Rechteck ergänzt, entspricht, kann es nur ein Plan zur Domdechanei Neulobdeburg sein. Der Aufriß zeigt eine zweigeschossige Front von sieben Achsen; die drei mittleren sind als Risalit leicht vorgezogen und von einem Giebel bekrönt. Alle Einzelheiten, wie Rustikabänder, Fensterverdachungen und Dachgauben passen zu der Art, wie sie von anderen Plänen Dienzenhofers bekannt ist 84 . Die Ausführung hätte den Abbruch der bestehenden Teile erfordert, ohne gleich viel an neuen Räumen zu bieten und wird darum auch unterblieben sein. Die Tatsache, daß Dienzenhofer als Planfertiger für ein Würzburger Gebäude auftritt, hat ihre Ursache keineswegs in einem wachsenden Einfluß des Meisters, sondern in dem Umstand, daß die Familie Schönborn den Ausbau bezahlen mußte und Lothar Franz nach dem Tode seines Neffen den bambergischen Hofbaumeister mit der Anfertigung eines Entwurfes beauftragte. Der Plan wird also zwischen 1724 und 1726, dem Todesjahr Dienzenhofers, entstanden sein. Zur Zeit des Interregnums 1729 erhält Neumann vom Domkapitel den Auftrag, anlässlich der bevorstehenden Ankunft des Reichsvizekanzlers und nachmaligen Bischofs Friedrich K a r l von Schönborn, den Ausbau des Hofes unverzüglich vorzunehmen 88 . Die erhaltenen Pläne zeigen verschiedene Entwürfe dafür; für die äußere Erscheinung bringen die Ausführungspläne als Gewinn die Ergänzung des bis dahin unregelmäßigen Baukörpers zu einem regelmäßigen Block. Damit ist für Neumann die Regulierung der Hofstraße im Rahmen des Möglichen abgeschlossen. Aus dem engen Gäßchen hat er eine ansehnliche Straße machen können und zwischen dem Hof Neulobdeburg und dem Vikarienbau noch Boden für die Anlage eines Platzes frei bekommen, der später mit einem Brunnen geschmückt wird und ein Gefühl der Enge nicht mehr aufkommen läßt. Die Fassade des Dienzenhoferschen Entwurfs lag wesentlich weiter zurück, etwa in der Flucht der heutigen Platzrückwand. Die Straße hätte in dieser Breite einen recht formlosen Eindruck hervorgerufen, es sei denn, das Vielerlei der stehenden Gebäude wäre durch eine Modellplanung ersetzt worden. Die von Neumann bestimmte Flucht liegt weit genug zurück, um den Blick auf die Schönbornkapelle freizugeben. Das Äußere des 1730 vollendeten Hofes 86 ist in neuerer Zeit verändert 5i

worden; die Wappenkartusche mit dem freiherrlich v. Würzburgischen Wappen ist nach dem alten Vorbild erneuert worden, aber die starken Fensterverdachungen sind Atrappen neuerer Erfindung. Die alte Fassade wird so einfach zu denken sein, wie die Seite zur Bibragasse heute noch erscheint. BAUTEN UND PLANUNGEN

IN B A M B E R G S E I T

1730

Aus der Wahl des Jahres 1729 ging der Reichsvizekanzler und Fürstbischof 3 von Bamberg Friedrich Karl Graf von Schönborn, ein Bruder des 1724 verstorbenen Bischofs, als neuer Herrscher hervor. Der ausgesprochene Kunstsinn der Schönbornschen Familie ist ihm in besonderem Maße eigen; man darf, wenn man von ihm und seinen Brüdern spricht, nicht vergessen, daß ihre Mutter eine Boineburg war, deren hochgebildeter Vater als Minister des Kurfürsten Johann Philipp seinerzeit Leibniz „entdeckt" und an den Mainzer Hof gebracht hatte. Friedrich K a r l war mit dreißig Jahren in den Dienst des Reiches getreten und hatte ein Vierteljahrhundert in Wien, der Hauptstadt des Reiches, zugebracht. So ist es kein Wunder, wenn der künstlerische Sinn des nun Fünfundfünfzigjährigen, der sich im Umgang mit den Bauherren und Meistern Wiens bildete, dort auch die Vollendung sah. Für die Fortführung des Residenzbaus, der kaum zu einem Fünftel vollendet stand, äußert sich das in der starken Anteilnahme Johann Lukas v. Hildebrandts. Auf sein Urteil legt der Bischof großen Wert und der im Anfang der Vierziger stehende Neumann muß sich der Autorität des schon über sechzig Jahre alten Wieners in vielen Fällen fügen. Neumann hatte seinen neuen Herrn 1 7 1 9 in Pommersfelden kennengelernt (vgl. Anm. 35), der sich damals schon für seine weitere Ausbildung einsetzt und späterhin auch eine Reise nach Wien vorschlägt. Es ist von nicht geringer Bedeutung für Neumann und die Beurteilung seines Schaffens, daß Friedrich Karl gleich nach seinem Regierungsantritt daran geht, diesen alten Plan zu verwirklichen. Neumann war j a späterhin zu Besprechungen über den Residenzbau in Wien; hier handelt es sich indessen um eine ausgesprochene Studienreise von längerer Dauer, über die seither noch nichts bekannt war 8 7 . In einer Anweisung des Bischofs an das Kammerzahlamt in Bamberg vom November 1729 8 8 heißt es, daß 200 fl. gezahlt werden sollen, während Würzburg 500 fl. übernehme, weil der Bischof ,,dero Obrist Wachtmeister Ingenieur und Baumeistern Neumann zu dero beeden Hochstifftern Diensten Jüngsthin nacher Wien abgeschickt haben, sich zu mehrers in bau sachen zu qualifizieren undt beiden dero Hochstifftern so ersprießlicher dienen können". Diese Anweisung läßt über den Zweck der Reise, die von Anfang September bis in die letzten Novembertage dauerte, keinen Zweifel. Neumann kommt als Obristlieutenant zurück und berichtet am 1. Dezember 1729 dem Bischof 52

worden; die Wappenkartusche mit dem freiherrlich v. Würzburgischen Wappen ist nach dem alten Vorbild erneuert worden, aber die starken Fensterverdachungen sind Atrappen neuerer Erfindung. Die alte Fassade wird so einfach zu denken sein, wie die Seite zur Bibragasse heute noch erscheint. BAUTEN UND PLANUNGEN

IN B A M B E R G S E I T

1730

Aus der Wahl des Jahres 1729 ging der Reichsvizekanzler und Fürstbischof 3 von Bamberg Friedrich Karl Graf von Schönborn, ein Bruder des 1724 verstorbenen Bischofs, als neuer Herrscher hervor. Der ausgesprochene Kunstsinn der Schönbornschen Familie ist ihm in besonderem Maße eigen; man darf, wenn man von ihm und seinen Brüdern spricht, nicht vergessen, daß ihre Mutter eine Boineburg war, deren hochgebildeter Vater als Minister des Kurfürsten Johann Philipp seinerzeit Leibniz „entdeckt" und an den Mainzer Hof gebracht hatte. Friedrich K a r l war mit dreißig Jahren in den Dienst des Reiches getreten und hatte ein Vierteljahrhundert in Wien, der Hauptstadt des Reiches, zugebracht. So ist es kein Wunder, wenn der künstlerische Sinn des nun Fünfundfünfzigjährigen, der sich im Umgang mit den Bauherren und Meistern Wiens bildete, dort auch die Vollendung sah. Für die Fortführung des Residenzbaus, der kaum zu einem Fünftel vollendet stand, äußert sich das in der starken Anteilnahme Johann Lukas v. Hildebrandts. Auf sein Urteil legt der Bischof großen Wert und der im Anfang der Vierziger stehende Neumann muß sich der Autorität des schon über sechzig Jahre alten Wieners in vielen Fällen fügen. Neumann hatte seinen neuen Herrn 1 7 1 9 in Pommersfelden kennengelernt (vgl. Anm. 35), der sich damals schon für seine weitere Ausbildung einsetzt und späterhin auch eine Reise nach Wien vorschlägt. Es ist von nicht geringer Bedeutung für Neumann und die Beurteilung seines Schaffens, daß Friedrich Karl gleich nach seinem Regierungsantritt daran geht, diesen alten Plan zu verwirklichen. Neumann war j a späterhin zu Besprechungen über den Residenzbau in Wien; hier handelt es sich indessen um eine ausgesprochene Studienreise von längerer Dauer, über die seither noch nichts bekannt war 8 7 . In einer Anweisung des Bischofs an das Kammerzahlamt in Bamberg vom November 1729 8 8 heißt es, daß 200 fl. gezahlt werden sollen, während Würzburg 500 fl. übernehme, weil der Bischof ,,dero Obrist Wachtmeister Ingenieur und Baumeistern Neumann zu dero beeden Hochstifftern Diensten Jüngsthin nacher Wien abgeschickt haben, sich zu mehrers in bau sachen zu qualifizieren undt beiden dero Hochstifftern so ersprießlicher dienen können". Diese Anweisung läßt über den Zweck der Reise, die von Anfang September bis in die letzten Novembertage dauerte, keinen Zweifel. Neumann kommt als Obristlieutenant zurück und berichtet am 1. Dezember 1729 dem Bischof 52

nach Wien — es ist der erste jener großen Zahl von Briefen, die bis 1746 eine der wichtigsten Quellen bilden 89 . Über den Weg der Reise läßt sich im einzelnen nichts in Erfahrung bringen, doch steht es fest, daß Neumann durch Böhmen kam; wieweit sie ihn unmittelbar beeinflußte, wird schwer feststellbar sein. Daß für ihn keine Invasion wienerischer Gedanken eintritt und der Einfluß im Formalen nicht überwertet werden darf, zeigt das erste unter Friedrich K a r l ausgeführte Werk, das Kapitelhaus in Bamberg. Immerhin verdankt Neumann der neuerlichen Bekanntschaft mit südostdeutscher Kunst eine Auflockerung seiner Formen und Baukörper, die dem Stadium seiner Entwicklung — der Abkehr von den strengen Formen der frühen Zwanzigerjahre des Jahrhunderts — entgegenkommt. Für die Kirchenbauten der Folgezeit ist die persönliche Bekanntschaft mit den böhmischen Kirchen zweifellos von Bedeutung geworden. Für städtebauliche Fragen bezeigt Friedrich Karl das gleiche Interesse wie sein Bruder; die auf seinen Befehl von Neumann geschaffene Wasserleitung Würzburgs ist sein besonderer Stolz; am Neubau auf dem Markt nimmt er lebhaften Anteil und bespricht mit Neumann die Einrichtung; die Protokolle der Stadtbaukommission werden stets vom Bischof durchgesehen. Die Stellung Neumanns zu seinem Herrn ist die eines Untergebenen, eines hohen Offiziers und Beamten zwar, aber eben ganz anders wie die des freien Hildebrandt. Daß der Bischof es Neumann gegenüber nicht an Anerkennung fehlen ließ, zeigen verschiedene Briefe 90 ebenso wie Gratifikationen. Bemerkenswert ist ein Dekret des Fürsten von 1743, in dem er seinem Obersten und Hofingenieur anläßlich der Einweihung der Hofkirche und „wegen der in der Verfertigung des großen Residenz Bau erwiesener stattlicher Erfahrenheit Treu und geschicklichkeit in d. Bau Kunst" die Steuern eines Jahres für die von diesem betriebene Glashütte in Schleichach schenkt 91 . Neumanns Schaffenskraft wächst seit 1730 ins Ungeheure; ihm untersteht das Militär- und Zivilbauwesen zweier Hochstifte. Neben dem Ausbau der Residenz wird Werneck begonnen; die Kirchenplanungen von Gößweinstein, Etwashausen 92 , Gaibach entstehen, dann Vierzehnheiligen und Neresheim; in Würzburg wachsen die Bauten der Adolf Hitler-Straße empor, das Kaufhaus am Markt wird gebaut. Fast sechzigjährig erreicht Neumann in der Mitte der vierziger Jahre des Jahrhunderts den Höhepunkt seines Schaffens. Jetzt gerade stirbt Friedrich K a r l und der Nachfolger enthebt alles, was einem Schönborn treu gedient hatte, des Amtes; aber das kann Neumann nicht mehr gefährlich werden. Er ist nun frei und nach Hildebrandts und Welschs Tod der letzte große Architekt. Sein Ansehen wächst durch die 1741 vollzogene Ernennung zum Artillerie-Obersten, womit er die höchste Charge im fränkischen Kreis erreicht. Kurfürst Franz Georg von Trier überträgt nun Neumann sein Bauwesen, j a in Wien trägt man sich mit dem Gedanken, ihn als Nachfolger Hildebrandts zum kaiserlichen Oberbau53

direktor zu ernennen 93 . Die kriegerischen Zeiten verhindern es. Der Herzog von Württemberg und der Markgraf von Baden wenden sich um R a t an Neumann, der Speyerische Bischof v. Hutten bittet ihn, nach Bruchsal zu kommen und auch zu Bambergs neuen Fürsten reißen die Beziehungen nicht ab. Neumann ist häufig von Würzburg abwesend und dadurch tritt seine Tätigkeit für das städtische Bauwesen ganz in den Hintergrund; in den Kommissionssitzungen erscheint er bald gar nicht mehr und der neue Hofkanzler Habermann hat hier das Sagen. 1749 besteigt Carl Philipp von Greiffenclau, ein naher Verwandter der Familie Schönborn, den Würzburger Bischofsstuhl. Er ruft alle Schönbornanhänger zurück; der greise Hofkanzler Fichtel wird wieder eingesetzt, und auch Neumann erhält wieder die Aufsicht über das Bauwesen 94 . Seine Stellung bei Hof ist sehr viel höher und unumschränkter geworden. Für die letzte Zeit bis 1753 lassen sich ihm bestimmte Bauten in der Stadt nicht mehr zuweisen. Wer es sich leisten konnte, wird im Neumannschen Baubüro R a t eingeholt haben, wo ein Stab von tüchtigen Architekten herangewachsen war. Wie sehr Neumann das gesamte Bauwesen beherrschte, geht daraus hervor, daß noch nach seinem Tode der Geh. Rat v. Riedel zwei Stadtgeschworene als Begutachter ablehnt, weil sie „bekanntlichen Von weyl. H. Obrist Neumann bauwercks Creaturen seynd" 9 5 . Die Betrachtung wendet sich im folgenden zunächst nach Bamberg, dem neu angefallenen Aufgabengebiet des Architekten. DAS

DOMKAPITELHAUS

Als 1729 Friedrich K a r l von Schönborn zum Fürstbischof von Bamberg gewählt wurde, waren hier schon über fünfunddreißig J a h r e einer erfolgreichen und zielbewußten Schönborn-Herrschaft unter Kurfürst Lothar Franz vergangen, die auch der Baukunst ihren Stempel aufgedrückt hatten. Was in Würzburg Petrini bedeutete, das wurde für Bamberg Leonhard Dienzenhofer, den Lothar Franz 1695 zum Hofbaumeister berief; seine Werke bilden die Grundlagen der kommenden Entwicklung heraus. Mag man dieses und jenes an Leonhards Werken nüchtern und trocken finden, es ist dennoch kein Zweifel, daß die Residenz und der Neubau auf dem Michaelsberg, beides Anlagen, die das Stadtbild entscheidend bestimmen, mit sicherem Empfinden für die Lagerung großer Baumassen und die Ausgestaltung städtebaulich wirksamer Akzente geschaffen wurden. Seine Tätigkeit auf dem Gebiete des bürgerlichen Profanbaus ist sehr groß; als eines der schönsten Häuser sei der Bau in der unteren Königstraße 1 erwähnt. Im J a h r e 1705 wird der in Mainz tätige Welsch zum Oberbaudirektor für Bamberg und Mainz ernannt, wobei ihm vornehmlich das von Dienzenhofer nicht mit54

betreute Amt des Festungsbaumeisters zufällt. Für den Hof oder das Hochstift hat er in Bamberg nicht gebaut und auf den bürgerlichen Profanbau konnte er bei seiner seltenen Anwesenheit keinen nachhaltigen Einfluß ausüben. Das Böttingerhaus steht vereinzelt da und ein Bau wie das Haus in der oberen Sandgasse 6, das ihm wohl zuzuweisen ist, steht den Werken Johann Dienzenhofers nicht allzu fern. Dieser übernahm nach dem Tode seines Bruders Leonhard 1707 dessen Amt. Seine reichere ostdeutsche Formenwelt, die von den geschaffenen Grundlagen aus sich weiterbildet, bestimmt das Bild noch über das erste Viertel des achtzehnten Jahrhunderts hinaus 96 . Nach seinem Tode 1726 übernimmt der Sohn Justus Heinrich Dienzenhofer das Amt des Hofbaumeisters; er ist 1725 in Würzburg und hält sich 1728 in Prag, vielleicht zu Studienzwecken, beim anderen Zweig der Baumeisterfamilie auf 9 7 . Zu eigener Bedeutung hat er es nicht gebracht. Von ihm stammt wohl der Neubau des Dominikanerklosters an der Regnitz, der zu Anfang des vierten Jahrzehnts aufgeführt wird 98 . 1729 rückt Neumann in die von Welsch bis dahin innegehabte Stelle ein und er bezieht auch die Vergütung von 100 Thlr. jährlich in Anbetracht seiner guten Erfahrung und „sonderbahren geschicklichkeit". Er hat dafür die hochstiftischen Festungen Cronach und Forchheim zu visitieren und Reparaturen anzugeben, auch die Risse für nötige Neubauten an Fortifikationen und Kasernen zu liefern. Es fallt auf, daß in dem Dekret nur vom Militärbauwesen die Rede ist, und da ausdrücklich auf Welsch Bezug genommen wird, dessen Aufgabenkreis er übernimmt, möchte man annehmen, daß im Hofbauwesen zunächst alles unverändert bleibt. Tatsächlich übernimmt Neumann aber auch hier die Leitung, und Dienzenhofer, der zunächst noch als Stellvertreter Neumanns fungiert, sinkt bald zum Bauführer herab. In einer Reihe von Sitzungen im Spätsommer 1729, an denen auch Friedrich Karl sich beteiligt, werden Anordnungen und Änderungen getroffen, die sich allerdings meist auf Militärisches beziehen; in den letzten Jahren Lothar Franzens, die durch körperliche Leiden überschattet waren, hatten sich die straffen Zügel der Verwaltung gelockert, so daß Friedrich K a r l öfter Gelegenheit findet, die herrschenden ,,ohnglaublichen Zustände" zu betonen99. Neumann ist selten auf längere Zeit in Bamberg, meist sind es nur ein bis zwei Tage, und dann beschäftigt ihn die Arbeit für den Hof. Von einer Tätigkeit für private Auftraggeber ist nie die Rede und eine amtliche Aufsicht über das Bauwesen, wie sie Würzburg hatte, bestand nicht. Die Stadt Bamberg hatte, wie Würzburg, einen eigenen Stadtbaumeister mit Namen Rosenzweig, der in den Akten der Zeit öfter genannt wird. Ihm oblag dazu der Unterricht der Edelknaben in der Zivil- und Militärarchitektur 100 . Neumanns Beziehungen zu den Bambergern waren auch wohl zu gering, überdies konnte man sich mit den tüchtigen örtlichen Baumeistern begnügen. Seit 1736 ist dann Küchel als dauernder Stellvertreter Neumanns in Bam55

berg, der als gebürtiger Bamberger und durch Heirat schnell den Anschluß an die baulustigen Familien findet. Das erste Werk Neumanns für Bamberg wurde die Ausführung eines 26 ehrenden Auftrages der Domherren, der Neubau des Kapitelhauses. Im Frühjahr 1729 beginnen bereits Besprechungen: „den Riß zu den Ncüen Capituls-haus zu Verfertigen, und zu machen, finde mann das rathsambste und Beste zu seyn, dieses dem Würtzburg. Bau-Meister und Ingenieur H m Neumann als einem des Bauweesens gründlich kündigen zu übertragen". Die Inspektion übernehmen Domdechant Graf Stadion und ein Kapitular 1 0 1 . Die Berufung Neumanns ist um so bemerkenswerter, da Friedrich K a r l damals erst Bischof von Bamberg war, während in Würzburg noch Christoph Franz v. Hutten als Neumanns Herr regierte. A m 19. J u n i 1730 reicht er einen Riß ein, der vom Kapitel genehmigt wird. E r hat sich gleichzeitig zur Direktion erboten und will auch Paliere und Tagelöhner stellen; der wenige Tage darauf eingereichte Voranschlag beläuft sich auf 21 736 fl., wobei altes Material wieder verwendet werden soll und auch der Kreuzgang erhalten und durch Pfeiler und Eisenschlaudern gesichert werden soll. Für die ersten Bemühungen und den Riß erhält Neumann 24 Speziesdukaten, für die weitere Direktion und Inspektion werden ihm jährlich 100 Rthlr. für die Dauer des Baus bewilligt. Im September 1730 teilt das Domkapitel seinem Bischof, den j a das Reichsvizekanzleramt in diesen Jahren noch in Wien hält, von seinem Vorhaben mit, das mit der Baufalligkeit des alten Hauses begründet wird. Die Risse hat Neumann, der wegen der Fortführung des Würzburger Residenzbaus zu Besprechungen nach Wien gefahren war, dort dem Bischof vorgelegt, da das Kapitel dessen „Höchst-erleuchte gedanckhen" darüber kennen lernen wollte. Dieser hatte sich von Neumann alles erklären lassen und antwortete dann, daß „ w i r nicht nur die gute innerliche eintheilung nach Eurer Vndt Verschiedener officien erfordernuß, sondern Die eüßerliche architectur Vndt form in einer guten wohl concertirten bau Ordnung eingeleitet beobachtet + solchen auch durchgehends zu approbiren so weniger anstandt befunden haben" 1 0 2 . Ein bemerkenswertes Urteil, doppelt interessant, weil es in Wien entstand und weil wertende Bemerkungen sonst nicht eben häufig sind. Mitte November 1730 wird mit dem Bau begonnen, wofür zunächst die alte Pfisterei und das alte Kapitelhaus abgebrochen werden 103 . Neumann, der in diesen Tagen zugegen ist, stellt ein ausführliches Programm auf; es müssen aus Sparsamkeitsgründen noch Änderungen getroffen werden. Die Dekoration der Fassade wird einfacher gehalten, es sollen „nur die 4 lessenen unter der frond mit ihren capitelen nach dem riß verfertiget, die übrige aber simpler . . . gemacht werden". Die Fensterrahmen hat der Schreiner nach den Angaben Neumanns anzufertigen 104 . U m die Jahreswende nimmt er 56

das Ausstecken des Neubaus vor 1 0 6 , und im April 1 7 3 1 teilen die zu Bauaufsehern bestellten Werkmeister Götz und Obleier Straub mit, daß man noch vor Jahresschluß unter Dach kommen werde. Beschlüsse über die vorzunehmende Innenausstattung werden schon angeregt, Schlosser sollen Modelle für verschiedene Arten von Schlössern anfertigen, die Kapitelstube soll mit Lohrer Glas verglast werden und für die Beplattung des Saales denkt man an Zeiler Platten oder „falschen Marbel". Um die Bildhauerarbeit bewirbt sich J . G. Mutscher ( = Mutscheie), Bildhauer und Bürger bei St. Gangolph; sie wird ihm zugesprochen 106 . Bis Juni 1731 waren 10182 fl. ausgegeben, bis zur Mitte des nächsten Jahres über 25000 fl. und am 4. März wird eine Abrechnung über 3 1 7 1 6 fl. vorgelegt. Eine Abschlußrechnung über 38090 fl. — leider undatiert und ohne Einzelbelege 107 — führt hauptsächlich an: 300 fl. dem Oberstleutnant Neumann für dritthalbjährige Bestallung; 24 fl. dem Bildhauer Georg Mutscheie „vor denen 4 Capittälern zu hauen", 4 fl. für die Tragsteine am Portal. 40 fl. dem Bildhauer Feucht für die Wappen über der Tür; 90 fl. dem Bildhauer Schlott für 145 Balluster und 20 Füllungen (an der Innentreppe); 400 fl. „dem Stuccaturer Vogel für die sämbtliche Stuccadur-arbeit in den bau". Der gewesene KapitelsMaurer Dienzenhofer bekommt für eine Kleinigkeit 1 fl. 2 k. Am 18. J u n i 1733 findet das erste Kapitel im neuen Bau statt, der „zu größeren Ehren Gottes, und deren Heyl. Stifter dieses Kayserl. Bistumbs, zu auffnahmb dero Cathedralkirch, und Zier dero Residenz-Statt abzweckhet", wie das Kapitel dem Fürsten mitgeteilt hatte. Beim Einzug in das Gebäude hält der Domdechant Franz Konrad von Stadion eine Ansprache, in der er hervorhebt, daß der jetzt kostbar vor Augen stehende Bau in der kurzen Zeit von zwei Jahren ganz neu erbaut wurde durch die „un-. ermüthete fleißige obsorg" des Baudirektors und der unterstellten Inspektoren. Das neue Kapitelhaus präsentiert sich in dem für Bamberg typischen Material, dem schönen gelb-braunen Sandstein. Die Fassade ist zweigeschossig; die Vertikalgliederung geschieht durch Lisenen und Pilaster. Bei genauerem Betrachten ergibt sich die eigenartige Tatsache, daß die 27 Fassade unsymmetrisch ist; die rechte Hälfte des Baus zählt eine Achse mehr als die linke. Das Schema der Vertikalgliederung ist 4 + 1 + 3 + 1 + 4 + i Das letzte + 1 ist weder Zufall noch Verlegenheitslösung; mit unendlich feinem Empfinden für Baumassen und ihre Verteilung hat Neumann diese überzählige Achse eingefügt, die, scheinbar die Symmetrie zerstörend, das Gleichmaß rettet. Hätte Neumann sie nicht eingeschaltet, sondern den Bau mit dem Aufhören des symmetrischen Systems dem mittelalterlichen Dom angeschlossen, dann wäre das Kapitelhaus von diesem „erdrückt" worden, es hätte nicht „atmen" können; zu unmittelbar würde die Wucht des Ostchors mit den Türmen neben ihm lasten, der allein durch das Dasein seiner Maße das feingegliederte Eigenleben des Anbaus aus dem Gleichgewicht 57

