Aurelius Victor: Historiae abbreviatae
 3506702750, 9783506702753, 9783657702756

Table of contents :
AURELIUS VICTOR HISTORIAE ABBREVIATAE
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis abgekürzt zitierter Quellen und Literatur
I. Abkürzungen
II. Quellen
III. Literatur
EINLEITUNG
I. Historische Bemerkungen
1. Zum Verfasser
2. Zum Werk
II. Zur Überlieferung des Werkes
1. Die Historiae abbreviatae und das Corpus Aurelianum
2. Die Handschriften
3. Die indirekten Zeugen
4. Die neuzeitlichen Drucke und modernen Editionen
5. Grundsätze zur Textkonstitution
6. Bemerkungen zur Orthographie
7. Sprache und Stil
TEXT (C. Scardino) UND ÜBERSETZUNG (M. A. Nickbakht)
Erklärung der Siglen, Zeichen und Abkürzungen
Text und Übersetzung
KOMMENTAR
INDEX

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AURELIUS VICTOR HISTORIAE ABBREVIATAE

KLEINE UND FRAGMENTARISCHE HISTORIKER DER SPÄTANTIKE (KFHist)

HERAUSGEGEBEN VON BRUNO BLECKMANN UND MARKUS STEIN

(B 2) AURELIUS VICTOR HISTORIAE ABBREVIATAE

AURELIUS VICTOR HISTORIAE ABBREVIATAE

Ediert, übersetzt und kommentiert von

MEHRAN A. NICKBAKHT UND CARLO SCARDINO

2021

BRILL | Ferdinand Schöningh

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlags nicht zulässig. © 2021 Verlag Ferdinand Schöningh, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland) www.schoeningh.de Herstellung: Brill Deutschland GmbH, Paderborn ISSN 2568-8960 ISBN 978-3-506-70275-3 (hardback) ISBN 978-3-657-70275-6 (e-book)

Vorwort Der vorliegende Band der Historiae abbreviatae des Aurelius Victor erscheint im Rahmen des Editionsunternehmens „Kleine und fragmentarische Historiker der Spätantike“. Er ist Teil des Moduls B „Kaisergeschichte und Sammelbiographien des 4. und frühen 5. Jahrhunderts“, in dem bereits die Bände B 3 (Eutrop) und B 5–7 (Origo gentis Romanorum u. a.) erschienen sind. Das Werk des ‚kleinen Historikers‘ Aurelius Victor (B 2), dessen Abschnitte über das 3. und 4. Jahrhundert eine wichtige Quelle für die Geschichte der Reichskrise und der anschließenden Spätantike sind, wird als kritisch edierter Text zusammen mit einer deutschen Neuübersetzung vorgelegt. Der vollständige Text bildet in Kombination mit Eutrop, dem zweiten wichtigen Zeugen der sogenannten Enmannschen Kaisergeschichte, zugleich die Grundlage für die Rekonstruktion dieses verlorenen, aber in der Altertumswissenschaft als feste Größe anerkannten Werks, das als B 1 erscheinen wird. Entsprechend der im Unternehmen vorgesehenen Arbeitsteilung hat C. Scardino sich um die Edition und die philologische Kommentierung des gesamten Textes gekümmert, M. A. Nickbakht die Übersetzung und den historischen Kommentar besorgt, der sich gemäß der spätantiken Ausrichtung des Projekts weitgehend auf die relevanten Kapitel 25 bis 42 (235 bis 360/1 n. Chr.) beschränkt.1 Im Kommentar leiten die lateinischen Lemmata die philologische, die deutschen Lemmata die historische Erläuterung ein. Der historische Kommentar verzichtet dabei bewusst auf eine vollständige Auflistung aller Parallelquellen, ebenso ist die allgemeine Personen- und Sacherklärung auf ein Minimum beschränkt g älteren Kommentare von Dufraigne, Bird und Zugravu verwiesen. Bei der Übersetzung des Aurelius Victor, dessen „gekünstelter, in Inkonzinnitäten schwelgender Stil zum Schwierigsten der gesamten Latinität“ (Manfred Fuhrmann) gehört, wurden neben der deutschen Übersetzung von Fuhrmann auch immer wieder Bird und Festy eingesehen. Während es galt, die Zeitvorgaben des Projekts nicht aus den Augen zu verlieren, erschwerten gerade die widrigen Begleitumstände der grassie1

Eine völlige formale Vereinheitlichung beider aufeinander Bezug nehmenden, aber unabhängigen Kommentarteile ist dabei unterblieben.

VI

(B 2) Aurelius Victor

renden Pandemie ein reibungsloses Fortschreiten und eine bis ins Letzte perfekte Fertigstellung des Buches. Unser Dank gilt der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste für die finanzielle Unterstützung und Förderung des Gesamtprojekts. Wir danken auch allen am wöchentlichen KFHist-Kolloquium Beteiligten, insbesondere den Reihenherausgebern Bruno Bleckmann und Markus Stein für ihre hilfreichen Hinweise, zahlreichen Verbesserungsvorschläge und stete Unterstützung. Für Hilfe beim Korrekturlesen danken wir Antonia Knöpges, Sven Littgen, Lea Pache sowie Johannes Helf, der auch an der Erstellung des Index beteiligt war.

Düsseldorf, im Dezember 2020 Mehran A. Nickbakht und Carlo Scardino

Inhaltsverzeichnis

Vorwort Verzeichnis abgekürzt zitierter Quellen und Literatur I. Abkürzungen II. Quellen III. Literatur EINLEITUNG I. Historische Bemerkungen (M. A. Nickbakht) 1. Zum Verfasser 2. Zum Werk II. Zur Überlieferung des Werkes (C. Scardino) 1. Die Historiae abbreviatae und das Corpus Aurelianum 2. Die Handschriften 3. Die indirekten Zeugen 4. Die neuzeitlichen Drucke und modernen Editionen 5. Grundsätze zur Textkonstitution 6. Bemerkungen zur Orthographie 7. Sprache und Stil TEXT (C. Scardino) UND ÜBERSETZUNG (M. A. Nickbakht) Erklärung der Siglen, Zeichen und Abkürzungen Text und Übersetzung

V

IX XI XX

1 1 6 21 21 23 26 28 30 31 34

41 42

KOMMENTAR (M. A. Nickbakht INDEX

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Verzeichnis abgekürzt zitierter Quellen und Literatur I. Abkürzungen AE

L’Année épigraphique

BHAC

Bonner Historia Augusta Colloquium

CAH

Cambridge Ancient History

CCL

Corpus Christianorum, Series Latina

CFHB

Corpus Fontium Historiae Byzantinae

Chron. min.

Th. Mommsen (Hg.), Chronica minora saec. IV. V. VI. VII. 3 Bde. (= MGH AA 9. 11. 13), Berlin 1892–1898

CIL

Corpus Inscriptionum Latinarum

CSEL

Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum

CSHB

Corpus Scriptorum Historiae Byzantinae

DNP

Der Neue Pauly

EKG

Enmannsche Kaisergeschichte

GCS

Die Griechischen Christlichen Schriftsteller, Berlin 1897–

H.-Sz.

J. B. Hofmann / A. Szantyr, Lateinische Syntax und Stilistik (HdbAW 2,2,2), München 1965 (verbess. ND 1972)

HdbAW

Handbuch der Altertumswissenschaft

K.-H.

R. Kühner / F. Holzweissig, Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache. Erster Band: Elementar-, Formenund Wortlehre, Hannover 21912 (ND Darmstadt 1978)

K.-St.

R. Kühner / C. Stegmann, Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache. Zweiter Teil: Satzlehre 1/2, Hannover 2 1914 (mit Zusätzen und B Aufl. von A. Thierfelder im ND Darmstadt 1997)

KFHist

Kleine und fragmentarische Historiker der Spätantike

Lampe

G. W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961

LCL

Loeb Classical Library

LTUR

Lexicon Topographicum Urbis Romae

MGH AA

Monumenta Germaniae Historica. Auctores antiquissimi

OLD

Oxford Latin Dictionary

PG

Patrologia Graeca

X

(B 2) Aurelius Victor

PIR2

Prosopographia Imperii Romani (2. Auflage)

PLRE

Prosopography of the Later Roman Empire

RAC

Reallexikon für Antike und Christentum

RE

Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft

SC

Sources chrétiennes

Stotz

P. Stotz, Handbuch der lateinischen Sprache des Mittelalters, 5 Bde. (HdbAW 2,5), München 1996–2004

ThLL

Thesaurus linguae Latinae

II. Auswahl der abgekürzt zitierten Quellen Die Abkürzungen für Autoren und Werke richten sich weitgehend nach ThLL (lateinisch), LSJ (griechisch profan) und Lampe (griechisch christlich).

Amm. = Ammianus Marcellinus, Res gestae W. Seyfarth (Hg.), Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte, 4 Bde. (SQAW 21), Darmstadt 1968–71. W. Seyfarth (Hg.), Ammianus Marcellinus, Rerum gestarum libri qui supersunt (BT), 2 Bde., Leipzig 1978 (ND 2011). Arnob. nat. = Arnobius, Adversus nationes C. Marchesi (Hg.), Arnobius, Adversus nationes libri VII, Turin 2 1953. Arus. gramm. = Arusianus Messius, opus grammaticum A. Di Stefano (Hg.), Arusiani Messi exempla elocutionum, Hildesheim 2011. Aug. = Augustinus von Hippo c. Gaud. = contra Gaudentium Donatistarum episcopum M. Petschenig (Hg.), Augustinus (CSEL 53), Wien 1910, 201–74. in evang. Ioh. = in Iohannis evangelium tractatus R. Willems (Hg.), in Iohannis evangelium tractatus CXXIV (CCL 36), Turnhout 21990. soliloq. = soliloquia W. Hörmann (Hg.), Augustinus, soliloquia (CSEL 89), Wien 1986, 3–98. Aur. Vict. Caes. = Aurelius Victor, Historiae abbreviatae A. Schott (Hg.), Sexti Aurelii Victoris Historiae Romanae, Antwerpen 1579, 97–165. F. Sylburg (Hg.), Historiae Romanae tae in Aurelii Victoris Imperatores Romani, Frankfurt 1588, 724– 34 (Text von Schott mit Anmerkungen). Gruter (Hg.), Sexti Aurelii Victoris Historiae Romanae Breviarium, J. Gruteri notae, Leiden 1611, 329–40 (Text von Schott mit Anmerkungen). A. Dacier (Hg.), Sexti Aurelii Victoris Historiae Romanae, Paris 1681, 107–82 (Text von Schott mit Anmerkungen). S. Pitiscus (Hg.), Sexti Aurelii Victoris Historiae Romanae Breviarium, Utrecht 1696, 279–434 (Text von Schott mit Anmerkungen).

XII

(B 2) Aurelius Victor

J. Arntzen (Hg.), Sexti Aurelii Victoris Historiae Romanae cum notis integris, Amsterdam 1733, 307–444 (Text von Schott mit Anmerkungen). J. F. Gruner (Hg.), Sexti Aurelii Victoris Historia Romana, cum animadversionibus criticis atque historicis, Coburg 1757. Chr. Harlesius (Hg.), Sexti Aurelii Victoris Historia Romana, 2 Bde. London 1829 (auf der Grundlage von Arntzen). A. Forbiger (Hg.), Sextus Aurelius Victor, 2 Bde., Stuttgart 1866 (dt. Übersetzung). F. Pichlmayr / R. Gruendel (Hgg.), Sexti Aurelii Victoris Liber de Caesaribus (BT), Leipzig 1970, 77–129. P. Dufraigne (Hg.), Aurelius Victor, Livre des Césars (CUF), Paris 1975. M. Festy (Hg.), Sextus Aurelius Victor, Livre des Césars, Diss. Montpellier 1991. H. W. Bird (Hg.), Liber de Caesaribus of Sextus Aurelius Victor (TTH 17), Liverpool 1994. M. Fuhrmann / K. Groß-Albenhausen (Hgg.), S. Aurelius Victor, Die römischen Kaiser, lateinisch - deutsch, Düsseldorf 32009. A. Dubois / Y. Germain (Hgg.), Aurelius Victor, Œuvres complètes, traduites du latin, Clermont-Ferrand 2003. N. Zugravu (Hg.), Sextus Aurelius Victor, Liber des Caesaribus, editio bilinguis, Iași 2006. Auson. ord. = D. Magnus Ausonius, Ordo urbium nobilium R. P. Green (Hg.), The Works of Ausonius (OCT), Oxford 1991. Cael. Aur. acut. = Caelius Aurelianus, celeres vel acutae passiones G. Bendz / I. Pape (Hgg.), Akute Krankheiten, Buch I–III; Chronische Krankheiten, Buch I–V, lateinisch-deutsch, Corp. medicorum Latinorum VI 1, Berlin 1990, 22– Cass. Dio = Cassius Dio U. P. Boissevain (Hg.), Cassii Dionis Cocceiani historiarum Romanarum quae supersunt, 3 Bde., Berlin 1895–1901. Chron. min. = Chronica minora Th. Mommsen (Hg.), Chronica Minora (MGH AA 9; 11; 13), 3 Bde., Berlin 1892–8 (ND München 1981). Chron. Pasch. = Chronicon Paschale L. Dindorf (Hg.), Chronicon Paschale, ad exemplar Vaticanum (CSHB 7), 2 Bde., Bonn 1832.

Quellen

XIII

Chrys. proph. obscurit. = Johannes Chrysostomos, De prophetiarum obscuritate J. P. Migne (Hg.), Joannis Chrysostomi, Opera omnia quae exstant (PG 56), Paris 1862, 163–192. Cod. Theod. = Codex Theodosianus Th. Mommsen / P. M. Meyer (Hgg.), Theodosiani libri XVI cum constitutionibus Sirmondianis et leges novellae ad Theodosianum pertinentes, 2 Bde., Berlin 1905. Coll. Mos. = Collatio legum Mosaicarum et Romanarum R. M. Frakes (Hg.), Compiling the Collatio legum Mosaicarum et Romanarum in Late Antiquity, Oxford 2011, 157–201. Cons. Const. = Consularia Constantinopolitana M. Becker u. a. (Hgg.), Consularia Constantinopolitana und verwandte Quellen (KFHist G 1–4), Paderborn 2016, 30–57. Curios. urb. = Curiosum urbis Romae A. Nordh (Hg.), Libellus de regionibus urbis Romae, Lund 1949. Dem. Const. = Demegoria Constantii H. Schenkl u. a. (Hgg.), Themistii orationes quae supersunt, vol. 3 (BT), Leipzig 1974, 121–8. Edict. Diocl. = Preisedikt des Diocletian S. Lauffer (Hg.), Diokletians Preisedikt, Berlin 1971. Epit. Caes. = Epitome de Caesaribus (Ps. Aurelius Victor) F. Pichlmayr / R. Gruendel (Hgg.), Sexti Aurelii Victoris Liber de Caesaribus, Leipzig 1970, 131–76. M. Festy (Hg.), Pseudo-Aurélius Victor, Abrégé des Césars (CUF), Paris 1999. Eus. = Eusebius von Caesarea h. e. = historia ecclesiastica (Kirchengeschichte) ria ecclesiastica (GCS 9,1–3), Leipzig 1903–9. laus Const. = De laudibus Constantini (Tricennatsrede an Konstantin) I. A. Heikel (Hg.), Eusebius, Werke I (GCS 7), Leipzig 1902, 193– 260 vit. Const. = vita Constantini F. Winkelmann u. a. (Hgg.), Eusèbe de Césarée, Vie de Constantin, Paris 2013.

XIV

(B 2) Aurelius Victor

Eutr. = Eutropius, Breviarium B. Bleckmann / J. Gross (Hgg.), Breviarium ab urbe condita (KFHist B 3), Paderborn 2018. Fest. = Sextus Pompeius Festus W. M. Lindsay (Hg.), Epitoma operis de verborum significatu Verrii Flacci (fragmenta quae exstant) (BT), Leipzig 1913,114–518. Firm. math. = Iulius Firmicus Maternus Siculus, Mathesis P. Monat (Hg.), Firmicus Maternus, Mathesis, 3 Bde., Paris 1992– 1997. Flor. epit. = Florus, Epitome H. Malcovati (Hg.), L. Annaei Flori quae exstant, Rom 21972, 5– 208. Gell. = Aulus Gellius, noctes Atticae P. K. Marshall (Hg.), A. Gelli noctes Atticae (OCT), 2 Bde., Oxford 2 1990. L Gloss. II. = Glossaria bilingua J. Kramer (Hg.), Glossaria bilingua in papyris et membranis reperta, Bonn 1983. Greg. M. epist. = Gregorius Magnus, registrum epistularum D. Norberg (Hg.), registrum epistularum (CCL 140; 140A), 2 Bde., Turnhout 1982. Hier. = Hieronymus chron. = Chronik R. Helm (Hg.), Eusebius, Werke 7. Die Chronik des Hieronymus (GCS 47), Berlin 21956. Hil. in psalm. = Hilarius v. Poitiers, Tractatuum in psalmos quae extant J. Doignon / R. Demeulenaere (Hgg.), Tractatus super psalmos 3, (CCSL 61 B), Turnhout 2009. Hist. Aug. = Historia Augusta1 E. Hohl u. a. (Hg.), Scriptores Historiae Augustae (BT), Leipzig 5/2 1971.

1

Alex. (Severus Alexander), Aur. (Marcus Aurelius), Aurelian. (Aurelianus), Avid. (Avidius Cassius), Car. (Carus), Claud. (Claudius Gothicus), Comm. (Commodus), Gall. (Gallieni), Gord. (Gordiani), Hadr. (Hadrianus), Heliog. (Heliogabalus), Max. Balb. (Maximus et Balbinus), Maximin. (Maximinus Thrax), Opil. (Opilius Macrinus), Pert. (Pertinax), Prob. (Probus), Sept. Sev. (Septimius Severus), trig. tyr. (triginta tyranni).

Quellen

XV

J.-P. Callu u. a. (Hgg.), Histoire Auguste, Tome I 1re partie: Introduction générale. Vies d’Hadrien, Aelius, Antonin, (CUF) Paris 1992. R. Turcan (Hg.), Histoire Auguste, Tome III 1re partie: Vies de Macrin, Diaduménien, Héliogabale (CUF), Paris 1993. C. Bertrand-Dagenbach / A. Molinier-Arbo (Hgg.), Histoire Auguste, Tome III 2ème partie: Vie d’Alexandre Sévère (CUF), Paris 2014. F. Paschoud (Hg.), Histoire Auguste, Tome IV 1re partie: Vies des deux Maximins, des trois Gordiens, de Maxime et Balbin (CUF), Paris 2018. O. Desbordes u. a. (Hgg.), Histoire Auguste, Tome IV 2ème partie: Vies des deux Valériens et des deux Galliens (CUF), Paris 2000. F. Paschoud (Hg.), Histoire Auguste, Tome V 1re partie: Vies d’Aurélien, Tacite (CUF), Paris 1996. F. Paschoud (Hg.), Histoire Auguste, Tome V 2ème partie: Vies de Probus, Firmus, Saturnin, Proculus et Bonose, Carus, Numérien et Carin (CUF), Paris 2001. Itin. Burdig. = Itinerarium Burdigalense O. Cuntz / G. Wirth (Hgg.), Itinerarium Burdigalense, in: Itineraria Romana, vol. 1 (BT), Stuttgart 1990, 86–102. Iul. = Iulianus imperator J. Bidez (Hg.), L’empereur Julien. Oeuvres complètes, Tome I 1re partie: Discours de Julien César (I–V) (CUF), Paris 1932. J. Bidez (Hg.), L’empereur Julien. Oeuvres complètes, Tome I 2ème partie: Lettres et fragments (CUF), Paris 1924. G. Rochefort (Hg.), L’empereur Julien. Oeuvres complètes, Tome II 1re partie: Discours de Julien Empereur (VI–IX). A Thémistius Contre Héracleios le cynique - Sur la cyniques ignorants (CUF), Paris 1963. C. Lacombrade (Hg.), L’empereur Julien. Oeuvres complètes, Tome II 2ème partie: Discours de Julien Empereur (X–XII). Les Césars Sur Hélios-Roi - Le Misopogon (CUF), Paris 1965. H.-G. Nesselrath (Hg.), Iulianus Augustus Opera (BT), Berlin 2015. Iust. = Iustinus, Epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi O. Seel (Hg.), M. Iuniani Iustini epitoma Historiarum Philippicarum Pompei Trogi (BT), Stuttgart 1985.

XVI

(B 2) Aurelius Victor

Ioh. Mal. = Johannes Malalas, Chronik J. Thurn (Hg.), Ioannes Malalas, Chronographia (CFHB 35), Berlin 2000. Ioh. Ant. = Johannes Antiochenus U. Roberto (Hg.), Ioannis Antiocheni Fragmenta ex Historia chronica (TU 154), Berlin 2005. S. Mariev (Hg.), Ioannis Antiocheni Fragmenta quae supersunt omnia (CFHB 47), Berlin 2008. Lact. mort. pers. = Lactantius, De mortibus persecutorum A. Städele (Hg.), Laktanz, De mortibus persecutorum / Die Todesarten der Verfolger, lateinisch - deutsch, Turnhout 2003 Lib. or.= Libanios, Orationes R. Foerster (Hg.), Libanii opera, Orationes, 5 Bde., Leipzig 1903–8. Lucif. moriend. = Lucifer Calaritanus, Moriundum esse pro dei filio V. Ugenti (Hg.), Luciferi Calaritani De regibus apostaticis et moriundum esse pro dei filio, Lecce 1980, 41–82. Lyd. mag. = Joannes Lydus, De magistratibus populi Romani J. Schamp (Hg.), Jean le Lydien, Des magistratures de l’état romain, tome 2, Paris 2006. Macr. sat = Macrobius Ambrosius Theodosius, Saturnalia, J. Willis (Hg.), Ambrosii Theodosii Macrobii Saturnalia (BT), Leipzig 21970. Marcell. chron. II = Marcellinus Comes Th. Mommsen (Hg.), Chronica Minora II (MGH AA 11), Berlin 1894, 37–104. Mart. = M. Valerius Martialis, Epigrammata D. R. Shackleton Bailey (Hg.), M. Valerius Martialis, Epigrammata (BT), Stuttgart 1990. Mela = Pomponius Mela, Chorographia A. Silberman (Hg.), Pomponius Mela, Chorographie (CUF), Paris 1988. Min. Fel. = M. Minucius Felix, Octavius B. Kytzler (Hg.), Minucius Felix, Octavius, Stuttgart 1992. Not. dign. occ. / or. = Notitia dignitatum (in part. Occidentis / Orientis) O. Seeck (Hg.), Notitia Dignitatum, Berlin 1876, 1–225. Origo Const. = Origo Constantini imperatoris (Anonymus Valesianus I) I. König, Origo Constantini. Anonymus Valesianus, Teil 1: Text und Kommentar, Trier 1987.

Quellen

XVII

Origo Rom. = Origo gentis Romanorum (Chronica Urbis Romae) B. Bleckmann u. a. (Hgg.), Origo gentis Romanorum etc. (KFHist B 5), Paderborn 2017, 3–140. Oros. hist. = Orosius, Historiae adversum paganos M.-P. Arnaud-Lindet, Orose: Histoires contre les païens (CUF), 3 Bde., Paris 1990–91. Paneg. = Collectio panegyricorum Latinorum R. A. B. Mynors (Hg.), XII Panegyrici Latini (OCT), Oxford 1964. Paul. Nol. carm. = Paulinus von Nola, Carmina W. de Hartel / M. Kamptner (Hgg.), Paulinus Nolanus, Carmina (CSEL 30,2), Wien 1999. Petr. Patr. = Petros Patrikios C. Müller (Hg.), Fragmenta Historicorum Graecorum, Vol. 4, Paris 1851, 181–99. Phaedr. app. = Phaedrus, Appendix Perottina A. Guaglianone (Hg.), Phaedri Augusti liberti libri fabularum, Torino 1969, 91–113. Philost. = Philostorgius, Kirchengeschichte B. Bleckmann / M. Stein (Hgg.), Philostorgios, Kirchengeschichte, 2 Bde. (KFHist E 7), Paderborn 2015. Plin. nat. = Plinius maior, Naturalis historia L. v. Jan / K. Mayhoff (Hgg.), C. Plinius Caecilius Secundus, Naturalis historiae libri XXXVII, 6 Bde., Leipzig 1892–1909. Pol. Silv. = Polemius Silvius brev. = breviarium temporum B. Bleckmann u. a. (Hgg.), Origo gentis Romanorum etc. (KFHist B 5–7) Paderborn 2017, 198–201. princ. = nomina omnium principum Romanorum B. Bleckmann u. a. (Hgg.), O 5–7) Paderborn 2017, 188–97. Ps. Hil. libell. = Pseudo-Hilarius, epistula seu libellus apologeticus F. Blatt (Hg.), Un nouveau texte d’une apologie anonyme chrétienne, in Dragma, FS M. P. Nilsson, Lund 1939, 71–95. Ps. Quint. decl. = Pseudo-Quintilianus, declamationes maiores L. Håkanson (Hg.), Declamationes XIX maiores, Quintiliano falso ascriptae (BT), Stuttgart 1982.

XVIII

(B 2) Aurelius Victor

Publil. = Publilius Syrus, Sententiae G. Flamerie de Lachapelle (Hg.), Publilius Syrus (CUF), Paris, 2011. Rufin. hist. = Rufinus von Aquileia, Kirchengeschichte E. Schwartz / T. Mommsen (Hgg.), Eusebius, Werke 2,1–3. Historia ecclesiastica (GCS 9), Leipzig 1903–9 (ND 1999 [GCS NF 6]). ŠKZ = Inschrift Schapurs an der Kaba Sartoscht (Res gestae Saporis) Ph. Huyse, Die dreisprachige Inschrift Šābuhrs I. an der Kaʿba-i Zardušt (ŠKZ), 2 Bde., London 1999. Soz. = Sozomenus, Kirchengeschichte J. Bidez / G. Ch. Hansen (Hgg.), Sozomenos, Historia ecclesiastica (GCS NF 4), Berlin 21995. G. Ch. Hansen (Hg.), Sozomenos, Historia ecclesiastica – Kirchengeschichte (FC 73/1–4), griechisch-deutsch, Turnhout 2004. Stat. Theb. = P. Papinius Statius, Thebais D. R. Shackleton Bailey (Hg.), Statius, Thebaid, 2 Bde, Cambridge, Mass. 2004. Suet. = Suetonius, De vita Caesarum libri R. A. Kaster (Hg.), C. Suetoni Tranquilli De vita Caesarum libros VIII et De grammaticis et rhetoribus librum (OCT), Oxford 2016. Suet. vita Hor. = Suetonius, De vita Horatii A. Reifferscheid (Hg.), C. Suetonius Tranquillus, Praeter Caesarum libros reliquiae (BT), Leipzig 1860 (ND Berlin, 1971), 44–8. Symm. = Symmachus ep. = Epistulae O. Seeck (Hg.), Q. Aurelii Symmachi quae supersunt (MGH AA 6,1), Berlin 1883, 1–278. rel. = relationes O. Seeck (Hg.), Q. Aurelii 6,1), Berlin 1883, 279–317. Tab. Siar. = Tabula Siarensis M. H. Crawford (Hg.), Roman Statutes, vol. 1, London 1996, 515– 22. Tert. apol. = Q. Septimius Florens Tertullianus, apologeticum E. Dekkers (Hg.), Quinti Septimii Florentis Tertulliani Opera, vol. 1 (CCL 1), Turnhout 1954, 85–171.

Quellen

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Einleitung I. Historische Bemerkungen Die Historiae abbreviatae des Sextus Aurelius Victor bieten eine kurze Geschichte der römischen Kaiserzeit von den Anfängen unter Augustus bis in die Gegenwart des Verfassers unter Constantius II. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Leben und Wirken der einzelnen Herrscher, weshalb das Werk, das gleichsam eine Serie von Kaiserbiographien darstellt, besser unter dem Namen De Caesaribus bekannt ist. Es zählt aufgrund seines reduzierten Umfangs zu der Gattung der breviarium genannten und im 4. Jahrhundert verbreiteten historischen Überblicksdarstellungen. 1. Zum Verfasser Über das Leben des im ersten Drittel des 4. Jahrhunderts geborenen Aurelius Victor ist nur wenig bekannt.1 Aus der einzigen autobiographischen Äußerung in den Historiae abbreviatae, die sich im Kapitel über Septimius Severus befindet, geht hervor, dass Victor wie dieser Kaiser aus Nordafrika stammte. „Folgendes erachte ich nämlich als ein Charakteristikum unseres Volkes, welches durch eine Schicksalsfügung wenig ertragreich an Rechtschaffenen ist: Diejenigen, die es dennoch hervorgebracht hat, sind (…).“2 Victors beiläufige Bemerkung über „unser Volk“, womit offenkundig das africanische gemeint ist, erweckt den Eindruck, als habe er sich bereits über seine Herkunft geäußert. Hierfür käme allenfalls die Praefatio in Frage, deren Existenz bloß vermutet werden kann.3 Die besonderen Umstände der Textüberlieferung der Historiae abbreviatae, die ursprünglich ein eigenständiges Werk waren, aber uns nur als integraler Bestandteil einer spätantiken Kompilation aus drei Werken eine solche Hypothese. Denn es erscheint durchaus plausibel, dass bei der 1

Biographische Überblicke bieten PLRE 1,960 (Victor 13); Nixon, Historiographical study 1–22; P. L. Schmidt, Art. Victor 69, RE Suppl. 15 (1978) 1661 f.; Bird, Liber de Caesaribus vii–ix und Groß-Albenhausen 151–3. 2 20,6 quod equidem gentis nostrae reor, quae fato quodam bonorum parce fecunda, quos eduxerit tamen, quemque ad sua celsos habet. 3 Vgl. den Boeft u. a., Philological and historical commentary on Ammianus Marcellinus XXXI, Leiden 2018, 298 zu einer ähnlichen Selbstreferenz bei Ammianus als miles quondam et Graecus: „In all probability the author refers to his preface, in which both characteristics would have been more fully elaborated upon.“

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Zusammenstellung dieses sogenannten Corpus Aurelianum die hierdurch obsolet gewordene Praefatio der Historiae abbreviatae ‚getilgt‘ wurde.1 Immerhin wird Victor im Titulus des Corpus Aurelianum als „Africaner“ bezeichnet (Victor Afer), wobei die Apposition hinter seinem Namen selbst eine Reminiszenz einer verlorenen Praefatio sein kann.2 Als weitere Belege für Victors africanische Herkunft dienen neben der ausführlichen und insgesamt wohlwollenden Beschreibung der Herrschaft des Septimius Severus („es gab niemand Ausgezeichneteres im Staat“) auch das Aufzeichnen von eher unbedeutenden Vorgängen in Nordafrika, die Hervorhebung Karthagos als „Schmuckstück des Erdkreises“ (40,19) sowie die der Stadt Cirta geschenkte Aufmerksamkeit (40,28).3 Über sich selbst berichtet Victor, dass er „von einem ärmlichen Bauernhof und einem ungebildeten Vater“ herstammt, aber sich durch die unablässige Aneignung von Bildung (studia tanta) hochgearbeitet habe (20,5). Der Stolz des Arrivierten auf den sozialen Aufstieg und das Erreichen eines höheren gesellschaftlichen Status (vita honestior) ist unverkennbar. Gleichwohl darf die Aussage nicht zu der Vorstellung verleiten, Victor sei in armen Verhältnissen aufgewachsen, denn der Besuch des Grammatikund Rhetorikunterrichts setzten entsprechende Geldmittel voraus, zumal eine gute Ausbildung mit hohen Kosten verbunden war. Im Übrigen war es durchaus üblich, die eigenen Vermögensverhältnisse geringer darzustellen als sie waren, sei es als rhetorische Geste der Bescheidenheit, oder um den Aufstieg umso wirkungsvoller erscheinen zu lassen.4 Obgleich die einzelnen Stationen von Victors Bildungsweg und seiner anfänglichen Karriere unbekannt sind, wird aufgrund seines merklichen Interesses an der Stadt Rom gewöhnlich angenommen, dass er eine längere Zeit dort verbracht habe. Die Stadt fungierte schon lange nicht mehr als Kaiserresidenz; dennoch war es weiterhin üblich, dass hoffnungsvolle Provinzialen sich dorthin begaben, um ihre 1

Vgl. Penella, Lowly Born Historian 130; zum Corpus Aurelianum auch Kap. II. 1. Vgl. den Titulus bei Pichlmayr, De Caesaribus 3 mit M. Sehlmeyer, Geschichtsbilder für Pagane, Berlin 2009, 284 f. Auch die Angabe zum Werkumfang im Untertitel (ab Augusto … Iuliani Caesaris tertium) könnte aus einer angenommenen Praefatio stammen, vgl. Ammianus Marcellinus’ analoge Angabe zu Anfangs- und Endpunkt seines Werkes im Epilog (31,16,9). 3 Bird, Liber de Caesaribus vii schließt daraus sogar, dass Victor aus der Umgebung von Cirta (das heutige Constantine in Algerien) stammen könnte. 4 Vgl. K. Vössing, Schule und Bildung im Nordafrika der Römischen Kaiserzeit, Brüssel 1997, 590–2 (auf der Basis eines etwas anderen Textverständnisses). 2

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rung in der Jurisprudenz zu sammeln. In der Tat schenkt Victor der Topographie und vor allem den öffentlichen Baudenkmälern der Stadt eine hohe Aufmerksamkeit. Zahlreiche seiner Angaben sind allerdings sehr allgemein gehalten und stammen zudem aus seiner Hauptquelle (dazu unten): zum Beispiel, dass Titus ein Amphitheater errichtet (10,5), Caracalla prachtvolle Thermen gestiftet (21,4) oder Aurelian einen Tempel für den Sonnengott und neue Stadtmauern erbaut hat (35,7).1 Daneben gibt es einige wenige Details, die auf persönliche Ortskenntnis hindeuten könnten, aber zwingend ist dies nicht: So berichtet er von einem Platz in Rom, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Zucht von Weissagehühnern vorbehalten war (5,17), bewertet die Konstantinsthermen im Vergleich zu den früher erbauten Thermen (40,27) und hat unter Umständen die Weihinschrift an der Basilica Constantiniana gesehen (40,26)2. Zudem werden auch Victors spürbare Enttäuschung über das Ausbleiben der Festivitäten zum 1.100 Stadtjubiläum im Jahr 348 (28,2) oder seine Schilderung der blutigen Kämpfe im Jahr 350/51 (42,7) als Belege für einen mutmaßlichen Aufenthalt in Rom geltend gemacht.3 Die ersten sicheren Nachrichten über Victors Karriere sind durch Ammianus Marcellinus überliefert: Als im Frühsommer 361 der Imperator Julian, der sich im Jahr zuvor in Gallien eigenmächtig zum Augustus erhoben hatte, auf dem Marsch gegen den legitimen Augustus Constantius II. einen kurzen Zwischenhalt in der Provinzhauptstadt Sirmium einlegte, kam es bei der Gelegenheit zu einer Begegnung zwischen ihm und Victor.4 Dieser war zu dem Zeitpunkt sehr wahrscheinlich als Beamter in der Provinzverwaltung tätig, denn kurze Zeit später beorderte ihn Julian, der zwischenzeitlich den Pass von Succi gesichert hatte, zu sich nach Naissus und ernannte ihn zum konsularischen Provinzstatthalter (consularis) für Pannonia Secunda. Über die Gründe für die Beförderung Victors, die ihm nicht nur ein höheres Einkommen, sondern 1

Diese Bauten, die auch bei Eutrop (vgl. 7,21,4; 8,20,1; 9,15,1) vorkommen, waren in ihrer gemeinsamen Quelle genannt (dazu unten mehr). Victor berichtet in anderen Fällen aber auch detaillierter als Eutrop, vgl. etwa zum Kapitolstempel (11,4 / Eutr. 7,23,5) oder Traiansforum (13,5 / Eutr. 8,5,2). 2 Vgl. Kommentar zu 40,26. 3 Bird, Sextus Aurelius Victor vii hält einen Romaufenthalt in der Zeit zwischen 337 und 357 für möglich. 4 Amm. 21,10,6 ubi Victorem apud Sirmium visum scriptorem historicum exindeque venire praeceptum, Pannoniae secundae consularem praefecit (sc. Iulianus) et honoravit aenea statua, virum sobrietatis gratia aemulandum, multo post urbi praefectum.

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trug1, lässt sich nur spekulieren.2 Die Übernahme der Statthalterschaft bedeutete jedoch, dass sich Victor in der eskalierenden Rivalität zwischen Julian und Constantius II. von seinem bisherigen Dienstherrn abwandte und auf die Seite des Herausforderers stellte. Außerdem zeichnete Julian Victor mit einer Bronzestatue aus, deren Aufstellungsort bei Ammian jedoch ungenannt bleibt. Hierbei dürfte es sich um eine zusätzliche, von der Statthalterschaft unabhängige Ehrung handeln, die bisweilen mit Victors literarischer Tätigkeit in Verbindung gebracht wird. Da nämlich die Abfassung der Historiae abbreviatae noch nicht lange zurücklag (vgl. 42,20) und Victor von Ammian ausdrücklich in seiner Kapazität als scriptor historicus bezeichnet ist, besteht angesichts derartiger Ehrenstatuen in Rom die Vermutung, dass Julian ihn als vir litteratus für sein Geschichtswerk ausgezeichnet habe.3 Allerdings ist ungewiss, ob der hochgebildete Julian die historisch anspruchslose Überblicksdarstellung eingehend gelesen und für auszeichnungswürdig befunden hat.4 Wie auch immer die offizielle Begründung für die Statue gelautet haben mag, sie zeugt von Julians Wertschätzung Victors.5 Die Statthalterschaft über die Provinz hatte Victor höchstens bis zum Mai 365 inne, denn zu jenem Zeitpunkt ist ein gewisser Fortunatus als consularis der Pannonia Secunda belegt.6 Vielleicht ist er – wie andere hochgestellte Beamte – bereits kurz nach Julians Tod im Juni 363 von Jovian oder Valentinian I. abgesetzt worden. Bis zur Bekleidung der Stadtpräfek1

Vgl. Nixon, Historiographical study 17; Penella, Lowly Born Historian 126; B. Näf, Senatorisches Standesbewusstsein in spätrömischer Zeit, Freiburg 1995, 55. Den Boer, Some minor Roman historians 28 nimmt hingegen an, dass Victor bereits senatorischen Rang besaß, ebenso Bonamente, Minor Latin historians 86 f. 2 In dem im Folgejahr gehaltenen Panegyrikus auf Julian bescheinigt Claudius Mamertinus diesem, für die Leitung der Provinzen gerade nächsten standen, ausgewählt zu haben, sondern Männer von höchster Integrität (innocentissimus), vgl. Paneg. 3(11),25,5. 3 So Bird, Aurelius Victor ix: „Julian must have ... been impressed with the general sentiments of his book.“ Vgl. zu den Statuen den Boeft u. a., Philological and historical commentary on Ammianus Marcellinus XXI, Groningen 1991, 139. H. Niquet, Monumenta virtutum titulique. Senatorische Selbstdarstellung im spätantiken Rom, Stuttgart 2000, 20 Anm. 26 nimmt eine Aufstellung in Rom an. 4 Für die gegenteilige, weit verbreitete Meinung vgl. etwa Bonamente, Minor Latin historians 92. 5 Nixon, Aurelius Victor 119 vermutet hinter der Statue „some special service for Julian during the latter’s two-day sojourn in Sirmium.“ 6 Vgl. Cod. Theod. 8,5,27 (28. Mai 365).

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tur Roms rund ein Vierteljahrhundert später fehlt indes jegliches Zeugnis zu Victors Leben.1 Als Dank für seine Ernennung zum Stadtpräfekten stiftete er Theodosius I. in Rom eine Statue, durch deren Weihinschrift sich Victors Amtszeit in die Zeitspanne 388/389 datieren lässt.2 Neben Victors vollständigen Namen bezeugt die Inschrift auch seine Funktion als Richter am Kaisergericht, die sich vielleicht nur auf wenige Wochen im Sommer 389 beschränkte, als Theodosius I. vom 13. Juni bis zum 1. September in Rom weilte und seinen Triumph über den Usurpator Maximus feierte.3 Victor selbst dürfte bereits seit längerem dort ansässig gewesen sein und im Zirkel der heidnischen Senatoren verkehrt haben;4 vermutlich stand er auch mit Ammianus Marcellinus im Kontakt, der in Rom mit der Abfassung seines eigenen Geschichtswerks beschäftigt war.5 Die Übertragung der prestigeträchtigen Stadtpräfektur an einen Anhänger der altrömischen Religion entspricht der Politik des Christen Theodosius I., dem nach seinem Sieg im Bürgerkrieg die faktische Macht über das Westreich zugefallen war und der sich nun bemühte, die westlichen Eliten in sein Herrschaftssystem einzubinden. Dazu gehörte etwa die Beförderung des Virius Nicomachus Flavianus zum Prätorianerpräfekten ebenso wie die großherzige Ernennung des Quintus Aurelius Symmachus zum Konsul, obwohl dieser sich durch eine Lobrede auf den Usurpator

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H. W. Bird, What makes emperors bad?, in: P. Defosse (Hg.), Hommages à Carl Deroux, Bd. 3, Brüssel 2003, 73–9, hier 74 nimmt an, dass Victor bis zur Stadtpräfektur kein öffentliches Amt mehr bekleidete, dagegen Penella, Lowly Born Historian 123: „Undoubtedly he held further offices in the next decades.“ 2 CIL VI 1186 (= ILS 2945) [ve]terum principium clementiam [sa]nctitudinem munificentiam supergresso, d(omino) n(ostro) Fl(avio) Sex(tus) Aur(elius) Victor v(ir) c(larissimus), urbi praef(ectus) iudex sacrarum cognitionum, d(evotus) n(umini) m(aiestati)q(ue) e(ius). Die Statue stand auf dem Traiansforum, vgl. http://laststatues.classics.ox.ac.uk/database/detail.php?record=LSA-1304; Zur Datierung der Stadtpräfektur, vgl. Chastagnol, Les fastes de la Préfecture 232 f.; Nixon, Historiographical study 19 f. 3 Vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 389; Marcell. chron. II 389,1 und Destephen, Le voyage impérial 378. 4 Den in einem Brief des Symmachus (epist. 2,66,2) genannten „Victor spectabilis vir“ möchte J. P. Callu, Symmaque, Lettres, Bd. 1, Paris 1972, 198 Anm. 2 gegen PLRE 1,960 und Chastagnol, Les fastes de la Préfecture 233 nicht mit Aurelius Victor identifizieren. 5 Vgl. P. Hermann Die geschichtliche Litteratur über die römische Kaiserzeit bis Theodosius I, Leipzig 1897, 132 und Starr, Aurelius Victor 580.

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Maximus kompromittiert hatte.1 Wenn daher Victor in der Weihinschrift für Theodosius I. diesem bescheinigt, die früheren Kaiser an Milde (clementia), Heiligkeit (sanctitudo) und Großzügigkeit (munificentia) übertroffen zu haben, besteht der Verdacht, dass auch Victor selbst sich mit dem Regime des Maximus zu sehr eingelassen hatte, zumal der Usurpator zwischenzeitlich von Theodosius als legitimer Augustus anerkannt gewesen war. Insgesamt dürfte sich die Situation um 389 in Rom nicht wesentlich von der um 312 unterschieden haben, als der Bürgerkriegssieger Konstantin – in Victors Worten – „alle seine Gegner in Gnade aufnahm“ und ihm im Gegenzug dafür „Statuen an den meistfrequentierten Orten aufgestellt wurden“ (vgl. 41,4 und 40,28).2 Für den Aufsteiger aus Africa bildete die Übernahme der Stadtpräfektur Roms sicherlich die kaum erträumte Kulmination seiner Ämterkarriere. Sie ist zugleich auch das letzte bekannte Detail aus dem Leben jenes Mannes, der sich der Geschichte und Tradition dieser altehrwürdigen Stadt so verbunden fühlte. 2. Zum Werk Wie aus dem überlieferte Titel hervorgeht, erheben die Historiae abbreviatae den Anspruch, zum Genre der Geschichtsschreibung zu gehören. Die ‚Kürzung‘ der Historiae bezieht sich dabei auf die Ausführlichkeit der Erzählung, nicht etwa den zeitlichen Rahmen, der sich laut Untertitel auf die gesamte bis dahin reichende Kaiserzeit erstreckt (31 v. Chr. bis 360 n. Chr.). Erwartungsgemäß ist die Ereignisdarstellung sowohl in chronologisch-struktureller wie inhaltlicher Hinsicht durch die Kaiser geprägt, sodass das Werk nicht zu Unrecht als „Biographiensammlung“ angesehen wird.3 Auch der Kirchenvater Hieronymus vermochte die Hauptwerke des Tacitus (Annales und Historiae) im Wesentlichen als „Kaiserbiographien“ aufzufassen und bringt damit den Truismus auf den Punkt, dass die Geschichtsschreibung der ‚Kaiserzeit‘ sich größtenteils mit der Geschichte

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Vgl. H. Leppin, Theodosius der Große, Darmstadt 2003, 143–5. Chastagnol, La Préfecture urbaine 441 vermutet dagegen, dass Theodosius sich aufgrund seines angespannten Verhältnisses zum Mailänder Bischof Ambrosius mit dem stadtrömischen Senatsadel gutstellen wollte. 2 Theodosius’ Generalamnestie erwähnt auch Pacatus in Paneg. 2(12),45,4–7. 3 Vgl. Christ, Kaiserideal und Geschichtsbild 177 und öfter.

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der Kaiser deckt.1 In der Tat stehen die Historiae abbreviatae den Biographien Suetons viel näher als der breiten und anspruchsvolleren Erzählung des Tacitus. Wesentlicher Grund hierfür liegt in der Benutzung der sogenannten Enmannschen Kaisergeschichte (EKG), jenes von Alexander Enmann auf der Basis der Übereinstimmungen zwischen Victor, Eutrop und anderen Autoren erschlossene Werk über die römischen Kaiser, das Victor als Hauptquelle diente.2 Dieses Werk war vermutlich in der Weise biographisch angelegt, dass „jedes leben ein bestimmt abgerundetes ganzes gebildet hatte“3, wie aus Eutrops Breviarium geschlossen werden darf, von dem man annimmt, dass es die ursprüngliche Form der EKG getreuer bewahrt als die Historiae abbreviatae. Dennoch lassen sich Elemente ausmachen, die als Bestreben Victors zu werten sind, nicht bloß vitae, sondern regelrechte historiae zu verfassen.4 Hierzu gehören die in seine Darstellung der Ereignisse eingestreuten persönlichen Anmerkungen, die über das ganze Werk verteilt, immer wieder einzelne Begebenheiten kommentieren oder von den erzählten Vorkommnissen inspiriert sind. Die Äußerungen changieren dabei zwischen kurzen Sentenzen, topischen Lebensweisheiten und kritischen Bemerkungen über gesellschaftspolitische Missstände der eigenen Zeit. Hierbei dient der Victor geistig verwandte Moralist Sallust als wichtigstes literarische Vorbild, dessen Spuren die gesamten Historiae abbreviatae durchziehen.5 Eine unverkennbare, wenn auch wesentlich geringere Rolle als Sallust spielt Tacitus. Weshalb sich die inhaltlichen Anklänge an dessen Annales jedoch nur in den ersten beiden Abschnitten über Augustus und Tiberius finden, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, aber vielleicht war die Lektüre des umfangreichen Werkes für Victors intendierte Zwecke (dazu unten) schlichtweg zu aufwändig. 1

Hier. in Zach. 3,14 Cornelius quoque Tacitus, qui Domitiani vitas Caesarum triginta voluminibus exaravit. Hingegen Victors Werk nennt er an anderer Stelle historia, vgl. Hier. epist. 10,3. 2 Vgl. Enmann, Eine verlorene Geschichte. Daneben dürfte Victor für die Zeit bis Domitian auch Sueton bzw. eine erweiterte Fassung seines Werkes hinzugezogen haben, vgl. Enmann 413. 3 Enmann, Eine verlorene Geschichte 436. Daneben dürfte für die Zeit bis Domitian auch Sueton bzw. eine erweiterte Fassung seines Werkes hinzugezogen worden sein, vgl. Enmann 413. 4 Vgl. Leo, Die griechisch-römische Biographie 307 („rein biographischer Stoff … in die Form einer historischen Darstellung gebracht“), Starr, Aurelius Victor 576 und Bleckmann, Überlegungen zur Enmannschen 21. 5 Siehe dazu unten Kap. II. 7. Sprache und Stil.

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Ein weiteres Merkmal, das die Historiae abbreviatae als Geschichtswerk erscheinen lässt, ist die Kontinuität der Darstellung und die Art und Weise, wie die einzelnen aufeinander folgenden Biographien miteinander verknüpft sind. Victors eigenständige Gestaltung der Übergänge zwischen den ohnehin erst neuzeitlich konstituierten ‚Kapiteln‘ erhellt aus dem Vergleich mit der schlichten Kompositionsweise Eutrops.1 Bei diesem wird im kaiserzeitlichen Teil des Breviarium der Anschluss eines Kapitels an das vorherige nahezu schematisch mit Formulierungen wie „ihm folgte Caius Caesar“2 oder „nach ihm kam Claudius“3 gebildet. Auch Victor markiert eine neue Kaiserherrschaft meistens durch den Namen des neuen Kaisers, aber gleichzeitig gelingt es ihm auf viel kreativere und abwechslungsreichere Weise, eine Verbindung von der einen Herrschaft zur nächsten herzustellen. So fallen etwa der Tod des Tiberius und die Herrschaftsübernahme durch Caligula in ein einziges Satzgefüge (3,1) oder umgekehrt wird eine detailreiche Erzählung inklusiver Rückblenden zwischen Caligulas Tod (3,14) und dem Herrschaftsantritt des Claudius (4,1) eingeschoben, so dass es keine klare Trennung gibt. Der Übergang von Vespasian zu Titus (10,1) wird etwa dadurch geschaffen, dass gegen Ende des Vespasiankapitels der Jüdische Krieg von 69/70 n. Chr. als eine von Vespasians Erfolgstaten genannt wird, wobei gleichzeitig auch die Kampfbeteiligung und der damit verbundene Sieg des Titus erwähnt werden (9,10), bevor wenige Zeilen danach das eigentliche Tituskapitel einsetzt und dies wiederum mit einem Rückverweis auf Vespasian (10,1). Zu Nerva, bei dem keinerlei Verbindung zu den Flaviern bestand, wird dadurch eine Brücke geschlagen, dass Gedanken über die geographische Herkunft der römischen Kaiser angestellt werden, um in der Folge Nerva (allerdings irrtümlich) als auswärtigen Kaiser einzuführen (11,12 f.–12,1). Bereits an diesen wenigen Beispielen zeigt sich der eigenständige Gestaltungswille, mit dem Victor durch Komposition und Inhalt die Kapitel Chr. kunstvoll miteinander verzahnt.4 Ab dem Bürgerkrieg zwischen Carinus und Diocletian und dem anschließenden Mehrherrschaftssystem der Tetrarchie entfällt die herkömmliche Abfolge separater Kaiserherrschaften,

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Siehe zur Kapiteleinteilung unten Kap. II. 1. Eutr. 7,12,1 successit ei C. Caesar; vgl. 7,14,1; 7,16,1; 7,19,1; 7,21,1 u. ö. 3 Eutr. 7,13,1 post hunc Claudius fuit; vgl. 8,9,1; 8,11,1; 8,17; 9,1; 9,4 u. ö. 4 Vgl. Schlumberger, Epitome de Caesaribus 55 Anm. 182. 2

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so dass sich wie von selbst eine organisch verwobene Erzählung ergibt, die am Ende in die Herrschaft des Constantius II. mündet.1 Die Länge der einzelnen Kapitel fällt dabei recht unterschiedlich aus, ohne dass dies immer der realen Regierungsdauer eines Kaisers oder dem Umfang seiner erbrachten Leistungen geschuldet wäre. Während die ‚Biographie‘ des Augustus, der immerhin den Prinzipat begründet und 44 Jahre geherrscht hat, mit 150 Wörtern eher kurz ausfällt, ist der rund vierjährigen Amtszeit Caligulas mehr als die dreifache Länge zugestanden, wobei das Kapitel mit skurrilen Anekdoten über Caligula, Viktors Gedanken über Nachkommenschaft und das spätantike Heer sowie der Vorgeschichte zu Claudius’ Kaisererhebung angefüllt ist. Im Fall des Septimius Severus, dem eines der längsten Kapitel gewidmet ist – hier kommt Victor auch auf sich selbst zu sprechen –, erklärt sich die Ausführlichkeit unter anderem mit Victors Wunsch, dem afrikanischen Landsmann einen respektablen Platz in seinem Werk zukommen zu lassen. Das ebenfalls umfangreiche Kapitel über Gallienus wiederum ist unter anderem durch die Erwähnung der zahlreichen Usurpationen während seiner Herrschaft bedingt. Allerdings führt die Absicht Victors, Gallienus als überaus schlechten Kaiser zu brandmarken, dazu, dass in diesem Kapitel auch einige Gegenkaiser des Gallischen Sonderreichs genannt sind, deren Regierungszeiten bereits in die Phase nach Gallienus’ Tod fallen.2 Überhaupt ist die Aufmerksamkeit beachtlich, die Victor wiederholt den Gegenkaisern und Usurpatoren schenkt, ganz gleich, ob es sich dabei um erfolgreiche Machthaber handelt, die wie Postumus und Carausius während Jahren über ein eigenes Teilreich herrschten, ob um kurzzeitige Usurpatoren, die von ihren Heeren zum Augustus ausgerufen und schon bald wieder beseitigt wurden, oder ob um völlig bedeutungslose Rebellen wie Calocaerus und Patricius, deren lokal begrenzte Aufstandsversuche rasch beendet wurden. Entsprechend ausführlich werden zudem die mit den U kriegskonflikte behandelt, besonders ab der Zeit der Reichskrise im 3. Jahrhundert, als die Kaiser vermehrt „zum Kampf gegeneinander rüsteten“ (24,9), aber auch während der Phase der Tetrarchie und nochmals verstärkt nach Diocletians und Maximians Abdankung, auf die „innenpolitische Rückschläge“ (39,48) folgten. Hieraus dürfte sich übrigens der Titel „Ge1

Bereits die Kapitel 6–8 (68/69 n. Chr.) und 26–27 (238 n. Chr.) sind aus ereignisgeschichtlichen Gründen weniger streng biographisch gestaltet, vgl. Schlumberger, Epitome de Caesaribus 31. 2 Vgl. Kommentar zu 33,8 Nach der Vertreibung.

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schichte der Bürgerkriege“ erklären, der bei Johannes Lydus für Victors Werk gebraucht wird.1 Neben dem Namen des Kaisers finden sich zu Beginn der Kapitel wiederholt Angaben zur jeweiligen ‚Herkunft‘. Hierbei kann es sich um die geographische, ethnische, soziale (oder bei Söhnen die verwandtschaftliche) Herkunft oder eine Kombination daraus handeln. Diese Angaben, die auch häufig bei Eutrop an dieser Stelle vorkommen, hat Victor der EKG entnommen, wo sie fester Bestandteil der „eingangsstücke zur geschichte der einzelnen kaiser“ waren.2 Jedoch weicht Victor gelegentlich von der Anordnung seiner Quelle ab, um das vorgegebene Schema der Viten zu durchbrechen, und verlegt die besagten Details – wenn er nicht ganz auf sie verzichtet – an andere Stellen. So findet sich z. B. die bei Eutrop am Anfang stehende Herkunftsangabe des Septimius Severus bei Victor erst innerhalb des langen Kapitels und zudem auf zwei unterschiedliche Stellen verteilt wieder3 oder wird der Heimatort des Carus – bei Eutrop wiederum zu Beginn genannt – hinter die Nachricht vom Tod seines Sohnes Carinus transponiert, um so im Abschnitt über Diocletian das „Ende des Carus und seiner Söhne“ zu markieren.4 Ähnliches gilt für die jeweilige Regierungsdauer, die in der EKG zum „beschluss der biographien“ gehörte und deshalb auch bei Eutrop regelmäßig gegen Ende angegeben wird.5 Hierbei manifestiert sich erneut sein ausgeprägter Gestaltungswille. Wie frei Victor mitunter mit der Angabe der Regierungsdauer verfährt, ersieht man etwa bei Vespasian, dessen Regierungszeit – zusammen mit der des Titus – erst am Ende des Tituskapitels genannt ist (10,5), oder bei der kumulierten Dauer für Carus und seine Söhne (39,12). Im Fall des Caligula wird die Dauer nicht als Ganzes genannt, sondern ergibt sich aus den ersten zehn Monaten, die er gut geherrscht hat, und den anschließenden drei Jahren seiner Tyrannei (3,8 f.). 1

Lyd. mag. 3,7,4 Οὐΐκτωρ ὁ ἱϲτορικὸϲ ἐν τῇ Ἱϲτορίᾳ τῶν Ἐμφυλίων (...). Enmann, Eine verlorene Geschichte 417 (Zitat 418). 3 Vgl. 20,6 „ein Charakteristikum unseres Volkes … so wie Severus selbst“ und 20,19 „von der Tripolitana, aus deren Stadt Leptis er stammte“ mit Eutr. 8,18,1 „er stammte aus Africa, aus der Provinz Tripolitana, aus der Stadt Leptis“. 4 Vgl. 39,12 „Narbonne war ihre Heimatstadt“ mit Eutr. 9,18,1 „geboren in Narbonne in Gallien.“ 5 Enmann, Eine verlorene Geschichte 420. Hingegen nannte die EKG das genaue Sterbealter offenkundig nur bei den ‚suetonischen‘ Kaisern; Victor gibt –ähnlich wie Eutrop – außer bei einigen Kaisern des 1. Jahrhunderts (vgl. 3,1; 8,6; 10,5; 11,7) nur noch bei Konstantin (41,16) das Sterbealter an. 2

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Die Herrschaft eines Kaisers wird in der Regel nach den herkömmlichen Kategorien domi militiaeque1 betrachtet, also einerseits im Hinblick auf die zum Wohle der Untertanen im Reich erbrachten Leistungen, zu denen etwa die Errichtung öffentlicher Bauten zählt, und andererseits im Hinblick auf die Erfolge als Feldherr im Krieg gegen auswärtige Völker und bei der Erweiterung des Reichsgebietes, wobei Victor selbstverständlich eine imperiale Außenpolitik befürwortet (vgl. 24,9) und gelegentlich die hinzuerworbenen Provinzen benennt.2 Selbst militärische Tatenlosigkeit beklagt er mehr als eine desaströse Niederlage, wie sie Decius im Gotenkrieg (29,4 f.) und Valerian auf dem Perserfeldzug (32,5) wiederfuhr, die er beide für ihr klägliches Versagen aber nicht verdammt. 3 Die Einhaltung und Ausarbeitung dieses Schemas ist zwar von den historischen Begebenheiten mitbestimmt, jedoch wird Ausgewogenheit, ganz abgesehen von Vollständigkeit – vielleicht auch aus Gründen der variatio – nirgends angestrebt.4 Neben diesen konventionellen Rubriken schenkt Victor dem Aspekt der Bildung und den doctae artes (20,2), denen er seinen eigenen Aufstieg und Karriere im Verwaltungsdienst verdankt, gesonderte Beachtung. Dieser Themenkomplex durchzieht das ganze Werk von Augustus an, der sich als „eifriger Förderer der Gelehrten“ betätigte und selber „vom Studium der Rhetorik“ gefesselt war (1,5), über Hadrian, der in Rom „sogar eine Lehrstätte für die freien Künste“ errichtete (14,3) und Septimius Severus, der eine Autobiographie „mit ebenso viel Schmuck wie Wahrhaftigkeit“ verfasste (20,22), bis hin zu Constantius II., dessen „literarische Bildung“ und „Stil beim Ausschmücken seiner Reden“ er lobend hervorhebt (42,23). 1

Neben domi militiaeque (16,2, vgl. 42,4) wird die Wendung auch variiert: 11,3 domi belloque; 13,2 domi seu militiae; 20,23 domi forisque. 2 Vgl. 1,2 (Raetia, Illyricum); 2,3 (Cappadocia); 4,2 cia, Mesopotamia), ferner 20,15 f. und 39,36 f. Auch hierbei ist keine Vollständigkeit beabsichtigt, wie etwa die Provinzen Cilicia Trachia und Commagene belegen, die Eutr. 7,19,4 nennt (vgl. Epit. Caes. 9,13), aber in Victors Vespasiankapitel fehlen. 3 Bei Antoninus Pius’ Passivität (15,4 f.) macht Victor eine Ausnahme; ansonsten merkt er derartiges Verhalten negativ an, vgl. 2,3; 3,11; 14,5; 33,6; 40,20 bzw. hebt umgekehrt besondere Kriegsbereitschaft positiv hervor, vgl. 4,2; 8,4; 9,10; 11,3; 13,3; 16,2 u. 4; 20,14; 21,2; 24,2; 26,1; 27,8; 34,4 f.; 35,1 f. u. ö. 4 Vgl. etwa zu Hadrian Bonamente, Minor Latin historians 96: „Victor neglects the major tours throughout the empire and every aspect of foreign and administrative politics“, ähnlich Christ, Kaiserideal und Geschichtsbild 182. Lediglich im Fall von Macrinus und seinem Sohn vermerkt Victor apologetisch, dass er über sie „nichts weiter berichtet findet als ihren brutalen und tyrannischen Charakter“ (22,3).

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Aber auch hierbei wird keine Vollständigkeit angestrebt, wie die Biographie des Claudius illustriert, in welcher seine Tätigkeit als Antiquar und Historiker nicht einmal angedeutet wird.1 Fraglos erwartet Victor vom römischen Kaiser, dass er über eine gründliche Bildung verfügt, aber ebenso auch von einem jeden anständigen Mann (bonus vir). In einem Rückblick am Ende des Vitelliuskapitels, der zugleich als Übergang zum Vespasiankapitel dient, äußert er sich zur Rolle der Bildung so: „Alle diese Kaiser, die ich in knappen Zügen behandelt habe, besonders aber die aus der Familie der Caesares waren so sehr mit Bildung (litterae) ausgestattet und in Beredsamkeit (eloquentia) geübt, dass, wären sie mit Ausnahme von Augustus nicht in allen Lastern maßlos gewesen, ihre bedeutenden (sc. akademischen) Fertigkeiten mäßig große Schandtaten gewiss überdeckt hätten. Obgleich hinreichend feststeht, dass wichtiger als diese angeeignete Bildung der Charakter (mores) ist, ist dennoch für einen jeden guten Mann, besonders aber für den Lenker des Staates, wenn möglich, beides gleichermaßen vonnöten.“ (8,7 f.) Victor dürfte sich in seiner Ansicht durch einen jüngst ergangenen Kaisererlass bestätigt gefühlt haben – wenn nicht sogar davon inspiriert worden sein –, in welchem nicht nur die litteratura zur „größten alle Tugenden“ deklariert, sondern auch festgelegt wird, dass niemand im Verwaltungsdienst einen „ersten Rang“ bekleiden solle, außer er glänze „erwiesenermaßen im Gebrauch und in der Ausübung der studia liberalia und sei im Schreiben so bewandert, dass er Sätze hervorbringen kann, ohne gegen die Regeln zu verstoßen.“2 Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass die Forderung nach Bildung bei Victor direkt an zweiter Stelle nach einem guten Charakter steht und Bildung somit noch vor militärischer virtus rangiert. Victors Erwartung haben die Kaiser bis einschließlich Severus Alexander denn auch erfüllt, stammten sie doch nahezu alle aus s Kreisen. Keinem von ihnen wirft Victor daher mangelnde Bildung vor; im

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Vgl. Suet. Claud. 41,2 f. und Christ, Kaiserideal und Geschichtsbild 179 f. Auch die ‚Selbstbetrachtungen‘ Marc Aurels bleiben unerwähnt. 2 Vgl. Cod. Theod. 14,1,1 (24. Febr. 360) In decuriarum ordine insigni, cui librariorum vel fiscalium sive censualium nomen est, nequaquam aliquis locum primi ordinis adipiscatur nisi is, quem constiterit studiorum liberalium usu adque exercitatione pollere et ita esse litteris expolitum, ut citra offensam vitii ex eodem verba procedant. (…) Ne autem litteraturae, quae omnium virtutum maxima est, praemia denegentur (…). Vgl. zur Datierung Destephen, Le voyage impérial 363.

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Gegenteil hebt er Einzelne für ihre Gelehrsamkeit sogar noch heraus.1 Defizite konstatiert er zum ersten Mal bei dem Soldatenkaiser Maximinus Thrax, der „nahezu ohne Bildung“ war (25,1). Entsprechend setzt Victor die sich entfaltende Krise des 3. Jahrhunderts in Korrelation dazu, dass nunmehr „die Staatsgeschäfte sogar den hinsichtlich ihrer Geburt und Bildung Niedrigsten“ überlassen wurden (24,11). Für Victor ist es völlig inakzeptabel, dass gemeine Männer aus dem Soldatenstand die Kaiserwürde bekleiden. Allerdings sieht er für diese folgenschwere Entwicklung auch eine Mitverantwortung bei den Senatoren, die „das sogar billigten, da sie es für gefährlich hielten, sich waffenlos dem Bewaffneten zu widersetzen.“2 Inbegriff der heillosen Zustände in der verhängnisvollen Zeit des Gallienus ist die Usurpation eines gewissen Marius, der als Eisenschmied nicht einmal militärisch sonderlich fähig war (33,9). Es illustriert für Victor aber, wie „alles bis zum Letzten heruntergekommen war, dass derartige Leute die Oberbefehlsgewalt und Auszeichnung sämtlicher Tugenden zum Gespött machten.“3 Vor diesem Hintergrund erzürnt es Victor umso mehr, dass Gallienus dem Senatorenstand untersagte, eine Militärkarriere einzuschlagen (33,34), wären doch gerade Vertreter dieses Standes die nötigen Befehlshaber gewesen und hätten durch ihre Anwesenheit im Lager verhindert, dass ein beliebiger Militär sich leichtfertig zum Imperator ausrufen ließ (37,6) – jedenfalls in der Vorstellung Victors, der die komplexen Zusammenhänge der Reichskrise des 3. Jahrhunderts zu verkennen scheint und sogar ein regelrechtes Edikt des Gallienus postuliert (37,4), das es wohl nie gegeben hat. Victor glaubt zudem, dass es eine kurze Gelegenheit unter Kaiser Tacitus gegeben habe, den Erlass des Gallienus rückgängig zu machen, aber dass diese von den Senatoren nicht ergriffen wurde, und sie so „den Soldaten und beinahe den Barbaren den Weg bahnten, über sie selbst und ihre Nachkommen zu herrschen.“4 Von den Tetrarchen heißt es dementsprechend wenig später ausdrücklich, stammten, das als unzivilisiert und hinterwäldlerisch galt, und sie „nur wenig Bildung“ besaßen. Dennoch hält es ihnen Victor erstaunlicherweise zu-

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Z. B. Titus (10,1), Marc Aurel (16,1), Helvius Pertinax (18,1), Septimius Severus (20,22). 2 25,2 quod tamen etiam patres, dum periculosum aestimant inermes armato resistere, approbaverunt. 3 33,10 proinde cuncta ad extremum reciderant, uti talibus imperia ac virtutum omnium decus ludibrio essent. 4 37,7 munivere militaribus et paene barbaris viam in se ac posteros dominandi.

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gute, dass sie „mit den Mühsalen des Landlebens und des Militärdienstes bestens vertraut“ waren, und erachtet die Tetrarchen als geradezu „ideal für den Staat“.1 Auch wenn sich die Gesamtlage im Reich unter Diocletian tatsächlich wieder zum Besseren wendete, spielt bei der positiven Bewertung der Tetrarchen vielleicht die Tatsache mit hinein, dass sich unter ihnen Constantius I. befand, der immerhin der Großvater der regierenden Kaiser Constantius II. und Julian war. Denn seine Abneigung gegen ungebildete Usurpatoren, zumal aus den Donauprovinzen, hat Victor keineswegs abgelegt, wie die Charakterisierung des Domitius Alexander (39,17) oder des Vetranio (41,26) bezeugt.2 Aber Constantius I., der kein Usurpator, jedoch der Gründer der herrschenden Dynastie war, wird deshalb nicht völlig glorifiziert. An ihm sowie Galerius, die aufgrund ihrer „natürlichen Talente“ bewundernswert gewesen seien, erläutert Victor seine Vorstellung eines vollkommenen Kaisers. Die beiden bewiesen nämlich, wie sehr „Gelehrsamkeit, Kultiviertheit und Anstand gerade für Herrscher unabdingbar seien, da ohne sie die natürlichen Talente sozusagen ungekämmt oder sogar struppig sind und damit geringgeschätzt werden.“3 Dieses Manko des Großvaters konnte in der Zwischenzeit Constantius II. aber beheben, bescheinigt ihm Victor nicht nur „eine geschmackvolle literarische Bildung und einen sanften und angenehmen Stil beim Ausschmücken seiner Reden“ (42,23), sondern habe Constantius sogar den Usurpator Vetranio allein „durch die Kraft seiner Redegabe“ der Herrschaft zu entkleiden vermocht (42,1). Über eine ebenso gediegene, eher noch höhere Bildung verfügte auch Julian, der in diesem Zusammenhang aber unberücksichtigt bleibt. Demnach verfasste Victor die Historiae abbreviatae offensichtlich allein mit dem Augustus Constantius II. vor Augen, in dessen Herrschaftsbereich er sich damals aufhielt. Dafür, dass es sich bei dem Werk um einen kaiserlichen Auftrag handelt, wie es bei Eutrop

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39,26 his sane omnibus Illyricum patria fuit, qui, quamquam humanitatis parum, ruris tamen ac militiae miseriis imbuti satis optimi rei publicae fuere. 2 Vgl. 40,17: „Alexander, der … durch sein bäurisches und pannonisches Elternhaus reichlich stumpfsinnig war“ und 41,26: „Vetranio, der völlig ungebildet und von törichtem Verstand und deswegen in seinem bäurischen Stumpfsinn äußerst katastrophal war, … er stammte aus den unwirtlichen Gegenden der Moesia Superior.“ 3 40,13 quare compertum est eruditionem elegantiam comitatem praesertim principibus necessarias esse, cum sine his naturae bona quasi incompta aut etiam horrida despectui sint.

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der Fall ist, gibt es keinen Hinweis.1 Zu denken gibt aber der Umstand, dass Victor seine Darstellung bis in die unmittelbar eigene Gegenwart herabführt.2 Denn mit dem Einbeziehen des regierenden Kaisers in die Darstellung verstößt er gegen das ungeschriebene Gesetz der Geschichtsschreibung, demzufolge die Gegenwart des Verfassers auszusparen sei, um den Vorwurf der tendenziösen Voreingenommenheit zu vermeiden.3 Wenn also selbst Eutrop sich in seinem Breviarium (10,18,3) an diesen Grundsatz hält, stellt sich die Frage, wie ernsthaft Victors Ansinnen ist, regelrechte Geschichtsschreibung zu betreiben, und welches Ziel er eigentlich mit seinem Werk verfolgt. Nach vorherrschender Ansicht fanden historische Breviarien im Schulbetrieb oder bei der Unterweisung einer unzureichend gebildeten Beamtenschaft Verwendung.4 Ob jedoch Victors Historiae abbreviatae zu diesem Zweck verfasst wurden, scheint eher fraglich, bedenkt man, dass er beim Leser ein gewisses historisches Wissen bereits voraussetzt. Dazu zählt die Vertrautheit mit den legendären Königen Romulus, Numa, Tarquinius Priscus und Tarquinius Superbus als auch republikanischen Gestalten wie L. Iunius Brutus, den Decii Mures, Mʹ. Curius Dentatus, C. Fabricius Luscinus, C. Marius und M. Iunius Brutus.5 Selbst der persische König Kyros der Große dient wie selbstverständlich als historisches Exempel, so dass bald der Eindruck entsteht, Victor wolle nicht so sehr Wissen vermitteln als vielmehr mit dem eigenen glänzen.6 Hinzu kommt Victors eigenwilliger Stil, der vergleichsweise ungeeignet für ein Werk erscheint, das primär zur Vermittlung von Grundwissen gedacht gewesen sei.7 Auch hierbei 1

Penella, Lowly Born Historian 130 glaubt, dass „the work was entirely Victor’s idea“, will die Möglichkeit eines kaiserlichen Auftrags aber nicht kategorisch ausschließen. 2 Die umstrittene Frage, wie weit die EKG, die Victor als Hauptquelle dient, zeitlich reichte, kann hier übergangen werden, vgl. zu den unter namente, Minor Latin historians 94. 3 Vgl. Kommentar zu 42,1 Constantius. 4 Vgl. A. Bettenworth / P. Schenk, Einleitung, in: dies. (Hgg.), Rufius Festus, Kleine Geschichte des römischen Volkes, Berlin 2020, 9–39, hier 17. 5 Romulus (24,8; 35,12), Numa (1,3; 14,1), Tarquinius Priscus (4,15; 11,12), Tarquinius Superbus und L. Iunius Brutus (3,14), Decii Mures (34,2), Curius Dentatus und Fabricius Luscinus (18,2), Marius (39,6), M. Iunius Brutus (29,4). 6 Kyros (40,13). Der Afrikaner Hannibal kommt ebenfalls vor, vgl. 37,2 f. 7 Vgl. Starr, Aurelius Victor 576: „an affected style with tortured word order, involved sentences, and artificial conceits“; M. Fuhrmann, Rom in der Spätantike, Zürich 1994, 116: „Das Buch ist leider keine bequeme Lektüre: der Stil überbietet die Gedrängtheit und die asymmetrischen Fügungen des Sallust und des Tacitus“; Kap. II. 7. Sprache und Stil.

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drängt sich der Eindruck auf, dass es Victor vorrangig darum ging, seine Fähigkeit zu demonstrieren, im sallustianischen Stil schreiben zu können und diesen – etwa durch den manieristischen Gebrauch des Komparativs anstelle des Positivs1 – gewissermaßen perfektioniert zu haben.2 In der Tat darf hierin der wesentliche Sinn und Zweck seines Unterfangens zu sehen sein. Hierzu griff er als Vorlage auf die EKG zurück, deren Text er gekürzt und kompositorisch umgeformt, vor allem aber sprachlich und stilistisch völlig umformuliert hat. Den Stoff der in einem einfachen Stil verfassten Kaiserbiographien verarbeitete er zu einer leidlich fortlaufenden Darstellung, die den rhetorisch anspruchsvolleren Stil der Geschichtsschreibung imitiert. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang eine Bemerkung des Verfassers der Historia Augusta, der den Biographen ‚Flavius Vopiscus‘ Folgendes über sein schriftstellerisches Tun mitteilen lässt: „Nur dies wünsche ich ausdrücklich festgestellt zu haben, dass ich den Stoff geliefert habe, den, wer will, in höherem Stil (eloquio celsiore) glänzender darlegen mag, sowie dass es meine Absicht war, in der Behandlung von Leben und Zeit der Kaiser nicht Männer wie Sallust, Livius, Tacitus, Trogus und alle Meister der Kunstprosa (dissertissimi viri) nachzuahmen, sondern den Marius Maximus, den Suetonius Tranquillus … und die übrigen, die diese und ähnliche Themen nicht so sehr ausgefeilt (diserte), als vielmehr wahrheitsgemäß niedergeschrieben haben.“3 Auch wenn hier zu Unrecht Schreibstil und Wahrheitsgehalt gegeneinander ausgespielt werden, thematisiert die Passage haargenau das methodische Vorgehen Victors, der in Nachahmung der dissertissimi viri aus den vitae der EKG eine der Form nach höher stehende historia zu schaffen beabsichtigt hat.4 Hierdurch vermochte er 1

Vgl. Kap. II. 7. Sprache und Stil. In der Übersetzung wird deshalb gelegentlich darauf verzichtet, diesen rhetorischen Komparativ zu übertragen: 2,1 acriore; 3,5 doctioribus; 6,2 impatientius; 9,9 probrosior; 11,3 tolerantior; 12,2 e 2 Vgl. Penella, Lowly Born Historian 131: „Victor clearly had stylistic pretensions.“ 3 Hist. Aug. Prob. 2,6 f. illud tantum contestatum volo me et rem scripsisse, quam, si quis voluerit, honestius eloquio celsiore demonstret, et mihi quidem id animi fuit, ut non Sallustios, Livios, Tacitos, Trogos atque omnes disertissimos imitarer viros in vita principum et temporibus disserendis, sed Marium Maximum, Suetonium Tranquillum, Fabium Marcellinum, Gargilium Martialem, Iulium Capitolinum, Aelium Lampridium ceterosque, qui haec et talia non tam diserte quam vere memoriae tradiderunt. Übersetzung nach Hohl. 4 Vgl. auch Hist. Aug. trig. tyr. 1,1 „Nachdem wir bereits mehrere Bücher nicht im historischen (historico) bzw. gehobenen (diserto), sondern im prosaischen Stil (pedestri eloquio) verfasst haben, (…).“ Penella, Lowly Born Historian 131 verkennt Victors Vorgehen, wenn er annimmt, Victor habe das „humble genre“ der Biographie aufwerten wollen, „by importing into it features of the higher kind of history written by a Sallust or a Tacitus.“

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sich selbst und seinen Zeitgenossen, vor allem aber Constantius II. sein literarisches Können unter Beweis zu stellen und sich für eine berufliche Weiterbeförderung zu empfehlen.1 In dem kaiserlichen Edikt vom 24. Februar 360 wird nämlich nicht nur festgelegt, dass niemand ohne die entsprechende Befähigung einen „ersten Rang“ in der Reichsbürokratie bekleiden dürfe (siehe oben S. 12), sondern vielmehr auch in Aussicht gestellt, dass derjenige, der „durch seine Studien und Beredsamkeit als eines höheren Ranges würdig zu sein scheint“, befördert werden soll.2 Ob es dieser Erlass war, der Victor zur Abfassung der Historiae abbreviatae bewegte, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.3 Derartige Rahmenbedingungen helfen aber zu verstehen, weshalb Victor entgegen historiographischen Konventionen die Amtszeit des regierenden Kaisers behandelt hat, bot sich ihm so die Gelegenheit, Constantius II. indirekt zu hofieren und so seine Erfolgschancen zu erhöhen.4 Vor diesem Hintergrund wird dann auch besser verständlich, weshalb das Werk inhaltlich nicht immer ausgewogen wirkt und vereinzelt sogar gravierende Fehler aufweist.5 Historische Richtigkeit ist zwar intendiert, aber hat letztlich nicht die höchste Priorität, und obwohl Victor zweifellos ein genuines Interesse an Geschichte besitzt und von sich selbst sogar behauptet, über den Aufstieg der Stadt Rom „vieles gehört und gelesen“ zu haben (11,13), hat er bei der Materialsammlung für die Historiae abbreviatae offenkundig keinen großen Aufwand, geschweige tiefschürfende Forschung betrieben, sondern sich weitgehend mit dem Stoff der EKG begnügt. Zu Recht wird ihm daher auch das Fehlen eines tieferen Verständnisses und eigenständigen Durch1

Vgl. Starr, Aurelius Victor 575 und 582; Nixon, Historiographical study 401 und Penella, Lowly Born Historian 129. 2 Vgl. Cod. Theod. 14,1,1 (24. Febr. 360) … eum, qui studiis et eloquio dignus primo loco videbitur, honestiorem faciet nostra provisio sub te, ut deliberemus, quae in eum dignitas deferenda sit. 3 Immerhin erachtet es Victor für erwähnenswert, dass er als Rechtschaffener (bonus vir) auf das Ansehen der gelehrten Künste (doctae artes) vertraue und bis in die Gegenwart hinein seine gesellschaftliche Stellung durch viel Studium (studia tanta) erhöht habe, vgl. 20,2–5. 4 Den „panegyrical tone of his praise of Constantius“ hebt auch Nixon, Aurelius Victor 125 hervor, vgl. bereits Starr, Aurelius Victor 582. 5 Victor unterstellt z. B. Nerva eine freiwillige Abdankung (12,2), schreibt die allgemeine Verleihung des römischen Bürgerrechts Marc Aurel zu (16,12), verwechselt den Kaiser Didius Iulianus mit dem Juristen Salvius Iulianus (19,1 f.), hält Gordian II. und Gordian III. nicht auseinander (vgl. Komm. zu 27,1) oder verortet den Tod des Decius jenseits der Donau (29,4).

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dringens historischer Kausalitäten vorgeworfen, so dass ihm das Etikett eines Historikers quasi abgesprochen wurde.1 Gleichzeitig fällt dafür bei ihm ein anderer Interessenschwerpunkt umso mehr auf. Es scheint nämlich Victor ein dringendes Anliegen zu sein, die Aufmerksamkeit auf die gegenwärtigen Verhältnisse im Reich, insbesondere auf dessen Verwaltung, zu lenken. An mehreren Stellen bringt er bestehende Missstände zur Sprache und beklagt den unter den Beamten verbreiteten Machtmissbrauch und ihre hemmungslose Habgier. So wirft er den Prätorianerpräfekten vor, ihr hohes und einflussreiches Amt „in eine zahnlose und den Elenden gegenüber überhebliche sowie gerade den Schlechtesten verliehene und unter dem Vorwand der Steuererhebung raffgierige Namenshülse verwandelt“ zu haben (9,12). Dazu kommt ferner das Anprangern der „Habgier und Unverschämtheit“ derjenigen, die ihre Zuständigkeit bei der Tributeinforderung für den cursus publicus missbrauchen (13,6). Eine besonders große Abscheu empfindet Victor vor den Proviantmeistern im Heer (actuarii), die er als schlicht „nichtsnutzig, korrupt, gerissen, aufrührerisch und habgierig“ bezeichnet, und die „quasi von Natur aus dazu geboren“ seien, Betrügereien auf Kosten der steuerzahlenden Bauern zu begehen (33,13). Überhaupt bemängelt er die hohe Steuerlast (39,31 f.) und auf die agentes in rebus ist er auch nicht gut zu sprechen (39,44 f.). Dies alles, das vordergründig an Gesellschaftskritik bei Sallust und Tacitus zu erinnern scheint, passt nur schwerlich zu einem Kompendium, das historisches Grundwissen bieten und zu Unterweisungszwecken verfasst gewesen sein soll. Es erhält aber Sinn, wenn es an denjenigen gerichtet ist, der an der Spitze des römischen Reiches steht. Hierbei ist die Beschreibung der auf allen Ebenen der Reichsverwaltung bestehenden Missstände keineswegs als Kritik am Kaiser formuliert. Sie ist vielmehr als eine Art Memorandum zu verstehen, das auf bestehende Defizite und Schwachstellen aufmerksam machen möchte. Die Ansicht Victors nämlich darin begründet, dass „die meisten Männer mehr fürs Eigeninteresse als für den Staat, und mehr aus Streben nach Macht als

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Wenn Victor sich eigene Gedanken zu ungeklärten Problemen macht, handelt es sich mitunter um Belanglosigkeiten wie die Frage, ob Nero mit seiner Mutter sexuell verkehrte (5,9), von welcher Art das Verhältnis zwischen Hadrian und Antinoos war (14,9) und was der Grund für den Beinamen des Septimius Severus war (20,10), oder er folgt seinem simplen Erklärungsschema, wenn es z. B. um die Begründung für Diocletians freiwillige Abdankung geht (39,48). Vgl. auch Leo, Die griechisch-römische Biographie 307 und Christ, Kaiserideal und Geschichtsbild 189.

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nach Ruhm“ handeln (33,23). Victors Patentrezept zur Beseitigung der genannten Missstände lautet deshalb, die Beamtenstellen mit anständigen Männern zu besetzten. Denn er ist davon überzeugt, dass „nichts im Staat so gut oder schlecht ist, dass es nicht durch die Wesensart der Leitenden ins Gegenteil verkehrt werden könnte.“1 Als Beispiel nennt er den Prätorianerpräfekten Anatolius, durch den „in den jüngst vergangenen Jahren die Ressourcen in Illyricum wieder hergestellt wurden“ (13,6). Und bei allem geschuldeten Respekt gegenüber dem Vater des Constantius II., ist es bezeichnenderweise genau der Umstand, dass Konstantin den Zugang zu öffentlichen Ämtern solchen Männern gestattete, die „zu wenig würdig dafür“ waren, der es am Ende verhinderte, dass Konstantins Herrschaft einer göttlichen Ordnung gleichkam (vgl. 41,20). Als „würdig“ gilt in Victors Augen nur derjenige, der – wie bereits in Kapitel 8,8 dargelegt – erstens einen guten Charakter (probi mores) aufweist und zweitens gebildet ist (litteris cultus), mit anderen Worten: nur ein bonus vir. Mit seinen Überlegungen zur Verbesserung der Reichsverwaltung, die kaum als ‚Reformvorschlag‘, geschweige als ‚Fürstenspiegel‘ bezeichnet werden können, richtet Victor dennoch einen Appell an Constantius II., von dem er paränetisch sagt, er wisse sehr wohl, „dass die Ruhe im Staat durch den Lebenswandel der guten Kaiser bestimmt wird“ (42,23). Diese Behauptung Victors steht wie eine Mise en abyme am Ende des Textes, der selbst die vitae bonorum principum enthält, einschließlich der komplementären vitae malorum principum. Denn ganz abgesehen davon, dass Letztere auch einen Teil der Geschichte ausmachen, wird erst aus dem Gesamtbild wirklich ersichtlich, dass „ungünstige Situationen durch die Stärken der Kaiser leicht behoben, und sind sie noch so stabil, durch deren Schwächen ins Verderben gestürzt werden“ können.2 Vor allem aber bezweckt Victor, der sich seine studia tanta zugutehält, mithilfe der vorgelegten Historiae abbreviata Beweis zu stellen. Vielleicht kann man sogar weitergehen und in dem Werk den Versuch Victors sehen, auch seine charakterliche Eignung erweisen zu wollen, zählt er sich selbst doch zu den boni viri (20,5). Indem er gerade die zahlreichen Auswüchse in der Reichsverwaltung beim Na1

13,7 adeo boni malive in re publica nihil est, quod in diversum traduci nequeat moribus praesidentium. 2 35,14 virtutibus principum res attolli facile vel afflictas easque firmiores praeceps vitiis dari. Die Feststellung steht am Ende des Kapitels über Aurelian, der unter anderem „Habgier, Unterschlagung und die Ausbeuter der Provinzen“ rigoros verfolgte (35,7).

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men nennt und einen Vorschlag zu ihrer Behebung vorbringt, empfiehlt er sich als jemand, der neben der erforderlichen Bildung auch probi mores mitbringt und so die Voraussetzungen für eine Beförderung erfüllt.1 Was aus diesem Versuch der Eigenwerbung gegenüber Constantius II. geworden ist, lässt sich nicht sagen. Wie es scheint, ist die erhaltene Textfassung der Historiae abbreviatae am Schluss um einige Zeilen erweitert, die sich in ihrem Tonfall von der davorliegenden Beschreibung des Constantius leicht unterscheiden, aber auch fast ein bisschen resigniert wirken (42,24 f.). Überdies weist der Text ein Indiz auf, das eine letzte Phase der Bearbeitung im Frühjahr 361 n. Chr. zu belegen scheint.2 Aus diesem chronologischen Anhaltspunkt sowie dem überaus Constantius-freundlichen Tenor des Werkes schließt Nixon, dass es alsbald danach, aber noch vor der Ankunft Julians im Frühsommer in Sirmium veröffentlicht wurde; die letzten Zeilen „must have been scrawled as Julian stepped ashore at Bononia.“3 Indes ist unklar, wie man sich die ‚Publikation‘ eigentlich vorzustellen hat. Denkbar ist etwa, dass Victor zunächst nur eine Abschrift des Werkes anfertigen ließ, die er zusammen mit einer Widmungsepistel (Praefatio) gegen Ende des Jahres 360 an Constantius geschickt hat, der den Winter 360/61 in Antiocheia zubrachte. Während Victor auf eine positive Resonanz vom Kaiserhof wartete, könnte er auch Julian bei dessen unerwarteten Aufenthalt in Pannonien eine kurzfristig (um das Ereignis vom Frühjahr 361 erweiterte) umgewidmete Abschrift überreicht haben, an die die Schlusszeilen angefügt worden waren. Das Werk hätte dann vielleicht doch zur Beförderung Victors beigetragen, wenn auch durch jemand anders, als von Victor ursprünglich erhofft.4 Die Ernennung zum consularis, die er nicht zum geringsten Teil den Historiae abbreviatae zu verdanken hatte, oder glaubte, zu verdanken zu haben, mag ihn überhaupt erst zur öffentlichen Verbreitung des Werkes bewegt haben.

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Victor gibt sich sogar so einsichtig, dass er es für „ehrenvoll [hält], abzuwägen, wozu man fähig ist, und sich nicht kopfüber vom Ehrgeiz antreiben zu lassen“ (12,3). 2 Vgl. Kommentar zu 42,17 ihre berühmten Könige. 3 Nixon, Aurelius Victor 124; „surely enough to prove that the Caesares was already well and truly published, for it is inconceivable that Victor would now want the last chapter to stand in the form in which we have it.“ Neri, Aurelio Vittore 32 erwägt hingegen eine Revision der „ultimi tre capitoli del lavoro per presentarlo a Giuliano.“ 4 Vgl. Bird, Julian and Aurelius 874.

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II. Zur Überlieferung des Werkes 1. Die Historiae abbreviatae und das Corpus Aurelianum Es ist nicht mehr möglich, die verschiedenen Etappen der über tausendjährigen Überlieferungsgeschichte der Historiae abbreviatae1 vom Original bis zu den beiden aus dem 15. Jh. stammenden Handschriften O und P, die das Werk tradieren, exakt zu rekonstruieren. Da wir keine älteren und besseren Zeugen der direkten Überlieferung haben, kann die indirekte Tradition, die von Werken gebildet wird, welche Aurelius Victors Werk als Vorlage benutzt haben, für die Rekonstruktion des Textes hilfreich sein. Indessen ist das Verhältnis zwischen den Historiae abbreviatae einerseits und anderseits der Historia Augusta und besonders der Epitome de Caesaribus, ungeklärt. Die Historiae abbreviatae werden in den beiden Handschriften zusammen mit der Origo gentis Romanae und dem Liber de viris illustribus urbis Romae überliefert. Da der Titel der Historiae abbreviatae, der Aurelius Victor als Verfasser der Kaisergeschichte bezeichnet, am Anfang des gesamten Corpus Aurelianum steht, wurden auch die beiden anderen Werke Aurelius Victor zugeschrieben. Indessen sind diese beiden Schriften, deren Verfasser wir nicht kennen, wohl schon Ende des 4. Jh. von einem späteren Überarbeiter hinzugefügt worden, der offensichtlich dem Leser zusätzlich zur Kaisergeschichte auch einen Überblick über die mythische Zeit bis zur Gründung Roms und über die republikanische Epoche geben wollte.2 Einige Jahrhunderte später hat ein weiterer Bearbeiter das De viris illustribus mit der Historia miscella des Landolfus Sagax (11. Jh.) interpoliert und als Einheit mit der Origo als prima pars von der Kaisergeschichte Victors getrennt; ebenso hat wohl dieser Bearbeiter dem Gesamtwerk den Titel der Historiae abbreviatae vorangestellt. Von dieser

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Das von vielen Editoren und Gelehrten als Werktitel gebrauchte De Caesaribus geht auf Schotts Editio princeps zurück, wo er als Kolumnentitel vorkommt, um diesen Teil von De viris illustribus zu unterscheiden; er findet aber in den Handschriften keinen Anhaltspunkt, weshalb in der vorliegenden Edition der handschriftlich überlieferte Titel Historiae abbreviatae gewählt ist. 2 Vgl. dazu etwa Momigliano, Secondo contributo alla storia 177–89, der glaubt, dass die Historiae abbreviatae nur wenig später nach ihrer Entstehung im 4. Jh. mit den beiden anderen Schriften verbunden worden seien; dagegen D’Elia, Studi sulla tradizione 97–114, der die Vereinigung zum Corpus Aurelianum ins Hochmittelalter datiert. Festy, A propos du Corpus Aurelianum 121 tendiert ebenfalls für ein Datum im 4. Jh.; ebenso Fugmann, De viris illustribus 11, insbesondere Anm. 11.

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Version stammt der Archetyp von O und P ab.1 Aufgrund der Tatsache, dass im Titel nur die Historiae abbreviatae Aurelius Victor zugeschrieben werden und die Origo und das De viris illustribus bezüglich des Stils sowohl voneinander als auch besonders von den Historiae abbreviatae völlig abweichen, ist gemäß der Communis opinio Aurelius Victor nicht der Verfasser jener beiden Werke.2 Der Titel Historiae abbreviatae, der am Anfang des Gesamtwerks steht und in den Handschriften vom Beginn der Origo gentis Romanae durch eine leere Zeile getrennt ist, erinnert einerseits an den Titel Ἱϲτορίαι von Herodots Geschichtswerk (sowie von Werken Sallusts und Tacitus’), der in der Spätantike selten war (häufiger sind etwa res gestae)3, und weist im Zusatz abbreviatae auf die Breviarien4 hin. Den Zusatz ab Augusto Octaviano5 usque ad consulatum decimum Constantii Augusti et Iuliani Caesaris tertium mit der Angabe von Anfangs- und Endpunkt findet man ebenfalls in anderen Geschichtswerken wie in Livius’ Ab urbe condita oder in der Origo gentis Romanorum, ex quo primum in Italia regnare coeperunt (KFHist B 5).6 Daher stammt wohl auch dieser Satz von Victor und nicht einem späteren Bearbeiter des Werks. Da die Angabe des Endpunkts ad 1

Dazu Festy, A propos du Corpus Aurelianum 114–118 und Fugmann, De viris illustribus 12. 2 Vgl. dazu Pichlmayr, Einleitung v–vi mit weiteren Hinweisen. 3 Vgl. ThLL s. v. historia Sp. 2835,60–65 und 2838,48–56 mit Belegen von Geschichtswerken mit diesem Titel (im Singular oder Plural); schon in der Kaiserzeit werden Geschichtswerke unter diesem Titel zitiert, vgl. Schröder, Titel und Text 56. 4 Diese römische literarische Gattung geht auf L. Ateius Philologus bzw. Praetextatus zurück, der ein Zeitgenosse Sallusts war und gemäß Suet. gramm. 10,6 ein historisches Werk mit dem Titel breviarium rerum omnium Romanarum verfasste. Anders Opitz, Quaestiones 30, der meint, dass abbreviatae hier angebe, dass es sich um ein Exzerpt eines ursprünglich umfangreicheren Werks handele. Zwar viare nach ThLL s. v. Sp. 51,23–35 für die zweite Variante zu sprechen, vgl. etwa Veg. mil. 3 praef. quae (Martii operis praecepta) per diversos auctores librosque dispersa ... mediocritatem meam abbreviare iussisti, Rufin. Orig. Rom. praef. (CCL 20,275) hoc quindecim voluminum corpus ... adbreviem et ad media ... spatia coartem. Doch unterscheidet sich der Titel Victors von diesen Beispielen darin, dass kein Buch genannt wird, das ihm als Vorlage diente oder das er gekürzt hat. Daher kann man Enmann, Eine verlorene Geschichte 398 folgen: „Aber es ist ein starker irrthum die bezeichnung ‚Aurelii Victoris historiae abbreviatae‘ mit ‚auszug aus Aurelius Victor‘ zu übersetzen. ‚historiae abbreviatae‘ hat nicht mehr zu bedeuten als ‚breviarium‘, wie Eutrop sein werkchen betitelte, also ‚eine kurzgefasste geschichte‘.“ 5 Zur Athetierung von id est a fine Titi Livii vgl. den philol. Komm. zur Stelle. 6 Vgl. dazu auch M. Stein, Einl. Origo gentis Romanorum (KFHist B 5) 16 f.

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consulatum decimum Constantii Augusti et Iuliani Caesaris tertium nicht aus dem Text Victors abgeschrieben werden konnte, stammt diese sehr wahrscheinlich von Victor selbst, der den Endpunkt seines Werks problemlos zu datieren wusste, während ein spätantiker bzw. mittelalterlicher Bearbeiter schwerlich diese zusätzlichen Informationen besaß. Hingegen sind der nur von P überlieferte Zusatz incipiunt foeliciter und das am Ende des De viris illustribus stehende Explicit explicit prima pars huius operis in O bzw. finit prima pars huius operis incipit secunda aurelii victoris in P offensichtlich nicht Victors Worte, sondern ein Zusatz dessen, der das Corpus Aurelianum geschaffen hat. Das Werk selbst ist als Kontinuum ohne Einteilung in Kapitel gestaltet. In den beiden Codices wird der Beginn der Herrschaft eines neuen Kaisers oft dadurch markiert, dass eine neue leicht eingerückte Zeile begonnen und das erste Wort in Großbuchstaben geschrieben wird; die beiden Manuskripte weisen 23 bzw. 26 Einschnitte auf (etwa in c. 2. 3. 4. 5. 6. 10. 11. 12. 13 etc.), in P steht manchmal als Titel in Majuskeln der Name des neuen Kaisers am Anfang eines neuen Abschnittes (so vor c. 5. 6. 11. 12. 13. 14. 24. 28. 29). Es ist möglich, dass diese Einschnitte schon in Victors Original vorhanden waren. Die Einteilung in 43 Kapitel,1 die Schott in seiner Editio princeps von 1579 vorgenommen hat, ist von den späteren Editoren in 42 Kapitel geändert worden. Diese Einteilung scheint zwar besonders hinsichtlich der Usurpatoren und der Kapitel 39–42, in denen mehrere Kaiser gleichzeitig an mehreren Orten herrschten, unglücklich zu sein, ist aber in der Forschung weiterhin gebräuchlich, weshalb sie auch für die vorliegende Edition übernommen worden ist.2 2. Die Handschriften P = cod. Bruxellensis / Pulmanni 9755–9763 Der Codex Bruxellensis oder Codex Pulmanni (P) in der Brüsseler Bibliothèque Royale (Nr. 9755–9763) stammt vom Anfang des 15. Jh., ist aus Papier und wurde im Rheinland von einem Humanisten verfasst. P gehörte zunächst dem Lütticher Gelehrten Johannes de Loemel, dann Theodor 1

Schott beginnt in c. 42,17 mit Iulianum Caesarem ein neues Kapitel 43. Diese Aufteilung von Kapitel 42 haben aber die auf Schott folgenden Editoren nicht übernommen, da auch in diesem Kapitel immer noch Constantius und nicht Julian der Protagonist ist. 2 Ebenso überzeugt diese Einteilung zu Beginn von c. 35 nicht, da im Text davor (c. 34,7) eine größere Lücke ist.

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Poelman, der den Codex Andreas Schott, der ihn für seine Editio princeps aus dem Jahr 1579 verwendete, zur Verfügung stellte. Nach Poelmans Tod gehörte der Codex den Jesuiten in Antwerpen und kam dann in die Bibliothèque Royale in Brüssel, wo Theodor Mommsen ihn 1850 wiederentdeckte. Der Codex enthält Ciceros De officiis, das Corpus Aurelianum (fol. 52r–81, die Historiae 68v–81r) und Reden aus Hegesipp, Sallust, Livius und Cicero. Seine Seiten haben jeweils 40 bzw. 41 Zeilen. Am Rand sind einige Korrekturen und Anmerkungen von einer zweiten bzw. manchmal sogar einer dritten Hand angebracht worden (solche Korrekturen sind etwa c. 2,1 abnuebat, c. 9,8 transgressu, c. 40,3 urgebant). Die Handschrift kommt fast ohne Verwendung von Abkürzungen aus. Einige Lücken in P können durch O gefüllt werden. Da der Schreiber ein semidoctus war, hat der Codex weniger Fehler als O, aber wohl auch manche falsche Korrekturen des Originals.1 O = Der cod. Oxoniensis Canonici Lat. 131, 15. Jh., in der Bodleian Library, ist aus Papier und ist aus zwei Teilen zusammengesetzt. Der erste Teil enthält Bessarions lateinische Übersetzung von Xenophons Memorabilien und wurde 1453 Kardinal Colonna gewidmet. Der zweite Teil ist von einer anderen Hand verfasst und enthält das Corpus Aurelianum (fol. 85r–155r); dieser wurde wohl gegen Ende des 14. oder zu Beginn des 15. Jh. geschrieben. Der Codex stammt aus Italien. Seine Seiten enthalten jeweils 28 Zeilen. Er ist in einer groben Humanistenschrift mit gotischen Elementen verfasst und enthält viele Abkürzungen. Randbemerkungen von einer weiteren Hand füllen einige Lücken im Text; im Gegensatz zu P kommen aber weniger Randglossen (von zweiter Hand) vor. Da der Schreiber ungebildet war, enthält der Text zwar viele Schreibfehler (oft werden die Buchstaben a und o sowie c und t verwechselt), aber wohl auch einige ursprüngliche Lesarten.2 Viele Konjekturen und Korrekturen, die Schott und die Gelehrten vor der Entdeckung von O auf der Grundlage von

1

Vgl. D’Elia, Studi sulla tradizione manoscritta 117. Als semidoctus ist P oft hyperkorrekt, vertauscht den ordo verborum und zeigt eine Präferenz etwa für dein statt deinde. 2 Vgl. D’Elia, Studi sulla tradizione manoscritta 117. O ist ungebildet und versteht oft nicht, was er schreibt. In der Regel ist zwar O besser als P, aber dennoch gilt, was schon D’Elia, Per una nuova edizione critica 68 anmerkt: “Se fra una lezione di O e una di P, la lezione di P trova conferma nell’usus scribendi di Aurelio Vittore, essa è da preferire.”

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P gemacht hatten, wurden von O bestätigt.1 Den neuzeitlichen Herausgebern Victors unbekannt, wurde er Ende des 19. Jh. von Hirsch Hildesheimer in Oxford entdeckt. Als erster hat Mommsen den Codex kollationiert und mit P und Schotts Edition verglichen.2 Franz Pichlmayr hat O für seine Ausgabe von 1892 ebenfalls kollationiert und berücksichtigt. Beide Codices haben den gleichen Titel, bieten die drei Werke des Corpus Aurelianum in derselben Reihenfolge und weisen viele Binde-,3 aber auch Trennfehler4 auf. Es sind wohl voneinander unabhängige Zeugen derselben Familie und gehen auf einen gemeinsamen Archetypus zurück.5 Daneben hat Schott wohl noch den Codex Metelli (M), den er als antiquissimus bezeichnet und der dem französischen Gelehrten Jean Matal in Köln gehörte, indirekt verwenden können, da ein Freund ihm einige Lesarten dieses Codex brieflich mitgeteilt hat. M enthielt ebenfalls wie OP das Corpus Aurelianum. Da die Handschrift, die wohl frühestens aus dem 13. Jh. stammt,6 heute verschollen ist, kann man aber nicht mehr bestimmen, ob sie der gemeinsame Archetyp von O und Ρ ist.7 Während Schott die 1

Vgl. etwa die Liste bei Mommsen, Zu den Caesares 953–58 f. So hat schon Schott c. 1,1 partium statt des von P überlieferten patriam vorgeschlagen, was von O bestätigt wird. Ebenso c. 20,25 reorum statt eorum und c. 28,6 meritorio statt merito. 2 Mommsen, Zu den Caesares 951–58. 3 Vgl. Pichlmayr, Einleitung xiii. Aus den Historiae sind c. 9,1 prebire fecit statt brevi refecit, 20,13 eadem lictorum statt ea delictorum zu beachten. Daneben weist De viris illustribus viele Interpolationen nur in OP auf, die in den übrigen Handschriften fehlen. 4 Vgl. dazu D’Elia, Per una nuova edizione critica 56, der auf folgende Lücken hinweist. In P fehlen c. 2,2 noxios; c. 2,4 simul – cohortes, c. 13,1 etiam; c. 16,9 morbo; c. 17,7 in – tutius etc.; in O fehlt in c. 12,2 superioribus. Ebenso Festy, A propos du Corpus Aurelianum 93 f. P hat ebenso vor den Kapiteln 5; 6; 11–14; 24, 28 und 29 Überschriften, die in O fehlen. 5 Für D’Elia, Studi sulla tradizione manoscritta 56 stesso manoscritto“, ebenso Festy, A propos du Corpus Aurelianum 93–100, der davon ausgeht, dass O direkt und P über eine Zwischenstufe π auf den „N“ genannten Archetypus zurückgehen. 6 So D’Elia, Studi sulla tradizione manoscritta 97–125, der ein Datum zwischen 1200 und 1330 annimmt. Vgl. dazu auch Festy, A propos du Corpus Aurelianum 91–136. 7 Dafür D’Elia, Studi sulla tradizione manoscritta 56–65 und 97–125, der darauf hinweist, das wohl auch in M das Corpus Aurelianum aus zwei Teilen (Origo und De viris und davon durch eine Übergangsformel getrennt die Historiae) bestand; ebenso D’Elia, Per una nuova edizione critica 60–64. Kritisch Dufraigne, Aurelius Victor lv f., der auf die vielen Divergenzen zwischen OP und M hinsichtlich der Origo, die D’Elia, Studi sulla tradizione manoscritta 72 selbst aufgezeichnet hat, hinweist. Er folgt Mariotti, Il codex Metelli 102– 111, der meint, dass M aus einer anderen Familie als OP stammt. Festy, A propos du Cor-

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Lesarten von M vor allem für die Origo verwenden konnte, hat er in der Folgezeit aufgrund des Zerwürfnisses mit dem Besitzer Matal wegen dessen Weigerung, diesem P zur Verfügung zu stellen, keine Informationen mehr über die Lesarten von M bezüglich der Historiae abbreviatae bekommen; dafür spricht auch die Tatsache, dass Schott in seinem Kommentar zur Kaisergeschichte den Codex nie explizit nennt.1 Aus diesem Grund fällt M als weiterer Zeuge wenigstens für die Historiae abbreviatae weg. 3. Die indirekten Zeugen Da der Text an vielen Stellen wegen der schlechten Qualität der Handschriften unsicher ist, kann ein Vergleich mit anderen Quellen bei seiner Rekonstruktion helfen. Dazu gehören einerseits die von Victor verwendeten Quellen wie Sueton und – in geringerem Maße – Tacitus,2 andererseits ebenso die von der EKG (und wohl auch von Victor) abhängigen Werke des Eutrop und des Rufius Festus sowie in nicht unbedeutendem Maße die Historia Augusta und vor allem die von einem anonymen Geschichtsschreiber wohl eine Generation nach Victor verfasste Epitome de Caesaripus Aurelianum 101–121 kommt aufgrund von Trennfehlern zwischen M einerseits und anderseits OP, deren Subarchetyp er N nennt, in der Origo und in De viris illustribus zu folgendem Schluss S. 119: „M n’a pas été copié sur N, mais N ne l’a pas été sur M : ils sont tous les deux la copie directe d’un archétype interpolé que nous appellerons Ω.“ 1 Dufraigne, Aurelius Victor lvi f. zählt vier mögliche Fälle, in denen Schott bei der Edition der Historiae abbreviatae Kenntnis von M haben konnte: c. 16,9 führt Schott im Kommentar S. 198 statt tantumque Marco sapientiae als Lesart tantumque in arte sapientiae an. Da er sich aber nicht auf einen anderen Codex beruft, geht in arte wohl auf eine falsche Lesung von Marco in P zurück (in und m sind in diesem Codex fast identisch, der Abstand nach M ist etwas mehr als gewöhnlich zwischen zwei Buchstaben, c und t sind ebenfalls sehr ähnlich); c. 20,20 facilius eo patrabantur g art facilius ea patrabantur an, wobei auch hier aufgrund der Verwechslung von a und o leicht eine falsche Lesung von P und nicht eine Variante vorliegt. Dagegen führt Schott im Komm. S. 221 zu c. 42,12 statt ob saevitiam die Lesart scenicum aus einem vetus codex an, ohne aber auf M zu verweisen. Dasselbe gilt c. 42,25 für clarius, das Schott als Varia lectio zu praeclarius von P nennt. Schott selbst sagt aber im Kommentar S. 202 (zu c. 20,30): asterisco notare satis habui dum iactura sarciatur, et lacunae Victoris impleantur ex alio exemplari, quale in Ubiis Coloniae Agrippinae apud Io. Metellum Sequanum esse audio ex bibliotheca Corn. Gualtheri. Daher hatte er wohl bei der Abfassung seiner Edition keine Möglichkeit mehr, M einzusehen. 2 Bei der Angabe von Zahlen können diese zusammen mit der Epitome c. 7,2 und 8,6 dazu dienen, die Überlieferung von OP zu korrigieren, vgl. D’Elia, Per una nuova edizione critica 69.

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bus, die in den ersten 11 Kapiteln oft wörtlich mit dem Text Victors übereinstimmt. Besonders die von Victor abhängigen Werke verfügten wahrscheinlich über eine bessere Version von Victors Text als wir heute.1 Über das Abhängigkeitsverhältnis der Epitome von Victors Historiae gehen die Meinungen auseinander. Entweder war Victor eine Quelle und Vorlage der Epitome, oder beide Werke haben dieselbe gemeinsame Quelle benutzt und exzerpiert.2 Besonders interessant sind die wörtlichen Übernahmen typisch sallustischer Wendungen aus Victor in der Epitome, die nur in den ersten 11 Kapiteln vorhanden sind, so etwa c. 5,5 = Epit. 5,5 eo progressus est, uti neque suae neque aliorum pudicitiae parcens (vgl. Sall. Cat. 52,32).3 Dies lässt die Vermutung zu, dass hier Victor und nicht eine andere Quelle die Vorlage der Epitome war. Am wahrscheinlichsten ist also, dass der Epitomator neben anderen Quellen wie der EKG auch ein Exemplar von Victors Historiae, das in einem besseren Zustand als unsere Codices war, verwendet hat, da die wörtlichen Übereinstimmungen über weite Strecken erstaunlich sind.4 1

D’Elia, Studi sulla tradizione manoscritta 125 meint, dass die Epitome eine „tradizione indiretta, autorevolissima“ darstellt und für einige Teile der Historiae, besonders die Kapitel 1–11 und 33, ein wichtiger Zeuge ist, weil sie einen viel älteren und besseren Text Victors als OP als Vorlage benutzen konnte. Ebenso befasst sich D’Elia, Per una nuova edizione critica 69–75 mit der indirekten Tradition und meint, die Epitome habe um 400 den Text Victors als Vorlage wenigstens für die ersten 11 Kapitel benutzt, S. 71: „fra il 360 e il 405/406, e si è servito, dunque, di un testo eccezionalmente autorevole delle Historiae abbreviatae.“ 2 Schon im Titel bezeichnet der Epitomator (oder wahrscheinlich ein späterer Bearbeiter der Epitome) das Werk als breviatus ex libris Sexti Aurelii Victoris. Schott, Einleitung 15 f. hielt die Zuschreibung an Aurelius Victor für richtig, doch glaubte er, es handle sich um zwei verschiedene, gleichnamige Personen. Opitz, Quaestiones 12–31 meint, dass sowohl die Historiae abbreviatae, die nicht Victors Werk verlorene Werk Victors, das umfangreicher gewesen sei, als gemeinsame Quelle zurückgehen (S. 30 „et Caesares et Epitomen ex ampliore Victoris Caesarum historia excerpta esse“). Dagegen meint Cohn, Quibus ex fontibus 14–37, dass Victors Historiae abbreviatae zusammen mit Sueton als Quelle für die ersten 11 Kapitel der Epitome dienten (ebenso Enmann, Eine verlorene Geschichte 396–407). 3 Weitere Beispiele bespricht Enmann, Eine verlorene Geschichte 401 f. Neben den ersten 11 Kapiteln weisen in der Epitome auch c. 16,12–14 (= Historiae 16,14 f.), c. 30,2 (= 30,2), c. 33,1 (= 33,3.6), c. 33,2 (= 33,18–20), c. 34,2 (= 33,28), c. 35,6 (=35,7), c. 36,1 (= 36,2), c. 38,6 (= 39,10) Parallen zu den Historiae abbreviatae auf. 4 So zuletzt auch Festy, Abrégé des Césars xxi: „il est évident que l’auteur de l’Epitome les (d. h. Victors Historiae) connaît et les utilise amplement.“ Da der Epitomator aber auch die beiden Werken gemeinsame Quelle, die EKG, verwendet, gibt er manchmal exaktere

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4. Die neuzeitlichen Drucke und modernen Editionen Die editio princeps des Corpus Aurelianum hat Andreas Schott 1579 auf der Grundlage der Handschrift P, wie er in der Einleitung anmerkt, in Antwerpen bei Christoph Plantinus herausgegeben und mit einem kurzen Kommentar versehen, in dem er auch textkritische Probleme behandelt und einige seiner Konjekturen erklärt. Dabei hat er sich auch auf die Vorschläge der Gelehrten Olivarius, Puteanus und Nicolaus Faber stützen können. Schotts Edition blieb die Grundlage für alle späteren Herausgeber, die seinen Text abdruckten, aber meistens in kommentierenden Anmerkungen Korrekturen und Konjekturen vorgeschlagen haben, die aber nicht auf der Kollation von P oder der Kenntnis anderer Textzeugen beruhten. Die wichtigsten Editionen mit Kommentar haben Sylburg 1588, Gruter 1611, Dacier 1681 und Pitiscus 1696 vorgelegt.1 Alle diese Werke hat Johannes Arntzen 1733 in den Anmerkungen zu seiner Edition exzerpiert und dazu ebenfalls eigene Emendationen vorgeschlagen und einen umfassenden Index angefertigt. Eine weitere Edition hat Gruner 1757 mitsamt einer Übersetzung ins Deutsche vorgelegt. Harlesius hat 1829 in seiner Edition dasselbe Material wie Arntzen präsentiert, wobei er aber die Anmerkungen in einem gesonderten Band vereinigt hat. Die erste wissenschaftliche Edition hat Pichlmayr 1892 und in Überarbeitung 1911 publiziert. In einem Anhang hat R. Gruendel 1966 zu dieser Edition Vorschläge und Emendationen von Gelehrten, die Pichlmayr nicht berücksichtigt hat bzw. die nach dem Erscheinen seiner Edition gemacht worden sind, angefügt. Das große Verdienst Pichlmayrs ist die erneute Kollation von P und das Heranziehen des zweiten Codex O. Indessen hat Corbett in der Edition von Pichlmayr 158 Fehler beim Lesen von O und 117 beim Lesen von P entdeckt. Zwar handelt es sich oft nur um orthographische Varianten, manchmal aber auch um Druckfehler oder um die unkritische Übernahme von Korrekturen aus Schotts Editio princeps, ohne dies im Apparat anzugeben.2 Deshalb bietet Pichlmayrs Edition nicht wirkund vollständigere Informationen als Victor. So kann der Text an verschiedenen Stellen dank der Epitome verbessert werden, so etwa c. 3,14; 5,2; 8,6; 9,1; 10,3. Auch sonst liefert die Epitome interessante Variae lectiones, die jeweils im kritischen Apparat der vorliegenden Edition dokumentiert werden. Ebenso Festy, Aurelius Victor 185 f. Vgl. dazu auch die Diskussion in KFHist D 3 Epitome de Caesaribus. 1 Vgl. dazu das Quellenverzeichnis. 2 Corbett, The De Caesaribus 254–57. So etwa schreibt er c. 34,5 vita statt vitam der Codices, ohne dies im Apparat anzumerken; c. 3,8 gibt er für P veteris anstelle von recens

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lich eine zuverlässige Grundlage für die Beschäftigung mit Victors Historiae. Dufraigne hat in seiner 1975 erschienenen Edition ebenso beide Codices neu kollationiert, auf französisch übersetzt und in den Anmerkungen mit vielen Angaben zum Inhalt und manchmal zum Text, die fast einem Kommentar gleichkommen, versehen. Dufraigne ist konservativer als Pichlmayr und berücksichtigt kaum die deutschsprachige Textkritik des 19. und 20. Jh. Dazu kommen in der Edition viele Verschreibungen vor.1 Festy hat in seiner unveröffentlichten Dissertation von 1991, ausgehend von der Edition Dufraignes, den Text der Historiae auf der Grundlage einer neuen Kollationierung der Handschriften herausgegeben und übersetzt. Mit Profit hat er auch die Studien von Salvatore D’Elia einbezogen, der trotz umfangreicher Vorarbeiten selbst das Vorhaben, die Historiae herauszugeben, aufgegeben und Festy auch unveröffentlichtes Material zur Verfügung gestellt hat. Bird, der keine neue Kollation der Handschriften vorgenommen hat, folgt mit ganz wenigen Ausnahmen in seiner Edition von 1994 dem Text von Pichlmayr, berücksichtigt aber auch – vor allem für seine Übersetzung – Dufraignes Edition, kennt aber Festys Arbeit nicht. Sein ausführlicher Kommentar ist vor allem historisch und berücksichtigt dementsprechend vornehmlich historische Studien wie die umfangreiche Dissertation von Nixon, A Historiographical Study von 1979. Fuhrmann hat für seine Edition und Übersetzung, die in dritter, verbesserter Auflage 2009 erschienen ist, weitgehend Pichlmayrs Text mit wenigen Modifikationen (es handelt sich vorwiegend um Konjekturen älterer Gelehrter) übernommen. a ten nostra. Mit Recht verzichtet aber Pichlmayr darauf, für das Verständnis des Textes belanglose orthographische Varianten der Handschriften wie c. 2,3 Cappadocas und Gaetulorum statt der überlieferten Formen Capadocas und Getulorum zu vermerken. 1 So etwa c. 13,13 putant statt putent, c. 17,4 urerentur statt uterentur, c. 20,24 infirmo statt infimo, c. 20,30 schreibt er quem, ohne anzugeben, dass dies eine Ergänzung Schotts ist, c. 35,9 ingenio statt arbitratu, c. 39,25 fehlt quondam, c. 39,48 steht obiecit statt abiecit, 42,17 rebigus statt regibus. Tarrant, Rez. Dufraigne tadelt darüber hinaus die Interpunktion und den kritischen Apparat; er urteilt S. 362: „This is not the text of Aurelius Victor that was looked for.“ Ebenso Den Boer, Rez. Dufraigne 333: „Un éditeur judicieux usera ici d’une grande prudence, surtout pour un auteur tel que Victor, dont le style singulier et tourmenté lui est tellement personnel que la plupart des efforts visant à améliorer le texte conduisent à des résultats douteux.”

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5. Grundsätze zur Textkonstitution Die vorliegende Edition folgt in vielerlei Hinsicht Festy, der besonders die wertvollen Vorarbeiten von D’Elia berücksichtigt hat, ohne auf einige grundlegende Errungenschaften der Ausgaben von Pichlmayr und von Dufraigne zu verzichten. Dazu wurden die Handschriften neu kollationiert, besonders um Unstimmigkeiten zwischen den bisherigen Herausgebern auszuräumen. Darüber hinaus sind neuere Beiträge zur Textkritik einbezogen worden.1 Die von Schott durchgeführte und von allen nachfolgenden Editoren übernommene Einteilung des Textes in Kapitel und Paragraphen wurde weitgehend belassen, da diese in der Sekundärliteratur geläufig ist. Da diese Gliederung des Textes aber oft problematisch ist, da sie zusammengehörige Sinneinheiten trennt (so wird in c. 5,6 f. ein Satz in zwei Paragraphen getrennt), wurde in den Fällen, in denen es möglich war, die Einteilung von Schott leicht geändert: Bisherige Editionen

KFHist

15,4 f.

(4) denique annos, quibus publica egit, viginti idem mansit celebrato magnifice urbis nongentesimo, (5) nisi forte triumphorum expertem socordiae videtur. quod longe secus est,

(4) denique annos, quibus publica egit, viginti idem mansit celebrato magnifice urbis nongentesimo, nisi forte triumphorum expertem socordiae videtur. (5) quod longe secus est,

19,3 f.

(3) hincque satis compertum cohibendae cupidini, ingenium ni iuvet, eruditionem imbecillem esse, (4) cum praeceptor et asper quidem rectius vivendi in facinus processerit, quod novo supplicio plectendum ediderat. neque cupito tamen potitus diu.

(3) hincque satis compertum cohibendae cupidini, ingenium ni iuvet, eruditionem imbecillem esse,

(1) igitur Septimius Pertinacis nece, simul flagitiorum odio, dolo-

(1) igitur Septimius Pertinacis nece, simul flagitiorum odio, dolore

20,1 f.

1

quod novo supplicio plectendum ediderat. (4) neque cupito tamen potitus diu.

So Shackleton Bailey, Textual notes; Soverini, Note ad Aurelio; Rudoni, Sei note und Mollea, In Maehly’s Footsteps.

Einleitung

39,44 f.

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re atque ira commotior cohortes praetorias statim militia exemit cunctisque partium caesis Helvium senatus consulto inter divos refert. Salvii nomen atque eius scripta factave aboleri iubet. quod unum effici nequivit: (2) tantum gratia doctarum artium valet …

atque ira commotior cohortes praetorias statim militia exemit cunctisque partium caesis Helvium senatus consulto inter divos refert. Salvii nomen atque eius scripta factave aboleri iubet. (2) quod unum effici nequivit: tantum gratia doctarum artium valet …

(44) neque minore studio pacis officia vincta legibus aequissimis ac remoto pestilenti frumentariorum genere, quorum nunc agentes rerum simillimi sunt. (45) qui cum ad explorandum annuntiandumque, ecqui forte in provinciis motus exsisterent, instituti viderentur, compositis nefarie criminationibus, iniecto passim metu, praecipue remotissimo cuique, cuncta foede diripiebant. simul annona urbis …

(44) neque minore studio pacis officia vincta legibus aequissimis ac remoto pestilenti frumentariorum genere, quorum nunc agentes rerum simillimi sunt. qui cum ad explorandum annuntiandumque, ecqui forte in provinciis motus exsisterent, instituti viderentur, compositis nefarie criminationibus, iniecto passim metu, praecipue remo-tissimo cuique, cuncta foede diripiebant. (45) simul annona urbis …

6. Bemerkungen zur Orthographie In beiden Codices kommen zahlreiche orthographische Varianten und Fehler vor, ohne dass dabei eine besondere Absicht erkennbar ist.1 Diese werden in der vorliegenden Ausgabe in der Regel stillschweigend der in den modernen lateinischen Editionen üblichen Schreibweise angepasst und daher nicht im kritischen Apparat vermerkt, sondern in der folgenden Liste angeführt. Dabei handelt es sich wohl durchgehend um Varianten, die das Resultat des Sprachgebrauchs und der Schreibpraxis der mittelalterlichen Kopisten sind und nicht auf Victor selbst zurückgehen. Zu Recht hat schon Pichlmayr einige der im Folgenden exemplarisch aufgeführten orthogra-

1

Vgl. dazu die Liste bei D’Elia, Per una nuova edizione critica 66 f.

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phischen Varianten und Fehler (vor allem bei Namen) der in den modernen Ausgaben gebräuchlichen Schreibweise angepasst.1 ae statt e findet man in beiden Codices in Rhetis statt Raetis (c. 1,2), in P praecipuae statt praecipue (c. 4,1) und inconsultae statt inconsulte (c. 38,3); dagegen e statt ae in Getulorum statt Gaetulorum (c. 2,3), cherea in O bzw. cerea in P statt Chaerea (c. 3,14), pelicum statt paelicum (c. 4,11), in P summe statt summae (c. 8,8 und 26,1), Vologesus statt Vologaesus (c. 9,10), seva statt saeva (c. 17,1), ceromonias statt caerimonias (c. 14,2), elius bzw. (h)elio statt Aelius bzw. Aelio (c. 14,1. 5. 10), terremotu statt terrae motu (c. 16,12), vielleicht im Namen Calocerus statt Calocaerus (c. 41,11). Ebenso steht einmal e statt oe, so fenix in O statt Phoenix (c. 4,14) und in O i statt e in quingentisimo statt quingentesimo (c. 4,14). Dagegen findet man die Vertauschung von c und t in P in Attitiani und Attitianus statt Atticiani und Atticianus (c. 33,12 f.), in O parci statt parti (c. 39,31), ocium statt otium (c. 42,1), in P patritium statt patricium (c. 42,11). Die Vertauschung von i und y findet man in O etwa in ytalia statt Italia (c. 8,5) und ytalica statt Italica (c. 13,1). In griechischen Fremdwörtern wird oft f statt ph geschrieben, so in O bei fenix bzw. foenix in P statt Phoenix (c. 4,14), umgekehrt nepharie statt nefarie (c. 39,45) und in P Aphrica bzw. Aphricam statt Africa bzw. Africam (c. 33,3 und 39,30). Ebenso ist das h manchmal parasitär wie in rhetis statt Raetis (c. 1,2), Chremonam statt Cremonam (c. 8,5), in P hetruscorum statt Etruscorum (c. 28,8) und hetruria statt Etruria (c. 32,4), tharsum statt Tarsum (c. 37,1), helianum statt Aelianum (c. 39,17), tharsum statt Tarsum (c. 40,29). Oft steht h an der falschen Stelle wie in Trachia und trachiae (bzw. trathia und trathiae in P) statt Thracia und Thraciae (c. 27,3 bzw. 29,2 und 40,8), Trachiam (bzw. traciam in O) statt Thraciam (c. 33,3), trachas statt Thracas (c. 41,8), in P thraconites statt T statt Antiochiam (c. 13,11), anthonius in O statt Antonius (c. 26,1). Die Nasallaute n und m werden in P in tentaverat statt temptaverat (c. 3,13), inprimis statt imprimis (c. 11,4 und 16,12), in P in nanque statt namque (c. 13,1) und in tentans statt temptans (c. 29,2) vertauscht.

1

Aber im Gegensatz zu Pichlmayr, der in c. 3,4 calceamento anstelle des überlieferten calciamento schreibt, hält diese Edition an der tradierten Form fest, da calciamentum bei Schriftstellern aus allen Epochen (wie Suet. Aug. 73 calciamentis) belegt ist, vgl. ThLL s. v. calceamentum Sp. 129,32–34.

Einleitung

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Bisweilen fällt vor einem Sibiliant der Nasallaut weg, etwa in O istans statt instans (c. 32,1), tramittere statt transmittere (c. 20,9) und trasferretur statt transferretur (c. 33,34). Ebenso werden manchmal c und g vertauscht in Galigula in O statt Caligula (c. 3,1) und in beiden Handschriften Caragalla statt Caracalla (c. 21,1), in O cothorum statt Gothorum (c. 41,13). Manchmal fehlt die Geminatio der Konsonanten, so etwa in Capadocas statt Cappadocas (c. 2,3) oder Cotias und Cotio statt Cottias und Cottio (c. 5,2); bisweilen kommt in P eine zusätzliche Geminatio vor, so in tollerabilis statt tolerabilis (c. 39,32) und Regallianum statt Regalianum (c. 33,2). Wie aus den hier angeführten Beispielen hervorgeht, divergieren bei den Personen- und Ländernamen die Schreibweisen innerhalb und zwischen den beiden Handschriften.1 In dieser Edition wurden sie, wo möglich, vereinheitlicht und ebenso der in den modernen lateinischen Ausgaben üblichen Schreibweise angepasst. So hat O immer Formen von Vespesianus statt Vespasianus (c. 8,1 etc.) oder Andrianus statt Hadrianus (c. 14,1). Dasselbe gilt für Alemanni, -orum anstelle von Alamanni, -orum2 (etwa c. 33,3) und in P Terraconensium statt Tarraconensium (c. 33,4). Schließlich haben beide Codices die auch in anderen Handschriften belegte Form sextertium (als ob das Wort aus sex und tertius und nicht aus semis und tertius entstanden sei) statt sestertium (c. 8,5). Weitere Besonderheiten von O sind der regelmäßige Gebrauch von secordia statt socordia (c. 15,5. 33,17. 34), die Assimilierung in attuariorum statt actuariorum (c. 33,13) und iccircoque statt idcircoque (c. 4,13. 11,4. 14,10. 20,33. 41,26), die Doppelung des -i in Formen des Demonstrativums wie hijs statt his (c. 3,13. 5,17. 39,2) und hij statt hi (c. 8,6) sowie ansie statt anxie (c. 14,6), die auf die italienische Herkunft des Kopisten hinweisen. Ebenso kommen auch orthographische Fehler beim Abschreiben vor, so z. B. in c. 3,17 comptentui statt c

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D’Elia, Per una nuova edizione critica 115 bemerkt in Bezug auf die Namen: „È notissimo che gli scribi medievali, e in particolare quelli di OP, di errori in nomi propri ne hanno veramente a iosa. Basterà citare un breve elenco di errori marchiani riscontrabili nel codice O, che pure abbiamo detto e riteniamo poziore.“ 2 ThLL s. v. Alamanni Sp. 1477,69–79 weist darauf hin, dass Alemanni eine sehr alte Varia lectio ist, die schon bei Serv. Georg. 4,278 gefunden wird.

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7. Sprache und Stil Im Gegensatz zu Eutrops Werk und zur Epitome ist Victors Sprache viel komplexer und origineller, da er bei der Kompilation seines Werks nicht nur seine Quellen abgekürzt, sondern mit rhetorisch ausgearbeiteten, moralischen Urteilen angereichert hat. Als erste haben Wölfflin und Opitz in zwei Aufsätzen ausführlich einige sprachliche und stilistische Charakteristika Victors, durch die sich das Werk besonders von der Epitome unterscheidet, aufgezählt.1 Dazu gehört allen voran das „Sallustianische“, das Victor – obgleich mehr Biograph als Historiker – wie andere spätere Historiker als Nachahmer Sallusts (und Tacitus’) ausweist. Ausführlich haben sich, von diesen Beobachtungen ausgehend, La Penna und Bird mit diesem Phänomen befasst und die Liste von Ausdrücken und Junkturen, die bei Sallust Entsprechung finden, erweitert.2 Schließlich hat sich Festy auf der Grundlage all dieser Vorarbeiten mit Victors Nachahmung der Sprache Sallusts befasst und daneben auch stilistische Übernahmen Victors aus den Werken des Tacitus dokumentiert.3 In Bezug auf den Wortschatz kommen häufig Wörter wie queo und nequeo anstelle von possum, mortales in der Bedeutung von homines, memorare neben dicere, quis neben quibus und fore bzw. foret neben esse und esset vor. Frequentativa auf -are sind etwa adventare, affectare, afflictare, agitare, consultare, contrectare, despectare, dictitare, exercitare, grassari, imperitare, occultare, prolatare, propulsare, reductare, retractare, sustentare, ventitare vor. Auch Ausdrücke wie ea / hac tempestate bzw. his 1

Opitz, Sallustius und Aurelius Victor 217–222. Wölfflin, Aurelius Victor 285–288 gibt eine Liste von Ausdrücken und Wendungen, die genaue Parallelen im Corpus Sallustianum haben. 2 La Penna, I flosculi sallustiani 384 hält den stilistischen Einfluss Sallusts allerdings für ziemlich begrenzt: „Ma la presenza del grande storico e scrittore non è molto diffusa né incide nel profondo; la si avverte ben poco nella sintassi; troppo diverso è il livello stilistico: direi … che non pochi sono gli ornamenti sallustiani, in parte facilmente visibili, in parte da scoprire con ricerca sapiente, ma che non è sallustiana la stoffa; i flosculi sono parecchi, ma non fanno prato.“ Dieses Urteil teilt Dufraigne, Aurelius Victor li. Vgl. auch Bird, Sextus Aurelius Victor, 90–99. 3 Festy, Aurelius Victor 195–205 (zu Sallusts Einfluss) und 206–213 (zu Tacitus’ Einfluss). Mit Recht weist er S. 206 darauf hin, dass weder das Oeuvre Sallusts noch dasjenige Tacitus’ vollständig erhalten ist, weshalb beim Vergleich dieser beiden Corpora mit den Historiae manche Einflüsse der beiden Vorbilder auf Victor aus Mangel an Parallelen übersehen werden können.

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tempestatibus, frustra fore, immane quantum, occipere statt incipere, die 3. Pl. Perfekt auf -ere (außer c. 11,9 coeperunt und c. 25,2 approbaverunt), Simplicia statt Komposita (firmare statt affirmare, aestimare statt existimare, premere statt comprimere/opprimere, ferre statt efferre etc.), die häufige Verwendung des finalen Dativs (etwa c. 2,2 flagitiis obtentui und Sall. Hist. 1,55,24 vitiis obtentui)1 sowie des historischen Infinitivs (etwa c. 6,1 rapere trahere vexare ac foedum in modum vastare cuncta et polluere) erinnern an Sallust und an Tacitus. Allgemein zeigt der Vergleich mit dem Vokabular Sallusts, dass Victor einige häufig verwendete Schlüsselbegriffe wie libido, metus oder cupido übernommen hat.2 Dagegen war Tacitus nicht nur in Bezug auf das Vokabular und den Stil ein Vorbild für Victor, sondern (neben Sueton) auch eine Quelle für die ersten Kapitel.3 In Bezug auf die Verwendung seiner Quellen (vornehmlich der EKG, Sallusts und Tacitus’) besteht die Eigenheit Victors darin, wie Festy mit Recht bemerkt hat, dass er „les réécrit et les amalgame au point qu’il est la plupart du temps bien difficile au critique moderne d’effectuer le cheminement inverse pour retrouver ces sources.“4 Abgesehen von diesen Arbeiten ist die Sprache Victors jedoch kaum systematisch untersucht worden; lediglich Pichlmayr hat ihr wenige Seiten5 gewidmet und folgende Phänomene beschrieben: fast überall Fehlen ‚afrikanischen Schwulsts‘, Streben nach Sprachreinheit, wenig Gräzismen, „vor allem ist er ein Feind der Symmetrie, Inconcinität ist seine Losung. Dazu tritt Vorliebe für Litotes und für Paarung von Gegensätzen.“ 6 Selten

1

Manchmal auch kühn wie c. 3,17 contemptui … haberetur, c. 10,10 reliquerat externae militiae und c. 20,34 cui amori ac magisterio erat. 2 Festy, Aurelius Victor 199: Der Vergleich der beiden Corpora „montre qu’Aurélius Victor connaît l’ensemble de l’œuvre de Salluste et … Lorsque il s’écarte de Salluste, c’est pour se rapprocher de Tacite.“ 3 Festy, Aurelius Victor 210 f. verwirft die Hypothese, dass Victor Tacitus nur aus der EKG kannte, da Tacitus auch in den Schlusskapiteln des Werks, wo Victor nicht mehr die EKG zur Verfügung hatte, als stilistisches Modell verwendet wurde. 4 Festy, Aurelius Victor 213. 5 Pichlmayr, Zu den Caesares 14–16. Vgl. auch die kurze Zusammenfassung bei Schmidt, Aurelius Victor 1670. 6 Pichlmayr, Zu den Caesares 15. Als Beispiele für Inkonzinnität führt er u. a. c. 3,8 egregia ad populum, inter patres, cum militibus, c. 11,4 per patrem vel fratris studio und c. 40,28 ex auro aut argenteae an. Als Beispiele für die Litotes nennt er die Verwendung von haud (z. B. c. 1,1 haud difficulter, c. 6,1 haud secus nobilis und c. 26,1 haud incommode). Als Beispiel für die Paarung von Gegensätzen erwähnt er u. a. c. 2,1 insontes noxios, suos

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verwendet Victor Metapher und Simile: so benutzt er c. 24,11 das Bild der Tugend als Mauer (virtute uti muro) gegen die Willkür des Schicksals, c. 33,3 z das Bild des Schiffbruchs (naufragio) zur Angabe des Untergangs und beschreibt c. 33,4 die Barbareneinfälle mit dem Simile „wie wenn von überallher Winde wüteten“ (quasi ventis undique saevientibus). Schon vor Pichlmayr ist der häufige Gebrauch des Komparativs anstelle des Positivs bemerkt worden, vgl. c. 2,1 subdolus et occultior, während etwa Tac. ann. 6,51 occultum ac subdolum schreibt, ebenso c. 4,1 pavidusque animi et ignavior.1 Er meint, dass dies ein Einfluss des Punischen sei, das keinen Komparativ kenne.2 Ebenso hat Stabile einige sprachliche Besonderheiten herausgearbeitet: Dazu gehören die Inkonzinnität und die Konstruktionen ad sensum,3 die Vermischung von Positiv, Komparativ und Superlativ, wobei sehr häufig anstelle des Positivs Komparativ verwendet wird. Betrachtet man den von Victor gebrauchten Wortschatz, erkennt man eine Vorliebe für seltene Wörter, zu denen etwa paritor (c. 2,4) und imparilis (c. 14,9) gehören; Hapax legomena sind dagegen peroccultus (c. 16,9), implanus (c. 27,2), reductare (c. 38,6) und semiagrestis (c. 39,17). Die Vorliebe für inkonzinne Konstruktionen ist auf allen syntaktischen Ebenen erkennbar und umfasst stilistische und rhetorische Mittel: So werden etwa Länder- und Völkernamen nebeneinandergestellt (c. 1,2 adiectis imperio civium Raetis Illyricoque), Lokativ und präpositionale Konstruktion (c. 20,8 Pescennium Nigrum apud Cyzicenos, Clodium Albinum Lugduni), Titel als bloße Adjektive neben der Umschreibung mit cognomentum (c. 20,17 ob haec tanta Arabicum, Adiabenicum et Parthici cognomento). Attribute und Objekte können auch durch präpositionale Objekte ausgedrückt werden (c. 1,4 flagrante haud modice luxuria ludorumque cupidine atque ad somnum intemperantia, c. 11,4 per patrem vel fratris studio und c. 20,4 publico latrocinio ac per d manchmal in parallelen Konstruktionen bei der Verwendung der Kasus, so etwa c. 10,5 ita biennio post ac menses fere novem zwischen Ablativ und

pariter externosque, c. 9,12 bonis indocti ac prudentibus inertes und c. 24,9 boni malique, nobiles atque ignobiles. 1 Ebenso Wölfflin, Aurelius Victor 291 und Corbett, The De Caesaribus 256. Vgl. dazu auch H.-Sz. 168. 2 Mit Recht weist aber H.-Sz. 766 darauf hin, dass es in der Spätantike kaum mehr punische Einflüsse im Latein Afrikas gab. 3 Darauf hat auch Baehrens, Ad Sexti Aurelii 252 f. aufmerksam gemacht.

Einleitung

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Akkusativ und c. 18,1 hic doctrinae omnis ac moribus antiquissimis, immodice parcus zwischen Genetivus und Ablativus qualitatis; ebenso wechselt er auch zwischen direkten und präpositionalen Objekten ab, wie etwa in c. 5,11 illa per alteros ad patrui nuptias atque alienorum cruciatibus mariti exitium, hic paulatim ad sacerdotem Vestae, deinde se, postremo uterque in sui scelus processerint. Auch bei Aufzählungen verwendet Victor Asyndeton und Polysyndeton durcheinander (c. 1,6 templa, sacerdotes et collegia, c. 4,1 vecors iuxta atque immemor pavidusque animi et ignavior esset c. 16,12 multaeque urbes conditae deductae repositae ornataeque atque in primis Poenorum Carthago, quam ignis foede consumpserat, Asiaeque Ephesus ac Bithyniae Nicomedia constratae terrae motu). Bezüglich der Wortstellung ist er sehr frei und trennt Zusammengehöriges wie in c. 5,6 noxiorum vinctis modo pelle tectus ferae oder c. 8,4 nova senator familia. Eine bisher unbemerkte Besonderheit ist der Gebrauch der Konjunktion que, welche die von Victor am häufigsten verwendete, verbindende Konjunktion ist.1 Es ist bekannt, dass im Spätlatein „-que … tatsächlich ein totes Wort geworden“ ist und seine Funktion als verbindende Partikel an manchen Stellen eingebüßt hat.2 Bei Victor ist es an manchen Stellen belegt, an denen es offensichtlich funktionslos ist. Daher wird es von manchen Editoren getilgt. Umstrittene Stellen, an denen dieses funktionslose que wohl einfach dazu dient, dem Wort, bei dem es steht, Emphase zu verleihen, sind etwa c. 3,20 (conatus vacuos a fortuna cassosque esse), c. 9,10 (Iudaeique), c. 20,12 (nihil bonis cum sanctique), c. 24,5 (fabricatus est matrisque cultu) und c. 24,10 (passim confusaque omnia).3 Weitere rhetorische Figuren sind Enallage und Metonymie, so etwa c. 1,2 pacata externarum gentium ferocia statt pacatis externaris gentibus ferocibus. Sehr kühn ist c. 20,24: die Aufzählung mit Hyperbole, die von 1

Bei Victor wird von den verbindenden Konjunktion que 336-mal (56%), ac 95-mal (16%), atque 91-mal (15%) und et 76-mal (13%) verwendet, vgl. Cardinali s. v.; damit ist Victor der Historiker, der que am häufigsten als verbindende Konjunktion gebraucht. Dagegen kommen in der Epitome que 174-mal und et 153-mal, bei Sallust que 482-mal und et 851-mal und bei Tacitus que 3273-mal und et 5976-mal (62%) vor. 2 So Löfstedt, Syntactica 2,342; auch H.-Sz. 474–76 spricht vom Bedeutungsschwund von que, gibt aber als Beispiele zusammengesetzte Wörter wie ideoque, cumque, quique, utque, utinamque etc. an. 3 Vgl. dazu jeweils die Einträge im Komm. Ebenso bewahrt O an einigen Stellen que, das in P fehlt (c. 4,13 idcircoque, c. 5,5 inventoque, c. 11,5 multoque, 17,4 feroque etc., dagegen hat c. 4,6 P passimque).

