Auftrag Zukunft: 3000 Zeichen für Gedenken, Toleranz und Demokratie: 15 Jahre Zukunftsfonds der Republik Österreich [1 ed.] 9783205212508, 9783205212485

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Auftrag Zukunft: 3000 Zeichen für Gedenken, Toleranz und Demokratie: 15 Jahre Zukunftsfonds der Republik Österreich [1 ed.]
 9783205212508, 9783205212485

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GÜNTER BISCHOF I BARBARA STELZL-MARX I KATHARINA BERGMANN-PFLEGER

AUFTRAG ZUKUNFT: 3000 ZEICHEN FÜR GEDENKEN, TOLERANZ UND DEMOKRATIE 15 JAHRE ZUKUNFTSFONDS DER REPUBLIK ÖSTERREICH

Günter Bischof · Barbara Stelzl-Marx Katharina Bergmann-Pfleger

Auftrag Zukunft  : 3000 Zeichen für Gedenken, Toleranz und Demokratie 15 Jahre Zukunftsfonds der Republik Österreich

BÖHL AU VER L AG · W IEN · KÖLN · W EIM AR

Die Publikation wurde gefördert vom Zukunftsfonds der Republik Österreich (P19-3673)

Der Böhlau Verlag widmet dem Zukunftsfonds sein Engagement für diesen Band als dankbaren Gruß zum Jubiläum.

Die Arbeiten zum vorliegenden Beitrag wurden in Kooperation mit der Universität Graz und der Stadt Graz am Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung, Graz – Wien – Raabs, durchgeführt.

Im Sinne einer besseren Lesbarkeit der vorliegenden Publikation wurde entweder die männliche oder weibliche Form von personenbezogenen Hauptwörtern gewählt. Dies impliziert keinesfalls die ­Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2020 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien, Zeltgasse 1, A-1080 Wien Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Lektorat  : Mag. Elisabeth Stadler, Hitzendorf Einbandgestaltung  : Michael Haderer, Wien Satz  : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-21250-8

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Geschichtspolitik in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein langer Weg: Von der „Opferdoktrin“ zur Mitverantwortungsthese . . . . . . . . . . Aufarbeitung der Tätergeschichte und Wiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . Wider das Vergessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Opferthesen – Revisited . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erinnerungskultur in veränderten Zeiten.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Entstehung und Entwicklung des Zukunftsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsarbeiterentschädigung durch den „Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Versöhnungsfonds zum Zukunftsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein umstrittener Start . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beginn der Tätigkeit des Zukunftsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Verlängerung des Zukunftsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Charakterisierung des Zukunftsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzgebarung und Kontrolle.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Organe des Zukunftsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die aktuellen und ehemaligen Gremien-Mitglieder im Kurzporträt . . . . . . . . . . . . Aufgaben und Arbeitsweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Tätigkeitsfelder des Zukunftsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Restabwicklung der Versöhnungsfondsagenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentlichkeitsarbeit.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fördertätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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15 Jahre – 3000 Projekte.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Projektausschreibungen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thematische Schwerpunktsetzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Projektarten.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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54 57 59 63 68

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Inhalt

Wirkungsweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sichtbarkeit der Projekte und Netzwerkbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Effekte in Bezug auf Laufbahnen und Karrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung des Zukunftsfonds im Hinblick auf den öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bedeutung des Zukunftsfonds in der österreichischen Förderlandschaft .. . . . .

219 219 224 226 230 234

15 Jahre Zukunftsfonds – Statements des offiziellen ­Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bundesgesetz über die Errichtung eines Zukunftsfonds der Republik Österreich . . . Chronologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort 15 Jahre Zukunftsfonds der Republik Österreich – 15 Jahre Projektförderung im Auftrag des „Niemals wieder!“, zur Wahrung von Demokratie und Menschenrechten, zur Förderung von Toleranz und internationaler Verständigung. Am 19. Dezember 2005 wurde der − kurz als ÖZF bezeichnete − Zukunftsfonds der Republik Österreich per Bundesgesetz errichtet. Er entstand aus einem Teil der Restmittel des „Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit“, der vor mittlerweile 20 Jahren unter einstimmigen Parlamentsbeschlüssen als eine der wichtigsten Initiativen der „Regierung Schüssel“ zur Aufarbeitung der verdrängten NS-Vergangenheit Österreichs initiiert wurde und dessen Arbeit im Jahr 2005 abgeschlossen war. Die vorliegende Publikation zieht eine Bilanz über das Wirken des aus diesem Versöhnungsfonds hervorgegangenen Zukunftsfonds von seiner – politisch damals durchaus umstrittenen – Gründung im Jahr 2005 hin zu seiner zentralen SteIlung als anerkannte und geschätzte Förderinstitution Österreichs im Jahr 2020. In sechs Kapiteln spannt das Buch einen weiten Bogen: So ist es für die Auseinandersetzung mit der Rolle des Zukunftsfonds unerlässlich, einleitend einen Überblick über den Stand der Forschung zur Rolle Österreichs während der NS-Zeit und der Auseinandersetzung mit dieser schwierigen Vergangenheit zu leisten. Demnach setzt die Publikation gleichsam mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dessen gesellschaftlicher sowie politischer Aufarbeitung ein. In einem zweiten Kapitel werden die wichtigsten Etappen der Entstehung und Entwicklung des Zukunftsfonds bis ins Jahr 2020 nachgezeichnet, in einem dritten seine Aufgaben und Arbeitsweisen dargelegt. Zwei zentrale Abschnitte widmen sich schließlich den Tätigkeiten sowie Wirkungsweisen des Fonds und analysieren dessen Bedeutung für Forschung und Gesellschaft. Dabei kommen auf der Grundlage von Interviews Persönlichkeiten zu Wort, die an der Entwicklung des ÖZF maßgeblich beteiligt sind und waren sowie als Fördernehmer ihre Erfahrungen mit dem ÖZF darlegen. Um einen Einblick in die Vielfalt der Fördertätigkeit des Fonds zu geben, werden – neben der einfachen Nennung eines möglichst breiten Spektrums an Projekten – einzelne Förderprojekte exemplarisch vertiefend dargestellt. Im Laufe von 15 Jahren avancierte der Zukunftsfonds zu einer heute nicht mehr wegzudenkenden Förderinstitution in Österreich, die mit einem ehrenamtlichen Kuratorium und Beirat bis Stichtag 30. Juni 2020 insgesamt 2765 Projekte – darunter Forschungen, Veranstaltungen, Filme, Publikationen, Übersetzungen, pädagogische Aktionen, Ausstellungen, digitale sowie Gedenk- oder Kunstprojekte – ermöglichte. Die bisherigen Erfahrungen in der Fördertätigkeit legen nahe, dass es bis Ende Dezember des Jahres 2020 rund 3000 sein werden.

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Vorwort

Mit dieser Fördertätigkeit konnte der Zukunftsfonds wesentlich zu einer Neubewertung der NS- und Zweite-Weltkrieg-Vergangenheit Österreichs beitragen – weg vom „Watschenmann der europäischen Erinnerung“ (Dan Diner) hin zur Übernahme seiner moralischen Verantwortung. Allein dies macht die Arbeit des Zukunftsfonds auch für weitere Jahre eine Notwendigkeit – für die Zukunft der (jungen) Forschung beziehungsweise für das Ansehen der Republik Österreich im Ausland. Auch im Bereich der Forschungsförderung ist die Rolle des ÖZF im Verlauf der letzten 15 Jahre von immer größerer Bedeutung geworden. Die durch ihn geförderten Projekte konnten nicht nur Forschungslücken schließen, sondern auch Karriereverläufe junger Nachwuchsforscher ermöglichen. So ist der Zukunftsfonds als Fördereinrichtung, als Talenteschmiede gerade auch für junge Wissenschaftler nicht mehr wegzudenken. Nicht zuletzt gleicht der Zukunftsfonds mittlerweile so manchen aufgelassenen Fördertopf in der heimischen Wissenschaftslandschaft aus. Bedenkt man dabei, dass Österreich über keine Privatstiftungen wie etwa die Ford- und Rockefeller-Stiftungen in den USA oder die Volkswagen-Stiftung in Deutschland verfügt und die historische Forschung in Österreich immer neuen Sparzwängen ausgesetzt ist, zeigt sich die Bedeutung des ÖZF umso mehr. Durch seine thematische Ausrichtung und seinen gesetzlichen Auftrag trug der Zukunftsfonds zudem wesentlich zu einem offenen Umgang mit schwierigen historischen Fragen sowie zu einer Förderung der demokratischen Gesinnung in Österreich bei. Dies zeigt sich insbesondere in der Ermunterung zivilgesellschaftlicher Initiativen zur Bewusstseinsbildung für die Bedeutung der Erinnerungskultur in Hinsicht auf Demokratie, Frieden und Zukunft. Ein besonderes Anliegen sind dem Fonds auch Projekte, die zur Sensibilisierung gegen Antisemitismus beitragen. Wie groß die Reichweite des Zukunftsfonds nach 15 Jahren Tätigkeit ist, veranschaulicht nicht zuletzt eine „Topografie der Erinnerungskultur“: Durch den ÖZF unterstützte Projekte reichen in Österreich nahezu flächendeckend über alle Bundesländer – vom Bodensee bis zum Neusiedlersee, von Gmünd bis zum Loiblpass – und sind weltweit auf allen Kontinenten zu finden. *** Das vorliegende Buch versteht sich als Nachfolgepublikation der 2015 erschienenen Studie „Zukunftsfonds der Republik Österreich. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung“1, die neben Günter Bischof und Barbara Stelzl-Marx maßgeblich von Alexandra Kofler verfasst und gestaltet wurde. Aus diesem Grund sei an dieser Stelle zuallererst Alexandra Kofler für 1 Günter Bischof – Barbara Stelzl-Marx – Alexandra Kofler, Zukunftsfonds der Republik Österreich. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung. Wien – Köln – Weimar 2015.

Vorwort

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ihren großen Einsatz und ihre grundlegende Arbeit gedankt, an welche hiermit angeknüpft werden konnte. Für das Zustandekommen des Buches gilt es, noch vielfach weiteren Dank auszusprechen: Zunächst dem Zukunftsfonds der Republik Österreich, der die zugrunde liegenden Recherchen durch das Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgen Forschung, Graz − Wien − ­Raabs, in Kooperation mit der Karl-Franzens-Universität Graz und der Stadt Graz sowie durch das Center Austria der Universität New Orleans und zudem die Publikation förderte. Besonderer Dank gebührt allen Gremienmitgliedern und Fördernehmern des Zukunftsfonds, die für Interviews oder Befragungen zur Verfügung standen sowie Unterlagen aus ihren Sammlungen bereitstellten. Der Böhlau Verlag nahm den Band – wie bereits seinen Vorgänger – in sein Verlagsprogramm auf und unterstützte die Herstellung mit besonderem Engagement, wofür insbesondere Ursula Huber herzlich gedankt sei. Michael Rauscher übernahm in bewährter Weise den Satz und die Betreuung der Produktion, Verena Thaller sorgte für die Erstellung der Grafiken. Elisabeth Stadler sind wir für das sorgfältige Lektorat und die Erstellung der Register verbunden. Johannes Benedikter sei für die Erstellung der Topografien, Lukas Thurner für die Bildrecherche gedankt. Graz − New Orleans, im September 2020

Geschichtspolitik in Österreich Im Mai 2020 jährte sich das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft zum 75. Mal – und damit auch die Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen, das heute in der österreichischen Erinnerung als Ort gegen das Vergessen der NS-Verbrechen fest verankert ist. In diesem Mai 2020 mussten neue Wege für gemeinsames Erinnern gefunden werden: Aufgrund der seit März 2020 andauernden, durch das Covid-19-Virus hervorgerufenen nationalen sowie internationalen Ausnahmesituation waren Feierlichkeiten mit vielen Menschen auf engem Raum nicht möglich. Zahlreiche Gedenkfeiern wurden daher in den digitalen Raum verlegt, noch lebende Zeitzeugen und Opfer teilten ihre Erfahrungen in Live-Video-Gesprächen und nicht wie traditionell in Mauthausen – also vor Ort der einstigen Verbrechen.1 Am 4. Mai 2020 richtete sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit: „Fassungslos – auch heute noch – und voll Scham verneigen wir uns vor den Opfern von damals. Voll Demut bekennen wir ein, dass wir das Geschehene nicht ungeschehen machen können. […] Mauthausen ist nicht vom Himmel gefallen. Der Holocaust war der grausame Endpunkt. Am Anfang stand das Schweigen, das Wegschauen, als Antisemitismus und Rassismus ihre hässliche Fratze zeigten und schleichend von der Gesellschaft Besitz ergriffen.“2 Am 5. Mai 2020 legte Van der Bellen auf einem menschenleeren Appellplatz in Mauthausen einen Kranz im Gedenken an die Opfer nieder. Am gleichen Tag fand im österreichischen Parlament in reduziertem Rahmen die „Gemeinsame Sondersitzung der Präsidialkonferenzen des Nationalrats und des Bundesrats“ anlässlich des Gedenktags gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus statt. „In diesen Tagen, in denen wir als internationale Gemeinschaft wieder vor großen Herausforderungen stehen, ist der Gedenktag ein Kompass, der uns an die Wichtigkeit unserer grundlegenden Werte erinnert – 1 Vgl. hierzu etwa N. N., 75 Jahre Kriegsende: Online-Gedenken mit Zeitzeugen, in: Salzburger Nachrichten, 3.5.2020, https://www.sn.at/politik/weltpolitik/75-jahre-kriegsende-online-gedenken-mit-zeitzeugen-87064654 oder N. N., 15 Zeitzeugen sprechen. Virtuelles Gedenken an Befreiung des KZ Mauthausen, in: Kleine Zeitung, https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/5811626/15-Zeitzeugen-sprechen_Virtuelles-Gedenken-an-Befreiung-des-KZ, 10.5.2020. Beide abgerufen am 11.5.2020. 2 Das gesamte Video und dessen Transkript ist online abrufbar unter: Kranzniederlegung im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und Videogrußbotschaft von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Befreiungsfeier von Mauthausen 2020, https:// www.bundespraesident.at/aktuelles/detail/mauthausen (11.5.2020).

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Geschichtspolitik in Österreich

Abb. 1: Am 5. Mai 2020 legte der Bundespräsident auf einem – wegen der Corona-Pandemie – menschenleeren Appellplatz im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen einen Kranz nieder. Quelle: Fotoarchiv der Präsidentschaftskanzlei Österreich. Foto: Peter Lechner/HBF.

Abb. 2: Der NS-Opfer wird alljährlich mit einer großen Gedenkveranstaltung am 5. Mai im Parla­ ment gedacht. 2020 fand diese reduziert statt: Die Mitglieder der Präsidialen von National- und Bundesrat fanden sich, mit großem Abstand und teilweise mit Mund-Nasen-Schutz, im Dachfoyer der Hofburg ein. Quelle: Parlamentsdirektion. Foto: Johannes Zinner.

Ein langer Weg: Von der „Opferdoktrin“ zur Mitverantwortungsthese

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Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit“3, hieß es dazu in der Einladung. Via Livestream und TV-Übertragung wurden die Zuseher virtuell geladen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hielt in einer Rede fest, Österreich sei „es den Opfern des Holocaust schuldig, die Erinnerung an sie zu bewahren. Wir haben sechs Millionen Gründe zu gedenken.“4 Bundeskanzler Sebastian Kurz erinnerte nicht zuletzt an die historische Verantwortung, die Österreich für seine Vergangenheit trägt: „Wir dürfen diese dunklen Seiten unserer Geschichte niemals vergessen. Es ist 75 Jahre nach der Befreiung unerlässlich, sich an die Gräueltaten und Verbrechen, die im Nationalsozialismus begangen wurden, zu erinnern. Wir erinnern uns daran, dass Österreicherinnen und Österreicher nicht nur Opfer, sondern auch Täterinnen und Täter waren. Denn nur wer erinnert, kann auch aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.“5

Ein langer Weg: Von der „Opferdoktrin“ zur Mitver antwortungsthese Dieses von Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler und anderen österreichischen Spitzenpolitikern im Rahmen der 75-Jahre-Mauthausen-Befreiung zum Ausdruck gebrachte Geschichtsverständnis – nämlich die Verantwortung für die eigenen Taten während des NS-Regimes zu übernehmen –6 ließ lange auf sich warten. Erst ab Mitte der 1980erJahre vollzog sich ein langsamer Paradigmenwechsel in der österreichischen Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Der Weg, den Österreich dabei über Jahrzehnte beschritt, war von einem allzu langen Festhalten an der sogenannten „Opferdoktrin“ gekennzeichnet. Trotz dieses nationalen Sonderwegs lässt sich die öffentliche Erinnerung in Österreich an den Zweiten Weltkrieg in die Stufen der europäischen Erinnerungslandschaft nach dem Zweiten Weltkrieg einfügen. In der ersten Phase von 1945 bis 1960 wollte man die Traumata des Zweiten Weltkrieges rasch hinter sich lassen, vergessen und sich dem nationalen 3 https://www.parlament.gv.at/ZUSD/PDF/Programmblatt_Gedenktag_2020_BF.pdf (11.5.2020). 4 N. N., 75 Jahre Mauthausen-Befreiung: „Ort gegen Vergessen“, in: Die Presse, https://www.diepresse. com/5811784/75-jahre-mauthausen-befreiung-ort-gegen-vergessen, 10.5.2020 (11.5.2020). 5 Kurz zu 75 Jahren Befreiung KZ Mauthausen, in: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/, https://www. bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/nachrichten-der-bundesregierung/2020/kurz-zu-75-jahren-befreiung-kz-mauthausen.html (11.5.2020). 6 Siehe hierzu etwa N. N., „Wir verneigen uns vor den Opfern“. Die Spitzen der Regierung gedachten der Befreiung des Lagers Mauthausen, in: Kleine Zeitung, 6.5.2020, S. 10 oder N. N., 75 Jahre Befreiung: Republik gedachte den Mauthausen-Opfern, in: Kurier, https://kurier.at/politik/ inland/75-jahre-befreiung-republik-gedachte-den-mauthausen-opfern/400833242, 5.5.2020 (11.5.2020).

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Geschichtspolitik in Österreich

Wiederaufbau widmen. Darauf folgte von 1960 bis 1970 eine Phase der Repression und des öffentlichen Stillschweigens. In einer dritten Phase setzte seit den 1980er-Jahren die Anamnese ein und man begann, sich mit der heimischen Geschichte des Nationalsozialismus, der Kollaboration mit den Nationalsozialisten und den Verbrechen des „Dritten Reiches“ sowie der Rolle Österreichs in Bezug auf den Holocaust auseinanderzusetzen.7 Allen Phasen gemeinsam ist, dass führende österreichische Politiker mit ihrer Interpretation der Rolle von Österreich und Österreichern im Zweiten Weltkrieg immer wieder in die Geschichtspolitik eingegriffen hatten – und das meistens mit Erfolg. Gestützt auf die Moskauer Deklaration8 der Alliierten vom 30. Oktober 1943 betonte die Gründervätergeneration der Zweiten Republik im April 1945 die Vorstellung von Österreich als dem „ersten Opfer des Nationalsozialismus“. Gleichzeitig war Österreich jedoch von den Alliierten daran erinnert worden, dass es für seine Teilnahme an Hitlers Krieg eine Schuld auf sich geladen habe, die es zu entsühnen gelte. Karl Renners Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 ignorierte allerdings die „Schuldklausel“ der Alliierten. Mittels der konstruierten „Opferdoktrin“ (auf der Grundlage der juristischen „Okkupationstheorie“) – von Hitler okkupiert war das Volk Österreichs „macht- und willenlos“ – konnte Österreich nicht für die Verbrechen des nationalsozialistischen Angriffs- und Vernichtungskrieges belangt werden. Damit wollte sich die Republik Österreich von der Zahlung von Reparationen und auch Restitutionen an die Opfer des Nationalsozialismus freisprechen.9 Auch der Österreichische Staatsvertrag „betreffend die 7 Zu diesen Erinnerungsphasen vgl. Henry Rousso, History of Memory, Policies of the Past: What For?, in: Konrad Hugo Jarausch – Thomas Lindenberger (Hg.), Conflicted memories: Europeanizing contemporary histories. London – Oxford 2007, S. 23–36, hier: S. 29. Für die deutsche Nachkriegsgeschichte monierte Norbert Frei alternativ vier Phasen, nämlich die Phasen der politischen Säuberung (1945−1949), der Vergangenheitspolitik (1950er), der Vergangenheitsbewältigung (ca. 1960–1980) und der Vergangenheitsbewahrung (1980–2005). Vgl. Norbert Frei, 1945 und Wir. Das Dritte Reich im Bewusstsein der Deutschen. München 2005, S. 26. 8 Die Deklaration von Moskau betreffend Österreich ist u. a. abgedruckt in: Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten (Hg.), Außenpolitische Dokumentation. Österreichische Maßnahmen zu Restitution und Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus. Wien 2001, S. 7. Vgl. dazu im Detail Stefan Karner – Alexander O. Tschubarian (Hg.), Die Moskauer Deklaration 1943. Österreich wieder herstellen. Wien – Köln – Weimar 2015. 9 Günter Bischof, Die Instrumentalisierung der Moskauer Erklärung nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Zeitgeschichte, 20/10/11/1993, S. 345–366; Günter Bischof, „Opfer“ Österreich? Zur moralischen Ökonomie des österreichischen historischen Gedächtnisses, in: Dieter Stiefel (Hg.), Politische Ökonomie des Holocaust. Wien 2001, S. 305−355; Barbara Stelzl-Marx, Die Moskauer Deklaration in den Befehlen der Roten Armee in Österreich zu Kriegsende 1945, in: Stefan Karner – Alexander O. Tschubarian (Hg.), Die Moskauer Deklaration 1943. „Österreich wieder herstellen“. Wien – Köln – Weimar 2015, S. 196−208.

Ein langer Weg: Von der „Opferdoktrin“ zur Mitverantwortungsthese

Abb. 3: Die Deklaration über Österreich vom 30. Oktober 1943. Quelle: GARF.

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Geschichtspolitik in Österreich

Abb. 4: Die Schuldklausel wurde am 14. Mai 1955, dem Tag vor der Unterzeichnung des ­Staatsvertrages, gestrichen. In diesem Entwurf des österreichischen Diplomaten Franz Matscher war sie noch enthalten. Quelle: hdgö. Foto: Markus Guschelbauer.

Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich“ vom 15. Mai 1955 sollte die Mitschuld Österreichs am Zweiten Weltkrieg nicht nennen – sie wurde auf Betreiben des Außenministers Leopold Figl, der selbst in KZs inhaftiert gewesen war und die Rolle Österreichs als erstem Opfer und gleichzeitig Mittäter an den Verbrechen des NS-Regimes für unvereinbar hielt, kurz vor Unterzeichnung aus der Präambel gestrichen.10 Die offiziellen Kreise am Ballhausplatz begannen zudem bald nach Kriegsende, den Mythos vom massiven Widerstand gegen das NS-Regime im Zweiten Weltkrieg zu konstruieren. Das Erscheinen des Rot-Weiß-Rot-Buches 1946 und die Ausstellung „Niemals vergessen!“ der Gemeinde Wien im selben Jahr sollten diesen Geschichtsmythos in der heimischen und internationalen Öffentlichkeit nachhaltig prägen.11 Zusätzlich klammerte sich Österreichs 10 Peter Fritz, „Was lange währt, wird endlich gut!“ Der Abschluss des Österreichischen Staatsvertrages 1955, in: Stefan Karner – Gottfried Stangler (Hg.): „Österreich ist frei!“ Der Österreichische Staatsvertrag 1955. Horn – Wien 2005, S. 303–309, hier: S. 308. 11 Heidemarie Uhl, From Victim Myth to Co-Responsibility Thesis: Nazi Rule, World War II, and the

Ein langer Weg: Von der „Opferdoktrin“ zur Mitverantwortungsthese

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Abb. 5: Plakat der antifaschistischen Ausstellung „Niemals vergessen!“ in Wien 1946. Foto: Günter Bischof.

Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg insgesamt zwei Generationen lang an die völkerrechtliche „Opferdoktrin“. Kritische Gegenstimmen, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit durchwegs existiert und die Österreicher an ihre Rolle am Genozid und ihre Mitverantwortung für die Verbrechen des NS-Staates erinnert hatten, wurden weitestgehend ignoriert bzw. unterdrückt.12 In der ersten Nachkriegszeit machten die justizielle Aufarbeitung der Zweite-Weltkrieg-Vergangenheit und die Entnazifizierung über österreichische sowie Anglo-Amerikanische Militärgerichte zunächst gute Fortschritte. So verurteilten die österreichischen Volks-

Holocaust in Austrian Memory, in: Richard Ned Lebow – Wulf Kansteiner – Claudio Fogu (Hg.), The Politics of Memory in Postwar Europe. Durham – London 2006, S. 40–72, hier: S. 41. 12 Vgl. etwa Christian Gerbel, The Holocaust and the Politics of History in Austria’s Second Republic, in: Muriel Blaive – Christian Gerbel – Thomas Lindenberger (Hg.), Clashes in European Memory. The Case of Communist Repression and the Holocaust. Innsbruck – Wien – Bozen 2010, S. 99–116, hier: S. 101f.

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Geschichtspolitik in Österreich

Abb. 6: Der Liebenauer Prozess vor dem Oberen Britischen Militärgericht in Graz im September 1947. Blick in den Gerichtssaal. Quelle: Multimediale Sammlung/UMJ. Signatur 22696.

gerichte in den späten 1940er-Jahren viele Österreicher wegen Kriegsverbrechen, 42 zum Tode, wovon 30 Todesurteile vollstreckt wurden. In dieser Phase wurden in Österreich sogar mehr Urteile wegen NS-Verbrechen gefällt als in der Bundesrepublik Deutschland.13 In der britischen und amerikanischen Zone wurden aufgrund einer Verordnung 200 Vergehen und Verbrechen definiert und geahndet. Die „Military Government Ordinance 100“ etablierte Summary Courts, Intermediate Courts und General Courts zur Verfolgung von Verbrechen. Vom Kriegsende bis 31. August 1948 wurden 31.517 Menschen vor ein britisches Militärgericht bestellt und 28.894 verurteilt, 70 Prozent in Summary Courts. Im General Court, dem Obersten Militärgericht der Briten, wurden 53 Todesurteile ausgesprochen, wobei 42 vollstreckt wurden, meist an Tätern, die an sogenannten Endzeitverbrechen – vorwiegend an Massakern an ungarischen Juden in der Steiermark – beteiligt gewesen waren.14 In amerika-

13 Winfried Garscha (Hg.), Keine „Abrechnung“. NS-Verbrechen, Justiz und Gesellschaft in Europa nach 1945. Leipzig – Wien 1998. 14 Siegfried Beer, Aspekte der (politischen) Militärgerichtsbarkeit der Briten in der Steiermark, 1945– 1950, in: Rudolf Ardelt – Christian Gerbel (Hg.), Österreichischer Zeitgeschichtetag 1995. Österreich – 50 Jahre Zweite Republik. Innsbruck – Wien 1996, S. 324–331; Eleonore Lappin, Prozesse der britischen Militärregierung wegen nationalsozialistischen Gewaltverbrechen an ungarisch-jüdi-

Ein langer Weg: Von der „Opferdoktrin“ zur Mitverantwortungsthese

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Abb. 7: „Österreich ist frei vom Anschluss … frei vom Anschluss mit solchen Folgen!“ Bildwand mit Aufnahmen der NS-Konzentrationslager und Kriegsverbrechen 1945. Quelle: ÖNB/ Bildarchiv Austria.

nischen Militärgerichten wurden bis Ende 1945 7.850 Fälle entschieden, wobei 50 Prozent der Fälle sich mit „Displaced Persons“ befassten. 1946 waren es 12.541 Fälle, 1947 8.326 und 1948 nur noch 2.753. Ab 1948 wurden österreichische Gerichte mit den meisten dieser Fälle betraut – Österreich erhielt seine Souveränität im Rechtsbereich zurück –, was den Übergang von der „totalen Kontrolle“ der Alliierten zur Bevormundung der Österreicher reflektierte.15 Ab 1948 verlangsamte sich jedoch die Tätigkeit der Volksgerichte und auch der Alliierten Militärgerichte kontinuierlich. Mit dem Abzug der Besatzungsmächte nach der Unterzeich-

schen Zwangsarbeitern in der Steiermark, in: ebd., S. 345–350; Martin Polaschek, Austrian and British Trials Over Massacers of Jews at the End of World War II, in: Günter Bischof – Anton Pelinka – Michael Gehler (Hg.), Austria in the European Union. Contemporary Austrian Studies, Bd. 10. New Brunswick – London 2002, S. 298–309. 15 Kurt K. Tweraser, Military Justice as an Instrument of American Occupation Policy in Austria 1945– 1950. From Total Control to Limited Tutelage, in: Austrian History Yearbook, 24/1993, S. 153–178.

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Geschichtspolitik in Österreich

nung des Staatsvertrages 1955 machte die österreichische Justiz die Verfolgung von österreichischen NS-Straftätern nicht mehr zu einer Priorität – es kam fortan nur mehr zu wenigen Verurteilungen von Kriegsverbrechern.16 Als in der Bundesrepublik große Prozesse wie der Frankfurter Auschwitz-Prozess eine wichtige volksbildnerische Rolle in der Phase der deutschen Vergangenheitsbewältigung spielten,17 verhängte die österreichische Justiz fortan mehrere skandalöse Freisprüche. Ein prominentes Beispiel in diesem Zusammenhang ist der Fall Franz Murer, der im Juni 1963 vom Vorwurf des 17-fachen Mordes im seinerzeitigen Ghetto von Wilna nach einem – auf Intervention des Holocaust-Überlebenden Simon Wiesenthal angestrengten – Prozess in Graz freigesprochen wurde.18 Die Republik Österreich verabschiedete trotz langfristiger „Hinhaltetaktik“19 ab 1947 eine Reihe von „Opferfürsorgegesetzen“.20 Diese versorgten anfangs hauptsächlich zurückgekehrte Kriegsgefangene und Kriegsversehrte sowie heimische Opfer aus dem Widerstand. Die „Wiedergutmachung“ gegenüber jüdischen Opfern war indes äußerst sparsam und lief nur langsam an.21 Zwischen 1946 und 1949 waren sieben Rückstellungsgesetze beschlossen worden, die in sich allerdings keine durchgängige Systematik aufwiesen, was es für die Betroffenen schwierig machte zu eruieren, welches Gesetz für ihren Fall anwendbar und bei welcher 16 Hellmut Butterweck, Verurteilt und begnadigt. Österreich und seine NS-Straftäter. Wien 2003. 17 Am Ende des langen Prozesses kam der Berichterstatter Peter Jochen Winters in der FAZ zum Schluss: „Der Frankfurter Auschwitz-Prozess ist zu Ende. Das aber, wofür der Name Auschwitz steht, werden Menschen kaum vergessen können, Deutsche nie vergessen dürfen.“ Vgl. Peter Jochen Winters, Der Frankfurter Auschwitz-Prozess. Ein Rückblick 50 Jahre nach dem Urteil, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 16/17/2015, S. 40–47, hier: S. 47. 18 Der Fall Murer ist ausführlich aufgearbeitet worden. Vgl. etwa zuletzt Johannes Sachslehner, „Rosen für den Mörder“. Die zwei Leben des NS-Täters Franz Murer. Wien – Graz – Klagenfurt 2017, oder Lukas Nievoll, „Nicht ich rede, meine Wunden reden!“ – Holocaust-Überlebende als juristische Zeug*innen in österreichischen NS-Kriegsverbrecherprozessen am Beispiel des Prozesses gegen Franz Murer. Diplomarbeit, Graz 2018. 2018 erschien auch der prämierte Film „Murer – Anatomie eines Prozesses“ von Christian Frosch, der das Gerichtsverfahren anhand originaler Dokumente nachzeichnet. 19 Robert Knight (Hg.), „Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen.“ Die Wortprotokolle der österreichischen Bundesregierung von 1945 bis 1952 über die Entschädigung der Juden. Frankfurt 1988. Zur „Hinhaltetaktik“ vgl. Christian Thonke, Hitlers langer Schatten. Der mühevolle Weg zur Entschädigung der NS-Opfer. Wien – Köln – Weimar 2004, S. 69–72. 20 Das Bundesgesetz vom 4. Juli 1947 über die Fürsorge für die Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich und die Opfer politischer Verfolgung (Opferfürsorgegesetz) und seine Änderungen sind auf der Webseite des Rechtsinformationssystems des Bundes einzusehen: https://www.ris. bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008113 (5.5.2020). 21 Brigitte Bailer, Wiedergutmachung kein Thema. Österreich und die Opfer des Nationalsozialismus. Wien 1993.