brächte. Das Einschieben der überzähligen Achse beseitigt diese Gefahr, sie schafft Distanz zwischen den beiden Baukörpern. Sie gehört keinem der beiden an, nicht dem Dom, aber auch nicht dem Kapitelhaus, aus dessen System sie durch Überzähligkeit ausgestoßen wurde; sie ist „neutralisiert" und erst ihr Vorhandensein schafft dem Kapitelhaus die Möglichkeit, im Schatten des gewaltigen, reichgegliederten Dom-Ostbaus ein keineswegs beziehungsloses, aber selbständiges künstlerisches Leben zu führen. Noch eine zweite, nicht minder wichtige Aufgabe hat Neumann dieser überzähligen Achse zugedacht. Durch den weit vorgreifenden Strebepfeiler des Südostturmes würde die Fassade des Kapitelhauses dem Anblick vom Residenzplatz her wesentlich verkürzt, sogar gestutzt erscheinen, da der Pfeiler sie zum Teil verdeckt. Durch die Einfügung wird der Bau in seiner Längsausdehnung künstlich gestreckt; er erscheint deshalb in seitlicher Betrachtung nicht verstümmelt, sondern in natürlicher Verkürzung. Dem vor der Fassade stehenden Betrachter oder dem seitlich herantretenden kommt das Vorhandensein dieser wichtigen Zwischenachse meist gar nicht zum Bewußtsein — der beste Beweis für ihre Notwendigkeit! Die Flügel der Fassade bilden je eine Gruppe von vier Achsen, die durch Lisenen zusammengefaßt werden; ihnen folgt zur Mitte hin je eine Achse 29 und dann der dreiachsige durch Pilaster betonte Mittelrisalit. Das Schema, dessen Neumann sich hier bedient, ist zuerst von Welsch ausgebildet und dann von der main-rheinischen Neumann-Welsch-Schule oft wiederholt worden. Am frühesten tritt es an der Fuldaer Orangerie in der Gestalt 8 + 1 + 3 + 1 + 8 auf, wobei Welsch schon 1 + 3 + 1 durch eine eigene Verdachung betont, aber nur 3 unter einem Giebel zusammenfaßt, wie es am Kapitelhaus auch der Fall ist, wo aber die 1-Teile schon mehr eine Zwischenstellung zwischen Risalit und Flügeln einnehmen. 1 + 3 + 1 ist auch das Schema der Seitenpavillons an der Gartenfront der Würzburger Residenz. Das Fuldaer System 5+1 + 3 + 1 + 5 mit der entsprechenden Bedachung verwendet Stengel später zu den Häusern am Ludwigsplatz in Saarbrücken; eine vereinfachte Form dazu bildet Leonhard Stahls Plan zur Dechanei in Bruchsal mit 5+3+5. In der Art des Bamberger Kapitelhauses ist der Entwurf von Seitz für die Trierer Residenz, nur sind Seitenpavillons angefügt: 3 / 4 + 1 + 3 + 1 + 4 / 3 . Die gleiche Gliederung bringen Rabbaliatis Pläne für Schwetzingen, die auch im übrigen ganz Neumannschen Geist atmen. Bezeichnend für die Spätzeit, die manchmal eine — man möchte sagen „Inversion" — der Einzelteile gegenüber dem Gesamtbau liebt (z. B. Neumanns Dikasterialbau in Ehrenbreitstein, Rettis Plan für Schwaningen), ist die Umstellung des Neumannschen Systems vom Kapitelhaus, die Küchel mit 3 + 1 + 4 + 1 + 3 am Rotenhan-Hof (Erzbischöfliches Palais) vornimmt; sie kehrt das alte Verhältnis um. Die einzelnen Motive der Gliederung stehen im Dienst einer betonten 58

Vertikalisierungstendenz, die schon durch das Überschneiden des Gurtgesimses u n d Verkröpfen der Lisenen u n d Pilaster im Sockel u n d Kranzgesims hervorgehoben wird. Die verhältnismäßig ruhig lagernden, zur Mitte hin orientierten seitlichen Massen erhalten durch die einachsigen Zwischenglieder eine Belebung im Sinne rhythmischer Beschleunigung, die auf das Emporstreben aller Kräfte im Mittelrisalit vorbereitet. Hier springt der Mauerkörper u m Lisenentiefe vor; i h m sind die Pilaster aufgelegt, die so nach den äußeren Seiten eine Art Anlauf erhalten —- bezeichnend für die Absicht Neumanns, nicht mehr nur mit der Fläche, sondern mit der verschiedenen Tiefe einer Reliefwand zu arbeiten. Nicht die Linie allein soll, wie zu Beginn der zwanziger J a h r e , das Aussehen bestimmen, sondern Licht u n d Schatten treten modellierend hinzu. Zwischen den Pilastern sind die Fenster eingespannt, die im Untergeschoß ein straff profilierter R a h m e n mit geradem Sturz und einfachen Ohren einfaßt. Der Schlußstein, der unten mit dem Sturz abschneidet, greift nach oben, u m hier schon emporleitend zu wirken, über den R a h m e n hinaus; der Verdeutlichung des gleichen Bestrebens gilt auch die hochgezogene R u n d u n g des Kopfes. I m Obergeschoß hat eine aufstrebende K r a f t die Fensterstürze hochgedrückt. Sie sind in flachen Stichbogen geschlossen, während die Scheitelsteine sogar nach unten u n d oben übergreifen. Die Fenster sitzen auf Brüstungsgliedern auf, die sie mit der horizontalen Gliederung verbinden und ihnen einen H a l t geben. In den Formen des Brüstungsornaments geht N e u m a n n auf die in Bamberg üblichen Dienzenhoferschen Bildungen ein, die oft den Schloß- u n d Saalgrundrissen der Zeit so ähnlich sind und d a r u m m e h r als das eine oder das a n d e r e bedeuten: verschiedenartige Wiederkehr der Zeit entsprechender Gestaltungsprinzipien. Die Fenster — ein wichtiges Motiv der Fassade — sind nicht als Löcher oder verglaste Ausschnitte zu werten. Sie wollen ein Mittel zur optischen Erleichterung des Baukörpers sein; sie sind kein Gegensatz zur Mauer, sie sind auch W a n d — aber eben leichtere Wand, die durch das Vermögen der Spiegelung schon die Atmosphäre in sich aufzunehmen berufen ist. Wie vollkommen das alte Glas u n d die alte Sprossenteilung dieser Absicht entsprach, zeigt ein Blick auf den Mittelrisalit. Er zeigt auch, wie störend, j a zerstörend moderne Eingriffe wirken müssen, die sich nicht an das Gegebene halten: so vergleiche m a n die alten Fenster mit dem im Obergeschoß links erneuerten Fenster! Den zusammenfassenden Abschluß des Risalits bildet der Giebel, in dessen Feld sich das Hoheitswappen des Bischofs befindet. Das letzte Emportreiben der Massen u n d Kräfte des Baus u n d die folgende harmonische Auflösung im Ausströmen hatte N e u m a n n durch Aufstellen von Figuren auf den Giebelschenkeln erreicht. Ein nach Neumanns Angaben gefertigter Entwurf konnte festgestellt werden 1 0 8 . Er zeigt die Formen der Wende vom dritten zum 59

vierten Jahrzehnt und wird sicher noch 1730 entstanden sein. Am mittleren Sturz ist ein ornamentierter Scheitelstein sichtbar; als Neumann im November 1730 die von ihm vorgesehene Fassadendekoration beschränken muß, bleiben nur die vier Kapitale, während der weitere Schmuck zurückgestellt wird. Deshalb finden sich hiefür auch in der Abrechnung noch keine Ausgaben. Während das große Wappen bald darauf von Feucht angefertigt wurde, zeigen die ausgeführten Giebelfiguren, die sich heute im Domkreuzgang befinden, schon einen wesentlich fortgeschritteneren Stil. Die Entfernung der Figuren, deren Postamente auf der Giebelschräge, jeweils über den Pilastern, noch sichtbar sind, muß als sehr bedauerlich festgestellt werden, wird doch die Gesamterscheinung des Kapitelhauses um einen wesentlichen, von Neumann beabsichtigten Akzent vermindert. Uber einer dreiseitig besteigbaren Treppe steht das Portal, dessen Bedeutung durch reicheren Schmuck hervorgehoben ist. Ihm sind nach außen gewendete, pilasterartige Gebilde zur Seite gestellt, die einen durchbrochenen Giebel tragen. Langgezogene konsol-volutenartige Kapitäle rücken das Gebälk weit hinauf, denn über dem Sturz soll eine Kartusche Platz finden. Ihre aufsteigende Bewegungsform läßt das Durchbrechen des Giebels gewissermaßen als „nötig" erscheinen. Sie ist dreiteilig und zeigt oben in der Mitte das Wappen des Hochstifts, links des Dompropstes Marquart Wilhelm von Schönborn und rechts das des Domdechanten Franz Konrad von Stadion. Das diagonal gewendete Rahmenmotiv läßt das Portal nicht als ein auf der Fassade ruhendes Schmuckstück erscheinen, sondern verdeutlicht den Zweckvorgang des Hinein- und Herausschreitens, indem es sich dem Herankommenden als allseitig betrachtbar zeigt und trichterartig die Bewegungsrichtungen konzentriert und sammelt. Dahinter liegt ein helles, lichtdurchflutetes Vestibül. Wunderbar klar und schön ist diese dreischiffige, zwei Joche tiefe Halle. Die Innendisposition hatte schon Friedrich Karl als besonders gelungen 28 erwähnt; sie ist ihres Meisters würdig. Die Beleuchtung der Treppe mußte besondere Schwierigkeiten machen, da ihr nirgends direktes Licht zur Verfügung stand und eine andere Lage aus Gründen der Raumkommunikation nicht möglich war. Neumann schafft ihr eine dreifache indirekte Beleuchtung: von unten her durch den Kreuzgang, im Obergeschoß durch den großen Flur und durch Fenster in der Hochwand des Umkehrpodestes, hinter dem ein Vorzimmer liegt. Der rückwärtige Teil des Hauptbaus ruht auf dem Ostflügel des Kreuzgangs auf und der niedrigere Westtrakt überbaut den Westflügel des in den Untergeschossen überall erhaltenen Gangs. Das stimmungsvolle Bild des Hofes zeigt, daß Altes und Neues sich wohl verträgt, wenn es mit architektonischem Takt zusammengefügt wird. In die 31 Flucht der schönen Zimmer des Hauptbaues ist der Festsaal eingereiht, wie diese nur durch eine Stuckdecke Vogels geschmückt. Das Ebenmaß des Raumes ist unerreicht. 60

Die betont straffe Vertikalgliederung des Kapitelhauses erfüllt in diesem Falle noch einen besonderen Zweck: sie dient der Charakteristik des Baus. Sie nimmt ihm in dieser betonten Schärfe nicht seine Selbständigkeit als ein besonderes Kunstwerk neben einem mächtigeren andern, läßt ihn im Gesamtbild aber als zusätzlich zu jenem, das den Hauptakzent trägt, erscheinen. So findet sich die nämliche Art, gesteigert noch bis zur völligen Unterdrückung der Horizontalgliederung, bei anderen Bauten Neumanns, die gleiche Aufgaben erfüllen sollen. Sie findet sich an der Propstei in Vierzehnheiligen, an den vorderen Flügelbauten zu Banz und bei Sakristei und Ornatkammer am Würzburger Dom, sämtlich — wenn man so will — „dienenden" Bauten. Sie alle behaupten ihren eigenen künstlerischen Wert, ihr Bedeutungswert ordnet sich aber einem anderen unter. Friedrich Karl hatte, wie erwähnt, seine Zufriedenheit mit dem Entwurf Neumanns, den er als besonders gefallend bezeichnet, erklärt. Er kommt gegen Ende des Jahres i 730 noch einmal darauf zurück und schreibt dem Kapitel jetzt: „Auch haben wir bey durchgehung des von unseren Obristlieut. Neumann zu erbauung Eures neuen Capituls hauß gefertigten riß bemerket, daß so wohl an der eußerlichen architectur alß auch an der inneren guten eintheilung + führung der Stiegen, Vndt beobachtung des Lichts nichts vergessen, sondern alles durchgehends wohl eingeleitet worden" 1 0 9 . Die Wirkung der „eußerlichen architectur" beruht auf ihren Verhältnissen. Genaue Messungen ergaben eine Fülle von Einzelbeziehungen, die mit Hilfe einer maßstäblichen Aufnahme des Landbauamtes noch erweitert werden konnten. Neben ihrer Bedeutung zum Verständnis des Baus sind sie hier von besonderem Interesse, weil eine gewisse Gruppierung der Einzelbeziehungen die Möglichkeit ergab, d a s E n t s t e h e n d e r P l a n u n g u n t e r N e u m a n n s H a n d zu v e r f o l g e n . Es soll damit nicht gesagt sein, daß Neumann in diesem Fall nun genau so vorgegangen ist, wie im folgenden der Ablauf dargestellt ist — aber es kann möglich sein. Der Übersichtlichkeit wegen ist auf das Anführen der gemessenen Längen verzichtet: die Ungenauigkeiten, die sich beim Zeichnen, in der Bauausführung und beim Messen naturgemäß ergeben müssen, gehen in keinem Fall über 3 % hinaus, sie können als unwesentlich unterschlagen werden. Zur Grundlage sei die Länge L des Kapitelhauses angenommen; die Höhe einschließlich des Sockels (neben dem Dom gemessen) bis zum First ist dann L / 2 . Weitere Halbierung legt das Kranzgesims fest und nochmalige Teilung der oberen Hälfte ergibt den Knick des Mansarddaches, dessen Höhe also L / g + L / 8 ist bei einer Höhe der Fassade vom Erdboden bis zum Kranzgesims von L / 4 . Die Breite der überzähligen Achse (ohne Pilaster) ist ein Zehntel der Höhe, also L / 20 ; sie bildet die Grundlage der weiteren Proportionierung; ihr Maß ist das des Pilasterabstandes, das mit a bezeichnet werden soll (vgl. die Maßtabelle!). Der kleinere Teil 61

a — Pilaster- und Lisenenabstand = L/20 (' 20 der Gebäudelänge = 1 /,„ Gesamthöhe). Die übrigen ausgezogenen Strecken sind fortgesetzte Teilungen des jeweils größeren Abschnitts nach dem Goldenen Schnitt, b = Pilasterbreite. c — Sockelhöhe am Dom = lichte Fensterbreite = \/2 lichte Höhe. d = Höhe der Pilasterbasis. e = Doppelwulsthöhe der Basis, f == Plattenhöhe der Basis. a/ 2

= Plattenbreite der Basis = L/40-

o m k a p i t el h a us B a m b e r g . Darstellung der Proportionen.

Maßstab ca. 1 : 1 3 , 6

der im Verhältnis des Goldenen Schnitts geteilten Strecke a bildet die Pilasterbreite b, der größere die Höhe des Sockels c. Jetzt sind Länge, Höhe, Dach, Sockel und neutrale Achse festgelegt; Halbierung der Fassade ohne den Sockel liefert das Gurtgesims. Die Höhe der Geschosse ist demnach gegenüber jener der Dachteile, die L / g war, ( L / 4 — c): 2. Die weitere Gestaltung geht vom Mittelbau aus, dessen Portalachse sich als um Pilasterbreite vermehrten Pilasterabstand darstellt; sie ist also nicht gleich a, sondern a + b . Dann folgt nach den Seiten hin b, a, b, a, b. Zwischen den Pilastern sind die Fenster eingeordnet, deren lichte Weite gleich der Sockelhöhe c ist, während die lichte Höhe 2c ergibt (im Obergeschoß natürlich bis zur Sehne des Bogens gemessen). Eine weitere Teilung der Strecke c im Goldenen Schnitt ergibt im kleineren Abschnitt d die Höhe der Basis (Fußplatte und Doppelwulst); nochmalige Teilung im Goldenen Schnitt bringt die Höhe e des Doppelwulstes und eine weitere Teilung nach dem gleichen Gesetz die Höhe f der Fußplatte, deren Breite a / 2 ist. Die plötzliche Wendung von einer niederen in eine höhere Geometrie, wenn man einmal so sagen darf, bei der Teilung des a / 20 beweist, daß in der Phantasie Neumanns das Ganze vor den Teilen da war, daß er die Gesamtidee der Anlage und der Gliederung schon fest gefaßt hatte, bevor er an die Fertigung eines genauen Planes ging, denn der umgekehrte Weg vom Einzelnen zum Ganzen, wie er in den langweiligen Konstruktionen rechnender Architekturtheoretiker vorkommen mag, ist hier nicht möglich. Vermessungen und Proportionsdarstellungen haben nur dann Wert, wenn es gelingt, mit ihrer Hilfe in die Werkstatt eines Meisters hineinzuschauen. In keinem Falle sind sie Selbstzweck und es besagt im Grunde wenig, wenn nachgewiesen wird, daß diese oder jene Bauten nach besonderen konstruierten „Schlüsseln" errichtet wurden. Jedes architektonische Kunstwerk wird Beziehungen zwischen dem Ganzen und dem Einzelnen aufweisen können, nur wird es nicht immer möglich sein, das nachzuweisen. Durch solche Versuche wird nur zu leicht die richtige Betrachtung auf das Geleise einer spekulativen Geometrie abgelenkt. So mannigfaltig die Beziehungen eines Baus zu seinen Teilen sein können, so verschieden sind sie bei ein und demselben Künstler und so ähnlich sind sie bei einander fremden Künstlern. — Für den vorliegenden Fall würde — während man sich meist mit Grundrissen und Schnitten befaßt hat — die Konstruktion einer Fassade nachgewiesen, nicht als „Sensation" oder „magisches Geheimnis", sondern als Hilfsmittel zu weiterer Erkenntnis. Das Zusammenklingen des Neumannbaus mit dem ehrwürdigen Dom 25 läßt die Spanne eines halben Jahrtausends, die zwischen beiden Werken liegt, versinken. 1739 wurde der dem Kapitelhaus gegenüberliegende Stadionsche Hof unter entscheidender Mitwirkung Neumanns gebaut und dann von Küchel die den Platz abschließende heutige Dechanei. So ent63

steht hier ein kleiner Platz, der zu dem wuchtigen K l a n g der Baumassen des Domberges wie ein Unterton mitschwingt; drei Bauten Neumannschen Geistes umgrenzen ihn, ohne die großen Zeugen des alten Bamberg von seinem Bild auszuschließen. Wer vom „ B a c h " her den Domberg heraufkommt (die A u f f a h r t von der Karolinenstraße legte erst Neumanns Sohn an), erlebt die wirkungsvolle Aufeinanderfolge zweier Plätze; wer vom Residenzplatz aus zurückschaut, blickt in eine der schönsten deutschen „Architekturlandschaften" überhaupt.

PLANUNGEN

FÜR

RESIDENZ

UND

DOMBERG

Der Dienzenhofersche Residenzbau, dessen äußere Erscheinung dem Domberg einen so großzügigen Abschluß gibt, hatte im Inneren mancherlei Mängel in Raumverteilung und Raumverbindung aufzuweisen. Friedrich K a r l läßt viele Gemächer verändern und umbauen, aber eine wesentliche Besserung hat man nicht erreicht. Dienzenhofer hatte den Bau zum Abschluß gebracht; nur der Anschluß an die Alte Hofhaltung, der durch einen Torbogen und Gang dort erfolgen sollte, wo heute noch die Rüststeine erkennbar sind, unterblieb. Neumann trägt sich schon im Oktober 1730 mit dem Gedanken, den großen Platz nach zeitgemäßen Grundsätzen umzuformen. Er schreibt dem Fürsten, daß er an neuen Residenzrissen arbeite, weil die alten zu klein seien; es handelt sich also darum, Pläne anzufertigen, nach denen über die neue Verwendung und Einteilung von R ä u m e n beraten werden kann; mehr wird man daraus nicht entnehmen können. Eine Woche darauf schickt Neumann die fertigen Risse nach Wien und schreibt dazu 1 1 0 : „ i c h habe an dießen rissen weiters nichts eingericht, weilen nicht gänzlich die gnädigste intention abnehmen können, dan 2tens", fährt er fort — und während die eben erwähnten Risse angefordert waren, hatte Friedrich K a r l das Folgende nicht erwähnt — „ein haubt Plan, wie daß neye vndt daß alte Irregulär steht, so durchauß graulicht ist, welcher die alten Stallungen, Schmitten, Wagnerey, bittnerey, wenige kutschenhallen, vndt dergleichen altes gebau auf welches die hochfürstliche Cammer in den alten höltzernen gebauen mit ihren registraturen vndt revisionsgemächern befindet. V n d t waß auf dießen graulichten roth gemacht, daß ist nur ein vnterthänigste ohn Maßgebl. gedancken, wie etwan die Stallungen vndt gebauen mit ihren höfen könten mit der Zeit eingericht werdten". Neumann hat anläßlich der Aufnahmen am Residenzbau den ganzen Platz vermessen und die Gebäude der Alten Hofhaltung in grauer Farbe auf einem Plan eingetragen und dann rot darüber gezeichnet, wie er sich die Neubauten denkt. E r wird sich auch über die Rüststeine am Westende des Mittelflügels der Residenz Gedanken gemacht haben und vermutete, daß schon von Dienzenhofer eine weitere Bebauung vorgesehen 64

war, denn er legt als Drittes der Sendung einen alten Grundriß bei, den er bei dem jungen Dienzenhofer noch entdeckt hat, aber „mehrers davon oder von einer gantzen Eintheilung hat sich nicht gefunden". Von den hier erwähnten Plänen hat sich bisher keiner nachweisen lassen, doch nennt sie der Auktionskatalog von 1803 noch unter Nr. 704/705. Aus Neumanns Worten geht hervor, daß er die Gebäude der Alten Hofhaltung nicht nur für unzureichend hält, sondern daß ihre malerische Gruppierung ihm geradezu unerträglich ist; es steht alles „Irregulär" und eben das ist es, was er und seine Zeit am meisten haßt. In Würzburg gab es auch solche Plätze. Jenen vor dem Rathaus hatte Neumann in „conformität" gebracht, der Marktplatz wurde bald reguliert —• und in Bamberg stand eine Reihe solcher baufälliger Gebäude im Angesicht der Residenz! Neumanns Zeit kennt noch kein sentimentales oder romantisches Gefühl für Ruinen oder alte Gebäude, sie sieht darin noch keine Stimmungsanreger. Das Alte findet nur Anerkennung, wenn es durch die Qualität seiner Ausführung imponiert; so verteidigt Neumann die übergroße Höhe seiner neuen Würzburger Dominikanerkirche mit dem Hinweis: „Die Kirchen, das sie so hoch muß werdten, obligiret der schöne alte gute gewöhlmte C h o r " 1 1 1 . Man wird es heute begrüßen, daß die Alte Hofhaltung erhalten blieb, wie man sich auch freut, daß aus Küchels Projekt für die Umgestaltung des Bamberger Domes nichts wurde, aber die beiden ersten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts dachten darin anders. Nach dem Vorschlag Neumanns von 1730 hört man in den beiden nächsten Jahren nichts von einem Bauvorhaben; doch die Anregung hatte ihre Wirkung auf den Bischof nicht verfehlt. Friedrich K a r l tritt 1733 mit dem Gedanken eines Neubaus der Alten Hofhaltung an das Kapitel heran. Um nicht gleich ganz herausrücken zu müssen und die Stimmung der Domherren erkunden zu lassen, schickt er den Hofmarschall v. Pöllnitz vor, der den Domprobst und den Kammerpräsidenten durchaus geneigt findet. Nach einigen Tagen bekommt das Kapitel jedoch Bedenken wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage des Hochstifts und der allgemeinen Not durch schlechte Ernten, und man schlägt dem Bischof vor, das Vorhaben zurückzustellen. Friedrich K a r l hält sich in diesen Tagen in Pommersfelden, dem vom Oheim ererbten Schloß, auf und hier plant er, der nun bald Sechzigjährige, der die Würzburger Residenz noch nicht halb vollendet hat und den Neubau von Werneck gerade beginnt, eine radikale Umgestaltung des ganzen Domberges. Mit eigener Hand schreibt er alles, und unter den „Puncta, so Nahmens Anhang Sr. Hochfürstl. Gnaden von Bamberg in peremptorio Magno S. Cunegundis pro ao 1733 übergeben" werden, erscheint als vierter sein Bauprojekt. Es ist ein Unternehmen von — man kann eigentlich nur sagen: schönbornschem Ausmaß, geht es doch um nichts anderes als die Neugestaltung der ganzen Berghöhe; die alte Hofhaltung soll neu gebaut werden und 65