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(B 2) Aurelius Victor

Einzelpersonen über Gruppen zum Abstraktum geht (et illi magis, cui non privati neque singuli aut flagitiosi, verum imperia et exercitus atque ipsa vitia concessere). Zu nennen sind auch Ironie (c. 26,2 tamquam ea re creatus foret) und Chiasmus mit Paronomasie (c. 33,4 parvis maxima ima summis orbe toto miscebantur). In der Periode c. 33,13 beschreibt Victor parataktisch nach Behaghels Gesetz der wachsenden Glieder und unter Vermeidung des Parallelismus die Proviantmeister: genus hominum, praesertim hac tempestate, nequam, venale, callidum, seditiosum, habendi cupidum atque ad patrandas fraudes velandasque quasi ab natura factum, annonae dominans eoque utilia curantibus et fortunis aratorum infestum, prudens in tempore his largiendi, quorum vecordia damnoque opes contraxerit.1 Neben der rhetorischen Gestaltung ist auch die literarische Ausarbeitung von Bedeutung. Victor schreibt, wie schon aus dem Titel hervorgeht, eine Kaisergeschichte (Historiae) und keine Biographie (Vitae);2 doch weist das Werk hinsichtlich der Stoffwahl und der literarischen Gestaltung der einzelnen Kaiserbiographien viele biographische Elemente und Techniken auf, die etwa auch in Suetons Kaiserviten gefunden werden. In den ersten 38 Kapiteln steht jeweils die Person des Kaisers mitsamt seinem Privatleben und Anekdoten im Mittelpunkt, während andere politische Figuren – etwa im Gegensatz zu Tacitus – nicht oder nur kurz erwähnt werden.3 Ab Diokletian (c. 39–42) hat das Werk mehr monographischen Charakter, da die gemeinsame Verwaltung des Reichs durch mehrere Kaiser eine neue narrative Technik verlangt; allerdings fehlen auch in den letzten Kapiteln Hinweise auf Privates und Anekdoten nicht. Wie bei Sueton kommen auch bei Victor kurze Aussprüche in Oratio ob 21,3; gemischt 11,6) vor, die vor allem zur Dramatisierung der Erzählung

1

Vgl. auch die Beispiele bei Dufraigne, Aurelius Victor xlix f. Anm. 156. Vgl. auch Kap. I. 2. 3 Vgl. dazu Dufraigne, Aurelius Victor xlv–l f. Er weist darauf hin xlv, dass das Werk „à la fois selon les normes d’une technique biographique (pour les 38 premiers chapitres), et celles d’une technique historiographique (pour les 4 derniers)“. Zur Debatte Historiographie – Biographie vgl. auch Schmidt, Aurelius Victor 1669 f., der den Unterschied zwischen den c. 1–38 (biographisch) und 39–42 (hist. monographisch) mit den verschiedenen Vorlagen erklärt. 2

Einleitung

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und zusammen mit explikativen, auktorialen Kommentaren zur Charakterisierung der handelnden

Siglen, Zeichen und Abkürzungen

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Erklärung der Siglen, Zeichen und Abkürzungen in Text und Apparat O P

cod. Oxoniensis Canonici Lat. 131, 15. Jh. cod. Bruxellensis / Pulmannianus 9755–9763, 15. Jh.

{aaa} ⟨aaa〉 (aaa) ⟦aaa⟧ ạạạ [aaa] .... [ ̣ ̣ ̣]

vom Editor getilgte Buchstaben vom Editor hinzugefügte Buchstaben vom Editor aufgelöste Abkürzungen vom Schreiber oder anderer Hand getilgte Buchstaben unsicher erhaltene Buchstaben vom Editor in einer Lücke ergänzte Buchstaben unleserliche Reste von Buchstaben Zahl der in einer Lücke verlorengegangenen Buchstaben vom Schreiber freigelassener Raum im Umfang eines Buchstabens

*

Pa.c. Pp.c. Pcorr. Pmarg.

Lesart in P vor der Korrektur (ante correctionem) Lesart in P nach der Korrektur (post correctionem) korrigierte Lesart in P (was vorher in P stand, ist unklar) Lesart am Rand von P

add. cf. corr. del. dub. fort. in marg. litt. om. s. l. sc. transpos. ut vid.

addidit vel addiderunt confer correxit vel correctus, -a, -um delevit dubitanter fortasse in margine litterae omisit vel omiserunt supra lineam scilicet transposuit vel transposuerunt ut videtur

Aurelius Victor, Historiae abbreviatae

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Aurelii Victoris historiae abbreviatae ab Augusto Octaviano {id est a fine Titi Livii} usque ad consulatum decimum Constantii Augusti et Iuliani Caesaris tertium. 1. (1) anno urbis septingentesimo fere vicesimoque duobus etiam, mos Romae incessit uni prorsus parendi. namque Octavianus patre Octavio atque adoptione magni avunculi Caesar ac mox procerum consulto ob victoriam partium placide exercitam Augusti cognomento dictus, illectis per dona militibus atque annonae curandae specie vulgo ceteros haud difficulter subegit. (2) eoque modo annis quattuor circiter et quadraginta actis morbo Nolae consumptus, adiectis imperio civium Raetis Illyricoque ac pacata externarum gentium ferocia nisi Germaniae, (3) quamquam tertius post Numam victo Antonio Ianum clauserit, quod iure Romano quiescentibus bellis accidebat. (4) mores viro civiles lepidique flagrante haud modice luxuria ludorumque cupidine atque ad somnum intemperantia. (5) doctorum, qui abunde erant, necessariorumque percultor, cum eloquentiae studio ac religionibus mire attineretur. (6) pater patriae ob clementiam ac tribunicia potestate perpetuo habitus. hincque uti deo Romae provinciisque omnibus per urbes celeberrimas vivo mortuoque templa, sacerdotes et collegia sacravere. (7) felix adeo absque liberis tamen simulque coniugio, ut Indi, Scythae, Garamantes ac Bactri legatos mitterent orando foederi.

1 – 3 Aurelii – tertium suspectum 1 sq. id – Livii del. D’Elia 3 post tertium add. incipiunt foeliciter P 4 ante anno add. explicit prima pars huius operis O, finit prima pars huius operis incipit secunda aurelii victoris (victor Pa.c.) P | duobus OP : secundo Gruter | etiam OP : iterum Maehly 6 Caesar Rudoni : Caesaris OP | consultum Pa.c. 7 patriam P, ut vid. | exercitum O 8 per s. l. P 11 ac P : a O 13 civiles Schott : civilis OP 15 intemperantia Dacier : intemperantis OP : intemperantior Knecht 16 attineretur O : retineretur P 17 ac OP : vocatus Freudenberg | ante habitus add. dignus Fuhrmann | habuit Freudenberg 20 iudei P

Aurelius Victor, Gekürzte Historien

Gekürzte Historien des Aurelius Victor von Augustus Octavianus {d. h. vom Ende des Titus Livius} bis zum zehnten Konsulat des Augustus Constantius und dem dritten Konsulat des Caesar Julianus (360 n. Chr.) 1. (1) Etwa im siebenhundertzwanzigsten Jahr der Stadt, mit noch zweien dazu (31 v. Chr.), wurde es in Rom Usus, einem Einzigen völlig zu gehorchen. Denn der nach seinem Vater Octavius benannte Octavianus, der aufgrund der Adoption durch seinen Großonkel mit dem Beinamen ‚Caesar‘ und später auf Beschluss der Senatoren, weil er den Sieg über die Gegenpartei mit Zurückhaltung ausgekostet hatte, mit dem Beinamen ‚Augustus‘ versehen wurde, hatte das Heer durch Geschenke sowie die Volksmasse durch die Inszenierung der Getreideversorgung gewonnen, bevor er die Übrigen mühelos unterwarf. (2) Nachdem er auf diese Weise ungefähr vierundvierzig Jahre zugebracht hatte, wurde er in Nola durch Krankheit dahingerafft. Er hat Raetien und Illyricum der Herrschaft seiner Mitbürger hinzugefügt und die Wildheit auswärtiger Völker gebändigt mit der Ausnahme von Germanien: (3) gleichwohl schloss er, nachdem Antonius besiegt war, als dritter nach Numa den Janustempel, was nach römischem Recht dann geschah, wenn die Waffen ruhten. (4) Der Mann hatte ein zugängliches und heiteres Wesen, wobei eine nicht geringe Vergnügungssucht und Leidenschaft für öffentliche Spiele in ihm brannte und er ein maßloses Verlangen nach Schlaf hatte. (5) Er war ein eifriger Förderer der Gelehrten, die es überreichlich gab, und seiner Freunde, zumal er vom Studium der Rhetorik und religiösen Dingen außerordentlich gefesselt war. (6) Er galt als Vater des Vaterlandes wegen seiner Milde und nizische Amtsgewalt. Infolgedessen weihten sie (d. h. die Senatoren) ihm wie einem Gott in Rom und in den bevölkerungsreichsten Städten sämtlicher Provinzen zu Lebzeiten sowie nach seinem Tod Tempel, Priester und Priesterkollegien. (7) Er hatte eine derartig glückliche Hand, abgesehen jedoch von seinen Kindern und seiner Ehe, dass Inder, Skythen, Garamanten und Baktrer Gesandte schickten, um ein Bündnis zu ersuchen.

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(B 2) Aurelius Victor

2. (1) deinde Claudius Tiberius Nero in Augusti liberos e privigno redactus arrogatione, ubi, quae metuebantur, satis tuta animadvertit, imperium complexus est, cuius nomen astu abnuebat. subdolus et occultior hisque saepe simulando infensus, quae maxime cuperet, et insi5 diose deditus, quae odio erant, ingenio ad repentina longe acriore. bonis initiis deinde perniciosus quaesitissimis in omnem fere aetatem sexumque libidinibus atque atrocius puniens insontes noxios, suos pariter externosque. (2) adhuc dum urbes et conventus exsecratur, Capreas insulam quaesiverat flagitiis obtentui. (3) quare solutis militiae artibus di10 repta pleraque iuris Romani nihilque praeter Cappadocas, idque inter exordia, in provinciam subactum remoto rege Archelao compressaque Gaetulorum latrocinia, quae Tacfarinate duce passim proruperant. (4) simul Marobodus callide circumventus Suevorum rex. neque minus contractas undique cohortes praetorias, quae dispersae proximis municipiis 15 seu Romae quaeque per domos habebantur, in castra apud urbem redegit, qua tenebantur, praefecturam appellans vel augens praetorio. nam ceteros paritorum praesidesque Augustus instituerat.

3. (1) igitur Claudio febri an insidiis oppr que viginti, aevi octogesimum uno minus anno egisset, Gaius Caesar

1 dein P 2 arrogationem O | ubi quae Schott : ubique OP 3 obtinebat Pa.c. 4 cupuret O 6 deinde O : idem P : fine Gruter | quaesitissimus O 7 noxios om. P 8 post conventus add. adhuc P 9 quaesierat P | quare solutis Schott : qua resolutis O : quare solitis P : quare resolutis Maehly : quo resolutis D’Elia 10 ruris O 11 exordia Olivarius : exedra OP | provinciam Opitz : provincia OP 12 Tacfarinate Schott : de farnace OP 12 – 14 simul – cohortes om. P 13 Suevorum Dufraigne : suenorum O : sueborum Pichlmayr 14 dispersas O 16 appellans vel del. D’Elia 17 apparitorum Gruter 18 febri an Pichlmayr : ferian OP : fere iam Pmarg. : del. Opitz 19 annos P

Text und Übersetzung

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2. (1) Danach ergriff Claudius Tiberius Nero, der vom Stiefsohn durch Adoption zu einem der Kinder des Augustus geworden war, sobald er erkannte, dass dasjenige, vor dem er Angst hatte, sich als genügend sicher erwies, die Herrschaft, deren Amtstitel er aus Kalkül jedoch ablehnte. Er war verschlagen und ziemlich schwer zu durchschauen, und häufig denjenigen Dingen zum Schein abgeneigt, die er heiß begehrte, und hinterhältig den Dingen zugetan, die ihm verhasst waren; auf unerwartete Situationen reagierte er mit äußerst geistesgegenwärtigem Verstand. Nach guten Anfängen wurde er später gemeingefährlich, wobei sich seine höchst exzentrischen Gelüste auf fast jedes Alter und Geschlecht erstreckten, und er bestrafte auf ziemlich grausame Weise unterschiedslos Unschuldige wie Schuldige, Nahestehende ebenso wie Fremde. (2) Außerdem hatte er, weil er ohnehin Städte und Menschenansammlungen verwünschte, zur Verbergung seiner Schandtaten die Insel Capri aufgesucht. (3) Weil deshalb die Disziplin des Militärs sich auflöste, wurden weite Teile des römischen Hoheitsgebiets in Mitleidenschaft gezogen, und nur Kappadokien wurde durch die Beseitigung des Königs Archelaos zu einer Provinz gemacht, und zwar in seinen Herrschaftsanfängen; außerdem wurde den Raubzügen der Gaetuler Einhalt geboten, die unter der Führung des Tacfarinas überallhin ausgegriffen hatten. (4) Zugleich wurde Marbod, der König der Sueben, geschickt bezwungen; und die von überall her zusammengezogenen Prätorianerkohorten, die über die benachbarten Landstädte und Rom verstreut, alle in Häusern untergebracht waren, verlegte er in ein Lager bei der Stadt, wobei er das Vorsteheramt, von dem sie kommandiert wurden, Prätorianerpräfektur nannte und förderte. Denn die übrigen Schutztruppen und deren Befehlshaber hatte bereits Augustus eingesetzt. 3. (1) Als dann Claudius (d. h. Tiberius), durch ein Attentat umgekommen war – er hatte die Herrschaft dreiundzwanzig Jahre innegehabt und achtzig weniger einem Jahr gelebt –, wurde auf allgemeinen Wunsch Gaius Caesar, mit dem Beinamen

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cognomento Caligula aventibus cunctis deligitur maiorum gratiae parentisque. (2) namque per filiam proavus Augustus, genere materno Agrippa, Drusus, Germanici pater e quo is oriebatur, avi erant. (3) quorum modestia atque immaturo absque Octaviani interitu vulgus, simul matris fratrumque, quos vario Tiberius exitio interceperat, permovebantur. (4) qua causa nitebantur omnes casum tantae familiae lenire adolescentuli spe, tum quia natus in exercitu (unde cognomentum calciamento militari quaesiverat) legionibus carus acceptusque habebatur. (5) praeterea prudentissimus quisque similem fore suis credebat. quod longe secus quasi naturae lege, quae crebro tamquam ex industria malos e bonis, agrestes ex doctioribus et ceteros huiuscemodi seu contra gignit. (6) quo demum exemplo sapientium plures caruisse liberis utilius duxere. (7) ceterum in Caligula haudquaquam vero plurimum aberant, quippe qui diu immania animi ita pudore ac parendi specie obtexerat, uti merito vulgaretur neque meliores famulos neque atrociorem dominum illo fuisse. (8) denique nactus potestatem, uti talia ingenia recens solent, decem mensibus egregia ad populum, inter patres, cum militibus gessit. delataque coniuratione quasi minus credens praedicavit vix convenire in eum, cuius vita nullius oneri aut incommodo esset. (9) sed repente caesis primum vario facinore innocentium paucioribus tamquam beluae hausto sanguine ingenium exeruit. itaque deinceps triennium consumptum, cum senatus atque optimi cuiusque multiplici clade terrarum orbis foedaretur. (10) quin etiam sororum stupro ac matrimoniis illudens nobilibus deorum habitu incedebat, cum Iovem se ob incestum, ex choro autem Bacchanali Liberum assereret. (11) neque secus con-

1 gratia D’Elia 3 ante Drusus add. paterno dub. Schott | avi Schott : avii O : anii P 5 sq. permovebatur Schott 6 qua – nitebantur om. Oa.c. 9 suis dub. Schott : sui OP 11 doctoribus O 11 sq. gingit O 13 haudquamquam O 15 meliorem famulum dub. Schott 16 vidisse Oa.c. | recens OP : verti Gruter : deteri Pithou 17 decem Nickbakht : anni OP : anni ⟨primi primis vel prioribus⟩ Hertz | patres Schott : partes OP 18 praedicavit dub. Schott : praedicaret OP : praedicarat Peteschenig 20 innocentium Schott : innocentum P : nocentium O 21 belua Maehly | exercuit P 22 multiplice O 23 sturpro O | post stupro add. turpis Damsté 25 choro Op.c.(cf. Epit. Caes. 3,5) : thoro Oa.c. P

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‚Caligula‘, seiner Vorfahren und seines Vaters wegen auserwählt. (2) Augustus war nämlich durch seine Tochter dessen Urgroßvater, seine Großväter waren Agrippa mütterlicherseits und Drusus, der Vater des Germanicus, von dem Caligula abstammte. (3) Angesichts ihrer Mäßigung und ihres – mit Ausnahme Octavians – vorzeitigen Todes war das Volk sehr berührt, ebenso wegen des vorzeitigen Todes seiner Mutter und seiner Brüder, die Tiberius auf verschiedene Weise beseitigt hatte. (4) Aus diesem Grund trachteten alle danach, das Unglück einer so prominenten Familie durch die in diesen Jüngling gesetzte Hoffnung zu lindern; ferner war er, weil im Heerlager geboren (daher hatte er seinen vom Militärstiefel abgeleiteten Beinamen erhalten) den Legionen lieb und teuer. (5) Außerdem glaubten gerade die Klügsten, dass er seinen Vorfahren ähnlich sein werde; es verhält sich aber bei weitem umgekehrt, gleichsam wie durch ein Naturgesetz, das häufig quasi mit Absicht Schurken aus Guten, Banausen aus Gebildeten und weitere derartige Konstellationen oder ihr Gegenteil hervorgehen lässt. (6) Gerade aus diesem Fallbeispiel haben einige Weise geschlossen, dass es dienlicher sei, auf eigene Kinder zu verzichten. (7) Wie dem auch sei, sie lagen damit keineswegs weit von der Wahrheit bezüglich Caligula, der ja lange die Ungeheuerlichkeit seines Charakters so sehr durch Sittsamkeit und vorgespielten Gehorsam verschleiert hatte, dass sich mit Recht die Meinung herumsprach, es habe weder bessere Diener noch einen schrecklicheren Herrn als ihn gegeben. (8) Als er schließlich die Herrschaft übernommen hatte, bewirkte er, wie solche Naturen es anfangs eben zu tun pflegen, während zehn Monaten Vorzügliches gegenüber Volk, Senatoren und Soldaten; und als ihm von einer Verschwörung berichtet wurde, erklärte er, als ob er es nicht glauben wollte, dass sie sich kaum gegen ihn, dessen Existenz doch für niemandem eine Bürde oder eine Einschränkung darstelle, Aber plötzlich, als er erstmals einige wenige Unschuldige in verschiedenen Verbrechen getötet hatte, zeigte er sein wahres Wesen, das dem eines Raubtiers, das Blut geleckt hatte, glich; so vergingen dann drei Jahre, in denen der Erdkreis durch die vielfache Beschädigung des Senats und gerade den Besten besudelt wurde. (10) Ja, er trieb sogar Unzucht mit seinen Schwestern und vergriff sich an vornehmen Ehefrauen und stolzierte in Götterkostümen einher, wobei er erklärte, wegen des Inzests Jupiter, aufgrund der bacchanalischen Schar aber Liber zu sein. (11) Auf gleiche Weise befahl er den Legionen, als sie in der Erwar-

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tractis ad unum legionibus spe in Germaniam transgrediendi conchas umbilicosque in ora maris Oceani legi iussit, (12) cum ipse nunc fluxo cultu Venereoque interesset, nunc armatus spolia a se non ex hominibus, sed caelestium capi dictitaret, scilicet quod huiuscemodi pisces Graecorum dicto, quis augendi omnia studium est, Nympharum lumina accepisset. (13) his elatus dominum dici atque insigne regni nectere capiti temptaverat. (14) qua causa auctore Chaerea moti, quibus Romana virtus inerat, tanta pernicie rem publicam confosso eo levare. relatumque excellens Bruti facinus eiecto Tarquinio foret, si per Quirites modo militia exerceretur. (15) verum ubi cives desidia externos barbarosque in exercitum cogere libido incessit, corruptis moribus libertas oppressa atque habendi auctum studium. (16) interim dum senatus decreto gentem Caesarum, etiam muliebri sexu, omnemque affinitatem armati persequuntur, forte Vimius ortus Epiri, centurio e cohortibus, quae palatium per opportunos locos obsidebant, Titum Claudium occultantem se repperit deformi latebra protractatoque eo exclamat apud socios, si sapiant, adesse principem. (17) et sane, quia vecors erat, mitissimus videbatur imprudentibus. quae res adversum nefariam patrui Neronis mentem auxilio neque apud fratris filium Caligulam invidiae fuit; quin etiam militares plebisque animos conciliaverat, dum flagrante suorum dominatione ipse contemptui miserabilior haberetur. (18) talia plerisque memorantibus repente eum nullo retractante, quae aderant, turbae circumsistunt simulque affluebant reliqui militum et vulgi magna vis. quod ubi patres accepere, mittunt ocius, si valerent, ausum comprimere. (19) sed postquam variis tetrisque seditionibus civitas cunctique ordines

1 specie Schott 3 Venereoque P : venereque O : venerioque Schott 4 scilicet P : set O 5 post lumina add. nominari Freudenberg 8 confosso Schott : confesso OP levavere dub. Pichlmayr 8 sq. relatumque Pichlmayr : praelatumque OP 9 torquinio O 14 uimius O : unius P : iunius dub. Festy 15 Titum P : titus O | claudius O 16 reperit Schott 18 patrui Schott : patri Op.c.P : patris Oa.c. 19 fratres O | Caligulam Schott : caligula OP 22 cum O 24 ocius Pmarg. : hoc ius OP | ocius – comprimere OP : qui ocius ausum comprimeret Freudenberg | si valerent om. P

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tung, nach Germanien überzusetzen, an einem Ort zusammengezogen worden waren, am Strand des Ozeans Muscheln und Meeresschnecken zu sammeln, (12) während er selbst mal in einem wallenden und venusgleichen Gewand, mal in Rüstung gekleidet teilnahm und zu sagen pflegte, dass er nicht unter den Menschen Beute mache, sondern unter den Himmlischen, und zwar weil er vernommen hatte, dass derartige Meerestiere gemäß der Redensart der Griechen, die bestrebt sind, alles zu überhöhen, Nymphenaugen seien. (13) Hierdurch übermütig geworden, versuchte er, sich ‚Herr‘ nennen zu lassen und das Symbol der Königsherrschaft um den Kopf zu binden. (14) Aus diesem Grund haben von Chaerea angestiftete Männer, denen noch römische Tugendhaftigkeit innewohnte, den Staat von diesem schweren Übel befreit, indem sie Caligula niederstachen. Und die herausragende Tat des Brutus, der Tarquinius vertrieben hatte, wäre wiederholt worden, wenn der Militärdienst nur von Quiriten geleistet würde. (15) Aber sobald die Bürger aus Bequemlichkeit das Verlangen ergriff, Auswärtige und Barbaren ins Heer zu rekrutieren, wurde mit dem Verfall der Sitten die Freiheit unterdrückt und nahm die Habgier zu. (16) Während unterdessen Bewaffnete auf Senatsbeschluss der Familie der Caesares, auch den weiblichen Mitgliedern, und der gesamten Anverwandtschaft nachstellten, entdeckte Vimius, ein gebürtiger Epireer und Zenturio der Kohorten, die den Palast an zweckmäßigen Stellen besetzt hielten, zufällig den sich in einem schäbigen Versteck verbergenden Titus (lies Tiberius) Claudius und rief, als er ihn hervorgezogen hatte, zu den Kameraden, wenn sie schlau seien, stehe ein Kaiser zur Verfügung. (17) Natürlich erschien er den Ahnungslosen, da er einfältig war, äußerst milde. Dieser Umstand kam ihm gegen die niederträchtige Gesinnung seines Onkels Nero (d. h. Tiberius) zugute und bewirkte auch, dass Caligula, der Sohn seines Bruders, keinen Unwillen gegen ihn hegte. Dies der Soldaten und des Volkes gewonnen; er selbst wurde nämlich während der wütenden Gewaltherrschaft seiner Angehörigen, da er in Verachtung stand, für ziemlich bemitleidenswert gehalten. (18) Während viele an Solches erinnerten, umringten ihn plötzlich die anwesenden Scharen, ohne dass sich jemand sträubte, und gleichzeitig strömten die übrigen Soldaten sowie eine große Volksmasse herbei. Sobald die Senatoren dies erfuhren, schickten sie rasch Vertreter los, um das Unternehmen, falls sie dazu imstande wären, zu unterdrücken. (19) Aber nachdem durch verschiedene hässliche Unruhen die Bürgerschaft und alle

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lacerabantur, tamquam ex imperio omnes dedere se. (20) ita Romae regia potestas firmata proditumque apertius mortalium conatus vacuos a fortuna cassosque esse.

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4. (1) igitur Claudius, quamquam ventri foede oboediens, vecors iuxta atque immemor pavidusque animi et ignavior esset, pleraque per formidinem tamen egregie consultabat nobilitatis praecipue consiliis, quae metu colebatur, quippe stolidorum ingenia proinde agunt, uti monitores sunt. (2) denique bonis auctoribus compressa per eum vitia ac per Galliam druidarum famosae superstitiones, lata iura quam commodissima, curatum militiae officium, retenti fines seu dati imperio Romano, Mesopotamia per orientem, Rhenus Danubiusque ad septemtrionem et a meridie Mauri accessere provinciis demptis regibus post Iubam caesaque Musulamiorum manus. simul ultima occasus, Britanniae partes contusae, quam solam adiit Ostia profectus mari. nam cetera duces curavere. (3) adhuc annonae egestas composita, quam Caligula invexerat, dum adactis toto orbe navigiis pervium mare theatris curribusque damno publico efficere contendit. (4) neque secus censu novato cum senatu motis pluribus lascivum adolescentem, quem sibi probatum parens asseruerat, retinuisset, censorem et liberis patrem debere esse recte adiecerat. (5) ast ubi Messalinae coniugis simulque libertorum delinimentis, quibus semet dediderat, in pravum abstractus, non illa modo tyrannorum admissa, verum quae postremum genus mulierum atque servile quibat facere viro amenti dominoque. (6) namque uxor primo passim quasi iure adulteris utebatur, eoque exstincti cum suis plerique ingenio seu metu abstinentes, dum pervagatis mulierum artibus petisse petitos cri-

1 se P : set O 2 a del. Klotz 3 cassos{que} Klotz 6 sq. consiliis quae Schott : consiliisque OP 9 druidarum Schott : drysadarum (-sud- P) OP | superstitione O 13 Musulamiorum Op.c.marg. : musul*** Oa.c. : musalamiorum P 14 solum O | adiit Schott : adit OP 15 induxerat P 17 sq. senatu Schott : senatus OP 19 sq. aiecerat O 22 verum quae Schott : verumque OP 23 passimque P 25 petisse petitos Damsté : peti a se petitos OP : peti se a petitis Schott

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Stände aufgerieben worden waren, haben sich alle wie auf Befehl gefügt. (20) So wurde in Rom die kaiserliche Macht gefestigt und erwies es sich ziemlich offenkundig, dass die Unternehmungen der Sterblichen, wenn ihnen das Glück fehlt, erfolglos bleiben. 4. (1) Daher traf also Claudius, obwohl er auf widerliche Weise seinem Bauch hörig, daneben einfältig und vergesslich sowie von ängstlichem Gemüt und ziemlich feige war, dennoch eben aus Furcht sehr viele ausgezeichnete Entscheidungen, vor allem aufgrund der Ratschläge der Nobilität, die er aus Angst respektierte: Trottel handeln ja genauso, wie ihre Ratgeber gesinnt sind. (2) Überhaupt, dank guten Lenkern wurden durch ihn die Laster und der berüchtigte Aberglaube der Druiden in Gallien bekämpft, wurden möglichst adäquate Gesetze erlassen und Sorge für den Heeresdienst getragen, wurden die Gebiete des römischen Reiches behauptet oder erweitert: Mesopotamien im Osten, Rhein und Donau im Norden und im Süden kamen die Mauren zum Provinzbestand hinzu, nachdem die seit Juba herrschenden Könige beseitigt worden waren, und eine Schar Musulamier wurde niedergemacht. Zugleich wurde der äußerste Westen, Teile Britanniens, unterworfen: die einzige Gegend, die er aufgesucht hat, indem er von Ostia aus übers Meer segelte, denn um das Übrige kümmerten sich die Generäle. (3) Außerdem wurde der Getreidemangel behoben, den Caligula verursacht hatte, indem er zum Schaden der Allgemeinheit versuchte, mit aus dem ganzen Erdkreis herangeschafften Schiffen das Meer für Theateraufführungen und Wagenrennen begehbar zu machen. (4) Auf gleiche Weise, als er beim neuen Zensus nach Entfernung einiger Senatoren einen zügellosen jungen Mann, dessen Vater versicherte, dass er ihn für tüchtig befinde, im Senat beließ, fügte er ganz richtig hinzu, dass auch ein Vater den Söhnen gegenüber ein Zensor sein müsse. (5) Aber als er durch die Verführungskünste seiner Fr ner Freigelassenen, denen er sich unterworfen hatte, zu Verkommenheit verleitet wurde, wurden nicht nur die typischen Vergehen eines Tyrannen begangen, sondern auch solche, die nur die verworfenste Art von Weibern und Sklaven unter einem debilen Mann und Herrn auszuüben vermochte. (6) Denn seine Ehefrau verkehrte anfänglich, wie wenn es ihr Recht wäre, wahllos mit Liebhabern, und daher wurden sehr viele Männer, die sich aufgrund ihres Charakters oder aus Furcht enthielten, zusammen mit ihren Angehörigen umgebracht, indem Messalina die von ihr Begehrten mit der unter Weibern verbreiteten Hinterlist be-

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minatur. (7) dehinc atrocius accensa {nobiliore quas} nobiliores quasque nuptas et virgines scortorum modo secum prostituerat coactique mares, uti adessent. (8) quod si qui talia horruerat, afficto crimine in ipsum omnemque familiam saeviebatur. (9) namque Claudium, uti supra docuimus, natura performidolosum iniecto metu sui agitabant maxime coniurationis. quo commento liberti etiam, quos vellent, perditum ibant. (10) qui primo sceleribus coniventes, ubi pares patronae facti sunt, eam quoque ignaro, quasi iubente tamen domino per satellites interficere. (11) et sane in id progressa mulier erat, uti animi ac paelicum gratia marito Ostiam profecto Romae nuptias cum altero frequentaret. et hinc notior, dum mirum videtur apud imperatorem virum ⟨alii viro⟩ quam imperatori nuptam esse. (12) ita liberti potestatem nacti summam stupris, exilio, caede, proscriptionibus omnia foedabant eoque herilem stultitiam perpulere, uti senex fratris filiam in nuptias concupisceret. (13) quae quamvis superiore absurdior haberetur idcircoque paria extimesceret, veneno coniugem interemit. (14) huius anno sexto, cum quattuordecim regnaret, octingentesimus urbis mire celebratus visusque apud Aegyptum Phoenix, quam volucrem ferunt anno quingentesimo ex Arabis memoratos locos advolare, atque in Aegaeo mari repente insula ingens emersit nocte, qua defectus lunae acciderat. (15) ceterum funus uti quondam in Prisco Tarquinio diu occultatum, dum arte mulieris corrupti custodes aegrum simulant atque ab eo mandatam interim privigno, quem paulo ante in liberos asciverat, curam rei publicae.

1 nobiliore quas del. Schott 3 quis Epit. Caes. 4,5 | horruerant O 7 coniventes Mommsen, duce Olivario : cohibentes OP : colludentes dub. Schott 8 sq. interfecere Schott 10 marito Mommsen : merito O : om. P | hostiam O | adultero Arntzen 11 hinc P, ut vid. : huic O | OP : viro Opitz, duce Epit. Caes. 4,5 | alii viro add. Shackleton Bailey 13 stuporis O 15 absurdior OP : abstinentior Shackleton Bailey : ad⟨ulteriis⟩ sor⟨di⟩dior Soverini | post haberetur add. cum adulterii conscia esset Shackleton Bailey idcircoque O : idcirco P 17 regnarit P 18 quinquagesimo P 19 repete O 20 ceterum O : tetrum P

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schuldigte, sie begehrt zu haben. (7) Hierauf noch heftiger entbrannt, hat sie alle möglichen verheirateten Frauen höheren Standes sowie Jungfrauen zusammen mit sich selbst nach Art von Huren preisgegeben und auch die Ehemänner wurden gezwungen, dem beizuwohnen. (8) Wenn aber jemand vor so etwas zurückgeschaudert ist, wurde aufgrund einer falschen Beschuldigung gegen ihn und seine ganze Familie gewütet. (9) Denn Claudius, der, wie wir oben (c. 9,1) dargelegt haben, von Natur aus äußerst furchtsam war, pflegten seine eigenen Leute zu plagen, indem sie ihm Angst einjagten, besonders vor einem Komplott. Mit dieser Masche trieben die Freigelassenen sogar, wen sie wollten, ins Verderben. (10) Anfangs duldeten sie die Verbrechen ihrer Patronin; sobald sie ihr gleichgestellt waren, ließen sie auch sie ohne Wissen ihres Herrn, jedoch wie auf dessen Befehl durch Gehilfen töten. (11) Allerdings war dieses Weib so weit gegangen, dass sie, als ihr Mann zu seinem Vergnügen und der Mätressen wegen nach Ostia abgereist war, in Rom mit einem anderen die Hochzeit feierte. Infolgedessen war sie noch berüchtigter, da es verwunderlich erschien, dass sie angesichts des Kaisers als ihres Mannes ⟨mit einem anderen Mann⟩ als dem Kaiser verheiratet war. (12) So besudelten die Freigelassenen, nachdem sie die höchste Macht erlangt hatten, alles durch Unzucht, Verbannung, Mord und Proskriptionen und brachten die Torheit ihres Herrn dahin, dass er als Greis die Tochter seines Bruders zur Ehefrau begehrte. (13) Obwohl diese als törichter als ihre Vorgängerin galt und deshalb ein gleiches Schicksal zu befürchten hatte, beseitigte sie ihren Gatten mit Gift. (14) In seinem sechsten Jahr – er herrschte vierzehn Jahre – wurde das achthundertste Jahr der Stadt Rom wundervoll gefeiert, und in Ägypten erschien der Vogel Phönix, von dem man sagt, dass er alle fünfhundert Jahre von Arabien zu der besagten Gegend fliege, und im Ägäischen Meer tauchte plötzlich eine riesige Insel auf eine Mondfinsternis ereignete. (15) Im Übrigen wurde Claudius’ Tod, wie einst bei Priscus Tarquinius, lange verheimlicht, indem die durch die List eines Weibes korrumpierten Wächter vorgaben, er sei krank und habe unterdessen seinem Stiefsohn, den er kurz zuvor unter seine Kinder aufgenommen hatte, die Sorge für den Staat übertragen.

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5. (1) eo modo Lucius Domitius (nam id certe {lucius domicius nero} nomen Neroni patre Domitio erat) imperator factus est. (2) qui cum longe adolescens dominatum parem annis vitrico gessisset, quinquennium tamen tantus fuit augenda urbe maxime, uti merito Traianus saepe testaretur procul differre cunctos principes Neronis quinquennio. quo etiam Pontum in ius provinciae Polemonis permissu redegit, cuius gratia Polemoniacus Pontus appellatur, itemque Cottias Alpes Cottio rege mortuo. (3) quare satis compertum est neque aevum impedimento virtuti esse ⟨et⟩ eam facile mutari corrupto per licentiam ingenio omissamque adolescentiae quasi legem perniciosius repeti. (4) namque eo dedecore reliquum vitae egit, uti pigeat pudeatque memorare huiuscemodi quempiam, nedum rectorem gentium, fuisse. (5) qui dum psallere per coetus Graecorum invento in certamen coronae coepisset, eo progressus est, uti neque suae neque aliorum pudicitiae parcens ad extremum amictus nubentium virginum specie palam senatu dote data cunctis festa more celebrantibus in manum conveniret lecto ex omnibus prodigiosis. (6) quod sane in eo levius aestimandum, (7) quippe noxiorum vinctis modo pelle tectus ferae utrique sexui genitalia vultu contrectabat exsector marium maiore flagitio. (8) atque inter haec matrem etiam contaminavisse plures habent, dum ea quoque ardore dominandi scelere quolibet subici filium cupit. (9) id ego quamquam scriptoribus diversa firmantibus verum puto. (10) namque ubi mentem invaserint vitia, nequaquam verecundiae †externis societate humanius† datur, peccandi consuetudo nova et eo dulciora affectans ad extremum in suos agit. (11)

1 ante eo modo add. de imperio neronis P | luciusq O | certe Schott : certi OP 1 sq. lucius domicius nero del. Schott : lacunam statuit Dufraigne 4 troianus O | saepius P 6 permissu Schott, : permissum OP 8 est om Scardino 12 quemquam P 13 inventoque O | coep 14 pudicie O 15 data OP : dicta Freudenberg | post festa dub. sollemni add. Sylburg 17 in eo levius O : in eo ⟦narrantur scelera neronis⟧ laevius P | vinctis vel iunctis P : iuctis O 18 sq. exsector marium Pantinus : exactor parium OP : exactor marium Freudenberg : exsector parium D’Elia 20 dominandi ardore P 23 nequamquam O : nequam Maehly, qui post levius interpunxit 23 sq. nequaquam – consuetudo OP : nec quidquam verecundiae est et externis satiata immanius excitatur peccandi consuetudo Freudenberg 23 inverecundiae Walter : an verecundia? | externis societate humanius P : extenis societate humani O : externae societate immanius Olivarius : externa satietate humanis (humanius Den Boer) Arntzen : externis satiatae humanior vis Walter : externis societate humana ius Dufraigne : an externis ⟨affectis vel soluta⟩ societate humani iuris? post externis add. expetitis Soverini 24 agens P

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5. (1) Auf diese Weise wurde Lucius Domitius (denn dies war eigentlich Neros Name, nach seinem Vater Domitius) zum Kaiser gemacht. (2) Er war, obwohl er die Herrschaft als sehr junger Mann genauso viele Jahre ausgeübt hat wie sein Stiefvater, ein Jahrfünft lang jedoch so großartig, besonders durch die Verschönerung der Stadt Rom, dass Traian öfters mit Recht beteuerte, sämtliche Kaiser stünden weit hinter Neros Jahrfünft zurück. In dieser Zeit überführte er auch Pontus mit der Zustimmung des Polemon in den Status einer Provinz, dessentwegen sie ‚Pontus Polemoniacus‘ genannt wird, und ebenso die ‚Cottischen Alpen‘ nach dem Tod des Königs Cottius. (3) Hieraus wird hinreichend ersichtlich, dass einerseits das Alter kein Hindernis für Tüchtigkeit ist, dass ⟨andererseits⟩ diese aber leicht umschlägt, wenn durch Zügellosigkeit der Geist verdorben wird, und dann sozusagen das naturgesetzliche Betragen der Jugend, das ausgelassen worden war, auf noch verderblichere Weise nachgeholt wird. (4) Denn er verbrachte den Rest seines Lebens in solcher Schande, dass es Widerwillen und Scham erregt, zu berichten, dass jemand so gewesen ist, erst recht der Lenker der Völker. (5) Als er vor Versammlungen im Wettkampf um einen Kranz – eine Erfindung der Griechen – zur Leier zu singen begann, ging er so weit, dass er ohne Rücksicht auf seine eigene Schamhaftigkeit noch auf die der anderen am Ende wie Hochzeitsbräute verschleiert, in Anwesenheit des Senats nach Übergabe der Mitgift, wobei alle die Feier in herkömmlicher Weise begingen, sich in die Ehe mit einem Mann begab, den er aus allen Abartigen ausgewählt hatte. (6) Dies ist bei ihm allerdings noch als relativ harmlos zu erachten; (7) denn nachdem einige Leute wie Verbrecher gefesselt worden waren, machte er, mit einem Raubtierfell bedeckt, sich mit dem Gesicht an den Genitalien beiderlei Geschlechter zu schaffen; er, der zu seiner noch größeren Schande ein Kastrierer männlicher Personen war habe er sogar seine Mutter entehrt, berichten einige, wobei auch sie aus Herrschsucht sich ihren Sohn durch jeden beliebigen Frevel unterwerfen wollte. (9) Dies halte ich, auch wenn die Verfasser sich unterschiedlich dazu äußern, indessen für wahr. (10) Sobald nämlich Laster die Seele befallen, wird keineswegs der Scham †den Äußeren durch die Gemeinschaft auf menschlichere Weise† zugeschrieben; indem die Gewohnheit des sich Vergehens nach Neuem und umso Verführerischem sucht, wendet sie sich am Ende gegen die eigenen Angehörigen. (11) Dies wird durch diese beiden noch mehr offenbart, weil sie gleichsam

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quod his proditum magis, dum quasi quodam progressu illa per alteros ad patrui nuptias atque alienorum cruciatibus mariti exitium, hic paulatim ad sacerdotem Vestae, deinde se, postremo uterque in sui scelus processerint. (12) neque blandimentis talibus tamen coalescere potuere, sed eo praeceps dari: dum insidiantur invicem, mater praeversa interiit. (13) igitur cum omne ius fasque parricidio trivisset ac magis magisque in optimos saeviretur, coniuravere plures varia sane tempestate ad liberandam rem publicam. (14) quis proditis caesisque immanior urbem incendio, plebem feris vulgo missis, senatum pari morte tollere decreverat, nova sede regno quaesita maximeque incitante legato Parthorum, qui forte inter epulas aulicis, uti mos est, canentibus, cum sibi citharistam poposcisset, responso dato liberum esse, adiecerat sumeret ipse quem vellet e suis, ostentans, qui convivio aderant, quod liber sub imperio nullus haberetur. (15) ac ni Galba, qui Hispaniae praesidebat, cognito mandatum sui exitium quamquam senecta aetate imperio correpto subvenisset, tantum facinus haud dubie patraretur. (16) verum eius adventu desertus undique nisi ab spadone, quem quondam exsectum formare in mulierem tentaverat, semet ictu transegit, cum implorans percussorem diu ne ad mortem quidem meruisset cuiusquam officium. (17) hic finis Caesarum genti fuit, quem fore prodigiorum multa denuntiavere praecipueque eorum praediis arescens lauri nemus dicatum triumphantibus atque interitus gallinarum, quae adeo multae albaeque erant aptioresque religionibus, ut his Romae habeatur hodie locus.

1 adulteros Arntzen 2 partui O 3 sui OP : se Schott 4 talibus Schott : latibus OP 5 dati Schott 6 ius om. O 7 serviretur Oa.c. 10 morte OP : modo Schott : more Arntzen 13 convivio aderant Schott : convivia oderant OP 16 corrupto dub. Arntzen 18 trasiegit O 23 sq. albaeque – locus del. Jordan 23 aptiores erant P | eis Schott

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in einer Art Entwicklungsprozess voranschritten, sie nach anderen Ehemännern zur Hochzeit mit dem Onkel, und nach der qualvollen Hinrichtung Fremder zur Ermordung ihres Ehemanns, Nero sukzessive zur Schändung einer Vestapriesterin, dann seiner selbst und schließlich beide zur gegenseitigen Entehrung. (12) Trotz solcher Zärtlichkeiten konnten sie dennoch nicht zusammenfinden, sondern kamen hierdurch jäh zu Fall: weil sie gegeneinander Ränke schmiedeten, wurde die Mutter, indem ihr der Sohn zuvorkam, getötet. (13) Da er also mit dem Muttermord jegliches Recht und Gesetz mit Füßen getreten hatte und mehr und mehr gegen die Besten gewütet wurde, verschworen sich mehrere Leute, allerdings zu verschiedenen Zeitpunkten, um den Staat zu befreien. (14) Nachdem diese entdeckt und ermordet worden waren, hat er, noch grausamer geworden, beschlossen, die Stadt Rom durch Feuer, das Stadtvolk durch wahllos freigelassene Raubtiere und den Senat durch einen Tod gleicher Art auszulöschen. Er sann auf einen neuen Regierungssitz, wozu ihn besonders ein Gesandter der Parther veranlasste, der zufällig beim Bankett, als die Höflinge wie üblich musizierten, einen Kitharaspieler für sich ausbat; als er zur Antwort erhielt, dass es sich um einen Freien handele, fügte der Gesandte hinzu, indem er auf seine beim Gastmahl anwesenden Leute zeigte, dass Nero auswählen solle, wen er wolle, weil in einer Monarchie niemand als frei gelte. (15) Wenn nicht Galba, der Statthalter von Spanien, als er erfahren hatte, dass seine Tötung angeordnet worden war, trotz seines fortgeschrittenen Alters dem Reich, indem er es an sich riss, zu Hilfe gekommen wäre, dann wäre dieses schwere Verbrechen zweifellos ausgeführt worden. (16) Aber bei dessen Ankunft von allen verlassen, außer von einem Eunuchen, den er einst durch Kastration zu einem Weib umzugestalten versucht hatte, tötete er sich durch einen Dolchstoß selbst, da er nicht einmal zum Sterben, obw bittend, von irgendjemandem Hilfe erlangen konnte. (17) Dies war das Ende der Familie der Caesares, das viele Vorzeichen angekündigt hatten, vor allem der verdorrte Lorbeerhain auf ihren Gütern, der den Triumphatoren geweiht war, und der Tod der Hühner, die so zahlreich und weiß und besonders für religiöse Zwecke tauglich waren, dass ihnen noch heute ein Platz in Rom vorbehalten ist.

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6. (1) at Galba, haud secus nobilis e gente clarissima Sulpiciorum, ubi Romam ingressus est, quasi luxuriae aut etiam crudelitati auxilio ventitavisset, rapere trahere vexare ac foedum in modum vastare cuncta et polluere. (2) quis rebus intestabilior (dum gravius offendunt, quos 5 mollius consultaturos spes erat), simul quia opes militum nimis pecuniae cupidus attenuaverat, Othone auctore interficitur. qui praelatum adoptione eius Pisonem impatientius dolens accensas cohortes armatasque in forum deduxerat. (3) quo cum lorica tectus Galba tumultum leniturus contenderet, ad lacum Curtium caesus est mense imperii ac die septimo.

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7. (1) igitur Salvius Otho, Neroni quondam criminose familiaris, haud multo fine adolescentiae grandior potentiam invadit. (2) qua dies fere quinque et nonaginta praecognitis moribus potitus, postquam a Vitellio, qui e Gallia descenderat, Veronensi proelio pulsus est, mortem sibimet conscivit.

8. (1) ita ad Aulum Vitellium potestas delata, quae progressu funestior talibus initiis foret, si Vespasianus aliquamdiu Iudaeorum bello, quod Neronis iussu susceperat, impensius attineretur. (2) is ubi gesta per Galbam ipsumque oppressum accepit, simul quoniam legati Moesiae Pannonicique exercitus hortantium venerant, imperium capit. (3) 20 namque milites praedicti, postquam Othonem praetoriis, Vitellium Germanicianis legionibus factum comperere, aemuli ut inter se solent ne dissimiles viderentur, Vespasianum perpulere, in quem iam Syriacae cohortes ob egregia vitae consenserant. (4 senator familia Reatinis maioribus industria rebusque pacis ac militiae 25 longe nobilis habebatur. (5) huius legatorum in Italiam transgressu 15

1 ante at Galba add. Galba P | at Schott : [ . ]t (a add. alt. man. Pmarg.) OP 5 consulturos P 9 contempneret O | Curtium Schott : ortium OP | caesus P : occisus O 10 Otho Schott : othon OP | ante quondam add. quoque P 11 qua O : qui Pcorr. 12 nonaginta D’Elia : octoginta OP | praecognitis (pro- O) moribus OP 13 Cremonensi dub. Dufraigne 18 sq. exspecatveris Moesici 19 hortatum dub. Schott 20 ante praetoriis add. praedictum P 20 sq. germicianis P 21 comperere Schott : compè O : competer P | ut om. O 25 Italiam Schott : Italia OP

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6. (1) Aber sobald Galba, ein nicht minder vornehmer Mann aus der hochberühmten Familie der Sulpicier, Rom betrat, raffte er, plünderte, drangsalierte und verwüstete und entweihte alles auf grauenhafte Weise, als wäre er der Zügellosigkeit oder gar der Grausamkeit zu Hilfe gekommen. (2) Durch diese Taten ziemlich verabscheut (denn einen größeren Anstoß erregen gerade diejenigen, bei denen die Hoffnung bestand, dass sie sanfter verfahren würden), zudem weil er aus allzu großer Geldgier die Einkünfte der Soldaten geschmälert hatte, wurde er auf Betreiben Othos getötet. Dieser hatte, da es ihn empfindlich schmerzte, dass ihm Piso mit der Adoption durch Galba vorgezogen worden war, die Kohorten aufgepeitscht und bewaffnet auf das Forum geführt. (3) Als der mit einem Brustpanzer bekleidete Galba dorthin eilte, um den Aufstand zu beruhigen, wurde er beim Curtius-Teich getötet, im siebten Monat und am siebten Tag seiner Herrschaft. 7. (1) Also ergriff Salvius Otho, der einst verbrecherisch ein Freund Neros gewesen war und noch nicht lange das Ende seiner Jugend überschritten hatte, die Macht. (2) Als er sie ungefähr fünfundneunzig Tage gemäß seiner altbekannten Wesensart ausgeübt hatte, beging er Selbstmord, nachdem er durch Vitellius, der aus Gallien hergekommen war, in einer Schlacht bei Verona geschlagen worden war. 8. (1) So ging die Herrschaft an Aulus Vitellius über, die in ihrem Verlauf noch unseliger als ihre betrüblichen Anfänge geworden wäre, wenn Vespasian längere Zeit stark im Krieg gegen die Juden, den er auf Anordnung Neros begonnen hatte, beansprucht worden wäre. (2) Sobald Vespasian von den Unternehmungen Galbas und dessen Tod vernommen hatte, und da zudem Gesandte des moesischen sowie des pannonischen Heeres, welche ihm zuredeten, gekommen waren, ergriff er die Herrschaft. (3) Denn dazu drängten die besagten Soldaten, nachdem sie erfahren hatten, dass Otho von den Prä den germanischen Legionen erhoben worden war, (wie sie es wetteifernd zu tun pflegen, um einander nicht nachzustehen), den Vespasian, auf den sich bereits die syrischen Kohorten wegen seiner vortrefflichen Lebensführung geeinigt hatten. (4) Galt doch Vespasian, ein Senator aus einer emporgestiegenen Familie mit Vorfahren aus Reati, aufgrund seines Engagements und seiner Leistungen im Frieden wie im Krieg schon lange als ausgezeichnet. (5) Vitellius hatte angesichts des Übersetzens von dessen Unterfeldherren nach Italien und der Niederlage seiner eigenen Truppen bei Cremona mit dem Stadtpräfekten Sabinus, dem

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fusisque apud Cremonam suis Vitellius ab Sabino urbi praefecto, Vespasiani fratre, sestertium milies pepigerat arbitris militibus imperio decedere. sed postquam mox circumventum se nuntio ratus est, quasi renovato furore ipsum ceterosque adversae partis cum Capitolio, quod 5 remedium saluti ceperant, cremavit. (6) ast ubi vera esse ac propinquare hostes patefactum est, productus e tugurio, quo se abdiderat, ianitoris iniecto laqueo parricidarum more ad scalas Gemonias perque eas pertractus. simul ictibus, quantum quisque valuerat, confosso corpore in Tiberim deicitur tyrannidis octavo mense annos natus quinquaginta et 10 septem amplius. (7) hi omnes, quos paucis attigi, praecipueque Caesarum gens adeo litteris culti atque eloquentia fuere, ut, ni cunctis vitiis absque Augusto nimii forent, tantae artes profecto texissent modica flagitia. (8) quis rebus quamquam satis constet praestare mores, tamen bono cuique, praesertim summae rectori, utroque, si queat, iuxta opus, 15 sin aliter, vitae proposito immensum progrediente elegantiae satis atque auctoritatis sumat eruditione.

9. (1) hoc item ex genere Vespasianus, sanctus omnia, facundiae haud egens promendis, quae senserat, exsanguem diu fessumque terrarum orbem brevi refecit. (2) namque primum satellites tyrannidis, nisi 20 qui forte atrocius longe processerant, flectere potius maluit quam excruciatos delere prudentissime ratus nefaria 2 miles O 4 cum O : non P 5 saluti remedium P 7 Gemonias Schott: gemonas OP 8 protractus O | confesso O 9 sq. quinquaginta et septem D’Elia : septuaginta et quinque OP 10 pauci O | post praecipueque add. nota quod omnes hi imperatores fuerunt litterati sed scelerati Pmarg. 11 ni P : in O 14 bono om. P | summo O | post summae add. rei Opitz 15 aliter O : autem P | proposito O : propositum Pa.c. : proposito Pp.c., ut vid. | immensum Pa.c. : in mensum O : in immensum Pp.c., ut vid. | progrediente P : pregrediente O : regrediente Mommsen | elegantiam Closs | satis P : saltem O 16 auctoritatis sumat eruditione D’Elia : auctoritatis sumat eruditionem OP : eruditionis sumat auctoritatem Pichlmayr 18 haud P : aut O 19 brevi refecit Schott : prebire fecit OP

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Bruder Vespasians, vereinbart, für einhundert Millionen Sesterzen vor den Soldaten als Zeugen von der Herrschaft zurückzutreten. Aber nachdem er bald darauf glaubte, durch eine Botschaft getäuscht worden zu sein, ließ er in gleichsam wieder aufgelebter Rage ihn selbst und die Übrigen der gegnerischen Partei mitsamt dem Kapitolstempel, den sie als Mittel zu ihrem Schutz besetzt hatten, verbrennen. (6) Als sich jedoch herausstellte, dass es wahr war und die Feinde sich näherten, wurde er, nachdem ihm wie einem Schwerverbrecher ein Strick umgelegt worden war, aus dem Häuschen eines Torwächters, in dem er sich versteckt hatte, zur Gemonischen Treppe hingeführt und über sie hinab gezogen. Zugleich wurde er, nachdem sein Körper mit so vielen Stichwunden verletzt worden war, wie ein jeder ihm zufügen konnte, in den Tiber geworfen, im achten Monat seiner Tyrannenherrschaft, im Alter von mehr als siebenundfünfzig Jahren. (7) Alle diese Kaiser, die ich in knappen Zügen behandelt habe, besonders aber die aus der Familie der Caesares waren so sehr mit Bildung ausgestattet und in Beredsamkeit geübt, dass, wären sie mit Ausnahme von Augustus nicht in allen Lastern maßlos gewesen, ihre bedeutenden Fertigkeiten mäßig große Schandtaten gewiss überdeckt hätten. (8) Obgleich hinreichend feststeht, dass wichtiger als diese Bildungsgüter der Charakter ist, ist dennoch für jeden guten Mann, besonders aber für den Lenker des Staates, wenn möglich, beides gleichermaßen vonnöten; andernfalls soll er sich, wenn der Lebenslauf ins Unermessliche fortschreitet, durch Unterweisung genügend Kultiviertheit und Ansehen aneignen. 9. (1) Von eben dieser Art war auch Vespasian: grundanständig in jeglicher Hinsicht, beim Darlegen dessen, was er dachte, nicht ohne Redegewandtheit, stellte er den lange ausgebluteten und erschöpften Erdkreis in kurzer Zeit wieder her. (2) Denn er wollte zuerst die Gehilfen der Tyrannenherrschaft, falls sie in ihren Gr gegangen waren, lieber bessern als qualvoll hinrichten, da er äußerst klug der Meinung war, dass verbrecherische Amtshandlungen von den

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curari. (3) deinde coniurationum multas scelere inulto abscedere patiebatur, comiter uti erat stultitiae coarguens, qui ignorarent, quanta moles molestiaque imperio inesset. (4) simul divinis deditus, quorum vera plerisque negotiis compererat, successores fidebat liberos Titum ac Domitianum fore. (5) praeterea legibus aequissimis monendoque, quodque vehementius est, vitae specie vitiorum plura aboleverat. (6) infirmus tamen, uti quidam prave putant, adversum pecuniam, cum satis constet aerarii inopia ac labe urbium novas eum neque aliquamdiu post habitas vectigalium pensiones exquisivisse. (7) namque Romae Capitolium, quod conflagravisse supra (c. 8,5) memoravimus, aedes Pacis, Claudii monumenta, amphitheatri tanta vis multaque alia ac forum coepta seu patrata. (8) adhuc per omnes terras, qua ius Romanum est, renovatae urbes cultu egregio viaeque operibus maximis munitae et cavati montes per Flaminiam prono transgressui. (9) quae tot tantaque brevi confecta intactis cultoribus prudentiam magis quam avaritiam probavere. simul censu more veterum exercito senatu motus probrosior quisque ac lectis undique optimis viris mille gentes compositae, cum ducentas aegerrime repperisset exstinctis saevitia tyrannorum plerisque. (10) at bello rex Parthorum Vologaesus in pacem coactus atque in provincia Syria, cui Palaestinae nomen, Iudaeique annitente filio Tito, quem transgrediens in Italiam reliquerat externae militiae moxque victorem praefectura praetorio extulerat. (11) unde etiam is honos, ingens a principio, tumidior atque alter ab Augusto imperio fuit. (12) verum hac tempestate dum honorum honestas despectatur mixtique bonis indocti ac prudenti-

1 dein P | inulto P, ut vid. : multo O 2 comiter OP : humaniter Pmarg. | arguens P 3 deditus Schott : deditos OP 5 monendo P 6 abolerat O 8 ac labe OP : et clade Epit. Caes. 9,7 | postea P 10 conflagrasse P 11 vis OP : an moles? | multaque alia Maehly : multaeque aliae OP | ac om. O | seu O : ac P 12 ius Romanum P : vis romanorum O 14 transgressui O : transgressu Pp.c. : progressus Pa.c. 17 mille gentes P : nulla gente O 18 ac P | bello OP : metu solo Epit. Caes. 9,12 : ⟨sine⟩ bello dub. Cohn 19 provinciam Schott | syriae P 22 honos is P 24 mixtisque Pa.c.

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meisten aus Furcht begangen werden. (3) Danach gestattete er, dass viele Verschwörer davonkamen, ohne dass ihr Verbrechen bestraft wurde, wobei er auf gutmütige Weise, wie es seine Art war, sie der Dummheit beschuldigte, da sie nicht wüssten, wie viel Mühe und Verdruss dem Regieren innewohnt. (4) Zugleich für Weissagungen empfänglich, deren Wahrhaftigkeit er in vielen Angelegenheiten erprobt hatte, vertraute er darauf, dass seine Söhne Titus und Domitian seine Nachfolger werden würden. (5) Außerdem beseitigte er durch sehr gerechte Gesetze sowie durch sein Mahnen und, was besonders wirksam ist, durch sein vorbildliches Leben viele Laster. (6) Er habe aber, wie einige abwegig glauben, eine Schwäche für Geld gehabt, obwohl hinlänglich feststeht, dass er wegen der Leere in der Staatskasse und des Ruins der Städte neue und nicht für lange Dauer danach beibehaltene Steuerabgaben verlangt habe. (7) In Rom wurden nämlich der Kapitolstempel, der, wie oben (c. 8,5) erwähnt, abgebrannt war, der Tempel des Friedens, die Tempelanlage des Claudius, die gewaltige Masse des Amphitheaters und vieles andere sowie ein Forum begonnen oder wurden vollendet. (8) Zudem wurden in allen Landstrichen, wo römisches Recht gilt, Städte mit außerordentlicher Pracht wiederhergestellt und wurden mit größtem Arbeitsaufwand Straßen angelegt und ein Gebirge auf der Via Flaminia für ein müheloses Fortkommen ausgehöhlt. (9) Diese vielen und bedeutenden, in kurzer Zeit ohne Beeinträchtigung der Bauern vollbrachten Leistungen bezeugen mehr seine Umsicht als seine Habgier. Gleichzeitig wurde mittels eines nach alter Sitte durchgeführten Zensus jeder Unehrenhafte aus dem Senat entfernt, und nachdem von überallher die besten Männer ausgewählt worden waren, wurden eintausend Adelsfamilien gegründet, da Vespasian nur äußerst mühsam zweihundert vorgefunden hatte, nachdem die meisten durch das Wüten der Tyrannen ausgelöscht worden waren. (10) H der Partherkönig Vologaesus zum Frieden gezwungen und in der Provinz Syrien, die den Namen ‚Palaestina‘ trägt, die Juden, wobei sein Sohn Titus dies ausführte, den Vespasian, als er nach Italien übersetzte, für die auswärtige Kriegsführung zurückgelassen und dann nach dem Sieg mit der Prätorianerpräfektur ausgezeichnet hatte. (11) Dadurch wurde dieses schon von Anbeginn an hohe Amt sogar noch erhabener und zum Zweithöchsten nach dem Kaiseramt. (12) Aber in der jetzigen Zeit, in der das Prestige der Ämter gering geschätzt wird und Banausen unter die Tüchtigen sowie Nichtsnutze unter die Besonnenen gemischt

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bus inertes sunt, fecere nomen plerique potentia vacuum insolensque miseris ⟨ac⟩ subiectum pessimo cuique et annonae specie rapax.

10. (1) ceterum Titus postquam imperium adeptus est, incredibile quantum, quem imitabatur, anteierit, praesertim litteris clementiaque ac 5 muneribus. (2) denique cum concessa per priores principes firmari ab insequentibus mos esset, simul imperium cepit, talia possidentibus edicto sponte cavit prospexitque. (3) neque minus sancte facilis in tuendis, qui forte in se coniuravissent, adeo ut, cum amplissimi ordinis duo abnuere cogitatum scelus nequirent patresque censuissent de confessis 10 supplicium sumendum, deductos in spectaculum se utrimque assidere iusserit petitoque ex industria gladiatoris, quorum pugnae visebantur, gladio quasi ad explorandam aciem uni atque alteri committeret. (4) quis perculsis et constantiam mirantibus, „videtisne“, inquit, „potestates fato dari frustraque tentari facinus potiundi spe vel amittendi metu?“ (5) 15 ita biennio post ac menses fere novem, amphitheatri perfecto opere, lautusque veneno interiit, anno aevi quadragesimo, cum eius pater septuagesimo obisset, imperator decennii. (6) huius sane mors adeo provinciis luctui fuit, uti generis humani delicias appellantes orbatum orbem deflerent.

1 sq. insolensque miseris Mommsen : insolensque misericors O : insolens per misi⟦….⟧ P : insolens per iniurias Schott 2 ac add. Dufraigne 3 post incredibile add. est P 5 dehinc Damsté | dum P 8 coniurassent P 10 deductos Gruter, duce Epit. Caes. 10,10 : deductus OP | utrimque Gruter, duce Epit. Caes. 10,10 : utrūque O : utrunque P 11 iussit P | gladiatorum Opitz 12 committeret Arntzen : commictere O : committere P 15 biennium Schott | profecto P 15 sq. lautusque OP : ludisque dub. Arntzen : Lautiisque vel Lautibusque Lipsius : lautūsque Klebs : an ante lautusque lacuna statuenda? 17 obiisset P | provincie Oa.c.

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sind, haben sehr viele ihr Amt in eine zahnlose und den Elenden gegenüber überhebliche ⟨sowie⟩ in eine gerade den Schlechtesten verliehene und unter dem Vorwand der Steuererhebung raffgierige Namenshülse verwandelt. 10. (1) Wie dem auch sei, erstaunlich ist, wie sehr Titus, nachdem er die Herrschaft erlangt hatte, jenen, dem er nacheiferte, übertraf, besonders an Bildung sowie Milde und Großzügigkeit. (2) Denn da es Brauch war, dass die Zugeständnisse früherer Kaiser von ihren Nachfolgern bestätigt wurden, sicherte und garantierte er diese von sich aus, sobald er die Herrschaft übernahm, durch ein Edikt ihren Inhabern zu. (3) Auch nicht weniger edelmütig und großzügig war er beim Verschonen derjenigen, die sich etwa gegen ihn verschworen hatten, und zwar so sehr, dass, als zwei Mitglieder des höchsten Standes nicht leugnen konnten, das Verbrechen geplant zu haben, und die Senatoren beschlossen hatten, angesichts der Geständnisse die Todesstrafe zu verhängen, er befahl, dass die zwei ins Schauspiel geführt werden und sich zu seinen beiden Seiten setzen sollten; nachdem er mit Bedacht das Schwert eines der Gladiatoren, deren Kämpfen man zusah, verlangt hatte, überreichte er es, als ob sie die Schärfe prüfen sollten, dem einen als auch dem anderen. (4) Als diese ganz betreten seine Unerschrockenheit bestaunten, sagte er: „Seht ihr ein, dass Machtbefugnisse vom Schicksal vergeben werden und man in der Hoffnung, sie zu erlangen, oder aus der Furcht, sie zu verlieren, vergeblich ein Verbrechen zu begehen versucht?“ (5) So starb er nach ungefähr zwei Jahren und neun Monaten, nachdem der Bau des Amphitheaters vollendet worden war, nach einem Bad durch Gift im vierzigsten Lebensjahr, während sein Vater, der ein Jahrzehnt lang Kaiser war, im siebzigsten Jahr gestorben war. (6) Tatsächlich bereitete sein Tod den Provinzen so große Trauer, dass sie ihn ‚Liebling des Menschengeschlechts verwaist beweinten.

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11. (1) igitur Domitianus fratris atque imperatoris optimi nece, privato scelere publicoque, amentior, simul maculosae adolescentiae, praedas caedem supplicia agere occepit. (2) maior libidinum flagitio ac plus quam superbe utens patribus, quippe qui se dominum deumque dici coegerit. quod confestim ab insequentibus remotum validius multo posthac deinceps retulere. (3) sed Domitianus primo clementiam simulans neque adeo iners domi belloque tolerantior videbatur. (4) idcircoque Dacis et Cattorum manu devictis Septembrem Octobremque menses Germanici superiorem, e suo nomine alterum appellaverat. multaque operum inchoata per patrem vel fratris studio atque in primis Capitolium absolvit. (5) dehinc atrox caedibus bonorum, segnisque ridicule remotis procul omnibus muscarum agmina persequebatur, postquam ad libidinem minus virium erat, cuius foedum exercitium Graecorum lingua clinopalen vocabat. (6) hincque iocorum pleraque; nam percunctanti cuidam, quispiamne in palatio esset, responsum: „ne musca quidem, nisi forte apud palaestram“. (7) is ergo magis magisque saevitia nimius eoque suspectior etiam suis, libertorum consilio uxore non ignara, quae amorem histrionis viro praetulerat, poenas luit quinto et quadragesimo vitae anno, dominationis circiter quintodecimo. (8) at senatus gladiatoris more funus ferri radendumque nomen decrevit. (9) quo moti milites, quibus privatae commoditates dispendio publico largius procedunt, auctores necis ad supplicium petere more suo seditiosius coeperunt. (10) qui vix aegreque per prudentes cohibiti tandem in gratiam optimatum convenere. (11) neque minus per se bellum moliebantur, quod his conversum imperium maestitiae erat ob amissionem praedarum per dona munifica. (12)

1 ante igitur add. de domitiano imperatore P 3 hoc cepit O | maiorum O 4 dicere O 5 multoque O | posthac P : post hanc O 6 rettulere Pichlmayr 7 datis O 8 captorum O | Germanici Schott : germanicis OP 9 appellaverant O | opera P 11 segnisque OP : stylisque Torrentius, e Suet. Domit. 3,1 13 exercitium Schott : exercitum OP 14 percontanti Pichlmayr 14 sq. quisquamne P 18 anno vitae Pa.c. 20 efferri D’Elia 22 seditiosius P : sedicio suis O 24 per se OP : Persae Arntzen moliebantur bellum P 25 omissionem P

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11. (1) So begann Domitian, durch die Ermordung des Bruders und besten Kaisers, ein privates wie öffentliches Verbrechen, irrsinniger geworden, gleichzeitig noch von seiner sündigen Jugendzeit geprägt, Raubtaten, Morde und Hinrichtungen zu begehen. (2) Er wurde noch schlimmer durch das Laster seiner Begierden und behandelte die Senatoren mehr als hochmütig, zwang er sie doch, ihn ‚Herr und Gott‘ zu nennen; dies wurde unverzüglich von seinen Nachfolgern abgeschafft, später führte es einer nach dem anderen weitaus strenger wieder ein. (3) Anfangs jedoch täuschte Domitian Milde vor und schien im Frieden keineswegs untätig, sondern im Krieg ausdauernd zu sein. (4) Deshalb, weil die Daker und eine Schar Chatten völlig besiegt worden waren, hat er die Monate September und Oktober umbenannt, den ersteren (nach seinem Namen) ‚Germanicus‘, den anderen nach seinem Namen (d. h. ‚Domitianus‘). Viele Bauwerke, die von seinem Vater oder durch den Eifer seines Bruders begonnen worden waren, und zwar vor allem den Kapitolstempel, führte er zu Ende. (5) Von da an grausam im Ermorden der Guten und inaktiv, setzte er, nachdem er alle Zeugen weit entfernt hatte, lächerlicherweise Scharen von Fliegen nach, da er weniger Kraft für die Wollust übrig hatte, deren widerliche Ausübung er in der Sprache der Griechen ‚Bettringkampf‘ nannte. (6) Daher rührten sehr viele Witze. Wenn nämlich jemand fragte, ob noch irgendjemand im Palast sei, wurde geantwortet: „Nicht einmal eine Fliege, außer zufällig in der Palaistra“. (7) Als folglich seine unmäßige Grausamkeit mehr und mehr zunahm und er hierdurch sogar seinen Vertrauten unheimlich wurde, erlitt er durch den Entschluss der Freigelassenen, wobei seine Frau, die die Liebe eines Schauspielers ihrem Mann vorgezogen hatte, eingeweiht war, seine Strafe im fünfundvierzigsten Lebensjahr und ungefähr im fünfzehnten Jahr seiner Gewaltherrschaft. (8) Der Senat aber beschloss, seine Leiche wie die eines Gladi und seinen Namen auszutilgen. (9) Dadurch aufgebracht, begannen die Soldaten, denen persönliche Vorteile auf öffentliche Kosten reichlich zugutekamen, ziemlich aufrührerisch, wie es für sie typisch ist, die Todesstrafe für die Urheber des Mordes zu fordern. (10) Obwohl sie nur mit größter Mühe durch Besonnenere gebändigt werden konnten, gelangten sie schließlich zu einer Aussöhnung mit den Senatoren. (11) Aber sie machten nicht weniger von sich aus Anstalten zu einem Krieg, da der Herrschaftsumsturz sie wegen des Verlustes ihrer Einnahmen in Form von großzügigen Geschenken schmerzte. (12) Bis dahin beherr-

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hactenus Romae seu per Italiam orti imperium rexere, hinc advenae quoque, nescio an ut in Prisco Tarquinio longe meliores. (13) at mihi quidem audienti multa legentique plane compertum urbem Romam externorum virtute atque insitivis artibus praecipue crevisse.

12. (1) quid enim Nerva Cretensi prudentius maximeque moderatum? (2) qui cum extrema aetate apud Sequanos, quo tyranni se fecit metu, imperium arbitrio legionum cepisset, ubi perspexit nisi a superioribus robustioribusque corpore animoque geri non posse, mense sexto ac decimo semet eo abdicavit dedicato prius foro, quod appellatur Per10 vium, quo aedes Minervae eminentior consurgit et magnificentior. (3) id cum semper egregium sit metiri, quantum queas, neque ambitione praeceps agi, tum in imperio, cuius adeo cupidi mortales sunt, ut id vel ultima senectus avide petat. (4) huc accedit, quod suffecti virtute, quantus consilio esset, magis magisque patefecit. 5

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13. (1) namque Ulpium Traianum Italica urbe Hispaniae ortum, amplissimi ordinis tamen atque etiam consulari loco, arrogatum accepit ⟨ ⟩ dedit. (2) hoc aegre clarior domi seu militiae reperietur. (3) quippe primus aut solus etiam vires Romanas trans Istrum propagavit domitis in provinciam Dacorum pileatis †satisque† nationibus Decibalo rege ac 1 hettenus O 2 nescio quoque Pa.c. | tartquinio O nerva imperatore P | Cretensi OP : Narniensi Schott 6 tyranni se fecit Weyman : tyrannide fecit OP : tyranni defugit Walter : tyranni desedit Arntzen : tyranni decessit Pichlmayr : tyranni secessit dub. Festy 7 prospexit P 7 sq. superioribus om. O 8 robustioribus O 9 sq. Pervium OP : Nervium Faber 10 eminentior om. O | consurgit et magnificentior P : et magnificentior consurgit O | id OP : ita D’Elia 12 agi Schott : agit OP 14 patefecit Schott : prefecit O : perfecit P 15 ante namque add. de traiano imperatore P | Italica P : ytalia O : Italicae D’Elia 16 etiam om. P | post accepit add. et Schott, partemque imperii ei Court 17 dedit del. Opitz | hoc Schott : haec P : hec O militia O 19 satisque OP : sacisque vel iazygisque Schott : aliisque Mommsen : capillatisque vel sarmatisque dub. Pichlmayr : hirsutisque Dufraigne : Scythisque Festy de cibalo P

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schten Männer das Reich, die aus Rom oder Italien stammten, aber von nun an auch Auswärtige, vielleicht, wie bei Tarquinius Priscus, weit Bessere. (13) Für mich jedenfalls, der vieles gehört und gelesen hat, ist es vollkommen erwiesen, dass die Stadt Rom besonders durch die Tüchtigkeit von Fremden und ihre mitgebrachten Fähigkeiten groß geworden ist. 12. (1) Denn was gab es Klügeres als Nerva aus Kreta, und damit höchst Maßvolles? (2) Sobald dieser, nachdem er in weit fortgeschrittenem Alter im Gebiet der Sequaner, wohin er sich aus Furcht vor dem Tyrannen begeben hatte, nach dem Gutdünken der Legionen die Herrschaft ergriffen hatte, einsah, dass sie nur von Männern, die an Körper und Geist überlegener und tüchtiger waren, ausgeübt werden könne, dankte er im sechzehnten Monat ab, nachdem er zuvor das Forum eingeweiht hatte, das Pervium (d. h. ‚Durchgang‘) genannt wird und auf dem sich der herausragende und prachtvolle Tempel der Minerva erhebt. (3) Zwar ist es durchwegs ehrenvoll, abzuwägen, wozu man fähig ist, und sich nicht kopfüber vom Ehrgeiz antreiben zu lassen, besonders aber im Fall der Kaiserherrschaft, auf die ja Sterbliche so versessen sind, dass selbst das äußerste Greisenalter begierig danach strebt. (4) Hinzu kommt, dass mit der Tüchtigkeit des ausgewählten Nachfolgers Nerva mehr und mehr offenbarte, wie beträchtlich seine Umsichtigkeit war. 13. (1) Denn er nahm Ulpius Traianus, der aus Italica, einer Stadt Spaniens, stammte, dennoch von höchstem Stand und sogar konsularischem Rang war, an Kindes statt an ⟨ ⟩ gab. (2) Schwerlich wird man einen glänzenderen Mann als diesen im Frieden oder auch im Krieg finden können. (3) Dehnte er doch als erster oder sogar als einziger die römische Macht über die Donau hinaus, wobei er die mützentragenden †und genügend† Stämme der Daker unter K nios† in eine Provinz zwang. Zugleich wurden im Osten alle zwischen den berühmten Flüssen Indus und Euphrat befindlichen Völker im Krieg aufgerieben und dem Perserkönig namens Osroes wurden Geiseln abverlangt. Unterdessen wurde eine Straße durch das Gebiet der wilden Völker angelegt, auf der man leicht vom Schwarzen Meer bis nach

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†Sardonios†. simul ad ortum solis cunctae gentes, quae inter Indum et Euphratem amnes inclitos sunt, contusae {cui} bello atque imperati obsides Persarum regi nomine Osdroe; et inter ea iter conditum per feras gentes, quo facile ab usque Pontico mari in Galliam permeatur. (4) castra suspectioribus aut opportunis locis exstructa ponsque Danubio impositus ac deductae coloniarum pleraeque. (5) adhuc Romae a Domitiano coepta forum atque alia multa plus quam magnifice coluit ornavitque et annonae perpetuo mire consultum reperto firmatoque pistorum collegio, simul noscendis ocius, quae ubique e re publica gerebantur, admota media publici cursus. (6) quod equidem munus satis utile in pestem orbis Romani vertit posterorum avaritia insolentiaque, nisi quod his annis suffectae vires Illyrico sunt praefecto medente Anatolio. (7) adeo boni malive in re publica nihil est, quod in diversum traduci nequeat moribus praesidentium. (8) aequus, clemens, patientissimus atque in amicos perfidelis, quippe qui Surae familiari opus sacraverit, quae Suranae sunt. (9) usque eo innocentiae fidens, uti praefectum praetorio Suburanum nomine, cum insigne potestatis, uti mos erat, pugionem daret, crebro monuerit: „tibi istum ad munimentum mei committo, si recte agam; sin aliter, in me magis“, quod moderatorem omnium vel errare minus fas sit. (10) quin etiam vinolentiam, quo vitio uti Nerva angebatur, prudentia molliverat, curari vetans iussa post longiores epulas. (11) his virtutibus acto imperio annos prope viginti, cum terrae motu gravi apud Antiochiam ceteraque Syriae extremis afficeretur, rogatu patrum Italiam repetens morbo periit grandaeva aetate, ascito prius ad imperium Hadriano civi propinquoque (12) (abhinc divisa nomina Caesarum atque Augusti inductumque in rem publicam, uti duo seu plures summae potentiae dissimiles cognomento ac potestate dispari 1 Sardonios OP : Sardonio Frise : Dardaniis, Schott : Sar⟨mizegetusa …⟩donios dub. Mommsen graviter interpunxit Dufraigne | cui del. Schott | post bello lacunam statuit non deleto cui Dufraigne, duce Schott | imperati Schott : imperanti OP 3 Osdroe Scardino : Cosdroe P : cosoroe O 5 aut O : atque P 7 cepta P | fora P 8 perpetuae Schott 9 noscendi socius OP : dist. Puteanus | e re publica Schott : erepta OP 11 posteriorum P | his P : in hijs O 12 profecto P | adeo om. P 13 malique P 15 Surae Schott : sua re O : curae P | post quae add. aquae Maehly 21 agebatur O 23 apud – afficeretur OP : Antiochia ceteraque Syriae extrema afficerentur Dacier : Antiochia ceteraque Syriae extremis ⟨aerumnis⟩ afficerentur Freudenberg | post Syriae add. bona Asiae parte concussa, reliqua bellorum calamitatibus Sylburg | extremius Gruter 24 Italiam Freudenberg : militiam OP 25 cive Schott 25 – 72,1 abhinc – sint post simulaverat dub. transpos. Damsté

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Gallien gelangen kann. (4) Militärlager wurden an gefährdeten oder günstig gelegenen Plätzen errichtet und eine Brücke über die Donau geschlagen sowie zahlreiche Kolonien gegründet. (5) Zudem hat Traian in Rom die von Domitian begonnenen Bauten, ein Forum und vieles andere, mehr als eindrücklich weitergeführt und ausgestattet; und zugunsten der dauerhaften Getreideversorgung wurde wundervollerweise die Gründung und Institutionalisierung der Genossenschaft der Bäcker beschlossen. Gleichzeitig wurden, um schneller zu erfahren, welche Handlungen irgendwo im Interesse des Staates ausgeführt wurden, die Zwischenstationen des staatlichen Kurierdienstes näher aneinandergerückt. (6) Allerdings entwickelte sich dieser sehr nützliche Dienst durch die Habgier und Unverschämtheit der Späteren zu einer Geißel für die römische Welt, – mit einer Ausnahme: in den jüngst vergangenen Jahren wurden die Ressourcen in Illyricum durch den sorgsamen Präfekten Anatolius wieder hergestellt. (7) Nichts im Staat ist so gut oder schlecht, dass es nicht durch die Wesensart der Leitenden ins Gegenteil verkehrt werden könnte. (8) Gerecht, milde, äußerst langmütig und gegenüber seinen Freunden sehr treu war Traian, der doch seinem Vertrauten Sura ein Bauwerk weihte, nämlich die Suranischen Thermen, (9) er war dermaßen zuversichtlich hinsichtlich seiner Rechtschaffenheit, dass er dem Prätorianerpräfekten namens Suburanus, als er ihm als Amtsinsignie, wie es Brauch war, einen Dolch übergab, wiederholt einschärfte: „Diesen vertraue ich dir zu meinem Schutz an, sofern ich rechtmäßig handele, wenn nicht, dann umso mehr gegen mich“, da es nicht zulässig sei, dass der Gebieter über alle auch nur einen Fehler begehe. (10) Sogar seine Weinseligkeit, ein Laster, das ihn wie Nerva heimsuchte, hat er durch seine Vorsicht wirkungslos gemacht, indem er verbot, seine nach einer ausgedehnteren Mahlzeit erteilten Befehle auszuführen. (11) Mit diesen Qualitäten hatte zwanzig Jahre lang ausgeübt, als er durch ein schweres Erdbeben in Antiocheia und im übrigen Syrien zutiefst erschüttert wurde und, auf Ersuchen der Senatoren nach Italien zurückkehrend, in sehr hohem Alter an einer Krankheit starb, nachdem er zuvor Hadrian, seinen Landsmann und Verwandten, zur Herrschaft hinzugezogen hatte (12) (seither wurden die Titel ‚Caesar‘ und ‚Augustus‘ unterschieden und man führte ins Staatswesen ein, dass zwei oder mehrere Personen, die hinsichtlich der höchsten Gewalt unähnlich sind, auch hinsichtlich ihres Beinamens und

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sint), (13) quamquam alii Plotinae, Traiani coniugis, favore imperium assecutum putent, quae viri testamento heredem regni institutum simulaverat.

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14. (1) igitur Aelius Hadrianus eloquio togaeque studiis accommodatior pace ad orientem composita Romam regreditur. (2) ibi Graecorum more seu Pompilii Numae caerimonias, leges, gymnasia doctoresque curare occepit, (3) adeo quidem, ut etiam ludum ingenuarum artium, quod Athenaeum vocant, constitueret (4) atque initia Cereris Liberaeque, quae Eleusinia dicuntur, Atheniensium modo Roma percoleret. (5) deinde, uti solet tranquillis rebus, remissior rus proprium Tibur secessit permissa urbe Lucio Aelio Caesari. (6) ipse, uti beatis locupletibus mos, palatia exstruere, curare epulas signa tabulas pictas. postremo omnia satis anxie prospicere, quae luxus lasciviaeque essent. (7) hinc orti rumores mali iniecisse stupra puberibus atque Antinoi flagravisse famoso ministerio neque alia de causa urbem conditam eius nomine aut locasse ephebo statuas. (8) quae quidem alii pia volunt religiosaque; quippe Hadriano cupiente fatum producere, cum voluntarium ad vicem magi poposcissent, cunctis retractantibus Antinoum obiecisse ⟨se⟩ referunt hincque in eum officia supra dicta. (9) nos rem in medio relinquemus quamquam in remisso ingenio suspectam aestimantes societatem aevi longe imparilis. (10) interim Aelio Caesare mortuo, cum ipse animo parum valeret idcircoque despectui haberetur, ad creandum Caesarem patres convocat. (11) quibus propere accurrentibus forte Antoninum conspexit senis soceri aut genitoris anxios gressus levantem manu. quo mire oblectatus adoptatum legibus Caesarem iubet statimque ab eo senatus, cui ludibrio fuerat, magnam partem necari. (12) neque multo post

2 ante testamento add. e (ve Oa.c.) O 3 simularat P 4 ante igitur add. de elio hadriano imperatore P | andrianus O 6 modo O 8 sq. Liberaeque quae Schott : liberae quaeque OP : liberi quaeque D’Elia 9 eleusina Oa.c.P | dicuntur dub. Schott : dicitur OP an Romae? 11 caesare Pa.c.. | ubi O 14 stupra om. Oa.c. 17 magi P : mai O 18 ⟨se⟩ referunt Schott : se ferunt Petschenig 22 credendum O 23 Antoninum Schott : antonium (anth- O) OP

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ihrer Amtsbefugnis ungleich sein sollen), (13) obwohl einige glauben, dass Hadrian die Herrschaft durch die Gunst der Plotina, der Gattin Traians, erlangt habe, die vorgetäuscht habe, dass er durch das Testament ihres Mannes als Erbe der Regierung eingesetzt worden war. 14. (1) So kehrte denn Aelius Hadrianus, der mehr für Rhetorik und nichtkriegerische Beschäftigungen geschaffen war, nachdem er im Osten den Frieden hergestellt hatte, nach Rom zurück. (2) Dort begann er sich wie die Griechen oder Pompilius Numa um Kulthandlungen, Gesetze, Gymnasien und Lehrer zu kümmern, (3) und zwar so weitgehend, dass er sogar eine Lehrstätte für die freien Künste, die man ‚Athenaeum‘ nennt, errichtete (4) und Rom nach Art der Athener die Mysterien der Ceres und der Libera, die sogenannten ‚Eleusinischen‘, feierte. (5) Danach zog er sich, wie es gewöhnlich bei ruhiger Sachlage geschieht, recht entspannt auf seinen Landsitz nach Tibur zurück, wobei er die Stadt Rom dem Caesar Lucius Aelius überließ. (6) Er selbst baute, wie es unter den glücklichen Reichen üblich ist, Paläste und wandte sich Gelagen, Statuen und Gemälden zu. Kurzum, er verschaffte sich ziemlich verbissen alles, was es an Pracht und Ausschweifungen gab. (7) Daher kamen böse Gerüchte auf, er habe mit Jünglingen Unzucht getrieben und für die anrüchigen Dienste des Antinoos gebrannt und habe auch aus keinem anderen Grund eine Stadt mit dessen Name gegründet oder Statuen für den Epheben aufgestellt. (8) Andere freilich behaupten, dies seien Ehr- und Andachtserweise; als nämlich auf Hadrians Wunsch, sein Lebensende nach hinten zu verschieben, die Wahrsager einen Freiwilligen als Ersatz forderten, habe, wie es heißt, Antinoos, weil alle anderen sich entzogen, sich angeboten, und von daher rührten die oben erwähnten Gunstbezeugungen ihm gegenüber. (9) Wir werden die Sache unentschieden belassen, obwohl wir bei seinem lockeren Wesen den großen Altersunterschied in de halten. (10) Unterdessen rief er, da der Caesar Aelius gestorben war, während er selbst seelisch nicht bei vollen Kräften war und deshalb verachtet wurde, die Senatoren zusammen, um einen Caesar zu wählen. (11) Während sie rasch herbeieilten, erblickte er zufällig den Antoninus, wie er die unsicheren Schritte seines alten Schwiegervaters oder Vaters mit seiner Hand stabilisierte. Hierdurch außerordentlich freudig gestimmt, verfügte Hadrian, Antoninus gesetzlich als Caesar adoptieren und einen Großteil des Senats, der ihn verspottet hatte, sofort durch jenen töten zu lassen. (12) Nicht viel später starb er in Baiae an einer zeh-

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apud Baias tabe interiit, anno imperii absque mense vicesimo secundo, senecta viridiore. (13) at patres ne principis oratu quidem ad divi honorem eidem deferendum flectebantur. tantum amissos sui ordinis tot viros maerebant. (14) sed postquam subito prodiere, quorum exitium 5 dolori erat, quique suos complexi censent, quod abnuerant.

15. (1) at Aelio Antonino cognomentum Pii. hunc fere nulla vitiorum labes commaculavit. (2) vir veterrimae familiae, e Lanuvino municipio, senator urbis. (3) adeo aequalis probisque moribus, uti plane docuerit neque iugi pace ac longo otio absoluta ingenia corrumpi eoque demum 10 fortunatas urbes fore, si regna sapientiae sint. (4) denique annos, quibus publica egit, viginti idem mansit celebrato magnifice urbis nongentesimo, nisi forte triumphorum expertem socordiae videtur. (5) quod longe secus est, cum maius haud dubie sit neque quemquam turbare ausum composita neque ipsum ostentandi sui bellum fecisse quietis gentibus. 15 (6) quin etiam maribus frustratus filiae viro rei publicae consultavit.

16. (1) namque M. Boionium, qui Aurelius Antoninus habetur, eodem oppido, pari nobilitate, philosophandi vero eloquentiaeque studiis longe praestantem, in familiam atque imperium ascivit. (2) cuius divina omnia domi militiaeque facta consultaque. 20 coniugis attaminavit, quae in tantum petulantiae proruperat, uti Campaniae sedens amoena litorum obsideret ad legendos ex nauticis, quia plerumque nudi agunt, flagitiis aptiores. (3) igitur Aurelius socero 2 adivi O 3 amissos dub. Schott : admissos OP | post ordinis add. sui O 4 viros tot O | merebatur O 6 at Aelio D’Elia : athelio O : attelio P : Aurelio Schott | Antonino P : anthonio O 7 maculavit P | lavinio O 10 se O | annis P 11 urbis om. Oa.c. 15 viro OP : viri ⟨virtute⟩ Freudenberg 16 m. P : in O 19 quae del. D’Elia 20 prorumperat O 20 sq. uti Campaniae sedens D’Elia : uti campania s. OP : ut in Campania s. Schott : ut in Campaniam secedens dub. Schott : uti Campaniam secedens Arntzen : uti Campaniam foedans Damsté

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renden Krankheit, einen Monat vor dem vollendeten zweiundzwanzigsten Jahr seiner Herrschaft, in noch ziemlich rüstigem Alter. (13) Aber die Senatoren ließen sich nicht einmal durch die Bitte des Princeps dazu bewegen, ihm göttliche Ehren zuzuerkennen. So betrübt waren sie darüber, dass so viele Männer ihres Standes verloren waren. (14) Als jedoch plötzlich diejenigen, deren Tod ihnen Schmerz bereitet hatte, zum Vorschein kamen, umarmten alle die Ihrigen und beschlossen das, was sie zuvor abgelehnt hatten. 15. (1) Hingegen führte Aelius Antoninus den Beinamen ‚Pius‘. Ihn befleckte nahezu kein Makel irgendeines Lasters. (2) Er war ein Mann aus einer sehr alten Familie aus der Landstadt Lanuvium und Senator der Stadt Rom. (3) Er war so gerecht und von so rechtschaffenem Charakter, dass er eindeutig bewies, dass vollkommene Geschöpfe weder durch dauerhaften Frieden noch lange Müßigkeit verdorben werden und dass Städte dann erst glücklich sein werden, wenn ihre Herrscher Weisheit besitzen. (4) Letztlich blieb er in den zwanzig Jahren, in denen er die Staatsgeschäfte führte, wobei er währenddessen auf prächtige Weise das neunhundertste Jahr der Stadt Rom feierte, ganz derselbe; es sei denn, dass die Tatsache, dass er keine Triumphe verbucht hat, als Ausweis von Lethargie gelten könnte. (5) Die Sache verhält sich aber völlig anders, da es ohne Zweifel bedeutsamer ist, dass niemand es wagte, die bestehende Ordnung zu stören, und auch er selbst keinen Krieg zur Selbstdarstellung gegen friedvolle Völker anzettelte. (6) Ja, er hat sogar, da ihm Söhne versagt blieben, durch den Mann seiner Tochter Vorsorge für den Staat getroffen. 16. (1) Denn er nahm Marcus Boionius, der Aurelius Antoninus genannt wird, aus derselben Stadt stammte und von ebenbürtigem Adel war, ihn aber im Studium der Philosophie und Rhetorik weit überragte, in seine Familie und in die Herrschaft auf. schlüsse im Frieden wie im Krieg waren allesamt phänomenal. Doch dies machte er durch seine Nachlässigkeit, die eigene Frau im Griff zu haben, zunichte; diese verstieg sich zu so ungeheurer Schamlosigkeit, dass sie, in Kampanien weilend, anmutige Stellen am Meeresufer in Beschlag nahm, um sich aus den Seeleuten, die ja meistens nackt tätig sind, die geeignetsten für ihre Schandtaten auszuwählen. (3) Aurelius nahm also, da sein Schwiegervater nach Vollendung des fünfundsiebzigsten Lebensjahres in Lorium gestorben war, unverzüglich seinen

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apud Lorios anno vitae post quintum et septuagesimum mortuo confestim fratrem Lucium Verum in societatem potentiae accepit. (4) eius ductu Persae, cum primum superavissent, ad extremum triumpho cessere rege Vologaeso. (5) Lucius paucis diebus moritur hincque materies fingendi dolo consanguinei circumventum. (6) quem ferunt, cum invidia gestarum rerum angeretur, fraudem inter cenam exercuisse. (7) namque lita veneno cultri parte vulvae frustum, quod de industria solum erat, eo praecidit consumptoque uno, uti mos est inter familiares, alterum, qua virus contigerat, germano porrexit. (8) haec in tanto viro credere nisi animi ad scelus proni non queunt, (9) quippe cum Lucium satis constet Altini, Venetiae urbe, morbo consumptum tantumque Marco sapientiae lenitudinis innocentiae ac litterarum fuisse, ut is Marcomannos cum filio Commodo, quem Caesarem suffecerat, petiturus philosophorum turba obtestantium circumfunderetur, ne expeditioni aut pugnae se prius committeret, quam sectarum ardua ac perocculta explanavisset. (10) ita incerta belli in eius salute doctrinae studiis metuebantur. tantumque illo imperante floruere artes bonae, ut illam gloriam etiam temporum putem. (11) legum ambigua mire distincta vadimoniorumque sollemni remoto denuntiandae litis opperiendaeque ad diem commode ius introductum. (12) data cunctis promiscue civitas Romana multaeque urbes conditae deductae repositae ornataeque atque in primis Poenorum Carthago, quam ignis foede consumpserat, Asiaeque Ephesus ac Bithyniae Nicomedia constratae terrae motu, aeque ac nostra aetate Nicomedia Cereali consule. (13) triumphi acti ex nationibus, quae rege Marcomaro ab usque urbe Pannoniae, cui Carnunto nomen est, ad media Gallorum protendebantur. (14) ita anno imperii octavo decimoque aevi validior Vendobonae

3 ducto O | primo O 4 vologeseo O 7 frustrum O 8 uti om. Oa.c. 11 morbo om. P 13 marcomanno O 14 ne O : nisi P 15 sq. ac perocculta O : et occulta P 16 sq. incerta – studiis OP : incerta belli eius saluti doctrina studiosis Baehrens : ⟨inter⟩ incerta belli in eius salutem doctrina studiis metuebatur Rossbach 16 in om. P | salute OP : saluti ⟨et⟩ Dacier 17 metiebantur Freudenberg 19 remoti P 20 opperiendaeque Scardino : operiendaeque OP 21 promiscue Schott : promissi OP 24 Nicomedia Cereali Pp.c. : nicomede a cereali OPa.c. 25 regi P | Marcomaro Op.c.P : mamaro Oa.c. : Marcomanno Gruter : Marcomano dub. Dufraigne 26 Carnunto dub. Dufraigne : carnuto OP | Gallorum Schott : callorum OP

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Bruder Lucius Verus in die Samtherrschaft auf. (4) Unter dessen Führung mussten die Perser unter ihrem König Vologaesus, obwohl sie anfangs siegreich gewesen waren, am Ende vor seinem Triumph zurückweichen. (5) Lucius starb wenige Tage später und von daher rührte der Anlass zu der Erfindung, er sei durch eine List seines Bruders ausgeschaltet worden. (6) Dieser habe, sagt man, weil er sich aus Neid auf dessen erbrachte Leistungen bedrängt fühlte, das Verbrechen beim Abendmahl begangen: (7) Nachdem er nämlich eine Messerkante mit Gift bestrichen hatte, tranchierte er damit ein Stück Schweinsuterus, das mit Absicht separat gelegen hatte, und als er die eine Hälfte verzehrt hatte, reichte er, wie es unter Vertrauten üblich ist, die andere, welche vom Gift berührt war, dem Bruder. (8) Derartiges im Falle eines so großartigen Mannes zu glauben, sind nur Gemüter imstande, die selbst zu Verbrechen neigen, (9) zumal hinlänglich bekannt ist, dass Lucius in Altinum, einer Stadt in Venetien, durch eine Erkrankung dahingerafft wurde und Marcus so viel Weisheit, Milde, Unbescholtenheit und Bildung besaß, dass, als er im Begriff war, mit seinem Sohn Commodus, den er zum Caesar nachgewählt hatte, gegen die Markomannen auszuziehen, er von einer Schar Philosophen umringt wurde, die ihn beschworen, sich nicht eher auf den Feldzug und in den Kampf zu begeben, bis dass er die schwierigen und verborgenen Lehren der Philosophenschulen erläutert hätte. (10) So sehr wurden im Hinblick auf sein Wohlergehen die Unwägbarkeiten des Krieges um der gelehrten Studien wegen gefürchtet. Und so sehr gediehen unter seiner Herrschaft die Wissenschaften, dass ich gerade dies als den Ruhm jenes Zeitalters erachte. (11) Zweideutigkeiten der Gesetzestexte wurden wunderbar präzisiert, und mit der Abschaffung der üblichen Gestellungsbürgschaft wurde das Recht eingeführt, einen Prozess anzuzeigen und bequem bis zum Verhandlungstag zu warten. (12) Das r unterschiedslos an alle verliehen, und es wurden viele Städte gegründet, besiedelt, wiederhergerichtet und verschönert, vor allem das punische Karthago, das eine Feuersbrunst arg ruiniert hatte, Ephesos in Kleinasien und Nikomedeia in Bithynien, die beide durch ein Erdbeben zerstört worden waren, – so wie Nikomedeia abermals in unserer Zeit im Konsulatsjahr des Cerealis (358 n. Chr.). (13) Es wurden Triumphe über Stämme abgehalten, deren Gebiete sich unter König Marcomarus von einer Stadt in Pannonien, die Carnuntum heißt, bis ins Zentrum Galliens erstreckten. (14) So starb er im achtzehnten Jahr seiner Herr-

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interiit maximo gemitu mortalium omnium. (15) denique, quae seiuncti in aliis, patres ac vulgus soli omnia decrevere, templa columnas sacerdotes.

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17. (1) at filius saeva a principio dominatione detestabilior habebatur, praecipue per maiorum controversam memoriam. quae posteris usque eo gravis est, ut absque communi in impios odio quasi corruptores generis exsecrabiliores sint. (2) bello plane impiger, quo in Quados prospere gesto Septembrem mensem Commodum appellaverat. (3) moenia Romana potentia vix digna lavandi usui instituit. (4) immiti prorsus feroque ingenio, adeo quidem, uti gladiatores specie depugnandi crebro trucidaret, cum ipse ferro, obiecti mucronibus plumbeis uterentur. (5) cumque eo modo plures confecisset, forte eum Scaeva nomine audacia ac robore corporis pugnandique arte pervigens ab studio tali deterruit. qui spreto gladio, quem inutilem cernebat, sufficere utrique ait, quo armabatur ipse. (6) eo metu, ne inter congressum, uti solet, extorto pugione conficeretur, Scaevam removit atque ad alios formidolosior in feras beluasque ferociam convertit. (7) quis rebus cum insatiabilem sanguinis cuncti horrescerent, coniuravere {ne} in eum, maxime proximus ⟨quisque⟩; quippe adeo dominationi fidus nemo ipsique satellites, dum incestam mentem pronamque in saevitiam cavent, a quibus eorum potentia sustentatur, quoquomodo subruere tutius putant et Commodum quidem primo occultatius veneno petivere anno regni tertio fere atque decimo. (8) cuius ⟨vis⟩ frustrata per cibum, quo se casu repleverat. cum tamen alvi dolorem causaretur, auctore medico, principe factionis, in palaestram perrexit. (9) ibi per ministrum ungendi

1 qui P 1 sq. seiuncti in OP : seiunctim Faber 4 at filius Schott : T filius OP 9 romae O 10 fero P | ut P 11 obiecti mucronibus Maehly : obiecti m veronibus O : obiectum veronibus P : obiectus mucronibus Olivarius : obiecto mucronibus Corbett 12 uterentur Maehly : uteretur OP 13 Scaeva Schott : seva O : saeva P 16 Scaevam Schott : scenam O : saevam P 17 reus P 18 insatiabilem Schott : instabilem OP | ne del. Dacier : ire dub. Schott 19 proximus ⟨quisque⟩; quippe Gruner : proximus quippe OP : proximi quippe vel proximus quisque dub. Schott | dominationi adeo P 20 pravamque dub. Schott 20 sq. in – tutius om. P 20 in saevitiam Mommsen : insevit iam O 21 potentia sustentatur Mommsen : potentiam sustentantur O : dub. del. Dufraigne 23 terto P | cuius ⟨vis⟩ Schott : cuuis OP 25 ibi vel ubi Schott : cibi OP

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schaft in Wien in noch ziemlich rüstigem Alter zum größten Leidwesen aller Menschen. (15) Am Ende haben Senatoren und Volk alles, was sie hinsichtlich anderer Kaiser getrennt, für ihn allein beschlossen: Tempel, Ehrensäulen, Priester. 17. (1) Hingegen wurde sein Sohn aufgrund seiner von Anfang an brutalen Despotie für verabscheuenswert gehalten, vor allem wegen der konträren Erinnerung an seine Vorfahren. Eine solche ist für die Nachkommen insofern folgenschwer, als diese, abgesehen von dem generellen Hass auf Frevler, quasi als Beschmutzer ihres Familiengeschlechts noch verdammenswerter sind. (2) Ungemein rastlos im Krieg, hatte er, nachdem dieser erfolgreich gegen die Quaden geführt worden war, den Monat September in ‚Commodus‘ umbenannt. (3) Ein Gebäude, das kaum der römischen Macht würdig war, richtete er zur Nutzung als Thermalbad ein. (4) Er hatte ein völlig wildes und aggressives Wesen und zwar derart, dass er Gladiatoren in einem Schaukampf auf Leben und Tod häufig abschlachtete, indem er selbst Eisen, die ihm Ausgelieferten eine Klinge aus Blei gebrauchten. (5) Nachdem er auf diese Weise mehrere getötet hatte, hat ihn einmal einer namens Scaeva durch seine Kühnheit, Körperkraft und Kampfkunst von solchem Treiben abgebracht: Indem dieser sein Schwert beiseite warf, das er als nutzlos erkannte, sagte er, es lange für beide jenes Schwert, mit dem jener bewaffnet sei. (6) Aus Furcht, er könnte, wenn ihm, wie es immer wieder geschieht, die Stichwaffe im Kampf entwunden würde, getötet werden, ließ er den Scaeva wegschaffen und, den anderen Gladiatoren gegenüber ängstlicher geworden, wandte er seine Aggression gegen Wild- und Raubtiere. (7) Aus diesen Gründen verschworen sich alle gegen ihn, da sie vor dem unstillbar nach Blut Dürstenden schauderten, ⟨besonders⟩ die Vertrautesten; so loyal hält zu einer Despotie dann doch niemand, und selbst die Gefolgsleute eracht sie sich vor dem frevlerischen und zu Grausamkeit neigenden Charakter derer hüten, durch die ihre Macht gestützt wird, diese unter allen Umständen zu stürzen, und so attackierten sie Commodus jedoch zuerst auf eine recht verborgene Weise mit Gift, ungefähr im dreizehnten Jahr seiner Gewaltherrschaft. (8) Dessen ⟨Wirkkraft⟩ wurde durch die Nahrung, mit der er sich durch Zufall vollgestopft hatte, vereitelt. Da er dennoch über Bauchschmerzen klagte, begab er sich auf Anraten seines Arztes, dem Haupt der Verschwörung, in die Palaistra. (9) Indem ihm dort von dem fürs Einölen zuständigen Diener (auch er war nämlich zufällig in

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(nam forte is quoque e consilio erat) faucibus quasi arte exercitii bracchiorum nodo validius pressis exspiravit. (10) quo cognito senatus, qui ob festa Ianuariarum frequens primo luci convenerat, simul plebes hostem deorum atque hominum radendumque nomen sanxere. 5 confestimque praefecto urbi Aulo Helvio Pertinaci imperium defertur.

18. (1) hic doctrinae omnis ac moribus antiquissimis, immodice parcus, Curios aequaverat Fabriciosque. (2) eum milites, quis exhausto iam perditoque orbe satis videtur nihil, impulsore Didio foede iugulavere octogesimo imperii die.

19. (1) at Didius an Salvius Iulianus fretus praetorianis, quos in societatem promissis magnificentioribus perpulerat, ex praefectura vigilum ad insignia dominatus processit. (2) genus ei pernobile iurisque urbani praestans scientia, quippe qui primus edictum, quod varie inconditeque a praetoribus promebatur, in ordinem composuerit. (3) hincque satis 15 compertum cohibendae cupidini, ingenium ni iuvet, eruditionem imbecillem esse, cum praeceptor et asper quidem rectius vivendi in facinus processerit, quod novo supplicio plectendum ediderat. (4) neque cupito tamen potitus diu. namque eum acceptis illico, quae acciderant, Septimius Severus, qui forte Syriae legatus in extremis terris bellum gerebat, 20 imperator creatus pontem proxime Mulvium acie devicit. missique, qui fugientem insequerentur, apud palatium Romae obtruncavere.

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2 bracchiorum Olivarius : pacchiorum OP : Tusciarum dub. Schott | modo O 3 ianuariorum P, ut vid. 5 Aulo OP : Publio dub. Festy 7 cum O 10 an Salvius O : Ansalvius P : Salvius Sylburg : del. Cameron 12 nobile O 15 sq. imbecillam O 17 erat Dacier 17 sq. tamen cupito P 18 sq. septimus O 20 milvium P 21 Romae (vel prone) dub. Schott : prome OP : prompte Walter

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das Komplott eingeweiht) die Kehle wie in einem Handgriff des Ringsports durch eine Umschlingung der Arme kräftig zugedrückt wurde, gab er den Geist auf. (10) Als dies bekannt wurde, erklärten der Senat, der wegen der Feierlichkeiten zum 1. Januar beim ersten Morgengrauen zahlreich zusammengekommen war, und das Volk ihn zum Feind der Götter und Menschen und ordneten an, seinen Namen zu tilgen, und unverzüglich wurde dem Stadtpräfekten Aulus Helvius Pertinax die Herrschaft übertragen. 18. (1) Dieser besaß eine umfassende Bildung und uralte Wertvorstellungen; übermäßig sparsam wie er war, kam er Männern wie Curius und Fabricius gleich. (2) Ihn haben die Soldaten, denen, selbst wenn der Erdkreis schon ausgesogen und ruiniert ist, nichts genug zu sein scheint, auf Anstiften des Didius grässlich ermordet am achtzigsten Tag seiner Herrschaft. 19. (1) Didius – oder Salvius – Iulianus hingegen gelangte, gestützt auf die Prätorianer, die er durch recht stattliche Versprechen zu einem Bündnis bewogen hatte, von der Stadtwächterpräfektur zu den Würden des Kaisertums. (2) Er gehörte zu einem sehr vornehmen Familiengeschlecht und zeichnete sich durch seine Kenntnis des städtischen Rechts aus, brachte er doch als erster das Edikt, das von den Prätoren uneinheitlich und unübersichtlich veröffentlicht wurde, in eine Systematik. (3) Man ersieht an ihm zur Genüge, dass Bildung allein, wenn nicht auch der Charakter dabei mitwirkt, die eigene Begierde zu zügeln, unwirksam bleibt, da er als Lehrmeister der richtigen Lebensführung, und zwar ein strenger, sich zu jenem Verbrechen verstieg, von dem er verlautbaren lassen hatte, es müsse durch eine neuartige Strafe gebüßt werden. (4) Gleichwohl war er nicht lange im Besitz des Ziels seiner Wünsche. Sobald nämlich dem Septimius Severus, der gerade als Statthalter Syriens in den äußersten Landstr wurde, was sich ereignet hatte, wurde er zum Kaiser auserwählt und besiegte Iulianus in einer Schlacht ganz nahe der Milvischen Brücke; und Leute, die ausgeschickt waren, den Fliehenden zu verfolgen, hieben ihn im Palast in Rom nieder.

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20. (1) igitur Septimius Pertinacis nece, simul flagitiorum odio, dolore atque ira commotior cohortes praetorias statim militia exemit cunctisque partium caesis Helvium senatus consulto inter divos refert. Salvii nomen atque eius scripta factave aboleri iubet. (2) quod unum effici nequivit: tantum gratia doctarum artium valet, ut scriptoribus ne saevi mores quidem ad memoriam officiant. (3) quin etiam mors huiuscemodi ipsis gloriae, exsecrationi auctoribus est, (4) cum omnes praecipueque posteri sic habent illa ingenia nisi publico latrocinio ac per dementiam opprimi non potuisse. (5) quo bonis omnibus ac mihi fidendum magis, qui rure ortus tenui atque indocto patre in haec tempora vitam praestiti studiis tantis honestiorem. (6) quod equidem gentis nostrae reor, quae fato quodam bonorum parce fecunda, quos eduxerit tamen, quemque ad sua celsos habet. velut Severum ipsum, quo praeclarior in re publica fuit nemo. quem quamquam exacta aetate mortuum iustitio eloquioque lugendum sanxere statuentes illum {iustum} nasci aut emori minime convenisse, (7) scilicet quod corrigendis moribus nimium, postquam ad veterum innocentiam quasi mentium sanitatem pervenerant, clementem habuere. (8) ita honestas, quae principio anxia habetur, ubi contigerit, voluptati luxuriaeque est. Pescennium Nigrum apud Cyzicenos, Clodium Albinum Lugduni victos coegit mori. (9) quorum prior Aegyptum dux obtinens bellum moverat spe dominationis, alter, Pertinacis auctor occidendi, cum eo metu in Britannos, quam provinciam a Commodo meruerat, tramittere niteretur, in Gallia invaserat imperium. (10) horum infinita caede crudelior habitus et cognomento

2 commotior Schott : commodior OP 4 iuvet O 7 exsecrationibus O | auctoribus dub. Schott : actoribus OP 10 tenui atque O : tenuique P | hac O 11 tantum Casaubonus 12 quo P | facto O | parce Wölfflin : parte OP : partu Schott : parum Casaubonus 13 quemque OP : quandoque Freudenberg | celsa suos P 14 quem Schott : qui OP | quamquam dub. del. Boer 15 eloquioque Corbett : elocioque O : elotioque P : elogioque Schott | statuentes dub. Schott : struentes P : struente O | iustum del. Festy : aut Salmasius | ante nasci add. aut Dacier, aut non Maehly | aut OP : at Klotz 19 voluptatis O 23 nitebatur P 24 horum ⟨partium⟩ Shackleton Bailey : multorum Bird

Text und Übersetzung

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20. (1) Also entließ Septimius, aufgebracht über die Ermordung des Pertinax und zugleich aus Hass, Schmerz und Zorn über ihre Schandtaten, die Prätorianerkohorten unverzüglich aus dem Dienst und ließ Helvius (d. h. Pertinax), nachdem alle Anhänger der Gegenpartei getötet worden waren, durch einen Senatsbeschluss unter die Vergöttlichten versetzen. Er befahl, den Namen des Salvius sowie dessen Schriften und Taten dem Vergessen anheimzugeben. (2) Dies vermochte er als Einziges nicht durchzusetzen: So viel zählt das Ansehen der gelehrten Studien, dass bei Verfassern nicht einmal ein schrecklicher Charakter ihr Fortleben verhindern kann. (3) Ja, ein derartiger Tod gereicht ihnen sogar zum Ruhm, den Urhebern bringt er Verwünschung, (4) weil alle, und insbesondere die Nachgeborenen, es so sehen, dass jene Geistesgrößen nur durch ein Verbrechen von Staats wegen und durch Irrsinn hätten beseitigt werden können. (5) Eben darauf dürfen alle Rechtschaffenen vertrauen und mehr noch ich, der ich von einem ärmlichen Bauernhof und einem ungebildeten Vater herstammend, bis in die Gegenwart hinein meine Lebensstellung durch viel Studium erhöht habe. (6) Folgendes erachte ich nämlich als ein Charakteristikum unseres Volkes, welches durch eine Schicksalsfügung wenig ertragreich an Rechtschaffenen ist: Diejenigen, die es dennoch hervorgebracht hat, sind, jeder auf seinem Gebiet, überragend, so wie Severus selbst, neben dem es niemand Ausgezeichneteres im Staat gab. Man beschloss, obgleich er im fortgeschrittenen Alter starb, dass er durch einen Gerichtsstillstand und durch eine Rede betrauert werden sollte, wobei man hinzufügte, er hätte nie geboren werden oder nie sterben dürfen: (7) nämlich weil er bei der Verbesserung der Sitten als übermäßig streng galt, aber nachdem man zum früheren Anstand quasi wie zum gesunden Menschenverstand zurückgefunden hatte, als milde. (8) So ist die Tugendhaftigkeit, die anfangs als beklem eine Wonne und Genuss, sobald sie sich einstellt. Den Pescennius Niger, der bei Kyzikos, und den Clodius Albinus, der in Lyon besiegt worden war, zwang er zu sterben. (9) Der erstere von beiden hatte, als er Ägypten als Dux innehatte, in der Hoffnung auf die Herrschaft einen Krieg begonnen, der andere, ein Anstifter des Mordes an Pertinax, hatte, als er deshalb aus Furcht nach Britannien, das er als Provinz von Commodus erhalten hatte, überzusetzen trachtete, in Gallien die Herrschaft an sich gerissen. (10) Wegen des maßlosen Gemetzels an den beiden wurde er für grausam befunden und erhielt den Beinamen

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Pertinax, quamquam ob vitae parsimoniam similem ipsum magis ascivisse plures putent; nobis mens ad credendum prona acerbitati impositum. (11) nam cum quidam hostium, quem tamen, uti bellis civilibus solet, condicio loci ad Albinum detulerat, causa exposita novissime conclusisset, „quid, quaeso, faceres, si tu esses?“ ille respondit, „ea perferrem, quae tu.“ (12) quo dicto factoque durius nihil bonis, cum sanctique huiuscemodi dissensiones, quamvis studiosius coeptas, fortunae increpent magisque in protegendis quam ad perdendos cives verum corrumpi patiantur. (13) at iste delendarum cupidus factionum, quo deinceps mitius ageret, necessitudinem facti ulcisci maluit, ne paulatim spe veniae in labem publicam per coniurationes procederetur, ad quas vitio temporum animos ⟨pronos⟩ intelligebat. neque ego abnuo ea delictorum, quae grassari immodice coeperint, plus paene quam severe excidenda esse. (14) felix ac prudens, armis praecipue adeo, ut nullo congressu nisi victor discesserit auxeritque imperium subacto Persarum rege nomine Abgaro. (15) neque minus Arabas, simul ut adortus est, in dicionem redegit provinciae modo. (16) Adiabena quoque, ni terrarum macies despectaretur, in tributarios concessisset. (17) ob haec tanta Arabicum, Adiabenicum et Parthici cognomento patres dixere. (18) his maiora aggressus Britanniam, quoad ea utilis erat, pulsis hostibus muro munivit per transversam insulam ducto utrimque ad finem Oceani. (19) quin etiam Tripoli, cuius Lepti oppido oriebatur, bellicosae gentes submotae procul. (20) quae factu ardua facilius eo patrabantur, quo implacabilis delictis strenuum quemque praemiis extollebat. (21) denique ne

2 mens Schott : metus OP 4 belloci Oa.c. 5 po bonis, cum sanctique OP : n. b. c. sancti ⟨qui⟩que ⟨ ⟩ sanctique vel nihli bonis; cum ⟨boni⟩ sanctique Damsté : nihil bonis; cum ⟨ ⟩ sanctique Dufraigne : n. b.; cum ⟨honesti vel probi⟩ sanctique dub. Dufraigne : nihil, cum boni sanctique Casaubonus 7 studiosius coeptas (cap- O) OP : studio susceptas Schott 8 increpuit P | perdendum P 12 animos pronos animos ⟨pronos⟩ Casaubonus, duce Schott : ante animos transpos. ⟨pronos⟩ Pichlmayr : animatos vel animosos Gruter intendebant dub. Schott | ea delictorum Schott : eadem lictorum (litt- O) OP 15 decesserit O 15 sq. nominis P 16 Abgaro Casaubonus : aggaro OP | ut adortus Scardino : adortus ut OP 16 sq. dictionem O 17 ni P : in O | terram O 21 minivit O | per transversam insulam Schott : per transversa inter insulam OP 22 Leptis D’Elia 23 procul quae Schott : proculque OP | eo om. O 23 sq. implacabilior dub. Schott 24 praemii O

Text und Übersetzung

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‚Pertinax‘, obwohl einige vielmehr glauben, er habe ihn selbst angenommen wegen seiner jenem (d. h. Helvius Pertinax) ähnlichen Sparsamkeit in der Lebenshaltung. Wir sind geneigt zu glauben, dass ihm der Beiname für seine Unerbittlichkeit beigelegt wurde. (11) Denn als einer von den Gegnern, den jedoch nur, wie es in Bürgerkriegen zu geschehen pflegt, die örtlichen Gegebenheiten auf die Seite des Albinus verschlagen hatten, nach Darlegung dieses Sachverhalts schließlich fragte: „Was, bitte, tätest du, wenn du es wärest?“, antwortete er, „Ich würde erdulden, was Du erdulden wirst.“ (12) Herber als das, was er gesagt oder getan hat, ist nichts für einen Rechtschaffenen, weil ehrenwerte Männer derartige Konflikte, auch wenn diese noch so vorsätzlich begonnen wurden, der Schicksalsgöttin anlasten würden und es eher zum Schutz der Mitbürger als zu ihrer Vernichtung zuließen, dass die Wahrheit verbogen würde. (13) Hingegen darauf erpicht, die bestehenden Cliquen zu beseitigen, um dann desto milder zu walten, zog Severus es vor, die unvermeidliche Tat (sc. des Bürgerkriegsgegners) zu ahnden, damit man nicht allmählich, in der Erwartung auf Vergebung, durch Verschwörungen, für welche die Gemüter, wie er begriff, angesichts der Lasterhaftigkeit der Zeit ⟨anfällig⟩ waren, auf den Untergang des Staats zusteuerte. Auch ich leugne nicht, dass solche Vergehen, wenn sie unmäßig zu wüten begonnen haben, fast mehr als rigoros auszumerzen sind. (14) Er war erfolgreich und klug, vor allem im Kampf so sehr, dass er aus keinem Zusammenstoß hervorging, außer als Sieger, und das Reich vergrößerte, indem er den Perserkönig namens Abgarus unterwarf. (15) Ebenso brachte er die Araber, sobald er sie angegriffen hatte, wie eine Provinz in die (sc. römische) Gewalt. (16) Auch die Adiabene wäre, wenn die Kargheit der Böden nicht verschmäht würde, tributpflichtig geworden. (17) Wegen dieser bedeutenden Leistungen benannten ihn die Senatoren ‚Arabicus‘, ‚ Beinamen ‚Parthicus‘. (18) Indem er zu noch Größerem als diesem schritt, sicherte er Britannien, soweit es von Nutzen war, nach Vertreibung der Feinde mit einer quer über die Insel, auf beiden Seiten bis an die Küste des Ozeans, gezogenen Mauer. (19) Ja, sogar von der Tripolitana, aus deren Stadt Leptis er stammte, wurden die kriegerischen Völker weit weg vertrieben. (20) Diese schwierig auszuführenden Taten wurden umso leichter vollbracht, als er bei Vergehen zwar unerbittlich war, jeden Tüchtigen aber mit Belohnungen auszeichnete. (21) Schließlich duldete er nicht einmal, dass geringfügige Räubereien ungestraft

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parva latrocinia quidem impunita patiebatur in suos animadvertens magis, quod vitio ducum aut etiam per factionem fieri vir experiens intelligeret. (22) philosophiae, declamandi, cunctis postremo liberalium deditus studiis; idemque ab se gesta ornatu et fide paribus composuit. (23) legum conditor longe aequabilium. huic tanto domi forisque uxoris probra summam gloriae dempsere, quam adeo famose complexus est, uti cognita libidine ac ream coniurationis retentaverit. (24) quod cum infimo turpe, tum potentibus et illi magis, cui non privati neque singuli aut flagitiosi, verum imperia et exercitus atque ipsa vitia concessere. (25) nam cum pedibus aeger bellum moraretur idque milites anxie ferrent eiusque filium Bassianum, qui Caesar una aderat, Augustum fecissent, in tribunal se ferri, adesse omnes imperatoremque ac tribunos, centuriones et cohortes, quibus auctoribus acciderat, sisti reorum modo iussit. (26) quo metu cum stratus humi victor tantorum exercitus veniam precaretur, „sentitisne“, inquit, pulsans manu ⟨caput⟩, „caput potius quam pedes imperare?“ (27) neque multo post in Britanniae municipio, cui Eboraci nomen, annis regni duodeviginti morbo exstinctus est. (28) ortus medie humili, primo litteris, dehinc imbutus foro. quo parum commodante, uti rebus artis solet, dum tentat aut exquirit varia melioraque, imperium conscendit. (29) ibi graviora expertus, laborem, curas, metum et incerta prorsus omnia, quasi testis vitae mortalium, „cuncta“, inquit, „fui, conducit nihil“. (30) funus, quod liberi Geta Bassianusque Romam detulerant, mire celebratum illatumque Marci sepulcro; ⟨quem⟩ adeo percoluerat, ut eius gratia Commodum inter

1 advertens O 2 per factionem Schott : perfectionem OP : praefectorum dub. Schott 3 post liberalium add. artium Maehly 4 abs O | gesta Casaubonus : texta OP | paribus mirum : an pari vel paria? 6 amplexus P 7 libidine Schott : libide vel livide OP retentaverit Mommsen duce Schott, qui retentarit scripsit : retentavit P : temptaverit O 8 neque P : net O 9 atque P : aut O | ipsa vitia OP : saevitia dub. Arntzen : ipsa vita Casaubonus 10 nam OP : iam Casaubonus 10 sq. anxie ferrent Schott : anxii efferrent OP 12 adesse P : desse Oa.c. : addesse Op.c. 13 eorum P 14 cum post victor transpos. P | tantorum OP : factorum Olivarius : tantorum ⟨populorum⟩ Freudenberg 15 post manu add. caput Casaubonus 16 pedes Op.c.P : caput Oa.c. | in om. O 18 medie O : mediae P : in aede Schott : enim ex Olivarius | deinde P 20 conscendit imperium P 24 quem add. Schott

Text und Übersetzung

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durchgingen, wobei er gegen seine Leute strenger verfuhr, weil er als erfahrener Mann begriff, dass solches durch die Schuld der Generäle oder sogar durch Cliquenwirtschaft verursacht wurde. (22) Er widmete sich der Philosophie, Redeübungen, überhaupt allen Disziplinen der freien Künste und er schrieb die von ihm vollbrachten Taten mit ebenso viel Schmuck wie Wahrhaftigkeit nieder. (23) Er war der Urheber von sehr unparteiischen Gesetzen. Diesem im Frieden und im Krieg so erfolgreichen Mann wurde der höchste Ruhm durch die Unzucht seiner Frau verwehrt, die er in beschämender Weise so sehr liebte, dass er sie bei sich behielt, obgleich ihre Lüsternheit bekannt geworden und sie der Verschwörung angeklagt war. (24) Dies ist schon für einen ganz niedrig Stehenden eine Schande, besonders aber für Mächtige, und noch mehr für denjenigen, dem sich nicht nur Privatleute und einzelne Personen oder auch bloß Verbrecher, sondern Königreiche und Heere und die Laster selbst beugten. (25) Als er nämlich, wegen eines Fußleidens unpässlich, einen Krieg verschob und die Soldaten dies übelnahmen und seinen Sohn Bassianus, der als Caesar mit zugegen war, zum Augustus erhoben, befahl er, sich auf das Tribunal tragen und alle antreten zu lassen, und dass der Kaiser und die Tribunen, Zenturionen und Kohorten, welche die Urheber waren, wie Angeklagte (vor dem Tribunal) hingestellt wurden. (26) Als hierdurch aus Furcht das über so viele siegreiche Heer auf dem Boden liegend, um Vergebung bat, sagte er, wobei er sich mit der Hand ⟨an den Kopf⟩ schlug: „Merkt ihr jetzt, dass vielmehr der Kopf regiert als die Füße?“ (27) Nicht viel später verschied er durch Krankheit in einer Landstadt Britanniens, die Eboracum heißt, nach achtzehn Herrschaftsjahren. (28) Geboren in relativ bescheidenen Verhältnissen, wurde er zuerst mit höherer Bildung, dann mit dem Gerichtswesen vertraut gemacht. Während er, da sich dieses als zu wenig einträglich erwies, Anderes und Besser wie es üblich ist, wenn die Umstände prekär sind, stieg er zur Kaiserherrschaft auf. (29) Nachdem er hier noch Schlimmeres, Mühsal, Sorgen, Furcht und völlige Ungewissheit aller Dinge durchgemacht hatte, äußerte er gleichsam als Zeuge des Menschenlebens: „Alles bin ich gewesen, gebracht hat es nichts.“ (30) Sein Leichnam, den seine Söhne Geta und Bassianus nach Rom gebracht hatten, wurde außerordentlich feierlich bestattet und im Grabmal des Marcus (d. h. Aurelius) beigesetzt. ⟨Diesen⟩ hatte jener so hoch verehrt, dass er seinetwegen empfahl, den Commodus, den er als Bruder bezeichnete, unter die Vergöttlichten

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divos referri suaserit fratrem appellans Bassianoque Antonini vocabulum addiderit, quod ex illo post multos dubiosque eventus auspicia honorum cepisset patrocinio fisci. (31) deinde laborantibus secundarum initia earumque auctores memoriae sunt. (32) at posteri, 5 quasi bellum inter se mandatis accepissent, confestim secessere. ita Geta, cui nomen paterno ab avo erat, cum eius modestiore ingenio frater angeretur, obsessus interiit. (33) quae victoria Papiniani exitio foedior facta, ut sane putant memoriae curiosi, quippe quem ferunt illo temporis Bassiani scrinia curavisse monitumque, uti mos est, destinanda Romam 10 quam celerrime componeret, dolore Getae dixisse haudquaquam pari facilitate velari parricidium, qua fieret, idcircoque morte affectum. (34) sed haec improbe absurda sunt, cum constet satis praefecturam praetorio gessisse neque incondite illum virum tantam contumeliam imponere potuisse, cui amori ac magisterio erat.

21. (1) ceterum Antoninus incognita munerum specie plebem Romanam adliciens, quod indumenta in talos demissa largiretur, Caracalla dictus, cum pari modo vestes Antoninianas nomine suo daret. (2) Alamannos, gentem populosam mirifice ex equo pugnantem, prope Moenum amnem devicit. patiens, communis tranquillusque. pari fortuna et 20 eodem matrimonio, quo pater. (3) namque Iuliam novercam, cuius facinora supra (c. 20,23) memoravi, forma captus coniugem affectavit, cum illa factiosior aspectui adolescentis, praes 15

3 proinde Casaubonus | deinde laborantibus OP : delirantibus dub. Schott 4 post secundarum add. rerum Opitz, duce Maehly 7 papinia in O 9 destinanda Gruter, duce Schott : destinando OP 10 haudquaquam Schott : haud quanquam OP 11 idcircoque morte D’Elia : iccirco morteque O : iccirco morte P 13 neque P : net O | ante incondite add. non Casaubonus 14 amori ac magisterio OP : memoriae magister non Freudenberg | ministerio dub. Arntzen | post magisterio add. Getae Casaubonus 15 plebem O : urbem P 16 adliciens Casaubonus : adiciens O : adijciens P : adiens dub. Schott : adficiens Gruter 17 vestes Schott : vesti OP : vestis Dacier | Antoninianas dub. Schott : anthonias O : antonianas P : Antoniniae Dacier | nomine suo O : nomini suo P : nomen e suo Casaubonus 18 ex equo mirifice P 19 tranquillisque O

Text und Übersetzung

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zu versetzen, sowie dem Bassianus zusätzlich den Namen ‚Antoninus‘ verlieh, weil er nach zahlreichen misslichen Versuchen dank jenem mit der Rechtsvertreterschaft des Fiskus den glücklichen Anfang seiner Karriere gemacht hatte. (31) Nachher bleiben den Unglückseligen die Anfänge ihres Glücks und dessen Urheber im Gedächtnis. (32) Aber seine Nachkommen, als hätten sie Anweisungen empfangen, einander zu bekriegen, entzweiten sich sofort. So wurde Geta, der nach seinem Großvater väterlicherseits benannt war, angegriffen und getötet, weil sein Bruder sich durch dessen besonneneren Charakter bedroht fühlte. (33) Dieser Sieg wurde noch scheußlicher, wie die an Geschichte Interessierten durchaus meinen, durch den Untergang des Papinianus. Dieser soll, wie sie berichten, zu jener Zeit das Sekretariat des Bassianus geführt haben und, als er aufgefordert wurde, die für Rom bestimmten Verlautbarungen, wie üblich, so schnell wie möglich abzufassen, aus Schmerz über Geta gesagt haben, ein Verwandtenmord lasse sich keineswegs mit der gleichen Leichtigkeit kaschieren, mit der er begangen werde, und deswegen sei er mit dem Tod bestraft worden. (34) Aber dies ist dreist ersonnener Unfug, da hinlänglich feststeht, dass jener Mann die Prätorianerpräfektur bekleidet hat und nicht von ungefähr eine derartige Beleidigung demjenigen anzutun vermocht hätte, dem er ein lieber Freund und Lehrer war. 21. (1) Wie dem auch sei, wurde Antoninus, weil er die stadtrömische Plebs durch eine bisher unbekannte Art von Gaben für sich gewann – er verschenkte Kleidungsstücke, die bis zu den Knöcheln reichten – ‚Caracalla‘ genannt, während er wiederum auf gleiche Weise Gewänder verschenkte, die nach seinem Namen ‚Antoniniana‘ hießen. (2) Die Alamannen, ein zahlreiches Volk, das auf eindrückliche Weise zu Pferd kämpft, besiegte er nahe beim Fluss Main völlig. Er war nachsichtig, zugänglich und ruhig; hatte das gleic frau wie sein Vater. (3) Denn seine Stiefmutter Julia, deren Schandtaten ich oben (c. 20,23) erwähnt habe, begehrte er, durch ihr Äußeres gefangen, zur Frau, nachdem sie sich recht durchtrieben den Blicken des jungen Mannes, als habe sie seine Gegenwart nicht bemerkt, mit unbekleidetem Körper dargeboten hatte und ihm, der ihr versicherte: „Ich möchte wohl, wenn es erlaubt wäre, davon Gebrauch machen“, noch viel frivoler (sie hatte ja mit der Kleidung die Scham abgelegt) geant-

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dedisset intecto corpore asserentique, „vellem, si liceret, uti“, petulantius multo (quippe quae pudorem velamento exuerat) respondisset, „libet? plane licet“. (4) Aegypti sacra per eum deportata Romam atque aucta urbs magno accessu viae novae et ad lavandum 5 absoluta opera cultus pulchri. (5) quibus confectis cum Syriam circumgrederetur, apud Edessam anno potentiae sexto moritur. (6) corporis reliqua luctu publico relata Romam atque inter Antoninos funerata sunt. 22. (1) dehinc Opilius Macrinus, qui praefecturam praetorio gerebat, 10 imperator eiusdemque filius Diadumenus nomine Caesar a legionibus appellantur. (2) quibus eo quod ingens amissi principis desiderium erat, adolescentem Antoninum vocavere. (3) horum nihil praeter saevos atque inciviles animos interim reperimus. (4) qua gratia mensibus fere quattuor ac decem vix retento imperio, per quos creati fuerant, interfecti 15 sunt. 23. (1) accitusque Marcus Antoninus Bassiano genitus, qui patre mortuo in Solis sacerdotium, quem Heliogabalum Syri vocant, tamquam asylum insidiarum metu confugerat hincque Heliogabalus dictus. translatoque Romam dei simulacro in palatii penetralibus altaria consti20 tuit. (2) hoc impurius ne improbae quidem aut petulantes mulieres fuere, quippe orbe toto obscenissimos perquirebat visendis tractandisve artibus libidinum ferendarum. (3) haec cum augerentur in dies ac magis magisque Alexandri, quem comperta Opilii nece Caesarem nobilitas nuncupaverat, amor cumularetur, in castris praetoriis tricesimo regni 25 mense oppressus est.

1 intecto Schott : intellecto OP 3 post plane add. non Pmarg. 4 post viae add. et O 5 pulchri cultus P | publici Maehly 6 circumgrederetur Schott : circum crederetur OP 7 luctus Oa.c. 10 eiusque P | exspectaveris Diadumenianus 11 eo del. Gruner 12 anthonium O 13 repperimus P | ferme P 19 altaria O : palatia P 21 urbe tota Gruter | visendis tractandisve OP : visendos tractandosve Gruter : fingendis tractandisque Olivarius 22 partibus vel artubus Pithou | ferendarum OP : ferarum Schott : ⟨non⟩ ferendarum Olivarius : nefandarum Dacier | angerentur O 23 pompilii P

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wortet hatte: „Es gefällt? Dann ist es auch erlaubt.“ (4) Religiöse Kulte aus Ägypten wurden durch ihn in Rom eingeführt und die Stadt durch den breiten Zugang der Via Nova erweitert und zum Baden schön ausgestattete Gebäude fertiggestellt. (5) Als er nach Abschluss dieser Dinge in Syrien herumreiste, starb er bei Edessa im sechsten Jahr seiner Herrschaft. (6) Seine leiblichen Überreste wurden unter öffentlicher Trauer nach Rom rückgeführt und bei den Antoninen bestattet. 22. (1) Daraufhin wurde Opilius Macrinus, der die Prätorianerpräfektur bekleidete, von den Legionen zum Kaiser ernannt und sein Sohn namens Diadumenus (lies Diadumenianus) zum Caesar. (2) Da die Soldaten eine so große Sehnsucht nach dem verstorbenen Princeps hatten, benannten sie den Heranwachsenden ‚Antoninus‘. (3) Über die beiden finden wir einstweilen nichts weiter berichtet als ihren brutalen und tyrannischen Charakter. (4) Deshalb wurden sie, nachdem sie mit Mühe ungefähr vierzehn Monate die Herrschaft innegehabt hatten, durch eben diejenigen, die sie gewählt hatten, getötet. 23. (1) Marcus Antoninus wurde zum Kaiser berufen, der Sohn des Bassianus, der nach dem Tod seines Vaters aus Furcht vor Nachstellungen ins Priesteramt des Sol, den die Syrer ‚Heliogabalus‘ nennen, wie in ein Asyl Zuflucht genommen hatte und daher ‚Heliogabalus‘ genannt wurde. Nachdem er das Kultbild des Gottes nach Rom überführt hatte, stellte er im Innersten des Palastes einen Altar auf. (2) Etwas Unsittlicheres als er waren nicht einmal liederliche oder frivole Weiber: schaffte er doch aus der ganzen Welt die unzüchtigsten Männer herbei, um die Künste, Wollüste zu empfinden, zu betrachten und praktisch zu erproben. (3) Da dieses Treiben von Tag zu Tag schlimmer wurde und die Liebe zu Alexander, den der Senat nach Bekanntwerden des Mordes an Opilius zum Caesar ernannt hatte, immer mehr wuchs, wurde er im Prätorianerlager im dreißigsten Monat seiner

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24. (1) statimque Aurelio Alexandro Syriae ⟨urbe⟩ orto, cui duplex Caesarea et Arcae nomen est, militibus quoque annitentibus Augusti potentia delata. (2) qui quamquam adolescens, ingenio supra aevum tamen, confestim apparatu magno bellum adversum Xerxen, Persarum regem, movet. quo fuso fugatoque in Galliam maturrime contendit, quae Germanorum direptionibus tentabatur. (3) ibi tumultuantes legionum plerasque constantissime abiecit, quod in praesens gloriae, mox exitio datum est. (4) nam cum tantae severitatis vim milites inhorrescunt (unde etiam Severi cognomentum accesserat), agentem casu cum paucis vico Britanniae, cui vocabulum Sicilia, trucidavere. (5) opus urbi florentissimum †celebrio† fabricatus est matrisque cultu, quae nomine Mamaea erat, plus quam pius. (6) adhuc Domitium Ulpianum, quem Heliogabalus praetorianis praefecerat, eodem honore retinens Pauloque inter exordia patriae reddito, iuris auctoribus, quantus erga optimos atque aequi studio esset, edocuit. (7) neque ultra annos tredecim imperio functus rem publicam reliquit firmatam undique. (8) quae iam tum a Romulo ad Septimium certatim evolans Bassiani consiliis tamquam in summo constitit. (9) quo ne confestim laberetur, Alexandri fuit. abhinc dum dominandi suis quam subigendi externos cupientiores sunt atque inter se armantur magis, Romanum statum quasi abrupto praecipitavere immissique in imperium promiscue boni malique, nobiles atque ignobiles, ac barbariae multi. (10) quippe, ubi passim confusaque omnia neque suo feruntur modo, quique fas putant uti per turbam rapere aliena officia, quae regere nequeunt, et scientiam bonarum artium foede corrumpunt. (11) ita fortunae vis licentiam nacta

1 ante statimque add. de alexandro mammee P | urbe dub. add. Schott 2 Caesareae Opitz | Arcae Opitz : arthe O : archae Pa.c. : orchae Pp.c. : Arca Sylburg : Arce Mommsen 3 aevum P : eum O 5 maturrime om. O 10 cui O : in P 11 celebrio OP : et celeberrimum Dacier : celebreque Arntzen : celebrius Dufraigne : celebratione Bird : Serapium vel Isium et Serapium Olivarius : an in palatio? | matris{que} Dacier 12 nomine P : nomen O : del. Dacier 13 praetorianus P 14 oxordia O | pariter Dacier redito O 14 sq. quantus – esset OP : quanto studio erga optimos et quanto studio aequi esset Shackleton Bailey 15 atque del. Sylburg | studiosos dub. Schott | docuit O 17 evolant O 21 sq. mali bonique O 22 barbari dub. Schott 23 passim OP : sparsa Sylburg 24 scientiam Arntzen : scientia OP : inscientia Gruter : inscitia Walter

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24. (1) Unverzüglich wurde dem Aurelius Alexander, geboren ⟨in einer Stadt⟩ Syriens, die den Doppelnamen Caesarea und Arca trägt, auch mit Unterstützung der Soldaten die Amtsgewalt des Augustus übertragen. (2) Er fing sogleich, obwohl noch ein junger Mann, jedoch für sein Alter überaus talentiert, mit einem umfangreich ausgerüsteten Heer einen Krieg gegen den Perserkönig Xerxes an. Nachdem dieser geschlagen und in die Flucht getrieben worden war, eilte Alexander schnellstens nach Gallien, das von Plünderungen der Germanen heimgesucht wurde. (3) Dort entließ er äußerst rigoros mehrere aufrührerische Legionen, was ihm für den Augenblick Ansehen, bald darauf aber den Untergang bescherte. (4) Denn da die Soldaten vor der Gewalt derartiger Strenge erzitterten (deshalb hatte er auch den Beinamen ‚Severus‘ erhalten), schlugen sie ihn tot, als er sich zufällig mit wenigen Begleitern in einem Dorf in Britannien aufhielt, das den Namen ‚Sicilia‘ trug. (5) Für die Stadt Rom erbaute er ein äußerst glanzvolles Bauwerk †celebrio†, und beim Verehren seiner Mutter, die Mamaea hieß, erwies er sich mehr als pflichtbewusst. (6) Zudem beließ er Domitius Ulpianus, den Heliogabalus als Präfekten der Prätorianer eingesetzt hatte, in diesem Amt, und indem er zu Herrschaftsbeginn Paulus seiner Vaterstadt rehabilitiert zurückgab, zeigte er an den Rechtsgelehrten, wie sehr er gegenüber den Besten und für die Förderung der Rechtmäßigkeit eingestellt war. (7) Obwohl er die Herrschaft nicht länger als dreizehn Jahre ausgeübt hatte, hinterließ er einen in jeder Hinsicht gefestigten Staat. (8) Dieser schon damals seit Romulus bis zu Septimius ehrgeizig im Aufstieg begriffene Staat stand durch die Maßnahmen des Bassianus gleichsam auf seinem Höhepunkt. (9) Dass er nicht rasch wieder herabsank, war Alexanders Verdienst. Von da ab haben die Kaiser, da sie begieriger danach waren, die eigenen Leute zu beherrschen statt auswärtige Völker zu unterwerfen, und da sie e der rüsteten, den römischen Staat gleichsam in einen jähen Abgrund hinabgestürzt, und es gelangten unterschiedslos Gute und Schlechte, Adelige und Nichtadelige und auch viele aus dem Barbarenland zum Kaisertum. (10) Wo allenthalben alles durcheinander geraten ist und nichts auf die ihm angemessene Weise durchgeführt wird, hält natürlich ein jeder es für rechtens, wie im Chaos, fremde Ämter an sich zu reißen, die er nicht auszuführen versteht, und fügt der Einsicht in die lauteren Mittel und Wege schändlicherweise Schaden zu. (11) So steuert die Macht des Schicksals, wenn sie einmal die Gelegenheit dazu bekom-

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(B 2) Aurelius Victor

perniciosa libidine mortales agit. quae diu quidem virtute uti muro prohibita, postquam paene omnes flagitiis subacti sunt, etiam infimis genere institutoque publica permisit.