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Behörde ein Antrag einzubringen war. Zudem waren die Rückstellungen auf die Rückgabe noch vorhandenen und auffindbaren Eigentums beschränkt, darüber hinausgehende Entschädigungszahlungen wurden auf Druck der Westalliierten erst nach dem Staatsvertrag 1955 geleistet.22 Die überlebenden jüdischen Opfer mussten mit ihrer Traumatisierung durch Krieg und Verfolgung zum größten Teil also ohne das Mitleid ihrer österreichischen Nachbarn umgehen lernen – Nachbarn, die für sich selbst den Opferstatus und eine Wiedergutmachung reklamierten.23 In den 1960er- und 1970er-Jahren hielt man von offizieller Seite an der These von Österreich als „erstem Opfer“ der Nationalsozialisten ungebrochen fest.24 Der Themenkomplex des österreichischen Widerstandes, mit dem sich der gesellschaftliche und wissenschaftliche Diskurs über lange Jahre hauptsächlich beschäftigte, bekräftigte diese offizielle Doktrin.25 Tendenzen zur „Vergangenheitsbewältigung“ wurden unterdrückt bzw. staatlich nicht gefördert; in der historischen Erinnerung spielten Vertreibung und Ausraubung der österreichischen Juden, der „Völkermord“ an den europäischen Juden im Holocaust oder die Verbrechen österreichischer SS-Leute und Wehrmachtssoldaten im Krieg gegen die Sowjetunion kaum eine Rolle. Mitunter wurde diese Erinnerung jedoch etwa durch die österreichische Literaturszene,26 Af22 Vgl. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Rückstellungen entzogener Vermögen, https://ausstellung.de.doew.at/b39.html (5.5.2020). 23 Helga Embacher – Maria Ecker, A Nation of Victims. How Austria dealt with the victims of the authoritarian Ständestaat and national socialism, in: Jolande Withuis – Annet Mooij (Hg.), The Politics of War Trauma. The Aftermath of World War II in Eleven European Countries. Amsterdam 2010, S. 15–48. 24 Robert Menasse, Das Land ohne Eigenschaften. Essays zur österreichischen Identität. Wien 1992. 25 Siehe hierzu etwa Elisabeth Röhrlich, Kreiskys Außenpolitik. Zwischen österreichischer Identität und internationalem Programm. Wien – Göttingen 2009, S. 168–182. 1962 setzte Bruno Kreisky (SPÖ) ein „Ministerkomitee“ ein, das in den folgenden Jahren für die Herausgabe der Reihe „Das einsame Gewissen“ verantwortlich war. Mit der Publikation von Studien zum österreichischen Widerstand und Exil wollte Kreisky eine österreichische Identität durch Abgrenzung von NS-Deutschland nach außen und den Kommunisten nach innen stiften. Dies war gleichsam ein Lehrstück staatlich induzierter Geschichtspolitik, die nicht an den Mythen über den Zweiten Weltkrieg rüttelte, sondern immer noch die Rolle des Widerstandes zur Befreiung Österreichs in den Vordergrund stellte. Auch das 1963 gegründete Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) widmete seine Tätigkeit bis in die 1970er-Jahre der Widerstandsforschung und fand erst in den beiden darauffolgenden Jahrzehnten ein neues Forschungsfeld in der Analyse der Rolle österreichischer Täter im Holocaust. Vgl. hierzu etwa Uhl, From Victim Myth to Co-Responsibility Thesis, S. 58. 26 Von Helmut Qualtingers und Karl Merzs Fernsehstück „Der Herr Karl“ aus dem Jahr 1961 bis zu Gerhard Fritsch, Gernot Wolfsgruber und Peter Henisch: Die heimische Literaturszene rollte in den 1960er- und 1970er-Jahren zunehmend die dunklen Seiten der österreichischen Täter- und Mitläufergeschichte auf. Vgl. hierzu etwa Brigitte Straubinger, Erinnerung modo austriaco – zu Gerhard Fritschs „Österreich-Roman“ Moos auf den Steinen. Zum Umgang mit der NS-Zeit in der Litera-

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fären (z. B. Borodajkewycz)27 oder Kontroversen (z. B. Kreisky/Wiesenthal)28 kurzzeitig aus ihrem Tiefschlaf gerissen. Die lange Eiszeit der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg begann in den späten 1970er-Jahren schließlich aufzutauen.29 Der 40. Jahrestag des „Anschlusses“ 1978 hatte zu kritischen Diskursen in der Öffentlichkeit geführt, unter anderem wurden nun alte Thesen der Koalitionsgeschichtsschreibung wie die Legende der „geteilten Schuld“ – die Aufteilung der Verantwortung für die Ereignisse des Jahres 1934 bis zum „Anschluss“ zwischen ÖVP und SPÖ – infrage gestellt.30 Ein weiteres auslösendes Moment war die Ausstrahlung der vierteiligen amerikanischen Fernsehserie „Holocaust“ im ORF im März 1979, worin die Vernichtung und das Überleben von Mitgliedern der Berliner Familie Weiss geschildert wurde.31 Viele Österreicher sahen sich zum ersten Mal mit den erschütternden Details des Holocaust konfrontiert und waren schockiert.32

tur der Nachkriegszeit, in: Heidemarie Uhl (Hg.), Zivilisationsbruch und Gedächtniskultur. Das 20. Jahrhundert in der Erinnerung des beginnenden 21. Jahrhunderts. Innsbruck – Wien – München – Bozen 2003, S. 137–152. 27 Vgl. Rafael Milan Kropiunigg, The Rehabilitated Austrians and the Borodajkewycz Affair, in: Austrian History Yearbook, 46/2015, S. 360–385. 28 Als 1975 NS-Aufdecker Simon Wiesenthal die SS-Vergangenheit des FPÖ-Vorsitzenden Friedrich Peter in der Öffentlichkeit anprangerte, ergriff Bundeskanzler Kreisky Partei für Peter und diffamierte Wiesenthal öffentlich. Vgl. Ingrid Böhler, „Wenn die Juden ein Volk sind, so ist es ein mieses Volk“. Die Kreisky-Peter-Wiesenthal-Affäre 1975, in: Michael Gehler – Hubert Sickinger (Hg.), Politische Affären und Skandale in Österreich vom Ende der Monarchie bis zur Zweiten Republik. Thaur – Wien – München 1995; vgl. Oliver Rathkolb, Die paradoxe Republik. Österreich 1945 bis 2015. Wien 2005, S. 383–386. 29 Günter Bischof, Founding Myths and Compartmentalized Past: New Literature on the Construction, Hibernation, and Deconstruction of World War II Memory in Postwar Austria, in: Günter Bischof – Anton Pelinka (Hg.), Austrian Historical Memory and National Identity. Contemporary Austrian Studies. Vol. 5. New Brunswick – London 1996, S. 302–341; Heidemarie Uhl, Von „Endlösung“ zu „Holocaust“, in: Heidemarie Uhl (Hg.), Zivilisationsbruch und Gedächtniskultur. Das 20. Jahrhundert in der Erinnerung des beginnenden 21. Jahrhunderts. Innsbruck – Wien – München – Bozen 2003, S. 153−180, hier: S. 155f. 30 Harold Marcuse, AHR Forum: Holocaust Memorials: The Emergence of a Genre, in: American Historical Review, 115/1/2010, S. 53–89, in Anlehnung an James Edward Young, The Texture of Memory: Holocaust Memorials and Meaning. New Haven, Conneticut 1993, S. 158. 31 Uhl, From Victim Myth to Co-Responsibility Thesis, S. 49–61; Günter Bischof, Victims? Perpetrators? „Punching Bags“ of European Historical Memory? The Austrians and Their World War II Legacies, in: German Studies Review, 27/1/2004, S. 17–32; Bailer, Wiedergutmachung kein Thema. 32 Vgl. Dietmar Seiler, Im Labyrinth der Geschichtspolitik. Die Erinnerung an die Shoa im öffentlichen österreichischen Gedächtnis, in: Zeitgeschichte, 24/9/10/1997, S. 281–302.

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Abb. 8: 1965 lösten die Vorlesungen des Historikers Taras Borodajkewycz an der Wirtschaftsuniversität Wien Proteste und Demonstrationen aus. In Borodajkewyczs deutschtümelnden Vorlesungen wurde – neben antisemitischen Äußerungen – der Nationalsozialismus verharmlost. Auf dem Bild vom 31. März 1965 sind Demonstranten mit Schildern „Borodajkewycz heim ins Reich“ und „Nach Borodaykewycz Pfeifer“ zu sehen. Quelle: ÖNB/Bildarchiv Austria. Foto: Salus.

In den 1980er-Jahren ging der alte Konsens zwischen den politischen Lagern in die Brüche, was zu einem Paradigmenwechsel im österreichischen Vergangenheitsdiskurs zum Zweiten Weltkrieg führte. Als 1986 die Kriegsvergangenheit des Präsidentschaftskandidaten Kurt Waldheim und seine Erklärung, lediglich seine „Pflicht“ als Wehrmachtssoldat getan zu haben,33 national und international ins Rampenlicht gerieten, fiel das „große Tabu“ samt dem 33 Waldheim hatte nicht erkannt, dass nur „seine Pflicht“ in der Wehrmacht getan zu haben, für eine aufgeklärte öffentliche Meinung nun nicht mehr akzeptabel war. Eine internationale Historikerkommission sprach ihn von der direkten Beteiligung an NS-Verbrechen auf dem Balkan zwar frei, behauptete aber, er habe von den Verbrechen Kenntnis gehabt, was dieser stets abstritt. Vgl. Cornelius Lehnguth, Waldheim und die Folgen. Der parteipolitische Umgang mit dem Nationalsozialismus in

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exklusiven Opfernarrativ.34 Im Zuge des Erinnerungsjahres 1988, dem 50. Jahrestag des „Anschlusses“, wurde die österreichische Tätergeschichte zunehmend öffentlich diskutiert,35 und Waldheim, inzwischen vom US-Justizministerium auf die sogenannte Watchlist gesetzt, die ihm die private Einreise in die USA verbot, sprach in einer Fernsehrede erstmals von den „Opfern und Tätern“ unter den Österreichern: „Wir dürfen nicht vergessen, daß viele der ärgsten Schergen des Nationalsozialismus Österreicher waren. Es gab Österreicher, die Opfer, und andere, die Täter waren. Erwecken wir nicht den Eindruck, als hätten wir damit nichts zu tun. Selbstverständlich gibt es keine Kollektivschuld, trotzdem möchte ich mich als Staatsoberhaupt der Republik Österreich für jene Verbrechen entschuldigen, die von Österreichern im Zeichen des Nationalsozialismus begangen wurden.“36 Diesen Zeilen entsprechend war in den folgenden Jahren zunehmend von der „hellen und dunklen“ Seite der Rolle der Österreicher im Zweiten Weltkrieg die Rede, eine jüngere Generation von Politikern begann, ein komplexeres Bild zu vertreten, und auch die Zeitgeschichtsforschung beschäftigte sich zunehmend mit Österreichs Rolle als Täter. Drei Jahre nach Waldheims Fernsehrede sprach am 8. Juli 1991 der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky als erster staatlicher Vertreter im Nationalrat nicht nur von österreichischen Opfern während der Zeit des nationalsozialistischen Regimes, sondern auch von österreichischen Tätern. Er leitete damit einen Paradigmenwechsel im österreichischen Bewusstsein37 zum Zweiten Weltkrieg ein, was Waldheim noch nicht gelungen war. In seiÖsterreich. Frankfurt – New York 2013, S. 91–151; Rathkolb, Die paradoxe Republik, S. 388–393; Richard Mitten, The Politics of Antisemitic Prejudice. The Waldheim Phenomenon in Austria. Boulder, CO 1992; Anton Pelinka – Erika Weinzierl (Hg.), Das große Tabu. Österreichs Umgang mit seiner Vergangenheit. Wien 1987. Die Debatte 1983 um Friedrich Peters Ernennung zum 3. Nationalratspräsidenten hatte eine ähnliche Wirkung auf die Erosion der „Opferthese“ wie die Waldheim-Debatte. Peter hatte in einer SS-Einheit gedient, die nachweislich Kriegsverbrechen ausgeübt hatte, und bemühte auch das fatale Bild, lediglich ein „Pflichterfüller“ gewesen zu sein. Vgl. Uhl, From Victim Myth to Co-Responsibility Clause, S. 59f. 34 Vgl. Berthold Unfried, Versionen der Erinnerung an Nationalsozialismus und Krieg in Österreich und ihre Veränderungen in der Waldheim-Affäre, in: Zeitgeschichte, 24/9/10/1997, S. 302–317. 35 Heidemarie Uhl, Zwischen Versöhnung und Verstörung. Eine Kontroverse um Österreichs historische Identität fünfzig Jahre nach dem „Anschluss“. Wien – Köln – Weimar 1992. 36 Volltext der Rede in Dok. 3 auf der Webseite des ZIS Zeitgeschichte Informationssystem des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck, https://www.uibk.ac.at/zeitgeschichte/zis/library/gehler. html#dok3 (13.5.2020). 37 Die Formel vom „österreichischen Bewusstsein zum Zweiten Weltkrieg“ ist nichts anderes als eine Umschreibung der älteren Formel von der „Vergangenheitsbewältigung“ – einer Vergangenheit nämlich, die, wie der Harvard-Historiker Charles Maier festgestellt hat, nicht wirklich bewältigbar ist. Vgl. Charles S. Maier, The Unmasterable Past. History, Holocaust and German National Identity.

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Abb. 9: Kurt Waldheim (1918– 2007). Quelle: ÖNB/Bild­archiv Austria. Foto: Simonis.

ner Parlamentsrede über den Zerfall Jugoslawiens betonte er die moralische Verantwortung Österreichs, sich der Vergangenheit zu stellen, und brachte – wie Waldheim – die Mitverantwortungsthese ins Spiel: Zahlreiche Österreicher hätten den „Anschluss“ begrüßt, das NS-Regime gestützt und dieses auf allen Ebenen der NS-Hierarchie mitgetragen. Viele Österreicher hätten sich auch an der Unterdrückung und Verfolgung im „Dritten Reich“ beteiligt, „zum Teil an prominenter Stelle“.38 Zum Abschluss entschuldigte sich der Kanzler bei den Opfern: „Wir bekennen uns zu allen Taten unserer Geschichte und zu den Taten aller Teile unseres Volkes, zu den guten wie zu den bösen. Und so wie wir die guten für uns in

Cambridge, MA 1988. Erinnerungs- und Geschichtspolitik sind ebenfalls Formulierungen, die die Sachverhalte der vertieften Bewusstseinsbildung zum Zweiten Weltkrieg beobachten. 38 Cornelius Lehnguth, Waldheim und die Folgen. Der parteipolitische Umgang mit dem Nationalsozialismus in Österreich. Frankfurt am Main 2013, S. 206f.

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Anspruch nehmen, haben wir uns für die bösen zu entschuldigen, bei den Überlebenden und bei den Nachkommen der Toten.“39

Aufarbeitung der Tätergeschichte und Wiedergutmachung Während sich Österreich mühsam über die „Scharnierjahre 1986/1988“40 zu einem offiziellen Bekenntnis einer Mitverantwortung durchgekämpft hatte, verfestigte sich das nationale Narrativ in den 1990er-Jahren weg von der Opferthese hin zur Mitverantwortungsthese in der Öffentlichkeit.41 Bundeskanzler Franz Vranitzky und Bundespräsident Thomas Klestil hatten daran nicht unerheblichen Einfluss: Mit ihren Reden im Parlament sowie in Jerusalem 1991 bzw. 1993/1994, die sich auf österreichische „Opfer und Täter“ bezogen, brach das Geschichtsbild vom „Opfer Österreich“ endgültig in sich zusammen.42 Auch international rückte der Holocaust in den 1990er-Jahren in den Mittelpunkt der Erinnerungsdiskurse: Er wurde universalisiert und „amerikanisiert“. So wiesen die Soziologen Daniel Levy und Natan Sznaider eine „Globalisierung“ des Holocaust-Gedächtnisses nach, in dem sich lokale, nationale und kosmopolitische Erinnerungskulturen überlagerten.43 Das Ende des Kalten Krieges und der Fall des Eisernen Vorhangs in den Transformationsstaaten lösten indes einen neuen Diskurs über die Bewältigung der Vergangenheit und Erinnerung aus – diesmal eine Vergangenheitsdebatte um die Verbrechen des Kommunismus. Die gängigen Klischees der Kommunisten wurden brüchig, es sollte sich etwa zeigen, dass im Zweiten Weltkrieg nicht alle „Antifaschisten“ gewesen waren – so manch einer hatte mit den Nazi-Okkupanten kollaboriert.44

39 Manfred Jochum, „80 Jahre Republik“. Wien 1998, S. 165. Zitiert nach Demokratiezentrum Wien, http://www.demokratiezentrum.org/wissen/timelines/der-opfermythos-in-oesterreich-entstehung-­ und-entwicklung.html (25.5.2020). 40 Lehnguth, Waldheim und die Folgen, S. 91, 178. 41 Der Paradigmenwechsel von der Opfer- zur Mitverantwortungsthese nach Waldheim wird auch generationsspezifisch analysiert. Vgl. Lehnguth, Waldheim und die Folgen, S. 205–237. 42 Heidemarie Uhl, Opferthesen, Revisited. Österreichs ambivalenter Umgang mit der NS-Vergangenheit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 68/20/August/2019, S. 52; Lehnguth, Waldheim und die Folgen, S. 231–246; vgl. auch Heinz P. Wassermann, „Zuviel Vergangenheit tut nicht gut!“. Nationalsozialismus im Spiegel der Tagespresse der Zweiten Republik. Innsbruck – Wien – München 2000, S. 171–230. 43 Daniel Levy – Natan Sznaider, Erinnerung im globalen Zeitalter. Der Holocaust. Frankfurt am Main 2001. 44 Oliver Rathkolb (Hg.), Revisiting the National Socialist Legacy: Coming to Terms with Forced Labor, Expropriation, Compensation and Restitution. Innsbruck – Vienna – Bozen 2002.

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Abb. 10: Bundeskanzler Franz Vranitzky beim Staatsbesuch in Israel am 9. Juni 1993. Quelle: APA. Foto: Hans Klaus Techt. Abb. 11: Bundespräsident Thomas Klestil vor der israelitischen Knesset am 15. November 1994. Quelle: APA. Foto: Georges Schneider.

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Abb. 12: Am 19. September 1995 wurde die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der ­Wehrmacht 1941 bis 1944“ in der „Alpenmilchzentrale“ in Wien eröffnet. Quelle: APA. Foto: Ulrich Schnarr.

Eine Wanderausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung rüttelte 1995 in Österreich gewaltig am Mythos der „sauberen Wehrmacht“, zeigte sie doch, dass zahlreiche Wehrmachtssoldaten – auch solche aus den „Donau- und Alpengauen“ – an den Verbrechen der Wehrmacht in Ost- und Südosteuropa beteiligt gewesen waren. Die Vorstellung der „alten Kameraden“, dass Kriegsdienst lediglich „Pflichterfüllung und (heldenhafter) Opfergang“ gewesen seien, passte nicht mehr zu dem neu entstehenden Narrativ der österreichischen Mitverantwortung.45 Parallel dazu entstanden intensive öffentliche Debatten über Themen wie den Hollywood-Film „Schindlers Liste“ oder Euthanasieverbrechen, die von österreichischen Nationalsozialisten an ihren Landsleuten verübt worden waren. Wohl ausgelöst durch

45 Bilanz einer Ausstellung. Dokumentation der Kontroverse um die Ausstellung „Vernichtungskrieg der Wehrmacht 1941 bis 1944“ in München, Galerie im Rathaus 25.2 bis 6.4.1997. München 1998; zur Wehrmachtsausstellung in der Steiermark, vgl. Ulf Brunnbauer (Hg.), Eiszeit der Erinnerung. Vom Vergessen der eigenen Schuld. Wien 1999; zur Wehrmachtsausstellung in Salzburg, vgl. Helga Embacher – Albert Lichtblau (Hg.), Umkämpfte Erinnerung. Die Wehrmachtsausstellung in Salzburg. Salzburg 1999.

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die hitzigen Debatten um die Wehrmachtsausstellung an den meisten Ausstellungsorten kam die österreichische „Tätergeschichte“ generell zunehmend in den Mittelpunkt der zeithistorischen Forschungen. Seit 2006 wird deren gründliche Aufarbeitung nicht zuletzt durch die gezielte und kontinuierliche Projektförderung des Zukunftsfonds der Republik Österreich unterstützt.46 Auch der EU-Beitritt 1995 trug viel zu Österreichs Bekenntnis zur Mitverantwortung bei – ein offener Umgang mit der Zweite-Weltkrieg-Vergangenheit schien eine ungeschriebene Vorgabe des EU-Acquis gewesen zu sein. Mitverantwortung sollte Österreich auch dazu zwingen, Fragen der versäumten Wiedergutmachung an Opfern des Nationalsozialismus neu anzugehen, die „überlebenden NS-Opfer erhofften sich […] neuerliche Entschädigungsleistungen der Republik für die zahlreichen noch immer offenen Ansprüche.“47 In dieser Zeit reifte im Parlament die Idee der freiwilligen Restitution an noch lebende jüdische Opfer heran. 1995 wurde dazu der „Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus“ eingerichtet, um – spät, aber doch – symbolische „Wiedergutmachung“ an verschiedenen Opfergruppen einzuleiten.48 Der Nationalfonds stellte eine „politische Geste der Versöhnung, der Anerkennung und des Respekts“ vor den Opfern dar, wie Heinrich Neisser 46 Wegweisend waren die Studien von Walter Manoschek, Serbien ist judenfrei. München 1993, und Hans Safrian, Eichmann und seine Gehilfen. Frankfurt am Main 1997. Nicht zuletzt dank der Projektfinanzierungen durch den Zukunftsfonds sind nun zahlreiche Publikationen zur Tätergeschichte erschienen; stellvertretend für viele vgl. Walter Manoschek, „Dann bin ich ja ein Mörder!“ Adolf Storms und das Massaker an den Juden in Deutsch Schützen. Göttingen 2015. Unter den Tätern waren immer wieder auch sogenannte ganz normale Österreicher, vgl. Wilfried Garscha, Ordinary Austrian Common War Criminals during World War II, in: Günter Bischof – Fritz Plasser – Eva Maltschnig (Hg.), Austrian Lives. Contemporary Austrian Studies. Vol. 21. New Orleans – Innsbruck 2012, S. 304–326. Aktuell widmet sich etwa ein laufendes Forschungsprojekt von Kurt Bauer der Frage „Wie hoch war der Anteil von Österreichern an den nationalsozialistischen Tätern?“, das auch vom Zukunftsfonds gefördert wird. 47 Brigitte Bailer-Galanda, Rückstellung, Entschädigung und andere Maßnahmen für Opfer des Nationalsozialismus von 1945 bis zum Washingtoner Abkommen 2001, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“. Restitution und Entschädigung in Österreich. Die Bilanz der Regierung Schüssel. Innsbruck – Wien – Bozen 2015, S. 23–44. 48 Günter Bischof, „Watschenmann der europäischen Erinnerung“? Internationales Image und Vergangenheitspolitik der Schüssel/Riess-Passer ÖVP/FPÖ-Koalitionsregierung, in: Michael Gehler – Anton Pelinka – Günter Bischof (Hg.), Österreich in der EU: Bilanz einer Mitgliedschaft. Wien – Köln – Weimar 2003. S. 470–478; idem, Commissioning History: Austria and World War II Restitution and Reconciliation, in: Günter Bischof – Anton Pelinka – Alexander Lassner (Hg.), The Dollfuss/ Schusch­nigg Era in Austria: A Reassessment. Contemporary Autrian Studies. Bd. 11. New Bruns­ wick – London 2003, S. 203, 212–218; Zum Nationalfonds vgl. https://de.nationalfonds.org/ (11.5.2014).

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es in der Parlamentsdebatte um die Einrichtung des Fonds ausdrückte.49 Der Fonds leistete in den 25 Jahren seiner Tätigkeit an Tausenden von österreichischen Opfern späte materielle Wiedergutmachung und förderte Hunderte von Forschungs- und Erinnerungsprojekten, die auch dem großen Rahmen der Vergangenheitsbewältigung gewidmet waren.50 Die Zahl der wissenschaftlichen Studien zur österreichischen Vergangenheitsbewältigung bzw. zur historischen Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg wuchs nach einer langen Anlaufzeit seit Mitte/Ende der 1980er-Jahre bemerkenswert an. In den Mittelpunkt rückten Fragen des österreichischen Beitrags zur NS-Vernichtungspolitik und die Rolle der österreichischen Täter im Holocaust.51 Eine jüngere Generation österreichischer Zeithistoriker begann systematisch mit der Aufarbeitung der österreichischen Geschichte des Zweiten Weltkrieges und der Erinnerung daran. Sie legte eine kritischere Gangart zu den heimischen Vergangenheitsbewältigungsdiskursen vor.52 Zudem wurden aus dem Ausland einige wichtige Forschungser-

49 Zur Entstehung des Nationalfonds vgl. Helmut Wohnout, Eine „Geste“ gegenüber den Opfern? Der Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus und der schwierige Umgang Österreichs mit den Überlebenden nationalsozialistischer Verfolgung, in: Thomas Angerer – Brigitta Bader-Zaar – Margarete Grandner (Hg.), Geschichte und Recht. Festschrift für Gerald Stourzh zum 70. Geburtstag. Wien – Köln – Weimar 1999, S. 247–278. 50 Zur Tätigkeit des Nationalfonds und Dokumentation der Projekte vgl. https://www.nationalfonds. org, abgerufen am 6.5.2020. 2001 wurde aufgrund des Washingtoner Abkommens zudem der unter den Auspizien des Nationalfonds stehende Allgemeine Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus eingerichtet. Sein Ziel war eine umfassende Lösung offener Fragen der Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus für Verluste und Schäden, die als Folge von oder im Zusammenhang mit Ereignissen auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich während der Zeit des Nationalsozialismus entstanden waren. Gegenstand der Arbeit des Fonds waren nicht nur monetäre Entschädigungsleistungen, zusätzlich wurde eine unabhängige Schiedsinstanz für Naturalrestitution eingerichtet, die über Anträge auf Rückgabe von Vermögenswerten aus öffentlichem Eigentum – in erster Linie Liegenschaften – entschied. 2020 erschien der Schlussbericht des Antragskomitees des Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus, in dem die Tätigkeit des unabhängigen, international besetzten Gremiums dokumentiert wird, das über 20.702 Anträge auf Vermögensentschädigung entschieden hat: Allgemeiner Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus (Hg.), Schlussbericht des Antragkomitees des Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus. Wien 2020. 51 Uhl, Von „Endlösung“ zu „Holocaust“, S. 155–160. 52 So sägten die beiden Doyens Erika Weinzierl und Anton Pelinka im Zuge der „Waldheimdebatten“ 1986 mit einer Aufsatzsammlung kritischer Stimmen am „großen Tabu“ der „Opferdoktrin“: Anton Pelinka – Erika Weinzierl (Hg.), Das große Tabu. Österreichs Umgang mit seiner Vergangenheit. Wien 1987. Ein gewichtiger Sammelband zu „Österreich in der NS-Zeit“ fasste den Stand der Forschung zusammen und widmete sich erstmals auch der „Tätergeschichte“: Emmerich Tálos – Ernst Hanisch – Wolfgang Neugebauer (Hg.), NS-Herrschaft in Österreich 1938–1945. Wien 1988. Ne-

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Abb. 13: Das Logo des seit 1995 tätigen Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des ­Nationalsozialismus. Quelle: Nationalfonds.

gebnisse vorgelegt, die die heimischen Forschungsdiskurse zum Zweiten Weltkrieg befruchteten.53 Gleichzeitig wurden aber auch Stimmen laut, die meinten, die langanhaltende Nachkriegs-Amnesie sei in eine Art „Austro-Masochismus“ umgeschlagen. Mit ihrer „gnadenlosen“ Aufarbeitung der heimischen Tätergeschichte und exzessiven Vergangenheitsbewältigung betreibe eine jüngere Historikergeneration zu viel Erinnerungsgeschichte und untergrabe damit die nach dem Krieg so mühsam aufgebaute österreichische Identität. Der Wiener Philosoph Rudolf Burger etwa plädierte mit Sigmund Freud fürs Vergessen.54 Manche bestanden auf der „Externalisierung“ des Nationalsozialismus und wollten die Deutschen weiterhin exklusiv dafür verantwortlich machen.55

ben Heidemarie Uhl verfassten auch die Soziologen Meinrad Ziegler und Waltraud Kannonier-Finster eine theoretisch fundierte Studie zur österreichischen Gedächtniskultur: Uhl, Zwischen Versöhnung und Verstörung; Meinrad Ziegler – Waltraud Kannonier-Finster, Österreichs Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien – Köln – Weimar 1993. Der Wirtschaftsdiplomat Hermann Hagspiel legte 1995 einen ersten monografischen Überblick vor, der nicht mehr den Geist der „Opferthese“ atmete: Hermann Hagspiel, Die Ostmark. Österreich im Grossdeutschen Reich 1938 bis 1945. Wien 1995. Eine fundierte Arbeit zur österreichischen Geschichtspolitik, vor allem zum Umgang der politischen Parteien mit dem Nationalsozialismus seit der Waldheim-Debatte, legte 2013 Cornelius Lehnguth mit einer Art „summa“ der bisherigen Forschungsergebnisse zur österreichischen Geschichts- und Erinnerungspolitik vor: Lehnguth, Waldheim und die Folgen. 53 Dazu gehörten etwa Arbeiten wie Gordon J. Horowitz, In the Shadow of Death. Living Outside the Gates of Mauthausen. New York 1990, oder Evan Burr Bukey, Hitler’s Austria. Popular Sentiment in the Nazi Era, 1938–1945. Chapel Hill 2000. 54 Rudolf Burger, Austromanie oder der antifaschistische Karneval, in: Merkur, 54/613/2000, S. 379– 393; Rudolf Burger, Die Irrtümer der Gedenkpolitik. Ein Plädoyer für das Vergessen, in: Europäische Rundschau, 29/2/2001, S. 3–13; Burger hatte nicht gemerkt, dass Charles S. Maier bereits Jahre vor ihm der Frage nachgegangen war, ob ein Zuviel an Erinnerung an den Holocaust der Sache guttue, vgl. Charles S. Maier, A Surfeit of Memory? Reflections on History, Melancholy and Denial, in: History and Memory, 5/2/1993, S. 136–152; vgl. auch Konrad Paul Liessmann, Die Insel der Seligen. Österreichische Erinnerungen. Innsbruck – Wien – Bozen 2005. 55 Vgl. etwa den polemischen Angriff der Diplomatin Gabriele Matzner-Holzer auf die „gnadenlos Guten“ der Historikerzunft in Gabriele Matzner-Holzer, Verfreundete Nachbarn. Österreich – Deutsch-

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In der internationalen Politik der 1990er-Jahre erlangten moralische Fragen neue Relevanz, wie der amerikanische Historiker Elazar Barkan formulierte. Nationen wie die Schweiz (aber auch die früheren europäischen Kolonialmächte) begannen, sich in einer neuen „nationalen Selbstreflexivität“ mit ihren historischen Lasten auseinanderzusetzen und Schuld für vergangene Untaten einzugestehen.56 In den späten 1990er-Jahren strengten amerikanische Anwälte Sammelklagen gegen Schweizer Banken bzw. deutsche und österreichische Unternehmen an, die von der NS-Wirtschaft profitiert hatten. Nachdem Schweizer Banken eine Globallösung über Raubgold und „herrenlose Bankkonten“ beschlossen und eine Historikerkommission eingerichtet hatten, um die dunklen Seiten der Schweizer Kollaboration mit den Nazis zu erhellen, wuchs zugleich der Druck auf Österreich, ebenfalls eine Historikerkommission zu ernennen.57 Als die Bundesrepublik Deutschland die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) zur Wiedergutmachung an Millionen von ins „Dritte Reich“ verschleppten Zwangs- und Sklavenarbeitern einrichtete, musste auch Österreich reagieren.58 So ernannte Bundeskanzler Viktor Klima 1998 eine Historikerkommission unter der Leitung des prominenten Juristen Clemens Jabloner, um den gesamten Vermögensentzug und -transfer in der NS-Zeit zu erforschen, inklusive der Zwangsarbeit in den Donau- und Alpengauen.59 land. Ein Verhältnis. Wien 1995, und eine Replik darauf von Günter Bischof, Der unerwartete Triumph der ‚gnadenlos Guten‘, in: Zeitgeschichte, 28/6/2001, S. 331–341. 56 Elazar Barkan, The Guilt of Nations: The Restitution and negotiating historical injustices. New York – London 2000. 57 Clemens Jabloner, Meine Historikerkommission, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“. Restitution und Entschädigung in Österreich. Die Bilanz der Regierung Schüssel. Innsbruck – Wien – Bozen 2015, S. 231–236; Brigitte Bailer-Galanda – Eva Blimlinger, Vermögensentzug – Rückstellung – Entschädigung. Österreich 1938/45–2005, in: Österreich – Zweite Republik. Befund, Kritik, Perspektive. Bd. 7. Innsbruck – Wien – Bozen 2007, S. 13–39; Bischof, „Watschenmann der europäischen Erinnerung“? S. 457–458. 58 Zur Stiftung EVZ vgl. Constantin Goschler, Von der materiellen Entschädigung zur humanitären Geste: „Wiedergutmachung“ in Deutschland und die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“. Restitution und Entschädigung in Österreich. Die Bilanz der Regierung Schüssel. Innsbruck – Wien – Bozen 2015, S. 73–90. 59 Zur Entstehung der Historikerkommission, vgl. Brigitte Bailer-Galanda – Eva Blimlinger, The Austrian Historical Commission: International Background, Motives, Results, and Impact, in: Günter Bischof – Anton Pelinka (Hg.), The Dollfuss/Schuschnigg Era in Austria. A Reassessment. Contemporary Austrian Studies. Vol. 11. New Brunswick – London 2003, S. 212–218. Die Ergebnisse der Historikerkommission sind zusammengefasst in Clemens Jabloner et al., Schlussbericht der Historikerkommission der Republik Österreich. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich. Wien – München 2003. Siehe hierzu auch die 30 Einzelbände zu den 47 Forschungsprojekten, die von der Historikerkommission in Auftrag gegeben wurden; zu

Aufarbeitung der Tätergeschichte und Wiedergutmachung

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Abb. 14: 1998 wurde von der österreichischen Regierung eine Historikerkommission zur genaueren Erforschung der NS-Geschichte eingesetzt. (v. l. n. r.) Georg Graf, Bertrand Perz, Alice Teichova, Karl Stuhlpfarrer, Robert Knight, Roman Sandgruber, Lorenz Mikoletzky, Brigitte Bailer-Galanda und Clemens Jabloner (Vorsitzender). Quelle: APA. Foto: Georges Schneider.