im Anschluß daran nach einem bestimmten Plan die sämtlichen Domherrenhöfe 112 . Obwohl Friedrich Karl in der für das Kapitel bestimmten Vorlage ein ausführliches Finanzierungsprogramm ausgearbeitet hat, können die Domherren diesem kühnen Flug nicht ganz folgen. Sie erkennen zwar die „landsvätterliche Vorsorge" des Fürsten an, der vor allem auf die große Feuersgefahr durch die alten mit Holz gebauten Gebäude hinweist, wodurch im Ernstfall der ganze Domberg mit allen Schätzen und Archiven bedroht ist; während Friedrich Karl aber anführt, daß sich die Obereinnahme „in sehr gutem, von Gott gesegnetem Stand" befindet, will das Kapitel angesichts der schlechten Ernten und der Not bessere Zeiten abwarten. Die Vorschläge des Bischofs, die nach dem in Pommersfelden aufgesetzten eigenhändigen Konzept ausgefertigt und noch einmal von ihm korrigiert wurden, geben die Möglichkeit, einmal etwas tiefer in die Vorstellungswelt eines fürstlichen Bauherrn zu blicken. Friedrich K a r l begnügt sich nicht mit dem Anführen verschiedener Gefahrenmomente und Mißstände — sie sind für die damaligen Verhältnisse und Zustände gewiß nicht übertrieben — sondern er verbreitet sich auch ausführlich über die Finanzierung des Vorhabens. Die Unkosten sollten nur zu einem Bruchteil durch neue Steuern nach vorhergegangener Erleichterung gedeckt werden; man will ohne große Belastung der Öffentlichkeit auskommen, deren angenommene Bereitwilligkeit zum Beitrag zu einer „so großen und nötigen Sache" allerdings eine charakteristische Selbsttäuschung sein dürfte. Es wird zunächst also nichts aus dem großartigen Projekt, über dessen Einzelheiten nichts in Erfahrung zu bringen ist, wenn auch bestimmt angenommen werden darf, daß Neumann sich, wie 1730, schon eingehend damit beschäftigt hatte. Der Fürst kann sich aber von dem Gedanken nicht trennen und in den „Gnädigsten Erinnerungspunkten über das Bamb. Residenzbauwesen" von 1 7 3 7 1 1 3 beginnt er die Anweisungen für den Innenausbau mit den resignierten Worten: „ I n dem Bamb. Resid. Bauwesen ist überhaupt die Meinung gelegentlich selbe Residenz auszubauen gegen den Platz in eben der althen, ahngefangenen Figura". Während bisher nur von einem Neubau der Alten Hofhaltung die Rede war und Neumann 1730 auch nicht nach einem Dienzenhoferschen Plan zum Ausbau der Residenz, sondern zur weiteren Einteilung des Platzes und des Geländes der Alten Hofhaltung suchte, liegt hier schon die Meinung zugrunde, der Dienzenhofersche Bau sei unvollendet geblieben. Es scheint, daß die Angelegenheit wieder aufgegriffen werden soll; im August 1738 schreibt Neumann, daß er bald nach Bamberg kommen und Risse mitbringen wolle, unter anderen auch die der Bamberger Residenz, die er „vorgenohmen vndt eine andere Haubtfigur projectiret, vndt blatz gemacht mit großer ersparung vieler arbeit vndt unCosten" n 4 . Es liegt ihm also schon ein Projekt vor, das er 66

hernimmt und verändert. In diesem Projekt wird man den Entwurf Küchels sehen können, den Weigmann schon erwähnt. Dieser Plan sah eine symmetrische Fortführung vor, so daß westlich des Fürstenportals am D o m ein zweiter Pavillon der Residenz zu stehen gekommen wäre; unter teilweiser Verwendung von Bestehendem sollten auf dem Gelände der Alten Hofhaltung Wirtschaftsbauten errichtet werden; er entspricht dem Gedanken des Bischofs, in der angefangenen A r t weiterzubauen. Neumann wird mit diesem Vorschlag Küchels, besonders wegen der wenig überzeugenden Grundrißlösung, nicht einverstanden gewesen sein. Es wäre interessant zu wissen, wie er diese schwierige Frage anpackt, aber dafür gibt es keine Anhaltspunkte.

SEMINAR UND

SPITAL

Schon in der ersten Zeit seiner Regierung beschließt Friedrich K a r l zwei große Neubauten für das Unterrichts- und Wohlfahrtswesen von Stadt und Hochstift; ein neues Priesterseminar und ein neues Gebäude für das zusammengelegte Elisabethen- und Katharinenspital sind vorgesehen. Ihre Ausführung fällt Neumann zu. Er hofft, gegen Ende des Jahres 1733 mit beiden Gebäuden unter Dach zu kommen. Im Oktober ist das Seminar im Mauerwerk vollendet und die Zimmerleute beginnen mit dem Aufschlagen des Daches; das Spital wird auch bald gedeckt. „ D i e gebauh sehen gut auß . . . V n d t seind die gemeinz leith sehr damit Z u friden", schreibt N e u m a n n 1 ' 5 . Die Inneneinrichtung macht noch bis 1736 zu schaffen, Neumann hat oft über die Langsamkeit und Untätigkeit zu klagen; Justus Heinrich Dienzenhofer, der als Bauführer und Stellvertreter Neumanns die Arbeiten leitet, kann sich nicht durchsetzen. Außerdem macht die Finanzierung bald große Schwierigkeiten; das restliche Geld wurde dann durch eine Umlage unter den Klöstern und Stiftungen aufgebracht. Dienzenhofer kommt einmal nach Würzburg, u m sich Instruktionen von Neumann zu holen, der bald dann Bamberg öfter besucht und selbst zugreift; und wenn „es zwar V o n geringeren etliche gesichter gegeben", so kümmert er sich nicht darum, revidiert alle Rechnungen und schafft Ordnung. 1734 beginnt der zweite Teil des Spitalbaus, an der Mitte des Flügels beim ehemaligen Martinsturm beginnend; hier findet zunächst die Kapelle ihren Platz, deren von Neumann vorgezeigte Risse der Bischof gutheißt. Im Sommer ist man schon einen Stock hoch, während im vorderen Bau die Schreiner und Stukkateure bereits tätig sind. 1735 ergeht ein Dekret an Obereinnahme, Spital, Seminar und K a m m e r , Neumann j e 100 fl. aufzuzahlen, da er „ i n dem Cammercassernen und festungs-St. MartinsHospital-Seminaribauwesen vielfältige V n d t außerordentliche Mühe V n d t arbeit gehabt". Erstes Erfordernis für eine richtige Beurteilung der beiden Bauten ist das Vergegenwärtigen der ursprünglichen Umgebung. Die Platzanlage, wie sie 67

sich heute präsentiert, ist die Folge einer Freilegung aus dem Beginn des neunzehnten J a h r h u n d e r t s . Q u e r über das Gelände zwischen beiden Anlagen, u n d zwar von der Mitte des Spitalflügels bis zur Mitte des Seminars hinüber, erstreckte sich die alte Martinskirche. Der heutige Freiraum war also durch den gotischen Bau in zwei H ä l f t e n geteilt; zu dem Teil nach der Straße bildete die Kirche die R ü c k w a n d m i t strengen Strebepfeilern. Auf diesem Platz befand sich der Friedhof, der n a c h der Straße hin durch ein hohes Gitter u n d Pfeiler abgeschlossen wurde. Die Anschlußpfeiler des Gitters an die N e u b a u t e n stehen noch. Es h a n d e l t sich also u m keinen öffentlichen Platz, der da zwischen N e u m a n n s N e u b a u t e n sich dehnte, sondern u m eine f ü r das Aussehen von Stadt u n d Straße unwesentliche Fläche, deren Platzwände nicht auf Betrachtung berechnet waren. Für die Öffentlichkeit waren nur die der Straße zugekehrten Schmalseiten sichtbar und die über die Gitter hinweg sichtbaren Eckpavillons. Die anschließenden Flügel (und die Kirchenwand) waren d u r c h das zwischen Pfeilern schwingende Gitter der genauen Betrachtung entzogen, konnten u n d sollten also gar nicht in der heute möglichen Art gesehen werden. So haben entsprechend der ursprünglichen Situation n u r die Straßen34 fronten und die Eckpavillons reicheren Schmuck erhalten. N e u m a n n schließt sich den durch die Dienzenhofer geprägten Formen an, die in ihren Grundformen seiner Art nicht fremd sind; aber der örtlichen Gepflogenheit entsprechend, wählt er auch reichere Einzelheiten, als er sie sonst zu verwenden pflegt. Dekorierte Brüstungsplatten erscheinen, Kartuschen mit Blumenketten über dem Sturz u n d eine Fensterverdachung in flachen Winkel- u n d Bogenformen. Die Eindrücke aus Wien werden teilhaben an dieser Fassadengestaltung, die, wenn N e u m a n n auch weder vorher noch später unmittelbar Vergleichbares schuf, ihren festen Platz in seiner Entwicklung hat. Hier wird der vollzogene stilistische Wandel, der mit d e m „ H i r s c h e n " einsetzte, dokumentiert. H a t t e N e u m a n n im Kapitelhaus eine fast klassische Form in jener kurzen Zeitspanne finden können, die zwischen den „Gezeiten" r u h t , so ist hier — u m im Bild zu bleiben — die „ F l u t " d a . Bezeichnend ist die Lösung des durch den Straßenverlauf bedingten U m b r u c h s nach den 33 ersten drei Achsen der Spitalfassade, dessen Markierung durch einen Pilaster die unauffälligste Lösung gegeben hätte. Statt dessen setzt N e u m a n n bewußt zwei Mauerkörper nebeneinander, die von einem Ausgleich auf der W a n d fläche nichts wissen wollen. Die ersten Achsen schließen mit einem Pilaster a b ; unmittelbar neben i h m tritt die M a u e r des anderen Fassadenteils vor, der somit in einer anderen Ebene steht: von der K a n t e leicht zurückgesetzt, ist ein neuer Pilaster angeordnet. Vier verschiedene Relieftiefen erscheinen nebeneinander, denen der Wechsel von Licht u n d Schatten körperliches 32 Leben gibt. Gleiche kräftige Modellierung zeigt die F r o n t des Seminars, dessen Straßentrakt zum Weihbischofshof bestimmt wurde. Das Sockel-

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geschoß ist in großzügigen Arkadenbögen gegliedert; ihr wuchtiges Motiv wiederholt Küchel später am Ebracher Hof. Durch den mittleren der jeweils drei Bögen trat m a n schon damals auf zwei im Winkel zueinander stehende T ü r e n , die zu den Läden im rechten und linken Bogen führen —• eine ebenso originelle wie praktische Lösung Neumanns, die sich heute noch bewährt. Die beiden mittleren Achsen sind durch Pilaster zusammengefaßt. Hier hat die große Tordurchfahrt ihren Platz, über der das wohl von Feucht gearbeitete Hoheitswappen des Bischofs angebracht ist.

DIE BERUFUNG KÜCHELS S T A D I O N H O F U N D MICHAELSBERG Die Vorkommnisse beim Seminar- und Spitalbauwesen hatten deutlich gezeigt, daß f ü r das Hochstift Bamberg ein fähiger und stets anwesender Bauleiter als Stellvertreter Neumanns nötig war. Eine technisch und verwaltungsmäßig verantwortliche Leitung und Beaufsichtigung der Bauunternehmungen in Würzburg, Werneck, Bamberg, Seehof und Gößweinstein, d a n n der vier Festungen und des fürstlichen Privatbauwesens, der Ausbau Münsterschwarzachs, dazu die zeitraubende technische und finanzielle Durchführung der Wasserversorgung Würzburgs, das alles konnte Neuniann unmöglich auf die Dauer besorgen. So wurde im J u l i 1735 der gebürtige Bamberger J . J . M. Küchel als Ingenieur- und Kriegsleutnant angestellt. Er hatte in den letzten J a h r e n bei Welsch in Mainz gearbeitet und der Kammerpräsident Ostein lobt ihn als fleißig, sorgfältig und exakt. Es scheint, d a ß er seine Tätigkeit noch nicht gleich aufgenommen hat, denn er wird erst im folgenden J a h r e mit Neumann bekannt, der mit ihm über Schleichach, wo die Neumannsche Glashütte war, und Werneck nach Würzburg reist. Dem Bischof berichtet er darüber 1 1 6 : ,,in denen tägen, wo er allzeit bey mir gewessen, u m b deutlicher mit selben zu reden vndt Einzuweißen, wie daß unßerische bauwesen tractirt wirdt vndt die rechnungen explicirt, sodan alle arbeit visitiret, beaugenscheiniget vndt expliciret, waß mir nur eingefallen vndt ihme zum gnädigsten vorhaben dienlich sein kundte, vndt weiteres offeriret, wan ihme waß wird abgehen vndt erleyterung brauchet, mir zu schreiben, damit m a n n Ewer Hochfürstl. Gnaden gnädigste intention vnterthänigst erfüllen, besagter lieutnand hat sich bewundert vndt viel mehrers gefunden, alß er nicht geglaubet hat, kan dabey vnterthänigst versichern, daß er Capabel ist vndt wirdt es werdten alß mehrers zu thuen, vndt guthe dienste verrichten können". Küchel wird nun der örtliche Beauftragte Neumanns für Bamberg, der zwar ziemliche Freiheit erhält, in allen wichtigeren Entscheidungen aber Neumann u m R a t fragen muß. I m September wird eine von Neumann verfaßte Bauordnung für Bamberg erlassen, die sich fast ausschließlich mit verwaltungs69

technischen Fragen und dem Rechnungswesen befaßt 1 1 7 . Das Verhältnis der beiden Architekten blieb offenbar ungetrübt, wenn auch nach dem Tode Friedrich Karls, der Küchel von Würzburg unabhängig machte, eine gewisse Rivalität entsteht, da auch Stadion und Franckenstein sich Neumanns noch bedienen 118 . Küchel fallt die Vollendung der Innenausstattung in Spital und Seminar zu; künstlerisch bedeutend war die Ausstattung der Spitalkapelle, einer schönen Raumschöpfung Neumanns, die leider zerstört wurde 1 1 9 . Auch auf dem Lande entfaltet Küchel eine rege Tätigkeit. Für die bürgerliche Baukunst Bambergs wird sein Eingreifen von allergrößter Bedeutung. Seine Formenwelt zeigt sich zunächst als sehr mainzisch mit stärker werdenden Neumannschen Einflüssen; so wirkt sein Wohnhaus in der Adolf Hitler-Straße in den kühl-urbanen Formen wie ein vollkommenes Aufgeben der Dienzenhoferschen Tradition, die sich in Bauten, wie dem „Kleebaum"-Haus oder Maxplatz 8 vollendet hatte. Die Synthese der beiden Welten hat er dann später selbst vollzogen: das Rathaus auf der oberen Brücke vereinigt Westen und Osten zu einem unvergleichlichen Denkmal. Neumann behält die Oberleitung des hochstiftischen Militär- und Zivilbauwesens, Küchel ist sein untergebener Stellvertreter; Justus Heinrich Dienzenhofer sinkt auf die Stufe des Bauunternehmers herab, den Lauf dreier Generationen dort beendend, von wo der Großvater seinen Aufstieg genommen hatte, dem Handwerk 120 . 1736 wird der Neubau eines Jagdzeughauses beschlossen, zu dem Neumann angeben soll, „ a u f was arth und weiß" die Erbauung durchgeführt werden könne 1 2 1 . Küchel nimmt im März des nächsten Jahres das Abstecken vor, und im Spätsommer ist der Bau schon unter Dach. Ob Neumann oder Küchel den Plan entwarf, wird sich mit Sicherheit kaum erweisen lassen; es sei hier aber auf die Ubereinstimmung der Wandgliederung und Fensterrahmungen mit den gleichzeitigen vorderen Wirtschaftsbauten zu Werneck hingewiesen, das Neumann im September 1736 mit Küchel besucht. Die nämliche Art zeigt auch ein Plan (Del. I I . 83), der wohl den Entwurf für ein Nebengebäude in Münsterschwarzach darstellt. Der hübsche kleine Zweckbau, etwas abseits der Siechenstraße gelegen, ist heute leider stark verändert. Gegenüber dem Ostchor des Domes und dem Kapitelhaus entstand 1739 der Neubau des Stadionschen Hofes, der allgemein Küchel zugeschrieben wird. In Würzburg 1 2 2 und Bamberg 1 2 3 befindliche Pläne, die sich als zu diesem Bau gehörig «"weisen, zeigen eine maßgebliche Beteiligung Neumanns. Der Bamberger Grundriß trägt die Beischrift: „Dieser riß ist von seiner hochgräfl. Excellenz approbirt. Wirtzburg d. 24. May 1739. Balth. Neumann Obristl.", und ist adressiert „ahn herrn baumeister Dinzenhöffer in Bamberg". Die Würzburger Pläne zeigen zwei in Bamberg entstandene 38 Aufrisse und einen Grundriß. Der Planungshergang läßt sich daraus etwa 70

so rekonstruieren, daß Neumann, der bis über die Mitte des Monats hinaus längere Zeit in Bamberg gewesen war, das Hauptsächliche, wie die Gliederung in einen Eckbau gegenüber dem Residenzpavillon und anschließende Flügel schon am Orte mit dem Planfertiger besprochen hat. Die ausgearbeiteten Entwürfe mußten dann zur Beurteilung nach Würzburg geschickt werden, wo Neumann seine Ideen auf einem der eingeschickten Blätter skizziert. Danach werden unter seiner Anweisung neue Risse gezeichnet, die nach Bamberg zur Bauausführung geschickt werden, während die von dort eingeschickten Pläne in seiner Mappe abgelegt werden. Der aus Bamberg geschickte Aufriß ist sehr sorgfaltig und schön gezeichnet; bezeichnend für den Planfertiger sind die Rauchwolken über den Schornsteinen. Die von Neumann mit Blei darüber skizzierten Änderungen sind nun höchst bemerkenswert. Der entscheidendste Eingriff ist die Differenzierung der Geschoßhöhen von Pavillon und Flügel. (Die Bezeichnung Pavillon ist eigentlich nicht zutreffend, es handelt sich vielmehr um den Rückflügel der Anlage, der durchlaufend in dieser Höhe gebildet ist; sie mag trotzdem beibehalten werden, weil das pavillonartige Aussehen zum Residenzplatz hin gewollt und entscheidend ist.) Die beabsichtigte Wirkung zeigt der nach dieser Anregung ausgeführte Bau; Neumann hat den Pavillon verselbständigt. E r 37 ist von der kettenartigen Bindung an den Flügel durch gleiche Geschoßreihen befreit. Was dem wuchtigen Eckbau der Residenz jetzt gegenüber tritt, ist nicht ein abhängiger überhöhter Eckbau des Flügels, sondern ein kleiner, aber in selbständiger Gliederung entschieden wirkender Proportionskörper. In der Ausführung sind dann auch noch Gurtgesimse eingefügt, die dem A u f b a u einen strafferen Halt geben. Neumann lehnt das schwerfallige Satteldach des Entwurfes ab. Er schiebt es insgesamt etwas höher hinauf wegen der höher gesetzten Fenster und skizziert eine elegant geschwungene Mansarde; zuerst ein ganz flüchtiger Versuch und dann mit dem Lineal die endgültige Fassung. Neumann war j a sicherlich kein Schönzeichner, aber wieviel architektonische K r a f t lebt in den wenigen Strichen dieser Mansarde! Auch der Eckbau erhält, wie schon ganz leicht angedeutet, eine neue Verdachung. Man wird kaum zuviel behaupten, wenn man die pavillonartige Eckbildung auf eine mündliche Anregung Neumanns bei der örtlichen Besichtigung zurückführt; wie wichtig aber die in Würzburg vorgenommenen Änderungen außerdem noch sind, wird ganz deutlich, wenn man für das heute stehende Gebäude den Bamberger Plan sich ausgeführt denkt. Der Bau ist gleich bedeutend als Abschluß des Kapitelhausplatzes wie des Residenzplatzes; hier kommt besonders das Gegenüber der Eckpavillons, — der durch die Wucht der Massen wirkende Barock und das auf feine Einzelbildung abzielende Rokoko, — als eine städtebauliche Leistung von besonderer Feinheit zur Geltung. Stehen wichtige Fragen zur Entscheidung, dann ruft Friedrich K a r l selbst 7i

seinen Architekten Neumann herbei. So geschieht es bei den Planungen für Vierzehnheiligen, wo seine Entwürfe denen Welschs und Küchels vorgezogen werden. Als die Benediktiner auf dem Michaelsberg zu Bamberg den Neubau ihrer Klosteranlage durch Neuaufführen der vorderen Wirtschaftsbauten vollenden wollten, greift Friedrich Karl ein und verlangt, daß die Risse erst seinem Oberst Neumann vorgelegt werden. Dieses Eingreifen in das Privatbauwesen der Abtei erklärt sich aus der Furcht des architektonisch so fein empfindenden Fürsten, daß Änderungen an dem Baukomplex, der mit dem Domberg zusammen das Bild der Residenzstadt bestimmt, sehr viel Unheil anrichten könnten. Prior und Konvent wenden sich im J u l i 1742 mit einem Schreiben an den Bischof, in dem sie mitteilen, daß Neumann, wie angeordnet, den Augenschein eingenommen habe und dem Vorhaben zustimme; man wolle das Werk, dessen Notwendigkeit Neumann anerkannt habe, tunlichst beschleunigen 124 . Das Vikariat schickt den Brief nach Werneck weiter mit der Bemerkung, daß Oberst Neumann in der letzten Sitzung des geistlichen Rats die Gedanken des Bischofs bekanntgegeben habe und keine weiteren Schwierigkeiten erwarte. Die Antwort aus Werneck lautet: „ D a wir nuhn bei den Von ihm Obristen diesfals gethanen Vorschlag kein bedenken finden, Vielmehr die uns Vorgelegte risse gnädigst (eigenhändige Zufügung des Bischofs zum Diktat: in einem oder anderen Verbessert und im übrigen) für genehm gehalten", soll der Bau fortgesetzt werden. Den Bestand nach Abschluß der Dienzenhoferschen Neubauten zeigt 36 ein anlässig der Wahl des Abtes Anselm 1725 entstandener Stich. Aus früherer Zeit waren nur die Wirtschaftsbauten geblieben. Brau- und Backhaus auf der nördlichen Seite hatte man dann 1742 schon in Angriff genommen und vollendet, als Neumann dazwischentritt, um den Torflügel und den Trakt zur Stadt hin anzuweisen. Es handelt sich um einfachste in Sandstein auf- 35 geführte Gebäude, deren Bedeutung einzig in ihrem Vorhandensein als Baumasse liegt. Die Türme und das lagernde Schiff der Abteikirche erhalten eine Gleichgewicht gebende Unterstreichung, wie sie die Residenz dem Domberg gab. Sie betont die Gesamtwirkung einer bewußten Planung gegenüber dem etwa zufällig dort oben Vorhandenen. Die Lage des Portals ist durch die darauf zuführende Straße bestimmt; seine Aufgabe ist es, den Anblick der Kirchenfassade und der grandiosen Freitreppe vorzubereiten. Der Symmetrie wegen ist dann noch ein zweites Tor angelegt. An der Ausgestaltung im einzelnen wird Neumann kaum beteiligt sein. Wie er eine derartige Aufgabe löst, wenn die Mittel nicht zu knapp sind und alte Fundamente nicht berücksichtigt werden müssen, das zeigen die vorderen Bauten in Banz, die in ihrer meisterlichen Komposition den Dienzenhoferschen Bau eigentlich erst wirksam hervortreten lassen. Neumanns Anteil an der Seesbücke ist auf die technische Anweisung be72

schränkt, Wölbung der Bogen und Fundamentierung der Pfeiler (SE 348), während die künstlerische Ausstattung und der Entwurf zu den Häusern der Auffahrt (SE 350) auf Küchel zurückgeht 125 . Das 1752 begonnene Werk wurde durch ein furchtbares Hochwasser 1784 zerstört. Der Werkplan Küchels im Besitz des Historischen Vereins trägt den Genehmigungsvermerk Philipp Antons. Die plastische Dekoration besorgte Ferdinand Dietz. BAUTEN