25. (1) namque Gaius Iulius Maximinus praesidens Trebellicae 5 primus e militaribus, litterarum fere rudis potentiam cepit suffragiis

legionum. (2) quod tamen etiam patres, dum periculosum aestimant inermes armato resistere, approbaverunt. filiusque eius pari nomine Gaius Iulius Maximinus Caesar factus est. 26. (1) quis biennium summae potitis, haud incommode proelio 10 gesto contra Germanos, repente Antonius Gordianus Africae proconsul

ab exercitu princeps apud Thysdri oppidum absens fit. (2) quo ut accitus pervenit, tamquam ea re creatus foret, seditione excipitur. qua lenita facile Carthaginem petit. (3) ibi cum avertendis prodigiis, quorum metu haud inaniter angebatur, rem divinam solitis ageret, repente hostia par15 tum edidit. (4) id haruspices atque ipse maxime (nam huius scientiae usu immodice prudens erat) ita accepere illum quidem destinatum neci, verum liberis pariturum imperium, progressique coniectu longius filii quoque exitum denuntiavere, mitem atque innoxium praefantes fore ut illud pecus nec diuturnum tamen subiectumque insidiis. (5) interim 20 Romae comperto Gordiani interitu, hortante Domitio, urbi praefectus reliquique iudices vulgo caeduntur per cohortes praetorias. (6) quippe Gordianus, postquam delatum sibi imperium cognovit, praemia amplum in modum ostentans Romam legatos ac litteras destinaverat. quibus necato eo frustratos se milites angebantur, genus hominum pecuniae cupi25 dius fidumque ac bonum solo quaestu. (7) at senatus metuens, ne nullis

2 infimis Arntzen : infirmis OP 4 Trebellicae mirum : rei bellicae Faber : Triballis Isauriae dub. Schott 6 aestimant D’Elia : extimant OP : existimant Schott 7 patri O 8 iulus O | Iulius Maximinus Caesar dub. del. Schott 9 summis Schott | post summae add. potestatis Opitz | potitus OPa.c. | haud P : aut O 10 Antoninus P 11 Thysdri D’Elia, duce Sylburg : thydri OP 12 ea re Schott : tare O : care P : vane Fontaine : del. Knecht | linita P 14 inane P 16 immodices Oa.c. | accipere O | quidem O : quoque P 17 libero Dacier | filii O : liberi P 21 reliqui per O | praetorias cohortes P 22 imperium sibi O 23 sq. ac – frustratos om. Oa.c.

Text und Übersetzung

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men hat, durch ihre verderbliche Willkür die Menschen. Sie wurde zwar lange durch die Tugend wie durch eine Mauer abgewehrt, nachdem aber beinahe alle durch Schandtaten korrumpiert waren, überließ sie die Staatsgeschäfte sogar den hinsichtlich ihrer Geburt und Bildung Niedrigsten. 25. (1) Denn Gaius Iulius Maximinus, Kommandant der Trebellica (?), übernahm als erster aus dem Soldatenstand, nahezu ohne Bildung, auf Verlangen der Legionen die Macht. (2) Dennoch billigten das sogar die Senatoren, da sie es für gefährlich hielten, sich waffenlos dem Bewaffneten zu widersetzen. Sein gleichnamiger Sohn Gaius Iulius Maximinus wurde zum Caesar gemacht. 26. (1) Als sie zwei Jahre lang die Herrschaft besessen und nicht ohne Erfolg eine Schlacht gegen die Germanen geschlagen hatten, wurde überraschend Antonius Gordianus, der Prokonsul von Africa, in seiner Abwesenheit bei der Stadt Thysdrus vom Heer zum Princeps gemacht. (2) Sowie er, herbeigerufen, dort hinkam, wurde er, als ob er deswegen gewählt worden sei, von einem Aufruhr empfangen. Nachdem er diesen mühelos beruhigt hatte, zog er nach Karthago. (3) Während er dort, um schlechte Vorzeichen abzuwenden – von der Furcht vor ihnen wurde er nicht grundlos geplagt – auf herkömmliche Weise ein Opfer darbrachte, gebar das Opfertier plötzlich ein Junges. (4) Dies fassten die Opferschauer und besonders er selbst (denn er war in der Praxis dieser Kunde überaus bewandert) so auf, dass ihm zwar ein gewaltsamer Tod vorherbestimmt sei, er aber seinem Sohn die Herrschaft verschaffen werde. Indem sie in ihrer Vermutung noch weiter gingen, kündigten sie auch den Tod seines Sohnes an, wobei sie voraussagten, dass dieser sanft und harmlos wie jenes Tier sein, aber nicht lange leben und Nachstellungen ausgesetzt sein werde. (5) Inzwischen erfuhr man in Rom von Gordians Tod, worauf auf B Stadtpräfekt und die übrigen Beamten wahllos durch die Prätorianerkohorten getötet wurden. (6) Denn Gordianus hatte, als er erfuhr, dass ihm die Herrschaft übertragen worden war, Gesandte und ein Schreiben nach Rom geschickt und Belohnungen in hohem Maß in Aussicht gestellt. Hierum durch die Ermordung des Gordianus betrogen, grämten sich die Soldaten, ein Menschenschlag, der allzu geldgierig und nur für Profit treu und tüchtig ist. (7) Aber da der Senat befürchtete, weil es kein Führungspersonal in der Hauptstadt gab, die den Anschein erweckte, erobert zu sein, dass noch Schlimmeres geschehen könne,

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(B 2) Aurelius Victor

rectoribus specie captae urbis atrociora acciderent, primo potestatum vices, mox conscriptis iunioribus Clodium Pupienum, Caecilium Balbinum Caesares constituit. 27. (1) iisdemque per Africam diebus milites Gordianum, Gordiani 5 filium, qui forte contubernio patris praetextatus ac deinceps praefectus praetorio intererat, Augustum creavere; neque sane factum nobilitas aspernata. (2) denique accito eo inter implana urbis atque ipso sinu praetoriae manus acie deletae per gladiatorum familias tironumque exercitum. (3) dum haec Romae geruntur, Iulii Maximini, quos forte ea 10 tempestate Thracia retinebat, acceptis quae evenerant, Italiam propere petunt. (4) eos Pupienus Aquileiae obsidione confecit, postquam proelio victos reliqui paulatim deseruerant. (5) horum imperio ad biennium per huiuscemodi moras annus quaesitus. (6) neque multo post tumultu militarium Clodio Caecilioque Romae intra palatium caesis Gordianus solus 15 regnum obtinuit. (7) eoque anno lustri certamine, quod Nero Romam induxerat, aucto firmatoque in Persas profectus est, cum prius Iani aedes, quas Marcus clauserat, patentes more veterum fecisset. (8) ibi gesto insigniter bello Marci Philippi praefecti praetorio insidiis periit sexennio imperii.

28. (1) igitur Marcus Iulius Philippus, Arabs Trachonites, sumpto in consortium Philippo filio, rebus ad Orientem compositis conditoque apud Arabiam Philippopoli oppido Romam Tiberim lacu, quod eam partem aquae penuria fatigabat, annum urbis millesimum ludis omnium generum celebrant. (2) et quoniam nomen 25 admonuit, nostra quoque aetate post mille centesimus consule Philippo excessit nullis, ut solet, sollemnibus frequentatus: adeo in dies cura minima Romanae urbis. (3) quod equidem denuntiatum ferunt illo tempore

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2 Pupienum Schott : cupienum OP | Caelium Schott 4 iisdemque Schott : hisdemque OP 10 retinebatur O 11 Aquileiae Schott : aquilae OP 14 Caelioque Dacier 15 sq. invexerat P 20 ante igitur add. de philippo augusto P | arbs O 22 Philippopolis D’Elia | romamam O 25 centesimus Schott : centesimo OP

Text und Übersetzung

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setzte er zunächst Stellvertreter für die Ämter, nach der Rekrutierung der Jungmannschaften dann Clodius Pupienus und Caecilius (lies Caelius) Balbinus als Caesares ein. 27. (1) In eben jenen Tagen wählten in Africa die Soldaten Gordianus, den Sohn Gordians, der, wie es sich ergeben hatte, als Minderjähriger und später als Prätorianerpräfekt im Gefolge seines Vaters gewesen war, zum Augustus. Aber der Senat focht diesen Akt überhaupt nicht an. (2) Am Ende wurden, nachdem Gordianus herbeigerufen worden war, die Prätorianereinheiten zwischen den Anhöhen Roms und im Zentrum selbst durch Gladiatorentrupps und das Rekrutenheer in einer Schlacht vernichtet. (3) Während sich dies in Rom abspielte, zogen die Iulii Maximini, die zu der Zeit Thrakien gerade beschäftigt hielt, als sie vernahmen, was sich ereignet hatte, rasch nach Italien. (4) Pupienus tötete sie bei der Belagerung von Aquileia, nachdem ihre Resttruppen sie, die in einer Schlacht Besiegten, nach und nach im Stich gelassen hatten. (5) Ihre Herrschaft erstreckte sich zusätzlich zum Doppeljahr wegen derartiger sich hinziehender Ereignisse noch über ein weiteres Jahr. (6) Nachdem nicht viel später bei einer Soldatenrevolte Clodius und Caecilius (lies Caelius) in Rom im Palast getötet worden waren, hielt Gordianus die Herrschaft alleine inne. (7) In diesem Jahr brach er nach der Erweiterung und Institutionalisierung des penteterischen Wettkampfs, den Nero in Rom eingeführt hatte, gegen die Perser auf, nachdem er zuvor den Tempel des Janus, den Marcus (d. h. Aurelius) geschlossen hatte, nach altem Brauch geöffnet hatte. (8) Nachdem er dort ausgezeichnet Krieg geführt hatte, kam er durch Nachstellungen des Prätorianerpräfekten Marcus Philippus im sechsten Jahr seiner Herrschaft um. 28. (1) So kamen Marcus Iulius Philippus, ein Araber aus der Trachonitis, und sein Sohn Philippus, den er zur Mitregentschaft hinzuzog, nach Rom, nachdem sie die Verhältnisse im bia die Stadt Philippolis gegründet hatten. Nach dem Bau eines Wasserbeckens jenseits des Tibers, weil dieser Stadtteil an Wassermangel litt, feierten sie das tausendste Jahr der Stadt mit Spielen aller Art. (2) Da mich gerade sein Name daran erinnert: Auch in unserer Zeit verging unter dem Konsulat eines Philippus (348 n. Chr.) nach den tausend das hundertste Jahr, ohne dass wie normalerweise irgendwelche Feierlichkeiten abgehalten wurden: so sehr ist von Tag zu Tag das Interesse an der Stadt Rom kleiner geworden! (3) Dies sei aber, sagt man, schon zum damaligen Zeitpunkt durch Vorzeichen und Wunder vorausgesagt

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(B 2) Aurelius Victor

prodigiis portentisque. ex quis unum memorare brevi libet. (4) nam cum pontificum lege hostiae mactarentur, suis utero maris feminarum genitalia apparuere. (5) id haruspices solutionem posterorum portendere vitiaque fore potiora interpretati. (6) quod frustratum iri aestimans imperator 5 Philippus, tum quia forte praeteriens filii similem pro meritorio ephebum conspexerat, usum virilis scorti removendum honestissime consultavit. (7) verumtamen manet, quippe condicione loci mutata peioribus flagitiis agitatur, dum avidius periculosa quibusque prohibentur mortales petunt. (8) huc accedit, quod longe aliud Etruscorum artes cecine10 rant, quae bonis parte plurima iacentibus mollissimum quemque beatum fore asserebant. (9) eos ego ignorasse verum plane puto. etenim quamvis rerum omnium prospero successu, pudore amisso tamen, fortunatus esse quis potest, cum eodem retento cetera tolerabilia sint? (10) his actis filio urbi relicto ipse quamquam debili per aetatem corpore adversum 15 Decium profectus Veronae cadit pulso amissoque exercitu. (11) quis Romae compertis apud castra praetoria filius interficitur. annos potentiae quinque egere.

29. (1) at Decius, Sirmiensium vico ortus, militiae gradu ad imperium conspiraverat, laetiorque hostium nece filium Etruscum nomine 20 Caesarem fecit. statimque eo in Illyrios praemisso Romae aliquantum moratur moenium gratia, quae instituit, dedi eum Iotapiani, qui Alexandri tumens stirpe per Syriam temptans nova militum arbitrio occubuerat, ora, uti mos est, inopinato deferuntur simulque per eos dies Lucio Prisco, qui Macedonas praesidatu regebat, 25 delata dominatio Gothorum concursu, postquam direptis Thraciae 1 quibus O 4 aestimans P .: existimans O : destinans Damsté 5 merito P 7 vitium tamen dub. Damsté 8 agitabatur O 8 sq. mortales prohibentur Pa.c. 11 ego eos O 13 quis esse P | retentu O | sunt P 14 ubi O 18 ante at Decius add. de decio P | at Decius Pmarg. : decius (a Omarg.) OP 19 Etruscum Schott : etruscium OP 20 facit Schott in om. O 22 Iotapiani Schott : iotapiam P : iopatiam O : iothapinni Omarg. 24 Lucio OP : iulio Petersen

Text und Übersetzung

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worden, von denen eins kurz zu erwähnen beliebt: (4) Als nämlich nach Vorschrift der Priester Opfertiere geschlachtet wurden, kamen im Unterleib eines männlichen Schweins weibliche Genitalien zum Vorschein. (5) Das interpretierten die Opferschauer so, dass es einen Sittenverfall unter den Nachgeborenen ankündige und die Laster zunehmen würden. (6) Da Kaiser Philippus glaubte, dass dies vereitelt werden könnte, und zudem weil er beim Vorübergehen zufällig einen Strichjungen vor einem Bordell gesehen hatte, der seinem Sohn ähnlich war, beschloss er überaus ehrenhaft die Beseitigung des Verkehrs mit männlichen Prostituierten. (7) Gleichwohl dauert er an. Obwohl sich die Örtlichkeiten verändert haben, wird er allerdings in Form von noch schlimmeren Schandtaten praktiziert, da die Menschen nach Gefährlichem und Verbotenem noch begieriger trachten. (8) Hinzu kommt, dass die Wahrsagekünste der Etrusker bei Weitem etwas anderes geweissagt hatten: sie versicherten, dass, wenn die Gutgesinnten größtenteils darniederliegen, gerade die Oberlüstlinge glückselig sein werden. (9) Ich glaube, dass sie die Wahrheit völlig verkannt haben. Denn wer vermag trotz noch so gutem Verlauf aller Dinge glücklich zu sein, wenn er sein Schamgefühl verloren hat, während hingegen, hat man es sich bewahrt, alles Übrige erträglich ist? (10) Nachdem er Besagtes unternommen hatte, ließ er seinen Sohn in der Stadt Rom zurück und brach selbst, obwohl durch sein Alter von schwacher körperlicher Verfassung, gegen Decius auf; er fiel in Verona, nachdem sein Heer geschlagen und untergegangen war. (11) Sowie man dies in Rom vernahm, wurde sein Sohn im Prätorianerlager getötet. Sie waren fünf Jahre an der Macht. 29. (1) Hingegen hatte Decius, der aus einem Dorf der Gemeinde Sirmiums stammte, sich durch seinen Rang im Militär mittels eines Komplotts des Kaisertums bemächtigt, und erfreut über den Tod seiner Widersacher, machte er seinen Sohn nam Nachdem er ihn sogleich nach Illyricum entsandt hatte, blieb er eine Weile in Rom, um das Gebäude, das er errichtete, einzuweihen. (2) In der Zwischenzeit wurde ihm unerwartet der Kopf, wie es Brauch ist, des Iotapianus überbracht, der sich mit seiner Abstammung von Alexander brüstend, in Syrien einen Umsturzversuch unternommen und durch die Entscheidung seiner Soldaten den Tod gefunden hatte. Gleichzeitig wurde in jenen Tagen dem Lucius Priscus, der als Statthalter in Makedonien amtierte, beim Ansturm der Goten, die bis dorthin gelangt waren, nachdem sie den größten Teil Thrakiens geplündert hatten, die

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(B 2) Aurelius Victor

plerisque illo pervenerant. (3) qua causa Decio quam potuit maturrime Roma digresso Iulius Valens cupientissimo vulgo imperium capit. verum utrique mox caesi, cum Priscum nobilitas hostem patriae censuisset. (4) Decii barbaros trans Danubium persectantes Bruti fraude 5 cecidere exacto regni biennio. (5) sed Deciorum mortem plerique illustrem ferunt. namque filium audacius congredientem cecidisse in acie, patrem autem, cum perculsi milites ad solandum imperatorem multa praefarentur, strenue dixisse detrimentum unius militis parum videri sibi. ita refecto bello, cum impigre decertaret, interisse pari modo.

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30. (1) haec ubi patres comperere, Gallo Hostilianoque Augusta imperia, Volusianum Gallo editum Caesarem decernunt. (2) deinde pestilentia oritur. qua atrocius saeviente Hostilianus interiit, Gallo Volusianoque favor quaesitus, quod anxie studioseque tenuissimi cuiusque exsequias curarent.

31. (1) igitur his Romae morantibus Aemilius Aemilianus summam potestatum corruptis militibus arripuit. (2) ad quem expugnandum profecti Interamnae ab suis caeduntur spe praemii maioris ab Aemilio, cui nullo labore seu detrimento victoria obveniebat, simul quia immodici per luxum lasciviamque officia benevolentiae corruperant. (3) 20 his sane omnibus biennium profecit. nam Aemilianus quoque tres menses usus modesto imperio morbo absumptus est, cum proceres primo hostem, deinde exstinctis superioribus pro fortuna, uti solet, Augustum appellavissent. 15

2 rome O | caput O 3 sq. sensuisset O 4 Bruti OP : Abruti Gruter : Abryti Dufraigne 5 occidere P | eorum dub. Damsté 7 aciem O 8 an profarentur? | parvum Schott 9 interiisse P 10 hostialinoque O 11 volusiano O | dein P 16 potestatem Schott 17 a O 20 his P : is O | biennio P | profecit OP : praefuit dub. Schott : suffecit Sylburg : processit Pichlmayr 21 assumptus O | eum O 22 dein P

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Herrschaft übertragen. (3) Nachdem Decius deswegen so rasch wie möglich aus Rom abgereist war, ergriff Iulius Valens auf heftiges Verlangen des Volkes hin die Herrschaft. Jedoch wurden beide bald getötet, nachdem der Senat Priscus zum Staatsfeind erklärt hatte. (4) Die Decii starben, als sie die Barbaren jenseits der Donau verfolgten, durch die Heimtücke eines Brutus, nachdem sie zwei Jahre die Herrschaft ausgeübt hatten. (5) Aber die meisten berichten, dass der Tod der Decii glanzvoll war: Denn der Sohn sei, wagemutig kämpfend, in der Schlacht gefallen, der Vater jedoch habe, als die bestürzten Soldaten vieles zum Trost des Kaisers vorbrachten, beherzt gesagt, dass ihm der Verlust eines einzigen Soldaten gering erscheine. So sei er, als er bei Wiederaufnahme des Kampfes rastlos kämpfte, auf gleiche Weise zugrunde gegangen. 30. (1) Sobald die Senatoren dies erfahren hatten, beschlossen sie für Gallus und Hostilianus die Befehlsgewalt eines Augustus, und dass Volusianus, der Sohn des Gallus, Caesar werde. (2) Dann brach eine Seuche aus. Während sie grausam wütete, erlag ihr Hostilianus. Gallus und Volusianus erwarben sich Anerkennung, weil sie eifrig und bemüht für das Leichenbegräbnis selbst derer aus dem niedersten Stand sorgten. 31. (1) Während sie sich also in Rom aufhielten, riss Aemilius Aemilianus durch Bestechung der Soldaten die höchste Gewalt an sich. (2) Um ihn zu beseitigen, brachen sie auf, wurden aber in Interamna von ihren eigenen Leuten umgebracht aus Hoffnung auf eine größere Belohnung durch Aemilius, dem ohne Mühe oder Verluste der Sieg zufiel, zugleich weil sie (d. h. Gallus und Volusianus) in ihrer Maßlosigkeit durch Opulenz und Ausschweifung die Verpflichtung zu Wohlwollen untergraben hatten. (3) Während der Herrschaft aller dieser Kaiser vergingen immerhin zwei Jahre. Denn auch Aemilianus, der drei Monate lang eine gemäßigte Herrschaft ausü dahingerafft, nachdem die Senatoren ihn zuerst als Feind, dann, nach dem Tod der Vorgänger, seinem Erfolg entsprechend, wie üblich, zum Augustus ernannt hatten.

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(B 2) Aurelius Victor

32. (1) at milites, qui contracti undique apud Raetias ob instans bellum morabantur, Licinio Valeriano imperium deferunt. (2) qui quamquam genere satis claro, tamen, uti mos etiam tum erat, militiam sequebatur. (3) eius filium Gallienum senatus Caesarem creat, statimque 5 Tiberis adulta aestate diluvii facie inundavit. (4) prudentes perniciosum rei publicae cecinere adolescentis fluxo ingenio, quia Etruria accitus venerat, unde amnis praedictus. quod equidem confestim evenit. (5) nam cum eius pater bellum per Mesopotamiam anceps diuturnumque instruit, Persarum regis, cui nomen Sapor erat, dolo circumventus foede 10 laniatus interiit imperii anno sexto, senecta robustiore.

33. (1) sub idem tempus Licinius Gallienus cum a Gallia Germanos strenue arceret, in Illyricum properans descendit. (2) ibi Ingenuum, quem curantem Pannonios comperta Valeriani clade imperandi cupido incesserat, Mursiae devicit moxque Regalianum, qui receptis militibus, 15 quos Mursina labes reliquos fecerat, bellum duplicaverat. (3) his prospere ac supra vota cedentibus more hominum secundis solutior rem Romanam quasi naufragio dedit cum Salonino filio, cui honorem Caesaris contulerat, adeo uti Thraciam Gothi libere pergressi Macedonas Achaeosque et Asiae finitima occuparent, Mesopotamiam Parthi, Orienti 20 latrones seu mulier dominaretur, Alamannorum vis tunc aeque Italiam, Francorum gentes direpta Gallia Hispaniam possiderent vastato ac paene direpto Tarraconensium oppido nactisque in tempore navigiis pars in usque Africam permearet. et amissa trans Istrum, quae Traianus quae-

1 contracti Schott : contractu OP 2 Licinio O : illicinio P : ilico Licinio Opitz 3 tum etiam P 3 sq. sequebantur P 5 aetate P 7 ampanis O 8 pater bellum O : pater dolo erat circumventus bellum P 10 imperio Oa.c. | sexto anno O | senecta O : aetate P 12 Ingenuum dub. Schott ex Eutr. 9,8,1 : ingebum OP 13 pannonos P 14 musie O 15 Mursina Schott : mausina OP 16 solutior rem P : soluciorem O 17 solonino O 18 sq. atheosque O 20 vis tunc aeque Sylburg : vi tunc aeque OP : vi tunc equi Olivarius : vis turmaeque Maehly : Rhaetiam atque Arntzen : Rhaetiam vel Vindeliciam atque Freudenberg 21 direp O | possiderunt P 22 direpto dub. del. Festy | nanctisque O | in tempore OP : emporiis Damsté | parsin P : dist. Putenaus : persin O : per sinus Olivarius 23 permearent Puteanus 23 – 104,1 quaesierat P

Text und Übersetzung

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32. (1) Die Soldaten jedoch, die wegen des bevorstehenden Krieges von überall her zusammengezogen waren und sich in Raetien aufhielten, übertrugen Licinius Valerianus die Herrschaft. (2) Dieser hatte, obwohl er von einem sehr berühmten Familiengeschlecht abstammte, dennoch, wie es damals noch Gepflogenheit war, die Militärlaufbahn eingeschlagen. (3) Seinen Sohn Gallienus wählte der Senat zum Caesar und prompt trat der Tiber im Hochsommer in Form einer Überschwemmung über die Ufer. (4) Die Kundigen prophezeiten Ungemach für den Staat aufgrund des unbeständigen Wesens des jungen Mannes, weil er herbeigerufen aus Etrurien gekommen war, wo besagter Fluss herkommt. Dies trat in der Tat sofort ein. (5) Denn als sein Vater einen ungewissen und langwierigen Krieg in Mesopotamien vorbereitete, wurde dieser durch eine List des Perserkönigs, der Schapur hieß, überwältigt und starb scheußlich geschunden im sechsten Jahr seiner Herrschaft in ziemlich rüstigem Alter. 33. (1) Um dieselbe Zeit zog Licinius Gallienus, nachdem er die Germanen entschlossen von Gallien abgewehrt hatte, eilends nach Illyricum hinab. (2) Dort besiegte er in Mursa Ingenuus, den Statthalter Pannoniens, der nach Bekanntwerden von Valerians Unglück von der Begierde nach Herrschaft erfasst worden war, und danach Regalianus, der die Soldaten, die nach der Niederlage von Mursa übriggeblieben waren, angeheuert und den Krieg wieder aufgenommen hatte. (3) Da all dies über Erwarten erfolgreich verlief, überließ Gallienus recht sorglos, wie bei Menschen in glücklichen Umständen so üblich, zusammen mit seinem Sohn Saloninus, dem er das Amt eines Caesars übertragen hatte, den römischen Staat gleichsam dem Untergang und zwar so, dass die Goten, die ungehindert Thrakien durchquert hatten, Makedonien, Griechenland und die an Kleinasien angrenzenden Gebiete besetzten, und die Parther Mesopotamien, ferner dass Räub beherrschte, auf gleiche Weise dass damals die Macht der Alamannen Italien und fränkische Stämme nach der Plünderung Galliens Spanien besetzten, wobei die Stadt Tarracona verwüstet und nahezu ausgeplündert wurde, und ein Teil von ihnen, nachdem er beizeiten an Schiffe gelangt war, sogar nach Africa übersetzte. Jenseits der Donau ging verloren, was Traian erobert hatte. (4) So wurde, wie wenn von überallher Winde wüteten, im ganzen Erdkreis das Größte mit dem Kleinen, das Unterste mit dem Obersten durcheinander gemischt. (5) Gleichzeitig breitete sich eine Seuche nach Rom aus, wie sie häufig im Gefolge von

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siverat. (4) ita quasi ventis undique saevientibus, parvis maxima ima summis orbe toto miscebantur. (5) simulque Romam pestilentia grassabatur, quae saepe curis gravioribus atque animi desperatione oritur. (6) inter haec ipse popinas ganeasque obiens lenonum ac vinariorum amicitiis haerebat, expositus Saloninae coniugi atque amori flagitioso filiae Attali Germanorum regis, Pipae nomine. (7) qua causa etiam civiles motus longe atrociores orti. (8) namque primus omnium Postumus, qui forte barbaris per Galliam praesidebat, imperium ereptum ierat. explosaque Germanorum multitudine Laeliani bello excipitur. quo non minus feliciter fuso suorum tumultu periit, quod flagitantibus Mogontiacorum direptiones, quia Laelianum iuverant, abnuisset. (9) igitur eo occiso Marius, ferri quondam opifex neque etiam tum militiae satis clarus, regnum capit. (10) proinde cuncta ad extremum reciderant, uti talibus imperia ac virtutum omnium decus ludibrio essent. (11) hinc denique ioculariter dictum nequaquam mirum videri, si rem Romanam Marius reficere contenderet, quam Marius eiusdem artis auctor stirpisque ac nominis solidavisset. (12) hoc iugulato post biduum Victorinus deligitur, belli scientia Postumo par, verum libidine praecipiti. qua cohibita in exordio post biennii imperium constupratis vi plerisque, ubi Atticiani coniugem concupivit facinusque ab ea viro patefactum est, accensis furtim militibus per seditionem Agrippinae occiditur. (13) tantum actuariorum, quorum loco Atticianus habebatur, in exercitu factiones vigent, ut arduum petentibus malitia patraretur: genus hominum praesertim hac tempestate, nequam, venale, callidum, seditiosum, habendi cupidum atque ad patrandas fraudes velandasque quasi ab natura factum, annonae dominans eoque utilia curantibus et fortunis aratorum infestum, prudens in tempore his largiendi, quorum vecordia damnoque opes contraxerit. (14) in-

1 ventis Schott : venti sunt OP 2 Romae Sylburg 2 sq. grassabatur OP : populabatur vel vastabat Sylburg 3 animi OP : annonae Walter 4 vinariorum OP : mimorum dub. Schott 8 sq. expulsaque Rudoni 9 Laeliani Gruner : leliani OP : Lolliani Schott : L. Aeliani Arntzen | belli P 10 magunciacorum P 15 nequamquam O 16 Marius – stirpisque OP : {Marius eiusdem artis} stirpis{que} Shackleton Bailey 18 par postumo O 22 sq. potentibus O 23 militia patrocinaretur Freudenberg 26 infostum P

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größeren Sorgen und Verzweiflung des Gemüts zum Ausbruch kommt. (6) Er selbst besuchte unterdessen Wirtsstuben und Kneipen und pflegte seine Freundschaften zu Zuhältern und Weinhändlern, war seiner Gattin Salonina verfallen sowie der skandalösen Liebe zu der Tochter des Germanenkönigs Attalus, namens Pipa. (7) Aus diesem Grund brachen sogar Bürgerkriege aus, die weitaus schrecklicher waren: (8) Denn als erster von allen hatte Postumus, der damals gerade die Barbaren in Gallien befehligte, den Schritt getan, jenem die Herrschaft zu entreißen. Nach der Vertreibung eines Germanenhaufens wurde er durch den Krieg gegen Laelianus beansprucht. Nachdem er diesen nicht weniger erfolgreich geschlagen hatte, kam er durch eine Revolte seiner eigenen Leute um, da er ihren Forderungen, Mainz auszuplündern, weil es Laelianus unterstützt hatte, eine Absage erteilt hatte. (9) Also ergriff nach dessen Ermordung Marius, einst ein Eisenschmied und selbst dann nicht im Militärwesen sonderlich hervorstechend, die Herrschaft. (10) Entsprechend war alles bis zum Letzten heruntergekommen, dass derartige Leute die Oberbefehlsgewalt und Auszeichnung sämtlicher Tugenden zum Gespött machten. (11) Daher sagte man zum Spaß schließlich, es sei doch keineswegs verwunderlich, wenn Marius den römischen Staat wiederherzustellen versuche, den Marius, der Lehrmeister desselben Handwerks und Stammvater dieses Geschlechts und Namens, gefestigt habe. (12) Nach der Ermordung des Marius wurde zwei Tage später Victorinus erkoren, in der Kriegskunst dem Postumus ebenbürtig, aber von einer ungestümen Wollust. Obwohl er diese anfangs zügelte, wurde er nach zweijähriger Herrschaft, nachdem er sehr viele gewaltsam geschändet hatte, als er die Frau des Atticianus heftig begehrte und sie die Untat ihrem Mann eröffnete, im Zuge einer Meuterei – die Soldaten waren heimlich aufgestachelt worden – in Köln getötet. (13) So einflussreich sind im Heer die Cliquen der Pro cianus zählte, dass ihre Boshaftigkeit Schwieriges vollbrachte, immer wenn es sie danach verlangte, ein Menschenschlag, der, zumal in der gegenwärtigen Zeit, nichtsnutzig, korrupt, gerissen, aufrührerisch, habgierig und quasi von Natur aus dazu geboren ist, Betrügereien zu begehen und zu kaschieren; da sie die Kontrolle über die Verpflegung haben, sind sie hierdurch denjenigen, die sich um die nützlichen Dinge kümmern, als auch dem Wohlergehen der Bauern ein Gegner, klug darauf bedacht, zur rechten Zeit, diejenigen zu beschenken, durch deren Tollheit und zu deren Schaden sie ihren Reichtum zusammengetragen

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terim Victoria amisso Victorino filio, legionibus grandi pecunia comprobantibus Tetricum imperatorem facit, qui familia nobili praesidatu Aquitanos tuebatur, filioque eius Tetrico Caesarea insignia impartiuntur. (15) at Romae Gallienus pacata omnia ignaris publici mali improbe suadebat, crebro etiam, uti rebus ex voluntate gestis solet, ludos ac festa triumphorum, quo promptius simulata confirmarentur, exercens. (16) sed postquam periculum propinquabat, tandem urbe egreditur. (17) namque Aureolus, cum per Raetias legionibus praeesset, excitus, uti mos est, socordia tam ignavi ducis sumpto imperio Romam contendebat. (18) eum Gallienus apud pontem, cui ex eo Aureoli nomen est, fusum acie Mediolanum coegit. (19) quam urbem dum machinationibus omnis generis oppugnat, ab suis interiit. (20) quippe Aureolus ubi solvendi obsidii spem inanem vidit, ducum Gallieni tribunorumque nomina quasi destinata ab eo ad necem astu composuit litterasque e muro, quam occultissime potuit, abiecit. quae forte a memoratis repertae metum suspicionemque iniecere mandati exitii, verum eas effluxisse incuria ministrorum. (21) qua causa Aureliani consilio, cuius gratia in exercitu atque honos praestabant, simulata proruptione hostium nullis, uti re trepida ac repentina solet, tectum stipatoribus tabernaculo educunt nocte intempesta. teloque traicitur, cuiusnam per tenebras incertum. (22) ita auctoris necis errore an quia bono publico acciderat, inulta caedes fuit. (23) quamquam eo prolapsi mores sunt, uti suo quam rei publicae magisque potentiae quam gloriae studio plures agant. (24) hinc quoque rerum vis ac nominum corrupta, dum plerumque potior flagitio, ubi

4 ignaris publici mali P : publici mali ignarus O : publici mali ignaris D’Elia 5 persuadebat dub. Schott 8 Aureolus Schott : hauriolus O : auriolus P 9 secordiam O 10 Aureoli Schott : aurili O : aureli P | nomine O 11 cogit dub. Schott | cum P 11 sq. machinationibus P : machinatu ibus O 12 Aureolus Schott : aurilius O : aurelius P 13 videt O 14 sq. litterasque – abiecit om. Oa.c. 17 qua causa Schott : quo causa OP : quo casu dub. Schott | Heracliani Dacier 20 intemperata P, ut vid. 21 necis del. Shackleton Bailey | necis errore Gruter : necis nec rore OP : necisne errore Schott : necis errore ne Olivarius

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haben. (14) Inzwischen machte Victoria nach dem Verlust ihres Sohnes Victorinus und mit der durch viel Geld erkauften Billigung der Legionen den Tetricus zum Kaiser, der einer adligen Familie entstammte und in seiner Statthalterschaft die Aufsicht über Aquitanien führte. Seinem Sohn Tetricus wurden die Caesarinsignien zuteil. (15) Hingegen in Rom machte Gallienus die hinsichtlich der Kalamität des Staates Ahnungslosen auf dreiste Weise glauben, alles sei befriedet; häufig veranstaltete er sogar, wie es zu geschehen pflegt, wenn die Unternehmungen erwartungsgemäß verlaufen waren, Spiele und Triumphfeiern, wodurch das Vorgegaukelte umso leichter bestätigt wurde. (16) Aber erst als die Gefahr näher rückte, verließ er endlich die Stadt. (17) Denn als Aureolus die Legionen in Raetien befehligte, war dieser, wie es gewöhnlich geschieht, durch die Gleichgültigkeit des derartig trägen Kaisers ermuntert worden und versuchte, nachdem er die Macht ergriffen hatte, auf Rom zu marschieren. (18) Gallienus schlug ihn in einer Schlacht bei der Brücke, die seither den Namen des Aureolus trägt, und trieb ihn nach Mailand. (19) Während Gallienus die Stadt mit Belagerungsmaschinen jeglicher Art angriff, wurde er von seinen eigenen Leuten getötet. (20) Denn Aureolus schrieb, als er erkannt hat, dass keine Hoffnung auf eine Aufhebung der Belagerung bestand, listigerweise die Namen von Gallienus’ Feldherren und Tribunen auf, als wären sie von diesem zum Tod verurteilt, und warf das Schriftstück so unauffällig wie möglich von der Mauer herab. Als es zufällig von den Genannten gefunden wurde, rief es bei ihnen Angst und die Annahme hervor, dass ihre Ermordung in Auftrag gegeben sei, das Schriftstück allerdings durch die Sorglosigkeit der Untergebenen ans Tageslicht gekommen sei. (21) Deswegen führten sie gemäß dem Plan des Aurelianus, dessen Beliebtheit und Ansehen im Heer herausragten, nach einem vorgetäuschten Ausfall der Feinde Gallienus, der, wie es in einer wirren und u ist, durch keine Leibwächter geschützt war, tief in der Nacht aus seinem Zelt. Er wurde von einer Waffe durchbohrt, aber wessen, ist wegen der Finsternis ungewiss. (22) So blieb, sei es aufgrund der Anonymität des Täters oder weil die Tat dem Allgemeinwohl diente, seine Ermordung ungerächt. (23) Gleichwohl sind die Sitten so weit verfallen, dass die meisten mehr fürs Eigeninteresse als für den Staat handeln, und mehr aus Streben nach Macht als nach Ruhm. (24) Daher ist auch die Bedeutung der Dinge und ihrer Bezeichnungen verfälscht, wenn meistens ein durch Schandtat Erstarkter, sobald er sich mit Waffengewalt durch-

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armis superaverit, tyrannidem amotam vocat damno publico oppressos. (25) quin etiam aliquanti pari libidine in caelestium numerum referuntur aegre exsequiis digni. (26) quis ni fides gestarum rerum obstitisset, quae neque honestos praemiis memoriae frustrari sinit neque improbis aeternam illustremque famam procedere, nequaquam peteretur virtus, cum verum illud atque unicum decus pessimo cuique gratia tribueretur demptum impie bonis. (27) denique Gallienum subacti a Claudio patres, quod eius arbitrio imperium cepisset, divum dixere. (28) nam cum profluvio sanguinis vulnere tam gravi mortem sibi adesse intelligeret, insignia imperii ad Claudium destinaverat honore tribunatus Ticini retinentem praesidiariam manum. (29) quod sane extortum, cum neque Gallieni flagitia, dum urbes erunt, occultari queant, et, quisque pessimus erit, par similisque semper ipsi habebitur. (30) adeo principes aut optimi mortalium vitae decore quam quaesitis nominibus atque compositis, quantum coniciatur, caelum adeunt seu fama hominum dei celebrantur modo. (31) at senatus comperto tali exitio satellites propinquosque per scalas Gemonias praeceps agendos decrevit; patronoque fisci in curiam perducto effossos oculos pependisse satis constat, cum irruens vulgus pari clamore Terram matrem, deos quoque inferos precaretur, sedes impias uti Gallieno darent. (32) ac ni Claudius confestim recepta Mediolani urbe tamquam postulato exercitus parcendum, qui forte eorum supererant, praecepisset, nobilitas plebesque atrocius grassarentur. (33) et patres quidem praeter commune Romani orbis malum stimulabant proprii ordinis contumelia, (34) quia primus ipse metu socordiae suae,

1 vocaverit P | oppressis Maehly 3 ni P : in O 4 frustrati sunt O 5 nequaquam Mommsen : nequamquam O : ne cuiquam P : nequiquam Schott | pateretur OPa.c. 11 neque P : net O 12 flagitia O : exitia al’flagicia P | erant P 13 aut O : atque P 15 coniciatur OP : conicitur Schott : conici datur Heraeus | se O 17 patronique Dacier 18 perducto Olivarius : perduci OP : perducti Dacier 20 at O | ni Pichlmayr : nisi OP 23 malum orbis P | stimulabat Schott

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gesetzt hat, die zum Schaden der Allgemeinheit Besiegten als eine Tyrannis, die beseitigt worden ist, bezeichnet. (25) Einige werden mit gleicher Willkür sogar zu den Himmlischen gezählt, obwohl sie kaum eines Leichenbegängnisses würdig sind. (26) Wenn ihnen die Wahrheit der Geschichtsschreibung nicht entgegengestanden hätte – die weder zulässt, dass die Anständigen um den Lohn des Andenkens betrogen werden, noch dass den Schurken ewiger und ehrenvoller Ruhm zuteil wird – würde keine Tugendhaftigkeit angestrebt werden, da jene wahre und einzigartige Auszeichnung gerade den Schlechtesten umsonst zufiele und den Guten schändlicherweise vorenthalten würde. (27) Den Gallienus erklärten schließlich die Senatoren, von Claudius dazu genötigt, weil er durch dessen Entscheidung die Herrschaft erhalten hatte, zum Vergöttlichten. (28) Denn als er am Herausfließen des Blutes aus seiner so schweren Wunde begriff, dass ihm der Tod bevorstand, sprach er die Kaiserinsignien Claudius zu, der im Amt des Militärtribuns in Ticinum die Garnisonstruppe befehligte. (29) Dies war (sc. dem Senat) gewiss abgenötigt worden, denn die Schandtaten des Gallienus werden sich, solange es noch auf Erden Städte gibt, nicht verheimlichen lassen und gerade die schlimmsten Gestalten werden stets für seinesgleichen gehalten und mit ihm identifiziert werden. (30) Ja, die Kaiser und die besten Sterblichen kommen, soweit man schließen kann, durch Anstand im Leben statt durch angeeignete und erfundene Titel in den Himmel und werden im Gespräch unter den Menschen wie Götter gefeiert. (31) Aber nachdem der Senat von einem solch schlimmen Ende (sc. des Gallienus) erfahren hatte, beschloss er, dessen Anhänger und Verwandte kopfüber die Gemonische Treppe hinabzustoßen; und es steht zur Genüge fest, dass einem Rechtsvertreter des Fiskus, der in die Kurie geführt worden war, die ausgestochenen Augen herabhingen, während die hineinstür laut Mutter Erde und auch die Unterweltsgötter anflehte, sie mögen dem Gallienus die Wohnsitze der Verdammten anweisen. (32) Und hätte nicht Claudius sogleich nach Rückeroberung der Stadt Mailand gleichsam auf Verlangen des Heeres befohlen, dass diejenigen, die zufällig noch übrig waren, zu verschonen seien, hätten Senat und Volk noch brutaler gewütet. (33) Abgesehen vom allgemeinen Missstand in der römischen Welt stachelte die Senatoren gewiss auch der Affront gegen ihren eigenen Stand an, (34) weil Gallienus, der wegen seiner Trägheit befürchtete, dass die Befehlsgewalt in die Hände der besten

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ne imperium ad optimos nobilium transferretur, senatum militia vetuit et adire exercitum. (35) huic novem annorum potentia fuit. 34. (1) sed Claudii imperium milites, quos fere contra ingenium perditae res subigunt recta consulere, ubi afflicta omnia perspexere, avide 5 approbant extolluntque, viri laborum patientis aequique ac prorsus dediti rei publicae, (2) quippe ut longo intervallo Deciorum morem renovaverit. (3) nam cum pellere Gothos cuperet, quos diuturnitas nimis validos ac prope incolas effecerat, proditum ex libris Sibyllinis est primum ordinis amplissimi victoriae vovendum. (4) cumque is, qui esse videba10 tur, semet obtulisset, sibi potius id muneris competere ostendit, qui revera senatus atque omnium princeps erat. (5) ita nullo exercitus detrimento fusi barbari summotique, postquam imperator vitam rei publicae dono dedit. (6) adeo bonis salus civium ac longa sui memoria cariora sunt. quae non gloriae modo, verum etiam ratione quadam posterorum 15 felicitati proficiunt. (7) hoc siquidem Constantius et Constantinus atque imperatores nostri ⟨ ⟩ corporisque acceptior militibus praemiorum spe seu lasciviae. (8) quo aegra asperiorque victoria fuit, dum, uti mos subditis est, studio impune peccandi remissa imperia promptius quam utilia defendunt.

35. (1) ceterum Aurelianus successu ta quasi belli reliquiae superessent, in Persas progressus est. (2) quis deletis Italiam repetivit, cuius urbes Alamannorum vexationibus affligebantur. (3) simul Germanis Gallia demotis Tetrici, de quo supra (c. 33,14) memoravimus, caesae legiones proditore ipso duce. (4) namque 25 Tetricus, cum Faustini praesidis dolo corruptis militibus plerumque

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2 et O : etiam P 4 subigunt Schott : subiungunt OP 5 sq. deditique P 7 cupuret O 11 princeps om. O | nulla O 16 nostri corporisque O hic videtur defectus in exemplari in marg. ab alt. man. addito : nostri +corporisque P 18 erat P 21 quamvis Damsté 23 dimotis O 24 proditore Schott : prodite O : prodito P | nam P

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Adeligen gelange, als erster dem Senatorenstand den Militärdienst und den Kontakt zum Heer untersagte. (35) Seine Herrschaft dauerte neun Jahre. 34. (1) Die Herrschaft des Claudius aber haben die Soldaten, die erst eine heillose Situation beinahe gegen ihr Naturell nötigt, das Richtige zu beschließen, begeistert angenommen und gepriesen, sobald sie eingesehen hatten, dass alles arg mitgenommen war; er war ein Mann, der Mühen ertrug, gerecht und dem Staat ganz ergeben war, (2) da er ja wie nach einer langen Unterbrechung das Gebaren der Decii wieder aufleben ließ. (3) Als er nämlich die Goten vertreiben wollte, die ihre langjährige Präsenz allzu mächtig und fast zu Einwohnern gemacht hatte, entnahm man den Sibyllinischen Büchern, dass für den Sieg der erste Mann des höchsten Standes geopfert werden müsse. (4) Nachdem derjenige, der gemeint zu sein schien, sich angeboten hatte, erklärte Claudius, dass diese Bestimmung vielmehr ihm selbst zukomme, der in Wahrheit der Erste im Senat und unter allen Menschen war. (5) So wurden ohne Verluste im Heer die Barbaren geschlagen und vertrieben, nachdem der Kaiser sein Leben dem Staat dargebracht hatte. (6) So sehr liegt den Gutgesinnten mehr am Wohlergehen der Bürger und am langen Andenken ihrer selbst. Beides nützt nicht nur ihrem Ruhm, sondern in gewisser Hinsicht auch dem Erfolg ihrer Nachkommen. (7) Wenn dies Constantius und Konstantin sowie unsere Kaiser (d. h. Constantius II. und Julian) ⟨ ⟩ und des Körpers war bei den Soldaten hoch willkommen aus Hoffnung auf Belohnungen oder Ausschweifungen. (8) Dadurch war der Sieg traurig und eher bitter, weil, wie es bei Untergebenen üblich ist, sie aus dem Bestreben, ungestraft gegen Regeln zu verstoßen, ein nachlässiges Regime bereitwilliger verteidigen als ein zweckdienliches. 35. (1) Im Übrigen marschierte Aurelian folg umso energischer, unverzüglich, als wären nur noch die Reste des Krieges übrig, gegen die Perser los. (2) Nachdem diese vernichtet waren, kehrte er zurück nach Italien, dessen Städte von Übergriffen der Alamannen heimgesucht wurden. (3) Zugleich wurden nach der Vertreibung der Germanen aus Gallien die Legionen des Tetricus, den wir oben (c. 33,14) erwähnt haben, niedergemacht, wobei ausgerechnet ihr Heerführer zu ihrem Verräter wurde. (4) Denn Tetricus hatte, da er von den durch die Hinterlist des Statthalters Faustinus bestochenen Soldaten wiederholt angegriffen worden war, brieflich um Aurelians Schutz ge-

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peteretur, Aureliani per litteras praesidium imploraverat eique adventanti producta ad speciem acie inter pugnam se dedit. (5) ita, uti rectore nullo solet, turbati ordines oppressi sunt, ipse post celsum biennii imperium in triumphum ductus Lucaniae correcturam filioque veniam atque honorem senatorum cooptavit. (6) neque secus intra urbem monetae opifices deleti, qui, cum auctore Felicissimo rationali nummariam notam corrosissent, poenae metu bellum fecerant usque eo grave, uti per Caelium montem congressi septem fere bellatorum milia confecerint. (7) his tot tantisque prospere gestis fanum Soli magnificum Romae constituit donariis ornans opulentis, ac ne unquam, quae per Gallienum evenerant, acciderent, muris urbem quam validissimis laxiore ambitu circumsaepsit. simulque usus porcinae carnis, quo plebi Romanae affatim cederet, prudenter munificeque prospectavit deletaeque fiscales et quadruplatorum, quae urbem miserabiliter affecerant, calumniae consumptis igni tabulis monumentisque huiuscemodi negotiorum atque ad Graeciae morem decreta abolitione; inter quae avaritiam, peculatum provinciarumque praedatores contra morem militarium, quorum e numero erat, immane quantum sectabatur. (8) qua causa ministri scelere, cui secretorum officium crediderat, circumventus apud Caenofrurium interiit, cum ille praedae conscientia delictique scripta callide composita tribunis quasi per gratiam prodidisset, quibus interfici iubebantur. illique eo metu accensi facinus patravere. (9) interea milites amisso principe legatos statim Romam destinant, uti suopte arbitratu patres imperatorem deligerent. (10) quibus hoc ipsorum potissimum convenire munus respondentibus rursum legiones ad eos reiciunt. (11) ita utrimque pudore ac modestia

2 ut O 4 imperii P 5 cooptavit OP : ab eo obtinuit Opitz | inter O 6 autore O 7 poenae Schott : pene OP 8 per Caelium P : percelum O | milia bellatorum P 9 propere O | ante Soli transpos. Romae P 10 Romae om. Oa.c. | epulentis O 14 delecteque O 16 huiusmodi O | gratiae P 17 inter quae Schott : interque OP avariciae P | provinciarum P 18 sectabatur OPp.c. : spectabatur Pa.c. : suspectabatur Gruter : perspectabatur Opitz 20 apud P : ad O | praedae OP : pretii vel praemii Klotz 23 omisso P 24 suapte O | arbitratu OP : ingenio Dufraigne | delegerent O 25 convenire dub. del. Schott

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fleht und, als dieser herangenaht war, ergab er sich ihm im Verlaufe des Kampfes, nachdem er sein Heer zum Schein ins Gefecht geführt hatte. (5) So wurden, wie es ohne einen Befehlshaber zu geschehen pflegt, die in Unordnung geratenen Reihen besiegt. Er selbst wurde nach zwei Jahren im Besitz der höchsten Befehlsgewalt im Triumph mitgeführt und verlangte dann die Stellung eines Correctors über Lucanien und für seinen Sohn die Begnadigung und Senatorenwürde. (6) Auf gleiche Weise wurden in der Stadt Rom die Arbeiter der Münze vernichtet, die aus Furcht vor Strafe, weil sie auf Anstiften des Rationalis Felicissimus die Münzprägung beeinträchtigt hatten, einen so heftigen Krieg führten, dass sie beim Caeliushügel im Kampf zusammenstießen und etwa siebentausend Soldaten töteten. (7) Nach diesen so vielen und erfolgreichen Taten stiftete Aurelian in Rom ein prächtiges Heiligtum dem Sol, das er mit üppigen Weihgeschenken ausstattete, und damit niemals sich wieder ereignete, was unter Gallienus geschehen war, umgab er die Stadt in einem weiteren Umfang mit den denkbar stärksten Mauern. Zugleich sorgte er weitsichtig und spendabel für die Bereitstellung von Schweinefleisch, damit es der stadtrömischen Plebs reichlich zur Verfügung stand; auch die falschen Anklagen in Steuerangelegenheiten und die der Denunzianten, die die Stadt arg in Mitleidenschaft gezogen hatten, wurden abgeschafft, indem die Schuldbücher und Dokumente von derartigen Geschäften vom Feuer verzehrt und nach griechischer Manier deren Tilgung verordnet worden war; gleichzeitig verfolgte er im Gegensatz zur Gewohnheit der Militärs, zu denen er zählte, Habgier, Unterschlagung und die Ausbeuter der Provinzen ungeheuer rigoros. (8) Daher wurde er infolge eines Verbrechens eines Untergebenen, dem er die Obliegenheit des Geheimschreibers anvertraut hatte, hintergangen und kam in Caenofrurium zu Tode, als jener im Bewusstsein seines Raubes und Vergehens den Militärtribune Schriftstücke zeigte, die er raffiniert verfasst hatte und in denen der Befehl geschrieben stand, dass diese zu töten seien. Aus Furcht davor begingen sie das Verbrechen. (9) Unterdessen schickten die Soldaten unmittelbar nach dem Verlust des Kaisers Gesandte nach Rom, damit die Senatoren einen Kaiser nach ihrem Ermessen auswählten. (10) Als die Senatoren antworteten, dass diese Aufgabe am ehesten jenen selbst zukomme, wiesen die Legionen die Sache erneut an sie zurück. (11) So wurde auf beiden Seiten in Zurückhaltung und Bescheidenheit gewetteifert, eine seltene Tugend unter den Menschen, zumal in solchen Ange-

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certabatur, rara in hominibus virtute, rebus praesertim huiuscemodi, ac prope ignota militibus. (12) tantum ille vir severitate atque incorruptis artibus potuit, ut eius necis auctoribus exitio, pravis metui simulque dubiis, optimo cuique desiderio, nemini insolentiae aut ostentationi 5 esset, atque etiam soli quasi Romulo interregni species obvenit, longe vero gloriosior. (13) quod factum praecipue edocuit cuncta in se orbis modo verti nihilque accidere, quod rursum naturae vis ferre nequeat aevi spatio, (14) adhuc virtutibus principum res attolli facile vel afflictas easque firmiores praeceps vitiis dari.

36. (1) igitur tandem senatus mense circiter post Aureliani interitum sexto Tacitum, e consularibus mitem sane virum, imperatorem creat, cunctis fere laetioribus, quod militari ferocia legendi ius principis proceres recepissent. (2) quae tamen laetitia brevis neque exitu tolerabili fuit. namque Tacito confestim a ducentesima regni luce Tyanae mortuo, 15 cum tamen prius auctores Aureliani necis maximeque Mucaporem ducem, quod ipsius ictu occiderat, excruciavisset, Florianus, eiusdem frater, nullo senatus seu militum consulto imperium invaserat.

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37. (1) qui uno mense aut altero vix retentata dominatione apud Tarsum ab suis interficitur, (2) postquam Probum in Illyrico factum acce20 pere, ingenti belli scientia exercitandisque varie militibus ac duranda iuventute prope Hannibalem alterum. (3) namque ut ille oleis Africae pleraque per legiones, quarum otium rei 1 decertabatur Pa.c. | huiuscemodi O : hnioi P 3 post eius add. exitus Walter | necis ut vid. : neces Op.c.P | post necis add. nuntius Freudenberg | autoribus O | simulque D’Elia : simulata OP : simul ac Dufraigne : simul et Schott : stimulo Arntzen : simulatu (i. e. simulatui) Pichlmayr : stimulatu (i. e. stimulatui) Walter : firmitati Maehly : simulque simulationi Freudenberg 5 quasi soli O | species P : septies Oa.c. : sp ties Op.c. 6 vere O | docuit Schott | se om. P 7 nequeat Schott : neque OP 10 mense om. Oa.c. 12 militari ferocia OP : a militari ferocia Arntzen : a mitiore ferocia Walter : an militari ferocia lenita? 13 tolerabilis Oa.c. 15 autores O 16 iptu O 19 a O | illyricum P 20 ingentem O 21 ut ille Pp.c. : utile OPa.c. | oleis Schott : olei OP 22 ductoribus Schott : doctoribus OP Oa.c.,

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legenheiten, und den Soldaten nahezu unbekannt. (12) So viel vermochte jener Mann durch seine Strenge und tadelloses Verhalten, dass er den Urhebern seiner Ermordung den Tod brachte, den Schlechten und zugleich den Zauderern Furcht bereitete, die Besten mit Sehnsucht erfüllte, niemanden zu Übermut oder Prahlerei verleitete, und wie allein unter Romulus trat sogar eine Art Interregnum ein, aber ein weitaus grandioseres. (13) Dieses Ereignis hat besonders deutlich gezeigt, dass alles wie in der Art einer Kreisbahn zu sich selbst zurückkehrt und dass nichts geschieht, das die Kraft der Natur im Laufe der Zeit nicht wieder hervorbringen kann, (14) ferner, dass selbst ungünstige Situationen durch die Stärken der Kaiser leicht behoben, und sind sie noch so stabil, durch deren Schwächen ins Verderben gestürzt werden. 36. (1) Zu guter Letzt also wählte der Senat ungefähr im sechsten Monat nach Aurelians Tod Tacitus, einen ganz sanften Mann aus dem Kreis der Konsulare zum Kaiser, wobei fast alle froh darüber waren, weil die Senatoren das Recht auf die Kaiserernennung vom übermütigen Heer zurückgewonnen hatten. (2) Gleichwohl währte die Freude nur kurz und nahm kein leidliches Ende. Denn nachdem Tacitus alsbald, nach dem zweihundertsten Tag seiner Herrschaft, plötzlich in Tyana gestorben war – er hatte immerhin zuvor die an Aurelians Tod Schuldigen und besonders ihren Anführer Mucapor, weil jener durch seinen Hieb umgekommen war, qualvoll hingerichtet –, übernahm sein Bruder Florian ohne Beschluss des Senats noch der Soldaten die Herrschaft. 37. (1) Nachdem er sich mit Mühe einen oder zwei Monate an der Macht gehalten hatte, wurde er in Tarsos von seinen Leuten umgebracht, (2) als sie vernahmen, dass Probus in Illyricum zum Kaiser erhoben worden war, der durch sein ungeheures Wissen in der Kriegskunst, durch sein vielfältiges Soldatentraini mannschaft nahezu ein zweiter Hannibal war. (3) Denn wie jener weite Teile Africas durch die Truppeneinheiten, deren Müßiggang er für den Staat sowie die Heerführer als gefährlich erachtete, mit Olivenbäumen bepflanzen ließ, so hat dieser auf dieselbe Weise Gallien und Pannonien und die Hügel Moesiens mit Weingärten bestücken lassen, nachdem er die Barbarenvölker vollkommen aufgerieben hatte, die hereingebrochen waren, als unsere Kaiser durch die Freveltat ihrer eigenen Leute umgebracht worden waren. Zur gleichen Zeit wurden Saturninus im Orient und in Köln Bonosus ⟨ ⟩ mit dem (?) Heer getötet. Denn beide hatten

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suspectum rebatur, eodem modo hic Galliam Pannoniasque et Moesorum colles vinetis replevit, postea sane quam barbarorum attritae gentes sunt, quae nostris principibus suorum scelere interfectis irruperant, simul caesis Saturnino per Orientem, Agrippinae Bonoso ⟨ ⟩ exercitu. 5 nam utrique dominatum tentaverant sumpta, cui duces praeerant, manu. qua causa receptis omnibus pacatisque dixisse proditur brevi milites frustra fore. (4) hinc denique magis irritati paulo cis sextum annum apud Sirmium trucidavere, cum ad siccandam lacunis ac fossa urbem ipsi patriam adigerentur, quae palustri solo hiemalibus aquis corrumpi10 tur. (5) abhinc militaris potentia convaluit ac senatui imperium creandique ius principis ereptum ad nostram memoriam, incertum, an ipso cupiente per desidiam an metu seu dissensionum odio. (6) quippe amissa Gallieni edicto refici militia potuit concedentibus modeste legionibus Tacito regnante, neque Florianus temere invasisset aut iudicio manipu15 larium cuiquam, bono licet, imperium daretur amplissimo ac tanto ordine in castris degente. (7) verum dum oblectantur otio simulque divitiis pavent, quarum usum affluentiamque aeternitate maius putant, munivere militaribus et paene barbaris viam in se ac posteros dominandi.

38. (1) igitur Carus praefectura pollens praetorii Augusto habitu 20 induitur liberis Caesaribus Carino Numerianoque. (2) et quoniam cognita Probi morte barbarorum quique opportune invaserant, misso ad munimentum Galliae maiore filio Numeriani comitatu in Mesopotamiam protinus pergit, quod ea Per subest. (3) ubi fusis hostibus, dum gloriae inconsulte avidior 25 Ctesiphonta urbem Parthiae inclitam transgreditur, fulminis tactu conflagravit. (4) id quidam iure ei accidisse referunt. nam cum oracula docuissent adusque oppidum memoratum perveniri victoria licere, 4 post Bonoso lacunam statuit Dufraigne : add. cum Gruner, Proculoque cum Syme, pulso dub. Dufraigne 7 fore O : fieri al’fore P 9 patrem Oa.c. 10 at O 11 eius O 12 amisso P 14 sq. manipularum O 17 magis Schott 19 post Carus add. creatus Freudenberg | praetorio Opitz 21 opportuna Schott 23 pergit protinus P 25 Ctesiphonta Schott : thesiphonta OP 27 perveni O

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nach Vereinnahmung der Truppe, der sie jeweils als Befehlshaber vorstanden, nach der Herrschaft gestrebt. Deshalb soll Probus, nachdem alles zurückgewonnen und befriedet worden war, gesagt haben, dass in Kürze die Soldaten überflüssig sein würden. (4) Dadurch umso mehr erzürnt, metzelten sie ihn schließlich kurz vor Ablauf seines sechsten Herrschaftsjahr in Sirmium nieder, als sie zu ihr, seiner Heimatstadt, herangeführt wurden, um sie, die wegen ihres morastigen Bodens im Winter durch Niederschläge in Mitleidenschaft gezogen wird, durch Sammelbecken und einen Kanal trockenzulegen. (5) Seither nahm die Macht des Militärs zu und bis heute ist dem Senat die Herrschaft und das Recht, den Kaiser zu bestimmen, entzogen, wobei unklar ist, ob er selbst es aus Bequemlichkeit so wollte oder ob aus Angst oder Abneigung gegen Konflikte. (6) Freilich hätte der durch das Edikt des Gallienus verloren gegangene Militärdienst wiedereingerichtet werden können, als die Legionen sich unter der Herrschaft des Tacitus gehorsam fügten. Weder hätte Florian sich einfach so emporschwingen können, noch würde irgendwem, mag er noch so tüchtig sein, die Herrschaft durch eine Entscheidung der gemeinen Soldaten übertragen, wenn Vertreter des höchsten und bedeutendsten Standes im Lager lebten. (7) Aber indem sie sich der Muße erfreuten und gleichzeitig um ihre Reichtümer bangten, deren Genuss und Fülle sie höher schätzten als die eigene Verewigung, bahnten sie den Soldaten und beinahe den Barbaren den Weg dazu, über sie selbst und ihre Nachkommen zu herrschen. 38. (1) So wurde Carus, der aufgrund seiner Prätorianerpräfektur mächtig war, mit der kaiserlichen Tracht bekleidet, wobei seine Söhne Carinus und Numerian zu Caesares erhoben wurden. (2) Da nach Bekanntwerden von Probus’ Tod alle möglichen Barbaren die Gelegenheit genutzt hatten, um einzufallen, entsandte Sicherung Galliens, und er selbst brach in Begleitung von Numerian sofort nach Mesopotamien auf, weil es einem fast alljährlichen Krieg mit den Persern ausgesetzt ist. (3) Nachdem dort die Feinde geschlagen worden waren, wurde er, als er gedankenlos in seiner Ruhmsucht über Ktesiphon, die berühmte Stadt Parthiens, hinaus vordrang, durch einen Blitzschlag verbrannt. (4) Dies, berichten einige, sei ihm zu Recht zugestoßen. Denn obwohl ihn Orakel belehrt hatten, dass es erlaubt sei, siegreich bis zu besagter Stadt vorzudringen, erlitt er seine Strafe, weil er sich hatte weiter fortreißen lassen. (5) Es ist demnach schwierig, das

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longius delatus poenas luit. (5) proinde arduum fatalia devertere eoque futuri notio superflua. (6) at Numerianus amisso patre simul confectum aestimans bellum, cum exercitum reductaret, Apri praefecti praetorio soceri insidiis exstinguitur. (7) quis casum detulit adolescentis oculorum 5 dolor. (8) denique diu facinus occultatum, dum clausum lectica cadaver specie aegr⟨i, n⟩e vento obtunderetur acies, gestabatur.

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39. (1) sed postquam odore tabescentium membrorum scelus proditum est, ducum consilio tribunorumque Valerius Diocletianus domesticos regens ob sapientiam deligitur, magnus vir, his moribus tamen, (2) quippe qui primus ex auro veste quaesita serici ac purpurae gemmarumque vim plantis concupiverit. (3) quae quamquam plus quam civilia tumidique et affluentis animi, levia tamen prae ceteris. (4) namque se primus omnium Caligulam post Domitianumque dominum palam dici passus et adorari se appellarique uti deum. (5) quis rebus, quantum ingenium est, compertum habeo humillimos quosque, maxime ubi alta accesserint, superbia atque ambitione immodicos esse. (6) hinc Marius patrum memoria, hinc iste nostra communem habitum supergressi, dum animus potentiae expers tamquam inedia refecti insatiabilis est. (7) quo mihi mirum videtur nobilitati plerosque superbiam dare, quae gentis patriciae memor molestiarum, quis agitatur, remedio eminere paululum plu⟨s iu⟩ris habet. (8) verum haec in Valerio obducta ceteris bonis. eoque ipso, quod dominum dici passus, parentem egit. satisque constat prudentem virum edocere voluisse atrocitatem rerum magis quam nominum officere. (9) interim Carinus eorum, quae acciderant, certior spe facilius erumpentes motus sedatum iri Illyricum propere Italiae circuitu

1 lugit O | devertere P : diὐter O 2 superflua Schott : perflua OP | numerarius P 3 Apri Schott : apri O : a P 6 aegr⟨i, n⟩e Schott : egre OP 7 honore O 9 diligitur O 10 post purpurae add. usum contempserit Shackleton Bailey 11 planctis O | conculcaverit Shackleton Bailey 11 sq. tumidi O 13 prius O 16 in modicos O 18 media O 19 post nobilitati add. vitio Courtney | qua egentis OP : dist. Schott 21 plu⟨s iu⟩ris Scardino : pluris OP : iuris Maehly 23 docere O 23 sq. nomen O 24 efficere P 25 erumpentes Schott : erumpentis OP | metus P

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Schicksal abzuwenden, und deshalb ist auch die Kenntnis der Zukunft überflüssig. (6) Hingegen wurde Numerian, der mit dem Verlust des Vaters zugleich den Krieg für beendet hielt, als er das Heer zurückführte, von dem Prätorianerpräfekten Aper, seinem Schwiegervater, hinterhältig beseitigt. (7) Die Gelegenheit hierzu bot ein Augenleiden des jungen Mannes. (8) Die Untat blieb dann lange verborgen, da die Leiche unter dem Vorwand, dass die Sehkraft des Kranken nicht durch Luftzug beeinträchtigt werden sollte, verschlossen in einer Sänfte getragen wurde. 39. (1) Aber nachdem das Verbrechen durch den Gestank der verwesenden Körperteile aufgedeckt worden war, wurde durch einen Beschluss der Generäle und Militärtribunen Valerius Diocletian, der die Domestici leitete, wegen seiner Klugheit ausgewählt, ein bedeutender Mann, aber von folgender Wesensart: (2) Er beanspruchte nämlich als erster ein Gewand aus Gold und begehrte eine Menge an Seide, Purpur und Edelsteine für seine Schuhe. (3) Obwohl diese Dinge, die über das bürgerliche Maß hinausgehen, von seinem aufgeblasenen und protzenden Wesen zeugen, sind sie noch harmlos gemessen an dem Übrigen. (4) Denn als erster von allen nach Caligula und Domitian ließ er sich öffentlich ‚Herr‘ nennen und fußfällig verehren und benennen wie ein Gott. (5) Daraus ersehe ich, soweit es mein Auffassungsvermögen zulässt, dass gerade die Niedrigsten, vor allem sobald sie eine hohe Stellung erklommen haben, in ihrer Arroganz und ihrem Ehrgeiz maßlos werden: (6) Daher ist Marius in der Zeit der Vorväter, daher ist dieser (d. h. Diocletian) in der unsrigen über das gewöhnliche Verhalten hinausgegangen, weil eine Menschenseele, die der Macht entbehrt hat, so unersättlich ist wie jemand, der nach einem Hungerleiden erquickt wird. (7) Deshalb erscheint es mir verwunderlich, dass viele dem Senatsadel Arroganz vorwerfen, der einged stammung als Ausgleich für die Beschwerlichkeiten, denen er ausgesetzt ist, mehr ⟨Recht⟩ hat, sich ein kleinwenig hervorzutun. (8) Aber diese Eigenheiten an Valerius wurden durch seine übrigen Qualitäten überdeckt. Gerade dadurch, dass er sich ‚Herr‘ nennen ließ, verhielt er sich wie ein Vater. Es ist auch zur Genüge bekannt, dass dieser kluge Mann demonstrieren wollte, dass vielmehr die Schrecklichkeit der Taten als die der Namen abträglich ist. (9) Inzwischen über das, was geschehen war, in Kenntnis gesetzt, zog Carinus in der Hoffnung, die ausbrechenden Rebellionen relativ leicht unterdrücken zu können, eilig

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petit. (10) ibi Iulianum pulsa eius acie obtruncat. namque is cum Venetos correctura ageret, Cari morte cognita imperium avens eripere adventanti hosti obviam processerat. (11) at Carinus ubi Moesiam contigit, ilico Margum iuxta Diocletiano congressus, dum victos avide premeret, suorum ictu interiit, quod libidine impatiens militarium multas affectabat, quarum infestiores viri iram tamen doloremque in eventum belli distulerant. (12) quo prosperius cedente metu, ne huiuscemodi ingenium magis magisque victoria insolesceret, sese ulti sunt. is finis Caro liberisque, Narbone patria, imperium biennii fuere. (13) igitur Valerius prima ad exercitum contione cum educto gladio solem intuens obtestaretur ignarum cladis Numeriani neque imperii cupientem se fuisse, Aprum proxime astantem ictu transegit, cuius dolo, uti supra (c. 38,6) docuimus, adolescens bonus facundusque et gener occiderat. (14) ceteris venia data retentique hostium fere omnes ac maxime vir insignis nomine Aristobulus praefectus praetorio per officia sua. (15) quae res post memoriam humani nova atque inopinabilis fuit, civili bello fortunis, fama, dignitate spoliatum neminem, cum pie admodum mansueteque geri laetemur exilio, proscriptioni atque etiam suppliciis et caedibus modum fieri. (16) quid ea memorem, ascivisse consortio multos externosque tuendi prolatandive gratia iuris Romani? (17) namque ubi comperit Carini discessu Aelianum Amandumque per Galliam excita manu agrestium ac latronum, quos Bagaudas incolae vocant, populatis late agris plerasque urbium temptare, statim Maximianum fidum amicitia quamquam semiagrestem, militiae tamen atque ingenio bonum imperatorem iubet. (18) huic postea cultu numinis

1 libi P 2 correctura Schott : correptura OP 3 processit P | Moesiam Dacier : mesam O : maesam P 4 Margum Dacier : Marcum OP : Murgum Schott 5 libidinis dub. Schott | impotens dub. Damsté | multas O : mulctas P : nuptias vel mulieres Schott an ⟨mulieres⟩ multas? 5 sq. affectabat Schott : affectabant OP : assectabatur dub. Schott 9 imperio Pichlmayr | fuere mirum : fecere Walter : an ante fuere lacuna statuenda? 10 contione Schott : conditione OP 14 vetentique O | hostium del. Shackleton Bailey 15 Aristobulus Schott : aristobolus OP 16 humani P : humanum O : humanam Schott : humani ⟨generis⟩ Opitz 21 Aelianum Dacier : helianum OP 22 Bagaudas Schott : bagauda OP 23 sq. Maximianum statim P 24 an militia?

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nach Illyricum mit einem Bogen durch Italien. (10) Dort metzelte er Iulianus nieder, nachdem er dessen Heer geschlagen hatte. Dieser war nämlich, als er die Statthalterschaft von Venetia bekleidete, auf die Kunde von Carus’ Tod dem herannahenden Feind entgegengezogen, weil er darauf erpicht war, ihm die Herrschaft zu entreißen. (11) Sobald Carinus aber nach Moesien gelangte, stieß er bei Margum umgehend mit Diocletian im Kampf zusammen. Als er eifrig den Besiegten nachsetzte, wurde er durch einen Hieb von seinen Leuten getötet, weil er wegen seiner ungezügelten Wollust zahlreichen Frauen der Soldaten nachzustellen pflegte. Deren aufgebrachte Männer hatten dennoch ihren Zorn und Schmerz bis zum Ausgang des Krieges zurückgehalten. (12) Als dieser erfolgreich verlief, nahmen sie aus Furcht, dass einer von derartigem Charakter durch den Sieg zunehmend übermütig würde, Rache. Dies war das Ende des Carus und seiner Söhne. Narbonne war ihre Heimatstadt; sie besaßen die Herrschaft zwei Jahre lang. (13) Als folglich Valerius in der ersten Heeresversammlung mit gezücktem Schwert zur Sonne blickend dem Heer versicherte, dass er weder Kunde von Numerians Ende gehabt noch dass er nach der Herrschaft begehrt hätte, durchbohrte er mit einem Stoß den ganz in der Nähe stehenden Aper. Durch dessen Heimtücke war, wie wir oben (c. 38,6) dargelegt haben, der vortreffliche sowie redegewandte junge Mann und Schwiegersohn getötet worden. (14) Den Übrigen wurde Gnade gewährt und fast alle Gegner, vor allem der Prätorianerpräfekt, ein ausgezeichneter Mann namens Aristobulus, wurden auf ihren Posten belassen. (15) Dies war seit Menschengedenken beispiellos und unerwartet: dass in einem Bürgerkrieg niemand seines Vermögens, seines Rufes, seiner Amtswürde beraubt wurde, während wir uns sonst schon freuen, dass sehr pflichtbewusst und milde zu handeln sich darin zeigt, dass der Verbannung, der Ächtung und auch den Hinrichtun Grenze gesetzt wird. (16) Wozu soll ich noch erwähnen, dass er viele und Auswärtige als Mitregenten hinzugezogen hat, um das römische Recht zu schützen und zu verbreiten? (17) Denn sobald er erfuhr, dass mit Carinus’ Abmarsch Aelianus und Amandus in Gallien samt einer aus Bauern und Räubern aufgebotenen Schar, welche die Einheimischen ‚Bagauden‘ nennen, viele Städte bedrohten, nachdem sie weit und breit die Felder verwüstet hatten, erklärte er unverzüglich den ihm in Freundschaft verbundenen Maximianus, der zwar halbbäurisch, aber im Kriegsdienst tüchtig und in seinem Wesen gut war, zum Kaiser. (18)

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Herculio cognomentum accessit, uti Valerio Iovium. unde etiam militaribus auxiliis longe in exercitum praestantibus nomen impositum. (19) sed Herculius in Galliam profectus fusis hostibus aut acceptis quieta omnia brevi patraverat. (20) quo bello Carausius, Menapiae civis, factis promptioribus enituit. eoque eum, simul quia gubernandi (quo officio adolescentiam mercede exercuerat) gnarus habebatur, parandae classi ac propulsandis Germanis maria infestantibus praefecere. (21) hoc elatior, cum barbarorum multos opprimeret neque praedae omnia in aerarium referret, Herculii metu, a quo se caedi iussum compererat, Britanniam hausto imperio capessivit. (22) eodem tempore Orientem Persae, Africam Iulianus ac nationes Quinquegentanae graviter quatiebant. (23) adhuc apud Aegypti Alexandriam Achilleus nomine dominationis insignia induerat. (24) his de causis Iulium Constantium, Galerium Maximianum, cui cognomen Armentario erat, creatos Caesares in affinitatem vocant. (25) prior Herculii privignam, alter Diocletiano editam sortiuntur diremptis prioribus coniugiis, ut in Nerone Tiberio ac Iulia filia Augustus quondam fecerat. (26) his sane omnibus Illyricum patria fuit, qui, quamquam humanitatis parum, ruris tamen ac militiae miseriis imbuti satis optimi rei publicae fuere. (27) quare constat sanctos prudentesque sensu mali promptius fieri contraque expertes aerumnarum, dum opibus suis cunctos aestimant, minus consulere. (28) sed horum concordia maxime edocuit virtuti ingenium usumque bonae militiae, quanta his Aureliani Probique instituto fuit, paene sat esse. (29) denique Valerium ut parentem seu dei magni suspiciebant modo. quod quale quantumque sit, ab urbis conditione ad nostram aetatem propinquorum facinoribus patefactum est. (30) et quo-

1 Herculio O : Herculei P : Herculii D’Elia 2 in OP : inter Opitz 4 Menapiae mirum : Monapiae Janssens | civitatis Freudenberg 8 cum OP : quia Gruter barbarorum vel non parum Schott : barum OP : barbarorum parum Gruter : paronum Arntzen : cumbarum Damsté : barbarum Pichlmayr | multas Damsté 9 errarium O | se caedi Schott : secedi O : caedi P 11 Quinquegentianae vel Quinquegentaneae Festy 14 galierum O | maximanum O 15 herculei O 16 direptis O 18 humanitate Freudenberg | post humanitatis add. artibus Opitz | post parum add. habuere Dacier iuris Sylburg 19 miseriis OP : infulis dub. Gruter : ministeriis Sylburg : mysteriis Damsté 22 horum om. Oa.c. | maxime concordia O 23 instituto Schott : institutio OP : institutione dub. Schott 25 conditore P

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Später erhielt dieser den Beinamen ‚Herculius‘ aufgrund seiner Verehrung dieser Gottheit, wie Valerius den Beinamen ‚Iovius‘. Hiernach wurde der Name auch den Hilfstruppen, die im Heer weit herausragten, beigelegt. (19) Nachdem Herculius aber nach Gallien aufgebrochen war, schlug er die Feinde oder nahm ihre Unterwerfung an und hat in kurzer Zeit allgemeine Ruhe hergestellt. (20) In diesem Krieg zeichnete sich Carausius, ein Bürger Menapiens, durch sehr entschlossenes Handeln aus. Deshalb, und zugleich weil er für kundig gehalten wurde, ein Schiff zu steuern (in dieser Tätigkeit hatte er gegen Lohn seine jungen Jahre zugebracht), betrauten die Kaiser ihn damit, eine Flotte auszurüsten und die Germanen, die die Meere unsicher machten, zu vertreiben. (21) Dadurch hochmütig geworden, dass er viele Barbaren vernichtet, aber nicht die ganze Beute an die Staatskasse weitergeleitet hatte, besetzte er aus Furcht vor Herculius, von dem, wie er erfahren hatte, ein Mordbefehl gegen ihn erlassen worden war, Britannien, nachdem er sich die Kaisergewalt angemaßt hatte. (22) Zur selben Zeit suchten die Perser Oriens, und Iulianus sowie die quinquegentanischen Stämme Africa schwer heim. (23) Außerdem hatte im ägyptischen Alexandreia ein gewisser Achilleus die Insignien der Herrschaft angelegt. (24) Aus diesen Gründen wählten die Kaiser Iulius Constantius und Galerius Maximianus, der den Beinamen ‚Armentarius‘ hatte, zu Caesares und machten sie zu Schwiegersöhnen. (25) Ersterer erhielt die Stieftochter des Herculius, der andere die Tochter Diocletians, nachdem ihre früheren Ehen aufgelöst worden waren, wie es einst Augustus bei Tiberius Nero und seiner Tochter Iulia Augusta gemacht hatte. (26) Sie (d. h. die Tetrarchen) hatten allesamt tatsächlich Illyricum zur Heimat: sie besaßen zwar nur wenig Bildung, aber weil sie mit den Mühsalen des Landlebens und des Militärdienstes bestens vertraut waren, waren sie ideal für den Staat. (27) Darum steht fest, dass m Übel leichter tugendhaft und vernünftig wird, und umgekehrt, wem Kummer fremd ist, weniger fürsorglich ist, weil er alle anderen am eigenen Wohlstand misst. (28) Aber ihre Eintracht zeigte eindringlich, dass zur Vortrefflichkeit Begabung und Erfahrung eines soliden Militärdienstes, wie er ihnen sattsam durch die Einrichtung Aurelians und Probus’ zugutekam, fast ausreichen. (29) Schließlich blickten sie zu Valerius wie zu einem Vater oder wie man zu einem großen Gott aufschaut; und wie bedeutend und großartig das ist, wird erst vor dem Hintergrund der Verbrechen an den eigenen Verwandten seit der Stadtgründung

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niam bellorum moles, de qua supra memoravimus, acrius urgebat, quasi partito imperio cuncta, quae trans Alpes Galliae sunt, Constantio commissa, Africa Italiaque Herculio, Illyrici ora adusque Ponti fretum Galerio. cetera Valerius retentavit. (31) hinc denique parti Italiae invectum tributorum ingens malum. nam cum omnis eadem functione moderateque ageretur, quo exercitus atque imperator, qui semper aut maxima parte aderant, ali possent, pensionibus inducta lex nova. (32) quae sane illorum temporum modestia tolerabilis in perniciem processit his tempestatibus. (33) interim Iovio Alexandriam profecto provincia credita Maximiano Caesari, uti relictis finibus in Mesopotamiam progrederetur ad arcendos Persarum impetus. (34) a quis primo graviter vexatus contracto confestim exercitu e veteranis ac tironibus per Armeniam in hostes contendit. quae ferme sola seu facilior vincendi via est. (35) denique ibidem Narseum regem in dicionem subegit, simul liberos coniugesque et aulam regiam. (36) adeo victor, ut, ni Valerius, cuius nutu omnia gerebantur, incertum qua causa abnuisset, Romani fasces in provinciam novam ferrentur. (37) verum pars terrarum tamen nobis utilior quaesita. quae cum acrius reposcuntur, bellum recens susceptum est grave admodum perniciosumque. (38) at in Aegypto Achilleus facili negotio pulsus poenas luit. (39) per Africam pari modo gestae res solique Carausio remissum insulae imperium, postquam iussis ac munimento incolarum contra gentes bellicosas opportunior habitus. (40) quem sane sexennio post Allectus nomine dolo circumvenit. (41) qui cum eius permissu summae rei praeesset, flagitiorum et ob ea mortis formidine per scelus imperium extorserat. (42) quo usum brevi Constantius Asclepiodoto,

1 sq. quasi partito OP : quadripartito Freudenberg : quadrifariam Maehly 2 sunt om. O 5 sq. moderataque P 6 ageretur Rudoni : ageret OP : adigeret Freudenberg atque P : ac O 17 nobilis O 20 lugit O | pari modo post gestae res transpos. P 21 iuxis O | monimento Pa.c. 24 martis Pa.c. 25 ascleopodoto O

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Roms bis in unsere Zeit ersichtlich. (30) Da ja die Last der Kriege, von der wir oben sprachen, sehr akut drückte, wurde gleichsam in einer Teilung des Reiches alles, was jenseits der Alpen zu Gallien gehört, Constantius übertragen, Africa und Italia dem Herculius, die Küste Illyricums bis zur Pontischen Meerenge dem Galerius; das Übrige erhielt Valerius. (31) Von da an brach schließlich über einen Teil Italiens das ungeheure Übel der Steuerabgaben herein. Denn obschon ganz Italien durch eine gleichbleibende Veranlagung und maßvoll besteuert wurde, wodurch das Heer und der Kaiser, die beständig oder doch größtenteils vor Ort waren, versorgt werden konnten, wurde ein neues Gesetz über das Abgabenwesen eingeführt. (32) Dieses durch das damalige Maßhalten erträgliche Gesetz hat sich heutzutage allerdings zu einem Verhängnis entwickelt. (33) Unterdessen wurde, als Iovius nach Alexandreia aufbrach, dem Caesar Maximianus (d. h. Galerius) die Aufgabe anvertraut, seine Gebiete zurückzulassen und nach Mesopotamien vorzurücken, um die Angriffe der Perser abzuwehren. (34) Nachdem ihm anfangs von ihnen heftig zugesetzt worden war, zog er unverzüglich ein Heer aus Veteranen und Rekruten zusammen und marschierte durch Armenien gegen die Feinde; dies ist fast der einzige oder doch der leichtere Weg zum Sieg. (35) Schließlich brachte er dort den König Narseh in seine Gewalt sowie dessen Kinder, Frauen und den königlichen Hof. (36) Er war so siegreich, dass römische Faszienbündel in eine neue Provinz hineingetragen worden wären, hätte Valerius, nach dessen Willen alles geschah, es nicht aus unbekanntem Grund verweigert. (37) Aber dennoch wurde der für uns nützlichere Teil dieser Gebiete erworben. Als diese vehement zurückgefordert wurden, kam es jüngst zum Krieg, der sehr schwer und verlustreich war. (38) Hingegen in Ägypten erhielt Achilleus, der mit geringem Aufwand geschlagen wurde, seine Strafe. (39) In Africa wurde i und allein Carausius wurde die Herrschaft über die Insel belassen, nachdem er aufgrund seiner Befehle und des Schutzes der Einwohner gegen kriegerische Stämme als geeignet erachtet wurde. (40) Allerdings hat ihn nach sechs Jahren einer namens Allectus heimtückisch hintergangen. (41) Dieser hatte ihm, als er mit dessen Erlaubnis der höchsten Stellung vorstand, aus Furcht wegen seiner Schandtaten und vor dem deshalb drohenden Tod die Herrschaft durch ein Verbrechen entrissen. (42) Er hatte sie nur kurz inne gehabt, als ihn Constantius vernichtete, nachdem dieser Asclepiodotus, den Präfekten der Prätorianer, mit ei-

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qui praetorianis praefectus praeerat, cum parte classis ac legionum praemisso delevit. (43) et interea caesi Marcomanni Carporumque natio translata omnis in nostrum solum, cuius ⟨ ⟩ fere pars iam tum ab Aureliano erat. (44) neque minore studio pacis officia vincta legibus aequissimis ac remoto pestilenti frumentariorum genere, quorum nunc agentes rerum simillimi sunt. qui cum ad explorandum annuntiandumque, ecqui forte in provinciis motus exsisterent, instituti viderentur, compositis nefarie criminationibus, iniecto passim metu, praecipue remotissimo cuique, cuncta foede diripiebant. (45) simul annona urbis ac stipendiariorum salus anxie solliciteque habita honestiorumque provectu et contra suppliciis flagitiosi cuiusque virtutum studia augebantur. veterrimae religiones castissime curatae, ac mirum in modum adhuc novis cultisque pulchre moenibus Romana culmina et ceterae urbes ornatae, maxime Carthago, Mediolanum, Nicomedia. (46) neque tamen, cum haec agerent, extra vitia fuere. quippe Herculius libidine tanta agebatur, ut ne ab obsidum corporibus quidem animi labem comprimeret. Valerio parum honesta in amicos fides erat discordiarum sane metu, dum enuntiationibus posse agitari quietem consortii putat. (47) hinc etiam quasi truncatae vires urbis imminuto praetoriarum cohortium atque in armis vulgi numero. quo quidem plures volunt imperium posuisse. (48) namque imminentium scrutator, ubi fato intestinas clades et quasi fragorem quendam impendere comperit status Romani, celebrato regni vicesimo anno valentior curam rei publicae abiecit, cum in sententiam Herculium aegerrime traduxisset, cui anno minus potentia fuerat. et quamquam aliis alia aestimantibus veri gratia corrupta sit, nobis tamen excellenti natura videtur ad communem vitam spreto ambitu descendisse.

3 post cuius lacunam statuit Scardino | fere OP : fusa vel caesa Arntzen | iam OP : media vel altera Gruter 3 sq. eureliano O 5 ac del. Shackleton Bailey 7 ecqui Schott : hec qui O : haec qui P 10 stipendariorum O | sollicitaque O 11 post et add. e P 13 novis adhuc P 16 obsidium O 20 inermis Schott 23 celebrato Schott : celebrator OP | regni vicesimo anno OP : aut regni anno vicesimo aut vicesimo regni anno Opitz 25 minor vel minus ⟨aeque⟩ Dacier 26 excellentis naturae dub. Schott

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nem Teil der Flotte und der Legionen vorausgeschickt hatte. (43) Unterdessen wurden die Markomannen geschlagen und das Volk der Karpen als Ganzes auf unser Gebiet umgesiedelt, nachdem bereits früher fast ⟨ ⟩ Teil davon von Aurelian worden war. (44) Mit nicht weniger Einsatz wurden die Geschäfte des Friedens durch äußerst gerechte Gesetze und dadurch, dass das unselige Pack der Frumentarii entfernt worden ist, geregelt, denen jetzt die Agentes in rebus am ähnlichsten sind. Obgleich sie dazu eingesetzt schienen, auszukundschaften und zu berichten, ob in den Provinzen etwa irgendwelche Rebellionen ausbrachen, plünderten sie alles schändlich aus, indem sie ruchlos Beschuldigungen erfanden und überall, besonders in den entlegensten Gebieten, Angst verbreiteten. (45) Zugleich wurde die Getreideversorgung der Stadt Rom und das Wohlergehen der Soldaten eifrig und gewissenhaft aufrecht erhalten; durch die Förderung der Anständigen und die Bestrafung jedes Verbrechers wurde das Streben nach Tugend gefördert. Die uralten Kultpraktiken wurden äußerst gewissenhaft gepflegt und auf wundervolle Weise wurden außerdem mit neuen und schön gestalteten Gebäuden die stadtrömischen Hügel und die übrigen Städte verschönert, besonders Karthago, Mailand und Nikomedeia. (46) Dennoch waren sie, obwohl sie diese Dinge betrieben, nicht frei von Fehlern. Herculius war nämlich von so großer Wollust getrieben, dass er diese Charakterschwäche nicht einmal gegenüber den Leibern von Geiseln zügelte. Valerius hatte zu wenig aufrichtiges Vertrauen in seine Freunde, sicherlich aus Furcht vor Zerwürfnissen, da er glaubte, dass die Harmonie der Samtherrschaft durch offene Aussprachen gestört werden könnte. (47) Daher wurden auch die Streitkräfte der Stadt Rom gleichsam gestutzt, indem die Zahl der Prätorianerkohorten und der waffentragenden Menge verringert wurde. Deshalb habe er, wie einige glauben, die Macht niedergelegt. (48) Denn als Erforscher bevo er, sobald er erfuhr, dass vom Schicksal her innenpolitische Rückschläge und gleichsam ein Zusammenbruch des römischen Reiches drohte, nach Feier des zwanzigjährigen Regierungsjahres bei voller Vitalkraft die Fürsorge für den Staat ab, nachdem er mit größter Mühe den Herculius, dessen Herrschaft ein Jahr weniger gedauert hatte, zum selben Entschluss gebracht hatte. Und obwohl das Ansehen der Wahrheit durch die unterschiedlichen Urteile beeinträchtigt ist, scheint Diocletian uns dennoch aufgrund seines ausgezeichneten Naturells, indem er den Ehrgeiz geringschätzte, ins gewöhnliche Leben zurückgekehrt zu sein.

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40. (1) igitur Constantio atque Armentario his succedentibus Severus Maximinusque Illyriorum indigenae Caesares, prior Italiam, posterior in quae Iovius obtinuerat destinantur. (2) quod tolerare nequiens Constantinus, cuius iam tum a puero ingens potensque animus ardore imperitandi agitabatur, fugae commento, cum ad frustrandos insequentes publica iumenta, quaqua iter egerat, interficeret, in Britanniam pervenit. nam is a Galerio religionis specie ad vicem obsidis tenebatur. (3) et forte iisdem diebus ibidem Constantium patrem vel parentem vitae ultima urgebant. (4) quo mortuo cunctis, qui aderant, annitentibus imperium capit. (5) interim Romae vulgus turmaeque praetoriae Maxentium retractante diu patre Herculio imperatorem confirmant. (6) quod ubi Armentarius accepit, Severum Caesarem, qui casu ad urbem erat, arma in hostem propere ferre iubet. (7) is circum muros cum ageret, desertus a suis, quos praemiorum illecebris Maxentius traduxerat, fugiens obsessusque Ravennae obiit. (8) hoc acrior Galerius ascito in consilium Iovio Licinium vetere cognitum amicitia Augustum creat. eoque ad munimentum Illyrici ac Thraciae relicto Romam contendit. (9) ibi cum obsidione distineretur militibus eadem qua superiores via attentatis, metu, ne desereretur, Italia decessit. pauloque post vulnere pestilenti consumptus est, cum agrum satis rei publicae commodantem caesis immanibus silvis atque emisso in Danubium lacu Pelsone apud Pannonios fecisset, (10) cuius gratia provinciam uxoris nomine Valeriam appellavit. (11) huic quinquennii imperium, Constantio annuum fuit, cum sane uterque potentiam Caesarum annos tredecim gessissent. (12) adeo miri naturae beneficiis, ut ea si a doctis pectoribus proficiscerentur neque in-

1 armentarioque P 2 Illyriorum O : Illyriciorum P : Illyricorum Schott 2 sq. prior Italiam, posterior (posteriorque P) in quae OP : priori Italiam, posteriori quae Schott 3 sq. costantius P 7 ad vicem Schott : adducem O : ad ducem P 8 iisdem Schott : hisdem (hijs- O) OP | patrem vel del. Havet, vel parentem del. Cameron 9 urgebant OPp.c. : agebant Pa.c. : perurgebant Havet 12 erat om. Oa.c. 13 ferre propere P 14 sq. oppressusque Damsté 16 lucinium O | augustum creat O : cesarem creat augustum P 21 Pelsonis Mommsen | pennonis O 23 annuum Schott : annum OP 25 ante beneficiis add. officiis vel P

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40. (1) Während also Constantius und Armentarius (d. h. Galerius) ihnen im Amt nachfolgten, wurden Severus und Maximinus, beides gebürtige Illyrer, als Caesares, ersterer für Italien und letzterer für das Gebiet, welches Iovius besessen hatte, bestimmt. (2) Dies konnte Konstantin, dessen große und starke Seele schon seit seiner Kindheit von dem Verlangen zu befehlen brannte, nicht ertragen und durch den Gedankeneinfall einer Flucht, auf der er, wo immer sein Weg langführte, die staatlichen Zugtiere tötete, um die Verfolger auszubremsen, gelangte er nach Britannien. Er war nämlich von Galerius unter dem Vorwand moralischer Verpflichtung wie eine Geisel festgehalten worden. (3) Es traf sich, dass in denselben Tagen dort das Lebensende seines Vaters und Schöpfers Constantius bevorstand. (4) Nach dessen Tod ergriff Konstantin mit der Unterstützung aller Anwesenden die Herrschaft. (5) Unterdessen bestätigten in Rom die Menge und die Prätorianerschwadronen Maxentius als Kaiser, obwohl sich sein Vater Herculius lange dagegen sträubte. (6) Sobald Armentarius dies erfuhr, befahl er dem Caesar Severus, der durch Zufall in der Nähe von Rom war, mit Waffengewalt rasch gegen den Widersacher vorzugehen. (7) Während Severus ringsum die Stadtmauern belagerte, wurde er von seinen Leuten, die Maxentius durch verlockende Belohnungen zu sich hinübergezogen hatte, im Stich gelassen; er starb auf der Flucht, eingeschlossen in Ravenna. (8) Hierdurch noch mehr aufgebracht, ernannte Galerius, nachdem Iovius zur Beratschlagung herbeigezogen worden war, den mit ihm in alter Freundschaft verbundenen Licinius zum Augustus und, diesen zum Schutze Illyricums und Thrakiens zurücklassend, eilte er nach Rom. (9) Als er dort durch die Belagerung hingehalten wurde und seine Soldaten auf dieselbe Weise wie die vorherigen geködert wurden, zog er aus Furcht, von ihnen im Stich gelassen zu werden, aus Italien ab. Wenig später erlag Wunde, nachdem er durch das Roden riesiger Wälder und Ableiten des Pelso-Sees in die Donau ausgiebig Ackerland in Pannonien geschaffen hatte, das für den Staat sehr einträglich war. (10) Deshalb benannte er diese Provinz nach seiner Frau ‚Valeria‘. (11) Seine Herrschaft dauerte fünf Jahre, die des Constantius ein Jahr, nachdem sie allerdings jeweils dreizehn Jahre die Amtsgewalt eines Caesars innegehabt hatten. (12) Sie waren dank ihrer natürlichen Begabungen so bewundernswert, dass wenn diese von gebildeten Personen herrührten und nicht durch Ungeschliffenheit Anstoß erregt hätten, zweifelsohne als außergewöhnlich

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sulsitate offenderent, haud dubie praecipua haberentur. (13) quare compertum est eruditionem elegantiam comitatem praesertim principibus necessarias esse, cum sine his naturae bona quasi incompta aut etiam horrida despectui sint contraque ea Persarum regi Cyro aeternam gloriam paraverint. (14) at memoria mea Constantinum, quamquam ceteris promptum virtutibus, adusque astra votis omnium subvexere. (15) qui profecto si munificentiae atque ambitioni modum hisque artibus statuisset, quis praecipue adulta ingenia gloriae studio progressa longius in contrarium labuntur, haud multum abesset deo. (16) is ubi vastari urbem atque Italiam comperit pulsosque seu redemptos exercitus et imperatores duos, composita pace per Gallias Maxentium petit. (17) ea tempestate apud Poenos Alexander pro praefecto gerens dominatui stolide incubuerat, cum ipse debili aetate, agrestibus ac Pannonicis parentibus vecordior, milites tumultuarie quaesiti, armorum vix medium haberetur. (18) denique eum a tyranno missi paucissimis cohortibus Rufius Volusianus praefectus praetorio ac militares duces levi certamine confecere. (19) quo victo Maxentius Carthaginem, terrarum decus, simul Africae pulchriora vastari diripi incendique iusserat, ferus inhumanusque ac libidine multo tetrior. (20) adhuc pavidus et imbellis atque in desidiam foede pronus usque eo, ut flagrante per Italiam bello fusisque apud Veronam suis nihilo segnius solita curaret neque patris exitio moveretur. (21) namque Herculius natura impotentior, simul filii segnitiem metuens inconsulte imperium repetiverat. (22) cumque specie officii dolis compositis Constantinum generum tentaret acerbe, iure interierat. (23) sed Maxentius atrocior in dies tandem urbe in Saxa rubra milia ferme

4 sunt O | tiro O 5 paraverint P : paruerint O : an pepererint? | Constantium Faber 6 comptum Arntzen 8 gloriae vel gloriarum Schott : gloriam OP 13 post aetate add. esset Freudenberg 14 post milites add. tirones Freudenberg | tumultuarieque P haberent Freudenberg 15 eum Schott : cum OP 19 multa Pichlmayr 21 sequius Schott 22 segnitiem Mommsen : segnitie (segnicie P) OP : segnitiae Schott 24 post tentaret levius interpunxit Dacier | acerbe iure OP : acerbe Nixon : acerbius vel servili more Damsté | post iure add. tandem P, tamen Schott 24 sq. interierat – dies om. Oa.c.

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gegolten hätten. (13) Daraus ersieht man, dass Gelehrsamkeit, Kultiviertheit und Anstand gerade für Herrscher unabdingbar sind, da ohne sie die natürlichen Talente sozusagen ungekämmt oder sogar struppig sind und damit geringgeschätzt werden, während sie dagegen dem Perserkönig Kyros ewigen Ruhm bereitet haben. (14) Aber zu meinen Lebzeiten haben sie Konstantin, obwohl er schon durch seine übrigen Qualitäten herausragend war, durch die Gelübde aller zu den Sternen gehoben. (15) Hätte er in seiner Spendierfreudigkeit und seinem Ehrgeiz und all diesen Eigenschaften, durch die gerade hochstehende Wesen, die in ihrem Streben nach Ruhm zu weit gehen, deshalb ins Gegenteil abgleiten, Maß gehalten, wäre er gewiss nicht weit von einem Gott entfernt. (16) Als Konstantin erfuhr, dass die Stadt Rom und Italien zerrüttet wurden und zwei Heere und zwei Kaiser vertrieben oder bestochen worden waren, marschierte er, nachdem in Gallien Frieden hergestellt war, gegen Maxentius. (17) Zu jener Zeit hatte Alexander, der in Africa in Vertretung des Prätorianerpräfekten amtierte, törichterweise nach der Herrschaft gegriffen, obwohl er selbst von gebrechlichem Alter und durch sein bäurisches und pannonisches Elternhaus reichlich stumpfsinnig war, seine Soldaten überstürzt ausgehoben worden waren und kaum die Hälfte der Waffen zur Verfügung stand. (18) Am Ende töteten ihn der Prätorianerpräfekt Rufius Volusianus und die Militärführer, die zusammen mit ganz wenigen Kohorten vom Usurpator (d. h. Maxentius) entsandt worden waren, in einem kleinen Scharmützel. (19) Nachdem dieser besiegt war, hat Maxentius befohlen, Karthago, ein Schmuckstück des Erdkreises, zugleich auch die schöneren Orte Africas zu verwüsten, zu plündern und in Brand zu setzen; er war grausam, roh und durch seine Wollust noch viel abscheulicher. (20) Außerdem war er ängstlich, unkriegerisch und neigte schändlicherweise zur Untätigkeit, und zwar dermaßen, dass, als in Italien d Truppen bei Verona geschlagen worden waren, er um nichts weniger träge seinen Angewohnheiten nachhing und sich auch durch den Tod seines Vaters nicht bewegen ließ. (21) Herculius nämlich, von Natur aus ziemlich unbeherrscht und zugleich wegen der Schlaffheit seines Sohnes besorgt, hatte unüberlegt die Kaiserherrschaft wieder ergriffen. (22) Als er unter dem Anschein der Diensterfüllung Intrigen gesponnen hatte und seinen Schwiegersohn Konstantin brutal angriff, kam er zu Recht dabei um. (23) Aber Maxentius, von Tag zu Tag grausamer, war schließlich äußerst widerwillig von der Stadt Rom ungefähr neun Mei-

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novem aegerrime progressus, dum caesa acie fugiens semet Romam reciperet, insidiis, quas hosti apud pontem Mulvium locaverat, in transgressu Tiberis interceptus est tyrannidis anno sexto. (24) huius nece incredibile quantum laetitia gaudioque senatus ac plebes exsultaverint. quos in tantum afflictaverat, uti praetorianis caedem vulgi quondam annuerit primusque instituto pessimo munerum specie patres aratoresque pecuniam conferre prodigenti sibi cogeret. (25) quorum odio praetoriae legiones ac subsidia factionibus aptiora quam urbi Romae sublata penitus, simul arma atque usus indumenti militaris. (26) adhuc cuncta opera, quae magnifice construxerat, urbis fanum atque basilicam Flavii meritis patres sacravere. (27) a quo etiam post Circus maximus excultus mirifice atque ad lavandum institutum opus ceteris haud multo dispar. (28) statuae ⟨locatae⟩ locis quam celeberrimis, quarum plures ex auro aut argenteae sunt. tum per Africam sacerdotium decretum Flaviae genti, Cirtaeque oppido, quod obsidione Alexandri conciderat, reposito exornatoque nomen Constantina inditum. (29) adeo acceptius praestantiusque tyrannorum depulsoribus nihil est, quorum gratia eo demum auctior erit, si modesti ipsi atque abstinentes sint. (30) quippe humanae mentes frustratae boni spe asperius offenduntur, cum mutato rectore flagitioso aerumnarum vis manet.

41. (1) dum haec in Italia geruntur, Maximinus ad Orientem post biennii Augustum imperium fusus fugatusque a Licinio apud Tarsum perit. (2) ita potestas orbis Romani duobus quaesita, qui quamvis per Flavii sororem nuptam Licinio connexi inter se erant, ob diversos mores 1 aegerrime post Romam transpos. Damsté 2 hostis Damsté | Milvium Arntzen : Mulvium OP 3 Tiberis Sylburg : tiberi OP 4 plebs O 5 post praetorianis add. uti praetorianis O 6 oratoresque O 8 aptiora Schott : optiora OP 13 statuae ⟨locatae⟩ locis Freudenberg : ⟨statutae⟩ statuae locis Walter | saluberrimis Pa.c. 15 ceciderat P 18 ipsi om. Pichlmayr 19 frustrati O 20 vis Schott : vi OP 21 Italiam P

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len bis zu Saxa Rubra ausgerückt; als er sich flüchtend, weil sein Heer geschlagen worden war, nach Rom zurückzog, wurde er durch eine Falle, die er an der Milvischen Brücke dem Gegner gestellt hatte, beim Überschreiten des Tibers im sechsten Jahr seiner Tyrannis hinweggerafft. (24) Unglaublich, mit welcher Fröhlichkeit und Freude Senat und Stadtvolk über seinen Tod jubelten; ihnen hatte er so extrem zugesetzt, dass er einmal den Prätorianern ein Massaker am Volk gestattete und als erster durch eine äußerst üble Verordnung die Senatoren und Bauern dazu verpflichtete, unter dem Anschein von Geschenken Geld für seine Verschwendung aufzubringen. (25) Aus Hass darüber wurden nun die Prätorianerlegionen und die Hilfskontingente, die Cliquenumtrieben dienlicher waren als der Stadt Rom, vollständig aufgelöst, zugleich auch die Waffen und das Tragen militärischer Kleidung verboten. (26) Zudem weihten die Senatoren alle Bauwerke, die er (d. h. Maxentius) prachtvoll errichtet hatte, ein Heiligtum der Stadtgöttin sowie eine Basilika, den Verdiensten des Flavius (d. h. Konstantin). (27) Von ihm wurde später auch der Circus Maximus wunderschön ausgestattet und ein zum Baden bestimmtes Gebäude errichtet, das den übrigen nicht viel nachstand. (28) An den meistfrequentierten Orten wurden Statuen ⟨aufgestellt⟩, von denen mehrere aus Gold oder Silber sind; sodann wurde in Africa ein Priestertum für die Familie der Flavier beschlossen, und der Stadt Cirta, die durch die Belagerung Alexanders zerstört worden war, wurde nach ihrem Wiederaufbau und ihrer Ausschmückung der Name ‚Constantina‘ beigelegt. (29) Wahrlich nichts ist willkommener und großartiger als die Vertreiber von Tyrannen, und der Respekt vor ihnen wird gerade dann umso größer sein, wenn sie selbst maßvoll und bescheiden sind. (30) Denn die Herzen der Menschen nehmen umso empfindlicher Anstoß, wenn sie in der Hoffnung auf das Gute getäuscht werden und wenn nach der brecherischen Herrschers die Last ihrer Mühsale bestehen bleibt. 41. (1) Während sich diese Dinge in Italien ereigneten, fand im Osten Maximinus nach zweijähriger Herrschaft als Augustus, von Licinius geschlagen und in die Flucht getrieben, in Tarsos den Tod. (2) Somit lag die Macht über das römische Weltreich bei zweien, die zwar durch die Ehe der Schwester Konstantins mit Licinius miteinander verbunden waren, aufgrund ihrer unterschiedlichen Charaktere aber nur mühsam

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tamen anxie triennium congruere quivere. (3) namque illi praeter modum magna cetera, huic parsimonia, et ea quidem agrestis, tantummodo inerat. (4) denique Constantinus cunctos hostes honore ac fortunis manentibus texit recepitque, eo pius, ut etiam vetus taeterrimumque supplicium patibulorum et cruribus suffringendis primus removerit. (5) hinc pro conditore seu deo habitus. Licinio ne insontium quidem ac nobilium philosophorum servili more cruciatus adhibiti modum fecere. (6) quo sane variis proeliis pulso, cum eum prorsus opprimere arduum videretur, simul affinitatis gratia refectum consortium ascitique imperio Caesarum communes liberi Crispus Constantinusque Flavio geniti, Licinianus Licinio. (7) quod equidem vix diuturnum neque his, qui assumebantur, felix fore defectu solis foedato iisdem mensibus die patefactum. (8) itaque sexennio post rupta pace apud Thracas Licinius pulsus Chalcedona concessit. (9) ibi ad auxilium sui Martiniano in imperium cooptato una oppressus est. (10) eo modo res publica unius arbitrio geri coepit liberis Caesarum nomina diversa retentantibus. namque ea tempestate imperatori nostro Constantio insigne Caesaris datum. (11) quorum cum natu grandior, incertum qua causa, patris iudicio occidisset, repente Calocaerus, magister pecoris camelorum, Cyprum insulam specie regni demens capessiverat. (12) quo excruciato, ut fas erat, servili aut latronum more, condenda urbe formandisque religionibus ingentem animum avocavit, simul novando militiae ordine. (13) et interea Gothorum Sarmatarumque stratae gentes, filiusque cunctorum minor, Constans nomine, Caesar fit. (14) cuius gratia rei publicae

1 post illi add. lautitia Brakman 1 sq. modum Schott : admodum OP : ambitionis modum D’Elia : ante modum lacunam statuit Dufraigne 2 ante magna add. pauca Sylburg | magna cetera OP : magnificentia dub. Schott : magna lautitia dub. Baehrens | post cetera add. magnificentia Maehly 3 hostes Schott : hostis OP 4 veterrimumque P 5 suffrigendis O 6 quidem om. Oa.c. 7 post nobilium add. quidem O 9 refecti P consortio Schott 12 defectu Schott : defectus OP | iisdem Schott : hisdem (hijs- O) OP 14 in om. O 14 sq. cooptato Schott : coactato O : coaptato P 16 diverse dub.Dacier 20 capessiverat Schott : capissierat O : compesciverat Pa.c. : capesciverat Pp.c. 21 sq. condenda – avocavit OP : condendae urbi formandisque religionibus ingentem animum advocavit Dacier 21 formidandisque P 22 novando Dacier : novande O : novandae P 23 filius O | minorum O

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drei Jahre miteinander auszukommen vermochten. (3) Denn bei Konstantin war abgesehen vom Maßhalten alles Übrige erhaben, Licinius aber wohnte nur Sparsamkeit inne und zwar von der Art eines Bauern. (4) Ferner schützte Konstantin alle seine Gegner – ihnen blieben Amt und Vermögen erhalten – und nahm sie in Gnade auf; so human war er, dass er sogar die alte und besonders scheußliche Strafe der Kreuzigung und des Schenkelbrechens als erster abschaffte. (5) Deshalb wurde er wie ein Stadtgründer oder ein Gott angesehen. Für Licinius aber stellte nicht einmal das qualvolle Hinrichten unschuldiger und edler Philosophen in der Weise, wie es mit Sklaven geschieht, eine Tabugrenze dar. (6) Als es aber, obwohl er in verschiedenen Schlachten geschlagen worden war, schwierig schien, ihn vollständig zu besiegen, wurde zugleich um der Schwägerschaft willen die Samtherrschaft wiederhergestellt, und hinzugezogen wurden in der Amtsgewalt von Caesares die beiderseitigen Kinder Crispus und Constantinus, die Söhne des Flavius, und Licinianus, der Sohn des Licinius. (7) Dass dies allerdings kaum von langer Dauer und für die, die hinzugenommen wurden, kein Segen sein würde, wurde in denselben Monaten durch einen Tag offenbart, der durch eine Sonnenfinsternis getrübt wurde. (8) Nachdem also der Friede nach sechs Jahren zerbrochen war, wurde Licinius in Thrakien geschlagen und zog sich nach Chalkedon zurück. (9) Dort wurde er zusammen mit Martinianus, den er zu seiner Unterstützung zum Mitherrscher erhoben hatte, besiegt. (10) Auf diese Weise begann der Staat durch die Entscheidungsgewalt eines Einzigen gelenkt zu werden, wobei die Söhne ihre andersartigen Caesartitel behielten; zu jener Zeit wurde ja auch unserem Kaiser Constantius das Herrschaftszeichen eines Caesars verliehen. (11) Als der Älteste von ihnen – aus welchem Grund, ist unklar – durch ein Urteil des Vaters den Tod gefunden hatte, bemächtigte sich plötzlich Calocaerus, der Oberhirte einer K Zypern in einer Scheinherrschaft. (12) Nachdem er zu Recht in der Weise, wie es mit Sklaven und Verbrechern geschieht, qualvoll hingerichtet worden war, wandte er (d. h. Konstantin) seinen gewaltigen Geist der Gründung einer Stadt und der Umgestaltung der Kultpraktiken sowie der Neuordnung des Militärdienstes zu. (13) Unterdessen wurden die Völker der Goten und der Sarmaten niedergemacht, und der jüngste von allen seinen Söhnen, Constans, wurde Caesar. (14) Dass seinetwegen der Staat ins Chaos stürzen werde, prophezeiten wundersame Vorzeichen: In der Nacht, die auf den Tag der Verleihung der

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permixtionem fore ostentorum mira prodidere. quippe ea nocte, quae commissi imperii diem sequebatur, igni continuo caeli facies conflagravit. (15) abhinc consumpto fere biennio fratris filium, cui e patre Dalmatio nomen fuit, Caesarem iussit assistentibus valide militaribus. (16) ita anno imperii tricesimo secundoque, cum totum orbem tredecim tenuisset, sexaginta natus atque amplius duo, in Persas tendens, a quis bellum erumpere occeperat, rure proximo Nicomediae, Achyronam vocant, excessit, cum id taetrum sidus regnis, quod crinitum vocant, portendisset. (17) funus relatum in urbem sui nominis. quod sane populus Romanus aegerrime tulit, quippe cuius armis, legibus clementi imperio quasi novatam urbem Romam arbitrarentur. (18) pons per Danubium ductus, castra castellaque pluribus locis commode posita. (19) remotae olei frumentique adventiciae praebitiones, quibus Tripolis ac Nicaea acerbius angebantur. (20) quorum superiores Severi imperio gratantes civi obtulerant, verteratque gratiam muneribus in perniciem posterorum dissimulatio. alteros Marcus Boionius afflixerat multa, quod Hipparchum praestanti ingenio indigenam fuisse ignoravissent. fiscales molestiae severius pressae, cunctaque divino ritui paria viderentur, ni parum dignis ad publica aditum concessisset. (21) quae quamquam saepius accidere, tamen in summo ingenio atque optimis rei publicae moribus, quamvis parva vitia, elucent magis eoque notantur facile. quin etiam acrius saepe officiunt, cum ob auctoris decus in virtutes potissimum accipiuntur atque ad imitandum invitamento sunt. (22) igitur confestim Dalmatius, incertum quo suasore, interficitur. statimque triennio post minimum maximumque fatali bello Constantinus cadit. (23) qua Constans victoria tumidior,

1 post nocte add. que O 3 ex P 4 assistentibus P : absistentibus O : obsistentibus Mommsen 7 irrumpere P | acceperat P 8 exspectaveris Achyronem vel Achyrona voca P 11 roman P | arbitraretur P 13 posita P : composita O 14 probitiones O augebantur O 14 sq. quores P 16 muneribus OP : muneris Schott : muneris huius Casaubonus : munerantibus Damsté : an muneris vel munerum oneribus? 17 boionios P mulcta P 18 fuisse ignoravissent OP : fustibus vel fustigatum necavissent Casaubonus : fuste ignominiavissent Gruter | repressae Schott 19 ritu O | ni parum P : imparum O 20 editum O | ante saepius add. haud Dacier 22 eoque P : eo quod O

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Herrschaft folgte, brannte nämlich das Antlitz des Himmels in einem fortwährenden Feuer. (15) Nachdem dann ungefähr zwei Jahre vergangen waren, bestimmte er (d. h. Konstantin) den Sohn seines Bruders, der wie sein Vater Dalmatius hieß, zum Caesar, wobei die Militärs dem entschieden zustimmten. (16) So starb er im zweiunddreißigsten Herrschaftsjahr, nachdem er die Alleinherrschaft im ganzen Reich dreizehn Jahre innegehabt hatte, im Alter von zweiundsechzig Jahren, als er dabei war, gegen die Perser, die einen Krieg zu entfesseln begonnen hatten, zu Felde zu ziehen, auf dem ‚Achyrona‘ genannten Landgut ganz nahe bei Nikomedeia, nachdem ein für Machthaber ungünstiger Stern, den man ‚behaart‘ (d. h. Komet) nennt, dies angekündigt hatte. (17) Sein Leichnam wurde in die nach ihm benannte Stadt überführt. Dies nahm das stadtrömische Volk allerdings sehr übel auf, meinte es doch, dass durch seine Kriegstaten, Gesetzgebung und milde Herrschaft die Stadt Rom gewissermaßen neu erschaffen worden sei. (18) Eine Brücke wurde über die Donau gebaut; Lager und Kastelle wurden, zweckmäßig platziert, an vielen Orten errichtet. (19) Abgeschafft wurden die außerordentlichen Lieferungen an Öl und Getreide, durch die Tripolitana und Nikaia sich in arger Bedrängnis befanden. (20) Die Bewohner der ersteren hatten sie aus Gefälligkeit über die Herrschaft des Severus diesem als ihrem Mitbürger dargebracht, aber Nachlässigkeit hatte diesen Gefallen bestehend aus Abgaben in eine Plage für die Nachkommen verwandelt. Den anderen hatte Marcus Boionius (d. h. Marc Aurel) sie als eine Buße auferlegt, da ihnen unbekannt war, dass Hipparchos, ein Mann von herausragendem Verstand, ihr Landsmann gewesen war. Belästigungen durch Steuereintreiber wurden ziemlich streng bekämpft, und alles wäre einer göttlichen Ordnung gleich erschienen, hätte er (d. h. Konstantin) den Zugang zu öffentlichen Ämtern nicht jenen erlaubt, die zu wenig würdig dafür waren. (21) Ob kommt, stechen bei einem Mann von höchstem Talent und unübertrefflichem Verhalten gegenüber dem Staat seine Fehler, egal wie klein sie sind, dennoch umso mehr hervor und werden deshalb auch unschwer wahrgenommen; ja, sie wirken sich oft umso schädlicher aus, als sie wegen des Prestiges ihres Urhebers geradezu als Vorzüge aufgefasst werden und so zur Nachahmung einladen. (22) Unverzüglich wurde also Dalmatius getötet – auf wessen Anstiften, ist unklar – und alsbald, nach mehr oder weniger drei Jahren, fiel Constantinus in einem verhängnisvollen Krieg. (23) Constans, durch diesen Sieg recht hochmütig

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simul per aetatem cautus parum atque animi vehemens, adhuc ministrorum pravitate exsecrabilis ac praeceps in avaritiam despectumque militarium, anno post triumphum decimo Magnentii scelere circumventus est externarum sane gentium compressis motibus. (24) quarum obsides, 5 pretio quaesitos pueros venustiores, quod cultius habuerat, libidine huiuscemodi arsisse pro certo habetur. (25) quae tamen vitia utinam mansissent! namque Magnentii, utpote gentis barbarae, diro atrocique ingenio, simul his, quae post accidere, adeo exstincta omnia sunt, ut illud imperium haud iniuria desideraretur; (26) tum quia Vetranio 10 litterarum prorsus expers et ingenio stolidior idcircoque agresti vecordia pessimus, cum per Illyrios peditum magisterio milites curaret, dominationem ortus Moesiae superioris locis squalidioribus improbe occupaverat.

42. (1) eum Constantius cis mensem decimum facundiae vi deiectum 15 imperio in privatum otium removit. (2) quae gloria post natum imperium soli processit eloquio clementiaque. (3) nam cum magna parte utrimque exercitus convenissent, habita ad speciem iudicii contione, quod fere vix aut multo sanguine obtinendum erat, eloquentia patravit. (4) quae res satis edocuit non modo domi, verum militiae quoque di20 cendi copiam praestare. qua demum vel ardua proclivius eo conficiuntur, si modestia atque integritate superet. (5) quod maxime cognitum e nostro principe. quem tamen, quo minus statim in hostes alios ad Italiam contenderet, hiems aspera clausaeque Alpes tardavere. (6) interim Romae corrupto vulgo, simul Magnentii odi 25 Flavio propinquus caeso urbi praefecto armataque gladiatorum manu imperator fit. (7) cuius stolidum ingenium adeo plebi Romanae

1 ante simul add. per Oa.c. 2 ac O : atque P 6 huiusmodi P | utinam P : ut O 7 atroque P 14 facundi aevi OP : dist. Schott | deiectum O : derectum Pa.c. : directum Pp.c. 16 sq. nam – convenissent om. Oa.c. 18 ferro dub. Damsté | vi dub. Arntzen paravit dub. Arntzen 20 praestare Schott : restare OP : resistere Dacier | proclius Oa.c. 22 tamen om. Oa.c. 24 potentianus P | materne O

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geworden, zugleich wegen seiner Jugend wenig behutsam und von hitzigem Gemüt, außerdem aufgrund der Verkommenheit seiner Untergebenen verabscheut und mit einem Hang zu Habsucht und Verachtung der Militärs, wurde im zehnten Jahr nach seinem Triumph durch ein Verbrechen des Magnentius zur Strecke gebracht, nachdem er immerhin die Angriffe auswärtiger Völker abgewehrt hatte. (24) Da er deren Geiseln, recht anmutige, durch Geld gekaufte Knaben, ziemlich pfleglich behandelte, gilt es als sicher, dass er von Begierde dieser Art entbrannt war. (25) Wären seine Laster doch bloß erhalten geblieben! Denn durch den schrecklichen und garstigen Charakter des Magnentius, der ja von barbarischer Abstammung war, zugleich auch durch das, was sich später ereignete, wurde alles derartig zugrunde gerichtet, dass man jene Herrschaft (sc. des Constans) nicht zu Unrecht zurücksehnte; (26) zudem, weil Vetranio, der völlig ungebildet und von törichtem Verstand und deswegen in seinem bäurischen Stumpfsinn äußerst katastrophal war, als er in Illyrien als Magister peditum die Soldaten befehligte – er stammte aus den unwirtlichen Gegenden der Moesia Superior –, dreist die Herrschaft ergriffen hatte. 42. (1) Ihn hat Constantius vor Ablauf von dessen zehnten Monat durch die Kraft seiner Redegabe der Herrschaft entkleidet und in den zivilen Ruhestand versetzt. (2) Einen derartigen Ruhm durch Beredsamkeit und Milde hat seit Bestehen des Kaisertums er als einziger erworben. (3) Als nämlich ihre Heere beide großenteils zusammengekommen waren und eine Heeresversammlung, wie zum Anschein eines Tribunals, abgehalten wurde, erreichte er durch seine Eloquenz, was gewöhnlich kaum oder nur mit viel Blutvergießen gelungen wäre. (4) Wie diese Begebenheit hinlänglich gezeigt hat, vermag die Fähigkeit zu reden nicht nur in Friedenszeiten, sondern auch im Krieg ihre Wirksamkeit zu entfalten. Schließlich wird mit ihr sogar Sc wältigt, wenn sie sich mit Mäßigung und Rechtschaffenheit durchsetzt. (5) Dies wurde besonders ersichtlich an unserem Princeps. Ihn hinderten allerdings der harte Winter und die versperrten Alpen, sofort nach Italien gegen die anderen Feinde zu ziehen. (6) Unterdessen wurde in Rom, weil das Volk bestochen worden war und zugleich Hass auf Magnentius herrschte, Nepotian, der mütterlicherseits mit Flavius (d. h. Konstantin) verwandt war, nach der Ermordung des Stadtpräfekten und der Bewaffnung eines Gladiatorentrupps zum Kaiser gemacht. (7) Sein dummer Verstand brachte dem stadtrömischen Volk und den Senatoren

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patribusque exitio fuit, uti passim domus fora viae templaque cruore aut cadaveribus opplerentur bustorum modo, (8) neque per eum tantum, verum etiam advolantibus Magnentianis, qui tricesimo die triduo minus hostem perculerant. (9) sed iam antea, cum externi motus suspectarentur, Magnentius fratri Decentio Gallias, Constantius Gallo, cuius nomen suo mutaverat, Orientem Caesaribus commiserant. (10) ipsi inter se acrioribus proeliis per triennium congressi. ad extremum Constantius fugientem in Galliam persecutus vario ambos supplicio semet adegit interficere. (11) et interea Iudaeorum seditio, qui Patricium nefarie in regni speciem sustulerant, oppressa. (12) neque multo post ob saevitiam atque animum trucem Gallus Augusti iussu interiit. (13) ita longo intervallo annum fere post septuagesimum relata ad unum cura rei publicae. (14) quae recens quieta a civili trepidatione Silvano in imperium coacto tentari rursus occeperat. (15) is namque Silvanus, in Gallia ortus barbaris parentibus, ordine militiae, simul a Magnentio ad Constantium transgressu pedestre {ad} magisterium adolescentior meruerat. (16) e quo cum altius per metum seu dementiam conscendisset, legionum, a quis praesidium speraverat, tumultu octavum circa ac vicesimum diem trucidatus est. (17) qua causa ne quid apud Gallos natura praecipites novaretur praesertim Germanis pleraque earum partium populantibus, Iulianum Caesarem cognatione acceptum sibi Transalpinis praefecit isque nationes feras brevi subegit captis famosis regibus. (18) quae quamquam in eius fortuna, principis tamen et consilio accidere. (19) quod adeo praestat, ut Tiberius Galeriusque subiecti aliis egregia pleraque, suo autem ductu atque auspicio minus paria experti sint. (20) at Iulius Constantius, annos tres atque viginti Augustum imperium regens,

1 aut OP : ac Schott : atque vel et Opitz 3 Magnentianis Schott : magnianis OP 5 manentius O 6 sq. commiserant – acrioribus om. Oa.c. 8 varios Oa.c. 10 speciem Dacier : specie OP 13 in om. O 15 barbaris P : ban iris O 16 ad del. Sylburg meruerat OP : pervenerat retento ad ante magisterium Sylburg 18 octavium O 21 Caesarem om. Oa.c. 23 in del. Gruter : vi Freinsheim | post eius add. sorte Damsté post tamen add. auspicio Sylburg 24 sq. pleraque Schott : plereque O : pleraeque P 25 ducto O | sint Sylburg : sunt OP

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solches Verderben, dass überall die Häuser, Plätze, Straßen und Tempel wie Scheiterhaufen voller Blut und sogar Leichen waren, (8) aber nicht nur durch ihn, sondern auch durch die heranstürmenden Magnentianer, die ihren Feind am dreißigsten Tag weniger drei stürzten. (9) Aber bereits zuvor hatten, da Angriffe von auswärts befürchtet wurden, Magnentius seinem Bruder Decentius die gallischen Provinzen und Constantius dem Gallus, dessen Namen er durch den eigenen ersetzte, den Osten im Rang von Caesares übertragen. (10) Sie selbst bekämpften einander über drei Jahre hinweg in heftigen Schlachten. Schließlich verfolgte Constantius den Flüchtigen nach Gallien und trieb beide (d. h. Magnentius und Decentius) dazu, sich auf unterschiedliche Weise selbst zu töten. (11) Unterdessen wurde der Aufstand der Juden, die frevlerisch den Patricius zu einem Scheinkönigtum erhoben hatten, niedergeschlagen. (12) Nicht viel später kam wegen seiner Brutalität und seines grausamen Wesens Gallus auf Befehl des Augustus um. (13) Und so gelangte nach einer langen Zeitspanne von ungefähr siebzig Jahren die Sorge für den Staat wieder an einen Einzigen. (14) Eben erst nach den inneren Unruhen zur Ruhe gekommen, wurde der Staat, indem Silvanus zur Herrschaftsübernahme gezwungen worden war, erneut erschüttert. (15) Dieser Silvanus nämlich, der aus Gallien von barbarischen Eltern abstammte, hatte sich im Militärdienst, zudem durch seinen Seitenwechsel von Magnentius zu Constantius, in jungem Alter zum Magister peditum hochgedient. (16) Als er aber von da aus Furcht oder aus Unvernunft noch höher aufgestiegen war, wurde er in einer Meuterei der Legionen, von denen er Unterstützung erhofft hatte, ungefähr am achtundzwanzigsten Tag erschlagen. (17) Damit aus diesem Grund bei den Galliern, die von Natur aus ungestüm sind, kein Aufstand ausbrach, zumal die Germanen weite Teile von deren Gebieten verwüsteten, setzte Constantius den ihm genehmen Julian als Caesar über die Gebiete jenseits der Alpen ein, und dieser unterwarf in kurzer Zeit die wilden Stämme, wobei ihre berühmten Könige in Gefangenschaft gerieten. (18) Obgleich dies durch dessen Glück zustande kam, steckte dahinter doch auch die Planung des Princeps. (19) Diese ist so entscheidend, dass Tiberius und Galerius, solange sie anderen unterstanden, sehr viel Außerordentliches erreichten, aber unter eigener Führung und Auspizien weniger Gleichwertiges. (20) Iulius Constantius hingegen, der seit dreiundzwanzig Jahren als Augustus die Herrschaft innehat, hält sich, wenn er durch Angriffe bald von

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cum externis motibus, modo civilibus exercetur, aegre ab armis abest. (21) quis tyrannide tantorum depulsa sustentatoque interim Persarum impetu, genti Sarmatarum magno decore considens apud eos regem dedit. (22) quod Gnaeum Pompeium in Tigrane restituendo vixque pau5 cos maiorum fecisse comperimus. (23) placidus clemensque pro negotio, litterarum ad elegantiam prudens atque ornandi genere leni iocundoque, laboris patiens ac destinandi sagittas mire promptus, cibi, somni, libidinis atque omnium cupidinum victor, cultu genitoris satis pius suique nimis custos, gnarus vita bonorum principum rei publicae quietem 10 regi. (24) haec tanta tamque inclita tenue studium probandis provinciarum ac militiae rectoribus, simul ministrorum parte maxima absurdi mores, adhuc neglectus boni cuiusque foedavere. (25) atque uti verum absolvam brevi, ut imperatore ipso praeclarius, ita apparitorum plerisque magis atrox nihil.

1 dum Arntzen | ante externis add. modo Sylburg 4 restituisse P | ante vixque add. fecisse O 6 litterarumque O | orandi Schott 7 sagiptas O | ante cibi add. parcus Walter somni Rudoni : omnis OP 9 principem P 13 clarius dub. Schott

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auswärts, bald im Inneren herausgefordert wird, nur mit Mühe von den Waffen fern. (21) Nachdem er durch diese die Usurpation so bedeutender Männer beseitigt und zwischenzeitlich dem Angriff der Perser standgehalten hatte, gab er dem Volk der Sarmaten, als er sich bei ihnen aufhielt, zu seiner großen Herrlichkeit einen König. (22) Etwas, wie wir erfahren, das Gnaeus Pompeius bei der Wiedereinsetzung des Tigranes, und sonst nur wenige unserer Vorfahren getan haben. (23) Er ist den Umständen entsprechend sanft und milde; besitzt eine geschmackvolle literarische Bildung und hat einen sanften und angenehmen Stil beim Ausschmücken seiner Reden; er vermag Strapazen zu ertragen und ist beim Bogenschießen erstaunlich treffsicher; er beherrscht sich bei Speise, Schlaf, Wollust und allen Begierden; beim Verehren seines Vaters ist er reichlich pflichtbewusst und überaus bedachtsam bei der Verehrung seiner selbst; er weiß, dass die Ruhe im Staat durch den Lebenswandel der guten Kaiser bestimmt wird. (24) Diesen seinen so großen und so berühmten Eigenschaften haben das geringe Interesse beim Prüfen der Provinzstatthalter und Offiziere, außerdem das absonderliche Verhalten der meisten Hofbeamten sowie die Geringschätzung gerade der Tüchtigen Abbruch getan. (25) Und um die Wahrheit kurz und knapp zu sagen: ebenso, wie nichts ausgezeichneter ist als dieser Kaiser, ist auch nichts schrecklicher als die meisten seiner Gehilfen.

Kommentar Aurelii Victoris historiae abbreviatae – tertium Zum Titel vgl. die Diskussion Einl. S. 21–3. {id est a fine Titi Livii} Da Livius’ Ab urbe condita mit dem Tod des Drusus 9 v. Chr. endet, aber Victors Werk mit Augustus’ Machtergreifung (31 v. Chr.) schon früher einsetzt, ist dieser sachlich falsche Zusatz wohl kaum auf Victor selbst zurückzuführen, sondern die Interpolation entweder des Redaktors, der die drei Schriften vereint hat, oder eines späteren Kopisten. Daher sind diese Worte, wie D’Elia, Per una nuova edizione critica 108–110 vorgeschlagen hat, zu tilgen. bis zum zehnten … Julianus Gemeint ist einschließlich des Jahres 360 n. Chr. Die Angabe steht mit 42,20 im Einklang, wo Constantius II. dreiundzwanzig Herrschaftsjahre als Augustus zugeschrieben werden. 1. (1) anno urbis septingentesimo fere Der Wortlaut zu Beginn von Victors Historiae stimmt fast exakt mit Eutr. 7,1,1 überein, der anno urbis septingentesimo fere ac nono schreibt und damit den Beginn des Bürgerkriegs nach Caesars Ermordung im Vagen belässt, vgl. auch hist. Komm. duobus etiam Die Verbindung von Ordinalzahl und Kardinalzahl ist eine Eigentümlichkeit von Victors Stil, die bei anderen Autoren keine Parallelen aufweist, die aber, wie schon Stabile, Note critiche 392 gezeigt hat, etwa auch c. 3,1 imperium tres atque viginti, aevi octogesimum uno minus anno vorkommt. Es ist aber auch möglich, wie Schott vermutet hat, dass ursprünglich im Archetyp das Zahlzeichen II stand (so druckt er die Zahl in seiner Edition), dass dieses aber im Prozess der Überlieferung duobus anstatt secundo ausgeschrieben worden ist. Schott, Komm. 184 hat daneben auch einen verkürzten absoluten Ablativ wie z. B. duobus etiam additis in Erwägung gezogen, auch wenn es keine exakten Parallelen gibt (vgl. immerhin Liv. 2,58,1 numero etiam additos tres). Dagegen will Gruter, Komm. 329 secundo schreiben. Während bei der Subtraktion von Zahlen minus (etwa c. 42,8 tricesimo die triduo minus) verwendet wird, kommt hier bei der Addition etiam in der Bedeutung „noch, zusätzlich“ vor. Hingegen hat für Dacier, De Caesaribus 107 etiam die Bedeutung von rursus, iterum und gehört nicht zur vorangehenden Zahl, sondern zum folgenden mos Romae incessit uni prorsus parendi, da schon vor Augustus in der Königszeit Rom eine Monarchie gewesen sei, die sich mit Augustus wiederholt habe. Die Parallele Epit. Caes. 1,1 mos Romae repetitus uni prorsus parendi spreche auch für diese Deutung.