Zusätzlich kam in den späten 1990er-Jahren der undurchsichtige Komplex der im Zweiten Weltkrieg von den Nazis geraubten Kunstwerke, die sogenannte „Raubkunst“, und die Forderung von Erben nach Restitution solcher Bilder neuerlich ans grelle Licht der Öffentlichkeit. Die SPÖ/ÖVP-Koalitionsregierung verabschiedete 1998 ein neues Kunstrückgabegesetz60 und richtete eine Kommission für Provenienzforschung ein, die Hunderte Dossiers über Raubkunst in den Bundesmuseen erarbeitete. Zu ihrem 20. Jubiläum 2018 wurden in 300 Fällen 30.000 Gegenstände zurückgegeben.61 Zwangsarbeit gab es drei Teilbände, vgl. etwa Stefan Karner – Peter Ruggenthaler, Zwangsarbeit in der Land- und Forstwirtschaft auf dem Gebiet der Republik Österreich 1939 bis 1945. Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Bd. 26/2. Wien – München 2004. 60 Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen und sonstigem beweglichem Kulturgut aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen und aus dem sonstigen Bundeseigentum (Kunstrückgabegesetz – KRG), BGBl. I Nr. 181/1998, online unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010094 (6.5.2020). 61 Vgl. Hanna Ronzheimer, Raubkunst: 300 Fälle, 30.000 Objekte, in: Science ORF.at, 22.6.2018,

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Abb. 15: Im staatlichen Ringen um Gustav Klimts berühmt gewordenes Porträt von Adele BlochBauer, die „Goldene Adele“, mit der Erbengemeinschaft um Maria Altmann in Los Angeles ging es nicht nur um Österreichs kulturelles Erbe und Identität, sondern im Grunde um die gesamte unbefriedigende Restitutionspraxis der Republik nach dem Zweiten Weltkrieg. Quelle: Wikipedia, Lizenz: gemeinfrei.

­ ttps://science.orf.at/v2/stories/2920193/ (6.5.2020). Siehe hierzu auch die Restitutionsberichte h der Kommission für Provenienzforschung unter http://provenienzforschung.bmbf.gv.at/de/empfehlungen-des-beirats/restitutionsbericht/ (6.5.2020); Bailer-Galanda – Blimlinger, Vermögensentzug – Rückstellung – Entschädigung, S. 70.

Aufarbeitung der Tätergeschichte und Wiedergutmachung

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Im Jahr 2000 sorgte die österreichische ÖVP-FPÖ-Regierungsbildung für internationales Aufsehen. Die damaligen anderen 14 EU-Mitgliedsstaaten organisierten Ende Jänner 2000 auf der internationalen Holocaust-Tagung in Stockholm einen Boykott. Die Konferenz bestimmte auch, der 27. Jänner solle in Zukunft ein europäischer Erinnerungstag werden, um an die Befreiung des KZ Auschwitz 1945 zu erinnern. In einer gemeinsamen Erklärung sollte eine neue gesamteuropäische Erinnerungskultur aus der Taufe gehoben werden, in der der Holocaust im Mittelpunkt stehen und die Teil einer gemeinsamen europäischen Identität werden sollte.62 So wuchs der Druck auf die im Februar 2000 vereidigte ÖVP-FPÖ-Koalitionsregierung,63 und eine von Präsident Klestil der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung aufgedrängte Erklärung nannte die Dinge nun klar beim Namen: „Österreich stellt sich seiner Verantwortung aus der verhängnisvollen Geschichte des 20. Jahrhunderts und den ungeheuerlichen Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes: Unser Land nimmt die hellen und dunklen Seiten seiner Vergangenheit und die Taten aller Österreicher, gute wie böse, als seine Verantwortung an. Nationalismus, Diktatur und Intoleranz brachten Krieg, Fremdenhass, Unfreiheit, Rassismus und Massenmord. Die Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit des Verbrechens des Holocaust sind Mahnung zu ständiger Wachsamkeit gegen alle Formen von Diktatur und Totalitarismus.“64 Diese Präambel in der Regierungsvereinbarung vom 4. Februar 2000 mutete wie eine zweite Unabhängigkeitserklärung der Republik Österreich an, die gleichsam die Geschichtsklitterungen der Rennerschen Deklaration vom 27. April 1945 korrigierte. In diesem explosiven, neuen außenpolitischen und gesellschaftlichen Umfeld gründete die Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im Jahr 2000 den „Fonds für Versöh62 Der Text ist abrufbar unter http://www.holocaustremembrance.com/about-us/stockholm-declaration (6.5.2020). 63 Hubert Feichtlbauer, Zwangsarbeit in Österreich: 1938–1945. Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit. Späte Anerkennung, Geschichte, Schicksale: Zwangsarbeit in Österreich 1938– 1945. Wien 2005; Dieter Bacher, Zwangsarbeit in Österreich und die Arbeit des „Österreichischen Versöhnungsfonds“. Zur Einleitung, in: Dieter Bacher – Stefan Karner (Hg.), Zwangsarbeiter in Österreich 1939–1945 und ihr Nachkriegsschicksal. Ergebnisse der Auswertung des Aktenbestandes des „Österreichischen Versöhnungsfonds“. Ein Zwischenbericht. Innsbruck – Wien – Bozen 2013, S. 15–58; Jürgen Strasser, Die Tätigkeit des Österreichischen Versöhnungsfonds – ein Projekt von europäischer Tragweite, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“. Restitution und Entschädigung in Österreich. Die Bilanz der Regierung Schüssel. Innsbruck – Wien – Bozen 2015, S. 123–150; Thonke, Hitlers langer Schatten; zu innenpolitischen Per­ spektiven vgl. Karner – Iber, Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“. 64 http://members.aon.at/djrproductions/pr_de.pdf (6.5.2020). Die sprachlichen Formulierungen wurden von Präsident Klestil aus seiner und Vranitzkys Jerusalemer Reden (1993 und 1994) übernommen.

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nung, Frieden und Zusammenarbeit“, kurz Versöhnungsfonds, der schließlich auch wegen des internationalen Drucks der EU-Sanktionen der Clinton-Regierung und ihres stellvertretenden Finanzministers Stuart E. Eizenstat rasch zu Ergebnissen kam.65 Mit der Gründung des Fonds akzeptierte die Schüssel-Regierung wie nie zuvor ein komplexes Geschichtsbild und machte große Anstrengungen, historisches Unrecht an Opfern des Krieges – etwa Juden oder zivilen Zwangsarbeitern und österreichischen Kriegsgefangenen – durch symbolische Entschuldigungen und materielle Entschädigungen „wiedergutzumachen“.66 Die Arbeit des Versöhnungsfonds endete im Jahr 2005, einem Jahr, das in Österreich auch als mehrfach besetztes nationales Gedenkjahr bzw. „Gedankenjahr“ (1945, 1955, 1995) be-

65 Stuart E. Eizenstat, Imperfect Justice. Looted Assets, Slave Labor, and the Unfinished Business of World War II. New York 2003. Schüssels persönliches Motiv für das rasche Vorantreiben der Restitutionsfragen ist umstritten. Ein Befreiungsschlag vom internationalen Druck auf seine kontroverse Regierungsbildung durch eine Art „Vorwärtsverteidigung“ in Restitutionsfragen und somit mutige Vergangenheitsaufarbeitung war aber sicher auch im Spiel. Vgl. Günter Bischof, „Watschenmann der europäischen Erinnerung“?, S. 457–459. Schüssels damalige Kabinettschefin Ursula Plassnik meinte, dass es Schüssels persönliches Anliegen war, die alte Politik des „Verzögerns und Verschleppens“ in den Restitutionsbemühungen aufzugeben, hatten doch diese Fragen den früheren Außenminister und Vizekanzler immer wieder beschäftigt. Vgl. Ursula Plassnik, Die Zeit war reif. Von den Worten zu den Taten, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“. Restitution und Entschädigung in Österreich. Die Bilanz der Regierung Schüssel. Innsbruck – Wien – Bozen 2015, S. 247–259. Hans Rauscher behauptet dagegen, Schüssel hätte sich das Einvernehmen des Koalitionspartners durch einen „Kuhhandel“ mit der FPÖ erkauft. Die FPÖ verlangte im Gegenzug für die umfangreichen Restitutionszahlungen an Zwangsarbeiter und Juden Pensionsaufbesserungen für „Spätheimkehrer“ aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Jörg Haiders Versuch, auch Entschädigungen an in Österreich lebende vertriebene Sudetendeutsche zu zahlen, verlief im Sande. Vgl. Hans Rauscher, Weniger Sache des Herzens als des Verstandes. Wolfgang Schüssels Motiven-Mix bei der Entschädigung für NS-Opfer, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“. Restitution und Entschädigung in Österreich. Die Bilanz der Regierung Schüssel. Innsbruck – Wien – Bozen 2015, S. 259–268. 66 Martin Eichtinger, Der Versöhnungsfonds. Österreichs Leistungen an ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern des NS-Regimes, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik, 2000, S. 195–200; Hans Winkler, Die völkerrechtlichen Aspekte, in: Dieter Stiefel (Hg.), Politische Ökonomie des Holocaust. Wien 2001, S. 282–287; Ernst Sucharipa, Die Rückkehr der Geschichte, in: Europäische Rundschau, 29/3/2001, S. 71–80; und nun auch die Aufsätze von Ursula Kriebaum, Ursula Plassnik, Maria Schaumayer und Hans Winkler in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und Wiedergutmachung. Restitution und Entschädigung in Österreich. Die Bilanz der Regierung Schüssel. Innsbruck – Wien – Bozen 2015, S. 237–258, S. 247–258, S. 269–271, S. 279–285; Bailer-Galanda – Blimlinger, Vermögensentzug – Rückstellung – Entschädigung, S. 73–74.

Wider das Vergessen

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Abb. 16: Der sogenannte Versöhnungsfonds leistete von 2000 bis 2005 freiwillige Zahlungen an Zwangsarbeiter auf dem Gebiet des heutigen Österreich während der Zeit des Nationalsozialismus. Seine Internetpräsenz bietet einen umfassenden Überblick über seine Geschichte und Tätigkeit. Quelle: versoehnungsfonds.at.

gangen wurde.67 Mit einem Teil der verbliebenen Mittel aus dem Versöhnungsfonds wurde der Zukunftsfonds der Republik Österreich gegründet, der im Jahr 2006 seine Tätigkeit aufnahm. Wie im Rahmen dieser Publikation gezeigt wird, avancierte der Zukunftsfonds in der Nachfolge zu einer wesentlichen öffentlichen Institution, die sich der Vergangenheitsbewältigung zum Zweiten Weltkrieg stellt und heute die komplexe Erinnerung an die Opfer und Täter des Nationalsozialismus prägt.

Wider das Vergessen Mit seiner Arbeit versinnbildlicht der Zukunftsfonds seit inzwischen 15 Jahren unter anderem Österreichs Anstrengungen, mit der Geschichte des Zweiten Weltkrieges ins Reine zu

67 Günter Bischof – Michael S. Maier, Reinventing Tradition and the Politics of History: Schüssel’s Restitution and Commemoration Policies, in: Günter Bischof – Fritz Plasser (Hg.), The Schüssel Era in Austria. Contemporary Austrian Studies. Bd. 18. New Orleans – Innsbruck 2009, S. 206–234, S. 397–416; vgl. auch die Aufsätze von Katharina Wegan, Günter Bischof und Peter Berger im Forum „Memory Boom. The ‘Year of Reflection’ 2005”, in: Günter Bischof – Anton Pelinka – Dagmar Herzog (Hg.), Sexuality in Austria, Contemporary Austrian Studies. Bd. 15. New Brunswick – London 2007, S. 172–237.

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kommen und das Bild von Österreich als dem „Watschenmann der europäischen Erinnerung“68 Lügen zu strafen. Nach dem Motto des „Niemals-Wieder“ werden die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges aufgearbeitet und in die nationale kollektive Erinnerung überführt. Das Motto des Zukunftsfonds könnte aber auch heißen: „Nur jener, der mit seiner Vergangenheit im Reinen ist, hat die Hände frei für die Zukunft.“69 Seit dem Erscheinen des Bandes zum zehnjährigen Jubiläum des Zukunftsfonds70 im Jahr 2015 entstanden weitere Forschungen zu Österreichs Umgang mit seiner Zweite-Weltkrieg-Vergangenheit und seiner Geschichtspolitik. Die vielzitierte Dissertation von Cornelius Lehnguth „Nach Waldheim“ aus dem Jahr 2013 wurde inzwischen von der Heidelberger Dissertation Katrin Hammersteins ergänzt, die die Vergangenheitsbewältigungsdiskurse nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem aber seit den 1980er-Jahren, von der Bundesrepublik Deutschland, der DDR (und nach 1990 Gesamtdeutschland) sowie Österreich vergleicht. 71 Hammerstein stellt fest, dass alle drei Nachfolgestaaten des „Dritten Reiches“ ihre eigenen historischen Erinnerungsdiskurse „erfanden.“ Die BRD konstruierte das Bild vom „dämonischen Führer“, der die Deutschen verführte und viktimisierte. Die DDR betonte den Widerstand der Kommunisten und zog sich darauf zurück, dass die DDR als „antifaschistischer Friedensstaat“ keine Verantwortung für die Verbrechen des Hitler-Staates auf sich nehmen hätte müssen. Die Österreicher ihrerseits konstruierten und verinnerlichten ihr Bild vom „ersten Opfer Hitlers“. Hammerstein fordert das wohlbekannte Diktum des deutschen Soziologen M. Rainer Lepsius heraus, die drei Staaten hätten es verabsäumt, sich mit ihren nationalsozialistischen Vergangenheiten auseinanderzusetzen. Lepsius sprach vereinfachend davon, die Westdeutschen hätten ihre NS-Vergangenheit „internalisiert“, die Ostdeutschen „universalisiert“ und die Österreicher „externalisiert“.72 Hammerstein zeigt die gegenseitigen Abhängigkeiten und verbundenen Erinnerungsströme der drei deutschen Nachfolgestaaten auf und verfeinert damit das krude Bild von Lepsius.73

68 Dan Diner zitiert in: Christian Thonke, „Der Watschenmann der europäischen Erinnerung“, in: Kurier, 22.6.2001. 69 Heidemarie Uhl, Instrumentalisierung der „Vergangenheitspolitik“, in: Lutz Musner – Gottfried Wunberg – Eva Cescutti (Hg.), Gestörte Identitäten? Eine Zwischenbilanz der 2. Republik. Innsbruck 2002, S. 10–26. 70 Bischof – Stelzl-Marx – Kofler, Zukunftsfonds der Republik Österreich. 71 Katrin Hammerstein, Gemeinsame Vergangenheit – getrennte Erinnerung? Der Nationalsozialismus in Gedächtnisdiskursen und Identitätskonstruktionen von Bundesrepublik Deutschland, DDR und Österreich. Göttingen 2017. 72 Hammerstein, Gemeinsame Vergangenheit – getrennte Erinnerung, S. 9, 492–494. 73 Ebd., S. 339ff.

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Abb. 17: Das offizielle Österreich feierte am 27. April 2015 den 70. Jahrestag der Gründung der Zweiten Republik. Im Vordergrund Bundespräsident Heinz Fischer bei der Kranzniederlegung. Quelle: APA/BKA. Foto: Andy Wenzel.

Der Kern von Hammersteins Studie ist der lange „Erinnerungsmarathon“ der 1980erJahre, als das Gedenken der drei Staaten langsam zu konvergieren begannen74 bzw. es auch zu Transfers zwischen den drei Erinnerungskulturen kam. Zusammen mit dem „Diktat der wichtigen Jahresjubiläen“ begann man in den 1980er-Jahren, die gängigen Erinnerungsmythen in allen drei Staaten infrage zu stellen. Eingedenk des Kriegsendes vor 40 Jahren diskutierte man 1985, ob der Mai 1945 eine „Befreiung oder Niederlage“ war.75 Der deutsche Präsident Richard von Weizsäcker hielt damals eine meisterhafte Rede und sprach ganz klar von der Befreiung von der inhumanen nationalsozialistischen Tyrannei.76 Die DDR hingegen feierte den 8. Mai, indem man vom Sieg über den Hitler-Faschismus und der Befreiung des Deutschen Volkes sprach. Die Österreicher wiederum ignorierten den 8. Mai 1945 und stellten sich die wichtige Frage „Befreiung oder Niederlage?“ nicht einmal. In Wien feierte man dagegen den 15. Mai 1955, also den 30. Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrages, als „den wirklichen Tag der Befreiung.“ 74 Ebd., S. 153ff. 75 Ebd., S. 239ff. 76 Die vollständige Rede ist abrufbar unter: https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/ Richard-von-Weizsaecker/Reden/1985/05/19850508_Rede.html (13.5.2020).

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Erst zum 70. Jahrestag der Gründung der Zweiten Republik und Ende des Krieges 2015 sprach Bundespräsident Heinz Fischer ähnlich klare Worte wie von Weizsäcker 20 Jahre zuvor: „Hat es nicht lange Zeit Streit über die Frage gegeben, ob Österreich 1945 tatsächlich befreit wurde oder ob es nicht eher aus der Unfreiheit in Großdeutschland in die Unfreiheit durch die Besatzungsmächte geraten ist? Die klare Antwort lautet wie folgt: Österreich ist 1945 von einer unmenschlichen verbrecherischen Diktatur befreit worden.“77

Opferthesen – Revisited Seit 2015 ist es in der wissenschaftlichen Aufarbeitung auch um die Opferdoktrin nicht still geworden. Heidemarie Uhl, die vielleicht beste Kennerin der Opferdiskurse nach dem Krieg, fasste diese jüngst in einem gelungenen Heft zu Österreich in der Beilage der Wochenschrift „Das Parlament – Aus Politik und Zeitgeschichte“ treffend zusammen.78 Eine Tagung des Grazer Ludwig Boltzmann Institutes für Kriegsfolgenforschung 2013 zur Moskauer Deklaration, deren Papers 2015 veröffentlicht wurden, untersuchte detailliert das Zustandekommen und die Nachkriegsdiskurse zur Moskauer Deklaration, die die Grundlage der Opferdoktrin war.79 Die vielleicht interessanteste neue Entwicklung in diesem Bereich ist die Untersuchung einer jüngeren Generation von Historikern hinsichtlich der doppelten Bedeutung von „Opfer“ auf Englisch, nämlich „victim“ und „sacrifice“.80 Während „victim“ keine „agency“ („Handlungsmacht“) hat, so ist in „sacrifice“ doch konnotiert, dass man der eigenen Entscheidungen und Aktionen Herr ist, moniert die amerikanische Historikerin Cathleen Giustino. Der in der österreichischen Geschichte regelmäßig verwendete Opferbegriff sei nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend auf „victim“ umgedeutet worden, was auch einen Verlust von Handlungsfähigkeit implizierte.81

77 Rede des Bundespräsidenten zum 70. Jahrestag der Gründung der Zweiten Republik im Wortlaut, in: APA OTS, 27.4.2015, https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150427_OTS0059/rede-des-bundespraesidenten-zum-70-jahrestag-der-gruendung-der-zweiten-republik-im-wortlaut (13.5.2020). 78 Uhl, Opferthesen, Revisited, S. 47–54. Dabei geht sie auf die Highlights und Wendepunkte des Opferdiskurses seit dem Zweiten Weltkrieg ein, wie es dieses Kapitel auch macht, siehe hierzu auch Bischof – Stelzl-Marx – Kofler, Zukunftsfonds der Republik Österreich, S. 9–35. 79 Karner – Tschubarian (Hg.), Die Moskauer Deklaration 1943. „Österreich wieder herstellen“. Wien – Köln – Weimar 2015. 80 Unterschiedliche Bedeutungen gibt es aber ebenso im Deutschen, hier werden diese allerdings häufiger übersehen: Opfer werden, Opferwerdung (im Sinne von „victim“) sowie Opfer erbringen und Aufopferung (im Sinne von „sacrifice“). 81 Cathleen Giustino, Behind the Opfermythos: Fascism, Agency, and Accountability in Twentieth-­

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Auch Peter Pirker hat diesen Aspekt aufgegriffen und in Anlehnung an Aleida Assmanns Unterscheidung von viktimologischen und sakrifiziellen Formen des Erinnerns82 das in der Zeitgeschichtsforschung dominante Erklärungsmodell „Opfermythos“ für die österreichische Nationsbildung hinterfragt.83 Er meint, die Bedeutung von Aufopferung – also „sacrifice“ – sei in der Analyse der Opferdiskurse nach dem Krieg viel zu wenig beachtet worden. Schon in der Moskauer Deklaration bezeichneten die Alliierten Österreich nicht nur als Opfer Hitlers („victim“), sondern forderten von den Österreichern mit dem Aufruf zum Widerstand im dritten Absatz auch Opfer zu erbringen (im Sinne von „sacrifice“). Pirker argumentiert, dass abgesehen von der Funktionalität der Opferthese zur Abgrenzung von Deutschland weder die These vom Opferwerden 1938 noch die Aufopferung des Widerstandes im Sinne der Moskauer Deklaration, der Unabhängigkeitserklärung und des „Rot-Weiß-Rot-Buches“ für die nationale Integration ausschlaggebend wurden. Auch die den Wehrmachtssoldaten in der Unabhängigkeitserklärung zugedachte Rolle von Opfern sei in der Veteranengesellschaft kaum auf Resonanz gestoßen. Er begründet dies mit den Theorien von Ernest Renan, Benedict Anderson und Svenja Goltermann, die betonen, dass es bei den Nationsbildungsprozessen seit dem 19. Jahrhundert selten attraktiv gewesen sei, zu einem Opfer geschichtlicher Vorgänge geworden zu sein, als vielmehr ein Opfer für die Nation erbracht zu haben („sacrifices“). In diesem Sinne hätten „sacrifical memory regimes“ in Europa auch nach 1945 zur Etablierung kollektiver Identitäten einen wichtigen Beitrag geleistet.84 Pirker legt weiter dar, in Österreich sei der Streit darüber, wer das „richtige“ Opfer für Österreich zwischen 1934 und 1945 erbracht habe, geschichtspolitisch bis in die 1960er-Jahre prägend gewesen. Die Konfliktlinien verliefen zwischen den (parteinahen) Organisationen der ehemaligen Widerstandskämpfer und zwischen ihnen und den Veteranen der Wehrmacht (Kameradschaftsbund). Bis in die 1960er-Jahre entstand keine auf die Zeit zwischen 1934 und 1945 bezogene „nationale“ Erinnerungskultur. Erst Mitte der 1960er-Jahre, so Pirker, seien Century Austria, in: Marc Landry – Patrick Kupper (Hg.), An Environmental History of Austria. Contemporary Austrian Studies. Bd. 27. New Orleans – Innsbruck 2018, S. 293-297. 82 Aleida Assmann, Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. München 2006, S. 76. 83 Vgl. hierzu Peter Pirker, Erbrachte Opfer. Das Heldendenkmal als Symbol der postnationalsozialistischen Demokratie in Österreich, in: Heidemarie Uhl – Richard Hufschmied – Dieter Binder (Hg.), Gedächtnisort der Republik. Das Österreichische Heldendenkmal im Äußeren Burgtor der Wiener Hofburg. Geschichte – Kontroversen – Perspektiven (erscheint 2020); Peter Pirker, The Victim Myth Revisited: The Politics of History in Austria up until the Waldheim Afffair, in: Günter Bischof – Marc Landry – Christian Karner (Hg.), Myths in Austrian History: Construction and Deconstruction. New Orleans – Innsbruck 2020, S. 153–174. 84 Pirker, The Victim Myth Revisited, S. 155–156.

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Abb. 18: Eröffnung des Denkmals für die Opfer der NS-Militärjustiz am 24. Oktober 2014 am Wiener Ballhausplatz. Quelle: Peter Pirker. Foto: Georg Hochmuth.

diese Konflikte durch die Bundesregierung von oben befriedet und verschiedene Formen der Aufopferung – jene im Widerstand und jene der Pflichterfüllung in der Wehrmacht – unter Einbezug der Wiederaufbauleistung bis 1955 anerkannt und verklammert worden. Der ideologische Horizont dafür sei die Aufopferungsleistung und nicht das Opferwerden gewesen. Als Beispiel führt Pirker die Ausgestaltung des „Österreichischen Heldendenkmals“ an. Aus seiner Sicht gewann Kurt Waldheim 1986 die Bundespräsidentschaftswahl, weil er diese sakrifizielle Erinnerungsordnung repräsentierte. Erst zur Verteidigung gegen Kritik von außen wurde die ursprüngliche Opferthese, das Opferwerden Österreichs 1938, 1986 bis 1988 wieder „aufgetaut“ und geriet in den Fokus der Kritik. Diese äußerte sich vor allem in einer Entmystifizierung der Staatsgründungsdokumente und führte zum Erklärungsmodell des Opfermythos. Ein Kritikpunkt Pirkers bezieht sich darauf, dass die Kritiker der Opferthese deren Bedeutung zu sehr auf die Gesellschaft übertragen hätten und das gesellschaftliche Bedürfnis nach Anerkennung von Aufopferungsleistungen zu wenig beachtet hätten. Als eine Ursache nennt er die Rückprojektion geänderter Opferidentitäten auf die unmittelbaren Nachkriegsjahre, etwa wenn an der Opferdoktrin von 1945 kritisiert werde, dass sie gruppenspezifische Opferidentitäten nicht angeführt habe, welche jedoch erst in den 1970er-Jahren gesellschaftlich stärker artikuliert worden seien, etwa durch das Entstehen des Holocaust-

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gedächtnisses oder durch das Ende der staatlichen Diskriminierung der Homosexuellen. Laut Pirker habe die Artikulation des neuen gruppenspezifischen Opfergedächtnisses die nationale Opferthese ebenso ausgehebelt wie den „Aufopferungsmythos“ und dazu geführt, dass die bisher „vergessenen“ Opfer – die Juden, die Roma und Sinti, die Behinderten und Kranken, die Homosexuellen, die Kärntner Slowenen, die als „asozial“ Verfolgten, die Wehrmachtsdeserteure – sukzessive anerkannt werden mussten. Giustino und Pirker ermöglichen also, mit dem Sezieren der Bedeutungen des Opferbegriffes dem langen Nachkriegsdiskurs zur Opferdoktrin eine neue Richtung zu geben.85 Zur Zeit der ÖVP-FPÖ-Regierung von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache (2017 bis 2019) bahnte sich eine neue, gegen Flüchtlinge und Immigranten gerichtete Erinnerungspolitik an. In diesem von der FPÖ forcierten Diskurs wurde Österreich und wurden die Österreicher erneut als „Opfer“ dargestellt, die Schutz vor den ungezügelten Strömen von Flüchtlingen und Einwanderern – einer wahrhaftigen Fremdeninvasion – brauchten. Dieser neue Opfermythos wurden von den konservativen Rechten in ihrer Geschichtspolitik instrumentalisiert.86 Es hat Tradition, dass die „Österreicher als Opfer“ in historischen Diskursen immer wieder bemüht werden, seien es die vielen Kriegsopfer nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, seien es die zahlreichen Opfer des Nationalsozialismus, die Bombenopfer des Zweiten Weltkrieges oder eben die Österreicher als „Opfer der jüngsten Flüchtlingsinvasion“.87 Mit diesen Rückzugsgefechten in den Opferstatus gaben die Österreicher auch immer wieder ihre Handlungsmacht als historische Subjekte auf, es kam einer Art „Selbstinfantilisierung“ gleich, wie es Ernst Hanisch einmal etwas drastisch ausdrückte.88

85 Pirker, The Victim Myth Revisited, S. 153–174. 86 Strache erwägt Ausgangssperre für Flüchtlinge, Süddeutsche Zeitung, 5.1.2018, https://www.sueddeutsche.de/politik/oesterreich-strache-erwaegt-ausgangssperre-fuer-fluechtlinge-1.3815105 (15.6.2020); zur Flüchtlingskrise 2015, die in der ÖVP-FPÖ-Regierung von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache so negative Reaktionen hervorrief, vgl. Andreas Th. Müller – Andreas Oberprantacher, Austria Bordering Europe. Blocking and Brokering Routes Amid a Manifold Crisis, in: Günter Bischof – Dirk Rupnow (Hg.), Migration in Austria. Contemporary Austrian Studies. Bd. 26. New Orleans – Innsbruck 2017, S. 217–242. 87 Vgl. die Aufsätze von Ke-Chin Hsia, Matthew Berg, Nicole Goll und Cathleen Giustino unter dem Kapitel FORUM: Austrians as Victims? Victimhood Discourses and Practices in the Age of World Wars, in: Marc Landry – Patrick Kupper (Hg.), An Environmental History of Austria. Contemporary Austrian Studies. Bd. 27. New Orleans – Innsbruck 2018, S. 241–299. 88 Ernst Hanisch, Gab es einen spezifisch österreichischen Widerstand?, in: Zeitgeschichte, 12/1984– 85), S. 340.

Geschichtspolitik in Österreich

Mit Texten von:

Wilhelm Brauneder Thomas R. Grischany Gerhard Hartmann Lothar Höbelt Raphael Israeli Johannes Kalwoda Stefan Karner Mordechai Kedar

Anton Karl Mally Laila Katharina Mirzo Reinhard Olt Erwin A. Schmidl Kurt Scholz Hubert Speckner Mario Strigl Michael Wladika

Analysen und Materialien zur Geschichte des Dritten Lagers und der FPÖ

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BERICHT DER

HISTORIKERKOMMISSION

BERICHT DER

ISBN 978-3-902720-28-3

HISTORIKERKOMMISSION

Analysen und Materialien zur Geschichte des Dritten Lagers und der FPÖ

Abb. 19: Deckblatt des 2019 erschienenen „Berichts der Historikerkommission, Analysen und ­Materialien zur Geschichte des Dritten Lagers und der FPÖ“. Quelle: FPÖ.