UND PLANUNGEN

IN W Ü R Z B U R G

1735—1753

Die Ernennung Küchels zum Leiter des bambergischen Bauwesens hatte Neumann eine wesentliche Entlastung gebracht; er findet nun wieder Zeit, sich mit den städtebaulichen Problemen Würzburgs zu beschäftigen. Für die erste Hälfte der dreißiger J a h r e läßt sich kein Gebäude Würzburgs für Neumann in Anspruch nehmen; so sind die Bamberger Bauten wichtig als Bindeglieder für die Betrachtung der weiteren Entwicklung in Würzburg, die wieder einsetzt, als seit der Planung des „Hirschen" fast ein Jahrzehnt vergangen war. Wie Friedrich K a r l in Bamberg bald nach Regierungsantritt zwei große Werke in Auftrag gibt, die der Allgemeinheit zugute kommen sollen, so hat er in Würzburg ein ähnliches Unternehmen vor. Wenn seine Durchführung städtebaulich eine zunächst mehr technische wie künstlerische Leistung war, soll sie hier wegen ihrer außerordentlichen Bedeutung für Würzburg doch erwähnt werden: es ist die Versorgung der Stadt mit fließendem Wasser, ein Projekt, das Bauherrn und Architekten sehr populär machte. Friedrich K a r l verfolgt das Werden der Anlage mit jenem landesväterlichen Interesse, wie es von den aufgeklärten Fürsten jetzt gern gezeigt wird; nach Abschluß der Arbeiten freut er sich, „daß unsere getreue bürgerschafft an denen Von uns gdgst angeordneten Springbrunnen eines beständigen und lebendigen gesunden wassers große freud bezeuget hat, also werden Wir auch fernerhin nichts unterlassen, was zu aufnahm ( = Förderung) des gemeinen Stattweesens gereichig ist 1 2 6 . Im März 1730 spricht Neumann erstmals von einem solchen Vorhaben; er berichtet dem Fürsten über die Arbeiten im Faulenbergsteinbruch und die Kanalisierung des dort vorkommenden Wassers, das man an alle Orte der Stadt werde bringen können. Die ausführlichen Berichte und Reskripte der Folgezeit beweisen das große Interesse, das Friedrich K a r l an diesen Arbeiten hatte und zeigen, wie sehr die Durchführung Neumann angelegen war. Er galt zweifellos als einer der besten Wasserbautechniker seiner Zeit; 1 7 1 3 hatte er in Eger die erste Probe seines Könnens abgelegt, und später kann er sogar Boffrand R a t und Auskunft in diesen Dingen geben. Als im Frühjahr 1733 die Arbeiten nahezu abgeschlossen sind, kommt der Kardinal Schönborn nach Würzburg, der mit dem Architekten gerade dessen 73

schränkt, Wölbung der Bogen und Fundamentierung der Pfeiler (SE 348), während die künstlerische Ausstattung und der Entwurf zu den Häusern der Auffahrt (SE 350) auf Küchel zurückgeht 125 . Das 1752 begonnene Werk wurde durch ein furchtbares Hochwasser 1784 zerstört. Der Werkplan Küchels im Besitz des Historischen Vereins trägt den Genehmigungsvermerk Philipp Antons. Die plastische Dekoration besorgte Ferdinand Dietz. BAUTEN

UND PLANUNGEN

IN W Ü R Z B U R G

1735—1753

Die Ernennung Küchels zum Leiter des bambergischen Bauwesens hatte Neumann eine wesentliche Entlastung gebracht; er findet nun wieder Zeit, sich mit den städtebaulichen Problemen Würzburgs zu beschäftigen. Für die erste Hälfte der dreißiger J a h r e läßt sich kein Gebäude Würzburgs für Neumann in Anspruch nehmen; so sind die Bamberger Bauten wichtig als Bindeglieder für die Betrachtung der weiteren Entwicklung in Würzburg, die wieder einsetzt, als seit der Planung des „Hirschen" fast ein Jahrzehnt vergangen war. Wie Friedrich K a r l in Bamberg bald nach Regierungsantritt zwei große Werke in Auftrag gibt, die der Allgemeinheit zugute kommen sollen, so hat er in Würzburg ein ähnliches Unternehmen vor. Wenn seine Durchführung städtebaulich eine zunächst mehr technische wie künstlerische Leistung war, soll sie hier wegen ihrer außerordentlichen Bedeutung für Würzburg doch erwähnt werden: es ist die Versorgung der Stadt mit fließendem Wasser, ein Projekt, das Bauherrn und Architekten sehr populär machte. Friedrich K a r l verfolgt das Werden der Anlage mit jenem landesväterlichen Interesse, wie es von den aufgeklärten Fürsten jetzt gern gezeigt wird; nach Abschluß der Arbeiten freut er sich, „daß unsere getreue bürgerschafft an denen Von uns gdgst angeordneten Springbrunnen eines beständigen und lebendigen gesunden wassers große freud bezeuget hat, also werden Wir auch fernerhin nichts unterlassen, was zu aufnahm ( = Förderung) des gemeinen Stattweesens gereichig ist 1 2 6 . Im März 1730 spricht Neumann erstmals von einem solchen Vorhaben; er berichtet dem Fürsten über die Arbeiten im Faulenbergsteinbruch und die Kanalisierung des dort vorkommenden Wassers, das man an alle Orte der Stadt werde bringen können. Die ausführlichen Berichte und Reskripte der Folgezeit beweisen das große Interesse, das Friedrich K a r l an diesen Arbeiten hatte und zeigen, wie sehr die Durchführung Neumann angelegen war. Er galt zweifellos als einer der besten Wasserbautechniker seiner Zeit; 1 7 1 3 hatte er in Eger die erste Probe seines Könnens abgelegt, und später kann er sogar Boffrand R a t und Auskunft in diesen Dingen geben. Als im Frühjahr 1733 die Arbeiten nahezu abgeschlossen sind, kommt der Kardinal Schönborn nach Würzburg, der mit dem Architekten gerade dessen 73

neue Kirche in Münsterschwarzach besichtigt hatte. E r läßt sich hier nun Neumanns jüngstes Meisterwerk zeigen und steigt selbst in die Brunnenstuben hinab, um auch die Maschinen eingehend zu betrachten. Er ist so begeistert, daß er vorschlägt, alles zeichnen und in Kupfer stechen zu lassen; für seine Residenz in Bruchsal gibt er Neumann eine gleiche Anlage in Auftrag 1 2 7 . In der Stadt sollen an verschiedenen Orten Brunnen errichtet werden; so im Pleichacher Viertel, im Sander- und Hauger Viertel, dann am oberen Eck beim Juliusspital, bei den Fleischbänken, vor dem Rathaus und bei der Kaserne und auch noch auf dem Marktplatz. Neumann hatte die Kosten des Röhreniegens auf etwa 1600 fl. veranschlagt; die Endsumme waren 1920 fl. Für Bildhauerarbeit am Brunnen vor dem Rathaus, dem Vorgänger des Vierröhrenbrunnens, erhält J a c o b Auwera 20 fl.m. Zuerst wird der Brunnen am Juliusspital in Betrieb genommen, wo Neumann an einem Pfahl neun Röhren anbringen läßt. Als das Wasser nicht gleich zu laufen beginnt — mußte doch erst die Luft aus den hölzernen, unterirdisch gelegten Röhren entweichen — erhebt sich allerlei Gerede und Schimpfen, man zieht über den abwesenden Neumann los; als es dann aber soweit ist, läuft alles herbei und „die leithe" waren „Content". Der neue Brunnen vor dem Rathaus macht der ganzen Stadt große Freude. Neumann ist gerade auf Reisen und so berichtet der Leutnant Tatz über das Ereignis nach Wien. Alle Einheimischen und Fremden versuchen das Wasser, „einige Stehen mit Krügen, Einige mit gläser andere mit bütten da, das wasser zu hohlen, Einer drinckhet auß der Röhren, der andere haltet den hutt auf und thun nicht änderst, als laufete wein heraus" 1 2 9 . Nichts besseres hätte der Fürst zum Wohl der Allgemeinheit anordnen können, schließt der Bericht. Und das war es, was der Bischof wollte: man sollte seine Residenz als eine fortschrittliche Stadt nennen. Im September 1733 ist die Leitung schon bis zur Neubaustraße an die Johanniterkapelle gelegt, „alwo H. Professor Ullrich eine kleine Illumination gehalten, worzu von ganzer Stadt die Leith bey geloffen saint, zu bleich ( = Pleichacher Viertel) lauffet Es auch über die maßen schön, so daß, das Publicum, groß und klein mit unterthänigstem danck und lob Sprichen disses so heilsame werckh veneriret". Neumann ist dauernd auf Verbesserung seines Werks bedacht, er untersucht in Koblenz irdene Röhren und versucht sich im Brand dieser Erzeugnisse; in seinem Haus hat er Pump- und Brunnenmodelle, an denen er studiert. 1745 werden die hölzernen Röhren durch solche aus Blei ersetzt 130 . Als 1733 schon der Vorschlag auftaucht, große Zierbrunnen, besonders vor dem Rathaus zu errichten, tritt Neumann dem entgegen mit dem Hinweis, daß es wichtiger sei, erst das gesunde Wasser an alle Orte der Stadt zu leiten, denn „die andere Zirath Springbrunnen werdten schon nachfolgen" 1 3 1 . Der Vorteil des gesunden Quellwassers gegenüber der Gefahr bei Benutzung 74

von Pumpbrunnen wird verschiedentlich, auch vor allem vom Bischof, hervorgehoben. Es ist das Verdienst Neumanns, der Stadt Würzburg eine Wasserversorgung eingerichtet zu haben, die über hundert Jahre ihren Dienst versehen konnte. Erst in der Mitte des letzten Jahrhunderts mußte, dem Wachstum der Stadt entsprechend, mit Herstellung einer modernen Anlage begonnen werden.

DIE H Ä U S E R DER

NEUBAUSTRASSE

Es erwies sich bei der starken Inanspruchnahme Neumanns bald als unumgänglich nötig, ihm, wie in Bamberg, auch in Würzburg einen Mitarbeiter zu bestimmen, der in Abwesenheit ihn vertreten und wichtige Aufgaben selbst erledigen konnte. 1733 ordnet Friedrich K a r l an, daß, wenn Neumann auf Reisen sei, Leutnant Tatz die Aufsicht über das Bauwesen in Würzburg führen solle 1 3 2 . Tatz war schon zu Beginn der zwanziger J a h r e in Würzburg gewesen, ist aber dann nicht weiter nachweisbar. 1730/31 ist er sieben Monate bei Hildebrandt in Wien, wo er sich ,im Zeichnen hat gebrauchen lassen' 133 . Von da nimmt Friedrich Karl ihn dann in seine Dienste 134 . Neumann ist mit Tatz in keiner Weise zufrieden; es kommt in den nächsten Jahren zu ständigen Reibereien, Beschwerden und teilweise sehr heftigen Auftritten. Tatz ist, soweit man aus seinen Briefen und erhaltenen Zeichnungen sich eine Vorstellung machen kann, eine von Neumann gänzlich verschiedene Natur. Sind Neumanns Briefe stets höflich, aber rein sachlich und unpersönlich abgefaßt, so sind Tatzens Berichte überaus schwülstig im Stil und bringen Eigenlob in geradezu aufdringlicher Weise 136 . Seine Zeichnungen sind im Vergleich mit den nüchternen Arbeiten Neumanns von ausgesuchter Feinheit, schön koloriert und mit allerlei Staffagen versehen 136 . Immer wieder findet Neumann Gelegenheit, sich zu beklagen. 1735 kommt es dann zu einem heftigen Zusammenstoß zwischen beiden anläßlich eines großen Bauvorhabens. Die Lokalisierung des Unternehmens war nicht ohne weiteres möglich, da als einziger Anhaltspunkt in der beweglichen Klage Neumanns beim Bischof nur der Hofwagner als einer der Bauherren genannt wird. Anhand der Steuerbücher konnte damit aber festgestellt werden, daß es sich um die großen Bauten in der Neubaustraße, heute Nr. 8—12, handelt. Neumann berichtet dem Bischof 1 3 7 , Tatz habe sich den Fassadenriß der drei Häuser, den Neumann im Auftrag der Statthalterei und der Baukommission angefertigt habe um die drei Bauherren auseinanderzusetzen' und eine einheitliche Bebauung zu sichern, von der Frau des Hofwagners geben lassen und auf Anfordern nicht wieder herausgegeben. Tatz habe vielmehr seinen eigenen Namen unter alle drei Häuser geschrieben und sich in Widersprüche verwickelt, indem er einmal erklärte, der Plan sei zerrissen worden, und dann, 75

er habe ihn dem Fürsten geschickt. Neumann verlangt nun Bestrafung, da Tatz sich gegen die Baukommission vergangen und ihn beleidigt habe. Friedrich K a r l antwortet auf den Brief Neumanns, der sich hier in ganz ungewöhnlicher Weise seines Ärgers entledigt hatte, er werde ihm seine Meinung über Tatz mündlich mitteilen, doch möchte er in Zukunft von dem gegenseitigen vielfältigen Klagen gern enthoben sein. Tatz hatte dem Bischof ebenfalls geschrieben und ihm erklärt, die Bürger, die bauen wollten, hätten sich zuerst an ihn gewandt und Neumann habe dann „zu seiner Beschimpfung" die Risse getadelt, andere gemacht und ihn dadurch um seine „accidentia" gebracht. Friedrich Karl wollte Neumann deshalb schreiben: „ S o Erinnern noch mahl gdgst, Ihme (Tatz) zumahlen bey denen Statt bauhen und bürgerlichen bauhen keine weithere Eingriffe zu thuen", aber er streicht diesen Passus, der Neumanns diktatorische Stellung beleuchtet und zugleich zeigt, weshalb Tatz sich gegenüber Neumann halten kann, wieder aus und fordert nur, Tatz die in der Instruktion festgesetzte Tätigkeit zu belassen 138 . Tatz beginnt nun in den nächsten Jahren ganz offen gegen Neumann zu arbeiten; Bischof und Behörden sehen dem verhältnismäßig ruhig zu, wohl um Neumann nicht zu mächtig werden zu lassen. Tatz setzt es durch, daß vom J u n i 1737 an die Hofbaukommission, die seit Anfang der dreißiger J a h r e nur noch auf Ersuchen Neumanns zusammentrat, wieder regelmäßig einberufen wird 1 3 9 . 1736 hatte Tatz schon „Punkte" über die Zustände im Bauwesen des Hochstifts übergeben, die aber von der Hofkammer „allzu general befunden" wurden; man gab sie dem Verfasser zurück mit dem Bemerken „mehreres ad Spezialia und ad rem" zu bringen. Daraus erhellt schon der Charakter dieser „Punkte", die 1737 noch einmal mündlich vorgebracht werden. Neumann ist dabei zugegen und „unter beyderseitigen hinund herReden" wurde allerlei berührt. Tatz wird ernstlich aufgefordert, die Beschwerden genau und schriftlich einzureichen, was sich Neumann „zu seiner justification auch ausgebetten hat" 1 4 0 . Im August 1737 kommt es zu einem regelrechten Skandal, als Tatz sich Unregelmäßigkeiten bei den Baumaterialien zuschulden kommen läßt und den Bauschreiber, der ihn zur Rede stellt, in Gegenwart der Arbeiter schlägt, mit gezogenem Degen bedroht und zum Kampf fordert 1 4 1 . 1742 ist von „Tatzischen Inquisitions prothocolli" die Rede; im November wurde er ins Soldatenstockhaus gebracht, weil er — wie eine Chronik berichtet 142 — ein „pasquill" über das Bauwesen gemacht und darin hauptsächlich den Oberst Neumann angegriffen habe; seine Schrift sei die „pure Wahrheit" gewesen und jeder habe ihn bedauert. So endete dieses unerquickliche Zwischenspiel; der Vorfall zeigt, daß Neumann in Würzburg auch Widersacher hatte, weil er das ganze Bauwesen recht absolutistisch überwachte. Noch nach seinem Tode werden einmal Baugeschworene als parteiisch abgelehnt, weil sie „bekanntlichen Von weyl. 76

H. Obrist Neumann bauwercks Creaturen seynd, und durch ihn ihr aufnehmen ( = Förderung) erhalten haben" 1 4 3 . Die Neubaustraße, über deren Häuser der Streit entbrannte, war im Mittel- 39 alter durch Auflassen der südlichen Stadtbefestigung entstanden, als man das immer größer gewordene Viertel um St. Peter, das Sanderviertel, durch eine neue Mauer in die Stadt einbezog. Der Graben des alten, die Stadt im Fünfeck umziehenden Berings wurde hier zugeschüttet und so entstand eine für jene Zeit ganz ungewöhnlich große, gerade und breite Straße. Wie wenig man mit dieser Gegebenheit anzufangen wußte, zeigen die alten Bebauungen, die sich bis in das 17. Jahrhundert durchaus nicht an eine gemeinsame Fluchtlinie halten. Grundrisse und auch Kleiners um 1725 entstandene Ansicht des Neubauturmes mit dem Blick auf das Stephanstor zeigen das sehr deutlich. Es ist nicht zu allen Zeiten alles möglich und so mußte erst jene geschichtliche Situation eintreffen, die die gegebene Möglichkeit zur Zeitforderung erhob. Der erste große Neubau beginnt 1 7 1 5 , als der Domkapitelsche Registrator Dietrich und der Baumeister des Domkapitels Georg Beyer gemeinsam das Anwesen der heutigen Nr. 14 erwerben. 1 7 1 6 wurde das Haus, wie die Inschrift besagt, fertig und 1 7 1 7 wird in den Steuerbüchern vermerkt, daß — entsprechend dem Greiffenclauschen Bauförderungsedikt von 1705 — das Haus, weil neu gebaut, iirder alten Veranlagung bleibe 1 4 4 . Dieses Haus gilt allgemein als das klassische Beispiel Greisingscher Kunst und stilistisch wird damit zweifellos das Richtige getroffen; wieweit Greising indes als entwerfender Architekt in Frage kommt, mag dahingestellt bleiben, nachdem als Besitzer nun der Baumeister des Domkapitels feststeht. Über ihn und seine Stellung nach 1720 ist oben bei Betrachtung des Dietricher Spitals schon einiges gesagt worden; über seine frühe Zeit wird man nicht eher aussagen können, bis die Meister des beginnenden achtzehnten Jahrhunderts, Pezani, Herrmann, wie auch Müller, Greising und Bayer — die oft gleichzeitig an einem Bau genannt werden, schon für das erste Jahrzehnt fest umrissen werden können. Das Haus Nr. 6, ein schmaler zweiachsiger Bau, wurde durch den Schmied Georg Baumann 1724(25 gebaut; es handelt sich um eine Teilerneuerung, wobei hauptsächlich die Fassade vorgerückt wurde. In den Bögen des Erdgeschosses findet sich die Zahl 1724, dazu die Buchstaben G . B . und ein Hufeisen; Anfang 1726 erhält Baumann 5 J a h r e Steuernachlaß 1 4 5 . Und wieder zehn J a h r e später werden dann die Häuser zwischen den heutigen Nummern 6 und 14 neu errichtet. Baumann hatte die Höhe seines Hauses schon nach dem Bayerschen einteilen müssen. Wie sehr man auf die neue Fluchtlinie bedacht war, zeigte sich, als 1728 Goldschmied Ernst gegenüber dem Neubauturm seinen Hausbau beginnen wollte; man mußte mit dem Abstecken warten, bis Neumann von einer Reise zurückkam. Das Anwesen Nr. 10 ging 1734 in den Besitz des Hofwagners Lorenz Köstner 77

über, der nun einen ganz besonders prächtigen Bau plante, zumal seine beiden Nachbarn, in Nr. 12 der Landgerichtsdiener Eckart und in Nr. 8 wieder Schmied Baumann auch mit Bauen anfingen 1 1 8 . Wie oben erwähnt, nennt Neumann 1735 das Haus des Hofwagners, das, wie er angibt, das mittlere von dreien sei und deshalb dem Besitzer gar nicht prächtig genug werden könne. Anhand der Steuerbücher ließ sich der Name des Hofwagners und sein Anwesen in der gekennzeichneten Situation ermitteln. Daraus ergaben sich dann die schon vorweggenommenen Feststellungen über die Häuser 6 bis 14, deren archivalische Datierungen durch Hausinschriften bei Nr. 6, 10 und 14 bestätigt sind. Die Baukommission hatte beschlossen, Neumann solle ein Übereinkommen der drei Bauherren veranlassen und die Häuser „uniformirter zur gemeinen Zirthe" einrichten. Wenn Neumann schreibt, daß nach seinen Anweisungen gebaut werde, so kann sich das nur auf die allgemeinen Weisungen über Höhe der Geschosse, Fensterabstand und dergleichen beziehen. Neumanns Bemerkung, daß er „deren sachen daß jähr wohl 20—30 mache alles gratis" weist schon darauf hin, daß er sich mit der Dekoration im Einzelnen nicht befaßt hat. Dem prunkliebenden Köstner, dem Neumann den Riß — wie er sagt — nicht schön genug machen konnte, kam dann der Gedanke, sich von Tatz auch einen Entwurf machen zu lassen; nach Neumanns Entwurf wäre die Steinhauerarbeit auf 20 Reichsthaler gekommen, nach Tatzens auf 80. Es ist kein Zweifel, daß Köstner zur Schmückung des Hauses sich doch an den Entwurf von Tatz gehalten hat. Fensterrahmung, Brüstungsschmuck und die Betonung der Mittelachse durch Giebel und Bogen sind so bei Neumann ganz undenkbar. Während die Fensterrahmungen bei allen drei Häusern gleich sind in Anlehnung an Nr. 10, erinnert das Ornament von Nr. 12 noch ganz an die zwanziger Jahre; sehr fortschrittlich ist es am Haus Nr. 10; neben dem Entwurf hängt hier sehr viel von dem Können des beauftragten Handwerkers ab. Eine ins Einzelne gehende stilistische Analyse könnte leicht zeigen, daß die Schmuck- und Gliederungsformen nur dekorativ empfunden sind, ohne echtes architektonische Gefühl. Ganz unklar ist zum Beispiel die Bildung des im Erdgeschoß beginnenden Rustikarisalits über dem mittleren Bogen, der früher die T ü r enthielt; wo im Hauptgeschoß Platz bleibt, tritt die Rustika nicht wieder auf. Während hier die Fensterlisenen-Innenkanten der zweiten und fünften Achse tiefer als das Rustikaband des Mittelrisalits liegen, treten dann über den Fenstern des zweiten Stocks die Lisenen über das Band hervor. Es herrscht also keine Klarheit über die architektonische Schichtung; es unterlief ein Fehler, weil sie nicht von einem architektonisch Empfindenden durchdacht, sondern rein dekorativ verwendet worden war. Es ist ganz deutlich, zumal bei Erinnerung an die Lösung gleicher Aufgaben am Kapitelhaus und Spital in Bamberg, daß hier Neumann nicht gearbeitet hat. Das Haus Neubaustraße 10 ist bis jetzt das 78

einzige bekannte Werk des Leutnants Tatz. (Daß er nicht der Meister des Falkenhauses ist, konnte durch den Nachweis, daß dessen Dekoration erst 1751 entstand, eindeutig festgestellt werden 1 4 8 .) Unter der Oberleitung Neumanns entstand eine großartige Front von fünf ansehnlichen Bauten; ihnen gegenüber wurde zu Anfang der vierziger Jahre der Hof zum Rebstock renoviert und geschmückt' 4 7 . M a n erkennt jetzt die Bedeutung dieses Straßenbildes, das von Neubauturin und Festung überragt wird. Anwohner und Baukommission wirken zusammen, hier etwas besonderes zu schaffen. So tritt die Kommission 1737 auch an die Franziskaner heran, auf ihrem heute noch vorhandenen Gartengrundstück an der Neubaustraße nun zu bauen oder es an Baulustige abzugeben. Wenn man damit keinen Erfolg hatte und die einheitliche Bebauung nicht durchgeführt werden konnte, so genügt doch das Ausgeführte und die Kenntnis des Beabsichtigten, um hier eine der bemerkenswerten städtebaulichen Planungen des achtzehnten Jahrhunderts zu erkennen. 1736 war auf Neumanns Betreiben das Stephanstor am Ende der Straße gefallen. Im Zusammenhang mit den folgenden Erörterungen über die Anlage der Adolf-Hitler-Straße, die Zuschüttung der alten Gräben, wird Neumanns Absicht ganz deutlich: d i e S c h a f f u n g e i n e r m i t prächtigen Bauten geschmückten Ringstraße auf dem Grund d e r e r s t e n m i t t e l a l t e r l i c h e n B e f e s t i g u n g . So ist die Neubaustraße kein Einzelunternehmen, sondern, wie auch schon bei der Besprechung der Hofpromenade und der verschiedenen Projekte Neumanns zur Verbindung der beiden Straßen sich zeigte, nur ein T e i l einer großen städtebaulichen Idee.