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Die Epitome ist an dieser Stelle ausführlicher, da sie explizit auf die Vertreibung der Könige verweist und statt etiam das Partizip repetitus hat. Indessen kann etiam nicht „wieder“ bedeuten, vgl. Dufraigne, Aurelius Victor 65 mit dem Verweis auf ThLL s. v. etiam Sp. 928,61–68, der nur Beispiele aus der Komödie und der Vulgata anführt, in denen etiam beim Imperativ in dieser Bedeutung vorkommt. Deswegen hat Maehly, Zur Kritik 264 den Text verändert und iterum anstelle von etiam geschrieben, was Mollea, In Maehly’s Footsteps 709–13 übernimmt. Dieser hält duobus für eine Textverderbnis anstelle von secundo und führt als Parallele Liv. 3,33,1 an, der bezüglich der Herrschaft der Decemvirn anno trecentesimo altero quam condita Roma erat iterum mutatur forma civitatis ab consulibus ad decemviros schreibt. Hingegen hat Victor mit einer ähnlichen Formulierung bei der Machtübernahme Konstantins (c. 41,10 eo modo res publica unius arbitrio geri coepit) erneut auf die Monarchie verwiesen, ohne Augustus oder die Königszeit zu berücksichtigen. Aus diesem Grund ist es wahrscheinlich, dass Victor hier im Gegensatz etwa zum Epitomator keine Parallele zwischen Augustus und der Königsherrschaft ziehen will, sondern nur die Tatsache betont, dass das Regime ab diesem Zeitpunkt monarchisch wurde (analog zu c. 41,10). Daher sollte man den überlieferten Text, in dem Ordinal- mit Kardinalzahl vermischt und der Zusatz durch etiam verdeutlicht wird, als Stileigentümlichkeit des Aurelius Victor betrachten und nicht zu korrigieren versuchen. magni avunculi Zu weiteren Belegen für die Bedeutung „Großonkel“ vgl. ThLL s. v. avunculus Sp. 1609,14–29, der z. B. Cic. Brut. 222 M. Drusum tuum (sc. Bruti) magnum avunculum anführt. Caesaris Das dreiteilige nach Behaghels Prinzip der wachsenden Glieder gebaute Kolon Octavianus … dictus bildet das Subjekt des Satzes, wobei dictus zeugmatisch Octavianus, Caesaris und Augusti cognomento regiert (ähnlich c. 20,10 c netiv Caesaris des zweiten Glieds gehört offenbar nicht zu magni avunculi, sondern ist mit cognomento des letzten Gliedes, das im Sinne einer konzisen Ausdrucksweise nur einmal gesetzt wird, zu verbinden, auch wenn die weite Sperrung Caesaris … cognomento ungewöhnlich erscheint. D’Elia, Per una nuova edizione critica 134 meint, dass Epit. Caes. 1,2 Caesaris maioris avunculi die Lesart der Codices stütze. Indessen folgt dort Gaius Caesar dictus, was D’Elias Argumentation nicht stützt. Die Suche nach Inkonzinnität und knapper Ausdrucksweise sind typische Merkmale von Victors Stil, während die Epit. Caes. 1,2 Octavianus igitur, patre

Kommentar

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Octavio senatore genitus … adoptione vero Gai Caesaris maioris avunculi Gaius Caesar dictus, deinde ob victoriam Augustus cognominatus est zwar ausführlicher, aber deutlich weniger komplex ist: So schreibt der Epitomator anstelle des konzisen nominalen Ausdrucks ob victoriam partium placide exercitam, mit dem Victor eine konzise, aber ausreichende Begründung für den Senatsbeschluss gibt, lediglich victoriam. Ohne weiteres kann man daher auf die von Cohn, Quibus ex fontibus 61 Anm. 51 gemachten Ergänzungsvorschläge von Gaius Caesaris dictus bzw. von Caesaris nach Caesaris verzichten. Vorzüglich ist dagegen der Vorschlag von Rudoni, Sei note 309, der analog zu c. 20,17 ob haec tanta Arabicum, Adiabenicum et Parthici cognomento patres dixere einfach den Nominativ Caesar schreibt; Caesaris ist dann wohl ein Influenzfehler wegen des Genetivs magni avunculi. procerum consulto Victor verwendet hier anstelle von senatorum bzw. senatus das allgemeinere proceres „Vornehme“ (ebenso c. 31,3 und 36,1, vgl. ThLL s. v. proceres Sp. 1515,76–1516,36), wodurch ein spezifischer Akt des Senats als Beschluss der Aristokratie qualifiziert wird. specie Sehr häufig verwendet Aurelius – wie schon Tacitus (etwa ann. 1,3,2. 1,4,4 etc.) – den Ablativ specie (c. 3,7. 5,5. 9,5. 12. 17,4. 21,1 etc.) bzw. den präpositionalen Ausdruck ad speciem (c. 35,4. 42,3), um den visuellen Effekt einer Aktion anzugeben. Daneben kann je nach Kontext mit specie auch angegeben werden, dass etwas „unter dem Vorwand“ bzw. „dem Anschein nach“ geschah (etwa c. 9,12 nomen … et annonae specie rapax sowie c. 38,8. 40,2). Gemeinsamer Nenner all dieser Stellen ist aber die Zurschaustellung der Handlung, an dieser Stelle der Getreideversorgung, so dass dies den Anschein erregte bzw. es deutlich wurde, dass die Getreideversorgung dank Augustus’ Fürsorge (curandae) korrekt ablief. Dufraigne, Aurelius Victor 66 betont mit Recht, dass hier mit specie „l’idée d’une ostentation plutôt que d’un ausgedrückt werde. Dieser Aspekt ist, vergleicht man die Parallele in Tac. ann. 1,2 ubi militem donis, populum annona, cunctos dulcedine otii pellexit, wohl ein Zusatz Victors gegenüber der Überlieferung. difficulter Die Form als Adverb anstelle von difficile ist klassisch nur bei Caes. civ. 1,62,1 belegt, kommt sonst in der Prosa etwa auch Liv. 1,52,4 oder Suet. Claud. 41 häufig vor. Etwa im siebenhundertzwanzigsten … noch zweien dazu Es ist nicht klar, weshalb der Beginn der Monarchie des Augustus durch fere relativiert wird, denn als Anfangspunkt gilt gemeinhin der Sieg über Antonius

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bei Actium 31 v. Chr. (vgl. 1,3 victo Antonio), also das 722. Jahr seit der Stadtgründung (vgl. Cass. Dio 56,3,5; Eutr. 7,8,1 f.; Hier. chron. 163c und Epit. Caes. 1,1); vgl. bezüglich Augustus’ Herrschaftsdauer entsprechend 1,2 circiter („ungefähr“), wobei die genannten 44 Jahre mit dem Ausgangspunkt 31 v. Chr. korrespondieren. Dass als alternativer Beginn der Alleinherrschaft etwa der Tod des Antonius im Jahr 30 v. Chr. Victor vorschwebe, ist unwahrscheinlich, weil diesem Ereignis in der antiken Historiographie keine Bedeutung bei der Periodisierung beigemessen wird; ebenso wenig liegt der Grund in den unterschiedlichen Berechnungsweisen ab urbe condita, auch wenn dies bei der Angabe in Eutr. 7,1,1 der Fall sein soll, vgl. Groß, Komm. (KFHist B 3) 218. 1. (2) consumptus Die Ellipse der Copula est besonders bei zusammengesetzten Tempora kommt bei Victor sehr häufig vor, ebenso z. B. c. 1,5. 6. 7; 21,4. externarum ist die von beiden Codices überlieferte, auch klassisch belegte Form, die ebenso c. 41,23 externarum sane gentium vorkommt, weshalb Gruners (von Pichlmayr übernommenes) exterarum keine Berechtigung hat. (4) clauserit Der Konjunktiv im von quamquam eingeleiteten Konzessivsatz löst seit Tacitus den gebräuchlicheren Indikativ ab (etwa ann. 1,3,5) und wird im Spätlatein ohne Bedeutungsunterschied neben dem Indikativ verwendet, vgl. H.-Sz. 602 f. Neben dem Konjunktiv (auch c. 4,1. 13,13. 20,10) gebraucht Victor quamquam oft auch in partizipialen Konstruktionen (etwa c. 5,9. 15. 14,9 etc.) und selten mit Indikativ (c. 33,23. 41,21). civiles Das von OP überlieferte civilis, das nach Victors Sprachgebrauch Nominativ oder Genetiv Singular ist, hat im Satz kein Bezugswort. Sinnvoll ist daher Schotts Korrektur civiles, das zum Attribut von mores wird (vgl. etwa c. 22,3 inciviles animos). intemperantia Das von den beiden Codices überlieferte intemperantis1 ergibt in diesem Satz keinen Sinn. Schott, Komm. 185 hat das -s am Wortende als -e gelesen und intemperantie als Ablativ von einem sonst nirgends belegten intemperanties aufgefasst. Da diese Form auf einer falschen Lesart Schotts beruht und sonst nirgends belegt ist, kann sie ohne weiteres verworfen werden. Hingegen passt die Konjektur von Dacier, De Caesaribus 108 intemperantia, die auch Corbett, The De Caesaribus 255 sowie 1

Corbett, The De Caesaribus 255 meint in P intemperantus zu erkennen, doch bestätigt die Inspektion der Handschrift die Lesart intemperantis.

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D’Elia, Per una nuova edizione critica 111 Anm. 15 bevorzugen und die als Ablativ analog zu luxuria und cupidine durch atque mit ad somnum verbunden ist, sehr gut in diesen Satz, auch wenn es für den Ausdruck ad somnum intemperantia keine genauen Parallelen gibt (anders etwa Epit. Caes. 42,18 somno multum temperans), was aber für Aurelius’ nominalen Stil nichts Außergewöhnliches ist (vgl. c. 9,6 infirmus adversum pecuniam und ähnlich Suet. vita Hor. p. 3*,15 Klingner ad res venereas intemperantior traditur). Hingegen ist Dufraignes intemperantes, das eine minimale Korrektur des überlieferten intemperantis darstellt und als Hyperbaton auf mores bezogen würde, weniger gut, weil abgesehen von einem totalen Bruch in der Konstruktion nicht die mores, die in diesem Satz als civiles lepidique bezeichnet werden, sondern Augustus selbst intemperans ist (nach ThLL s. v. intemperans Sp. 2105,46–2106,7 steht das Adjektiv sowohl bei Menschen als auch bei deren positiven bzw. negativen Eigenschaften); ebensowenig passt der Vorschlag intemperantior von Knecht, Rezension Dufraigne 291, da mitten im Satz ein Bruch der Konstruktion stattfände und Augustus, auf den sich der Dativ viro bezieht, Subjekt würde. Inhaltlich steht Victor, der Augustus’ Maßlosigkeit im Schlafen anprangert, somit im Widerspruch zu Epit. Caes. 1,22 aliquatenus vero somni abstinens und zur gemeinsamen Quelle Suet. Aug. 78,2, der den Kaiser als saepe indigens somni bezeichnet, weil er in der Nacht nicht ausreichend habe schlafen können. 1. (5) doctorum ist wohl Genetiv Plural von doctus (und nicht wie c. 14,2 von doctor, vgl. Cardinali, Aurelii Victoris Liber 79) und nimmt Suet. Aug. 89,3 wieder auf, der berichtet, dass Augustus ingenia saeculi sui omnibus modis fovit. necessariorumque Mit necessarii sind hier wohl nicht Augustus’ Blutsverwandte gemeint, sondern die von ihm geförderten Freunde (vgl. ThLL s. v. Sp. 353,11–45, der Beispiele nicht nur zum Bereich der Verwandtschafts-, sondern auch der Freundschaftsbeziehungen gehört), die in Eutr. 7,8,4 und Epit. Caes. 1,16 mit dem Begriff amici bezeichnet werden. percultor Typisch für Victors konzisen Stil ist die Ellipse der Kopula est in nominalen Konstruktionen mit adjektivischen oder substantivischen Prädikatsnomina, die besonders der Charakterisierung von Personen dienen (vgl. auch c. 2,1 beim Partizip puniens etc.). attineretur Da das Verb attineo nach ThLL s. v. Sp. 1143,23–51, der diese Stelle anführt, im übertragenen Sinn auch „beschäftigen, packen,

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fesseln“ bedeutet, ist die Lesart von O derjenigen von P retineretur vorzuziehen und macht der Vorschlag von Gruter, Komm. 330 teneretur überflüssig. (6) pater patriae … habitus. Das Partizip habitus (sc. est), das hier das Prädikat des Satzes bildet, entspricht nach ThLL s. v. habeo Sp. 2461,26 f. an dieser Stelle einem griechischen Partizip wie z. B. ὑπάϱχων, ὤν, γενόμενοϲ, wobei haberi als Ersatz von esse dient (so auch c. 3,4; 5,14. 17; 17,1; 20,8 etc., vgl. dazu ThLL s. v. habeo Sp. 2458,83–2459,56). Damit verbunden sind zwei Satzglieder, die prädikative Ergänzung im Nominativ pater patriae und zeugmatisch der Ablativ qualitatis tribunicia potestate, wobei das erste durch das präpositionale Objekt ob clementiam, das zweite durch das Adverb perpetuo erweitert wird. Angesichts der Härte dieser Formulierung hat Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 491 den zweiten Teil des Satzes folgendermaßen geändert: pater patriae ob clementiam vocatus tribuniciam potestatem perpetuo habuit. Dies stellt aber einen gewaltsamen Eingriff in den überlieferten Text dar. Eleganter ist Fuhrmanns Vorschlag, vor habitus das Adjektiv dignus, das den Ablativ tribunicia potestate regiert, zu ergänzen. Dagegen verteidigt Stabile, Note critiche 388 f. den überlieferten Text, in dem haberi eine doppelte Funktion erfülle und sich sowohl auf pater patriae in der Bedeutung von „gehalten werden“ als auch auf tribunicia potestate in der Bedeutung von „sein“ beziehe. Angesichts des zu Kürze und Inkonzinnität neigenden Stils Victors und der Parallele c. 20,10 horum infinita caede crudelior habitus et cognomento Pertinax, wo ebenfalls ein Nominativ und ein Ablativ von habitus abhängen, kann man am überlieferten Text festhalten. 2. (1) sudolus et occultior Victor zählt in einer assoziativen Kette Tiberius’ Eigenschaften im Nominativ und Ablativus qualitatis auf, wobei die Konstruktion nominal ist und ohne verbales Prädikat auskommt; vgl. Tac. ann. 6,51 occultum ac subdolum f gensatz zu Victor ohne Komparativ. cuperet Der Konjunktiv cuperet im Nebensatz könnte iterativ sein (vgl. H.-Sz. 547) und von Victor lediglich um der Variatio willen neben die Indikative abnuebat und erant gesetzt worden sein. Vielleicht handelt es sich aber bloß um einen Konjunktiv obliquus, der im Spätlatein oft unbegründet ist und in Relativ- und anderen Gliedsätzen der Aussage keine besondere Färbung verleiht, vgl. dazu K.-St. 2,309 und H.-Sz. 575. (2) adhuc kann im nachklassischen Latein die Bedeutung von praeterea annehmen (vgl. H.-Sz. 485); das zweite nur von P überlieferte adhuc

Kommentar

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ist eine fehlerhafte Wiederholung des Kopisten von P und kann ohne Verlust getilgt werden. flagitiis obtentui Der finale Dativ obtentui kommt ebenfalls in Sall. hist. 1,55,24 [= or. Lep. 24] in der Junktur vitiis obtentui vor. quaesiverat Pichlmayr, Zu den Caesares 15 und Petschenig, Zu spätlateinischen Schriftstellern 154 nehmen an, dass an dieser Stelle das Plusquamperfekt anstelle eines Perfekts steht. Die Verschiebung des Tempus vom Imperfekt bzw. Perfekt zum Plusquamperfekt, wo gemäß der Logik der Erzählung keine weitere Vorzeitigkeit notwendig erscheint, ist ein im Spätlatein häufig belegtes Phänomen, vgl. dazu H.-Sz. 320 f. Bei Victor kann man die Plusquamperfekte etwa in c. 11,4 appellaverat und in c. 13,10 molliverat als Tempusverschiebung auffassen. An dieser Stelle stellt hingegen das Plusquamperfekt die beschriebene Handlung als Analepse gegenüber dem natürlichen Erzählfluss dar, weshalb es sich um keine Tempusverschiebung handelt. 2. (3) quare solutis … artibus In der gemeinsamen Vorlage von OP hat wohl quaresolutis gestanden, was in O als qua resolutis, in P als quare solitis (die Verwechslung von u und i ist dabei sekundär) erscheint; Schotts schreibt auf der Grundlage von P quare solutis (quare kommt am Satzanfang auch in c. 5,3. 39,27. 40,13 vor). Maehly, Zur Kritik 264 vermutet eine Haplographie und schlägt quare resolutis vor, während D’Elia, Per una nuova edizione critica 134 quo resolutis vorschlägt und als Parallelen für quo etwa c. 11,9 quo moti milites und 39,7 quo mihi mirum videtur angibt. Es fehlt eine exakte Parallele für die Junktur artem solvere. Zwar hat Epit. Caes. 2,9 resolutis artibus, davon abgesehen, weist der Satz sonst aber kaum wörtliche Übereinstimmungen mit Victor auf. Ebenso schreibt Tac. hist. 1,51 disciplinae, quam … discordiae civium resolvunt, aber die Parallelen in Liv. 29,21,13 solutaque disciplina militiae und 40,1,4 solutam disciplinam militarem beweisen, dass übertragener Bedeutung verwendet werden kann. Darüber hinaus bevorzugt Victor wie schon sein stilistisches Vorbild Sallust Simplicia anstelle von Komposita, vgl. Einl. S. 34. Dieser Befund spricht daher für Schotts Lösung, die am nächsten an dem von OP überlieferten Text bleibt. iuris Romani Der von P überlieferte possessive Genetiv iuris (vgl. dazu ThLL s. v. Sp. 695,10–17 mit weiteren Beispielen zur Besitzangabe aus dem Spätlatein; vgl. c. 9,8 ius Romanum und die Junktur gratia iuris Romani in c. 39,16, die sich auf die Einflusssphäre des römischen Rechts bezieht) gibt wohl in verkürzter Form das wieder, was Tac. ann. 3,71,1

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iuris atque imperii Romani esse bezeichnet. Daher passt es besser als das von O überlieferte ruris, das den Bereich der Plünderungen zu sehr auf die Umgebung Roms einschränken würde. inter exordia Die von Olivarius vorgeschlagene Konjektur inter exordia ist im Gegensatz zum überlieferten inter exedra in diesem Kontext sinnvoll und kommt als Junktur auch c. 24,6 vor. provinciam Mit Recht korrigiert Opitz, Quaestiones 10 das überlieferte provincia auf Grund des Textes von Epit. Caes. 2,8 in provinciam remoto Archelao rege eorum redegit. Tacfarinate Da das überlieferte de farnace offensichtlich verderbt ist, muss man wohl Schotts Korrektur Tacfarinate übernehmen, da der König bei Tacitus stets Tacfarinas heißt (z. B. ann. 2,52,1). 2. (4) qua tenebantur, praefecturam appellans vel augens praetorio Der Nebensatz qua tenebantur kann zwar mit dem vorangehenden in castra apud urbem redegit verbunden werden, wenn qua als Adverb „wo“ (wie c. 9,8) und teneri in der Bedeutung „sich aufhalten“ übersetzt werden (vgl. Caes. Gall. 3,17,5 Sabinus … castris sese tenebat; vgl. Suet. Tib. 3 continerentur). Doch wäre dieser Zusatz ziemlich funktionslos und gegenüber der Aussage in castra apud urbem redegit pleonastisch; das folgende praefecturam augens praetorio wäre dann eine weitere, in keiner Weise mit dem vorausgehenden Satz verbundene Anmerkung. Vielmehr bedeutet tenere hier wie in c. 41,16 cum totum orbem tredecim tenuisset „herrschen“ und qua (sc. praefectura) weist auf das im folgenden genannte Amt der Prätorianerpräfektur und nicht wie in Suet. Tib. 3 Romae castra constituit, quibus praetorianae cohortes vagae ante id tempus et per hospitia dispersae continerentur auf die Kaserne der Prätorianer (castra praetoria c. 28,11) hin. Die Prätorianerpräfektur (praefectura praetorio) kommt auch später (c. 9,10 f. 20,34. 22,1. 38,1) vor, wobei Victor damit immer das Amt und nicht die Amtsstelle b Sp. 607,15 f.). Die eigentliche Schwierigkeit liegt bei den beiden dazwischenstehenden und durch vel verbundenen Partizipien appellans und augens. Nach D’Elia, Per una nuova edizione critica 183 zeigt vel wie im Fall von c. 40,3 eine varia lectio an, wobei seiner Meinung nach jeweils das erste Glied, hier also appellans vel zu tilgen ist; zustimmend Knecht, Rezension Dufraigne 291. praefecturam appellans vel augens praetorio ist das Prädikatsnomen zum qua-Satz. Da der instrumentale Ablativ bei Victor mit augere verbunden werden (c. 21,4 aucta urbs magno accessu) und augere „durch etwas erweitern“ bedeuten kann, scheint es möglich zu sein,

Kommentar

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praefecturam nur mit appellans und praetorio nur mit augens zu verbinden und zu übersetzen: „wobei er das Vorsteheramt, von dem sie kommandiert wurden, Präfektur nannte, oder (bzw. und) um den Zusatz ‚prätorisch‘ erweiterte.“ Doch gibt es keine Beispiele für Zusätze von Attributen bzw. Epitheta, sondern nur immerhin von Silben, so etwa Tac. hist. 5,2.1 accolas Idaeos aucto in barbarum cognomento Iudaeos vocari, vgl. ThLL s. v. augeo Sp. 1348,64–69 und 1353,48–55. Daher bilden praefecturam und praetorio trotz ihrer Sperrstellung auch hier eine Einheit. vel kann zusätzlich zur disjunktiven Bedeutung, die auch im Spätlatein verbreitet ist, oft auch nur „und“ (vgl. H.-Sz. 502, bei Victor eventuell auch c. 35,14) bedeuten. Man kann daher den überlieferten Text folgendermaßen übersetzen: „wobei er das Vorsteheramt, von dem sie kommandiert wurden, Prätorianerpräfektur nannte und förderte.“ Auf die Stärkung des Amts der Präfektur weist Tac. ann. 4,2,1 vim praefecturae modicam antea intendit dispersas per urbem cohortis una in castra conducendo, ut simul imperia acciperent numeroque et robore et visu inter se fiducia ipsis in ceteros metus oreretur hin. ceteros paritorum praesidesque Das äußerst seltene paritor ist nach ThLL s. v. Sp. 410,32–39 wohl ein Synonym zu apparitor (deshalb erübrigt sich die Konjektur von Gruter in seinem Exemplar von Schotts Edition [gemäß der Angabe von Arntzen, Sextus Aurelius 313] apparitorum). paritores und praesides bezeichnen hier gemäß einer unbestimmten Nomenklatur die verschiedenen Sicherheitsapparate und deren Vorsteher, die seit Augustus neben den Prätorianern im Dienst waren, vgl. dazu Dufraigne, Aurelius Victor 71 Anm. 16. das Vorsteheramt ... eingesetzt Der Passus, der sich an die Nachricht über die Errichtung des Prätorianerlagers anschließt und die Einrichtung der Prätorianerpräfektur irrtümlich Tiberius zuschreibt, gehört nicht zum Kernbestand der zugrundeliegenden Urquelle: der Augustusvita nicht zur Prätorianerpräfektur und erwähnt in der Tiberiusvita (37,1) lediglich das Konzentrieren der verstreuten Einheiten auf das neue Lager. Die von Sueton übergangene Einrichtung der Präfektur wurde folglich in einer späteren Stufe der Überlieferung nachgetragen, indem statt Augustus fälschlich Tiberius zu ihrem Begründer erklärt wird, vgl. Cass. Dio 55,10 (2 v. Chr.) und de la Bédoyère, Praetorian 50–52. Für den Irrtum dürfte die EKG oder ihre Quelle (vgl. Enmann, Eine verlorene Geschichte 413 und 424) verantwortlich sein. Victor zeigt bis zur Auflösung der Prätorianer unter Konstantin ein durchgehendes Interesse an dieser

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Formation und ihrem Präfekten (vgl. 9,10; 13,9; 24,6; 27,1; 27,8; 38,1; 38,6; 39,14; 39,42; 39,47; 40,18; 40,25), vgl. Christ, Kaiserideal und Geschichtsbild 191. 3. (1) igitur Am Satzanfang knüpft igitur wie in Sall. Catil. 1,2; 4,1; 9,1 oft an einen Gedanken an bzw. führt ihn fort. Im Spätlatein ist igitur aber wie andere Partikeln (vgl. etwa Komm. c. 6,1 at) abgeschwächt und entspricht oft dem griechischen δέ, vgl. dazu H.-Sz. 512 f. febri an Von den Vorschlägen, das von O und P überlieferte ferian zu verbessern, ist wohl Pichlmayrs febri an der beste, da Suet. Tib. 73,2 unter den möglichen Ursachen, die zu Tiberius’ Tod führten, auch das Fieber erwähnt, vgl. dazu auch Pichlmayr, Zu den Caesares 16. Opitz, Zur Kritik der Caesares 651 f. will es tilgen, da mit an (cf. 19,1) wie mit vel (so c. 2,4; 40,3) eine Variante eingeführt werde, die zu streichen sei. In diesem Fall handelt es sich aber um die Ungewissheit Victors (ebenso wie Suetons an der oben angeführten Stelle) bezüglich der Todesursache und nicht um eine spätere Interpolation. Da Tiberius bei Victor mit dem vollen Namen (c. 2,1), aber auch nur mit dem Cognomen Nero (3,17) bezeichnet wird, ist hier der Gentilname Claudius für die Nennung ausreichend. Daher sind die Korrekturvorschläge von Schott, der Tiberio iam hat, oder von Maehly, der Tiberio vi an schreibt, nicht sinnvoll; ebensowenig gibt es für die Richtigkeit von Arntzens fato an oder von Damstés Seiani Anhaltspunkte. anno Während in P annos offenbar mit dem am Anfang stehenden tres atque viginti, von dem es durch ein äußerst kühnes Hyperbaton getrennt ist, verbunden wird, bevorzugt Stabile, Note critiche 389 anno von O, da es näher an uno minus steht. In der Regel wird bei Victor annos immer mit einer ihm folgenden Kardinalzahl (z. B. c. 8,6. 24,7), anno dagegen mit einer Ordinalzahl verbunden, die entweder vor (etwa c. 11,7. 39,48) oder nach anno (c. 4,14. 16,14) steht. Die Parallele c. 41,16 ita anno imperii tricesimo secundoque, cum totum orbem atque amplius duo zeigt, dass die Angabe anno nur einmal steht und mit der ihm am nächsten angegebenen Zahl kongruiert; aus diesem Grund ist anno wohl die ursprüngliche Lesart. Da unmittelbar danach das Prädikat egisset steht, das transitiv ist und sowohl imperium tres atque viginti (vgl. c. 13,11 acto imperio annos prope viginti) als auch aevi octogesimum (auch hier steht die Ordinalzahl octogesimum anstelle der Kardinalzahl octoginta) uno minus anno regiert, hat wohl der Schreiber von P die Jahresangabe an das Prädikat angepasst und annos geschrieben.

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maiorum gratiae Die Korrektur des überlieferten gratiae durch D’Elia in gratia (ähnlich wie in c. 5,2. 29,1. 33,21) ist nicht notwendig, da der finale Dativ gemäß ThLL s. v. Sp. 2221,21–25, der diese Stelle anführt, anstelle von in bzw. ad gratiam vorkommt (so schon Dacier, De Caesaribus 110, die in ihrer Ausgabe gratiae behält und es mit in gratiam gleichsetzt), vgl. etwa Sall. Iug. 104,5 nach dem Zeugnis von Arus. gramm. VII 476,16 und Sen. benef. 6,8,3. Ebenso kann selten der finale Dativ einen Genetiv (wie hier maiorum) bei sich haben, so etwa Sall. Iug. 24,10 Iugurthae scelerum ostentui essem, ebenso Tac. hist. 12,14,3, vgl. dazu K.-St. 1,342 und H.-Sz. 98 mit weiteren Beispielen. 3. (2) Drusus Die von Schott vor Drusus vorgeschlagene Ergänzung paterno (sc. genere) erübrigt sich, da dieser im folgenden klar als pater e quo is oriebatur bezeichnet wird, wie schon Arntzen, Sextus Aurelius 314 bemerkt hat. (3) permovebantur Die Korrektur von Schott, Komm. 186 permovebatur ist, wie bereits Baehrens, Victor, 253 f. gezeigt hat, überflüssig, weil nach vulgus eine Constructio ad sensum möglich ist (vgl. Apul. met. 4,2 vulgus … appellant, vgl. dazu H.-Sz. 436 f.), ebenso Stabile, Note critiche 389; dagegen D’Elia, Per una nuova edizione critica 111 Anm. 15, der die Überlieferung wegen „l’impossibile assonanza ‚permovebantur–nitebantur‘“ verwirft, was aber ziemlich abwegig ist, da Victor etwa c. 39,3 quae quamquam plus quam … schreibt. (5) suis Auch wenn bei Victor similis meist den Genetiv regiert (c. 28,6. 39,44; aber c. 33,29 kommt – zusammen mit par – auch der Dativ vor), ist an dieser Stelle ein Plural notwendig, da zuvor mehrere Verwandte Caligulas genannt worden sind, denen Caligula ähnlich sein sollte, während sich sui nach dem überlieferten Text auf prudentissimus quisque bezöge. Daher ist Schotts Korrektur sinnvoll und nötig. wie durch ein Naturgesetz Mit dem H eine Brücke geschlagen von Caligulas verdorbenem Charakter zu der Empfehlung der Philosophen, keine eigenen Kinder zu haben (3,6). Wie wenig belastbar dieses Naturgesetz ist und wie variabel derartige Verallgemeinerungen im Bedarfsfall gehandhabt werden können, zeigt Libanios in einem an die Konstantinsöhne Constantius II. und Constans gerichteten Panegyrikus, in welchem er Platon mit den Worten: „So gut sind sie geworden, weil sie von Guten abstammen“ (Menex. 237 A) zitiert und feststellt: „So geht auch bei der menschlichen Natur die Tugend der Erzeuger

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gewöhnlich auf die Nachkommen über, sofern der Neid nicht stärker ist als das Glück“ (Lib. or. 59,10 f., Übers. nach Portmann). 3. (6) auf eigene Kinder zu verzichten Bird, Liber de Caesaribus 60 Anm. 5 schließt hieraus, „Victor may have been childless himself for that very reason.“ Der Passus dürfte aber eher auf Constantius II. zielen, der abgesehen von der posthumen Geburt der Tochter Constantia (PLRE 1,221 Constantia 2) kinderlos geblieben war, vgl. zu Constantius’ Kinderlosigkeit Iul. ad Ath. 271 A (ἀπαιδία als Strafe für frühere Vergehen). Das Thema der aus der Art geschlagenen Kinder erörtert der Autor der Historia Augusta ausführlich in Sept. Sev. 20,4–21,6. (7) meliores famulos Schott, Komm. 187 setzt aufgrund des folgenden atrociorem dominum und wegen Suet. Cal. 10,2 nec servum meliorem ullum nec deteriorem dominum fuisse das überlieferte meliores famulos in den Singular meliorem famulum. Jedoch ist der Plural nicht nur stilistisch als sogenannter ‚poetischer Plural‘ (vgl. dazu H.-Sz. 16 f. und Komm. c. 9,7 monumenta) gerechtfertigt, sondern suggeriert, dass es im Gegensatz zur Rolle des Herrschers (also des Kaisers), der nur einer ist, überhaupt viele verschiedene Diener gibt. (8) recens Das Adverb recens bedeutet an dieser Stelle gemäß ThLL s. v. Sp. 293,43 f., der als Parallele auch Tac. hist. 2,10,1 nam recens Galbae principatu censuerant patres anführt, soviel wie „sogleich, am Anfang“. decem Das überlieferte anni mensibus ergibt als Zeitangabe ohne Zahl keinen Sinn. Victor verwendet bei annus immer eine Zahlenangabe (auch c. 27,5 horum imperio ad biennium per huiuscemodi moras annus quaesitus wird dies aus dem Kontext klar). Zu Recht Arntzen, Sextus Aurelius 316: „quis enim, qui humane loqui velit, umquam dicet aliquid mutari anni mensibus“, weshalb schon Hertz, Miscellen 287 die Ergänzung von primi primis oder prioribus zwischen anni und Suet. Cal. 59 gibt als Herrschaftsdauer imperavit triennio et decem mensibus diebusque octo (ebenso Eutr. 7,12,4) an. Da Victor c. 3,9 die Dauer der Schreckensherrschaft mit triennium bemisst, kann man aus der Differenz zwischen den beiden Zahlen die Dauer der guten Regierung errechnen. Es sind 10 Monate und einige Tage. Bei einer approximativen Zeitangabe, wie sie bei Victor üblich ist, kann man auf die Tage verzichten. Man sollte also anstelle von anni die Zahl decem schreiben; c. 22,4 zeigt darüber hinaus, dass auch die zeitliche Dauer im Ablativ ausgedrückt werden kann.

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Möglicherweise hat ein Kopist im Laufe der Überlieferung eine abgekürzte Form von decem fälschlich als añ (= anni) aufgelöst. Vgl. auch Einl. S. 10. patres Schotts geringfügige Korrektur des von beiden Codices überlieferten partes verbessert den Text, da der Senat als definierte soziale Gruppe besser als die politischen Faktionen (partes) den Gegensatz zum Volk und zu den Soldaten markiert. praedicavit Das von OP überlieferte praedicaret im Konjunktiv Imperfekt ist ohne Zweifel korrupt (und wohl wegen des quasi davor entstanden), da die Aussage im Hauptsatz steht (anders Dacier, De Caesaribus 111) und daher der Konjunktiv unnötig ist; somit ist der Vorschlag von Schott, Komm. 187 praedicavit, der nur zwei Buchstaben ändert, die beste Lösung. Dagegen will Petschenig, Zu spätlateinischen Schriftstellern 154 praedicarat schreiben. Ihm folgt Dufraigne, Aurelius Victor 73 Anm. 9. Es ist zwar möglich, dass Victor das Plusquamperfekt bisweilen gleichbedeutend mit dem Perfekt verwendet (vgl. Komm. c. 2,2 quaesiverat), doch kommen bei ihm im Plusquamperfekt außer in c. 13,13 P simularat (O hat simulaverat) nie die kontrahierten Formen, sondern immer die vollen auf verat vor, weshalb Schotts Korrektur den Vorzug verdient. nullius oneri aut incommodo Zum Genetiv beim finalen Dativ anstelle des doppelten Dativs verwendet, vgl. Komm. c. 3,2 maiorum gratiae. Daher sind die Korrekturvorschläge von Sylburg, Komm. 725 nullis bzw. nulli usquam nicht nötig. 3. (9) innocentium Da Victor beim Genetiv Plural der Partizipien der dritten Deklination stets die Endung -ium und nicht -um, die in nichtklassischen Autoren durchaus belegt ist (vgl. dazu ThLL s. v. Sp. 1770,73– 75 und K.-H. 353 Anm. 10.), verwendet (etwa c. 3,6 sapientium und c. 5,5 nubentium etc.), ist Schotts Korrektur des von P überlieferten innocentum wohl richtig, wofür auch das von O überlieferte nocentium spricht. (10) matrimoniis illudens nobilibus Das tung „sich vergreifen, misshandeln“ wird an dieser Stelle mit dem metonymisch verwendeten Dativ matrimoniis („Ehefrauen“) verbunden, vgl. dazu ThLL s. v. illudere Sp. 389,79 und ThLL s. v. matrimonium Sp. 480,69 f. (11) spe Schott, Komm. 187 schlägt specie anstatt des überlieferten spe vor. Caligula hätte somit die Legionen nur unter dem Vorwand, nach Germanien überzusetzen, zusammengezogen, in Wirklichkeit diese aber zum Sammeln von Muscheln eingesetzt. Suet. Cal. 46 erwähnt, dass Caligulas Soldaten Muscheln am Strand des Ozeans sammelten, erwähnt aber den Feldzug über den Rhein in einem anderen Zusammenhang c. 51,2 f. Wahr-

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scheinlich hat Victor auch an dieser Stelle zwei getrennte Informationen seiner Quellen miteinander verbunden. Daher empfiehlt es sich, weder aus sachlichen Gründen noch aufgrund der Textstellen aus Sueton das überlieferte spe zu ändern. 3. (12) accepisset ist wohl kein obliquer Konjunktiv im Kausalsatz anstelle des Indikativs (vgl. H.-Sz. 575), sondern ein in der Konstruktion verschobener Konjunktiv, von dem eine Akkusativ mit Infinitiv-Konstruktion (mit Ellipse von esse) abhängt, vgl. K.-St. 2,200 f. lumina Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 491 hat nach lumina den Infinitiv nominari, der wegen des Gleichklangs ausgefallen sei, hinzugefügt. Opitz, Zur Kritik der Caesares 650 bemerkt aber, dass Victor für „nennen“ nur appellare, vocare, dicere, aber nirgends im Werk nominare gebraucht, und verteidigt die Überlieferung mit dem Hinweis auf c. 13,8 quae Surana sunt, wo ebenfalls ein Verbum dicendi fehlt. Wahrscheinlich handelt es sich hier um einen doppelten Akkusativ, der von von accipere abhängt, vgl. K.-St. 2,292 f. (14) confosso Im Kontext der Tötung des Caligula passt das überlieferte confesso nicht, weshalb Schott mit Recht der Epit. Caes. 3,10 a militibus confossus gefolgt ist und confosso geschrieben hat. levare Der historische Infinitiv, der auch ein Stilmerkmal Sallusts und der Archaisten ist (vgl. dazu H.-Sz. 367 f.), kommt bei Victor wie hier isoliert (vgl. c. 4,10 interficere) oder in Ketten (vgl. c. 6,1. 14,6) vor. Somit erübrigt sich Pichlmayrs Korrektur levavere. relatumque Das überlieferte Partizip Perfekt Passiv praelatumque von praeferre („vorziehen“ so etwa in c. 11,7) könnte hier als Prädikatsnomen verwendet werden (vgl. dazu ThLL s. v. praeferre Sp. 616,23–36). Der ganze Satz würde dann mit „und besonders geschätzt wäre die hervorragende Tat des Brutus nach der Vertreibung des Tarquinius (gewesen), wenn nur römische Bürger Militärdienst Aussage ist aber kaum sinnvoll, da die Beziehung zwischen Bruti facinus, das nicht nur in der Ermordung des Tyrannen, sondern, wie schon Schott, Komm. 188 bemerkt hat, auch in der Wiederherstellung der Republik bestand, und dem Nebensatz unklar bliebe. Daher trägt die gemäß Pichlmayr von Klotz, Miscellanea 38 vorgeschlagene und von diesem übernommene Änderung des überlieferten praelatumque zu relatumque in der Bedeutung von „wiederholen, erneuern“ (vgl. dazu ThLL s. v. refero Sp. 624,29–55 mit Belegen aus allen Epochen) entscheidend zur Verbesserung des Verständnisses dieses Satzes bei. Victor erklärt also die Tatsache, dass Cali-

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gulas Tötung nicht zur Wiederherstellung der Republik geführt hat, damit, dass im Heer, das auch bezüglich der politischen Ordnung der entscheidende Machtfaktor war, nicht mehr römische Bürger, die ein Interesse an der eigenen politischen Partizipation haben konnten, dienten. per Im Spätlatein (bei Victor auch c. 4,2.10. 8,2. 11,4.10 etc.) drückt die Präposition per – häufiger als in klassischer Zeit – den Agens beim Passiv aus und kommt ohne Bedeutungsunterschied neben ab mit Ablativ vor, vgl. H.-Sz. 127 u. 240. exerceretur Dacier, De Caesaribus 113 fasst den Irrealis der Gegenwart als gleichbedeutend mit dem Irrealis der Vergangenheit exercita esset auf. Zwar besitzt auch der Konjunktiv Imperfekt eine Vergangenheitsbedeutung (so etwa c. 8,1; 33,1, vgl. auch H.-Sz. 332 f.), doch kann Victor durch diesen Konjunktiv auch angeben, dass dieser Zustand – die römischen Bürger leisten kaum mehr Militärdienst – allgemein in seiner Gegenwart gültig ist (ebenso c. 20,16 und 33,26 peteretur, vgl. K.-St. 2,397). 3. (14–16) wenn der Militärdienst nur von Quiriten Victors kontrafaktische Überlegung, dass mit dem beherzten Mordanschlag auf Caligula durch eine Gruppe mutiger und freiheitlich gesinnter Römer zugleich auch das Kaisertum als Institution abgeschafft worden wäre, wenn das Militär nur aus genuinen Römern bestanden hätte, entbehrt jeglicher Grundlage. Zum einen wird damit die Schuld an dem Fortbestand des Kaisertums in ahistorischer Weise einer Einzelperson angelastet, einem epirotischen Zenturio, der dafür verantwortlich gemacht wird, dass Claudius zum Kaiser erhoben wurde (3,16), denn ein römischer Zenturio, so der implizite Gedanke, hätte sich wie der legendäre Brutus verhalten, der den König vertrieben und für die Freiheit gekämpft hat. Zum anderen irrt Victor, wenn er im Glauben ist, es hätten in der Mitte des 1. Jahrhunderts „Auswärtige und Barbaren“ in den Reihen der Prätorianerkohorten gestanden, vgl. de la Bédoyère, Praetorian 35 mit Anm. 20. Weder trägt besagter Soldat den Namen Gratus) noch bei Suet. Claud. 10,2 (namenlos) wird der Eindruck erweckt, Claudius sei von einem externus oder barbarus entdeckt worden. Bei Victors Kommentar handelt es sich vielmehr um eine anachronistische Rückprojektion der Verhältnisse im Militär seiner eigenen Zeit auf das 1. Jahrhundert, vgl. Christ, Kaiserideal und Geschichtsbild 179 Anm. 8. Mit seiner Bemerkung geht es ihm aber ohnehin nur bedingt darum, die Situation des Jahres 41 n. Chr. kausal zu erfassen. Vielmehr nutzt Victor umgekehrt die Episode um Claudius’ Kaisererhebung dazu, sein Missfallen an dem Umstand auszudrücken, dass es zu

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seiner Zeit im römischen Heer (zu) viele „Auswärtige und Barbaren“ gibt, vgl. Bird, Liber de Caesaribus 42; (mit externi sind Provinzialen, mit barbari Nichtrömer gemeint; unklar Chauvot, Opinions romaines 209). Victors sicherlich überzogene Kritik gehört trotz des ambivalenten Verhältnisses, das stets gegenüber Barbaren herrschte, zu den explizitesten Aussagen in der römischen Literatur des 4. Jahrhunderts und reflektiert einen eigentümlichen ‚Patriotismus‘ des Verfassers, vgl. die Verachtung des Laktanz gegenüber der barbarischen Leibwache des Maximinus Daia (Lact. mort. pers. 38,6). Gleichwohl waren seit der Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert vor allem von Kaiser Konstantin verstärkt Germanen ins Heer aufgenommen worden, ohne dass sich genaue Zahlen benennen lassen, vgl. hierzu Zos. 2,15,1. Dieser Trend hielt zu Victors Zeiten und darüber hinaus weiter an; so ist etwa für den Winter 357/8 die Gefangennahme und Zwangsrekrutierung von mehreren hundert fränkischen Kriegern durch Julian überliefert (Lib. or. 18,70; Amm. 17,2,1–3). Vgl. zur Frage der ‚Barbarisierung‘ des römischen Heeres Hoffmann, Das spätrömische Bewegungsheer I, 132. 137–55; Nicasie, Twilight of Empire. The Roman Army from the Reign of Diocletian until the Battle of Adrianople, Amsterdam 1998, 97– 107; S. Rocco, L’esercito romano tardoantico, Padua 2012, 443–66; Meier, Geschichte der Völkerwanderung 338–44 und das Personenverzeichnis bei M. Waas, Germanen im römischen Dienst, Bonn 21971, 10. Die vielfältigen Gründe, die zur Präsenz von Barbaren im römischen Heer beitrugen, kommen bei Victor nicht zur Sprache, stattdessen führt er die Strukturveränderungen pauschal auf den (topischen) moralischen Verfall der römischen Gesellschaft zurück, vgl. auch 37,6 f. 3. (16) Vimius Nur Victor nennt den Namen dieses sonst unbekannten Soldaten (so O, während P unius hat, das aber syntaktisch unpassend ist und aus dem Festy Iunius macht, wofür es aber keinen Anhaltspunkt gibt), den etwa Suet. Claud. 10,2 nur gregarius 60,1,2 ϲτρατιῶταί τινεϲ). ortus Epiri Der Lokativ auch bei Ländern (vgl. c. 16,2 Campaniae) ist nachklassisch möglich, vgl. dazu H.-Sz. 150. Titum Da Claudius gemäß allen Quellen Tiberius Claudius Drusus hieß, ist Titum von P (bzw. Titus von O) ein Fehler. Wie Schott, Komm. 188 f. glaubt auch D’Elia, Per una nuova edizione critica 114 f., dass Victor aufgrund seiner guten Quellen kaum diesen Fehler gemacht haben kann, sondern dass ein Kopist die Abkürzung Ti. bzw. Tib. für Tiberius mit T. für Titus verwechselt hat. Daher schlägt er vor, den Text zu ändern und

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Tiberium zu schreiben. Doch da ihn auch Epit. Caes. 4,1 Titus nennt, muss der Fehler ziemlich alt sein und kann auf Victor selbst oder seine Quelle zurückgehen. Ein ähnlicher Fall ist der Kreter Nerva, vgl. Komm. c. 12,1 Cretensi. Familie der Caesares Gemeint ist die julisch-claudische Familie (vgl. Suet. Galba 1,1 progenies Caesarum in Nerone defecit), wobei ‚Caesar‘, das Cognomen der männlichen Familienmitglieder, gleichsam die Rolle des Gentilnamens einnimmt, vgl. 6,1 bei der Herkunftsbezeichnung des Galba: e gente clarissima Sulpiciorum. Vgl. auch hist. Komm. zu 13,12. 3. (17) patrui Da Tiberius der Onkel (vgl. Epit. Caes. 4,1) und nicht der Vater des Claudius war, ist die geringfügige Korrektur Schotts des überlieferten patri bzw. patris sinnvoll. dum Sowohl temporales (c. 39,11) als auch – wie hier – kausales dum regiert im Spätlatein manchmal den Konjunktiv, vgl. H.-Sz. 614. contemptui … haberetur Der finale Dativ contemptui (weder bei Sallust noch Tacitus vorkommend) ist mit haberetur – haberi hier in der Bedeutung von esse, vgl. Komm. c. 1,6 pater patriae … habitus – zu verbinden, vgl. Suet. Aug. 93,1 contemptui habuit. (18) mittunt … comprimere Die Setzung des Infinitivs nach mittere kommt nicht nur im Altlatein, sondern analog zum Griechischen auch im Spätlatein vor, vgl. H.-Sz. 345, weshalb der Vorschlag von Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 491, der analog zu c. 19,4 qui ocius ausum opprimeret (!) schreibt, überflüssig ist. (20) conatus vacuos a fortuna cassosque Was Victor mit der Junktur, die außer in der ebenfalls schwer verständlichen Sentenz Publil. F 6 fortuna unde aliquid fregit, cassum est (vel quassat omnia) fast nirgends Parallelen aufweist, ausdrücken will, ist umstritten. Gemäß dem überlieferten Text sind „die menschlichen Vorhaben glücklos und nichtig“, wobei sowohl vacuos als auch cassosque P synonymische congeries dem Gedanken Emphase verleiht. Bei Victor umfasst fortuna wie das griechische τύχη ein weites Spektrum, das vom Zufall über das Glück bis zum Schicksal (vgl. c. 21,2; 31,3; 42,18) reicht. In einem auktorialen Kommentar c. 24,11 betont Victor die negative Macht der fortuna für die Menschen, während in c. 20,12 die Menschen fortuna für gewisse Rückschläge verantwortlich machen. Victor betont aber sonst nirgends, dass alle menschlichen Vorhaben glücklos und nichtig sind. Victor sagt nur, dass im hier geschilderten Fall den Senatoren fortuna fehlte und deshalb ihr Versuch scheiterte. Eine andere Deutung schlägt

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Klotz, Miscellanea 38, der sowohl que als auch a tilgt und nur cassos als Prädikatsnomen und vacuos fortuna als Attribut zu conatus auffasst; es sind also nur die menschlichen Vorhaben „die ohne Glück sind, nichtig.“ que und a wären als Zusätze eines Kopisten, der die Aussage Victors nicht verstanden hat, zu betrachten. Zwar verbindet Victor c. 9,12 vacuus mit bloßem separativen Ablativ, aber in der gesamten Latinität kommen Fälle sowohl mit als auch ohne die Präposition a vor, weshalb man auf die Tilgung von a verzichten kann. Dasselbe gilt auch für que, das bei Victor manchmal funktionslos erscheint und lediglich dem Wort, bei dem es steht, eine gewisse Emphase verleiht (vgl. dazu Einl. S. 37). Aus diesem Grund kann man dem Ansatz von Klotz folgen, ohne aber in den überlieferten Text eingreifen zu müssen. Dagegen meint Dacier, De Caesaribus 114, dass hier que wie sonst etiam „auch“ bedeute, bietet dafür aber keine Parallelen. (19) postquam … lacerabantur Nach postquam gibt das Imperfekt die Dauer einer Handlung an, so etwa auch c. 11,5; 33,16 und Sall. Iug. 28,2 qui postquam Romam adventabant, vgl. dazu auch H.-Sz. 598. 4. (1) pavidusque animi Nur hier wird pavidus mit animi, das im Genetiv des Sachbetreffs steht (dazu H.-Sz. 75 und Löfstedt, Syntactica 1,172–74 mit Parallelen wie Liv. 30,15,9 aeger animi), verbunden, vgl. ThLL s. v. pavidus Sp. 815,23, der diese Stelle anführt. (2) Musulamiorum Die von der korrigierten Fassung von O überlieferte Form stimmt mit der in Tac. ann. 2,52,1 vorgefundenen Schreibweise Musulamii überein, weshalb ihr und nicht Musalamiorum von P der Vorzug zu geben ist; Epit. Caes. 4,4 Musulaniorum ist wohl eine sekundäre Verschreibung des Archetyps, der -m mit -n verwechselt hat. (6) petisse petitos Das überlieferte Wortspiel peti a se petitos ergibt im Satzzusammenhang keinen befriedigenden Sinn, weil petitos Subjektsakkusativ zu peti sich also selbst beschuldigen, den Männern nachzustellen, während das Umgekehrte viel sinnvoller ist. Da peti nicht als Deponens gebraucht werden kann (bei der einzigen vermeintlichen Parallele Vet. Lat. Hebr. 6,15 per patientiam petitus est promissionem nimmt ThLL s. v. peto Sp. 1946, 50–54 auf Grund des griechischen ἐπέτυχον eine Verschreibung von potitus an), muss man den Text verändern. Schott hat durch seinen geringfügigen Eingriff peti se a petitis den Subjektsakkusativ mit dem logischen Subjekt vertauscht. Noch eleganter ist die Lösung petisse von Damsté, Ad S. Aurelium 376, der nur einen Buchstaben tauscht und ebenso die Männer

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zum Subjektsakkusativ macht, wobei aber das direkte Objekt zu petisse fehlt. 4. (7) accensa {nobiliore quas} nobiliores quasque Der Text wird durch Schotts Tilgung des überlieferten nobiliore quas, das eine Dittographie ist, sinnvoll; deshalb ist es nicht notwendig, statt Schotts Tilgung eine Lücke anzusetzen. (8) qui Da nach si der adjektivische Nominativ Singular qui auch als Substantiv gebraucht werden kann, vgl. Burkard / Schauer, Lehrbuch der lateinischen Syntax 136 (§ 90,3 mit Beispielen aus Cicero), braucht man den Text nicht an die Epit. Caes. 4,5, die quis hat, anzugleichen. Daher ist auch der von P (und ebenso von der Epitome) überlieferte Singular horruerat dem Plural horruerant in O vorzuziehen. (9) sui Anders als Fuhrmann, der sui (im Genetiv) mit metu verbindet und den ganzen Ausdruck mit „indem man ihm Furcht für sich selber einjagte“ übersetzt, ist sui wohl Nominativ Plural und das Subjekt zu agitant. Daher sollte es wie von Dufraigne mit „son entourage“ oder von Festy mit „ses proches“ übersetzt werden. Victor drückt mit dem Objekt im Genetiv nach metus immer das aus, wovor man sich fürchtet (hier coniurationis, c. 23,1 insidiarum metu, c. 33,34 metu socordiae suae, c. 35,6 poenae metu etc.), nicht aber die Person, um die man sich sorgt, was, wie ThLL s. v. metus Sp. 910,6–11 zeigt, grammatikalisch auch möglich wäre. (10) coniventes Mommsens Konjektur coniventes, bei der das Verb coniveo metaphorisch im Sinne von „dulden, zulassen“ gebraucht und mit dem Dativ sceleribus verbunden wird (zu Parallelen von coniveo mit dem Dativ im Spätlatein vgl. ThLL s. v. Sp. 321,47–57, der neben dieser Stelle z. B. Macr. sat. 5,17,6 anführt), ist besser als das überlieferte cohibentes, da beim separativen Gebrauch von sceleribus die Präposition ab ergänzt werden müsste (vgl. ThLL s. v. cohibere Sp. 1547,68–1548,8) – sonst wäre sceleribus e Schotts collubentes (in seiner Edition) bzw. colludentes (in seinem Komm. 189) sind ebenso unwahrscheinlich, weil vom Defektivum collibet kein Partizip existiert und colludere in einer Konstruktion mit sceleribus kaum sinnvoll ist, da das Verb gemäß den Belegen bei ThLL s. v. Sp. 1658,39– 50 immer mit einer Person und nicht mit einer Sache verbunden wird. interficere Zum Gebrauch des historischen Infinitivs bei Victor vgl. Komm. c. 3,14 levare.

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4. (11) marito Die geringfügige Änderung des nur von O überlieferten merito zu marito durch Mommsen ist sinnvoll, da Claudius Konkubinen hatte (vgl. Tac. ann. 11,29,3). hinc notior … nuptam esse In diesem Satz stützt sich Victor wohl auf den Bericht in Tac. ann. 11,26 f. und weist auf die paradoxe Situation hin, dass Messalina trotz der Ehe mit dem Kaiser sich mit einem anderen Mann (dem von Victor nicht genannten Silius) vermählen konnte. Sowohl Victor als auch die von ihm abgeleitete Version in Epit. Caes. 4,5 ut magis videretur sub imperatore viro quam imperatori nupta esse sind extrem gekürzt. Während Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 492 mit seiner Änderung dum nimirum videretur dem Nebensatz eine konzessive Färbung geben will, betont Opitz, Zur Kritik der Caesares 651 mit Recht, dass in Victor dum 23-mal mit Indikativ steht und niemals mit nimirum verbunden wird. Für Dufraigne, Aurelius Victor 79 Anm. 24, gemäß dem Victor Tac. ann. 11,27 haud sum ignarus fabulosum visum iri paraphrasiert, sind dagegen notior aktiv (sehr selten wie in Plaut. Pseud. 996) und dum adversativ. Er übersetzt „de cela (hinc) je suis bien informé, quoiqu’il paraisse étonnant que ….“ Indessen scheint notior in der Bedeutung von „berüchtigt“ (so etwa in Cic. Cael. 31 Clodia, muliere non solum nobili verum etiam nota; vgl. auch Cic. fam. 10,14,1) sich auf Messalina zu beziehen. Während in der Epitome videretur persönlich konstruiert wird, folgt bei Victor nach videtur eine unpersönliche Konstruktion mit Akkusativ und Infinitiv, in welcher nuptam esse das Subjekt und mirum das Prädikatsnomen ist (ähnlich c. 15,5, während mirum videtur c. 39,7 mit Akkusativ und Infinitiv konstruiert wird). Daher ist es wohl nicht nötig, wie Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 492 nuptam in nupta zu korrigieren. Das Fehlen des Subjektsakkusativs ist auch c. 4,15 dum arte mulieris corrupti custodes aegrum (sc. Claudium) simulant, c. 5,8 matrem etiam contaminavisse plures habent (sc. Neronem) belegt. bei quam auch c. 33,30 adeo principes … vitae decore quam quaesitis nominibus … adeunt vor, vgl. dazu auch H.-Sz. 593 f. Analog zur Epitome schlägt Opitz, Zur Kritik der Caesares 651 viro als Dativ im Sinne von alii viro vor. Will man den überlieferten Text halten, muss man wie Arntzen, Sextus Aurelius 323 und D’Elia, Per una nuova edizione critica 118–121 virum als eine Apposition mit apud imperatorem verbinden, wobei vir hier maritus (so auch c. 13,13) bedeutet. Richtig paraphrasiert Arntzen: „non tam debere mirari feminam, publicae libidinis victimam, imperatori nuptam fuisse, sed hoc multo magis mirum videri eam, cum maritum haberet

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imperatorem, ausam fuisse coniuge vivente adulterum sibi matrimonio coniungere.“ Da aber das Fehlen des verglichenen Begriffs in der Verbindung mit quam ohne Parallelen ist und sogar für Victor zu kühn erscheint, ergänzt Shackleton Bailey, Textual notes 178 mit Recht alii viro nach virum und übersetzt „that in the house of her imperial husband she should have married another husband who was not the Emperor.“ Epit. Caes. 4,5 hat dagegen den komplizierten Ausdruck Victors zu sub imperatore viro quam imperatori verkürzt und vereinfacht. 4. (13) absurdior Bezüglich der Bedeutung des Adjektivs absurdus an dieser Stelle divergieren die Übersetzung. Fuhrmann übersetzt „sonderbarer“, Dufraigne „plus déplaisante“, Bird „more irrational“, Nixon „less intelligent“, während Festy, der auch einen korrupten Text in Erwägung zieht, „moins à sa place“ schreibt. Bei haec … absurda handelt es sich c. 20,34 um „ersonnenen Unfug“, während c. 42,24 absurdi mores ein „Fehlverhalten“ sind (vgl. Fuhrmann: „absonderliches Betragen“ und Festy „conduite choquante“). Hier bezeichnet es wohl, worauf schon D’Elia, Per una nuova edizione critica 121 f. hingewiesen hat, analog zu Sall. Catil. 25,5 betreffend Sempronia verum ingenium eius haud absurdum („aber ihre Gaben waren nicht verkehrt“ nach der Übersetzung von K. Büchner) einen intellektuellen Mangel Agrippinas. Offenbar will Victor, der mehrere Gedanken in einen einzigen Satz gepresst hat, sagen, dass Agrippina, obschon sie als noch absurdior („abgeschmackter bzw. törichter“) als Messalina galt und daher potentielle Zielscheibe der liberti, die sie fürchtete, war, es dennoch fertiggebracht hat, ungestraft ihren Mann umzubringen. Shackleton Bailey, Textual notes 178 f., der glaubt, dass Victor wie Suet. Claud. 43 f. als Grund für die Ermordung des Claudius durch Agrippina ihre Angst vor Strafe wegen Ehebruchs angibt, ersetzt absurdior mit abstinentior und ergänzt cum adulterii conscia esset nach haberetur. Abgesehen davon, dass ein solcher Eingriff ist, gibt Suet. Claud. 44,1 als unmittelbaren Grund für die Vergiftung nicht Agrippinas Angst vor Strafe wegen Ehebruchs an, sondern den Willen ihres Mannes, Britannicus zu seinem Nachfolger zu bestimmen. Soverini, Note ad Aurelio 235 f. hält dagegen absurdior für eine Verschreibung von adulteriis sordidior vor, was aber aus Mangel an Parallelen ebensowenig zu überzeugen vermag. (14) memoratos locos advolare Gemäß Hdt. 2,73 flog der Vogel Phoenix alle 500 Jahre aus Arabien nach Heliopolis in Ägypten, was auch Tac. ann. 6,28 berichtet. Daher ist mit memoratos locos wohl Ägypten

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gemeint, wobei hier memoratus etwa soviel wie „der oben erwähnte“ bedeutet, vgl. ThLL s. v. memorare Sp. 694,35 f. Selten kann der Plural loci auch anstelle von loca vorkommen und Gegenden bezeichnen (so etwa Cic. div. 1,20,40 nam me visus homo pulcher per amoena salicta et ripas raptare locosque novos, vgl. K.-H. 477). Das Verb advolare kann selten auch bloßen Akkusativ regieren, vgl. die Belege in ThLL s. v. Sp. 895,60– 63, der auch diese Stelle anführt. (14 f.) einen neuen Regierungssitz ... dieses schwere Verbrechen Die Ausführlichkeit der Episode um den parthischen Gesandten, die Sueton so nicht kennt, vgl. aber Suet. Nero 55 (Umbenennung Roms in Neropolis), Cal. 8,5; 49,2 (Absicht, den Regierungssitz nach Antium bzw. Alexandreia zu verlegen), erklärt sich wohl mit einer darin verborgenen Kritik an Kaiser Konstantin. Denn das wichtigste Element der ganzen Episode ist durchaus auf Konstantins epochale Entscheidung übertragbar, die sedes imperii weg von Rom an einen anderen Ort fern im Osten zu verlegen. Angesichts Victors Verbundenheit mit der alten Kapitale darf angenommen werden, dass er dieser Entscheidung, die mittlerweile eine Generation zurücklag, aber deren Folgen erst mit der Zeit immer deutlicher zu Tage traten, persönlich kritisch gegenüberstand. Die nicht lange vor der Abfassung der Historiae abbreviatae nach stadtrömischem Vorbild eingerichtete Stadtpräfektur in Konstantinopel führte anschaulich die Verfestigung des von Konstantin angestoßenen Prozesses unter Constantius II. vor Augen, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 359,2 mit Moser, Emperor and senators 214; 274 f. Victor dürfte Konstantins Entschluss – ähnlich wie die Stadtrömer die Bestattung Konstantins in seiner neuen Stadt (41,17) – gleichsam als Affront gegenüber Rom empfunden haben. Mit der Gründung eines neuen Sitzes hätte Konstantin in Victors Augen gegen jegliches Empfinden von Tradition und Geschichte verstoßen und genau jenes „schwere Verbrechen“ (5,15) begangen, das einst Nero ins A che Spitze gegen Konstantin, die vor allem von einem Bekenntnis zur Stadt Rom zeugt, deckt sich mit Victors schmallippiger Notiz über die Gründung Konstantinopels, vgl. Komm. zu 41,12 wandte er seinen. (15) funus An dieser Stelle bezeichnet funus den Tod und nicht (wie in c. 20,30 und 41,17) die Leiche des Tarquinius Priscus. Denn Liv. 1,41,6 spricht in einem ähnlichen Kontext von der Verheimlichung des Tods des Königs (celata morte). 5. (1) {lucius domicius nero} Schott athetiert mit Recht den in der Parenthese nochmals wiederholten Namen Neros, der wohl im Laufe der

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Überlieferung aus einer Randglosse in den Text gerutscht ist, während Dufraigne an dieser Stelle eine Lücke ansetzt, ohne aber anzugeben, was seiner Meinung nach ausgefallen ist. 5. (2) permissu Zu Recht hat Schott anstelle des von den Codices überlieferten Akkusativs permissum aufgrund von Epit. Caes. 5,4, Pontum … reguli permissu redegit, den in diesem Textzusammenhang sinnvollen Ablativ permissu wiederhergestellt. (3) neque – esse ⟨et⟩ eam Da es nirgends Parallelen für die Konstruktion von neque und Asyndeton anstelle von neque – et gibt (vgl. dazu K.-St. 2,48), ist wahrscheinlich et zwischen esse und eam ausgefallen, vgl. etwa c. 33,29 cum neque Gallieni flagitia, dum urbes erunt, occultari queant, et, quisque pessimus erit, par similisque semper ipsi habebitur. (5) dum Arntzen, Sextus Aurelius 326 hat wegen des Konjunktivs dum in cum geändert. Doch ist dies weder hier noch in c. 40,23 nicht nötig, da dum im Spätlatein bisweilen an die Stelle des cum historicum treten kann, vgl. H.-Sz. 614. Graecorum invento Der Genetiv Plural Graecorum wird besser auf invento „Erfindung“ (vgl. ThLL s. v. inventum Sp. 160,33), der ein Ablativ causae ist (vgl. Dufraigne „selon une invention des Grecs“), als auf das davorstehende coetus (so Fuhrmann „vor griechischer Zuhörerschaft“) bezogen. Zwar findet man weder bei Tacitus noch bei Sueton exakte Parallelen für diese „Erfindung der Griechen“, doch dürfte es angesichts der vielen philhellenischen Maßnahmen Neros nicht erstaunen, wenn auch die musikalische Begleitung von Wettkämpfen dazugehörte (von solchen Wettkämpfen im griechischen Stil spricht etwa Suet. Nero 12,3). dote data Die Konjektur von Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 492 dote dicta, da Ulpian frag. tit. 6,2 dotis dictio erwähnt, ist überflüssig, da dotem dare in allen Epochen (vgl. ThLL s. v. dos Sp. 2049,71–2050,1) sondern gibt sie auch; Suet. Nero 28,1 hat cum dote). more Der Zusatz sollemni von Sylburg, Komm. 726 ist nicht nötig, da more adverbial auch ohne Attribut stehen kann, vgl. Tac. ann. 1,10,8 sepultura more perfecta und ThLL s. v. mos Sp. 1526,16–29 mit weiteren Beispielen. (6) in eo levius Den Zusatz narrantur scelera neronis von P zwischen in eo und levius hat schon Schott, der O nicht kannte, mit Recht als Glosse athetiert.

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5. (7) exsector marium Das Verständnis des überlieferten exactor parium bereitet Schwierigkeiten. ThLL s. v. exactor Sp. 1135,25 f. meint, dass an dieser Stelle das Wort vielleicht soviel wie aestimator, examinator „Prüfer“ bedeute und dass mit parium ein Paar von Gladiatoren gemeint sei (so schon Arntzen, Sextus Aurelius 327 und Dufraigne, Aurelius Victor 82 f. Anm 9). Mit par und dem Genetiv Plural parium kann allgemein ein Paar (wie griechisch ζεῦγοϲ), aber nicht von Gladiatoren, ausgedrückt werden, vgl. ThLL s. v. par Sp. 272,1–5, der diese Stelle anführt. Somit ist diese Deutung des überlieferten Textes ziemlich unbefriedigend. Daher hat schon Pantinus (von Schott, Komm. 190 angeführt) exsector marium vorgeschlagen. Das seltene exsector „Verschneider“ kommt einmal in Apul. met. 8,15 (detestabilem illum exsectorem virilitatis meae) vor; Victor berichtet c. 5,16 von einem verschnittenen (exsectum) Eunuchen; anstelle eines Paars, das hier nicht sinnvoll ist, ergibt die geringfügige Änderung von parium zu marium „von männlichen Personen“ – Victor verwendet mares etwa auch c. 4,7 und 15,6 – dagegen einen passenden Sinn, da auch Suet. Nero 28,1 von der Kastration eines Knaben (puerum Sporum exsectis testibus) spricht. Hingegen fällt trotz dieser Parallele die Konjektur puerorum anstelle von parium weg, da der Schritt von marium zu parium leichter als von puerorum zu parium ist. (8) habent An dieser Stelle bedeutet habere „berichten, überliefern“ und wird wie ein Verbum dicendi konstruiert, vgl. ThLL s. v. Sp. 2415,70, der auch diese Stelle anführt. (10) invaserint Da Victor auch c. 20,8 ubi contigerit, 33,24 ubi armis superaverit und 39,5 ubi alta accesserint nach ubi den Konjunktiv verwendet, ist die Korrektur von Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 492, der invaserunt schreibt, überflüssig. nequaquam – datur Mehrere offensichtlich heillos verderbte Stellen erschweren das Verständnis dieser Periode.1 6,3–7) spricht Victor in diesem Nebensatz von der negativen Wirkung der Laster (vitia) auf den menschlichen Geist. Keiner der bisherigen Lösungsvorschläge hat den Sinn der Aussage befriedigend wiederherzustellen vermocht, da der verderbte Teil möglicherweise ein ganzes Kolon umfasst und zu seiner Verbesserung mehrere Eingriffe nötig sind. Während Festy nur die Wörter externis societate humanius für verderbt hält und den Ne1

Dies hat zuletzt richtig Festy, Aurelius Victor 169 Anm. 2 festgestellt: „Le texte est irrémediablement corrompu, aucune des corrections proposées … ne nous ayant semblé emporter la conviction.“

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bensatz mit „on n’éprouve plus aucune honte en donnant libre cours à ses dérèglements en dehors de sa famille“ übersetzt, hat Maehly, Zur Kritik 265 nequam anstelle des überlieferten nequaquam vorgeschlagen und als Attribut mit vitia verbunden, wofür aber Parallelen fehlen; er erklärt, dass, „wenn zur sündigen Anlage und Lust die Scham vor der Welt (verecundiae externae) hinzutritt, sich ihr beigesellt (societas), dieser Umstand nur noch größere Ausgeburten des Lasters erzeugt“. Stärker in den Text haben Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 492 und Fuhrmann eingegriffen und nec quidquam verecundiae est et externis satiata immanius excitatur peccandi consuetudo konjiziert („ist keine Scham mehr übrig und wird die Gewohnheit der Ausschweifungen, an Außenstehenden gesättigt, desto scheußlicher erregt“), wobei schon Olivarius immanius und dann den Boer, Some minor Roman historians 58 f. Anm. 18 satietate vorgeschlagen haben, während Arntzen, Sextus Aurelius 327 humanis und Dufraigne, Aurelius Victor 83 Anm. 11 societate humana ius schreiben, womit die Verachtung des Tyrannen für die menschliche Gesellschaft ausgedrückt werde. Walter, Textkritische Beiträge 294, der inverecundiae externis societate humanior vis vorschlägt und im Gegensatz externis – in suos den zentralen Gedanken zu erkennen glaubt, kommentiert: „Keineswegs nimmt die Leidenschaft, wenn sie Fremder überdrüssig ist, ein milderes Wesen an.“ Soverini, Note ad Aurelio 237–240 glaubt, dass dare absolut in der Bedeutung „gestatten, gewähren, beachten“ gebraucht wird (ThLL s. v. dare Sp. 1673,43–79 mit Beispielen wie z. B. Cic. fin. 5,12); die peccandi consuetudo richtet sich sowohl gegen externi als auch sui (so auch in c. 2,1). Er übersetzt verecundiae … humanius datur „si ha riguardo per il pudore con maggior senso della dignità umana.“ Ähnlich wird der Dativ verecundiae auch in Macr. Sat. 1,15,22 primus nuptiarum dies verecundiae datur („der Bescheidenheit wird Tribut gezollt“) verwendet. Weiter hält Soverini externis für einen Teil eines verderbten Ablativus Partizip wie contaminatis, corruptis, pollutis oder, was paläographisch besser ist, expetitis (im Sinne von concupiscere, vgl. ThLL s. v. Sp. 1695, 41, der als Parallele Tac. ann. 13,13,2 quae prima aetas et summa fortuna expeterent anführt) ausgefallen sei und übersetzt „dopo aver fatto oggetto delle proprie brame gli estranei.“ Wie Walter erkennt er, dass der Gegensatz zwischen externi und sui besteht; ebenso ist Dufraignes Vorschlag, statt humanius etwas wie humana ius zu lesen, interessant. Man kann anstelle von humanius auch humani iuris vermuten, vgl. Sen. benef. 7,19,8 iuris humani societas oder Quint. decl. 13,11 procul omni iuris societate.

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Wenn das Prädikat tatsächlich datur ist, könnte anstatt eines nicht belegten doppelten Dativs verecundia externis … datur das Gerüst der Konstruktion sein, während, wie schon Soverini vermutet hat, ein Partizip nach externis ausgefallen sein könnte. Schreibt man societate humani iuris, müsste man etwa affectis oder auch soluta ergänzen. Der Text lautete dann nequaquam verecundia externis affectis oder soluta societate humani iuris datur „wird kein Respekt den Fremden, die am menschlichen Recht teilhaben bzw. weil die Teilhabe am menschlichen Recht aufgelöst worden ist, gewährt.“ Aufgrund der fehlenden Parallelen und der großen Divergenzen zwischen den vorgeschlagenen Lösungen folgen wir Festys Vorschlag. 5. (12) dari Das von den Codices überlieferte dari, das mit dem Adverb praeceps zusammengeht (vgl. ThLL s. v. dare Sp. 1696, 33–35), ist wohl ein historischer Infinitiv (wie 3,14 oder 4,10), weshalb die von Schott vorgeschlagene und von den bisherigen Herausgebern akzeptierte Korrektur dati auch hier nicht nötig ist. praeversa Das von den beiden Handschriften überlieferte perversa, an dem Dufraigne und Festy festhalten und mit „dénaturée“ bzw. „dépravée“ übersetzen, deutet den Fall der Mutter mit ihrem depravierten Wesen, was aber als Erklärung wenig taugt, da auch der Sohn perversus war. Dagegen schlägt Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 492 praeventa vor, das analog zu Tac. ann. 14,7,3 ut, nisi praeveniretur Agrippina pereundum Neroni esset „zuvorkommen“ bedeutet. Eleganter ist der geringfügige Eingriff Pichlmayrs, der nur die Präverbien per- und prae-, die in den Handschriften oft ziemlich ähnlich abgekürzt werden, vertauscht und praeversa schreibt, das gemäß ThLL s. v. praeverto Sp. 1109,38–40 an dieser Stelle „zuvorkommen, vereiteln“ bedeutet, vgl. dazu auch Pichlmayr, Zu den Caesares 16 f. (14) adiecerat sumeret ipse quem vellet e suis Mit Recht bezieht Fuhrmann die Pronomina ipse auf Nero sandten, der Nero illustriert, was es bedeutet, in einem (orientalischen) Reich wie demjenigen der Parther zu leben. Dagegen beziehen Dufraigne und Festy in ihren Übersetzungen die beiden Pronomina auf Nero, was aber kaum sinnvoll ist, weil die Anekdote dazu dient, die Motive von Neros Plänen, eine neue Reichshauptstadt zu gründen (nova sede regno quaesita), zu beschreiben. convivio aderant Durch die Vertauschung der Buchstaben a und o des überlieferten convivia oderant erhält Schott einen in diesem Kontext sinnvolleren Text.

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5. (15) sui exitium Besonders im Spätlatein kann das Personalpronomen im Genetiv als Objekt an die Stelle des Possessivpronomens (hier suum) treten, vgl. H.-Sz. 61 (β). patraretur Der Konjunktiv Imperfekt drückt hier einen Potentialis der Vergangenheit aus. Dieser steht häufig, aber nicht immer, neben einem Satzglied mit dem Prädikat im Konjunktiv Plusquamperfekt (so auch c. 8,7; 33,32; 39,36; 40,15; 41,20), vgl. dazu K.-St. 2,396 f. (17) multae – locus Bei der Beschreibung der verendeten heiligen Hühner nimmt Victor den Anfang der Galbavita Suetons (Suet. Galba 1) als Vorlage. Die von Sueton erwähnte villa ad Gallinas, die Livia gehört hatte, liegt aber nördlich von Rom in der Gegend von Prima Porta, während der Stadtteil, auf den Aurelius im konsekutiven Nebensatz ut – locus hinweist, ad Gallinas albas heißt und in der Gegend zwischen Viminal und Quirinal liegt (vgl. dazu Richardson, New Topographical Dictionary 180 s. v. Gallinae Albae). Daher schlug Jordan, Zur Topographie 85–87 vor, nach multae anstelle des überlieferten albaeque – locus die Worte aus Suet. Galba 1 provenerant, ut hodie ea villa ad gallinas vocetur einzufügen. Er glaubt, dass albaeque … religionibus die Interpolation eines mittelalterlichen Kopisten gewesen sei, der in Rom den Ort ad Gallinas albas kannte; dieser habe dann das, was nach multae stand, damit ersetzt und den Zusatz albaeque erant aptioresque religionibus frei erfunden (immerhin erwähnt Suet. Galba 1,1 eine gallina alba). Da für die Römer weiße Hennen als weitgehend unfruchtbar galten (vgl. Colum. 8,2,7), habe Victor diesen Satz kaum so formuliert. Indessen könnte schon Victor, der mit hodie (das einzige Mal im Werk) seinen eigenen und nicht Suetons Zusatz markiert und darauf hinweist, dass zu seiner Zeit weiße Hühner in ad Gallinas albas gehalten wurden, die beiden Orte verwechselt haben. Daher ist es nicht nötig, in den überlieferten Text einzugreifen. Familie der Caesares Siehe hist. Komm. z noch heute ein Platz in Rom vorbehalten Es handelt sich um die in der Regio VI (Alta semita) befindliche Örtlichkeit namens Gallinae albae (‚weiße Hühner‘), vgl. Curios. urb. / Reg. urb. p. 81,19, wo zu Victors Zeit anscheinend weiße Hühner für das Auspizienwesen gehalten wurden. Der Ortsname ist noch Ende des 6. Jahrhunderts bei Gregor dem Großen belegt: iuxta locum qui appellatur Gallinas albas (epist. 3,17). Dieser innerhalb des aurelianischen Mauerrings befindliche locus und die neun Meilen vor der Stadt gelegene Kaiservilla namens ‚Ad gallinas‘ (Plin. nat. 15,137; Suet. Galba 1), auf die hier mit praedia (‚Landgüter‘) Bezug genommen

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wird und die Schauplatz der angeblichen Vorzeichen gewesen war, werden in den modernen Kommentaren zur Stelle bisweilen irrtümlich miteinander identifiziert. Victors Hinweis auf die bis in seine Zeit hinein gepflegte Fortführung dieser Hühnerzucht reflektiert sein Interesse am Vorzeichenwesen und zeugt vielleicht für seine persönliche Vertrautheit mit der Topographie Roms. his Schott korrigiert das von O und P überlieferte his in eis und deutet, wie Jordan, Topographie 87 anmerkt, locus als eine Art Stall, was nach ThLL s. v. locus Sp. 1581, 37–71, der auch Beispiele für Hühnerställe wie Colum. 8,3,4 anführt, möglich ist. Dacier, De Caesaribus 119 versteht eis im Sinne von de iis, was aber nicht weiterhilft. Da die umgangssprachliche Bevorzugung von hic anstelle von is auch c. 11,11 neque minus per se bellum moliebantur, quod his conversum imperium maestitiae erat vorkommt, braucht man hier den Text nicht zu verändern. 6. (1) at drückt hier und zu Beginn von c. 15. 17. 19. 29. 32 wie in Tac. ann. 1,7,1. 38,1. 48,1 etc. die nur leicht adversative Fortführung der Erzählung aus (so Dufraigne, Aurelius Victor 85 Anm. 1, vgl. zu dieser Funktion von at auch H.-Sz. 488 f.). 7. (2) nonaginta Mit Recht korrigiert D’Elia, Per una nuova edizione critica 123 aufgrund der Angabe in Suet. Otho 11,2, der die Quelle Victors war, nonagesimo et quinto imperii die (ebenso Eutr. 7,17,3) das von beiden Codices überlieferte octoginta, das seiner Meinung nach kein Fehler Victors, sondern des Archetyps von OP ist. Dufraigne hält zwar in seiner Edition am überlieferten octoginta fest, gibt aber S. 87 Anm. 4 zu, dass der Fehler wohl auf den Kopisten des Archetyps zurückgeht, der LXXXV mit LXXXXV verwechselt habe. Daher Victor wohl nonaginta geschrieben hat, kann man D’Elias Korrektur übernehmen. praecognitis Die Lesart praecognitis von P ist dem sonst nirgends belegten procognitis von O vorzuziehen 502,20–29 erklärt, etwas, das vor anderen Dingen bekannt ist. Zu verwerfen sind daher sowohl der Vorschlag von Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 492 f. praecorruptis militibus als auch die Tilgung der Junktur durch Damsté, Ad S. Aurelium 376, der glaubt, es handle sich um eine zu Nero gehörige Aussage, die an diese Stelle gerutscht sei. Veronensi Da die Schlacht zwischen Otho und Galba bei Betriacum bzw. Bedriacum, das zwischen Cremona und Mantua liegt, stattfand (Tac. hist. 1,39–49 und Epit. Caes. 7,2), hat Dufraigne, Aurelius Victor 87 Anm. 5 die Korrektur Cremonensi erwogen, was zwar paläographisch gut ist und

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auf einen Fehler der Tradition hindeutet, aber topographisch ebenfalls approximativ ist. Vielleicht hat Victor hier die Schlacht von Betriacum mit einem anderen Kampf (312 n. Chr. zwischen Konstantin und den Truppen des Maxentius?), der bei Verona stattfand, verwechselt. Aus diesem Grund ist der Fehler Victor und nicht der Tradition anzulasten. 8. (1) foret Der Konjunktiv Imperfekt foret (ebenso am Ende des Satzes attineretur und c. 40,12) drückt hier wohl einen Potentialis der Vergangenheit aus, vgl. auch Komm. c. 5,15 patraretur. (2) Moesiae Hier sticht der Gegensatz zwischen den Gesandten aus Moesien und denjenigen des pannonischen Heeres (Pannonicique exercitus) hervor. Da in der folgenden Periode milites praedicti sich wohl auf beide Gruppen bezieht und Tac. hist. 2,86,3 von iuncti inde Moesici ac Pannonici exercitus sowie 3,2,2 von Moesici exercitus spricht, könnte Victor zwar ursprünglich Moesici geschrieben haben (dagegen hat die Parallelstelle bei Suet. Vit. 15,1 exercitus Moesiarum atque Pannoniae). Da aber Victor sehr oft den Parallelismus meidet, wie der ähnliche Fall c. 1,2 adiectis imperio civium Raetis Illyricoque, in dem Einwohner und Ländernamen gleichwertig behandelt werden, zeigt, ist auch hier die Inkonzinnität wohl von Victor beabsichtigt. hortantium Das Partizip bezieht sich in Enallage auf Moesiae Pannonicique exercitus statt auf legati und ist wohl nicht ein partitiver Genetiv, wie Dufraigne, Aurelius Victor 88 Anm. 4 glaubt, der „parmi ceux qui l’exhortaient“ übersetzt. Richtig Arntzen, Sextus Aurelius 332, der von einer Syllepse spricht, und Stabile, Note critiche 391, der die Junktur exercitus hortantium mit turba adstantium, mirantium etc. vergleicht. Angesichts des rhetorischen Stils Victors ist auch die Konjektur von Schott, Komm. 192 hortatum nicht nötig. (3) factum Da bei facere in der Bedeutung „machen zu, wählen“ bisw 37, der neben dieser Stelle Beispiele aus allen Epochen anführt, sind die von Schott, Komm. 192 und weiteren Gelehrten vorgeschlagenen Ergänzungen etwa von praesidem bzw. praefectum (Schott), praedem (Gruter), principem (Arntzen) bzw. imperatorem (Maehly) anstelle des von P vor praetoriis wiederholten praedictum überflüssig, vgl. c. 37,2 postquam Probum in Illyrico factum accepere. (6) Gemonias Mit Recht hat Schott aufgrund von Suet. Vit. 17,2 und Epit. Caes. 8,4 das von OP überlieferte Gemonas korrigiert.

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pertractus P löst das wohl im Archetyp abgekürzte Präfix pr- passender mit pertractus anstatt wie O mit protractus auf. Denn im Gegensatz zu c. 3,16 und Tac. hist. 4,1,1, wo protrahere angibt, dass jemand aus einem verborgenen Ort herausgezogen worden ist, bedeutet pertrahere (auch in Tac. hist. 2,72,2), dass jemand durch etwas gezerrt worden ist (perque eas), was hier gut passt vgl. dazu auch ThLL s. v. pertraho Sp. 1816,69–1817,14, der auch diese Stelle aus Victor anführt. quinquaginta et septem Da sowohl Suet. Vit. 18 als auch Eutr. 7,18,6 (und Epit. Caes. 8,5) ein Alter von 57 Jahren angeben, handelt es sich wohl bei der von OP überlieferten Zahl septuaginta et quinque nicht um ein Versehen Victors, sondern um einen im Laufe der Überlieferung entstandenen Fehler (gedankliche Vertauschung von Einer und Zehner), so D’Elia, Per una nuova edizione critica 124. 8. (7) Familie der Caesares Siehe hist. Komm. zu 3,16. (8) summae Da üblicherweise summus rector Iuppiter vorbehalten ist (etwa Ov. met. 13,598 oder Sen. Thyest. 1076) ist das von O überlieferte summo wohl weniger passend als das von P überlieferte summe. Angesichts der häufigen Verwechslung von -ae und -e in den Handschriften (vgl. Einl. S. 32) ist es hier als Genetiv des Substantivs summa aufzufassen (so auch c. 26,1 summae und 31,1 summam). Dagegen schlägt Opitz, Zur Kritik der Caesares 652 analog zu c. 39,41 summae rei praeesset auch an dieser Stelle die Ergänzung von rei vor. Doch wie c. 26,1 summae potitis zeigt, kann bei Victor summa allein summa rerum bedeuten (daher ist auch dort die Ergänzung von Opitz, Zur Kritik der Caesares 652 summae ⟨potestatis⟩ potitis überflüssig). proposito – eruditione Der Gedankengang dieser Periode ist im großen und ganzen klar ist: Der ideale Staatsmann sollte sowohl über rhetorische und literarische Bildung als auch über einen guten Charakter verfügen, wenn nicht, wenigstens im Verlauf charakterliche Defizit ausgleichen. Dennoch ist der überlieferte Text schwer verständlich. Gemäß ThLL s. v. propositum Sp. 2072,19–21 bedeutet hier proposito vitae nicht wie in Sen. epist. 71,2 oder 108,35 „Lebensvorsatz“, sondern allgemein die Art und Weise zu leben bzw. den Charakter des Lebens. Das von P überlieferte progredi bedeutet von der Zeit „fortschreiten“ (vgl. dazu ThLL s. v. progredior Sp. 1774,41–46), während das seltenere, von O überlieferte pr(a)egrediente in etwa dieselbe Bedeutung wie progrediente hat, daneben aber dazu auch den Aspekt des Übertreffens enthält, vgl. dazu ThLL s. v. praegredior Sp. 667,9–668,27.

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Mommsen schlägt regrediente vor, was Fuhrmann mit „wenn die Lebensweise erheblich nachsteht“ übersetzt, auch wenn regredi kaum „nachstehen“ bedeuten kann (vgl. OLD s. v. regredi). Unklar bleibt vor allem, was die von P als immensum, von O als in mensum (Haplographie oder Deutungsversuch des Kopisten?) überlieferte und von Pp.c. (sowie Schott) in in immensum korrigierte Junktur bedeutet. Da immensum nach ThLL s. v. Sp. 1453,72–78 auch adverbial verwendet werden kann, ist die Korrektur in immensum, die in etwa dasselbe bedeutet, wohl überflüssig; dennoch bleibt der Sinn der Junktur unklar. Wahrscheinlich wird das Verstreichen einer ziemlichen langen Zeit angegeben. Das diesem Kolon fehlende Subjekt kann wohl aus dem davorstehenden Dativ bono cuique implizit ergänzt werden. Von den vielen Vorschlägen ist D’Elia, Per una nuova edizione critica 128–33 der beste, da er am Text vitae proposito immensum progrediente (gegen Mommsens regrediente) festhält, die Aussage auf die Kaiser bezieht (ähnlich c. 40,12 f. und 15) und lediglich anstelle des überlieferten eruditionem den kausalen Ablativ eruditione setzt; ebenso ist für ihn angesichts der beiden Genetive elegantiae und auctoritatis das von P überlieferte satis, mit dem die beiden Objekte verbunden werden können, besser als das saltem in O (dies bevorzugt etwa Pichlmayr, Zu den Caesares 17, der aber massiver in den überlieferten Text eingreift und elegantiae saltem atque eruditionis sumat auctoritatem schreibt). 9. (1) brevi refecit Schotts Korrektur auf der Grundlage der Parallele in Epit. Caes. 9,5 stellt gewiss Victors ursprünglichen Text wieder her, während das von OP überlieferte prebire fecit eine Korruptel ist. (3) coniurationum multas Zum Genetivus partitivus bei Quantitätsausdrücken (so auch c. 11,4) vgl. H.-Sz. 54. abscedere Zum metaphorischen Gebrauch von abscedere in Sinn von „(bei Verbrechen ungeschoren) davonkommen“ vgl. ThLL s. v. Sp. 146, 39– (4) deditus Schotts Korrektur des von OP überlieferten deditos, das wohl ein Influenzfehler aufgrund der folgenden Formen im Akkusativ Plural ist, macht den Satz sinnvoll, da sich deditus auf Vespasian bezieht. (6) ac labe Das von OP überlieferte ac labe ist gegenüber dem in Epit. Caes. 9,7, die an dieser Stelle fast denselben Text wie Victor hat, stehenden et clade deswegen vorzuziehen, weil labes bei Victor auch in c. 20,13 in der Bedeutung „Niedergang“ vorkommt, vgl. ThLL s. v. Sp. 769, 60, der diese Stelle anführt.

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neque Zu neque in der Bedeutung von et non, das hier novas und habitas verbindet, vgl. H.-Sz. 448 und 480. 9. (7) monumenta Damit ist der Tempel des Claudius gemeint; monumentum wird nicht nur in der Poesie, sondern auch in der Prosa oft im Plural verwendet, vgl. ThLL s. v. Sp. 1461,46–51 und 1464,16. Zum poetischen Plural in der Prosa vgl. auch H.-Sz. 16 f. amphiteatri tanta vis In dieser Junktur bezeichnet tanta vis, das sonst nirgends mit dem Genetiv eines Bauwerks verbunden wird, die Größe des Kolosseums. Möglicherweise ist aber vis, das sonst bei Sachen „Menge“ (etwa c. 3,18 und 39,2) bedeutet, hier eine verderbte Form von moles, vgl. Tac. ann. 13,31,1 molem amphitheatri; Mart. 1,2,5 f. conspicui venerabilis Amphitheatri / erigitur moles; Amm. 16,10,14 amphitheatri molem. Da vi und m in den Handschriften gleichviele senkrechte Striche aufweisen, könnte auch nur ein Teil des ursprünglichen moles verlorengegangen sein. multaque alia Da das von OP überlieferte multaeque aliae nicht mit den Prädikaten coepta und patrata kongruiert, sollte es, wie Maehly, Zur Kritik 265 vorgeschlagen hat, in multaque alia geändert werden; ähnlich hat Epit. Caes. 9,8 multaque nova. (9) compositae Zur Bedeutung von componere als „gründen“ vgl. ThLL s. v. Sp. 2123,16 f., der diese Stelle anführt. (10) bello Im Satz at bello rex Parthorum Vologaesus in pacem coactus bietet die Epit. Caes. 9,12 statt bello die Variante metu solo, doch gibt Plin. pan. 14,1 an, dass Trajan in jungen Jahren als Offizier gegen die Parther Krieg geführt hat, was für die Historizität der Angabe spricht und die Konjektur von Cohn, Quibus ex fontibus 21 Anm. 21 ⟨sine⟩ bello überflüssig macht. in provincia Syria Schott hat das von OP überlieferte in provincia zu in provinciam geändert und analog zum vorhergehenden in pacem zeugmatisch mit coactus verbunden (analog zu subactum, vgl. auch c. 13,3). Subjekt ist in diesem Fall Syria (Syriae von P ist wegen Palaestinae ein Influenzfehler). Die nachfolgenden Iudaeique würden dann einfach als drittes Glied angehängt. Einen Hinweis, dass der Text verderbt ist, gibt der Einschub zwischen Palaestina und Iudaei in Epit. Caes. 9,13 Syria, cui Palaestina nomen est, Ciliciaque ac Trachia et Commagene, quam hodie Augustophratensem nominamus, provinciis accessere. Iudaei quoque additi sunt, dessen Quelle nicht Victor ist. Während Tac. hist. 2,78 zwischen den Provinzen Syria mit der Hauptstadt Antiochia und Iudaea mit der Hauptstadt Caesarea unterscheidet (so erwähnt

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er ann. 2,42,5 die provincia Iudaea, ebenfalls Suet. Claud. 28 und Eutr. 7,19,3), rechnet Victor c. 24,1 Caesarea ebenfalls zu Syrien. Etwas anachronistisch bezeichnet hier Victor auch für die Zeit Vespasians Iudaea mit Palaestina, das erst ab dem Jahr 135 Syria Palaestina und im 4. Jh. nur noch Palaestina hieß, vgl. Noth, Zur Geschichte des Namens Palästina 132. Da die Iudaei in Palästina lebten, gehören sie wohl zum vorhergehenden provincia Syria, cui Palaestinae nomen, wobei das pleonastische que auch hier ohne nennenswerte Funktion ist (vgl. Einl. S. 37). Der Text ist somit folgendermaßen wiederherzustellen: atque in provincia Syria, cui Palaestinae nomen, Iudaeique. externae militiae ist wohl ein finaler Dativ zu reliquerat, was den extensiven Gebrauch dieser Konstruktion bei Victor bezeugt. 9. (11) tumidior Das Adjektiv tumidus konnotiert bei Victor (ebenso c. 39,3 und 41,23) den dazugehörigen Begriff negativ, vgl. OLD s. v.; bisweilen kann es bei Personen auch den Stolz, der nicht unbedingt Hochmut ist, ausdrücken, vgl. Ov. met. 8,396 talia magniloquo tumidus memoraverat ore. Hier muss aber tumidus bei der Beschreibung des zweithöchsten Amts (zusammen mit ingens und alter ab Augusto) positiv sein und soviel wie „erhaben“ bedeuten. (12) insolensque miseris Während O insolensque misericors hat, bietet P insolens per misi⟦….⟧, wobei unklar ist, was ursprünglich in der Handschrift stand. Schott, der O nicht kannte, hat insolens per iniurias geschrieben, was in den Kontext passt und paläographisch keinen großen Eingriff darstellt; noch besser Mommsen, der, ausgehend von O, insolensque miseris schreibt (einen Dativ regiert insolens auch in Hil. in psalm. 128,8 operibus fidei insolente). ⟨ac⟩ Da Victor in der Regel in einer polysyndetischen Aufzählung kein Asyndeton zulässt, ist der Zusatz von ac durch Dufraigne gerechtfertigt und stellt angesichts der Textverderbnis bei haupt nicht einen großen Eingriff dar. Dagegen Knecht, Rezension Dufraigne 291, der das Asyndeton (potentia … miseris, subiectum … rapax) für besser hält. unter dem Vorwand der Steuererhebung Vgl. hierzu Amm. 21,16,17: „Die Bitterkeit jener Zeiten wurde durch die unersättliche Raffgier (rapacitas) der Steuereintreiber verschlimmert, die ihm (sc. Constantius II.) mehr Hass als Geld einbrachten“ mit J. den Boeft u. a., Philological and historical commentary on Ammianus Marcellinus XXI, Groningen

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1991, 269. Zu unrechtmäßig vorgeschobenen Steuererhebungen vgl. auch Amm. 19,11,3. 10. (1) incredibile quantum Auf die erstarrte adverbiale Junktur incredibile quantum folgt in der Regel der Indikativ, vgl. Amm. 14,4,4 incredibile est, quo ardore … in venerem … solvitur sexus oder Iust. 8,2,5 incredibile quantum ea res apud omnes nationes Philippo gloriae dedit, vgl. dazu ThLL s. v. incredibilis Sp. 1039,16–25 und H.-Sz. 537. Wie in Cic. Att. 6,2,4 incredibile est quantum civitates emerserint folgt bei Victor auch c. 40,24 ein indirekter Fragesatz mit dem Prädikat im Konjunktiv. Aufgrund der häufigen Ellipse von est bei Victor ist dieses wohl in P ein Zusatz des Kopisten. (2) denique Da das überlieferte denique im Spätlatein auch kausale Kraft hat (vgl. H.-Sz.) und die in c. 10,1 gemachte Aussage begründet, ist das von Damsté aufgrund der Parallele in Epit. Caes. 10,10 vorgeschlagene temporale dehinc nicht nötig. (3) neque minus sancte facilis Die Verstärkung und Spezifizierung von facilis erfolgt hier durch zwei Adverbien (ebenso Arnob. nat. 7,9) und Litotes, welche beide steigernde Wirkung haben. deductos An dieser Stelle übernimmt Gruter den von der Epit. Caes. 10,10 überliefert Text, der besser als derjenige der beiden Codices OP ist; denn der Akkusativ deductos bezeichnet die beiden Gefangenen, während der von OP überlieferte Nominativ deductus, der sich auf Titus bezöge, keinen guten Sinn ergibt. se utrimque assidere Das von Epit. Caes. 10,10 gebotene und von Gruter übernommene utrimque („zu beiden Seiten“) ist besser als das hier redundante utrumque (utrūque in O und utrunque in P geschrieben). Das Pronomen se bezieht sich auf Titus, der das Akkusativobjekt zu assidere bildet, wie schon Arntzen, Sextus Aurelius 338, der verschiedene Parallelstellen anführt, betont hat. Gemäß ThLL das Verb assideo manchmal die gleiche Bedeutung wie assido haben, also außer „neben jemandem sitzen“ auch „sich neben jemanden setzen“ bedeuten. Es kann ein Akkusativobjekt regieren, vgl. etwa Sall. Iug. 11,3 dextra Adherbalem adsedit und Apul. met. 8,11 quasi parentem adsideret aegrotum. gladiatoris Mit Recht verteidigt Pichlmayr, Zu den Caesares 17 den Singular gladiatoris, der gleichbedeutend mit unius ex gladiatoribus ist. Dagegen bevorzugt Opitz, Quaestiones 27 den Plural gladiatorum (wohl

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analog zu Epit. Caes. 10,10 mirmillonum), was aber gerade für Victor zu pedantisch und somit sinnlos ist. committeret Da das Prädikat des Konsekutivsatzes im Konjunktiv stehen muss, ist die Korrektur von Arntzen, Sextus Aurelius 338 dem von den Codices überlieferten Infinitiv (die Form commictere von O ist eine mittelalterliche Form von committere) vorzuziehen, so Opitz, Zur Kritik der Caesares 653 und zustimmend D’Elia, Per una nuova edizione critica 140. Der Wechsel zwischen dem von O überlieferten Konjunktiv Perfekt iusserit (wegen des Konsekutivsatzes passt der von P überlieferte Indikativ iussit nicht) und committeret im Konjunktiv Imperfekt kommt auch c. 40,24 vor und braucht nicht weiter verbessert zu werden, vgl. dazu Opitz, Zur Kritik der Caesares 653 und D’Elia, Per una nuova edizione critica 140, der auf den Gegensatz zwischen dem ingressiven Perfekt iusserit und dem durativen, imperfektischen Charakter von committeret hinweist; zum Wechsel des Tempora in abhängigen Sätzen vgl. auch H.-Sz. 551–53. 10. (5) biennio post ac menses fere novem Der Wechsel der Kasus zwischen dem Ablativ und dem Akkusativ der Dauer zeigt Victors Vorliebe für die Inkonzinnität. Ebenso c. 18,1 doctrinae omnis ac moribus antiquissimis (Genetivus und Ablativus qualitatis) und 41,4 supplicium patibulorum et cruribus suffringendis (Genetivus definitionis und Ablativus instrumentalis). lautusque Das überlieferte lautusque wird teilweise gestützt durch den Bericht in Plutarchs De tuenda sanitate praecepta 3 (= mor. 123 d), gemäß dem der Besuch der Thermen für Titus, der schon unter Fieber litt, fatal war: πολλοὺϲ δὲ καὶ λουτρὸν ἀπώλεϲεν, οὐδὲν ἐν ἀρχῇ μέγα κακὸν ἔχονταϲ ἀλλ’ ἢ τὸ μὴ δύναϲθαι μηδ’ ὑπομένειν γεύϲαϲθαι τροφῆϲ ἀλούτουϲ ὧν καὶ Τίτοϲ ἦν ὁ αὐτοκράτωρ, ὥϲ φαϲιν οἱ νοϲηλεύϲαντεϲ (vgl. ThLL s. v. lavo Sp. 1048,61 f. Hingegen erwähnt Eutr. 7,22,1, der zwar von morbo periit in ea, qua pater, Vergiftung. Dass Titus’ Tod nicht natürlich war, wiederholt Victor c. 11,1 (nece). Daher ist lautus hier wohl als Participium coniunctum und nicht als Adjektiv in der Bedeutung „ansehnlich, elegant, raffiniert“ verwendet. Lipsius, De Amphitheatro 16 ändert lautusque zu Lautiisque bzw. Lautibusque und meint, dass damit ein Bauwerk, etwa Thermen, bezeichnet würden. Ähnlich Dufraigne, Aurelius Victor 94 Anm. 8, der als Parallele Cass. Dio 66,26,1 μετήλλαξεν ἐν τοῖϲ ὕδαϲιν ἐν οἷϲ καὶ ὁ πατήρ anführt. Dagegen hat Arntzen, Sextus Aurelius 339 ludisque erwogen, womit die Spiele bei der Eröffnung des Kolosseums bezeichnet worden seien. Da-

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gegen meinte Klebs, Lautus und Aurelius 438–40, dass an dieser Stelle der Genetiv eines sonst nirgends belegten Substantivs lautus, -ūs (vgl. ThLL s. v. Sp. 1069,3–7) analog zu amphitheatri mit opere verbunden und metonymisch für „die Thermen“ verwendet werde. Da aber ebenso für diese Verwendung keine Parallelen existieren, kann man wie Arntzen und Festy, Aurelius Victor 169 das von OP überlieferte lautus als Partizip von lavare und auch das, besonders im Spätlatein, oft funktionslose que behalten (vgl. Einl. S. 37). Vielleicht sind ein oder mehrere Wörter ausgefallen, die Titus’ Tätigkeit vor dem Bade beschreiben. Verzichtet man indessen auf eine Ergänzung, muss man davon ausgehen, dass Victor auch hier seinen Bericht so sehr gekürzt hat, dass die Verknüpfung zwischen der Vollendung des Kolosseums und Titus’ Tod durch Gift nach einem Bade lediglich temporal ist. 11. (2) maior Das von P überlieferte maior wird hier mit dem limitativen Ablativ flagitio verbunden (zu Parallelen für diese Konstruktion vgl. ThLL s. v. magnus Sp. 139,81–140,7); der von O überlieferte Genetiv maiorum ist wohl ein Influenzfehler, da er neben libidinum steht; eine zeugmatische Konstruktion maiorum libidinum flagitio … utens scheint auch für Victor, der oft inkonzinn ist, allzu kühn zu sein. Daher ist auch die Erklärung von Dufraigne, Aurelius Victor 95 Anm. 3, der meint, dass der Ablativ flagitio mit maiorum frei verbunden sei, zu verwerfen. libidinum flagitio gemeint ist hier die sexuelle Schandtat, vgl. ThLL s. v. flagitium Sp. 842,3, der diese Junktur mit stuprum gleichsetzt. retulere Das Perfekt retuli statt rettuli ist epigraphisch belegt, vgl. K.H. 734. Daher ist keine Korrektur nötig. (4) Germanici superiorem, e suo nomine alterum Die Vorliebe Victors für Variatio und inkonzinne Konstruktionen zeigt sich auch hier: Während beim ersten Monat (superiorem sc. mensem) der Name im Genetiv steht, wird beim zweiten (alterum sc. m mit dem Possessivpronomen e suo nomine gewählt. Da Germanicus ebenfalls ein Name Domitians war, muss man wahrscheinlich auch beim Genetiv Germanici die präpositionale Junktur e suo nomine hinzudenken, während beim zweiten der Name Domitiani in Gedanken hinzuzuziehen ist. Deutlicher drückt sich Suet. Dom. 13,3 aus: post autem duos triumphos Germanici cognomine assumpto Septembrem mensem et Octobrem ex appellationibus suis Germanicum Domitianumque transnominavit.

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(5) exercitium Aufgrund der Parallele Epit. Caes. 11,7 ist Schotts geringfügige Korrektur des von OP überlieferten exercitum, das nicht in diesen Zusammenhang passt, zu exercitum ist sehr sinnvoll. clinopalen Das Wort, das ebenso in Suet. Dom. 22 vorkommt und „Bettringkampf“ bedeutet, ist auf griechisch nirgends belegt, vgl. aber Mart. 14,201,2 ἐπικλινοπάλη. (8) ferri Das in Epit. Caes. 11,13 überlieferte efferri passt zwar, wie schon D’Elia, Per una nuova edizione critica 137 meint, besser in den Kontext des Begräbnisses (vgl. ThLL s. v. effero Sp. 142,11–27 mit weiteren Beispielen) als das überlieferte Simplex ferri, das aber immerhin auch Ov. trist. 1,3,89 egredior sive illud erat sine funere ferri vorkommt. Da es hier aber nicht um ein reguläres Begräbnis, sondern eher um das Verscharren eines Leichnams (funus in dieser Bedeutung) handelt, ist das überlieferte ferri durchaus passend und braucht daher nicht verändert zu werden. (11) per se Arntzen, Sextus Aurelius 341 f. meint, dass per se als Persae zu lesen sei. In diesem Satz seien also nicht mehr die Soldaten das handelnde Subjekt, sondern die Parther, die wie c. 13,3 Persae genannt werden. Er meint, dass im folgenden Kausalsatz auf die Geschenke, die von den Römern an die Parther geleistet wurden, angespielt werde. Dass die ersten römischen Kaiser Tributzahlungen an die Parther leisteten, erwähnt Victor nicht. Vielmehr scheint er immer noch über den c. 11,9 begonnenen Gegensatz zwischen Senat und Soldaten, die durch den Tod des Kaisers um ihre Profite gebracht worden waren, zu berichten. (13) die Tüchtigkeit von Fremden … Fähigkeiten Als Provinziale aus Africa zählt sich Victor sicherlich unter die externi, vgl. Penella, Lowly Born Historian 124. 12. (1) Cretensi Das von den Codices überlieferte Cretensi ist im Gegensatz zu Epit. Caes. 12,1, die historisch k Fehler Victors, der in Nerva den ersten Fall für seine These erkennt, gemäß der nach dem Sturz der Flavier (c. 11,12 f.) auch Männer, die nicht aus Italien stammten, die Kaiserwürde erreichten. Während Schott die Stelle nach der Epitome korrigiert, geht D’Elia, Per una nuova edizione critica 142 f. aber mit Recht von einem Fehler Victors oder seiner Quelle aus. Ebenso hält den Boer, Rezension Dufraigne 334 an Cretensi fest. maximeque moderatum Die Vertauschung von Komparativ und Superlativ ist im Spätlatein häufig und kommt auch bei Victor mehrmals vor (ein umgekehrter Fall tritt c. 41,11 und 13 auf), vgl. H.-Sz. 169, Dufraigne,

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Aurelius Victor 99 Anm. 1 und vor allem Stabile, Note critiche 392. Daher ist Schotts Korrektur des überlieferten maximeque in magisque nicht notwendig. 12. (2) tyranni se fecit Das von den Codices OP überlieferte tyrannide fecit ergibt keinen Sinn; unbefriedigend ist ebenso die Worttrennung tyranni defecit mit deficere in der Bedeutung von „zurückbleiben, weggetragen werden“ (vgl. ThLL s. v. Sp. 335,66–76 mit wenigen Belegen aus dem Spätlatein als Übersetzung von ἐϰλείπειν). Besser ist die geringfügige Korrektur Weymans, Zu Apuleius und Aurelius Victor 294 tyranni se fecit mit dem reflexiven Gebrauch von se facere in der Bedeutung „sich wohin machen, sich begeben“ (vgl. ThLL s. v. Sp. 119,131–138 mit Beispielen wie Apul. met. 5,2 intra limen sese facit). Ihm folgt Dufraigne mit Recht. Weniger gut ist desedit („müßig verweilen“) von Arntzen, Sextus Aurelius 343, das nicht zur von quo ausgedrückten Richtungsangabe passt. Besser ist defugit von Walter, Zu Aurelius Victor 427 und ders., Textkritische Beiträge 293, der als Parallele Liv. 5,38,8 quo sinistrum cornu defugit anführt, wobei die Bedeutung „hinab“ von de im Spätlatein verblasst ist, vgl. etwa Arnob. nat. 4,2 in hostilia castra defugit; ebenso Baehrens, Bericht über die Literatur 5 f. und D’Elia, Per una nuova edizione critica 143). Doch ist dies weiter vom überlieferten Text entfernt. Dagegen greift Pichlmayr, dem Festy folgt, mit tyranni decessit stärker in die Überlieferung ein. Pervium Für die aufgrund der Position dieses Forums durchaus sinnvolle Bezeichnung Pervium („Durchgang“) gibt es keine literarischen Parallelen. Das von Nerva gegründete Forum wird in Eutr. 7,23,5 forum transitorium genannt (weitere Belege in ThLL s. v. forum Sp. 1203,61–65); Suet. Dom. 5 nennt es forum quod nunc Nervae vocatur.1 Daher hat wohl Faber die Form Nervium vorgeschlagen. Da aber das für dieses Forum nicht belegte Pervium ein Synonym zu auf eine Korrektur des tradierten Textes verzichten. Gebiet der Sequaner Ungeachtet der Tatsache, dass Nervas Gang ins Exil nach Gallien fiktional ist, könnte mit dem „Gebiet der Sequaner“ (vgl. Amm. 15,11,17) anachronistisch die spätantike Provinz Sequania gemeint sein, vgl. das Provinzverzeichnis des Laterculus Veronensis bei Barnes, New Empire 207. Zum synekdochischen Gebrauch des Volksnamens für die Provinz, vgl. 1,2 Raetis; 2,3 Cappadocas und öfter. 1

Vgl. dazu Richardson, New Topographical Dictionary 167–69 und Bauer / Morselli, Forum Nervae 307–11.

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(3) selbst das äußerste Greisenalter In dieser allgemeingültig anmutenden Feststellung liegt vermutlich eine Spitze gegen den Usurpator Vetranio (vgl. Komm. zu 41,26), der bei seiner Proklamation zum Kaiser im Jahr 350 bereits relativ alt war, vgl. Eutr. 10,10,2 (grandaevus iam). Sein fortgeschrittenes Alter diente nach seinem Sturz als Zielscheibe des Spottes, vgl. Iul. or. 1,30 B; 2,76 C–D; Them. or. 3,45 B; or. 4,56 B; Oros. hist. 7,29,9 f. und Ioh. Ant. fr. 259 Roberto = 199 Mariev. (4) patefecit Da sowohl prefecit von O als auch perfecit von P in diesem Zusammenhang unpassend sind, verbessert Schotts Korrektur das Verständnis des Texts. Beide Formen der Codices gehen wohl auf eine Form pfecit zurück, bei der das Präfix pate- fälschlich zu p- abgekürzt worden ist und im Laufe der Überlieferung falsch als pr(a)e- bzw. pergedeutet worden ist. 13. (1) Italica Zwar hat D’Elia, Per una nuova edizione critica 149–51, der Italicae im Lokativ schreibt, Recht, dass Victor üblicherweise bei Ortsnamen nach ortus den Lokativ verwendet (etwa c. 3,16 Epiri … ortus; 11,12 Romae … orti, ebenso 24,1 und 41,26). Aber c. 20,5 gebraucht Victor den Ablativ in rure ortus und in 20,19 Lepti oppido oriebatur, vgl. H.Sz. 105. Offenbar wird auch hier der Ortsname an die folgende Apposition im Ablativ urbe Hispaniae angeglichen, weshalb der überlieferte Text nicht geändert werden muss. arrogatum Das Verb arrogare wird üblicherweise bei der Adoption erwachsener Personen verwendet (vgl. c. 2,1 arrogatione), auch wenn es oft gleichbedeutend mit adoptare ist (etwa c. 14,11), vgl. dazu ThLL s. v. adrogo Sp. 653,16–27, der auch diese Stelle anführt, und ders. s. v. adopto Sp. 809,62–66. accepit ⟨ 〉 dedit Das in den Codices überlieferte accepit dedit mit zwei asyndetisch nebeneinandergestellten Prädikaten ist korrupt; denn auch als Formel ist accepit dedit⟨que〉 mayr, Zu den Caesares 18 f. glaubt, dass sich hinter dem Asyndeton eine juristische Formel verbirgt. Opitz, Zur Kritik der Caesares 652 und D’Elia, Per una nuova edizione critica 143–49 schlagen die Tilgung von dedit, das als Randglosse in den Archetyp von OP gerutscht sei, vor. Doch ist ein solcher Zusatz im Zusammenhang mit einer Adoption ziemlich unwahrscheinlich; wahrscheinlicher ist es, dass hier in einem saut du même au même von -it auf -it mehr als ein Wort ausgefallen ist, so etwa das von B. Court auf der Grundlage von Epit. Caes. 12,9 (hic Traianum in liberi locum inque partem imperii cooptavit) vorgeschlagene partemque imperii ei.

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Da aber der Text der Epitome hier wohl nicht Victor, sondern einer anderen Quelle folgt, ist diese Ergänzung möglich, aber nicht zwingend. Aus diesem Grund ist zwischen accepit und dedit eine Lücke anzusetzen 13. (3) vires Romanas trans Istrum propagavit An dieser Stelle verbindet Victor kühn vires Romanas, die römischen Streitkräfte als Sinnbild für die römische Macht, mit dem Verb, das normalerweise als Objekt Wörter wie imperium oder fines hat propagare (vgl. dazu die Belege in ThLL s. v. Sp. 1945,36–57 und 1946,8–25), um die Ausdehnung der römischen Macht über die Donau hinaus zu bezeichnen. †satisque† Bei der Aufzählung der unterworfenen Stämme der Daker handelt es sich bei dem von den Codices überlieferten satisque wohl um die Korrektur eines verderbten Namens. Dabei haben Schott, Komm. 195 die Völkernamen Iazygisque, Pichlmayr Sa⟨rma〉tisque und Festy Scythisque vorgeschlagen, während Mommsen, Zu den Caesares 954 aliisque, Pichlmayr capillatisque erwogen haben und Dufraigne, Aurelius Victor 101 Anm. 5 hirsutisque, da nach Petros Patrikios fr. 5 Müller es neben Dakern πιλοφόροι (= pileati) auch κομῆται (= hirsuti) gab. Ebenso möglich wäre saevisque, auch wenn bei Victor saevus, saevitia und saevire nicht zur Qualifizierung von Barbaren, sondern des Charakters, besonders von Herrschern (etwa c. 20,2. 22,3), verwendet wird. Da gute Parallelen fehlen, muss auf eine Konjektur verzichtet werden. †Sardonios† Da die Sardonier offensichtlich nicht von Trajan unterworfen worden sind, handelt es sich auch in diesem Fall um eine verderbte Form. Keinem der Vorschläge Dardanis, Sarmatis bzw. Sauromatis von Schott, Komm. 195 und Sar⟨mizegetusa …⟩ donios von Mommsen, Zu den Caesares 954 oder Sardonio von Frise im Apparat von Pichlmayrs Edition, der wohl einen König mit diesem Namen vermutet, kann aus Mangel an Parallelen der Vorzug gegeben werden. contusae Aufgrund der Parallele c. 4,2 contusae in O wohl besser als das von P überlieferte concussae. {cui} Das Pronomen cui ist in diesem Kontext offensichtlich funktionslos, weshalb Schotts Tilgung unerlässlich ist. Des weiteren setzt Schott nach bello eine Lücke an, während Dufraigne, Aurelius Victor 102 Anm. 7 mit cui bello einen neuen Satz beginnt und danach ebenso eine Lücke vermutet. Da aber contundere und ein Synonym von bello zusammen bei Val. Max. 3,2,11 Cannensi proelio, quo Hannibal magis vires Romanorum contudit belegt sind, kann man die Textverderbtheit auf cui beschränken.

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imperati Schott hat mit Recht das von OP überlieferte imperanti zu imperati korrigiert, auf obsides bezogen und zum Prädikat gemacht (analog zu contusae und conditum in der gleichen Periode, wobei jeweils die Copula est bzw. sunt fehlt). Osdroe Der Partherkönig (PIR2 O 156) wird in den zeitgenössischen Quellen Ὀρρόηϲ (etwa Cass. Dio 68,17,2 und 22,1) bzw. Osdroe (Hist. Aug. Hadr. 13,8) genannt; in der Historia Augusta hat ein späterer Kopist das vom Codex Palatinus überlieferte Osdroe zu Cosdroe korrigiert, was genau die von P gebotene Form ist (Cosoroe in O ist wohl eine sekundäre Verderbnis des Codex). Offensichtlich wurde in der späteren handschriftlichen Überlieferung die Schreibung des Arsakidenherrschers an diejenige des sasanidischen Königsnamen Chosroes, der ab dem 6. Jh. belegt ist, angepasst. Da auch in epigraphischen und numismatischen Quellen der Name des Arsakiden stets mit dem Vokal O beginnt (vgl. Drouin, Onomastique 375 f. und Miller, Art. Chosroes 2444 f.), ist die Verwechslung mit dem Sasanidenkönig Chosroes wohl ein sekundärer Fehler eines Kopisten, der im Laufe der Überlieferung geschehen ist. Victor hat dagegen im 4. Jh. wohl wie die Historia Augusta den Namen in der Form Osdroe geschrieben. 13. (4) aut P überliefert suspectioribus atque opportunis locis; dagegen hat O zwischen den beiden Adjektiven aut. Während Pichlmayr die Lesart von P wählt, bevorzugen Dufraigne und Festy die von O. Aus der von Dufraigne angegebenen Parallelstelle aus Cass. Dio 68,21,1 φρουρὰϲ ἐν τοῖϲ ἐπικαιρίοιϲ lässt sich diese Frage nicht klären. Da in der Regel O besser als P ist und Liv. 34,25,5 in einem ähnlichen Kontext loca alia quae aut opportuna aut suspecta erant hat, wählen wir die Lesart von O. (5) perpetuo Schott ändert das überlieferte perpetuo und macht es zu einem Attribut von annonae. Zwar wird das Adjektiv perpetuus nach ThLL s. v. Sp. 1641,73–42,15 bei instituta, m ligionis verwendet, aber zusammen mit annona gibt es keine Parallelen. Da das überlieferte perpetuo kaum ein Influenzfehler, sondern als Adverb wie in c. 1,6 tribunicia potestate perpetuo habitus verwendet wird, sollte man wie Dufraigne und Festy an der Überlieferung festhalten. noscendis ocius Das von OP überlieferte noscendi socius, das im Kontext dieses Satzes keinen Sinn ergibt, hat Puteanus treffend in noscendis ocius getrennt, was in diesem Textzusammenhang sehr sinnvoll ist. e re publica Schott Korrektur des überlieferten erepta, das wohl aus einer abgekürzten Form von e re publica (e re pca) im Archetypus entstan-

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den ist, scheint sehr sinnvoll zu sein, da sie das Verständnis des Satzes verbessert. media Es handelt sich hierbei um die Zwischenstationen des staatlichen Kurierdienstes. Vgl. zum substantivierten medium ThLL s. v. medius Sp. 591,41 f., der diese Stelle anführt, ebenso Dufraigne, Aurelius Victor 103 Anm. 14. Zwischenstationen ... aneinandergerückt Hiermit dürfte die Einrichtung neuer Zwischenstationen (mutationes) entlang der Fernstraßen gemeint sein, um dem Cursus publicus ein häufigeres Wechseln der Zug- und Reittiere zu ermöglichen. Auch fürs 4. Jahrhundert ist unter Julian die Verkürzung der Stationsintervalle belegt: Iulianus ... cursum fiscalem breviatis mutationum spatiis fieri iussit (CIL V 8987 = ILS 755). Möglicherweise steht die Maßnahme mit dem Bau der Via Traiana zwischen Beneventum und Brundisium in Verbindung. Da aber sonst keine weiteren Details bekannt sind, ist Victors singuläre Nachricht unterschiedlich aufgefasst worden, vgl. etwa O. Seeck, Art. Cursus publicus, RE 4,2 (1901) 1846–63, hier 1848 (als Wiederherstellung des von Nerva ausgesetzten Cursus publicus). 13. (6) posterorum Da Victor sonst immer posteri, -orum verwendet (c. 17,1; 34,6; 41,20), ist die Lesart von O hier dem posteriorum von P vorzuziehen, vgl. D’Elia, Per una nuova edizione critica 151 f. durch den sorgsamen Präfekten Anatolius Dieser war von 357 bis zu seinem Tod wahrscheinlich im Jahr 360 (vgl. Amm. 21,6,5) Prätorianerpräfekt von Illyricum (PLRE 1,59 f. Anatolius 3). Auch von Ammianus Marcellinus wird er in den höchsten Tönen für seine umsichtige Verwaltertätigkeit gelobt, durch welche die Provinzen in dieser Zeit wieder aufgeblüht seien. Dabei hebt Ammian an erster Stelle die „Erleichterungen von den enormen Belastungen für den Kurierdienst“ bei der Erfassung der Steuerpflicht hervor (Amm. 19,11,3). Zur cus durch die Provinzialen vgl. L. Lemcke, Imperial Transportation and Communication from the Third to the Late Fourth Century, Brüssel 2016, 69–74; zu Julians Maßnahmen zur Entlastung der betroffenen Bevölkerung A. Kolb, Kaiser Julians Innenpolitik: Grundlegende Reformen oder traditionelle Verwaltung? Das Beispiel des Cursus Publicus, Historia 42 (1998) 342–59. Da sich Victors Tätigkeit in der Provinzhauptstadt Sirmium mit der Amtszeit der Anatolius überschnitten hat, wird er ihn wahrscheinlich gekannt haben, vielleicht sogar für ihn tätig gewesen sein, vgl. Bird, Sextus Aurelius Victor 8 f. Die anerkennende Erwähnung des Zeitgenossen

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Anatolius sticht jedenfalls – wenn man von der Nennung des Kaisers absieht – als singuläre Personenwürdigung umso mehr aus dem Werk heraus. Sie erklärt sich am ehesten damit, dass der vorbildliche Präfekt erst kurz zuvor gestorben war und ihm hier ein literarisches Denkmal gesetzt wird, um dessen Namen vor dem Vergessen zu bewahren. Dafür spricht auch Victors ausdrückliche Bekenntnis zur traditionellen Wirkungsweise der Geschichtsschreibung, die – wenn auch in 33,26 auf die Kaiser bezogen – nicht „zulässt, dass die Anständigen um den Lohn des Andenkens betrogen werden.“ 13. (8) Surae Während O sua re und P curae überliefern, hat Schott angesichts des im Nebensatz genannten Monuments der Suranae, das nach seinem Erbauer L. Licinius Sura benannt wurde, und der Parallele in Epit. Caes. 13,6 Surae mit Recht Surae konjiziert; vgl. dazu Dufraigne, Aurelius Victor 104 f. Anm. 19. quae Suranae Maehly, Zur Kritik 265 f. hat, da es sich um Thermen auf dem Aventin handelt (gemäß Cass. Dio 68,15,3 wurde ein γυμνάϲιον errichtet), nach quae das Wort aquae ergänzt und den Fehler des Archetyps als Haplographie erklärt; vgl. auch Dufraigne, Aurelius Victor 105 Anm. 19. Doch kann wohl Suranae allein ohne den Zusatz thermae diese Thermen bezeichnen, auch wenn Suranae thermae die eigentliche Bezeichnung des Gebäudes war (vgl. Curios. urb. p. 94,5; 101,4); ebenso Pichlmayr, Zu den Caesares 19, der die Vorliebe Victors für Ellipsen betont und auch in c. 20,22 auf liberalium ohne artium hinweist. (11) cum terrae motu … afficeretur Der von den Codices überlieferte Text wurde seit Schott, Komm. 196 als korrupt betrachtet. Doch kann man diesen halten, wenn man Trajan, der das Subjekt des Hauptsatzes ist, auch im Nebensatz als Subjekt belässt (so etwa Fuhrmann „als ihn ein schweres Erdbeben bei Antiochien und im übrigen Syrien aufs härteste traf“). Dass Trajan, der sich zum Zeitpunkt dieser nur mit knapper Mühe dem Erdbeben entkam, berichtet auch Cass. Dio 68,25,5 f. Dagegen hat Dacier, De Caesaribus 128 das präpositionale Objekt apud Antiochiam durch den Nominativ Antiochia ersetzt, extrema (mit ceteraque Syriae verbunden) statt extremis und afficerentur statt afficeretur geschrieben. Kühn ist auch der Text von Sylburg, Komm. 727, der zwischen Syriae und afficeretur eine Lücke annimmt und bona Asiae parte concussa, reliqua bellorum calamitatibus hinzufügt. Alternativ hat Gruter, Komm. 332 den Komparativ extremius als Adverb vorgeschlagen, während Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 493 nach extremis das

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Substantiv aerumnis hat ergänzen wollen, das in einem saut du même au même ausgefallen sei. Arntzen, Sextus Aurelius 347 f. meint, dass mit extremis Traians Lebensende gemeint sei. Zwar finden sich für den mit afficeretur verbundenen Ablativ extremis als Substantiv kaum Parallelen; aber das substantivierte Neutrum extremum drückt bisweilen äußerste Leiden aus, so Sall. Catil. extrema omnia experiri (vgl. weitere Beispiele dazu ThLL s. v. exter Sp. 2007,46–80), und kann daher mit afficeretur verbunden werden. Daher ist der von OP überlieferte Text sinnvoll und bedarf keiner Korrektur. Italiam Da in diesem Kontext die Wiederaufnahme der militärischen Aktivitäten (militiam von OP) kaum sinnvoll erscheint, verdient der Vorschlag von Freudenberg, Zu Aurelius Victor 493 Beachtung, der an dieser Stelle Italiam (analog zu c. 35,2 Italiam repetivit), das einen geringfügigen Eingriff darstellt, schreibt. 13. (12) abhinc – sint Damsté, Ad S. Aurelium 377 hat vorgeschlagen, diese Periode nach simulaverat ans Ende von c. 13,13 zu setzen, weil so der Erzählfluss zwischen c. 13,11 und 13 nicht durch eine allgemeine Überlegung unterbrochen werde. Ihm folgen Bird, Liber de Caesaribus 86 Anm. 20 und Dufraigne, Aurelius Victor 106 Anm. 26. Indessen passt diese Anmerkung durchaus an die Stelle, an der sie in der Überlieferung steht, da dem Leser zu verstehen gegeben wird, dass Hadrians Stellung, die c. 13,11 mit ascito prius ad imperium bezeichnet wird, dem Rang eines Caesar entsprach. Dagegen liefert c. 13,13 eine alternative Version, die daher am Ende steht. Somit kann man auf eine Umstellung des Textes verzichten, vgl. aber hist. Komm. seither wurden die Titel ‚Caesar‘ und ‚Augustus‘ unterschieden Bird, Liber de Caesaribus 86 Anm. 21 erklärt hierzu: „This is incorrect; it began in Hadrian’s reign when he adopted … L. Aelius Caesar.“ Mit einer Umstellung der Erläuterung (§12) ans erwägt worden ist (vgl. philolog. Komm.), entfiele nicht nur die merkwürdige Unterbrechung des Gedankengangs zu Hadrians Adoption (§11 und 13), es ließe sich auch Victors vermeintlicher Fehler beheben, als dass die Erläuterung (statt auf Traian) proleptisch auf Hadrian und L. Aelius Caesar bezogen wäre, zumal in Kapitel 13 die kaiserlichen Titel gar nicht vorkommen. Das nomen ‚Caesar‘ taucht nämlich erstmals in Kapitel 14 (wieder) auf, nachdem es mit dem Ende der julisch-claudischen Dynastie, welche es hervorgebracht hat, quasi obsolet wurde (vgl. 5,17 hic finis Caesarum genti fuit). Victor scheint vom spätantiken Gebrauch der nomina

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primär als Amtstitel auszugehen (vgl. 14,10 ad creandum Caesarem; 41,10), bei dem ‚Caesar‘ gegenüber ‚Augustus‘ das Amt eines Unterkaisers bezeichnet, vgl. etwa Amm. 20,8,7 secundi loci rector. Vgl. auch Pabst, Comitia imperii 49 und 51. 14. (2) gymnasia bezeichnet nicht nur den Sportplatz, sondern metonymisch auch den Sport und das Turnen, vgl. ThLL s. v. Sp. 2380,53–61, der auch diese Stelle anführt. (4) Cereris Liberaeque quae Mit Recht verbessert Schott das von OP überlieferte liberae quaeque zu Liberaeque quae. Da von der aventinischen Trias Ceres, Liber und Libera bei Victor Liber fehlt, schlägt D’Elia, Per una nuova edizione critica 153–159 vor, Cereris, Liberi, quaeque Eleusinia dicitur zu schreiben, wobei Libera um der Variatio willen mit quaeque Eleusinia dicitur umschrieben werde. Indessen kommen Ceres und Libera selten als Paar vor, vgl. Cic. Verr. 2,5,186 Ceres et Libera, weshalb die Korrektur von liberae in liberi nicht nötig ist; so auch Dufraigne, Aurelius Victor 108 Anm. 4, der an Schotts Text festhält. Eleusinia Die von Op.c. überlieferte Form des Adjektivs ist dem von Oa.c. und P gebotenen eleusina vorzuziehen, da sie auch in Suet. Claud. 25,5 sacra Eleusinia und als Neutrum Plural in Tert. Apol. 7 sowie in Min. Fel. 22,2 Ceres facibus accensis … vestigat: haec sunt Eleusinia belegt ist und die eleusinischen Mysterien bezeichnet. dicuntur Da das Subjekt Eleusinia Neutrum Plural ist, muss das von OP überlieferte dicitur in den Plural gesetzt werden, was schon Schott getan hat. Roma Der Nominativ Roma als Subjekt zu percoleret ist ungewöhnlich. ThLL s. v. percolo Sp. 1216,45–47 fragt sich, ob Roma hier Nominativ oder ein Ablativ anstelle des Lokativs Romae sei. Angesichts von c. 27,3 quos … Thracia retinebat, in dem ein Land Subjekt einer Handlung ist, dürfte hier Roma (5) rus proprium kann als Richtungsakkusativ im Spätlatein zusammen mit einem Attribut stehen, vgl. H.-Sz. 49. Es bildet wohl eine Art Apposition zum Richtungsakkusativ Tibur. (7) famoso ministerio ThLL. s. v. ministerium Sp. 1008, 48–51 erklärt den Ausdruck an dieser Stelle als die Tätigkeit von Liebhabern und Prostituierten und gibt als Parallele Cod. Theod. 15,8,1 vile ministerium prostituti pudoris exercere an. (8) obiecisse ⟨se⟩ Die Ergänzung des Reflexivums se durch Schott analog etwa zu Cic. Tusc. 1,89 Decius … se hostium telis obiecisset oder

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Caes. civ. 3,66 se legio Caesaris obiecisset Pompeianis copiis ist nötig; der Fehler in den Handschriften läßt sich leicht als Haplographie erklären. Ebenso Petschenig, Zu spätlateinischen Schriftstellern 154, der aber se ferunt statt referunt analog zu c. 28,3 quod equidem denuntiatum ferunt schreibt, was zwar ebenso elegant ist, aber wegen der Parallele c. 38,4 id quidam iure ei accidisse referunt nicht nötig ist. (11) adoptatum … iubet Die Konstruktion, bei der nach velle, nolle, malle und cupere das Prädikatsnomen mit dem Partizip Perfekt Passiv gewöhnlich ohne esse anstelle des Infinitivs Präsens ausgedrückt wird, um den Gegenstand des Wunsches mit Nachdruck als schon vollendet auszudrücken (vgl. dazu K.-St. 713 f.), dehnt hier Victor auch auf iubere aus. (14) quique Der Plural von quisque kommt im Spätlatein gleichbedeutend mit singuli und omnes (vgl. H.-Sz. 199) vor und bezieht sich als Subjekt auf die in der vorherigen Periode genannten patres. Dagegen meint Rudoni, Sei note testuali 311, dass suos „non può che designare i parenti e gli intimi di ciascuno“ (vgl. c. 2,1; 3,5), und will daher quisque schreiben, wobei das Prädikat ad sensum im Plural bleiben kann (vgl. etwa Tac. ann. 1,30,3 suis quisque hibernis redderentur). Indessen kann selten auch der Plural quique zusammen mit sui stehen, etwa Fest. 416,25 magna pars populi in suos quique v⟨i⟩cos rettulerunt ei⟨u⟩s deae cultum. Aus diesem Grund ist es nicht nötig, den überlieferten Text zu verändern. 15. (1) at Aelio Da O auch c. 14,5 und 10 Helius statt Aelius schreibt, ist at helio als at Aelio zu deuten (ebenso wohl attelio von P), wie D’Elia, Per una nuova edizione critica 160 bemerkt, und steht am Anfang des Kapitels, das mit at einleitet wird, vgl. Komm. c. 6,1 at. Diese Lösung ist viel besser als die Vorschläge der Gelehrten, die wie Opitz, Zur Kritik der Caesares 652 f., von Schotts Aurelio ausgehend, ⟨unde⟩ Aurelio oder wie Walter, Textkritische Beiträge 293 at Aurelio schreiben. (6) maribus: mares kann auch zeichnen, vgl. dazu ThLL s. v. mas Sp. 423,47–72, der diese Stelle Sp. 423,67 erwähnt. viro Da, wie Opitz 1878, Zur Kritik der Caesares 651 Anm. 3 mit Recht bemerkt, viro ein instrumentaler Ablativ ist – auch wenn bei Personen ungewöhnlich und ohne Parallelen –, kann man auf die Konjektur von Freudenberg, Zu Aurelius Victor 493 viri virtute verzichten. 16. (2) quae bezieht sich auf den ganzen vorherigen Satz, der aber, wie bei den Beschreibungen der anderen Kaiser (etwa c. 2,1. 3) elliptisch ist. Daher ist D’Elias Vorschlag (bei Festy), das quae als Dittographie nach

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-que zu tilgen und das folgende mit dem vorangehenden kurzen Satz zu verbinden, zwar elegant, aber angesichts von Victors Stil bei Aufzählungen wohl überflüssig. ut Campaniae sedens Da Victor in der Regel nicht den bloßen Ablativ anstelle des Lokativs verwendet (vgl. Komm. c. 13,1 Italiaca), verändert Schott das von OP überlieferte uti campania durch den Zusatz eines Buchstabens in ut in Campania. Der von D’Elia, Per una nuova edizione critica 151 vorgeschlagene Lokativ Campaniae ist nachklassisch möglich (vgl. Flor. Epit. 1,18,11 Lucaniae) und kommt auch c. 3,16 ortus Epiri vor (vgl. dazu Komm. c. 3,16 Epiri und H.-Sz. 150), weshalb diese Lösung besser ist. Kühner sind die Vorschläge von Schott, Komm. 198 ut in Campaniam secedens und von Damsté, Ad S. Aurelium 377 f. uti Campaniam foedans (foedare auch c. 3,9. 4,12. 41,7), die stärker in den überlieferten Text eingreifen und mangels Parallelen keinerlei Berechtigung haben. nudi Dass Matrosen wirklich „nackt“ und nicht nur „leichtbekleidet“ waren, berichten u. a. auch Paul. Nol. carm. 24,341 (CSEL 30,217) velut expeditus navita, de nuditatis nauticae consortio nudi pudorem evaderet und Chrys. proph. obscurit. (PG 56,164) ἕτεροι γοῦν τῶν ναυτῶν γυμνοῖϲ τοῖϲ ϲώμαϲι κυβιϲτῶϲι κατὰ τῶν κυμάτων. 16. (6) fraudem inter cenam exercuisse Die Junktur fraudem exercere ist nach ThLL s. v. fraus Sp. 1270,23 nur an dieser Stelle belegt. (7) vulvae Schweinsuterus als Delikatesse bei Symposien wird auch von Mart. 13,56 te fortasse magis capiat de virgine porca, / me materna gravi de sue vulva capit und von Plin. epist. 1,15,3 at tu apud nescio quem ostrea vulvas echinos Gaditanas maluisti erwähnt, vgl. auch Wilkins / Nadeau, A Companion to Food 141. (9) perocculta Auch wenn das von O überlieferte Adjektiv peroccultus möglicherweise ein Hapax legomenon ist, vgl. ThLL s. v. Sp. 1602,8–12, ist es dem occulta von P vorzuziehen, Wörter vorkommen. (10) incerta – metuebantur Wie D’Elia, Per una nuova edizione critica 163–65 und Festy in seiner Edition kann man den Text von O für genuin betrachten, wobei incerta substantivisch gebraucht wird und das Subjekt des Satzes ist, während in eius salute den Gegenstand, den die Unwägbarkeiten des Kriegs betreffen, ausdrückt und doctrinae studiis dazu als Dativ commodi den Gegenstand der Furcht bildet. Das transitive metuere, das sowohl ein Objekt im Akkusativ als auch den Dativus commodi regiert (vgl. ThLL s. v. Sp. 904,38–44 mit Parallelen), wird hier im Passiv

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konstruiert. Somit kann man auf die Verbesserungsvorschläge von Freudenberg, Zu Aurelius Victor 493 f., Baehrens, Ad Sexti Aurelii 255 oder Rossbach, Zu Aurelius Victor 476 sowie auf die Crux vor incerta von Pichlmayr verzichten. 16. (11) opperiendaeque An dieser Stelle passt das von OP überlieferte Verb operire „zudecken“ nicht in den Kontext. Erwartet wird aber opperiri „warten“. Cardinali, Aurelii Victoris Liber 178 gibt keinen Hinweis auf eine mögliche Verwechslung von operire mit opperiri. ThLL s. v. Sp. 681,81 f. glaubt jedoch, dass an dieser Stelle ebenso wie in Tac. ann. 11,12,2 das Verb mit opperiri, das an beiden Stellen sinnvoll ist, verwechselt worden sei.1 Da einfache orthographische Fehler mehrmals unabhängig voneinander vorkommen können, sollte unabhängig von der Tacitusstelle hier opperiendaeque geschrieben werden . vadimoniorumque Zur Praxis der Gestellungsbürgschaft und zu ihrer als unhistorisch betrachteten Abschaffung vgl. Kaser / Hackl, Das römische Zivilprozeßrecht 226–231 und zu dieser Stelle auch S. 477 Anm. 50 und S. 566 Anm. 2. (12) promiscue Schotts geringfügige Korrektur des überlieferten promissi ergibt in diesem Kontext einen viel besseren Sinn, da nirgends gesagt worden ist, dass das römische Bürgerrecht vorgängig versprochen worden war. Da Victor c. 24,9 die Form promiscue nochmals verwendet, ist nicht, wie Walter, Zu Livius, Tacitus, Aurelius Victor 1054 vorschlägt, promisce (analog zu Tac. hist. 1,47,5; 2,49,19 etc.) zu schreiben. das römische Bürgerrecht … an alle verliehen Die historisch falsche Zuschreibung der Bürgerrechtsverleihung an Marc Aurel statt an Caracalla führt A. Besson, Constitutio Antoniniana. L’universalisation de la citoyenneté romaine au 3e siècle, Basel 2020, 50 weniger auf eine Namensverwechslung zurück, wie Dufraigne, Aurelius Victor 115 Anm. 16 glaubt, als darauf, „qu’il s’agisse d’une attribution à Fall bleibt offen, ob Victor oder seine Quelle dafür verantwortlich ist. so wie Nikomedeia abermals in unserer Zeit Die ehemalige Residenzstadt Diocletians wurde am Morgen des 24. (oder 28.) August 358 von 1

Überdies steht in der handschriftlichen Überlieferung von Tacitus’ Annalen die Form operiri, die Beroaldus zu opperiri und Nipperdey zu operire („aus dem Sinn schlagen“) korrigiert haben; die neuesten Ausgaben der Annalen sind uneinheitlich: Während Heubner opperiri wählt, folgen Wellesley und Fisher Nipperdey. Vorausgesetzt, dass operire „aus dem Sinn schlagen“ bedeuten kann, ist es einerseits bei Tacitus die Frucht einer Korrektur und passt andererseits nicht in den Kontext von Victors Satz.