Die FPÖ legte 2019 einen umfangreichen 666-seitigen Bericht über ihre Vergangenheit vor,89 wobei dieser kaum auf die personellen Verbindungen des Verbands der Unabhängigen (VdU) bzw. der Nachfolgepartei FPÖ zum Nationalsozialismus eingeht. Andreas Mölzer verkündet in seinem Schlusswort vollmundig „dass [man] mit Fug und Recht sagen kann, dass sie keinesfalls eine NS-Nachfolgepartei ist“90. Der Wiener Rechtswissenschafter Wilhelm Brauneder, der das Forscherteam der FPÖ-Historikerkommission, dem unter anderem auch Kurt Scholz und Stefan Karner angehörten, leitete, steuerte am Anfang des Berichts einen Beitrag zur „Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Österreich“ bei.91 Brauneder geht das Thema von einer rein juristischen Ebene an, was den Text spröde macht. Er berichtet über die Verbots- und Kriegs-

89 Bericht der Historikerkommission, Analysen und Materialien zur Geschichte des Dritten Lagers und der FPÖ. Wien 2019. Online abrufbar unter https://www.fpoe.at/fileadmin/user_upload/www.fpoe. at/dokumente/2019/PDFs/Buch-Historikerkommission-Web.pdf (6.5.2020). 90 Andreas Mölzer, Der eigenen Geschichte illusionslos ins Auge sehen, in: Bericht der Historikerkommission, FPÖ, S. 665. 91 Wilhelm Brauneder, Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Österreich, in: Bericht der Historikerkommission, FPÖ, S. 25–37.

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Abb. 20: Das „Waldheim-Pferd“ im Haus der Geschichte Österreichs in Wien. Foto: Günter Bischof.

verbrechergesetze, die Entnazifizierung inklusive der Volksgerichte, die Rückstellungs- und Opferfürsorgegesetze sowie den Nationalfonds von 1995 und den Versöhnungsfonds von 2000, aus dem der Zukunftsfonds hervorgegangen ist. Am Ende seines Beitrages spricht Brauneder von „Haltungsänderungen“ und meint damit den Übergang von der Opferdoktrin zur moralischen Mitverantwortung. Wie Heidemarie Uhl zu Recht vorwirft, ignoriert Brauneder, der sich selbst gerne zitiert, größtenteils die relevante zeitgeschichtliche Forschung dazu.92 In den vergangenen Jahren wurden zwei neue Museen zur jüngsten österreichischen Geschichte eröffnet: das „Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich“ (HGNÖ) in St. Pölten und das „Haus der Geschichte Österreichs“ (hdgö) in der neuen Hofburg in ­Wien.93 Im hdgö in Wien kommt die Opferdoktrin vor allem im Rahmen der „Geschichts92 Kritik am FPÖ-Historikerbericht, Kurier, 24.12.2019, https://kurier.at/politik/inland/kritik-an-fpoe-historikerbericht/400711800 (28.3.2020). 93 Der Sammelband „Haus? Geschichte? Österreich?“ von 2016 kann als ein „Zeitzeuge“ für den Entstehungsprozess der beiden Häuser der Geschichte angesehen werden. Er versammelt die Beiträge

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Geschichtspolitik in Österreich

politik“ der Republik Österreich vor, wobei etwa nicht von der Moskauer Deklaration vom 30. Oktober 1943 als einem Gründungsdokument die Rede ist. Sinnbild für die Durchsetzung der Opferdoktrin ist hier ein Entwurf zum Staatsvertrag 1955 des österreichischen Diplomaten Franz Matscher, in dem die „Schuldklausel“ Österreichs noch nicht gelöscht worden war: „[…] daß Österreich sich einer gewissen Verantwortlichkeit, die sich aus dieser Teilnahme am Kriege ergibt, nicht entziehen kann“94. Als Symbol für das „Auslaufen“ der Opferdoktrin in Österreich wählte das hdgö das als trojanisches Pferd konzipierte sogenannte „Waldheim-Pferd“, in dessen Inneren gleichsam die NS-Vergangenheit verborgen ist.95 Das berühmte Pferd des „Republikanischen Clubs – neues Österreich“, das vom Bildhauer Alfred Hrdlicka entworfen wurde, spielt mit dem bekannten Ausspruch des damaligen Bundeskanzlers Fred Sinowatz auf Kurt Waldheims Leugnung seiner SA-Vergangenheit 1986 an: „Ich stelle fest, dass Kurt Waldheim nie ein Mitglied der SA war, sondern nur sein Pferd“.96 Das hdgö versucht zudem im Rahmen digitaler Ausstellungen zentrale Themen der österreichischen Zeitgeschichte anzusprechen. Für das Jahr 2020 ist das vor allem das 75-jährige Jubiläum zum Kriegsende 1945. In der virtuellen Ausstellung „Zwischen den Zeiten: Frühling und Sommer 1945 in Fotos“ illustrieren etwa Bilder vom Kriegsende den eige-

einer Enquete des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung in Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und deren Institut für Neuzeit und Zeitgeschichtsforschung vom 12. Oktober 2015. Die Autoren widmen sich darin sowohl der Vorgeschichte als auch Grundsatzfragen wie etwa, ob Österreich ein derartiges Museum tatsächlich „braucht“, wie es sich in der Museumslandschaft Österreichs positionieren könnte oder wie es inhaltlich und museumsdidaktisch gestaltet werden könnte. Vgl. Thomas Winkelbauer (Hg.), Haus? Geschichte? Österreich? Ergebnisse einer Enquete über das neue historische Museum in Wien. Wien 2016. 94 Zur Entwicklung des österreichischen Staatsvertrags siehe ausführlich Gerald Stourzh, Um Einheit und Freiheit. Staatsvertrag, Neutralität und das Ende der Ost-West-Besetzung Österreichs 1945– 1955. 5., durchges. Auflage, Wien – Köln – Graz 2005. Vgl. auf S. 683f. auch die Fassung des Staatsvertrags von 1947, Präambel, 3. Punkt: „daß nach dieser Annexion Österreich als integrierender Teil Hitler-Deutschlands am Kriege gegen die Alliierten und Assoziierten und gegen andere Vereinte Nationen teilnahm und daß Deutschland sich zu diesem Zwecke österreichischen Gebietes, österreichischer Truppen und materieller Hilfsquellen bediente, und daß Österreich eine Verantwortlichkeit, die sich aus dieser Teilnahme am Kriege ergibt, nicht vermeiden kann […]“. 95 Wir danken Monika Sommer, der Direktorin des hdgö, für die Zurverfügungstellung des Bildmaterials zu Opferdoktrin und Geschichtspolitik. 96 Zur Entstehungsgeschichte des Waldheim-Pferds siehe unter anderem „Die Geschichte des Waldheim-Holzpferdes“ auf der Webseite des Republikanischen Clubs – Neues Österreich, http://www. repclub.at/wp-content/uploads/KurztextWaldheim-Holzpferd.pdf (19.5.2020).

Opferthesen – Revisited

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Abb. 21: Außenfassade des Hauses der Geschichte Österreichs in Wien. Quelle: hdgö.

nen – öster­reichischen – Opferstatus.97 Aber nicht nur das hdgö, sondern auch zahlreiche weitere österreichische Institutionen nahmen das Kriegsende zum Anlass, Fotostrecken im World Wide Web zu präsentieren. Beispielhaft seien hier die Web-Ausstellungen „75 Jahre Zweite Republik und das Ende des Zweiten Weltkriegs“ der österreichischen Mediathek sowie „Kriegsende Tirol/Südtirol 1945“ des Instituts für Zeitgeschichte Universität Innsbruck genannt.98 Im Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich in St. Pölten kommen Opferdok­ trin und Erinnerungspolitik durchgehend in den verschiedenen Ausstellungsbereichen vor.99 Auch hier werden nicht die zwei Grunddokumente ausgestellt, auf denen die Opferthese aufbaut – die Moskauer Deklaration der Alliierten vom 30. Oktober 1943 und die Regierungserklärung der Provisorischen Regierung Renner vom 27. April 1945, die ganze Teile der 97 https://www.hdgoe.at/zwischen_den_zeiten_1945 (18.5.2020). 98 https://www.mediathek.at/akustische-chronik/1945-1955/1945-kriegsende-und-beginn-der-2-republik/ und https://www.uibk.ac.at/zeitgeschichte/kriegsende-1945/ (beide 18.5.2020). 99 Wir danken Christian Rapp, dem Direktor des HGNÖ, für die Zurverfügungstellung des Bildmaterials zu Opferdoktrin und Geschichtspolitik.

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Geschichtspolitik in Österreich

Abb. 22: Außenfassade des Museums Niederösterreich. Quelle: HGNÖ. Foto: Klaus Engelmayr.

Moskauer Erklärung übernimmt.100 Dafür wird aber das „Rot-Weiß-Rot-Buch“ von 1946 gezeigt, das neben der Moskauer Erklärung und Renners Regierungserklärung als drittes Gründungsdokument der Zweiten Republik angesehen werden kann. Als Dokumentation des österreichischen Widerstandes gegen das Hitler-Regime sollte es Österreichs „Beitrag zu seiner eigenen Befreiung“ darstellen, wie dies von den Alliierten in der Moskauer Erklärung gefordert worden war. Die österreichische Beteiligung an den NS-Verbrechen wurde darin ausgeblendet. Daneben geht das HGNÖ auch auf die Entnazifizierung ein, ein wichtiger Aspekt beim Wiederaufbau der Demokratie im Nachkriegsösterreich. Zu diesem Themenkomplex gehört etwa die antifaschistische Ausstellung „Niemals Vergessen“, die 1946 im Wiener Künstlerhaus gezeigt wurde, ebenfalls den Holocaust zum Inhalt hatte und auf großes öffentliches Interesse stieß. Im HGNÖ gibt es dazu gleich vier Ausstellungsstücke: den Begleitband zur Ausstellung, eine Einladung, eine Eintrittskarte, und eine Sonderbriefmarkenserie. Diese berühmte „Schau mit dem Hammer“ deutet darauf hin, dass es unmittelbar nach dem Krieg 100 Ein Original der Unabhängigkeitserklärung ist jedoch online zu finden unter https://hdgoe.at/unabhaengigkeitserklaerung (11.5.2020).

Erinnerungskultur in veränderten Zeiten

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noch einen offeneren Umgang mit Österreichs Zweite-Weltkrieg-Vergangenheit gab. Ein Jahr nach dem Krieg betonte man auch noch die Tätergeschichte der Österreicher und nicht wie später die Opfergeschichte. Hinweise auf den Opfermythos im HGNÖ enden – wie im hdgö – mit der Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten 1986 und mit einem Bild von Alfred Hrdlickas „Waldheim-Pferd“. Interessant in diesem Zusammenhang ist aber auch der „Medienkoffer Österreichische Zeitgeschichte“ vom ORF aus den Jahren 1980/1983, der die öffentliche Ausei­ nandersetzung mit der NS-Vergangenheit in die Schulen gebracht und dazu beigetragen hatte, dass der Opfermythos zunehmend infrage gestellt wurde.

Erinnerungskultur in ver änderten Zeiten Der Zukunftsfonds selbst förderte nicht nur seit seiner Gründung, sondern auch in den ­letzten fünf Jahren eine große Zahl von Projekten, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Gedenken an ihn auseinandersetzen. Projekte zum KZ Mauthausen und seinen zahlreichen Nebenlagern – seien es nun Filme, Ausstellungen oder Erinnerungsfeiern – erlebten einen Boom. Reisen von Schülern, Jugendlichen und Interessierten nach Mauthausen und Auschwitz, Maly Trostinec (wo viele Wiener Juden kaltblütig ermordet wurden) bzw. Engerau (wo ungarische Juden am Kriegsende ermordet wurden) wurden organisiert. Auch mediale Arbeit wurde geleistet, so förderte der Zukunftsfonds etwa Filme zu Außenlagern des KZ Dachau im Tiroler Stubaital. Die Bemühungen um eine nachhaltige Erinnerungskultur fruchteten auf vielen Ebenen. So gab die österreichische Bundesregierung im Mai 2020 bekannt, das sich zum 75. Mal wiederholende Kriegsende zum Anlass zu nehmen, das Gelände des zum ehemaligen Konzentrationslagerkomplex Mauthausen zugehörigen KZs Gusen kaufen zu wollen. „Der Ankauf der noch vorhandenen Teile des Außenlagers Gusen ist gerade heuer, 75 Jahre nach der Befreiung, ein wichtiger Schritt, um unserer historischen Verantwortung auch konkrete Taten folgen zu lassen“101, so Bundeskanzler Sebastian Kurz. Das ehemalige Konzentrationslager Gusen ist bis heute weitaus weniger bekannt als die nur wenige Kilometer entfernte Gedenkstätte Mauthausen, obgleich dort während des NS-Regimes etwa 35.000 Menschen ermordet worden waren.102 101 N. N., Republik kauft ehemaliges KZ Gusen, in: OOe Orf.at, 8.5.2020, https://ooe.orf.at/stories/3047783/ (12.5.2020). 102 Zum ehemaligen Konzentrationslager Gusen siehe etwa Bertrand Perz, Gusen I und II, in: Wolfgang Benz – Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Bd. 4: Flossenbürg, Mauthausen, Ravensbrück. München 2006, S. 293–346;

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Geschichtspolitik in Österreich

Abb. 23: Das vom Mauthausen Komitee initiierte „Fest der Freude“ findet seit 2013 jährlich am Wiener Heldenplatz statt. Quelle: Mauthausen Komitee Österreich. Foto: Philipp.

Ein weiteres Zeichen, dass die Erinnerungskultur mittlerweile einen wichtigen Platz im öffentlichen Leben eingenommen hat, lieferte der Mai 2020. Anlässlich 75 Jahre Befreiung waren im Vorfeld zahlreiche Veranstaltungen geplant und finanziert worden – auch der Zukunftsfonds trat hier als Förderer in Erscheinung. Die sogenannte Corona-Pandemie machte den Feierlichkeiten jedoch einen Strich durch die Rechnung. Konnte noch 2019 das seit 2013 jährlich vom Mauthausen Komitee initiierte „Fest der Freude“ am Wiener Heldenplatz unter Beteiligung von etwa 15.000 Menschen gefeiert werden, musste es dieses Jahr in den digitalen Raum verschoben werden. So konnten am 8. Mai 2020 die Österreicher via Livestream und Liveübertragung im Fernsehen etwa die Rede der Zeitzeugin Erika Kosnar verfolgen und der Musik der Wiener Symphoniker lauschen.103 Der Zukunftsfonds unterstützte die notwendig gewordene Verschiebung ins Virtuelle und ermöglichte somit auch diese Form der Vermittlung.104

Christian Dürr – Ralf Lechner – Stefan Wolfinger, Konzentrationslager Gusen 1939–1945: Spuren – Fragmente – Rekonstruktionen. Broschüre zur Ausstellung im Besucherzentrum Gusen. 2006 sowie online https://www.mauthausen-memorial.org/de/Gusen (12.6.2020). 103 Vgl. https://www.festderfreude.at/de (12.5.2020). 104 Vgl. P20-3818 – „Virtuelles“ Fest der Freude 2020 (8. Mai), http://www.zukunftsfonds-austria.at/ projektinfo.php?pcode=P20-3818 (12.5.2020).

Entstehung und Entwicklung des Zukunftsfonds Der Zukunftsfonds der Republik Österreich entstand aus einem Teil der Restmittel des „Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit“, der im Jahr 2000 unter der damals neu gebildeten ÖVP-FPÖ-Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ins Leben gerufen worden war. Das Ziel des sogenannten Versöhnungsfonds bestand in der Auszahlung von „Entschädigungen“ an ehemalige NS-Zwangsarbeiter auf österreichischem Gebiet. Die Zwangsarbeiterfrage war im Zuge amerikanischer Sammelklagen gegen deutsche Betriebe ab dem Jahr 1996 sukzessive politisch und medial virulent geworden. Zuerst noch als eine Angelegenheit jener Unternehmen betrachtet, die während des NS-Regimes von der Zwangsarbeit profitiert hatten, konnte sich schließlich auch Österreich dem Thema nicht mehr entziehen.1 Dass sich im Jahr 2000 ausgerechnet jene Regierungskoalition dieser Frage annahm, an der die rechtspopulistische FPÖ unter Jörg Haider beteiligt war, verwunderte zunächst. Gerade dieser Umstand sollte jedoch in der Öffentlichkeit das Bild einer geschlossenen und einheitlichen Regierung erzeugen, während die Entschädigungszahlungen in der Bevölkerung mitunter auch als aufoktroyiert empfunden wurden.2 Die rasche Umsetzung der Zwangsarbeiterentschädigungen wird mitunter im Zusammenhang mit dem damaligen Boykott der EU-14 gesehen.3 Allerdings zeigen bereits die zeitlich davorliegenden Bemühungen der österreichischen Politik sowie die internationalen Vorgänge, dass die Zeit für eine Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter reif war und nicht mehr aufgeschoben werden konnte. Auf diese Frage hin angesprochen, betonte Wolfgang Schüssel, die Entscheidung für die Zwangsarbeiterentschädigung sei unabhängig von den Sanktionen gegenüber Österreich gefällt worden: „Die drängenden Fragen der geschichtlichen Aufarbeitung und der Versöhnungsgesten waren von mir als damaligem Außenminister bereits im Jahr 1999 in den Koalitionsvertrag mit der SPÖ eingebracht worden und wurden vom damaligen SPÖ-Vorsitzenden Bundeskanzler Viktor Klima bereitwillig angenommen. Im späteren Koalitionsvertrag mit der FPÖ wurde dieser Text dann auch wortident übernommen und stand auch hier völlig außer Streit. Da diese 1 Strasser, Die Tätigkeit des Österreichischen Versöhnungsfonds, S. 127. 2 Ebd., S. 129. 3 Hans Rauscher, Weniger Sache des Herzens als des Verstandes. Wolfgang Schüssels Motiven-Mix bei der Entschädigung für NS-Opfer, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“, S. 259–269, hier: S. 265.

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Entstehung und Entwicklung des Zukunftsfonds

Entscheidungen allesamt vor der damaligen Regierungsbildung getroffen wurden, stehen diese in keinerlei Zusammenhang mit den späteren Sanktionen, wie manchmal behauptet wird. Vielmehr geschah dies aus Überzeugung und auch aus den Beobachtungen der Vorgänge in der Schweiz und in Deutschland. Die dortigen Schwierigkeiten in der Vorgehensweise haben eindeutig gezeigt, dass eine proaktive Haltung in diesen Fragen angebracht ist. Und das hat sich letztlich im Falle Österreichs auch bewährt. Eine rasche Abwicklung war allein deshalb schon notwendig, weil viele der Opfer zu diesem Zeitpunkt schon sehr alt waren. Unsere damalige Vorgehensweise war schließlich absolut sinnvoll und der einzig mögliche Weg.“4 In seiner Regierungserklärung vom 9. Februar 2000 stellte der damalige Bundeskanzler daher bereits eine zügige Regelung in Aussicht: „Wenn wir über die Zukunft der Jugend reden, dann müssen wir ihr auch etwas ganz Wesentliches mit auf den Weg geben: das Wissen um die Geschichte dieses Landes. Österreichs NS-Vergangenheit erfordert eine besonders wache und kritische Auseinandersetzung und die notwendige Sensibilität für die Strukturen und Mechanismen des nationalsozialistischen Unrechtssystems. Dieses Wissen und diese Sensibilität müssen wir den künftigen Generationen als Mahnung für die Zukunft weitergeben. Einige wichtige Schritte wurden in den letzten Jahren bereits gesetzt. Jetzt geht es darum, dass die Bundesregierung im Lichte des Zwischenberichtes der Österreichischen Historikerkommission die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter unter Berücksichtigung der Verantwortung der betroffenen Unternehmen rasch entschädigt. Die neue Bundesregierung wird darauf drängen, dass die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter so schnell wie möglich zu ihrem Recht kommen. Die Bundesregierung wird sich auch für eine Lösung der übrigen noch offenen Fragen in diesem Zusammenhang einsetzen. Zwar werden erst nach Vorliegen des Endberichts der Historikerkommission alle Fakten darüber auf dem Tisch liegen, wie diese Republik nach dem Krieg mit den von den Nazis geraubten Vermögenswerten umgegangen ist und inwieweit die gesetzten Maßnahmen ausreichend waren. Im Interesse der noch lebenden Opfer werden wir aber vor allem jenen Überlebenden des Holocaust, die von den bisherigen Maßnahmen nicht oder nur ungenügend erfasst waren und heute in schwierigen finanziellen Verhältnissen leben, rasch entsprechende Hilfe zukommen lassen.“5

4 AdBIK, Interview Wolfgang Schüssel, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 11.5.2015. Die im Folgenden zitierten Interviews sind im Archiv des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung, Graz – Wien – Raabs, archiviert. 5 „Wir stehen vor echten Herausforderungen“, Regierungserklärung von Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel am 9.2.2000, www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2000/PK0057/index.shtml (19.5.2020).

Entstehung und Entwicklung des Zukunftsfonds

P. b. b. Verlagspostamt 1030 Wien

WoGZ 213U

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BUNDESGESETZBLATT FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

Jahrgang 2000

Ausgegeben am 8. August 2000

Teil I

74. Bundesgesetz: Versöhnungsfonds-Gesetz (NR: GP XXI IA 180/A AB 255 S. 34. BR: AB 6170 S. 667.)

74. Bundesgesetz über den Fonds für freiwillige Leistungen der Republik Österreich an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes (Versöhnungsfonds-Gesetz) Der Nationalrat hat beschlossen: § 1. (1) Mit diesem Bundesgesetz wird ein Fonds zur Erbringung von Leistungen an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich eingerichtet. Er trägt die Bezeichnung „Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit (Versöhnungsfonds)“. Der Fonds hat seinen Sitz in Wien. (2) Der Fonds hat zum Ziel, durch eine freiwillige Geste der Republik Österreich gegenüber natürlichen Personen, die durch das nationalsozialistische Regime zu Sklaven- oder Zwangsarbeit auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich gezwungen wurden, einen Beitrag zu Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit zu leisten. (3) Der Fonds ist eine Einrichtung der Republik Österreich, unterliegt österreichischem Recht, besitzt eigene Rechtspersönlichkeit und dient ausschließlich gemeinnützigen Zwecken. § 2. (1) Der Fonds erbringt einmalige Geldleistungen an natürliche Personen, die vom nationalsozialistischen Regime 1. zwangsweise oder unter Vortäuschung falscher Tatsachen zur Arbeit in das Gebiet der heutigen Republik Österreich verbracht wurden oder nach freiwilligem Aufenthalt auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich an einer Heimkehr gehindert wurden, hier zur Arbeit gezwungen wurden, besonders schlechten Lebensbedingungen unterworfen waren und entweder a) haftmäßig untergebracht oder sonst einer wesentlichen Freiheitsbeschränkung unterworfen waren oder b) in ihren persönlichen Rechten eingeschränkt oder besonders strengen Disziplinärmaßnahmen unterworfen waren (Zwangsarbeiter bzw. Zwangsarbeit); oder 2. während einer Inhaftierung in einem auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich gelegenen Konzentrationslager oder in einer einem solchen Lager gleichzuhaltenden Haftstätte unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden (Sklavenarbeiter bzw. Sklavenarbeit); oder 3. unter den im Einleitungssatz der Z 1 genannten Voraussetzungen durch die Arbeit eine nachweislich schwere oder nachhaltige physische oder psychische Schädigung erlitten haben (besondere Härtefälle); oder 4. als Kinder oder Minderjährige vor Vollendung des 12. Lebensjahres zusammen mit einem oder beiden Elternteilen (Z 1 bis Z 3) in das Gebiet der heutigen Republik Österreich verbracht oder während des Zwangsarbeitseinsatzes der Mutter hier geboren wurden. (2) Der Fonds erbringt weiters einmalige Geldleistungen an natürliche Personen, die vom nationalsozialistischen Regime ohne die Bedingung des Einleitungssatzes des Abs. 1 Z 1 zu erfüllen, aus politischen Gründen, aus Gründen der Abstammung, Religion, Nationalität, sexuellen Orientierung, auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung, auf Grund des Vorwurfes der so genannten Asozialität oder im Zusammenhang mit medizinischen Experimenten auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich unter Bedingungen arbeiten mussten, die jenen des Abs. 1 Z 1 lit. a oder b gleichkamen. (3) An ehemalige Kriegsgefangene werden Leistungen nicht erbracht. 6

I 100

Abb. 24: Auszug aus dem Versöhnungsfonds-Gesetz vom 8. August 2000. Quelle: Rechtsinformationssystem des Bundes.

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Entstehung und Entwicklung des Zukunftsfonds

Zwangsarbeiterentschädigung durch den „Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit“ Die Gründung des „Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit“ erfolgte nach dem Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes am 27. November 2000 und war ein spätes Zeichen der Versöhnung gegenüber den ehemaligen NS-Zwangsarbeitern. Die ehemalige Präsidentin der Nationalbank, Maria Schaumayer (1931–2013), war von der Regierung beauftragt worden, die Verhandlungsgespräche zu führen.6 Da sie im Unterschied zur Vorgehensweise in Deutschland darauf bestand, die Frage der Entschädigung der Zwangsarbeiter getrennt von anderen Entschädigungs- und Restitutionsfragen zu behandeln, schuf sie die Basis für eine unkomplizierte und rasche Abwicklung: „Selbstverständlich wusste ich, dass die Menschen, für die ich mich mit einer rasch gebildeten kleinen, aber sehr ambitionierten Task-Force bemühen wollte, betagt waren und wir daher nicht säumig werden durften. […] Bei unseren Arbeiten für das Versöhnungsfonds-Gesetz folgten wir dem Auftrag der Bundesregierung und dem Wunsch der Opferorganisationen, möglichst niemanden zu vergessen und den unterschiedlichen Leiden auch in würdiger Form differenziert gerecht zu werden. Aus diesem Wissen und Bemühen ergaben sich Unterschiede zwischen der österreichischen und der deutschen Regelung, die nicht zum Nachteil der Opfer gerieten. […] Der Vorteil der österreichischen Methode, Menschenschicksale und Vermögensfragen getrennt zu behandeln, zeigte sich im Verhandlungstempo, weil es ohne Anwälte und deren materielle Überlegungen rascher voranging. Die Opferorganisationen aus den osteuropäischen Herkunftsländern der Zwangs- und Sklavenarbeiter wussten es sehr zu schätzen, dass sie nicht von feilschenden Anwälten verdrängt wurden.“7 Gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit, am 30. April 2000, gab Schaumayer in einer „ORF-Pressestunde“ eine Erklärung ab, mit der sie alle Beteiligten überraschte.8 Sie verkündete, für die Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter werde ein Finanzvolumen von sechs Milliarden Schilling nötig sein, das sich Staat und betroffene Firmen teilen sollten. Die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer Österreich gründeten daraufhin die „Plattform 6 Der damalige Direktor der Diplomatischen Akademie, Botschafter Ernst Sucharipa, wurde neben Maria Schaumayer im Mai 2000 zum Sonderbotschafter für Restitutionsfragen bestellt. Siehe dazu: Ursula Kriebaum, Die österreichischen Holocaust Restitutionsverhandlungen 2000/2001 aus Sicht eines Mitglieds des Verhandlungsteams von Botschafter Dr. Ernst Sucharipa, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“, S. 237–247. 7 Maria Schaumayer, Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“, S. 269–271, hier: S. 269. 8 Martin Eichtinger, Meine Tätigkeit im Büro der Regierungsbeauftragten Schaumayer, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“, S. 195–205, hier: S. 198.

Zwangsarbeiterentschädigung durch den „Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit“ 55

Abb. 25: Im Auftrag der österreichischen Regierung verhandelte Maria Schaumayer mit Stuart E. ­Eizenstat über die Entschädigungs- und Restitutionsfragen. Quelle: Hopi-Media. Foto: Bernhard J. Holzner.

humanitäre Aktion“, um im Zuge einer Solidaraktion die Gelder aufzubringen. Christoph Kainz (1960–2018), ehemaliger Geschäftsführer der Plattform und langjähriges Kuratoriumsmitglied des Zukunftsfonds von 2006 bis zu seinem Tod 2018, schildert die damalige Situation aus wirtschaftlicher Sicht: „Man macht sich heute kaum noch eine Vorstellung davon, wie das damals war, als der Rechtsanwalt Ed Fagan durch Wien gelaufen ist, und Firmen und Politiker gegeneinander aufgebracht hat. Da wurde Firmen gedroht, Geschäfte zu verlieren oder sie bei internationalen Gelegenheiten herabzustufen oder sie vorzuführen. Ich war damals Ansprechpartner dieser Firmen und habe sehr viele Gespräche geführt. Es war auch durchaus nicht einfach, im Namen der Republik Firmen um Geld zu bitten. Aber es gab eine Vielzahl unterschiedlicher Beweggründe bei den Firmen und viele haben aus einer menschlichen und moralischen Erwägung heraus mitgemacht. Und alle haben gewusst, Maria Schaumayer wird das richtig machen. Und so war es dann auch.“9

9 AdBIK, Interview Christoph Kainz, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 10.3.2015.

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Entstehung und Entwicklung des Zukunftsfonds

Die Mittel für die Dotierung des Versöhnungsfonds wurden schließlich vom Bund, den Bundesländern und der Wirtschaft aufgebracht. Der von Maria Schaumayer veranschlagte Gesamtbetrag beruhte auf einer Schätzung, die sich auf ein „briefing book“ der Historiker Stefan Karner und Oliver Rathkolb sowie auf die Berichte der 1998 vom damaligen Bundeskanzler Viktor Klima eingesetzten Historikerkommission stützte.10 Die ausreichende Dotierung des Versöhnungsfonds stellte ein zentrales Problem dar, da sich die genaue Zahl der Leistungsberechtigten erst im Zuge seiner Tätigkeit herausstellen sollte. Dies beschreibt Botschafter i. R. Herbert Grubmayr, der federführend im Team des Versöhnungsfonds tätig war: „Als Leiter des Überprüfungsteams für die Zwangsarbeiterlisten aus der ehemaligen Sowjetunion überprüfte ich mit meinem Team im Versöhnungsfonds tausende von Geheimdienstakten, in denen die Zwangsarbeiter vor ihrer Rückkehr in die Rodina [russisch für Vaterland/Heimat] aufgelistet worden waren. Vor allem bei der Sowjetunion war die Zahl der noch lebenden Zwangsarbeiter lange ungewiss, und erst im Jahr 2004 wurde langsam klar, dass ein größerer Betrag aus den geplanten Mitteln übrig bleiben würde.“11 Als Generalsekretär des Versöhnungsfonds fungierte Botschafter i. R. Richard Wotava. Botschafter Ludwig Steiner (1922–2015) übernahm den Vorsitz im Komitee, und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hatte den Vorsitz im Kuratorium inne. Ein engagiertes, vielsprachiges Mitarbeiterteam sorgte im Büro des Versöhnungsfonds für die Umsetzung. Insgesamt konnten in über 60 Staaten ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter ausfindig gemacht werden. Während des Tätigkeitszeitraums des Versöhnungsfonds von 2000 bis 2005 konnten rund 132.000 Personen mit einer Leistung bedacht werden.12 Die Gesamtsumme der Zahlungen betrug 352 Millionen Euro.13 Das Komitee war dabei immer bestrebt, im Zweifelsfall für die Antragsteller zu entscheiden. Dies zeigt auch die großzügige Auslegung der Antragsfristen beziehungsweise das Akzeptieren verspätet über andere Organisationen eingelangter Anträge.14 Darüber hinaus unterstützte der Fonds humanitäre Projekte zugunsten von ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern wie Kuren, Operationen, Aufenthalte in Pflegeheimen, Ankauf von Heilbehelfen oder medizinischen Geräten. Da sämtliche Verwaltungsausgaben aus den Zinserträgen des Fondsvermögens bestritten werden konnten, wurde 10 Walter M. Iber – Stefan Karner, Die Restitutions- und Entschädigungsbemühungen der Regierung Schüssel, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“, S. 91– 105, hier: S. 95. 11 AdBIK, Schriftliches Statement Herbert Grubmayr. Wien 9.3.2015. 12 Richard Wotava, Die Arbeit im Büro des „Versöhnungsfonds“, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“, S. 285–295, hier: S. 290. 13 Feichtlbauer, Zwangsarbeit in Österreich: 1938–1945, S. 299. 14 Wotava, Die Arbeit im Büro des „Versöhnungsfonds“, S. 289.