DIE

ADOLF-HITLER-STRASSE

Ein städtebauliches Problem bildeten für Würzburg immer noch die mittelalterlichen Befestigungen, die den alten Stadtkern umschlossen und der Anlage großzügiger Straßen hinderlich waren. A u c h die hygienische Frage kam hinzu; in den Gräben sammelte sich Abflußwasser und die Versorgung mit fließendem Wasser vom Main her war nicht mehr in Ordnung. Neumann hatte sich in der Denkschrift von 1720 schon mit diesen Mißständen beschäftigt und damals eine Lösung vorgeschlagen, die, von der grundsätzlichen Erhaltung der alten Werke ausgehend, diese zeitgemäßen Forderungen anzupassen versuchte durch Anlage von beschatteten Wegen, Besetzung der Mauer mit Ballustraden und Statuen und Versorgung der Gräben mit fließendem Wasser. O b e n ist gezeigt worden, wieweit diese Vorschläge zur Durchführung gelangten. Wenn nun die Angelegenheit wieder aufgegriffen wird, so hat das seine Ursache hauptsächlich in dem nach Vollendung der Stadtseite der Residenz immer mehr empfundenen Mangel einer tatsächlich modernen repräsentativen Auffahrtstraße. Die Regulierung der Hofstraße und die Herrichtung der 79

Hofpromenade hatten im Rahmen des bis dahin Möglichen eine wesentliche Besserung gebracht, aber es fehlten noch die Straßen, die das neue Bauwerk, die neue Hofhaltung fest mit der Stadt verknüpfen konnten, die beide als eine Einheit erscheinen lassen würden. Denn die Residenz sollte nicht außerhalb des gesamten Organismus der Stadt ihr Dasein fristen, sie sollte die Beherrscherin des Stadtbildes sein, den Straßen Richtung und Ziel geben, Blickpunkt großer Häuserfluchten werden. Freilich, was der Markgraf von Baden in Karlsruhe und andere Städtegründer bei Neuanlagen aus dem Boden gestampft hatten — ein solch strenges System konnte man einer gewachsenen Stadt nicht aufzwingen. Bis jetzt führte nur die Hofstraße von der Residenz aus in die Stadt hinein, aber am Dom lief sie sich tot, eine Weiterführung zum Main war nicht möglich. Das neunzehnte Jahrhundert trug sich allerdings mit dem Gedanken, die Verbindung der Residenz über Hofstraße, Domstraße und Brücke mit der Festung durch Einreißen des Doms zu erzwingen. Es gab noch eine Möglichkeit, Stadt und Residenz näher aneinander zu bringen, und die war Friedrich K a r l entschlossen, mit Neumann in die T a t umzusetzen: Zuschüttung der alten Gräben und straßenmäßige Herrichtung der gewonnenen Flächen. Nachdem die in der Denkschrift von 1720 vorgeschlagenen Maßnahmen jetzt nicht mehr befriedigten, weil neue Bedürfnisse auftauchten, gibt Neumann den alten Plan auf. Als 1736 endlich das Stephanstor gefallen war, bestand auch die „ S p e r r e " zwischen der Neubaustraße und dem Weg von da an Gropshausen vorbei zur Residenz nicht mehr. Nun bot sich eine einzigartige städtebauliche Gelegenheit: durch Zuschütten der alten Gräben konnten die schmalen Wege zu einer großen Ringstraße um den Altstadtkern erweitert werden! Und die Residenz, durch den „ V o r b l a t z " vom allgemeinen Verkehr distanziert, erhält zwei großartige Auffahrtsstraßen, vom Süden die „Hofpromenade" und vom Nordwesten die Straße „ a u f dem Graben". Die außerordentliche Bedeutung der Tatsache, daß Neumann die uns heute naheliegend erscheinende Möglichkeit durch planmäßige Vorarbeiten über lange Zeit, beginnend mit dem Bauverbot am Stephanstor 1726, Wirklichkeit werden ließ, wird man erst ganz ermessen, wenn man bedenkt, d a ß d i e städtebauliche und verkehrstechnische Bedeutung dieses Straßenrings heute noch ungemindert fortbesteht. Die neugewonnenen Straßenflächen waren teilweise so groß, daß eine Bebauung möglich erschien. Dabei dachte man besonders an die Strecke vom Hatzfeldischen Eck am Residenzplatz bis zum Juliusspital. Eine hier entstehende Straße führte, streng genommen, wie die Neubaustraße, auch nur an der Peripherie des alten Stadtkerns entlang. Durch die Entwicklung der neueren Stadtteile um die Semmelstraße lag sie aber doch inmitten eines städtischen Verkehrsnetzes. Die vielen Fremden, die durchs Neutor die 80

Semmelstraße entlang in die Stadt hineinkamen, kreuzten die neue Straße, wenn sie zum Markt fuhren und da konnte der Blick, neuen Häuserfronten folgend, am Ende der Straße die Residenz aufragen sehen. Die nordöstliche Seite des „Grabens" war zwar durch das Bürgerspital und andere Bauten in ihrem Verlauf festgelegt und damit in der Hauptsache auch die südwestliche. Diese war aber noch gänzlich unbebaut, hier zogen Stadtmauer, Zwinger und Graben entlang. Durch dessen Einebnung konnte man soviel Platz gewinnen, daß die Bebauung der südwestlichen Seite nach einheitlichen Gesichtspunkten möglich wurde. Wenn die Straße 1 7 1 9 schon angelegt oder ausgebaut bestanden hätte, dann wäre eine Drehung der Residenz gegenüber dem alten Rennweger Schlößchen kaum erfolgt, dessen Achse zu dieser Straße senkrecht stand; die Bindung an die Stadt wäre einer Ausrichtung auf die Bastionen vorgezogen worden. Doch damals ging nur ein Grabenweg hier entlang und die günstige Situation war eine zufällige, durch einen am Schloß vorbeiführenden Weg bestimmt. Schon zu Beginn des Jahres 1737 werden Einzelheiten des Vorhabens erörtert; im Mai ist Neumann mit der Anlage eines Kanals im Graben beschäftigt, der mit dem beim Abbrechen der alten Mauern gewonnenen Material gebaut wird l49 . Diese große Anlage, die wegen des abfallenden Geländes eine Entwässerung von der Residenz zum Main ermöglichte, besteht heute noch. Mitte September 1737 tritt dann die Baukommission zu einer großen Sitzung zusammen, in der die Einzelheiten besprochen werden 150 . Auf Vorschlag von Geheimrat Fichtel wird ein Gutachten abgefaßt, das dem Bischof vorgelegt werden soll. Um Baulustige anzuregen, werden für Neubauten auf dem Graben die üblichen Freijahre gewährt. Unter Punkt fünf des Fichteischen Entwurfs zum Gutachten wird gesagt, ,,Es hätte der Obrist Lieutenant Neumann die Linien auszusteckhen, nach welcher die Häuser und zwar in einer Egalität auf 3 Stockwerckh nach der Architektur ohne aussezen, wie die proportion dem produzirten riß gemeß erfordert, bauen zu lassen". Ein Teil des Grabens, nämlich die Strecke vom Juliusspital zum Main soll unbebaut bleiben, weil sonst den Besitzern der Häuser auf dem inneren Graben das Licht genommen würde. Erst unter Adam Friedrich kommt man auf eine Ausgestaltung der Juliuspromenade zurück. U m das Bauprojekt bekannt zu machen, ist die Veröffentlichung durch einen gedruckten Erlaß geplant. Die sich Meldenden werden zur Hofkammer beschieden, „ u m nebst des Obrist Lieutenant Neumanns anweisung auch sonsten das nöthige mit selbigem Verabreden zu Können". Fichtel hatte sich neben den finanziellen Fragen auch schon mit dem Aussehen der Häuser befaßt. Er schlägt vor, sie durchgehend dreistöckig zu bauen, ohne Zwischenplätze oder zweigeschossige Bauten. Die Fassaden denkt er sich nach der Architektur, das heißt: den Säulenordnungen mit dorischen, jonischen und korinthischen Pilastern entsprechend gegliedert. 81

Nach diesem Fichteischen Vorschlag hätte die Straße noch ein durchaus barockes Gepräge bekommen. Die durchlaufende Front gleichhoher Häuser entsprach etwa dem ursprünglichen Plan Neumanns zur Bebauung der Kapuzinergasse. Daß Neumann einen Entwurf in der Art der Fichteischen Vorschläge angefertigt hatte, ist nicht anzunehmen. Da das neugewonnene Gelände hochstiftischer Besitz ist, kann der Hof frei darüber verfügen. Es eröffnet sich dadurch plötzlich die Möglichkeit, allerlei Korrekturen im Stadtbild vorzunehmen, wobei diese Plätze als Abfindung oder Entschädigung verwendet werden können. So wird die Sitzung der Baukommission vom 15. September 1737 zu einem der bedeutendsten Ereignisse in der jüngeren Baugeschichte Würzburgs. Nicht nur die Anlage der Adolf-Hitler-Straße wird beschlossen, sondern es werden auch die ersten Vorschläge zur Regulierung des Markts gemacht und eine Erweiterung der Dominikanergasse in Erwägung gezogen, wobei die jedesmal notwendig werdenden Enteignungen durch Baugrund auf dem Graben wieder gutgemacht werden sollen. Das von der Kommission gebilligte Gutachten liegt Anfang Oktober dem Fürsten vor, der von Werneck aus noch einmal darauf hinweist, daß nichts ohne Zuziehung Neumanns unternommen werden soll. Er soll die Baulinie angeben und einen Plan verfertigen, „welchem gemäß die Häuser nach ihrem äußerlichen ansehen sollen gebawet werden" 1 5 1 . Die Baukommission ist ebenfalls der Ansicht, daß die Architektur der neuen Grabenhäuser ,,durchgehents nach proportion beobachtet werde". Es sei dabei j a gleich, ob jemand ein größeres oder kleineres Haus wünsche, weil die Trennung von innen her vorgenommen würde. A m 27. Februar 1738 erscheint die gedruckte Bekanntmachung der Hofkammer, die öffentlich angeschlagen wird. In den ersten Sätzen heißt es, daß der Bischof sich aus landesväterliche Liebe und Sorgfalt entschlossen habe, zum Vorteil der Residenz und der Bürgerschaft, zur Beibehaltung gesunder Luft und aus mancherlei anderen Ursachen, den alten Stadtgraben überbauen zu lassen. Man darf in diesen Einleitungsworten mehr als eine Phrase sehen; die Briefe und Erlasse Friedrich Karls, die sich mit dem Stadtbauwesen beschäftigen, zeigen stets, wie sehr ihm daran lag, nützliche Neuerungen vorzunehmen, auf deren Gelingen er dann stolz war. Bemerkenswert ist noch die Angabe, der Kanal werde so stark gemauert, daß die neu erstehenden Häuser ihre Hauptmauer auf ihn setzen könnten. Von dieser Vergünstigung wurde allgemein Gebrauch gemacht. Es waren auf diese Weise kaum Erdbewegungsarbeiten nötig, denn der Graben wurde erst nach Aufführen der Kellermauern zugeschüttet. U m eine schnelle Durchführung des Gesamtprojekts zusichern, wurde bestimmt, daß der Bau innerhalb eines Jahres begonnen sein müsse, andernfalls der Platz wieder an die Herrschaft falle. Das J a h r 1738 geht noch hin mit Vorarbeiten, erst im Mai des folgenden 82

Jahres ist wieder von den neuen Häusern auf dem Graben die Rede. Friedrich K a r l bespricht sich in Bamberg mit Neumann über die Angelegenheit und in den „Resoluta a Celsissimo bei des Obrist-lieut. Newmann letzteren hiersein Bamb. 18. M a y 1739" hat Neumann dem Fürsten seine Ansichten vorgelegt, die dieser überprüft, mit Zusätzen versieht und mit der erwähnten Überschrift als Befehl nach Würzburg zurückgehen läßt. Neumanns Text mit den eigenhändigen Zufügungen Friedrich Karls (diese hier im Druck hervorgehoben) lautet: ,,auf den graben zu bauen können die Eck häußer auf trey stock gebauet werdten. vndt wie sichs etwan f ü r einen o d e r d e n anderen zu seiner gemechtlichkeit u n d p r o f e s s i o n schicket s o l l e auch wohl reguläre a r t h z w e y o d e r d r e i stock zu bawen erlaubet sein m a ß e n z u h o f f q u a r t i e r u n d a n d e r e f r e m d e n b e s t a n d d i e H ä u s e r d. n a h e u n d a n g e n e h m . Situation h a l b e r ihr v o r t h e i l sond. z w e i f e i f i n d e n w e r d e n , zumahl wenn selbe mit etlich pferd stall und stand sich v e r s e h e n , jedoch i s t a l l e s in der Höhe u n d s o n s t conform und sauber e i n e r d e m andern g l e i c h " . Das eine Eckhaus gegenüber der Semmelstraße soll dem Mundschenk Klimmer überlassen werden; ferner ist „ a h n den orth wo sichs bey den Julier Hospital wendet vndt der große thurn gestanden, Einer gassen Öffnung zu lassen in die woller gassen" 1 5 2 . Daß Neumann diese neue Bebauungsart von sich aus anregte, läßt auch seine Antwort vom 5. Juli erkennen, wo er schreibt: „die stattgraben Eintheilung habe bereiths de novo fertig vndt schicket sich gantz schön zu 3 stock vndt 2stock häußer und hoff, vndt alle in ihrer Ordnung und gleichheit". Hätte der Bischof diese „Eintheilung" gewünscht oder angeregt, so würde Neumann das zweifellos noch einmal zum Ausdruck gebracht haben, wie er es sonst in ähnlichen Fällen zu tun pflegte. D e r Plan dieser Einteilung Neumanns konnte festgestellt werden in den Plänen der Universitätsbibliothek (Del. II. 152/153), die aus Neumanns 41 Nachlaß stammen. Die beiden Blätter sind unbezeichnet und ohne Unterschrift, wie alle Entwürfe, die nicht vorgelegt wurden, sondern in seinem Besitz blieben. D a ß es sich bei diesen Blättern um Entwürfe für die Bebauung der heutigen Adolf-Hitler-Straße handelt, geht aus topographischen Einzelheiten als vollkommen sicher hervor. Der Z u g der einstigen Stadtmauer zeigt auf alten Stadtplänen den gleichen Verlauf für die nämliche Strecke, wie sie Neumann als rückwärtige Hofmauer der neuen Gebäude einträgt. A u f Blatt 152 ist der Eingang in die „Wöllergasse", den Friedrich K a r l erwähnte, ein untrüglicher Beweis. Die Flucht vom Residenzplatz bis zur Einmündung der Eichhornstraße umfaßt mit 77 Achsen über vierzehn zwei- und dreigeschossige Wohnungen (die Inneneinteilung noch nicht vollendet) in fünf dreistöckigen und drei zweistöckigen Häusern; es ist die Aufteilung, die Neumann in dem Schreiben an den Bischof erwähnt. Die Bauten beginnen, an den Hatzfeldischen Besitz anstoßend, mit einem dreigeschossigen Block.

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Diese betonten Teile der Straßenflucht sind durch straffe Gliederung ausgezeichnet. Die Fassade ist von rustizierten Lisenen eingefaßt, zwischen denen sich einfache Gesimse spannen; diese laufen über alle Teilbauten hinweg und betonen die architektonische Einheit der ganzen Anlage. Zwischen den Gesimsen sind die Fenster eingeordnet; durch die Sohlbank sind sie mit dem horizontalen Gliederungssystem fest verbunden, der in den Sturz eingesetzte Scheitelstein reckt sie empor. In der vierten und achten Achse sind die Türen eingelassen, und streng geachst sind auch die Gauben des Mansarddaches, das gewalmt zu denken ist. Auf diesen Bau folgt ein zweigeschossiges Zwischenglied, das die nämlichen Gliederungen aufweist. Zwei Tore sollen die Durchfahrt in die Höfe der benachbarten großen Häuser ermöglichen. Mit einem dreistöckigen Gebäude endet der erste Abschnitt der Flucht und so beginnt auch der neue jenseits der Eichhornstraße, der in 55 Achsen drei Hauptgebäude und zwei Zwischentrakte enthält. Die Gesamtlänge ist in zwölf Glieder zerlegt worden, sieben betonte und fünf Zwischenbauten; sieben Zwölftel umfaßt der eine Teil der Straße und fünf der andere. Wo sie durch die Eichhorngassc getrennt v/erden, stoßen zwei betonte Bauten aufeinander, in den rhythmischen Ablauf betonter und unbetonter Teile noch eine besondere Spannung einfügend, gleich der Zäsur eines Pentameters. Der wegen der großen Länge stark lagernde Charakter der Baumasse wird durch die betonten Bauten und deren rustizierte Eckbänder wirkungsvoll bekämpft; in diesem Sinne sind auch die Urnen auf dem Dach wichtig, die ungeachst am Ende des Firsts die vertikalisierenden Kräfte zusammenfassend noch einmal betonen und verklingen lassen. Das nördliche Eckhaus an der Eichhornstraße ist nicht auf rechteckigem Grundriß gebildet. Das hat seine Ursache in dem nicht vollkommen geraden Verlauf der neuen Straße. Sie war bestimmt durch schon stehende Bauten, wie Bürgerspital und Greiffenclauhof auf der östlichen Seite, die sich wieder nach dem Verlauf der alten Mauern gerichtet hatten. An dieser Gegebenheit korrigiert Neumann nur wenig, muß sie ihm doch sehr gelegen kommen. Die beiden Straßenhälften sind unter sich zwar genau gefluchtet, der Knick bei der Eichhorngasse jedoch bleibt: er gibt Neumann die Möglichkeit, die nur einseitige Bebauung der neuen Straße optisch — man möchte sagen — zu „verheimlichen"; denn während die östliche Seite den inneren Abschnitt des leicht gewinkelten Straßenbandes darstellt, stehen die neuen Häuser 44 auf dem äußeren Rand. Für den die Straße Begehenden, sei es von der Residenz oder vom Juliusspital her, hat das zur Folge, daß sich der Blick auf der Flucht der neuen Häuser fangt, deren Fassade jeweils jenseits des Knicks besonders deutlich wird, während auf der bürgerspitälischen Seite die Häuser aus demselben Grunde verschwinden. Friedrich Karl hatte in seinem Erlaß an Neumann vom Mai 1739 den 84

Mundschenken Klimmer erwähnt, der sich bereits 1738 um ein Haus beworben habe; ihm soll das erste Haus gegenüber der Semmelgasse zufallen, also jenes schon erwähnte an der Ecke der Eichhornstraße. Bald bewarben sich auch andere Hofbeamte, denen die Plätze südlich der Eichhornstraße angewiesen werden. Mit Hilfe der archivalischen Nachrichten konnten so noch drei andere Pläne (UBW. Del. II. 138/140) als zur Adolf-Hitler-Straße gehörig festgestellt werden. Der eine trägt die Bezeichnung „mund-Schencks haus-Riß". In Einzelheiten der Fassade zeigt er einige Änderungen, wie die ganz durchgeführte Einspannung der Fenster in Lisenen und eine leichte Ornamentierung seitlich des Schlußsteins. Eine wesentliche Neuerung ist der Fortfall des Rustikabandes, für das eine einfache Lisene erscheint, die oben mit Triglyphen in der Frieszone abschließt. Die beiden letzten Achsen vor der Ecke sind im Erdgeschoß in Arkaden umgewandelt, in der offenen Halle sollte ein Laden Platz finden. Der ganze Bau wirkt nun etwas leichter und eleganter. Die anderen Pläne zeigen die Bebauung gegenüber dem Bürgerspital; es 42, 43 geht das aus den Bleistiftsbeischriften „Hoffourier" und „Küchenschreiber Weiß" hervor, denen nach Ausweis der Akten 1741 diese Plätze angewiesen werden. Die Architektur ist die nämliche wie auf dem eben beschriebenen Plan, nur fehlen die Arkaden. Hier läßt sich die Wirkung der neuen Lisenen wieder feststellen. Sie ermöglichen vor allem eine schönere Eckbildung. In der ersten Planung brechen die Ecken der großen Häuser hart um; die Lisenen, über die die Horizontalgurte hinwegführen, sind dagegen von der Ecke zurückgesetzt und zwischen ihnen vollzieht sich der Ausgleich der rechtwinklig aufeinanderstoßenden Straßenfronten in leichter Rundung. Das Rokoko liebt die harten Kanten nicht, ebenso wenig auch die große ungegliederte Baumasse, die das Barock kennzeichnete. Die Aufteilung in zwei- und dreistöckige Häuser gibt die von der Zeit gewünschte rhythmische Auflockerung gegenüber der barocken Reihung und die Eckrundung weckt das Gefühl für die plastische Form des Baukörpers, der nicht nur Fassade ist, sondern als Grenze des umbauten Raumes empfunden werden will. Der Zwischenbau erscheint zwölfachsig ohne Tordurchfahrten; hier mußte sich wegen der Lisenen eine Schwierigkeit im dritten Stock der großen Gebäude ergeben, weil in den unteren Geschossen das niedere Gebäude anschließt, die Rundung aber nicht erst im dritten begonnen werden kann. Der Plan zeigt die Lisene hart auf die Ecke gesetzt. Die Bebauung der neuen Straße machte trotz aller Vergünstigungen doch nicht die Fortschritte, die man sich erhofft haben mochte. Als erstes Haus entstand das des Mundschenken Klimmer 1 6 3 am Eingang zur Eichhornstraße, das in der Ausführung dem Plan (Del. I I , 139) entspricht, nur sind die Lisenen ohne Triglyphenschmuck geblieben. Das Erdgeschoß ist, wie auch bei den Nachbarhäusern, leider modern verändert 85

und durch Reklamen entstellt, so daß die Einfachheit und Vornehmheit der ursprünglichen Formen nur in den Obergeschossen noch wahrgenommen werden kann. A u c h die Dachwirkung ist durch ausgebaute Fenster entstellt. Die Fenster zeigen ein einfaches, gut durchgebildetes Profil; die Schlußsteine liegen schräg im Sturz, um nachher vertikal hochgebrochen zu werden; dadurch und durch die rasche Folge der Fenster erhält die ganze Gliederung einen stark betonten Akzent. Neumann hat gleichzeitig auf die Gestaltung der Eichhornstraße Bedacht 45 genommen: das Mundschenkenhaus schließt sich in der Höhe genau dem Nachbarbau zur Oberthürgasse, der nach Neumanns Angaben 1728 entstand, an. Dieses Gebäude ist durch moderne Aufstockung erhöht worden und stört nun auf das Unangenehmste die einstmals schöne Flucht gleichhoher Häuser, von denen das dritte der 1738 von Neumann begonnene Hof Rohmbach ist, dem der im 18. Jahrhundert entsprechend „modernisierte" ehem. Gasthof zum Kleebaum folgt. Z u Beginn des Jahres 1741 wenden sich der Hoffourier Glaser und der Küchenamtsadjunkt Weis mit der Bitte an den Bischof, auf dem Platz gegenüber dem Bürgerspital bauen zu dürfen. Ihre Namen finden sich auf dem oben besprochenen Plan Del. II. 140 unter den beiden Wohnungen des ersten zweistöckigen Hauses südlich der Eichhornstraße. Anfang 1742 reicht dann der Spezereihändler Weigand einen R i ß bei der Baukommission ein, 46 nach welchem er das „ E c k am Spitaltor gegen die Residenz", also die südliche Ecke Eichhornstraße-Adolf Hitler-Straße bebauen will. Die Kommission findet an dem Entwurf nichts auszusetzen, da er der gegenüberstehenden Mundschenkenwohnung gleiche. Es müssen dann in diesen Jahren von Neumann Planveränderungen derart vorgenommen worden sein, daß man auf die zweistöckigen Häuser verzichtete, offenbar weil, wie sich aus einigen Bemerkungen schließen läßt, der Hofplatz für die Bewohner der großen Häuser nicht ausreichte. Der Weigandsche Bau ist erst 1745 begonnen worden, wo es Differenzen wegen des Bauplatzes gibt. Die K o m mission erklärt dabei über die Verantwortung für von ihr unterschriebene Pläne, daß sich „dieselbe nur auf die Eußerlige gleichheith und Zierde, keineswegs aber auf das Innere g e b ä u " erstrecke. Im November 1745 reicht Maurermeister Michel Glönnerlein für den Hofkammerrat Apfelbach einen „ v o n H. obrist Neumann vermög seiner Eigenen Hand unterschrieft Verfertigten r i ß " ein, nach dem er anschließend an den Hatzfeldischen Garten gegenüber dem Greiffenclauschen Roten 47 Bau ein Haus bauen wolle. Er bittet, die Baukommission möge ihn „inmittels gewöhnliger Unterschrift begnehmigen". Kanzleidiener Fischer trägt ihn bei den Mitgliedern der Kommission herum, die nichts einzuwenden haben. So entsteht die südliche Hälfte des Blocks südlich der Einmündung der heutigen Maxstraße in die Adolf-Hitler-Straße. 86