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einem starken Erdbeben der Nordanatolischen Verwerfung erschüttert, das schwere Schäden in der gesamten Stadt verursachte, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 358,2; ferner Amm. 17,7,1–8; Soz. 4,16,4–10; Lib. or. 61. Das Unglück lag zum Zeitpunkt der Abfassung der Historiae abbreviatae ungefähr zwei Jahre zurück. Neben der Tatsache, dass die Zerstörung der Stadt an sich schon ein aufsehenerregendes Ereignis war, lässt sich dessen Erwähnung wohl auch mit Victors generellem Interesse an göttlichen Vorzeichen erklären, als welche Erdbeben aufgefasst wurden, vgl. A. Hermann, Art. Erdbeben, RAC 5 (1962) 1086–89 (Prodigium). Auch in christlichen Kreisen herrschte eine Kontroverse um die Deutung der Katastrophe von 358, vgl. Bleckmann, Kommentar zu Philost. (KFHist E 7) 4,10,2; Oros. hist. 7,29,5. Victor als frühestes literarisches Zeugnis für das Erdbeben ist den Belegen bei Guidoboni, Catalogue of Ancient Earthquakes 225–59 hinzuzufügen. Ob es eine besondere Bewandtnis damit auf sich hat, dass nur der in Rom ansässige Cerealis (PLRE 1,197 f.), aber nicht Datianus (PLRE 1,243 f.), der consul prior aus Konstantinopel genannt ist, obgleich Nikomedeia im Osten lag, lässt sich nicht sagen. 16. (13) Carnunto Da auch Eutr. 8,13,1 wie alle übrigen antiken Autoren die Stadt Carnuntum nennt (vgl. ThLL s. v. Sp. 203, 15 f.), sollte die von Dufraigne im Apparat seiner Edition vorgeschlagene Verbesserung des überlieferten carnuto übernommen werden. (15) quae seiuncti Die meisten Herausgeber folgen der Handschrift P, in welcher der elliptische Relativsatz durch qui eingeleitet und auf patres ac vulgus bezogen wird. Das von O überlieferte quae wird bei dieser Lösung wohl als ein wegen des davorstehenden denique bedingter Influenzfehler betrachtet. Indessen bedeutet seiunctus immer nur „(räumlich) getrennt“ und nicht, wie etwa Fuhrmann übersetzt, „uneinig.“ Wahrscheinlich folgt Victor hier derselben Quelle wie Hist. Aug. Aur. 18,3: denique, priu tum fuerat neque postea, senatus populusque non divisis locis, sed in una sede propitium deum dixit. Festy, der das von O überlieferte quae wählt, übersetzt mit Recht: „le sénat et le peuple décernèrent à lui seul et ensemble tout ce qu’ils accordaient séparément pour les autres empereurs.“ Analog zu c. 11,4 inchoata per patrem vel fratris studio variiert Victor bei der Konstruktion zwischen in aliis (präpositionaler Ausdruck) und soli (Dativ), die beide von decrevere abhängig sind, wobei mit dem Dativ soli die Person, der die Ehren zuerkannt werden (soli steht hier ohne Stützwort, ein Demonstrativpronomen wie ei oder ipsi muss hinzugedacht werden, eben-

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so c. 42,2), mit dem präpositionalen Ausdruck in aliis dagegen die Personen, über die eine Entscheidung gefällt wird, bezeichnet werden, vgl. ThLL s. v. decerno Sp. 150,14–20. Aus diesem Grund erübrigt sich auch die elegante Konjektur Fabers, der seiunctim aliis schreibt, was paläographisch mit dem überlieferten Text nahezu identisch ist, da -in und -m gleichviele senkrechte Striche aufweisen. (16) templa columnas sacerdotes Möglicherweise handelt es sich in dieser nach Behaghels Prinzip der wachsenden Glieder gestalteten Aufzählung bei templa und columnas um poetische Plurale (ebenso in Epit. Caes. 16,14, die hier von Victor abhängig zu sein scheint, templa columnae multaque alia), da Hist. Aug. Aur. 18,8 templum ei constitutum, dati sacerdotes Antoniniani etc. hat. Vgl. zum poetischen Plural auch Komm. c. 9,7 monumenta. 17. (1) controversam An dieser Stelle bedeutet controversus wie contrarius „entgegengesetzt“, vgl. ThLL s. v. controversus Sp. 788,36 f., der diese Stelle anführt. (2) den Monat September in Commodus umbenannt Diese Nachricht, die sich von dem Parallelbericht bei Cass. Dio 73,15,3 und Hist. Aug. Comm. 11,8 unterscheidet, wonach im Zuge einer Umbenennung sämtlicher Monate der August in Commodus umbenannt wurde, findet sich so auch bei Eutr. 8,15 (und Hier. chron. 208k) wieder und geht auf die EKG zurück. Anders als der Komm. zu Eutr. 8,15 (KFHist B 3) nahelegt, ist der Fehler somit nicht durch Eutrop verursacht, zumal Commodus etwa um 187 nachweislich den September nach sich umbenennen ließ (CIL XIV 2113 = ILS 5193). Ob zu einem späteren Zeitpunkt erneut eine Umbenennung nunmehr aller Monate stattfand (s. o.), ist strittig, vgl. Kienast, Kaisertabelle 141 mit Verweis auf F. von Saldern, Einige Bemerkungen zur Kalenderreform des Commodus, ZPE (2004) 189–92. (3) moenia bezeichnet bei Victor handelt es sich um Thermen (ebenso c. 29,1), vgl. ThLL s. v. Sp. 1328,53 f. (4) obiecti mucronibus … uterentur Während O obiecti m veronibus hat, bietet P obiectum veronibus. Das Substantiv vero wäre aber ein Hapax legomenon und würde wohl soviel wie veru („Wurfspieß“) bedeuten. Geht man indessen von O aus, dann ist es – wie Olivarius als erster erkannt hat – leicht, in m veronibus eine verderbte Form von mucronibus zu erkennen, da v und u gleich und e und c ähnlich geschrieben werden. Während Maehly, Zur Kritik 266 am von O überlieferten Plural obiecti festhält und

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dafür uteretur zu uterentur machen muss, behält Olivarius uteretur und schreibt obiectus. Dagegen will Corbett, One word less 119, ausgehend von dem in P überlieferten obiectum den Ablativ obiecto machen und mit ferro verbinden. Damit könnte auch das von OP überlieferte uteretur bewahrt werden. Doch würde ferro obiecto mucronibus bedeuten, dass die härtere, stählerne Klinge den weicheren, bleiernen ausgesetzt bzw. ausgeliefert wird, was weder sinnvoll ist noch Parallelen aufweist – man würde allenfalls das Gegenteil erwarten ferro obiectis mucronibus. Auch wenn obiectus als maskulines Substantiv nach ThLL s. v. obicio Sp. 59,67–72 neben Gloss.L II Philox. OB 17 nur an dieser Stelle vorkommt, muss man offenbar bei obiecti an die vorher genannten gladiatores , die Commodus’ Schwert ausgeliefert (obiecti) werden. Daher sollte man obiecti nicht ändern, auch wenn man dafür wie Maehly uterentur schreiben muss (für den Plural spricht aber auch mucronibus). 17. (7) insatiabilem Im Zusammenhang mit Blut ist Schotts Verbesserung des von OP überlieferten instabilem durch den Zusatz weniger Buchstaben zu insatiabilem sehr sinnvoll und passt zu Commodus’ Charakter. coniuravere{ne} Wie Dacier, De Caesaribus 135 erkannt hat, ist coniuravere das Prädikat des Hauptsatzes. Mit Recht tilgt sie das funktionslose ne. Die Lösung Schotts, Komm. 199, der daraus den Infinitiv ire machen will, verbessert den Text nicht, da eine Infinitivkonstruktion nach coniurare zwar möglich ist (auch wenn, wie c. 10,3 zeigt, dies bei Victor nicht der Fall ist), das Verb ire zum Beschreiben einer feindlichen Handlung hingegen nicht passt. Dagegen schlägt Walter, Zu lateinischen Schriftstellern 317f. vor, ne als Fragepartikel in bejahendem Sinn aufzufassen, was aber, wie Miller, Bericht über die Literatur 61 gezeigt hat, angesichts von Victors berichtendem Stil im Gegensatz etwa zu Komödiendialogen (wie Plaut. Pseud. 352) g proximus ⟨quisque⟩ Gruner ergänzt wohl analog zu c. 3,5 prudentissimus quisque hier nach proximus das Pronomen quisque. Dies ist wohl nötig, auch wenn Stabile, Note critiche 392 das substantivierte proximus allein (analog zu c. 13,2 hoc aegre clarior domi seu militiae reperietur), für ausreichend hält. In diesem Fall wäre wohl der Vorschlag von Schott, Komm. 199 proximi (und zwar die in Hist. Aug. Comm. 17,1 genannten Quintus Aemilius Laetus praef. et Marcia concubina) besser. Doch kann das Pronomen quisque sehr leicht angesichts des folgenden quippe ausgefallen sein, weshalb Gruners Lösung die beste ist.

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mentem pronamque Schott, Komm. 199 schlägt mentem pravamque vor, was durchaus sinnvoll ist. Doch da die Junktur mens prona ebenfalls belegt (etwa c. 20,10 mens ad credendum prona und Lucan. 1,457 f. inde ruendi / in ferrum mens prona viris) und an dieser Stelle ebenfalls sinnvoll ist, kann man am überlieferten Text festhalten. a quibus eorum potentia sustentatur Aufgrund der passiven Konstruktion muss man, wie Mommsen, Zu den Caesares 955 bemerkt hat, das überlieferte potentiam sustentantur zu potentia sustentatur korrigieren und zum Subjekt machen. Dufraigne, Aurelius Victor 118 Anm. 8 hält den Relativsatz, der merkwürdigerweise nach dem dum-Satz steht, für eine Glosse zu satellites. Für Tarrant, Rezension Dufraigne 361, der den Satz umstellt und eorum durch eius ersetzt, ist die Funktion des Satzes „to elaborate the point made in dominationi adeo fidus nemo, and it thus follows both that it should be closely connected to ipsique satellites …“ Festy bezieht den Relativsatz ebenfalls auf ipsique satellites und übersetzt „qui soutenaient leur autorité“, wobei mit dem Plural eorum ἀπὸ κοινοῦ auf dominatio (der Tyrannen) Bezug genommen wird; ebenso übersetzt Bird „by whom the power of those men was maintained“. Dagegen verbindet Fuhrmann, was auch möglich ist, den Relativsatz mit dem am Anfang des Paragraphen stehenden dum-Satz: cavent (sc. illorum), a quibus … „von denen ihre Macht abhängt“, also die Macht der satellites. Diese Reflexion Victors hat leider nirgends Parallelen, die eine Lösung nahelegen könnten. Da potentia bei Victor nicht nur die Macht der Kaiser bezeichnet, sondern z. B. auch diejenige der Soldaten (c. 33,35), und da es für eine Umstellung der Nebensätze keinen Grund gibt, scheint Fuhrmanns Lösung den überlieferten Text am passendsten wiederzugeben. occultatius der Komparativ des Adverbs occultate ist ein Hapax legomenon, vgl. ThLL s. v. occulto Sp. 380,10 f. 17. (8) cuius ⟨vis⟩ Die Ergänzung von gezeichnet in den Kontext; das von den Codices überlieferte cuuis ist wohl eine Haplographie des ursprünglich von Victor geschriebenen cuius vis. (9) ibi Schotts geringfügige Korrektur des von OP überlieferten cibi ist sinnvoll, da zu Beginn dieses Satzes auf den zuvor genannten Ort der Ermordung des Despoten hingewiesen wird. e consilio Nach ThLL s. v. consilium 443,37, der diese Stelle anführt, handelt es sich hier um eine Verschwörung. (10) Ianuariarum Die von O angeführte Form Ianuariarum (sc. Kalendarum) erscheint auch Aug. in evang. Ioh. 5,17,4 die festo Ianuariarum.

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Falls P wirklich, wie Pichlmayr meint, die Form Ianuariorum von einem neutralen Substantiv Ianuaria hat, handelt es sich hier um ein Hapax legomenon. Daher kann man hier O folgen. primo luci Maskuline Formen von lux kommen nach ThLL s. v. Sp. 1905,29–34 selten, etwa Cic. off. 3,112 und Gell. 2,28,14 vor. 18. (1) doctrinae omnis ac moribus antiquissimis Zur Variatio der Kasus – hier zwischen Genetivus und Ablativus qualitatis – vgl. Komm. c. 10,5 biennio post ac menses fere novem. immodice Das Adverb immodice dient Victor auch c. 20,14 und c. 26,4 zur Steigerung eines Adjektivs oder eines Verbs, vgl. ThLL s. v. immodicus Sp. 487,12–14, der es dem Adverb valde gleichsetzt. 19. (1) an Salvius Victor verwechselt offensichtlich hier und vor allem c. 20,1 den schon c. 18,2 genannten Didius Iulianus (vgl. auch Epit. Caes. 19,1) mit dem unter Hadrian tätigen Juristen Salvius Iulianus (vgl. dazu Hohl, Die Historia Augusta und die Caesares 223 f., Dufraigne, Aurelius Victor 121 Anm. 3 und Bird, Liber de Caesaribus 100 Anm. 1). Nach Eutr. 8,17 war der ebenfalls mit dem falschen Gentilnamen versehene Salvius Iulianus genannte Kaiser der Enkel des gleichnamigen Juristen. Offenbar geht also die Verwechslung der beiden Personen auf die von Victor eingesehenen Quellen zurück. In Bezug auf an bemerkt schon Laqueur, Probleme der Spätantike 26 die eigentümlich konzise Art, auf die Victor auf ein Problem der Überlieferung hinweist, da er sich offenbar für keinen der beiden Namen entscheiden kann. Dagegen weist Tarrant, Rezension Dufraigne 361 darauf hin, dass an oft „oder aber“ bedeutet und wie Cic. fam. 7,9,3 Cn. Octavius est an Cn. Cornelius quidam lediglich eine Variante angibt. Doch verwendet Victor an auch c. 3,1 febri an insidiis, um anzugeben, dass er nicht weiß, welche Angabe richtig ist (ähnlich auch c. 33,22). Eine solche Erklärung hält Cameron, Two Glosses 20 f., der aber c. 3,1 nicht berücksichtigt, für nicht plausibel; was added in the margin or above the line by a copyist familiar with Eutropius’ Salvius Iulianus 8,17 and probably also puzzled by Caes. 20,1.“ Die Tatsache, dass Epit. Caes. 19,1 nur Didius schreibt, ist für ihn ein klarer Hinweis dafür, dass auch Victor ursprünglich nur Didius geschrieben hat und „that the gloss an Salvius found its way into the archetype of our two extant manuscripts after the compilation of the Epitome.“ Da sich aber das Kapitel der Epitome signifikant von Victors Version unterscheidet, darf man bezweifeln, dass Victor an dieser Stelle die Vorlage der Epitome war; insofern ist Camerons Gedankengang nicht stichhaltig. Daher

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sollte man die Überlieferung nicht infrage stellen und die Unsicherheit beim Bestimmen, welcher der richtige Name ist, Victor selbst zuschreiben. (4) proxime kommt mit Akkusativ schon in klassischer Zeit wie prope als Präposition vor, vgl. H.-Sz. 245 und ThLL s. v. propior Sp. 1962,54– 69. Romae Da das von OP überlieferte prome verderbt ist, schreibt man analog zu c. 27,6 Romae intra palatium, was schon Schott, Komm. 200 vorgeschlagen hat, Romae. Das von Walter, Zu Aurelius Victor 427 in Betracht gezogene prompte kommt bei Victor immer nur im Komparativ promptius vor (c. 33,15. 34,8. 39,27), weshalb man Romae den Vorzug geben sollte. 20. (3) auctoribus Das von Schott gewählte auctoribus stellt gegenüber dem von den Handschriften überlieferten actoribus einen geringfügigen Eingriff dar, verbessert aber den Sinn des Satzes, da Victor den Urheber einer Tötung auch anderswo (etwa 6,2; 11,9; 20,9 etc.) mit auctor bezeichnet. Opitz, Sallustius und Aurelius 219 f. verweist dagegen auf Sall. Catil. 3,2 par gloria sequitur scriptorem et auctorem rerum, wo ein beträchtlicher Teil der Handschriften actorem statt auctorem hat; er meint, dass Victors Stelle eine Parallele für Sallusts Gegensatz zwischen scriptor und actor sei (bei Victor stehen die scriptores c. 20,2); doch kann man umgekehrt auch die Stelle Sallusts anführen, um die Korrektur des überlieferten actoribus in auctoribus zu rechtfertigen. (4) cum Das kausale cum kann im Spätlatein auch den Indikativ regieren (ebenso c. 24,4 nam cum … inhorrescunt und 41,21 cum … accipiuntur atque …), vgl. H.-Sz. 625. sic habent Manchmal kann habere wie ein Verbum sentiendi auch „der Meinung sein“ bedeuten, vgl. ThLL. s. v. Sp. 2449,7–21, der neben dieser Stelle weitere Beispiele wie Cic. nat. deor. 3,86 omnes mortales sic habent potuisse Die von habent abhängige Konstruktion ist wahrscheinlich eine verkürzte irreale Periode ohne Protasis (nur durch nisi publico latrocinio ac per dementiam nominal angedeutet). Dabei treten die „Ausdrücke des Könnens, Sollens, Müssens u. ä. in den Infinitiv Perfekt“, vgl. K.-St. 2,407. (5) meine Lebensstellung … erhöht habe Die Formulierung erinnert an den kaiserlichen Erlass vom 24. Febr. 360, in dem die Beförderung dessen in Aussicht gestellt wird, der „durch Studien und Beredsamkeit als eines höheren Ranges würdig zu sein scheint“: eum, qui studiis et eloquio

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dignus primo loco videbitur, honestiorem faciet nostra provisio (Cod. Theod. 14,1,1). 20. (6) parce Wölfflins minimale Veränderung des überlieferten parte in parce, die man angesichts der Verwechslung der Kopisten von c und t leicht nachvollziehen kann, passt als Einschränkung zu fecunda wegen des folgenden tamen besser als Schotts partu in den Aussagekontext und ist näher an der Überlieferten als das parum von Casaubonus. quemque ad sua celsos habet ThLL s. v. habeo Sp. 2432,18–32 zählt diesen Fall zu den Konstruktionen von habere in der Bedeutung „(fest)halten“ mit doppeltem Objekt (quos … quemque und das Prädikatsnomen celsos), vgl. Tac. ann. 2,57,1 haec tamen non laetum Germanicum habebant. Daher ist weder Gruters (Komm. 333) Konjektur adhibet noch Sylburgs (Komm. 728) subvehit nötig. quem Das von OP überlieferte qui ist wohl ein Influenzfehler wegen des davorstehenden Nominativs nemo. Wie schon Schott, Komm. 200 erkannt hat, bezieht sich das Relativprononen auf das folgende mortuum und muss daher zu quem korrigiert werden. Wie Arntzen, Sextus Aurelius 366 einen absoluten Nominativ mit qui anzunehmen, dem nach quamquam exacta aetate ein anakoluthischer Satz folgt, ist mangels Parallelen bei Victor wohl auszuschließen. eloquioque Sowohl das von O überlieferte elocioque als auch das von P gebotene elotioque sind verderbt. Schott, der offenbar von der häufig vorkommenden Verwechslung von c und g ausgeht, schreibt elogioque; ihm folgt ThLL s. v. Sp. 405,15–20, der an Grabinschriften und Epigrammen auf Monumenten denkt. Dass dies hier passend ist, darf aber bezweifelt werden. Hingegen meint Corbett, De Caesaribus 256, hier stehe eloquioque und bedeute soviel wie oratio funebris (vgl. Hist. Aug. Pert. 15,1, wo unter den von Severus für Pertinax getroffenen Maßnahmen auch eine laudatio funebris erwähnt wird), was belegt ist; bei Victor bedeutet es c. 14,1 und 42,1 „Rhetorik bzw. Redegabe“. eloquium bezeichnet nach ThLL s. v. Sp. 415,20–37 aber auch die gehaltene Rede bzw. Sp. 414,9–63 jede Art bzw. Gattung von Rede. Da in den Handschriften eloquium und elogium bisweilen miteinander verwechselt werden (vgl. Epit. Caes. 4,8 und ThLL s. v. eloquium Sp. 412,37–39), ist es möglich, dass Victor ursprünglich eloquioque geschrieben hat. statuentes illum {iustum} – convenisse struere als Verbum dicendi, von dem ein Akkusativ mit Infinitiv abhängt, hat nirgends Parallelen, weshalb die überlieferten Formen struentes von P und struente von O wohl

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verderbt sind. Wahrscheinlich stand ursprünglich, wie Schott, Komm. 200 erwogen hat, ein Partizip wie statuentes, dem problemlos eine Infinitivkonstruktion folgen kann. Gerade die Parallele Hist. Aug. Sept. Sev. 18,7 de hoc senatus ita iudicavit illum aut nasci non debuisse aut mori bestätigt die Vermutung, dass Victor etwas Äquivalentes zu iudicavit geschrieben hat. Da mit dem Infinitiv convenisse schon gesagt ist, dass etwas rechtens ist, kann man iustum, das nicht als Attribut zu illum passt und entweder eine in den Text gerutschte Glosse zu convenisse oder ein durch iustitio davor beeinflusster Fehler eines Kopisten ist, als überflüssig betrachten. Daher hat es Festy mit Recht athetiert, vgl. dazu auch Festy, A propos du Corpus Aurelianum 94 f., der als verdächtige Fälle von Doppelungen auch c. 14,13 ad … admissos und c. 40,22 f. iure tandem … in dies tandem anführt. Vielleicht hat der Verfasser des Archetyps beim Abschreiben den Text zwischen iustitio und iustum wegen der Ähnlichkeit der beiden Begriffe falsch kopiert bzw. miteinander vermengt. Da Victor auch bei Alternativen nie aut … aut verwendet, ist es wohl nicht nötig, vor nasci wie Dacier, De Caesaribus 138 aut oder wie Klotz, Miscellanea 38 at zu ergänzen. Es ist darüber hinaus merkwürdig, dass ein Subjekt zu sanxere wie patres oder vulgus fehlt, während etwa an der Parallelstelle Hist. Aug. senatus das Subjekt ist. Da Parallelen fehlen, ist aber jeder weitere Rekonstruktionsversuch willkürlich. ein Charakteristikum unseres Volkes Victor identifiziert sich und Septimius Severus als ein und derselben gens zugehörig, deren Name er aber nicht nennt. Die Angabe zur Herkunft des Severus folgt erst in einem späteren Paragraphen (20,19), in dem die Stadt Leptis in der Tripolitana (vormals Africa Proconsularis) eher nebenbei erwähnt wird. Africa wird an der Stelle nicht genannt, vgl. dagegen Eutr. 8,18,1 (oriundus ex Africa, provincia Tripolitana, oppido Lepti). Da die africanische Herkunft des Severus nicht unbedingt als Allgemeinw (vgl. Eutr. 8,18,1 solus omni memoria et ante et postea ex Africa imperator fuit), muss Victors Aussage über „unser Volk“ als unvermittelt und enigmatisch erscheinen. Es sei denn, dem Leser ist Victors Herkunft bereits bekannt. Diese könnte in einer freilich nicht erhaltenen Praefatio genannt worden seien. Für die Hypothese eines solchen Vorworts zu Beginn der Historiae abbreviatae ließe sich auch anführen, dass in der Überschrift zum Corpus Aurelianum der Verfasser als Victor Afer genannt wird, vgl. dazu Einl. S. 1 f. Eine alternative Erklärung wäre, dass der intendierte Leser Victor persönlich kannte.

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wenig ertragreich an Rechtschaffenen Es erstaunt, dass Victor sich so kritisch über seine Heimat auslässt; vgl. die anonyme Expos. mundi 61, die sich über die Bewohner Africas, die fast alle betrügerisch seien (dolosi), ähnlich abschätzig äußert: „Nur schwer lässt sich unter ihnen ein Guter (bonus) finden, dennoch kann es bei so vielen einige wenige Gute (boni) geben“. 20. (8) anxia Das Adjektiv anxius kann selten auch aktivisch verwendet werden, vgl. ThLL s. v. Sp. 203,46 f., der diese Stelle anführt. (10) horum Bird, Liber de Caesaribus 106 will multorum lesen, da Hist. Aug. Sept. Sev. 17,7 nam et infinita multorum caede crudelior habitus hat und infinita caede nicht zu den beiden 20,8 f. genannten Pescennius Niger und Clodius Albinus passt. Wenig hilfreich ist Shackleton Bailey, Textual notes 179, der partium nach horum einfügt. Zwar passt partium (im Sinne der Gefolgsleute der beiden) besser zu infinita caede. Im Gegensatz zu Hist. Aug. Sept. Sev. 17,6, die zuerst den Übernamen Pertinax mit dessen Sparsamkeit erklärt und dann 17,7 allgemein auf die Tötung der Gegner eingeht, verbindet Victor die Schilderung der Tötung von Pescennius Niger und Clodius Albinus mit der Erklärung des Übernamens Pertinax. Er verharrt also bei der Schilderung von Severus’ Grausamkeit bei der Tötung der beiden oben genannten Pescennius Niger und Clodius Albinus, die er als maßloses Gemetzel (infinita caede) bezeichnet. Daher kann man den überlieferten Text halten. mens Schon Schott hat erkannt, dass das überlieferte metus an dieser Stelle der Fehler eines Kopisten ist, und korrigiert daher richtig zu mens, ebenso ThLL s. v. metus Sp. 907,15 f. (12) nihil bonis, cum sanctique Das von OP überlieferte nihil bonis, cum sanctique kann gehalten werden, wenn man die bereits wiederholt festgestellte Funktionslosigkeit von que annimmt (vgl. Einl. S. 37); in diesem Fall braucht man auch nicht wie Du anzusetzen. Elegant ist zwar Casaubonus’ Umstellung und Korrektur des Textes nihil, cum boni sanctique; indessen kommen bonus und sanctus zusammen nirgends vor. Da Victor überdies gern Parallelismen vermeidet, lässt dicto factoque am Anfang die Vermutung zu, dass boni sanctique nicht der ursprüngliche Text war. (13) animos ⟨pronos⟩ Der Satz ist ohne weitere Angaben unvollständig, da animos ad aliquid einer weiteren nominalen oder verbalen Ergänzung bedarf. Von den vielen möglichen Vorschlägen (proclives bzw. vel inclinari von Schott, Komm. 201; niti von Petschenig, Zu spätlatei-

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nischen Schriftstellern 154; verti von Brakman, Notulae ad historicos Romanos 82 und motos von Walter, Zu Aurelius 331) passt das von Schott, Komm. 201 und Casaubonus erwogene pronos am besten, da es von der Parallele c. 16,8 animi ad scelus proni gestützt wird. ea delictorum Da in diesem Kontext Liktoren ganz und gar unpassend sind, stellt Schotts geringfügige Korrektur des von OP überlieferten eadem lictorum einen sinnvollen Text dar. 20. (15) simul ut adortus est Da es gibt keine Parallele dafür gibt, dass zwischen simul und ut außer einer Konjunktion auch andere Wörter treten können, handelt es sich bei der überlieferten Wortstellung simul adortus ut est wohl um einen Fehler des Archetyps und nicht um eine in Victors Sprachgebrach mögliche freie Wortstellung (etwa in c. 5,6 noxiorum vinctis modo pelle tectus ferae). (16) despectaretur Der Konjunktiv Imperfekt drückt eine in der Gegenwart des Autors gültigen Aussage aus, vgl. Komm. c. 3,14 exerceretur. Auch die Adiabene … tributpflichtig geworden Vermutlich liegt hier eine zeitgenössische Anspielung auf Constantius II. vor, der für seinen Sieg an der persischen Front um 343 den Siegerbeinamen Adiabenicus maximus annahm, vgl. CIL III 3705 = ILS 732 mit R. W. Burgess, Studies in Eusebian and Post-Eusebian Chronography, Stuttgart 1999, 243 f. Der Tenor der mutmaßlichen Anspielung lässt sich nur schwer deuten. Da Constantius jedoch in auswärtigen Kriegen als nicht sonderlich erfolgreich erschien (vgl. etwa Eutr. 10,15,2; Ruf. Fest. 27,1–3 vermeldet nur einen Sieg) und schon gar keine territorialen Erfolge vorweisen konnte (vgl. 42,21), ist eine versteckte Kritik am Kaiser nicht auszuschließen, vgl. auch hist. Komm. zu 39,36 und für mögliche Kritik an Constantius Komm. zu 39,15 Während wir uns schon. (18) quoad ea utilis Der von den Handschriften überlieferte Text ist, wie schon Olivarius und Gruter, Komm. weshalb die Konjekturen quae adeo utilis von Schott, Komm. 201, qua adibilis von Arntzen, Sextus Aurelius 370 und quod ea utilis von Salmasius (bei Pichlmayr) überflüssig sind. per transversam insulam Schotts Korrektur des überlieferten per transversa inter insulam ist im Lichte von Hist. Aug. Sept. Sev. 18,1 muro per transversam insulam ducto sicherlich richtig. (19) Lepti zum Ablativ bei ortus vgl. Komm. c. 13,1 Italica. (21) per factionem Schotts geringfügige Korrektur des überlieferten perfectionem stellt einen sinnvollen Text her. Wegen Victors Vorliebe für

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die Variatio in den Konstruktionen ist der Gegensatz zwischen vitio ducum und per factionem deutlich besser als Schotts zweiter Vorschlag praefectorum (vgl. Schott, Komm. 201), das in einem gewissen Sinne eine Doppelung von ducum wäre, da sowohl praefecti als auch duces führende Beamte sind, die man nicht zweimal zu nennen braucht, während per factionem eine weitere Ursache nennt. 20. (22) liberalium Als Substantiv steht liberalis in der Bedeutung der artes liberales auch Sen. epist. 95,23 liberalia professi … desertis angulis praesident, vgl. ThLL s. v. Sp. 1293,61–73. Daher ist die Ergänzung von artium, wie Maehly, Zur Kritik 266 vorgeschlagen hat, nicht nötig. Vgl. auch Pichlmayr, Zu den Caesares 19, der auf die Vorliebe Victors für Ellipsen hinweist. gesta Das von den Handschriften tradierte ab (abs O) se texta … composuit ergibt keinen Sinn; da hier offenbar auf Severus’ Autobiographie angespielt wird (vgl. Hist. Aug. Sept. Sev. 18,6 vitam suam privatam publicamque ipse composuit), ist Casaubonus’ Konjektur gesta sinnvoll. Ähnlich wie hier ab se gesta werden c. 8,2 gesta per Galbam nominal ausgedrückt. ornatu et fide paribus Das zu zwei Substantiven gehörige nachgestellte Adjektiv kongruiert in der Regel mit dem zweiten; für den Gebrauch des Plurals gibt es bei Victor keine Parallele; selten kann nach H.-Sz. 444 das nachgestellte Adjektiv bei zwei Substantiven, die im Singular stehen, in den Plural gesetzt werden, wenn die beiden Begriffe als ein Paar aufgefasst werden, so z. B. Paneg. 10(2),13,1 sub Remo et Romulo tuis. Daher ist es wohl nicht nötig, pari anstelle von paribus zu schreiben. Vielleicht hieß es ursprünglich paria und bezog sich auf gesta. Möglicherweise ist aber das substantivierte Adjektiv paribus Attribut eines verkürzten absoluten Ablativs, weshalb man die Überlieferung nicht zu verändern braucht. Vic literarischen Ausarbeitung (ornatus) und seiner Glaubwürdigkeit (fides) gleichwertig war (zur Konstruktion von par mit dem limitativen Ablativ, die bei Victor allerdings nicht vorkommt, vgl. ThLL s. v. Sp. 262,72–84 und 265,20–31 mit Beispielen wie Liv. 7,10,6 visu ac specie … pares), also weder eine rhetorisch übertriebene noch eine bezüglich der literarischen Ausarbeitung mangelhafte Darstellung. Ähnlich ist auch die Parallele in Hist. Aug. Sept. Sev. 18,6 vitam suam privatam publicamque ipse conposuit ad fidem, in der die Glaubwürdigkeit der Schilderung betont wird (vgl. zu diesem Gedanken Thuc. 2,35,2). Schließlich könnte das überliefer-

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te paribus auch eine verderbte bzw. verkürzte Form von z. B. fide pari ⟨re⟩bus („hinsichtlich der Glaubwürdigkeit den Fakten gleich“) sein, wofür aber Parallelen fehlen. Daher kann man den überlieferten Text halten. 20. (23) famose Da das überlieferte Adverb famose gut in den Text passt und in etwa Hist. Aug. Sept. Sev. 18,8 qui uxorem luliam famosam adulteriis tenuit entspricht, ist der Vorschlag von Damsté, Ad S. Aurelium 378 famos⟨o amor⟩e auch deswegen überflüssig, weil es für eine solche Junktur sonst nirgends Parallelen gibt. (24) ipsa vitia Olivarius (bei Schott, Komm. 201, der zustimmt) erklärt die vitia als pedum vitium („Gebrechen an den Füßen“) und verweist auf Hist. Aug. Sept. Sev. 18,9 idem, cum pedibus aeger bellum moraretur (ebenso c. 23,3). Dagegen hat Casaubonus vita, was aber für einen Menschen übertrieben scheint, vorgeschlagen, während Arntzen, Sextus Aurelius 371 saevitia und auf Severus’ Grausamkeit als Laster hingewiesen hat (vgl. Hist. Aug. Sept. Sev. 18,6 vitam suam privatam publicamque ipse composuit ad finem, solum tamen vitium crudelitatis excusans); doch dagegen spricht die lobende Intention dieses Passus. Vielmehr scheinen in Victors klimaktischer Aufzählung neben imperia und exercitus, die sich Severus zu beugen haben, die personifizierten Laster (Victor verwendet den Begriff immer in dieser Bedeutung, vgl. c. 4,2; 8,7 etc.), die mit ipsa verstärkt werden, zu passen. (25) anxie ferrent Schotts geringfügige Korrektur des von OP überlieferten anxii efferrent stellt einen sinnvollen Text her, da fero häufig mit einem die Gemütsstimmung ausdrückenden Adverb verbunden wird (vgl. ThLL s. v. fero Sp. 536,83–537,45) und die Parallele in Hist. Aug. Sept. Sev. 18,9 idque milites anxie ferrent dieselbe Formulierung aufweist. (26) tantorum tanti in der Bedeutung von tot „so viele“ kommt schon früh in der Volkssprache vor, ist aber besonders im Spätlatein beliebt, vgl. H.-Sz. 206, hier auch c. 42,21. Daher sind und die Ergänzung von populorum durch Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 494 überflüssig, vgl. dazu auch Pichlmayr, Zu den Caesares 20. pulsans manu ⟨caput⟩ Da ein Objekt zu pulsans manu fehlt, ist wohl angesichts der Parallele Hist. Aug. Sept. Sev. 18,10 caput manu contingens Casaubonus’ Ergänzung von caput sinnvoll. Sein Ausfall im Laufe der Überlieferung lässt sich als Haplographie wegen des folgenden caput ohne weiteres erklären. Dabei wird hier mit pulsare wie etwa in Ambr. Iob. 4,7,28 (CSEL 32,2/289,17) Christus manu pulsat, ut aperias, aduersarius

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securibus concidit, et ideo scriptum est, ne securis et malleus in domum dei intret ein Klopfen, bzw. leichtes Schlagen ausgedrückt. 20. (28) medie humili Der adverbiale Gebrauch von medie hat kaum Parallelen, vgl. ThLL s. v. medius Sp. 598,29, der die Stelle als zweifelhaft anführt. Immerhin hat aber Cael. Aur. acut. 1,9,60 loco medie obscuro. Victor zeigt eine Vorliebe für durch Adverbien spezifizierte Nomina auch in c. 20,34 improbe absurda. Der Vorschlag von Schott, Komm. 202, der in aede schreiben möchte, weist ebensowenig Parallelen auf, vgl. Tarrant, Rezension Dufraigne 361. Da Hist. Aug. Sept. Sev. 18,11 in ex humili das substantivierte Neutrum humile hat und keine der vorgeschlagenen Lösungen wirklich passend ist (so auch medio humili von Gruter, mediocriter humilis von Salmasius, enim ex humili von Olivarius, familia humili von Faber und Lepti ex humili patre von Casaubonus) kann der überlieferte Text bewahrt werden. (30) ⟨quem⟩ Aus dem Zusammenhang geht klar hervor, dass Severus das Subjekt von percoluerat und Marc Aurel das Objekt ist. Daher ist der von Schott, Komm. 202 vorgeschlagene Zusatz des Relativums quem eine notwendige Ergänzung, die der ganzen Periode Sinn verleiht. Ähnlich auch Hist. Aug. Sept. Sev. 19,3 inlatus sepulchro Marci Antonini, quem ex omnibus imperatoribus tantum coluit, ut …, die wohl dieselbe Vorlage wie Victor oder Victors Text verwendet hat. Der relative Anschluss dient als explikative Analepse, um zu erklären, wieso sich Severus neben Marc Aurel bestatten ließ. (31) secundarum Opitz, Zur Kritik der Caesares 652 meint, einem Verdacht von Maehly, Zur Kritik 266 folgend, dass rerum nach secundarum wegen eines saut du même au même ausgefallen sei und deswegen ergänzt werden müsse, da secundarum kein Substantiv sein könne. Doch kommt secunda auch c. 33,3 als Substantiv ohne res vor, weshalb man den überlieferten Text halten kann, vgl. auch der auf Victors Vorliebe für Ellipsen hinweist. (33) componeret Der einfache Konjunktiv ohne ut nach monere kommt bereits in der klassischen Sprache vor, vgl. K.-St. 228 f. destinanda Die geringfügige Korrektur von Gruter, Komm. 334 des überlieferten destinando, das im Satz funktionslos ist, in destinanda, das Objekt zu componeret ist und „die bestimmten Verlautbarungen“ bedeutet (zu destinare in der Bedeutung „festsetzen, bestimmen vgl. ThLL s. v. Sp. 755,71–756,50, der Sp. 756,41 auch diese Stelle anführt), stellt einen sinnvollen Text her, der eleganter als die übrigen Versuche ist, den Text zu

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verbessern (etwa dictando orationem von Schott, Komm. 203; declinando crimini quicquam von Maehly, Zur Kritik 266 oder motum excitatum von Arntzen, Sextus Aurelius 374 anstelle des überlieferten uti mos est, destinando), da er inhaltlich mit übereinstimmt Hist. Aug. Carac. 8,5 multi dicunt Bassianum occiso fratre illi mandasse, ut et in senatu per se et apud populum facinus dilueret. idcircoque morte Da Victor immer idcircoque verwendet, kann man, wie D’Elia, Per una nuova edizione critica 122 bemerkt, davon ausgehen, dass in O bei iccirco morteque das que verrutscht ist. 20. (34) neque incondite … ac magisterio Da Victor auch in diesem letzten Satz verschiedene Nachrichten sehr konzis miteinander verbunden hat – eine längere, ausführliche Version findet man in der Historia Augusta – bleibt unklar, wer illum virum ist und auf wen sich der Relativsatz cui … erat bezieht. Schon Casaubonus und in seiner Nachfolge Dacier, De Caesaribus 143 waren der Meinung, dass der Satz unvollständig sei und folgendermaßen ergänzt bzw. verändert werden müsse: ⟨non⟩ incondite … potuisse ⟨ei⟩, qui amori ac magisterio ⟨Getae⟩ erat, wobei illum virum mit Bassinianus (Caracalla) und nicht mit Papinianus identifiziert wird. Arntzen, Sextus Aurelius 375 hat dagegen in illum virum Papinianus erkannt und den Relativsatz cui … erat auf den Kaiser Severus bezogen; statt magisterio schlug er ministerio vor, da Papinianus praefectus praetorio und nicht Lehrer war. Ebenso betrachtet Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 494 den Text für verderbt, da für ihn Bassinianus (Caracalla), der mit qui benannt wird, den Papinianus hasste. Statt amori ac magisterio schlägt er memoriae magister vor, da nur ein solches Amt es erlaubte, Briefe zu verfassen. Syme, Three jurists II 793 und III 1395, der am überlieferten Text festhält, weist hingegen auf Hist. Aug. Carac. 8,7 sed hoc omnino non convenit: nam neque praef. poterat dictare orationem et constat eum quasi fautorem Getae occisum h tor präziser, weil seine Version darauf hinweist, dass Papinianus früher praefecturam praetorio gessisse. Victor weise die Behauptung, Papinianus sei während der Ermordung des Geta ein Sekretär Carcallas gewesen (c. 20,33 Bassiani scrinia curavisse), zurück. Vergleicht man Victors Version mit der Historia Augusta bemerkt man, worauf schon Syme hingewiesen hat, dass Victor an dieser Stelle seine Vorlage ziemlich gekürzt und verschiedene ursprünglich getrennte Informationen miteinander verbunden hat. In Hist. Aug. Sept. Sev. 21,8 wird lediglich von der Ermordung des Papinianus durch Caracalla berichtet; ausführlicher ist die Version in Hist.

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Aug. Carac. 8,2 f., wo gesagt wird, dass Papinianum amicissimum fuisse imperatori Severo …; et huic praecipue utrumque filium a Severo commendatum, was dem cui amori ac magisterio erat in Victor zu entsprechen scheint (deshalb hat Fuhrmann wie schon Arntzen in seiner Übersetzung den Relativsatz cui … erat auf Severus bezogen). Auch Hist. Aug. Carac. 8,5 f. weist den Bericht zurück, gemäß dem Papinianus’ Weigerung, Getas’ Ermordung zu rechtfertigen, die Ursache für dessen Tötung gewesen sei: denn Papinianus neque praef. poterat dictare orationem, et constat eum quasi fautorem Getae occisum (Hist. Aug. Carac. 8,7). Aus diesem Grund bezieht Festy den Relativsatz (cui) auf Geta, erklärt aber nicht, was Victor damit sagen wollte. Vielmehr hat Victor das Freundschaftsverhältnis, das nach Hist. Aug. Carac. 2 zwischen Severus und Papinianus bestand, auf das Verhältnis zwischen Caracalla und Papinianus übertragen. Denn die Beleidigung (contumelia), welche Papinianus’ Weigerung, ein Sendschreiben zu verfassen, darstellte, muss sich gegen den herrschenden Caracalla und nicht gegen den verstorbenen Geta gerichtet haben. In c. 20,34 widerspricht Victor also der von anderen Quellen tradierten und von ihm in 20,33 davor geschilderten Version, Papinianus habe sich geweigert, Caracallas Befehl auszuführen, weil Papinianus erstens als ein ehemaliger praefectus praetorio von Amtes wegen gegenüber dem Herrscher loyal und zweitens als sein Lehrer durch ein Verhältnis der Freundschaft verbunden gewesen sei. Im Gegensatz zur Historia Augusta spricht Victor aber nirgends davon, dass Papinianus einen der beiden Söhne des Severus bevorzugt habe, sondern berichtet vielmehr, dass er zum Stab Caracallas gehörte, was ein gutes Verhältnis zwischen ihm und Caracalla voraussetzt. Da Papinianus wohl früher auch Lehrer Caracallas gewesen war, kann man am überlieferten Text festhalten, sofern man ihn so deutet, dass sich illum virum ἀπὸ κοινοῦ auf Papinianus und der Relativsatz (cui) auf Caracalla bezieht. Dabei ist aber zu bemerken, dass gisterio nirgends Parallelen aufweist. 21. (1) adliciens Casaubonus’ Konjektur adliciens anstelle des farblosen, von OP überlieferten adiciens ist besser als adficiens von Mommsen, Zu den Caesares 956, da sie an die Formulierung c. 1,1 illectis per dona militibus atque annonae curandae specie vulgo erinnert. Antoninianas Da gemäß Hist. Aug. Carac. 9,7 f. die Form des Adjektivs Antoninianus ist, muss man wohl auch hier anstatt anthonias von O bzw. antonianas von P, Schott, Komm. 203 folgend, vielmehr Antoninia-

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nas lesen, vgl. ThLL s. v. Sp. 189,60 und D’Elia, Per una nuova edizione critica 168. (2) Die Alamannen … besiegte er Drinkwater, The Alamanni and Rome 142 fasst den Passus als Anspielung auf Julians Sieg über die Alamannen bei Straßburg (357 n. Chr.) auf, den Victor jedoch aus Rücksicht auf Constantius II. nicht erwähnt habe, vgl. aber 42,17; indem Victor die Alamannen des frühen 3. Jahrhunderts dadurch gefährlicher erscheinen lasse, dass er sie als „many in number“ und „incorrectly, as horsemen of renown“ beschreibt, werde Julians militärischer Erfolg in doppelter Hinsicht herausgehoben; vgl. dagegen B. Bleckmann, Die Alamannen im 3. Jahrhundert: Althistorische Bemerkungen zur Ersterwähnung und zur Ethnogenese, MH 59 (2002) 145–71, hier 163 an Victors Angabe festhaltend. (3) intecto Mit Recht korrigiert Schott, Komm. 203 das überlieferte intellecto, das in diesem Kontext unpassend ist. Für diese geringfügige Änderung spricht auch Hist. Aug. Carac. 10,2 quasi per neglegentiam se maxima corporis parte nudasset, das dem intecto corpore Victors entspricht. quippe quae pudorem velamento exuerat Wie schon Schott, Komm. 203 und Arntzen, Sextus Aurelius 375 bemerkt haben, erinnert diese Parenthese Victors, die in den Parallelquellen nirgends vorkommt, an die Gygesgeschichte bei Herodot 1,8,3, vgl. dazu auch Müller, Ein unbemerktes Herodot-Zitat 407–13. Da velamento ein Ablativ der begleitenden Umstände (vgl. dazu H.-Sz. 115) bzw. für Müller, Ein unbemerktes HerodotZitat 410, Anm. 21) modal-instrumental ist, kann man ohne weiteres auf Sylburgs Ergänzung von una cum verzichten. Denn seine Stiefmutter Julia Müller, Ein unbemerktes Herodot-Zitat 409 Anm. 11 vermutet hier einen insinuierten Bezug zur Zeitgeschichte: „ein Kenner der Konstantinischen Familienverhältnisse [kann] auch an Fausta und ihren Stiefsohn Crispus denken, die Konstantin beide (mit eben diesem Vorwurf, und zwar sicherlich zu Vgl. Philost. (KFHist E 7) 2,4a; Zos. 2,29,1 f.; Zonar. 13,2,38–41 und Zecchini, Costantino e la morte, bes. 134. (5) circumgrederetur Da das überlieferte circum crederetur überhaupt nicht in den Kontext passt, macht Schotts geringfügige Korrektur den Satz sinnvoll, besonders auch deswegen, weil circumgredi transitiv gerade in militärischen Kontexten verwendet wird, vgl. ThLL s. v. Sp. 1150,70–73, der diese Stelle anführt. 22. (2) eo quod Da hier eo quod „deswegen weil“ wie in Tac. ann. 3,72,2 at Pompei theatrum igne fortuito haustum Caesar exstructurum pol-

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licitus est, eo quod nemo e familia restaurando sufficeret (ebenso 11,16, 3), ist Gruners Tilgung von eo unnötig. (3) inciviles Das selten verwendete Adjektiv incivilis bedeutet, wenn man die Belege im ThLL s. v. Sp. 934,47–53 betrachtet, soviel wie das, was sich für einen guten Bürger nicht ziemt, ungebildet, ungerecht ist. 23. (2) obscenissimos perquirebat An dieser Stelle bezeichnet das substantivierte Adjektiv obscenus eine aufgrund (der Größe) ihres Schamglieds sexuell unzüchtige Person. Die Junktur entspricht wohl Hist. Aug. Heliog. 5,2 bene vasatos perquirerent. visendis tractandisve artibus libidinum ferendarum Aufgrund der Parallele Hist. Aug. Heliog. 5,2 f. quis enim ferre posset principem qui per cuncta cava corporis libidinem recipientem, cum ne beluam quidem talem quisquam ferat? Romae denique nihil egit aliud, nisi ut emissarios haberet, qui ei bene vasatos perquirerent eosque ad aulam perducerent, ut eorum conditionibus frui posset kann man den überlieferten Text ohne Eingriffe bewahren. Die vielen Korrekturversuche sind daher nicht nötig, wie mit Recht schon D’Elia, Ricerche 170 erinnert: „Ho l’impressione che la pruderie dei filologi abbia reso incomprensibile una frase certamente non chiarissima, ma che oscurissima non è.“ Ihm folgt Dufraigne, Aurelius Victor 136 Anm. 5. visendis tractandisve artibus ist eine finale Dativkonstruktion mit einem attributiven Genetiv als Objekt (vgl. H.-Sz. 376 f. und Komm. c. 3,2 maiorum gratiae). Da artibus auch eine Form von artus, -us sein kann, hat Pithou konkret an Teile des Körpers gedacht und daher artubus oder partibus vorgeschlagen. Da aber die Verbindung von ars und libido etwa auch Iuv. sat. 11,174 omnique libidinis arte vorkommt, braucht man artibus nicht zu ändern. Allenfalls könnte man wie Gruter, Komm. 335 visendos tractandosve mit dem Objekt obscenissimos verbinden und artubus als instrumentalen Ablativ statt des Dativs (des Ziels?) auffassen. ferre, das oft pati entspricht (vgl. ThLL s. v deutet in einem homoerotischen Kontext die Rolle des pathicus an, die Heliogabal innehatte und die in der Hist. Aug. Heliog. 5,2 per cuncta cava corporis libidinem recipientem noch deutlicher bezeichnet wird. Daher braucht man anders als Walter, Textkritische Beiträge 293 vorschlägt und dabei auf Apul. met. 7,21 ferinas voluptates und Gell. 19,2,3 ferinis voluptatibus praevinctus verweist (ähnlich schon Schott, der ferarum hat), ferendarum nicht zu ferinarum abzuändern. Tarrant, Rezension Dufraigne 361 meint dagegen, dass libidinem ferre als Terminus technicus für die

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passive Befriedigung nicht angemessen sei, und findet daher non ferendarum von Olivarius bzw. ferarum von Schott, Komm. 204 besser. 24. (1) ⟨urbe⟩ Der von Schott, Komm. 202 vorgeschlagene Zusatz urbe ist nötig, da Victor außer bei wohlbekannten Städten wie z. B. Rom, Mailand, Karthago oder Alexandria immer den Ort mit urbs (etwa c. 13,1. 16,9. 13. 38.3), oppidum (z. B. c. 16,1. 20,19. 28,1) oder vicus (c. 24,4. 29,1) spezifiziert und da in diesem Satz Syriae allein als Land nicht zu den folgenden Städtenamen passt. Caesarea et Arcae Das von den Codices überlieferte Caesarea und Arcae (aus arthe in O bzw. archae in P) ändert Opitz, Zur Kritik der Caesares 654 zu Caesareae und Arcae analog zu c. 9,11 Syriae, cui Palestinae nomen und c. 16,13 cui Carnunto nomen est (vgl. ebenso c. 39,24. 41,15). Mommsen, Zu den Caesares 956 schlägt dagegen, sich an die Lesart von O anlehnend, Arce (als Transkription von Ἄϱϰη) vor, wofür es bei Victor aber keine analogen Fälle gibt. Dagegen vermutet Rudoni, Sei note 311 den Ausfall eines Wortes wie urbe (so schon Schott) analog zu c. 13,1 Italica, urbe Hispaniae, ortum, c. 16,9 Altini, Venetiae urbe (ebenso c. 16,13. 20,19. 20,27. 24,4. 29,1). Möglich ist bei nomen aber auch der Nominativ (so in c. 24,4 vico Britanniae, cui vocabulum Sicilia und c. 32,5 cui nomen Sapor erat). Da sowohl Arca im Singular als auch Arcae im Plural belegt ist (ThLL s. v. Sp. 434,6–19), kann man am überlieferten Text Caesarea et Arcae im Nominativ festhalten. (5) †celebrio† Das überlieferte celebrio ist offensichtlich verderbt und kann nicht, wie schon D’Elia, Per una nuova edizione critica 172 bemerkt hat, auf befriedigende Weise wiederhergestellt werden; von den gemachten Vorschlägen ist Dufraignes celebrius am nächsten an der Überlieferung, da der Eingriff nur geringfügig ist und Victor Positiv und Superlativ auch in c. 41,26 litterarum prorsus expers et ingenio stolidior idcircoque agresti vecordia pessimus vermischt, vgl. Stabile, ren Beispielen solcher Verbindungen. Doch ist etwa c. 41,26 diese Vermischung Teil einer rhetorischen Klimax, während hier der nach dem Superlativ ohne Bindewort asyndetisch gesetzte Komparativ unpassend erscheint. Dagegen vermutete Olivarius den Namen eines Bauwerks wie Serapium oder Isium et Serapium, was zwar in Hist. Aug. Alex. 26,8 erwähnt wird, aber einen zu großen Eingriff in den überlieferten Text darstellen würde. Die Parallele in Hist. Aug. Alex. 26,9 in matrem Mammaeam unice pius fuit, ita ut Romae in palatio faceret diaetas nominis Mammaeae …

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hilft an dieser Stelle kaum, es sei denn, man wolle hinter celebrio eine verderbte Form von in palatio annehmen. 24. (6) quantus – aequi Da schon c. 12,4 eine ähnliche indirekte Frage (quantus consilio esset) vorkommt, ist wohl der umfangreiche Eingriff von Shackleton Bailey, Textual notes 179, der den ganzen Satz verändert und quanto studio erga optimos et quanto studio aequi schreibt, nicht nötig, da Victor inkonzinne Konstruktionen nicht meidet. (8–11) Dieser schon damals seit Romulus Bevor Victor mit der Herrschaft des Maximinus Thrax (25,1 f.) fortfährt, schiebt er als Überleitung von einem Kaiser zum nächsten seine Gedanken zur Entwicklung des römischen Reiches ein, da er das Imperium an einem Wendepunkt angekommen sieht. Gemessen an der bisherigen, fast 1000-jährigen Geschichte seit der Stadtgründung bis einschließlich der Regierung des Caracalla (211–217), die er stark vereinfacht als einen kontinuierlichen Aufstieg auffasst, wobei das Niveau des Zenits unter Severus Alexander (222–235) beibehalten wurde, sieht er in der nachfolgenden Phase erstmals einen Niedergang. Den Grund dafür glaubt er in der vermeintlich gewandelten Gesinnung der Kaiser zu erkennen, die angeblich nicht länger fremde Völker erobern und unter die Herrschaft Roms bringen, sondern ihre Machtgelüste an den eigenen Untertanen im Reich ausleben wollen. Sie wenden sich in einer perversen Verkehrung von dem traditionellen Herrschaftsideal ab, das zum bisherigen Aufstieg Roms beigetragen habe, obwohl das Ziel eines guten Kaisers weiterhin die Ausdehnung der römischen Macht durch auswärtige Kriege zu sein hat (vgl. Einl. S. 11). Die Kaiser nach Severus Alexander richten ihr Gewaltpotenzial gegen diejenigen, deren Schutz und Wohlergehen ihnen obliegt, und führen zu allem Übel auch noch Bürgerkriege gegeneinander. Hierbei artikuliert Victor keineswegs neue Beobachtungen oder eigene Gedanken, wie z. B. die Kritik Herodians an Maximinus Thrax zeigt, d Sichtweise widerspiegelt (vgl. Hdn. 7,3,1). Vielmehr folgt er einer weitverbreiteten Auffassung, die politisches Handeln ausschließlich in moralischen Kategorien beurteilt. Folglich handelt es sich bei diesen neuen Kaisern gleichsam um den typischen malus princeps. Allerdings widerspricht sich Victor dann doch irgendwie, wenn es in der Zeit nach 235 neben den schlechten Kaisern durchaus auch boni principes gibt. Entscheidend ist für Victor aber, dass neben den wie auch immer gearteten Kaisern des senatorischen Standes (nobiles) neuerdings eben auch solche an die Macht kamen, die schon ihres niedrigeren Standes oder gar ihrer barbarischen Her-

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kunft wegen völlig unqualifiziert waren. Die Tatsache, dass jemand, der nicht nobilis war, an die Spitze des Staates gelangte, verkörpert für Victor geradezu die völlig aus den Fugen geratene Ordnung der Dinge und damit den von ihm konstatierten Niedergang des Reiches. Ursache und Wirkung werden in Victors Analyse der Krise des 3. Jahrhunderts nicht voneinander geschieden, vielmehr die Komplexität der historischen Sachlage reduziert auf das moralisch definierte Handeln des einzelnen Kaisers, das wiederum allein durch die beiden Faktoren Veranlagung (genus) und Bildung (institutum) bestimmt wird, vgl. Einl. S. 17 f. Der Abschnitt 24,9b bis 24,11 ist inhaltlich von Sall. Cat. 10 (Niedergang Roms) inspiriert, stellt aber eine eigenständige, an die Situation des 3. Jahrhunderts angepasste Schöpfung Victors dar. Vgl. D. Brodka, Ammianus Marcellinus. Studien zum Geschichtsdenken im vierten Jahrhundert n. Chr., Krakau 2009, 39; ob deshalb das Denken Victors generell „sehr pessimistisch zu sein [scheint]“, wie Brodka meint, bleibt dahingestellt. (9) quo ne leitet einen verneinten Finalsatz sein, vgl. K.-St. 2,233. barbariae An dieser Stelle bezeichnet barbaria metonymisch die Einwohner, vgl. ThLL s. v. Sp. 1729,63. Daher kann man auf Schotts Konjektur barbari verzichten. (10) passim confusaque omnia Da entgegen der Erklärung von Stabile, Note critiche 392 passim nicht als Adjektiv verwendet werden kann, handelt es sich bei passim um ein Adverb bei esse, vgl. H.-Sz. 171. Das Adverb und das que verbundene Partizip Perfekt Passiv confusa bilden ein Hendiadyoin, um omnia zu beschreiben. Dies passt gut zu Victors Stil, der gern die syntaktische Konstruktion variiert. Daher ist sparsa von Sylburg, Komm. 730 nicht nötig. scientiam Das überlieferte scientia hat Arntzen mit Recht zu scientiam korrigiert und zum Objekt von corrumpunt gemacht. Dagegen schlägt Walter, Zu Aurelius 330 inscitia (ähnlich Komm. 335) vor, wobei für ihn corrumpunt mit officia als Objekt geht („sie missbrauchen ihre Ämter“), was aber schon Miller, Bericht über die Literatur 60 „nicht für zwingend“ betrachtet. (11) infimis Arntzens Korrektur in infimis des von OP überlieferten infirmis passt viel besser in den Kontext, weil hier nicht von Kranken, sondern von Personen, die einen tiefen sozialen Status haben, die Rede ist. 25. (1) Kommandant der Trebellica praesidens Trebellicae scheint den Posten zu meinen, den Maximinus bekleidete, als er sich zum Kaiser aufschwang, vgl. entsprechende Angaben bei Gordian (26,1); Postumus

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(33,8) und Aureolus (33,17). Das Amt passt aber nicht zu der Nachricht bei Herodian (6,8,1–5), dass Maximinus zum Zeitpunkt seiner Kaisererhebung in Mainz für die Ausbildung der Rekruten verantwortlich war. Hieraus ist für Maximinus das Amt eines praefectus tironibus/tironum geschlossen worden, vgl. breits Schott z. St.; Hohl, Art. Iulius 526, RE 10,1 (1918) 857; Haegemans, Imperial authority 55 f. Allerdings hat M. A. Speidel, Maximinus and the Thracians, in: V. Cojocaru / A. Rubel (Hgg.), Mobility in research on the Black Sea region, Cluj-Napoca 2016, 339–65 darauf aufmerksam gemacht, dass es weder einen festen ‚Rekrutenausbilder‘ im römischen Heer gab noch Maximinus, der zuvor hochrangige Ämter bekleidet hatte, mit einer derartig anspruchslosen Tätigkeit betraut gewesen sein kann (348). Vielmehr muss er zum Zeitpunkt der Kaiserproklamation eine hohe Funktion im Expeditionsheer des Severus Alexander ausgefüllt haben, vgl. in diesem Sinne Hist. Aug. Maximin. 7,1 Alexander (sc. Maximinum) ... omni exercitui praefecit. Inwiefern praesidens Trebellicae damit in Einklang gebracht werden kann, bleibt ebenso offen wie die Frage, ob ein Bezug zu Zos. 2,33,2 besteht. Dort wird in der Aufzählung der Provinzgebiete der „zweiten Präfektur“ in der Zeit Konstantins hinter Dakien und vor Pannonien offenbar ein eigenes Territorium der „Triballer“ (Τριβαλλοὺϲ) genannt. Der „leicht merkwürdige“ Titel praesidens Trebellicae hat Hohl, Art. Iulius 526, 856 an den praefectus civitatium Moesiae et Treballiae (CIL V 1838 = ILS 1349) der frühen Kaiserzeit erinnert und an einen praefectus gentium denken lassen, ohne dass er zu einer abschließenden Deutung gelangte. Dies wird aufgegriffen von C. R. Whittaker, Herodian (LCL), London 1969, 33 Anm. 2, der in praesidens Trebellicae „a kind of local military governor“ erkennt, dem wiederum Haegemans, Imperial authority 54 weitgehend folgt. Dabei wird dieses Amt der Anfangszeit von Maximinus’ Karriere zugeordnet. Falls also Victor nicht unwissentlich eine Falschinfor fiktives (?) Amt aus Maximinus’ Laufbahn anführt, das sich auch historisch nicht genau fassen lässt, stellt sich mithin die Frage, ob der überlieferte Text überhaupt authentisch ist. Zweifel an der Paradosis hatte bereits Faber und wollte Trebellicae zu rei bellicae konjizieren; Schott erwog eine Korrektur zu Triballis Isauriae, wobei sich die Vorschläge zu Recht nicht durchzusetzen vermochten, vgl. die Übersetzungen von Dufraigne („gouverneur militaire de Trebellica“), Bird („governor of Trebellica“), Festy („gouverneur de la Trébellie“) und Fuhrmann („Kommandant der Trebellica“). Alternativ ist zu fragen, ob sich hinter praesidens

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Trebellicae möglicherweise gar kein von Maximinus bekleidetes Amt verbirgt, sondern es sich um eine entstellte Angabe zu seiner Herkunft handelt. Eine solche Herkunftsangabe direkt hinter dem Namen findet sich etwa bei Philippus (28,1) und Decius (29,1). Hinzu kommt, dass Trebellicae eng mit Thrakien in Verbindung steht, wo Maximinus laut der glaubwürdigen Aussage Herodians herstammt (6,8,1). Die thrakische Herkunft bezeugt auch Epit. Caes. 25,1 (Iulius Maximinus, Thrax, ex militaribus, imperavit annos tres); das Ethnikon, das hier zwischen Name und gesellschaftlichem Status steht, nimmt zudem dieselbe Position wie praesidens Trebellicae bei Victor ein. Wie Syme, Emperors 185 f. aus der Bemerkung bei Hdn. 6,8,1, wonach Maximinus von einem im innersten Thrakiens gelegenen halbbarbarischen Volk abstammt, erschließt, stammte Maximinus aus der Provinz Moesia Inferior, genauer gesagt aus der Gegend um Oescus, die zum Stammesgebiet der thrakischen Triballi (Triballia) gehörte. Als mögliche Erklärung für das eigentümliche praesidens Trebellicae ist deshalb zu erwägen, ob ein Überlieferungsfehler vorliegt und der Wortlaut des Textes ursprünglich in irgendeiner Form auf Maximinus’ Abstammung aus der Triballia oder Triballica (vgl. Cass. Dio 51,22,7 Τριβαλλική) hingewiesen hat, zumal mit dieser Herkunftsangabe ein weiterer Anknüpfungspunkts zu 24,9 („und auch viele aus dem Barbarenland“) gegeben wäre. In diesem Fall würde Maximinus als Paradebeispiel alle Kriterien des neuen von Victor beschriebenen Kaisertyps erfüllen. als erster aus dem Soldatenstand, nahezu ohne Bildung Die Aussage knüpft an ignobiles („Nichtadelige“) in 24,9 an und bedeutet, dass erstmals ein Soldat, der nicht dem Senatorenstand angehörte, das Kaiseramt erlangte, vgl. Hdn. 7,1,1; Eutr. 9,1 (neque ipse senator esset); Hist. Aug. Maximin. 8,1 (nondum senator) mit A. Lippold, Der Kaiser Maximinus Thrax und der römische Senat, BHAC 1966/67, Bonn 1968, 73–89, hier 75–7. In Wirklichkeit war bereits mit dem Prätori ein Ritter ins Kaiseramt gelangt (22,1), der bis dahin allerdings eine rein zivile Karriere durchlaufen hatte. Maximinus Thrax hingegen hatte die rein militärisch-ritterliche Laufbahn absolviert, wie sie auch für zahlreiche spätere ‚Soldatenkaiser‘ charakteristisch sein würde, vgl. M. Heil, Der Ritterstand, in: Johne, Zeit der Soldatenkaiser 747–56. Aber unabhängig davon, ob sich Victor hierüber im Klaren war, geht es ihm darum, die epochale Veränderung gegenüber der bisherigen Konvention und die damit verbundene historische Zäsur an dieser Stelle hervorzuheben. Diese Einsicht ist freilich nicht als eigene analytische Leistung zu bewerten. Viel-

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mehr war der verfassungsgeschichtliche Einschnitt von 235 bereits in der EKG angelegt, die auch andere erstmalige oder einzigartige Erscheinungen im römischen Staatswesen systematisch erfasst zu haben scheint; vgl. 1,1 ~ Eutr. 7,8,2; 5,17 ~ Eutr. 7,15,3; 11,2 ~ Eutr. 7,23,2; 13,3 ~ Eutr. 8,8,2; 19,2 ~ Eutr. 8,17; 38,8 ~ Eutr. 9,9,1; 39,2 u. 4 ~ Eutr. 9,26; 39,8 ~ Eutr. 9,28; 42,2 ~ Eutr. 10,11,1. 25. (2) aestimant Da Victor sonst überall das Verb aestimare (c. 5,6. 14,9. 28,6. 39,27. 48) verwendet (allerdings hat O in c. 28,6 existimans), hat D’Elia, Per una nuova edizione critica 174 wohl mit Recht auch an dieser Stelle das überlieferte extimant in aestimant korrigiert. Dennoch billigten das sogar die Senatoren Die nachträgliche Bestätigung der Augustuswürde durch den Senat findet sich nur bei Victor überliefert. Sie steht aber außer Frage und erfolgte zeitnah, wie aus der Aufnahme des neuen Kaisers in eine stadtrömische Sodalität hervorgeht, vgl. CIL VI 2001 (25. März 235) mit Haegemans, Imperial authority 81. Hinzu treten ab April 235 die Münzemissionen mit den offiziellen Titulaturen (tribunicia potestas, pontifex maximus, pater patriae), s. M. Alram, Die Münzprägung des Kaisers Maximinus I. Thrax, Wien 1989, 25 f. Umstritten ist, inwiefern Victors Aussage auf eine mögliche – (nur) in der Parallelüberlieferung bei Eutr. 9,1 und Hist. Aug. Maximin. 8,1 fassbare – Aussage seiner Vorlage (EKG) reagiert, wonach die Kaiserproklamation durch das Heer in Germanien ohne die auctoritas des Senats erfolgt sei, denn diese Feststellung bezieht sich laut Lippold, Kommentar zur Vita Maximini Duo 387 „nur auf die Wahl als solche“, über eine nachträgliche Bestätigung sei damit nichts ausgesagt. Anders hingegen aufgefasst von Haegemans, Imperial authority 81, vgl. Bleckmann, Komm. zu Eutr. (KFHist B 3) 9,1. Da die mutmaßliche Aussage der EKG, die Erhebung des Maximinus habe ohne Zustimmung des Senats stattgefunden, implizit auch bei Victor enthalten ist, scheint es, dass Victor s die nachträgliche Legitimation durch den Senat erweitert hat und zwar in der Weise, dass die Senatoren eine gewisse Mitschuld an der Kaiserwerdung des Maximinus trifft (quod tamen etiam patres ...). Zwar liefert Victor eine Begründung für ihr Handeln, aber der Hinweis auf ihre fehlenden militärischen Ressourcen vermag zumindest in moralischer Hinsicht nicht zu ihrer Entlastung beizutragen. Vielmehr ist ihr Tun vor dem Hintergrund von Victors zuvor geäußerten Überlegungen zu der um sich greifenden moralischen Dekadenz zu sehen. Demnach war es der Niedergang der Tugend (virtus) und die allgegenwärtigen Verfehlungen (postquam ... subacti

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sunt), die es überhaupt erst ermöglichten, dass die Staatsleitung völlig unwürdigen Männern überlassen wurde (24,11). Die von Victor explizit hervorgehobene Amtsbestätigung des Maximinus ist daher als ehrloses Verhalten der Senatoren zu werten. Einen ähnlichen Vorwurf macht er dem Senat in 27,1, weil dieser bei der Kaiserproklamation des Gordianus keinen Widerstand geleistet habe. Sein gleichnamiger Sohn ... zum Caesar gemacht Der Sohn wird fälschlich als gleichnamig bezeichnet, denn in Wirklichkeit besaß er das vom Vater abweichende Cognomen Maximus, vgl. Kienast, Kaisertabelle 178. Der Irrtum begegnet auch in der Doppelvita ‚Maximini duo‘ der Historia Augusta und geht demnach wohl auf die EKG zurück. Die Caesarernennung des Maximus (zw. Januar und Mai 236), die den Versuch einer Dynastiegründung darstellt, vgl. de Blois, Image and Reality 240, fand etwa ein Jahr nach Maximinus’ Kaiserwerdung (Febr./März 235) statt. Der hier fälschlich erweckte Eindruck, Vater und Sohn seien zeitgleich vom Senat in ihren Ämtern bestätigt worden, findet sich in noch deutlicherer Form auch in Hist. Aug. Maximin. 8,1 (Augustus appellatus ... est filio sibimet in participatum dato) und dürfte wiederum auf die gemeinsame Quelle (EKG) zurückgehen, vgl. Lippold, Kommentar zur Vita Maximini Duo 389 und nächstes Lemma. 26. (1) summae potitis vgl. zur Konstruktion Komm. c. 8,8 summae. Thysdri Mit Recht korrigiert D’Elia, Per una nuova edizione critica 117 das überlieferte thydri zu Thysdri. Vgl. zum Namen der Stadt auch Hist. Aug. Gord. 7,4 iuxta Tysdrum und Maximin. 14,3 apud oppidum Tysdrum. zwei Jahre … Herrschaft besessen Der in 25,2 entstandene Eindruck, Vater und Sohn seien zeitgleich an die Macht gekommen, wird durch die Angabe ihrer Herrschaftsdauer bestätigt. Allerdings waren zwischen der Kaiserproklamation des Maximinus (A (Januar 238) nicht zwei, sondern ungefähr drei Jahre vergangen, wie Hdn. 7,4,1 korrekt angibt, vgl. Kienast, Kaisertabelle 180. Siehe auch Komm. zu 27,5. eine Schlacht gegen die Germanen Der im Jahr 235 von Mainz aus gegen rechtsrheinische Germanen unternommene Feldzug, der in einer Schlacht in einem Moorgebiet gipfelte, wird ausführlich von Herodian (7,2) und in der Historia Augusta (Maxim. 11,7–12,10) geschildert, vgl. M. Hose, Ausgelöschte Geschichte: Der Feldzug des Maximinus in das Innere Germaniens 235/236 n. Chr. in der historischen Überlieferung, in: H. Pöp-

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pelmann u. a. (Hgg.), Roms vergessener Feldzug. Die Schlacht am Harzhorn, Darmstadt 2013, 111–15. Lange Zeit wurde der Kriegsschauplatz aufgrund der Distanzangabe in Hist. Aug. Maximin. 12,1 („30 bis 40 Meilen im Barbarenland“, wobei es sich jedoch um eine frühneuzeitliche Konjektur der tradierten „300 bis 400 Meilen“ handelt) im süddeutschen Raum vermutet. Neuere archäologische Ausgrabungen eines Gefechtsplatzes am Harzhorn im südlichen Niedersachsen, dessen römische Funde für eine Datierung um 235/6 n. Chr. sprechen, weisen indes auf eine andere Verortung, vgl. im Einzelnen die Beiträge bei Pöppelmann (s. o.). Bei dem Fundort handelt es nicht um das eigentliche Schlachtfeld, sondern um einen Nebenschauplatz eines kleineren Scharmützels, in das die römische Heereskolonne verwickelt wurde, als sie sich vermutlich bereits auf dem Rückmarsch ins Winterlager befand. Die erfolg-, aber auch verlustreiche Expedition des Maximinus, der wohl bis in die Altmark vorstieß, war als eine Strafaktion gegen die Elbgermanen konzipiert, die zuvor in den Jahren 231 bis 234 brandschatzend in römisches Territorium eingefallen waren, vgl. G. Moosbauer, Die vergessene Schlacht. Der sensationelle Fund am Harzhorn, München 2018, 61–101. Die Unternehmung brachte Maximinus den Siegerbeinamen Germanicus maximus ein, vgl. Eutr. 9,1 mit Haegemans, Imperial authority 63. Antonius Gordianus ... zum Princeps gemacht Die angebliche Kaisererhebung Gordians durch das Heer, die auch Eutr. 9,2,1 kennt, läuft den historischen Fakten völlig zuwider und ist auf die EKG zurückzuführen. In Wirklichkeit wurde Gordian durch die lokale Oberschicht in Thysdrus zum Kaiser proklamiert, vgl. Hdn. 7,4,1–6,2; Huttner, Von Maximinus Thrax 169–71; Haegemans, Imperial authority 144–9. Der Bericht der Hist. Aug. Gord. 7,2–9,6 ist in weiten Teilen abhängig von Herodian, enthält aber auch Elemente, die Nähe zu Victor aufzuweisen scheinen. So geht etwa die Initiative zum Putsch von einem gewissen Ra Landgut bei Thysdrus das Volk erfolgreich dazu anstachelte, den Prokonsul Gordian in Abwesenheit zum Kaiser zu akklamieren (vgl. Gord. 7,4– 8,4). Der Verfasser der Historia Augusta vermischt offenbar den Bericht Herodians (zivile Oberschicht als Initiator) mit Motiven aus der EKG (Aufruhr und Kaiserproklamation vor den Toren der Stadt) zu einer eigenen Version der Ereignisse. Zu der bei Victor beschriebenen Kaiserproklamation Gordians I. durch das Heer in Africa gehört auch der Passus 27,1, der die gleichzeitige Augustuserhebung Gordians II. beschreibt (vgl. Komm. z. St.). Diese wird dahingehend kommentiert, dass der Senat den

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Akt nicht anfocht, womit eine bereits 25,2 geäußerte Kritik an der Nachgiebigkeit der Senatoren wiederholt wird. 26. (2) ea re Da das von den Handschriften überlieferte tare bzw. care sinnlos ist, stellt Schotts ea re immer noch die beste Konjektur dar. Victors Aussage ist ironisch, da ein Kaiser ja nicht dazu gewählt wird, um eine Meuterei zu besänftigen. Hingegen bleibt der Sinn bei dem von Fontaine (von Dufraigne, Aurelius Victor, 148 Anm. 3 zitiert) vorgeschlagenen vane („vergeblich“) unklar; Knecht, Rezension Dufraigne 292 tilgt die beiden Wörter und erklärt, dass es sich um einen Influenzfehler wegen des folgenden creatus handle und übersetzt den Satz „comme s’il était déjà empereur“, was aber in diesem Zusammenhang kaum sinnvoll ist. von einem Aufruhr ... Karthago Die angebliche Berufung Gordians nach Thysdrus ist ebenso wie der Aufruhr selbst Teil der völlig fiktiven Kaisererhebung Gordians durch das Heer. Dabei kommt der Berufung nach Thysdrus eine ähnliche Funktion wie später der angeblichen Berufung Gordians nach Rom zu (vgl. 27,2). In beiden Fällen werden Brüche in der historisch entstellten Komposition überbrückt und so die Anwesenheit des Kaisers an dem Ort erklärt, den der Fortgang der Erzählung erfordert. In diesem Fall die historische Präsens Gordians I. in Thysdrus, von wo aus er nach Karthago reiste, vgl. Hdn. 7,6,1 f. (3) solitis Victor verwendet auch c. 40,20 solitum als Substantiv, vgl. dazu OLD s. v. solitus 2a. Der modale Ablativ im Plural anstatt im Singular ist auch bei Victor ungewöhnlich und ohne Parallelen. (3 f.) um schlechte Vorzeichen abzuwenden Der historische Gehalt der Episode ist im Einzelnen mehr als dubios und im Rahmen von typischen Geburtsprodigien als vaticinium ex eventu zu werten. Auffällig ist die dramatische Ausgestaltung im Vergleich zu der nüchternen und ganz anders gelagerten Astrologenbefragung Gordians I. in Hist. Aug. Gord. 20,1. Der breite Raum, der den Vorgängen fensichtlich von Victors Interesse an allem, was mit dem Prodigienwesen und anderen Formen der Vorsehung zusammenhängt. Ob aus der Bemerkung, Gordian sei „in der Praxis dieser Kunde überaus bewandert“ gewesen, Schlüsse auf Victor selbst gezogen werden dürfen, bleibt dahingestellt. (4) liberis Da Victor in der gleichen Periode von einem Sohn filii bzw. liberi spricht, wollte Dacier, De Caesaribus 149 liberis an dieser Stelle ebenfalls zu libero bzw. liberi im Singular korrigieren. Da aber der Plural liberi, wie ThLL s. v. Sp. 1303,41–64 unter Angabe vieler Beispiele zeigt,

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manchmal anstelle des Singulars stehen kann, braucht man den Text an dieser Stelle nicht zu ändern. filii Da Victor, wie D’Elia, Per una nuova edizione critica 175 bemerkt hat, liberi stets im Plural und filius im Singular verwendet, ist an dieser Stelle das von O überlieferte filii besser als das von P gebotene liberi. 26. (5) iudices iudex bedeutet nach ThLL s. v. Sp. 600,22, der auch diese Stelle anführt, nicht nur Richter, sondern bezeichnet auch andere Beamte. (5 f.) erfuhr man … von Gordians Tod Der Bericht entstellt erneut die turbulenten Ereignisse des Jahres 238. Der angeblich auf die Nachricht vom Tod Gordians I. ausgebrochene Tumult, der in dem Tod des (namenlosen) Stadtpräfekten Sabinus (PIR2 Sabinus 31) gipfelt, geschah nach Herodian 7,7,1–4 genau umgekehrt auf die Nachricht von der Proklamation Gordians I. und dem Gerücht von Maximinus’ Tod. Der Anstifter Domitius muss dem Leser als eine Art Anführer der Prätorianer erscheinen (hortante), ist in Wirklichkeit aber der Konsular L. Domitius Gallicanus, der die Straßenschlachten durch die Erdolchung mehrerer Prätorianer überhaupt erst mitausgelöst hat, vgl. Dietz, Senatus contra principem 140– 42. (6) allzu geldgierig und nur für Profit treu Victors Bemerkung reflektiert seine persönliche Abneigung gegen den gemeinen Soldaten. Die Käuflichkeit des Heeres hebt er wiederholt hervor (1,1; 11,9–11; 18,2; 31,1 f.; 40,7; 40,9) und liegt mit seinem pauschalen Urteil auch nicht völlig falsch, vgl. etwa Amm. 15,5,30. Gleichwohl entwickelte sich mitunter auf (erfolgreichen) Feldzügen eine feste Bande zwischen Soldaten und Kaiser, die in ein belastbares Treueverhältnis münden konnte. Vgl. J. B. Campbell, The emperor and the Roman army, Oxford 1984, 383 f., J. E. Lendon, Empire of Honour, Oxford 1997, 237–65 und A. D. Lee, War in Late Antiquity, Malden 2007, 51–65. (7) setzte er zunächst Stellvertreter ... ein Das Handeln des Senats folgt chronologisch auf das Bekanntwerden des Untergangs der Gordiani. Dass sich hinter den „Stellvertretern“ eine Senatskommission aus zwanzig eminenten Senatoren verbirgt, wird nicht ersichtlich, vgl. Hist. Aug. Maximin. 32,3 und Gord. 10,1 (zur Einrichtung noch zu Lebzeiten der Gordiani: Gord. 10,2), zur Chronologie Huttner, Von Maximinus Thrax 173 Anm. 113. Von der Senatskommission, den XXviri ex senatus consulto rei publicae curandae (CIL XIV 3902 = ILS 1186), sind sieben Mitglieder namentlich bekannt, dazu Dietz, Senatus contra principem 326–30; Haegemans,

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Imperial authority 167–70 und Hächler, Kontinuität und Wandel 161–5. Nur bei Victor besteht ihre Aufgabe darin, die Funktion des Stadtpräfekten und anderer hoher Beamte zu übernehmen und damit für zivile Ordnung und Normalität in der Hauptstadt zu sorgen. Die Opposition zu Maximinus Thrax, der zum hostis publicus erklärt worden war, bleibt unerwähnt, stattdessen liegt das Augenmerk – kompositorisch im Hinblick auf 27,2 – allein auf der Stadt Rom. Der militärische Aspekt spielt allenfalls eine nachrangige Rolle, womit sich Victor wesentlich vom Autor der Historia Augusta unterscheidet, der den Senat vornehmlich im Kampf gegen den tyrannischen Maximinus sieht (s. u.), vgl. Hist. Aug. Gord. 10,2; Max. Balb. 1,2 mit Brandt, Kommentar zur Vita Maximi 119; vgl. Haegemans, Imperial authority 167: „the main objective was of a military nature.“ Aus dieser Kommission gingen wiederum durch Abstimmung Clodius Pupienus und Caelius Balbinus (hier und 27,6 fälschlich Caecilius genannt) hervor, die zu Augusti (hier fälschlich zu Caesares) erhoben wurden (vgl. Hdn. 7,10,3; Hist. Aug. Max. Balb. 2,10 u. ö.). Die Tatsache, dass der Senat zum allerersten Mal seit Bestehen des römischen Kaisertums eigenständig die Kaiserwahl entschied (vgl. Hist. Aug. Max. Balb. 15,1), bleibt von Victor erstaunlicherweise unkommentiert. In seiner eigenwilligen Darstellung der stadtrömischen Ereignisse des Jahres 238 bleibt Maximinus Thrax ausgeblendet und wird die Einrichtung der Senatskommission ebenso wie die Erhebung der beiden Senatskaiser nicht als Reaktion auf eine Bedrohung durch Maximinus Thrax dargestellt, sondern als Maßnahme zur Herstellung der inneren Sicherheit. Clodius Pupienus Auf die Verwendung des Gentiliciums Pupienus bei den lateinischen Autoren gegenüber dem Gebrauch des Cognomen Maximus in griechischen Quellen bei der Nennung dieses Kaisers macht schon der Autor der Historia Augusta aufmerksam, vgl. Hist. Aug. Max. Balb. 1,2 und Brandt, Kommen 27. (1) iisdemque Da sich Victor auch in der Morphologie und Wortwahl an klassischen Vorbildern orientiert, ist Schotts Korrektur des überlieferten aspiriertem hisdemque (ebenso c. 40,3), das vor allem bei späteren Autoren und in Handschriften gefunden wird, wohl richtig, vgl. dazu ThLL s. v. idem 180,49–62. Gordianus, den Sohn Gordians Gemeint ist Gordianus III. (PIR² A 835), der allerdings mit der Person des Gordianus II. (PIR² 834), dem Sohn Gordians I. (PIR² 833) widersinnig verschmolzen ist. Die hier erwähnte Kaisererhebung Gordians durch die Soldaten in Africa gehört komposito-

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risch in das Kapitel 26. Denn in 26,1 wird unvollständigerweise nur die Augustuserhebung Gordians I. genannt (Gordianus II. fehlt). In 26,5 wird dementsprechend auch nur der Tod Gordians I. vermerkt, obwohl Vater und Sohn beide den Tod fanden (vgl. dagegen richtig Epit. Caes. 26,1; Hist. Aug. Gord. 15,2–16,3). Folglich wird der hier in 27,1 genannte Gordianus mit dem oben aus 26,4 bekannten Sohn Gordians I. identifiziert und für den Gordiani filius ausgegeben. Dabei wird verkannt, dass es sich bei dem Gordianus dieser Kaisererhebung, die chronologisch korrekt hinter diejenige des Pupienus und Balbinus (26,7) eingeordnet ist, in Wirklichkeit um den Enkel Gordians I. handelt (vgl. etwa Epit. Caes. 27, 1 nepos Gordiani ex filia; CIL VIII 848). Der Irrtum findet sich auch bei Eutrop und ist mithin auf die EKG zurückzuführen, vgl. Eutr. (KFHist B 3) 9,2,1 mit Komm. Auf Unstimmigkeiten in seinen (ungenannten) Quellen bei der Abkunft Gordians III. weist bereits der Verfasser der Historia Augusta hin (vgl. Gord. 22,4) und dürfte dabei auch auf Victor selbst abzielen, vgl. Enmann, Eine verlorene Geschichte 375; Schlumberger, Epitome de Caesaribus 138. Einzelheiten wie die Ernennung zum Augustus oder die ausbleibende Missbilligung durch den Senat sind auf die Augustuserhebung der Gordiani in Africa zu beziehen, denn Gordianus III. wurde zunächst nur das Caesaramt verliehen und dieses ganz im Einvernehmen mit dem Senat (vgl. Hdn. 7,10,9; Hist. Aug. Gord. 22,2 f.). Völlig wertlos ist dagegen die Angabe über die Prätorianerpräfektur, da keiner der Gordiani sie je bekleidet hat. Der Tadel des Verfassers der Historia Augusta an diesem Irrtum (vgl. Max. Balb. 15,6) wird gewöhnlich als „Seitenhieb auf Victor“ interpretiert, vgl. Brandt, Kommentar zur Vita Maximi 231. Ob in dem Verweis auf Gordianus als praetextatus sich ein Detail erhalten hat, das irgendwie noch zu Gordianus III. gehört, der bei seiner Caesarernennung in Rom 13 Jahre alt war, scheint angesichts des Kontexts eher unwahrscheinlich. 27. (2) implana Da jektiv implanus ist nach ThLL s. v. Sp. 627,50–2 ein Hapax legomenon. Prätorianereinheiten ... vernichtet Das Geschehen knüpft an die in 26,7 erzählten Ereignisse in Rom an. Um gleichzeitig an die Kaisererhebung des Gordianus in Africa anzuschließen, wird dessen Berufung nach Rom frei erfunden (accito eo). Herodian, der die Kämpfe zwischen den Prätorianern und den senatstreuen Kämpfern schildert (7,11 f.), spricht dabei von „Bürgerkrieg“ (7,11,6). (3) Während sich dies ... zogen die Iulii Maximini Der Zeitraum zwischen dem erfolgreichen Germanenfeldzug des Maximinus Thrax und

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seines Sohnes im Jahr 236 (26,1) und ihrer Belagerung der Stadt Aquileia (27,4) im Frühjahr 238 bleibt abgesehen von dem Hinweis über ihren angeblichen Aufenthalt in Thrakien (s. u.) ganz ausgespart. Während dieser Zeitraum auch von Eutrop in seinem knappen Bericht übersprungen und die gesamte Regierungszeit des Maximinus in einem in sich geschlossenen Kapitel gefasst ist (Eutr. 9,1), platziert dagegen Victor dieselben Informationsbausteine an zwei unterschiedliche Stellen in seinem Werk, um so die relative Chronologie der historischen Ereignisse beizubehalten. Die Angabe, Maximinus habe sich in Thrakien befunden, als die Nachrichten aus Rom eintrafen, findet sich nur hier und steht im Widerspruch zur glaubwürdigen Aussage bei Hdn. 7,2,9 (vgl. 7,3,4) und Hist. Aug. Maximin. 13,4 (abhängig von Hdn.), wonach er sich in Sirmium in der Provinz Pannonia Inferior aufhielt und einen Feldzug gegen Barbaren im Norden plante. Die Erwähnung Thrakiens könnte auf die EKG zurückgehen und sich aus der thrakischen Herkunft des Maximinus erklären. 27. (4) Pupienus tötete sie ... im Stich gelassen Maximinus und sein Sohn wurden bei der Belagerung der Stadt Aquileia von den eigenen Truppen nicht nur im Stich gelassen, sondern auch getötet. Mehrere Gründe führten zu der Massendesertation, darunter ein gescheiterter Sturm auf das stark befestigte Aquileia, der hier wohl mit der „Schlacht“ (proelio), aus der die Maximini als „besiegte“ (victos) hervorgingen, gemeint ist, vgl. Hist. Aug. Maximin. 22,4 f. Die irrtümliche Zuschreibung der Tötung an Pupienus findet sich auch bei Eutr. 9,1 (und Hier. chron. 216g) und geht auf die EKG zurück. Historisch richtig hingegen berichtet Hist. Aug. Maximin. 23,1–6 von der Tötung der Maximini durch die eigenen Soldaten. Der Autor der Historia Augusta macht in Maximin. 33,3 explizit auf diesen Fehler aufmerksam, der nur bei den Latini scriptores vorkomme; ähnliche Kritikpunkte, die ebenfalls auf Victor bezogen werden können, äußert er in Hist. Aug. Max. B (5) zusätzlich zum Doppeljahr ... weiteres Jahr Da die Regierungszeit der Maximini nicht fortlaufend an einem Stück erzählt wird, sondern verteilt ist auf vorliegende Stelle und 26,1, wo bereits zwei Jahre ihrer Regierungszeit genannt wurden (s. Komm. z. St.), folgt nunmehr – und hierauf macht Victor aufmerksam – die Angabe ihrer ‚restlichen‘ Regierungszeit (annus quaesitus), so dass sich die Gesamtdauer auf drei Jahre erstreckt. Damit stimmt Victor abgesehen von den wenigen zu vernachlässigenden Tage mit der Angabe bei Eutr. 9,1 überein und beruht auf der EKG, vgl. Enmann, Eine verlorene Geschichte 349. Nicht zu überzeugen

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vermag der Versuch von Dufraigne, Aurelius Victor 146 Anm. 7, in dem hier nachgereichten Herrschaftsjahr das Bestreben Victors zu sehen, die beiden laut Hist. Aug. Max. Balb. 15,7 kursierenden Angaben zur Herrschaftsdauer der Maximini, nämlich per biennium bzw. per triennium, unter einen Hut zu bringen. Vielmehr dürfte der Verfasser der Historia Augusta bezüglich der Angabe per biennium irrtümlicherweise Victor selbst gemeint haben, wie Bird, Liber de Caesaribus 120 Anm. 1 annimmt, zustimmend Brandt, Kommentar zur Vita Maximi 232 f. Eine Quelle, die die Regierungszeit des Maximinus ausdrücklich auf zwei Jahre beziffert, ist sonst nicht bekannt, vgl. Burgess, Roman imperial chronology 68 f. 27. (6) Clodius und Caecilius in Rom im Palast getötet Gemäß dem glaubwürdigen Bericht Herodians (8,8,6 f.) töteten die Prätorianer die beiden Kaiser gerade nicht auf der Stelle im Palast, sondern schleppten sie hinaus und töteten sie auf dem Weg zum Prätorianerlager. Während Hist. Aug. Max. Balb. 14,5 f. sich eng an Herodian anschließt, entspricht Eutr. 9,2,2 (in palatio interfecti sunt) der Darstellung Victors. Die falsche Ortsangabe geht wieder auf die EKG zurück. hielt Gordianus die Herrschaft alleine inne Übereinstimmende Details in Victors und Eutrops Beschreibung der Herrschaft Gordians III. dürften der EKG entstammen. Dazu zählt neben der Feststellung, dass Gordian nach dem Tod von Pupienus und Balbinus die Herrschaft alleine (solus) innehatte, auch die Öffnung des Janusheiligtums und die Betonung seiner erfolgreichen Kriegsführung gegen die Perser (27,7). (7) In diesem Jahr … des penteterischen Wettkampfs Die Formulierung könnte den Eindruck erwecken, Gordian habe die Neronia erweitert und fortgeführt. In Wirklichkeit waren die Neronia aber mit Neros Tod abgeschafft bzw. durch die Capitolia, die bis ins 4. Jahrhundert abgehalten wurden, ersetzt worden. Gordian stiftete seine eigenen Spiele, die der Göttin Minerva geweiht waren, vgl. Origo Rom. ( nervae instituit und S. Remijsen, The End of Greek Athletics in Late Antiquity, Cambridge 2015, 132 f. 144. Daher impliziert der Hinweis auf Nero einen primus inventor und besagt lediglich, dass Nero zum ersten Mal überhaupt einen penteterischen Agon in Rom abgehalten hat, vgl. Suet. Nero 12,3 instituit et quinquennale certamen primus omnium Romae more Graeco triplex, musicum gymnicum equestre. Der neue agon Minervae dürfte ebenfalls musische, gymnische und hippische Wettbewerbe umfasst haben, auch wenn Zos. 1,16,1 nur die ersten beiden Kategorien nennt. Problematischer ist die Datierung der Spiele, die in dasselbe Jahr fallen (eoque

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anno), als Gordian Alleinherrscher wurde (238 n. Chr.) und in den Perserkrieg zog (242 n. Chr.). (Möglicherweise werden auch bei Zos. 1,16,1 Wettkämpfe (Capitolia?) mit dem Beginn von Gordians Alleinherrschaft in Verbindung gebracht, vgl. Hist. Aug. Gord. 23,3.) Die fehlerhafte Chronologie erklärt sich aber vielleicht durch eine ungeschickte Einbindung der Angabe eo anno, durch die in Victors Quelle ursprünglich nur der Agon und die Profectio in ein und dasselbe Jahr datiert wurden. Denn die Wettspiele fanden der Communis opinio zufolge 242, wahrscheinlich im Juni unmittelbar vor Gordians Aufbruch in den Krieg gegen die Perser statt. Sie dienten demnach zugleich der propagandistischen Vorbereitung des Feldzuges, indem sich der Kaiser unter den Schutz jener Göttin stellte, die als Athena Promachos den Griechen zum legendären Sieg gegen die Perser verholfen hatte. Vgl. L. Robert, Deux concours grecs à Rome, in: ders., Opera minora selecta, Bd. 5, Amsterdam 1989, 652–8; Ch. Wallner, Der Agon Minervae: eine Dokumentation, Tyche 19 (2004) 223–35. Tempel des Janus Bereits im Kapitel über Augustus wurde die Funktionsweise des Janusheiligtums in Rom erläutert (1,3), als sei der Brauch, die Tore im Kriegsfall zu öffnen, nicht mehr bekannt; vgl. Eutr. 9,2,2 und Hist. Aug. Gord. 26,3 mit der Erläuterung: quod signum erat indicti belli. Enmann, Eine verlorene Kaisergeschichte 423 vermutet dahinter die EKG, die „der sache ihre aufmerksamkeit zugewandt haben muss.“ Die Schließung durch Marcus Aurelius ist nur hier belegt. Eine aufmerksame Lektüre der Historiae abbreviatae hätte indes Orosius (hist. 7,19,4) auf die Sprünge geholfen, der sich nämlich anläßlich der Öffnung durch Gordian nicht zu erinnern vermag, dass irgendein Historiker vermerkt hätte, dass ein Kaiser die Tore nach der Öffnung durch Vespasian zwischenzeitlich wieder geschlossen habe. Zum Bauwerk vgl. Carandini, Atlas 2, 94b. 27. (8) Nachdem er dort … Herrschaft um Die Nachricht stammt aus der EKG, die den Tod Gordians auf ein K Philippus, das sich anscheinend auf dem Rückmarsch von dem erfolgreich (insigniter) beendeten Perserkrieg ereignet hat, zurückführt, vgl. Eutr. 9,2,2 f. (Hier. chron. 217a); Ruf. Fest. 22,2; Amm. 23,5,17. Dem steht der Tatenbericht Schapurs I. gegenüber, laut dem das römische Heer in der Satrapie Asurestan bei Misiche (später in Peroz-Schapur umbenannt) abgefangen und in einer offenen Feldschlacht besiegt wurde, bei der Gordian den Tod fand, vgl. ŠKZ §6–8; Winter / Dignas, Rom und das Perserreich 94. Während zum einen Zweifel an der Selbstaussage des Großkönigs angebracht sind (vgl. Huttner, Von Maximinus Thrax 188), verunmöglichen

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andererseits die diversen Varianten in den griechisch-lateinischen Parallelberichten eine genaue Rekonstruktion des Hergangs um Gordians Tod, vgl. zu den übrigen Quellen S. Brecht, Die römische Reichskrise 154 f. 28. (1) venere Das Prädikat steht in dieser Constructio ad sensum im Plural, da der Sohn des Philippus, der im Ablativus absolutus ausgedrückt wird, ebenso wie der Vater als Subjekt betrachtet wird, vgl. H.-Sz. 434 zu ähnlichen Konstruktionen. Philippus, ein Araber Dies ist der früheste Beleg für Arabs als Beiname des Philippus, vgl. Huttner, Von Maximinus Thrax 187. Seine Familie stammte aus dem heutigen Shahba in der Trachonitis (Provinz Arabia), das er zur Colonia Philippopolis umbenannt und ausgebaut hat, vgl. Körner, Philippus Arabs 211–25 und W. Oenbrink, Shahba / Philippopolis – Die Transformation einer safaitisch-arabischen Siedlung in eine römische Colonia, in: Johne, Deleto paene imperio 243–70, besonders 260 f. sein Sohn Philippus Der Knabe Philippus Iunior wurde im August 244 zunächst nur zum Caesar erhoben, vgl. Kienast, Kaisertabelle 192. Erst 247 erfolgte seine Erhebung zum Augustus, aber diese Details bleiben unberücksichtigt, vgl. de Blois, Image and Reality 64 mit Anm. 255. die Verhältnisse im Osten geregelt Victor lässt offen, worin die von Philippus Arabs vorgenommene Ordnung im Osten besteht. Mit der Wendung kann sowohl der Friedensschluss gemeint sein, mit dem er den Abzug der Armee aus dem Sasanidenreich erkaufte (vgl. ŠKZ §8), als auch die anschließend vorgenommene Unterordnung des Orients unter dem Kommando seines Bruders Priscus, vgl. zum Friedensschluss Körner, Philippus Arabs 120–34 und zum Sonderkommando des Priscus über die Provinzen Syria Coele und Mesopotamien sowie seinen Titel als rector Orientis die Belege bei Körner 59 f.; vgl. de Blois, Image and Reality 64 mit Anm. 256. Bau eines Wasserbeckens D Gebiet als sehr unwahrscheinlich gilt, wird das Becken meist als eine Naumachie für die Jahrtausendfeier (s. nächstes Lemma) interpretiert. Dabei könnte es sich sogar um eine Instandsetzung der Naumachie des Augustus handeln, die Anfang des 3. Jahrhunderts noch in Resten sichtbar war, vgl. C. Buzzetti, Art. Naumachia Philipporum, LTUR 3 (1996) 338. Möglicherweise kam es nie zu den geplanten Wasserspielen und ist das Wissen um die ursprüngliche Intention des Bassins verlorengegangen. Die Behauptung der Historia Augusta (Aurelian. 45,2), dass es der Regio Transtiberina an frischem Wasser mangele, beruht wohl auf Victor, vgl. A. v. Do-

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maszewski, Die Topographie Roms bei den Scriptores historiae Augustae, SB Heidelberger Akad. Wiss., Heidelberg 1916, 6. das tausendste Jahr der Stadt Gefeiert wurde die Vollendung des tausendsten Jahres nach varronischer Zählung am 21. April 248 mit mehrtägigen Säkularspielen gemäß dem 100-jährigen Zyklus, vgl. Origo Rom. (KFHist B 5) 66; Eutr. 9,3; Epit. Caes. 28,3; Hier. chron. 217d. Siehe zur Tausendjahrfeier Körner, Philippus Arabs 248–59 und Huttner, Von Maximinus Thrax 198. 28. (2) centesimus Schott korrigiert mit Recht das von OP überlieferte centesimo zu centesimus. Wegen des folgenden Ablativs consule Philippo handelt es sich wohl um einen Influenzfehler. minima Im Spätlatein werden oft Komparativ und Superlativ miteinander vertauscht, vgl. H.-Sz. 169. An dieser Stelle hat der Superlativ die Funktion des Komparativs (in gleicher Funktion wie der Komparativ in c. 40,23 Maxentius atrocior in dies), vgl. dazu Arntzen, Sextus Aurelius 391 und Stabile, Note critiche 392. Auch in unserer Zeit … wie normalerweise Die früheren runden Stadtjubiläen werden an entsprechender Stelle unter Claudius (4,14) und Antoninus Pius (15,4) vermerkt. Die Erwähnung des 1000. Jahrestags im Jahr 248 nutzt Victor zu einer Art vorgezogenen Notiz zum Jahr 348 und beklagt das Ausbleiben der traditionellen Säkularspiele im Konsulatsjahr des Fl. Philippus (PLRE 1,696 Philippus 7). Zwar macht Victor allgemein das schwindende Interesse und abnehmende Kulturbewusstsein seiner Zeit für den Ausfall verantwortlich, aber womöglich liegt hier eine Kritik an dem mittlerweile verstorbenen Constans vor, dem als Westkaiser die Verantwortung für die Jahrhundertfeier in Rom oblag (vgl. Harries, Imperial Rome 190 f.), denn auch die folgenden zeitkritischen Ausführungen, die den größten Teil des Kapitels über Philippus Arabs einnehmen (28,3–9), sind auf die Person des Constans zu bez Selbstdarstellung die Romidee keine tragende Rolle und passt folglich auch der Verzicht auf die Säkularfeier zu seiner Strategie, „auf Abstand zu den politischen Traditionen der Stadt zu gehen und damit Kontroversen zu vermeiden“, vgl. M. Moser, Ein Kaiser geht auf Distanz. Die Rompolitik Constans’ I., AnTard 25 (2017) 41–58, hier 53–55. Zweifelhaft erscheint die These von H. Mattingly, „FEL. TEMP. REPARATIO“, NC 51 (1933) 182–202, der das Jubiläum, dessen Absage er mit dem paganen Charakter der Festivitäten begründet, dennoch als den Anlass für die Münzemission

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mit der neuartigen Reverslegende FEL(icium) TEMP(orum) REPARATIO erachtet. 28. (3–5) durch Vorzeichen und Wunder vorausgesagt Im Zusammenhang mit der Klage über die unterlassene Tausendjahrfeier 348 berichtet Victor von einem unglücksbringenden Vorzeichen und der entsprechenden Interpretation der Haruspices, die auf Victors eigenen Zeithorizont bezogen wird, indem offenkundig auf die Constans nachgesagte Homosexualität angespielt wird, vgl. zur Interpretation im Zusammenhang mit 28,8 (mollissimum quemque) und der eindeutigen Beschreibung der Laster des Constans in 41,24 Neri, Medius Princeps 40 f. (5) solutionem Wie das Simplex solvere kann bei Victor das davon abgeleitete Substantiv solutio in übertragener Bedeutung wohl auch die „Auflösung der Sitten“ bzw. den „Sittenverfall“ ausdrücken, was schon Schott, Komm. 207 vermutet hat. (6) meritorio Das von O überlieferte merithorio, das mit der Korrektur Schotts (und Casaubonus’) des von P überlieferten merito übereinstimmt, bezeichnet das Bordell, vgl. ThLL s. v. meritorius Sp. 843,80–844,6, der auch diese Stelle anführt. die Beseitigung des Verkehrs mit männlichen Prostituierten Wie ein tragischer Held möchte Philippus Arabs das angekündigte Verhängnis verhindern, was ihm aber nicht gelingt (vgl. Komm. zu 38,5). Zum angeblichen Verbot der männlichen Prostitution vgl. die wohl aus Victor entnommene Passage in Hist. Aug. Heliog. 32,6 und Alex. Sev. 24,4 und die quellenkritische Diskussion bei S. Zinsli, Kommentar zur Vita Heliogabali der Historia Augusta, Bonn 2014, 793 f. und Bertrand-Dagenbach, Histoire Auguste 102. (7) condicione Oft ist condicio nach ThLL s. v. Sp. 134,65 pleonastisch und braucht wie an dieser Stelle nicht übersetzt zu werden. (8) bonis Wie Festy, Aurelius Victor 171 kann hier bonis entweder als maskulines Substantiv („die Tüchtigen“ wie c. 3,5. 9,12. 24,9) oder als Neutrum („Tugenden, Qualitäten“ wie c. 39,8. 40,13) gedeutet werden. (10 f.) er fiel in Verona … im Prätorianerlager Der Hinweis auf den von Philippus Arabs in eigener Person unternommenen Feldzug und die Vernichtung seiner Armee bei Verona enthält noch eine Erinnerung an den dramatischen Bürgerkrieg zwischen Philippus Arabs und Decius; Eutr. 9,3 behauptet dagegen, Philippus Arabs sei vom eigenen Heer getötet worden,

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vgl. zu den unterschiedlichen Versionen zum Ende Philipps und seines Sohnes sowie zum Bürgerkrieg Körner, Philippus Arabs 305–22. (11) fünf Jahre Die Angabe der Herrschaftsdauer, die in Wirklichkeit um einige Monate zu kurz ist, stimmt aber mit Eutr. 9,3 überein und beruht auf der EKG, vgl. Burgess, Roman imperial chronology 73 f. 29. (1) Etruscum Schott korrigiert das überlieferte Etruscium, da in Inschriften und auf Münzen nur Etruscus bezeugt ist, vgl. Dacier, De Caesaribus 152. moenium Bei diesem Gebäude handelt es sich um die in Eutr. 9,4 erwähnte Therme (s. hist. Komm.), vgl. Komm. c. 17,3 moenia. durch seinen Rang ... bemächtigt Decius war von Philippus Arabs mit einem Sonderkommando gegen den rebellierenden Pacatianus ausgestattet worden. Nach dessen Niederlage übernahm Decius den Oberbefehl über die pannonischen und moesischen Legionen, die ihn um die Mitte des Jahres 249 zum Augustus ausriefen, vgl. Zos. 1,21,2–22,1; Huttner, Von Maximinus Thrax 201 f. und Hächler, Kontinuität und Wandel 503–8. Dorf der gemeinde Sirmiums Das Dorf Budalia, vgl. Eutr. (KFHist B 3) 9,4 mit Komm., Epit. Caes. 29,1 und Hier. chron. 218c, lag etwa 12 km von Sirmium entfernt an der Straße nach Cibalae (Itin. Anton. 268,1; Itin. Burdig. 563,6), gehörte aber noch zum Stadtterritorium, wie aus Sirmiensium hervorgeht; vgl. CIL III 37213 = ILS 2044. Auf die Weitläufigkeit des Stadtgebiets verweist auch Amm. 21,10,1. Victor, der das Dorf durch seinen Aufenthalt in Sirmium gekannt haben wird, nennt jedoch nur den weitaus bekannteren Hauptort der Pannonia Inferior. seinen Sohn namens Etruscus zum Caesar Victor erwähnt nur die Caesarerhebung von Decius’ älterem Sohn Herennius Etruscus (PIR2 H 106); zum jüngeren Sohn Hostilianus vgl. 30,1. Dabei muss der Eindruck entstehen, Decius habe ihn schon bald nach seinem eigenen Herrschaftsbeginn zum Mitkaiser erhoben (vgl. Eutr. bung ungefähr ein dreiviertel Jahr später (im Jahr 250) stattfand, vgl. Kienast, Kaisertabelle 197; L. Grozdanova, What about Herennius Etruscus?, in: F. Mitthof, Empire in Crisis 235–44. Die anschließende Erhebung des Etruscus zum Augustus bleibt – ebenso wie bei Eutrop – gänzlich unerwähnt. das Gebäude ... einzuweihen Gemeint sind die Deciusthermen auf dem Aventin (Curios. urb. / reg. urb. p. 94,5 Thermas ... Decianas), die Eutrop explizit erwähnt (9,4 Romae lavacrum aedificavit). Die Information geht auf die EKG zurück, die häufig Details zur kaiserlichen Baupolitik in

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Rom bietet. Die Einweihung der Thermen notiert die Origo Rom. (KFHist B 5) 67 thermae [Decianae] dedicatae sunt. Vgl. L. La Folette, Art. Thermae Decianae, LTUR 5 (2000) 51–3. 29. (2) Iotapiani Schott korrigiert das von P überlieferte iotapiam mit Recht zu Iotapiani, was auch O am Rande als iothapiani vermerkt und mit dem von Zos. 1,20,2 genannten Ἰωταπιανόϲ übereinstimmt. der Kopf … überbracht Als Beispiele für diesen „Brauch“ sind aus dem 3. Jahrhundert etwa die Herausforderer Avidius Cassius, Clodius Albinus und Macrinus zu nennen, deren abgetrennte Köpfe jeweils an ihre siegreichen Kontrahenten überbracht wurden (Hist. Aug. Avid. 8,1; Hdn. 3,7,7; Hist. Aug. Opil. 10,3). Zum abgetrennten Kopf als Trophäe und Beweisstück vgl. generell T. M. Kristensen, Maxentius’ head and the rituals of civil war, in: H. Börm u. a. (Hgg.), Civil war in Ancient Greece and Rome, Stuttgart 2016, 321–46. Aus der Notiz bei Victor schließt Huttner, Zwischen Traditionalismus und Totalitarismus, in: Johne, Deleto paene imperio 37–56, hier 42 f., dass die Übergabe „in ein öffentlich wirksames Zeremoniell eingebettet war.“ Abstammung von Alexander Es ist unklar, ob Alexander der Große gemeint ist oder der knapp 15 Jahre zuvor getötete syrischstämmige Severus Alexander, der bei der Ersterwähnung in 23,3 lediglich ‚Alexander‘ heißt, vgl. noch 24,2 und 24,9 (aber 24,1). Im Kaiserverzeichnis der Origo Rom. (KFHist B 6) 61 ist Severus nur als Alexander aufgeführt, ebenso in der Chronik des Hieronymus (p. 215), die ihn Alexander Mammaeae filius nennt; vgl. zu dieser attributivischen Namensform Hist. Aug. Alex. 3,1 (nam et ita dicitur a plerisque). Der Name des Usurpators, Iotapianus, könnte für eine Verbindung zum Herrscherhaus von Kommagene sprechen, das seine Abstammung wiederum auf Alexander den Großen zurückführte, vgl. Körner, Philippus Arabs 278–82; Huttner, Von Maximinus Thrax 198. Vermutlich ist Victor (und v eher im Glauben, dass Iotapianus sich auf die Verwandtschaft zu Severus Alexander berief, unabhängig davon, welchen der beiden Alexander Iotapianus tatsächlich für sich reklamierte. Verwiesen sei auch auf den von Victor berichteten Fall des Nepotianus, der sich auf seine Verwandtschaft zu (dem einige Jahre zuvor verstorbenen) Konstantin berief, vgl. 42,6 materna stirpe. Lucius Priscus … beim Ansturm der Goten Der Name Lucius ist mit Iulius verwechselt und der Usurpator Priscus mit T. Iulius Priscus (PIR² I 489; P 971) zu identifizieren, der zwischen 249 und 251 Statthalter Thra-

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kiens war und offenbar auch die Provinz Makedonien verwaltete, vgl. Dexipp. fr. 29,2 Mecella ἁρμοϲτὴϲ τῶν Μακεδονικῶν καὶ Θρᾳκικῶν πόλεων; Hächler, Kontinuität und Wandel 461 f. Unklar bleibt der genaue Zusammenhang zwischen dem Ansturm der Goten, der überhaupt nur als Hintergrundinformation der Usurpation berichtet ist, und der Übertragung der Kaiserherrschaft auf Priscus, dessen Aufenthalt fälschlich in Makedonien verortet wird. Tatsächlich wurde Priscus im thrakischen Philippopolis lange durch den Gotenführer Kniva belagert (Iord. Get. 103) und währenddessen offenbar von seinen Truppen zum Kaiser erhoben, obwohl Decius davor gewarnt hatte, vgl. zu weiteren Details J. Grusková / G. Martin, Zum Angriff der Goten unter Kniva auf eine thrakische Stadt (Scythia Vindobonensia, f. 195v), Tyche 30 (2015) 35–53 und de Blois, Image and Reality 68. 29. (3) Iulius Valens Dufraigne, Aurelius Victor 152 Anm. 9 nimmt an, dass Iulius Valens Licinianus (PIR2 I 610) von senatorischem Rang war. Seine Usurpation in Rom, die angeblich vom Volk getragen war, kann nur von sehr kurzer Dauer gewesen sein (vgl. mox), da er keine Münzen in seinem Namen emittierte, vgl. Huttner, Von Maximinus Thrax 210; Kienast, Kaisertabelle 199. (4) Bruti fraude Der von OP überlieferte Wortlaut ergibt einen guten Sinn, weshalb die Konjekturen Abruti (Gruter) und Abryti (Dufraigne) überflüssig sind; sie stehen darüber hinaus sogar im Widerspruch zu der Angabe trans Danubium, da Abrittus diesseits der Donau lag, vgl. Bleckmann, Reichskrise 172 Anm. 54. starben ... jenseits der Donau Der Tod der Decii, die im Kampf gegen die Goten fielen, wird nördlich der Donau, d. h. auf barbarischem Territorium verortet. Victor folgt der (historisch falschen) Tradition der EKG, die auch Eutr. 9,4 (in barbarico interfecti sunt) und Epit. Caes. 29,3 (in solo barbarico) zugrunde liegt; ob jenseits der Donau lokalisiert, wenn er von „den skythischen Feldern“ (or. s. c. 24,1) spricht, ist nicht ausgemacht. Decius kam in Wirklichkeit in der Nähe von Abrittus (Moesia Inferior) bei dem Versuch um, die Goten auf ihrem Rückzug in ihr Heimatgebiet abzufangen, vgl. Zos. 1,23,1; Lact. mort. pers. 4,3 dazu Bleckmann, Reichskrise 171 f. D. Potter, Decius and Valerian, in: Burgersdijk / Ross, Imagining Emperors 18–38, hier 34 schreibt die Verlegung der Deciusniederlage von Abrittus ins Barbaricum der Historiographie der diocletianischen Zeit zu; Bleckmann, Komm. zu Eutr. (KFHist B 3) 9,4 geht hingegen bloß von einem Missverständnis der

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Vorlage aus. Aufgrund von Militaria-Funden lässt sich das Schlachtfeld etwa 15 km nordöstlich von Abrittus (heute Razgrad, Nordostbulgarien) lokalisieren, vgl. G. Radoslavova u. a., The Battle of Abritus in 251 AD: Written sources, archaeological and numismatic data, Archaeologia Bulgarica 15,3 (2011) 23–49 und Th. Fischer, Gladius. Roms Legionen in Germanien, München 2020, 217 f. F. Mitthoff, Bemerkungen zu Kaiser Decius und seinem Gotenkrieg, in: F. Mitthof, Empire in Crisis 311–31, hier 331 datiert die Schlacht „um den 15. Mai 251“. zwei Jahre die Herrschaft ausgeübt Die geringfügig aufgerundete Herrschaftsdauer stimmt mit Eutr. 9,4 (biennio) überein und beruht auf der EKG, vgl. Burgess, Roman imperial chronology 74. 29. (4 f.) die Heimtücke eines Brutus … glanzvoll war Victor kennt zwei unterschiedliche Hergänge vom Tod der Decii auf dem Schlachtfeld. In der offenbar weniger verbreiteten Version, die ansatzweise bei Zos. 1,23,3 und eindeutig bei Zonar. 12,20 vol. 3,136,13–7 Dindorf greifbar ist, werden die Decii zu Opfern eines Verrats aus den eigenen Reihen, indem der römische Statthalter der moesischen Provinzen, Trebonianus Gallus, den gegnerischen Goten vor dem Kampf mit Decius einen vorteilhaften Hinweis zur Truppenaufstellung gegeben und so zum Untergang des Decius beigetragen haben soll. Der von Victor genannte Brutus ist dementsprechend nicht als Name des eigentlichen Verräters zu verstehen, sondern spielt vielmehr metonymisch auf den berühmten Caesarmörder M. Iunius Brutus an (vgl. Ps-Aur. Vict. vir. ill. 82,5) und steht so für die hinterhältige Ermordung des Decius durch einen ihm Vertrauten. In dieser wenig glaubhaften Erzählung vom Verrat sieht Bleckmann, Reichskrise 157 einen patriotischen Versuch, den schmachvollen Untergang des Decius zu beschönigen und durch „Dolchstoßlegenden“ zu erklären. Allerdings beschönigt bei Victor die fraus gerade nicht das Scheitern eines ansonsten tüchtigen Decius, sondern repräsentiert Dieser Blamage steht die weiter verbreitete Version vom tapferen Heldentod gegenüber (29,5 plerique … ferunt), der auch Victor den Vorzug gibt. Dabei weckt der selbstlose Tod von Decius Vater und Decius Sohn Assoziationen an die devotio der Decii Mures, der beiden gleichnamigen republikanischen Helden. Allerdings brachte deren Aufopferung den Römern im Unterschied zu den kaiserzeitlichen Decii einen Sieg im Kampf ein (vgl. etwa Ps-Aur. Vict. vir. ill. 26 f.). Stattdessen wird der nachfolgende Kaiser Claudius mit den republikanischen Decii gleichgesetzt, vgl. 34,2.

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(5) praefarentur Nach ThLL s. v. Sp. 650,66, der diese Stelle anführt, bezeichnet das Verb hier den Anfang einer Rede oder das, was einer zuerst sagt. Dies ist aber in diesem Zusammenhang merkwürdig, da eine Trostrede im Kampf wohl ziemlich kurz gewesen ist. Möglicherweise ist aber die Bedeutung des Präverbs prae- geschwunden, vgl. ThLL s. v. Sp. 649,54–7 und 652,22–35 und Epit. Caes. 34,3 und das Verb bedeutet hier nicht mehr als das Simplex fari „sagen, sprechen“. bei der Wiederaufnahme des Kampfes Decius kam offenbar nicht in derselben Schlacht um wie sein Sohn Etruscus, aber unklar bleibt, wieviel Zeit zwischen dem Tod des Etruscus und der Wiederaufnahme der Kampfhandlungen verstrichen ist, vgl. Iord. Got. 103. 30. (1) Gallus und Hostilianus Victor unterscheidet zwar im Gegensatz zu Eutr. 9,5 korrekt Gallus (PIR2 V 579) von Hostilianus (PIR2 V 14) und Volusianus (PIR2 V 535), den Sohn des Trebonianus Gallus, scheint aber nicht zu wissen, dass Hostilianus ein Sohn des Decius ist und bereits zu dessen Lebzeiten zum Caesar erhoben worden war. Dass Hostilianus von Gallus adoptiert wurde, wie Zos. 1,25,1 berichtet, wird etwa von Bleckmann, Reichskrise 157 f. und de Blois, Image and Reality 69 akzeptiert, aber von Kienast, Kaisertabelle 198 in Abrede gestellt. (2) curarent Zum unbegründeten Konjunktiv obliquus in Nebensätzen vgl. Komm. c. 2,1 cuperet. brach eine Seuche aus Es handelt sich um die bereits vor der Herrschaft des Trebonianus Gallus ausgebrochene Pandemie des 3. Jahrhunderts, die vielleicht durch ein Filovirus verursacht wurde, s. hierzu Harper, The Fate of Rome 136–45; zurückhaltender bei der Bestimmung der Ursache urteilt K. Groß-Albenhausen, Seuchen im 3. Jahrhundert – ein methodisches Problem, in: M. Meier (Hg.), Pest. Die Geschichte eines Menschheitstraumas, Stuttgart 2005, 78–85, vgl. auch M. Meier, Art. Seuche, RAC 30 (2020) 441–5. Harper, Pandemics Rom „in early 251.“ Victor berichtet im Unterschied zu Eutr. 9,5 positiv über die Rolle des Trebonianus und des Volusianus während der Epidemie, tragen sie doch (vermutlich in der Stadt Rom) für die Bestattung und damit für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Sorge. Diese Pflichterfüllung kontrastiert mit dem im folgenden Kapitel (31,2) getadelten ausschweifenden Verhalten der beiden Herrscher, aber auch mit dem des Gallienus, vgl. hist. Komm. zu 33,5. 31. (1) potestatum Während Schott das überlieferte potestatum in potestatem korrigiert, hält D’Elia, Per una nuova edizione critica 175 Anm.

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107 mit Recht an potestatum fest und verweist für den Gebrauch des Genetivs beim Substantiv summa auf c. 20,23 summam gloriae. 31. (1–3) Während sie sich also in Rom aufhielten Die nur wenige Monate dauernde Regierung des Aemilius Aemilianus im Sommer 253 (vgl. Kienast, Kaisertabelle 203), der in Moesien gegen Trebonianus Gallus putschte, wird von Victor relativ ausführlich dargestellt, um auf knappem Raum ‚taciteische‘ Prinzipatskritik und moralisierende Betrachtungen zum Verhältnis zwischen Kaiser, Senat und Armee zu äußern. Aemilianus gelangt durch die Korruption der Soldateska an die Macht (vgl. die Analogie in 1,1 zu Augustus) und setzt sich anschließend in der Konfrontation mit Gallus ohne Blutvergießen durch, weil sich die Gefolgschaft des Gallus und seines Sohnes korrumpieren lässt, und diese auch aufgrund ihres ausschweifenden Verhaltens keine Loyalität genießen (zum Überlaufen der Armee des Gallus und zu den Ereignissen in Italien vgl. Huttner, Von Maximinus Thrax 216 f.). Einmal zur Herrschaft gelangt, übt Aemilianus seine Macht maßvoll aus, während der Senat sich opportunistisch verhält und ihn erst zum Staatsfeind, dann zum Augustus erklärt hat. (3) biennium profecit Schon Schott, Komm. 208 hat noch ohne die Kenntnis von O das von P überlieferte biennio in biennium (wie in O) korrigieren wollen. Das von den Handschriften überlieferte profecit kann nicht nur im Sinne von „war für sie nützlich“ gedeutet werden, was Arntzen, Sextus Aurelius 396 vorgeschlagen hat, sondern bezeichnet im Spätlatein nach ThLL s. v. Sp. 1703,60–66, der diese Stelle allerdings nicht vermerkt, selten das Voranschreiten der Zeit (etwa Rufin. hist. 9,10,8 id per dies singulos in detrimentum nostrorum provincialium profecisse). Daher sind die Verbesserungsvorschläge von Schott praefuit („stand vor“?), von Sylburg, Komm. 730 suffecit („genügte“) und Pichlmayrs processit („ging fort“) aus Mangel an Parallelen nicht besser als das überlieferte profecit. durch Krankeit dahingerafft Victor irrt, keit von seinen Soldaten vor der sich abzeichnenden Schlacht gegen Valerian getötet wurde, vgl. Origo Rom. (KFHist B 5) 69 (occisus); Eutr. 9,6 (extinctus est); Epit. Caes. 31,2 (exstinguitur) und Zos. 1,29,1 mit Huttner, Von Maximinus Thrax 217 f. und Glas, Valerian 103 f. 32. (1) wegen des bevorstehenden Krieges Valerian war vermutlich von Decius (oder nach Davenport, Roman equestrian order 541 von Aemilianus) mit einem provinzübergreifenden Kommando für Raetia und Noricum betraut worden (vgl. Eutr. 9,7 in Raetia et Norico agens). Die Konzentration der Truppen sollte wohl einem Feldzug gegen die nördlich

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ansässigen Alamannen und/oder Juthungen dienen. Von einem „bevorstehenden Krieg“ weiß nur Victor, vgl. Eutr. 9,7 und Zos. 1,28,3 mit Bleckmann, Reichskrise 285–7 und Glas, Valerian 99. Der relativen Chronologie zufolge findet die Ausrufung Valerians zum Kaiser erst nach dem Tod des Aemilius Aemilianus statt (vgl. hist. Komm. zu 31,3), aber in Wirklichkeit war dieser noch im Amt. Die zeitliche Reihenfolge, die auch Eutr. 9,6 f. bietet, dürfte der biographischen Anordnung des Stoffes in der EKG geschuldet sein. in Raetien Bei dem Plural apud Raetias (ebenso in 33,17 per Raetias) liegt ein Anachronismus vor, weil Raetia erst in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts in die Provinzen Raetia Prima und Raetia Secunda unterteilt wurde, vgl. R. Haug, Art. Raetia, RE 1 A 1 (1914) 46–62, hier 58. 32. (2) wie es damals noch Gepflogenheit war Die eingeschobene Zwischenbemerkung spielt auf das weiter unten erwähnte Edikt des Gallienus an, das den Senatoren fortan eine Militärlaufbahn untersagt (vgl. hist. Komm. zu 33,34). Obwohl die senatorische Laufbahn in der Mitte des 3. Jahrhunderts zivile und militärische Kommanden beinhaltete, scheint Victor in einer anachronistischen Rückprojektion der Verhältnisse seiner eigenen Zeit von einer reinen Militärkarriere des Senators Valerian (genere satis claro) auszugehen, vgl. Bleckmann, Reichkrise 287. Die Laufbahn Valerians, der vor seiner Kaisererhebung Suffektkonsul gewesen war, lässt sich nicht mehr rekonstruieren, vgl. Hächler, Kontinuität und Wandel 480– 84. (3) adulta aestate Mit adultus wird gewöhnlich der zweite Monat einer Jahreszeit bezeichnet, vgl. ThLL s. v. adolesco Sp. 803,11–20 und s. v. aestas Sp. 1091,34–43. Da der Sommer zwischen Mai und Juni begann, ist mit adulta aestate der Hochsommer zwischen Juni und Juli gemeint. facie facies kann nach ThLL s. v. facies Sp. 49,60–51,46, der diese Stelle Sp. 51,13 f. anführt, auch die ä Dingen bezeichnen. Seinen Sohn Gallienus wählte der Senat zum Caesar Der Verweis auf die Caesarerhebung des Gallienus durch den Senat bedeutet nicht, dass der Senat in irgendeiner Weise eigenmächtig und ohne Absprache mit Valerian gehandelt hat, sondern hebt lediglich die Tatsache hervor, dass Gallienus nicht wie sein Vater durch das Heer ernannt wurde. Bei Eutr. 9,7 wird dies mit der Angabe „in Rom“ unterstrichen (Romae a senatu Caesar appellatus). Dem entspricht bei Victor, dass Gallienus „aus Etrurien herbeigeholt“ wird (32,4). Die den beiden Autoren zugrunde liegende EKG

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legte offenbar besonderen Wert darauf, dass die Erhebung des Gallienus in traditioneller Weise durch den römischen Senat erfolgte. Vgl. Geiger, Gallienus 83 und Glas, Valerian 118. 32. (3 f.) prompt trat der Tiber ... über die Ufer Gallienus stammte mütterlicherseits aus Etrurien (vgl. de Blois, Image and Reality 82 mit Anm. 436). Gleichzeitig ruft die Nennung Etruriens das Vorzeichenwesen in Erinnerung, das Rom als Etrusca disciplina von dort übernommen hat (vgl. 28,8) und für das Victor wiederholt besonderes Interesse zeigt. Als schlechtes Vorzeichen (vgl. etwa Obseq. 68: Poüberschwemmung kündigt Bürgerkrieg zwischen Octavian und Antonius an) wirft die Tiberüberschwemmung nicht nur vorab einen Schatten auf die im Nachfolgenden ausgiebig geschilderten Unglücke in der Regierungszeit des Gallienus, sondern dient auch kompositorisch dazu, die Erzählung direkt zur Katastrophe Valerians überzuleiten und so seine siebenjährige Regierungszeit (253–260) weitgehend zu überspringen. Da Valerians Herrschaft auch in Eutr. 9,7 in ähnlicher Weise übergangen wird, dürfte die eigenartige Verkürzung auf die EKG zurückzuführen sein. Unklar bleibt jedoch, ob in der EKG Valerian auch der Vorwurf einer schlechten Amtsführung gemacht wurde, wie er bei Eutrop greifbar ist. Dort werden nämlich Vater und Sohn gleichermaßen für die Miseren im Staat verantwortlich gemacht, während bei Victor Valerian wesentlich besser wegkommt und beinahe selbst als ein Opfer des Unglücks erscheint, das der Sohn über das gesamte Reich gebracht hat. Vgl. zu Victors Sicht auf Valerian Goltz, Zerrbilder eines Herrschers und Christenverfolgers. Zur Rezeption Kaiser Valerians, in: Johne, Deleto paene imperio 329–56, hier 330 („gewisse Sympathie“) und Glas, Valerian 21 („sehr positiv“) und 173. Wie sehr sich Victor auf Gallienus kapriziert, wird in 33,29 deutlich. (4) perniciosum Selten kann das Neutrum perniciosum substantivisch gebraucht werden, vgl. ThLL s. v. perniciosus Stelle Sp. 1590,76 anführt. aufgrund des unbeständigen Wesens des jungen Mannes Gallienus war mit seinen 35 Jahren zum Zeitpunkt seiner Caesarernennung kein adolescens mehr (vgl. Epit. Caes. 33,3). Der von Sall. Cat. 14,5 inspirierte Hinweis auf das fluxum ingenium des adolescens (vgl. Bird, Sextus Aurelius Victor 91) greift den Topos der ‚unreifen Jugend‘ auf, vgl. etwa Cic. Cael. 41 und Cluent. 13, Plin. epist. 3,3,4 mit E. Eyben, Restless youth in ancient Rome, London 1993, 28 f. Hierdurch wird Gallienus als nicht gefestigter Jüngling charakterisiert, der zwar anfällig für hedonistische Ver-

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führungen (vgl. 33,6), aber der mit dem Herrscheramt verbundenen Verantwortung nicht gewachsen ist; vgl. auch die Warnung des Tiberius vor den Auswirkungen von verfrühten Ehrungen auf die noch mobiles adulescentium animos (Tac. ann. 4,17,2). Die Vermutung von Neri, Medius princeps 41 f., hier könne eine Anspielung auf die Homosexualität des Constans vorliegen, ist daher unbegründet, zumal nachdem in 28,4–6 bereits weitaus ‚eindeutiger‘ darauf angespielt wurde, vgl. Komm. zu 28,3–5. 32. (5) Krieg in Mesopotamien vorbereitete Victor weicht von der Tradition der EKG ab, gemäß der Valerian sich bereits im Kriegsgeschehen befand, vgl. Eutr. 9,7 / Epit. Caes. 32,5 (bellum gerens) und Ruf. Fest. 23 (adversum Persas Valerianus congressus). Die Diskrepanz könnte daraus resultieren, dass die EKG sich auf die Kampfhandlungen um Edessa unmittelbar vor Valerians Gefangennahme bezieht, Victor hingegen auf Valerians langfristigen Plan eines großen Feldzuges gegen Schapur. Dabei könnte dieser „ungewisse und langwierige Krieg“ nicht nur auf die Rückeroberung der 252 verlorenen Stadt Nisibis in der römischen Provinz Mesopotamia, sondern eventuell auch auf eine Eroberung Mesopotamiens in den Grenzen von Traian abgezielt haben, vgl. zu Valerians geplanter Offensive Mosig-Walburg, Römer und Perser 45 und Glas, Valerian 219–24. Victor hat hierbei vielleicht auf einen älteren Quellenstrang zurückgegriffen, in welchem Valerian – um die ohnehin enorme Schmach der Gefangenschaft etwas zu begrenzen – unter Ausblendung der gescheiterten Kampfhandlungen bei Edessa allein durch die Heimtücke des Perserkönigs in Gefangenschaft gerät, vgl. Glas, Valerian 173. starb scheußlich geschunden im sechsten Jahr Die angeblich im selben Jahr erfolgte Überlistung und Tötung Valerians weicht nicht nur von der Tradition der EKG (z. B. Eutr. 9,7; Ruf. Fest. 23; Epit. Caes. 32,5), sondern auch weitgehend von der gesamten historiographischen Überlieferung ab, gemäß der Valerian nach Persien v nem Tod in Gefangenschaft gehalten wurde, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 266 mit Komm. Der Zeitpunkt seiner Gefangennahme wird in den Quellen unterschiedlich angegeben, aber das Jahr 260 (Sommer) gilt als gesichertes Datum. Dies entspricht seinem siebenten Herrschaftsjahr, womit Victors Angabe um ein Jahr zu kurz ausfällt, vgl. Glas, Valerian 177–9, Kienast, Kaisertabelle 205 f. Die Bemerkung, dass Valerian bei lebendigem Leib geschunden wurde (laniatus), die sich auch in späteren griechischen Quellen findet, gilt generell als unhistorisch, basiert aber auf der Nachricht, dass die Leiche Valerians nach seinem Tod in Persien gehäutet

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worden sei (z. B. bei Lact. mort. pers. 5,6), vgl. Felix, Antike literarische Quellen zur Außenpolitik des Sasanidenstaates, Wien 1985, 69; Bleckmann, Reichskrise 110. Über das Schicksal Valerians in persischer Gefangenschaft ist nichts bekannt, vgl. Glas, Valerian 181–6. 33. (1) arceret Verstöße gegen die Consecutio temporum (hier Konjunktiv Imperfekt anstelle des Konjunktivs Plusquamperfekt) kommen besonders im Spätlatein nicht nur in Konditionalsätzen, sondern in allen Arten von Satzgefügen vor. Vgl. dazu H.-Sz. 552 und Festy, Aurelius Victor 171 Anm. 15. Um dieselbe Zeit … nach Illyricum Gallienus führte an der Rheingrenze (Köln) den Kampf gegen die Germanen (die in 33,3 dann, vielleicht anachronistisch, als Franken spezifiziert werden), vgl. Zos. 1,30,1–3. Das zeitliche Verhältnis zwischen dem Tod Valerians und dem Abzug des Gallienus aus Gallien nach Illyricum ist umstritten. Zudem bezweifelt de Blois, Image and Reality 79, dass Gallienus persönlich gegen den Usurpator nach Illyricum gezogen ist, und verortet Gallienus stattdessen in Norditalien. Die etwas vage Zeitangabe lässt sich durch die Notiz in 33,2 genauer bestimmen, aus der hervorgeht, dass Gallienus die Rheingrenze erst dann verlässt, als die Gefangennahme Valerians zur Erhebung des Ingenuus geführt hat. Victor ist der Kronzeuge für die späte Datierung der Erhebung des Ingenuus, während die Historia Augusta (trig. tyr. 9,1) die Usurpation bereits in das Jahr 258 (Tusco et Basso consulibus) datiert. Eine Harmonisierung beider Angaben durch die Behauptung, mit comperta Valeriani clade sei nicht die zuvor genannte persische Niederlage Valerians (32,5), sondern die Tötung seines gleichnamigen Sohnes gemeint, erscheint ganz unwahrscheinlich, zur Diskussion um die Datierung vgl. Goltz / Hartmann, Valerianus und Gallienus 262 f. und Anm. 203 mit wieterer Literatur. Kienast, Kaisertabelle 206 zweifelt überhaupt die Existenz eines gleichnamigen Sohnes an. (2) Ingenuum Das von OP überlieferte Ingebum hat Schott mit Recht aufgrund der Parallele in Eutr. 9,8,1 zu Ingenuum korrigiert, vgl. auch Hist. Aug. trig. tyr. 9, Amm. 21,16,10 und Pol. Silv. princ. 44. Mursina Angesichts der kurz im gleichen Satz genannten Schlacht in Mursa (Mursiae) korrigiert Schott mit Recht das überlieferte mausina. Ingenuus, den Statthalter Pannoniens Ingenuus (PLRE 1,457 Ingenuus 1) muss auch das Kommando über Truppen in Moesien gehabt haben (Hist. Aug. trig. tyr. 9,1. 10,1; Zonar. 12,24 vol. 3,143,16–1 Dindorf), bekleidete also nicht nur die Statthalterschaft über Pannonien, sondern ein

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Großkommando in Illyricum und hatte die Aufsicht über den Caesar Valerian d. Jüngeren (Petr. Patr. fr. 5 p. 194 Müller). Ingenuus gehörte vermutlich wie Regalianus (nächstes Lemma) dem senatorischen Stand an, vgl. zuletzt Hächler, Kontinuität und Wandel 446–48. Regalianus Eine ähnliche Version über die aus der Niederlage entkommenen Soldaten bietet Hist. Aug. trig. tyr. 10,1 (mit unwahrscheinlichen Details, dass diese Soldaten nur Moeser gewesen seien). Welches Kommando Regalianus zuvor innehatte, wird nicht mitgeteilt. Die Historia Augusta bezeichnet ihn anachronistisch als dux Illyrici (trig. tyr. 10,1 und 9). Seine Ehe mit Sulpicia Dryantilla und die mutmaßliche Abstammung vom Suffektkonsul von 202 n. Chr. weisen ihn allerdings anscheinend als einen der letzten senatorischen Statthalter, vielleicht von Pannonia Superior, aus, vgl. Hächler, Kontinuität und Wandel 341–44. Der Fall des Regalianus (und Ingenuus?) würde also einen Beleg dafür bieten, dass die 33,34 beschriebene Furcht des Gallienus vor Usurpationen durch tüchtige senatorischer Generäle durchaus mit unmittelbar aktuellen Vorkommnissen begründet war. 33. (3) naufragio dedit Der metaphorisch gebrauchte Ausdruck hat sonst keine Parallele, vgl. ThLL s. v. dare Sp. 1670,72 f., der diese Stelle anführt. vis tunc aeque Da der überlieferte Ablativ vi nicht in den Kontext des Satzes passt, ist der von Sylburg, Komm. 730 vorgeschlagene Nominativ vis ohne weitere Veränderungen wohl die beste Lösung, weil die Parallelüberlieferung bei Eutr. 9,8,2 lediglich Alamanni vastatis Galliis in Italiam penetraverunt hat und die vorgeschlagenen Konjekturen keine Parallelen haben. vis im Singular kann neben „Menge“ wie der Plural vires (vgl. c. 13,3) „Streitmacht“ bedeuten, vgl. Tac. hist. 3,15,1 ingens Germanorum vis per Raetiam timebatur. überließ Gallienus recht sorglos … reichen militärischen Krisen, durch die in den 260er Jahren das Reich an den Grenzen und im Inneren heimgesucht wurde, werden in Victors simplen Erklärungsmodell kurzerhand mit Gallienus’ vermeintlicher Untätigkeit und Vernachlässigung kaiserlicher Pflichten erklärt. Dabei werden die nachfolgend aufgezählten Angriffe externer Völker durch einen Einschub, der Gallienus’ lasterhaften Lebenswandel in Rom beschreibt (33,6), von den internen Konflikten mit Usurpatoren getrennt. Unabhängig von der Frage, inwiefern Victor hier nur die EKG wiedergibt, belegt Paneg. 8(5)10,1–3 unzweifelhaft, dass Gallienus schon gegen Ende des 3. Jahr-

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hunderts aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage des Reiches in schlechtem Ruf stand und dass nicht erst Victor „ingeniously“ den Kaiser dafür verantwortlich macht, wie Bird, Aurelius Victor 138 Anm. 9 annimmt. Während Eutr. 9,8,1 drei absteigende Phasen der Alleinherrschaft des Gallienus kennt, scheint Victor dessen Regierung wie etwa bei Tiberius (2,1) oder Hadrian (14,5) nur in eine aktive und erfolgreiche Periode am Anfang (33,1 f.) und in eine passive und verwerfliche in Rom (ab 33,3) zu unterteilen, wobei der Kampf gegen Aureolus, der am Ende freilich erfolglos bleibt, nicht ganz in das Schema passt (33,16–19). Saloninus Der jüngere Sohn des Gallienus wurde 258 im jugendlichen Alter zum Caesar erhoben, nachdem der ältere, Valerianus der Jüngere, der aber nicht erwähnt wird, kurz zuvor gestorben war, vgl. Epit. Caes. 33,1 und zu beiden Söhnen Kienast, Kaisertabelle 212 f. Die Tötung des Saloninus durch den Usurpator Postumus (33,8) bereits im Jahr 260 (vgl. etwa Epit. Caes. 32,3) bleibt ebenfalls unerwähnt. den römischen Staat … Untergang Zugrunde liegt die in der antiken Literatur geläufige Metapher des Staatsschiffes, bei der stets „the emphasis is on the helmsman“, so C. W. Mendell, Horace I. 14, CP 33 (1938) 145– 56, hier 147 mit Beispielen. Auch bei Eutrop findet sich der Vorwurf, Gallienus habe „den Staat im Stich gelassen“ (9,11,1). Natürlich beanspruchte Gallienus von sich genau das Gegenteil praktiziert zu haben und wurde entsprechend geehrt, vgl. CIL XIV 5334: invicto Gallieno … protectori imperii Romani omniumque salu[tis auctori?] und CIL VI 31378a (= ILS 549): (virtuti?) Gallieni invicti Aug(usti), qua universum orbem suum defendit ac protegit mit M. Christol, L’eloge de l’empereur Gallien, défenseur et protecteur de l’empire, in: M.-H. Quet (Hg.), La „Crise“ de l’Empire romain de Marc Aurèle à Constantin, Paris 2006, 107–31. dass die Goten … nach Africa Die Nachricht über den psychologischen Umschlag des Gallienus u der EKG, vgl. Eutr. 9,8,1 f. Vgl. zu den diversen Barbareneinfällen Cons. Const. (KFHist G 1) 261 mit Komm. sowie Geiger, Gallienus 107–51 und de Blois, Image and Reality 79–84. fränkische Stämme Die Nennung gilt gemeinhin als „erste gesicherte Erwähnung des Frankennamens“, so etwa E. Zöllner, Geschichte der Franken, München 1970, 1 f., jedoch ist ein anachronistischer Gebrauch durch Victor nicht völlig ausgeschlossen. E. Ewig, Die Franken und Rom (3. –5. Jahrhundert), RhVjbll 71 (2007) 1–42, hier 1–3 spricht für die Zeit des Gallienus nur von „Protofranken“ und erkennt erst in Paneg. 11(3),5,4

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(Francos … venientes) von 291 das erste „zeitgenössische Zeugnis für den Frankennamen“; vgl. auch Bleckmann, Reichskrise 23 f., A. Goltz, Die Völker an der nordwestlichen Reichsgrenze, in: Johne, Zeit der Soldatenkaiser 427–47, hier 445 f. und Meier, Geschichte der Völkerwanderung 326–8. Während Victor die „Plünderung Galliens“ den Franken auf ihrem Weg nach Spanien anlastet, schreibt Eutr. 9,8,2 die Verheerung (vastatis Galliis) weniger plausibel den Alamannen, die über die Alpen nach Italien zogen, zu. Dennoch neigt Drinkwater, Gallic Empire 51 dazu, Eutrop mehr Glauben zu schenken, weil „he seems more likely to have reproduced his source more faithfully than Victor.“ Drinkwater 52 sieht sich folglich dazu gezwungen, auch den Text in 35,2 von Germanis Italia demotis zu Germanis Gallia demotis zu ändern, wozu aber kein Anlass besteht. Räuber oder eine Frau Gemeint sind die Palmyrener (besonders Odainathos) und die Königin Zenobia, die nach dem Tod des Odainathos die Herrschaft über das Palmyrenische Teilreich noch einige Jahre weiterführte und 269/70, also erst nach Gallienus’ Tod sich von Rom lossagte, vgl. Kienast, Kaisertabelle 231–3 und zuletzt N. J. Andrade, Zenobia, Oxford 2018, 143–209. Der polemische Begriff latrones changiert hierbei zwischen ‚Räuber‘, ‚Rebellen‘ und ‚Rivalen‘, vgl. Th. Grünewald, Räuber, Rebellen, Rivalen, Rächer, Stuttgart 1999 (ohne diese Stelle); vgl. Hist. Aug. Aurelian. 26,2 die latrones Syri, die Zenobia im Kampf gegen Aurelian verteidigen. Zudem lässt die Einordnung der Palmyrener zwischen „Parthern“ (d. h. Persern) und „Alamannen“ sie als auswärtige Barbaren erscheinen (vgl. Philostr. [KFHist A 3] fr. 1,7 „Odainathos, der König der sarazenischen Barbaren“). Bemerkenswert ist aber keineswegs bloß, dass Victor Zenobias Namen unterschlägt, wie Bird, Aurelius Victor 137 Anm. 5 hervorhebt („disdainfully ignores“), sondern auch den des Odainathos, dem von Gallienus ein Kommando über den Osten übertragen wurde, um dadurch wenigstens nominell die römische Osten zu wahren, deren Kontrolle er nach der Gefangennahme seines Vaters nicht selbst gewinnen konnte, vgl. Bleckmann, Komm. zu Eutr. (KFHist B 3) 9,11,1. (Allerdings ist einschränkend hinzuzufügen, dass in dieser Passage die diffuse Menge der bedrohlichen Völker und Stämme betont werden soll, so dass die konkrete Benennung einer einzelnen Person dieser Absicht entgegenwirken würde; Zenobia, vielleicht auch Odainathos, wurde gewiss in der Textlücke in 34,7 namentlich genannt.) Das negative Image der Palmyrener ist Victor zuzuschreiben, denn seine Hauptquelle, die EKG, zeichnete offenbar ein ganz anderes Bild. Dieses ist in

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der Darstellung bei Eutrop greifbar, der die Bedeutung des Odainathos für das Reich deutlich artikuliert (9,11,1 Romanum imperium … per Odaenathum in Oriente servatum est), vgl. Hist. Aug. trig. tyr. 15,1. Auch Rufius Festus würdigt Odainaths Verdienste bei der Verteidigung des Reiches, erachtet dies aber gleichzeitig als eine ungeheure Schmach für Roms Herrschaftsanspruch (23,2 quod turpe dictu est). Eine ganz ähnliche Sichtweise vertritt wiederum Victor, wenn er an anderer Stelle die Beteiligung von externi an der Verteidigung des römischen Reiches nicht gutheißt (vgl. Komm. zu 39,16); diese Einstellung erklärt wenigsten zum Teil Victors abschätzige Bezeichnung der Palmyrener als latrones. Tarracona verwüstet … ausgeplündert wurde Das Detail entstammt der EKG, vgl. Eutr. (KFHist B 3) 9,8,2 mit Komm. Der psychologische Schock darüber, dass die Germanen ungehindert so tief ins Reichsinnere vorstoßen konnten, dürfte wohl größer gewesen sein, als das freilich nicht abzuschätzende Ausmaß des angerichteten Schadens. Archäologische Spuren lassen sich jedenfalls nur schwerlich nachweisen, vgl. J. Richardson, The Romans in Spain, Oxford 1996, 250 f. ein Teil von ihnen … sogar nach Africa Dieses Detail findet sich einzig bei Victor, gilt aber gemeinhin als glaubwürdig, vgl. etwa F. Beisel, Studien zu den fränkisch-römischen Beziehungen, Idstein 1987, 11 und Lassère, Africa 508, der das Ereignis „peut-être en 258“ wohl um 2 bis 3 Jahre zu früh datiert. Jenseits der Donau … was Traian erobert hatte Unter Gallienus konnte die vollständige Kontrolle der Provinz Dakien, die eine nur schwierig zu verteidigende Ausbuchtung des römischen Grenzverlaufs bildete, nicht mehr gewährleistet werden. Den Verlust der Provinz schreibt bereits die EKG Gallienus zu, vgl. Eutr. 9,8,2 (Dacia, quae a Traiano ultra Danubium fuerat adiecta, tum amissa est) und Ruf. Fest 8,2 (Dacia) sub Gallieno imperatore amissa est. Die endgültige A Umsiedelung der ansässigen Bevölkerung südlich der Donau fällt erst in die Zeit Aurelians, vgl. Eutr. 9,15,1 und Hist. Aug. Aurelian. 39,7. Vgl. I. Piso, Das verhängnisvolle Jahre 262 und die amissio Daciae, in: L. Vagalinski u. a. (Hgg.), Proceedings of the First International Roman and Late Antique Thrace Congress, Sofia 2018, 427–40; Bleckmann, Südosteuropa am Übergang vom Principat zur Spätantike, in F. Mitthoff u. a. (Hgg.) Handbuch zur Geschichte Südosteuropas, Bd. 1, Berlin 2019, 325–58, hier 335.