Vom Versöhnungsfonds zum Zukunftsfonds

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Abb. 26: Das Team des Versöhnungsfonds mit Botschafter i. R. Herbert Grubmayr (1. v. l.), Bot­ schafter i. R. Richard Wotava (3. v. l.) und Botschafter i. R. Ludwig Steiner (4. v. l.). Quelle: ÖZF.

der Gesamtbetrag, der für die Leistungen an die Betroffenen vorgesehen war, davon nicht berührt.15

Vom Versöhnungsfonds zum Zukunftsfonds War der Beginn des Versöhnungsfonds von der Sorge getragen gewesen, die Zahl der zu erwartenden Anträge könnte die vorhandenen Mittel übersteigen, so sah sich der Fonds schließlich mit dem Ende seiner gesetzlichen Dauer im Jahr 2005 mit der Frage konfrontiert, was mit der Restsumme von insgesamt 96 Millionen Euro geschehen sollte. Da im Versöhnungsfonds-Gesetz eine Rückerstattung unverbrauchter Beträge nicht vorgesehen war, musste bereits in der Kuratoriumssitzung am 20. Dezember 2004 ein Beschluss hinsichtlich der weiteren Verwendung dieser Mittel gefasst werden.16 Zudem existierten noch 15 Feichtlbauer, Zwangsarbeit in Österreich: 1938–1945, S. 316. 16 Der dazugehörige Paragraf im Gesetzestext lautete wie folgt: „Nach Zeitablauf wird das restliche Vermögen des Fonds durch Entscheidung des Kuratoriums für Leistungen im Zusammenhang mit

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offene Agenden des Versöhnungsfonds wie unbearbeitete Anträge und Auszahlungen, deren Abwicklung nach der gesetzlich vorgesehenen Funktionsdauer des Fonds nur von einer Folgeeinrichtung zum Abschluss gebracht werden konnte. So wurde im Dezember 2004 im Kuratorium unter dem Vorsitz von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ein einstimmiger Beschluss zur Aufteilung der Restmittel im Sinne des ursprünglichen Gesetzes gefasst.17 Als Resultat sollten maximal 30 Millionen Euro der Durchführung von humanitären Projekten der Partnerorganisationen des Versöhnungsfonds gewidmet werden, mit höchstens 25 Millionen Euro sollte eine Stipendienstiftung eingerichtet werden, weitere 20 Millionen sollten an den Allgemeinen Entschädigungsfonds18 gehen, und etwa 5 Millionen wurden für die Lösung offener Fragen vorgesehen.19 Mit den restlichen rund 20 Millionen Euro sollte ein neuer Fonds eingerichtet werden, der sich der Erforschung erlittenen Unrechts während der NS-Zeit, dem Gedenken an die Opfer sowie der Förderung von Toleranz, Demokratie und Menschenrechten widmen sollte. Dieser Fonds sollte den Namen „Zukunftsfonds der Republik Österreich“ erhalten. Zu seiner Genese meint Wolfgang Schüssel rückblickend: „Die Grundidee bei der Schaffung des Zukunftsfonds war jene, aus der Geschichte für die Zukunft zu lernen, vergangene Fehler zu vermeiden und diese Einsichten an die jüngere Generation zu vermitteln. Daher auch die Namensgebung. Die Idee zum Zukunftsfonds entstand im Team des Versöhnungsfonds, wo stets alle Entscheidungen gemeinsam getroffen wurden. Für den Fonds gab es auch kein Vorbild, das war etwas ganz Neues. Im Unterschied zur Ausrichtung anderer österreichiUnrecht, das während des nationalsozialistischen Regimes auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich geschah, verwendet werden, wobei vor allem auch Erben jener Sklaven- und Zwangsarbeiter, die vor dem Stichtag verstorben sind, Berücksichtigung finden sollen.“ Zitiert nach: Feichtlbauer, Zwangsarbeit in Österreich: 1938–1945, S. 309. 17 So wurden die restlichen 96 Millionen aufgeteilt, in: Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit, http://www.versoehnungsfonds.at/db/admin/de/index_main3f41.html?cbereich=2&cthema=354&carticle=718&fromlist=1 (26.5.2020). 18 Vgl. Hannah M. Lessing – Christine Schwab, Der Allgemeine Entschädigungsfonds als Institution, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“. Restitution und Entschädigung in Österreich, S. 151−168. 19 Die humanitären Projekte kamen den Opfern der NS-Sklaven- und Zwangsarbeit aus den Ländern der Partnerorganisationen sowie deren Erben zugute. Auch die Stipendienstiftung richtete sich vorwiegend an Personen aus Staaten, die besonders unter den Zwangsarbeiter-Rekrutierungen durch das NS-Regime gelitten hatten. Die „offenen Fragen“ bezogen sich auf noch nicht berücksichtigte Problembereiche, zu denen bis Dezember 2005 Vorschläge eingebracht werden konnten – vor allem die Opfergruppe der Roma und Sinti war damals noch nicht bedacht worden. Zur Aufteilung der Restmittel des Versöhnungsfonds siehe auch die Darstellung bei: Feichtlbauer, Zwangsarbeit in Österreich: 1938–1945, S. 308.

Ein umstrittener Start

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Abb. 27: Bundeskanzler Wolfgang Schüssel dankt Botschafter i. R. Richard Wotava und Botschafter i. R. Ludwig Steiner für ihre Tätigkeit im Versöhnungsfonds. Quelle: ÖZF.

scher Fonds verfolgt der Zukunftsfonds einen viel breiteren Ansatz. Mit der Gründung des Zukunftsfonds sollte bewusst etwas Innovatives entwickelt werden, das längerfristig in die Zukunft reicht. Zukunftsorientiertes Erinnern, Bewusstseinsbildung, Förderung der Demokratie in Form von Forschung, Projekten und Initiativen, das war die eigentliche Gründungsidee.“20

Ein umstrittener Start Die geplante Verteilung der Restmittel sorgte zunächst allerdings für Debatten im Parlament.21 Vor allem das Vorhaben, zwei neue Fonds, nämlich den Zukunftsfonds und eine Stipendienstiftung mit jeweils eigener Rechtspersönlichkeit zu errichten, stieß teilweise auf 20 AdBIK, Interview Wolfgang Schüssel, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 11.5.2015. 21 Zwangsarbeiterfonds: Uneinigkeit bei Verteilung der übrigen Gelder, in: Die Presse online, 20.10.2005, www.diepresse.com/home/politik/innenpolitik/136007/Zwangsarbeiterfonds_Uneinigkeit-bei-Verteilung-ubriger-Gelder (23.5.2015).

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Entstehung und Entwicklung des Zukunftsfonds

Kritik.22 So brachten die Grünen etwa einen Antrag ein, dass die Gelder nicht in Form neuer Fonds, sondern vom 1995 eingerichteten Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus mit verwaltet werden sollten, um einen befürchteten bürokratischen Mehraufwand zu vermeiden.23 Ludwig Steiner, der damalige Vorsitzende des Versöhnungsfonds, warnte in den Medien jedoch davor, das für die verbliebenen Gelder bereits geschnürte Paket wieder auseinanderzunehmen, da die Verteilung mit den unterschiedlichen Beteiligten bereits ausgehandelt worden war und nicht gefährdet werden solle.24 Die Kritik wurde auch von einem regen medialen Interesse begleitet. Waren alle seit dem Amtsantritt der Regierung Schüssel verabschiedeten Gesetze, die sich mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit Österreichs beschäftigt hatten, einstimmig beschlossen worden, so herrschte nun zum ersten Mal kein Konsens.25 Die damaligen Oppositionsparteien SPÖ und Grüne kritisierten im Hinblick auf den Zukunftsfonds zudem die geplante Zusammensetzung der Gremien sowie die Aufgabenstellung. Dass neben der Aufarbeitung des Nationalsozialismus und dem Gedenken an die Opfer auch die „Erforschung totalitärer Systeme“ zu den Aufgaben des Fonds zählen sollte, widersprach ihrer Ansicht nach den ursprünglichen Bestimmungen des Versöhnungsfonds.26 Die Regierungsparteien betonten hingegen, die kritische Auseinandersetzung mit Ursachen und Auswirkungen unterschiedlicher totalitärer Regime sei ein wichtiger Schritt, um ähnliche Entwicklungen in Zukunft zu verhindern.27 Bundeskanzler Schüssel wurde in den Debatten nicht müde, immer wieder die Notwendigkeit zu betonen, Impulse für die junge Generation zu setzen und Zukunftsprojekte zu fördern. Aus seiner Sicht war das Anliegen des Fonds zu wichtig, um in dieser Weise unnötig kritisiert zu werden.28 22 Siehe dazu auch die Aussendung der Parlamentskorrespondenz vom 13.10.2005 mit dem Titel „Österreich richtet Zukunftsfonds und Stipendienstiftung ein, dotiert mit verbliebenen Mitteln des Versöhnungsfonds“, www.ots.at/presseaussendung/OTS_20051013_OTS0260/oesterreich-richtet-zu kunftsfonds-und-stipendienstiftung-ein-dotiert-mit-verbliebenen-mitteln-des-versoehnungsfonds (19.5.2020). 23 Versöhnungsfonds: Ringen um Konsens für NS-Opfer, in: Die Presse online, 21.12.2004, www.die presse.com/home/politik/innenpolitik/175192/Versohnungsfonds_Ringen-um-Konsens-fur-NSOpfer? from=suche.intern.portal (3.4.2015). 24 Ebd. 25 NS-Entschädigungen: Erstmals seit 2000 kein Konsens im Parlament, in: Der Standard online, 14.10.2005, www.derstandard.at/2208447/NS-Entschaedigungen-Erstmals-seit-2000-kein-Konsens-­ im-Parlament (19.5.2020). 26 Österreich richtet Zukunftsfonds und Stipendienstiftung ein, Parlamentskorrespondenz Nr. 777, 13. 10.2005, www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2005/PK0777 (19.5.2020). 27 Ebd. 28 Zukunftsfondsgesetz lässt Emotionen hochgehen, Parlamentskorrespondenz Nr. 797, 20.10.2005, www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2005/PK0797/index.shtml (19.5.2020).

Ein umstrittener Start

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Als das Zukunftsfondsgesetz bei der Abstimmung mit den Stimmen der Regierungsparteien angenommen wurde, brachte der Bundesrat schließlich einen Einspruch ein.29 Im November 2005 verfügte die Opposition über eine Mehrheit im Bundesrat und konnte somit auch Gesetzesbeschlüsse im Nationalrat beeinspruchen. Allerdings bestand dabei nur die Möglichkeit, die Verzögerung eines Gesetzes zu bewirken, denn mit einem sogenannten Beharrungsbeschluss konnte der Nationalrat einen derartigen Einspruch übergehen.30 Somit erfolgte am 4. November 2005 in der 727. Sitzung bezüglich des Zukunftsfondsgesetzes der erste Einspruch des Bundesrates seit 1986.31 Die Regierungsparteien warfen der Opposition vor, den Bundesrat damit zu einem „Blockaderat“ zu degradieren.32 Zudem wiesen sie auf die drohenden Nachteile für die Anspruchsberechtigten durch eine Verzögerung der Mittelverteilung hin.33 Auch Ludwig Steiner schrieb damals in seiner Funktion als Vorsitzender des Österreichischen Versöhnungsfonds den vier Fraktionsvorsitzenden im Parlament einen Brief, in dem er auf die Schwierigkeiten einer Verzögerung bei der Verteilung der Mittel hinwies. Viele der ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeiter waren bereits zur Zeit der Entschädigungszahlungen durch den Versöhnungsfonds verstorben. Der Zukunftsfonds sollte ja als Nachfolgefonds neben der Förderung von Projekten auch noch die Abwicklung der Restagenden aus dem 29 Begründet wurde der Einspruch folgendermaßen: „In der Aufgabenstellung des Zukunftsfonds werden die Gräuel des Nationalsozialismus durch den Hinweis auf andere totalitäre Regime relativiert […] da es um die Erinnerung an die Mitverantwortung Österreichs an den Geschehnissen der Nazizeit geht, ist der Hinweis auf andere totalitäre Regime völlig unangebracht. […] In allen Einrichtungen, die bisher zu Gunsten von Opfern des Nationalsozialismus geschaffen wurden, waren Vertreter des Parlaments repräsentiert, um damit zu zeigen, dass es sich bei der Aufarbeitung der Vergangenheit um ein gesamtgesellschaftliches Anliegen handelt, das alle Parteien angeht. Sowohl das Kuratorium des Zukunftsfonds als auch das der Stipendienstiftung besteht ausschließlich aus Vertretern der Regierung. Aus den genannten Gründen wird daher der Antrag gestellt, gegen den genannten Gesetzesbeschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.“ Zitiert nach: Einspruch des Bundesrates, 4.11.2005, www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXII/I/I_01164/fname_051579.pdf (19.5.2020). 30 Bundesrat: Ausschuss empfiehlt Einspruch gegen Zukunftsfondsgesetz, Parlamentskorrespondenz Nr. 824, 3.11.2005, www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2005/PK0824/index.shtml (19.5.2020). 31 Siehe dazu auch Institut für Föderalismus der Länder Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg, 30. Bericht über den Föderalismus in Österreich (2005), S. 15, http://suche.vorarlberg.at/ vlr/vlr_gov.nsf/0/BC73492F6EFECAE5C1257236004C22A3/$FILE/1002006.pdf (26.5.2020). 32 Vgl. hierzu etwa Molterer: SPÖ macht Bundesrat zum „Blockaderat“, in: APA OTS, https://www.ots. at/presseaussendung/OTS_20051130_OTS0138/molterer-spoe-macht-bundesrat-zum-blockaderat (26.5.2020). 33 Siehe dazu Punkt 12 der Tagesordnung im Stenographischen Protokoll zur 727. Sitzung des Bundesrates vom 4.11.2005, www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/BR/BRSITZ/BRSITZ_00727/fname­ _054455.pdf (19.5.2020).

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Versöhnungsfonds übernehmen. Die Zeit drängte also in Anbetracht des Alters der Empfänger, doch man bemühte sich vergeblich, die Oppositionsparteien umzustimmen. Nachdem keine Einigung erzielt werden konnte, fasste der Nationalrat im Dezember 2005 einen Beharrungsbeschluss zum Zukunftsfondsgesetz.34 Mit 19. Dezember 2005 wurde schließlich das Bundesgesetz über die Errichtung des Zukunftsfonds der Republik Österreich erlassen.35 Die Vehemenz, mit der die damaligen Debatten geführt wurden, ist aus heutiger Sicht nur mehr schwer nachvollziehbar, vor allem wenn man bedenkt, dass der Zukunftsfonds lediglich knapp zwanzig Prozent der aus dem Versöhnungsfonds verbliebenen Restmittel erhielt, und die allgemeine Aufgabe der Förderung von Projekten und wissenschaftlichen Arbeiten grundsätzlich von allen Beteiligten begrüßt worden war. So resümiert etwa Terezija Stoisits die damalige Diskussion rückblickend: „Dass mit den verbliebenen Mitteln auch Stipendien vergeben sowie Projekte und wissenschaftliche Arbeiten gefördert werden sollten, dagegen war grundsätzlich nichts einzuwenden. Ich habe mich im Kuratorium des Versöhnungsfonds dafür ausgesprochen, das nicht an Zwangsarbeiter ausgezahlte Geld mit Vorgabe des Verwendungszwecks dem beim Parlament eingerichteten Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus zu überantworten. Aufgrund der dort bereits bestehenden fachlichen Expertise und des Know-hows in der Abwicklung wäre das die verwaltungsökonomischste Variante gewesen.“36 Möglicherweise bildeten auch die Unterschiede zwischen dem damals neu gegründeten Zukunftsfonds und seinem Vorgänger, dem Versöhnungsfonds, einen zentralen Hintergrund der Debatte. Dazu Botschafter Hans Winkler, der den Gesetzesentwurf mit erarbeitete: „Der Versöhnungsfonds war ausschließlich für die ehemaligen Zwangsarbeiter gegründet worden, die individuell, also als Einzelpersonen, Entschädigungszahlungen erhielten. Der Zukunftsfonds ging zwar aus einem Teil der Restmittel des Versöhnungsfonds hervor, hatte und hat aber keinen Entschädigungscharakter, sondern fördert Projekte und wissenschaftliche Arbeiten. Durch die personelle Kontinuität vom Versöhnungsfonds zum Zukunftsfonds konnten Erfahrungen weitergeführt werden, die inhaltliche Zielsetzung ist jedoch eine ganz andere. Im Gesetzestext wurden die Aufgaben und Zielsetzungen festgeschrieben, der heutige Zukunftsfonds entspricht somit zur Gänze der ursprünglichen Konzeption. Die Berücksichtigung einer möglichen großen Bandbreite an Projekten im Gesetzesentwurf war eine gute

34 Nationalrat fasst Beharrungsbeschluss zum Zukunftsfondsgesetz, Parlamentskorrespondenz Nr. 1000, 6.12.2005, www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2005/PK1000 (19.5.2020). 35 Der Gesetzestext findet sich im Anhang und ist auch online abrufbar unter www.ris.bka.gv.at/Doku mente/BgblAuth/BGBLA_2005_I_146/BGBLA_2005_I_146.pdf. 36 AdBIK, Interview Terezija Stoisits, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 12.5.2015.

Beginn der Tätigkeit des Zukunftsfonds

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Entscheidung, einfach deshalb, weil wir damals noch nicht wissen konnten, welche Vielfalt an Projekten möglich sein würde.“37 Der Zukunftsfonds stellte somit eine gänzlich neue Einrichtung dar, wie auch der ehemalige Generalsekretär Richard Wotava unterstreicht: „Für den Zukunftsfonds gab es kein Vorbild, das musste alles erst einmal neu auf die Beine gestellt werden. Umso hilfreicher war es, dass einige Personen aus dem Stab des Versöhnungsfonds auch im Zukunftsfonds weiterarbeiten wollten und übernommen werden konnten. Außer einigen pensionierten Botschaftern waren im Versöhnungsfonds viele sprachgewandte, junge Mitarbeiter tätig, von denen mehrere bis zu fünf Sprachen oder mehr beherrschten. Das war natürlich sehr hilfreich für diese Arbeit. Und im Zukunftsfonds hat dann vor allem der Projektförderungsbeirat durch seine professionellen Expertisen die Arbeit sehr erleichtert. Mit der Gründung des Zukunftsfonds wurde eine Lücke geschlossen. Keine andere Organisation war oder ist in der Lage, ein derart breites Band von Themen abzudecken.“38

Beginn der Tätigkeit des Zukunftsfonds Nach Inkrafttreten des Zukunftsfondsgesetzes mit 19. Dezember 2005 oblag es Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Ursula Plassnik entsprechend der gesetzlichen Grundlage jeweils zwei Kuratoriumsmitglieder zu bestellen, die daraufhin auf Basis einer Vorschlagsliste des Bundeskanzlers einen Vorsitzenden zu wählen hatten. Als Kuratoren wurden schließlich der Vertreter der „Conference on Jewish Material Claims Against Germany“ in Österreich, Direktor Moshe Jahoda (1926–2016), Christoph Kainz (1960–2018) von der Wirtschaftskammer Österreich und Geschäftsführer der Plattform „Humanitäre Aktion“, der damalige Direktor der Diplomatischen Akademie Wien, Botschafter Jiří Gruša (1938–2011), sowie der damalige Restitutionsbeauftragte der Stadt Wien, Kurt Scholz, bestellt. Auf Vorschlag des Bundeskanzlers wurden Frau Landeshauptmann a.D. Waltraud Klasnic zur Kuratoriumsvorsitzenden und Botschafter Richard Wotava zum Generalsekretär gewählt. Damit war zugleich eine gewisse Form der personellen Kontinuität vom Versöhnungsfonds zum Zukunftsfonds gegeben, die auch inhaltlich aufgrund der Aufgabe der Abwicklung der Restagenden zielführend erschien: „Da der Zukunftsfonds neben seiner Hauptaufgabe der Förderung von Projekten auch noch Restagenden des Versöhnungsfonds abzuwickeln hatte, war es ein großes Glück, dass jene Personen, die bereits mit Umsicht und hohem Verantwortungsbewusstsein die Geschäfte des Versöhnungsfonds

37 AdBIK, Interview Hans Winkler, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 12.3.2015. 38 AdBIK, Interview Richard Wotava, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 25.3.2015.

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geführt hatten, nun auch dem Zukunftsfonds zur Verfügung standen“39, hebt Ludwig Steiner hervor. Diese Zusammensetzung sollte sich in weiterer Folge als durchaus erfolgreich erweisen, hatten doch einige der genannten Personen bereits im Versöhnungsfonds für ihre geleistete Arbeit internationales Lob erhalten.40 Zudem waren die einzelnen Personen aufgrund ihrer Tätigkeiten im Versöhnungsfonds bereits mit Fragen der Entschädigung und Wiedergutmachung bestens vertraut. Auch für das Büro des Generalsekretärs konnten mit Jürgen Strasser und Anita Dumfahrt zwei Mitarbeiter gewonnen werden, die schon im Versöhnungsfonds tätig gewesen waren. Am 2. Jänner 2006 nahm der Zukunftsfonds schließlich seine operative Tätigkeit auf. In der Kuratoriumssitzung vom 13. Jänner 2006 wurde Waltraud Klasnic auf Vorschlag des Bundeskanzlers zur Vorsitzenden des Kuratoriums gewählt. In seiner zweiten Sitzung ernannte das Kuratorium den Historiker Manfried Rauchensteiner, den damaligen Vorsitzenden des Universitätsrates der Universität Wien Max Kothbauer, den Historiker Gerald Stourzh sowie die Historikerin Margarete Grandner zu Mitgliedern des Projektförderungsbeirats. Die Debatten im Zuge der Gründung des Zukunftsfonds wirkten im ersten Jahr seines Bestehens noch kurzfristig nach, doch die Kritik verflüchtigte sich im Zuge der Sichtbarwerdung seiner Tätigkeiten zusehends. Dazu Richard Wotava: „Die Anfangsphase war aufgrund innenpolitischer Zwistigkeiten etwas stürmisch und nicht immer angenehm. Aber nach dem ersten Tätigkeitsjahr hat sich das wieder beruhigt und die damaligen Oppositionsparteien haben schließlich doch relativ rasch zur Kenntnis genommen, dass der Fonds objektiv und neutral agiert, wie man es auch schon zuvor vom Versöhnungsfonds gewohnt war. Die jährlichen Berichte im Parlament wurden dann ja auch immer einstimmig zur Kenntnis genommen. Schließlich haben alle gesehen, dass der Fonds eine wertvolle Einrichtung ist, die anerkannt wird, und mit der Zeit erlangte der Zukunftsfonds auch großes Ansehen in der öffentlichen Wahrnehmung.“41 Die zum Teil noch heftigen medialen und politischen Angriffe stellten sich rasch als überzogen und unbegründet heraus.42 Vor allem die Befürchtung der parlamentarischen Oppo39 AdBIK, Schriftliches Statement Ludwig Steiner. Wien 1.6.2015. 40 Vgl. hierzu unter anderem Stuart Eizenstat, 10 Jahre Washingtoner Abkommen: Hintergründe, Erfolge und die Zukunft, in: Stefan Karner – Walter M. Iber (Hg.), Schweres Erbe und „Wiedergutmachung“, S. 205–231, hier: S. 205. 41 AdBIK, Interview Richard Wotava, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 25.3.2015. 42 In den Medien wurden damals Behauptungen und Anschuldigungen aufgestellt, die sich als nicht haltbar erwiesen. Siehe dazu beispielsweise folgende Presseaussendung der SPÖ: Aus Versöhnungsfonds wird Selbstbedienungsfonds Schüssel, APA-Presseaussendung der SPÖ, 13.10.2005, www.ots.

Beginn der Tätigkeit des Zukunftsfonds

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Abb. 28: Botschafter Stuart E. Eizenstat bei seinem Vortrag über „Zehn Jahre Washingtoner ­Abkommen. Vorgeschichte, Hintergrund und Erfolge“ am 19. Jänner 2011 im Österreichischen Parlament. Quelle: Bildagentur Zolles. Foto: Mike Ranz.

sition, die Themenstellung einer „Erforschung totalitärer Systeme und Gewaltherrschaft“ könne zulasten der historischen Aufarbeitung der NS-Diktatur gehen, erwies sich als unbegründet, wie auch Gerald Stourzh darlegt: „Schon bald nach dem Beginn unserer Tätigkeit stellte sich heraus, dass nur wenige der eingereichten Projekte sich mit dem Totalitarismus beschäftigten, die große Mehrzahl befasste sich mit der Geschichte und den Nachwirkungen des Nationalsozialismus, mit der österreichischen Zeitgeschichte und mit unterschiedlichen Aspekten der Shoa. Auch Projekte mit einer pädagogischen oder künstlerischen Ausrichtung waren darunter.“43 Von allen in den ersten beiden Jahren vom Zukunftsfonds geförderten Projekten wiesen mehr als 75 Prozent einen Bezug zum NS-Regime auf.44

at/presseaussendung/OTS_20051013_OTS0236/ns-entschaedigungen-wittmann-aus-versoehnungs-­ wird-selbstbedienungsfonds-schuessel (19.5.2020). 43 AdBIK, Schriftliches Statement Gerald Stourzh. Wien 15.4.2015. 44 ÖZF, Jahresbericht des Zukunftsfonds 2007, S. 3. Online unter: http://www.zukunftsfonds-austria. at/jahresberichte/zf_jahresbericht_2007.pdf (26.5.2020).

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Zuletzt reichten die Grünen im Jahr 2007 noch eine parlamentarische Anfrage zur Gebarung des Zukunftsfonds ein.45 Der Zukunftsfonds konnte rasch klarstellen, dass die kritisierte Höhe der Verwaltungskosten den Restagenden aus dem Versöhnungsfonds zuzurechnen war und keineswegs die Verwaltungskosten des Fonds selbst abbildete.46 Dabei handelte es sich um Überprüfungskosten der ehemaligen Partnerorganisationen des Versöhnungsfonds. Außerdem schlug die damalige Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (1954–2014) als Vorsitzende des Nationalfonds vor, die beiden österreichischen Fonds zu reformieren und den Zukunftsfonds in den Nationalfonds zu integrieren.47 Prammers Idee einer Zusammenlegung der beiden Fonds begegnete man mit dem Hinweis darauf, dass der Zukunftsfonds auf Beschluss des Kuratoriums des Versöhnungsfonds mit seinen internationalen Partnern eingerichtet worden war und daher nicht einseitig zu ändern sei.48 Darüber hinaus habe der Zukunftsfonds ein weitergehendes Mandat als der Nationalfonds.

In der Pressekonferenz vom 9. März 2007 konnten die Vorsitzende Waltraud Klasnic und Generalsekretär Richard Wotava schließlich eine erste positive Bilanz ziehen.49 Bereits im ersten Jahr der Tätigkeit des Zukunftsfonds waren 120 Projektanträge eingereicht worden, von denen 80 Projekte genehmigt worden waren. Besonders die effiziente, schnelle und unbürokratische Arbeitsweise der ehrenamtlich tätigen Mitglieder des Kuratoriums sowie des Projektförderungsbeirates sollte in den folgenden Jahren regelmäßig Lob im Hauptausschuss des Nationalrats finden.50 Rückblickend bemerkt 45 Die Anfrage vom 3.9.2007 umfasste 118 Fragen, die freiwillig und unter großem Zeitaufwand vom Zukunftsfonds beantwortet wurden, da die Anfrage ursprünglich an den damaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer gerichtet war. 46 Bis 2010 hatte der Zukunftsfonds die Restagenden aus dem Versöhnungsfonds zu erledigen. Darunter die Auszahlung von finanziellen Entschädigungsleistungen an ehemalige Zwangsarbeiter sowie die Fortsetzung eines vom Versöhnungsfonds gestarteten humanitären Projekts, bei dem rund 100.000 ehemalige Zwangsarbeiter insgesamt 30 Millionen Euro an medizinischen Leistungen erhielten. Zu Details siehe auch: Zukunftsfonds zu Verwaltungskosten, Presseaussendung des Zukunftsfonds vom 12.3.2007, www.ots.at/presseaussendung/OTS_20070312_OTS0213/zukunftsfonds-zu-verwaltungskosten (19.5.2020). 47 N. N., Prammer will NS-Opferfonds reformieren, in: Der Standard Online, 6.6.2007, www.derstan dard.at/2904487/Prammer-will-NS-Opferfonds-reformieren (19.5.2020). 48 Ebd. 49 Zukunftsfonds der Republik Österreich zieht erste positive Bilanz, Presseaussendung vom 9.3.2007, www.bmeia.gv.at/das-ministerium/presse/aussendungen/2007/zukunftsfonds-der-republik-oesterreich-zieht-erste-positive-bilanz (20.5.2020). 50 Hauptausschuss diskutiert Berichte von National- und Zukunftsfonds. Arbeiten der Fonds finden große Zustimmung, Aussendung der Parlamentskorrespondenz Nr. 969, 11.11.2009, www.parla ment.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2009/PK0969/index.shtml (20.5.2020). Sowie: Zukunftsfonds legt

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Abb. 29: Waltraud Klasnic, die erste Vorsitzende des Kuratoriums des Zukunftsfonds zwischen Jänner 2006 und Jänner 2011, beim 14. Werkstattgespräch in der Diplomatischen Akademie in Wien im November 2014 gemeinsam mit Botschafter Hans Winkler. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Waltraud Klasnic dazu: „Der Zukunftsfonds hat sich nach allerlei wenig erfreulicher parteipolitischer Begleitmusik in der ersten Phase seines Bestehens zu einer wichtigen Fördereinrichtung entwickelt. Als Vorsitzende des Kuratoriums durfte ich die ersten fünf Jahre des Fonds begleiten. Die hohe Reputation und große fachliche Expertise der in den einzelnen Gremien tätigen Persönlichkeiten haben wesentlich dazu beigetragen, dass der Fonds bis zum Ende meiner Funktionsperiode als sehr positiv und wichtig in Fragen der Erinnerungskultur, des Gedenkens an die Opfer des NS-Regimes sowie zu Themen der Förderung der Demokratie und Menschenrechte in Österreich wahrgenommen wird. Soweit ich das beurteilen kann, ist diese Wertschätzung in den letzten Jahren nicht nur gleich geblieben, sondern weiter angewachsen. Mit einer sehr schlanken hauptamtlichen Personalstruktur konnte und kann effizient, rasch und unbüro-

Jahresbilanz für 2009 vor. Viel Lob im Hauptausschuss für Arbeit des Fonds, Aussendung der Parlamentskorrespondenz Nr. 939, 25.11.2010, www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2010/PK0939/ index.shtml (20.5.2020).

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Abb. 30: Kuratoriumsvorsitzender von 2011 bis 2019 Kurt Scholz und Generalsekretär von 2011 bis 2019 Herwig Hösele auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2014. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

kratisch über Projektanträge entschieden werden. Es wird wohl kaum eine Förderinstitution in Österreich geben, die eine so faszinierende Vielfalt an Projekten aufweist.“51 Mit den Jahren seiner Tätigkeit und der wachsenden Vielzahl an sichtbaren Projekten entwickelte sich auch die Anerkennung des Zukunftsfonds als einer unverzichtbaren Einrichtung. 2011 trat schließlich ein neues Kuratorium zusammen, das Kurt Scholz zum Vorsitzenden wählte. Das Amt des Generalsekretärs übernahm Herwig Hösele.