Zu Beginn des Jahres 1748 beginnt Hofrat Prof. Sündermahler die andere Hälfte des Blocks als seine Wohnung aufzuführen, die wohl bis 1750 vollendet gewesen sein wird. Auch hier am südlichen Ende der Straße hat man mit einem großen Bau begonnen und scheint dann auch die Zwischenbauten schon aufgegeben zu haben, erhält doch Sündermahler von der Kommission die Weisung, anstatt der sonst üblichen Giebelmauer ein Walmdach anzubringen. Das Gebäude zeigt sich heute noch in seinem ursprünglichen Bestand, nur sind durch unsachgemäßes Verputzen die Fensterlisenen zu sehr in die Mauerfläche zurückgetreten, so daß die Fassade allzu flach und energielos gegliedert erscheint. Die Details entsprechen denen des Mundschenkenhauses; der Fensterabstand ist etwas größer. Im Sündermahlerschen Haus ist die Durchfahrt eingegliedert, derentwegen das Haus zur Wahrung der Symmetrie um eine Achse vergrößert wird. Es zeigt die von den anderen Häusern Neumanns her geläufigen Formen. Da der neue Baugrund zur freien Verfügung des Bischofs oder der Hofkammer stand, hatte sich Friedrich Karl schon 1739 grundsätzlich den einen oder anderen Platz für den Hof vorbehalten. Wenn auch kein Gebrauch davon gemacht wurde, so verschenkte der Bischof doch einen Platz an eine ihm nahestehende Stiftung. Das adelige Damenstift zu St. Anna erhielt durch Schenkungsbrief vom 30. Oktober 1743 1 5 4 einen Platz auf dem Graben für den Bau eines neuen Stiftshauses zugewiesen. Die Stiftsdamen, deren Äbtissin die Gräfin Eva Theresia von Schönborn, eine Nichte des Bischofs war, hatten in einem Bittgesuch schon einen Riß beigelegt, über den sich leider nichts näheres feststellen läßt. 1747 zeigt der Hofkanzler in der Baukommission dann einen Riß über den zu beginnenden Bau vor; es wird sich vielleicht um einen neu angefertigten handeln, der Neumann nicht mehr zum Urheber haben muß. Durch Beihilfen und Stiftungen, zu denen auch das Domkapitel 1000 fl. gibt, wird der Bau aufgeführt. 1750 ist er noch nicht vollendet; in Prozeßakten wird der Hofmaurermeister Zengerlein erwähnt, der den Bau ,,zu führen hat" 1 6 5 . Eine unter den Säkularisationsakten des Stiftes befindliche Zeichnung des 48 kurfürstlichen Geometers Beerwein 156 zeigt uns das Aussehen der Anlage im J a h r e 1803. Auffällig ist die Dachgliederung, die heute nicht mehr festzustellen ist; man könnte zweifeln, ob sie überhaupt j e so vorhanden war, doch spricht dagegen wieder die Genauigkeit Beerweins. Auf einem Bildnis der Äbtissin im Historischen Verein ist das Gebäude sogar mit einem Giebel über dem Mittelrisalit dargestellt. Eine Fassade von zwanzig Achsen ist nach dem Prinzip gleichzeitiger Schloßanlagen in mehrere Pavillons, Flügel und Risalite aufgeteilt, die in den Geschossen durch Lisenen und in der Dachregion durch eigene Verdachungen hervorgehoben sind. Die Einzelformen der Bauzier, die 87

Rundohren der Fenster, die Aufhängung der Fenster des Obergeschosses sind Neumann fremd, und einer seiner Mitarbeiter, die in der Ingelheimschen Zeit selbständiger wurden, vielleicht der Hauptmann Fischer, wird als Planfertiger anzusehen sein. Wenn das Stift die sonst übliche Typisierung der Neubauten des „Grabens" durchbricht, so ist das in der Absicht geschehen, durch die gesonderte Gestaltung Würde und Ansehen der Stiftung zu betonen. Ein Beweis architektonischer Ehrlichkeit, Bürgerhäuser nicht als Palais zu maskieren und Stiftsgebäude nicht des Schemas wegen als Reihenbürgerhäuser aufzuführen. Die Inneneinrichtung des Damenstifts fiel dem Umbau des frühen 19. Jahrhunderts zum Opfer. Die Gebäude gingen in den Besitz des Grafen Soden über, der dort ein „National-Theater, sodann ein gewiß der Stadt zur Ehre gereichendes CafTée Noble Casino und öffentlichen Garten" errichtete 157 . Im Treppenhaus hat sich noch ein Rokokotreppengeländer erhalten. Durch allerlei kleinere Veränderungen an der Fassade und Zufügung einer Achse anschließend an die alte Kapelle wird der alte Eindruck gestört. Inzwischen war auch der Ausbau des Blocks nördlich der Eichhornstraße fortgeschritten, neben dem Mundschenken hatte Hofmaurermeister Zengerlein sich ein Haus gebaut 1 5 8 ; es zeigt über den Fensterstürzen schon die neue Form der Schlußsteine, wie Neumann sie zuerst am Hof Rohmbach verwandte. Das Dach hat noch die alte Gaubenteilung bewahrt. Das nächstfolgende Gebäude erbaute 1746 der Hofbildhauer Lucas Auwera, der seines und die anderen Häuser mit den herrlichen Portalen schmückte. Im Mai 1753 hatte Hofkammerrat Seidner um Erlaubnis nachgesucht, neben Auwera bauen zu dürfen und beantragt, ihm entsprechend den Anlagen am oberen Teil der Straße, auch ein Gartenstück zu überlassen. Neumann läßt den restlichen Platz bis zur „Wöllergasse" genau aufnehmen und entwirft dann einen Plan, wieviel Häuser dort noch Platz finden sollen. Im Oktober 1753, zwei Monate nach Neumanns Tod, wird die Aufteilung des restlichen Bauplatzes noch einmal erörtert. Die Baukommission wird sich nicht einig — zum erstenmal seit ihrem Bestehen, denn nun fehlt jenes Mitglied, dessen Meinung sonst entschied. Soweit sich feststellen läßt, hat man sich dann an die Neumannsche Aufteilung gehalten. Anschließend an Seidners Haus und Garten wünscht Stadtrat Renson 1754 einen großen Garten einzurichten. Er wird von der Kommission entschieden abgewiesen, denn es sei die Meinung des Bischofs und auch seines Vorgängers gewesen, daß auf diesen Plätzen Häuser gebaut werden sollten, „keineswegs aber gärten allein zur deformität des von H. HofCammerrath Apfelbach Bau an bis auf diese Linien ziehenden platz anlegen zu lassen, massen ansonsten dieser platz schon längstens mit gärten angeleget worden wäre". 88

So baut auf diesem Platz dann der Landgerichtskonsulent Hemmerlein, der ebenfalls ein Gartenstück zugewiesen bekommt, sein Haus ist im Mai 1755 fertig. Den anstoßenden Platz übernimmt der Kleebaumwirt und kaiserliche Reichsposthalter Bürck, der von 1760 an baut und das Schlußstück erhält 1764 der Hofkonditor Amenday. Diese letzten Häuser sind heute durch Neubauten ersetzt; ihr ursprüngliches Aussehen entsprach den noch bestehenden ersten Gebäuden dieser letzten Baugruppe. So war in der Mitte der sechziger Jahre die neue Straße ausgebaut. Festsetzung der Baulinie, Aussehen des Haustyps und Baugruppen hatte Neumann bestimmt und deshalb darf diese Straße uneingeschränkt sein Werk genannt werden, selbst wenn Einzelheiten am Damenstift nicht seine Hand verraten oder einiges erst nach seinem Tode entstand. Die Auflockerung der Baumassen ist in der Ausführung noch stärker geworden, als er ursprünglich beabsichtigt hatte. Anstatt der zweistöckigen Zwischenhäuser erheben sich nun Gartenmauern, deren oberer Abschluß das untere Gesimsband der Häuser ist; auch der Sockelstreifen ist durchlaufend gebildet, so daß diese Mauern im festen architektonischen Verband stehen und die ihnen zufallende Aufgabe der Weiterführung des Blicks gänzlich erfüllen. Bei der Zuteilung des Gartens an Hemmerlein im Mai 1754. wird hervorgehoben, daß durch diese Anordnung eine Gleichförmigkeit zwischen den „oberen und unteren Gebäuen" herauskomme, „wann zumahlen die Maueren, welche die Höfe und Gärten schließen, ein wenig ausgezieret werden, wie solches bereits Verabredet". Daraus muß geschlossen werden, daß am oberen Teil der Straße schon Abschlußmauern vorhanden waren. Und wir finden solche tatsächlich auf zwei alten Ansichten dargestellt. Die eine ist das oben schon erwähnte Blatt Beerweins, das andere eine Zeichnung Dön- 48 fingers aus dem Jahre 1841. Bei Beerwein sieht man anschließend an das Damenstift nach beiden Seiten Mauern aufgeführt, wie sie nach rechts hin heute noch, durch den Theateranbau um eine Achse verkürzt, stehen. (Das rechte anschließende Haus, dem das des Hoffouriers folgte, befand sich auch im Besitz des Stifts.) Links an das Stift schloß der Stiftsgarten an, den ebenfalls eine Mauer abschloß; an ihrer Stelle mündet heute die Maxstraße in die Adolf Hitler-Straße. Dönfingers Bild zeigt das alte Hatzfeldische Anwesen und darauffolgend in der neuen Straße bis zum ersten Häuserblock eine mit Statuen besetzte Gartenmauer — als Fortführung des Neumannschen Vorschlags von 1720 für die Schmückung der Zwingermauer; den plastischen Schmuck fertigte J . P. Wagner 169 . So läßt sich das Aussehen der Straße, wie es von Neumann beabsichtigt und angegeben war, eindeutig bestimmen: vom Residenzplatz her zunächst eine geschmückte Mauer, ein bürgerlicher Häuserblock, die erste Damenstiftsmauer, das Stift, die zweite Stiftsmauer, der zweite bürgerliche Bau89

block, die Eichhornstraße, der dritte Wohnhausblock, ein Abschnitt Gartenmauer und schließlich der letzte Hausblock zur „Wöllergasse", heute Oberthürgasse. Es ist nur zu bedauern, daß dieser alte Zustand nicht vollkommen erhalten blieb. Gerade die Lockerung schematisierter, gleichgemachter Straßenfluchten zu einer gleichförmigen lebendigen Bauanlage läßt diese Straße als eine der schönsten und am meisten deutschen Profanbauschöpfungen des achtzehnten Jahrhunderts erscheinen. Die Häuser sind nicht nur Fassade, denn über die Gartenmauern hinweg erblickt man die Seite des Gebäudes; die Straßenzeile ist keine Kulissenwand, sondern eine Folge lebendiger, im R a u m stehender Bauorganismen, die das Mittel architektonischer Gliederung vereint. So hat es für den die Straße entlang Schreitenden durchaus nichts „Peinliches", wenn jeweils über den Zwischenmauern die Schmalseite des folgenden Hauses sichtbar wird, die hier nicht ein Stück vernachlässigter Rückseite ist. Wunderbar ist das Ebenmaß, in dem diese „Architekturlandschaft" gestaltet ist. Gleich ist die Abfolge schön geschweifter Mansarddächer und der L a u f gleichhoher Gesimse, aber wieviel Leben bringt die wechselnde Einzelform und der gekrümmte Lauf! Was Neumann aus dem nur einseitig zu bebauenden, nicht einmal gerade verlaufenden Weg mit Graben und Zwingermauer machte, galt später als schönste und vornehmste Straße Würzburgs.

DAS

BÜRGERLICHE

WOHN- UND GESCHÄFTSHAUS:

HOF

ROHMBACH

Die Jahre 1737 und 1738, die für die städtebauliche Geschichte Würzburgs von so großer Bedeutung waren, weil Neumann wieder seine Arbeitskraft auf Würzburg konzentrieren konnte, zeigen den Meister in rastloser Tätigkeit. Neben Planungen für die neue Straße auf dem Graben und die Erweiterung des Marktes treten bürgerliche Privatbauten, die deutlich zeigen, daß Neumann dem Höhepunkt seines Schaffens entgegengeht. 4g

In diesen Jahren entstand der Hof „ R o h m b a c h " , einer der schönsten bürgerlichen Höfe Würzburgs überhaupt. Er wurde seither meist für Neumann in Anspruch genommen, wenn auch ein Beleg dafür nicht vorhanden war. Das Haus ist eines der wenigen bürgerlichen Gebäude, für das die Bauurkunden so gut wie vollzählig erhalten sind. Durch freundliches Entgegenkommen war es möglich, sie einer genauen Durchsicht zu unterziehen. Die Unmenge erhaltener Baukontrakte und Lieferungsverträge ergibt ein interessantes Bild über die Umstände des bürgerlichen Bauwesens und die Schar selbst bei solchen Bauten beschäftigter Künstler und Handwerker. Sie ist aber auch ein lehrreiches Beispiel für die Tatsache, daß der eigentliche Architekt oft gar nicht bekannt wird, weil ihn keine Urkunde 90

nennt. So entstehen leicht Zuschreibungen an Baumeister, die eigentlich nur Bauführer sind. Gleiches könnte man auch in diesem Fall annehmen, wo der Bauherr Carl Anton Venino, Spezereihändler und Hoflieferant, alle auf den Bau bezüglichen Urkunden mit großer Sorgfalt gesammelt hat, denn in offenbar keinem Schriftstück wird Neumann oder ein planfertigender Architekt mit irgend einem Wort erwähnt, obwohl ein vorliegender Riß, nach dem die Arbeit gemacht werden soll, öfter genannt wird. Nur der Akkord mit der Steinhauerswitwe Ickelsheimer verrät endlich den wahren Sachverhalt: sie verpflichtet sich, alle Arbeiten so auszuführen, „gleich wie der rizß Von /:/: H: obrist Läiudenant Näü-Mann Vor geschrieben undt gezeigneth". Damit ist dieses schöne Bürgerhaus auch urkundlich für Neumann gesichert. Wenn unter den verschiedenen Ausgaben für den Bau und den Grundstückskauf keinerlei Entschädigung für Neumann erscheint, wird vielleicht eine Vergütung durch Warenlieferung anzunehmen sein, zumal Venino und Neumann offenbar befreundet waren, denn Neumann schlägt ihn 1741 dem Bischof zur Wahl in den Oberrat als besonders geeignet vor. Carl Anton Venino kauft 1737 von den neumünsterischen Kanonikern Elias Adam Papius und Zirckel mit dem Meister Sebastian Rödel das Anwesen aus der Faberischen Erbschaft. Doch wird ihm die Teilung bald leid und er sucht die Rödelschen Rechte an sich zu bringen; auch die Baukommission ist der Ansicht, daß der Platz nicht in zwei Teilen, sondern entsprechend dem eingereichten Riß zu einer Wohnung verbaut werden soll. Rödel, der ,,zu seiner besseren begreifiung" einige Tage Bedenkzeit erhält, besteht auf seinen Rechten. Venino hat zur Erweiterung der Wöllergasse schon etwas Boden hergegeben und will noch mehr einrücken, wenn ihm beide Anteile zugesprochen werden. So geschieht es dann auch und im J u n i 1738 wird der Kontrakt mit Maurermeister Mathes Kolb geschlossen. Der Rohbau kommt schon im Winter desselben Jahres unter Dach, während die innere Ausstattung sich noch bis 1740 hinzieht. Das Haus schließt sich in der Höhe dem Mundschenkenhaus der AdolfHitler-Straße und dem vorhergehenden in der Eichhornstraße an der Ecke der „Wöllergasse", das unter Neumanns Leitung 1729 entstanden war, an. Der A u f b a u ist dreigeschossig mit Mansarddach. Das rustizierte Erdgeschoß enthält die Geschäftsräume Veninos und die Toreinfahrt, deren Bogen gegen die beiderseitigen Arkaden leicht überhöht ist. Der Schlußstein greift über die Profilierung und verkröpft sich im Gesims; durch diesen kleinen Akzent wird das Sockelgeschoß mit der Gliederung der Obergeschosse verbunden. Die Schlußsteine der Arkaden tragen die Jahreszahl 1738. Die Fenster der beiden Obergeschosse sitzen frei von vertikaler Bindung auf der Mauerfläche, doch ihre rasche Abfolge und das nahe Anstoßen der seitlichen Rustikabänder lassen den Gedanken des „Schwimmens" gar nicht 9i

aufkommen. Das Profil der R a h m e n , die leichte O h r e n h a b e n , ist von der für N e u m a n n typischen Einfachheit und lebendigen K r a f t . I m lebhaften Gegensatz dazu stehen die glatten Flächen der oben gerundeten Scheitelsteine, die hier zum erstenmal jene Form zeigen, die N e u m a n n dann für die Häuser des „ G r a b e n s " u n d den M a r k t b a u beibehält. Der Sinn des Fensterscheitelsteins ist ein anderer geworden; gegenüber dem reichverzierten Rahmenakzent der früheren J a h r z e h n t e steht hier die spiegelglatte Fläche im Gegensatz zu dem rundlich schwellenden Rahmenproiii. Die seitliche Schrägung u n d die obere R u n d u n g sind als feine Vertikalisierungstendenzen zu werten. D a sämtliche Steinhauerarbeiten „ n a c h dem R i ß " vergeben werden, m u ß dieser das O r n a m e n t schon gezeigt haben, das N e u m a n n wohl in den allgemeinen Formen angab. Auffallig ist es, wie hier das O r n a m e n t in der K o n t u r zwar als echtes Rokoko erscheint, im einzelnen aber noch stark an Bandelwerk erinnert. Die Lambrequins sind in beiden Geschossen noch fest umrissene Dekorationsteile, während die Bekrönungen schon wesentlich freier gestaltet sind. Reiche Kurvierungen sitzen unmittelbar auf der Mauerfläche, das O r n a m e n t ist im Begriff, aus der Mauerwand herauszuwachsen. Die senkrechte Gliederung geschieht durch Rustikabänder, die sich im Kranzund Sockelgesims verkröpfen, während das Gurtgesims unter ihnen durchläuft. Sie sind von der Ecke zurückgesetzt u n d lassen hier die plastische R u n d u n g des Mauerkörpers hervortreten. Ebenso klar wie die Gliederung des Äußeren ist die Grundrißaufteilung des Hofes. Das Erdgeschoß dient ganz den geschäftlichen Zwecken; unter den einst offen zu denkenden Arkaden spielt sich der Ladenverkehr ab; Hinterstuben dienen der Büroarbeit. Links in der Mitte der Durchfahrt steigt die T r e p p e hinauf. In beiden Geschossen findet sich ein geräumiger Flur, der sein reichliches Licht von der Hofseite her erhält, u n d von ihm aus geschieht der Zutritt zu den einzelnen Zimmern, die an den Straßenfronten nach Süden u n d Osten liegen. Die Fenster tragen noch die alte Sprossenteilung und zum Teil noch alte Verglasung. Das größere Gesellschaftszimmer zu drei m a l drei Fensterachsen liegt im zweiten Obergeschoß. Die Zimmerdecke trägt Stuckaturen, die vielleicht von einem Verwandten des Bauherrn herrühren. N e u m a n n h a t im Hof R o h m b a c h das Ideal des vornehmen bürgerlichen Kaufmannshauses, m a n möchte fast sagen — „Patrizierhauses" — geschaffen in der Fortentwicklung jenes Typs, den zu Anfang des J a h r h u n d e r t s das Rauolinohaus in Bamberg herausgebildet hatte. Die klare, übersichtliche Innendisposition, die keine Wünsche offen läßt, ist ebenso bemerkenswert, wie die zurückhaltende Vornehmheit in der äußeren Erscheinung des Baus, die hier den Architekten auf der H ö h e seines Schaffens zeigt. Aus der großen Gesinnung des Baumeisters u n d des Bauherrn ist hier ein Ebenbild nobler Charaktere entstanden. Als Bau des Hochadels steht diesem schönsten 92

Bürgerhaus der auch von Neumann entworfene Hof Marmelstein zur Seite; beider Gegenstück ist das Haus zum Falken, das kleinbürgerliche „Schmuckkästchen"-haus. Es stellt den Prunk der Ausstattung, den andere für die Innenräume aufsparen, um in der Zurückgezogenheit oder selbstgewählter Geselligkeit sich daran zu freuen, aufdringlich zur Schau. Die besondere Bedeutung des Venino-Broilischen Hauses liegt darin, daß Neumann nicht nur den Zweckforderungen, die an einen solchen, Geschäft und Wohnung zusammenfassenden, repräsentativen Bürgerbau gestellt wurden, vollkommen Genüge leistet, sondern daß er die Gesamtheit der Aufgaben auch nach außen hin in vollendeter Form zum Ausdruck bringt. Beides zusammen ist erst eine wirkliche künstlerische Leistung.

DAS K A U F H A U S A M

MARKT

Die Regulierung des Marktplatzes, die auf der großen Kommissionssitzung im September 1737 beschlossen wurde, war schon zur Zeit des Johann Philipp Franz erörtert worden; der Bischof hatte dort 1723 einige Häuser abbrechen lassen wollen 1 6 0 . Jetzt ging man wirklich daran, „die Erweitherung des dahiesigen irregulairen Marckhs Vorzunehmen, um auch den Vorhabenden röhren brunnen in rechter Ordnung sezen lassen zu können". Die Verwirklichung dieses Gedankens war bisher an der Abfindungsfrage gescheitert. Doch boten jetzt die neuen Bauplätze auf dem „ G r a b e n " eine günstige Gelegenheit. Friedrich Carl, der die Protokolle aller K a m m e r n und K o m missionen selbst durchsah und sich auch in die Sommerresidenzen nachschicken ließ, hat auf dem Rand des Sitzungsprotokolls vermerkt, daß er bei einem Neubau, wie man ihn im Auge habe, wegen der Kosten keine Bedenken habe, doch müsse ihm ein ordentliches Projekt und ein ordentlicher R i ß vorgelegt werden. A u c h mit der vorgeschlagenen Aptierung des Himmelspfortener Hofs und der Löwenapotheke zum Markt ist der Bischof einverstanden, doch wird dieser Plan wieder fallen gelassen. Im Januar 1738 heißt es dann noch einmal, daß Neumann R i ß und Projekt vorlegen möge. A n Stelle der abgebrochenen Häuser soll ein neues großes Gebäude errichtet werden, dessen Ausführung Neumann übernehmen will, wenn ihm K a p i t a l zu 3 % zur V e r f ü g u n g gestellt wird. Doch scheint die Geldbeschaffung noch Schwierigkeiten gemacht zu haben, denn erst im März 1739 1 6 1 heißt es, daß Neumann den Marktplatz kürzlich grundrißmäßig aufgenommen habe. Bei dieser Gelegenheit teilt Fichtel in einem größeren, historisch fundierten Bericht mit, daß man schon 1690 und früher an die Regulierung gedacht habe, doch sei nie etwas daraus geworden, weil jeder den besten Platz haben und nach seiner „ c a p r i c e " bauen wollte. Das w a r jetzt seit dem Bestehen der Baukommission allerdings nicht mehr zu befürchten. Jedes aufzukaufende Haus soll bar bezahlt werden, der Neubau