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33. (5) animi Da die Junktur animi desperatio hier sinnvoll und auch anderswo belegt ist (etwa Aug. soliloq. 1,11,19 multum interest utrum animi desperatione obruatur cupiditas …), ist der Vorschlag von Walter, Zu Aurelius 330 desperatione annonae statt animi zu schreiben, nicht zwingend, wie schon Miller, Bericht über die Literatur 60 bemerkt hat. breitete sich eine Seuche nach Rom aus Es handelt sich um die bereits unter Gallus und Volusianus erwähnte Pest, vgl. Komm. zu 30,2. Ob die unter Gallienus erwähnte Ausbreitung in Rom mit einer „second wave sometime around AD 260“ (Harper, The Fate of Rome 138) in Verbindung gebracht werden kann (vgl. auch Oros. hist. 7,22,1 respirante paulisper) oder nur als genereller Hinweis auf die langjährige Pandemie verstanden werden darf, um das Katastrophenszenario unter Gallienus zu vervollständigen, muss offenbleiben. Auch wenn Gallienus nicht direkt für den Ausbruch der Seuche verantwortlich gemacht wird, stehen seine im nächsten Paragraphen beschriebenen Ausschweifungen doch in scharfem Kontrast zum fürsorglichen Verhalten des Gallus und Volusianus, vgl. 30,2 mit Harper, Pandemics 240. (6) vinariorum Die vinarii sind, wie Festy, Aurelius Victor 171 Anm. 16 betont, die Weinhändler und nicht die Betrunkenen, vgl. Sall. hist. fr. 1,63 lenones et vinarii laniique; Suet. Claud. 40,2 de laniis ac vinariis. besuchte unterdessen Wirtsstuben und Kneipen Die Kneipenbesuche in Rom, die zur Illustration der gewissenlosen Vergnügungssucht des Gallienus dienen (vgl. Hist. Aug. Gall. 21,6), kennt auch Amm. 14,1,9: demnach soll Gallienus allerdings in Verkleidung ausgegangen sein, um auf diese Weise die öffentliche Meinung über sich auszukundschaften. Tochter des Germanenkönigs Attalus, namens Pipa Attalus ist der Markomannenkönig, den Gallienus Mitte der 250er Jahre zu Verteidigung des Donaulimes in Pannonien ansiedelte, vgl. Epit. Caes. 33,1; Drinkwater, The Alamanni and Rome 75 geht von „an Hinter der Notiz über Gallienus’ Verhältnis zu dessen Tochter steckt vielleicht bloß ihre verzerrt dargestellte Geiselhaft in Rom. Aber auch eine Heirat nach germanischem Recht ist aufgrund von Epit. Caes. 33,1 („eine Konkubine, die er durch einen Vertrag … von ihrem Vater in einer Scheinehe angenommen hatte“) erwogen worden, vgl. Goltz / Hartmann, Valerianus und Gallienus 239. (8) barbaris ThLL erwähnt diese Stelle s. v. barbarus Sp. 1741,77 und bestimmt das substantivierte barbaris als maskulinen Plural, der hier konkret die Germanen bezeichnet. barbarum kann zwar als Neutrum auch die

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„Barbarei, Rohheit, Unkultur“ (wie barbaries) bezeichnen (etwa Tac. hist. 5,2,1 accolas Idaeos aucto in barbarum cognomento Iudaeos vocitari). Für Festys Übersetzung eines Neutrums barbara „affaires barbares“, der S. 171 Anm. 16bis auf Drinkwater, The Gallic Empire 50 f. verweist, gibt es sonst aber keine Parallelen, weshalb man im Gegenteil konkret an Barbaren denken sollte. explosaque ThLL s. v. explodo Sp. 1740,37–39 umschreibt ähnlich wie Dacier, De Caesaribus 156 den Wortgebrauch an dieser Stelle mit „durch Vertreibung zerstreuen“. Diese Erklärung lehnt Rudoni, Sei note testuali 312 ab, da explodo üblicherweise nicht „entfernen“, sondern „cacciar via dalla scena battendo le mani“ bzw. „disapprovare“ bedeute und nie in einem militärischen Kontext vorkomme. Da hingegen Victor im Zusammenhang mit dem Krieg pellere verwendet (etwa c. 7, 2 proelio pulsus, 20,18 pulsis hostibus; 28,10 pulso amissoque exercitu etc.), schlägt Rudoni expulsaque vor. Da aber Victor einerseits nie expellere gebraucht, andererseits aber durchaus seltene Wörter mit sonst nicht sicher bezeugten Bedeutungen liebt (vgl. etwa c. 35,6 corrodere), kann man am überlieferten Text festhalten. als erster von allen Die Aussage trifft streng genommen nicht zu, weil nach der Gefangennahme Valerians bereits Ingenuus sich gegen Gallienus erhob, wie in 33,2 festgehalten. Offensichtlich rechnet Victor aber nicht vom Beginn der Alleinherrschaft des Gallienus, sondern etwas später, nämlich ab dem Zeitpunkt seines vermeintlichen psychologischen Umschlags zur Passivität. die Barbaren in Gallien befehligte Die genaue Bedeutung der Aussage, die die Tätigkeit oder Stellung beschreibt, die Postumus zum Zeitpunkt seiner Usurpation ausführte oder bekleidete, ist unklar, vgl. philolog. Komm. Gleiches gilt für die Parallelüberlieferung in Hist. Aug. trig. tyr. 3,9 (transrhenani limitis ducem et Galliae p tiv ist und auf Victor basiert, vgl. aber de Blois, Image and Reality 79, der ein Amt als „dux with a special command on the Rhine“ annimmt. Gemäß der Communis opinio war Postumus, der von senatorischem Rang gewesen sein dürfte, Statthalter (praeses) der Provinz Germania Inferior, vgl. König, Die gallischen Usurpatoren 52 f. und Hächler, Kontinuität und Wandel 338–41. Chastagnol, Histoire Auguste 864 Anm. 6 versteht die rätselhafte Formulierung Victors so, dass Postumus „était à la tête d’une troupe de soldats d’origine barbare en Gaule“.

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Nach der Vertreibung … gegen Laelianus Die Notiz zu den Germanen (vgl. Hist. Aug. trig. tyr. 3,6) lässt sich vielleicht mit einer Aktion in Verbindung bringen, die Postumus noch vor dem 10. Dez. 261 den Siegerbeinamen Germanicus maximus einbrachte (CIL XIII 9023 = ILS 561), vgl. hierzu und zu den fortwährenden Germanenkämpfen König, Die gallischen Usurpatoren 100 f. Abgesehen von der unsicheren Chronologie des Germanensiegs, wird aus dem gedrängten Referat über Postumus keineswegs ersichtlich, dass dieser bereits über acht Jahre geherrscht hat, als sich Laelianus im Jahr 269 gegen ihn erhob. Da Gallienus zu diesem Zeitpunkt bereits tot ist, fällt die Usurpation des Laelianus unter die Herrschaft des Claudius Gothicus. Dass Laelianus ebenso wie die anderen Usurpatoren des Gallischen Sonderreichs weiterhin im Gallienuskapitel behandelt werden, erklärt sich wohl aus einer gewissen Erzähldynamik, die Zusammengehöriges beieinander lässt, wobei das Herrschaftsende des Tetricus dann doch unter Aurelian (vgl. 35,3–5) behandelt wird (ebenso das der Zenobia in der Textlücke in 34,7). Hinzukommt vielleicht noch der (beabsichtigte?) Nebeneffekt, dass angesichts so vieler Usurpatoren Gallienus als besonders unfähig erscheinen muss, vgl. hierzu Hist. Aug. trig. tyr. 26,1; Drinkwater, Gallic Empire 64 f. Diese Anordnung der Usurpatoren geht bereits auf die EKG zurück, vgl. Eutr. 9,9–10 und Pol. Silv. princ. (KFHist B 6) 44 mit Komm. und Drinkwater 47. Wie im Übrigen der Vergleich mit der Historia Augusta und Polemius Silvius zeigt, führt Victor keineswegs alle Usurpatoren unter Gallienus auf. So fehlen z. B. Macrianus oder Quietus (Hist. Aug. trig. tyr. 12 und 14), die auch bei Eutrop nicht vorkommen und daher schon in der EKG gefehlt haben dürfen. durch eine Revolte seiner eigenen Leute Das Detail, das die Habgier und Skrupellosigkeit der Soldaten eindrücklich illustriert, erwähnt auch Eutr. 9,9,1 (vgl. Ioh. Ant. fr. 230 Roberto = 175 Mariev), ruft aber keinen weiteren Kommentar Victors hervor, Stelle (26,6) abschätzig über die Geldgier und Treulosigkeit von Soldaten geäußert hat. 33. (9) militiae satis clarus Der Genetiv der Beziehung steht auch nach clarus, vgl. H.-Sz. 79, der auf Sall. hist. 1,148 egregius militiae verweist. nach dessen Ermordung Der Tod des Postumus fällt in den Zeitraum Mai/Juni 269 (vgl. Kienast, Kaisertabelle 236) und damit, ebenso wie die Proklamation des Marius, bereits unter die Herrschaft des Claudius, des regulären Nachfolgers des Gallienus. Dennoch werden sie und die anderen Herrscher des Gallischen Sonderreiches weiterhin im Gallienuskapitel be-

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handelt, was zur auffälligen Gesamtlänge des Kapitels beiträgt. Vgl. auch oben Komm. zu 33,8 Nach der Vertreibung und Manuwald, Das Gallische Sonderreich 15 f. 33. (9 f.) einst ein Eisenschmied Das mit dem Hinweis auf Marius’ frühere Tätigkeit implizierte Entsetzen, dass ein Schmied das höchste Amt im Reich zu erlangen vermochte, basiert nicht bloß darauf, dass ihm jegliche Voraussetzung für diese Aufgabe fehlte – Victor ergänzt sicherheitshalber, dass Marius auch im Militärischen nicht sonderlich herausragend war (vgl. dagegen 39,28 [Tetrarchen]). Hinkommt noch das schlechte Ansehen, das den handwerklichen Tätigkeiten traditionell anhaftete, vgl. R. MacMullen, Roman Social Relations, New Haven 1974, Appendix B s. v. opifex und K. Ruffing, Die Selbstdarstellung von Händlern und Handwerkern in den griechischen Inschriften, MBAH 23 (2004) 85–101, hier 87 f. Gerade auf dem geringen Ansehen dieses Berufstandes basiert der Humor der nahezu satirischen Mariusbiographie der Historia Augusta (trig. tyr. 8). Vgl. noch die bezeichnenden Beispiele bei Amm. 14,11,30 f. im Zusammenhang mit der Unbeständigkeit der Fortuna. (10) Auszeichnung sämtlicher Tugenden Zusammen mit imperia meint dieser Umschreibung das Kaiseramt. (11) Marius eiusdem artis auctor stirpisque Shackleton, Textual notes 179 will alles außer stirpis tilgen, da „the point of this rather sorry jest lies in the literal and metaphorical meanings of reficere and solidavisset. It would be ruined if Marius of Arpinum actually had been a smith, like his unworthy namesake; nor are we told so anywhere else. Read quam [Marius eiusdem artis] auctor stirpis [que] ac nominis. A misguided annotator must have caused the trouble.“ Da auctor sowohl Gründer als auch Stammvater bedeutet, artis auctor eine auch sonst (Tac. ann. 11,14,2 fama est Cadmum … artis eius auctorem fuisse) belegte Junktur ist und der berühmte Marius aus bescheidenen vir. ill. 67 humili loco natus), braucht man den überlieferten Text nicht zu verändern. Marius, der Lehrmeister … und Namens Die Aussage, dass der Kriegsheld C. Marius (vgl. Komm. zu 39,6) ein Schmied von Beruf war, ist nur bei Victor belegt, aber historisch ebenso unzutreffend wie das angebliche Verwandtschaftsverhältnis zu seinem kaiserzeitlichen Namensvetter. Drinkwater, Gallic Empire 52 schreibt die Passage mit Vorbehalt Victor selbst zu („he elaborated on his source-material“), ebenso D. Rohrbacher, The Play of Allusion in the Historia Augusta, Madison 2016, 37

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(„probably his own“). Dagegen bezweifelt König, Die gallischen Usurpatoren 138, dass „ein so ernsthafter Epitomator wie Aurelius Victor selbst als Urheber des Ausspruchs zu gelten hat.“ 33. (12) zwei Tage später Victorinus erkoren In der Parallelüberlieferung bei Eutr. 9,9,3 (postea) bleibt offen, wieviel Zeit zwischen dem Tod des Marius und der Proklamation des Victorinus verstrich. Da Eutr. 9,9,2 aber zuvor die Herrschaftsdauer des Marius fälschlich mit zwei Tagen angibt (Marius … secundo die interfectus est), vgl. König, Die gallischen Usurpatoren 138 f., könnte es sich bei dieser Zeitangabe um die ursprünglich in der EKG genannte, aber missinterpretierte Dauer des Interregnums handeln (die auf Eutrop beruhenden Angabe bei Ioh. Ant. fr. 230 Roberto = 175 Mariev δευτέρᾳ τῆϲ βασιλείαϲ ἡμέρᾳ hat indes keinen eigenständigen Wert). Dagegen sieht Paschoud, Vies de Trente Tyrans 78, der post biduum als Herrschaftsdauer des Marius interpretiert, die Fehlerquelle beim Autor der EKG: „Pour une raison qui nous échappe, l’EKG attribuait un règne de deux jours à Marius.“ Festy, Aurelius Victor 171 Anm. 17 gibt zudem zu bedenken, dass „la durée d’un règne est plus intéressante que l’intervalle“, fasst post biduum mit Vorbehalt dennoch als Dauer des Interregnums auf. Die tatsächliche Herrschaftsdauer ist indes unbekannt, aber lässt sich aufgrund des Münzausstoßes auf „a few months or so“ beziffern, vgl. Mairat, Coinage of the Gallic Empire 8. Zu deligitur merkt König, Die gallischen Usurpatoren 143 an, dass Victorinus von den Truppen gewählt wurde, also „keine Truppenrevolte ihm die Macht verschaffte“; vgl. zur Wortwahl auch Pabst, Comitia imperii 38. Da die angeblich aus Privatrache erfolgte Ermordung des Marius, die nur Hist. Aug. tyr. trig. 8,6 berichtet, vermutlich erfunden ist (vgl. Paschoud, Vies de Trente Tyrans 82), muss offenbleiben, wie Marius zu Tode und sein Nachfolger an die Macht kam. (13) arduum petentibus malitia p fassen malitia als Subjekt zu patraretur und das substantivierte Adjektiv arduum (wie c. 42,4, vgl. ThLL s. v. Sp. 496,34–46) als Objekt zum Dativus commodi petentibus auf, der sich auf die actuarii bezieht, vgl. Fuhrmann: „dass auch denen, die Schwieriges verlangten, ihre Schurkerei erfüllt wurde.“ Ähnlich Dufraigne, der aber petentibus als Dativus auctoris auffasst und „que le crime fut commis par ceux qui aspiraient à une haute destinée“ übersetzt. Will man den überlieferten Text nicht verändern (für Freudenbergs militia patrocinaretur gibt es keinen Anhaltspunkt), muss man beachten, dass malitia nach ThLL s. v. Sp. 187,55–88,58 im klassi-

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schen Latein immer den schlechten Charakter bzw. die Bosheit bezeichnet und erst im christlichen Latein „Sündhaftigkeit, Übel“ bedeuten kann. Daher ist arduum sowohl das Objekt zu petentibus als auch das Subjekt zu patraretur (vgl. c. 20,20 quae factu ardua facilius eo patrabantur), während malitia das Mittel bezeichnet, wodurch die Handlung verwirklicht wird (wie in c. 42,3 eloquentia patravit). Das Schwierige, das sie vollbrachten, war wohl, wie Dacier, De Caesaribus 157 bemerkt hat, die heimliche Aufwiegelung der Soldaten und die Ermordung des Kaisers. Die varia lectio von O potentibus ergibt in diesem Zusammenhang keinen besseren Sinn als petentibus von P, weil die Macht der actuarii schon davor mit tantum actuariorum … factiones vigent beschrieben worden ist und daher mit potentibus allgemein die „Mächtigen“ (wie in c. 20,24 quod cum infimo turpe tum potentibus) bezeichnet würden. Man müsste also übersetzen: „dass (selbst) für die Mächtigen Schwieriges durch ihre Boshaftigkeit vollbracht wurde.“ Da dies keinen Sinn ergibt, folgen wir der Version von P. Proviantmeister Die actuarii /‚Intendanturbeamten‘ (Schmidt-Hofner) hatten im 4. Jahrhundert die Aufgabe, für ihren Truppenteil die erforderliche Verpflegung aus den Vorratslagern zu besorgen und auszuteilen. Sie waren Zivilbeamte, aber unterstanden den Heermeistern, da sie vormals Soldaten gewesen waren. Ob und in welcher Form es actuarii in der Heeresversorgung im 3. Jahrhundert gab oder ob Victor Verhältnisse des 4. Jahrhunderts (hac tempestate) rückprojiziert, ist unklar. Offenbar genossen sie eine gewisse Beliebtheit und großen Einfluss unter den Soldaten, die sogar in aufrührerischer Weise für sie Partei ergriffen, vgl. Amm. 20,5,9; 25,10,7. Gleichzeitig hatten sie einen schlechten Ruf aufgrund ihrer Neigung zu Korruption, die letztlich zu Kosten der Provinzialen und des Staates ging, der wiederholt durch Gesetze den Veruntreuungen entgegenzuwirken versuchte, vgl. Cod. Theod. 7,4,11 (364?); 13 (365); 16 (373); 24 (398); generell A. Reintjes, U Scriptores Historiae Augustae, Düsseldorf 1961, 9 f. und Schmidt-Hofner, Reagieren und Gestalten 141–3. Victor scheint den Proviantmeistern überdies zu unterstellen, dass sie sich auch an den Soldaten bereichert haben, so Jones, Later Roman Empire 628. Möglicherweise überschätzt R. MacMullen, Corruption and the Decline of Rome, New Haven 1988, 131 den Einfluss der actuarii, wenn er sie als „king-makers“ beschreibt. 33. (14) Inzwischen machte Victoria Der Fortgang der Erzählung knüpft an den Tod des Victorinus an, der im Frühjahr 271 getötet wurde (33,12). Weshalb Victoria (PIR2 V 626) Tetricus zum Kaisertum verhalf,

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wird nicht ersichtlich, vgl. König, Die gallischen Usurpatoren 158 f. mit einem historischen Erklärungsversuch. Der Hinweis auf den großen finanziellen Aufwand, der damit verbunden war, lässt Victoria womöglich als intrigante Frau erscheinen, die im Hintergrund die Fäden zieht und sich nach dem Tod des eigenen Sohnes einen genehmen Ersatzkaiser auserkoren hat; für Bird, Sextus Aurelius Victor 117 zählt die Passage zu den Stellen, an denen „Victor’s misogyny“ hervortritt. An der Historizität der Victoria, die sonst nur noch in der Historia Augusta vorkommt (trig. tyr. 31 u. ö.), ist gelegentlich Zweifel geäußert worden, vgl. etwa Chastagnol, Histoire Auguste 857 und Bleckmann, Die severische Familie 320 und 338 f. einer adeligen Familie entstammte Die Bemerkung erweist Tetricus als von senatorischem Rang, vgl. Eutr. 9,10 (senator) und Hist. Aug. trig. tyr. 24,1 mit Hächler, Kontinuität und Wandel 417–9. Die senatorische Herkunft fand sogar in Tetricus’ Münzprägung, in einer Emission anlässlich der Caesarerhebung seines gleichnamigen Sohnes ihren Niederschlag. Mit deren Reverslegende NOBILITAS AVGG(ustorum) brachten die Tetrici ihren Anspruch zum Ausdruck, eine neue Dynastie zu begründen, vgl. Mairat, Coinage of the Gallic Empire 90; 189. 33. (15) Hingegen in Rom Der Wechsel der Erzählung von Gallien nach Rom und mithin zu Gallienus knüpft – nach dem Einschub der gallischen Sonderkaiser von 260 bis 271 n. Chr. (33,8–14) – an 33,5 f. und damit auch chronologisch an die Anfangszeit der Alleinherrschaft des Gallienus an (vgl. nächstes Lemma). Allerdings bleiben bei der Rückkehr zum Hauptstrang der Erzählung die zeitlichen Verhältnisse im Vagen, da die zwischenzeitlichen militärischen Aktivitäten des Gallienus zugunsten seiner zeitlosen Schwelgerei in Rom (vgl. Komm. zu 33,16 f.) beiseitegelassen werden, vgl. Manuwald, Das Gallische Sonderreich 15. häufig veranstaltete … Spiele und Triumphfeiern Hintergrund der Veranstaltungen sind die einmalig von Gallienus’ Decennalien im Herbst 262, die auch numismatisch belegt sind. Der Autor der Historia Augusta, der den Festumzug in besonders phantasievoller Weise ausmalt (Gall. 7,4–8,7), kommentiert ähnlich wie Victor am Ende: „Durch diese pompa glaubte der törichte Mensch, das römische Volk zu täuschen“ (Gall. 9,1). Vgl. Goltz / Hartmann, Valerianus und Gallienus 270 und Geiger, Gallienus 217–21. (16 f.) erst als die Gefahr … auf Rom zu marschieren Die Vorstellung, dass Gallienus ununterbrochen in Rom weilte, ist falsch und speist sich aus dem fiktiven Bild eines degenerierten Kaisers, s. 33,6. 15. 17 (vgl.

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auch Iul. Caes. 313 B). Da die Erzählung aber nicht so weit geht, die Präsenz des Gallienus vor Mailand (Belagerung und Tod) zu leugnen, muss ihn Victor zur Einhaltung der historischen Begebenheiten dorthin versetzten. Hierzu wird Gallienus’ erfundener Abmarsch aus Rom mit einer angeblich herannahenden Gefahr begründet, bei der es sich um den Herausforderer Aureolus handelt, der dabei war, auf die Hauptstadt zu marschieren. Nicht ganz klar ist, ob es sich bei dieser Version der Ereignisse um Victors eigene Kreation handelt (vgl. Komm. zu 26,2), von der sich wiederum Hist. Aug. Gall. 14,6–8 inspirieren ließ, oder ob dieser Hergang bereits in der EKG angelegt war. Jedenfalls befand sich Gallienus wahrscheinlich im Balkanraum (vgl. Zos. 1,40), als Aureolus, der ein Kommando in Raetien innehatte, sich von Gallienus lossagte und möglicherweise Postumus unterstellte, vgl. Geiger, Gallienus 176–81 und de Blois, Image and Reality 86. 33. (17) in Raetien Bei dem Plural per Raetias handelt es sich um ein Anachronismus, vgl. Komm. zu 32,1 in Raetien. (18) bei der Brücke Der von Osten herannahende Gallienus traf ca. 35 km nordöstlich von Mailand an dem Fluss Adda auf Aureolus, der sich nach der dort erlittenen Niederlage in die Stadt Mailand retten konnte, vgl. Epit. Caes. 33,2. Hist. Aug. trig. tyr. 11,4 verlegt die Schlacht zu Unrecht in die Zeit des Claudius II. Der pons Aureoli hat sich im alten Ortsnamen von Canonica d’Adda erhalten, das vormals Pontirolo hieß. (20) verum eas effluxisse Die Akkusativ und Infinitiv-Konstruktion hängt von der Junktur metum suspicionemque iniecere ab, die besonders im Spätlatein mit einer Infinitivkonstruktion verbunden werden können, vgl. H.-Sz. 360. Typisch für Victors Vorliebe für die Inkonzinnität ist die Tatsache, dass die beiden Substantive metum suspicionemque ebenfalls die davorstehende nominale Konstruktion mandati exitii im Genetiv regieren. schrieb … listigerweise die Namen Die A Namensliste, die die vermeintlichen Todeskandidaten zum Mord am Kaiser anstiftet, ist unhistorisch. Es handelt sich vielmehr um ein literarisches Motiv, das in ähnlicher Weise bei Aurelians Tod (35,8) und in abgewandelter Form etwa auch schon bei Cass. Dio 67,15,3 f. im Zusammenhang der Ermordung Domitians vorkommt, vgl. Hartmann, Mord an Kaiser Gallienus 97. Im vorliegenden Fall ist umstritten, ob es sich lediglich um eine versehentliche Dublette von Aurelians Ermordung (so etwa Dufraigne) oder nicht vielmehr um eine vorsätzliche Fiktion handelt. Die List des Aureolus fand sich laut Hartmann „jedenfalls nicht in der EKG“.

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33. (21) gemäß dem Plan des Aurelianus PLRE 1,417 Heraclianus 6 nimmt auf der Grundlage von Zos. 1,40,2 („Herclianus … sann auf Ermordung des Gallienus“) eine Verwechselung von Aurelianus für Heraclianus an, ebenso Dufraigne, Aurelius Victor 163 Anm. 26, was aber als unwahrscheinlich gilt, vgl. Hartmann, Mord an Kaiser Gallienus 95 Anm. 36. Die Beteiligung Aurelians am Komplott kennt auch Zonar. 12,25 vol. 3,147,27 Dindorf, vgl. zur quellenkritischen Einordnung Bleckmann, Überlegungen zur Enmannschen 24–26. (22) necis errore Da das von OP überlieferte necis nec rore ohne Zweifel verderbt ist, kann man von Schott, Komm. 211 necisne errore ausgehend, necis errore von Gruter, Komm. 336, das keinen bedeutenden Eingriff in den tradierten Text darstellt, übernehmen; da Victor bei Doppelfragen an ohne -ne verwendet (vgl. c. 3,1; 37,5), ist der Vorschlag necisne errore von Schott, Komm. 210 überflüssig. Dagegen hat Shackleton Bailey, Textual notes 180 necis als in den Text eingedrungene marginale Glosse, durch welche auctoris erklärt werde sollte, aufgefasst. Da aber c. 11,9 ebenfalls die Junktur auctores necis vorkommt, besteht kein Zwang, necis zu tilgen. Anonymität des Täters Hartmann, Mord an Kaiser Gallienus 118 kommt nach einer eingehenden Analyse der Quellen und Beweggründe der Beteiligten zu dem Schluss, dass der spätere Kaiser Aurelian die Tat im Auftrag der ritterlichen Offiziere Heraclian und Claudius (II.), die nicht länger mit Gallienus’ Politik einverstanden waren, begangen hat. (23 f.) Gleichwohl sind die Sitten … bezeichnet Hinter der allgemeingültig formulierten Beobachtung über die Verdrehung von Sachverhalten und Begriffen verbirgt sich eine konkrete Anspielung auf den Usurpator Magnentius, der durch die „Schandtat“ der Tötung des Constans (vgl. 41,23 Magnentii scelere) an die Macht kam. Den Sturz des legitimen Kaisers deklarierte er als Beseitigung tes, wie aus den Reverslegenden seiner frühen Goldmünzen hervorgeht: VICTORIA AVG(usti) (est) LIB(ertas) ROMANOR(um) bzw. LIBERATOR REI PVBLICAE, vgl. Ehling, Die Erhebung des Nepotianus 145 f. und Humphries, Memory of Mursa 165 f.; vgl. auch AE 1997, 525 = LSA 2573 (liberatori orbis Romani et restitutori libertatis et rei publicae) mit P. Fortini, Flavius Magnus Magnentius in una iscrizione di Monte Romano, Etrusca et Italica 2 (1997) 315–21. Mit der libertas-Parole folgte Magnentius in die Fußstapfen Konstantins und rechtfertigte so vermutlich zudem die Beseitigung des Nepotian (42,8). Aber entgegen der magnentianischen Propa-

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ganda, der zufolge der Sieg des neuen Augustus die Befreiung der Römer von einer tyrannis bedeutete, waren die Vorgänge in Victors Augen gerade keine Ruhmestat und auch keineswegs im Interesse der res publica, sondern lediglich durch das Eigeninteresse und Machtstreben des Magnentius motiviert und hatten nur einen verhängnisvollen Bürgerkrieg zur Folge. 33. (24) oppressos Der doppelte Akkusativ ist an dieser Stelle durchaus verständlich: oppressos ist das Objekt zu vocat, während tyrannidem amotam prädikativ verwendet wird. Daher ist der Vorschlag von Maehly, Zur Kritik 267 oppressis zu schreiben und den Satz mit „die Gewaltherrschaft sei abgewendet von den zum Unheil des Staats unterdrückten“ zu übersetzen, nicht überzeugend. (26) nequaquam Offenkundig sind sowohl nequamquam von O als auch ne cuiquam von P verderbt. Während Schott, der nur P kannte, als Korrektur nequiquam „umsonst, vergeblich“ vorgeschlagen hat, ist Mommsens nequaquam „keineswegs“ näher an O und kommt bei Victor auch c. 5,10 und c. 33,11 vor. Daher gebührt ihm der Vorzug. peteretur Der Konjunktiv Imperfekt drückt hier und ebenso in tribueretur eine in der Gegenwart des Autors gültigen Aussage aus, vgl. Komm. c. 3,14 exerceretur. gratia wird hier, wie ThLL s. v. Sp. 2221,43 f. erklärt, als Adverb verwendet und bedeutet „umsonst“, ebenso Suet. Galba 15,2 nihil non … pretio addici aut donari gratia. die Wahrheit der Geschichtsschreibung … Ruhm zuteil wird Die in der Antike allgemein als Kennzeichen der Geschichtsschreibung anerkannte Wahrheit (vgl. 20,22; 39,48), die regelmäßig von Geschichtsschreibern als Maxime ihres Unterfangens beschworen wird, gehört zu den topischen Elementen historiographischer Proömien, vgl. E. Herkommer, Die Topoi in den Proömien der römischen Geschichtswerke, Diss. Tübingen 1968, 137–51. Möglicherweise hat sich auch Victor riae abbreviatae (vgl. Einl. S. 1 f.) genregemäß zu diesem Grundsatz bekannt, zumal er gerade am Werkende die Wahrheit nochmals erwähnt, vgl. 42,25. Zur „didactic or exemplary function“ der Geschichtsschreibung vgl. Tac. ann. 3,65,1 mit Woodman / Martin, The Annals of Tacitus 451–6 und A. J. Woodman, The Annals of Tacitus. Book 4, Cambridge 2018, 182 (Zitat). (27 f.) durch dessen Entscheidung … die Kaiserinsignien Die Designation des Claudius II. durch Gallienus ist eine Erfindung, die auch Epit. Caes. 34,2 kolportiert. In Wirklichkeit ließ sich Claudius nach dem

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Tod des Gallienus vom Heer zum Kaiser ernennen, vgl. Eutr. 9,11,1 (a militibus electus) und auch Komm. zu 34,1. Die Entstehung der Legende, zu der Hartmann auch Claudius’ Bekleiden eines Postens in Ticinum zählt, dürfte in die frühe konstantinische Zeit fallen, als Claudius zu einem Vorfahren des Constantius I. erklärt wurde, vgl. Hartmann, Mord an Kaiser Gallienus 96 mit Anm. 39. Schlumberger, Epitome de Caesaribus 154 hält die Nachfolgeregelung für eine Erfindung der EKG. Da Eutrop sie auffälligerweise nicht erwähnt, muss auch mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass Victor sein Wissen aus einer anderen schriftlichen oder gar mündlichen Quelle geschöpft hat, vgl. Bleckmann, Überlegungen zur Enmannschen 21 und 30, der eine um die Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert im senatorischen Milieu Roms entstandene Tradition vermutet. Die Divinisierung des Gallienus diente vornehmlich Claudius dazu, seine eigene Position zu festigen. 33. (29) quisque Zum relativischen quisque in der Bedeutung von quisquis in allen literarischen Epochen vgl. H.-Sz. 201. (30) quam Zum verkürzten Vergleich mit quam ohne magis vgl. H.-Sz. 593 f. die Kaiser und die besten Sterblichen … wie Götter gefeiert Mit den „angeeigneten und erfundenen Titeln“ dürfte der Namenszusatz divus gemeint sein, mit dem die vom Senat beschlossene Vergöttlichung eines Kaisers angezeigt wird. Dem Phänomen der Kaiserapotheose, der Victor ohnehin nur wenig Aufmerksamkeit schenkt, scheint er mit einer gewissen Skepsis zu begegnen, vgl. G. Bonamente, Apoteosi e imperatori cristiani, in: Ders. / A. Nestori (Hgg.), I cristiani e l’impero nel IV secolo, Macerata 1988, 107–42, hier 141. Hingegen ist das zweite Kolon („werden … wie Götter gefeiert“) wohl auf die Verehrung zu beziehen, die alle optimi zu Lebzeiten erfahren, vgl. 41,5 (Konstantin wurde „wie ein Stadtgründer oder ein Gott angesehen“) und Komm. zu brantur steht demnach gerade nicht in der Tradition des ennianischen Epitaphs (volito vivus per ora virum), vgl. dazu W. Suerbaum, Untersuchungen zur Selbstdarstellung älterer römischer Dichter, Hildesheim 1968, 169 mit Anm. 516. (31) perducto Der von OP überlieferte Infinitiv perduci passt nicht in die von constat abhängige Infinitivkonstruktion; abwegig scheint auch der Vorschlag von Baehrens, Vermischtes 266 zu sein, perduci als Dativ eines sonst nirgends belegten Adjektivs perdux analog zu redux aufzufassen. Eine gute Lösung ist dagegen Olivarius’ Konjektur perducto, das als Dativ

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zu patronoque fisci tritt; Dacier, De Caesaribus 159 schreibt dagegen patronique … perducti im Genetiv, was aber gegenüber dem Dativ keinen Gewinn, sondern einen größeren Eingriff in die Überlieferung darstellt. Alle übrigen Vorschläge etwa von Arntzen, Sextus Aurelius 405 per duces oder von Rossbach, Zu Aurelius Victor 476 perduci ⟨iusso⟩ bzw. von Walter, Textkritische Beiträge 294 perduci ⟨iussu⟩ bringen gegenüber Olivarius’ Lösung keinen Gewinn für das Verständnis. sedes impias Mit diesem metaphorischen, fast poetisch klingenden Ausdruck bezeichnet Victor die Unterwelt, vgl. ThLL s. v. impius Sp. 624,34–44, der diese Stelle anführt. 33. (32) ni Da Victor in Konditionalsätzen nicht nisi, das stets „außer, abgesehen dass“ (c. 1,2. 5,16. 12,2. 20,14 etc.) bedeutet, sondern immer ni verwendet (analog c. 5,16 am Satzanfang ac ni Galba), ist Pichlmayrs Korrektur des überlieferten nisi richtig, so Pichlmayr, Zu den Caesares 21; dagegen will D’Elia, Per una nuova edizione critica 176 f. am überlieferten nisi festhalten. grassarentur Der Konjunktiv Imperfekt drückt hier wohl einen Potentialis der Vergangenheit aus, vgl. auch Komm. c. 5,15 patraretur. (33) stimulabant Auch an dieser Stelle handelt es sich um eine Constructio ad sensum nach praeter (analog zu Mela 3,45 sed praeter physicos Homerumque universum orbem mari circumfusum esse dixerunt, Cornelius Nepos), weshalb Schotts Korrektur stimulabat nicht nötig ist, so richtig Baehrens, Ad Sexti Aurelii 254 und D’Elia, Per una nuova edizione critica 111 Anm. 15. Vgl. auch Komm. c. 3,3 permovebantur. (34) socordiae suae ist Genetivus possessivus und gehört zu metu und bezeichnet die von seiner Trägheit ausgehende Furcht, also die Furcht, aus seiner Trägheit resultiert. militia vetuit Die Verwendung von vetare mit dem Ablativ in der Bedeutung „ausschließen von, untersagen“, k quos vetat igne Creon vor. dem Senatorenstand den Militärdienst ... untersagte Mit Militärdienst (militia) ist das Bekleiden von Führungspositionen (legatus legionis, tribunus laticlavius) im Heer gemeint, das Gallienus in Form eines edictum verboten haben soll (vgl. 37,6), um auf diese Weise Usurpationsversuche durch potenzielle Konkurrenten zu unterbinden. Die Existenz eines solchen Edikts, das sich nur bei Victor erwähnt findet, wird überwiegend für unhistorisch gehalten, schon weil die Besetzung der Posten beim Kaiser lag und es daher keines Edikts bedurfte. Ob allenfalls ein Edikt erlassen

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wurde, das den Senatoren den Besuch bei den Truppen verbot, bleibt fraglich. Hintergrund des behaupteten Verbots ist die Tatsache, dass im Laufe der 260er Jahre, also in der Zeit von Gallienus’ Alleinherrschaft, senatorische Provinzstatthalter (legati Augusti) teilweise durch ritterliche Statthalter, und daneben auch senatorische Legionslegaten sowie Tribunen sukzessive durch Offiziere aus dem Ritterstand (mit neuen Amtstiteln) ersetzt wurden. Wie aus dem epigraphischen Befund hervorgeht, ist diese veränderte Praxis der Stellenbesetzung auch nach dem Ende der Herrschaft des Gallienus beibehalten worden. Dieser Wandel, der ansatzweise schon früher eingesetzt zu haben scheint, dürfte durch die Niederlage Valerians 260 bestärkt worden sein, als zusammen mit diesem eine nicht geringe Zahl senatorischer Kommandeure in persische Gefangenschaft geriet, während gleichzeitig die Verteidigungsfähigkeit des Reiches durch erfahrene Befehlshaber gestärkt werden musste. Überdies veranlasste Valerians Tod diverse Befehlshaber im Reich zu einem Umsturzversuch, darunter Ingenuus, Regalianus (33,2) und Postumus (33,8), so dass die Gallienus nachgesagte Furcht vor Usurpatoren nicht völlig von der Hand zu weisen ist; bezeichnenderweise wurden in der Folge auch keine hochrangigen equites (procuratores) mehr mit Kommandostellen betraut, vgl. Eck, Die Neuorganisation der Provinzen 119–31; Davenport, Roman equestrian order 533–52; Hächler, Kontinuität und Wandel 29–32, 230 f. und S. Röder, Kaiserliches Handeln im 3. Jahrhundert als situatives Gestalten, Berlin 2019, 294–327. 34. (1) subigunt Die geringfügige Korrektur des überlieferten subiungunt durch Schott, Komm. 211 macht diesen Satz syntaktisch sinnvoller, da eine von subiungere abhängige Infinitivkonstruktion sehr kühn wäre, während subigere, das einen Infinitiv regiert, eine typische Konstruktion in Sallust ist, vgl. Opitz, Sallustius und Aurelius 221 mit Beispielen. Die Herrschaft des Claudius … sicht der Soldatenschaft in die Qualitäten des Claudius II. impliziert, dass sie zuvor in keiner Weise an seiner Kaisererhebung beteiligt war. Dieses historisch falsche Narrativ korrespondiert mit Victors früherer Behauptung, Claudius sei von Gallienus persönlich zum Nachfolger designiert worden (33,27 f.). Dennoch wirkt die Passage merkwürdig bemüht, was vielleicht aus der manipulativen Verdrehung der Tatsachen resultiert, denn in Wirklichkeit war Claudius von den Soldaten selbst proklamiert worden (vgl. Eutr. 9,11,1). Victor zeichnet aber ein zugunsten der konstantinischen Dynastie verklärtes Bild des Divus Claudius, und ein skrupelloser Usurpa-

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tor als vermeintlicher Vorfahre ist damit nur schwerlich vereinbar, vgl. auch Komm. zu 34,7. Wenn der Verfasser der Historia Augusta sich in der Claudiusvita über die Geschichtsklitterung der konstantinischen Zeit mokiert (vgl. bes. Hist. Aug. Claud. 1,1; 3,1; 10,7), hat er wie an anderer Stelle auch (vgl. Komm. zu 27,1) vermutlich Victors Historiae abbreviatae vor Augen. 34. (2) Gebaren der Decii Gemeint ist der Patriotismus der beiden Decii Mures, die mit ihrem freiwilligen Opfertod (devotio) dem in Bedrängnis geratenen römischen Heer den Sieg auf dem Schlachtfeld sicherten, vgl. Liv. 8,9,4–14 u. 10,28,12–18. Nachdem bereits die Assoziation an sie im Kapitel über den homonymen Kaiser Decius geweckt wurde (s. Komm. zu 29,4 f.), wird nunmehr durch die bloße Nennung ihres Namens explizit an die republikanischen Helden (exempla) erinnert, deren Kenntnis beim Leser offensichtlich vorausgesetzt wird, vgl. Einl. S. 15. (3) ihre langjährige Präsenz … fast zu Einwohnern Die Aussage scheint nicht haltbar zu sein, da es sich bei den Goten, die von Claudius II. 269 n. Chr. bekämpft wurden, um Invasionsgruppen handelte, die kurz zuvor über das Schwarze Meer und die Ägäis auf den Balkan gelangten, wo ihnen bei Naissus schließlich eine schwere Niederlage zugefügt wurde, vgl. Hartmann, Claudius Gothicus 302 f. und R. Steinacher, Rom und die Barbaren, Stuttgart 2017, 63–6; hingegen nimmt L. de Blois, Invasions, deportations, and repopulations: Mobility and migration in Thrace, Moesia Inferior, and Dacia in the third quarter of the third century AD, in: E. Lo Cascio / L. E. Tacoma (Hgg.), The impact of mobility and migration in the Roman world, Leiden 2017, 42–54, hier 50 die Aussage beim Wort. Dabei weist Victor Ähnlichkeit mit Orosius auf (hist. 7,23,1 Gothos iam per annos quindecim Illyricum Macedoniamque vastantes), der den Wortlaut von Eutr. 9,11,2 wörtlich – aber um den chronologischen Zusatz „15 Jahre lang“ erweitert – wiedergibt. So wie Orosius des Gallienus abzielt (vgl. hist. 7,22,1), scheint auch Victor besagen zu wollen, dass unter Gallienus lange Zeit keine Anstrengungen gegen die Invasoren unternommen wurden, was wiederum im Einklang mit Victors früherer Aussage über das passive Verhalten des Gallienus steht, vgl. 33,3. Inwiefern Victor und Orosius eigenständig ihre Randbemerkung formulieren, bleibt indes unklar, denn Victor gilt gemäß der Communis opinio nicht als Quelle des Orosius, vgl. Komm. zu 27,7 Tempel des Janus, aber auch zu 41,11 Als der Älteste.

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34. (3 f.) entnahm man den Sibyllinischen Büchern Die ganze Episode um die Gotenschlacht und die Sibyllinischen Bücher ist fiktional überformt und stammt – wie die Anekdote von der Designation des Claudius II. durch Gallienus – aus dem Umkreis konstantinischer Propaganda, die der Heroisierung des Claudius dient, vgl. Komm. zu 33,27 f.; R. Syme, Fiction in the Epitomators, BHAC 1977/1978, Bonn 1980, 270. Die Episode kommt, um den Namen des princeps senatus, Pomponius Bassus (PLRE 1,155 Bassus 17) erweitert, auch in Epit. Caes. 34,3 vor, vgl. zur quellenkritischen Einordnung Bleckmann, Reichskrise 324 Anm. 182. – In der Historia Augusta ist in unterschiedlichen Viten von einem princeps senatus die Rede. Die Existenz dieses ‚Ehrenamtes‘ wird von A. Chastagnol, Le sénat romain à l’époque impériale, Paris 1992, 217 f. für das 3. Jahrhundert zwar generell bestritten, jedoch ein Fortbestehen des Ehrentitels aufgrund dieser Victorstelle akzeptiert, vgl. auch A. Molinier Arbo, Le princeps senatus dans l’Histoire Auguste. De la réalité au jeu de mot, Ktema 34 (2009) 443–52. Die Episode, die Claudius als selbstlosen princeps darstellt, unterstreicht, wie die privilegierte Stellung des Kaisers neben Vorrechten gleichzeitig auch mit Pflichten, vor allem militärischen (vgl. 40,20), verknüpft ist; vgl. zu dieser auch im 4. Jahrhundert fortbestehenden Erwartungshaltung Maier, Palastrevolution 25–8. (5) der Kaiser sein Leben … dargebracht hatte In Wirklichkeit starb Claudius II. im Herbst 270 in Sirmium an der auf dem Balkan grassierenden Pest, vgl. Eutr. 9,11,2 (morbo interiit); Hist. Aug. Claud. 12,2; Zos. 1,46,2; Zonar. 12,26 vol. 3,151,9 f. Dindorf. Neben Epit. Caes. 34,3 kennt auch Amm. 16,10,3 und 31,5,17 die Version vom Opfertod des Claudius. Als ihre gemeinsame Quelle gilt die EKG. Sie liegt bekanntlich auch Eutrop zugrunde, der aber die historisch richtige Version vom Pesttod berichtet (s. o.). Die Diskrepanz erklärt sich der Communis opinio zufolge damit, dass die EKG beide Versionen g jeweils nur der einen oder der anderen gefolgt seien, vgl. Schlumberger, Epitome de Caesaribus 155 f. und D. Rohrbacher, The sources for the lost books of Ammianus Marcellinus, Historia 55 (2006) 106–24, hier 110 f. (7) nostri ⟨ ⟩ corporisque In beiden Handschriften ist angezeigt, dass zwischen nostri und corporisque eine Lücke besteht, wie bereits von Schott vermutet, in der wohl analog zu Epit. Caes. 34,3–5 einerseits die Ehrungen, die Claudius postum erhielt, beschrieben wurden, andererseits wohl Zenobia thematisiert wurde, vgl. dazu etwa Festy, Aurelius Victor 172 Anm. 19 und Bird, A Note on De Caesaribus 360 f.

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sowie unsere Kaiser Damit sind der zum Zeitpunkt der Abfassung amtierenden Constantius II. und Julian gemeint, die in der nachfolgenden Textlücke vermutlich auch namentlich genannt waren, vgl. die Nennung in 41,10 (imperator noster Constantius). Ob die Bezeichnung imperatores deshalb gewählt ist, um angesichts Julians Anmaßung des Augustustitels im Frühjahr 360 die Amtstitel Augustus und Caesar zu vermeiden, erscheint eher unwahrscheinlich. Offen bleibt, ob das in den Werktiteln der Handschriften OP genannte Konsulat (360 n. Chr.) authentisch ist oder eventuell auf eine Erwähnung ihres Konsulats in der Textlücke zurückzuführen ist. Die Nennung der kaiserlichen Mitglieder der konstantinischen Dynastie, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der vorausgegangenen Äußerung steht, dass das Handeln guter Kaiser auch dem Erfolg ihrer Nachfahren zu Gute komme, lässt darauf schließen, dass in der Lücke die (fiktive) Abstammung von Claudius II. thematisiert wurde, die Konstantin um 310 zu verbreiten begann, vgl. Paneg. 6(7),2,2; Iul. Caes. 313 D; Dufraigne, Aurelius Victor 168 Anm. 6 und Hekster, Emperors and ancestors 225–32. Eine Vorstellung von dem, was sonst noch in der Textlücke gestanden haben mag, bietet die Parallelüberlieferung bei Eutr. 9,11,2–9,13. war bei den Soldaten hoch willkommen Wie aus dem Nachfolgenden ersichtlich wird, setzt der erhaltene Text mit Aurelian und seinem Sieg über Zenobia von Palmyra im Jahr 272 wieder ein. Bei den „Soldaten“ handelt es sich um die Leute der Zenobia, die von Aurelian zwar besiegt wurden, aber offenbar um den Preis hoher Verluste, vgl. 34,8 („Dadurch war der Sieg … bitter“). Soweit sich erschließen lässt, scheint Victor das genaue Gegenteil von Eutr. 9,13,2 zu berichten, laut dem die Gefangennahme Zenobias sine gravi proelio vonstattenging. Den heftigen Widerstand, den Zenobias Truppen leisteten, begründet Victor mit ihrer Hoffnung auf materielle Zuwendungen und ausgelassene Zügellosigkeit im Falle eines Sieges. Wenn er hieraus die m generell die Soldaten einer willfährigen Obrigkeit tüchtiger kämpfen als diejenigen, die einem strengen Regiment unterstehen, erlaubt das vielleicht auf Victors weitgehend verlorene Bild der Zenobia rückzuschließen. Offenbar verkörpert sie nämlich das Gegenteil von Aurelian, der für die Durchsetzung von Disziplin und Strenge bekannt ist und dafür auch von Victor geschätzt wird (vgl. 39,28 und Eutr. 9,14 „ein Verbesserer der militärischen Disziplin und der verkommenen Sitten“). Gut denkbar also, dass Zenobia über das Gegensatzpaar Frau–Mann (vgl. 33,3 mulier) und barbarisch–römisch ein ambivalentes Orientklischee evozierte, das bedrohlich

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und stark, aber zugleich auch unterlegen und besiegbar war, ein stereotypisches Bild, das der Verfasser der Historia Augusta (trig. tyr. 30) in weitaus exotischerer Weise ausgestaltet hat, vgl. M. Sommer, Through the Looking-Glass – Zenobia and ‚Orientalism‘, in: D. Boschung u. a. (Hgg.), Reinventing ‚The Invention of Tradition‘?, Paderborn 2015, 113–25 und Bleckmann, Die severische Familie 317–20 (beide ohne Berücksichtigung von Victor). 35. (1) nach einem derartigen Erfolg … gegen die Perser los Mit dem „derartigen Erfolg“ ist der Sieg über Zenobia gemeint, der auch bei Eutrop festgehalten ist, allerdings in umgekehrter und historisch falscher Reihenfolge, indem der palmyrenische Sieg erst nach dem Kampf gegen Tetricus erzählt wird, vgl. Eutr. 9,13,2 und Bird, Sextus Aurelius Victor 148 Anm. 7. Literarische Belege für Aurelians Erfolge im Kampf gegen die Perser finden sich sonst nur in fiktiven Passagen der Hist. Aug. Aurelian. 28,2 u. 4 sowie 41,9, die möglicherweise von Victor inspiriert sind, vgl. allenfalls noch Epit. Caes. 35,2 (Alexandervergleich). Bei dem siegreichen Vorgehen Aurelians gegen die Perser, wofür er den Siegertitel eines Parthicus oder Persicus maximus erhielt (Nachweise bei Hartmann, Claudius Gothicus 317 Anm. 63), dürfte es sich im Wesentlichen um „no more than punitive gestures“ an der Reichsgrenze gehandelt haben, vgl. Watson, Aurelian 78 f. und Mosig-Walburg, Römer und Perser 53 f., die außerdem Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussage von Hist. Aug. Aurelian. 35,4 f. hegt, dass Aurelian vor seiner Ermordung auf dem Weg in einen Perserkrieg gewesen sei. (2) Nachdem diese vernichtet … Übergriffen der Alamannen Die Bekämpfung der Alamannen in Italien, die hier im Anschluss an Aurelians Orientfeldzug erwähnt ist, geschah in den Jahren 270/71 und gehört damit in Wirklichkeit zeitlich vor den Feldzug gegen Zenobia, vgl. Zos. 1,49,1 und Dufraigne, Aurelius lässigkeit der gesamten Passage äußert Drinkwater, The Alamanni and Rome 77. Vgl. zur verwickelten Chronologie der Jahre 270/71 auch Watson, Aurelian 21 und Hartmann, Claudius Gothicus 310–16. (3) demotis Es ist schwierig zu entscheiden, ob Victor wie in O dimotis oder wie in P demotis geschrieben hat, da in den Handschriften die beiden Verben häufig miteinander verwechselt werden. Betrachtet man die Belege von demovere und dimovere im ThLL (s. v. demoveo Sp. 511,30–512,5 und s. v. dimoveo Sp. 1218,11–73), ergibt sich aufgrund der Bedeutung des Präverbs de- „von, weg“ gegenüber di(s)- „auseinander“ eine leichte

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Präferenz für demotis, weil dieses Verb „(von einem Ort) vertreiben, -jagen“ bedeutet, vgl. ThLL s. v. demoveo Sp. 511,35–51 mit wieteren Beispielen. proditore Schotts geringfügige Korrektur des überlieferten prodito in P bzw. prodite in O ist deswegen sinnvoll, weil sie den Text in Einklang mit Eutr. 9,13,1 ipso Tetrico prodente und Hist. Aug. Aurelian. 32,3 ipso Tetrico exercitum suum prodente bringt. 35. (3 f.) ihr Heerführer zu ihrem Verräter wurde Die Nachricht über die Annäherung zwischen Tetricus und Aurelian im Vorfeld ihrer militärischen Auseinandersetzung entstammt der EKG, vgl. Eutr. 9,13,1 (Hist. Aug. trig. tyr. 24,2 f.). Diplomatische Verhandlungen zwischen den beiden Kaisern sind aber von Drinkwater, Gallic Empire 42 f. bezweifelt worden, ebenso von Watson, Aurelian 93 f. mit Verweis auf die Verluste in der Schlacht bei Catalaunum/Châlons-sur-Marne (vgl. Paneg. 5[8],4,3.), die Aurelian bei einem Arrangement nicht in Kauf genommen hätte. Andererseits spricht die Tatsache, dass Tetricus nicht hingerichtet, sondern ihm die Verwaltung Lucaniens übertragen und seinem Sohn auch die Senatorenwürde verliehen wurde, für eine Regelung zwischen den beiden Gegnern, die kaum erst nach der Schlacht vereinbart worden sein kann; vgl. auch Komm. zu 35,5. (5) cooptavit Ausgehend von der Anmerkung von Schott, Komm. 212, dass an dieser Stelle coopto dasselbe wie impetro bedeute, haben alle Übersetzer (Fuhrmann, Bird, Dufraigne, Festy) das Verb mit „erlangen, erhalten“ übersetzt. Opitz, Zur Kritik der Caesares 655 hat aber darauf hingewiesen, dass cooptare nicht die von Schott angenommene Bedeutung haben könne, und hat deshalb cooptavit in ab eo obtinuit geändert, was aber ziemlich abwegig ist. Dagegen vermutet ThLL s. v. coopto Sp. 895,60–62 mit Hinweis auf Ps. Hil. libell 10 caelestes sibi divitias cooptet et comparet, dass cooptare gen, sich ausbedingen“ bedeute. Daher kann man am überlieferten Text festhalten. nach zwei Jahren … im Triumph mitgeführt Die Herrschaftsdauer des Tetricus erstreckt sich ungefähr vom Frühjahr 271 bis ins Jahr 274 und beträgt folglich drei, nicht zwei Jahre. Die Nachricht über seine Vorführung in Aurelians Triumphzug entstammt der EKG, vgl. etwa Eutr. 9,13,2 und Hist. Aug. Aurelian. 39,1; dieses Detail wird in seiner Historizität aber von Kienast, Kaisertabelle 238 hinterfragt, vielleicht aufgrund der nachfolgenden Karriere des Senators, die kaum mit einer öffentlichen Erniedri-

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gung im Triumphzug vereinbar zu sein scheint. Ob das Amt des corrector Lucaniae, das auch die aus der EKG schöpfenden Parallelquellen so oder ähnlich (corrector totius Italiae) für Tetricus bezeugen, tatsächlich unter Aurelian schon existierte oder einen Anachronismus der EKG darstellt, bei dem die Begrifflichkeiten des 4. Jahrhunderts rückprojiziert werden, ist ungeklärt, vgl. Eck, Die Neuorganisation der Provinzen 140 Anm. 128 und Bleckmann zu Eutr. (KFHist B 3) 9,13,2. Corrector über Lucanien Die Angabe stammt aus der EKG, vgl. Eutr. (KFHist B 3) 9,13,2 mit Komm., Hist. Aug. Aurelian. 39,1 und Epit. Caes. 35,7. Die Variante in Hist. Aug. trig. tyr. 24,5 (corrector totius Italiae) ist laut Paschoud, Vies de Trente Tyrans 162 eine Erfindung. Indes bleibt unklar, ob Tetricus 274/5 tatsächlich schon das Amt eines corrector der Provinz Lucania et Brittii bekleidete, das erst ab 313 n. Chr. sicher belegt ist (vgl. Cod. Theod. 1,16,1), oder ob ein Anachronismus seitens der EKG vorliegt. Zu den Verwaltungsaufgaben eines corrector vgl. T. Glas / U. Hartmann, Die Provinzverwaltung, in: Johne, Zeit der Soldatenkaiser 665– 68. 35. (6) nummariam notam corrosissent An dieser Stelle, die im ThLL s. v. corrodo fehlt, bedeutet das Verb kaum „zernagen“, sondern, wie Turcan, Le délit 948–59 und Festy, Aurelius Victor 172 Anm. 19bis anmerken, soviel wie „abkanten, abzwacken“; ähnlich bei Münzen arrodere in Cod. Theod. 9,22,1 (317 od. 343 n. Chr.) si quis mensuram circuli exterioris arroserit. Offenbar versteht Victor die Manipulation der Münzen so, dass der Rand rundum beschnitten und so wertvolles Edelmetall unterschlagen wurde, vgl. aber hist. Komm. nota bezeichnet die Prägung bzw. das Gepräge. Auf gleiche Weise wurden in der Stadt Rom Mit dem Bericht über die Revolte der Münzer im Frühsommer 271, die in die Anfangszeit von Aurelians Herrschaft gehört (vgl. H beginnt – nach Aurelians Leistungserfolgen an der Reichsperipherie – der Abschnitt über seine innenpolitische Maßnahmen (35,6 f.). Dieselbe Anordnung, bei der die Stadt Rom das Scharnier bildet, findet sich auch bei Eutr. 9,13,2–9,14 und dürfte auf die EKG zurückgehen. die Arbeiter der Münze … Soldaten töteten Die Hintergründe der Revolte der Münzer in Rom unter dem ansonsten nicht näher bekannten Leiter der Münze Felicissimus (PLRE 1,331), in die möglicherweise auch einige Senatoren verwickelt waren, lassen sich nicht mehr rekonstruieren, vgl. M. Haklai-Rotenberg, Aurelian’s monetary reform: Between debase-

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ment and public trust, Chiron 41 (2011) 1–39, hier 12 f. Pol. Silv. princ. (KFHist B 6) 49 führt Felicissimus als Usurpator (tyrannus) an, aber dafür lässt sich sonst kein verlässlicher Beleg beibringen. Schwierigkeiten bereitet zudem das Vergehen der Münzer, d. h. die genaue Bedeutung von nummariam notam corrosissent. Gegen die Interpretation von Turcan (s. philol. Komm.) nimmt R. Ziegler, Der Schatzfund von Brauweiler, Köln 1983, 28–30 mit Blick auf die Parallelüberlieferung (Eutr. 9,14 vitiatis pecuniis; Suda μ 1223 διέφθειραν τὸ νόμιϲμα; Zos. 1,61,3 ἀργύριον κίβδηλον) an, dass die Münzer einen Münztyp, nämlich die massenhaften DIVOCLAVDIO-Prägungen „in stark vermindertem Gewicht und ganz ohne Silber“ ausgeprägt haben (30), vgl. auch R. Göbl, Die Münzprägung des Kaisers Aurelianus, Wien 1993, 69–72. Für Letzteres spricht freilich der Umstand, dass die monetarii als die Münzproduzenten bei der Manipulation der Münzen eher die Legierung verfälscht, als den Münzrand mechanisch abgezwackt hätten. Jedoch könnte Victor seine eigenen Vorstellungen von Münzmanipulation auf den Vorgang im Jahr 271 projiziert haben, der in seiner Quelle vielleicht missverständlich formuliert war. Die Kämpfe per Caelium fanden in der Umgebung der Münze statt, die sich unterhalb des Caeliushügels an der Stelle der heutigen Kirche San Clemente befand, vgl. zuletzt J. R. Melville Jones, The location of the Trajanic mint of Rome, NC 175 (2015) 137–45. Die (gerundete) Zahl der Toten, die zur Untermalung der Heftigkeit der Kämpfe genannt ist, lässt sich nicht verifizieren. Die Ziffer kommt auch in einem fiktiven Brief des Aurelian in Hist. Aug. Aurelian. 38,2–4 vor, stammt aber aus Victor oder der EKG und besitzt folglich keinen eigenständigen Quellenwert. 35. (7) usus … prospectavit Einfacher formuliert es Hist. Aug. Aurelian. 35,2 Aurelianus et porcinam carnem populo Romano distribuit. quo … affatim cederet In dem von quo, das besonders oft im Spätlatein als nebensatzeinleitende Konjunktion H.-Sz. 679 f.), eingeleiteten Finalsatz zeigt in der Junktur affatim cederet das Verb cedo nach ThLL s. v. Sp. 732,72 an, dass eine Handlung so „verwirklicht wird“, wie das Adverb verdeutlich, nämlich „überreichlich, mehr als genug“. Graeciae Das von O überlieferte Graeciae wird auch von Hist. Aug. Aurelian. 39,4 exemplo Atheniensium gestützt, während das von P überlieferte gratiae auf der häufigen Verwechslung von c und t durch die Kopisten beruht.

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sectabatur Das von O überlieferte sectabatur, das schon Schott, Komm. 213 als Korrektur des von P überlieferten spectabatur vorgeschlagen hat, wird auch von Hist. Aug. Aurelian. 39,5, die eine ähnliche Formulierung wählt, durch persecutus gestützt. Daher können die übrigen vorgeschlagenen Konjekturen als belanglos betrachtet werden. stiftete ... prächtiges Heiligtum dem Sol Der Tempel des Sol Invictus war eine Weihgabe für die göttliche Unterstützung beim Sieg über Zenobia und der Rückeroberung Palmyras. Neben der Ausstattung „mit einer Menge Gold und Edelsteinen“ wurde auch ein Fonds für den Unterhalt des Gebäudes und des Personals eingerichtet, vgl. Eutr. 9,15,1; Hist. Aug. Aurelian. 25,5 f.; 35,3; 39,6; Origo Rom. (KFHist B 5) 73 mit Komm. Die Einweihung des heute restlos verschwundenen Rundtempels fand am Geburtstag des Gottes am 25. Dezember 274 statt und begründete so den Kult des Sol Invictus in Rom. Vgl. S. Berrens, Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I., Stuttgart 2004, 103–109 und M. R. Salzman Aurelian and the Cult of the Unconquered Sun, in: O. Tal / Z. Weiss (Hgg.), Expressions of Cult in the Southern Levant in the Greco-Roman Period, Turnhout 2017, 37–49; zum Gebäude Carandini, Atlas 1, 487. damit niemals sich wieder ereignete ... stärksten Mauern Aurelian ließ ab 271 eine neue Stadtmauer um Rom errichten, die mit knapp 19 km Länge einen „weiteren Umfang“ besaß als die wesentlich kürzere ‚Servianische Mauer‘ aus republikanischer Zeit, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 271 mit Komm. Auch Eutr. 9,15,1 nennt Soltempel und Stadtmauer, aber in umgekehrter Reihenfolge, vgl. noch Origo Rom. (KFHist B 5) 73. Vage bleibt, worauf „was unter Gallienus geschehen war“ abzielt. Denn in Victors Aufzählung der zahlreichen Barbareninvasionen ist zwar von Italien, aber nicht der Hauptstadt selbst die Rede (33,3), vielmehr hält Gallienus in Rom angeblich sogar Triumphalfeiern ab (33,15). Eutr. 9,7 bestätigt, dass unter Gallienus Germanen immerhin bis Aber eine Nachricht bei Zos. 1,37,1 f., dass nach Valerians Gefangennahme „Skythen“ bis in die Nähe von Rom vordrangen und die Stadt sich deshalb zur Verteidigung rüstete, erklärt vielleicht Victors Bemerkung. Unabhängig von der Frage, wie nahe die Barbaren an Rom herangekommen waren, bezeugt der aufwändige Bau der Stadtmauer, dass die Invasionen als reale Gefahr für die Hauptstadt empfunden worden waren und auch künftig mit feindlichen Vorstößen bis nach Mittelitalien gerechnet wurde. Bereitstellung von Schweinefleisch Zu den Neuerungen der staatlichen Lebensmittelversorgung der Stadt Rom unter Aurelian gehörte neben

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der kostenlosen Verteilung von Brot (statt bisher Getreide) auch Schweinefleisch, vgl. Hist. Aug. Aurelian. 47–48,1 und die Literatur bei SchmidtHofner, Reagieren und Gestalten 315 Anm. 72. nach griechischer Manier deren Tilgung Eine Anspielung auf den berühmten Schuldenerlass unter Solon zu Beginn des 6. Jahrhunderts v. Chr. in Athen (Arist. Ath. 6,1; Plut. Sol. 15), vgl. Bird, Liber de Caesaribus 152. im Gegensatz zur … Habgier, Unterschlagung und die Ausbeuter Hiermit ist die Korruption bei der Steuereintreibung gemeint, die Victor auch an anderer Stelle wiederholt beklagt (vgl. Komm. zu 9,12 unter dem Vorwand). Aurelians Zugehörigkeit zum Militär wird vermutlich deshalb erwähnt, um seine Einzigartigkeit hervorzuheben, vgl. zum typischen Verhalten der Soldatenschaft 18,2 und 26,2. In der Parallelstelle in Hist. Aug. Aurelian. 39,5 dient der Hinweis allerdings dazu, um die Härte Aurelians bei der Ahndung solcher Vergehen zu begründen. 35. (8) Schriftstücke zeigte … dass diese zu töten seien Die Nachricht von der List des Geheimschreibers entstammt der EKG, vgl. Eutr. 9,15,2, ferner Hist. Aug. Aurelian. 35,5–36,5 f. und Tac. 2,4 sowie Epit. Caes. 35,8; in variierter Form auch bei Zos. 1,62 und Zonar. 12,27 vol. 3,152,10–24 Dindorf. Das Grundmotiv der gefälschten Todesliste, die zur Ermordung eines Kaisers durch die eigenen Leute führt, begegnete bereits im Zusammenhang mit dem Mordanschlag auf Gallienus, das – als fiktives Erzählelement – vielleicht von Aurelian auf Gallienus übertragen wurde, vgl. Komm. zu 33,20. In Aurelians Fall wird indes der beschriebene Hergang um die Todesliste von der historischen Forschung als glaubwürdig akzeptiert, vermutlich auch deshalb, weil es nach Aurelians Tod keinen unmittelbaren Nachfolger gab, der in Verdacht käme, von einem derartigen fingierten Narrativ zu profitieren, vgl. als Vertreter der Communis opinio etwa Watson, Aurelian 105 dius Gothicus 322. Auch wenn die spätere Tradition sogar den Namen des kaiserlichen Sekretärs, der die Liste verfasst habe, zu berichten weiß (vgl. PLRE 1,283 Eros 1), sind dennoch Zweifel an der Historizität der Nachricht schon aus dem Grund angebracht, weil es sich hierbei um ein „bei kaiserzeitlichen Historikern beliebtes Motiv“ handelt, das bereits bei Cassius Dio (67,15,3 f.) im Zusammenhang mit Domitians Ermordung und in Herodians Darstellung des Mordes an Commodus vorkommt (1,17,1–8), vgl. Hartmann, Mord an Kaiser Gallienus 97. Es erscheint folglich historisch wahrscheinlicher, dass Aurelian Opfer eines von seinen Offizieren

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initiierten Komplotts wurde, dessen wahres Tatmotiv sich aber nicht mehr eruieren lässt, weil es von der kurzweiligen Anekdote um den Sekretär und die Todesliste überdeckt ist. 35. (12) necis auctoribus Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 495 will nuntius nach necis ergänzen und zum Subjekt des Konsekutivsatzes machen; dagegen hat Walter, Textkritische Beiträge 294 erkannt, dass necis und auctoribus zusammengehören (vgl. zu auctor necis c. 11,9. 33,22 und vor allem c. 36,2 auctores Aureliani necis). Stattdessen nimmt Walter eine Lücke vor necis an und ergänzt, da seiner Meinung nach ein den Tod beschreibender Begriff ausgefallen sei, exitus (wie in c. 26,4); er schreibt somit eius ⟨exitus⟩ necis auctoribus. Dagegen hält D’Elia, Per una nuova edizione critica 177–80 am überlieferten Text fest. Das Subjekt des gesamten Konsekutivsatzes ist ille vir des Vordersatzes und nicht dessen Tod oder die Nachricht davon. Dies passt vorzüglich zu Victors konzisem Stil, weshalb man D’Elia ohne weiteres folgen kann. simulque Das von OP überlieferte simulata ergibt schwerlich einen Sinn, ebenso die Konjekturen von Arntzen, Sextus Aurelius 411 stimulo oder Pichlmayr simulatu, während schon Schott simul et und – näher an der Überlieferung – Dufraigne simul ac vorgeschlagen haben. Doch beide Junkturen kommen bei Victor nie vor, während das von D’Elia, Per una nuova edizione critica 180 gewählte simulque auch c. 4,5. 35,7. 37,7 erscheint. Daher ist dies die beste Lösung. den Urhebern … den Tod brachte Die Bemerkung ist rhetorisch zu verstehen, da die Hinrichtung der Mörder sein Nachfolger Tacitus von sich aus bewerkstelligte, vgl. 36,2. (13) wie in einer Kreisbahn zu sich selbst zurückkehrt Die Vorstellung, dass alles in der Geschichte einem wiederkehrenden Zyklus unterliegt, findet sich bereits bei Hdt. 1,207,2, vgl. weitere Belege bei Woodman / Martin, The Annals of Tacitus 407. B rung der Monarchie unter Augustus verzichtet Victor darauf, auf dieses zyklische Prinzip zu verweisen (vgl. Komm. zu 1,1 duobus etiam), wie es dagegen Tacitus an entsprechender Stelle in Ann. 1,1,1 mit Verweis auf die alten Könige tut, vgl. M. A. Nickbakht, Fighting for liberty, embracing slavery: Tacitus, Annals 1.7.1, MH 63 (2006), 39–43, hier 43 Anm. 23; vgl. Epit. Caes. 1,1 (repetitus). Inwiefern the „cyclical conception of the universe“ wirklich einen Bestandteil von Victors eigener „philosophy of history“ darstellt, wie Bird, Liber de Caesaribus 153 Anm. 14 meint, ist frag-

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würdig, denn Victor kann „weder [als] Geschichtstheoretiker noch Geschichtsphilosoph“ gelten, vgl. Christ, Kaiserideal und Geschichtsbild 199. 36. (1) militari ferocia … recepissent Die Funktion des Ablativs militari ferocia ist unklar. Fuhrmann deutet ihn als Separativus und übersetzt „von den rohen Soldaten zu den erlauchten Herren zurückgekehrt war“. Doch müsste in diesem Fall wohl, wie schon Arntzen, Sextus Aurelius 412 vorgeschlagen hat, eine Präposition wie a oder ex ergänzt werden, da mit dem Abstraktum militaris ferocia eigentlich militares feroces gemeint sind (analog etwa zu Liv. 45,38,7 ante receptam … a Gallis urbem oder Lucan. 10,218 ante … quam nox aestivas a sole receperit horas bzw. Sen. nat. 1,8,6 sol non potest imaginem suam ab his nubibus recipere, quas scindit); zustimmend Baehrens, Aurelius Victor 7. Leider bespricht ThLL s. v. recipio Sp. 326,73–353,27 diese Stelle nicht, ebenso fehlen ähnliche Beispiele. Dagegen fasst Festy den Ablativ instrumental auf und übersetzt frei „que la fierté militaire ait rendu“. Vielmehr dürfte es sich um einen modalen Ablativ der Begleitumstände handeln, den man „angesichts bzw. trotz der Wildheit des Heeres“ übersetzen kann. In diese Richtung geht auch Walter, Zu Livius, Tacitus, Aurelius Victor 1055, der mitiore vor militari ergänzt (analog zur Alliteration Tac. hist. 1,81,7 mitigandas militum iras) und „infolge Nachlassens des milit(ärischen) Übermuts“ übersetzt. Besser wäre wohl, vor legendi ein Partizip wie lenita (wie in c. 6,3 tumultum leniturus und c. 26,2 qua [= seditione] lenita), das wegen eines saut du même au même ausgefallen sein könnte, zu ergänzen und daraus einen absoluten Ablativ „nachdem die Wildheit der Soldaten besänftigt worden war“ zu machen. Möglicherweise handelt es sich aber, da ferocia militari formal ein Abstraktum ist, mit dem militaribus ferocibus gemeint sind, um einen übertragen verwendeten Ablativ des Ausgangspunkts (vgl. H.-Sz. 103, der einige dichterische Parallelen für diese Verwendung wie Prop. 1,4,2 puellas … domina cogis abire mea nennt), der o steht. Aus diesem Grund kann man den tradierten Text unverändert übernehmen und ferocia militari als Ablativ des Ausgangspunkts betrachten. ungefähr im sechsten Monat Die Dauer von knapp sechs Monaten, die auch in der Historia Augusta (Tac. 1,1; 2,1) genannt ist, bzw. von sieben Monaten laut Epit. Caes. 35,10, ist historisch ausgeschlossen, vgl. dagegen die realistischere Angabe der Cons. Const. (KFHist G 1) 275,2 post dies mit Komm. Johne, Der „Senatskaiser“ Tacitus 380 vermutet, dass das sechsmonatige Interregnum auf die EKG zurückgeht, die den gesamten Zeitraum zwischen Aurelians Tod und der Proklamation des Probus – d. h.

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das eigentliche Intervall sowie die kurzzeitige Herrschaft der Kaiser Tacitus und Florian – als eine Art Interregnum aufgefasst hat. Möglicherweise ist aber auch umgekehrt die 200-tägige Herrschaft des Tacitus (36,2) irrtümlich auf die Dauer des sicherlich wesentlich kürzeren Interregnums übertragen worden, vgl. Syme, Emperors 237 f. Tacitus ist jedenfalls nach einem Intervall von „maximal acht bis zehn Wochen“ (Johne 380) zum Kaiser erhoben worden. Das Interregnum im Anschluss an Romulus’ Tod soll hingegen ein ganzes Jahr gedauert haben, vgl. etwa Eutr. 1,2,2. weil die Senatoren … zurückgewonnen hatten Victor ist der Kronzeuge für das angebliche Senatskaisertum des Tacitus, vgl. Johne, Der „Senatskaiser“ Tacitus, besonders 382 f. Siehe weiter die mit fiktiven Reden angereicherten Ausführungen der Historia Augusta (Tac. 4–7) sowie Zonaras (12,28), bei dem zwar die Armee den Tacitus erhebt, aber dieser als Privatmann aus Kampanien nach Rom kommt und erst nach der Proklamation durch Senat und Volk die kaiserlichen Insignien annimmt, vgl. zu den Berührungen zwischen der Tacitus-Vita und Zonaras Bleckmann, Reichskrise 204 f. und 304–9; F. Paschoud, Vies d’Aurélien 274–6 und Johne 383–5. Die Historia Augusta behauptet, mit der Erhebung des Tacitus sei eine Rückgabe des Rechts der Kaiserwahl an den Senat verbunden gewesen (Tac. 12,1). Ähnliche Vorstellungen vertritt auch Victor, wenn nach seinen Ausführungen (37,5) dem Senat dieses Recht wieder entrissen worden sei. Die neueste Diskussion zum Problem der Wiederherstellung der Senatsherrschaft bei Hächler, Kontinuität und Wandel, 198–207. Sicher ist, dass Tacitus tatsächlich Senator war, da er im Jahre 273 gemeinsam mit Iulius Placidianus den Konsulat bekleidete, vgl. CIL VIII 18844 und etwa Cons. Const. (KFHist G 1) 273. Tacitus, der vielleicht illyrischer Herkunft war, gelangte aber erst nach einer rein militärisch-ritterlichen, Laufbahn in hohem Alter zu dieser Ehre, s. Johne 387–90; Hächler 375 f., anders zur Identität des Konsuls von 273 des carrières sénatoriales dans la seconde moitié du IIIe siècle ap. J.-C., Paris 1986, 111–13; 183 f.; C. Davenport, M. Claudius Tacitus: Senator or Soldier?, Latomus 73 (2014) 174–87 und Kienast, Kaisertabelle 241, vgl. Hächler 319–321 zu A. Caecina Tacitus sowie die Widerlegung der These Christols durch Johne 388. Die Wahl des Tacitus könnte ein Kompromiss zwischen mehreren Heeresgruppen gewesen sein, die an der Vermeidung eines Bürgerkriegs interessiert waren. Die Besonderheiten der Umstände der Wahl bieten den historischen Kern für die späten Phantasien zur angeblichen Wiederherstellung des Senatskaisertums.

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37. (2) factum Das Verb facere kann auch ohne prädikativen Zusatz die Wahl zu einem Amt bezeichnen, vgl. ThLL s. v. facio Sp. 117,16–37, der aber diese Stelle nicht erwähnt. (3) Bonoso ⟨ ⟩ exercitu Da der Eigenname Bonoso und exercitu unverbunden nebeneinanderstehen, kann man davon ausgehen, dass dazwischen etwas ausgefallen ist. Am einfachsten ist es, eine Präposition wie cum oder ab („mit“ bzw. „von ihrem Heer“) zu ergänzen. Ähnlich Dufraigne, Aurelius Victor 177 Anm. 7, der aber analog zu c. 28,10 cadit pulso amissoque exercitu lediglich Bonoso ⟨pulso⟩ exercitu schreibt. Aber dass die Usurpatoren durch bzw. mit ihrem eigenen Heer getötet worden seien, wird in den Parallelquellen nicht gesagt. Eutr. 9,17,1 und damit übereinstimmend Epit. Caes. 37,2, berichten, dass Probus Saturninum in Oriente, Proculum et Bonosum Agrippinae … oppressit, ähnlich Hist. Aug. Prob. 18,4–6 und Pol. Silv. 53. Aus diesem Grund hat Syme, Ammianus and the Historia Augusta 55 f. nach Bonoso die Ergänzung von ⟨Proculoque cum⟩ vorgeschlagen. Das im Folgesatz stehende utrique zeigt in der Regel an, dass zwei Personen gemeint sind. Zwar kann im Spätlatein uterque auch anstelle von omnes verwendet werden (vgl. H.-Sz. 201, der auf den lateinischen Oribasius verweist, der das griechische πάντεϲ mit uterque wiedergibt). Victor verwendet aber sonst im Werk uterque nie als Synonym von omnes (vgl. etwa c. 29,3), weshalb es wahrscheinlich ist, dass er bei der Kürzung seiner Quelle Proculus einfach übergangen und nur Bonosus und Saturninus als Usurpatoren betrachtet. Somit ist Symes Ergänzung nicht zwingend. Da wir also nicht genau wissen, was zwischen Bonoso und exercitu ausgefallen ist, nehmen wir eine Lücke an, die wohl mehr als nur eine Präposition enthielt. Denn wie jener ... bepflanzen ließ Die Vorstellung, dass Hannibal die Soldaten für die Durchführung von Infrastrukturmaßnahmen einsetzte, ist schon deshalb abwegig, weil sie, von zeit ausgehend, irrtümlich ein stehendes Heer voraussetzt. Die Behauptung von Kreucher, Kaiser Probus 216, Probus habe den Olivenanbau in Nordafrika gefördert, beruht auf einem Missverständnis dieser Textstelle. auf dieselbe Weise … aufgerieben hatte Die Beschäftigung der Soldaten in der Landwirtschaft ist in Victors Augen insofern eine akzeptable Maßnahme, als Probus bereits erfolgreich Krieg gegen die Barbaren geführt hat und somit dieser kaiserlichen Pflicht nachgekommen ist. Die Information stammt aus der EKG, vgl. Eutr. 9,17,2, laut dem Probus jedoch lediglich den Mons Alma bei seiner Vaterstadt Sirmium und den

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Mons Aureus nahe Viminacium (~ Moesorum colles) von den Soldaten bepflanzen ließ. Ähnlich wie im Fall der Kanalarbeiten zur Entwässerung Sirmiums (vgl. 37,4) handelte es sich offenbar um überschaubare lokalpatriotische Maßnahmen. Victor behauptet daher sicherlich zu Unrecht, dass das Militär Rebstöcke in Gallien und Pannonien gepflanzt hat. Probus scheint dort lediglich den Weinanbau gefördert zu haben, vgl. Kreucher, Kaiser Probus 213–5. dass in Kürze die Soldaten überflüssig sein würden Der Ausspruch des Probus, der den Aufruhr der Soldaten ausgelöst haben soll, entstammt der EKG (vgl. Eutr. 9,17,3), ist aber in seiner Bedeutung ungeklärt. Kreucher, Kaiser Probus 183 hält ihn für eine Verleumdung, „die der große Soldatenkaiser zumindest öffentlich wohl kaum ausgesprochen hätte“. Dagegen sind die Ausführungen des Autors der Historia Augusta (Prob. 20,3–5 und 23,1–5), der den Ausspruch, den er vielleicht auch nicht zu deuten wusste, bis zum Ende weiterdenkt, vollkommen ironisch gemeint. 37. (6) amissa Da der Militärdienst (militia) durch Gallienus’ Edikt c. 33,34 senatum militia vetuit, worauf diese Stelle Bezug nimmt, abgeschafft und nicht der Befehl (edictum) abhandengekommen war (wie etwa Schott, Komm. 215 meinte), ist die Lesart von O amissa gegenüber amisso von P vorzuziehen. Dagegen bevorzugt Baynes, Three Notes 198 Anm. 1 amisso und übersetzt: „Had the edict of Gallienus become a dead letter, the military service could have been reformed“. Anderson, The Genesis 28 Anm. 2 hat aber darauf hingewiesen, dass amittere nicht „become a dead letter, become obsolet“ bedeutet (dies bestätigt auch ThLL s. v. amitto Sp. 1920,57–1935, 64, der keine Belege für eine solche Bedeutung oder eine Verbindung mit Gesetzen bzw. Edikten anführt) und dass amissa in diesem Satz mit seinem Antonym refici korrespondiert. Zustimmend Miller, Bericht über die Literatur 61. Freilich hätte der … Militärdienst Edikt des Gallienus (vgl. Komm. zu 33,34) nicht rückgängig gemacht, wie Hächler, Kontinuität und Wandel 200 auf der Grundlage der Übersetzung von Fuhrmann aber annimmt (vgl. zu potuit bereits Syme, Emperors 241). Vielmehr kritisiert Victor, dass gerade dies versäumt wurde, als sich die Gelegenheit dazu bot, da das Heer sich gehorsam verhielt. Syme, Emperors 241 konstatiert lakonisch: „Victor is the victim of delusion“. Dabei geht es Victor nicht etwa um die damit verbundenen Karrieremöglichkeiten für Senatoren, sondern er hat allein den prophylaktischen Effekt im Sinn, den die Anwesenheit von senatorischen Offizieren seiner Meinung

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nach im Heerlager bewirkt. Denn nur wegen der fehlenden Kontrollinstanz habe sich ein unfähiger Mann wie Florian überhaupt zum Kaiser erheben können und kann auch weiterhin der einfache Soldat nach Gutdünken den Kaiser bestimmen. Victors Kritik richtet sich hierbei an die Senatorenschaft, die ihrer diesbezüglichen Verantwortung gegenüber dem Staatswesen nicht nachgekommen sei, sondern nur um das eigene Wohlergehen besorgt war. Durch den Verzicht auf das Bekleiden von militärischen Ämtern versäumten die Senatoren aber nicht nur, bleibenden Ruhm zu erringen. Vielmehr würden sie sich letztlich selbst schaden, wenn sie zuließen, dass der Staat in falsche Hände geriete, was im besten Fall nur ein schlechtes Regime, im schlimmsten Fall jedoch Bürgerkriege nach sich zöge. Victors rückblickende Kritik an den Senatoren ist vor dem Hintergrund der Usurpationen und Bürgerkriege der 350er Jahre zu sehen, die – folgt man seiner Ansicht – durch die Entkoppelung von Heer und Senatorenschaft ermöglicht wurden. Siehe nächstes Lemma. 37. (7) maius Das von OP überlieferte maius, welches das Prädikatsnomen zu usum affluentiamque bildet, verteidigt gegen Schotts Konjektur magis Stabile, Note critiche 393, der auf Cic. Tusc. 2,31 turpitudo peius est quam dolor verweist. Indem sie sich der Muße erfreuten … Reichtümer bangten Victors Beanstandung des senatorischen Verhaltens während der 270er Jahre zielt in Wahrheit auf die zeitgenössische Senatorenschaft des 4. Jahrhunderts. Mit seiner Kritik steht er nicht alleine dar, wie die ungefähr zeitgleich verfasste anonyme Expositio totius mundi et gentium mit ihrer ähnlichen Einschätzung belegt: Die Stadt Rom „hat auch einen sehr großen Senat aus reichen Männern (virorum divitum); wenn man diese einzeln prüfen will, stellt man fest, dass alle Provinzstatthalter waren oder sein werden oder sein könnten, es aber nicht wollen und lieber ihre Reichtümer in Sicherheit genießen (propter suorum frui cum Übrigen beklagt auch Ammianus Marcellinus dasselbe, wenn er ungefähr eine Generation später die untätig im Reichtum schwelgenden Senatoren Roms kritisiert, vgl. Amm. 14,6,3–11. den Soldaten und beinahe den Barbaren … Nachkommen Hiermit sind neben den Soldatenkaisern und Tetrarchen etwa auch Magnentius, „der ja von barbarischer Abstammung war“ (41,25), und sein Bruder Decentius gemeint, deren beinahe geglückte Herrschaftsambitionen Constantius II. am Ende doch noch zu durchkreuzen vormochte (42,9 f.). Zu den betroffenen posteri gehört auch Victor selbst.

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38. (1) praetorii Obwohl Victor in zehn von elf Fällen, in denen das Substantiv praetorium zusammen mit praefectus bzw. praefectura vorkommt, den Dativ bevorzugt, sind beide Formen belegt. Es ist möglich, dass hier Victor einer anderen Quelle, die praetorii schreibt, folgt. Wahrscheinlich hat aber Victor hier den Genetiv gewählt, weil nachher Augusto habitu folgt, das vom Leser mit einem adjektivisch verwendeten praetorio verbunden werden könnte. Daher ist es wohl nicht nötig, die Form zu ändern. Anders Opitz, Zur Kritik der Caesares 655, der aus Gründen der Analogie praetorio schreibt. So wurde Carus ... zu Caesares erhoben Außer der Tatsache, dass Carus Prätorianerpräfekt war, bleiben die Umstände seiner Erhebung zum Augustus durch die Truppen Raetiens und Noricums (Zos. 1,71,4 f.) im Dunklen, vgl. Altmayer, Die Herrschaft des Carus 58–63. Wie in der Darstellung bei Eutr. 9,18,1 wird auch hier ausnahmsweise Carus „einfach nach dem Gesetz der Serie umstandslos zum Kaiser erhoben“, so Bleckmann Komm. z. St. KFHist B 3, 256. Auf die Kaiserproklamation des Carus im September 282 folgte im Oktober die Caesarerhebung des Carinus und nochmal zeitlich versetzt die des Numerian im Dezember, vgl. Altmayer 86. (2) opportune In stark verkürzter Form gibt Victor mit dem die Aussage kommentierenden Adverb (vgl. K.-St. 1,795) an, dass die Barbaren, angesichts der sich bietenden Gelegenheit (opportune aus der Sicht der Barbaren) eingefallen waren, vgl. ThLL s. v. opportunus Sp. 776,77– 780,26, der Sp. 780,3–5 diese Stelle anführt. Numeriani comitatu Da comitatus nicht nur das von mehreren Personen gebildete Gefolge, sondern auch die Begleitung, also die Tätigkeit des Begleitens (vgl. ThLL s. v. Sp. 1796,8–30) ausdrücken kann, sind die Konjekturen von Schott, Komm. 215 Numeriano comitatus und von Arntzen, Sextus Aurelius 416 N alle möglichen Barbaren Es ist fraglich, ob darunter auch die Perser gezählt werden, die Victor sonst nie als barbari bezeichnet, sondern synonym als Parthi oder Persae, vgl. den Index s. v. Der Hinweis unten, dass Mesopotamien „einem fast alljährlichen Krieg“ ausgesetzt ist, hilft in der Frage nicht weiter, vgl. Chauvot, Opinions romaines 209 f. er selbst brach ... sofort nach Mesopotamien auf Carus brach zwar „sofort“ in östliche Richtung auf, aber führte im Winter 282/3 zunächst einen Feldzug gegen die Sarmaten an der mittleren Donau durch, der in Victors komprimierter Darstellung ausgespart bleibt (oder „durch vage Erläu-

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terungen angreifender Barbaren ersetzt“ wird, so Bleckmann, Überlegungen zur Enmannschen 15), vgl. hingegen Eutr. 9,18,1 („während er Krieg gegen die Sarmaten führte, wurde der Aufruhr der Perser gemeldet und brach er in den Osten auf“) und Hist. Aug. Car. 8,1; 9,4 mit Altmayer, Die Herrschaft des Carus 82–87. einem fast alljährlichen Krieg mit den Persern Den permanenten Konflikt an der römisch-persischen Grenze unter Constantius II., seit Schapur II. die 298 vertraglich festgelegte Grenzziehung (vgl. Komm. zu 39, 37) zu revidieren versuchte, erwähnt auch Lib. or. 19,49. 38. (3) Ctesiphonta Mit Recht korrigiert Schott das von OP überlieferte thesiphonta, da die Stadt, um die es geht, wie Eutr. 9,18,1 und Epit. Caes. 38,3 bezeugen, Ktesiphon ist. durch einen Blitzschlag verbrannt Dieses prägnante Detail findet sich bei einer Vielzahl von Autoren, darunter Eutr. 9,18,1 und anderen, die auf der EKG basieren, z. B. Ruf. Fest. 24,2 und Epit. Caes. 38,3. Dagegen führt Symeon Metaphrastes 104,85, vgl. auch Kedrenos 296 (= I p. 464, 9 Bekker) den Tod des Carus auf eine Infektionskrankheit zurück. Beide Erklärungen sind dem Verfasser der Historia Augusta bekannt, der sie auf seine Weise zu harmonisieren versucht, vgl. Car. 8,2–7. Ausführlich zu den unterschiedlichen Erklärungen Altmayer, Die Herrschaft des Carus 120–8, der einen krankheitsbedingten Tod des Carus annimmt; dies sei dann als Wirken Jupiters, des Blitzschleuderers, interpretiert worden und als ‚Tod durch Blitzschlag‘ in die Tradition eingegangen. (4) Dies, berichten einige, … weiter fortreißen lassen Das Detail, dass ein Ausgreifen über Ktesiphon hinaus schicksalsbedingt unzulässig sei, nennt – in verallgemeinerter Form – sonst nur noch der Autor der Historia Augusta (Car. 9,1–3), deklariert es aber zugleich mit dem Verweis auf Galerius’ Perserfeldzug als erwiesenermaßen unwahr, vgl. Altmayer, Die Herrschaft des Carus 121. Auf welche Qu („berichten einige“), ist unbekannt. (5) Es ist demnach schwierig … Kenntnis der Zukunft Die Vergeblichkeit, das prädestinierte Schicksal abwenden zu können, zeigt sich in dem gescheiterten Versuch des Philippus Arabs, den angekündigten moralischen Niedergang unter den Nachgeborenen zu verhindern (28,5–7), vgl. aber 9,4; 26,4; 32,4. Victors Distanzierung von der Wahrsagerei lässt sich nur schwerlich mit seinem an diversen Stellen gezeigten Interesse am Prodigienwesen und der Prophetie in Einklang bringen und stellt vielleicht nur ein prophylaktisches Lippenbekenntnis zum Selbstschutz dar.

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(6) reductaret Das Verb reductare ist ein Hapax legomenon, vgl. ThLL s. v. Sp. 579,62–64. von dem Prätorianerpräfekten Aper … hinterhältig beseitigt Die mit Apers Mord an Numerian implizit verfolgte Absicht, hierdurch an die Herrschaft zu gelangen, wird auch von Eutr. 9,20,1 nicht explizit benannt. Sie findet sich aber in Epit. Caes. 38,5 und Hist. Aug. Car. 12,1, vgl. Bleckmann, Überlegungen zur Enmannschen 16 f. Historisch bestehen durchaus berechtigte Zweifel daran, dass Aper (PLRE 1,81 Aper 2) für den Tod seines Schwiegersohns verantwortlich war, da er weitaus weniger Interesse als Diocletian selbst an dessen Beseitigung gehabt hätte, vgl. Bird, Diocletian 130 f. Altmayer, Die Herrschaft des Carus 138–42 hingegen bezweifelt, dass Numerian überhaupt ermordet wurde, und nimmt vielmehr einen krankheitsbedingten Tod an. (8) aegr⟨i, n⟩e Schott korrigiert das von OP überlieferte egre und fügt das leicht durch einen saut du même au même verlorengegangene ne ein, so dass das Prädikat obtunderetur eine einleitende Konjunktion bekommt. Zustimmend Opitz, Zur Kritik der Caesares 652. Die Ausrede Apers, dass Numerianus’ Augen vor dem Wind (und der Sonne) geschützt werden mussten, wird auch Hist. Aug. Car. 12,2 quod oculos invalidos a vento ac sole subtraheret berichtet. 39. (1) Valerius Diocletian ... ausgewählt Nach der Schilderung von Carus’ Tod (38,3) und Numerians Tod (38,6) wirkt das ‚Kapitel‘ über die carische Dynastie wie abgeschlossen und die im Anschluss beschriebene Wahl Diocletians wie ein folgerichtiger Schritt, durch den das vermeintliche Machtvakuum an der Staatsspitze gefüllt wird. Erst mit der erneuten Erwähnung des Carinus weiter unten in 39,9 (zuletzt 38,1 f.) wird evident, dass es sich bei der Kaisererhebung Diocletians zunächst nur um eine Usurpation handelt, vgl. Kolb, Gestalt des spätantiken Kaisertums 35. Die Anordnung des Erzählstoffes, bei der die über die in sich geschlossene ‚Biographie‘ gestellt ist, liegt in derselben Form auch Eutr. 9,19,1–20,2 zugrunde und geht wahrscheinlich auf die EKG zurück, vgl. auch Einl. S. 8 f. und die Bemerkungen des Verfassers der Historia Augusta zu seinem kompositorischen Vorgehen in Hist. Aug. Car. 10. Ort der Erhebung Diocletians war Nikomedeia, vgl. Ioh. Ant. fr. 246 Roberto = 189 Mariev. der die Domestici leitete So auch Hist. Aug. Car. 13,1 (domesticos tunc regentem) und explizit als comes domesticorum bei Zonar. 12,31 vol. 3,159,4 Dindorf (κόμηϲ δομεϲτίκων). Es liegt wahrscheinlich jedoch ein

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auf die EKG zurückzuführender Anachronismus vor, weil die protectores domestici (kurz domestici) erst ab der Mitte des 4. Jahrhunderts sicher bezeugt sind, vgl. Cod. Theod. 12,1,38 mit Bird, Liber de Caesaribus 161 Anm. 1 und G. Kelly, Ammianus Marcellinus, Cambridge 2008, 120. Diocletian dürfte daher der Befehlshaber der Garde der protectores gewesen sein, so zuletzt U. Roberto, Diocleziano, Rom 2014, 23 f. Möglicherweise meint dies auch Kuhoff, Diokletian 21, der in der angesprochenen Funktionsbezeichnung „den rangmäßig nach Dienstalter an erster Stelle stehenden protector“ sieht. wegen seiner Klugheit Diese Eigenschaft (vgl. 39,8) wurde Diocletian offenbar allgemein nachgesagt, findet sie sich doch – wenn auch hämisch gebrochen – selbst bei dem Diocletiankritiker Laktanz, vgl. mort. pers. 14,3 („der stets als scharfsinnig und intelligent erscheinen wollte“). Vgl. auch Eutr. (KFHist B 3) 9,26 mit Komm. z. St. Wie der Kontext der Parallelstelle bei Eutrop zeigt, schöpft Victor aus der EKG. Vgl. außerdem Hist. Aug. Car. 13,1. 39. (2) serici ac purpurae gemmarumque – concupiverit Da etwa Eutr. 9,26 zu Diocletians Bekleidung nur vermerkt ornamenta gemmarum vestibus calciamentisque indidit. nam prius imperii insigne in chlamyde purpurea tantum erat, reliqua communia, glaubt Shackleton Bailey, Textual notes 180 erstens, dass „emperors do not covet things, whether for their feet or their heads; they wear what they want. Read conculcaverit.“ Immerhin kommt aber concupiscere auch c. 4,12 (Claudius begehrt Agrippina zur Frau) und c. 33,12 (Victorinus begehrte die Frau des Atticianus) vor. concupiscere in Verbindung mit Lastern wie der Wollust oder dem Luxus passt gut in den Kontext, während das seltene conculcare nach ThLL s. v. Sp. 101,36–102,17 nicht den prachtvollen Gang einer Person bezeichnet, sondern „niedertreten, mit Füssen treten“ bedeutet und meist metaphorisch eine Geste der Verachtung leton Bailey mit dem Hinweis auf Beispiele in der Hist. Aug. (Heliog. 26,1 und Alex. 40,1), dass Gewänder aus Seide und Purpur nichts Außergewöhnliches gewesen seien. Vielmehr „Diocletian’s innovation was to wear cloth of gold instead: qui ... serici ac purpurae ⟨usum contempserit⟩ gemmarumque vim plantis conculcaverit.“ Dass ein späterer Kopist den Text so massiv geändert hat, scheint indessen kaum plausibel zu sein, da der überlieferte Text in seinem Kontext durchaus sinnvoll ist (im Übrigen verwendet Victor nie das Verb contemnere); dass zwischen purpurae und gemmarumque etwas ausgefallen ist (ein Wort, das ein anderes Gewand

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bezeichnet?), scheint ebenso unwahrscheinlich. Für Victor sind Diocletians Schuhe nicht nur mit Perlen verziert (vgl. Philost. 1,5a,10 μαργάροιϲ τοὺϲ πόδαϲ), sondern bestehen auch aus Purpur gefärbter Seide. 39. (2 f.) beanspruchte nämlich als erster ... Edelsteine Die Einführung einer luxuriösen Kaisertracht und einer neuartigen Etikette beim Hofzeremoniell schreibt in ähnlicher Form auch Eutr. 9,26 Diocletian zu (s. philol. Komm.), vgl. zudem Pol. Silv. brev. (KFHist B 6) 16. Das Thema geht auf die EKG zurück, die generell ein Interesse an staatspolitischen Einschnitten und Neuerungen zeigte, so dass Diocletian möglicherweise erst durch den Verfasser der EKG zum primus inventor stilisiert wurde (s. u.). Prunkgewand und luxuriöses Schuhwerk verstoßen – ebenso wie einst Caligulas Diadem (3,13) – gegen das Ideal des civilis princeps (vgl. 39,3). Sie gelten im literarisch-philosophischen Diskurs als Symbole monarchischer Herrschaft und stehen somit für den Willen, diesen despotischen Charakter auch nach außen hin zu demonstrieren. Bei Diocletians goldenem Gewand (ex auro vestis) handelt es sich um die golddurchwirkte oder -bestickte Purpurtoga der Konsuln und Triumphatoren (toga picta / trabea), deren prachtvolle Wirkung durch Edelsteinapplikationen weiter gesteigert ist und in der der Kaiser „jeder Zeit, ohne besonderen Anlass, auch wenn er nicht Consul ist, (…) auftreten kann“, so R. Delbrueck, Die Consulardiptychen und verwandte Denkmäler, Berlin 1929, 54, vgl. auch Stern, Remarks on the adoratio 188. Zu welchem Zeitpunkt das juwelenbesetzte Kleidungsstück und die ebenso verzierten Purpurschuhe (calcei) Eingang in das tetrarchische Kaiserornat fanden, lässt sich nicht genau bestimmen. Noch die beiden Portraitbüsten der Augusti auf einem Goldmedaillon von 287 scheinen Diocletian und Maximian in einer herkömmlichen mit Perlen (?) verzierten Konsulartoga darzustellen (vgl. Abb. bei B. Kluge / M. Alram (Hgg.), Goldgiganten, Berlin 2010, 282)1. Dagegen zeigt ein anlässlich des vierten Konsulats des Di bener Aureus den Kaiser in herkömmlicher Konsulartoga, jedoch bereits mit edelsteinbesetzten Schuhen, vgl. RIC 5,2, p. 253 Nr. 307.2 So weisen auch die Schuhe (campagi) und Gürtel der venezianischen Porphyrstatuen, die als Mitglieder der ersten Tetrarchie gelten, bereits Edelsteinapplikationen auf, vgl. R. Delbrueck, Antike Porphyrwerke, Berlin 1932, 88 f. Der Schuh eines thronenden Tetrarchen auf einem Fresko im Lagerheiligtum von Luxor, das unter Vorbehalt mit Diocletians Ägyptenaufenthalt 297/98 1 2

https://ikmk.smb.museum/object?lang=de&id=18200802 https://www.britishmuseum.org/collection/object/C_1844-1015-301

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in Verbindung gebracht wird, weist wiederum scheinbar keine Edelsteine auf (vgl. M. Jones / S. McFadden (Hgg.), Art of Empire. The Roman frescoes and imperial cult chamber in Luxor Temple, New Haven 2015, 25–31 und Abb. 6.17). Möglicherweise deutet der Befund auf eine sukzessive Einführung des Ornats hin. Der sichere Nachweis für die voll entwickelte Amtstracht fällt erst mit dem Zeitpunkt von Diocletians Rücktritt zusammen: Der Revers eines Goldmedaillons von Constantius I., das um 305/ 306 die Umbesetzung im Kaiserkollegium feiert, zeigt einen Augustus und seinen Caesar im Prachtornat mit eindeutig edelsteinbesetzter Trabea und ebensolchen Schuhen (vgl. Abb. bei H. Dressel, Die römischen Medaillone, Dublin 1972/73, Nr. 187)1. Ebenso sind die Porphyrfragmente einer tetrarchischen Sitzstatue, deren mit Edelsteinen besetzte Borte auf eine Trabea schließen lässt, in die Zeit nach 305 zu datieren, da es sich sehr wahrscheinlich um eine Darstellung des Maximinus Daia handelt, vgl. Popović, Šarkamen 93 mit Abb. 12. Ob die Erbeutung des persischen Königsschatzes im Jahr 297 eine entscheidende Rolle für die Verzierung der Kleidungsstücke spielte (vgl. Logothetenchronik 86,2 p. 104 Wahlgren), bleibt eher fraglich, vgl. Kolb, Herrscherdieologie 171–5. 39. (3) tumidique et affluentis animi ThLL s. v. affluo Sp. 1244,70 f. erklärt, dass an dieser Stelle affluentis animi (und wohl auch tumidi) Zorn ausdrücke. Ist es in c. 9,11 positiv konnotiert (vgl. Komm. 9,11 tumidior), bedeutet es in c. 41,23 qua Constans victoria tumidior „hochmütig, aufgeblasen“; auch Iust. 41,3,7 sagt bezüglich der Parther ingenia genti tumida, seditiosa, fraudulenta, procacia. Dagegen könnte affluens wie diffluens in Hist. Aug. Avid. 5,4 in Bezug auf Legionen, die im Luxus schwelgen (diffluentes luxuria), das überbordende Wesen Diocletians bezeichnen; passend übersetzen Fuhrmann „aufgeblähte und eitle Gesinnung“, Dufraigne „âme gonflée d’orgueil et démesurée“ und Festy „esprit orgueilleux et démesuré“. (4) ließ er sich öffentlich ‚Herr‘ nennen Im Parallelbericht bei Eutr. 9,26 (s. philol. Komm.), vgl. auch Hier. chron. 226c, fehlt die Feststellung, dass Diocletian als erster sich als dominus anreden ließ. Die zudem merkwürdige Kollision mit den Vorgängern Caligula (3,13) und Domitian (11,2) erweckt daher den Verdacht, dass es sich nicht um ein Detail aus der EKG handelt, sondern womöglich um Victors eigene Zutat. Auch die historische Entwicklung spricht nicht dafür, dass es mit Diocletian in dieser Hinsicht einen markanten Einschnitt gegeben hat, da dominus seit 1

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geraumer Zeit als respektvolle Anredeform oder Epitheton des Kaisers gebräuchlich war, vgl. Kolb, Herrscherideologie 38 f.; Belege bei M. Frenschkowski, Art. Kyrios, RAC 22 (2008) 771–5. Ein nachweisliches Novum stellt zwar die Verwendung von domini nostri in der Kaisertitulatur der Münzlegenden dar, aber sie kommt nur bei den Seniores Augusti nach ihrer Abdankung im Jahr 305 vor, vgl. RIC VI p. 690 f. (Index). Im Unterschied zu Domitian, der die Senatoren dazu zwang (11,2 coegerit), ihn dominus et deus zu nennen, heißt es von Diocletian lediglich, dass er es duldete (passus), als ‚Herr‘ bezeichnet zu werden. Hierdurch gewinnt die servile Kaiserapostrophe vielleicht den Anschein von Freiwilligkeit, doch der inhärente Vorwurf der Hochmütigkeit bleibt bestehen (vgl. bei Amm. 15,1,3 die entsprechende Kritik an Constantius’ II. Selbstbezeichnung als dominus). Gerade die zeitgenössische Verwendung von dominus ist mit zu berücksichtigen, wenn Victor Diocletians Verhalten in 39,8 (dominum dici passus) erneut aufgreift und dem Titel etwas Positives abgewinnt, indem er dominus mit der reziproken Übernahme einer väterlichen Fürsorgepflicht verknüpft (parentem egit). Eine solche Vorstellung kennt schon der Panegyriker von 297, der die Tetrarchen mit o perpetui parentes et domini generis humani apostrophiert (Paneg. 8[5],20,1); auch im Höchstpreisedikt (Edict. Diocl. praef. 7) sehen sich die Tetrarchen als parentes generis humani in entsprechender Verantwortung. Wie eine Begebenheit unter Julian veranschaulicht (Amm. 21,3,6 Iulianum ... dominum et Augustum appellabat et deum [sc. Vadomar]), ist die Anrede des Kaisers als dominus so eng mit der ihm gegenüber gezeigten Reverenz verwoben, dass sie vielleicht deshalb von Victor mit der Einführung der adoratio durch Diocletian (s. nächstes Lemma) verknüpft wird. fußfällig verehren Von der Einführung einer neuen Form der Kaiserhuldigung durch Diocletian berichten auch Eutr. 9,26 (Diocletianus ... adorarique se iussit, cum ante eum cuncti 226c (adorari se ut deum iussit). In seiner Schilderung der Ereignisse des Jahres 355 lässt Ammianus Marcellinus ebenfalls einfließen, dass Diocletian die adoratio als erster eingeführt hat (Amm. 15,5,18 Diocletianus enim Augustus omnium primus externo et regio more instituit adorari); offenkundig war dies im Abschnitt über die Regierungszeit des Diocletian nicht gesagt worden, vgl. J. Matthews, The Roman Empire of Ammianus, Baltimore 1989, 245. Ammian teilt zudem mit, er habe gelesen, dass zuvor die Kaiser wie Beamte begrüßt worden seien (cum semper antea ad similitudinem iudicum salutatos principes legerimus). Die Ähnlichkeit mit Eu-

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trops Aussage ist unverkennbar, aber dieser kann kaum der Autor sein, den Ammian meint, weil bei Eutrop das Detail über die iudices fehlt. Es kommt jedoch bei Hier. chron. 226c vor (cum ante eum omnes imperatores in modum iudicum salutarentur), der hier ebenfalls nicht Eutrop, sondern die EKG ausgeschrieben zu haben scheint. Folglich dürfte auch Ammian in diesem Fall sein Wissen direkt der EKG selbst entnommen haben (vgl. Alföldi, Die monarchische Repräsentation 6) und verdichtet sich damit der Verdacht, dass deren anonymer Verfasser Diocletian zum primus inventor des neuen Hofzeremoniells deklariert hat. Bei der adoratio (προϲκύνηϲιϲ) machten die zum Empfang Zugelassenen ihrer Rangordnung nach vor dem Kaiser einen Kniefall und küssten den Zaum der kaiserlichen Purpurtoga (oder nach Kolb, La Tetrarchia 32 die Purpurschuhe). Obwohl im Einzelnen nicht geklärt ist, inwieweit ältere Ansätze und bestehende Vorformen der Ehrerbietung von Diocletian aufgegriffen wurden, besteht dennoch kein Zweifel darüber, dass das sakral überhöhte Hofzeremoniell ein wesentlicher Bestandteil der herrschaftlichen Selbstinszenierung der Tetrarchen war, vgl. Stern, Remarks on the adoratio. Einen knappen, aber zeitgenössischen Eindruck von dem im Winter 290/91 schon etablierten Audienzprotokoll bietet Paneg. 11(3),11,1–3 anlässlich des Kaiserbesuchs in Mailand. Vgl. O. Seeck, Art. Adoratio, RE 1,1 (1893) 400 f.; Kolb, Herrschaftsideologie 38–42; Kuhoff, Diokletian 104. Die Datierung der Einführung der adoratio bei Hier. chron. 226c (primus Diocletianus adoriri se ut deum iussit) ins Jahr 296 kann folglich nicht zutreffen. Zudem entsteht bei Hieronymus durch das Verkürzen des Vorlagentextes (d. h. Auslassung von appellarique) der nicht ganz richtige Eindruck, Diocletian habe befohlen, „wie ein Gott verehrt zu werden“ (s. nächstes Lemma). benennen wie ein Gott Der lateinische Wortlaut lässt offen, ob sich Diocletian wie ein Gott anreden (d. h. als Gott, obwohl er keiner war) oder te, s. u.). appellare wird an dieser Stelle in den modernen Übersetzungen überwiegend in der Bedeutung von „apostrophieren“ verstanden (vgl. etwa Fuhrmann: „anrufen wie einen Gott“, Dufraigne / Festy: „qu’on s’adressât à lui comme à un dieu“, doppeldeutig Bird: „addressed as a god“). Damit entspräche appellari uti deum dem zweiten Teil der geläufigen Wendung dominus et deus dici, die bei Victor gleichsam in ihre zwei Komponenten aufgespalten, das adorari se einrahmt. Aber für die Übersetzung als „benennen“, vgl. Kolb, Herrscherideologie 172 („bezeichnen“), spricht, dass das Verb appellare in acht der weiteren zehn Vorkommen bei Victor eben-

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falls „benennen“ (vgl. 2,4; 5,2; 10,6; 11,4; 12,2; 17,2; 20,30; 40,10), hingegen in den übrigen zwei Fällen „ernennen“ bedeutet (22,1; 31,3), jedoch nie „ansprechen/anreden“. Hinzu kommt, dass die Deutung „wie ein Gott benannt zu werden“ auch inhaltlich zutrifft, weil sich Diocletian den neuartigen, an Jupiter anknüpfenden Beinamen ‚Iovius‘ zulegte, vgl. 39,18 uti Valerio Iovium (s. zur Stelle). Vor allem das Zeugnis des Laktanz lässt keinen Zweifel daran, dass Diocletian und Maximian als erste diese göttlichen Beinamen angenommen haben: Ioviorum et Herculiorum cognomina, quae primum a Dioclete ac Maximiano ... adsumpta (mort. pers. 52,3). Auch Victor selbst verwendet ‚Iovius‘ für Diocletian in 39,33 und 40,1. 8. 39. (6) habitum Wie das griechische ἕξιϲ bezeichnet habitus hier den Zustand bzw. die Beschaffenheit, vgl. ThLL s. v. Sp. 2484,73. Marius … hinausgegangen C. Marius fungiert als Exemplum, weil er insgesamt siebenmal den Konsulat bekleidete, darunter trotz Iterationsverbot fünf Amtsperioden in Folge (104 bis 100 v. Chr.). Victor deutet das Übertreten der Konvention als maßlose Machtgier, die er wiederum auf Marius’ Herkunft aus niedrigen Verhältnissen zurückführt (vgl. 33,11 angeblich Eisenschmied). Auch noch in Claudians Panegyrikus zum vierten Konsulat des Honorius (398 n. Chr.) dient Marius für seine hohe Konsulatshäufung als Exemplum, das es allerdings noch zu übertreffen gilt, vgl. Claud. IV Hon. 641 f. weil eine Menschenseele … erquickt wird Diesselbe Vorstellung liegt Amm. 22,3,12 bei der Beschreibung des unmäßigen Eusebios, des Praepositus sacri cubiculi, zugrunde, der „von niedrigstem Stand“ zu höchster Macht aufgestiegen war; allerdings dient dieses Verhaltensmuster bei Ammianus zur Illustration des sprichtwörtlichen ‚Hochmuts vor dem Fall‘, vgl. auch Amm. 14,1,1 (zu Caesar Gallus). (7) nobilitati … superbiam dare Wahrscheinlich sollte superbiam dare mit „zurechnen, vorwerfen Sp. 1682,6–54, der diese Stelle Sp. 48 f. anführt, oft „zurechnen, zuschreiben“ bedeuten kann (so etwa auch Cic. Flacc. 9 do Graecis multarum artium disciplinam). Daher braucht man nach superbiam nicht das von Courtney, Emendations of Latin Prose Authors 318 vorgeschlagene vitio (als finalen Dativ) zu ergänzen. remedio bildet eine Satzapposition im Ablativ, mit der Victor hier sein Urteil ausdrückt, ähnlich Tac. ann. 1,62,1 primum extruendo tumulo caespitem Caesar posuit, gratissimo munere in defunctos et praesentibus doloris socius; vgl. dazu auch H.-Sz. 429 f.

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plu⟨s iu⟩ris Ein Genetivus pretii wie pluris bei habere ist zwar belegt, vgl. ThLL s. v. habeo Sp. 2443,65–83, aber die Bedeutung „höher schätzen, wertvoller betrachten“ erscheint in diesem Zusammenhang wenig sinnvoll: Bei der Aussage, dass die Nobilität „es für wichtiger hält, ein wenig herauszuragen“, ist die Nobilität selbst Fokalisator, während hier Victor auktorial seine Meinung wiedergibt (vgl. mihi). Daher hat Maehly, Zur Kritik 267 iuris statt pluris schreiben wollen und erklärt, dass die nobilitas mehr Berechtigung zum Übermut habe. Doch scheint die Junktur iuris habere ziemlich gewagt zu sein, es sei denn, man verbindet paululum mit iuris statt mit eminere, was aber Maehly nicht tut. Indessen scheint Victor sagen zu wollen, dass der Senatsadel das Recht hat, sich ein bisschen hervorzutun. Daher korrigiert man am besten den überlieferten Text eminere paululum plu⟨s iu⟩ris habet. Angesichts der vielen u-Laute ist ein Kopist in einem saut du même au même vom zweitletzten zum letzten u gesprungen und hat pluris geschrieben. Die Junktur plus iuris habere ist z. B. auch bei Quint. decl. 313,1,5 causa plus iuris habet quam pudoris, Ps. Quint. decl. 6,15 sint sane iura paria … quamvis apud omnes gentes plus iuris habeat pater oder Aug. c. Gaud. 1,30,35 plus iuris in vos diabolus habet belegt. Deshalb erscheint es mir verwunderlich … hervorzutun Victor nutzt seine anthropologische Beobachtung über das Phänomen der Überkompensation (39,5 f.) für einen Kommentar zu der offenbar in seiner Zeit kursierenden Kritik an der Senatorenschaft. Wer die gegenüber der nobilitas kritischen Stimmen sind, bleibt im Dunkeln. Aber der Kritik an der senatorischen arrogantia, die Victor keineswegs in Abrede stellt, versucht er dadurch zu begegnen, dass er diese arrogantia von dem ungerechtfertigten Hochmut eines Emporkömmlings wie Marius oder Diocletian unterscheidet. Bei den Senatoren handele es sich nämlich schon aufgrund der Ehrwürdigkeit der Familienabstammung (gens ßigen Standesdünkel, der zudem durch die Bürde der mit dem Stand verbundenen Verpflichtungen (molestiae) zusätzlich gerechtfertigt sei. Die eingeschobene Bemerkung zu den Senatoren zeugt von der konservativen Grundhaltung Victors, sieht er in ihnen doch „the ancient order, mos maiorum, Rome as it ought to be“, Bird, Sextus Aurelius Victor 38. 39. (8) sich ‚Herr‘ nennen … wie ein Vater Siehe Komm. zu 39,4. vielmehr die Schrecklichkeit der Taten Die dem Titel dominus inhärent anhaftende Strenge oder Erbarmungslosigkeit (atrocitas) wird explizit ausgesprochen. Jedoch habe Diocletian trotz des despotischen Titels gera-

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de nicht wie ein Despot regiert. In apologetischer Weise wird ihm von Victor unterstellt, er habe mit der Annahme dieses Titels darzulegen beabsichtigt, dass bei der Beurteilung des Kaisers nicht seine Titulatur, sondern vielmehr seine res (gestae), also seine Taten als Staatsmann das Entscheidende seien. Der hier zugrundeliegende Gedanke, dass dem nominellen Titel keine sonderliche Bedeutung beizumessen sei, sofern ein Herrscher ein redliches und fürsorgliches Handeln an den Tag legt, findet sich fast zeitgleich im Panegyrikus des Cl. Mamertinus von 362: In einem Gedankenspiel wird den toten Usurpatoren Nepotian und Silvanus die Option geboten, ins Leben zurückzukehren und sich sogar dominus nennen zu lassen, – vorausgesetzt, dass sie fortan so tugendhaft regieren wie Julian, vgl. Paneg. 3(11),13,3. 39. (9) erumpentes Schott korrigiert mit Recht den überlieferten Genetiv erumpentis (Victor verwendet sonst in der 3. Deklination die Endung -is nur für den Genetiv, vgl. aber Komm. c. 1,4 civiles) in erumpentes und verbindet es mit motus. Italiae circuitu Der Genetiv Italiae stellt den Inhalt des Umwegs dar, vgl. ThLL s. v. circuitus Sp. 1104,83, der erklärt, dass es sich hier bei circuitus um eine bogenartige Bewegung handelt. Vgl. Suet. Aug. 17,3 Brundisii commoratus Asiae Syriaeque circuitu Aegyptum petit, wo Asiae Syriaeque die Route des Umwegs durch Kleinasien und Syrien angibt. die ausbrechenden Rebellionen ... Bogen durch Italien Da mit Carinus noch ein Mitglied der carischen Dynastie im Amt ist, handelt es sich bei den Erhebungen durch Diocletian (39,1) und Iulianus (39,10) um „Rebellionen“ oder Usurpationen. Die zwischenzeitliche Erhöhung des Carinus vom Caesar (38,1) zum Augustus (vgl. Kienast, Kaisertabelle 250) bleibt allerdings unerwähnt. In der Annahme, Carinus habe sich nördlich der Alpen, entlang der Donau nach Illyricum begeben wollen, erscheint Altmayer, Die Herrschaft des Carus 171 Pannonien über Norditalien tatsächlich als Umweg“. Eine Umgehung Italiens („intorno all’Italia“), wie Porena, Le origini della prefettura 68 Italiae circuitu auffasst, ist hingegen ausgeschlossen, weil Carinus und Iulianus in der Nähe von Verona aufeinandertrafen (vgl. Epit. Caes. 38,6 und Paneg. 12[9],8,1). Das nachfolgende Adverb ibi (39,10) ist folglich auf Italia zu beziehen, weshalb die Marschroute (über den Reschen- oder Brennerpass?) durch Italien überhaupt erwähnt wird. (10) correctura ageret Da das Amt der correctura schon c. 35,5 erwähnt wird, ist Schotts geringfügige Korrektur des überlieferten correp-

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tura sinnvoll. agere im Sinne von „bekleiden“ mit dem Amt im Ablativ findet in anderen Werken keine genaue Entsprechung; ähnlich sind aber Val. Max. 8,9 ext. 2 Pericles egit … illam urbem (Athenas) und Amm. 31,2,7 Huni aguntur … nulla severitate regali (vgl. dazu ThLL s. v. ago Sp. 1368,68–72, der auch diesen Passus aus Victor anführt, und Pichlmayr, Zu den Caesares 21), weshalb Freudenbergs Konjektur regeret nicht nötig ist. auf die Kunde von Carus’ Tod Nicht die Nachricht vom Tod des Carus im Sommer 383, sondern vom Tod Numerians im November 284 löste gemäß Epit. Caes. 38,6 und Zos. 1,73,1 die Usurpation des Iulianus aus. Diesen Autoren schließt sich der überwiegende Teil der Forschung an, der eine Verwechslung durch Victor annimmt, vgl. Altmayer, Die Herrschaft des Carus 167 mit Verweis auf die Münzemissionen als chronologisches Kriterium. Sowohl das Tempus des Partizips erumpentes (39,9), das die Rebellionen beschreibt, als auch die kompositorische Einbettung der Usurpation des Iulianus zwischen der Erhebung Diocletians und Carinus’ Marsch nach Illyricum lassen sich möglicherweise als textimmanente Indizien für einen Zeitpunkt der Iulianus-Usurpation erst nach Numerians Tod auslegen. Iulianus ... Statthalterschaft von Venetia Iulianus ist mit dem in Epit. Caes. 38,6 (Sabinus Iulianus invadens imperium a Carino in campis Veronensibus occiditur) sowie in Zos. 1,73,1 (Ϲαβίνῳ Ἰουλιανῷ τὴν ὕπαρχον ἀρχὴν ἔχοντι βαϲιλικὴν ϲτολὴν περιθέντεϲ ...) erwähnten Usurpator namens Sabinus Iulianus zu identifizieren. Im Zuge seiner Erhebung zum Augustus nahm er – wie zuvor etwa Claudius Gothicus oder Probus – den prestigeträchtigeren Namen ‚Marcus Aurelius‘ hinzu, wie aus der Kaisertitulatur seiner Münzen hervorgeht, vgl. RIC 5,2 p. 593 f. Dieser Name und die Tatsache, dass Iulianus bei Zosimos die Prätorianerpräfektur bekleidet, führt mitunter zu der Annahme, dass es Usurpatoren namens Iulianus handelt, vgl. Kienast, Kaisertabelle 253 f.; Porena, Le origini della prefettura 72; Hächler, Kontinuität und Wandel 657 Nr. XXII; dabei kennt auch Pol. Silv. princ. (KFHist B 6) 57 nur einen Usurpator (Iulianus tyrannus). Die angebliche correctura von Venetia ist vielleicht nur aus der Angabe über den Schlachtort in Norditalien hergeleitet, vgl. Kuhoff, Diokletian 24; Altmayer, Die Herrschaft des Carus 168. Da das Amt des corrector vor Diocletian nur gelegentlich und zudem als corrector Italiae ohne weitere Territorialbestimmung vergeben wurde, dürfte ohnehin eine anachronistische Amtsbezeichnung vorliegen, vgl.

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Bird, Liber de Caesaribus, 163 Anm. 6 und Eck, Die Neuorganisation der Provinzen 140–42 (ohne diese Stelle). Sollte indes Iulianus doch corrector Venetiae oder mit vollem Titel corrector Italiae regionis Venetiae gewesen sein, „könnte die Quelle des Zosimos den Titel im Sinne eines regionalen, nur für Italien zuständigen praefectus praetorio verstanden haben“, so Bleckmann, Überlegungen zur Enmannschen 28 Anm. 56. Der Umstand, dass Iulianus Truppen zu mobilisieren und in Siscia eigene Münzen zu prägen vermochte, interpretiert Altmayer, Die Herrschaft des Carus 168– 71 als hinlänglichen Beleg dafür, dass Iulianus Prätorianerpräfekt gewesen war und sich in der Pannonia Superior aufhielt, als er vom Heer zum Kaiser proklamiert wurde. Dagegen sieht Kovács, Pannonia during the principate 272 f. in Iulianus einen Usurpator aus Norditalien, ebenso Porena, Le origini della prefettura 41. Victors Angaben, dass Carinus sich nach Illyricum begab, um die „ausbrechenden Rebellionen“ zu unterdrücken (39,9), und dass Iulianus dem Carinus „entgegengezogen war“, passen wiederum zu der Annahme, dass Iulianus in Pannonien usurpierte und von dort nach Italien marschierte, wo er im Frühjahr 285 bei Verona mit Carinus zusammenstieß. dem herannahenden Feind Gemeint ist Carinus, der sich mit seinem Heer auf dem Marsch nach Illyricum befindet, um die beiden Usurpatoren zu bekämpfen, vgl. 39,9 (Illyricum ... petit). Die von Porena, Le origini della prefettura 68 f. vorgebrachte These, dass sich hostis keineswegs auf den legitimen Augustus Carinus beziehen könne, sondern eher Barbaren von jenseits der Donau meint, lässt der Text nicht zu. Victor nimmt hier nach dem Prinzip der „deviant focalisation“ (Don Fowler) die Sicht des Iulianus gegenüber seinem „Feind“ Carinus ein, vgl. etwa die Beschreibung eines römischen Schwertes aus der Sicht der Sarmaten durch Ammianus Marcellinus (17,13,14) als ferrum hostile. 39. (11) Margum Die von Dacier, De C geringfügige Korrektur des überlieferten Marcum in Margum (Schott hatte Murgum geschrieben) ist aufgrund der Parallelen in Eutr. 9,20,2 und Hist. Aug. Car. 18,2 sicherlich die korrekte Form. libidine Da impatiens auch mit dem Ablativus causae verbunden werden kann, vgl. die Beispiele, die ThLL s. v. impatiens Sp. 525,40–44 anführt (neben dieser Stelle auch Firm. math. 4,6,4 mulier erit invido stridore semper impatiens), ist Schotts Korrektur in libidinis nicht zwingend, ebensowenig Damsté, Ad S. Aurelium 379 f., der impotens anstelle von impatiens schreiben will.

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multas Offenbar wird hier das von O überlieferte multas als Substantiv gebraucht, vgl. ThLL s. v. multus Sp. 1610,37–48, der diese Stelle nicht anführt, aber angibt, dass aus dem Zusammenhang eigentlich immer klar wird, wer gemeint ist. Vielleicht ist zwischen militarium und multas das Wort mulieres ausgefallen. Dies ist besser als das sinnlose mulctas von P und die auf dieser Grundlage von früheren Gelehrten gemachten Konjekturen wie nuptias oder mulieres von Schott, Komm. 216, nuptas von Arntzen, Sextus Aurelius 420 und mulierculas von Damsté, Ad S. Aurelium 379. bei Margum Mit Margum ist wohl die Ortschaft gemeint, die nahe an der Mündung des gleichnamigen Flusses in die Donau lag, nicht der lange Fluss selbst (heute Morava), vgl. die vermutlich zur civitas Margo gehörige Notiz ubi Diocletianus occidit Carinum in Itin. Burdig. 564,7–9; ferner Cons. Const. (KFHist G 1) 285 occisus est Carinus Margo mit Komm. und Kovács, Pannonia during the principate 273–5. Zur Datierung der Schlacht bei Margum gegen Ende Juni oder Anfang Juli 285 vgl. A. Stefan, La date de la victoire de Dioclétien sur Carin au Margus. À propos de P. Oxy. L 3569 et de CJ 2,53,3, ZPE 198 (2016) 271–82. 39. (11 f.) Als er eifrig den Besiegten nachsetze Der Sieg oder zumindest die Überlegenheit des Carinus über das Heer des Diocletian im Sommer 285 wird ähnlich wie bei Eutr. 9,20,2 nur ganz indirekt erwähnt. Das Hauptaugenmerk liegt stattdessen auf dem moralischen Fehlverhalten des Carinus, das die Ursache für den gleichsam gerechtfertigten Meuchelmord durch seine eigenen Soldaten gewesen sein soll. Im Gegensatz zu den Beschreibungen in der Parallelüberlieferung etwa bei Eutr. 9,19,1, Epit. Caes. 38,7 f. und Zos. 1,73,1 nimmt sich das Vergehen des Carinus hier weniger extrem aus. Das topische Motiv des sich an den Ehefrauen seiner Soldaten vergreifenden Kaisers, der anschließend ihrer Rache zum Opfer fällt, begegnete bereits in 33,12. Doch diese im Fall d hafte Erklärung für seine Ermordung dürfte auf diocletianischer Propaganda fußen, die den unterlegenen Gegner verunglimpfte und vielleicht die wahren Umstände seines Untergangs kaschierte, denn möglicherweise war Verrat durch Aristobulus, den Prätorianerpräfekten des Carinus (s. Komm. zu 39,14), mit im Spiel, vgl. Bird, Diocletian 130 f.; Altmayer, Die Herrschaft des Carus 71. 73 f. (Charakterisierung des Carinus) und 175–7 (Schlacht bei Margum).

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39. (12) Narbone patria In dieser verkürzten Aussage ist Narbone adnominal gebrauchter Ablativ der Herkunft (vgl. dazu H.-Sz. 105), während patria Ablativus limitationis (vgl. dazu H.-Sz. 135) ist. imperium biennii fuere Während Walter, Zu Lateinischen Schriftstellern 76 wegen des Akkusativs imperium das Verb in fecere korrigiert (etwa wie in Ov. met. 4,292 is tria cum primum fecit quinquennia), was Miller, Bericht über die Literatur 61 billigt, ändert Pichlmayr in seiner Edition imperium zu imperio. Dagegen verteidigt D’Elia, Per una nuova edizione critica 181 imperium und fuere und führt als Parallelen c. 40,11 huic quinquennii imperium, Constantio annuum fuit und ähnlich c. 33,35 huic novem annorum potentia fuit. Eigentümlich und ohne weitere Parallelen ist der Umstand, dass das Prädikat fuere im Plural steht. Möglicherwiese ist vor fuere ein oder mehrere Wörter ausgefallen. Narbonne war ihre Heimatstadt Das Detail zum Herkunftsorts entstammt der EKG, in der diese Angabe im Zusammenhang mit der erstmaligen Nennung des Carus erfolgt sein muss, vgl. Eutr. 9,18,1 und Epit. Caes. 38,1. Victor verschiebt diese Information hingegen nach hinten und verbindet sie mit dem Tod des Carinus, so dass sie das Ende der carischen Dynastie markiert, vgl. Bleckmann, Überlegungen zur Enmannschen 15 und Einl. S. 10. sie besaßen … zwei Jahre lang Die Gesamtregierungszeit von Vater und Söhnen umfasste ungefähr drei, nicht zwei Jahre, vgl. Kienast, Kaisertabelle 248–52. Epit. Caes. 38,1 nennt ebenfalls zwei Jahre (annos duos), allerdings zu Beginn der ‚Vita‘ des Carus, auf den allein sich die Angabe bezieht; für die Söhne ist keine Regierungsdauer genannt. Vermutlich reflektiert die Epitome den Befund der EKG. Beim Ausschreiben dieser Quelle hat Victor die zweijährige Herrschaftsdauer vielleicht ebenso umgestellt wie den Herkunftsort Narbonne (s. voriges Lemma), wodurch sich die genannte Angabe nunmehr – allerdings lienmitglieder bezieht. (13) contione Mit Recht korrigiert Schott angesichts der Parallele in Eutr. 9,20,1 is prima militum contione iuravit (vgl. auch Hist. Aug. Car. 12,2) das überlieferte conditione, das in diesem Zusammenhang kaum passend ist, in contione, das bei einer Versammlung von Soldaten Sinn ergibt. zur Sonne blickend Diocletian beschwört den Sonnengott als Zeugen für seine nachfolgende Beteuerung (vgl. nächstes Lemma). Dahinter steht die uralte schon bei Hom. Od. 12,320 greifbare Vorstellung, dass Helios/Sol auf der Erde „alles sieht und alles hört“, weshalb er bei Schwüren

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angerufen werden kann, vgl. auch Hom. Il. 3,277 oder Aesch. Cho. 984–6. Diocletians Gebärde wird daher kaum etwas mit einer besonderen Verehrung der Sonne als Sol Invictus zu tun haben, wie Altmayer, Die Herrschaft des Carus 221 meint (vgl. aber Kolb, Diocletian 15 f.). Das gezogene Schwert ist nicht als Geste des Schwurs zu verstehen, wird aber angesichts der bevorstehenden Tat gewissermaßen mit eingebunden, vgl. in diesem Zusammenhang die Schwurszene bei Liv. 22,53,9–13. weder Kunde … noch dass er nach Eine Variante des Schwurs, den Diocletian anlässlich seiner Proklamation ablegte, findet sich bei Petr. Patr. fr. 13,1 p. 198 Müller: „er schwor bei den damals verehrten Göttern und beteuerte, Carinus nicht um der Herrschaft wegen getötet zu haben, sondern weil er Sorge um den Staat empfand.“ Es dürfte sich hierbei um eine vereinfachte Version handeln, die mit dem Zeitpunkt der Alleinherrschaft verknüpft worden ist, wie aus der Nennung des Carinus statt Numerians geschlossen werden darf. 39. (14) hostium Shackleton Bailey, Textual notes 180 will hostium als Überbleibsel einer nachträglich in den Text gerutschten Glosse in officiis tilgen, da „nothing has been said about Diocletian’s enemies. ceteris are the conspirators against Numerian.“ Wahrscheinlich bezieht sich aber hostium allgemein auf Diocletians Feinde und nicht nur auf die Verschwörer (zur Milde Diocletians vgl. auch Hist. Aug. Car. 15,6). Victor hat in seinem konzisen Stil beide Informationen an dieser Stelle vereinigt. Daher kann der überlieferte Text in dieser Form bewahrt werden. Den Übrigen ... auf ihren Posten belassen Nach dem Tod des Carinus und der Erringung der Alleinherrschaft erließ Diocletian eine weitgehende Amnestie (venia) zugunsten der unter Carinus in Staatsämtern tätigen Senatoren sowie Rittern und der im Heer dienenden Offiziere. Davon profitierte vermutlich auch der römische Stadtpräfekt Ceionius Varus (Chron. min. 1,66 ann. 284/85), vgl. K. Wojciech, Die Bonn 2010, 351 und Hächler, Kontinuität und Wandel 354. Im Fall des Aristobulus (s. nächstes Lemma) dürfte sein besonders hoher Rang der Grund sein, weshalb seine Verschonung explizit hervorgehoben wird, zumal eben nicht jeder Betroffene seinen Posten behielt, vgl. zum Nebeneinander von Generalamnestie und gezielten Strafmaßnahmen, H. Leppin, Überlegungen zum Umgang mit Anhängern von Bürgerkriegsgegnern in der Spätantike, in: Harter-Uibopuu / Mitthof, Vergeben und Vergessen 337–57.

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der Prätorianerpräfekt ... Aristobulus Als prominentestes Beispiel wird Claudius Aurelius Aristobulus (PLRE 1,106) hervorgehoben, der als ein enger Vertrauter des Carinus gelten darf. Er war nämlich nicht nur dessen Prätorianerpräfekt, sondern – hier unerwähnt – auch dessen Kollege im Konsulat von 285, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 285 und Amm. 23,1,1. Nachdem er, wie es scheint, zunächst von Diocletian abgesetzt worden war, wurde er von ihm, der den inzwischen toten Carinus als consul prior von 285 ersetzte, alsbald wieder eingesetzt und somit zu dessen Amtskollegen; auch für die Bekleidung der Präfektur darf eine kurzzeitige Unterbrechung angenommen werden, vgl. A. Stefan, Dioclétien à l’été 285: son deuxième consulat, les sanctions contre la memoria de Carin et l’amnistie générale, ZPE 204 (2017) 265–79. Victor führt die Schonung Aristobuls zwar auf die einzigartige Nachsicht Diocletians zurück (s. Komm. zu 39,14), doch hat sie in der Forschung den Verdacht geweckt, dass Aristobulus als Kommandant der Leibgarde (Equites singulares) irgendwie in die dubiose Ermordung des Carinus (39,11) involviert gewesen war, vgl. Altmayer, Die Herrschaft des Carus 176. Stefan 274 bezweifelt hingegen eine Verstrickung des Aristobulus und wertet Diocletians Entscheidung vielmehr als den Versuch, den potenziellen Rivalen an sich zu binden und im Zuge der Rekonziliation rasch von der früheren Anhängerschaft des Carinus akzeptiert zu werden. Als „ausgezeichneter Mann“ (insignis) ist Aristobulus auch in einer Inschrift charakterisiert (CIL VIII 5290 = ILS 5477). 39. (15) memoriam humani Während Schott, ohne die Lesart humanum von O zu kennen, das von P überlieferte humani zu humanam korrigiert, ergänzt Opitz, Zur Kritik der Caesares 655 generis nach humani (analog zu c. 10,6 generis humani delicias). Opitz, Sallustius und Aurelius 221 f. räumt ein, dass Aurelius einen bereits korrupten Text aus Sallust (Sall. hist. 1,55,6 [= or. Lep. 6] post m diese Stelle verwendet haben könnte. Prinz, Beiträge aus der ThesaurusArbeit 306 f. hat aber gezeigt, dass der bis Nepos verwendete Ausdruck post hominum memoriam auch in Sall. or. Lep. 6 unter Ellipse von generis durch post memoriam humani ausgedrückt wird (ebenso in Symm. rel. 41,5): „Offenbar hat Sallust in seinem Streben nach singulärer Ausdrucksweise die zu seiner Zeit übliche Wendung post hominum memoriam variiert und das substantivierte Adjektivum in dem Sinne von genus humanum verwendet.“ Vgl. ThLL s. v. humanus Sp. 3091,25–31 und s. v. memoria Sp. 676,34. Daher kann man den von P überlieferten Text behalten.