Die Verlängerung des Zukunftsfonds Nach zehn Jahren intensiver Arbeit und einer stetig wachsenden Zahl an unterstützten Projekten konnte der Zukunftsfonds zu seinem zehnjährigen Jubiläum Mitte des Jahres 2015 eine Bilanz von insgesamt 1370 genehmigten Förderungen verzeichnen.52 Die im selben Jahr 51 AdBIK, Schriftliches Statement Waltraud Klasnic. Graz 16.4.2015. 52 Von Beginn der Fördertätigkeit im Jahr 2006 bis zum Jahresende 2014 wurden beim Zukunftsfonds insgesamt 1.938 Anträge eingereicht. Von diesen förderte der Fonds im selben Zeitraum 1.221 Pro-

Die Verlängerung des Zukunftsfonds

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Abb. 31: Am 24. November 2015 wurde die Studie anlässlich „10 Jahre Zukunftsfonds“ in der ­Diplomatischen Akademie in Wien präsentiert. Von li. nach re.: Hans Winkler, Christoph ­Kainz, Günter Bischof, Herwig Hösele, Sonja Steßl, Kurt Scholz, Barbara Stelzl-Marx, Andreas Khol, ­Alexandra Kofler und Josef Ostermayer. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

erschienene Studie über den Fonds, die als Vorgängerpublikation zum vorliegenden Band angesehen werden kann, legte auf 284 Seiten Zeugnis über die umfangreiche, bis dahin geleistete Arbeit ab53: „Insgesamt macht das Buch deutlich, dass der ÖZF über seine Rolle als Projektförderer in Österreich auf den verschiedenen Feldern der Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen – ähnlich wie die Stiftung EVZ in Deutschland – in eine zentrale Position gerückt ist“54, heißt es in einer Rezension. Im Unterschied zur „Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ 55, die von vornherein zweifach als sich verzehrender Entschädigungs- und gleichzeitig als Zukunftsfonds mit „unantastbarem Stiftungskapitel für Projekte der Aussöhnung und Völkerverständi-

jekte. Im ersten Halbjahr 2015 wurden weitere 149 Projekte genehmigt, wodurch der Zukunftsfonds per 30. Juni 2015 insgesamt 1.368 Projekte förderte. 53 Bischof – Stelzl-Marx – Kofler, Zukunftsfonds der Republik Österreich. 54 Henning Borggräfe, Rezension über „Zukunftsfonds der Republik Österreich. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung“, in: Einsicht 16 (2016), S. 89. Online abrufbar unter https://www.recensio.net/ rezensionen/zeitschriften/einsicht/2016/16/ReviewMonograph460712751 (20.5.2020). 55 Zur Stiftung EVZ siehe https://www.stiftung-evz.de/start.html (20.5.2020).

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Entstehung und Entwicklung des Zukunftsfonds

gung“56 wirkte, war und ist der Zukunftsfonds jedoch als verzehrender Fonds bzw. Verbrauchsstiftung angelegt. Demgemäß war er – bei einer jährlichen Verbrauchssumme von zwei Millionen Euro mit Startkapital von 20 Millionen Euro im Jahr 2005 – Ende 2016 bei einem Vermögensstand von rund 4,2 Millionen Euro angekommen.57 2018 hätte der Zukunftsfonds demnach seine Fördertätigkeit einstellen müssen. 2017, ein Jahr vor der drohenden Einstellung, begannen im österreichischen Parlament jedoch Gedanken über eine Weiterführung des Zukunftsfonds zu reifen. Im April behandelte der Hauptausschuss des Nationalrats den Zukunftsfonds-Jahresbericht für das Jahr 2015, der einen Antragsrekord mit 375 eingereichten Projekten und eine Verdreifachung der Projektanzahl gegenüber dem Gründungsjahr 2006 zu verzeichnen hatte.58 Rund zweieinhalb Monate später fand eine Diskussion über den Geschäftsbericht des Jahres 2016 statt, bei der auch dezidiert der Vermögensstand und das nahende Auslaufen des Fonds zur Sprache kam.59 Am 28. Juni 2017 stellte schließlich der damalige Bundeskanzler Christian Kern in einem Vortrag an den Ministerrat einen Antrag zur Änderung des Zukunftsfonds-Gesetzes, nach welchem dem Fonds ab 1. Jänner 2018 über einen Zeitraum von fünf Jahren ein Betrag in Höhe von zwei Millionen Euro pro Kalenderjahr zur Verfügung gestellt werden sollte.60 Am 20. September 2017 stimmten die Abgeordneten zum Nationalrat (SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, NEOS und Team Stronach) einstimmig der Regierungsvorlage zur Änderung im Zukunftsfonds-Gesetz mit Inkrafttreten per 1. Jänner 2018 zu, was auch als „ein deutliches Bekenntnis des Hohen Hauses zur Aufarbeitung der Geschichte“61 angesehen wurde. Am 5. Oktober 56 Ulrich Brömmling, Rezension über „Zukunftsfonds der Republik Österreich. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung“, in: Nachrichten aus dem Stiftungswesen 2016, S. 5. 57 ÖZF, Zukunftsfonds der Republik Österreich, Jahresbericht 2016, S. 19. 58 Hauptausschuss behandelt Geschäftsberichte des National- und Zukunftsfonds, in: Parlamentskorrespondenz Nr. 398 vom 04.04.2017, https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2017/PK0398/ index.shtml (20.5.2020). In der gleichen Sitzung wurde von den Grünen hinterfragt, weshalb vom ÖZF das Projekt „Intercultural Achievement Award“ im Außenministerium gefördert wurde. Der damalige Generalsekretär Herwig Hösele und der damalige Vorsitzende des Kuratoriums Kurt Scholz betonten, dass in diesem Fall die Unterstützung englischsprachiger Übersetzungen über Werke der jüngeren Geschichte Österreichs, die dem Fonds ein großes Anliegen seien, wichtiger als eine Ministeriumsnähe seien, die Vorgangsweise zudem gesetzlich gedeckt gewesen sei. 59 Hauptausschuss diskutiert Geschäftsberichte von Zukunftsfonds und Nationalfonds, in: Parlamentskorrespondenz Nr. 764 vom 21.06.2017, https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2017/ PK0764/index.shtml (20.5.2020). 60 Christian Kern, Vortrag an den Ministerrat über ein Bundesgesetz, mit dem das Zukunftsfonds-Gesetz geändert wird. GZ BKA-180.100/0055-I/8/2017, 28.6.2017. Online unter: http://www.zukunftsfonds-austria.at/download/mrv_20170628.pdf (25.6.2020). 61 Nationalrat: Finanzierung des Zukunftsfonds ist für fünf weitere Jahre gesichert, in: Parlaments-

Die Verlängerung des Zukunftsfonds

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2017 stimmte letztlich auch der Bundesrat einstimmig der Verlängerung des Fonds zu.62 Begründet wurde die Verlängerung des Zukunftsfonds damit, dass Toleranz und Nicht-Diskriminierung gerade auch heute aktuelle Themen seien und der Zweck des ÖZF insbesondere in der Förderung dieser Themenbereiche zu sehen sei.63 Zu Beginn des Jahres 2019 unterstrich der Nationalrat im Rahmen der Besprechung des Jahresberichtes von 2017 die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Arbeit des Zukunftsfonds erneut: Vor allem die Bewusstseinsbildung, die zu einer Förderung der Achtung der Menschenrechte und der gegenseitigen Toleranz beitrage, sei ein wesentlicher Auftrag. Zudem sei der Zukunftsfonds mittlerweile als ein anerkannter Partner in der „Scientific Community“ und in zivilgesellschaftlichen Initiativen etabliert, was letztlich nach einer langfristigen Absicherung des Fonds verlange.64

korrespondenz Nr. 975 vom 20.09.2017, https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2017/ PK0975/#XXV_A_02270 (20.5.2020). Der Gesetzestext findet sich im Anhang und ist auch online abrufbar unter: Bundesgesetz 141/2017 (Änderung des Zukunftsfonds-Gesetzes) vom 18. Oktober 2017, https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2017/141 (2.6.2020). 62 Finanzierung des Zukunftsfonds für weitere fünf Jahre gesichert, in: Parlamentskorrespondenz Nr. 1038 vom 05.10.2017, https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2017/PK1038/ (2.6.2020). 63 Vgl. Zukunftsfonds-Gesetz Änderung, 1766 der Beilagen XXV. GP – Regierungsvorlage – Vorblatt und WFA, S. 1, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_01766/fname_644047.pdf (20.5. 2020). 64 Hauptausschuss genehmigt Niederlassungsverordnung, in: Parlamentskorrespondenz Nr. 64 vom 30.01.2019, https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2019/PK0064/index.shtml (26.5.2020).

Charakterisierung des Zukunftsfonds Der Zukunftsfonds der Republik Österreich hat den gesetzlichen Auftrag zur Förderung von Projekten und wissenschaftlichen Arbeiten, die dem Interesse und Gedenken der Opfer des NS-Regimes, der Erinnerung an die Bedrohung durch totalitäre Systeme und Gewaltherrschaften sowie der internationalen Zusammenarbeit dienen, und zu einer Förderung der Achtung der Menschenrechte und der gegenseitigen Toleranz auf diesen Gebieten beizutragen.1 Damit ist der Zukunftsfonds nicht nur Teil des österreichischen Bekenntnisses zur moralischen Mitverantwortung, sondern auch gerade eine Brücke von der Vergangenheit in die Zukunft, wie die damalige Außenministerin Ursula Plassnik im Jahr 2005 betonte: „Ich sehe diesen Fonds als Brücke in die Zukunft. Toleranz und Nicht-Diskriminierung sind die Grundvoraussetzungen, dass jeder seinen geschützten Platz in der Gesellschaft hat und sich in Freiheit und Sicherheit verwirklichen kann. Wissen und Bewusstsein über die Schrecken der Vergangenheit und die Erziehung zur Toleranz sind Voraussetzung für eine sichere Zukunft. Wir gehen im neuen Jahrhundert an schwierige Fragen mit einem neuen Bewusstsein heran. Wir scheuen schmerzliche Erkenntnisse über die Vergangenheit nicht, sondern geben sie unserer Jugend mit auf den Weg. Von den Anstrengungen der Bundesregierung zugunsten der Zwangsarbeiter der NS-Zeit bauen wir mit dem Zukunftsfonds eine Brücke in das Morgen.“2 In vielfältiger Weise versucht der Zukunftsfonds somit, dem immerwährenden Auftrag des „Niemals wieder“ gerecht zu werden. Neben der historischen Aufarbeitung des NS-Regimes und des Holocaust fördert der Zukunftsfonds auch Analysen über den Zustand der demokratischen Gesellschaft in der Gegenwart. Er unterstützt sowohl nationale als auch internationale Projekte. Insofern stelle der Zukunftsfonds selbst ein demokratisches Projekt dar, wie das Kuratoriumsmitglied Peter Fichtenbauer betont: „Der Großteil der Förderungen geht an Projekte aus Österreich. Es werden aber auch Forschungsarbeiten, Publikationen, Ausstellungen, Konferenzen oder Oral History Projekte aus Israel, Deutschland, Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik, Belarus, Frankreich, Großbritannien, den USA, Brasilien, Venezuela oder Südafrika unterstützt, um nur einige zu nennen. Dem Zukunftsfonds war und ist es ein wichtiges Anliegen, insbesondere die Überlebenden der NS-Zeit und die 1 Zukunftsfonds-Gesetz, 146. Bundesgesetz vom 19.12.2005, www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung. wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20004422 (2.6.2020). 2 Plassnik: Eine Brücke in die Zukunft, Aussendung des BMeiA vom 20.10.2005, www.bmeia.gv.at/ das-ministerium/presse/aussendungen/2005/plassnik-eine-bruecke-in-die-zukunft (2.6.2020).

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Charakterisierung des Zukunftsfonds

Abb. 32: Der Zukunftsfonds widmet sich dem Auftrag des „Niemals wieder!“ und „Niemals vergessen!“ in unterschiedlichster Weise, unter anderem durch Publikationsförderungen wie des 2019 erschienenen Buches über den Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen, Opfer des Faschismus und aktiver AntifaschistInnen. Quelle: AdBIK. Foto: Yevgenia Nazaruk.

verschiedenen Opferorganisationen dazu anzuregen, Projekte einzureichen.“ 3 Auch Erwin Pröll, Kuratoriumsmitglied seit Jänner 2019, unterstreicht den zentralen Auftrag des Zukunftsfonds: „Das Erinnern ist ein wichtiges Bollwerk gegen das Vergessen – insbesondere im historischen Kontext und da wiederum vor allem, was die dunkelsten Kapitel der Geschichte betrifft. Denn das Wissen vom Gestern formt das Gewissen im Heute! Genau das ist eine der wichtigsten Zielsetzungen des Zukunftsfonds, wenn es darum geht, sich mit den Verbrechen des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen und an die Opfer dieser Schreckenszeit zu erinnern. Die Mitarbeit im Zukunftsfonds ist für mich eine erbauliche Aufgabe. Die Fülle der Förderprojekte zeigt, dass umfangreich, ernsthaft und qualitätsvoll an der Aufarbeitung der Geschichte und an einer Erinnerungskultur gearbeitet wird. Ein Signal, das Mut macht. Aber auch ein Signal, das mahnt, niemals damit aufzuhören.“4

3 AdBIK, Schriftliches Statement Peter Fichtenbauer. Wien 29.7.2020. 4 AdBIK, Schriftliches Statement Erwin Pröll. Wien 21.8.2020.

Finanzgebarung und Kontrolle

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Abb. 33: Seit Frühjahr 2017 sind die Büroräumlichkeiten des Zukunftsfonds beim Palais Erzherzog Ludwig Viktor am Wiener Schwarzenbergplatz untergebracht. Quelle: Wikipedia, Lizenz: gemeinfrei. Foto: Tokfo.

Finanzgebarung und Kontrolle Der Zukunftsfonds wurde als ein sogenannter „sich verzehrender Fonds“ konzipiert, der bei seiner Gründung mit über 20 Millionen Euro ausgestattet wurde. Von diesem Gesamtbetrag durfte er ab 2006 jährlich maximal zwei Millionen Euro für Förderprojekte ausgeben. 2017 waren diese Geldmittel so weit ausgeschöpft, dass der Fonds mit Ende 2018 seine Tätigkeit hätte einstellen müssen. Im Oktober 2017 wurde er deshalb über eine Gesetzesnovelle mit weiteren zwei Millionen Euro jährlich an Mitteln des Bundes zur Erfüllung seiner Aufgaben bis zum Jahr 2022 ausgestattet.

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Charakterisierung des Zukunftsfonds

Die Geldmittel des Fonds fließen zum Großteil in die Projektförderungskosten. Daneben hat der Zukunftsfonds aber auch Verwaltungskosten – Sachaufwand sowie Infrastrukturund Personalkosten – zu bestreiten. Diese werden jedoch zu einem Teil vom österreichischen Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) übernommen, da dieses entsprechend § 5 des Zukunftsfondsgesetzes dazu angehalten ist, dem Fonds technische und administrative Unterstützung zu leisten. Als der Zukunftsfonds mit 3. Mai 2017 vom Heldenplatz in seine neuen Büroräume am Schwarzenbergplatz 1, 1010 Wien, übersiedelte, übernahm das BMEIA ebenfalls die hierfür anfallenden Kosten.5 Die Finanzen des Zukunftsfonds unterliegen der Kontrolle durch das Kuratorium. Zudem unterzieht sich der Fonds freiwillig einer jährlichen Prüfung durch ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Der Prüfbericht wird jeweils dem/der Präsidenten/in des Rechnungshofes und dem Bundesministerium für Finanzen zur Kenntnis gebracht. Bisher konnte in den Prüfberichten hinsichtlich der Gebarung stets festgestellt werden, dass „die Einhaltung der Zweckmäßigkeit, Sparsamkeit und der gesetzlichen Rahmenbedingungen [bestätigt wurde]. Im eigenen Wirkungsbereich der Projektförderung gibt es eine schlanke Organisationsstruktur, und Auszahlungen wurden ausschließlich nach erfolgter Projektgenehmigung durch das Kuratorium durchgeführt.“6

Die Organe des Zukunftsfonds Die Organe des Zukunftsfonds bestehen aus einem Kuratorium, dem Projektförderungsbeirat und dem/der Generalsekretär/in, dem/der ein Sekretariat unterstellt ist. Das Kuratorium war in den ersten drei Funktionsperioden des Zukunftsfonds bis 2020 fünfköpfig, die Novellierung des Zukunftsfonds-Gesetzes aus dem Jahr 2017 sieht eine Änderung ab der vierten Funktionsperiode, beginnend mit Jänner 2021, auf sieben Mitglieder vor. Je zwei Mitglieder des Kuratoriums werden vom/von der Bundeskanzler/in und vom/von der Bundesminister/in für Europa, Integration und Äußeres für jeweils fünf Jahre nominiert, je ein Mitglied von den Bundesministern für Finanzen und für Bildung. Darüber hinaus schlägt der/die Bundeskanzler/in die/den Vorsitzende/n des Kuratoriums vor. Ebenso wird der/die Generalsekretär/in auf Vorschlag des/der Bundeskanzlers/in vom Kuratorium bestellt. Dem/ der Generalsekretär/in obliegt per Gesetz die Vertretung des Fonds nach außen, er/sie führt den Vorsitz im Projektförderungsbeirat und beruft die Sitzungen ein. Zudem unterstützt er/ sie das Kuratorium bei der Verwaltung des Fonds und bereitet die Beschlüsse und Entschei5 ÖZF, Jahresbericht des Zukunftsfonds 2017, S. 21. Online unter: http://www.zukunftsfonds-austria. at/jahresberichte/zf_jahresbericht_2017.pdf (2.6.2020). 6 ÖZF, Jahresbericht des Zukunftsfonds 2018, S. 22.

Die Organe des Zukunftsfonds

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Abb. 34: Seit 2019 ist Anita Dumfahrt Generalsekretärin des Zukunftsfonds. Quelle: AdBIK. Foto: Yevgenia ­Nazaruk.

dungen des Kuratoriums vor. Zur Durchführung dieser und weiterer Aufgaben steht dem/der Generalsekretär/in ein Sekretariat zur Verfügung. Die Mitglieder des Kuratoriums und des Projektförderungsbeirats üben ihre Funktion ehrenamtlich aus. In der ersten Funktionsperiode des Zukunftsfonds von 2006 bis 2011 hatte Botschafter i. R. Richard Wotava die Funktion des Generalsekretärs inne. In der zweiten Funktionsperiode übernahm Herwig Hösele diese Position. Seit 10. Dezember 2019 ist Anita Dumfahrt amtierende Generalsekretärin, die seit 2006 – zuerst als Projektmanagerin und von 2012 bis 2019 als Büroleiterin – im Zukunftsfonds tätig ist. Der Vorsitz im Kuratorium lag zwischen 2006 und 2011 bei Frau Landeshauptmann a. D. Waltraud Klasnic. Ihr folgte Kurt Scholz nach, der im Oktober 2019 nach jahrelangem ehrenamtlichen Engagement seine Funktion zurücklegte. Auf Vorschlag der damaligen Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein wurde Herwig Hösele zum neuen Vorsitzenden bestellt. Christoph Kainz war seit der ersten Funktionsperiode als stellvertretender Vorsitzender im Kuratorium tätig. Nach seinem unerwarteten Tod im Februar 2018 wurde Botschafter i. R. Hans Winkler, vormals Direktor der Diplomatischen Akademie Wien, stellvertretender Vorsitzender, und

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Charakterisierung des Zukunftsfonds

Abb. 35: Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein empfing im November 2019 den langjährigen Vorsitzenden des Kuratoriums des Zukunftsfonds, Kurt Scholz (rechts), und den im Oktober über ihren Vorschlag neugewählten Vorsitzenden Herwig Hösele zu einem Gespräch im Bundeskanzleramt. Quelle: ÖZF. Foto: BKA/Wenzel.

Volksanwalt Peter Fichtenbauer kam durch Nominierung der damaligen Außenministerin Karin Kneissl als neues Mitglied ins Kuratorium. Bundeskanzler a.D. Werner Faymann fungierte zwischen 2016 und 2018 als Kuratoriumsmitglied, ihm folgte Anfang Februar 2019 der frühere langjährige Landeshauptmann von Niederösterreich, Erwin Pröll, auf Bestellung von Bundeskanzler Sebastian Kurz als neues Kuratoriumsmitglied nach. Organe des Zukunftsfonds

Funktion

Zeitraum der Tätigkeit

Richard Wotava

Generalsekretär

13.1.2006 bis 28.2.2011

Herwig Hösele

Generalsekretär

1.3.2011 bis 7.10.2019

Anita Dumfahrt

Generalsekretärin

provisorisch von 08.10. bis 10.12.2019, definitiv seit 10.12.2019

Generalsekretär/in

Die Organe des Zukunftsfonds

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Kuratorium Waltraud Klasnic

Vorsitzende des Kuratoriums

13.1.2006 bis 9.1.2011

Kurt Scholz

Vorsitzender des Kuratoriums

13.1.2006 bis 23.9.2019

Herwig Hösele

Vorsitzender des Kuratoriums

seit 8.10.2019

Christoph Kainz

Stellvertretender Vorsitzender

13.1.2006 bis 23.2.2018

Hans Winkler

Mitglied

seit 10.1.2011

Stellvertretender Vorsitzender

seit 6.3.2018, geschäftsführender Vorsitzender von 23.9. bis 8.10.2019

Jiří Gruša

Mitglied

13.1.2006 bis 9.1.2011

Moshe Jahoda

Mitglied

13.1.2006 bis 5.8.2016

Max Kothbauer

Mitglied

seit 10.1.2011, mit einer kurzen Unterbrechung 2016

Werner Faymann

Mitglied

1.6.2016 bis 1.10.2018

Peter Fichtenbauer

Mitglied

seit 3.4.2018

Erwin Pröll

Mitglied

seit 31.1.2019

Max Kothbauer

Mitglied

24.1.2006 bis 9.1.2011

Gerald Stourzh

Mitglied

24.1.2006 bis 11.12.2007

Manfried Rauchensteiner

Mitglied

seit 24.1.2006

Margarete Grandner

Mitglied

seit 24.1.2006

Helene Maimann

Mitglied

seit 11.12.2007

Robert Pfaller

Mitglied

seit 5.7.2011

Herma Papouschek

Sekretariat

seit 1.5.2013

Ceylan Eriylmaz

Sekretariat

1.1.2006 bis 30.4.2020

Paul Rachler

wissenschaftlicher Mitarbeiter

seit 1.9.2020

Johannes Benedikter

IT Consultant

seit 1.1.2006

Projektförderungsbeirat Unter dem Vorsitz des/der jeweiligen Generalsekretärs/in

Sekretariat

Tabelle: Die Organe des Zukunftsfonds mit Stand September 2020. Quelle: ÖZF.

Der Projektförderungsbeirat setzte sich in der ersten Funktionsperiode aus Manfried Rauchensteiner, Gerald Stourzh, Max Kothbauer und Margarete Grandner zusammen. Ende des

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Charakterisierung des Zukunftsfonds

Abb. 36: Der Projektförderungsbeirat des Zukunftsfonds der Republik Österreich 2015. (v. l. n. r.) Herwig Hösele, Robert Pfaller, Helene Maimann und Manfried Rauchensteiner. Nicht im Bild: Margarete Grandner. Quelle: AdBIK. Foto: Alexandra Kofler.

Jahres 2007 folgte Helene Maimann Gerald Stourzh im Projektförderungsbeirat nach. Im Juli 2011 wurde Robert Pfaller als Nachfolger von Max Kothbauer Mitglied im Beirat. Seitdem ist der wissenschaftliche Beirat des Zukunftsfonds in dieser Konstellation tätig. Im ersten Tätigkeitsjahr 2006 umfasste das Sekretariat des Zukunftsfonds mit dem Generalsekretär 6,5 Angestellte.7 Im Zuge der Beendigung der Restagenden aus dem Versöhnungsfonds verringerte sich der Personalstand auf 4,5 Angestellte. Zwischen 2012 und 2019 umfasste der Personalstand des Zukunftsfonds vier Personen. Im Oktober 2020 waren es mit der Generalsekretärin drei Personen, das sind 2,6 Vollzeitäquivalente.

7 ÖZF, Jahresbericht des Zukunftsfonds 2006, S. 2. Online unter: http://www.zukunftsfonds-austria. at/jahresberichte/zf_jahresbericht_2006.pdf (2.6.2020).

Die aktuellen und ehemaligen Gremien-Mitglieder im Kurzporträt

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Die aktuellen und ehemaligen Gremien-Mitglieder im Kurzportr ät Mag. Anita Dumfahrt, geboren 1968 in Horn, studierte Publizistik, Kommunikationswissenschaft und Geschichte an der Universität Wien und absolvierte eine Projektmanagement-Ausbildung am WIFI Wien. Sie war unter anderem bei der österreichischen Verlagsvertretung der deutschen Holtzbrinck-Gruppe, als parlamentarische Mitarbeiterin im österreichischen Nationalrat sowie als Kundenbetreuerin bei einer Werbeagentur tätig. Von 2003 bis 2005 fungierte Anita Dumfahrt als Assistentin des Komitee-Vorsitzenden Ludwig Steiner im Österreichischen Versöhnungsfonds. Seit 2006 ist sie im Zukunftsfonds der Republik Österreich tätig, zuerst als Projektmanagerin, von 2012 bis 2019 als Büroleiterin und seit Dezember 2019 als Generalsekretärin. Werner Faymann, geboren 1960 Wien, begann seine beruflich-politische Laufbahn 1985 als jüngstes Mitglied im Wiener Landtag, dem er bis 1994 angehörte. Von 1994 bis 2007 war er als Stadtrat für Wohnen, Wohnbau und Stadt­erneuerung, Präsident des Wohnfonds Wien und Vizepräsident des Wiener Wirtschaftsförderungsfonds tätig. 2007 wurde er Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, von 2008 bis 2016 war er Bundeskanzler der Republik Österreich und SPÖ-Vorsitzender. Von 2016 bis 2018 war Werner Faymann Mitglied des Kuratoriums des Zukunftsfonds der Republik Österreich.

Abb. 37: Anita Dumfahrt. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Abb. 38: Werner Faymann. Quelle: SPÖ Presse & Kommunikation.

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Charakterisierung des Zukunftsfonds

BGDR Dr. Peter Fichtenbauer, geboren 1946 in Alt-Dietmanns, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien und ist seit 1975 als selbstständiger Rechtsanwalt in Wien tätig. 2006 war er Mitglied des ORF-Stiftungsrates. Von 2006 bis 2013 war er Abgeordneter zum Nationalrat und Klubobmann-Stellvertreter des Freiheitlichen Parlamentsklubs. Zwischen 2013 und 2019 fungierte Peter Fichtenbauer als Volksanwalt auf Bundes­e bene zuständig für das Polizei-, Fremden- und Asylrecht, die Landesverteidigung, die Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, den Natur- und Umweltschutz, Gewerbe und Betriebsanlagen, Kindergärten, Schulen und Universitäten. Seit 2018 ist er Mitglied des Kuratoriums des Zukunftsfonds der Republik Österreich.

Abb. 39: Peter Fichtenbauer. Quelle: ­Parlamentsdirektion. Foto: Wilke.

Univ.-Prof. Dr. Margarete Grandner, geboren 1953 in Kindberg, studierte Geschichte, Anglistik und Literatur an der Universität Wien. Von 1983 bis zu ihrer Habilitation im Jahr 2001 war sie Assistentin am Institut für Geschichte der Universität Wien. Seit 2003 ist sie Professorin für neuere Geschichte an der Universität Wien und seit 2005 Studiengangsleiterin am Institut für Internationale Entwicklung. Grandner lehrte unter anderem an der University of Minnesota (1988), an der University of Chicago (1994 und 2008) sowie an der Universität Leiden (2010). Seit 2010 forscht und lehrt sie am Institut für Internationale Entwicklung. Margarete Grandner ist seit 2006 Mitglied im Projektförderungsbeirat des Zukunftsfonds der Republik Österreich.

Abb. 40: Margarete Grandner. Quelle: ÖZF. Foto: privat.

Die aktuellen und ehemaligen Gremien-Mitglieder im Kurzporträt

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Botschafter Dr. Jiří Gruša, geboren 1938 in Pardubice (Tschechien), gestorben 2011 in Hannover, studierte Philosophie und Geschichte an der Prager Karls-Universität. Er war eine bedeutende Persönlichkeit der tschechoslowakischen Dissidentenszene und Mitunterzeichner der Charta 77. Im Jahr 1981 wurde ihm während eines USA-Aufenthalts die Abb. 41: Jiří Gruša. Quelle: ÖKF Prag. tschechoslowakische Staatsbürgerschaft aberkannt. Er lebte vor allem in der Bundesrepublik Deutschland und kehrte erst 1990 in die Tschechoslowakei zurück. Von 1991 bis 1997 war Gruša Botschafter in Deutschland und von 1998 bis 2004 in Österreich. 1997 fungierte er als tschechischer Bildungsminister. 2003 wurde Gruša zum Präsidenten des internationalen PEN-Clubs gewählt. Zwischen 2005 und 2009 war er Leiter der Diplomatischen Akademie in Wien. Im Zukunftsfonds der Republik Österreich engagierte sich Jiří Gruša von 2006 bis 2011 als Kuratoriumsmitglied. Prof. Herwig Hösele, geboren 1953 in Graz, begann seine berufliche Laufbahn als Journalist. Er war enger Mitarbeiter und Berater der Landeshauptleute Josef Krainer und Waltraud Klasnic, Mitglied und Präsident des Bundesrates von 2000 bis 2005 sowie Mitinitiator des Österreich-Konvents. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik engagierte sich Herwig Hösele unter anderem als Koordinator der Dialogreihe „Geist und Gegenwart“ sowie als Vorsitzender des Club Alpbach Steiermark. Seit 2010 unterstützt er Waltraud Klasnic in ihrer Tätigkeit als unabhängige Opferschutzanwältin, seit 2014 ist er im Stiftungsrat im ORF. Seit 2017 ist er Mitglied des Publikumsforums des Hauses der Geschichte Österreich und seit 2018 Abb. 42: Herwig Hösele. Quelle: Parlaments­ Vorsitzender des Universitätsrates der Universidirektion. Quelle: Zolles/Leo Hagen. tät für Musik und darstellende Kunst Graz. Von 2011 bis 2019 hatte Herwig Hösele die Funktion des Generalsekretärs des Zukunftsfonds der Republik Österreich inne, seit Oktober 2019 ist er Vorsitzender des Kuratoriums.

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Charakterisierung des Zukunftsfonds

Dir. Prof. Moshe Hans Jahoda M.P.A., geboren 1926 in Wien, gestorben 2016 in Israel. Jahoda musste im Alter von 13 Jahren vor den Nationalsozialisten aus Österreich nach Palästina flüchten. Als Major der israelischen Armee wurde er im Unabhängigkeitskrieg 1948 verwundet. Jahoda war in verschiedenen Ministerien tätig, unter anderem als Diplomat in Südamerika sowie als Leiter jüdischer Hilfsorganisationen. 2001 nahm er als Vertreter der Claims Conference federführend an den Verhandlungen über das Washingtoner Abkommen zur Entschädigung jüdischer NS-Opfer durch Österreich teil. Für seine Verdienste um die Republik Österreich erhielt er mehrfache AuszeichAbb. 43: Moshe Hans Jahoda. Quelle: ÖZF. nungen, darunter das Große Silberne EhrenzeiFoto: Ernst Weingartner. chen sowie den Ehrentitel „Professor“. Von 2006 bis 2016 war er Kuratoriumsmitglied des Zukunftsfonds der Republik Österreich und kooptiertes Mitglied im Allgemeinen Entschädigungsfonds sowie im Nationalfonds. Dr. Christoph Kainz, geboren 1960 in Wien, gestorben 2018 in Wien, absolvierte das Studium der Rechtswissenschaften und promovierte 1983 an der Universität Wien. Von 1984 bis 2018 stand er im Dienst der Wirtschaftskammer Österreich, wo er in der Bundessektion Industrie tätig war. Christoph Kainz war als Entsandter des Zukunftsfonds der Republik Österreich Mitglied des österreichischen Steering-Komitees für die Neugestaltung der Österreich-Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Von 2000 bis 2005 war er Mitglied des Komitees des Österreichischen Versöhnungsfonds. Von 2006 bis 2018 war Christoph Kainz stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums des Zukunftsfonds der Republik Österreich.

Abb. 44: Christoph Kainz. Quelle: ÖZF. Foto: privat.