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aber auf Herrschaftskosten errichtet werden. Neumann will ihn in acht Wohnungen aufteilen, zu denen im Erdgeschoß auch acht Geschäfte eingerichtet werden sollen; dabei ist mit etwa 40000 fl. Kosten zu rechnen. Die erwähnte Aufnahme des Marktplatzes hat sich in der Skizze erhalten 50 (UBW. Del. II. 141). Sie zeigt den Platz zwischen der Schustergasse und dem Dietricherspital mit einer Menge kleiner Häuser ausgefüllt. Diese „Irregularität" mußte man allerdings schwer empfinden in einer Zeit, die ihren Stolz auf regelmäßige Platzanlagen setzte; j a , an diesem repräsentativen Platz der Stadt wird man den Zustand als geradezu beschämend empfunden haben, wenn man bereit war, solche Mittel zur Neugestaltung aufzuwenden. Über die kleinen Häuser hat Neumann seinen Neubau in wenigen Linien schon skizziert; die Seitenflächen werden nach den begrenzenden Platzwänden parallel ausgerichtet. Die Südwand des Platzes erhält einen geraden Abschluß, und die nach rechts anschließende Wand wird mit dem Neubau in eine Fluchtlinie gebracht, wobei an dem bestehenden Block alter Häuser abgeschnitten und hinzugefügt wird. Die Neuerungen sind mit Rötel kenntlich gemacht; um aber Einzelheiten noch besser zu zeigen, hat Neumann seinen Bau und die folgende Platzwand noch einmal unten auf dem Blatt herausgezeichnet. Den von Petrini geschaffenen Abschlüssen durch das 51 Dietricher Spital und sein eigenes Wohnhaus und dem nördlichen Abschluß durch die Marienkapelle fügt sich die regulierte vierte Platzwand ein und es entsteht eine ziemlich regelmäßige Freianlage, die von ansehnlichen Bauten umgrenzt wird. Doch Neumann dachte noch weiter; der Zeichner mußte noch auf einem zweiten Blatt die Situation bis zur Neumünsterkirche aufnehmen; ihre Flucht erscheint links ganz roh angedeutet und gegenüberliegend die kleinen Häuser des Kürschnerhofs. Hier will Neumann einen Durchbruch machen, die neue Straße durch ein Eckhaus betonen und damit die zukünftige Fluchtlinie festsetzen. Der Blick auf die Kirche vom Neubau aus ist damit eröffnet, und dementsprechend werden die Häuser auf den gegenüber dem Neubau liegenden Straßenseiten reguliert; selbst beim Eckhaus seines Schwiegervaters, Hofrat Schild, schneidet Neumann das vorragende Eck unbarmherzig ab und ergänzt das Stehende zur regelmäßigen Form. Aus diesem Vorhaben ist leider nichts geworden und den Durchbruch zum Neumünster hat erst das ausgehende 19. Jahrhundert vorgenommen. Wenige Tage nach Fertigstellung des Planes durch Neumann wenden sich Hofrat Fichtel und der Senior Schild an den Bischof mit einer Denkschrift 162 wegen „besserer Einrichtung des in Einer sehr ohnförmlichen unordnung und fast schendliger gestalt stehenden hiesigen Marek Platzes". Diese Worte zeigen mit aller Deutlichkeit, warum der Platz in seinem derzeitigen Bestand eine Unmöglichkeit schien: „ohniorxnliche unordnung" verträgt dieses Jahrhundert am allerwenigsten. Die Angelegenheit sei im 94

letzten J a h r e verschoben worden, um sich mit den Hausbesitzern erst einigen zu können; auch „NeumansRiß" sei nun fertig, und zwar „der riß Von denen neuen gebauhen und von dem gantzen Marek, wie Selbiger zu großer zierd und gemächlichkeit der Stadt zu gesicht kommen wird". Wie sich in den alten Jahrbüchern finde, habe die Bürgerschaft schon vor 300 Jahren um Änderung gebeten und es werde den R u h m des Fürsten ausmachen, wenn dieser Wunsch unter seiner Regierung in Erfüllung gehe. Friedrich Carl sagt der Kommission von Bamberg aus seine Anerkennung für die geschickten Vorschläge, die sich mit den Einzelheiten der Abfindung beschäftigt hatten 163 . Wegen Art, Form und Austeilung habe er Fichtel und Neumann bei deren letzter Anwesenheit in Bamberg das Nötige erklärt. Hier wird wieder das große persönliche Interesse des Fürsten für die Baukunst sichtbar, der durchaus imstande war, sich mit seinem Architekten über die letzten Einzelheiten fachmännisch zu unterhalten. Mitte Mai ist Neumann wieder in Bamberg und zum Monatsende schickt der Bischof noch eine Resolution über diese Tage nach Würzburg 164 , worin es heißt, daß der übrige Platz, d. h. der frei werdende südlichste Teil mit einem „bequemen h a n d l u n g h a u ß bebauet vndteingetheilet werdtensolle". Den künftigen Besitzern und vornehmlich denen, die ihre alten Häuser mit einer Wohnung im Neubau vertauschen, sollen die Risse vorgelegt werden, damit ihnen ersichtlich ist, wo sie ihre neue Wohnung oder die Läden erhalten. Die Gasse rund um das Haus herum soll in einer „resonablen Weite" eingerichtet werden. Von solchen in mehreren Exemplaren angefertigten Stockwerkrissen haben sich in der Universitätsbibliothek noch einige erhalten. Dem Bischof ist vor allem um eine Zufriedenstellung der Besitzer zu tun, die sich teilweise heftig gegen Enteignungsabsichten wehren. Fichtel, der sich auch hier wieder an allen Arbeiten beteiligt und Gutachten ausarbeitet, berichtet Neumann in dessen Abwesenheit über eine der Kommissionssitzungen, in der sich der Bürger Senfft über Erwarten „selzam und wiedrig" aufführte. Er gehörte zu denen, die ihr Haus dem Neubau preisgeben mußten und er „hat nicht allein an dem newen baw schier alles mit großen und sehr freyen ausstellungen getadlet, alß daß Er ohne schew gesagt, Es könne kein Ehrlicher mann selbigen bewohnen, und er müste alleß inwendige wiederumb zusammen schmeißen und newbauwen, sondern E r hat nach vielen reden und zusprechen zum Schluß ganz Platt Erklähret, daß Ihme sein Hauß nicht umb gelt feyl seye" 1 6 5 . Es scheint, daß man von Seiten der Kommission hier und da zu großen Eifer an den Tag legte, denn der Fürst sieht sich bald darauf veranlaßt, seine Kommissare zur Achtung der „Billigkeit" und „rechtlichen Rücksicht" zu ermahnen. Die leidigen Auseinandersetzungen ziehen sich noch lange hin und führen zu vielen Prozessen und Klagen. Im Sommer 173g werden schon die Fundamente für den Neubau gegraben, 95

während die alten Baulichkeiten, soweit sie nicht weichen müssen, stehen bleiben sollen, bis das neue Haus bewohnbar ist. Im Februar 1741 wird das Dachwerk aufgeschlagen und gedeckt; „hat von jedermann approbation", fügt Neumann dem Bericht an den Bischof in bezug auf den Bau hinzu 166 . Die Kommission schlägt nun vor, weil der Bau unter Dach ist und nur noch die Ladengewölbe zu machen sind, den gesamten übrigen Innenausbau den künftigen Käufern zu überlassen „nach ihrer willkühr außer die fenster und laden Thüren welche damit der bau auswendig in eine gleichheith komme, angewiesen" werden sollen. Diese Maßnahme, die bautechnisch recht interessant ist, bezweckte vor allem Geldersparnis. Doch äußert sich der Fürst dahin, daß der schlüsselfertige Ausbau vorzuziehen sei in Anbetracht vielleicht noch beim Verkauf auftretender Schwierigkeiten. Der Verkauf der neuen Wohnungen zieht sich bis 1745 hin und schließlich führt Neumann sich noch als provisorischen Käufer in der Abrechnung auf, um endlich zu einem Ende zu kommen. Denn die Finanzierung war der wunde Punkt des ganzen Unternehmens. Zur Beisteuer hatte Friedrich Karl Stiftungen herangezogen. Man hatte gehofft, durch den Verkauf der neuen Wohnungen reichlich Geld einzunehmen, indes waren schon die Abfindungssummen so hoch, daß sich ein ansehnlicher Fehlbetrag nicht vermeiden ließ. Die schwierige Abrechnung, die Neumann auch zu führen hatte, machte viel Verdruß und am Schluß ergab sich, daß der Erlös aus den neuen Wohnungen die Baukosten gut deckte, die Abfindungen aber aus den geliehenen Geldern bestritten werden mußten. Der Neubau war auf 26246 fl. gekommen, der Verlust mußte mit 30367 fl. gebucht werden 167 . Friedrich Karl war darüber recht ungehalten und schrieb, die Verantwortung falle denen zu, die ihn zu diesem Unternehmen veranlaßt hätten. Doch der Marktplatz hatte nun sein würdiges Aussehen erhalten, und das war schon ein Opfer wert! In der schon öfter erwähnten Plansammlung der Universitätsbibliothek finden sich auch einige Aufrisse für das „handlung hauß", wie Friedrich Carl 52 es nannte, Kaufhaus würde man heute dafür sagen. Ein Blatt (Del. I I , 147) zeigt neben drei Grundrißaufteilungen zwei verschiedene Fassadenentwürfe. Der Plan dürfte im Frühjahr 1739 im Anschluß an die Platzaufnahme entstanden sein und von Neumann dem Bischof zur Begutachtung und Auswahl vorgelegt worden sein. Es ist beidemal ein rechteckiger Bau mit Lichthof vorgesehen. Der eine Entwurf zeigt über dem in Arkaden aufgelösten Erdgeschoß drei unter sich gleiche Wohngeschosse und darüber das Mansarddach. Die Fensterbrüstungen sind mit einfachen Feldern geziert und auf die nämliche Art ist auch das Erdgeschoß geschmückt. Der zweite Entwurf zeigt ein Wohngeschoß weniger und ist ohne Zierglieder in den einfachsten Formen gehalten. In beiden Entwürfen ist nachträglich das Bischofswappen eingefügt, das aus diesem Grunde keinen rechten harmonischen Platz findet. 96

Die Ausführung entspricht dem Plan Del. I I . 146. Dieses schöne große 53 Blatt ist mit peinlicher Sorgfalt ausgeführt, sehr sauber gezeichnet und getuscht. Die Ausdehnung der Marktfassade ist durch die Notwendigkeit, beiderseits genügend breite Straßen zu lassen, bestimmt. Das Erdgeschoß ist in sechs große Arkaden aufgelöst, zwischen die ein 54 besonders gegliederter Mittelteil geschoben ist. Neumann ging auf eine streng durchgeführte vertikale Entsprechung aus, der die Notwendigkeit, das Hauptportal größer als die Arkade gestalten zu müssen, entgegenstand. Er löst die Schwierigkeit sehr geschickt durch Einfügen von kleineren Restachsen im Erdgeschoß, welche einmal die sonst unvermeidlich gewesene Leere neben dem Portal ausfüllen, zum anderen aber — zusammen mit dem großen Bogen — sich gegen die zu dreien gereihten Arkaden absetzen sollen. So erhält die sonst in der gleichmäßigen Ruhe ihrer Proportionen lagernde Fassade einen belebenden Akzent, einen Unterton gewissermaßen, der sich fast nur auf das Sockelgeschoß beschränkt. Zur Rechten und Linken des großen Tores sind Türen mit vertikalem Sturz und rechteckigem Oberlicht unter dem durchlaufenden Gesimsband eingeordnet, das den Korbbogen des Portales umläuft. Die Vierpaßfensterchen über den Türen bilden in ihrer sonst am Bau nicht wieder erscheinenden Form einen feinen typischen Akzent. Einen ersten, nicht geglückten Versuch zeigt der Vorentwurf zum Marktbau (UBW. Del. I I . 147); die Schlußsteine aller Erdgeschoßbögen 52 sollen unter denen der Obergeschosse liegen und darum müssen zwei Arkadenöffnungen zusammengedrückt werden, nämlich die dritte und siebente. Die Anordnung wird den Architekten kaum befriedigt haben; erst die Lösung des Ausführungsentwurfs gibt die erwünschte Eleganz und Leichtigkeit. Dieses kräftig rhythmisierte Erdgeschoß hat keinerlei eingedrückte oder gequälte Formen, in selbstverständlicher Weise gibt es dem ganzen Gebäude einen charakteristischen Zug. Die Kraftlinien des Sockelgeschosses werden zur Mitte hin gezogen, wo die Schmalachsen, synkopenhaft forcierend, sie in dem großen Bogen sammeln, aus dessen Schlußstein eine befreiende Kartusche aufblüht; sie reckt sich zur Sohlbankhöhe des Obergeschosses auf und läßt die gesammelte Energie ausströmen. In den Einzelheiten der Fensterdekoration zeigen sich kleine Unterschiede zwischen dem Entwurf und der Ausführung. Die Schlußsteine bringen die am Hof Rohmbach zuerst erprobte Kurvierung des oberen Abschlusses. Die über und unter den Öffnungen angebrachten ornamentalen Formen lockern die starre Rechteckform der Fenster auf, die nicht als ein künstlicher Einbruch, sondern als ein Gewächs der Mauerfläche selbst erscheinen. Die im zweiten Obergeschoß noch erhaltene alte Sprossenteilung zeigt deutlich die Bedeutung, die das 18. Jahrhundert dem Fenster als einer erleichterten Form der kontinuierlichen Mauermasse zuwies. Die nicht vollkommen plane 97

Oberfläche des alten Glases bewirkt in den einzelnen Feldern stets eine leichte Spiegelung nach außen und verhindert, daß die Öffnungen als lichtzehrende schwarz gähnende Höhlen erscheinen; wie wenig die moderne Fensterteilung dem damaligen Sinn entspricht, zeigen die rechten Fenster des ersten Obergeschosses. Die alten Dachgauben haben sich nicht mehr vollzählig erhalten. Sie waren streng, der Gliederung entsprechend, verteilt, im unteren Dachgeschoß auf die ungeraden, im oberen auf die geraden Achsen. Die modernen Öffnungen belasten das Dach optisch allzu stark und beanspruchen eine Aufmerksamkeit, die den kleinen winklig verdachten Gauben nicht zugedacht war. 53 Der Aufbau der Fassade wird durch pilasterartige Lisenen zusammengehalten, die auf einem im Erdgeschoß rustizierten Stuhl ruhen und in Kolossalform die Hauptgeschosse zusammenfassen. Doch sind die lagernden Kräfte so stark, daß das Gurtgesims verkröpfend über sie hinwegläuft. Der Durchschnitt auf Plan 146 und die Grundrisse auf Plan 147 zeigen die innere Aufteilung dieses ersten bewußt und folgerichtig als Mehrfamilienwohnhaus eingerichteten Baues. Das Vorhaben stellte bedeutende Anforderungen an die Fähigkeiten des Baumeisters, nämlich Läden und Wohnungen für über ein halbes Dutzend Parteien zu schaffen. Neumann erfüllt sie in geradezu bewundernswerter Weise. Jeder Partner der neuen Wohngemeinschaft erhält im Erdgeschoß seine Verkaufsräume unter den Arkaden und einen Lagerraum im Zwischengeschoß, das vom Oberteil der Bögen gebildet wird. Die Wohnungen des Hauptgeschosses sind vollkommen von einander getrennt und haben jede ihre eigene Treppenanlage durch alle Geschosse, wobei die Wiedervermietung eines Geschosses ohne Schwierigkeiten möglich war. Der Zwang zur Raumersparnis bringt es natürlich mit sich, daß die vielen Treppenhäuser nicht mehr Platz zugewiesen bekommen, als eben nötig ist. Jede einzelne Wohnung ist geschickt in die nötigen Räumlichkeiten aufgeteilt. Ein Lichthof im Innern der rechteckigen Bauanlage sorgt für die Beleuchtung der Stiegen und Vorplätze. Neumann schuf mit diesem Gebäude ein Werk von größter Bedeutung für Würzburg. In seiner äußeren Erscheinung gibt es dem Marktplatz als ein Block von ruhig-vornehmer Proportion seinen Abschluß, nach dem sich andere Bauten ausrichten. Das Hoheitswappen des Fürstbischofs Friedrich Karl betont das Verdienst des Bauherrn, der hier um des Ansehens und Aussehens seiner Stadt willen beträchtliche Opfer brachte. Neumanns Werk zeigt ein Eingehen auf die Erfordernisse des zeitgemäßen städtischen Lebens. Keine Mietkaserne, kein Warenhaus, aber auch kein Kulissenbau, der hinter großer Außenform etwa die vielfältige Kleinheit der inneren Aufteilung verbergen möchte, sondern die dem Geist des achtzehnten Jahrhunderts gemäße Lösung einer Zeitforderung —• Zusammenfassung von K a u f h a u s und Mehrfamilienwohnhaus — ist hier entstanden. Im Erdgeschoß eine Zu98

sammenfassung von Geschäften des Einzelhandels, die ein V i e l e r l e i

von

Besorgungen ohne ermüdende W e g e ermöglichen soll, in den Obergeschossen die W o h n r ä u m e der Geschäftsinhaber; alles in einem B a u zusammengefaßt aus G r ü n d e n der städtischen Repräsentation und der Z w e c k m ä ß i g k e i t .

Für

die Bewohner besteht kein Z w a n g , n a c h gleichem S c h e m a leben z u müssen, sondern verschieden g r o ß e W o h n u n g e n , deren j e d e in sich selbständig und abgeschlossen ist und leicht unterteilt werden kann, stehen ihnen zur V e r fügung.

Für die neuen Hausbesitzer bedeutet das w o h l einen V e r z i c h t auf

das besondere Gesicht des eigenen Hauses; d a f ü r ist ihnen praktisches, gemeinschaftliches Wohnen u n d A u s ü b e n des Gewerbes in einem G e b ä u d e ermöglicht, das städtischer Repräsentation ebenso dient, wie es v o m fortschrittlichen Geist des Landesherrn zeugen soll. eine entsprechende

Form

Für alle diese Notwendigkeiten

gefunden z u haben, ist das

uneingeschränkte

Verdienst Neumanns, dessen B e g a b u n g hier in ganz neuem Lichte erscheint; das G a n z e nicht eine rein organisatorische,

sondern in erster Linie auch

künstlerische A u f g a b e .

ANDERE

GEBÄUDE

D a s Veninosche Haus und der M a r k t b a u wirkten anregend auf eine Reihe von Fassaden der Folgezeit.

1736 hatte ein W ü r z b u r g e r Meister den Entwurf

für das Engmannsche 1 8 8 H a u s gemacht, im selben J a h r e w a r auch die Fassade in der Neubaustraße 10 geschmückt worden.

Beide haften noch sehr im

V e r g a n g e n e n . Neurnann gibt dann, als er die Profanbautätigkeit in W ü r z b u r g wieder aufnimmt, im H o f R o h m b a c h ein V o r b i l d für das reiche Haus der nächsten zwanzig Jahre.

Es entstehen bald die ornamentierten

Quader-

fassaden der Domstraße, m i t A u s n a h m e des Engmannschen Hauses, die bis 1742 schon vollendet sind 1 6 9 .

1756/57 entsteht das Haus des Spezereihändlers

H a r t m a n n , Domstraße 16, a m E i n g a n g in die Augustinergasse, gegenüber der Schmalseite des Hirschen 1 7 0 .

Bauführer ist hier Markus R ö d e r .

baut sich Assessor Englert das Haus Karmelitergasse 2 8 m ,

1755

das in seinen

ornamentalen Formen sehr rückständig erscheint, und erst 1758 errichtet Bäckermeister Betschlin das gasse 1 7 2 .

schöne H a u s

a m Spiegelplatz

Ecke Spiegel-

A l l e diese Häuser, z u m T e i l erst nach Neumanns T o d entstanden,

sind v o m Veninoschen H a u s und d e m K a u f h a u s a m M a r k t angeregt.

Da

aber N e u m a n n niemals in V e r b i n d u n g m i t diesen G e b ä u d e n genannt wird, deren Risse einfach von der K o m m i s s i o n approbiert werden und den Hauptreiz dieser architektonisch einfachen G e b ä u d e die Fenstersturz- und Bankverzierungen ausmachen, d. h. bildhauerische Leistungen von wechselnder Q u a l i t ä t und Sorgfalt, so genügt es hier, die festgestellten Entstehungszeiten anzuführen, die allerdings mit der stilistischen Entwicklung durchaus nicht überein gehen, weil eben verschiedene Meister a m W e r k sind.

In diesem

99

Zusammenhang sei noch das ganz unneumannische Haus zum Falken angeführt, dessen reiche Stuckornamentierung allgemein auf 1735—1738 gesetzt wurde; sie konnte, wie schon erwähnt, einwandfrei für 1751 festgestellt werden 1 4 7 . 55

U m die Mitte der vierziger J a h r e entsteht ein zweifellos Neumann zuzuweisendes Haus in der Burkarderstraße (Nr. 22): die Fensterprofile, die umgebrochenen Schlußsteine und die Eckrundung weisen deutlich darauf hin. Die drei Geschosse sind mit Lisenen zusammengefaßt, über die zwei Gurtbänder verkröpfend hinweglaufen. Die stillen klaren Formen geben dem Gebäude in diesem kleinen Format — die Einzelheiten sind auch selbst verkleinert — einen echt bürgerlichen, gesunden Charakter. Bemerkenswert ist das Portal: ein Torbogen, der von zwei noch nicht schräg stehenden Pilastern mit Gebälkstücken flankiert wird. Ein Gesimsstück, von dem man fast annehmen möchte, daß es ursprünglich einmal in gleicher Höhe mit den Pilastergesimsen sich befand, ist durch eine aufschwappende Energiewelle, deren Weg gewissermaßen auf dem mit hochgerissenen Torgrund sich eingezeichnet hat, emporgestoßen worden. Das Gurtgesims wurde von dieser Kraft gesprengt und weit über ihm sitzt nun leicht gekurvt ein Gesimsstück, auf dem dann eine Madonna mit Kind Platz gefunden hat; die zugehörigen Engelputten stehen auf den Pilastergesimsen. Das Ganze bildet auf dem Grund des hübschen Hauses eine Erscheinung von feinem Reiz.

56

Eine Weiterbildung dieses Portals ist das des Oeggschen Hauses in der Kapuzinergasse. Ein Entwurf zu diesem Haus befindet sich unter den Plänen der Universitätsbibliothek; ein Beweis also, daß Neumann mit diesem Bau des Hofschlossers irgendwie zu tun hatte. Das Blatt ist, wie Einzelheiten, so die Innendisposition und die Geschoßteilung zeigen, in Neumanns Kreis entstanden, keinesfalls aber von Neumann selbst entworfen. Die ganz unarchitektonische Bildung des Torbogens sowie die unorganische Anordnung einer Dachgaube in ihm nicht geläufigen Formen zeigt das. Der Riß ist Neumann aber offenbar vorgelegt worden und er hat ändernd eingegriffen, ohne dann im einzelnen die Ausführung zu überwachen. In der Gesamterscheinung hat das Haus alle jene Vorteile, die Neumannschen Bauten eigen sind, klare einleuchtende Gliederung und gleicher A.ufbau; die eckig aufeinanderstoßenden Lisenen aber verwendet er in dieser Zeit nicht mehr. Typisch für den Beginn der fünfziger J a h r e ist das immer zunehmende Anschwellen der Rahmenprofile, wie es bei den ersten Bauten unter Friedrich K a r l in Würzburg schon eingesetzt hatte. Es treten jetzt wieder Viertelstäbe und Wülste auf. Solcher Einzelheiten wegen gehörte auch das sonst zurückgebliebene Englertsche Haus in der Karmelitengasse in diese Zeit; besonders kräftig sind die Profile am Hartmannschen Haus, Domstraße 16. Die Fensterschlußsteine des Oeggschen Hauses sind gänzlich ins Dekorative abgewandelt, ihre Bedeutung vollkommen ins Atektonische verkehrt. Das Portal, das sich, 100

weil vielleicht alte Fundamente verwendet wurden, nicht in der Mittelachse befindet, zeigt anstatt der unschönen Bildung auf dem Entwurf nun mit leichten Abwandlungen die nämlichen Formen wie jenes in der Burkarderstraße. In die aufsteigenden Kurven des Torgrundes ist noch ein Wellenschlag gekommen, die Pilaster sind, um ein seitliches Betrachten des Vorübergehenden zu fördern, seitlich gestellt. Pilasterkapitäl und Schlußstein sind von Ornamenten überwuchert. Die ganz ins Dekorative abgewandelte Weiterbildung der ursprünglichen Form zeigen die Auweraportale in der Adolf-Hitler-Straße. A m 18. Mai 1753 erhält der Hofschlosser O e g g zehn Freijahre, weil er drei „uralte G e b ä u " teuer gekauft und neu und dauerhaft gebaut habe 1 7 3 . Das rechts anschließende Haus zeigt den einfachen T y p , das „ M o d e l l " , der vierziger und fünfziger Jahre. Im Anschluß an Neumanns Zeit entstand, unmittelbar aus seiner Schule hervorgegangen, das schöne Haus Semmelstraße 15. Es kennzeichnet die letzte Stufe der ornamentlosen Rokokofassade. Der Kulminationspunkt, der vom „ A u f w ä r t s " aufruht, aber auch schon auf das „Absteigen", die beginnende Verfestigung der Form, blickt, ist erreicht.