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geri Ohne Objekt bedeutet gerere „handeln“ und wird von einem Adverb spezifiziert, vgl. ThLL s. v. gero Sp. 1942,8–31, der allerdings diese Stelle nicht anführt. seit Menschengedenken beispiellos und unerwartet Victors Aussage ist in der zugespitzten Weise sicherlich unzutreffend, da Amnestien gegenüber im Bürgerkrieg unterlegenen Gegnern – seit Caesars legendärer clementia – immer wieder gewährt wurden, vgl. K. Strobel, Herrscherwechsel, politische Verfolgung, Bürgerkriege in der römischen Kaiserzeit, in: Harter-Uibopuu / Mitthof, Vergeben und Vergessen 285–98, hier 285–9. Der Umgang mit Anhängern von Bürgerkriegsgegnern blieb angesichts zahlloser Usurpationen im 4. Jahrhundert ein hochaktuelles Thema und lag Victor wohl aus persönlichen Erfahrungen offenbar am Herzen, vgl. 20,11 f.; 41,4 und 42,1–3. während wir uns schon freuen Die im völligen Kontrast zu Diocletians mildem Verhalten stehenden Exzesse, die Victor als zeitgenössische Verhältnisse anführt, bringt Bird, Liber de Caesaribus 165 Anm. 11 mit Magnentius und der Beseitigung des Nepotians in Rom (s. Komm. zu 42,6–8) in Verbindung. Wahrscheinlicher ist aber, dass Victors absichtlich im Vagen gelassene Äußerung auf die Verfolgung der Magnentius-Anhänger durch Constantius II. abzielt, die sich im Anschluss an den Sturz des Usurpators ereignete. Ihre harte Bestrafung, bei der auch Unschuldige zu Schaden kamen, wird von Ammianus Marcellinus (14,5,1–9) ausführlich geschildert: „Viele der Angeklagten wurde geächtet (proscripti), andere in die Verbannung geschickt (in exilium) und einige wurden durch das Richtschwert getötet (nonnullos gladii consumpsere poenales)“ (14,5,9). Dennoch wird Constantius von Victor Milde nachgesagt, vgl. 42,23. 39. (16) Wozu soll ich noch erwähnen … viele und Auswärtige In Victors Bemerkung liegt vielleicht eine gewisse Ambivalenz. Denn obwohl sie die Liste der von Diocletian führt (quid ea memorem in gleicher Funktion bei Sall. Cat. 13,1), scheint sie im Gegensatz zu Victors sonstigen Ansichten zu stehen. Zweifelsohne hält er Diocletian zugute, römisches Hoheitsgebiet geschützt oder gar ausgedehnt zu haben (s. Komm. zu 39,37; anders Chauvot, Opinions romaines 208 f., der ius Romanum als ‚römisches Bürgerrecht‘ interpretiert, vgl. jedoch 2,3 und 9,8); dass Diocletian dafür aber die Alleinherrschaft zugunsten eines Mehrherrschaftssystems (multos) aufgegeben hat, verstößt gegen das von Victor favorisierte Ideal der Einzelherrschaft. Zudem zeigt Victor eine tendenzielle Geringschätzung für die aus Illyricum stammenden Herr-

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scher (vgl. 40,17 und 41,26). Er bezeichnet die Tetrarchen zwar nicht gerade als „Barbaren“, jedoch als „Auswärtige“ und unterstreicht durch die antithetische Formulierung die Eigentümlichkeit, dass externi für Schutz und Verbreitung des ius Romanum herbeigezogen wurden. Vgl. auch Komm. zu 33,3 Räuber oder eine Frau. Gegen externi an der Staatsspitze hat Victor keineswegs Vorbehalte (vgl. 11,13), vorausgesetzt, sie verfügen über die dafür nötigen Qualifikationen, vgl. 39,26. 39. (17) Bagaudas Mit Recht korrigiert Schott das von OP überlieferte Bagauda und verbindet es mit dem Relativpronomen quos. militiae Stabile, Note critiche 390, Anm. 2 meint, dass es sich hier um einen Lokativ handle und verweist auf ThLL s. v. bonus Sp. 2097,82–98,2, der diese Stelle aber nicht unter den Lokativa anführt. Vielmehr sind militiae und ingenio Dative bei bonus (vgl. die Beispiele ThLL s. v. Sp. 2097,71–82 und K.-St. 1,314), während sonst Victor c. 26,6 bonum solo quaestu mit instrumentalem Ablativ verwendet, weshalb man auch eine Korrektur von militiae in militia in Erwägung ziehen kann. Denn sobald er erfuhr ... verwüstet hatten Als Auslöser für den Aufstand des Aelianus und Amandus wird der um die Jahreswende 284/5 zu datierende Abzug des Carinus aus Gallien anlässlich der in Illyricum ausgebrochenen Usurpationen genannt (vgl. Komm. zu 39,9). Die Aktivität der beiden Anführer beschränkt sich aufs Rauben und Brandschatzen und macht, auch wenn sie vom Land auf die Städte überzugreifen droht, nicht den Anschein, auf eine Form lokaler oder gar imperialer Machtübernahme zu zielen. Gleichwohl ist die namentliche Hervorhebung der beiden Anführer bemerkenswert, zumal den Galliern generell eine Neigung zu Usurpationen nachgesagt wurde (vgl. Komm. zu 42,17). Auch der Parallelbericht bei Eutr. 9,20,3 (vgl. KFHist B 3 mit Komm.) nennt die Namen der beiden Anführer (duces), aber die Unruhen gehen anscheinend von der Gesamtheit der rusticani aus. Interessanterwei schen Übersetzung des Eutrop die Erklärung hinzu, dass der Name Bacaudae τυράννοι ἐπιχωρίοι bedeute, wobei τυράννοι eher im Sinne von latrones als ‚Usurpatoren‘ zu verstehen ist, vgl. dazu H. Brandt, Zeitkritik in der Spätantike. Untersuchungen zu den Reformvorschlägen des Anonymus De rebus bellicis, München 1988, 46 f. mit Anm. 173. Dass Aelianus und Amandus selbst agrestes sind, ist anzunehmen, aber ungesichert, vgl. L. Okamura, Social Disturbances in Late Roman Gaul, in: T. Yuge / M. Doi (Hgg.), Forms of Control and Subordination in Antiquity, Leiden 1988, 288–302, hier 292. Ihre Einstufung als Usurpatoren (vgl. Kienast, Kaiser-

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tabelle 265) beruht auf wenigen Münzen, deren Authentizität allerdings zweifelhaft ist, vgl. J. C. Sánchez León, Les sources de l’histoire des Bagaudes, Paris 1996, 171–5. Wenn Victor neben den Bauern auch „Räuber“ als Bestandteil der Bagauden nennt, sind damit dennoch im weitesten Sinne ein und dieselbe Gruppe der Aufständischen gemeint, vgl. Paneg. 10(2),4,2 f. mit Nixon / Rodgers, In Praise of Later Roman Emperors 60 Anm. 21 („in that they were farmers and citizens on the one hand, but bandits and enemies on the other“). Die Bedeutung ihres (immer noch ungeklärten) Namens, der als gallisch zu verstehen ist (quos ... incolae vocant), ist Victor selbst offenbar unbekannt. Vgl. zum Phänomen der Bagauden J. G. Couper, Gallic Insurgencies? Annihilating the Bagaudae, in: Th. Howe / L. L. Brice (Hgg.), Brill’s Companion to Insurgency and Terrorism in the Ancient Mediterranean, Leiden 2016, 312–43, bes. 318 und 324 f. und H. Scholten, Bagauden und Räuber am Niederrhein in der Spätantike, Rhein – Maas. Geschichte, Sprache und Kultur 9 (2019) 8–26, bes. 12–4. Maximianus ... zum Kaiser Maximianus wurde gegen Ende 285 von Diocletian zum Caesar erhoben und bereits im darauffolgenden Jahr zum Augustus nach dem erfolgreichem Kampf gegen die Bagauden, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 286 mit Komm. zur Chronologie. Diese Abfolge, die Eutr. 9,20,3 (Caesar) und 9,22,1 (ex Caesare fecit Augustum) präzise unterscheidet, wird von Victor vermengt, indem Maximian pauschal zum imperator gemacht wird, vgl. Kolb, Diocletian 22 Anm. 54. halbbäurisch Damit wird auf die geringe Bildung als auch die Herkunft vom Lande hingewiesen. Vgl. Komm. zu 39,26 hatten ... allesamt Illyricum zur Heimat. tüchtig und in seinem Wesen gut Die wohlwollende Bewertung Maximians erklärt sich möglicherweise auch dadurch, dass er nach seiner zeitweisen Verdammung längst wieder rehabilitiert und unter Constantius II. als dessen vergöttlichter Großvater offiziell III 3705 = ILS 732. 39. (18) den Beinamen ‚Herculius‘ Die Annahme des Beinamens ist mit Maximians Feldzug gegen die Bagauden verwoben (vgl. 39,17. 19). Die dadurch implizierte relative Chronologie wird von anderen Zeugnissen gestützt, so dass Maximian den Beinamen „mit hoher Wahrscheinlichkeit im Frühjahr/Sommer 286“ im Zusammenhang mit seiner nicht genau datierbaren Ernennung zum Augustus annahm, vgl. Kolb, Diocletian 64. Der Grund dafür lag aber nicht bloß in Victors etwas kurz gegriffenen Erklärung, dass Maximian dem Herkules eine besondere Verehrung entgegen-

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brachte, sondern in der theokratisch begründeten neuen Herrschaftsideologie, wonach Diocletian und Maximian als Söhne des obersten Staatsgottes Jupiter bzw. seines tüchtigen Sohnes Herkules im „Besitz der Wirkungskräfte (numina) und damit auch der Fähigkeiten (virtutes) dieser Gottheiten“ waren (vgl. Komm. zu 39,4). Gleichzeitig wurde damit ihre niedrige soziale Herkunft ins Gegenteil, nämlich ins Übermenschliche verkehrt, vgl. S. G. MacCormack, Art and ceremony in Late Antiquity, Berkeley 1981, 171 und Hekster, Emperors and ancestors 297–300. Den Beinamen ‚Iovius‘ hatte sich Diocletian möglicherweise schon etwas früher zugelegt, vgl. Kolb, Herrscherideologie 25 und 36 (Zitat). wurde der Name auch den Hilfstruppen ... beigelegt Es sind wohl kaum die zahlreichen Alae und Cohortes Ioviae und Herculiae gemeint, die als Auxiliareinheiten entlang der Reichsgrenzen stationiert waren, sondern die zwei berühmten Legionen der Ioviani und Herculiani (Not. Dign. occ. 5,145 f.), die laut Veg. mil. 1,17,2 zuvor Mattiobarbuli hießen und für ihre Tüchtigkeit mit den neuen Namen ausgezeichnet wurden, vgl. Zos. 3,30,2. Hoffmann, Das spätrömische Bewegungsheer I, 215–8 erklärt ihre Beschreibung als vormalige militaria auxilia mit ihrer aus Vegetius zu erschließenden Truppenform als irreguläre bewegliche Verbände, obgleich er dem Bericht des Vegetius im Einzelnen mit Skepsis begegnet. 39. (19) Nachdem Herculius ... allgemeine Ruhe hergestellt Maximians Vorgehensweise gegen die Bagauden impliziert unterschiedliches Verhalten auf Seiten der Aufständischen; offenbar reichte es von sturem Widerstand bis rascher Kapitulation, was wiederum darauf schließen lässt, dass der Aufruhr sich sowohl über ein größeres Gebiet erstreckte (vgl. 39,17 per Galliam) als auch auf separat agierende Untergruppen verteilt war. Die rhetorische Frage des Festredners von 289 an den Kaiser, „ob das Unheil (sc. der Bagauden) eher durch deine Tapferkeit (fortitudine) oder deine Milde (clementia) beruhigt wurde“ ( eine Doppelstrategie zur Eindämmung der Unruhen. In Paneg. 11(3),5,3 wird allerdings nur Maximians clementia bei der Bewältigung des Bagaudenproblems hervorgehoben. (20) quo officio adolescentiam mercede exercuerat Die Konstruktion von exercere mit dem Objekt adolescentiam findet etwa in Sall. Catil. 5,2 Catilina … iuventutem suam in caedibus oder in Phaedr. app. 10,4 exercebat fervidam adulescentiam eine Parallele. Menapiae Janssens, Carausius 271–74 meint, dass Victor oder ein Kopist Monapia, die Insel Man (vgl. Plin. nat. 4,103), mit den belgischen Me-

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napii verwechselt habe. Belegt ist nämlich nur die Form Menapii, während es für Menapia als Ort sonst nirgends Belege gibt. Daher schlägt Janssens vor, das von OP überlieferte Menapiae in Monapiae zu korrigieren. Da die Herkunft des Carausius aus jener Gegend aber als gesichert gilt (vgl. hist. Komm.), erübrigt sich der Korrekturvorschlag. Die Form Menapia dürfte in Analogie etwa zu Alamannia, dem Siedlungsgebiet der Alamanni, gebildet sein. 39. (20 f.) Carausius ... die Kaisergewalt angemaßt hatte Mit dem Hinweis auf Carausius’ Herkunft aus Menapien, das im westlichen Flandern des heutigen Belgien zu lokalisieren ist (vgl. zur Herkunft Paneg. 6[7],5,3), wird der Träger dieses ohnehin fremd klingenden Namens gleichsam zu einem (Halb-)Barbaren klassifiziert (vgl. die vielleicht ursprüngliche Schreibweise in Epit. Caes. 39,3 Charausius), der sich durch den Dienst im römischen Heer hoch gearbeitet hat (quo bello ... enituit). Im Anschluss an den Bagaudenfeldzug erhält Carausius 286 (?) das Oberkommando über die in Boulogne-sur-Mer stationierte römische Seeflotte, um die Piraterie der Franken und Sachsen entlang der gallischen Nordseeküste zu unterbinden, vgl. Eutr. (KFHist B 3) 9,21 mit Komm. Das Jahr der Usurpation des Carausius ist unklar, weil seine Regierungsdauer von Victor (vgl. 39,40: sechs Jahre) und Eutrop 39,40 (sieben Jahre) unterschiedlich lang beziffert wird. Ausgehend von Carausius’ Tod im Jahr 293, erhob er sich daher entweder um die Wende 287/88 oder bereits um 286/87. Vgl. Birley, The Roman Government 371–5 und 378 (zu Carausius’ Namen). (21) barbarorum Da das von OP überlieferte barum offensichtlich verderbt ist, hat Schott, Komm. 217 barbarorum bzw. non parum vorgeschlagen. Da Eutr. 9,21 ebenfalls von multis barbaris saepe captis spricht, ist barbarorum wohl besser und barum als Haplographie (vgl. Komm. c. 39,7 plu⟨s iu⟩ris) bzw. als eine im Archetyp a unverständliche Form zu deuten. Daher können die übrigen Vorschläge wie barbarorum parum von Gruter, Komm. 338 der ebenso von einer Haplographie bar⟨barorum par⟩um ausgeht, und paronum von Arntzen, Sextus Aurelius 423 bzw. cumbarum von Damsté, Ad S. Aurelium 380, die an ein Boot denken, vernachlässigt werden (da Victor c. 37,3 und 38,2 den Genetiv Plural barbarorum verwendet, ist auch Pichlmayrs geringfügige Korrektur von barum in die synkopierte Form barbarum (dazu Pichlmayr, Zu den Caesares 21) nicht wahrscheinlicher als Schotts Korrektur). Zustimmend D’Elia, Per una nuova edizione critica 181 f.

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aber nicht die ganze Beute an die Staatskasse Bei Eutr. 9,21 gibt Carausius, um „sich selbst zu bereichern“, die Beute weder dem Kaiser noch an die Provinzialen zurück. Einen beträchtlichen Teil davon wird er indes mit den ihm unterstellten Soldaten geteilt haben, vgl. hierzu B. Bleckmann, Usurpationen in der Reichskrise des dritten Jahrhunderts und in späterer Zeit: römische Heere als Beutegemeinschaften und der Wunsch nach Kaisernähe, Occidente/Oriente 1 (2020) 73–81, bes. 75. 39. (22) Quinquegentanae Da Eutr. 9,22,1 und 9,23 von Quinquegentiani spricht und diese Form auch Oros. hist. 3,7,25 belegt ist, hat Festy das von OP überlieferte quinquegentanae in Quinquegentianae verbessert. Indessen sind, wie Hamdoune, L’expédition de Maximien en Afrique 188 Anm. 30 und 189 Anm. 47 gezeigt hat, Formen wie Quinquegentani ohne i epigraphisch belegt in AE 1998, 1591 (CIL VIII 8924 = 20680) und AE 1992, 1908 (CIL VIII 8836). Daher kann man Victors Schreibweise belassen. Zur selben Zeit Die Bedrohungen durch die Perser, die quinquegentanischen Stämme sowie durch Achilleus ereignen sich alle ungefähr im selben Zeitraum zwischen den Jahren 296 bis 298, sind aber nicht – wie es hier geschieht – mit der Usurpation des Carausius zu synchronisieren und schon gar nicht vor die Erhebung der Caesares (s. Komm. zu 39,24) zu datieren. Was wie eine Nachlässigkeit innerhalb der relativen Chronologie erscheinen könnte, ist vielmehr eine bewusste Anordnung des Stoffes, um mit den vier Krisenherden (Britannien, Oriens, Africa und Ägypten) die Ernennung der zwei Caesares und die Schaffung der Vierherrschaft zu erklären („Aus diesen Gründen“; ähnlich auch 39,30), vgl. Kolb, Chronologie 29 „ein Irrtum der antiken Autoren“. In jedem Fall geht diese Disposition nicht auf Victor selbst zurück, sondern war bereits in der EKG angelegt, wie aus der identischen Abfolge bei Eutrop 9,22,1 zu schließen ist. Iulianus sowie die quinquegen tanei („Fünfvölkerschaften“) waren ein Zusammenschluss der in der Kabylei im Atlasgebirge beheimateten Berberstämme, die seit Beginn der 290er Jahren vermehrt den Osten der Provinz Mauretania Caesariensis plündernd und brandschatzend heimsuchten. Den Provinzstatthaltern gelang es nicht, den Raubzügen Einhalt zu gebieten, bis Maximian die Berber 297/298 in kurzer Zeit in die Schranken wieß und den Frieden wiederherstellte, vgl. 39,39. Die Erwähnung der Vorkommnisse in Africa beruht aber nicht etwa auf Victors africanischer Herkunft, sondern findet sich ebenso bei Eutrop 9,23 (domitis Quinquegentianis). Statt von Quinquegentanei sprechen die

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zeitgenössischen Panegyriker im Zusammenhang mit Maximians Feldzug von den Mauri: Paneg. 8(5),5,2; 9(4),21,2; s. auch 7(6),8,6. Vgl. Hamdoune, L’expédition de Maximien en Afrique 185–99 und Lassère, Africa 527–29. Bei Iulianus, der in der Parallelstelle bei Eutr. 9,23 nicht vorkommt, bleibt unklar, ob er (als Anführer?) zu den Quinquegentanei zu zählen ist oder eventuell eine Verquickung mit dem gleichnamigen Usurpator in Italien (vgl. Komm. zu 39,10 Iulianus) vorliegt, vgl. Kienast, Kaisertabelle 266. 39. (23) ein gewisser Achilleus Aurelius Achilleus (PLRE 1,9) ist wie in den übrigen literarischen Quellen als alleiniger Usurpator in Ägypten genannt, obwohl nahezu zeitgleich auch ein L. Domitius Domitianus (PLRE 1,263) in Ägypten als Usurpator nachweisbar ist. Achilleus ist papyrologisch als corrector (ἐπανορθωτήϲ) im September 297 belegt. Vermutlich von Domitianus mit diesem Amt betraut, erhob sich Achilleus nach dessen Tod (?) selbst als Usurpator und fand später bei der Einnahme Alexandreias durch Diocletian den Tod (vgl. Komm. zu 39,38), vgl. Kuhoff, Diokletian 185–99. Die Beteiligung des Kaisers an dessen Bezwingung mag der Grund dafür sein, dass nur Achilleus Eingang in die historiographische Überlieferung gefunden hat, vgl. Eutr. 9,23 und Epit. Caes. 39,3. (24) Iulius Constantius und Galerius Maximianus „Iulius“ als Namensbestandteil des Constantius I. kennt nur Victor. Vermutlich liegt eine Verwechselung vor, bei der Victor den Namen des Constantius II. (vgl. 42,20 Iulius Constantius) versehentlich auf Constantius I. überträgt, dessen Name Flavius Valerius Constantius lautet, vgl. Kienast, Kaisertabelle 269. Die Erhebung des Constantius I. und Galerius zu Caesares durch die beiden Augusti Maximian und Diocletian geschah im Frühjahr 293, vgl. Chron. Pasch. p. 512, 2–6 und Cons. Const. (KFHist G 1) 291,2 mit Komm. zu Tagesdatum und Ort. Die damit e tetrarchischen Herrschaftsmodells wird nicht als eine staatspolitische Neuerung an sich begriffen, sondern bloß als Erweiterung der bestehenden Dyarchie, vgl. 13,1. Der Vorgang scheint Victor zudem eher mit der Situation vergleichbar zu sein, als Tiberius der Schwiegersohn des Augustus wurde (vgl. 39,25). den Beinamen ‚Armentarius‘ Das von armentum („Rind“) abgeleitete Cognomen soll Galerius geführt haben, weil er einst Rinder gehütet habe, so Epit. Caes. 40,15 (pastor armentorum, unde ei cognomen Armentarius fuit). Es kommt nur bei diesen beiden an Cognomina besonders interes-

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sierten Autoren vor, vgl. noch 40,1. 6 und Epit. Caes. noch 39,2; 40,1. 18. Auch wenn der Beiname nicht explizit pejorativ konnotiert ist, verweist er doch auf eine niedrige soziale Herkunft des Galerius (vgl. 39,26), weshalb Zweifel an der Authentizität des Beinamens bestehen, vgl. Kienast, Kaisertabelle 272. Zum möglicherweise topischen „country boy tending his flocks, but destined for great things“, vgl. Syme, Emperors 185; Casella, Galerio 17 („quasi un omen imperii“). Kuhoff, Diokletian 121 denkt mit W. Enßlin, Art. Maximianus 2 (1930) 2517 eher an einen militärischen Spitznamen, der „auf eine Funktion hindeutet, die mit dem Kommando über Soldaten verbunden war.“ 39. (24 f.) zu Schwiegersöhnen ... früheren Ehen aufgelöst Die Namen der neuen Ehefrauen, Theodora (Maximians [Stief-?]Tochter) und Valeria (Diocletians Tochter), lässt Victor im Gegensatz zu Eutr. 9,22,1 unerwähnt, stellt aber mit dem Parallelfall unter Augustus (Suet. Tib. 7,2) sein historisches Wissen unter Beweis, vgl. Einl. S. 15. Ebenso wenig fällt der Name Helenas, von der sich Constantius trennt, aber den Sohn Konstantin hat (Epit. Caes. 41,2; Origo Const. 1); ihr beiderseitiges Verhältnis wird durch coniugium als vollgültige Ehe charakterisiert (vgl. Eutr. 10,2,2 matrimonium), was in der modernen Forschung aber umstritten ist, vgl. J. W. Drijvers, Helena Augusta, Leiden 1992, 17–19; Rosen, Konstantin 68– 70 und Barbero, Costantino 688 („un matrimonio regolare“). Victor bzw. der EKG scheint die mit der Caesarernennung einhergehende Adoption, wodurch Galerius durch Diocletian zum Iovier und Constantius durch Maximian zum Herculier wurde, unbekannt zu sein. Vgl. zu den ohnehin eher spärlich erwähnten Adoptionen Kolb, Diocletian 68 und Hekster, Emperors and ancestors 278. Im Übrigen entsteht der Eindruck, als wären die neuen Eheschließungen zeitgleich mit der Caesarernennung erfolgt. In Constantius’ Fall könnte die Ehe mit Theodora allerdings wohl schon früher geschlossen worden sein, wie ein Passus nahelegt, vgl. dazu Kienast, Kaisertabelle 270 und Barnes, New Empire 125. (25) editam Dafür, dass edita hier substantivisch gebraucht wird, gibt ThLL s. v. edere keinen Hinweis; wie bei humanus c. 39,15 handelt es sich wohl um die Ellipse des Substantivs filia beim Partizip edita. Im gleichen Kontext schreibt Eutr. 9,22,1 filiam. Iulia Augusta Hier lässt sein historisches Wissen Victor im Stich, denn Iulia führte nie den Augusta-Titel, vgl. zu anderen historischen Fehlern im Werk Einl. S. 17.

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39. (26) humanitatis Während Dacier, De Caesaribus 169 den partitiven Genetiv humanitatis mit parum verbindet und danach habuere ergänzt, verändert Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 496 das überlieferten humanitatis zum Ablativus qualitatis humanitate. Opitz, Zur Kritik der Caesares 652 nimmt einen saut du même au même an und schreibt humanitatis ⟨artibus⟩. Dagegen hält Stabile, Note critiche 393 am überlieferten Text fest: „Forse humanitatis è da spiegare come genitivo di qualità, a cui sarebbe unito l’avverbio parum per l’aggettivo = parvae“, wobei der Gegensatz am Ende der Periode in stilistischer Variatio mit satis optimi … fuere ausgedrückt wird. Angesichts von Victors Vorliebe für inkonzinne Ausdrucksweise scheint diese Erklärung ausreichend zu sein, um den tradierten Text zu verteidigen. hatten allesamt ... Illyricum zur Heimat Nicht die Präfektur Illyricum ist gemeint, sondern allgemein der Balkanraum, der als kulturell rückständig galt (vgl. etwa Cass. Dio 49,36,2; Hdn. 2,9,11; Iul. mis. 348 D), gleichzeitig aber auch im Ruf stand, tüchtige Soldaten hervorzubringen (vgl. Paneg. 10(2),2,2–4; Expos. mundi 50; Veg. mil. 1,28,4). Die Herkunftsorte der Tetrarchen sind nur zum Teil bekannt oder mit Unsicherheit behaftet. Laut Epitome de Caesaribus stammt Diocletian aus Dalmatia (Epit. Caes. 39,1), vielleicht aus der Umgebung von Salona, wo sein Altersitz lag, Maximian aus der Umgebung von Sirmium (Epit. Caes. 40,10) und Galerius aus Romuliana (Epit. Caes. 40,16), vgl. Syme, Emperors 211 f. Obwohl ein Mann von bäuerlicher Herkunft und ohne Bildung in Victors Augen für das Kaiseramt eigentlich nicht qualifiziert ist (vgl. 40,17; 41,26), wird den Tetrarchen gerade ihre militärische Erfahrung und Vertrautheit mit den Verhältnissen auf dem Land zugutegehalten und als besondere Eignung ausgelegt (vgl. Epit. Caes. 41,9 in Bezug auf Licinius). Zu diesem Urteil kann Victor allerdings nur in der Rückschau gelangen, nachdem die Tetrarchen eine beachtliche Leistungsbilanz vorw Tetrarchia 27. Bei der positiven Bewertung dürfte wohl die Tatsache mithinein gespielt haben, dass es sich bei Constantius I. und Maximian um die beiden Großväter des Constantius II. handelt. (28) instituto Schott, Komm. 218 hat das überlieferte institutio durch den Ablativ instituto oder institutione ersetzen wollen. Fast alle späteren Editoren sind ihm gefolgt. ThLL s. v. instituo Sp. 1995,82 f. meint, dass institutum an dieser Stelle (wie auch Amm. 26,7,4) mit institutio verwechselt worden sei und „de actu vel statu eruditionis“ gesagt werde. Pichlmayr, Zu den Caesares 21 f. weist darauf hin, dass Victor institutum

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sowohl in der Bedeutung „Einrichtung“ als auch in derjenigen von „Erziehung“ verwendet (c. 24,11 und 40,24), nie aber institutio. Nur Festy hält an der Überlieferung institutio fest und übersetzt „telle qu’ils l’avaient acquise à l’école d’Aurélien et de Probus, étaient presque suffisantes pour tenir lieu de vertu.“ Aber da hier ein Ablativ nötig ist (quanta bezieht sich auf militiae, von dem der Relativsatz abhängt), muss man wohl Schott folgen. ihre Eintracht ... eines soliden Militärdienstes Das Einvernehmen der Herrscher untereinander bildete seit der Regierungsbeteiligung Maximians ein zentrales Element der dy- bzw. tetrarchischen Selbstdarstellung in Wort und Bild, vgl. z. B. Paneg. 10(2),9,3–5; 11,1–3; 11(3),6,3–7,7; T. Şare Ağtürk, A New Tetrarchic Relief from Nicomedia: Embracing Emperors, AJA 122 (2018) 411–26. Vgl. zu Münzprägung RIC VI (Index s. v. CONCORDIAE AVGG) mit Kolb, Diocletian 111 f. Die concordia zeichnet die Tetrarchen auch bei Julian aus: „Die Götter bewunderten die Eintracht unter diesen Männern“ (Iul. Caes. 315 B). „Es spricht vieles dafür, dass auch die politische Praxis der Tetrarchie auf Konsens beruhte und nicht nur die Propaganda dies betonte“, Kolb, Gestalt des spätantiken Kaisertums 41 f. Diese Eintracht gilt Victor als Ausweis der umfassenden politischen virtus der Kaiser, wobei er die Nützlichkeit einer gründlichen militärischen Ausbildung eingesteht und damit seine eigene in 8,8 geäußerte Forderung nach einer rhetorisch-literarischen Bildung bei Kaisern relativiert. 39. (29) blickten sie zu Valerius In der Ideologie der Tetrarchie galt zwar eine ‚Gleichheit‘ unter den beiden Augusti, dennoch besaß Diocletian als Dienstältester und auctor imperii gleichzeitig einen „persönlichen Anciennitäts- und Autoritätsvorsprung“ (Kolb, Diocletian 109), der selbst nach seiner Abdankung erhalten blieb, wie Diocletians Teilnahme an der Konferenz von Carnuntum deutlich macht. Diocletians als μέγαϲ βαϲιλεύϲ bei Eus. vit. Const. 1,14,4. Victor stimmt im Tenor mit Julians Aussage überein, dass die übrigen Tetrarchen Diocletian Verehrung entgegengebrachten (or. 1,7 B): „... wobei sie ihn, der ihnen die Macht übertragen hat, an zweiter Stelle nach dem höchsten Wesen verehrten.“ Verbrechen … bis in unsere Zeit Die Harmonie zwischen den Tetrarchen nutzt Victor für eine kritische Äußerung, die auf die feindschaftlichen Verhältnisse zwischen römischen Herrschern der jüngsten Vergangenheit hinausläuft. Gerade die Unbestimmtheit der vagen Aussage, die verschie-

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dene Interpretationsmöglichkeiten zulässt, weckt den Verdacht, dass sich die Kritik gegen den herrschenden Constantius II. richtet. Historischer Ausgangspunkt ist der legendäre Brudermord des Stadtgründers Romulus. Hinzuzuzählen sind aber auch die (vermeintliche) Ermordung des Titus durch Domitian (11,1) oder des Geta durch Caracalla (20,32). Als Beispiele aus Victors Zeithorizont könnten etwa der Bruderzwist zwischen Constantin II. und Constans oder die Hinrichtung des Caesars Crispus gelten, die Victor in Übereinstimmung mit der offiziellen Sichtweise freilich nicht als „Verbrechen“ wertet, vgl. Komm. zu 41,11 Als der Älteste. Brisanter wäre eine intendierte Anspielung auf die Ermordung des Caesars Dalmatius, über die Victor in 41,22 sagt, dass die Identität des Anstifters ungewiss sei, vgl. Dufraigne, Aurelius Victor 185 Anm. 30 und Bird, Liber de Caesaribus 169 Anm. 21. Schließlich ist auch der jüngste Fall, die Hinrichtung des anderen Caesars, Gallus, nicht völlig ausgeschlossen, vgl. H. Börm, Born to be emperor. The principle of succession and the Roman monarchy, in: Wienand, Contested Monarchy 239–64, hier 256, obwohl es eher so scheint, dass Victor in diesem Fall das Fehlverhalten tatsächlich bei Gallus und nicht Constantius sieht, vgl. 42,12. Aber durch die vage Formulierung können und sollen die verschiedenen Identifikationsoptionen auch gar nicht exakt bestimmbar sein. 39. (30) quasi partito Das von OP überlieferte quasi partito imperio korrigiert Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 496 f. in quadripartito („viergeteilt“) und Maehly, Zur Kritik 267, mit derselben Bedeutung, in quadrifariam. Zwar können sich die Vorschläge auf die Angabe bei Lact. mort. pers. 7,2 (in quattuor partes orbe diviso) stützen, die jedoch als (überzogener) Vorwurf gegen die Tetrarchen gerichtet ist. Dagegen betont Victor, wie Festy, Aurelius Victor 173 Anm. 21 mit Recht bemerkt, mit quasi partito („als ob es geteilt wurde“), dass in Wirklichkeit keine Reichsteilung stattgefunden hat. quasi und verkürzten Vergleichssatzes kommen auch c. 3,8; 4,10; 5,3; 33,20 etc. vor. gleichsam in einer Teilung des Reiches Eine regelrechte Aufteilung in vier fest umrissene Zonen gab es tatsächlich nicht, vgl. Amm. 14,11,10. Es blieb bei dem bewährten Prinzip, dass jeder Augustus für eine Reichshälfte zuständig war, und dies galt nunmehr auch für die Caesares, wobei im Westen – offenbar anders als im Osten – sich eine klarere Teilung zwischen Maximian und Constantius entwickelte oder gar festgelegt wurde, vgl. Bleckmann zu Eutrop (KFHist B 3) 9,25,2 und R. Rees, Diocletian and the Tetrarchy, Edinburgh 2004, 24. Da sich die Aufteilung wie bei

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Victor beschrieben weder bei Eutrop noch in der Epitome de Caesaribus wiederfindet, entstammt die Information vielleicht nicht der EKG. Da Spanien offenkundig Constantius zugeteilt ist, aber in Lact. mort. pers. 8,3 zum Bereich des Maximian gehört, sieht E. Stein, Histoire du Bas-Empire, Bd. 1, Brügge 1959, 435 f. hier einen Irrtum Victors vorliegen. Die Vorstellung einer Teilung des Reiches findet sich neben Lact. mort. pers. 7,2 (s. philol. Komm.) auch bei Praxag. 1, dessen Bericht über die Aufteilung sich aber in einigen Details von Victor unterscheidet: „… dass Constantius über Britannien herrschte, Maximi(a)nus über Rom, das übrige Italien und Sizilien, der andere Maximi(a)nus über Hellas, Makedonien, Kleinasien und Thrakien, und Diokletian … über Bithynien, Arabien, Libyen und Ägypten“ (Übers. Bleckmann). 39. (31) functione Zu functio in der Bedeutung „Steuererhebung“ vgl. ThLL s. v. Sp. 1547,25–82 mit weiteren Beispielen vor allem aus der spätantiken juristischen Literatur. moderateque ageretur Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 497 ersetzt das überlieferte ageret durch adigeret „heranziehen“ und meint, dass als Objekt der Ablativ functione in der Bedeutung „Naturallieferung“ verwendet werde, was aber abwegig ist (s. o.). Rudoni, Sei note testuali 312 glaubt, dass ageret wie in c. 39,10 „in senso amministrativo“ verwendet werde, und weist darauf hin, dass omnis prädikativ zum Subjekt Italia, das aus dem Vordersatz ergänzt werden muss (omnis kann sich ja nicht auf die Neutra tributum oder malum beziehen), besser mit dem Passivum ageretur verbunden wird. Er übersetzt daher: „mentre (essa), nella sua interezza, godeva della stessa, moderata tassazione.“ Offenbar wählt er die Lesart von moderataque und verbindet dieses mit functione, was möglich ist, auch wenn das Adverb, das als Variation zum Ablativ die Art der Eintreibung beschreibt, ebenso passend ist. ThLL, der diese Stelle nicht anführt, gibt aber s. v. Sp. 1374,32–38 Beispiele für minus technicus für das Eintreiben bzw. Erheben von Steuern (vgl. etwa Suet. Dom. 12,2 Iudaicus fiscus acerbissime actus est) an. Daher ist Rudoni zu folgen, aber das Adverb moderateque von O zu belassen. Von da an … Übel der Steuerabgaben herein Die nicht ganz klare Passage über die neue Steuergesetzgebung in Italien wird in der Forschung unterschiedlich interpretiert. Uneinigkeit herrscht über die Bedeutung von pars Italiae, das als „Teil Italiens“ oder bloß als „Italien“ verstanden wird. Im ersten Fall wird pars Italiae mit einer der beiden Vicariate Italiens identifiziert, aber auch bei der Frage, welches Vicariat gemeint ist, herrscht

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Uneinigkeit. So denkt etwa O. Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt II, Stuttgart 21921, 264 an die nördliche regio annonaria, während Bird, Liber de Caesaribus 174 Anm. 31 eher die „southern region of Italy (regio suburbicaria)“ erwägt. Die Auslegung von pars Italiae als „Teil Italiens“ kann sich auf das Prädikativum omnis (sc. Italia) im nachfolgenden Satz stützen, das einen korrespondierenden Gegensatz bildet (vgl. zuletzt Rudoni, Sei note testuali 313 „si pone in diretta opposizione rispetto a pars Italiae“). Die andere Interpretation der Junktur pars Italiae wurde bereits von F. C. von Savigny vorgebracht, der darunter das ‚Gebiet Italiens‘ versteht; ebenso Giardina, L’Italia Romana 291 f. („nel senso di ‚in terra d’Italia‘“) und F. M. Ausbüttel, Die Verwaltung der Städte und Provinzen im spätantiken Italien, Frankfurt 1988, 136–8 („das Gebiet der gesamten Apenninhalbinsel, wenn nicht gar der späteren Praefektur Italia“). Die Hervorhebung ganz Italiens durch das Wort pars, „in the sense of regio, tractus, provincia“ (vgl. E. Löfstedt, Late Latin, Oslo 1959, 113) ließe sich zwar vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Gebietsverteilung (39,30) erklären, aber entscheidender ist, dass pars sonst nie von Victor in diesem Sinne verwendet wird. Auch das nachfolgende Satzgefüge wird unterschiedlich aufgefasst. In seiner Übersetzung interpretiert Fuhrmann durch die Hinzufügung der Adverbien „bisher … jetzt“ die inhaltliche Aussage dahingehend, dass bereits vor dem Erlass der nova lex Abgaben zum Unterhalt von Kaiser und Heer in gleichbleibender und mäßiger Höhe erhoben wurden, vgl. Bird, Liber de Caesaribus 170 Anm. 24, der hier an außerordentliche Abgaben (indictiones) denkt, die bei Bedarf eingezogen wurden (vgl. 9,6). Bird geht dabei von der Prämisse aus, dass Italien bis zur Einführung der nova lex „immunity from general provicial taxation“ genoss (170 Anm. 23), ebenso Kuhoff, Diokletian 493 („die bisherige Steuerfreiheit [wurde] aufgehoben“). Ausbüttel 137 hingegen schließt aus dem insel zu diesem Zeitpunkt bereits ihre steuerrechtliche Sonderstellung verloren hatte“ und folglich in der lex nova „lediglich eine Steuerreform zu sehen“ sei. quo versteht er dabei als Konjunktion eines Finalsatzes, ebenso Festy („afin que l’armée et … puissent être entretenus“), der den Zweck der nova lex erklärt. Ob unter eadem functio nur temporäre indictiones für das Heer zu verstehen sind oder bereits eine reguläre Grundsteuer (annona), lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen; vgl. zu den im 3. Jahrhundert vermehrt geforderten Sonderabgaben auch L. Neesen, Untersuchungen zu den direkten Staatsabgaben der römischen Kaiserzeit, Bonn 1980, 112 f.

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und 159–61. Victor scheint zu implizieren, dass die Einführung der nova lex zeitlich mit der Erhebung der Caesares im Jahr 293 zusammenfiel (vgl. hinc). Eck, Die Neuorganisation der Provinzen 142 Anm. 136 äußert zu Recht Zweifel an der Belastbarkeit dieser Textstelle für die Datierung der nova lex (vgl. zu Victors Chronologie Komm. zu 39,33), wobei er das ‚neue Gesetz‘ mit der Communis opinio im Sinne der erstmaligen Steuereinführung in Italien versteht, obwohl er ihre Einführung „schon in den Wirren der letzten Jahrzehnte vor Diokletian“ (143) für nicht ausgeschlossen hält. ungeheure Übel der Steuerabgaben Es ist nicht ganz ersichtlich, weshalb Steuern pauschal von Victor als Übel verurteilt werden, weiß er doch, weshalb und wozu sie erhoben werden, vgl. 9,6. Möglicherweise betrifft sein Urteil bloß die neu eingeführte Steuer (tributa) oder er denkt an den generell mit der Steuereintreibung verbundenen Missbrauch und Korruption, vgl. etwa 9,12. 39. (32) erträgliche Gesetz … zu einem Verhängnis entwickelt. Während Victor die diocletianische Steuererhebung als ein Übel verabscheut (39,31), gesteht er ihr immerhin noch Maß und Erträglichkeit zu, mag dies auch nur dazu dienen, die Verhältnisse unter Constantius II. zu kritisieren, vgl. H. Ziche, Making late Roman taxpayers pay: imperial government strategies and practice, in: H. A. Drake (Hg.), Violence in Late Antiquity, Aldershot 2006, 127–36, hier 132 f., der der von Aurelius (und Ammianus, s. u.) geäußerten Kritik wohl nicht ganz gerecht wird, wenn er zu dem Schluss kommt, dass „[t]axation was used as a standard motif to distinguish ‚good‘ emperors from ‚bad‘ emperors“. Jones, Later Roman Empire 68 hält die Aussage zu Diocletians moderaten Steuersätzen für glaubwürdig, vgl. auch Komm. zu 40,29 f. Den Vorwurf zu hoher Steuerbelastung erhebt auch Ammianus Marcellinus (21,16,17) gegen Constantius; vgl. zur Steuererhebung generell C tration impériale, Straßburg 1979, 257–73. (33) als Iovius nach Alexandreia aufbrach Der Fortgang der Ereignisgeschichte knüpft an 39,30 (Zuweisung des Ostens an Diocletian) bzw. an 39,23 (Usurpation des Achilleus) an. Ebenso wie an den beiden Stellen die Ereignisse aus erzähltechnischen Gründen mit anderen zeitlich nicht zwingend zusammengehörigen Ereignissen synchronisiert werden (vgl. auch Komm. zu 39,22), wird Diocletians Aufbruch nach Ägypten mit Galerius’ Marsch in den Osten (im Jahr 296) verknüpft. Folglich ist auch dem zeitlichen Verhältnis dieser beiden Nachrichten mit Skepsis zu begegnen,

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weil Victor dazu neigt, „zugunsten übergeordneter Geschehenskonstellationen die Genauigkeit im Detail zurückzustellen“, vgl. Kuhoff, Diokletian 194–6, Zitat 195; Mosig-Walburg, Römer und Perser 100–3. Tatsächlich ist die Chronologie des Verlaufs der Usurpation in Ägypten umstritten und auch die Frage ungeklärt, ob sie überhaupt noch ins Jahr 296 oder eher ins folgende Jahr 297 fällt. Vgl. auch Komm. zu 39,38. seine Gebiete … Angriffe der Perser abzuwehren Nach der Zuweisung der Gebiete zwischen Pannonien und Thrakien an Galerius (39,30), wird Galerius’ Engagement in Diocletians Gebiet dadurch erläutert, dass er „seine Gebiete“ auf Befehl Diocletians verlassen und sich nach Mesopotamien begeben hat. Bis zu dem Zeitpunkt hat Galerius entlang des Donaulimes Krieg gegen Goten und Karpen geführt, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 295 mit Komm.; dagegen verorten Barnes, New Empire 62 f. und Kolb, Chronologie 26 Galerius bereits um 295 im Nahen Osten, vgl. Kienast, Kaisertabelle 272. Mit Mesopotamia dürfte die gleichnamige römische Provinz gemeint sein (vgl. 38,2), so dass relictis finibus nicht wie etwa bei Fuhrmann und Dufraigne das ‚Überschreiten der (Reichs-)Grenze‘ meinen kann. 39. (34) Heer aus Veteranen und Rekruten … durch Armenien Auf seinem ersten Feldzug erlitt Galerius eine Niederlage, die Eutr. 9,24 „zwischen Kallinikon und Karrhai“ in der Osrhoene lokalisiert und auf die zu geringe Truppenstärke zurückführt. Im Unterschied zu Victor nennt er auch die Gegenden, wo Galerius anschließend die neuen Truppenverbände ausgehoben hat: „in Illyricum und Moesia“, also in den Donauprovinzen, vgl. Eutr. (KFHist B 3) 9,25,1 mit Komm. und Ruf. Fest. 25,1 „mit dem durch Grenztruppen von Dacia (sc. Ripensis) aufgestockten Heer“. C. Zuckerman, Les campagnes des tétrarques, 296–298, AnTard 2 (1994) 65–70, hier 68 Anm. 22 zieht Rufius Festus der Aussage Victors jedoch vor: „J’accorde peu de poids au topos qui apparaît lequel Galère aurait fait appel aux vétérans et aux nouvelles recrues.“ Beim zweiten Feldzug führte Galerius sein 25.000-köpfiges Heer entlang der weniger gebräuchlichen Route über Satala nach Armenien; einen Grund für seine Entscheidung nennen die Quellen nicht, vgl. aber Amm. 23,5,11. Enßlin, Zur Ostpolitik 40 geht offenbar davon aus, dass Narseh sein Heer bereits in Armenien versammelt hatte. Hartmann, The Tetrarchy 8 schließt aus Victor: „the route over the mountains was probably regarded as safer than the route through northern Mesopotamia“. Demnach müsste Narseh erst als Reaktion auf Galerius’ Vormarsch sich nach Armenien begeben

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haben, vgl. Bird, Liber de Caesaribus 171 Anm. 25 und Weber, Narseh 226–8: „Es zeugt von großem Mut und überlegtem Kalkül, daß Galerius den Plan gefaßt hatte, seine Offensive gegen Narseh in dessen eigenem Reichsgebiet, in Armenia maior, zu eröffnen (…). Aus welchem Grunde Galerius diesen Plan verfolgte, beantwortet Aurelius Victor: »dies sei so ziemlich der einzige oder jedenfalls der leichtere Weg, der zum Sieg führt«.“ Zu diesem Urteil kann Victor allerdings nur in der Rückschau gelangen, nachdem Galerius erfolgreich war. Der Ausgangspunkt der römischen Expeditionsheeres war laut Malalas 12,38 die Stadt Antiocheia. dies ist … der Weg zum Sieg In Anbetracht der enttäuschenden Bilanz des Constantius II. nach so vielen Jahren im Kampf gegen die Perser im mesopotamischen Grenzgebiet (vgl. etwa 42,21; Eutr. 10,10,1 „Keine Schlacht gegen Schapur ging für ihn glücklich aus“; zu den Kampfplätzen Ruf. Fest. 27,1–3), wirkt Victors auffällige Bemerkung zu Galerius’ Marschroute wie der Hinweis eines bemühten Historikers, der seine militärhistorischen Kenntnisse dem Oberbefehlshaber zugutekommen lassen möchte. Hierbei dürfte Victors Wissen tatsächlich bloß auf dem konkret vorliegenden Fall des Galerius beruhen, zumal Victor eben keine substantielle Begründung dafür bietet, weshalb die von Galerius eingeschlagene Route die erfolgversprechendere sei. 39. (35) brachte er dort den König Narseh in seine Gewalt In Wirklichkeit begab sich Narseh auf die Flucht und konnte sich in Sicherheit bringen. Bei der Einnahme des königlichen Lagers gelang es Galerius allerdings, Narsehs Harem und andere Höflinge gefangen zu nehmen. Ungeklärt bleibt die Frage, ob Victor den Erfolg des Galerius hinsichtlich Narsehs vorsätzlich zu Galerius’ Gunsten ‚verfälscht‘ oder die entsprechende Passage der EKG bloß missverstanden hat, vgl. Ruf. Fest. 14,5 secundo autem conflictu superato rege Narseo, uxore eius ac filiabus captis; Hier. chron. 227f superato Narseo et uxoribus ac tis; Eutr. 9,25,1; Oros. hist. 7,25,11. Die hochrangigen Familienmitglieder kamen schon alsbald, nach dem Friedensschluss wieder frei, vgl. R. C. Blockley, East Roman Foreign Policy, Leeds 1992, 5; Weber, Narseh 228. (36) ferrentur Der Konjunktiv Imperfekt ferrentur drückt hier wohl einen Potentialis der Vergangenheit aus, vgl. auch Komm. c. 5,15 patraretur. in eine neue Provinz Ganz in der römisch-imperialistischen Ideologie verhaftet, bedauert Victor, dass nach dem Sieg über Narseh das Reichsgebiet nicht durch die Einrichtung einer neuen Provinz erweitert wurde, vgl.

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auch Einl. S. 11. Ob ihm dabei eine konkrete Landschaft vor Augen schwebt und, wenn ja, welche, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Victor könnte aber an die Adiabene gedacht haben, die er bereits im Zusammenhang mit dem Partherkrieg des Septimius Severus als potentielle römische Provinz betrachtet hat, vgl. Komm. zu 20,16. Tatsächlich war Galerius’ Sieg mit der Annahme nicht nur der Siegerbeinamen Persicus maximus II und Armenicus maximus, sondern auch Medicus maximus und Adiabenicus maximus verbunden; hieraus schließt die Forschung, dass er auf dem Rückweg aus Armenien durch Medien und die Adiabene gezogen ist, ohne dass es dabei zu nennenswerten Kampfhandlungen gekommen sein muss, vgl. Barnes, New Empire 257 und Enßlin, Zur Ostpolitik 43. Für die gelegentlich geäußerte Ansicht, Galerius sei bis nach Ktesiphon vorgedrungen (so jüngst Casella, Galerio 41), gibt es hingegen keine sicheren Belege, vgl. Hartmann, The Tetrarchy 9. Im Übrigen erweist Victors Bemerkung ihn als schlechten Geostrategen, der die maßvolle und weitsichtige Außenpolitik Diocletians, sich mit der Wiederherstellung der Provinz Mesopotamien und einer Art vorgelagerter Pufferzone im Osten zufrieden zu geben, nicht nachzuvollziehen vermag (s. nächstes Lemma). 39. (37) für uns nützlichere Teil Bei der territorialen Erwerbung handelt es sich um Regionen oder Satrapien, die zwischen der römischen Provinz Mesopotamien und dem Königreich Armenien lagen. Laut Petr. Patr. fr. 14 p. 189 Müller, der Details aus dem Friedensvertrags von 298 nennt, handelt es sich um die Ingelene, Sophene, Arzanene, Korduene und Zabdikene, die größtenteils östlich des Tigris gelegen waren, vgl. Ruf. Fest. 14,4 (Mesopotamia est restituta et supra ripam Tigridis limes est reformatus, ita ut quinque gentium trans Tigridem constitutarum dicionem adsequeremur) und 25,3 (Mesopotamiam cum transtigritanis regionibus reddiderunt). Vgl. auch Amm. 25,7,9 mit einer etwas abweichenden Gebietsnennung. Die Regionen erhielten römische daten stellen, aber wurden nicht als Provinz ins Reich inkorporiert. Vgl. Winter / Dignas, Rom und das Perserreich 149–53 mit Abb. 15 (Karte); J. den Boeft u. a., Philological and historical commentary on Ammianus Marcellinus XXV, Leiden 2005, 234–7 und Weber, Narseh 238–41. Als diese vehement … kam es jüngst zum Krieg Nach gescheiterten Verhandlungen mit Constantius II. über die Rückgabe Armeniens und Mesopotamiens (Amm. 17,5; Zonar. 13,9,25–31 vol. 3,202,19–203,5 Dindorf) griff Schapur II. im Jahr 359 die Provinz Mesopotamien an und eroberte nach längerer Belagerung die Stadt Amida am oberen Tigris (heute Diyar-

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bakır). Auch im Folgejahr setzte er den Krieg gegen Rom erfolgreich fort, vgl. Amm. 18,7–10; 19,1–9 mit Mosig-Walburg, Römer und Perser 285– 92 und K. Farrokh u. a., The siege of Amida (359 CE), Siedlce 2018. (38) Achilleus, der mit geringem Aufwand ... seine Strafe Auch Zonar. 12,31 vol. 3,160,1–6 Dindorf berichtet, dass die Alexandriner gegen Diocletian nicht lange Widerstand leisteten (οὐκ ἀντέϲχον ἐπὶ πολύ). Unklar ist hingegen die doppeldeutige Aussage bei Eutr. 9,23 (Diocletianus obsessum Alexandriae Achilleum octavo fere mense superavit eumque iterfecit), die von Hier. chron. 226e und Oros. 7,25,8 so aufgefasst wird, dass Achilleus fast acht Monate lang in Alexandreia belagert wurde, bevor er gefangen und hingerichtet wurde. Während etwa Enßlin, Zur Ostpolitik 33 und Barnes, New Empire 12 von einer insgesamt achtmonatigen Usurpation ausgehen, nimmt Kolb, Chronologie 24–7 eine achtmonatige Belagerung und eine wesentlich längere Gesamtdauer der Usurpation an (296 bis 297/8). 39. (39) iussis Da iussum (das von O überlieferte iuxis ist offensichtlich verderbt) nicht die Befehlsgewalt, sondern meist den Befehl bezeichnet, den man bekommt bzw. gibt, und keinen objektiven, sondern subjektiven Genetiv bei sich hat (vgl. ThLL s. v. iubeo Sp. 584,70–86,35, dagegen Birley, The Roman Government 381 Anm. 38, der iussis wie munimento mit incolarum verbindet [„instructions to the inhabitants“], aber keine Parallelen für den objektiven Genetiv bei iussum anführt), sind iussis hier die Verordnungen, die Carausius empfängt bzw. erlässt. Die Konstruktion der beiden von opportunior abhängigen Substantive ist, was für Victor typisch ist, inkonzinn und verkürzt. Während Fuhrmann „Befehle entgegenzunehmen“ übersetzt, ist Dufraignes „aptitude à commander“ (ähnlich Festy) nicht angemessen. In Africa wurde in gleicher Weise verfahren Siehe Komm. zu 39,22. C suche gescheitert waren, Carausius zu beseitigen, scheint es offenbar zu einer Art stillschweigender Übereinkunft, jedoch kaum zu einer formalen Vereinbarung mit dem Usurpator gekommen zu sein, auch wenn Eutr. 9,22,2 von einem Friedensschluss (pax) spricht, vgl. Wintjes, Die Römische Armee 167 f. und A. Pasqualini, Massimiano Herculius, Rom 1979, 47 f. Trotz Carausius’ faktischer Machtstellung und der in seiner Münzprägung fassbaren Illusion einer gleichberechtigten Anerkennung (RIC 5,2 p. 442. 550–6, vgl. etwa PAX AVGGG), wurde er von den legitimen Augusti

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lediglich toleriert, aber keineswegs als gleichwertiger Mitherrscher anerkannt. 39. (40) nach sechs Jahren Zur unklaren Regierungsdauer des Carausius vgl. Komm. zu 39,20 f. Carausius. (40–42) Allectus ... der höchsten Stellung vorstand Aus dem Wortlaut geht nicht klar hervor, ob Allectus als rationalis summae rei der Finanzverwaltung vorstand, wie mitunter angenommen wird, vgl. zuletzt C. Davenport, Carausius and his brothers, Antichthon 53 (2019) 108–33, hier 109 Anm. 9, oder der Prätorianerpräfekt des Carausius war, also in der „höchsten Stellung“ nach dem Kaiser, vgl. 9,11; O. Seeck, Art. Allectus, RE 1 (1894) 1584 f.: „wahrscheinlich als Praefectus praetorio, die rechte Hand des ... Carausius“; Birley, The Roman Government 386: „probably ... praetorian prefect. ... it seems that Victor should have been able to say so, for in the next sentence he introduces Asclepiodotus with the words ‚who was in command of the praetorians as prefect‘. But perhaps this was simply stylistic variatio; or he may have been unwilling to use this title for an unrecognized prefect.“ In diesem Sinne zuletzt auch Wintjes, Die Römische Armee 168 f. (42) nur kurz inne gehabt ... Asclepiodotus Allectus herrschte laut Eutr. 9,22,2 drei Jahre lang, vermutlich in der Zeit zwischen 293 und 296, anders Kienast, Kaisertabelle 268. Aus der Erwähnung des nach Britannien vorausgeschickten Asclepiodotus wird nicht ersichtlich, dass die Beseitigung des Allectus, die Constantius I. zugeschrieben wird, von jenem vollbracht wurde, vgl. hingegen Eutr. 9,22,2 („[Allectus] wurde unter dem Kommando des Prätorianerpräfekten Asclepiodotus vernichtet“) und Paneg. 8(5),15,5–16,2; Wintjes, Die Römische Armee 168–71; Omissi, Emperors and Usurpers 91. Vielleicht knüpft Victor hier an die 39,24 gegebene Begründung an, weshalb Constantius zum Caesar ernannt wurde. Asclepiodotus wird meist mit dem Prätorianerp (PLRE 1,115 f.) identifiziert, aber war wohl eher dessen Sohn, vgl. Barnes, New Empire 124 u. 126 und Birley, The Roman Government 385–90. (43) ⟨ ⟩ fere pars ThLL s. v. fere Sp. 497,62–64 erwägt, das Adverb mit dem Substantiv pars attributiv zu verbinden, kann aber keine weitere Parallele für diesen Gebrauch anführen. Am Ende steht erat allein, aber der Agens ab Aureliano lässt vermuten, dass ein Partizip Perfekt Passiv ausgefallen ist. Naheliegend wäre es, das im Hauptsatz davor verwendete Partizip translata zu wiederholen, doch gibt es keinen Hinweis dafür, dass die Karpen teilweise schon unter Aurelian umgesiedelt worden sind; Hist.

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Aug. Aurelian. 30,4 berichtet lediglich, dass Aurelianus … Carporum copias adflixit. Wegen der ungewöhnlichen Stellung von fere hat Arntzen es durch fusa bzw. caesa ersetzen wollen, auch wenn das Hyperbaton zwischen dem Partizip und erat bei Victor ungewöhnlich ist (vielmehr stehen sonst beide Satzteile nahe beieinander und sind höchstens durch ein Satzglied wie in c. 4,11 progressa mulier erat oder in c. 34,3 proditum ex libris Sibyllinis est getrennt). Dagegen hat Gruter, Komm. 338 anstelle von iam entweder media oder altera schreiben wollen, da so pars näher bestimmt würde. Da aber mindestens ein Wort wie afflicta etwa vor ab Aureliano ausgefallen ist, kann man hier eine Lücke im Text als sehr wahrscheinlich betrachten. Wahrscheinlich ist nicht nur ein Partizip Perfekt Passiv, sondern auch eine Ordinalzahl oder ein Adjektiv wie omnis bzw. cuncta als Attribut zu pars vor fere ausgefallen. die Markomannen ... das Volk der Karpen Die beiden Ereignisse aus tetrarchischer Zeit sind auch in den Cons. Const. (KFHist G 1) 295. 299 verzeichnet, allerdings in zeitlich umgekehrter Reihenfolge. Demnach ereignete sich die Unterwerfung der Karpen und ihre Umsiedelung im Jahr 295 (ebenso Hier. chron. 226b Carporum et Basternorum gentes in Romanum solum translatae), der Sieg über die germanischen Markomannen hingegen erst vier Jahre später im Jahr 299. Wie Hieronymus notiert auch Eutr. 9,25,2 die Unterwerfung der gemeinschaftlich auftretenden Karpen und Bastarner, dazu noch den Sieg über Sarmaten. Auf beide Ereignisse scheint Paneg. 8(5),5,1 f. von 297 anzuspielen (Sarmaticae expeditiones, quibus illa gens prope omnis extincta est ... proxima illa ruina Carporum) und damit die Umsiedelung der Karpen im Jahr 295 zu bestätigen. Victor hat die beiden Ereignisse, die keinem der Tetrarchen namentlich zugewiesen sind und an die vier Großschauplätze (vgl. Komm. zu 39,22 f.) wie angeheftet wirken, vielleicht nur aus kompositorischen Gründen (Kolonlänge) unter Vernachlässigung der Chronologie 39. (44) ac Wahrscheinlich braucht man nicht, wie Shackleton Bailey, Textual notes 180 rät, ac zu tilgen, da Victor hier offenbar den instrumentalen (legibus aequissimis) und den absoluten Ablativ (remoto pestilenti … genere) als zwei gleichwertige, nebeneinanderstehende Elemente betrachtet, die durch ac verbunden werden. ecqui Die elegante Korrektur des überlieferten haec (hec) qui der Codices durch Schott, Komm. 218 ergibt einen sinnvollen Text. Analog etwa zu hisdem (statt iisdem c. 27,1, vgl. dazu den philol. Komm. zur Stelle) tritt

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in der handschriftlichen Tradition auch hier ein parasitäres h vor das Pronomen. durch äußerst gerechte Gesetze Vgl. zu Diocletians Gesetzgebung die in Eck / Puliatti, Diocleziano versammelten Beiträge. Frumentarii ... Agentes in rebus Die Frumentarii waren für die Lebensmittelversorgung ihrer Einheiten eingesetzte Soldaten, die wie Steuereintreiber die Naturalabgaben in den Provinzen einbrachten. Aufgrund ihrer Reisetätigkeit wirkten sie zudem auch als Boten, Informanten und Spione. Im Laufe des 3. Jh. dürfte die Eintreibung der Abgaben angesichts der krisenhaften Situationen rigoroser als bisher durchgeführt worden sein, wobei mit zusätzlich auferlegten Sonderabgaben zu rechnen ist, durch die die Steuerpflichtigen zum Teil arg in Bedrängnis gebracht wurden, vgl. Komm. zu 39,31 Von da an. Der von Victor kritisierte und allseits bekannte Machtmissbrauch der Frumentarii dürfte aber nicht der Grund für ihre Abschaffung gewesen sein. S. McCunn, What’s in a name? The evolving role of the frumentarii, CQ 69 (2019) 340–54 vermutet vielmehr, dass sie im Zuge diverser Reformen unter Diocletian zum einen durch die Agentes in rebus ersetzt wurden und dass andrerseits mit der Neuorganisation des Steuerwesens und der damit einhergehenden Verlagerung der Verantwortung auf die lokale Verwaltung die Frumentarii obsolet geworden seien. Die im Unterschied zu den Frumentarii zentral organisierte und in Rangklassen unterteilte neue Einrichtung (schola) unterstand dem Magister officiorum. Die Hauptaufgabe bestand im staatlichen Botendienst. Gleichzeitig war damit auch die Aufsicht und Kontrolle des Cursus publicus selbst verbunden, wodurch sich unzählige Gelegenheiten zu Korruption und Bereicherung eröffneten, vgl. A. Kolb, Transport und Nachrichtentransfer im Römischen Reich, Berlin 2000, 174–82. Den offensichtlich weitverbreiteten Missständen versuchte Constantius II. gesetzlich beizukommen, vgl. Cod. Theo magister officiorum in der Spätantike, München 1980, 23–39 und 45–50. 39. (45) provectu Die Beförderung der Anständigen findet vor allem in der Ämterlaufbahn statt, vgl. ThLL s. v. provectus Sp. 2302,14 f. moenia sind wohl nicht nur Thermen (so in c. 17,3 und 29,1), wie ThLL s. v. Sp. 1328,53–56 zu dieser Stelle meint, sondern können auch Mauern (so Fuhrmann) oder allgemein öffentliche Bauten (so Festy) bezeichnen. So auch B. Ward-Perkins, From Classical Antiquity to the Middle Ages, Oxford 1984, 46 Anm. 39.

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das Wohlergehen der Steuerzahler Die Übersetzung folgt der Communis opinio. Bereits Dacier, De Caesaribus 172 versteht die stipendiarii als „qui stipendia tributa pendebant“, vgl. OLD s. v. 2a. Ebenso etwa Forbiger („Steuerpflichtige“), Bird („tax-payers“), Festy („tributaires“), also „des provinciaux assujettis au versement du stipendium, impôt prélevé en nature (blé, notamment), mais aussi en argent“, Festy, Aurelius Victor 173 Anm. 24 und C. Soraci, Riflessioni storico-comparative sul terminus stipendiarius, in: M. R. Cataudela u. a. (Hgg.), Strumenti e tecniche della ricossione dei tributi nel mondo antico, Padua 2010, 43–80, hier 68 f. Mit der Sorge um ihr „Wohlergehen“ dürfte auf Diokletians reichsweite Steuerreform angespielt sein, die bereits in 39,31 f. erwähnt und für ihre erträgliche Steuerbelastung gelobt wurde. Das neue System wurde seinerzeit bei der Einführung in Ägypten als eine „heilsame Regelung“ (τύποϲ σωτηρίοϲ) zur Steuergerechtigkeit bezeichnet und überhaupt als eine „Großzügigkeit“ (μεγαλωδορία) der Kaiser ausgegeben, vgl. P. Cairo Isid. 1 in: A. E. Boak / H. C. Youtie (Hgg.), The Archive of Aurelius Isidorus, Ann Arbor 1960, 26 f. Hingegen fasst Kuhoff, 544 Anm. 1211 mit Verweis auf Diocletians Höchstpreisedikt die Stelle anders auf: „Mit stipendiarii sind die Soldaten gemeint, die ein stipendium erbringen“; vgl. OLD s. v. stipendiarius 1. Demnach sei hier das 301 erlassene Preisedikt gemeint, das dazu dienen sollte, die Soldaten (milites nostri) auf ihrem Marsch durch die Provinzen vor überteuerten Waren zu schützen, durch die sie ihres Einkommens beraubt würden, vgl. Edict. Diocl. praef. 14 (distractione unius rei donativo militem stipendioque provari). Da jedoch Victor für ‚Soldaten‘ gewöhnlich miles/milites (25mal) oder militares (8mal) gebraucht und auch das Höchstpreisedikt nicht von stipendiarii, sondern milites spricht, kann Kuhoffs Deutung kaum zutreffen, zumal Victor auch sonst keine übermäßige Sympathie für diesen Personenstand hegt. Ebenso wenig vermag Fuhrmanns Übersetzung („Unterstütz sich fragwürdig ist, zu überzeugen, weil damit die Sorge um die annona urbis aufgegriffen und in bloß variierter Form wiederholt werden würde. Die uralten Kultpraktiken ... gepflegt Ein dezenter Hinweis auf Diocletians religiösen Konservatismus, der auf der theokratischen Ideologie der Tetrarchie basierte (vgl. 39,18) und in der Verfolgung von Manichäern und Christen mündete; vgl. die im Manichäeredikt (Coll. Mos. 15,3,3) geäußerte Bedrohung der veteriores religiones durch die neuen „Sekten“ mit M. T. Fögen, Die Enteignung der Wahrsager, Frankfurt 1997, 27–31. Möglicherweise wurde unter Diocletian sogar die Arvalbruderschaft wie-

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derbelebt, vgl. Barnes, Constantine Dynasty 26. Der konservativen Haltung Diocletians in religiösen Dingen, die Victor indirekt gutheißt (vgl. castissime), steht später der Umgestaltungswille Konstantins (41,12) konträr entgegen, vgl. Neri, Aurelio Vittore 28. Victor selbst dürfte das Vorgehen Constantius II. bekannt gewesen sein, der während seines noch nicht lange zurückliegenden Rombesuchs (357 n. Chr.) dadurch mit „uralten Kultpraktiken“ gebrochen hatte, dass er den Victoriaaltar aus dem Senatsgebäude entfernen ließ, vgl. Ambr. epist. 18,32 und Symm. rel. 3,3 f. neuen und schön gestalteten Gebäuden Ähnlich wie in 21,4 Religions- und Baupolitik (zufällig?) gepaart sind (vgl. 24,5), folgen hier auf eine religionspolitische Äußerung Angaben zur öffentlichen Bautätigkeit, bei denen es überwiegend, wenn nicht ausschließlich um Thermen geht (s. philol. Komm.). Zwar wurden in Rom unter Diocletian und Maximian mehrere öffentliche Gebäude neu errichtet, vgl. Origo Rom. (KFHist B 5) 79 mit Komm., aber das tatsächlich mit Abstand bedeutendste Neubauprojekt waren die nach Diocletian benannten Thermen an der Stelle, wo die Hügel Quirinal und Viminal ineinander übergehen. Die erhaltene Dedikationsinschrift hebt zudem ausdrücklich hervor, dass die Anlage omni cultu („mit jeglichem Dekor“) ausgestattet war, vgl. CIL VI 1130 = ILS 646 mit F. A. Bauer, Stadt ohne Kaiser. Rom im Zeitalter der Dyarchie und Tetrarchie, in: Fuhrer, Rom und Mailand 3–85, hier 54 (zur Skulpturenausstattung). Für Karthago ist in dieser Zeit ebenfalls der Bau von Thermen belegt, die Hieronymus in einem Zug mit den stadtrömischen nennt: Thermae Romae Diocletianae factae et Maximianae Carthagini (chron. 227g). Wie in Karthago waren in Mailand die neuen Monumentalthermen, die Ausonius als Zierde des neuen Stadtviertels heraushebt (Herculeum lavacrum, vgl. Auson. urb. 7,7) nach Maximian (Herculius) benannt, wobei Maximian seine Residenzstadt nachweislich auch mit anderen Bauten ausstattete, vgl. A. Haug, Die Stadt als Repräsentations Jh. n. Chr., in: Fuhrer, Rom und Mailand 111–36, hier 113–6. Für Nikomedeia bezeugt Libanios or. 61,8 u. 17 eine von Diocletian erbaute und nach ihm benannte Thermenanlage, die von Lact. mort. pers. 7,8–10 allerdings verschwiegen wird. Zur besonderen Bedeutung der Thermen als beneficia der Kaiser vgl. H. von Hesberg, Residenzstädte und ihre höfische Infrastruktur, in: Boschung / Eck, Die Tetrarchie 133–67, hier 149 f. und die übrigen Städte Hierbei ist – über Karthago, Mailand und Nikomedeia hinaus – vornehmlich an die anderen tetrarchischen Residenzstädte zu denken, etwa Sirmium, Thessaloniki oder Trier. Im Fall der soge-

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nannten Kaiserthermen in Trier ist allerdings nicht sicher, ob ihr Baubeginn noch in die erste Tetrarchie oder schon in die Zeit Konstantins fällt, vgl. H.-P. Kuhnen (Hg.), Das römische Trier, Stuttgart 2001, 123 f. Auch für Antiocheia ist ein von Diocletian erbautes und nach ihm benanntes Bad bei Ioh. Mal. 12,38 p. 236 Thurn bezeugt sowie eins in Alexandreia, vgl. Barbarus Scaligeri 199 (Chron. min. 1,290). 39. (46) von so großer Wollust … Furcht vor Zerwürfnissen Der Vorwurf gegen Maximian, zu sexueller Ausschweifung zu neigen, auch bei Iul. Caes. 315 C. Dort heißt es überdies, er sei „vorwitzig und untreu“ und „harmoniere nicht ganz mit dem Quartett“, obwohl zuvor noch die offensichtliche Eintracht unter den vier Männern hervorgehoben wurde (315 B). Auch bei Victor tut sich eine Diskrepanz auf, wenn 39,28 die Eintracht unter den Tetrarchen gepriesen wird, aber Diocletian nun offene Aussprachen angeblich lieber vermied. nicht einmal gegenüber … Geiseln Die Passage reflektiert den veränderten Status von Geiseln in der Spätantike, die weniger Symbole der Unterwerfung waren, als vielmehr Gegenstand von diplomatischen Angeboten und Verhandlungen, und daher auch eine respektvolle Behandlung erwarten durften, vgl. Kosto, Transformation of hostageship, bes. 271. 281 f. (47) Daher wurden auch die Streitkräfte … verringert wurde Die Erklärung, Diocletian habe die Truppenverbände aufgrund seiner tiefsitzenden Zweifel an der Eintracht der Tetrarchen reduziert, wirkt konstruiert, steht im Widerspruch zur beteuerten Eintracht (s. Komm. zu 39,46) und ist auch historisch unglaubwürdig. Das gesamte Kolon dürfte nachträglich in die Erzählung eingefügt sein, wie auch durch den relativischen Anschluss des nächsten Satzes (quo), der metu in 39,36 aufgreift, nahegelegt wird. Ein ähnlicher Fall, für den Victor verantwortlich zeichnet, begegnet weiter unten (vgl. Komm. zu 41,11 bemächtigte sich plötzlich). Der Einschub wird vielleicht vor dem Hin tion des Maxentius verständlich, mit deren Beschreibung er auch begrifflich verbunden zu sein scheint (s. u.). Besagter Eingriff Diocletians in die militärischen Organisationsstrukturen wäre allenfalls im Zuge der Heeresreformen plausibel. Aber die Aussage, die „Zahl der Prätorianerkohorten“ sei verringert worden, wird durch ein Militärdiplom aus nachdiocletianischer Zeit (7. Jan. 306) widerlegt, das die traditionelle Zahl von zehn cohortes praetoriae aufweist, vgl. AE 1961, 240 = M. M. Roxan, Roman military diplomas 1954–1977, London 1978, 100 mit Anm. 7: demnach sei Victors Behauptung so zu verstehen, dass lediglich die Zahl der Soldaten

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in den Prätorianerkohorten reduziert wurde. Schwierigkeiten bereitet aber auch der zweite Teil des Kolons (in armis vulgi numero), da die Bedeutung von vulgus unklar ist. Die schon auf J. Gruter zurückgehende Interpretation, dass die einfachen, im Vergleich zu den Prätorianern niedriger gestellten Soldaten der drei Cohortes urbanae gemeint seien, vertritt auch Speidel, Maxentius 257 mit Anm. 21, vgl. dazu den Komm. zu 40,5 (zur strittigen Bedeutung des an der Erhebung des Maxentius beteiligten vulgus). Dagegen versteht Dufraigne, Aurelius Victor 189 Anm. 52 vulgus pauschal als „la masse des troupes cantonnées à Rome“. Festy, Aurelius Victor 173 Anm. 25 wiederum bezieht das gesamte Kolon auf die Prätorianer. Ihm zufolge besagt Victor, dass sowohl die Kohortenzahl (was aber nachweislich nicht zutreffe) als auch ihre Mannschaftsstärke (in armis vulgus) reduziert wurde. Unabhängig von der strittigen Bedeutung des Begriffs vulgus, äußert Kuhoff, Diokletian 804 generell Zweifel an Victors Aussage und gibt zu bedenken, dass damals ohnehin „die Mannschaftsstärke der einzelnen Einheiten durch die Abkommandierung von vexilla ... verringert worden war“. U. Roberto, Romanis suis: i tetrarchi, la libertas di Romani e l’iscrizione dedicatoria delle Terme di Diocleziano, in: T. Gnoli (Hg.), Aspetti di tarda antichità, Bologna 2019, 119–39, bes. 125 zählt den Vorgang zu Diocletians Bestrebungen, die Stadt Rom zu entmilitarisieren und ihre „importanza politica“ zu reduzieren. 39. (48) fragorem Übertragen kann fragor nach ThLL s. v. Sp. 1233,54 f., der diese Stelle anführt, auch die Wucht des Zusammenbrechens anzeigen. celebrato Das von OP überlieferte celebrator, das wohl ein Influenzfehler zu scrutator ist, korrigiert Schott richtig in celebrato, das zu vicesimo anno (analog etwa zu c. 4,14 und 15,4) gehört. minus Da ein Adverb bei esse auch c. 23,2 hoc impurius ne improbae … mulieres fuere (vgl. dazu auch H.Text nicht, wie Dacier, De Caesaribus 172 f. vorschlägt, zu verändern. veri gratia ThLL umschreibt s. v. gratia Sp. 2216,26 f. den Ausdruck an dieser Stelle mit veritas sincera. gratia scheint hier aber eher den Wert bzw. den Kredit und das Prestige, die man der Wahrheit beimisst, zu bezeichnen (ähnlich c. 20,2). Denn als Erforscher bevorstehender Ereignisse Die freiwillige und in der römischen Kaisergeschichte beispiellose Abdankung Diocletians (und Maximians) vom Kaiseramt war für die Zeitgenossen vermutlich nur schwer nachvollziehbar. Aus dem weitverbreiteten Münztyp mit der Le-

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gende PROVIDENTIA DEORVM QVIES AVGG ist geschlossen worden, dass der Rücktritt der beiden Augusti der Öffentlichkeit als eine weise Vorausschau der Götter präsentiert wurde, vgl. Kuhoff, Diokletian 325. Victors Erklärung – er beruft sich auf ungenannte Quellen (vgl. 39,47 plures volunt) – schreibt sie hingegen Diocletians Erkundung der Zukunft zu (imminentium scrutator), deren Kenntnis ihn in Furcht versetzt, vgl. Zos. 2,10,5. Bei Laktanz will Diocletian gerade umgekehrt aufgrund seiner Ängstlichkeit die Zukunft erforschen (mort. pers. 10,1 scrutator rerum futuarum). Das dem Reich drohende innenpolitische Ungemach, das Diocletian angeblich zu seinem Rücktritt veranlasst, bleibt wie bei einer Prophezeiung vage. Als vaticinium ex eventu spielt es auf die nachfolgend beschriebenen Ereignisse an, vor allem die Bürgerkriege zwischen Konstantin und Maxentius bzw. Licinius und Maximinus Daia sowie endlich zwischen Konstantin und Licinius, die nach der relativen Stabilität der 1. Tetrarchie unter Diocletian ausbrachen. Aufgrund dieses Erklärungsmodells für Diocletians Rücktritt braucht Victor – anders als etwa Eutrop 9,27,1 – nicht die zunehmende Altersschwäche des Kaisers zu bemühen. Vielmehr hebt er umgekehrt explizit seine volle Lebenskraft (valentior) hervor und unterstreicht damit die Einzigartigkeit des von ihm bewunderten Vorgangs. Vgl. Kolb, Diocletian 128 f. zu den unterschiedlichen antiken Erklärungen für die Abdankung. nach Feier des zwanzigsten Regierungsjahres Der Hinweis auf die Vicennalien Diocletians dient zugleich als Angabe seiner Herrschaftsdauer, an der sich wiederum die des Maximian festmacht. Das am 20. November 303 in Rom gefeierte Jubiläum zu Beginn von Diocletians zwanzigsten Amtsjahres wurde zugleich als ‚Abschluss‘ seiner Regierung begriffen, nach dessen Ablauf die von langer Hand geplante Abdankung der beiden Augusti erfolgen sollte. Verbunden war dieses tetrarchische Herrschaftskonzept mit einer offiziellen Stilisierung der ellen Amtsperiode der beiden Augusti von zwanzig Jahren, vgl. Kolb, Diocletian 150–8. Wie aus der geringeren Jahreszahl bei Maximian aber hervorgeht („ein Jahr weniger“), beruhen Victors Angaben auf der faktischen Herrschaftsdauer der beiden Kaiser und zwar in der bei ihm üblicherweise gerundeten Form. Die genaue Herrschaftsdauer Diocletians betrug 20 Jahre, 5 Monate und 11/12 Tage; Maximian herrschte ungefähr ein Jahr weniger, vgl. Kienast, Kaisertabelle 255. 262 f. mit größter Mühe den Herculius ... zum selben Entschluss gebracht Die Nachricht, dass Maximian nur widerwillig von seinem Amt zurücktrat,

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findet sich auch bei Eutr. 9,27,1 und ähnlich bereits bei Lact. mort. pers. 26,7 qui (sc. purpuram) deposuerat invitus (von Galerius dazu gedrängt). Allerdings sind durchaus Zweifel an dem Wahrheitsgehalt dieser Behauptung, die mitunter auch von der Forschungsliteratur kolportiert wird, berechtigt, da es sich unter Umständen um einen Rückschluss handelt, der auf Maximians späterer Rückkehr ins Kaiseramt basiert, vgl. Kolb, Diocletian 145 und Kuhoff, Diokletian 302. durch die unterschiedlichen Urteile Victor fällt am Ende insgesamt ein positives Urteil über Diocletian, wobei der ausschlaggebende Faktor dessen freiwillige Abdankung ist, aus der Victor wiederum auf dessen Charakter (excellenti natura) schließt. Bereits in 12,3 rechnet er Nerva seinen angeblichen Entschluss, freiwillig abzutreten, hoch an. Auch Eutrop äußert sich 9,28 (inusitata virtute usus, ut ...) abschließend ganz ähnlich anerkennend über Diocletian. Gleichwohl verschweigt Victor nicht, dass das Urteil der Nachwelt über Diocletian gespalten ist, und erweckt damit den Eindruck, verschiedene Quellen eingesehen zu haben. Hierbei ist aber kaum an einen Kontrast zwischen dem Bild eines bösartigen Verfolgers bei christlichen Autoren und einem vermeintlichen positiven Bild in der paganen Literatur zu denken. Vielmehr dürften einfach die konträren Gesamturteile gemeint sein, die nach Abwägung der guten und schlechten Eigenschaften Diocletians gefällt worden sind. Denn auch Victor selbst führt zu Beginn des Kapitels (s. Komm. zu 39,2–6. 8) die schlechten Seiten des Kaisers auf: Es sind dies der Hang zu prunkvoller Kleidung und die Forderung, als dominus angesprochen und unterwürfig verehrt zu werden (möglicherweise wurde ihm auch noch seine Strenge als etwas Negatives angerechnet). Doch für Victor gilt: „diese Eigenschaften an Valerius wurden durch seine übrigen Qualitäten überdeckt“ (39,8). Daher gelangt er mit dem Anspruch historischer Wahrheit – und im Gegensatz zu den Kritikern des Kaisers – zu einem guten Gesamturteil. ins gewöhnliche Leben zurückgekehrt Die vielleicht etwas naive Vorstellung, Diocletian habe nach seiner Abdankung ein gewöhnliches Leben als Zivilperson geführt, findet sich ähnlich auch bei Eutr. 9,28 (privatus in villa ... praeclaro otio senuit) und wird später in Epit. Caes. 39,5 f. noch weiter ausgeschmückt. Richtig ist, dass Diocletian und auch Maximian den Purpur zugunsten der zivilen Toga abgelegt (vgl. die Abb. bei Kolb, Herrscherideologie 163) und sich jeweils auf ihren privaten Landsitz zurückgezogen haben. Gleichzeitig sind sie aber zu Seniores Augusti weiter in der Hierarchie aufgestiegen (vgl. etwa ILS 646). Sie verzichteten nach

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der Abdankung also keineswegs auf ihre Augustus-Würde, sondern lediglich auf die Ausübung der Macht, vgl. Kolb, Diocletian 151 f. und Kuhoff, Diokletian 320–6; 784–7. Victor scheint kein tiefergehendes Verständnis für die dem diocletianischen System inhärente Regelung des Herrschaftswechsels besessen zu haben, vgl. aber H. Brandt, Die Tetrarchie in der Literatur des 4. Jh. n. Chr., in: Boschung / Eck, Die Tetrarchie 401–19, hier 410 f. 40. (1) Italiam Der bloße Akkusativ der Richtung ohne Präposition kommt in der klassischen Prosa bei Ländernamen nur als Ausnahme vor, ist aber im Spätlatein durchaus belegt, vgl. H.-Sz. 50. Während also Constantius und Armentarius ... nachfolgten Mit der öffentlichen Abdankung Diocletians in Nikomedeia und Maximians in Mailand am 1. Mai 305 rückten gemäß dem tetrarchischen System die bisherigen Caesares Constantius (I.) und Galerius als neue Augusti automatisch an ihre Stelle, vgl. Lact. mort. pers. 19; Eutr. 9,27,2; 10,1,1 und Cons. Const. (KFHist G 1) 304 mit Komm. Severus und Maximinus ... bestimmt Die beiden neuen Caesares kamen ebenso wie die ersten vier Tetrarchen aus Illyricum und entstammten auch demselben Milieu, vgl. Komm. zu 39,26. Maximinus Daia, der Neffe des Galerius, war wahrscheinlich in der heutigen Ortschaft Šarkamen (Dacia Ripensis) beheimatet, die ca. 40 km von Galerius’ Heimatort Romuliana / Gamzigrad entfernt liegt, vgl. Popović, Šarkamen 83; 89–95. Der Heimatort des Severus ist unbekannt. Anders als Eutr. 10,2,1 (vgl. aber 10,1,1) und andere Quellen, die die Erhebung der beiden Caesares zu Unrecht Galerius zuschreiben, bleibt hier offen, wo und von wem sie ernannt wurden; vgl. zur Proklamation des Severus durch Maximian in Mailand bzw. des Maximinus durch Diocletian in Nikomedeia Cons. Const. (KFHist G 1) 304 mit Komm. und Kuhoff, Diokletian 785 f. Die Angabe über die Gebietszuteilung entspricht jener bei Eutr. praefecit, et Severum, cui Italiam dedit. Unter dem Gebiet, „welches Iovius besessen hatte“, ist in Wirklichkeit nur die Diözese Oriens zu verstehen (vgl. Lact. mort. pers. 19,6; 36,3), auch wenn Eutrop und Victor vermutlich die Großpräfektur Oriens im Sinn haben. Zum Gebiet des Severus gehört neben Italia auch Africa, aber gegen Origo Const. 9 nicht Pannonia, s. Kuhoff, Diokletian 788. Dass der Text die iberische Halbinsel implizit, aber fälschlich Severus zuschreibe, wie J. M. Alonso-Núñez, Aurelius Victor et la Péninsule Ibérique, Latomus 41 (1982) 364 zu vertreten scheint,

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trifft nicht zu, da Constantius als Nachfolger des Maximian auch dieses Gebiet übernimmt. 40. (2) ad vicem Das von OP überlieferte adducem bzw. ad ducem, das in diesem Satz keinen Sinn ergibt, korrigiert Schott mit Recht in ad vicem. Epit. Caes. 41,2 gibt umschreibt Victors Ausdruck vereinfachend mit religionis specie obses teneretur. konnte Konstantin ... nicht ertragen Gemeint ist die Ernennung des Severus und Maximinus zu Caesares, da implizit Konstantin selbst, der hier erstmals genannt wird, sich zu dem Amt berufen fühlte. Seine Erwartungshaltung wird aber durch keinerlei Hinweis auf die Stellung seines Vaters Constantius begründet, sondern mit seinem gleichsam angeborenen Drang, zu herrschen. Hierbei handelt sich nur um einen psychologisierenden Rückschluss, wie er in ähnlicher Weise z. B. in Hist. Aug. Car. 15,1 bei Diocletian vor seiner Kaiserwerdung gezogen wird (semper in animo Diocletianus habuit imperii cupiditatem), s. Rosen, Konstantin 45. Gedankeneinfall einer Flucht ... wie eine Geisel Als Sohn des an der Herrschaft beteiligten Caesars Constantius I. sammelte Konstantin als Stabsoffizier unter Diocletian und Galerius im Osten militärisch-administrative Erfahrungen; gleichzeitig garantierte er hierdurch auch die Loyalität des Constantius zum Kaiserkollegium, vgl. Origo Const. 2 Constantinus ... obses apud Diocletianum et Galerium sub iisdem fortiter in Asia militavit; Epit. Caes. 41,2 (wo irrtümlich Rom statt Nikomedeia genannt wird) dum iuvenculus a Galerio in urbe Roma religionis specie vice obsidis teneretur; Philost. 1,5a,1–2; 7–9, vgl. Kosto, Transformation of hostageship 272, und zu Konstantins früher Laufbahn Barnes, Constantine Dynasty 51–6. Seine Reise mit dem Cursus publicus belegt Paneg. 6(7),7,5, aber das Detail, wie er unterwegs die Staatspferde ausgeschaltet hat, ist laut Barnes 61 Teil der konstantinischen Propaganda. Die Anekdote findet sich bereits bei Lact. mort. pers. 24,6 f., vgl. noch Origo Const. 4 (3) patrem vel parentem Da Epit. Caes. 41,2 im gleichen Zusammenhang nur forte iisdem diebus ibidem Constantium parentem fata ultima perurgebant hat, glaubt Havet, Aurélius 138 f., dass patrem eine Glosse zum ‚gehobenen‘ parentem gewesen und in einem zweiten Schritt parentem ersetzt habe. In einem weiteren Schritt sei parentem als Variante mit vel angefügt wieder in den Text gerutscht. Daher tilgt er patrem vel. Diese Auffassung teilt auch Dufraigne. Die gegenteilige Meinung vertritt Cameron, Two Glosses 20 f. Er meint mit Recht, dass „parens is surely far too common a word to be glossed by the scarcely more common pater“. Viel-

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mehr habe ein Kopist, der die Epitome zur Hand hatte, parentem als Variante an den Rand oder über patrem geschrieben. In der Folge sei parentem als Variante, die mit vel verbunden wird, in den Text geraten. Daher schließt er: „There is no reason to suppose that Victor did in fact write parentem.“ D’Elia, Per una nuova edizione critica 182 f. bezweifelt, dass die Unterscheidung zwischen „pater, padre in rapporto alla sfera giuridicosociale, e parens, padre come procreatore“ im Bewusstsein Victors und seiner Leser war. Wie Havet hält auch er die mit vel eingefügte varia lectio parentem für die korrekte Lesart und tilgt patrem vel. Wenn man annimmt, dass an dieser Stelle parens, das bei Victor sonst immer „Erzeuger, Vater“ bedeutet, einen anderen Grad der Verwandtschaft ausdrückt (wie in Eutr. 1,8,2 Brutus parens et ipse Tarquinii, wo es „Vetter“ bedeutet) und dass sich Victor nicht sicher war, ob Konstantin der Sohn des Constantius war, kann man den überlieferten Text bewahren. Vgl. den hist. Komm. urgebant Da Epit. Caes. 41,2 perurgebant hat, hält Havet, Aurélius 139 diese Form für die ursprüngliche Lesart von Victors Text. Dieses sei mit einem saut du même au même von r zu r zunächst pergebant geworden, von P als agebant gelesen und von O in urgebant korrigiert worden. Doch kommt das Simplex urgere bei Victor im Gegensatz zum Kompositum auch c. 39,30 vor, weshalb es der Lesart von P vorzuziehen ist, da agebant schwer mit ultima als Subjekt zu verbinden ist. Ebenso kann die Form agebant von P sowohl aus pergebant als auch aus urgebant entstanden sein. Im Übrigen hat die Epitome oft abweichende Formulierungen gegenüber Victor (vgl. Einl. S. 36 f.), auch dort, wo eine gemeinsame Quelle oder Victor selbst die Quelle der Epitome war. Daher kann man am überlieferten Text festhalten. das Lebensende seines Vaters ... bevorstand Victor berichtet den legendenhaften Hergang, wonach Konstantin in dem Moment bei seinem Vater in Eburacum (York) diese Version begegnet bereits bei den konstantinfreundlichen Autoren Laktanz (mort. pers. 24,8) und Euseb (vit. Const. 1,18,2; 21,1). In Wirklichkeit dürfte Konstantin in Bononia (Boulogne-sur-Mer) zu Constantius gestoßen sein, als dieser erst noch im Begriff war, nach Britannien überzusetzen und einen Feldzug gegen die Pikten zu führen, vgl. aber Omissi, Emperors and Usurpers 114. Möglicherweise nahm auch Konstantin an dem Feldzug teil, vgl. Paneg. 6(7),7,1–5; Origo Const. 4; Lib. or. 59,17. Vaters und Schöpfers Die Doppelung der Vaterschaft lässt sich vielleicht damit erklären, dass Constantius I. einerseits der leibliche pater ist,

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aber daneben auch der politische parens im Sinne von auctor imperii. Auf diese Weise würde die Rechtmäßigkeit der Machtübernahme Konstantins unterstrichen werden, die vermutlich bald nach Constantius’ Tod in konstantinfreundlichen Kreisen propagiert wurde. Eine solche, keineswegs sicher belegte Designierung durch den Vater ist erst mit Paneg. 6(7),7,3 ab 310 greifbar und wurde auch noch unter Constantius II. kolportiert, vgl. Iul. or. 1,7 D. Siehe auch nächste Lemmata. Weniger plausibel erscheint hingegen die Erkärung von Rosen, Konstantin 69, der die Doppelung für eine Verlegenheitslösung Victors hält angesichts der widersprüchlichen Überlieferung des juristischen Verhältnisses zwischen Constantius I. und Konstantins Mutter Helena (vgl. Komm. zu 39,24 f.). 40. (4) ergriff Konstantin ... die Herrschaft Konstantins Proklamation fand am 25. Juli 306 statt, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 306 mit Komm. Ähnlich wie bei Eutr. 10,2,2 (creatus est imperator) meint imperium die Ernennung zum Augustus, vgl. Lact. mort. pers. 24,8 f. (Constantinus Augustus) und 25,5. Bezeichnend ist vielleicht, dass Severus in 40,6 weiterhin (nur) Caesar ist. Auch wenn Paneg. 7(6),5,3 und Origo Const. 4, vgl. Zos. 2,9,1, eine Erhebung Konstantins zum Caesar behaupten, nimmt die Communis opinio eine Proklamation als Augustus an, vgl. etwa Omissi, Emperors and Usurpers 105, dagegen Wienand, Der Kaiser als Sieger 119–27. Feststeht jedenfalls, dass Konstantin alsbald im Rang eines Caesars offiziell in das tetrarchische Kollegium eingebunden war, s. nächstes Lemma. mit der Unterstützung aller Anwesenden Gemeint sind die Soldaten, vgl. Origo Const. 4 (Constantinus omnium militum consensu Caesar creatus); Eutr. (KFHist B 3) 10,2,2 mit Komm.; Iul. or. 1,7 D. Epit. Caes. 41,3 weist den identischen Wortlaut wie Victor auf, hebt aber zusätzlich die besondere Rolle des Alamannenkönigs Crocus hervor, wobei unklar ist, ob Victor dieses Detail auch kennt und Epitome de Caesaribus es aus einer anderen Quelle geschöpft hat. Die aktive Beteiligung eines Barbaren an der Erhebung wirft sicherlich kein vorteilhaftes Licht auf den Vorgang. Betont wird das allgemeine Einvernehmen bei der Erhebung Konstantins, um die Legitimität des Aktes, der nicht im Einklang mit der tetrarchischen Nachfolgeregelung stand, zu betonen. Denn wie aus Paneg. 7(6),8,2 und Lact. mort. pers. 25,1–3 hervorgeht, wurde Konstantins eigenmächtige Erhebung erst nachträglich von Galerius sanktioniert, vgl. dazu Rosen, Konstantin 102 f. und Maraval, Constantin le Grand, Paris 2011, 38–40.

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40. (5) bestätigten in Rom die Menge und die Prätorianerschwadronen Die Übersetzung von vulgus turmaeque praetoriae folgt der Interpretation von Fuhrmann sowie Festy („le peuple et les troupes prétoriennes“) und Bird („the common people and the praetorian units“), in der neben dem Militär auch die Bevölkerung der Stadt Rom an der Erhebung bzw. Akklamation (confirmant) beteiligt ist. Nicht völlig auszuschließen ist jedoch die Deutung von Speidel, Maxentius 256 f. mit Anm. 21, wonach hier die ‚Stadtkohorten‘ (vulgus) und die ‚Equites Singulares Augusti‘ gemeint seien und von einer Beteiligung des Volkes mithin gar nicht die Rede sei. Vgl. Komm. zu 39,47. Auch die Parallelüberlieferung nennt überwiegend nur die Prätorianer: Eutrop betont ihre Rolle sogar an zwei Stellen (10,2,3 u. 4), vgl. auch Origo Const. 6 und Zos. 2,9,3. Für eine Deutung des vulgus als Stadtvolk spricht allerdings der Bericht des Laktanz (mort. pers. 26,2 f.). Demnach war das Volk in Rom in aufgebrachter Stimmung (concitatus), weil es angesichts der neuen Besteuerungspläne des Galerius um seine bisherigen Privilegien bangte. Zur gleichen Zeit bestand bei dem Rest der in Rom verbliebenen Prätorianer die Sorge, dass Galerius ihre gut besoldete Elitegarde ganz auflösen würde. Dem seien sie aber durch die Erhebung des Maxentius zuvorgekommen, was auch beim Volk auf Zustimmung stieß (non invito populo), vgl. Bird, Liber de Caesaribus 179 Anm. 6; Kuhoff, Diokletian 802 f., der die alleinige Entscheidungsrolle des Galerius zugunsten des tetrarchischen Kollegiums relativiert. obwohl sich sein Vater lange dagegen sträubte Die Beweggründe hinter Maximians vergeblichem Versuch, Maxentius von der Kaisermacht abzuhalten, bleiben ungenannt. Neri, Medius princeps 58 sieht hier ein positives Bild von Maximian gezeichnet, weil dieser den Sohn vor den mit der Machtergreifung verbundenen Risiken bewahren will, zumal er sich wegen dessen „Schlaffheit“ sorgt (vgl. 40,20 f.); hierbei handele es sich um Reminiszenzen des v litierten Maximian. Näher liegt vielleicht aber die umgekehrte Annahme, dass der knappe Einschub auf die Spannung zwischen Vater und Sohn abhebt und ihre spätere Entzweiung an diese Stelle vorverlegt. Dabei ist an den dramatischen und breit bezeugten Vorfall im Jahr 308 zu denken, als Maximian in aller Öffentlichkeit versucht, seinem Sohn den Purpur von den Schultern zu reißen, vgl. Paneg. 12(9),3,4; Lact. mort. pers. 28,3 f. (vor Volk und Soldaten) und Eutr. 10,3,1 (vor Heeresversammlung). Neri, Aurelio Vittore 30 hebt hervor, dass Maximian hier als der legitime Vater des Maxentius gilt, obwohl Victor sonst ein der konstantinischen Propa-

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ganda verpflichtetes Bild des Maxentius zeichnet, und sie diesen als einen dem Maximian untergeschobenen Bastard ausgibt, vgl. etwa Paneg. 12(9),4,3. 40. (6) befahl er dem Caesar Severus ... in der Nähe von Rom war Die Erhöhung des Severus vom Caesar zum Augustus ist Victor anscheinend nicht bekannt. Zum Zeitpunkt der Usurpation des Maxentius am 28. Okt. 306 hat Severus das Augustusamt des Westens aber bereits inne, vgl. die relative Chronologie bei Lact. mort. pers. 25 f. (Konstantins Einbindung ins Herrscherkollegium, Ernennung des Severus zum Augustus, Usurpation des Maxentius); Kienast, Kaisertabelle 278. Zos. 2,10,1 stimmt mit Victor überein, indem er den ‚Caesar‘ Severus auf Befehl des Galerius gegen Maxentius vorgehen lässt. Severus befand sich damals in seiner Residenzstadt Mailand. (7) er starb ... eingeschlossen in Ravenna Vgl. Eutr. 10,2,4 Severus fugiens Ravennae interfectus est mit Bleckmann, KFHist B 3 Komm. z. St. Die Angabe über Severus’ Tod in Ravenna geht auf die EKG zurück, die offenbar einen zeitgenössischen Bericht über die Belagerung in Ravenna und seinen Tod (an einem ungenannten Ort) verkürzt wiedergegeben hat, vgl. Lact. mort. pers. 26,9–11. Severus starb in oder bei Rom, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 307 (die im Komm. z. St. vertretene Behauptung, Severus sei auf Befehl des Maxentius hingerichtet worden, scheint mir inzwischen fragwürdig zu sein). (8 f.) Licinius zum Augustus ... aus Italien ab Die Erhebung des Licinius zum Augustus des Westens fand an der sogenannten Konferenz von Carnuntum am 11. November 308 statt, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 308. Zu diesem Zeitpunkt war Galerius allerdings schon in Rom gewesen; er hatte zwischen Sommer und Herbst 307 vergeblich versucht, die Stadt zu belagern und Maxentius zu beseitigen. Victors relative Chronologie vertauscht die Reihen nius unmittelbar an den Tod des Severus (40,7) anknüpft. In Wirklichkeit war das Amt des Augustus des Westens ungefähr ein Jahr lang vakant geblieben. Vgl. Dufraigne, Aurelius Victor 192 Anm. 12 und Bird, Liber de Caesaribus 180 Anm. 8. (9) Wenig später Galerius starb im Frühjahr 311, d. h. ungefähr zweieinhalb Jahre nach Erhebung des Licinius, so dass mit der Angabe „wenig später“ diese Zeitspanne relativ ungenau beschrieben wird. Da Eutr. 10,4,2 den Tod des Galerius sogar mit confestim („sofort“) an die Erhebung des

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Licinius anschließt, dürfte die enge Verknüpfung der beiden Ereignisse bereits in der EKG vollzogen worden sein. Roden riesiger Wälder und Ableiten des Pelso-Sees Die nur von Victor berichteten Maßnahmen hat er vielleicht während seines Aufenthalts in Sirmium in Erfahrung gebracht, vgl. Bird, Liber de Caesaribus 181 Anm. 9. Die Drainage des Plattensees datiert Kovács, Pannonia during the late Roman period 14–16 (mit älterer Lit.) zwischen 299/300 und 305, aber ein späterer Zeitpunkt scheint auch nicht ausgeschlossen. Dabei dürfte der Entwässerungskanal durch dasselbe Gebiet verlaufen sein, wie der heutige Sió-Kanal, der im 19. Jahrhundert angelegt wurde. Galerius’ Maßnahmen zur Kulturlandgewinnung stehen möglicherweise mit der Ansiedlung von Barbaren auf römisches Gebiet in Verbindung. 40. (10) benannte die Provinz nach seiner Frau Die nur unzureichend begründete, aber recht ungewöhnliche Benennung einer Provinz nach einem weiblichen Mitglied des Herrscherhauses steht wahrscheinlich im direkten Zusammenhang mit der Verleihung des Augusta-Titels an Galeria Valeria (PLRE 1,937), der Tochter Diocletians, um 307, vgl. Leadbetter, Galerius 205; 227. Durch die Erhöhung seiner Gattin unterstrich Galerius in einer kritischen Phase der Tetrarchie seine Position als ranghöchstes Mitglied im Kaiserkollegium sowie seine dynastische Verbindung zu Diocletian, vgl. Ch. R. Raschle, Provinznamen und Augustae im spätrömischen Reich, in: A. Neumann-Hartmann / Th. S. Schmidt, Munera Friburgensia: FS zu Ehren von M. Billerbeck, Bern 2016, 247–62, bes. 250–3; M. Casella, Il ruolo di Galeria Valeria nelle dinamiche della politica tetrarchica, Klio 102 (2020) 236–72, hier 266–8. Die neue Provinz war durch eine Abtrennung des östlichen Teils der Pannonia Inferior entstanden (Amm. 19,11,4), vgl. zum Verlauf der Provinzgrenzen Kovács, Pannonia during the late Roman period 18–20. (11) Seine Herrschaft dauerte … der Herrschaftsdauer in Caesar- und Augustusamt unterscheidet sich von der Angabe bei Eutr. 10,1,3, der für Constantius nur eine Gesamtregierungszeit angibt („starb im 13. Jahr“). Die Dauer des Caesariats betrug gemäß Inklusivzählung tatsächlich 13 Jahre (293 bis 305), aber während Constantius bereits 306 starb, war Galerius noch bis 311 im Amt, war also sechs, nicht fünf Jahre lang Augustus, vgl. im Einzelnen Kienast, Kaisertabelle 269 f. und 272 f.

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40. (12) proficiscerentur Der Konjunktiv Imperfekt (ebenso am Ende des Satzes offenderent und haberentur) drückt hier wohl einen Potentialis der Vergangenheit aus, vgl. Komm. c. 8,1 foret. (12 f.) dank ihrer natürlichen Begabungen Vgl. Einl. S. 14. (13) paraverint Im klassischen Latein wird normalerweise gloriam mit parere verbunden (etwa Liv. 3,70,15 oder Tac. ann. 4,35,5), auch wenn Mart. 7,97,9 f. o quantum tibi nominis paratur! / o quae gloria! das Vorhandensein der Junktur gloriam parare vermuten lässt. Die grammatikalisch falsche Form paruerint von O ist wohl durch den Ausfall von a vor -verint entstanden und wurde dann, da v und u gleich geschrieben wurden, als -uerint gelesen. Perserkönig Kyros Das Bild von Kyros II. (reg. 560–530 v. Chr.) als Paradigma des Idealherrschers, das im Wesentlichen auf Xenophons Cyropaedia basiert, war fester Bestandteil des römischen Bildungsguts, vgl. generell J. M. Schlude, Cyrus the Great and Roman views of ancient Iran, in: M. R. Shayegan (Hg.), Cyrus the Great. Life and Lore, Boston 2018, 183– 97. Entsprechend häufig kommt er als Exemplum auch in der spätantiken Panegyrik vor, vgl. den Index bei W. Portmann, Geschichte der spätantiken Panegyrik, Frankfurt 1988, 328. (14) promptum virtutibus Zur Konstruktion von promptus, in der die Qualität mit bloßem Ablativ ausgedrückt wird, vgl. ThLL s. v. Sp. 1887,67–1888,2, der neben dieser Stelle z. B. auch Tac. ann. 1,57,1 audacia promptus anführt. haben sie … zu den Sternen erhoben Ähnlich überschwänglich äußert sich Eusebios über Konstantins Wissen und rhetorische Bildung (vit. Const. 1,19,2; 4,29. 32), vgl. ferner Epit. Caes. 41,14. Auch wenn Origo Const. 2 (litteris minus instructus) Konstantin keine höhere Bildung zugesteht, wird er als Sohn eines hochrangigen Offiziers und dann Kaisers eine vielleicht zeitlich etwas verspätet, jedoch sen haben, vgl. zu Konstantins Bildungsstand Barnes, Constantine and Eusebius 73 f. und K. M. Girardet, Konstantin. Rede an die Versammlung der Heiligen, Freiburg 2013, 72–7. In der Aussage steckt wohl kaum eine subversive Spitze gegen Konstantin verborgen, wie Neri, Aurelio Vittore 19– 21 vermutet, vgl. bereits Neri, Costantino 718; vielmehr wird umgekehrt der Kaiser gerade deswegen hoch gelobt, um die tatsächliche Kritik, die im Folgenden (40,15) ausgesprochen wird, etwas abzumildern. Von Konstantins natürlichen „Qualitäten“ (virtutes), die sich an dessen Geist und Körper manifestierten, weiß auch Eutr. 10,7,1 zu berichten.

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Die Metapher „zu den Sternen gehoben“ im Sinne von „über den grünen Klee gelobt“ (vgl. etwa Amm. 17,12,70) bezieht sich auf die Hochschätzung, die Konstantin – laut Victor – zu Lebzeiten für seine Kultiviertheit und Gelehrsamkeit erfuhr. Mit dem Hinweis „zu meinen Lebzeiten“, wodurch Victor seine Zeitzeugenschaft ins Spiel bringt, bekräftigt er die Glaubwürdigkeit seiner Aussage. Lediglich der Gebrauch von vota („Gelübde“, vgl. 33,3) erscheint in diesem Zusammenhang merkwürdig, erwartet man doch eher laudes, vgl. etwa Cic. fam. 12,25a,2 (383 Sh.-B.) de Cn. Minucio, quem tu quibusdam litteris ad caelum laudibus extulisti; Cic. har. resp. 22 nisi eos in caelum suis laudibus praeclarus auctor extolleret; Mart. epigr. 1,6 laudibus immodicis Cares in astra ferant. Fuhrmann übersetzt entsprechend mit „Beifall“, aber möglicherweise handelt es sich bei votis um eine Korruptel. 40. (15) Hätte er in seiner Spendierfreudigkeit … Maß gehalten Der Vorwurf der Maßlosigkeit, der wohl nur auf Konstantins spätere Herrschaftsjahre zu beziehen ist (vgl. „ins Gegenteil abgleiten“), wird auch in der Parallelüberlieferung erst auf die Zeit nach 324 (vgl. Iul. or. 1,8 B), speziell in Bezug auf Konstantinopel erhoben. Laut Origo Const. 30 „schenkte er [den Konstantinopolitanern] so große Reichtümer, dass er dafür fast alle Schätze und kaiserlichen Einkünfte verbrauchte“. Zos. 2,31,1 erwähnt, dass Konstantin für die neuen Senatoren Häuser bauen ließ (vgl. Soz. 2,3,4), und kritisiert zudem die Geldverschwendung für „viele zwecklose Bauten“ (2,32,1), außerdem die Verschleuderung von Steuereinkünften an „unwürdige und unnütze Menschen“ (2,38,1), vgl. Bleckmann, Constantinus tyrannus 347 f. Den konstantinopolitanischen Bezugsrahmen lässt Victor schon deshalb beiseite, da dieser hier mit der relativen Chronologie der Erzählung nicht vereinbar wäre. Umgekehrt ist die Kritik an Konstantin eingebettet in ein gewisses Lob (s. nächstes Lemma), wodurch sie sogleich abgefedert und relativiert wird, in 41,3. 20. Für Ammianus Marcellinus (16,8,12) ist Konstantin geradezu ein primus inventor, indem er „als erster von allen den Schlund seiner Entourage (proximi) öffnete“. Kritisch äußert sich auch Epit. Caes. 41,16 über die „maßlose Verschwendung“ während Konstantins letzten Jahrzehnts, spricht ihn gewissermaßen aber von der Verantwortung dafür frei. Wenn Eutr. 10,7,2 Konstantins Großzügigkeit gegenüber dessen Freunden positiv hervorhebt, bildet er unter den paganen kritischen Stimmen eine – vielleicht nicht ganz uneigennützige – Ausnahme, vgl. Bleckmann, Einleitung (KFHist B 3) 10. Eus. vit. Const. 4,1 hält Konstantin die Spendier-

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freudigkeit natürlich uneingeschränkt zugute. Weitere Quellenbelege bei H. Brandt, La politica fiscale di Costantino nelle opinioni tardoantiche, in: Bonamente / Fasco, Costantino il Grande, Bd. 1, 213–8. Vgl. zur Kritik an Konstantin auch Barbero, Costantino 689. nicht weit von einem Gott entfernt Die Äußerung mutet merkwürdig an, weil Konstantin posthum zum Divus erklärt wurde, vgl. nur Eutr. 10,8,3 (inter divos meruit referri) und Rosen, Konstantin 365. Victor selbst erwähnt die Vergöttlichung Konstantins auch im Zusammenhang mit dessen Tod (41,17) aber nicht. Vermutlich richtet sich die Äußerung paränetisch an Constantius II. 40. (16) marschierte … gegen Maxentius Victor folgt der Linie der zu Lebzeiten Konstantins verfassten panegyrischen Quellen. Es wird nicht geleugnet, dass Konstantin der Aggressor ist, aber sein Einsatz zur Rettung der Stadt Rom und Italiens ist notwendig, nachdem die übrigen Tetrarchen (Severus und Galerius) versagt haben (40,6–9), vgl. etwa Paneg. 12(9),2,4 f.; Praxag. 4; Eus. vit. Const. 1,27,2 mit Bleckmann, Constantine, Rome, and the Christians 321–4. Bei Laktanz (mort. pers. 43,4) ist dagegen Maxentius der Angreifer. (17) milites … quaesiti Bei dieser Junktur handelt es sich wohl um einen absoluten Nominativ, der nur hier bei Victor vorkommt, aber zu seiner inkonzinnen Konstruktionsweise passt und im Spätlatein gut belegt ist, vgl. K.-St. 1,792, H.-Sz. 143 f. und Stotz 4,238. armorum vix medium Das Substantiv medium kann auch „die Hälfte“ bedeuten, vgl. ThLL s. v. medius Sp. 597,22, der diese Stelle anführt. Alexander Gemeint ist Domitius Alexander (PLRE 1,43 Alexander 17), der sich als vicarius Africae im Sommer 308 gegen Maxentius erhob, vgl. Kienast, Kaisertabelle 281. Die Ursache für die Usurpation sowie ihr Scheitern sieht Victor allein im Charakter des Alexander begründet, den er als typischen ungebildeten Pannonier (Illyrer) 41,26 Vetranio. Da Alexander in der Parallelüberlieferung (Epit. Caes. 40,20; Zos. 2,12,3) ein gebürtiger Phryger ist – wofür sein griechischer Name sprechen könnte – besteht der Verdacht, dass ihm die Herkunft aus Pannonien lediglich zur Verunglimpfung nachgesagt wird.1 Victor (oder seine Quelle?) hätte demnach seinen Vorbehalt gegen die Militärs aus dem Donauraum samt den damit verbundenen Klischees einfach auf diesen Alexander übertragen.

1

Freundlicher Hinweis von Stephan Baum.

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40. (18) eum Da im Satz ein Akkusativobjekt zu confecere fehlt, erleichtert Schotts geringfügige Korrektur des überlieferten cum in eum das Verständnis dieses Satzes. Rufius Volusianus und die Militärführer Der zur stadtrömischen Elite gehörige Ceionius Rufius Volusianus amtierte bis zum 28. Okt. 310 als Prätorianerpräfekt unter Maxentius, vgl. PLRE 1,976–8 (Volusianus 4). Für die erfolgreiche Beseitigung des Domitius Alexander im Sommer 310 wurde er von Maxentius mit der Stadtpräfektur und dem Konsulat für 311 belohnt. Da er aufgrund seiner zivilen Laufbahn wohl eher wenig militärische Erfahrung besaß, wurde er von Generälen begleitet, unter denen sich ein sonst unbekannter Zenas befand, ein gemäß Zos. 2,14,2 „für seine Kriegserfahrung und Sanftmut angesehener Mann.“ Vgl. Porena, Le origini della prefettura 270. Volusianus gehört zu den Senatoren, die unter Konstantin ihre Karriere fortsetzen konnten, und bekleidete 314 sogar den Konsulat, vgl. Komm. zu 41,4. (19) multo Da Pichlmayr multa nicht als seine Konjektur markiert, handelt es sich wohl um ein Versehen, das auch Dufraigne übernommen hat, aber im Satz (als Ablativ zu libidine?) nicht sinnvoller als der Ablativus mensurae multo ist. er war grausam, roh ... abscheulicher Bei den Maxentius nachgesagten Eigenschaften handelt es sich um die stereotypen Charaktermerkmale eines Tyrannen. Dazu zählen Grausamkeit, Habgier und sexuelle Zügellosigkeit, vgl. Dunkle, The rhetorical tyrant. Das negative Bild des Maxentius hier und weitgehend in der gesamten antiken Überlieferung ist das Resultat der konstantinischen Propaganda, die im Anschluss an Konstantins Sieg über Maxentius die Deutungshoheit besetzte, vgl. etwa Paneg. 12(9),4,3 f.; Eus. h. e. 8,14,2–4; Zonar. 12,33 vol. 3,165,5–16 Dindorf. (20) nihilo segnius Da etwa auch in Liv. 35,8,9 die Junktur nihilo segnius v geschlagen hat, sequius zu schreiben, vgl. OLD s. v. segniter 2a. ängstlich, unkriegerisch … Untätigkeit Über militärische Ausbildung und Kriegserfahrung, die sich Maxentius in jungen Jahren als Sohn eines Augustus angeeignet haben dürfte, ist nichts übeliefert. Die ihm angelastete Ängstlichkeit und Passivität, die ihn auch in Iul. Caes. 329 A charakterisiert (ἀπόλεμοϲ und μαλακόϲ), beruht darauf, dass er während seiner Herrschaft tatsächlich stets in der Stadt Rom blieb und etwa die Usurpation des Alexander (40,18) oder den Abwehrkampf gegen Konstantin in Nord-

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italien von seinen Generälen durchführen ließ, vgl. Van Dam, Remembering Constantine 247 f. Tod seines Vaters Der Tod des Maximian ereignete sich im Jahr 310 und somit vor der Niederlage der maxentianischen Truppen durch Konstantin, der 312 in Italien einmarschierte. Die chronologische Umstellung der beiden Ereignisse dürfte der dramatischen Steigerung geschuldete sein sowie der kompositorischen Notwendigkeit, die Analepse mit Maximians Ende anzuschließen zu können. 40. (21) segnitie Mommsens Korrektur segnitiem des überlieferten segnitiae (im Dativ?) passt wohl besser in den Aussagekontext: Herculius ist nämlich nicht so sehr wegen der Schlaffheit seines Sohnes besorgt (so ist der Dativ c. 16,10 zu erklären), sondern fürchtet sich vielmehr davor (daher der Akkusativ). (21 f.) Herculius ... Kaiserherrschaft wieder ergriffen Nach seiner Abdankung als Augustus im Jahr 305 (39,48), kehrte Maximian zwei weitere Male als aktiver Augustus ins politische Geschehen zurück. Maximians zweite Annahme des Augustustitels 307/308 bleibt unerwähnt. Hier ist die dritte Ausrufung 310 in Arelate gemeint, als Maximian die Abwesenheit Konstantins an der Rheinfront zu einem Putschversuch nutzte, vgl. Paneg. 6(7)14–16; 18–20. Victors knappes Referat überspringt die Gefangennahme und Begnadigung Maximians und spielt sodann auf dessen Komplott gegen Konstantin an, vgl. Eutr. 10,3,2 (detectis igitur insidiis per Faustam filiam, quae dolum viro enuntiaverat) und den Bericht bei Lact. mort. pers. 29,3–30); zu seiner offenbar erzwungenen Selbsterhängung, vgl. Paneg. 6(7),14,5 (voluntarium exitium); Lact. mort pers. 30,6 (elisio et fracto ... gutture); Epit. Caes. 40,5 (fractis laqueo cervicibus). (23) dum Die von den meisten Editoren vorgenommene Korrektur des überlieferten dum in cum ist nicht nötig, vgl. Komm. c. 5,5 dum. bis zu Saxa Rubra ausgerückt Lediglich der Schlacht an der Milvischen Brücke vorangehende Gefecht an den Saxa Rubra, 14 km vor Rom. Damit lässt sich die Angabe in Eus. vit. Const. 1,38,1 (h. e. 9,9,4) verbinden, Gott habe „den Tyrannen wie an irgendwelchen Fesseln ganz weit von der Stadt“ fortgezogen. Nach dem ersten Gefecht versuchten die Truppen des Maxentius über die Milvische Brücke den Weg nach Rom zurückzufinden, wo es dann zur eigentlichen Niederlage des Maxentius kam. Siehe zur Rekonstruktion der Schlacht W. Kuhoff, Ein Mythos in der römischen Geschichte: Der Sieg Konstantins des Großen über Maxentius vor den Toren Roms am 28. Oktober 312 n.

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Chr., Chiron 21 (1991) 127–74. Victor spricht dabei in Übereinstimmung mit den anderen Quellen von einer Falle, die Konstantin bei der Brücke gestellt wurde, ohne dass damit der komplizierte Klappmechanismus einer Schiffsbrücke gemeint sein dürfte, von dem Eus. vit. Const. 1,38,4 weiß (etwas anders noch Eus. h. e. 9,9,5 f.). 40. (24) incredibile quantum Vgl. dazu den Komm. c. 10,1 incredibile quantum. Fröhlichkeit und Freude ... über seinen Tod Hiermit ist besonders die Reaktion bei Konstantins triumphalen Einzug in Rom gemeint, bei dem der abgeschlagene Kopf des am Vortag gestorbenen Maxentius wie eine Trophäe durch die Stadt getragen wurde. Vgl. Lact. mort. pers. 44,10: „Nach Beendigung des äußerst brutalen Krieges wurde Kaiser Konstantin mit großer Fröhlichkeit (laetitia) vom Senat und Volk von Rom aufgenommen“; Paneg. 12(9),18,3: „Nachdem also Maxentius’ Leiche gefunden und zerhackt worden war, brach das ganze Stadtvolk in Freuden (gaudia) aus“; ferner Paneg. 4(10),30,4 f.; Eus. h. e. 9,9,9 und vit. Const. 1,39,1 f.; Zos. 2,17,1. Daneben ist auch an Senatssitzungen zu denken, an denen Konstantin teilnahm, vgl. Paneg. 12(9),20,2 mit Rosen, Konstantin 163. den Prätorianern ein Massaker am Volk gestattete Hintergrund dieser Nachricht ist eine bei Volksunruhen außer Kontrolle geratene Polizeiaktion der Prätorianer, bei der es laut Origo Rom. (KFHist B 5) 82 sechstausend Tote unter der Bevölkerung gegeben hat, aber offenbar keine Konsequenzen für die Prätorianer. Victors Sicht der Dinge trägt Züge der konstantinischen Propaganda, die Maxentius nach seinem Sturz zum Inbegriff eines Tyrannen stilisiert. Vgl. die entsprechende Notiz bei Eus. h. e. 8,14,3: „Auf eine geringfügige Veranlassung hin lieferte Maxentius einmal das Volk der Mordlust seiner Leibwache aus, wobei zahlreiche Scharen des römischen Volkes inmitten der Stadt ... getötet wurden.“ (Übers. Haeuser) verpflichtete … aufzubringen Der genaue Zeitpunkt dieser Sonderabgabe, die Maxentius den Vermögenden auferlegte, ist nicht bekannt, vgl. Origo Rom. (KFHist B 5) 82 omnibus aurum indixit et dederunt; Zonar. 12,33; Paneg. 12(9)3,5–7. 4(10),33,6 f. Aber gemäß der relativen Chronologie der Einträge der Origo Rom. dürfte sie ans Ende seiner Herrschaft fallen, so dass Maxentius das Gold oder Geld schwerlich für „seine Verschwendung“ eingezogen haben wird, sondern eher für Soldzahlungen an die Prätorianer und andere Truppenverbände. Diese außerordentliche Steuer liegt wohl auch der tendenziösen Behauptung bei Eus. h. e. 8,14,4 (= vit.

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Const. 1,35,2) zu Grunde, Maxentius habe zahlreiche Senatoren umgebracht, um an ihr Vermögen zu gelangen. Vgl. Leppin / Ziemssen, Maxentius 29 f. 40. (25) die Prätorianerlegionen ... aufgelöst Die Prätorianer waren nicht in Legionen, sondern in (zehn) Kohorten unterteilt, wie Victor sonst stets richtig beschreibt (2,4; 20,1; 26,5; 39,47, aber 40,4 turmae). Dufraigne übersetzt hier entsprechend mit „cohortes“. Bei den „Hilfskontingenten“ handelt es sich laut Speidel, Maxentius 255 f. um die Elitereitertruppe der Equites singulares; Barnes, Constantine and Eusebius 45 denkt hingegen an die Legio II Parthica in Alba. Nicht nur wurden die Verbände wegen ihrer Anhängerschaft zu Maxentius aufgelöst bzw. an die Rheinund Donaugrenze verlegt (Paneg. 12(9),21,2 f.), sondern auch ihre Kasernen und Friedhöfe in Rom wurden planiert. Victor suggeriert, dass die Initiative hierzu von den Senatoren ausging (quorum odio), und impliziert, dass ein entsprechender Senatsbeschluss gefasst wurde. Bei Zos. 2,17,2 geht die Entscheidung auf Konstantin selbst zurück. die Cliquenumtrieben dienlicher waren ... Stadt Rom Der Seitenhieb gegen die Prätorianer und die Equites Singulares reflektiert den Tenor der konstantinischen Propaganda, laut der das römische Gemeinwesen durch die gesetzlose Herrschaft des ‚Tyrannen‘ und seine gewalttätige Clique (factio) geknechtet worden war, vgl. dazu die Inschrift des Konstantinsbogen (ILS 694,5–7): tam de tyranno quam de omni eius factione uno tempore iustis rem publicam ultus est armis. Victor meint daher nicht bloß die usurpatorische Ausrufung des Maxentius zum Kaiser durch die Prätorianer (s. Komm. zu 40,5), sondern generell die von ihnen geleistete Herrschaftssicherung bei gleichzeitigem Genuss gewisser Privilegien. (26) weihten die Senatoren … den Verdiensten Die Senatorenschaft, die (z. T. nur umständehalber) auf Maxentius’ Seite gestanden hatte, bezeugte hierdurch ihre Loyalität gegenüber verzieh, sondern prominenten Mitgliedern auch die Ehrenämter verlängerte oder neu verlieh, vgl. Moser, Emperor and senators 28 f. und Komm. zu 41,4. Die kolossalen Bauten, mit denen Maxentius am östlichen Forum seine Präsenz in der Stadt Rom inszenierte, nämlich der Doppeltempel der Venus und Roma (urbis fanum) und die heutige Maxentiusbasilika, wurden im Sinne Konstantins uminterpretiert, etwa durch die umgearbeitete, in der Basilika aufgestellte Sitzstatue des Kaisers in Jupiterpose (vgl. Komm. zu 40,28). Zum Bauprogramm des Maxentius vgl. W. Oenbrink, Maxentius als conservator Urbis suae. Ein antitetrarchisches Herrschaftskonzept

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tetrarchischer Zeit, in: Boschung / Eck, Die Tetrarchie 169–204 und Leppin / Ziemssen, Maxentius 68–82. Aus dem Passus geht hervor, dass die genannten Bauten schon mit der Gesamtheit (cuncta) dessen identisch sind, was Maxentius an opera publica errichtet hat, was in der archäologischen Forschung bei der oft zu großzügig vorgenommenen Zuweisung von Bauten an Maxentius zu wenig berücksichtigt wird, vgl. Ziemssen, Das Rom des Maxentius 24–6. Umgekehrt ist es nur Victor zu verdanken, dass der Bauherr der Basilika bekannt ist, die sonst wohl Konstantin zugeschrieben worden wäre. Wenn Victor den Tempel der Roma als Neubau des Maxentius ausgibt und nicht als Umbau des hadrianischen Vorgängertempels, mag dies der Ökonomie seiner gerafften Darstellung geschuldet sein, vgl. die präzise Angabe in Origo Rom. (KFHist B 5) 82 mit Komm., aber auch die Aussage in Paneg. 4(10),35,4 zu den nova opera, die keineswegs ‚brandneu‘ sind. Dass der Senat dem (lebenden) Kaiser Gebäude weiht, ist ungewöhnlich. Ziemssen, 128 f. erklärt das hinsichtlich des Tempels der Roma damit, dass bereits Maxentius „unmittelbar mit ihrem Kult im städtischen Tempel verbunden“ war. Vermutlich wurde nun ein Kult für die gens Flavia dort eingerichtet, vgl. Wienand, Der Kaiser als Sieger 252 Anm. 214. Anders als beim Tempel (vgl. 1,6) mag sacrare im Fall der Basilika vor allem auf ihre Umbenennung abzielen (vgl. 13,8; Epit. Caes. 48,2 [Theodosio] ferunt nomen somnio parentes monitos sacravisse), die nunmehr basilica Constantiniana hieß (Origo Rom. [KFHist B 5] 46 und Reg. urb. p. 78,4) bzw. basilica Constantini bei Pol. Silv. (Chron. min. 1,545). Die eigentümliche Formulierung, dass die Gebäude „den Verdiensten“ und nicht der Person des Kaisers geweiht wurden, versucht Ziemssen 172 mit Verweis auf die ähnliche ausgerichtete Inschrift am Konstantinsbogen „am besten als die inhaltlich verdichtete und dabei etwas verformte Wiedergabe einer Widmungsinschrift mit eingefügter Begründung“ zu erklären. Hierbei setzt Ziemssen v der Historiae abbreviatae in Rom gewesen war, was aber unbewiesen ist, vgl. Einl. S. 2 f. 40. (27) Circus Maximus wunderschön ausgestattet Der Zeitpunkt dieser Baumaßnahme lässt sich nicht genau bestimmen, muss aber vor 321 liegen, als in diesem Jahr Nazarius in seinem Panegyrikus die bewundernswerte Ausschmückung des Circus Maximus mit „hochragenden Säulengängen und goldglänzenden Säulen“ (Paneg. 4[10],35,5) hervorhebt. Vermutlich ging die Umgestaltung gleichzeitig mit einer Erweiterung der Zuschauerkapazität einher, vgl. J. H. Humphrey, Roman Circuses, London

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1986, 129. Mit dieser typischen Geste kaiserlicher liberalitas beabsichtigte Konstantin sich vielleicht auch bewusst von Maxentius zu unterscheiden, der offenbar eine Art Privatcircus neben seiner Villa am Stadtrand erbaut hatte, vgl. Origo Rom. (KFHist B 5) 82 mit Komm. und R. Lim, Inventing Secular Space in the Late Antique City, in: R. Behrwald / Ch. Witschel (Hgg.), Rom in der Spätantike, Stuttgart 2012, 61–81, hier 71. zum Baden bestimmtes Gebäude ... nachstand Die in der Tradition kaiserlicher Stiftungen errichteten und heute überbauten Thermae Constantinianae (Curios. urb. / Reg. urb. p. 81,9 und 15) glichen strukturell, so weit das noch nachvollziehbar ist, den anderen Kaiserthermen in Rom, zählten aber zu den kleineren ihrer Art, vgl. S. Vilucchi, Art. Thermae Constantinianae, LTUR 5 (1999) 49–51. Nach Ausweis von Ziegelstempeln wurde die Anlage möglicherweise bereits von Maxentius begonnen, wobei diese von M. Steinby, L’industria laterizia di Roma nel tardo impero, in: A. Giardina (Hg.), Società romana e impero tardoantico, II, Rom 1986, 142 vorgebrachte Hypothese auch darauf beruht, dass das Gebäude bereits „prima dell’anno 315“ fertiggestellt gewesen sei, wofür es aber keinen Beleg gibt, vgl. Ziemssen, Das Rom des Maxentius 23 f. Das Adverb post spricht eher dagegen. Tatsächlich sind weder der Zeitraum der Erbauung noch der Zeitpunkt der Einweihung bekannt. 40. (28) statuae ⟨locatae⟩ locis In dieser sich über c. 41,27–28 erstreckenden parataktischen Aufzählung bekommt jedes Glied ein partizipiales Prädikat ohne Copula (excultus, institutum, decretum, inditum) außer statuae locis quam celeberrimis zu Beginn von c. 41,28. Daher ist es wahrscheinlich, dass ein Partizip ausgefallen ist. Von einem saut du même au même gehen sowohl Freudenberg, Zu des Aurelius Victor 497 aus, der locatae vor locis ergänzt, als auch Walter, Zu lateinischen Schriftstellern 318, der statutae vor statuae einfügt, was aber Miller, Bericht über die Literatur 61 unnötig findet. Da indessen c. dass er locasse ephebo statuas, scheint Freudenbergs Zusatz locatae treffender zu sein. An den meistfrequentierten Orten ... aus Gold oder Silber Die Standortangabe (celeberrimus locus) ist mehr oder weniger stereotyp aufzufassen und findet sich als solche spätestens seit augusteischer Zeit zur Beschreibung des Aufstellungsortes etwa eines Bogenmonuments (CIL XI 1421,34 = ILS 140,34) oder amtlicher Bronzetafeln (z. B. Tab. Siar. fr. b col. II 27), vgl. hierzu W. Eck, Straßen und ihre Denkmäler, in: R. FreiStolba (Hg.), Siedlung und Verkehr im römischen Reich, Bern 2004, 17–

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39, hier 26–39. Auch wenn kein Urheber für die zahlreichen in Rom aufgestellten Konstantinstatuen genannt wird (vgl. Lib. or. 20,24), ist hier kaum an Konstantin selbst zu denken, wie R. Van Dam, Roman Revolution 86 meint, sondern eher an hohe Beamte oder Kollegien, die als Stifter in Erscheinung traten, vgl. etwa Hist. Aug. Claud. 3,7 und die in der Online Datenbank ‚Last Statues of Antiquity‘ versammelten Belege.1 Entgegen Neri, Aurelio Vittore 22 weisen die in Paneg. 4(10),35,4 (celeberrima quaeque urbis novis operibus enitescunt) genannten „neuen Werke“ nicht auf diese Statuen, sondern öffentliche Bauwerke (vgl. Komm. zu 40,26). Die stereotype Standortangabe kommt aber im Zusammenhang mit einer in Rom aufgestellten Konstantinstatue bei Eus. h. e. 9,9,10 f. (vgl. Eus. vit. Cons. 1,40,2) vor, die er als „mit dem Zeichen des heilbringenden Leidens in der Hand“ beschreibt. Sie wird üblicherweise mit der marmornen Kolossalstatue Konstantins identifiziert, die in der Maxentiusbasilika aufgestellt war, vgl. C. Parisi Presicce, Konstantin als Iuppiter. Die Kolossalstatue des Kaisers aus der Basilika an der Via Sacra, in: A. Demandt / J. Engemann (Hgg.), Konstantin der Grosse, Mainz 2007, 117–31. Die „Statuen ... aus Gold und Silber“, falls sie massiv oder mit Edelmetallfolie ummantelt waren (vgl. G. Lahusen, Zu römischen Statuen und Bildnissen aus Gold und Silber, ZPE 128 [1999] 252–66), dürften ebenfalls an geschützten Orten aufgestellt gewesen seien. Der zentralgelegene Konstantinsbogen zählte jedoch nicht zu den Aufstellungsorten, falls die Beobachtungen von F. Magi, Il coronamento dell’arco di Costantino, RPAA 29 (1956) 83– 110, hier 105 zutreffen. ein Priestertum für die Familie der Flavier Die Einrichtung des Kaiserkults bezieht sich vermutlich auf die Provinz Africa Proconsularis (Lenski, Constantine and the Cities 141; vgl. A. Filippini, Fossili e contraddizioni dell’„era costantiniana“, in: A. Kolb / M. Vitale (Hgg.), Kaiserkult in den Provinzen des Römischen Reiches, B nicht die Diözese Africa (so Rosen, Konstantin 174) und fällt laut Lenski 128 wahrscheinlich noch in die 310er Jahre. Bemerkenswert ist, dass die kultische Verehrung Konstantins klar zum Ausdruck gebracht wird, dagegen seine Nähe zum Christentum in den Historiae abbreviatae praktisch ausgeblendet ist (vgl. aber Komm. zu 41,12 wandte er seinen gewaltigen Geist), so dass Konstantin in kultischer Hinsicht als ein traditioneller Kaiser erscheint, der sich nicht wesentlich vom ersten Princeps unterscheidet, vgl. 1,6 hincque uti deo ... sacravere mit 40,26. 1

laststatues.classics.ox.ac.uk

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der Stadt Cirta … ‚Constantina‘ beigelegt Die Stadt Cirta (heute Constantine in Algerien) wurde 308/10 im Bürgerkrieg, den Maxentius gegen Domitius Alexander führte, stark in Mitleidenschaft gezogen. Zum Wiederaufbau Cirtas nach 312 vgl. Opt. app. 10 (CSEL 26,214 f.) und Lenski, Constantine and the Cities 141–4. Mit der Vergabe eines kaiserlichen Beinamens griff Konstantin die seit dem Tod des Gallienus nicht mehr praktizierte Sitte wieder auf, vgl. B. Galsterer-Kröll, Untersuchungen zu den Beinamen der Städte des Imperium Romanum, ES 9 (1972) 44– 145, hier 85 und 100 (Belege zu Cirta). Von der notwendigen Wiederinstandsetzung Cirtas abgesehen, war es generell Konstantins ausdrückliches Anliegen, die Provinzstädte in ihrer Entwicklung zu fördern, vgl. ILS 705 Z. 9–15 mit Lenski 117. Weshalb gerade die Einrichtung des Kaiserkults in Africa hervorgehoben wird, ist unklar, aber veranlasst Bird, Sextus Aurelius Victor 128 Anm. 2 zu der Vermutung, „that Victor may have been born in the vicinity of that city.“ (29 f.) nichts ist willkommener … sie selbst maßvoll und bescheiden Neri, Aurelio Vittore 18 f. vermutet hier eine Spitze gegen Konstantin, der – weil er in seiner Spendierfreudigkeit und seinem Ehrgeiz kein Maß (modus) gehalten hat (vgl. 40,15) – folglich auch keine Dankbarkeit unter den Menschen ernte. Da aber die allgemeingültig formulierte Aussage über die tyrannorum depulsores paränetischen Charakter hat, richtet sich der Appell eher an Constantius II., der mit Vetranio, Magnentius, Decentius und sogar dem Caesar Gallus erst kürzlich selbst mehrere ‚Tyrannen‘ beseitigt hat (42,1. 10. 12) und dafür entsprechend gefeiert wurde (vgl. nur Iul. or. 1,1 A; CIL VI 1158 = ILS 731 extinctori pestiferae tyrannidis), vgl. Amm. 15,12. Als Ermahnung an Constantius verstanden, fordert die Bemerkung diesen somit dazu auf, sich – wie ein bonus princeps – nachdrücklich für das Wohl der (‚befreiten‘) Untertanen einzusetzen, indem er vor allem bei der Steuereintreibung Mäßigung walten lasse cletians moderater Forderung (modestia) unter Constantius angeblich fast unerträgliche Abgabenlast hat Victor bereits in 39,32 angeprangert. (30) vis Schotts geringfügige Korrektur des überlieferten vi passt besser in den Satz, weil vis das Subjekt des Nebensatzes bildet. 41. (1) fand im Osten ... den Tod Es ist nicht erkennbar, ob hier allgemein die Osthälfte des Reiches gemeint ist, in welcher sich – analog zum Untergang des Maxentius in Italien (Westen) – das ähnliche Schicksal des Maximinus Daia abspielte, oder ob an die Präfekturen Oriens und Italia gedacht ist. Diese Ambiguität, die auch in der Parallelstelle bei Eutr.