Die aktuellen und ehemaligen Gremien-Mitglieder im Kurzporträt

Landeshauptmann a. D. Waltraud Klasnic, geboren 1945 in Graz, ist seit 1970 in der Österreichischen Frauenbewegung tätig. Sie war Mitglied des Bundesrates und Abgeordnete zum Steiermärkischen Landtag. Ab 1988 war Klasnic Landesrätin für Wirtschaft, Tourismus und Verkehr. Von 1993 bis 1996 war sie Landeshauptmannstellvertreterin der Steiermark und von 1996 bis 2006 Landeshauptfrau der Steiermark sowie Landesparteiobfrau der steirischen ÖVP. Seit 2008 fungiert sie als Vorsitzende des Dachverbandes Hospiz Österreich. 2010 wurde sie zur Opferschutzanwältin für Betroffene von Missbrauch und Gewalt in der Katholischen Kirche in Österreich ernannt. Seit 2013 ist sie Vorsitzende des Universitätsrates der Montanuniversität Leoben. Von 2006 bis 2011 war Waltraud Klasnic Vorsitzende des Kuratoriums des Zukunftsfonds der Republik Österreich. Mag. Max Kothbauer, geboren 1950 in Wien, studierte Volkswirtschaft an der Universität Wien. Er war in mehreren Ministerien, bei Versicherungen und Banken tätig, darunter als stellvertretender Generaldirektor der Creditanstalt und als Chef der PSK. Von 2003 bis 2013 war er Vorsitzender des Universitätsrates der Universität Wien und von 2008 bis 2018 Vizepräsident der Österreichischen Nationalbank. Zwischen 2000 und 2005 war Kothbauer Mitglied im Komitee des Österreichischen Versöhnungsfonds. Max Kothbauer engagiert sich seit 2006 im Zukunftsfonds der Republik Österreich, zuerst als Mitglied des Projektförderungsbeirates, seit 2011 als Mitglied des Kuratoriums des Zukunftsfonds der Republik Österreich.

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Abb. 45: Waltraud Klasnic. Quelle: Parlamentsdirektion. Foto: Zolles/ Jacqueline Godany.

Abb. 46: Max Kothbauer. Quelle: Oesterreichische Nationalbank.

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Charakterisierung des Zukunftsfonds

Univ.-Lekt. Dr. Helene Maimann, geboren 1947 in Wien, studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie an der Universität Wien. Nach ihrer Promotion 1973 war Maimann Lektorin an den Universitäten Wien und Salzburg sowie Gastprofessorin an der TU Wien. Helene Maimann ist als ORF-Redakteurin, Ausstellungs- und Filmemacherin tätig und leitete mehrere große Ausstellungen zur österreichischen Zeitgeschichte. Seit 2010 unterrichtet sie an der Filmakademie in Wien. Für ihre Arbeit wurde Helene Maimann mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich ausgezeichnet. Seit 2007 ist sie Mitglied im Projektförderungsbeirat des Zukunftsfonds der Republik Österreich. Univ.-Prof. Dr. Robert Pfaller, geboren 1962 in Wien, studierte Germanistik und Philosophie an den Universitäten Wien und Berlin. Ab 1993 war er Assistent an der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz und habilitierte sich 2002 für das Fach Kulturwissenschaft und Kulturtheorie. Von 2009 bis 2014 lehrte er als Professor für Philosophie an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, seit 2014 lehrt und forscht er an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz. Robert Pfaller ist Gründungsmitglied der Wiener Forschungsgruppe für Psychoanalyse „Stuzzicadenti“ und wurde 2007 mit dem Preis „The Missing Link“ des Psychoanalytischen Seminars Zürich ausgezeichnet. Seit 2011 ist er Mitglied des Projektförderungsbeirats des Zukunftsfonds der Republik Österreich.

Abb. 47: Helene Maimann. Quelle: ÖZF. Foto: privat.

Abb. 48: Robert Pfaller. Quelle: ÖZF. Foto: Burkhardt Bodenwinkler.

Die aktuellen und ehemaligen Gremien-Mitglieder im Kurzporträt

Landeshauptmann a. D. Dr. Erwin Pröll, geboren 1946 in Radlbrunn, studierte an der Universität für Bodenkultur in Wien und schloss sein Studium als Agrarökonom ab. Noch vor seiner Promotion wurde er 1972 wissenschaftspolitischer Referent im Österreichischen Bauernbund. Von 1980 bis 2017 war er Mitglied der Niederösterreichischen Landesregierung, davon ab 1992 Landeshauptmann. Seit seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik im Jahr 2017 übt Erwin Pröll etliche Funktionen aus, so ist er etwa Aufsichtsratsvorsitzender der KULTUR.REGION.NIEDERÖSTERREICH GmbH. Für seine Verdienste erhielt er zahlreiche österreichische sowie internationale Auszeichnungen und ist Ehrenbürger vieler niederösterreichischer Gemeinden. Erwin Pröll ist seit 2019 Mitglied im Kuratorium des Zukunftsfonds der Republik Österreich. Univ.-Prof. Dr. Manfried Rauchensteiner, geboren 1942 in Villach, studierte Geschichtswissenschaften und Germanistik an der Universität Wien. Er habilitierte sich 1975 für österreichische Geschichte an der Universität Wien und war Dozent an den Universitäten Wien und Innsbruck. Er war zudem von 1979 bis 1983 an der Militärakademie Wiener Neustadt sowie ab 1976 an der Landesverteidigungsakademie tätig. Zwischen 1992 und 2005 war Manfried Rauchensteiner Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums, seit 2000 lehrt er an der Diplomatischen Akademie Wien. Manfried Rauchensteiner ist seit 2006 Mitglied des Projektförderungsbeirats des Zukunftsfonds der Republik Österreich.

Abb. 49: Erwin Pröll. Quelle: ZVG.

Abb. 50: Manfried Rauchensteiner. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

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Charakterisierung des Zukunftsfonds

Dr. Kurt Scholz, geboren 1948 in Wien, studierte Geschichte, Germanistik und Psychologie an der Universität Wien. Von 1975 bis 1984 war er im Bundesministerium für Unterricht und Kunst tätig, von 1984 bis 1992 Koordinator der Stadtaußenpolitik Wiens und Bereichsleiter für Kulturfragen. Kurt Scholz fungierte zwischen 1992 und 2001 als Präsident des Stadtschulrats für Wien, von 2001 bis 2008 war er als Sonderbeauftragter der Stadt Wien für Restitutions- und Zwangsarbeiterfragen zuständig. Kurt Scholz ist ehrenamtlich als Vorsitzender des Internationalen Forums Mauthausen sowie des Internationalen Beirates der KZ-Gedenkstätte Mauthausen tätig. Darüber hinaus fungiert er als Koordinator des Abb. 51: Kurt Scholz. Quelle: ÖZF. „Forum Zentralmatura“ im Bundesministerium Foto: privat. für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Kurt Scholz engagierte sich 13 Jahre lang im Zukunftsfonds der Republik Österreich: Von 2006 bis 2019 war er Mitglied des Kuratoriums, von 2011 bis 2019 dessen Vorsitzender. Univ.-Prof. Dr. Gerald Stourzh, geboren 1929 in Wien, promovierte 1951 im Fach Geschichte und war bis 1958 an der University of Chicago tätig. 1962 habilitierte er sich in Wien und trat in das Außenministerium ein, wo er das Referat für den Europarat übernahm. Er lehrte an der Freien Universität Berlin, war Mitglied des Institute for Advanced Studies in Princeton und ab 1969 bis zu seiner Emeritierung 1997 an der Universität Wien tätig. Zu den Forschungsgebieten von Gerald Stourzh zählen unter anderem die nordamerikanische Geschichte, insbesondere des 18. Jahrhunderts sowie die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, politische Ideengeschichte und österreichische Geschichte. Von 2006 bis 2007 war er Mitglied im Projektförderungsbeirat des Zukunftsfonds der Republik Österreich.

Abb. 52: Gerald Stourzh. Quelle: ÖZF. Foto: Verena Stourzh.

Die aktuellen und ehemaligen Gremien-Mitglieder im Kurzporträt

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Botschafter i. R. Dr. Hans Winkler, geboren 1945 in Wien, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Nach seiner Promotion 1968 absolvierte er ein postgraduales Studium an der Diplomatischen Akademie und begann 1970 seine Laufbahn im auswärtigen Dienst. Er übte unterschiedliche Funktionen in den österreichischen Botschaften in Washington, Belgrad und Kairo aus und war von 1992 bis 1996 ständiger Vertreter Österreichs beim Europarat. Zwischen 1996 und 1999 leitete Winkler die Abteilung für Amerika im BMEIA, von 2002 bis 2005 war er stellvertretender Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten und von 2005 Abb. 53: Hans Winkler. Quelle: ÖZF. bis 2008 Staatssekretär im BMEIA. Als Leiter Foto: Ernst Weingartner. des Völkerrechtsbüros zwischen 1999 und 2005 war Hans Winkler mit den Verhandlungen um die Entschädigung von Zwangsarbeitern sowie mit der Restitutionsfrage befasst. Von 2009 bis 2017 war er Direktor der Diplomatischen Akademie Wien. Hans Winkler ist seit 2011 als Kuratoriumsmitglied im Zukunftsfonds der Republik Österreich tätig, seit 2018 als stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums. Botschafter i. R. Dr. Richard Wotava, geboren 1933 in Wien, ist promovierter Jurist und trat 1956 in den auswärtigen Dienst ein. Als Diplomat war er in Rom, Tel Aviv, Athen, Caracas, Warschau und Madrid tätig, in den drei letztgenannten Hauptstädten auch als Botschafter. Richard Wotava fungierte von 1987 bis 1994 als ständiger Vertreter Österreichs bei den Vereinten Nationen und bei der U ­ NIDO in Wien. Zwischen 2000 und 2005 war er Generalsekretär des Österreichischen Versöhnungsfonds, zwischen 2006 und 2011 Generalsekretär des Zukunftsfonds der Republik Österreich.

Abb. 54: Richard Wotava. Quelle: ÖZF. Foto: privat.

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Charakterisierung des Zukunftsfonds

Aufgaben und Arbeitsweisen „Die Aufgabe des Zukunftsfonds ist es, mit der Erinnerung an die dunklen Seiten der Geschichte und der Erforschung antidemokratischer und totalitärer Tendenzen das Demokratiebewusstsein zu stärken und in die Zukunft zu tragen“, so Herwig Hösele, amtierender Kuratoriumsvorsitzender, über die zentrale Bedeutung des Zukunftsfonds. Denn: „Erst das Wissen um die Geschichte und eine kritische Auseinandersetzung mit derselben sensibilisieren und können bedrohlichen Strömungen entgegenwirken.“8 Um einen Beitrag für Bewusstseinsbildung in den Themenbereichen wie Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Toleranz leisten zu können, die auch kleine, lokale Gruppen erreicht, sei die Fördertätigkeit des Zukunftsfonds neben dem wissenschaftlichen vor allem im zivilgesellschaftlichen Bereich – etwa über pädagogische Projekte oder solche im Kunst- und Kulturbereich – besonders wichtig, betont Generalsekretärin Anita Dumfahrt.9 Vor dem Hintergrund dieser Aufgabenstellung übernehmen die beiden Gremien und das Sekretariat jeweils verschiedene Funktionen. Das Sekretariat bzw. Büro des Zukunftsfonds erfüllt als „Basis-Infrastruktur“ sämtliche administrativen und organisatorischen Aufgaben. Darunter fallen unter anderem die Beratung der Antragsteller, die Erfassung und Dokumentation der Projekte sowie das Projektcontrolling, die Vor- und Nachbereitung der Gremien-Sitzungen, die Öffentlichkeitsarbeit, das Erstellen der Jahresberichte, die Betreuung der Webseite inklusive Online-Archiv und Online-Projektdatenbank sowie die Veranstaltungsorganisation. Die Aufgaben des ehrenamtlich tätigen, aus Spezialisten der für die Projektförderungen in Frage kommenden Fachrichtungen bestehenden Projektförderungsbeirats sind die Begutachtung der Projektanträge hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit den Richtlinien über die Gewährung von Leistungen, die Abgabe von Stellungnahmen zu diesen Anträgen für das Kuratorium sowie die fachliche Beratung des Kuratoriums. Der Projektförderungsbeirat, der unter dem Vorsitz des/der Generalsekretärs/in steht, begutachtet die im Sekretariat eingelangten Projektansuchen und legt dem Kuratorium seine Stellungnahme vor. Falls erforderlich werden zur Begutachtung von Projekteinreichungen zudem externe Gutachter für eine Expertise herangezogen. Das ebenso ehrenamtlich tätige Kuratorium bildet das oberste Organ des Zukunftsfonds. Es entscheidet autonom auf der Grundlage der Stellungnahmen des Projektförderungsbeirates über die Projektanträge und die Mittelvergaben. Zu seinen Aufgaben zählen die Beschlussfassung über die Gewährung von Leistungen gemäß dem gesetzlichen Auftrag des 8 AdBIK, Interview Herwig Hösele, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien, 12.5.2015. 9 AdBIK, Interview Anita Dumfahrt, durchgeführt von Katharina Bergmann-Pfleger. Wien 16.6.2020.

 

Aufgaben und Arbeitsweisen

Abb. 55: Herma Papouschek ist seit 2013 im Sekretariat des Zukunftsfonds tätig. Gemeinsam mit Anita Dumfahrt organisiert sie zudem die Werkstattgespräche. Quelle: AdBIK. Foto: Yevgenia Nazaruk. Abb. 56: Johannes Benedikter ist seit 2006 als IT Consultant für den Zukunftsfonds tätig. In dieser Eigenschaft kümmert er sich um sämtliche IT-Infrastruktur und die Website des ÖZF. Quelle: ÖZF. Foto: Anna Waldherr. Abb. 57: Seit September 2020 verstärkt Paul Rachler als wissenschaftlicher Mitarbeiter das Team des Zukunftsfonds. Quelle: ÖZF.

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Charakterisierung des Zukunftsfonds

Abb. 58: Das Kuratorium des Zukunftsfonds der Republik Österreich 2020 (v. l. n. r.): Erwin Pröll, Herwig Hösele, Hans Winkler, Max Kothbauer und Peter Fichtenbauer. Quelle: AdBIK. Foto: Yevgenia Nazaruk.

Fonds, die Kontrolle über die widmungsgemäße Verwendung des Fondsvermögens sowie der Kontakt und die Kooperation mit anderen Einrichtungen im In- und Ausland. Der Vorsitzende des Kuratoriums erstattet dem Hauptausschuss des Nationalrates und der Bundesregierung über jedes Geschäftsjahr Bericht, der auch veröffentlicht wird. „Das große Glück ist, dass wir in diesem Fonds Menschen haben, die wirklich mit großer Empathie und Engagement für das Thema eintreten, absolut glaubwürdig sind und bereits seit vielen, vielen Jahren mit der Thematik befasst sind“, sagt Herwig Hösele über die beiden Gremien. „Das Kuratorium sowie der Projektförderungsbeirat des Zukunftsfonds zeichnen sich durch eine ungemeine Sachorientierung, durch eine große Sachkenntnis und außerordentlich angenehme Umgangsformen aus. Jeder Beschluss wurde bisher stets einstimmig gefasst. Es sind Personen, die ihr Engagement leben, und nicht nur einfach eine Aufgabe erfüllen. Das ist nicht selbstverständlich, sondern ein großes Glück.“10 Die Arbeit des Kuratoriums und des Projektförderungsbeirats kann dabei als Zwei-Säulen-Modell beschrieben werden. Die beiden Gremien treten im Rhythmus von sechs Wochen zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen; in einer separaten Sitzung entscheiden die Mitglieder des Kuratoriums dann autonom über die Projektanträge. Dadurch ergeben sich 10 AdBIK, Interview Herwig Hösele, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien, 12.5.2015.

Aufgaben und Arbeitsweisen

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für die Antragsteller kurze Wartezeiten von maximal drei Monaten bis zum Erhalt des Bescheids. Obwohl der Kuratoriumsvorsitzende per Gesetz eigentlich nur zweimal jährlich zur Einberufung einer Sitzung verpflichtet ist, hat sich in der Praxis der sechswöchige Rhythmus bewährt. So können nicht nur die eingereichten Projektanträge rasch entschieden werden, auch der kontinuierliche Gedankenaustausch zwischen Kuratorium und Beirat wird dadurch sichergestellt.11 Um zeitliche Verzögerungen für die Projekteinreicher zu vermeiden, behielten die Gremien des Zukunftsfonds auch während der Corona-Pandemie und des damit einhergehenden Lockdowns beziehungsweise Stillstehens des öffentlichen Lebens im Frühjahr und Frühsommer 2020 ihre geplanten Sitzungen bei. Der Austausch fand allerdings ausschließlich online statt. „Zwei Sitzungen ausfallen zu lassen, wäre aufgrund der hohen Anzahl an Einreichungen nicht möglich gewesen. Trotz allem ist der persönliche Austausch natürlich ein anderer, und als Dauerlösung wären solche Sitzungen im virtuellen Raum nicht erstrebenswert“12, resümiert Generalsekretärin Anita Dumfahrt die Arbeitsbedingungen während der „Corona-Krise“.

11 Vgl. AdBIK, Interview Anita Dumfahrt und Herwig Hösele, durchgeführt von Katharina Bergmann-Pfleger. Wien 16.6.2020. 12 AdBIK, Interview Anita Dumfahrt, durchgeführt von Katharina Bergmann-Pfleger. Wien 17.6.2020.

Tätigkeitsfelder des Zukunftsfonds Seit seiner Gründung im Jahr 2005 liegt die Hauptaufgabe des Zukunftsfonds in seiner vielseitigen und umfangreichen Fördertätigkeit. In den letzten 15 Jahren widmete sich der Fonds jedoch zahlreichen weiteren Tätigkeitsfeldern, zu denen unter anderem die Restabwicklung der Versöhnungsfondsagenden bis zum Jahr 2010, die Durchführung der regelmäßigen Veranstaltungsreihe der Werkstattgespräche in der Diplomatischen Akademie Wien seit Herbst 2011 sowie die Übernahme repräsentativer und beratender Aufgaben der einzelnen Kuratoriumsmitglieder und des/r Generalsekretärs/in zählen.

Restabwicklung der Versöhnungsfondsagenden Der Zukunftsfonds war in den ersten Jahren seines Bestehens – zusätzlich zu seiner Hauptaufgabe der Projektförderung – mit der Restabwicklung der offenen Agenden aus dem Versöhnungsfonds beauftragt. Bis zum 31. Dezember 2007 erbrachte er Leistungen im Zusammenhang mit den Anträgen von ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern, die während der Funktionsdauer des Versöhnungsfonds bereits genehmigt, bei denen aber die Begünstigten noch nicht ausfindig gemacht worden waren. Zudem übernahm der Zukunftsfonds bis zum 31. Dezember 2010 vom Versöhnungsfonds die Behandlung und Leistungserbringung in Erb- und Beschwerdefällen. Weiters übernahm er von seinem Vorgänger die Aufgabe der projektbezogenen Vergabe aller den Partnerorganisationen zukommenden Restmittel sowie die Abwicklung der noch ausständigen Leistungen an einzelne Antragsteller, die nicht bzw. nicht mehr von Partnerorganisationen durchgeführt werden konnten.1 Von der Bedarfserhebung bis zur Preis- und Rechnungskontrolle erstreckten sich dabei die Aufgaben des Zukunftsfonds-Teams, wie Jürgen Strasser, ehemaliger wissenschaftlicher Leiter im Büro des ÖZF, berichtet: „Das betraf vor allem die Nachbearbeitung von Anträgen, aber auch die weitere Umsetzung sowie das Controlling der humanitären Projekte mit den sechs Partnerorganisationen des Versöhnungsfonds, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckten. Es handelte sich dabei um konkrete, personenbezogene Leistungen, vornehmlich medizinische Behandlungen oder Hilfsmittel wie Gehhilfen, Brillen oder Hörgeräte, die den noch lebenden Opfern der NS-Zwangsarbeit zugutegekommen sind.“2

1 Zukunftsfondsgesetz, 146. Bundesgesetz vom 19.12.2005. 2 AdBIK, Interview Jürgen Strasser, durchgeführt von Alexandra Kofler. Kiel 24.3.2015.

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Tätigkeitsfelder des Zukunftsfonds

Abb. 59: Jürgen Strasser und Wolfgang Jacobmeyer bei der wissenschaftlichen Konferenz „Zwangsarbeiter in Österreich und ihr Nachkriegsschicksal“ an der Universität Graz im Oktober 2011. Quelle: AdBIK. Foto: Harald Knoll.

Für die Abwicklung der Restauszahlungen an die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter standen drei Millionen Euro zur Verfügung, für humanitäre Projekte weitere 1,6 Millionen Euro, für die Abwicklung von Restagenden aus dem Versöhnungsfonds 660.000 Euro sowie 200.000 Euro für verspätete Zwangsarbeiter-Fälle der Partnerorganisationen der deutschen Stiftung. Somit erhielt der Zukunftsfonds aus den insgesamt 96,7 Millionen Euro Restmitteln des Versöhnungsfonds rund 25 Millionen Euro. Weiters erging eine freiwillige Spende seitens einer österreichischen Firma in der Höhe von 1,7 Millionen Euro, die im Verhältnis 4:5 zwischen dem Zukunftsfonds und der Stipendienstiftung aufgeteilt wurde.3 In Verbindung mit den Restagenden des Versöhnungsfonds entwickelte sich der Zukunftsfonds zu einer Anlaufstelle für viele ehemalige NS-Opfer, die sich über die Entschädigungsleistungen Österreichs informieren wollten.4 Damit waren für die Zukunftsfonds-Mitarbeiter umfangreiche Korrespondenzen, intensive Nachforschungen und zeitintensive Vorsprachen 3 ÖZF, Jahresbericht des Zukunftsfonds 2006, S. 1. 4 Laut Jahresbericht 2007 des Zukunftsfonds verzeichnete die Informationswebsite des Versöhnungsfonds (www.versoehnungsfonds.at) ein Jahr nach dessen Schließung immer noch 30.000 Online-Zugriffe.

Restabwicklung der Versöhnungsfondsagenden

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Abb. 60: 2013 erschien die Publikation „Zwangsarbeiter in Österreich“, deren Grundlage eine wissenschaftliche Auswertung der Archivbestände des Österreichischen Versöhnungsfonds darstellte. Quelle: AdBIK.

verbunden, wurden doch allen Betroffenen größte Geduld und Einfühlungsvermögen entgegengebracht. Auch Familienangehörige ehemaliger Zwangsarbeiter, die sich für die Geschichte ihrer Angehörigen interessierten, meldeten sich im Büro des Zukunftsfonds. Unter Wahrung des Datenschutzes sei es oft ein schwieriger Weg gewesen zu helfen, so Strasser, doch seien sogar Familienzusammenführungen gelungen: „Einmal rief mich eine Frau im Büro an und sagte: ‚Es wird Ihnen komisch vorkommen, aber ich bin jetzt 65 Jahre alt und auf der Suche nach meinem Vater. Vor wenigen Wochen starb meine Mutter, die mir vor ihrem Tod gestand, dass mein leiblicher Vater ein anderer ist und aus Frankreich stammt.‘ Was zuvor nicht einmal dem Suchdienst des Roten Kreuzes gelungen war, habe ich durch meine Kontakte zu französischen Opferverbänden geschafft: Ich konnte ihn ausfindig machen und war bei der Herstellung des Kontakts behilflich. Wenige Monate vor seinem Tod haben sich Vater und Tochter noch persönlich kennengelernt und getroffen.“5

5 AdBIK, Interview Jürgen Strasser, durchgeführt von Alexandra Kofler. Kiel 24.3.2015.

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Tätigkeitsfelder des Zukunftsfonds

Zu den Suchanfragen einzelner Personen kamen auch Anfragen von Forschenden hinzu, die etwa nach statistischen Angaben zu den Gesamtzahlen je nach Einsatzort ehemaliger Zwangsarbeiter suchten. „Auch darum haben wir uns gekümmert, was oftmals sehr aufwendig war, da wir nur Einträge zu einzelnen Orten oder Städten hatten, Informationen über Gebiete oder Regionen aber nur schätzungsweise berechnet werden können. Auch haben die verschiedenen Schreibweisen mehrere Möglichkeiten offengelassen. Aus diesen Arbeiten gingen die Rohdaten für die daran anschließende Aufarbeitung des Aktenbestandes des Versöhnungsfonds hervor“6, erinnert sich Strasser. Im Jahr 2008 beschloss der Zukunftsfonds, die Archivbestände des Österreichischen Versöhnungsfonds wissenschaftlich auswerten zu lassen.7 Mit dem Abschluss der Restagenden per 31. Dezember 2010 gingen 2.965.436 Millionen Euro an den Zukunftsfonds. Die Übertragung der verbliebenen Mittel war per Gesetz geregelt. Es zeichnete sich bereits im Vorfeld ab, dass bis zur gesetzlichen Frist mit 31. Dezember 2010 ein erheblicher Teil dieser Mittel – rund 3 Millionen Euro – übrig bleiben würde. Bis zur Frist mussten die Gelder für mögliche Ansprüche von Erben bereitgehalten werden, was zu Fristende jedoch nur mehr eine geringe Zahl von Einzelfällen betraf.

Öffentlichkeitsarbeit Damit die Tätigkeit des Zukunftsfonds und seine vielseitigen Projekte einen öffentlichen Rahmen erhalten und nicht im „Inneren“ des Fonds verbleiben, setzten sowohl Büro als auch Gremien des Fonds in den letzten Jahren einen Schwerpunkt auf den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Neben der Pflege seiner Online-Präsenz und der regelmäßigen Durchführung der Werkstattgespräche sind hier vor allem die Vertretung des Fonds bei Veranstaltungen und die Mitwirkung bei projektbezogenen Publikationen – etwa in Form von Vorwörtern – zu nennen. „Mittlerweile kennen uns die Leute, wir profitieren stark von einem gewissen ‚Schneeballsystem‘“, sagt Anita Dumfahrt. „Die Fördernehmer erwähnen uns etwa auf ihren Webseiten und verlinken zu uns. Nicht zu unterschätzen ist auch ein gewisses Maß an ‚Mundpropaganda‘. Leute, die bei uns ein Projekt eingereicht haben, geben den Zukunftsfonds als Tipp weiter.“8 Zudem ist jeder Fördernehmer dazu angehalten, das ÖZF-Logo auf den projektbezogenen Drucksorten beziehungsweise auf den geförderten Publikationen sowie bei Präsentationen abzubilden, was zu einer erhöhten Sichtbarkeit beiträgt. Auch medial 6 Ebd. 7 Siehe dazu auch die daraus entstandene Publikation: Bacher – Karner (Hg.), Zwangsarbeiter in Österreich 1939–1945 und ihr Nachkriegsschicksal. 8 AdBIK, Interview Anita Dumfahrt, durchgeführt von Katharina Bergmann-Pfleger. Wien 16.6.2020.

Öffentlichkeitsarbeit

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ist der Zukunftsfonds durch die Medienberichterstattung zu den geförderten Projekten breit vertreten. Dass der Zukunftsfonds demnach in seiner Zielgruppe, in interessierten Personenkreisen und unter Stakeholdern inzwischen „bestens bekannt“9 sei, zudem ein „sehr gutes Standing“10 und einen „sehr guten Ruf“11 habe, bekräftigte auch eine Umfrage unter Fördernehmern. In der breiten Öffentlichkeit – „beim Publikum ohne institutionellen Hintergrund“12 – sei aber hinsichtlich Bekanntheitsgrades noch Potenzial gegeben,13 meint nicht nur Oliver Rathkolb, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Wien. Ingo Zechner, Leiter des Ludwig Boltzmann Institute for Digital History, resümiert die Situation aus seiner Sicht folgendermaßen: „Im thematischen Kernbereich des Zukunftsfonds ist die Öffentlichkeit sehr oft mit Projektergebnissen aus vom Zukunftsfonds geförderten Projekten konfrontiert, nimmt diesen dadurch aber nicht automatisch als maßgeblichen Fördergeber wahr. Das unterscheidet den Zukunftsfonds aber nicht wesentlich von anderen Fördergebern und sollte kein größeres Problem darstellen, solange zumindest die politisch Verantwortlichen die Leistungen des Zukunftsfonds wahrnehmen. Wichtig ist, dass die durch den Zukunftsfonds ermöglichten Projektergebnisse in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Das ist in hohem Maße der Fall.“14

Online-Präsenz Seit 2006 stellt der Zukunftsfonds über seine stets aktuell gehaltene Webpräsenz15 mehrere Tools und Recherchequellen für Interessierte und Forschende zur Verfügung: Über die via Schlagwort oder Projektnummern16 durchsuchbare Projektdatenbank17 dokumentiert und publiziert er Informationen zu all seinen Förderprojekten und bietet dabei auch eine Weitervernetzung via Weblinks zu den jeweiligen Projekten und Fördernehmern an. Um die Förderprojekte auch international sichtbar zu machen, stellt der Zukunftsfonds eine Projektliste in englischer Übersetzung bereit, die ebenso online abrufbar ist.18   9 AdBIK, Schriftliches Statement Gerald Lamprecht. Graz 22.5.2020. 10 AdBIK, Schriftliches Statement Gerhard Bisovsky. Wien 23.5.2020. 11 AdBIK, Schriftliches Statement Eleonore Lappin-Eppel. Wien 27.5.2020. 12 AdBIK, Schriftliches Statement, Andreas Kosek und Katharina Grabher. Wien 17.4.2020. 13 AdBIK, Schriftliches Statement Oliver Rathkolb. Wien 14.5.2020. 14 AdBIK, Schriftliches Statement Ingo Zechner. Wien 29.4.2020. 15 http://www.zukunftsfonds-austria.at. 16 Jedes vom ÖZF geförderte Projekt verfügt über einen eindeutigen Projektcode. 17 http://www.zukunftsfonds-austria.at/projects.php. 18 http://www.zukunftsfonds-austria.at/download/project_summary_engl.pdf.

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Tätigkeitsfelder des Zukunftsfonds

Abb. 61: Die Webseite des Zukunftsfonds stellt ein wichtiges Instrument der Öffentlichkeitsarbeit dar. Auch sie unterliegt dem Wandel der Zeit: Screenshots der Webseite aus dem Jahr 2006 und 2020. Quellen: Internet Archive Waybackmachine und ÖZF.

Öffentlichkeitsarbeit

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Zentrale Informationsquelle für Ausschreibungen, Neuigkeiten, Termine sowie Berichte zu Förderprojekten und Veranstaltungen ist das Online-Archiv des Zukunftsfonds.19 Dazu Anita Dumfahrt: „Die Homepage ist in erster Linie eine Informations- und Kommunikationsplattform zu den geförderten Projekten. Durch die Einbindung des Online-Archivs können sich beispielsweise mögliche neue Projekteinreicher einen Überblick über die unterschiedlichen Projektarten und -inhalte verschaffen. Darüber hinaus sind wir gemeinsam mit unserem langjährigen IT-Consultant Johannes Benedikter immer bemüht, die Homepage übersichtlich und auch optisch ansprechend zu gestalten. Insbesondere mit der ‚Bibliothek‘, in der sämtliche Buchcover der geförderten Publikationen aufscheinen, ist es meines Erachtens gut gelungen, die Projekte auch sichtbar zu machen.“20

Repräsentation, Vernetzung, Beratung Zu den Tätigkeitsfeldern der Zukunftsfonds-Organe gehören neben der fachlichen Arbeit in den Gremien wichtige repräsentative Aufgaben im In- und Ausland. Dazu zählen etwa Kontakte mit der Wissenschaft – unter anderem die Vertretung bei wissenschaftlichen Symposien oder Gedenkveranstaltungen –, mit Ministerien, dem Parlament und der Politik, mit Institutionen und Vereinen. Der regelmäßige Besuch von Projektpräsentationen ist den Mitgliedern des Zukunftsfonds besonders wichtig, wie Herwig Hösele beschreibt: „Meist ist es zwar nur ein bescheidener Beitrag, den wir mit einer Projektförderung leisten können, dennoch ist es wichtig zu sehen, wie die Projekte realisiert werden und welche Effekte sie auf das Publikum und den öffentlichen Diskurs haben. Laufende Gespräche mit den Projektleitern, das Kontakthalten und die Nähe zur ‚community‘ sind wesentliche Zusatzaufgaben, die zur Qualitätssicherung und Relevanz des Zukunftsfonds beitragen.“21 Aus Sicht eines Fördernehmers weist auch der Historiker Berthold Molden auf „eine ungewöhnlich hohe institutionelle ‚Anteilnahme‘ des Zukunftsfonds an den geförderten Projekten“22 hin. Im Ausland kooperiert der Zukunftsfonds einerseits mit österreichischen Vertretungsbehörden, die den Fonds bei der Administration in den jeweiligen Ländern unterstützen, und andererseits mit internationalen Organisationen, deren Projekte der Zukunftsfonds fördert. Die Bedeutung dieser persönlichen internationalen Kontakte betont Anita Dumfahrt: „Vor einigen Jahren hatte ich im Zuge eines Israel-Besuches die Möglichkeit, eine sehr beeindruckende und berührende Führung durch Yad Vashem zu erhalten. Es ist eine Sache, Projekte 19 http://www.zukunftsfonds-austria.at/listeaktuell.php. 20 AdBIK, Interview Anita Dumfahrt, durchgeführt von Katharina Bergmann-Pfleger. Wien 16.6.2020. 21 AdBIK, Interview Herwig Hösele, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 12.5.2015. 22 AdBIK, Schriftliches Statement Berthold Molden. Wien 20.4.2020.