SAKRISTEI

UND O R N A T K A M M E R AM

DOM

K u r z e Zeit nach der Thronbesteigung Ingelheims, der alle Schönbomanhänger entließ, wendet Neumann sich mit der Bitte, wieder als Bauinspektor angestellt zu werden, an das Domkapitel. 1728 hatte er nach der Erbauung des Dietricher Spitals diese Stelle erhalten und sie bis 1745 innegehabt. Mit einem Fuder Wein und acht Maltern K o r n wird er im Februar 1747 wieder in Dienst genommen. 1748 regt man im Kapitel an, den allzuhohen Chor der Domkirche, „ w o schon Priester samt denen Kelchen die viele Treppen hinuntergefallen seynd", niedriger zu legen. Neumann wird aufgefordert, einen R i ß anzufertigen 1 7 4 . Johann Philipp Franz hatte schon 1723 die gleiche Absicht, weil der bestehende Chor unförmlich sei und der Gottesdienst schlecht verfolgt werden könne; er hatte sogar schon einen R i ß anfertigen lassen 175 . Der im Februar 1749 von Neumann vorgelegte Entwurf wird genehmigt und der Bischof soll nun um einen Zuschuß gebeten werden. Anselm Franz ist aber „nicht gesinnet, das mindeste . . . . Beyzuschießen", weil durch solche Arbeiten das Chorgewölbe Schaden leiden, und insbesondere die Türme gefährdet würden. Wenn das Kapitel einen U m b a u beschlossen habe, möge man sehen, daß nicht der ganze Dom zugrunde gerichtet werde. I m übrigen wisse er wohl, „ d a ß der Obrist Neumann gerne Baue, und große Kosten darmit mache". Das Kapitel bekommt doch einen kleinen Schrecken und Erthal und Zobel wünschen, daß im Protokoll ausdrücklich vermerkt werde, sie hätten durchaus nicht für einen U m b a u gestimmt. Neumann wird gerufen, der sich verpflichtet, die Änderungen auf seine Gefahr zu übernehmen und 101

der dafür stehen will, „wobey es sein bewenden behaltet". Gleichzeitig taucht nun der Gedanke auf, die alten Choranbauten, Sakristei und Ornatkammer, neu aufzuführen. Für das neue Chorgestühl soll Neumann ebenfalls Risse und Modelle anfertigen. Im Juni 1749 fragt Neumann beim Kapitel an, ,,Ob bey Erbauung der Sacristey und ornat-gewölben das äußerliche ansehen, wie der rieß . . . zeiget, wo die lessinen Von quatern, der zwischenplatz auch folgends Von quatern und haustein solle gemacht werden", was nicht mehr koste, aber besser aussehe. Das Kapitel wünscht sie „in Conformität der Kirchen" eingerichtet, das heißt mit Verputzflächen zwischen den Hausteingliederungen. 58

Neumanns Grundriß zeigt noch die alten gotischen Anbauten; die neuen, die mit roter Tusche eingetragen sind, sollen fast doppelt so groß werden. Die Außenwand stößt nun, anstatt auf die Turmuntergeschosse, auf die Nebenapsiden auf. Eigenartigerweise ist am linken Anbau auf die Eckrundung eine Lisene gesetzt, doch ist rechts schon die ausgeführte Art mit Blei skizziert. Die Neumannschen Bauten schmiegen sich der alten reichgegliederten Chor57 partie innig an. Ein in üblicher Weise hochgeführtes Dach hätte dem Chor zu viel Licht geraubt und die kleinen Sakristeien allzusehr betont. Neumann läßt es bis an die Verdachung der Nebenapsiden heranreichen und formt ein Satteldach, das durch die im Innern der Räume eingesetzten Säulen gestützt wird. Die straffe Vertikalgliederung durch stark vortretende Lisenen, der fast kein Horizontalakzent — nicht einmal ein Sockel — antwortet, dient wieder der Charakterisierung des „dienenden" Baus (wie im Abschnitt üder das Kapitelhaus gesagt wurde), der sich einem anderen unterordnet und allein so nicht bestehen könnte. Die Langseiten haben vier, die Schmalseiten zwei stichbogig geschlossene Fenster und darunter gleichartige Halbfenster, die unmittelbar auf dem Boden aufsitzen, so daß sie allmählich herauswachsend erscheinen. Die Entselbständigung wird zu einem „optischen Auftrieb", der sich der ganzen riesigen Baumasse und ihrem in den Türmen gekrönten Höhenzug harmonisch eingliedert. Die Gefahr, daß ein kleiner, verhältnismäßig breiter Anbau von der Energie des Hauptbaus zehrt, ist glänzend vermieden. Auf den klar gegliederten Wänden der Sakristei und Ornatkammer entfaltet sich ein großformiges Widerspiel von Licht und Schatten, das für einen alleinstehenden Bau von diesen verhältnismäßig kleinen Ausmaßen unmöglich wäre, hier aber Sinn und Beziehung hat. Für die Gesamterscheinung des Paradeplatzes sind Neumanns Bauten von allergrößter Bedeutung. Der — vom Platz aus gesehen — linke Choranbau reicht soweit in den Platz, daß eine von der Ecke des Kapitelhauses zum Chorschluß gezogene Gerade seine Eckrundung berührt, das heißt, die äußersten Punkte von Kapitelhaus, Ornatkammer und Chor liegen auf einer Geraden. In der Verlängerung dieser Geraden stand früher eine geschnittene Linde. Diese durch verschiedene Punkte markierte Linie ist sehr wichtig, weil sie 102

parallel zur gegenüberliegenden Platzwand verläuft. Die stark zerklüftete westliche Seite wird durch sie optisch reguliert und der Platz erhält ein geschlossenes monumentales Gepräge steinerner Landschaft. Nur eine Zeit, die für solche Formungen gar kein Verständnis aufbrachte, konnte auf den Gedanken kommen, den Platz vierseitig mit Bäumen zu bepflanzen. Es war die nämliche Zeit, die den Königsplatz in München •— entgegen der Absicht seiner Schöpfer — begrünte, die auch den Stiftsplatz in Ellwangen mit einem dichten Baumring bepflanzte. Bäume sollen architektonische Formen unterstreichen und auch ergänzen, wie es auf dem Paradeplatz früher die Linde tat, an deren Stelle heute wieder drei kleine Bäume gesetzt sind und die überkommene Aufgabe erfüllen; nie aber darf die Verlandschaftlichung architektonischer Freiräume so weit gehen, daß durch eine Laubwand die einzelnen Baukörper von der Zusammenwirkung ausgeschlossen werden, wie es bis zur Wiederfreilegung auf dem Paradeplatz der Fall war. Den südlichen Ausgang des Paradeplatzes bildet die Domerschulgasse; wer in sie hineinschreitet, hat als Blickpunkt das Portal des Hofes Marmelstein vor Augen, der Neumanns letzter großer Profanbau in Würzburg wurde.

DER D O M H E R R N H O F

MARMELSTEIN

Der Dompropst von Würzburg und Dechant von Bamberg, Franz Conrad Graf von Stadion beabsichtigte 1747 den N e u b a u seines Würzburger Hofes an der Ecke der Domerschul- und Plattnersgasse, der in seinem damaligen Bestand ein unregelmäßiger Bau älterer Zeit war. Das Bild, das man sich von dem Bauherrn aus seiner nur kurzen Regierungszeit als Fürstbischof von Bamberg machen kann, vornehm und sparsam, entspricht durchaus der Erscheinung des Neubaus — der damit auch Neumanns architektonische Gesinnung am reinsten bezeugt. Die städtebauliche Aufgabe ist in diesem Falle eine doppelte: Einpassung 61 in die U m g e b u n g und Repräsentation. Die Domerschulgasse ist die Straße der alten Domherrenhöfe, wie sie dort heute noch erhalten sind. Nebenan liegt der Hof Oettingen, gegenüber Hof Seebach und Heideck; wie leicht konnte der geschlossene Eindruck der Gasse durch einen Neubau zerstört werden! Die alten Höfe, einst überhaupt ohne Fenster zur Straße, waren immer noch sehr zurückhaltend in der Fassade und hatten alte niedrige Geschosse; hier sollte Neumann einen Neubau errichten, der den Anforderungen des achtzehnten Jahrhunderts entsprach. Bei Betrachtung des Ausgeführten wird m a n die überaus geschickte städtebauliche Lösung anerkennen müssen, j a man darf vielleicht sogar etwas wie ein unbewußtes denkmalpflegerisches Empfinden voraussetzen. Was bei Neumann hier lebendig ist, ist ein — erst der Spätzeit so ausgeprägt eigenes — Feingefühl für die architektonische Umgebung. Der Anschluß an die alten Höfe und damit die Ein103

fügung in das Gesamtbild und den Charakter der Straße ist vollkommen geglückt, ohne daß deswegen die Zeitforderungen, die ein solcher Bau erfüllen mußte, vernachlässigt sind. (Das eine ohne das andere wäre eigentlich keine künstlerische Leistung gewesen.) Und nun die zweite Aufgabe: Repräsentation. Sie ist nicht abhängig von der Pracht des Auftretens, sondern eigentlich nur von der Haltung. Dieser allgemeine Satz gilt auch für die Architektur. Hier ist ein Vergleich mit Greising sehr lehrreich; er verwendet am Rückermainhof den ganzen Formenapparat antikisierender Gliederungen, wobei die Entwertung der architektonischen Einzelform bereits so weit geht, daß er jede Einzelheit doppelt verwendet; gebrochene Umrahmungen, ornamentierte Brüstungen treten hinzu, ein überhöhter Portalrisalit: alles wird aufgeboten, um Ansehen und Reichtum des Ritterstiftes St. Burckhard ins rechte Licht zu setzen; was er erreicht, ist Pose, aber keine Haltung. Und was macht Neumann, als es gilt, für den höchsten Würdenträger zweier Domkapitel eine würdige Wohnung zu schaffen? Kein Giebel, kein Pilaster, nicht einmal Fensterlisenen tauchen auf, alles ist so einfach wie nur möglich gehalten — und doch wird jeder dem Bau anmerken, daß er etwas Besonderes bedeutet; er verkörpert eine Form, die ohne die entsprechende Gesinnung nicht denkbar ist, er hat Haltung. Die Baupläne haben sich in der Universitätsbibliothek erhalten (Del. II. 126—137). Einer ist signiert: „Bai. Neumann, Obrister. 13. Febr. 1747." Plan 126 zeigt den Grundriß der großen um einen Hof gruppierten Dreiflügelanlage. Dem sauber gezeichneten und getuschten Blatt ist die Beschriftung in Blei beigefügt. Zwischen der Fassade zur Domerschulgasse und dem Maßstabstrich hat Neumann noch die Situation des alten Gebäudes vermerkt, um die Änderungen deutlich zu machen. Danach verlief die alte Mauer in der Richtung des heute umgebrochenen Teils bis vor das Portal, machte dort einen Knick und endete hinter der heutigen Mauer an der Ecke der Plattnergasse. Der links hinwegfallende Teil trägt die Bemerkung hinzugefügt, daß das Punktierte zur Erweiterung der Straße vom Hof wegfalle, der rechte, daß er dem Hof hinzugefügt werde. So ist zunächst eine gerade Mauerflucht hergestellt. Die weiteren Pläne zeigen, daß die endgültige Gestaltung mancherlei Überlegungen veranlaßt hat; die schließlich gefundene Lösung trat erst nach mehreren Versuchen zutage. Der Hauptunterschied läßt sich 59, 60 an Blatt 133 und 134 zeigen; neben dem bedeutsamen Verzicht auf das Mansarddach ist besonders die Achsenaufteilung und Fassadengliederung bemerkenswert, die durch den in der Situation gegebenen Umbruch erschwert wurde. Repräsentation ist gebunden an Symmetrie, im festlichen Aufzug sowohl wie in der architektonischen Erscheinung. Einer symmetrischen Aufteilung stand hier der Knick am linken Flügel des Gebäudes entgegen, der den An104

Schluß an den Hof Oettingen vermittelte. Neumann versucht deshalb, was sich ohne weiteres nicht erreichen ließ, durch einen Gewaltstreich zu erzwingen; er besiegt die zufällige Gegebenheit des Ortes durch die Mittel architektonischer Gliederung; das heißt: rechts des Portales, das in seiner Lage festgelegt und bestimmt war als Blickpunkt für den vom Paradeplatz kommenden Beschauer, folgen fünf Fensterachsen und eine Lisene. Nun liegt aber die fünfte Achse links schon jenseits des Knicks. Hier wird einfach eine Lisene eingezogen, auf der rechten Seite entsprechend, und gegen diese architektonische Bedingtheit vermag der zufällige Umbruch nicht aufzukommen. Durch die über ihn hinweggehende Gliederung wird er totgeschwiegen, er ist optisch einfach nicht mehr vorhanden; erst jenseits der Lisene wird man seiner gewahr. Der Grundrißplan zeigt gegenüber dieser Teilung 2 | 5 • Portal • 5 | im Erdgeschoß noch 3 | 4 • Portal • 5 | und ebenso auch Plan 133, während 134 darin der Ausführung entspricht. Eine andere Schwierigkeit bildete die Einordnung des Portals, des einzig reicher betonten Gebildes am ganzen Bau. Es ist nicht nur Akzent der Fassade, sondern ebensosehr Blickfang für den vom Paradeplatz Kommenden, dem es vom Ordinariatsbau rechts und Hof Heideck links gerahmt erscheint. Diese Anordnung wird das Ergebnis einer bewußten Überlegung Neumanns sein, und eben weil das Portal hier seinen Platz haben mußte, ergaben sich die Schwierigkeiten der Vertikalgliederung. Dem sonst auf der Fassade festlaufenden Auge bietet sich ein bemerkenswerter Blickpunkt; ihm folgt man, bis dann die Schrägwirkung den Blick unbemerkt in die Tiefe der Gasse weiterführt. Das Portal erscheint auf den Plänen durchweg in der wagerechten Erstreckung unter zwei Fensterachsen eingegliedert, und zwar so, daß deren äußere Lisenenkante mit jener des Torgrundes zusammenfällt. Dadurch ist ihm ein Teil seiner Selbständigkeit genommen, seine Maße sind zu augenfällig und genauestens erkennbar abgeleitet. Unangenehm empfindet man auch, daß die Fensterlisenen sich auf dem Abschlußgesims des Tores festlaufen, während der rein optisch eingestellte Betrachter sie ohne weiteres durch den Torbogen hindurch weiter hinabführen möchte. Diese — Zwangsvorstellung — wenn man so will, tritt bei 134 augenfälliger als bei 133 auf, wo die Kartusche weiter ausgreift. In der Ausführung ermöglicht Neumann es, in den Obergeschossen eine dreizehnte Achse einzufügen; unter diese rückt er das Portal, das nun unter die benachbarten Fenster beliebig weit ausgreifen kann; optisch ungünstige Wirkungen können nicht mehr entstehen, weil die Fensterrisalite fallen gelassen sind. Nun taucht allerdings eine von früher her (Dietricher Spital, Huttenpalais) bekannte Gefahr auf: die gähnenden Restflächen zu Seiten des Portals im Erdgeschoß. Sie sind vorhanden, aber sie werden nicht wirksam, weil das Portal mit der Bekrönung und dem Fenster darüber in einer Art Dreieckskomposition erscheint, zu deren Kraftfeld auch 105

diese Seitenflächen noch gehören, die jetzt den guten Zweck erfüllen, das Tor auch im Erdgeschoß aus der strengen Bindung geachster Fensterfolgen herauszuheben. 63 Die Portalbekrönung zeigt das Rokoko in seinen reichsten Formen, sie gehört zu den besten Arbeiten Lucas Auweras, der 1749 mit Neumann zusammen auch am neuen Domchorgestühl arbeitete. Der Entwurf findet sich im sogenannten Skizzenbuch Neumanns. Die Kartusche zeigt das Wappen des Grafen v. Stadion und Thannhausen. Hinter dem Portal liegt 62 eine dreischiffige, zum Hof hin geöffnete Halle, die an jene des Bamberger Kapitelhauses erinnert in ihrer stark räumlichen, lichten Erscheinung. Rechts führt eine interessante Treppe in das Hauptgeschoß. Als einzige Vertikalgliederungen des Gebäudes sind die drei Lisenen zu nennen, deren zwei über Eck gesetzt sind, zwischen sich den Ausgleich der beiden Mauerflächen im angenehmen Rund ermöglichend. Uber ihnen verkröpfen sich die Gurtgesimse, deren einfaches Profil stark genug ist, unter der Fläche des hellen Bandes einen dunklen kontrastierenden Schattenstreifen zu erzeugen. Die Gesimse laufen über die gerundete Kante hinweg und fassen die beiden Außenseiten des Gebäudes zu einer Einheit zusammen. Die Fenster des Hauptgeschosses zeigen das übliche Profil und den umbrechend auf die Fassade übergreifenden Schlußstein, dessen blanke Fläche im wirkungsvollen Gegensatz zum Relief des Rahmens erscheint; die Vorliebe des Rokoko für feine Kontrastierungen wird hier wieder deutlich. Die Gegenüberstellung je eines Fensters vom Huttenhof und vom Hof Marmelstein vermag den Wandel der Gesinnung, der meist nach den dekorativen Erscheinungsformen benannt wird, auch hier zu belegen. Die Fenster des oberen Stocks sind mezzaninartig gehalten, um das Gebäude nicht zu hoch werden zu lassen und eine vom bürgerlichen Bau abweichende Formulierung des Etagenwertes zu geben. Die auf den Plänen erscheinende Lisenenbildung der Fenster oder die Anbringung von Brüstungsgliedern ist ganz fallen gelassen zugunsten einer freieren Auswirkung der Einzelformen; nicht das Übereinanderliegen der Fenster durch drei Geschosse wird allein bemerkt, sondern auch horizontale Kräfte wirken, und es wird die Empfindung geweckt, daß alles an seinem Platze im labilen Gleichgewicht wohl angebracht ist und keiner Stützung bedarf. Das Erdgeschoß zeigt stichbogig geschlossene Fenster, eine an bürgerlichen Bauten ganz ungewohnte Form, die gerade deshalb hier verwendet wird. Dieser Aufbau in drei, in Wert und Form verschiedenen Geschossen unterscheidet den Hof von jedem bürgerlichen Haus. Dazu kommt noch die Dachbildung. Ein Plan hatte ein Mansarddach vorgesehen, doch läßt Neumann diese Idee bald wieder fallen; solche Formen würden hier zu „elegant" erscheinen. Das ruhige Walmdach — nicht langweilig, das würde es erst durch moderne Ziegel — gibt dem Gesamtaufbau den passenden Abschluß, bei dem auch die 106

Firsturne nicht fehlen darf, die wie eine Blüte aus dem Dach heraustreibt. Als ein Charakteristikum Neumanns und seiner Schule ist sie überall in den main- und rheinfränkischen Landen zu finden. Bei dem Versuch, sich Rechenschaft über die Ursachen der so selbstverständlich wirkenden Vornehmheit und inneren Ausgeglichenheit der Anlage zu geben, stößt man wieder auf die Tatsache, daß die Höhenproportionen der Geschosse durch den Goldenen Schnitt gefunden sind, wenn auch in diesem Fall nur näherungsweise. Die Höhe bis zum Dachgesims •— ohne den Sockel, der j a nur zwischen den zufälligen Unebenheiten des Bodens und dem geordneten architektonischen System der Fassade vermittelt — von oben herab geteilt, ergibt fast die Höhe des unteren Gesimsbandes, legt also die Höhe des Erdgeschosses einerseits und der beiden Obergeschosse andererseits fest. Bei weiterer Teilung der größeren Teilstrecke ergibt deren größerer Abschnitt annähernd die Höhe des Hauptgeschosses, der kleinere Abschnitt ungefähr die Höhe des oberen mezzaninartigen Geschosses. In der Ausführung ist die Proportionierung der Pläne dahin abgeändert, daß das Erdgeschoß größer wurde. Das ist durch Verkleinern des Sockels erreicht, dessen eigentliche Höhe die Nebengebäude in der Plattnersgasse noch andeuten. Es geschah vielleicht, um der rechnerischen Gleichheit der beiden unteren Geschosse auszuweichen und — wie es die Zeit liebt — das konstruktive Gefüge zu verunklären.

Von hier zurückblickend zum ersten großen eigenen Werk Neumanns, seinem Hof in der Kapuzinergasse, wird man die dort ihren Anfang nehmende Entwicklung erkennen, diedie Wandlung von derRegence zum Rokoko umfaßt. Zuerst ist es jene ganz flächenhafte Fassadengestaltung, die scharfe Kante, das wie ein Bandelwerkstreifen hart umgebrochene Gesimsband; dann die Auflockerung der Gesamtform wie der Einzelform, die am Hirschen vornehmlich sich zeigt. Das Bamberger Kapitelhaus arbeitet mit Pilastern und Rücklagen schon in verschiedenen Tiefenschichten; Seminar und Spital rechnen als Werke des frühen Rokoko wieder mit der Atmosphäre, ihren Erscheinungen und Möglichkeiten. Weiter in Würzburg die Bauten nach zehnjähriger Pause: Hof Rohmbach, das erste Haus des bürgerlichen Rokoko in Würzburg. Die Bauten der Adolf-Hitler-Straße erscheinen dann im Formalen wesentlich vereinfacht, inhaltlich aber bilden sie folgerichtig die Bewegung bis zum Hof Marmelstein weiter. Es ist nicht die überquellende Energie des Barock, nicht Greisings auferlegte Form: vom flächigen Stil der zwanziger Jahre führt der Weg zum an inneren Spannungen reichen Rokoko, dessen Einzelform aus der Mauerfläche herausblüht. Die Bautypen, denen Neumann Gestalt gab, waren neben seinen Straßenund Platzanlagen manigfaltig: nach dem einfachen Reihenhaus der palais107

artige Wohnbau und das Gasthaus; dann Kapitelhaus, bürgerliches Wohnhaus mit Laden, Kaufhaus, die „Hofbeamtensiedlung" auf dem „ G r a b e n " und der Domherrnhof. Ihre Bedeutung ist Neumanns künstlerische Leistung: zeitnahe in der Zweckerfüllung, ewig in der Schönheit der Verhältnisse und Formen. Es ist die Geschichte der würzburgischen Profanbaukunst vom Beginn der zwanziger Jahre bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, die hier aufgezeigt wurde und die das Gesicht Neumanns trägt. Bei den Straßen- und Platzanlagen wird Neumann geleitet von der Absicht, das Stadtbild den Forderungen des achtzehnten Jahrhunderts anzupassen. Der erste Abschnitt waren die in der Denkschrift von 1720 gekennzeichneten Aufgaben. Es entstand die in den dreißiger Jahren ausgereifte und mit Erfolg in die Tat umgesetzte Idee der großen Ringstraße Juliuspromenade-Neubaustraße, die als Schlagader des Verkehrs- und Stadtbildes der Residenz die beherrschende, richtunggebende Stellung zuweisen konnte. Die Dichte des Stadtkerns wurde durch zwei Platzanlagen aufgelockert, die, beiderseits der Domstraße und monumentalen Achse Festung—Dom—Residenz gelegen, dem städtischen Leben die erwünschte Entfaltung ermöglichten. 1753 ist der vorläufige Abschluß der Neuformung des Stadtbildes vollendet, der letzte Abschnitt und die Krönung eines großen Werkes dreier Generationen: Petrini, Greising, Neumann.

108

ANHANG Die

Denkschrift

B. N e u m a n n s

von

1720

Project Wie ein und das andere zur zier der hochfürstl. Residenz statt Würtzburg nach und nach einzurichten, i m o Weilen in dieser gegend kein Orth wo einiger Spaziergang zu machen Vorhanden, so könte von dem so genannten ochsenthor biß an das Stephans Thor oder Stock hauß eine allee Von Maronien Baumen dergestalt gesetzet werden, daß Von solcher die Communication in den fürstl, neuen Residenz garten, und von dar auf den Wahl geschehe, wo ebenfalls eine Allee von orphen und Welschen Nußbaumen fortzupflantzen wäre, mithin der Spaziergang Von dem ochsenthor biß in den Residentz garten und von dar biß an das bleicher thor unter einer grüne könte genommen werden, welcher jedermann honetten sonderlich denen Juristen die ohnedem wie Eß an anderen orthen wo sie sogar die jagd zu exerciren haben, können Spatziergäng wissen, zu gestatten wäre, und damit 2 do dieser Spaziergäng desto scheinbarer und ergötzlicher werde so solle das Wasser Von Mayn an dem Sandter Thor in den Stadt graben gelaithet, und also gerichtet werden, daß es von einer Schleißen zur anderen abfalle, und beständig fließen werden und bey dem sogenannten Ochsenthor widerum in den Main fallen könne, in welches wasser schwanen und wilte Enden eingesetzet werden (;) der Stadt rath aber seine in Besitz habende zwinger Von unten an dem Wasser an, bis hinauf die Mauern neue bewerffen, oben rings um die statt herum mit steinernen pollunstern und Statuen besetzen lassen solle. 3. Solle am Eck der alten Stadt Mauern am Sandter thor bey dem Schieß blatz hinter denen sogenannten Reüern eine neue Caserne biß für in die Büttners gaß aufgeführet, und denen Innwohnern allda gegen nach laß einig Jähriger Schätzung zuge//werden, daß Sie in gleichförmigkeit der Casarne ihre Häuser bis an die Brück einrichten lassen, gleiche Bewandnus Hat es mit denen Innwohnern auf der anderen sehen V o n dem Schneid Thurm biß auff die Stadt Hauptwacht besonders aber mit der KämersGassen. 4. Von dem Dom an bis an das Bier Hauß wären die Häußer in einer parallelo zu setzen, so daß die apothek zum Schwanen abgeschnitten, ingleichen auf der anderen Seiten Von dem Rossartischen Hauß bis auf g «a . t

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24. Johannes Dienzenhofer. Entwurf für den Neubau der Domdcchanei (Hof IN eulobdeburg) in \V ürzburg. Zwischen 1724 und 1726. Univ.Bibl. Würzburg. Del. 11.60

26. Ii. N e u m a n n . D a s D o m k u p i t e l h a u ? in B a m b e r g . 1 7 3 0 32 e r b a u t

27. D a s P o m k a p i t e l h a u s i n B a m b e r g . F a s s a d e n a u f n a h m e des L a n d b a u a m t s Bamberg;

28. D a s D o m k a p i t e l h a u s i n B a m b e r g . G r u n d r i ß a u f n a h m e des L a n d b a u a m t s Bamberg. Ausschnitt

29.

1». N e u m a n n . D a s J) o m k a pi t c I h a u s i n li a in I) o r g . M i 11 cl r i s a ! i t . lîildhauera r b e i t e n v o n G. Mutscheie u n d Feucht. ( W a p p e n s c h i l d und K r o n e v e r ä n d e r t )

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32. B . N e u m a n n . D a s P r i e s t e r s e m i n a r i n B a m b e r « r . Weihbischofstrakt an der HauptwachstraBe

17 3 1 33.

37. D e r D ö r n b e r g i n B a m b e r g . Links der Kekhau der Residenz von 1701; in der Milte der g r i i f l . S t a d i o n s c h e D o in Ii e r r e n h o f , E n t wurf von B. N e u m a n n . 1739. B a l l f ü h r u n g J u s t u s Heinrich Dien/enhofer

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