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10,4,4 vorliegt (vgl. Bleckmann, KFHist B 3 Komm. z. St.), dürfte bereits in der gemeinsamen Quelle (EKG) angelegt gewesen sein. – Die nicht spezifizierten Todesumstände des Maximinus suggerieren einen natürlichen Tod (vgl. dagegen 13,11 morbo periit; 27,8 insidiis periit; 33,8 tumultu periit), wie ihn Eutr. 10,4,4 (fortuita ... morte) und Epit. Caes. 40,8 (morte simplici periit) dem Maximinus auch ausdrücklich bescheinigen. Diesen Autoren geht es darum, dass Maximinus, der von Licinius im Kampf in Thrakien geschlagen worden war, im Gegensatz zu Maxentius – dem anderen Bürgerkriegsverlierer – keinen gewaltsamen Tod erlitten hat, vgl. dagegen die mitunter unzuverlässige Origo Rom. (KFHist B 5) 83: occisus Tarso. Die Communis opinio nimmt mit Lact. mort. pers. 46,2–7 und Eus. h. e. 9,10,6 bzw. 13 f. an, dass Maximinus durch Selbstmord oder Krankheit aus dem Leben schied. nach zweijähriger Herrschaft als Augustus Während die Amtszeit des Maximinus Daia als Caesar – anders als noch bei Constantius und Galerius (vgl. 40,11) – unberücksichtigt bleibt, ist die angegebene Dauer seiner Herrschaft als Augustus um ein Jahr zu kurz. Richtig hingegen Epit. Caes. 40,18 (Augustus triennio fuit), denn Maximinus bekleidete das Amt vom Frühjahr 310 bis in den Sommer 313, vgl. Kienast, Kaisertabelle 276. Falls nicht bloß eine Verschreibung von biennii für triennii vorliegt, könnte Victor womöglich durch seine Quelle irrtümlich – wie übrigens auch Dufraigne, Aurelius Victor 196 Anm. 1 – erst ab dem Tod des Galerius im Mai 311 gerechnet haben. Gestützt wird diese Möglichkeit durch die Darstellung des ebenfalls von der EKG abhängigen Eutrop (10,4,2), für den Galerius’ Ende eine markante Zäsur bildet: „Sodann folgte der Tod des Galerius. So wurde der Staat von vier neuen Kaisern (a novis ... imperatoribus) gehalten, von Konstantin und Maxentius ... Licinius und Maximinus.“ Vgl. Bleckmann, Überlegungen zur Enmannschen 23 Anm. 40. 41. (2) quamvis … erant Obwohl c. Konjunktion quamvis eingeleiteten Nebensatz (quae quamvis superiore absurdior haberetur) das Prädikat im Konjunktiv steht, kann im Spätlatein quamvis in der Bedeutung von quamquam auch den Indikativ regieren, vgl. H.-Sz. 604. Da Victor bei der Wahl der Modi durchaus variiert haben kann und hier anders als c. 4,13 eine objektive Tatsache vorliegt, braucht man den Indikativ nicht zu verändern. lag die Macht ... bei zweien Victor legt erneut ein besonderes Augenmerk auf die Konstellation im Mehrherrschaftssystem, vgl. weiter 41,10. Das auch bei Eutrop öfters zu beobachtende Phänomen erklärt sich durch

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ihre gemeinsame Quelle (EKG), wo dieses Interesse bereits vorgelegen haben muss, vgl. Einleitung zu KFHist B 1. durch die Ehe der Schwester Konstantins Die Ehe zwischen Constantia (PLRE 1,221 Constantia 1), der Halbschwester Konstantins, und Licinius wurde Anfang 313 zur Besiegelung des schon länger bestehenden Bündnisses der beiden Augusti geschlossen, also vor dem in 41,1 erwähnten Tod des Maximinus Daia im Sommer desselben Jahres. Anders als bei Eutr. 10,5, aber wie bei Lact. mort. pers. 43,2; 45,1 und Eus. h. e. 10,8,4 bleibt der Name Constantias unerwähnt. aufgrund ihrer unterschiedlichen Charaktere Die zwischen den beiden Augusti herrschende Spannung wird lediglich mit dem Gegensatz ihrer nur oberflächlich erörterten Wesensart erklärt, wobei Konstantins gute Eigenschaften den schlechten des Licinius (Geiz, Grausamkeit) dichotomisch entgegengesetzt werden (bonus princeps vs. malus princeps), vgl. unten 41,3 und 5. Diese simple und zugleich tendenziöse Interpretation (vgl. Lib. or. 59,21) fällt umso mehr auf, als etwa Eutrop (10,5), der unter Valens keine politischen Rücksichten mehr auf die konstantinische Dynastie nehmen muss, den Konflikt der beiden Augusti auf Konstantins Drang zur Alleinherrschaft zurückführt, vgl. Enmann, Eine verlorene Geschichte 451. Zudem bleibt völlig ausgespart die Episode um Konstantins vergeblichen Versuch, seinen Schwager Bassianus von Licinius zum Caesar erheben zu lassen, wodurch es nach Origo Const. 14 f. zum Ausbruch des Bürgerkrieges kam. Für den konstantinfeindlichen Zosimos (2,18,1) liegt die Schuld allein bei Konstantin. drei Jahre Der Zeitraum berechnet sich ab dem Jahr 313, als das soeben erwähnte Ehebündnis zwischen Konstantins Halbschwester Constantia und Licinius geschlossen wurde bzw. als nach dem Tod des Maximinus Daia Konstantin und Licinius als einzige Augusti übrig gebliebenen waren. Diese Phase der Eintracht endete mit der Komm. zu 41,6), wie Habicht, Zur Geschichte des Kaisers Konstantin 362 richtig gesehen hat. Unhaltbar ist die Gleichsetzung der „drei Jahre“ mit dem Zeitraum von 317 bis 320 durch Groß-Albenhausen, 275 f. Die präzise Zeitangabe legt nahe, dass Victor für diesen Abschnitt eine chronographische Quelle hinzugezogen hat, vgl. dazu Bleckmann, Überlegungen zur Enmannschen 23. Genaueres über das gegenseitige Verhältnis der beiden Augusti in diesem Zeitraum ist außer der unmittelbaren Vorgeschichte, die zu dem Bürgerkriegsausbruch führte, nicht bekannt, vgl. aber Bleckmann, Konstantin der Große 79.

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41. (3) praeter modum magna cetera Das von OP überlieferte Adverb admodum ergibt zusammen mit der Präposition praeter keine sinnvolle Junktur; während etwa Pichlmayr den Text für verderbt erklärt, hat Schott, Komm. 219 f. admodum mit Recht zu modum, wohl in der Bedeutung „Maßhalten, Mäßigung“ (ähnlich wie in c. 41,5), geändert, was auch Festy akzeptiert, der „à part la mesure, tout le reste était grand“ übersetzt. Dagegen setzt Dufraigne vor modum eine Lücke an. Schott, Komm. 220 hat auch erwogen, magna cetera in magnificentia zu ändern. Maehly, Zur Kritik 268 setzt magnificentia nach cetera und betont, dass damit der Gegensatz zu Licinius’ parsimonia ausgedrückt werde; ähnlich Baehrens, Bericht über die Literatur 7, der aber magna durch lautitia ersetzt hat. Schon Brakman, Notulae ad historicos Romanos 83 wollte, ohne allerdings den übrigen Text verändern zu müssen, lautitia vor praeter setzen. Dagegen bevorzugt Sylburg, Komm. 733 admodum pauca. Betrachtet man aber die Erwähnung von Mängeln Konstantins c. 40,15 si munificentiae atque ambitioni modum hisque artibus statuisset …, scheint dieser Gedanke hier wiederaufgenommen zu sein. Konstantin fehlte ein modus bei der munificentia und der ambitio, was D’Elia, Per una nuova edizione critica 184 veranlasst, in admodum eine verkürzte und verderbte Form von ambitionis modum zu erkennen. Da aber nicht die ambitio den Gegensatz zur parsimonia bildet und ambitionis selbst schwer als eine Verschreibung von ad gedeutet werden kann, überzeugt auch D’Elias Lösung nicht ganz, weshalb an Schotts Lösung festgehalten wird. abgesehen vom Maßhalten Die Maßlosigkeit bezieht sich vor allem auf Konstantins Spendierfreudigkeit, die im direkten Kontrast zur tadelnswerten Knauserigkeit des Licinius steht, aber ebenso kritikwürdig ist, wie in 40,15 ausgeführt wurde; ebenso wie dort wird hier die Kritik an Konstantin dadurch relativiert, dass sonst alles „erhaben“ war. Konstantins Großzügigkeit wird auch bei Eus. vit. C tenverfolger (d. h. Licinius) entgegengesetzt und uneingeschränkt gutgeheißen. Sparsamkeit … von der Art eines Bauern Die Bemerkung über die spezifische Sparsamkeit des Licinius, die wohl auf seine ländliche Herkunft abzielt (vgl. Barnes, New Empire 43), ist negativ gemeint (vgl. Epit. Caes. 41,8 und Eus. vit. Const. 1,55,1 f.), obwohl das frugale Landleben traditionell positiv und als moralisch höherstehend konnotiert ist, vgl. etwa Tac. Agr. 4,2 provincialis parsimonia; Plin. epist. 1,14,4 und auch Victors eigene lobende Feststellung, wie sparsam Pertinax war (18,1), ferner H.

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Kloft, Liberalitas principis. Herkunft und Bedeutung, Köln 1970, 143–5. Die Licinius vorwurfsvoll zugeschriebene Sparsamkeit könnte allerdings historisch tatsächlich zutreffend sein, da er auch von Maximinus Daia, der ihn für „kleinlich beim Geschenke machen“ hielt, so eingeschätzt worden sein soll, vgl. Lact. mort. pers. 46,12 (in largiendo tenax). Es verwundert daher nicht, dass ihm in anderen Quellen, auch wenn sie auf konstantinischer Propaganda beruhen, eine regelrechte Habgier (avaritia) vorgeworfen wird, die sich in die Reihe der typischen Eigenschaften eines malus princeps einreiht, vgl. etwa Origo Const. 22 scelere, avaritia, crudelitate, libidine saeviebat (sc. Licinius) mit Dunkle, The rhetorical tyrant, bes. 15. 41. (4) taeterrimumque Bei veterrimumque von P handelt es sich wegen des davorstehenden vetus gewiss um einen Influenzfehler. Daher ist taeterrimumque von O, was unabhängig davon auch Schott, Komm. 220 vorgeschlagen hat, die ursprüngliche Lesart. supplicium patibulorum et cruribus suffringendis Zur Variatio der Kasus – hier zwischen Genetivus definitionis und Ablativus instrumentalis – vgl. Komm. c. 10,5 biennio post ac menses fere novem. schützte Konstantin alle seine Gegner Konstantin, der bereits während seines Feldzugs durch Italien den besiegten Soldaten des Maxentius Gnade gewährte, gab sich auch in Rom selbst – sicherlich politisch opportun – als milder Herrscher, wie Paneg. 12(9)20,2–21,2 (explizit 20,2 clementiae tuae gloria) hervorhebt, vgl. auch 41,17 (clementi imperio). Dabei beließ er sogar ranghohe Beamte und Unterstützer des Maxentius wie etwa den Stadtpräfekten Annius Anullinus (PLRE 1,79 Anullinus 3) in ihren Ämtern, vgl. Van Dam, Remembering Constantine 129. 172. Victor hat bereits im Fall von Vespasian sein Wohlgefallen an solchem Vorgehen ausgedrückt (9,2), und dies mag mit ein Grund dafür sein, dass Victor „mit der Behauptung, Konstantin habe sämtliche Maxentianer in ihrer Stellung belassen,“ vorsätzlich etwas übertreibt, vgl. R 12. Strafe der Kreuzigung … abschaffte Dies ist die früheste und neben Sozomenos einzige Quelle, die Konstantin die Abschaffung der Kreuzstrafe zuschreibt. Für die Entscheidung des Kaisers werden allgemeinethische Beweggründen geltend gemacht (pius), und im Einklang mit Victors konsequenter Ausblendung des Christentums unterbleibt jeglicher Hinweis auf eine religiöse Motivation, vgl. hingegen Soz. 1,8,12 f. Dennoch ist der christliche Unterton der Passage von der modernen Forschung nicht überhört und folglich hierfür eine christliche Quelle postuliert worden, vgl. Du-

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fraigne, Aurelius Victor XXXIII f. und Dinkler-von Schubert, Nomen ipsum. Zestermann, Die Kreuzigung 350 mit Anm. 1 bezweifelt hingegen die Authentizität der Passage und hält die Worte von eo pius bis removerit für eine spätere Interpolation, weil sie „als Beleg für das Vorhergehende nicht angesehen werden können, und ganz ohne Zusammenhang mit dem Nachfolgenden stehen“, vgl. zu Letzterem Komm. zu 41,5. Tatsächlich macht der Passus einen kleinen gedanklichen Sprung von der Milde Konstantins zu seiner Humanität; hierdurch gewissermaßen vom Kontext entkoppelt, gewinnt der Passus zumal durch das primus-Motiv eine fast überzeitliche Dimension, so dass sich der Verdacht aufdrängt, dass Victor dieses aus einer (christlichen?) konstantinfreundlichen Quelle stammende Detail entweder selbst nachgetragen hat oder dies tatsächlich später durch fremde Hand geschah. Für Letzteres könnte sogar sprechen, dass an anderer Stelle sich Victor ausdrücklich zu rigoroser Gewaltanwendung gegen Aufständische bekennt (vgl. 20,13) und Genugtuung über die grausame Hinrichtung des Calocaerus empfindet (auch wenn die Passage ihr eigenes textliche Problem aufweist, vgl. Komm. zu 41,12); vgl. auch F. Carlà / M. G. Castello, Modi di esecuzione capitale in età tardoantica, in: Diess. (Hgg.), Questioni tardoantiche. Storia e mito della svolte costantiniana, Rom 2010, 145–326, hier 207–16. In jedem Fall bleibt weiterhin unklar, „ob bereits unter Konstantin die Kreuzigungsstrafe zugunsten der furca förmlich abgeschafft oder nur faktisch ausgesetzt wurde“, St. Heid, Art. Kreuz, RAC 21 (2006) 1125; vgl. zuletzt Cook, Crucifixion in the Mediterranean 398: „Scholars generally argue that Constantine ended the practice of crucifixion, although there are some who dissent.“ 41. (5) Licinio – modum fecere Zu facere modum mit dem Dativ der Person vgl. ThLL s. v. modus Sp.1270,24–26. Deshalb wurde er ... angesehen Der konsekutive Anschluss wirkt befremdlich, weil sich die Verehrung der“ aus der vorgenannten Abschaffung der Kreuzstrafe nicht ergibt (dies gilt auch für die Übersetzung von Barbero, Costantino 691 „come un rinfondatore dell’impero“). Dinkler-von Schubert, Nomen ipsum 137 spricht daher von Victors „mißglückten Versuch (‚hinc‘) einer Einbindung [sc. des Kreuzigungs-Passus] in den Kontext“. Der merkwürdige Anschluss hat auch zu der Vorstellung geführt, dass conditor den ‚Gesetzesschöpfer‘ (vgl. 20,33 iuris conditor) meinen könnte, vgl. Cook, Crucifixion in the Mediterranean 400, zumal Konstantin in Cod. Theod. 11,36,14 tatsächlich als clemens conditor beschrieben ist. Die empfundene Unstimmigkeit re-

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sultiert daraus, dass der Kreuzigungs-Passus vielleicht erst nachträglich eingefügt wurde, s. Komm. zu 41,4 Strafe der Kreuzigung. Bezieht man mit Zestermann, Die Kreuzigung 350 das „deshalb“ (hinc) stattdessen also auf Konstantins milde Behandlung der stadtrömischen Elite nach seinem Sieg über Maxentius (41,4), ist mit dem Szenario, in dem Konstantin „wie ein Stadtgründer oder wie ein Gott angesehen“ wurde, die Situation gemeint, wie sie für die Zeit ab dem Ende des Jahres 312 in 40,26 beschrieben ist und in der Konstantin bereits als „salvation-bringing hero“ stilisiert wurde, vgl. B. Bleckmann, Constantine, Rome, and the Christians 315. Eine derartige Deutung des hinc fügt sich zudem in den chronologischen Rahmen von 313 bis 316 ein, den Victor hier vorgibt, vgl. Komm. zu 41,2 drei Jahre; hingegen die angebliche Aufhebung der Kreuzstrafe gerade nicht, weil der Erlass Cod. Theod. 9,5,1,1 von 314 (oder später) diese Form der Hinrichtung für bestimmte Vergehen explizit sogar anordnet. unschuldiger und edler Philosophen Ein gewaltsames Vorgehen des Licinius gegen Philosophen ist sonst nicht belegt, dafür aber die Verfolgung von paganen Priestern in Antiocheia (Eus. h. e. 9,11,6) und später die Verfolgung der Christen in seinem Reichsteil (Eus. h. e. 10,8,8–19). Hierbei hebt Euseb, selbst Bischof, hervor, wie gegen die Kleriker gewütet wurde: „Einige Bischöfe wurden mit den bei Verbrechern üblichen Strafen belegt, und sie, die kein Unrecht begangen, wurden abgeführt und gleich Mördern bestraft“ (10,8,17 Übers. Haeuser). Daher erscheint die Vermutung nicht unplausibel, dass sich hinter den „Philosophen“ in Wirklichkeit christliche Bischöfe verbergen, die Victor, der das Christentum konsequent ignoriert, aber nicht als solche benennt, vgl. Bird, Liber de Caesaribus 190 Anm. 6. Zudem spricht auch der christliche Sprachgebrauch dafür, philosophi als ‚Christen‘ aufzufassen, vgl. Lact. opif. 1,2 philosophi sectae nostrae und Lampe, s. v. φιλόϲοφοϲ A. 3. a. 41. (6) in verschiedenen Schlachten G balae in Pannonien am 8. Okt. 316, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 314 mit Komm., und eine zweite Schlacht auf dem Campus Ardiensis, der Flussebene der Arda zwischen Philippopolis und Adrianopel, die noch 316 (Bleckmann, Okzident gegen Orient. Die Kämpfe zwischen Konstantin und Licinius, in: Ehling / Weber, Konstantin der Grosse 89–93) oder im Januar 317 (Barnes, New Empire 73) stattfand, vgl. Origo Const. 16–18 und Zos. 2,18 f. In der Formulierung „schwierig schien, ihn vollständig zu besiegen“ scheint eine prokonstantinische Sichtweise durch.

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um der Schwägerschaft willen Vgl. Eutr. 10,5. Bei dem Hinweis auf das Verwandtschaftsverhältnis der beiden Kontrahenten, welches vor den beiden Bürgerkriegsschlachten offensichtlich keine Rolle spielte, handelt es sich wohl um eine Reminiszenz aus konstantinischer Propaganda, die das Eingehen Konstantins auf das Verhandlungsangebot des Licinius rechtfertigten sollte. Denn nach der Schlacht auf dem Campus Ardiensis war Konstantin in eine strategisch ungünstige Lage geraten, die ihn dazu zwang, einen Kompromissfrieden mit seinem Schwager zu schließen, vgl. Bleckmann, Konstantin der Große 81 f. Samtherrschaft wiederhergestellt ... Caesares Beim Friedensschluss in Serdica wurde auch die Erhebung der noch minderjährigen Söhne zu Caesares beschlossen, die am 1. März 317 erfolgte, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 317 mit Komm. Die im Friedensvertrag geregelte Abtretung weiter Teile Illyricums an Konstantin bleibt unerwähnt, vgl. aber Eutr. 10,5 und besonders Origo Const. 18. 41. (7) defectu Schotts geringfügige Korrektur des von OP überlieferten defectus – das s ist wohl durch den Einfluss des mit s beginnenden Solis entstanden – verbessert das Verständnis des Satzes, weil nur der Ablativ defectu erklärt, wodurch der bestimmte Tag getrübt worden ist. kein Segen sein würde Victor spielt hier auf den gewaltsamen Tod der Caesares an. Crispus (vgl. Komm. zu 41,11) und der jüngere Licinius (PLRE 1,509 f. Licinius 4), vgl. Eutr. (KFHist B 3) 10,6,3 mit Komm. z. St., wurden bereits 326 auf Befehl Konstantins hingerichtet. Aber auch Constantinus II. fand einen, wenn auch selbstverschuldeten, vorzeitigen Tod, vgl. 41,22 mit Neri, Costantino 708. in denselben Monaten Die chronologische Angabe kann nicht richtig sein, da sich in den Monaten vor und nach dem 1. März 317 keine Sonnenfinsternis ereignet hat. Für F. K. Ginzel, Spezieller Kanon der Sonnen- und Mondfinsternisse für das Ländergebiet der schaften und den Zeitraum von 900 vor Chr. bis 600 nach Chr., Berlin 1899, 87 und 208 f. hat daher die errechnete Finsternis vom 6. Juli 316 „noch die meiste Wahrscheinlichkeit“; ebenso Boll, Art. Finsternisse, RE 6,2 (1909) 2362; akzeptiert von Bird, Liber de Caesaribus 191 Anm. 8. Doch mindestens ebenso wahrscheinlich ist die totale Sonnenfinsternis vom 6. Mai 319, die immerhin Eingang in die zeitgenössische Chronistik gefunden hat (vgl. Cons. Const. [KFHist G 1] 318), zumal die spezifisch mit der Finsternis verbundene Vorhersage ohnehin erst ex eventu dem ‚Vorzeichen‘ beigelegt worden sein kann, vgl. etwa die Episode der Tiber-

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überschwemmung (32,3 f.), die der unglücklichen Gefangennahme Valerians vorangeht, oder das nächtliche Himmelsleuchten bei der Caesarernennung des Constans (41,14) oder die in Hist. Aug. Gord. 23,2 erwähnte Sonnenfinsternis bei der Proklamation Gordians III. Victors Wissen um die astronomischen Ereignisse (hier und 41,14) dürfte mit Bleckmann, Überlegungen zur Enmannschen 23 Anm. 41 daher eher aus einer chronographischen Quelle geschöpft sein als aus einer von Neri, Aurelio Vittore 22 f. postulierten paganen „clandestina tradizione“, die gegenüber der konstantinischen Dynastie feindlich eingestellt gewesen sei, vgl. erneut V. Neri, Gli aruspici romani nella legislazione e nella storiografia del IV secolo d.C., in: P. Ferretti / M. Fiorentini (Hgg.), Formazione e trasmissione del sapere, Triest 2020, 119–33, hier 123–5. 41. (8) nach sechs Jahren zerbrochen Die Angabe, dass der Frieden (von 317) nach sechs Jahren zerbrach, führt ins Jahr 324: Die nachfolgend genannte Schlacht bei Adrianopel in Thrakien fand nachweislich am 3. Juli 324 statt und in Chalkedon kam es am 18. September zu einem zweiten Gefecht, mit dem das Schicksal des Licinius besiegelt war, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 324,1 f. Victors genaue Zeitangabe dürfte (ebenso wie in 41,2) aus einer chronographischen Quelle stammen, wie Bleckmann, Überlegungen zur Enmannschen 23 vermutet. Der Versuch von Habicht, Zur Geschichte des Kaisers Konstantin 363, Victors Chronologie als richtig zu erweisen, indem er den Friedensbruch auf Konstantins Gotenkrieg im Jahr 323 bezieht, bei dessen Beginn Konstantin am Donaulimes das Hoheitsgebiet des Licinius verletzt hat (vgl. Origo Const. 21), ist nicht haltbar, da Habicht sexennio post offensichtlich als „sechs Jahre später“ interpretiert hat. (9) cooptato Im Zusammenhang mit in imperium ist die geringfügige Korrektur des überlieferten coactato in O bzw. coaptato in P zu cooptato durch Schott, Komm. 220, das hier anders als nicus verwendet wird, wohl die beste Lösung. Martinianus … zum Mitherrscher erhoben Die Formulierung lässt offen, welcher Rang Martinianus (PLRE 1,563 Martinianus 2) zuteil wurde. Die Legende seiner Münzen weist ihn – entgegen der übrigen literarischen Überlieferung, die von einer Ernennung zum Caesar spricht (Origo Const. 25; Epit. Caes. 41,6; Zos. 2,25,2), – als Augustus aus, vgl. RIC VII 607 f. Nr. 45–7; 645 Nr. 16; Kienast, Kaisertabelle 285. Chalcedon (ibi), die Stätte der Niederlage Martinians, scheint auch der Ort seiner Erhebung gewesen zu sein (so explizit Zos. 2,25,2), allerdings ist eine Ernennung zu

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einem früheren Zeitpunkt und zwar in Byzantion, wie in Origo Const. 25 und Epit. Caes. 41,6 (ibi Martinianum … creat) belegt, keineswegs ausgeschlossen, zumal Victor durch die Komprimierung der Ereignisse den Aufenthalt des Licinius in Byzantion – dem späteren Konstantinopel (vgl. Komm. zu 42,12 wandte er seinen) – völlig übergeht. wurde er … besiegt Da nichts weiter über das Schicksal des Licinius berichtet wird (vgl. hingegen Eutr. 10,6,1) und das Verb opprimere auch in der Bedeutung von ‚töten‘ gebraucht wird (vgl. 3,1; 8,2; 23,2), könnte mit oppressus est der Tod des Licinius (sowie des Martinianus) impliziert sein. Vgl. auch Neri, Costantino nei Caesares 715 zum unklaren Ende des Licinius. 41. (10) die Entscheidungsgewalt eines Einzigen Mit der Ausschaltung des Licinius ist Konstantin alleiniger Augustus im gesamten Reich (vgl. Komm. zu 41,2). Diese Situation hat es seit Diocletians Erhebung des Maximian zum Mitregenten nicht mehr gegeben; allerdings gibt es noch die drei Caesares (vgl. Komm. zu 41,6), so dass Konstantin formal kein Alleinherrscher ist (vgl. Komm. zu 42,13). Mit „andersartige Caesartitel“ dürfte gemeint sein, dass der Caesartitel sich hinsichtlich der Machtbefugnis vom Augustustitel unterscheidet, wie in 13,10 dargelegt wird, anders Barbero, Costantino 692 f. („solo del nome si trattava“). Tatsächlich lag die Entscheidungsgewalt allein bei Konstantin, zumal es sich jetzt bei den Caesares – anders als in der tetrarchischen Mehrherrschaft – um die im Kindesalter stehenden Söhne handelte, die unfähig zu eigenen Entscheidungen waren, vgl. Lib. or. 59,46 und bei Eus. Laus Const. 3,4 das Bild von Konstantin als Wagenlenker, der die Caesares wie Pferde an den Zügeln führt. Das besondere Augenmerk auf die Konstellation des Herrscherkollegiums ist wieder der EKG geschuldet, vgl. Eutr. 10,6,2 res Romana sub uno Augusto et tribus Caesaribus, quod numquam alias, fuit. Dass „il tino 692 zur Stelle anmerkt, bleibt dahingestellt. Herrschaftszeichen eines Caesars Gemeint ist der Purpurmantel, vgl. Lib. or. 59,39: Konstantin umgab die Caesares „mit dem Kleid, das das Kennzeichen der Herrschaft“ ist (ἐϲθήματι βαϲιλείαϲ ϲυμβόλον); generell als Herrschaftszeichen bei Eutr. 9,26 (imperii insigne in chlamyde purpurea). Ebenso beschreibt Lact. mort. pers. 19,5, wie Diocletian dem neuen Caesar seinen Purpur umhängt, vgl. ferner Iul. ad Ath. 271 A (Gallus); 277 A (Julian). Amm. 15,8,11 (Julian). Zum Kaisermantel s. Alföldi, Die monarchische Repräsentation 167–9 (= MDAI[R] 50 [1935] 49–51).

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zu jener Zeit ... verliehen Constantius (II.) wurde am 8. November 324, rund sieben Wochen nach Konstantins Sieg über Licinius im Alter von acht Jahren zum Caesar erhoben, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 324,3. Das Attribut noster markiert ihn als amtierenden Kaiser, vgl. noch 34,7 und 42,5. Victor wendet sich aber nie in einer Apostrophe direkt an den Kaiser. 41. (11) grandior Wie in c. 41,13 minor steht hier der Komparativ anstelle des Superlativs. Zur Vertauschung von Komparativ und Superlativ vgl. Komm. c. 12,1 maximeque moderatum. Als der Älteste ... den Tod gefunden hatte Gemeint ist Crispus, der Sohn aus Konstantins erster Ehe, der 326 hingerichtet wurde und der Damnatio memoriae anheimfiel, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 326,1. Sein Name bleibt hier bezeichnenderweise ungenannt, vgl. aber die Ersterwähnung in 41,6. Die Hintergründe dieser Affäre, die bis heute im Dunkeln liegen, waren Victor vielleicht wirklich nicht bekannt, so Zecchini, Costantino e la morte 128, der außerdem glaubt, dass die ähnliche Aussage bei Orosius (7,28,26) „dipende da Aurelio Vittore“ (131). Gleichzeitig nimmt Zecchini 134–6 an, dass die offizielle Erklärung für Crispus’ Tod (‚Liaison‘ mit Fausta, vgl. auch Komm. zu 21,3) von Victor bezweifelt wird. Zecchini selbst vermutet, dass Fausta eine Intrige gegen Crispus spann, die sie das eigene Leben kostete, und Konstantin zur Kaschierung der wahren Begebenheiten anschließend die Version der ‚Liaison‘ als offizielle Erklärung verbreitete. Barnes, Constantine Dynasty 146 schließt aus dem Begriff iudicium, „that the emperor formally sat in judgement on his oldest son and condemned him to death“, freilich im engsten Kreis mit seinen Beratern unter Ausschluss der Öffentlichkeit, vgl. bereits K. Olbrich, Kaiser in der Krise – religions- und rechtsgeschichtliche Aspekte der Familienmorde des Jahres 326, Klio 92 (2010) 104–16, hier 110 (ohne Verweis auf Victor). Die Erwähnung dieses Eklats ist in Hinrichtung des Crispus als ein großer Makel im Leben Konstantins vorwiegend von konstantinkritischen Quellen bzw. von gegen diese Quellen gerichteten Gegendarstellungen aufgegriffen wird, vgl. Bleckmann zu Eutr. (KFHist B 3) 10,6,3. Durch den Verweis auf das iudicium gewinnt der Akt aber juristische Legitimität und entlastet Konstantin von etwaiger tyrannischer Willkür, vgl. im Unterschied dazu Iul. ad Ath. 270: Constantius II. hat die Verwandten „ohne Prozess“ (ἀκρίτουϲ) getötet. Die neutral gehaltene Notiz Victors, die inhaltlich wie chronologisch an die vorhergehende Bemerkung über die Caesares (41,10) anknüpft, dient oh-

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nehin nur dazu, das Ende des Mitregenten, dessen Ernennung zum Caesar in 41,6 berichtet wurde, der Vollständigkeit halber festzuhalten. Analog dazu wird auch der nicht unproblematische Tod des Caesars Dalmatius nicht wortlos übergangen, vgl. Komm. zu 41,22. bemächtigte sich plötzlich Calocaerus Bei der Rebellion des Calocaerus in Zypern wird nicht ersichtlich, inwiefern sie in einem chronologischen oder auch (vermeintlich) kausalen Verhältnis zum Tod des Crispus steht. Die relative Chronologie bei Victor ordnet Calocaerus (PLRE 1,177) scheinbar bald nach Crispus’ Tod 326 oder noch in die zweite Hälfte der 320er Jahre ein und somit wesentlich früher als Hieronymus, der den Tod des kurzzeitigen Rebellen ins Jahr 334 datiert (chron. 233g Calocaerus in Cypro res novas molitus opprimitur). Die gemeinhin akzeptierte Datierung durch Hieronymus, vgl. Barnes, New Empire 15 f.; Kienast, Kaisertabelle 295 (Usurpation „333/34 [?]“) findet sich auch in der relativen Chronologie in Origo Const. 35 und bei Oros. hist. 7,28,30, vgl. zudem Thphn. p. 29,28–31 mit Mango / Scott, Chronicle 49 Anm. 2. Die Rebellion des Calocaerus steht außerdem in einem merkwürdigen Kausalverhältnis zu den nachfolgend genannten innenpolitischen Maßnahmen Konstantins (41,12). Daher besteht der Verdacht, dass es sich bei der Calocaerus-Episode um eine nachträgliche Einfügung in den Text handelt. In der Annahme, dass unmittelbar auf Crispus’ Tod 326 (quorum ... occidisset) ursprünglich die Tätigkeiten Konstantins genannt waren (condenda ... ordine), an deren erster Stelle die Gründung/Einweihung Konstantinopels im Jahr 330 genannt ist, geht auch die durch Calocaerus gestörte relative Chronologie innerhalb der Erzählung auf. Die Einbettung der Vignette dürfte Victor selbst zuzuschreiben sein, der die Information über Calocaerus vermutlich einer chronographischen Quelle entnommen hat, vgl. dazu Bleckmann, Überlegungen zur Enmannschen 23 f. Möglicherweise schöpfte auch Hieronymus aus dieser Quelle, da Eutrop ihm nicht kann. Historisch gehört die Rebellion zwischen die Caesarernennung des Constans 324 (41,13 f.) und die des Dalmatius 335 (41,15). Eine versehentliche Transposition im Laufe der Textüberlieferung ist aufgrund der syntaktischen Einbindung praktisch ausgeschlossen. Im Übrigen ist auf die Parallelüberlieferung bei Zosimos (2,29,2–33,5) hinzuweisen, der zwar wesentlich ausführlicher, aber doch dieselben Themen in fast identischer Reihenfolge wie Victor erzählt: Crispus’ Hinrichtung – Hinwendung zum Christentum – Gründung Konstantinopels – Änderungen bei den Staatsämtern. Calocaerus hingegen kommt bei Zosimos nirgends vor.

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Calocaerus, der Oberhirte einer Kamelherde Der Begriff magister pecoris bezeichnet den in der Regel zum Sklavenstand gehörigen Oberaufseher einer Tierherde (vgl. B. Bleckmann, Art. Calocaerus, DNP 2, 940 „führender Hirtensklave“). Diese arbeiteten oft als Wanderhirten, waren bewaffnet, verfügten über die ihnen unterstellten Hirten und genossen eine relativ große Autonomie. Gleichzeitig erweckten sie auch stets den nicht unberechtigten Verdacht, eine latente Gefahrenquelle zu bilden und als Rädelsführer Sklavenaufstände zu initiieren, vgl. J. Carlsen, Magister Pecoris, The Nomenclature and Qualifications of the Chief Herdsman in Roman Pasturage, ARID 20 (1992) 59–65, bes. 61 (mit Beispielfällen) und König, Origo Constantini 180 f. zu möglichen Motiven für Calocaerus’ Unterfangen. Daher wird man die „Scheinherrschaft“ des Calocaerus, der sogar bei Pol. Silv. princ. (KFHist B 6) 63 zu den tyranni (Usurpatoren) gezählt wird, am ehesten als eine von abtrünnigen Sklavenhirten unterstützte Rebellion verstehen dürfen. Hierfür spricht auch die abschätzige Bemerkung Victors, Calocaerus habe verdientermaßen die Hinrichtung nach Sklavenart (41,12) erlitten. Ob Calocaerus der magister pecoris einer privaten oder der kaiserlichen Kamelherde (König, Origo Constantini 180 „Leiter der kaiserlichen Kamelzucht“, vgl. F. Weissbach, Art. Kamel, RE 10,2 [1919] 1829) war, lässt sich nicht entscheiden. Laut Demandt, Art. Magister militum 556 war er ein „Aufseher des staatlichen Transportwesens in quasi militärischer Position“, nach Rosen, Konstantin 301 der „Führer einer Hilfstruppe von Kamelreitern“ bzw. 352 „Aufseher einer Kamelherde“. 41. (12) condenda urbe … avocavit Anstelle des instrumentalen Ablativs und des Verbs avocare, das nach Dufraigne, Aurelius Victor 198 Anm. 17 „détourner des luttes politiques“ und nach Fuhrmann „lenken“ bedeutet, schlägt Dacier, De Caesaribus 177 vor, condendae urbi als Zieldativ und advocavit (in der Bedeutung „bei- bzw. hinzuziehen“) zu schreiben. ThLL, der s. v. avoco Sp. 1469,75 Sp. 1469,51–79 Parallelen für animum avocare wie Sen. epist. 56,5 animum … cogo … nec avocari ad externa an, wobei das Objekt, auf das der Geist hingelenkt wird, mit der Präposition ad ausgedrückt wird. Hier hat vielleicht der Ablativ nicht nur instrumentale, sondern auch resultative Funktion wie in Liv. 21,26,4 (vgl. zum resultativen Ablativ H.-Sz. 127). Konstantin lenkte seinen Geist durch die Gründung einer Stadt und andere Reformen von der Tagespolitik und vom Krieg weg, worauf schon Arntzen, Sextus Aurelius 436 hingewiesen hat. Daher kann man den überlieferten Text unverändert übernehmen.

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novando Da in der Aufzählung alles Ablative (condenda urbe formandisque religionibus) vorkommen, kann man Dacier, De Caesaribus 177, die das überlieferte novande von O bzw. novandae von P in novando korrigiert und auf den von ihr vorgeschlagenen Dativ ordini statt militiae bezieht, im ersten Teil folgen, sollte aber wie Pichlmayr, Zu den Caesares 22 novando mit dem überlieferten Ablativ ordine verbinden. in der Weise ... qualvoll hingerichtet Die genaue Art der Hinrichtung bleibt unbestimmt, wird aber häufig als Kreuzigung aufgefasst, etwa von W. Kroll, Art. Kalokairos, RE 10,2 (1919) 1757; Cook, Crucifixion in the Mediterranean 404 f. oder Barbero, Costantino 693. Dagegen besagt Thphn. p. 29,28–31, dass Dalmatius (der Vater des Caesar Dalmatius, vgl. König, Origo Constantini 180) Calocaerus samt Komplizen bei lebendigem Leib verbrennen ließ; akzeptiert von Rosen, Konstantin 352, vgl. aber Dinkler-von Schubert, Nomen ipsum 138. Wie der Kreuztod zählte auch der Feuertod zu den summa supplicia, die verurteilten Sklaven auferlegt werden konnten, vgl. P. Garnsey, Social Status and Legal Privilege in the Roman Empire, Oxford 1970, 125 mit Verweis auf den jüdischen Rebellen Jonathan, den Vespasian foltern und lebendig verbrennen ließ, und auf die Verwandten des Avidius Commodus, die Commodus wie Verschwörer den Feuertod sterben ließ. Die Nachricht über die Hinrichtung des Calocaerus scheint im Widerspruch zu der oben getätigten Aussage zu stehen, Konstantin habe die Kreuzstrafe abgeschafft, vgl. Komm. zu 41,4. wandte er seinen gewaltigen Geist … zu Konstantins innenpolitische Maßnahmen, die anscheinend anerkennend seinem genialen Geist zugeschrieben werden (vgl. konzeptionell ähnlich Paneg. 3[11],15,1), werden auffällig knapp abgehandelt (vgl. zu den drei Maßnahmen auch das kritische Urteil bei Zos. 2,29,3–33,5). So bleibt hinsichtlich der Stadtgründung der Kontext völlig im Dunkeln, geschweige dass die Stadt beim Namen genannt wird (zur Gründung Konstanti 31), vgl. im Kontrast dazu Cirta in 40,28. Auch die epochale Hinwendung Konstantins zu einer neuen Religion bleibt völlig vage ausgedrückt, wobei sich formandis religionibus vielleicht nicht allein auf das Christentum bezieht: Bleckmann, Die konstantinische Wende 35 meint, dass religiones wegen des Plurals „nicht eindeutig auf das Christentum bezogen werden“ kann (vgl. aber Symm. rel. 3,7); Neri, Aurelio Vittore 25 versteht unter der Junktur sogar die „innovazioni introdotto da Costantino nel rapporto fra lo stato e le religioni, quella christiana e quelle pagane“. Zweifellos erklärt sich die auffällige Reserviertheit durch Victors persönliche Einstellung ge-

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genüber den religionspolitischen Umwälzungen, die mit Konstantin einsetzten (vgl. Komm. zu 39,45 Die uralten Kultpraktiken). Als ‚Heide‘ stand er der kaiserlichen Förderung des Christentums sicherlich ablehnend gegenüber und auch die mit der Stadtgründung nach sich gezogene Verlegung der Kaiserresidenz an den Bosporos nahm er Konstantin übel (vgl. Komm. zu 5,14 f.). Daher wird der Name Konstantinopels in den Historiae abbreviatae ebenso wenig genannt (vgl. die Umschreibung in 41,17) wie das Christentum thematisiert wird, denn wie später für Ammianus gilt auch für Victor: „Constantinople and Christianity were interpolations into the history of Rome“, so G. Kelly, The new Rome and the old: Ammianus Marcellinus’ silences on Constantinople, CQ 53 (2003) 588–607, hier 607. Wenn vor diesem Hintergrund die von Konstantin durchgeführten Veränderungen mit seinem ingens animus in Verbindung gebracht werden, könnte dies vielleicht weniger als Ausweis von Konstantins Genialität als vielmehr seiner Beharrlichkeit verstanden werden, mit der er einmal gefasste Entscheidungen durchsetzte, vgl. auch Eutr. 10,5: „Konstantin [war] ein gewaltiger (ingens) Mann und einer, der alles auszuführen suchte, was er sich im Geiste (animo) vorgenommen hatte.“ Vgl. auf Julian bezogen aber Paneg. 3(11),14,1 mentem reflexit; 15,1 sacra mens … respexit. Neuordnung des Militärdienstes militia ist gemäß dem üblichen Gebrauch Victors übersetzt, der den Begriff überwiegend im militärischen Sinne verwendet, obwohl militia auch die zivile Verwaltung umfassen kann, vgl. hierzu M. A. Speidel, Militia. Zu Sprachgebrauch und Militarisierung in der kaiserzeitlichen Verwaltung, in: A. Kolb (Hg.), Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis, Berlin 2006, 263–8 und Neri, Aurelio Vittore 28 f. Epit. Caes. 14,11 unterscheidet klar zwischen officia publica et palatina und officia militiae, macht aber nicht deutlich, welche von Konstantins Maßnahmen betroffen waren (quae paucis per Constantinum immutatis). Nach d Prätorianerpräfektur zu einem nicht genau datierbaren Zeitpunkt in ein weitgehend ziviles Amt umgestaltet, vgl. ausführlich Porena, Le origini della prefettura 496–562 und A. Coşkun, Die Praefecti praesent(al)es und die Regionalisierung der Praetorianerpraefecturen im vierten Jahrhundert, Millenium 1 (2004) 279–328. Dieser in seinen Details ungeklärte Umstrukturierungsprozess ging einher mit der Schaffung von Heermeistern, dem magister militum (Infanterie) und dem magister equitum (Reiterei), auf die das Heereskommando übertragen wurde, vgl. Demandt, Art. Magister militum 560–67 und M. Landelle, À propos de la création des ma-

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gistri militum par Constantin Ier, REA 118 (2016) 493–509 (Datierung ins Jahr 328). Ob novando positiv konnotiert ist, wie Szidat, Historischer Kommentar 111 vertritt, erscheint zweifelhaft, denn das Wortfeld hat „in der Regel eine negative Färbung“ (Szidat); die ‚Neuerungen‘ im Militär sind wie die anderen beiden Maßnahmen Konstantins negativ zu sehen und stimmen so mit der bei Zos. 2,32,1–33,5 geäußerten Kritik an der diesbezüglichen Veränderung der überkommenen Ordnung durch Konstantin überein. 41. (13) minor Die Lesart minorum von O ist wohl ein Influenzfehler nach cunctorum. Da sich minor auf filiusque bezieht, ist die Lesart von P korrekt. Zum Komparativ anstelle des Superlativs vgl. zu dieser Stelle auch Stabile, Note critiche 392 und Komm. c. 12,1 maximeque moderatum Völker der Goten und der Sarmaten Nach der Übernahme der östlichen Reichshälfte führte Konstantin an der unteren Donau in mehreren Feldzügen Krieg gegen die terwingischen Goten, die 332 unterworfen wurden, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 332 mit Komm. und Eutr. 10,7,1 (Gothos post civile bellum varie profligavit pace his ad postremum data). Victor wie Eutrop, die beide auf der EKG beruhen, vermittelt den Eindruck, die Barbaren seien durch Konstantin selbst besiegt worden, aber laut Origo Const. 31 führte zuletzt der Caesar Constantinus (II.) das Kommando (vgl. Iul. or. 1,9 D). Mit dem Sieg ist wahrscheinlich die Annahme des Siegertitels Gothicus maximus II verbunden (vgl. Barnes, New Empire 79, anders Kienast, Kaisertabelle 290 f.), außerdem ein Vertrag mit den Goten, der sie zur Stellung von Geiseln verpflichtete, aber hier unerwähnt bleibt. In den Zusammenhang des Gotenkrieges gehört auch der Bau der Donaubrücke, der an anderer Stelle ohne Kontext erwähnt wird, vgl. 41,18. Von dem separaten Feldzug gegen die Sarmaten berichtet sonst nur Origo Const. 32: da sie sich „als unzuverlässig erwiesen hatten“. Dass ein Teil der Sarmaten anschließend auf römisches Dienst im Heer verpflichtet wurde, bleibt von Victor unerwähnt (s. Komm. zu 3,14–6), vgl. neben Origo Const. 32 noch Cons. Const. (KFHist G 1) 334 mit Komm. und Rosen, Konstantin 350–52. Constans, wurde Caesar Mit der Erhebung des Constans am 25. Dez. 333, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 333 mit Komm., bekleideten alle drei verbliebenen Söhne Konstantins den Rang eines Caesars. Zu der territorialen Aufgabenteilung unter ihnen, wie sie Eutr. 10,6,2 (allerdings für 326) erwähnt, äußert sich Victor weder hier noch an anderer Stelle. Es ist ohne-

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hin fraglich, ob Constans das Amt anfangs mehr als nur nominell ausübte, vgl. Lib. or. 59,42 und Maraval, Les fils de Constantin 22. 41. (14) Dass seinetwegen der Staat … fortwährenden Feuer Weder das Wesen der astronomischen Erscheinung lässt sich bestimmen (Polarlicht?) noch deren Historizität erweisen. Hingegen kennt Libanios in seinem Panegyrikus auf Constantius II. und Constans in den militärischen Erfolgen ihres Vaters natürlich nur gute ‚Vorzeichen‘, die ihre Geburten ankündigten, vgl. Lib. or. 59,26–9. (15) assistentibus Mommsen, Zu den Caesares 958 meint, dass valide adsistere sprachlich und sachlich bedenklich sei, da „die Katastrophe nach Constantins Hinscheiden ein Werk der ‚Soldaten‘ war oder hiess.“ Ändert man nur einen Buchstaben des offensichtlich an dieser Stelle sinnlosen absistentibus von O, erlangt man mit obsistentibus das entgegengesetzte Resultat, das für Mommsen wahrscheinlicher ist. D’Elia, Per una nuova edizione critica 185, der zwar Mommsens Vorschlag für plausibel hält, gibt aber zu bedenken, dass angesichts der Tatsache, dass Dalmatius Caesar wurde, valide obsistentibus den Misserfolg der Soldaten bezeichnen würde, weshalb er adsistentibus analog zu c. 24,1 militibus quoque annitentibus (vgl. 40,4) für die richtige Lesart hält. Dalmatius Mit der Erhebung seines Halbneffens Dalmatius (PLRE 1,241 Dalmatius 7) am 18. Sept. 335 (Cons. Const. [KFHist G 1] 335,2) ernannte Konstantin zusätzlich zu seinen drei leiblichen Söhnen einen weiteren Caesar. Dessen Vater Dalmatius d. Ä. war ein Halbbruder Konstantins und stammte aus der zweiten Ehe des Constantius I. (mit Theodora). Offenbar sollte die von Konstantins Stiefmutter abstammende Nebenlinie an der Herrschaft beteiligt werden, wie die gleichzeitige Beförderung des jüngeren Bruders des Dalmatius zum rex regum nahelegt (Origo Const. 35). Dieser Hannibalianus bleibt hier jedoch ebenso wie bei Eutr. 10,9,1 unerwähnt, da die EKG offenbar nur und Caesares berücksichtigt hat. Victors Hinweis auf die große Zustimmung der Militärs scheint dabei die offizielle Erklärung, die das Militär für den späteren Tod des Dalmatius verantwortlich machte, subtil zu konterkarieren, indem er sie als Verantwortliche gewissermaßen entlastet, s. weiter Komm. zu 41,22. (16) Achyronam Der Ort kommt auch Hier. chron. 234b vor Constantinus … in Acyrone villa publica iuxta Nicomediam moritur, wobei er nach ThLL s. v. Achyro Sp. 397,83–398,5 Achyro heißt. Dagegen fasst Victor offenbar das Wort als Femininum Achyrona auf.

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‚Achyrona‘ Bei dem Landsitz handelt es sich um eine bisher nicht lokalisierte suburbane Kaiservilla in der Umgebung des heutigen İzmit (Türkei), vgl. Eutr. 10,8,2. Die bessere Namensform hat Hieronymus (s. philol. Komm.). Der Name ist ein von griech. ἀχυρών (Tenne) abgeleiteter und für einen Landsitz typischer Name. D. Woods, Where did Constantine die?, JThS 48 (1997) 531–34 geht davon aus, dass Eusebios in seiner Vita den peinlichen Namen dieses Ortes verschwiegen habe. Vgl. ferner R. W. Burgess, ΑΧΥΡΩΝ or ΠΡΟΑΣΤΕΙΟΝ. The location and circumstances of Constantine’s death, JThS 50 (1999) 153–61. Zum Todesort Konstantins s. die Präzisierungen bei Bleckmann, Späte historiographische Quellen zu Konstantin dem Großen, in: A. Demandt / J. Engemann (Hgg.), Konstantin der Große. Geschichte – Archäologie – Rezeption. Internat. Kolloquium vom 10.–15. Oktober 2005 an der Universität Trier, Trier 2006, 21–30. im zweiunddreißigsten Herrschaftsjahr Offenbar liegt ein Überlieferungsfehler vor, da Eutr. 10,8,2 (uno et tricesimo anno imperii) die korrekte Angabe aufweist. Konstantin, der vom 25. Juli 306 bis zum 22. Mai 337 herrschte, starb gegen Ende seines 31. Herrschaftsjahrs. Die Angabe in Origo Const. 35 (regnavit annos XXXI) ist aufgerundet. im ganzen Reich dreizehn Jahre innegehabt Nach der Übernahme von Licinius’ Reichsteil (vgl. Komm. zu 41,8) herrschte Konstantin noch rund zwölf Jahre und acht Monate, hier zu 13 Jahren aufgerundet. im Alter von zweiundsechzig Jahren Das Alter Konstantins divergiert leicht in den Quellen (vgl. etwa Eutr. 10,8,2: 65 Jahre; Epit. Caes. 41,15: 63 Jahre; Socr. 1,40,3: 65 Jahre) und lässt sich daher nur approximativ bestimmen. Vgl. zu Konstantins Geburtsjahr Kienast, Kaisertabelle 286; Barnes, Constantine Dynasty 3; 55 und Barbero, Costantino 133 f. gegen die Perser, die einen Krieg ... begonnen hatten Laut Victors Bericht, der wie Eutr. 10,8,2 (vgl. Bleckmann, KFHist B 3 z. St.) auf der EKG beruht, ist Konstantins geplanter griffe der Perser auf das römische Mesopotamien. Daher unzutreffend Rosen, Konstantin 362, der Victor unterstellt, die Kriegsschuldfrage vermieden zu haben. Victor stimmt mit Julians Panegyrikus überein (or. 1,18 B: Perser verstießen gegen den Friedensvertrag, aber entgingen ihrer Bestrafung (δίκη), weil Konstantin über der Kriegsvorbereitung starb). Etwas differenzierter berichtet etwa Eus. vit. Const. 4,56,1, der auch Konstantins (positiv besetzte) Ruhmsucht als Motiv für den Feldzug nennt, ebenso Ruf. Fest. 26. Laut Lib. or. 59,71 f. wurden sogar die Gesandten des persischen Königs, die zu Verhandlungen gekommen waren, unverrichteter Dinge

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wieder fortgeschickt; bei Amm. 25,4,23 ist Konstantin der Aggressor. Vgl. generell A. Luther, Konstantins letzte Pläne. Die „unvollendete Persienexpedition“, in: Ehling / Weber, Konstantin der Grosse 110–17. ein für Machthaber ungünstiger Stern Die Information, die sich sonst nur noch bei Eutrop findet (10,8,3 denuntiata mors eius etiam per crinitam stellam, quae inusitatae magnitudinis aliquamdiu fulsit; eam Graeci cometen vocant.) stammt aus der EKG. Bei Victor entfallen die Griechen, und das griechische Lehnwort cometes wird durch das lateinische Adjektiv crinitum ersetzt. Ein Komet als Omen des bevorstehenden Todes des Konstantin auch bei Philost. (KFHist E 7) 2,16a, vgl. ferner Thphn. p. 29,37–30,2. Die Erscheinung kann mit einem im Jahr 336 in China beobachteten Kometen identifiziert werden, vgl. J. T. Ramsey, A descriptive catalogue of Greco-Roman comets from 500 B.C. to A.D. 400 (Syllecta Classica 17), Iowa City 2006/7, 173–5. Zu der verbreiteten Vorstellung, dass Kometen den bevorstehenden Tod eines Kaisers anzeigen, s. Belege bei W. Gundel, Art. Kometen, RE 11,1 (1921) 1143–94, hier 1148. Eine damit anstehende Vergöttlichung zeigt der Komet gegen Hunt, Successors of Constantine 2 jedoch nicht an, vgl. Komm. zu 40,15 nicht weit von einem Gott entfernt. 41. (17) arbitrarentur Wahrscheinlich ist die Lesart arbitrarentur von O besser als arbitraretur von P, weil auch hier nach populus in einer Constructio ad sensum das Prädikat des Relativsatzes im Plural stehen kann, vgl. dazu Baehrens, Ad Sexti Aurelii 254. Zustimmend D’Elia, Per una nuova edizione critica 111 Anm. 15, vgl. auch Komm. c. 3,3 permovebantur. Sein Leichnam ... überführt Nachdem Konstantins Leibwache seine Leiche in einen goldenen Sarg gelegt hatte, „brachten sie sie in die nach dem Kaiser benannte Stadt“ (ἐκόμιζόν τ’ εἰϲ τὴν βαϲιλέωϲ ἐπώνυμον πόλιν, Eus. vit. Cons. 4,66,1); die Periphrase auch in Laus Const. 9,14, vgl. Iul. or. 1,8 B (πόλιν τε ἐπώνυμον αὑτο peror and senators 192 Anm. 87 bemerkt mit Verweis auf Expos. mundi 50 (Constantinus conditae suum cognomen civitati imposuit), „Victor is imprecise when he holds that Constantinople was the city of Constantine’s nomen.“ Constantius II., der zum Zeitpunkt von Konstantins Tod in Antiocheia weilte, war anders als mitunter behauptet (etwa zuletzt Rosen, Konstantin 365), nicht an der Leichenüberführung nach Konstantinopel beteiligt. Er führte jedoch später in Konstantinopel den Leichenzug vom Palast zur letzten Ruhestätte im Mausoleum an, vgl. Eus. vit. Cons. 4,70.

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Dies nahm das stadtrömische Volk … übel auf Im Zuge von Konstantins Tod richtete der römische Senat eine vermutlich an die Konstantinsöhne gerichtete (aber am Ende unerfüllte) Bitte, den Leichnam des Verstorbenen in Rom beizusetzen, vgl. Eus. h. e. 4,69. Zwar hatten in der jüngeren Vergangenheit auch andere Kaiser wie Diocletian oder Galerius sich für eine Begräbnisstätte fernab der traditionellen Hauptstadt entschieden, aber die Bestattung der Kaisermutter und Augusta Helena in Rom dürfte die Erwartungen bestärkt haben, dass auch Konstantin hier bestattet würde, zumal das ‚Mausoleum der Helena‘ an der Via Labicana ursprünglich wohl für Konstantin selbst konzipiert war, vgl. hierzu Johnson, Roman imperial mausoleum 110–18. Die Bevorzugung Konstantinopels ging mit einem gewissen Prestigeverlust für Rom einher und bedeutete eine Zurücksetzung der alten Kapitale, vgl. Th. Grünewald, Constantinus Maximus Augustus, Stuttgart 1990, 162. K.-P. Johne, Kaiserbiographie und Senatsaristokratie, Berlin 1976, 159 liest aus dem Passus eine „Kritik an der Gründung einer neuen Hauptstadt“ heraus, s. auch Komm. zu 5,14 f. durch seine Kriegstaten … neu erschaffen Konstantin wird als bonus princeps präsentiert, der im Krieg wie im Frieden die an ihn gestellten Anforderungen erfüllt hat. Er fand offenbar nicht nur durch spezifische Wohltaten (vgl. die 40,27 genannten opera publica), sondern generell in Rom Anerkennung und hat ein Gefühl der Zuversicht verbreitet. Den Passus sieht Bleckmann, Die konstantinische Wende 35 als Ausweis dafür, dass die „Erneuerungsbewegung der neuen konstantinischen Herrschaft“ auch die Stadt Rom eingeschlossen und es keinen Bruch Konstantins mit der alten Kapitale gegeben habe, wie mitunter aus Zos. 2,29,5 geschlossen wird, vgl. bereits E. D. Hunt, Imperial building at Rome. The role of Constantine, in: K. Lomis / T. Cornell (Hgg.), Bread and Circuses. Euergetism and municipal patronage in Roman Italy, London 2003, 105–24, hier 109 mit Anm 19. die Stadt Rom … neu erschaffen Die Vorstellung, dass der hervorragende Zustand der Stadt einer ‚Neugründung‘ gleichkommt, gehört zum Repertoire der zeitgenössischen Panegyrik, vgl. Paneg. 4(10),38,4 exornatae mirandum in modum ac prope de integro conditae civitates. Gesetzgebung Konstantins Gesetzgebung wird auch im Panegyrikus von 321 hoch gelobt, vgl. Paneg. 4(10),38,4. Dagegen urteilt Eutr. 10,8,1 differenzierter: „Er beantragte viele Gesetze, einige nach Maßgabe des Guten und Gerechten, aber sehr viele waren überflüssig, einige streng.“ Vgl. generell Dillon, The Justice of Constantine.

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41. (18–20) Während mit der Überführung und Bestattung Konstantins in Konstantinopel die ‚Konstantinbiographie‘ als abgeschlossen gelten kann, werden gewissermaßen als Nachträge noch weitere von Konstantin erbrachte Leistungen aus den Bereichen ‚Grenzsicherung‘ und ‚Steuererleichterung‘ angefügt. Anders als im Fall der Calocaerus-Episode (41,11 f.) wurde darauf verzichtet, sie in das eigentliche Konstantinkapitel einzuflechten, obwohl es sich bei der Donaubrücke angeboten hätte, sie mit der Nachricht von den Siegen über Goten und Sarmaten (41,13) zu verknüpfen. Die Nachricht über den Brückenbau scheint übrigens aus derselben Quelle wie die Calocaerus-Episode zu stammen, wie Bleckmann, Überlegungen zur Enmannschen 21 f. aufgrund von inhaltlichen Übereinstimmungen zwischen Victor und Theophanes erschlossen hat. (18) Eine Brücke ... Lager und Kastelle Mit der Übernahme des Reichsteils des Licinius trieb Konstantin durch die Errichtung von Militärlagern und Grenzkastellen die Sicherung des Limes an der unteren Donau gegen Einfälle der Barbaren voran. Hinzu kam der Bau einer imposanten Steinpfeilerbrücke im Jahr 328 (vgl. Chron. Pasch. p. 527,16 f.), die mit einer Gesamtlänge von 2400 m die Garnisonsstadt Oescus (Dacia Ripensis) mit dem gegenüberliegenden Brückenkopf Sucidava verband und einen raschen Übergang ins Barbaricum ermöglichte. Hierbei musste sich der Vergleich mit Traians Leistungen, vor allem mit dessen wesentlich kürzeren Donaubrücke bei Drobeta geradezu aufdrängen und ist auch von der zeitgenössischen Propaganda entsprechend aufgegriffen worden; vgl. das Medaillon mit dem Reversbild der neuen Brücke (RIC VII, 331 Nr. 298). Konstantins imitatio Traiani schimmert auch bei Victor durch, wenn er über Konstantin fast das Gleiche wie über Traian sagt (13,4 „Lager wurden an gefährdeten oder günstig gelegenen Plätzen errichtet und eine Brücke über die Donau geschlagen“), vgl. dazu Bleckmann, Constantin und die Donaubarbaren 45–53 mit Anm. 95. (19) Abgeschafft ... Lieferungen an Öl und Getreide Vermutlich wurden der nordafrikanischen Provinz Tripolitana die Öllieferungen und der Stadt Nikaia die Getreidelieferungen erlassen. Anlass für die Abgabenerleichterung Nikaias könnte das im Zusammenhang mit Konstantins Vicennalien dort abgehaltene Konzil von 325 gewesen sein. Hingegen lässt sich der Erlass der Öllieferung nicht näher bestimmen. M. Corbier, CAH XII 403 f. fragt, inwiefern die Öllieferung wirklich eine Spende war und welche Rolle dem Großgrundbesitzer Septimius Severus zukommt, unter dessen Herrschaft die Ölverteilung an die stadtrömische Plebs üblich

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wurde. Vgl. zur angeblich durch Marc Aurel auferlegten Buße A. Demandt, Marc Aurel, München 2018, 507 Anm. 219 und M. Haake, „Durch Leiden lernen?“ Aurelius Victor, Marc Aurel, Hipparchos und Nikaia, oder: Warum straft ein Kaiser eine Stadt?, in: H. Schwarzer u. a. (Hgg.), Man kann es sich nicht prächtig genug vorstellen. FS Dieter Salzmann, Marsberg 2016, 719–29. 41. (20) muneribus Das von OP überlieferte muneribus ist wohl ein Ablativus causae („wegen der Dienstleistungen bzw. Abgaben“), der angibt, weshalb sich diese Gunstbezeugung wegen der Nichtberücksichtigung der Nachkommen in eine Katastrophe verwandelt hat (Severus’ Nachfolger haben absichtlich nicht berücksichtigt, dass es sich um eine einmalige Gefälligkeit handelte). Daher hat Schott, Komm. 220 vorgeschlagen, muneris zu schreiben (ähnlich Casaubonus muneris huius, was paläographisch besser ist) und den Genetiv mit gratiam zu verbinden, also wohl „die Gefälligkeit bzw. Dankbarkeit für dieses Geschenk“ (vgl. Liv. 2,14,4 gratiam muneris). Die Parallele c. 13,6 munus satis utile in pestem orbis Romani vertit posterorum avaritia insolentiaque lässt keine Entscheidung zu, was Victor geschrieben hat. Wenn man aber annimmt, dass die Gefälligkeit, wie in c. 42,19 beschrieben wird, in einer Gabe (praebitio) bestand und sich gratiam auf gratantes im ersten Teil des Satzes bezieht, dann könnte man folgendermaßen ergänzen gratiam muneri⟨s oneri⟩bus (mit einem saut du même au même von -ri- auf -ri-) und „die Gefälligkeit wegen der mit dieser Dienstleitung verbundenen Bürden“ übersetzen (munus würde wie in c. 3,16 aufgefasst), wobei muneris dann mit oneribus zu verbinden wäre. Ebenso möglich wäre gratiam muner⟨um oner⟩ibus, wobei munerum dann die „Geschenke“ (wie in c. 40,24) wären. Da es für diese Vorschläge keine stichhaltigen Parallelen gibt, scheint es besser zu sein, am überlieferten muneribus festzuhalten. dissimulatio Während Fuhrmann deutung“ übersetzt, sind Dufraignes „hypocrisie“ und Festys „mauvaise foi“ wohl besser. dissimulatio bedeutet nach ThLL, s. v. Sp. 1479,25–69, der diese Stelle 1479,45 f. anführt, neglectio, omissio („Nichtberücksichtigung, Übersehen, Ignorieren“); möglich wäre hier wohl auch, dissimulatio als neglegentia, incuria („Vernachlässigung, Fahrlässigkeit“, vgl. ThLL s. v. Sp. 1479,70–80,13) aufzufassen. quod – ignoravissent Auch wenn die Anekdote, dass Marc Aurel die Einwohner von Nikaia wegen ihrer Unkenntnis des Astronomen Hipparchos bestraft hat, in den Quellen ohne Parallele ist, ist der überlieferte Text

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stimmig und bedarf keiner Änderungen, wofür schon Arntzen, Sextus Aurelius 438 plädiert hat. pressae Auch das Simplex premere bedeutet „unterdrücken, hemmen“, vgl. ThLL s. v. premo Sp. 1180,34–48, der diese Stelle anführt Sp. 1180,47 f. Daher ist der Vorschlag von Schott, Komm. 220 repressae überflüssig. Belästigungen durch Steuereintreiber … bekämpft Gegen das verbreitete Übel des Machtmissbrauchs durch Steuereintreiber erließ Konstantin im Laufe seiner Regierung mehrere Erlasse, die solche Verstöße mit Verbannung und Tod bestraften, vgl. etwa Cod. Theod. 11,7,1 und 8,10,1 mit Dillon, The Justice of Constantine 167–71. wäre einer göttlichen Ordnung gleich erschienen Eine ähnlich gelagerte Bemerkung zu Konstantin, die ebenfalls mit dem allerhöchsten Lob (Annäherung an Gott) gepaart ist, findet sich bereits in 40,15. Sinn und Zweck der geäußerten Kritik (falsche Spendierfreudigkeit bzw. Postenvergabe) besteht weniger darin, ein historisch ausgewogenes Konstantinportrait zu zeichnen, als vielmehr in der Absicht, dem regierenden Kaiser Constantius II. einen indirekten Hinweis zur optimalen Staatsführung zu geben, vgl. Einl. S. 18 f. Die von Victor beanstandeten Verhaltensweisen benennt auch Euseb in vit. Cons. 4,1, allerdings beurteilt er sie als Ausweis von Konstantins „Menschenliebe“ äußerst positiv, obwohl er in vit. Cons. 4,31 und 54 zugibt, dass der Kaiser für sein Verhalten auch kritisiert wurde. 41. (21) Obwohl solches … und so zur Nachahmung einladen Die Kritik an der Besetzung öffentlicher Ämter mit Personen, die moralisch nicht dafür qualifiziert sind, erinnert an den in 42,24 erhobenen Vorwurf gegen Constantius II., dass er ein „zu geringes Interesse beim Prüfen der Provinzstatthalter und Offiziere“ zeige. Es liegt daher auf der Hand auch die vorliegende Passage als Kritik an C die nächstliegende Person ist, die sich bei der Stellenbesetzung an Konstantin orientiert. (22) minimum maximumque Wohl ähnlich wie in Eutr. 1,1,1 plurimum minimumque bzw. 10,18,2 plurimum vel minimum drückt Victor hier mit dieser Formel eine gewisse Kautel bei der Zahlangabe an, vgl. dazu Groß, Komm. Eutr. (KFHist B 3) 192. wurde also Dalmatius getötet Mit dem Hinweis auf die Tötung des Dalmatius knüpft Victor an dessen Ernennung zum Caesar an (41,15) und konstatiert nunmehr sein Ende (vgl. für Crispus 41,6 u. 11). Bemerkens-

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wert ist hierbei, dass nicht von dem Mörder, sondern dem „Anstifter“ die Rede ist; dies setzt die Tötung des Dalmatius durch einen Dritten voraus, und schließt die Soldaten als Anstifter aus, vgl. Komm. zu 41,15. Dass die heikle Frage nach dem Auftraggeber nicht weiterverfolgt, sondern als ungeklärt beiseitegeschoben wird, erklärt sich aus der (dubiosen) Rolle, die Constantius II. in dem Massaker an den Verwandten der Nebenlinie im Sommer 337 gespielt hat, vgl. dagegen die unbefangenere Stellungnahme bei Eutr. 10,9,1 („Aber der Caesar Dalmatius ... wurde nicht viel später von einer Militärverschwörung getötet, wobei sein Cousin Constantius es eher zuließ als befahl“) mit Enmann, Eine verlorene Geschichte 452 f. und Burgess, The summer of blood 14. Die offizielle Erklärung, laut der das Militär eigenständig gehandelt habe (vgl. Iul. or. 1,17 A), kann auch unabhängig von Victors Bemerkung, dass Dalmatius mit der Zustimmung des Militärs zum Caesar erhoben wurde, nicht überzeugen, vgl. Burgess 15 und N. Baumann, Götter in Gottes Hand. Die Darstellung zeitgenössischer Kaiser bei Gregor von Nazianz, Münster 2018, 43 f. Ungefähr zum Zeitpunkt der Abfassung der Historiae abbreviatae macht Julian, der sich inzwischen offen gegen Constantius aufgelehnt hat, diesen für die Ermordung der Verwandten verantwortlich (ad Ath. 270 C–D), ebenso Hier. chron. 234e; Amm. 14,11,7; 21,16,8; Zos. 2,40; Athan. hist. Arr. 69,1 und Greg. Naz. or. 21,26. Barceló, Constantius II. 47 belässt die Schuldfrage offen, Burgess 42 und Maraval, Les fils de Constantin 27–34 sehen die Verantwortung ohne Zweifel bei Constantius. fiel Constantinus in einem verhängnisvollen Krieg Der richtig datierte Tod des Constantinus II. im Jahr 340 (vgl. Cons. Const. [KFHist G 1] 340) wird nur flüchtig erwähnt und mag auch mit der über Constantinus verhängten Damnatio memoriae zusammenhängen, vgl. Maraval, Les fils de Constantin 45. Die Notiz dient – wie im Fall des Dalmatius – lediglich dazu, sein Ausscheiden aus dem Kreis der wird auch in keiner Weise näher auf den Konflikt (bellum) zwischen den beiden Brüdern eingegangen (vgl. Eutr. 10,9,2), sondern dient dessen Erwähnung hauptsächlich zur Erklärung, wie Constantinus zu Tode kam. Seine nach dem Tod Konstantins erfolgte Rangerhöhung vom Caesar (vgl. Komm. zu 41,6) zum Augustus bleibt ebenso unerwähnt wie bei Constans und selbst bei Constantius II. Das Wissen um die Nachfolge der drei Konstantinsöhne als Augusti wird als bekannt vorausgesetzt, vgl. dagegen Eutr. 10,9,1. Zu den Hintergründen und der Historiographie des Konflikts

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zuletzt W. Lewis, Constantine II and his brothers: The civil war of AD 340, in: Baker-Brian / Tougher, The Sons of Constantine 57–94. 41. (23) animi vehemens Zum Genetiv beim Adjektiv, vgl. Komm. c. 4,1 pavidusque animi. durch diesen Sieg … mit einem Hang zu Constans, dessen Geburtsjahr unterschiedlich überliefert wird, war beim Sieg über Constantinus II. höchstens 20 Jahre alt, vgl. Kienast, Kaisertabelle 298. Das Ereignis markiert in Constans’ Charakterentwicklung den Wendepunkt zum Schlechten, vgl. auch Eutr. 10,9,3; Philost. 3,22/26a,1; Zos. 2,42,1; Zonar. 13,5,15. Victor entwirft ein weitgehend negatives Constans-Bild, dessen Glaubwürdigkeit Harries, Imperial Rome 196 jedoch in Frage stellt; Woudhuysen, Uncovering Constans’ Image, in: Burgersdijk / Ross, Imagining Emperors 158–82 schreibt das negative Bild des Constans der Propaganda seines Mörders, des Usurpators Magnentius zu. Dagegen konstatiert Hunt, Successors of Constantine 10, „the regime of Constans evidently forfeited the allegiance of some of its most prominent members“; vgl. auch Neri, Costantino 707. Ein überzogen positives Bild zeichnet dagegen Libanios in der noch zu Lebzeiten des Constans verfassten or. 59,144–9, vgl. aber auch Komm. zu 41,24. Angriffe auswärtiger Völker Trotz der Herabwürdigung des Constans durch die Aufzählung seiner zahlreichen Unzulänglichkeiten werden seine militärischen Erfolge nicht in Abrede gestellt. Constans errang 342 einen Sieg über Franken, mit denen ein Friedensvertrag geschlossen wurde, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 342,1 mit Komm. Außerdem vermochte er sich laut Amm. 30,7,4 gegen die Alamannen zu behaupten. (24) deren Geiseln … Begierde dieser Art Während Eutrop bzw. die EKG nicht oder allenfalls indirekt (vgl. Eutr. 10,9,3 ad gravia vitia conversus) auf die Constans nachgesagte Homosexualität eingeht, sieht Victor diese Behauptung aufgrund seln als erwiesene Tatsache an (vgl. 14,9 Victors Einschätzung bezüglich Hadrians Homosexualität). Das Detail mit den Barbaren, die einerseits Geiseln sind, aber gleichzeitig auch gekauft sind, ähnlich bei Zos. 2,42,1, vgl. dazu Paschoud, Zosime I 267: „Faut-il dès lors supposer que Zosime reflète ici l’erreur d’Aurélius Victor, parvenue jusqu’à lui par l’intermédiaire de Nicomaque Flavien et d’Eunape?“ Vielleicht ist damit jedoch gemeint, dass die Geiseln durch Bezahlung zu sexuellen Diensten bewegt worden seien (vgl. auch Komm. zu 39,46). Bei Zonar. 13,6,7–9 nutzt Constans Jagdausflüge mit jungen gutaussehenden Gefährten zu sexuellen

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Abenteuern. Anspielungen auf besagte Neigungen sind unter Umständen auch erkennbar bei Lib. or. 59,146 (Constans’ Selbstbeherrschung gegenüber der Schönheit von Frauen) und Amm. 16,7,5 (wenn Constans auf Eutherius gehört hätte, hätte er keine oder verzeihliche Fehler begangen). Harries, Imperial Rome 190 mit Anm. 21 (vgl. auch Hunt, Successors of Constantine 10) ist daher vielleicht zu skeptisch, wenn sie die diesbezügliche Überlieferung zu Constans in Frage stellt. 41. (25) Wären seine Laster … geblieben! Die Laster stehen metonymisch für Constans selbst, dessen klägliche Herrschaft in Victors Augen allemal besser war, als die nachfolgenden Zustände unter Magnentius. Der Ausruf ist singulär in den Historiae abbreviatae und drückt offenbar Victors persönliche Empfinden aus. Magnentius Aus der Erwähnung des Magnentius (PLRE 1,532) wird nur vage ersichtlich, dass es sich um einen Usurpator handelt, der zudem den Tod des Constans zu verantworten hat. Victor geht anscheinend davon aus, dass die noch nicht weit zurückliegenden Begebenheiten bekannt sind. Als Comes rei militaris und Befehlshaber über die Truppen der Ioviani und Herculiani ließ Magnentius sich am 18. Jan. 350 in Gallien zum Augustus ausrufen und Constans wenig später töten, vgl. Const. Cons. (KFHist G 1) 350,1 mit Komm.; Eutr. 10,9,3 und Zos. 2,42. Von Constans’ Reichsteil beanspruchte er nur die Großpräfektur Gallien, Italien und Africa, verzichtete aber auf Illyricum, vgl. Eutr. 10,10,2. Über Magnentius’ barbarische Herkunft gibt es unterschiedliche Aussagen, vgl. die Zusammenstellung bei Drinkwater, Revolt and Ethnic Origin 138 f., der der Überlieferung im Einzelnen jedoch mit Skepsis begegnet. (26) Vetranio Nur wenige Wochen nach Magnentius’ Usurpation ließ sich der Magister peditum Vetranio (PLRE 1,954 Vetranio 1) am 1. März in Sirmium vom pannonischen Heer zum Augustus ausrufen und beanspruchte die Präfektur Illyricum sowie die Die Charakterisierung Vetranios als bäurisch und ungebildet entspricht dem stereotypen Bild Victors von den Militärs aus dem Balkanraum, verdient aber keine Glaubwürdigkeit. Das Klischee soll einerseits den Beweggrund der Usurpation erklären (Vetranios Unvernunft) und andrerseits den unfähigen Usurpator als Gegenbild zu Constantius II. hinstellen, durch den der Dilettant problemlos abgesetzt wird (42,1). Andeutungen, dass Constantius oder seine Schwester Constantina in irgendeiner Weise in die Usurpation des Vetranio verwickelt waren (vgl. Philost. [KFHist E 7] 3,22), finden sich erwartungsgemäß keine bei Victor. Vgl. zu den Hinter-

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gründen der Usurpation Drinkwater, Revolt and Ethnic Origin 146–58 und Omissi, Emperors and Usurpers 182–8. 42. (1) Constantius Victor setzt sein Werk nahtlos mit der Geschichte des lebenden Kaisers fort und weicht damit von dem herkömmlichen Usus kaiserzeitlicher Geschichtsschreibung ab, der die Behandlung des regierenden Kaisers oder Kaiserdynastie ausuklammert, um den Verdacht der Voreingenommenheit zu vermeiden, vgl. Tac. hist. 1,1,4 und Einl. S. 15 u. 17. In der spätantiken Historiographie wird die zeitgenössische Geschichte öfters mit dem Hinweis ausgespart, dass diese in einem ‚höheren Stil‘ zu verfassen sei, so etwa Eutr. 10,18,3; Ruf. Fest. 30,1; Amm. 31,16,9; Hier. chron. praef. p. 7 Helm. Dadurch wird die Behandlung der Gegenwart dem Genre der Panegyrik zugewiesen, für das aus evidenten Gründen weniger strenge Regeln bei der Einhaltung der Wahrheit gelten (vgl. Aug. conf. 6,6,9). Zur Problematik F. Paschoud, Biographie und Panegyricus: Wie spricht man vom lebenden Kaiser?, in: K. Vössing (Hg.), Biographie und Prosopographie, Stuttgart 2005, 103–18, hier 100 f. und G. Kelly, The Sphragis and Closure of the Res Gestae, in: J. den Boeft u. a. (Hgg.), Ammianus after Julian, Leiden 2007, 219–41, hier 225–31. Ihn hat Constantius … in den zivilen Ruhestand versetzt Nach Verhandlungen mit Constantius II. trat Vetranio nach einer knapp zehnmonatigen Amtszeit am 25. Dez. 350 zusammen mit diesem in Naissus vor eine Heeresversammlung ihrer vereinigten Armeen, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 351,2. Bei diesem Anlass wurde Vetranio – in einer wohl abgesprochenen Inszenierung – als Augustus abgesetzt und ins Exil nach Prusa geschickt. Die unblutige Beseitigung des Usurpators wurde in der Panegyrik als besonders glanzvolle Leistung des Constantius herausgehoben, vgl. Iul. or. 1,31 A–32 A; Them. or. 2,37 B–38 A; 3,45 B–C; 4,56 A–B; Zos. 2,44; Chron. Pasch. p. 539,19–22; Zonar. 13,7,25 f. Zu den Hintergründen Drinkwater, Revolt and Ethnic Origin 151–8 Usurpers 187 f. 42. (2–5) Kraft seiner Redegabe ... ersichtlich an unserem Princeps Die Episode um die Absetzung des Vetranio dient dazu, Constantius II. als idealen Herrscher darzustellen. Dabei hebt Victor besonders auf dessen literarisch-rhetorische Bildung ab, die in seinen Augen einen würdigen Kaiser ausmacht, vgl. 40,13. Vgl. aber auch die etwa schon bei Sallust (Catil. 1,5–7) greifbare Feststellung, dass bei der Kriegsführung der Verstand (virtus animi) ebenso erforderlich ist wie der Körper (vis corporis). Umgekehrt mögen vielleicht gerade die Begebenheiten um Vetranio Vic-

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tor, der dieser Episode mehr Aufmerksamkeit schenkt als der militärischen Auseinandersetzung mit Magnentius (42,10), zu seinem unablässigen Insistieren auf Kultur und Bildung zusätzlich befeuert haben. Vgl. im Übrigen auch Maier, Palastrevolution 93–173 zu der sich unter Constantius wandelnden Erwartungsvorstellung an das traditionelle Kaiserbild. 42. (4) praestare Mit Recht korrigiert Schott, Komm. 220 das von OP überlieferte restare in praestare, das in diesem Kontext einen viel besseren Sinn ergibt. superet Wahrscheinlich fungiert die Rhetorik (dicendi copia) aus der vorherigen Periode, auf die der relative Anschluss qua mit dem instrumentalen Ablativ im Hauptsatz Bezug nimmt, ebenfalls in diesem Gliedsatz implizit als logisches Subjekt. wenn … Mäßigung und Rechtschaffenheit durchsetzt Es ist nicht erkennbar, ob der Gliedsatz affirmativ dem Kaiser ein Lob spendet, oder – ähnlich wie die Einschränkung in 40,29 – ihn paränetisch zu einem maßvollen und rechtschaffenen Verhalten auffordert. (5) die versperrten Alpen … gegen die anderen Feinde Gemeint sind die Julischen Alpen zwischen Pannonien (Slowenien) und Italien, über die der im Winter verschneite Pass ad Pirum (883 ü. N. N.) führt, vgl. Itin. Burdig. 560,3 f. Dieser Übergang war zusätzlich durch eine Befestigungsanlage gesichert, vgl. etwa T. Ulbert (Hg.), Ad Pirum (Hrušica). Spätrömische Paßbefestigung in den Julischen Alpen, München 1981; J. Šašel, Sistemi di difesa della „porta illirico-italica“ nel tardo antico (1984), in: ders., Opera selecta, Ljubljana 1992, 795–805 und N. Christie, The Alps as a Frontier (A.D. 168–774), JRA 4 (1991) 410–30. Wer die „anderen Feinde” sind, ist nicht ganz klar. Sicherlich zählt Magnentius dazu, vielleicht auch sein Bruder Decentius, der allerdings erstmals in 42,9 genannt wird. Ob indes auch Nepotian gemeint ist, bleibt fraglich, denn das nachfolgende interim (42,6) suggeriert, dass er erst in Wetter Constantius von der beabsichtigten Alpenüberquerung abhielt, vgl. nächstes Lemma. (6) Nepotian … zum Kaiser gemacht Die Usurpation des Nepotian in Rom wird mit Cons. Const. (KFHist G 1) 350,3 gewöhnlich auf den 3. Juni 350 datiert, vgl. Kienast, Kaisertabelle 306. Allerdings erwähnt sie Victor kompositorisch erst nach der Absetzung des Vetranio, die sich am Ende von 350 ereignete (s. Komm. zu 42,1), und er ergänzt, dass der „rauhe Winter und die versperrten Alpen“ Constantius II. daran hinderten, nach Italien zu gelangen (42,5). Dies scheint zu implizieren, dass Nepotian zu

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Beginn von 351 zum Kaiser proklamiert wurde. Bleckmann, Gallus, César de l’Orient?, in: F. Chausson / É. Wolff (Hgg.), Consuetudinis amor. Fragments d’histoire romaine (IIᵉ–VIᵉ siècles) offerts à Jean-Pierre Callu, Rom 2003, 45–56, hier 46 Anm. 7 vermutet daher eine Korruptel im Text der nicht immer zuverlässigen Consularia Constantinopolitana und schlägt vor, das überlieferte Datum zu „3. Jan. 351“ zu konjizieren, sodass das Datum der Kaiserproklamation mit dem Bericht des Victors harmoniert, vgl. dazu Komm. zu Cons. Const. (KFHist G 1) 350,3. Victors relative Erzählchronologie, die offenbar der EKG entstammt, liegt auch bei Eutr. 10,11,1 f. vor (in Epit. Caes. 41,25–42,3 ist die Abfolge der Ereignisse insgesamt weniger eindeutig). Allerdings lässt sich bei Victor die genaue zeitliche Ausdehnung von interim („unterdessen“) nicht bestimmen, und kann das Adverb sich unter Umständen auf den ganzen Zeitraum der an einem Stück erzählten Usurpation des Vetranio (41,26–42,5) beziehen (1. März bis 25. Dez. 350). Damit würde Victors Erzählung mit dem überlieferten Datum der Proklamation am 3. Juni 350 übereinstimmen und auch die relative Chronologie bei Zosimos (2,43 f.) sich als richtig erweisen. mütterlicherseits mit Flavius verwandt Mit Flavius ist Konstantin gemeint (vgl. 40,26), dessen Halbschwester Eutropia die Mutter des Nepotian war, vgl. F. Chausson, Stemmata Aurea: Constantin, Justine, Théodose, Rom 2007, 129–33. Ermordung des Stadtpräfekten Zum Zeitpunkt der Erhebung des Nepotian am 3. Juni 350 (oder 3. Jan. 351) war Fabius Titianus (PLRE 1,918 f. Titianus 6) der praefectus urbi. Er amtierte vom 27. Feb. 350 bis zum 1. März 351 (vgl. Chron. min. 1,69) und kann daher nicht gemeint sein. Chastagnol, Le préfecture urbaine 36 nimmt daher mit Tillemont eine Verwechslung zwischen dem praefectus urbi und dem praefectus praetorio an, zumal Zosimos (2,43,3) in diesem Zusammenhang nur den Prätorianerpräfekten Anicetus (PLRE 1,66 Anicetus 1 sich um den vicarius praefecturae urbis handeln, den Stellvertreter des Titianus. Gladiatorentrupps Da es seit der Beseitigung der Prätorianerverbände durch Konstantin kaum noch militärische Streitkräfte in Rom gab (vgl. Komm. zu 40,25), muss Nepotian auf bewaffnete Gladiatoren zurückgreifen, vgl. Eutr. 10,11,2. 42. (7) aut Da aut hier wohl steigernde Funktion hat (vgl. H.-Sz. 499), sind die Korrekturvorschläge ac, atque oder et wohl überflüssig, da die von Opitz, Sallustius und Aurelius 222 dazu angegebene Parallele aus Sall.

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Catil. 51,9 syntaktisch anders konstruiert ist (die Steigerung erfolgt dort durch die lange Aufzählung verschiedener Glieder rapi virgines, pueros, divelli liberos a parentum complexu, … fana atque domos spoliari, caedem, incendia fieri, postremo armis, cadaveribus, cruore atque luctu omnia conpleri). Häuser, Plätze, Straßen und Tempel Es ist mitunter vermutet worden, dass aufgrund der anschaulichen Schilderung Victor die Ereignisse selbst miterlebt hat, vgl. Bird, Liber de Caesaribus vii („appearance of autopsy“). Allerdings schließt das nicht aus, dass hier auch eine Reminiszenz aus Tac. Agr. 21,1 (templa, fora, domos) vorliegt, die um ein weiteres Glied (viae) erweitert ist. (8) Magnentianis Schott korrigiert das überlieferte magnianis mit Recht gemäß Eutr. 10,11,2 a Magnentianis ducibus in Magnentianis. aber nicht nur durch ihn … heranstürmenden Magnentianer Mit „durch ihn“ ist der blutige Putsch des Nepotian gegen den magnentiustreuen Stadtpräfekten gemeint, in dessen Folge Nepotian von Volk und Senat (vgl. plebi Romanae patribusque) zum Kaiser erhoben wurde, vgl. Zos. 2,43,2–4. Seine kurze Herrschaft wurde in einem weiteren blutigen Kampf durch die Truppen des Magnentius („Magnentianer“) beendet, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 350,4 mit Komm. (pugna magna fuit cum Romani et Magnentianis) und Eutr. 10,11,2: In der Folge wurden neben Nepotian auch senatorische Anhänger des Usurpators getötet. Vgl. Ehling, Die Erhebung des Nepotianus 147–58 und E. Moreno Resano, La usurpación de Nepociano (350 D.C.), Veleia 26 (2009) 297–322. (9) seinem Bruder Decentius Magnus Decentius (PLRE 1,244 f. Decentius 2) wurde von seinem Bruder Magnentius – möglicherweise nach gescheiterten Verhandlungen mit Constantius II. – zum Caesar erhoben und mit der Präfektur Gallien betraut, vgl. Hier. chron. 238h (Decentius frater eius, quem ad tuendas Gallias Cae Humphries, Memory of Mursa 163; 165. Der Communis opinio zufolge fällt seine Erhebung, die hier vor die Usurpation Nepotians datiert ist (iam antea), in den Sommer 350, vgl. Kienast, Kaisertabelle 306. Das Bruderverhältnis zwischen Decentius und Magnentius bestätigt B. Bleckmann, Decentius, Bruder oder Cousin des Magnentius?, GFA 2 (1999) 85–7. Gallus ... im Rang von Caesares Claudius Gallus (PLRE 1,224 Constantius 4) wurde am 15. März 351 in Sirmium zum Caesar erhoben und, um die dynastische Zugehörigkeit zum konstantinischen Kaiserhaus zu unterstreichen (vgl. Amm. 14,1,1), nach dem regierenden Kaiser bzw. dem

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Großvater in Flavius Constantius umbenannt. Hintergrund der Erhebung war die sich abzeichnende Konfrontation mit Magnentius, der selbst bereits einen Caesar zum Mitregenten erhoben hatte. Beide Caesarerhebungen sind hier chronologisch eng miteinander verbunden und in die Zeit vor der Usurpation des Nepotian datiert. Dieses Zeitverhältnis kann zumindest im Hinblick auf Gallus aber nicht zutreffen, wenn man an dem überlieferten Datum des Nepotianputsches im Juni 350 (oder im Jan. 351) festhält, vgl. Komm. zu 42,6 und Humphries, Memory of Mursa 163 Anm. 30. Folglich hat Victor aus erzählkompositorischen Gründen beide Caesarerhebungen unter Vernachlässigung der historischen Chronologie synchronisiert, was nicht undenkbar ist, vgl. Komm. zu 39,33. Oder aber beide Caesarerhebungen fanden tatsächlich vor dem Nepotianputsch statt, der demzufolge, wie M. Festy annimmt, erst in die Zeit nach dem 15. März 351 gehört, vgl. Komm. zu Cons. Const. (KFHist G 1) 350,3. Auch Epit. Caes. 42,1–3 platziert den Nepotianputsch hinter die Galluserhebung, aber die gleichzeitige Verkehrung der relativen Chronologie der Caesarerhebungen von Decentius und Gallus weckt Zweifel an der Zuverlässigkeit dieses Zeugnisses. Häufig wird Gallus’ Mandat für den Osten in einem Zug mit seiner Caesarerhebung genannt (etwa Lib. or. 18,16; Eutr. 10,12,2; Socr. 2,21–23; Zos. 2,45,1), aber vermutlich wurde Gallus erst zu dem Zeitpunkt in den Osten entsandt, als sich abzeichnete, dass Constantius länger mit der Niederwerfung des Magnentius beschäftigt sein würde. Vgl. dazu Bleckmann, Gallus, César de l’Orient? und dens., Constantius Gallus 232 f. 42. (10) über drei Jahre hinweg in heftigen Schlachten Gemeint sind die Bürgerkriegsschlachten von Mursa in Pannonien (28. Sept. 351) und am Mons Seleuci in den Alpen (353), in denen Constantius jeweils den Sieg davontrug, aber Magnentius dennoch flüchten konnte. Übereinstimmend betonen die Quellen für Mursa die Heftigkeit der Kämpfe; laut Zonar. 13,8,17 sollen bei Mursa insgesamt 54. vgl. generell B. Bleckmann, Die Schlacht von Mursa und die zeitgenössische Deutung eines spätantiken Bürgerkrieges, in: H. Brandt (Hg.), Gedeutete Realität. Krisen, Wirklichkeiten, Interpretationen (3.–6. Jh. n. Chr.), Stuttgart 1999, 47–101. Anders als Eutr. 10,12,2, der die Dauer der Usurpation des Magnentius mit drei Jahren und sieben Monaten richtig beziffert (vgl. Kienast, Kaisertabelle 305), bietet Victor nur eine gerundete Pauschalangabe. trieb beide … selbst zu töten Nach der zweiten Niederlage zog sich Magnentius nach Lyon zurück und beging dort im August 353 schließlich

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Selbstmord. Kurz darauf erhängte Decentius sich in Sens, vgl. Hier. chron. 238h (Magnentius Lugduni in Palatio propria se manu interficit et Decentius frater eius … aput Senonas laqueo vitam explet) und zum Datum Cons. Const. (KFHist G 1) 353,1 mit Komm. 42. (11) speciem Da im Lateinischen in der Regel nicht in specie, sondern in speciem mit einem Objekt im Genetiv (ähnlich c. 42,3 ad speciem) belegt ist (etwa Liv. 3,50,6 in speciem crudelitatis), korrigiert Dacier, De Caesaribus 180 wohl mit Recht das überlieferte specie. der Aufstand der Judäer ist nur spärlich dokumentiert und dessen Anführer Patricius (PLRE 1,673 Patricius 3) lediglich hier erwähnt. Ob die Information aus der EKG stammt, wie Bird, Liber de Caesaribus 201 Anm. 8 vermutet, oder – ähnlich wie die Nachricht über den Rebellen Calocaerus (vgl. Komm. zu 41,11) – eher aus einer anderen Quelle, lässt sich nicht endgültig entscheiden. Der Aufstand ereignete sich zeitlich parallel (interea) zu der in 42,10 als geschlossene Episode behandelten Usurpation des Magnentius (350–353). Hier. chron. 238f datiert den Aufstand ins Jahr 352: „Gallus schlug die Juden nieder, die nachts Soldaten getötet und die Waffen zu einer Rebellion erhoben hatten, wobei er mehrere Tausend Personen einschließlich Unschuldiger im Kindesalter getötet hat, und er überließ ihre Gemeinden Diokaisareia, Tiberias und Diospolis und mehrere Städte dem Feuer.“ Vgl. noch Socr. h. e. 2,33, Thphn. p. 40,20–23 und zu den wenig aussagekräftigen jüdischen Quellen G. Stemberger, Juden und Christen im Heiligen Land, München 1987, 132–37. Siehe zu dem Aufstand generell D. Goodblatt, The political and social history of the Jewish community in the land of Israel, in: Cambridge History of Judaism 4, Cambridge 2006, 404–30, hier 411–13 und Bleckmann, Constantius Gallus 236 f. (12) ob saevitiam zur Varia lectio scenicum vgl. Einl. S. 26 Anm. 1. Nicht viel später … auf Befehl des A gerichtet, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 354 mit Komm. Die chronologische Angabe bezieht sich vermutlich auf das Ende des Magnentius 353 (42,10), nicht den jüdischen Aufstand. Die Nachricht über Gallus’ Tod knüpft an seine Erhebung zum Caesar an (42,9). Seine als Begründung für die Hinrichtung angeführte Brutalität und sein angeblich grausamer Charakter stammen aus der EKG, vgl. Eutr. 10,13 („von Natur aus wild und tendenziell zur Gewaltherrschaft neigend“). Diese dürfte mit der offiziellen Verlautbarung des Kaiserhofs zur Rechtfertigung der Hinrichtung des Caesars übereinstimmen und findet sich etwa auch bei Ammianus Marcellinus

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oder Libanios (vgl. Bleckmann, Constantius Gallus 234), aber nicht bei Hier. chron. 239c, der allerdings aus theologischen Gründen Constantius nicht wohlgesonnen ist. Ob Victor dem Vorgehen gegen Gallus in Wahrheit kritisch gegenüberstand, ist zweifelhaft, vgl. Komm. zu 40,29. 42. (13) Und so gelangte ... an einen Einzigen Diocletian war 69 Jahre zuvor Alleinherrscher geworden, nachdem er sich im Jahr 285 gegen das letzte Mitglied der carischen Dynastie durchgesetzt hatte. Aber ebenso wie Diocletian alsbald einen Caesar als Mitregenten hinzuzog, tat dies auch Constantius II. Die Emphase der Alleinherrschaft über das gesamte Reich entstammt der EKG, vgl. die Paralle bei Eutr. 10,13 (solusque imperio Romano ... Constantius princeps et Augustus fuit). Dennoch handelt es sich dabei kaum um eine rein historiographische Kategorie, sondern bildete auch Teil von Constantius’ Selbstverständnis wie etwa aus dem Brief an Schapur (Amm. 17,5,13 cum deletis tyrannis totus orbis Romanus nobis obtemperat) oder der Weihinschrift einer Statuenbasis (CIL VI 31397 toto orbe victori d. n. Constantio) geschlossen werden darf, vgl. Bleckmann, From Caesar to Augustus: Julian against Constantius, in: Rebenich / Wiemer, A Companion to Julian 97–123, hier 100 Anm. 9 „This (sc. Hervorhebung der Alleinherrschaft des Constantius in der EKG) may indicate that the ideal of establishing sole rulership was already in principle pursued by Constantius II, even if a series of unfortunate events hindered him from achieving it.“ (14) zur Herrschaftsübernahme gezwungen Aus den nachfolgenden Details zu Silvanus (PLRE 1,840 f. Silvanus 2) wird nicht klar ersichtlich, inwiefern er zur Usurpation „gezwungen“ wurde. Als mögliche Ursache nennt Victor weiter unten „Furcht“ oder „Unvernunft“ (42,16). Während dementia auf eine törichte Selbstüberschätzung hinausläuft (vgl. 40,17; 41,11), ist mit metus die Furcht um das eigene Leben gemeint (vgl. 20,9; 39,21. 41) scheidung gewesen sein (er wird in Amm. 15,5,7 generell als timidior beschrieben); Amm. 15,5,1–35 berichtet nämlich, dass Silvanus im Jahr 355 aus Angst vor Intrigen, die gegen ihn am Hof des Constantius II. gesponnen wurden, die Flucht nach vorne ergriff (non cupiditate, sed necessitate compulsum, Amm. 15,6,2). Victor weiß offenbar mehr um die Hintergründe der Usurpation und die Rolle des Constantius, belässt es aber bei der Andeutung. Vgl. Ross, Ammianus’ Julian 80–95, bes. 93 f.; D. Hunt, The outsider inside. Ammianus on the rebellion of Silvanus, in: Drijvers / Hunt, The Late Roman World 46–63. Entgegen der Communis opinio

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sieht S. Conti, L’usurpazione di Silvano tra costrizione e brama di potere, Klio 98 (2016) 228–40 Silvanus jedoch nicht als Getriebenen. 42. (15) {ad} magisterium … meruerat Die Verbindung mit einem präpositionalen Objekt kommt bei merere gemäß ThLL s. v. Sp. 802,14– 810,64 nirgends vor. Aus diesem Grund hat Sylburg, Komm. 733 f. ad getilgt bzw. als Alternative anstelle von meruerat das Verb pervenerat vorgeschlagen. Da aber bei Victor pervenire nur konkret lokal verwendet wird, scheint die erste Lösung besser zu sein. Da in der Zeile oberhalb bereits ad Constantium und das auf magisterium folgende Wort adolescentior mit ad- beginnt, ist es möglich, dass ein Kopist beim Abschreiben ad fälschlicherweise wiederholt hat. In diesem Fall ist pedestre magisterium das Amt (ähnlich c. 41,26 peditum magisterio, vgl. dazu ThLL s. v. magisterium Sp. 89,26–44), das jener bekleidet hat, und steht analog zu c. 20,9 provinciam … meruerat und Suet. Vesp. 2,3 tribunatum militum … meruit im Akkusativ. Daher kann man ad problemlos streichen. von barbarischen Eltern … durch seinen Seitenwechsel Bonitus, der Vater des Silvanus war ein Franke, der auf der Seite Konstantins gegen Licinius gekämpft hat, vgl. Amm. 15,5,33. Während das Detail über die „barbarische“ Herkunft abwertend einzuschätzen ist (vgl. 42,17; 41,25), dürfte der Seitenwechsel hingegen als positiv gelten, zumal Victor oben in 20,11 thematisiert hat, wie leicht man im Bürgerkrieg auf die falsche Seite geraten kann. Somit ergibt sich ein ambivalentes Bild des Silvanus, das sich von der offiziellen Sichtweise der Dinge unterscheidet; diese findet sich bei Julian (or. 1,48 C): Er bewertet das Übertreten der Soldaten als eine Auszeichnung für Constantius II., verschweigt aber die Rolle des Silvanus dabei; dieser gilt wegen seiner Usurpation umgekehrt als treuloser Verräter, vgl. Iul. or. 2,98 C–99 B. (17) bei den Galliern … zumal die Germanen Die topische Vorstellung, dass die Gallier besonders zu U figer in spätantiken Quellen, vgl. Hist. Aug. trig. tyr. 3,7; quatt. tyr. 7,1; Expos. mundi 58; Amm. 30,10,1; Philost. 4,2a (Artemii Passio) mit D. Liebs, Das Gallierbild der Historia Augusta, in: G. Bonamente / K. Rosen (Hgg.), Historiae Augustae Colloquium Bonnense, Bari 1997, 161–70 und R. Urban, Gallia Rebellis. Erhebungen in Gallien im Spiegel antiker Zeugnisse, Stuttgart 1999, 125–7. Eine Ursache für die Germaneneinfälle nach Gallien liegt in der Usurpation des Magnentius, die eine Schwächung der Grenzverteidigung zur Folge hatte, vgl. Drinkwater, The Alamanni and Rome 201–3. Vgl. zum damaligen Zustand Galliens auch Iul. ad Ath. 277

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D und Amm. 15,8,1 zur Besorgnis des Constantius II. über die Verwüstungen in Gallien. durch Blutsverwandtschaft genehmen Julian als Caesar Constantius II. ernannte Julian am 6. Nov. 355 in Mailand zum Caesar, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 355 mit Komm. Constantius selbst verweist auf die Verwandtschaft (necessitudo) als Auswahlkriterium in seiner Ansprache vor der Heeresversammlung (Amm. 15,8,8). Die entfernten Cousins waren über ihre Väter beide Enkel des Constantius I. unterwarf in kurzer Zeit die wilden Stämme Gemeint sind neben den Franken (Amm. 17,8,3–5) vor allem die Alamannen, die sich aus zahlreichen Untergruppen mit ihren eigenen Anführern (reges, reguli) zusammensetzten. Gegen eine Koalition solcher alamannischen Gruppen errang Julian 357 bei Straßburg einen bedeutenden Sieg (Amm. 16,12,1–66), vgl. Drinkwater, The Alamanni and Rome 229–340 und P. Heather, The Gallic wars of Julian Caesar, in: Wiemer / Rebenich, A Companion to Julian, 64– 96. Die Beschreibung fremder Stämme als „wild“ gehört zur gängigen Barbarentopik (vgl. 1,2; 13,3) und rührt wohl kaum von der alamannischen Kampfeswut, bei der der mit einem Wolfs- oder Bärenfell bekleidete Kämpfer in rauschhafter Weise die Identität des Raubtieres annimmt, vgl. M. P. Speidel, Ancient Germanic warriors, London 2004, 18 f.; 60 f. ihre berühmten Könige in Gefangenschaft gerieten Der Nachricht kommt eine wichtige Rolle bei der Datierungsfrage der Historiae abbreviatae zu. Denn während in der Parallelüberlieferung bei Eutrop lediglich die Gefangennahme eines berühmten Königs berichtet wird (Eutr. 10,14,1 rex nobilissimus captus), weiß Epit. Caes. 42,14 nicht nur von zwei gefangenen Königen, sondern kennt zudem ihre Namen: captus rex nobilis (Ch)nodomarius; … potentissimum regem (V)adomarium cepit. Ersterer (PLRE 1,202) geriet als ‚Oberkönig‘ über diverse alamannische ‚Kleinkönige‘ im Sommer 357 nach der Niederlage in der sche Gefangenschaft (vgl. Iul. ad Ath. 279 C und Amm. 16,12,58–61). Hingegen fand die Gefangennahme des Vadomarius (PLRE 1,928), der als Gast bei einem römischen Gastmahl auf Anweisung von Julian festgesetzt wurde, im Frühjahr 361 statt (vgl. Amm. 21,4,3–6 und Lib. or. 18,107 f.). In der Annahme, dass Victors captis famosis regibus sich auf diese beiden Könige bezieht, schließt Nixon, Aurelius Victor 120 f. aus dem Datum der Gefangennahme des Vadomarius auf 361 als den Terminus post quem für die Abfassung (des letzten Kapitels) der Historiae abbreviatae, vgl. auch Bird, Liber de Caesaribus 202 Anm. 12; Festy, Abrégé des Césars 204

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Anm. 16; und Komm. zu 42,24 f. Falls der Plural (captis … regibus) nicht bloß rhetorischer Art ist, dürfte Victor die ursprüngliche Angabe der EKG (vgl. oben Eutr. 10,14,1), folglich um den zweiten gefangenen Alamannenkönig erweitert und somit aktualisiert haben. Zum rex-Titel germanischer Häuptlinge vgl. S. Dick, Der Mythos vom „germanischen“ Königstum, Berlin 2008, 203–9 und 212–14. 42. (18) in eius fortuna … accidere Da bei accidere die Konstruktion in und Ablativ merkwürdig und scheinbar ohne Parallelen ist, hat es Gruter, Komm. 339 getilgt (wohl auch wegen des folgenden bloßen Ablativs consilio), während es Freinsheim als vi, das in den beiden Handschriften nahezu gleich wie in geschrieben wird, gelesen hat, ohne aber den Sinn zu erklären. Hingegen hat Damsté, Ad S. Aurelium 382 sorte nach eius eingefügt. Die Konstruktion in und Ablativ steht schon vor dem Spätlatein in Konkurrenz zum instrumentalen Ablativ (vgl. H.-Sz. 126). D’Elia, Per una nuova edizione critica 188 gibt weiterhin zu bedenken, dass mit in der Bereich angegeben wird: „In questo ragionamento si può comprendere e giustificare l’in nel senso di: nell’ambito della (sua fortuna), in significato restrittivo.“ Eine Parallele für diesen Gebrauch bei Victor ist c. 16,10 in eius salute. Dabei betont Victor, dass neben dem Glück auch die Planung des Princeps, mit dem im konkreten Fall der Augustus Constantius gemeint ist, entscheidend ist, wie das folgende c. 42,19 zeigt. Deshalb hat Sylburg, Komm. 734 auspicio vor et ergänzen wollen, doch scheinen zu Beginn von § 19 sowohl der Singular quod, der sich nur auf consilium zu bezieht, als auch die Möglichkeit, dass et hier „auch“ bedeutet (bzw. in seiner Bedeutung geschwunden ist, vgl. zu beidem H.-Sz. 482), dagegen zu sprechen. Victor schreibt den Erfolg zu gleichen Teilen Iulians fortuna und Constantius’ consilium zu, weshalb man hier ebensowenig wie bei in den überlieferten Text verändern muss. auch die Planung des Princeps Zu B Gallien lag die tatsächliche Planung und Organisation bei den erfahrenen Militärs Ursicinus (PLRE 1,985 Ursicinus 2) und Marcellus (PLRE 1,505 Marcellus 3), die von Constantius II. eingesetzt worden waren, vgl. Iul. ad Ath. 278 D und Lib. or. 18,42 f. mit Barceló, Constantius II. 137 und Drinkwater, The Alamanni and Rome 221 und 227. Die erfolgreiche Schlacht gegen die Alamannen 357 führte Julian jedoch bereits ohne sie, die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor Ort waren. Victor orientiert sich hier offenbar an der offiziellen Verlautbarung des Constantius an, der „bei der Beschreibung des Gefechts fälschlich berichtete, dass er die Schlacht-

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reihe geordnet, mitten unter den Feldzeichenträgern gestanden und die Barbaren kopfüber in die Flucht geschlagen habe“ (Amm. 16,12,70), vgl. dazu Ross, Ammianus’ Julian 131 Anm. 14. 42. (19) sint Baehrens, Ad Sexti Aurelii 255 hat das überlieferte sunt verteidigt, weil dies bisweilen im klassischen und späten Latein in Konsekutivsätzen vorkommt (vgl. H.-Sz. 639). Da aber Victor in der konsekutiven Konstruktion adeo – ut überall den Konjunktiv verwendet (nur in c. 10,3 und 20,3 hat P einen Indikativ, O dagegen Konjunktiv), ist Sylburgs Korrektur richtig. dass Tiberius und Galerius … weniger Gleichwertiges Der Tenor der Passage, die nahelegt, dass ein vor allem im Kampf gegen Barbaren erfolgreiches Caesariat nur in der Unterordnung unter den amtierenden Augustus möglich ist, zeugt anscheinend von Victors Wissen darum, dass Julian Ambitionen auf den Augustustitel hat oder vom Heer bereits als solcher proklamiert wurde, vgl. Neri, Aurelio Vittore 31 f. Wenn Victor sich für die Einhaltung der bestehenden Ordnung und hierarchischen Verhältnisse ausspricht, dann geschieht das weniger aus blinder Loyalität zu Constantius II. als aus Furcht und Abscheu vor dem Ausbruch eines möglichen Bürgerkriegs, vgl. Bird, Julian and Aurelius 870 f. (20) modo Hier wird anstelle von modo … modo „bald … bald“ ἀπὸ κοινοῦ modo nur bei zweiten Glied gesetzt, vgl. Tac. ann. 4,50,4 hostisque clamore turbido, modo per vastum silentium, vgl. dazu auch H.-Sz. 520. seit dreiundzwanzig Jahren als Augustus Gemeint ist, dass Constantius II. sich in seinem 23. Jahr als Augustus befindet, das vom 9. Sept. 359 bis zum 8. Sept. 360 dauerte, vgl. Cons. Const. (KFHist G 1) 337,2. Die Angabe passt zu den anderen im Text befindlichen Hinweisen auf die Entstehungszeit des Werkes wie etwa in 42,19 und der Konsulatsangabe im Werktitel (360 n. Chr.), vgl. auch Komm. zu 42,17 ihre berühmten Könige. tiver Beurteilung der kaiserlichen virtus steht Amm. 16,10,2 entgegen, der tendentiell das Gegenteil über Constantius II. behauptet, wenn er festhält, dass der Kaiser niemals in schwersten Bedrängnissen an der Spitze der Truppen oder vorderster Front erblickt wurde, vgl. auch Amm. 16,12,69 f. 42. (21) so bedeutender Männer Hierbei ist im Wesentlichen an Magnentius gedacht, der nicht nur für die Beseitigung des Constans verantwortlich war (41,23), sondern über mehrere Jahre hinweg einen Großteil des Reiches beherrschte und eine ernsthafte militärische Herausforderung für Constantius II. darstellte (42,10).

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dem Angriff der Perser standgehalten Hiermit dürfte – auch wenn in 38,2 von dem „fast alljährlichen Krieg mit den Persern“ die Rede ist – die Belagerung von Nisibis im Jahr 350 gemeint sein, deren Abwehr Julian in or. 1,27 A–29 A (vgl. or. 2,62 B–67 A) Constantius als große Leistung anrechnet, vgl. auch Ruf. Fest. 27,2 und Nixon, Aurelius Victor 123. Obgleich die Notiz die Leistung des Constantius II. im Krieg gegen die Sasaniden würdigt, fällt die Bilanz für den langjährigen Konflikt – auch in den Augen der Zeitgenossen (vgl. Komm. zu 39,34) – eher bescheiden aus, da kein großer Sieg verbucht werden konnte, vgl. Komm. zu 20,16. Hunt, Successors of Constantine 13 f. erachtet – sich offenkundig auf den bei Ammianus überlieferten Brief des Constantius an Schapur II. gerichteten Brief stützend, vgl. Amm. 17,6,1 – die scheinbare Erfolglosigkeit aber nicht als Unvermögen des Kaisers, sondern als eine bewusste Entscheidung gegen allzu kühne Versuche, Territorialgewinne zu erzielen: „Constantius’ strategy, while conspicuously successful in denying the Persians their objective of controlling eastern Mesopotamia, was not destined to generate glamorous victories. It was a striking departure from the traditional Roman reaction to Persian aggression, the major offensive into Persian territory“ (13). zu seiner großen Herrlichkeit Die Bedeutung von magno decore lässt sich kaum genau erfassen. Neben der hier gewählten Bedeutung, vgl. Festy „il acquit un grand prestige“, ist auch „mit großem Pomp“ (Übers. Fuhrmann) vielleicht nicht völlig ausgeschlossen, vgl. den perfectaque sollemnitate abgeschlossenen Frieden des Constantius II. mit den Alamannen bei Amm. 14,10,16. (21 f.) gab dem Volk der Sarmaten … einen König Gemeint ist Zizais, ein angesehener sarmatischer Prinz (regalis), der angesichts der erfolgreichen Strafaktion der Römer gegen die Sarmaten im Frühjahr 358 kapitulierte und von Constantius II. den 17,12,9). Anschließend wurde er im Einvernehmen mit den Sarmaten als ihr König (rex) eingesetzt (Amm. 17,13,24. 30), vgl. zu Ammians Darstellung Maier, Palastrevolution 117–25. U.-B. Dittrich, Die Beziehungen Roms zu den Sarmaten und Quaden im vierten Jahrhundert n. Chr., Bonn 1984, 140 relativiert hingegen die Leistung des Constantius, der einen von den Sarmaten bereits gewählten König lediglich bestätigt habe. Die Einsetzung des Königs impliziert die Unterwerfung der Sarmaten unter römische Oberhoheit und kommt somit einem römischen Sieg über die Feinde gleich. Zum Wesen der Königsernennung des Zizais (‚Appellatio regis‘)

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vgl. R. Schulz, Die Entwicklung des römischen Völkerrechts im vierten und fünften Jahrhundert n. Chr., Stuttgart 1993, 37. Victor, der auch in anderen Fällen Ereignisse der Kaiserzeit mit früheren Vorkommnissen in Beziehung setzt (z. B. 14,2 od. 39,6), vergleicht den Vorgang mit Pompeius Magnus und bewertet ihn entsprechend als eine außerordentliche Leistung. Dieses Detail muss aus einem Panegyrikus stammen, wie die Bemerkung „wie wir erfahren“ nahelegt; darin dürften auch die anderen „wenigen Vorfahren“ genannt gewesen sein, die allesamt übertroffen zu haben der Panegyriker dem Constantius II. sicherlich bescheinigt haben wird (vgl. etwa Paneg. 7[6],5,2, wo Konstantin versichert wird, Scipio Africanus und Pompeius Magnus überboten zu haben). Zu Versuchen, das sarmatische Siedlungsgebiet näher zu bestimmen, vgl. E. Istvánovits / V. Kulcsár, Sarmatians. History and archaeology of a forgotten people, Mainz 2017, 365. 42. (23) ornandi Da schon Cic. de orat. 1,70 von multis vero ornandi generibus spricht, kann man hier davon ausgehen, dass Victor von der Fähigkeit spricht, eine Rede zu schmücken. Daher trägt Schotts Korrektur orandi nicht zur Verbesserung des Textverständnisses bei. somni In der Aufzählung der Fähigkeiten scheint das von OP überlieferte Kolon von cibi omnis libidinis atque omnium cupidinum victor unausgewogen und im Vergleich etwa zu Epit. Caes. 47,5 parcus cibi somnique et vini ac libidinis victor – allerdings ist dort von Gratian die Rede – unvollständig zu sein; darüber ist unklar, wozu das Adjektiv omnis gehört. Daher schlägt Walter, Textkritische Beiträge 294 und ders., Zu Aurelius 330 die Ergänzung von parcus vor cibi vor, was Miller, Bericht über die Literatur „einleuchtend“ findet. Dagegen will Rudoni, Sei note testuali 314 somni anstelle von omnis schreiben, da der Schlaf schon bei Augustus c. 1,4 ein Problem darstellt. Im Übrigen ist ein Influenzfehler wegen des folgenden omnium einfach zu erklären. In dieser parataktischen Aufzählung kommen ganz verschiedene Formen und sche Reihen vor. Eine dreigliedrige Aufzählung mit der Konjunktion nach dem letzten Glied wie hier cibi, omnis kommt schon c. 1,6 templa, sacerdotes et collegia vor. Offenbar steigert Victor nach Behaghels Gesetz der wachsenden Glieder die einzelnen Elemente der Aufzählung: vom kurzen cibi über omnis libidinis zu omnium cupidinum, die mit der Wiederholung von omnis noch emphatischer wirkt und an deren Ende victor steht. Aus diesem Grund kann man den überlieferten Text als genuin betrachten und unverändert lassen.

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suique nimis custos Das Substantiv custos bedeutet hier, wie ThLL s. v. Sp. 1576,3–70, der auch diese Stelle Sp. 50 anführt, sagt „Beschützer, Bewahrer“. Doch ist sui hier wohl nicht die eigene Person, wie etwa Fuhrmann „bei seiner eigenen Person übt er allzu große Zurückhaltung“ und Festy „prenant un soin extrême de sa propre sécurité“ (ähnlich auch Dufraigne) übersetzen. Bird bezieht dagegen suique parallel zu genitoris auf cultu „excessively concerned with that owed to himself.“ Während der Ablativ bei pius stehen kann (ebenso c. 24,5), passt er kaum zu custos, in diesem Fall müsste man wie Eutr. 10,1,2 modicus schreiben. Doch gibt es an dieser Stelle des Texts keine Anzeichen für eine Korruptel. Da in der Aufzählung nur positive Eigenschaften stehen (die negativen werden in der darauffolgenden Periode genannt), ist suique hier etwas Immaterielles, das die Verehrung der Person des Kaisers betrifft. den Umständen entsprechend Die Bedeutung von negotium ist nicht ganz klar und zielt vielleicht konkret auf „Rechtsfall, Prozess“ ab (vgl. etwa Amm. 28,1,29; 30,4,2; 31,1,3), bei dem sich der Kaiser als „sanfter und gnädiger“ Richter erweist, vgl. zur kaiserlichen Rechtsprechung Jones, Later Roman Empire 505–7. sanft und milde … seiner Reden Beredsamkeit und Milde werden bereits 42,2 als wesentliche Merkmale des Constantius II. hervorgehoben, vgl. aber auch den indirekten Vorwurf der übermäßigen Strenge in 39,15. Auch Eutr. 10,15,2 erwähnt dessen Ruhe und Milde (vir egregiae tranquillitatis, placidus … mitis alias), aber nicht dessen Eloquenz. Diese wird ihm von Amm. 21,16,4 – wohl zu Unrecht – rundweg abgesprochen (ähnlich auch Lib. or. 18,154 und Epit. Caes. 42,18), aber selbst ein scharfer Kritiker des Kaisers wie Lucifer Calaritanus (moriend. 11,755–7) gesteht, dass dessen sermo … politus, ornatus, qui etiam dici mereatur disertus … per artem quaesitus [est]. Constantius wird vermutlich über eine passable, aber nicht herausstechende rhetorische B nach Anliegen eines Autors entsprechend gepriesen oder verunglimpft wurde; vgl. hierzu und zum nächsten Lemma auch Barceló, Constantius II. 35 mit Anm. 16. vermag Strapazen zu ertragen ... erstaunlich treffsicher Die Aussagen decken sich mit denen in Julians Panegyrikus auf Constantius II. (or. 1,11 B–C). Demnach hat dieser sich seit früher Jugend als Reiter und Infanterist geübt und außerdem in den Mußestunden das Bogenschießen perfektioniert, das nicht zum militärischen Training, sondern zum Jagdvergnügen gehörte, vgl. Iul. or. 2,53 B. Auch wenn es sich hierbei um topi-

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sche Elemente der Herrscherpanegyrik handelt, besteht kein Grund dafür, sie Constantius abzusprechen. Vgl. den Nachruf bei Amm. 21,16,7: „meisterhaft verstand er es zu reiten, den Speer zu werfen und vor allem geübt mit dem Bogen zu schießen.“; ferner Them. or. 3,45 A. Auch Sozomenos scheint im Widmungsschreiben seiner Kirchengeschichte (praef. 1) auf Constantius anzuspielen: „die an militärischen Übungen Interessierten (sc. Kaiser) hatten ihre Freude daran, den Pfeil treffsicher loszuschießen und ein Wild zu erlegen, oder den Speer zu werfen oder sich aufs Pferd zu schwingen.“ (Übers. Hansen) er beherrscht sich bei … allen Begierden Ähnlich berichtet Amm. 21,16,5 im Nachruf auf Constantius II.: „Bei einem sparsamen und nüchternen Leben, bei mäßigem Essen und Trinken behielt er eine so feste Gesundheit, dass ihn nur selten eine Krankheit befiel … er war mit wenig Schlaf zufrieden, wenn Zeit und Vernunft es erforderten, und über lange Zeiten seines Lebens hin sexuell überaus enthaltsam“; vgl. auch Iul. or. 1,10 C. 16 A–C; 2,87 C (wenig Schlaf). Mit seinen zivilen Tugenden erfüllt Constantius die auf platonischer Philosophie beruhende Kardinaltugend der ϲωφροϲύνη (temperantia), wobei er selbst sein Handeln wohl eher in christlichen Kategorien gesehen haben dürfte, vgl. Philost. (KFHist E 7) 3,2a,2. beim Verehren seines Vaters ... pflichtbewusst Gemeint ist die Bewahrung des Andenkens an den verstorbenen Konstantin. Laut Iul. or. 1,46 A hat Constantius II. seinen Vater nicht nur privat verehrt, sondern auch stets öffentlich als ἀγαθὸϲ ἥρωϲ gelobt. Selbst einen Vorgang wie die Ernennung des Themistios zum clarissimus stilisierte Constantius als Ehrerweis gegenüber seinem verstorbenen Vater, vgl. Dem. Const. 23 D. Vor allem ließ er Konstantins Grabstätte baulich ausgestalten (Iul. or. 1,16 C; Philost. [KFHist E 7] 3,2,1 u. 3,2a,3), vgl. Johnson, Roman imperial mausoleum 119–29. Constantius instrumen stantin auch zu Zwecken der eigenen Legitimation, vgl. hierzu Moser, Emperor and senators 148–68. überaus bedachtsam bei der Verehrung seiner selbst Die unklare Formulierung wird unterschiedlich gedeutet (zuletzt von Neri, Aurelio Vittore 16 als „l’eccesso nella difesa del suo potere“), vgl. philolog. Komm. Der Sinn der Stelle – auch wenn er sich nicht direkt zu erschließen scheint – muss jedoch auf eine positive Eigenschaft des Kaisers hinauslaufen, die im Einklang steht mit seinem Wissen (gnarus) um die Lebensweise (vita) der früheren boni principes. Die gebotene Übersetzung kann sich auf eine

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Bemerkung Ammians stützen (15,1,3), laut der sich Constantius II. über devote Anredeformen entrüsten hätte, zumal er von sich selbst behauptete, sein Leben und Verhalten (vita et mores) in Nachahmung der civiles principes zu führen. Auf diesen Anspruch des Constantius dürfte hier angespielt sein, wobei Victors Kompliment impliziert, dass der Kaiser sich weitaus mehr civilis gibt, als man von ihm hätte erwarten können. er weiß … durch den Lebenswandel der guten Kaiser Gemeint ist das beispielhafte Leben der guten Kaiser, von dem Constantius II. behauptete, es nachzuahmen (vgl. vorheriges Lemma). Der gesamte Passus stellt gleichzeitig eine selbstreferentielle Anspielung auf die Historiae abbreviatae dar: wenn der ursprünglich intendierte Leser, d. h. Constantius II. (vgl. Einl. S. 14 u. 17f.), bis zu dieser Stelle vorgedrungen ist, ist er – durch die Lektüre – mit den historischen Exempla vertraut, die es nachzuahmen gilt, um verträgliche Verhältnisse im Reich zu schaffen. (Ähnlich greift der Verfasser der Epitome de Caesaribus diesen Aspekt auf, indem er ihn in abgewandelter Form auf Theodosius I. überträgt, von dem es umgekehrt heißt, er habe die ‚schlechten Herrscher‘ fortwährend verflucht, vgl. Epit. Caes. 48,11 f. Die Themen ‚Nacheifern der Vorbilder‘ und ‚Lernen aus der vorliegenden Lektüre‘ verbindet auch Eutrop in geschickt panegyrischer Weise in der Praefatio seines Valens I. gewidmeten Breviarium). Der Passus markiert zugleich das (ursprüngliche) Ende der Historiae abbreviatae (vgl. nächstes Lemma) und belegt auf eigene Weise, dass Victor sein Werk als das erachtete, was es im Kern ist: eine Abfolge von vitae principum. 42. (24 f.) Diesen seinen so großen … die meisten seiner Gehilfen Die relativ harsche Kritik, die auf die Nennung der guten Eigenschaften des Constantius II. folgt, greift den zweiten Teil des Constantius-Nachrufs bei Amm. 21,16,8–18 quasi vorweg. Angesichts der Tatsache, dass diese Kritik wohl zu Constantius’ Lebzeiten verfasst ist, fällt ihre Unverblümtheit auf, auch wenn die apparitores als die vgl. hierzu den Verfasser der Historia Augusta, der ausdrücklich die „verabscheuungswürdigen Gehilfen“ (satellites) und „abscheulichen Höflinge“ zu den Dingen zählt, die einen Kaiser zu einem malus princeps machen (Hist. Aug. Aurelian. 43,1). Zwar hat Victor auch zuvor schon zeitgenössische Missstände benannt, aber in eher verhaltener Form (vgl. 9,12; 39,32 und Komm. zu 40,29), so dass der starke Verdacht besteht, dass die letzten beiden Paragraphen einen Nachtrag darstellen, den Victor dem Werk erst angefügt hat, als Julian im Frühsommer 361 nach Sirmium vorstieß, vgl. Bird, Julian and Aurelius 873 f. Starr, Aurelius Victor 582 Anm. 27 datiert

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die Schlusskapitel sogar erst „after the accession of Julian in 361“; ebenso M. Whitby, Images of Constantius, in: Drijvers / Hunt, The Late Roman World 68–78, hier 75 Anm. 48 und auch Neri, Aurelio Vittore 14 f. kann sich diese Form der Kritik schwerlich zu Lebzeiten des Kaisers vorstellen, vgl. Bonamente, Minor Latin historians 92 und zur Datierung auch Komm. zu 42,17 ihre berühmten Könige. Tatsächlich fehlt in 42,25 ein Verb, durch das sich das Tempus bestimmen lässt. beim Prüfen Der Vorgang (probare) dürfte sich sowohl auf die Auswahl der Kandidaten als auch die Evaluation ihrer Amtstätigkeit beziehen, vgl. Neri, Aurelio Vittore 15. Dieser Kritikpunkt fällt aber umso mehr auf, weil Ammiannus Marcellinus bezüglich der Personalauswahl und Beförderung durch Constantius II. geradezu das Gegenteil von Victor behauptet, vgl. Amm. 21,16,3 mit Szidat, Historischer Kommentar 200. das absonderliche Verhalten … Hofbeamten Gemeint sind wohl besonders die Eunuchen, wie vielleicht auch das Adjektiv absurdus als Anspielung auf ihre hohen Stimmen anzeigt. Eunuchen bekleideten zum Teil hohe Ämter und waren insgesamt sehr einflussreich am Hof, vor allen Eusebios, der während der gesamten Regierungzeit des Constantius II. das Amt des Praepositus sacri cubiculi bekleidete, vgl. PLRE 1,302 f. Eusebius 11 und Barceló, Constantius II. 127. Laut Ammianus Marcellinus übten die intriganten Eunuchen einen schädlichen Einfluss auf Constantius II. aus, vgl. etwa Amm. 18,4,3. 5,4 mit S. Tougher, Ammianus and the Eunuchs, in: Drijvers / Hunt, The Late Roman World 57–65 und generell H. Scholten, Der Eunuch in Kaisernähe, Frankfurt 1995. Geringschätzung gerade der Tüchtigen Dies kann als Klage Victors über eine ausgebliebene Beförderung verstanden werden. Vgl. aber auch Amm. 15,5,28: der spätere Usurpator Silvanus (vgl. 42,14) beklagt, dass, „während Unwürdige zum Konsulat und höchsten Ämtern befördert worden waren, seien er und Ursicinus allein t für den Staat hintangesetzt worden.“ Vgl. auch etwa Amm. 18,5,4 f. (Hintansetzung des Ursicinus) 42. (25) praeclarius Schott, Kommentar 221 gibt an, dass er als Varia lectio in einem vetus codex (möglicherweise M) die Lesart clarius gefunden hat. In einer ähnlichen Konstruktion kommen sowohl clarus (c. 13,2 hoc aegre clarior domi seu militiae reperietur) als auch praeclarus (c. 20,6 quo praeclarior in re publica fuit nemo) vor. Wegen der Übereinstimmung von O und P sollte man am überlieferten praeclarius festhalten, da eine Lesart, selbst wenn sie von M stammt, nicht von sich aus besser als OP ist,

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sondern immer mit Victors Sprachgebrauch verglichen werden muss. Da Victor, wie gesehen, sowohl clarus als auch praeclarus verwendet und die Herkunft der Varia lectio unklar ist, besteht kein Grund, den Text zu verbessern. Vgl. dazu auch Dufraigne, Aurelius Victor lvi. apparitorum Zu diesem Amt vgl. Komm. c. 2,4 ceteros paritorum praesidesque. Und um die Wahrheit kurz und knapp zu sagen Formal rekuriert Victor auf Sall. Cat. 38,3 bzw. 4,3 (Proömium), vgl. Festy, Aurelius Victor 204. Möglicherweise spielt er aber inhaltlich in einer Art Ringkomposition auf eine mutmaßliche Praefatio an (vgl. einen ähnlichen möglichen Bezug im Epilog bei Amm. 31,16,9), in der er sich neben einem Bekenntnis zur Wahrheit (verum), vgl. Komm. zu 33,26, auch zur im Titel genannten Kürze seines Werkes (brevi) geäußert haben könnte. nichts schrecklicher als die … Gehilfen Vgl. zu den apparitores auch Amm. 17,3,6, wo sie als Gehilfen des Prätorianerpräfekten und Statthalters in der Funktion als Steuereintreiber in Gallien dienen, und generell C. Kelly, Ruling the later Roman Empire, Cambridge, Mass. 2004, 134–6 mit älterer Literatur. Dass die Klage über die apparitores nicht nur Victors persönliche Sicht darstellt, sondern er im Gegenteil ein weitverbreitetes Ressentiment zum Ausdruck bringt, dürfte etwa ein Gesetz aus dem Jahr 385 belegen, worin die Bestrafung diese Personengruppe angeordnet wird, damit die „so verworfene und korrupte Bösartigkeit der apparitores nicht länger gegen das Gemeinwohl wütet“ (Cod. Theod. 9,40,14).

Index Die Ziffern verweisen auf Kapitel und Paragraphen. Fett gedruckte Ziffern geben das jeweilige Hauptkapitel eines Kaisers an.

Abgarus 20,14 Achaeer/Achaia 33,3 Achilleus, Aurelius 39,23. 38 Achyrona 41,16 Ägäis 4,14 Ägypten 20,9; 21,4; 39,23. 38 Adiabene 20,16 Aelianus 39,17 Aelius Caesar, L. 14,5. 10 Aemilius Aemilianus 31 Africa 26,1; 27,1; 33,3; 37,3; 39,22. 30. 39; 40,19. 28 (s. auch Punier) Agrippa 3,2 Agrippina (Köln) 33,12; 37,3 Agrippina Minor 4,12 f. Alamannen 21,2; 33,3; 35, 2 Alexandreia 39,23. 33 Allectus 39,40 Alpen 5,2; 39,30; 42,5. Altinum 16,9 Amandus 39,17 Anatolius 13,6 Antinoos 14,7 Antiocheia 13,11 Antoninus Pius 14,11; 15; 16,1 Antonius, M. 1,3 Aper 38,6; 39,13 Aquileia 27,4 Aquitaner/Aquitanien 33,14 Araber/Arabien 4,14; 20,15; 28,1 Arca (Caesarea) 24,1 Archelaos 2,3 Aristobulus 39,14

Armenien 39,34 Asclepiodotus 39,42 Attalus 33,6 Atticianus 33,12 f. Augustus/Octavian 1; 2,1. 4; 3,2 f.; 8,7; 39,25 Aurelianus 33,21; 35; 39,28. 43 Aureolus 33,17 f.; 20 Bagauden 39,17 Baiae 14,12 Baktrer 1,7 Balbinus 26,7; 27,6 Bithynien 16,12 Bonosus 37,3 Britannien 4,2; 20,9. 18. 27; 24,4; 39,21 Brutus, L. Iunius 3,14. Brutus, M. 29,4 Caelius Mons 35,6 Caenofrurium 35,8 C Caesarea ad Libanum 24,1 Caligula 3; 4,3; 39,4 Calocaerus 41,11 Capri 2,2 Caracalla 20,25. 30. 33; 21; 23,1; 24,8 Carausius 39,20. 39 Carinus 38,1; 39,9. 11. 17 Carnuntum 16,13 Carus 38; 39,10. 12

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C(h)atten 11,4 Cerealis 16,12 Chaerea, Cassius 3,14 Chalkedon 41,8 Cirta 40,28 Claudius, Ti. 3,16; 4; 9,7. Claudius Gothicus 33,27 f. 32; 34 Clodius Albinus 20,8. 11 Commodus 16,9; 17; 20,9. 30 Constans 41,13. 23 Constantina 40,28 Constantinus (I.) 34,7; 40,2. 14. 22. 26; 41,2–21 passim; 42,6 Constantinus (II.) 41,6. 22 Constantius I. 34,7; 39,24–40,4 passim; 40,11 Constantius II. 41,10; 42 passim Cottius 5,2 Cremona 8,5 Crispus 41,6 Curius Dentatus 18,1 Daker 11,4; 13,3 Dalmatius 41,15. 22 Decentius 42,9 Decibalus 13,3 Decius 28,10. 29 Decius Mus 34,2 Diadumenianus 22,1 Didius lulianus 18,2; 19 Diocletianus 39; 40,1. 8 Domitianus 9,4; 11; 13,5; 39,4 Domitius 26,5 Domitius Ahenobarus 5,1 Domitius Alexander 40,17 f. 28 Donau 4,2; 13,3 f.; 29,4; 33,3; 40,9; 41,18 Drusus d. Ä. 3,2

Eboracum 20,27 Edessa 21,5 Elagabal s. Heliogabalus Ephesos 16,12 Epiros 3,16 Etrurien 32,4 Etruscus 29,1 Etrusker 28,8 Euphrates 13,3 Fabricius Luscinus 18,1 Faustinus 35,4 Felicissimus 35,6 Flavier 40,28; 42,6 Franken 33,3 Gaetuler 2,3 Galba 5,15; 6; 8,2 Galerius 39,24–40,12 passim; 42,19 Gallienus 32,3; 33; 35,7; 37,6 Gallier/Gallien 4,2; 7,2; 13,3; 16,13; 20,9; 24,2; 33,1. 3. 8; 35,3; 37,3; 38,2; 39, 17. 19. 30; 40,16; 42,9 f. 15. 17 Garamanten 1,7 Germanen/Germanien 1,2; 3,11; 8,3; 24,2; 26,1; 33, 1. 6. 8; 35,3; 39,20; 42,17 Geta 20,30. 32 f. Gordianus I. 26; 27.1 Gordianus II./III. 27 Goten 29,2; 33,3; 34,3; 41,13 Griechen/Griechenland 3,12; 5,5; 11,5; 14,2; 35,7 Hadrianus 13,11; 14 Hannibal 37,2

Index

Heliogabalus 23; 24,6 Herennius Etruscus 29,1. 4 f. Hipparchos 41,20 Hostilianus 30 Illyricum 1,2; 13,6; 29,1; 33,1; 37,2; 39,9. 26. 30; 40,1. 8; 41,26 Inder 1,7 Indus 13,3 Ingenuus 33,2 Interamna 31,2 Iotapianus 29,2 Italica 13,1 Italien 8,5; 9,10; 11,12; 13,11; 27,3; 33,3; 35,2; 39,9. 30 f.; 40,1. 9. 16. 20; 41,1; 42,5 Juden 8,1; 9,10; 42,11 Iulia 39,25. Iulia Domna 21,3 Iulianus (Usurpator) 39,10. 22. Julian (Kaiser) 42,17 Iulius Valens 29,3 Kampanien 16,2 Kapitol 8,5; 9,7; 11,4 Kappadokien 2,3 Karpen 39,43 Karthago 16,12; 26,2; 39,45; 40,19 Kleinasien 16,12; 33,3 Köln 33,12; 37,3 Kreta 12,1 Ktesiphon 38,3 Kyros I. 40,13 Kyzikos 20,8 Lacus Curtius 6,3 Laelianus 33,8 Lanuvium 15, 2

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Leptis Magna 20,19 Licinianus 41,6 Licinius 40,8. 41,1–9 Lorium 16,3 Lugdunum/Lyon 20,8 Lukanien 35,5 Macrinus, Opilius 22; 23,3 Magnentianer 42,8 Magnentius 41,23. 25; 42,6. 9. 15 Makedonen 29,2; 33,8 Mailand 33,18; 39,45 Main 21,2 Mainz 33,8 Mamaea 24,5 Marbodus 2,4 Marcomarus 16,13 Marcus Aurelius 16; 20,30; 27,7; 41,20 Margum 39,11 Marius 39,9. 11 Marius, Gaius 33 11; 39,6 Markomannen 16,9; 39,43 Martinianus 41,9 Mauren 4,2 Maxentius 40,5–26 passim Maximianus 39,17–48 passim; 40,5. 21 Maximinus Thrax 25; 27,3 Mediolanum 33,18; 39,45 Menapien 39,20 Mesopotamien 4,2; 32,5; 33,3; 38,2; 39,33. Messalina 4,5 Milvische Brücke 19,4; 40,23 Moesien 8,2; 37,3; 39,11; 41,26 Mogontiacum 33,8

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Mucapor 36,2 Mursa 33,2 Musulamier 4,2 Narbo 39,12 Narseus/Narseh 39,35 Nepotianus 42,6 Nero 5; 7,1; 8,1; 27,7 Nerva 12; 13,10 Nikaia 41,19 Nikomedeia 16,12; 39,45; 41,16 Nola 1,2 Numa Pompilius 1,3; 14,2 Numerianus 38,1 f. 6 f.; 39,13 Octavius 1,1 Oriens/Osten 14,1; 28,1; 33,3; 37,3; 39,22; 41,1; 42,9 Osroes I. 13,3 Ostia 4,2. 11 Otho 6,2; 7; 8,3 Palästina 9,10 Pannonien 8,2; 16,13; 33,2; 37,3; 40,9. 17 Papinianus 20,33 Parther/Parthien 5,14; 9,10; 33,3; 38,3 Patricius 42,11 Paulus, Iulius 24,6 Pelso-See 40,9 Perser/Persien 13,3; 16,4; 20,14; 24,2; 27,7; 32,5; 35,1; 38,2; 39,22. 33; 40,13; 41,16; 42,21 Pertinax 17,10; 18; 20,1. 9. Pescennius Niger 20,8 f. Philippopolis 28,1 Philippus (Arabs) 27,8; 28

Philippus (Iunior) Philippus (cos. 348) 28,2 Pipa 33,6 Piso (Caesar) 6,2 Plotina 13,13 Polemon II. 5,2 Pompeius, Cn. 42,22 Pontus Euxinus 13,3; 39,30 Pontus Polemoniacus 5,2 Postumus 33,8. 12 Priscus, L. 29,2 f. Probus 37; 38,2; 39,28 Punier 16,12; 40,17 Pupienus 26,7; 27,4. 6 Quaden 17,2 Quinquegentanae 39,22 Raetien 1,2; 32,1; 33,17 Ravenna 40,7 Reati 8,4 Regalianus 33,2 Rhein 4,2 Römer/Rom 1,1. 6; 2, 4; 3,20; 4,11; 5,17; 6,1; 9,7; 11,12 f.; 13,5; 14,1. 4; 20,30. 33; 21,1. 4. 6; 23, 1; 26, 5 f.; 27,2 f. 6 f.; 28,1 f. 11; 29,1. 3; 31,1; 33,5. 15–17; 35,6 f. 9; 39,45. 47; Romulus 24,8; 35,12 Rufius Volusianus 40,18 Salonina 33,6 Saloninus 33,3 Sapor/Schapur I. 32,5 Sarmaten 41,13; 42,21 Saturninus 37,3 Saxa rubra 40,23

Index

Scaeva 17,5 f. Schwarzes Meer 13,3; 39,30 Septimius Severus 19,4; 20; 24,8; 41,20 Sequaner 12,2 Severus (II.) 40,1. 6 Severus Alexander 23,3; 24; 29,2 Silvanus 42, 14 f. Sirmium 29,1; 37,4 Skythen 1,7 Spanien 5,15; 13,1; 33,3 Suburanus 13,9 Sueben 2,4 Sura 13,8 Syrer/Syrien 8,3; 9,10; 13,11; 19,4; 21,5; 23,1; 24,1; 29,2 Tacfarinas 2,3 Tacitus (Augusus) 36; 37,6 Tarquinius Priscus 4,15;11,12 Tarquinius Superbus 3,14 Tarraco 33,3 Tarsos 37,1; 41,1 Tetricus d. Ä 33,14; 35,3 f. Tetricus d. J. 33,14; 35,5 Thraconitis 28,1 Thrakien 27,3; 29,2; 33,3; 40,8; 41,8 Thysdrus 26,1 Tiber 8,6; 28,1; 32,3; 40,23 Tiberius 2; 3,1. 17; 39,25; 42,19 Tibur 14,5 Ticinium 33,28 Tigranes II. 42,22

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Titus 9,4. 10; 10 Traianus 5,2; 13; 33,3 Trebellica 25,1 Trebonius Gallus 30 f. Tripolis (Tripolitana) 20,19; 41,19 Tyana 36,2 Ulpianus (Domitius) 24,6 Valeria 40,10 Valeria, Provinz 40,10 Valerianus 32; 33,2 Vindobona 16,14 Veneti/Venetia 16,9; 39,10 Verona 7,2; 28,10; 40,20 Verus, Lucius 16,3–9 Vespasianus 8,1–4; 9 Vetranio 41,26 Via Flaminia 9,8 Via Nova 21,4 Victoria 33,14 Victorinus 33,12. 14 Vimius 3,16 Vitellius 7,2; 8 Vologaesus I. 9,10 Vologaesus IV. 16,4. Volusianus 30 f.

Zenobia 33,3 Zypern 41,11