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Tätigkeitsfelder des Zukunftsfonds

Abb. 62: Shaya Ben-Yehuda, Direktor der Abteilung für Internationale Beziehungen in Yad Vashem, Waltraud Klasnic und Herwig Hösele im Mai 2016 in Yad Vashem. Quelle: ÖZF. Foto: Yad Vashem.

‚auf Papier‘ vor sich zu haben, und eine andere, deren Ergebnis ‚vor Ort‘ zu sehen.“23 Die Mitglieder der Gremien und der/die Generalsekretär/in pflegen zudem zahlreiche Kontakte zu ausländischen Institutionen – etwa in Form von Vorträgen über die Tätigkeit des Zukunftsfonds. Dazu zählen unter anderem: Leo Baeck Institute in New York und Jerusalem, Yad Vashem in Jerusalem, The Museum of the Jewish People in Tel Aviv, das Jewish Historical Museum in Amsterdam, das Budapester Holocaust Institut, das Holocaust Memorial Museum in Washington, der German Marshall Fund, die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ in Berlin und die Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“ in Warschau. Ein weiteres Arbeitsfeld, das die Mitglieder der Zukunftsfonds-Gremien ehrenamtlich und unentgeltlich übernehmen, besteht in einer umfangreichen Beratungstätigkeit. So wirkten und wirken etwa Kurt Scholz, Christoph Kainz und ­Herwig Hösele über viele Jahre an der Neugestaltung der Gedenkstätten in Mauthausen und Auschwitz mit,24 auch übernahm der 23 AdBIK, Interview Anita Dumfahrt, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 12.5.2015. 24 Kurt Scholz ist zudem Vorsitzender des Internationalen Mauthausen Forums (IFM).

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Abb. 63: Die Generalsekretärin des Nationalfonds Hannah M. Lessing und Herwig Hösele bei der Präsentation des Modells des Turner Tempels für die permanente Ausstellung in Beit Hatfutsot in Tel Aviv 2012. Quelle: ÖZF.

Zukunftsfonds eine Vertretung im Publikumsforum des Hauses der Geschichte Österreich. Überdies führen die Mitglieder der Gremien sowie das Büro des Zukunftsfonds laufend ausführliche Gespräche mit Projektbewerbern, was die Vorbereitung, Einreichung, Durchführung, Abwicklung und Vernetzung der Projektergebnisse betrifft. „Die Beratung der ProjekteinreicherInnen ist in den letzten Jahren im Hinblick auf die zunehmend eingeschränkten Fördermöglichkeiten anderer Institutionen in der geisteswissenschaftlichen Forschung immer zeitintensiver geworden. Darüber hinaus bietet der Zukunftsfonds im Unterschied zu anderen Förderstellen auch IndividualeinreicherInnen die Möglichkeit, Projektanträge zu stellen“25, wird im Jahresbericht des Zukunftsfonds 2018 betont.

25 ÖZF, Jahresbericht des Zukunftsfonds 2018, S. 19.

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Tätigkeitsfelder des Zukunftsfonds

Werkstattgespräche Seit Herbst 2011 bietet der Zukunftsfonds mit der Veranstaltungsreihe „Werkstattgespräche“ ein öffentliches Forum, in dem ausgewählte, vom Fonds (ko-)finanzierte Projekte präsentiert werden. Die Veranstaltungen werden von Anita Dumfahrt und Herma Papouschek in Kooperation mit der Diplomatischen Akademie Wien umgesetzt und finden in deren Räumlichkeiten statt. Zur Hauptzielgruppe zählen Personen und Institutionen, die mit dem Zukunftsfonds in Verbindung stehen, Fördernehmer sowie interessierte Wissenschaftler und Journalisten. „Die stets gut besuchten Präsentationen der Projekte und der fertiggestellten Bücher in der Diplomatischen Akademie in Wien zeigen, dass das Interesse an der thematisch breit gestreuten Arbeit des ÖZF weit über den kleinen Kreis der unmittelbar Beteiligten hinausgeht“26, sagt etwa Wolfgang Neugebauer, der langjährige wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, über die Breitenwirksamkeit der Werkstattgespräche. Bis Juli 2020 fanden insgesamt 35 Veranstaltungen mit durchschnittlich 100 Teilnehmern statt. Die Werkstattgespräche präsentieren die Tätigkeit des Zukunftsfonds, dienen der Öffentlichkeitsarbeit und stellen ein Diskussionsforum dar, das zudem der Vernetzung der Projekt­ einreicher untereinander dient und Gelegenheit zum Kennenlernen und Austausch bietet: „Mittlerweile hat sich dabei ein Kernpublikum etabliert, das an jeder Veranstaltung regelmäßig teilnimmt. Der Zukunftsfonds fördert hervorragende Projekte, die in unserem Land ganz wesentliche Beiträge zur Forschung und zur Erinnerungskultur leisten.“27 Für die Projektleiter bieten die Werkstattgespräche die Gelegenheit zur Präsentation von Projektvorhaben bzw. Projektergebnissen in der Öffentlichkeit, wie die Historikern Gabriele Anderl betont: „Die Werkstattgespräche bieten die Möglichkeit, sich über die Forschungsprojekte von Kollegen genauer zu informieren und sich in einer angenehmen Atmosphäre auszutauschen. Bei der Präsentation meiner eigenen Forschungsergebnisse habe ich das große Interesse seitens des Publikums als sehr anregend und unterstützend, die Fragen, Kommentare und Hinweise als äußerst konstruktiv erlebt.“28 Sämtliche der bisher durchgeführten Werkstattgespräche sind auf der Webseite des Zukunftsfonds abrufbar.29 Neben ausführlichen Informationen wie Abstracts und Projektverweisen findet sich bei jedem Werkstattgespräch auch eine Bildergalerie mit Fotos zur Veranstaltung. Die folgende Chronologie mit exemplarischen Auswahlfotos bildet die umfangreiche Tätigkeit der letzten neun Jahre in Kurzdarstellung ab. 26 AdBIK, Schriftliches Statement Wolfgang Neugebauer. Wien 24.3.2020. 27 AdBIK, Interview Hans Winkler, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 12.3.2015. 28 AdBIK, Schriftliches Statement Gabriele Anderl. Wien 25.6.2015. 29 http://www.zukunftsfonds-austria.at/werkstattgespraeche.php (28.7.2020).

Öffentlichkeitsarbeit

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Abb. 64: Hans Winkler, Direktor der Diplomatischen Akademie Wien zwischen 2009 und 2017, beim ersten Werkstattgespräch im Oktober 2011. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Abb. 65: Emil Brix, Direktor der Diplomatischen Akademie Wien seit 2017, bei der Eröffnung des 34. Werkstattgesprächs am 12. November 2019. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

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1. Werkstattgespräch am 11. Oktober 2011: „Verfemt, vertrieben, vernichtet: jüdische ­Verfolgungsschicksale“ An diesem ersten Abend in der Diplomatischen Akademie wurden drei Forschungsprojekte vorgestellt. Theodor Venus sprach über das Projekt „Jüdische Journalistinnen und Journalisten in Österreich 1848–1938“, in dessen Rahmen biografische Daten und Nachweise des journalistischen und publizistischen Werks von mehr als 3000 österreichische Journalisten jüdischer Herkunft erhoben werden konnten, die zwischen 1848 und 1938 in der deutschsprachigen Presse Österreichs bzw. Österreich-Ungarns regelmäßig veröffentlicht hatten. Peter Malina berichtete vom Projekt „Die Akten der Klienten/Klientinnen der Kanzlei Dr. Michael Stern 1938–1945“. Mit Unterstützung des „Zukunftsfonds“ konnten diese Akten gesichtet und aufbereitet werden. Hannes Leidinger sprach schließlich über „Österreichs Rolle bei der jüdischen Zuwanderung aus der Sowjetunion“ (Abb. 66).

2. Werkstattgespräch am 22. November 2011: „Gedenken – aber wie? Drei zukunftsorientierte Wege“ Das zweite Werkstattgespräch widmete sich Möglichkeiten der Erinnerungsarbeit. O ­ liver Rathkolb referierte über eine Umfrageanalyse in Österreich, Polen, Ungarn und in der Tschechoslowakei zum Thema „Autoritarismus in Österreich und Zentraleuropa“. Anita Eyth und Thomas Hinterberger berichteten über das 2007 enthüllte Nachklang-Denkmal zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus in Leonding bei Linz. Till Hilmar stellte das Forschungsprojekt „Erinnerungsorte erschließen“ des Vereins Gedenkdienst zur Pädagogik und Didaktik gegenwärtiger Holocaust-Gedenkstättenarbeit vor (Abb. 67).

3. Werkstattgespräch am 13. März 2012: „Parallelwelten: Opfer, Alltag und Profiteure im NS-Regime“ Gabriele Anderl referierte über das Projekt „Der Kunsthandel in Österreich während der NS-Zeit und seine Rolle im nationalsozialistischen Kunstraub“, dessen Ziel es war, die gewaltsamen Enteignungs- und Umverteilungsvorgänge im Kunst- und Antiquitätenhandel zu dokumentieren und zu analysieren. Bertrand Perz widmete sich dem Thema der nationalsozialistischen Massentötungen durch Giftgas in Konzentrations- sowie Vernichtungslagern und präsentierte neuere Erkenntnisse dazu. Ingo Zechner stellte das Projekt „Ephemere Filme – Nationalsozialismus in Österreich“ vor, in dessen Rahmen unter anderem private Filmdo-

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Abb. 66: Theodor Venus. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Abb. 67: Anita Eyth und Thomas Hinterberger. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

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Abb. 68: Bertrand Perz. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

kumente archiviert und wissenschaftlich erschlossen wurden, die die visuelle Geschichte des Nationalsozialismus ergänzen sollen (Abb. 68).

4. Werkstattgespräch am 15. Mai 2012: „Widerstand? Mitläufer? Täter? Eine Frage – viele Wege“ Wilhelm Weinert sprach in seinem Vortrag „Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer“ über im Wiener Landesgericht hingerichtete Widerstandskämpfer und den Umgang mit deren Leichen am Wiener Zentralfriedhof bis Ende der 1950er-Jahre. Kurt Bauer widmete sich der „Sozialstruktur der sozialdemokratischen und kommunistischen Häftlinge der Österreichischen Anhaltelager 1933–1938“, während Arnold Suppan sich dem Thema des Abends mit einem Vortrag über den „Tschechischen-Sicherheitsapparat im Protektorat Böhmen und Mähren im Spannungsfeld der Loyalitäten“ näherte (Abb. 69).

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Abb. 69: Das Podium v.l.n.r.: Niklas Perzi, Arnold Suppan, Kurt Bauer, Wilhelm Weinert und Herwig Hösele. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Abb. 70: Das Publikum beim 5. Werkstattgespräch. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

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5. Werkstattgespräch am 17. Oktober 2012: „Zeichen der Hoffnung in hoffnungsloser Zeit“ Drei Vorträge widmeten sich beim fünften Werkstattgespräch in der Diplomatischen Akademie einem besonderen Aspekt innerhalb der Erinnerungsarbeit – „Hoffnung“: Christine Kanzler, Ilse Korotin und Karin Nusko präsentierten die biografische Datenbank „Österreichische Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“, Traude Litzka (gest. 2016) sprach über „Kirchliche Hilfe für verfolgte Juden und Jüdinnen im nationalsozialistischen Wien“ und Josef Neumayr ging mit seinem Projektbericht „A letter to the stars – Die Gerechten Österreichs und die Tour für Zivilcourage 2012“ auf den Aspekt der sogenannten Holocaust Education, der Wissensvermittlung der NS-Gräuel und Übersetzung der Lehren daraus ins Heute, ein (Abb. 70).

6. Werkstattgespräch am 28. November 2012: „Nicht verstummt – Gehörlose im NS-Regime“ Verena Krausneker, Katharina Schalber und Eleonore Lappin-Eppel präsentierten das Projekt „nicht verstummt“. In dem Dokumentarfilm erzählen erstmals gehörlose Zeitzeugen in österreichischer und amerikanischer Gebärdensprache ihre Geschichten. Sie gebärden darüber, welche Auswirkungen die NS-Herrschaft auf ihre Gemeinschaft hatte, berichten von Bedrohung, Verfolgung und Überleben. Mit ihrer visuellen Sprache kreieren sie ein neues Bild der Geschichte und zeigen, dass sie nicht zum Verstummen gebracht wurden (Abb. 71).

7. Werkstattgespräch am 12. März 2013: „Die Finsternis kam nicht von ungefähr“ Am 13. März 1938 wurde der „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland vollzogen. Dass dieser Einschnitt in der Geschichte auch durch aktives Betreiben vieler Österreicherinnen und Österreicher von langer Hand geplant und umgesetzt worden war, ist eine beklemmende Wahrheit der Geschichte, die uns Nachgeborene zu permanenter Wachsamkeit und Sensibilität mahnt. Die drei Historiker Hans Schafranek, Hans Safrian und Siegfried Mattl (gest. 2015) berichteten in diesem Zusammenhang über die Arbeitsweise der „Söldner für den Anschluss – die Österreichische Legion 1933–1938“ sowie die geplante Stadt- und Regionalpolitik der Nationalsozialisten für den Wirtschaftsstandort Wien, die maßgeblich auf Basis der „Arisierungen“ vorangetrieben worden war (Abb. 72).

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Abb. 71: Helene Maimann und Barbara Gerstbach. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Abb. 72: Siegfried Mattl. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

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Abb. 73: Alfred Zauner, Brigitte Halbmayr, Rudolf Sarközi und Bojan-Ilija Schnabl. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

8. Werkstattgespräch am 7. Mai 2013: „Vom Reichtum der Vielfalt in der Demokratie“ Mit der vor 25 Jahren erfolgten Anerkennung der Roma als eigene Volksgruppe gilt Österreich heute als positives Beispiel in Europa, was den Umgang mit seinen verschiedensprachigen Volksgruppen angeht. Das achte Werkstattgespräch beleuchtete die bewegte Geschichte der slowenischen Volksgruppe sowie der Roma aus deren eigener Perspektive und machte mit Gedenkorten vertraut. Es sprachen Bojan-Ilija Schnabl – in Vertretung von Katja SturmSchnabl – über „Die slowenische Volksgruppe unter dem Nationalsozialismus und neuere Gedenkinitiativen“, Rudolf Sarközi über „20 Jahre Anerkennung der Roma als Volksgruppe – Eine Bilanz“ sowie Brigitte Halbmayr und Alfred Zauner über die „Bewusstseinsregion Mauthausen – Gusen – St. Georgen“ (Abb. 73).

9. Werkstattgespräch am 15. Oktober 2013: „1914: der Weg in den Abgrund Europas“ Das Werkstattgespräch stand im Zeichen des nahenden Gedenkjahrs 2014, in dem europaweit des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges gedacht wurde. Dieser führte zu tiefgehenden Verwerfungen in der politischen Landschaft Europas und in weiterer Folge zu Totalitarismus

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Abb. 74: Dieter J. Hecht, Petra Ernst-Kühr, Herwig Hösele, Eva Tamara Titz, Wolfgang Pensold und Silvia Nadjivan. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

und diktatorischen Regimen. In diesem Zusammenhang präsentierten Petra Ernst-Kühr und Dieter J. Hecht das Projekt „Schriften, Bilder, Tagebücher jüdischer Soldaten der österreichisch-ungarischen Armee im Zeichen des Ersten Weltkriegs“ sowie Silvia Nadjivan und Eva Tamara Titz das Projekt „Gemeinsame Geschichte? Österreichische und serbische Mythen von 1914 bis 2014“ (Abb. 74).

10. Werkstattgespräch am 19. November 2013: „Vergessenes Kulturerbe jüdische ­Friedhöfe“ An diesem Abend in der Diplomatischen Akademie wurden drei Projekte präsentiert: Tina Walzer berichtete über den Währinger jüdischen Friedhof in Wien und legte dessen historische Entwicklung, Zerstörungen in der NS-Zeit und den Status quo dar. Christoph Lind und Georg Traska sprachen über die Neugestaltung des alten jüdischen Friedhofs St. Pölten, in deren Rahmen unter anderem eine Lokalisierung der Gräber und Sichtbarmachung aller Namen durchgeführt werden sollte, um ein Totengedenken wieder zu ermöglichen. Werner Sulzgruber referierte über das Forschungs- und Vermittlungsprojekt „Lern- und Gedenkstätte jüdischer Friedhof Wiener Neustadt“ (Abb. 75).

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Abb. 75: Tina Walzer. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

11. Werkstattgespräch am 8. April 2014: „WIDERSTAND – in English, please!“ Das elfte Werkstattgespräch widmete sich der „lingua franca“ der modernen Wissenschaft. Mitchell Ash hinterfragte in seinem Vortrag, weshalb Englisch diese Stellung heute zugesprochen wird und Martin Eichtinger ging auf die „Bedeutung der Präsentation österreichischer Kunst und Kultur im Ausland und deren Auswirkungen auf das Image Österreichs“ ein. Wolfgang Neugebauer präsentierte seine kurz nach dem Werkstattgespräch in englischer Übersetzung erschienene Monografie über den österreichischen Widerstand in den Jahren 1938 bis 1945 (Abb. 76).

12. Werkstattgespräch am 13. Mai 2014: „Vienna’s Shooting Girls“ und „Der Fotograf vor der Kamera“ Thema des Werkstattgesprächs waren zwei wesentliche Aspekte der österreichischen Fotografiegeschichte: Zum einen sprachen Andrea Winklbauer und Iris Meder (gest. 2018) über „Vienna’s Shooting Girls“, jüdische Fotografinnen in der Zeit vom Fin de Siècle bis zum Ende der Ersten Republik. Die Fotografie als junge, noch wenig etablierte Disziplin bot vor allem Frauen aus liberalen jüdischen Elternhäusern die Möglichkeit, beruflich und künstlerisch zu

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Abb. 76: Der damalige Generalsekretär Herwig Hösele mit dem druckfrischen Buch „The Austrian Resistance 1938–1945“ von Wolfgang Neugebauer (Wien 2014). Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Abb. 77: Iris Meder und Andrea Winklbauer. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

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reüssieren. Zum anderen präsentierten Ralph Wieser und Rainer Frimmel Ausschnitte aus dem Dokumentarfilm über Erich Lessing, Mitglied der legendären Foto-Agentur Magnum und einer der bedeutendsten Reportage-Fotografen der Nachkriegszeit (Abb. 77).

13. Werkstattgespräch am 15. Oktober 2014: „Centropa-Projekte“ und „zeit im:puls ­Kurzfilmwettbewerb“ Projekte, die sich an Jugendliche, Studierende und Pädagogen wenden, sind dem Zukunftsfonds ein besonderes Anliegen. In diesem Sinne präsentierte Fabian Rühle die Organisation „Centropa“ und deren vielfältige und weltweite Arbeit mit und für Schüler und Lehrer nach ihrem Leitbild „Jüdische Erinnerung bewahren – Geschichte zum Leben erwecken“. Bereits vier Mal hatte sich der „zeit im:puls Kurzfilmwettbewerb“ an filmbegeisterte junge Menschen im Jahr 2014 gewandt: In 90-sekündigen Spots setzten sich diese mit gesellschaftspolitischen Themen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Alter, sexueller Orientierung und mit der Bedeutung von Toleranz und Menschenrechten auseinander. Elisabeth Golzar und Baris Alakus präsentierten eine Auswahl der Kurzfilme (Abb. 78).

14. Werkstattgespräch am 19. November 2014: „Jüdische Initiativen“ Unter dem Aspekt „Jüdische Initiativen“ stellten beim 14. Werkstattgespräch zwei wichtige Organisationen ihre Arbeit vor: Die Israelitische Kultusgemeinde Wien widmet sich – bis heute – neben ihrer täglichen Gemeindearbeit und einer Vielzahl von Veranstaltungen besonders der Wiederherstellung ihres Gesamtarchivs. Dieses soll als weltweit größtes Archiv einer jüdischen Gemeinde für wissenschaftliche und private Forschungszwecke öffentlich zugänglich gemacht werden, berichtete Ariel Muzicant. Das Psychosoziale Zentrum ESRA bietet schwer traumatisierten Menschen umfassende professionelle Hilfe in den Bereichen Medizin, Psychiatrie, Psychotherapie, Pflege und Soziale Arbeit. Die Betreuung von Überlebenden der NS-Verfolgung und deren Nachkommen stellt dabei einen Schwerpunkt dar. Gerda Netopil und Klaus Mihacek sprachen über ein Forschungsprojekt, das die Wirkungen der mehrdimensionalen und interdisziplinären Unterstützung durch ESRA evaluiert und dokumentiert (Abb. 79).

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Abb. 78: Tanja Eckstein, Fabian Rühle, Elisabeth Golzar und Baris Alakus. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Abb. 79: Klaus Mihacek und Gerda Netopil. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

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15. Werkstattgespräch am 29. Jänner 2015: „Von der Opferthese zur europäischen ­ rinnerungskultur? Zur Neukonzeption der österreichischen Länderausstellung in E ­Auschwitz-Birkenau“ Der Abend stand im Zeichen der Neugestaltung der österreichischen Länderausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau. Hanna M. Lessing und das Ausstellungsteam – Birgit Johler, Albert Lichtblau, Christiane Rothländer, Barbara Staudinger und Hannes Sulzenbacher – sprachen unter anderem über die Zielsetzung der neuen Ausstellung, den Holocaust als einen Teil der europäischen Geschichte beziehungsweise der Menschheitsgeschichte zu vermitteln und dennoch von den spezifisch österreichischen Perspektiven zu erzählen. Das Ausstellungskonzept mit dem Titel „Entfernung. Österreich in Auschwitz“ begegnet dieser Herausforderung auf mehrfache Weise, indem der Begriff „Entfernung“ sowohl auf die geografische Distanz zwischen Österreich und Auschwitz verweist, als auch die physische Entfernung der nach Auschwitz Deportierten, aus Österreich und aus dem Leben, verdeutlicht (Abb. 80).

16. Werkstattgespräch am 14. April 2015: „Die Kinder der Rückkehr“ Das 16. Werkstattgespräch widmete sich den Kindern ehemaliger österreichischer Widerstandskämpfer und Flüchtlinge. Zwischen 1940 und 1955 geboren, sind diese „Kinder der Rückkehr“ durch ihre außergewöhnliche gemeinsame Geschichte verbunden: Sie waren in ihrer Kindheit und Jugend aufgrund der politischen Haltung und/oder auch wegen der Remigrations-Biografie ihrer Eltern eine marginalisierte gesellschaftliche Gruppe, die in späteren Jahren zum Teil in ihren beruflichen und politischen Handlungsfeldern wichtige Positionen erreichen konnten. „Zur Geschichte einer marginalisierten Jugend 1945–1970“ sprachen Ernst Berger, Helene Maimann und Ruth Wodak (Abb. 81).

17. Werkstattgespräch am 19. Mai 2015: „Scheinehen in der NS-Zeit“ und „Das Europäische Forum Alpbach“ Das 17. Werkstattgespräch hatte zwei unterschiedliche Themenkomplexe zum Inhalt. Irene Messinger sprach über „Scheinehen in der NS-Zeit“: Durch Eheschließungen mit Ausländern – die teilweise nur pro-forma und aus Solidarität und/oder gegen Bezahlung geschlossen wurden – konnten sich verfolgte Frauen während der Zeit des Nationalsozialismus in Exilländer retten oder waren durch die fremde Staatsangehörigkeit geschützt. Maria Wirth

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Abb. 80: Christoph Kainz und Hannah M. Lessing. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Abb. 81: Anita Dumfahrt und Helene Maimann. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

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Abb. 82: Maria Wirth und Irene Messinger. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

stellte das Forschungsprojekt „Das Europäische Forum Alpbach“ vor, das sich mit dessen Entstehungsgeschichte und Beitrag zu einer Erneuerung des geistigen und wissenschaftlichen Lebens nach 1945 beschäftigte (Abb. 82).

18. Werkstattgespräch am 20. Oktober 2015: „Gedenkstätte Mauthausen“ Das Werkstattgespräch stand im Zeichen der Gedenkstätte Mauthausen. Barbara Glück, Wilhelm Mernyi, Bertrand Perz und Dariusz Pawłoś näherten sich dem Thema mit unterschiedlichen Blickwinkeln an. So wurde sowohl ein Überblick über die Jugendaktivitäten des Mauthausen Komitee Österreichs geboten als auch die deutschsprachige Ausstellung „Erinnerung bewahren. Sklaven- und Zwangsarbeiter des Dritten Reiches aus Polen 1939–1945“ von der Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“ in Kooperation mit der Botschaft der Republik Polen in Wien vorgestellt (Abb. 83).

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Abb. 83: Willi Mernyi. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

19. Werkstattgespräch am 24. November 2015: „Buchpräsentation: Der Zukunftsfonds der Republik Österreich – Entstehung, Entwicklung und Bedeutung“ Die Autoren Barbara Stelzl-Marx, Alexandra Kofler und Günter Bischof präsentierten im Rahmen des 19. Werkstattgesprächs anlässlich seines zehnjährigen Bestehens die druckfrische Studie über den Zukunftsfonds, die die wichtigsten Etappen der Entstehung und Tätigkeit des Fonds darlegt. Neben einer Dokumentation seiner Wirkungsweisen analysiert die Publikation die Bedeutung des Fonds für die Forschung ebenso wie für vielfache zivilgesellschaftliche Initiativen einer breiten Öffentlichkeit (Abb. 84).

20. Werkstattgespräch am 26. April 2016: „Julius Tandler (1869–1936) und sein Verhältnis zu Eugenik, Rassenhygiene und ‚Euthanasie‘“ Der Arzt und Universitätsprofessor für Anatomie Julius Tandler (1869–1936) zählt zu jenen Wissenschaftern, die den Weltruf der Wiener medizinischen Schule mitbegründeten. Darüber hinaus gilt er als legendärer Wohlfahrts- und Gesundheitsstadtrat des Roten Wien der

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Abb. 84: Herwig Hösele, Günter Bischof, Barbara Stelzl-Marx und Alexandra Kofler. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Abb. 85: Wolfgang Neugebauer und Peter Schwarz. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

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Zwischenkriegszeit. Seit den 1990er-Jahren wurden Tandlers Äußerungen zu Bevölkerungspolitik, Eugenik und der Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ von wissenschaftlicher Seite zunehmend beanstandet und diskutiert. Peter Schwarz berichtete im Zuge des Werkstattgesprächs von den Ergebnissen seines Forschungsprojektes, das herausstellen konnte, dass die problematischen Aussagen Tandlers weder in seine Politik einflossen, noch in der Sozialdemokratie rezipiert wurden, noch für die Protagonisten der NS-Euthanasie Relevanz hatten (Abb. 85). 

21. Werkstattgespräch am 24. Mai 2016: „Fliegerlynchjustiz – Gewalt gegen abgeschossene alliierte Flugzeugbesatzungen (1943–1945)“ Nicole-Melanie Goll und Georg Hoffmann thematisierten in ihrem Vortrag ein bis heute emotional diskutiertes Erinnerungsfeld des Zweiten Weltkrieges: den Bombenkrieg. Die Zerstörung ganzer Großstädte und das dabei verursachte Leid prägten sich tief in das kollektive Bewusstsein der Menschen ein. Der Bombenkrieg wuchs sich so zu einem Sinnbild gesellschaftlicher Opferwahrnehmung aus, hinter das andere Betrachtungen weitgehend zurücktraten und einzelne Themen gänzlich tabuisiert wurden, so wie die Übergriffe und Morde an abgeschossenen alliierten Flugzeugbesatzungen. Das NS-Regime hatte dieser Form der Gewalt den Begriff der „Lynchjustiz“ zugeordnet, um so den Eindruck von spontanen, kollektiven und moralisch legitimen Rachetaten einer vom Bombenkrieg aufgebrachten Bevölkerung zu erzeugen. Mit diesem Projekt wurden diese Vorstellungen und Narrative infrage gestellt (Abb. 86).

22. Werkstattgespräch am 18. Oktober 2016: „Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten / Koroška von den Anfängen bis 1942“ Katja Sturm-Schnabl und Bojan-Ilija Schnabl sprachen über ihre Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten, die als umfassendes interdisziplinäres und interkulturell angelegtes dreibändiges Nachschlagewerk mit ca. 1000 Schlagwörtern und insgesamt über 2100 konzeptuellen Einträgen von über 160 Autoren unterschiedlicher Horizonte anzusehen ist. Die Enzyklopädie ermöglicht ein vernetztes Verständnis der Kulturprozesse im Land (Abb. 87).

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Abb. 86: Nicole-Melanie Goll und Georg Hoffmann mit den beiden Publikationen „Fliegerlynchjustiz“ (2015) und „Missing in Action Failed to Return“ (2016). Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Abb.87: Katja Sturm-Schnabl und Bojan-Ilija Schnabl. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

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Abb. 88: Stefan A. Müller, Manfried Rauchensteiner, David Schriffl und Adamantios T. Skordos. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

23. Werkstattgespräch am 22. November 2016: „Die Beziehungen Österreichs zu den ­Diktaturen Südeuropas nach 1945: Spanien, Portugal, Griechenland“ Stefan A. Müller, David Schriffl und Adamantios T. Skordos präsentierten ihr Forschungsprojekt, das die diplomatisch-politischen Beziehungen Österreichs zu den autoritären Regimen in Spanien, Portugal und Griechenland – also die Beziehungen der Zweiten Republik zu heutigen Partnerländern der Europäischen Union, die nach 1945 noch Diktaturen waren und nicht dem Ostblock angehörten – untersuchte. Der Umgang mit diesen Staaten, diesbezügliche Brüche und Kontinuitäten wurden erstmals auf Basis bisher unbearbeiteter Quellen vorwiegend des österreichischen Außenministeriums wissenschaftlich aufgearbeitet (Abb. 88).

24. Werkstattgespräch am 4. April 2017: „Besatzungskinder“ Seitdem es Kriege gibt, werden Kinder geboren, die in sexuellen Kontakten zwischen (feindlichen) Soldaten und einheimischen Frauen gezeugt wurden. Diese „Kinder des Krieges“ (Children born of War) wachsen häufig in einem familiären wie gesellschaftlichen Spannungsfeld zwischen Integration und Ablehnung auf. 2013/2014 wurden die ersten beiden psychosozialen Studien zu Besatzungskindern in Deutschland und Österreich durchgeführt.

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Abb. 89: Barbara Stelzl-Marx und Heide Glaesmer mit der Publikation „Besatzungskinder. Die Nachkommen alliierter Soldaten in Österreich und Deutschland“. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Die Vorträge von Barbara Stelzl-Marx und Heide Glaesmer beim 24. Werkstattgespräch gaben einen Einblick in die zentralen Aspekte des Aufwachsens als Besatzungskind (Abb. 89).

25. Werkstattgespräch am 9. Mai 2017: „Gestaltung und Bewirtschaftung der materiellen Überreste des ehemaligen Lagers Konzentrationslager Gusen“ Im ehemaligen Konzentrationslager Gusen, das drei unterschiedliche Häftlingslager umfasste und zum Lagerkomplex Mauthausen-Gusen zählte, wurden mindestens 71.000 Personen inhaftiert. Zumindest 35.800 Häftlinge kamen in Gusen zu Tode. Beim 25. Werkstattgespräch präsentierten Marek Zajac, Dariusz Pawłoś und Barbara Glück ein von der Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“ erarbeitetes Konzept für die Gestaltung der materiellen Überreste des ehemaligen Lagers Gusen (SS-Baracken, Appellplatz, Schotterbrecher), die nicht Bestandteil der heutigen Gedenkstätte Gusen sind. Darüber hinaus wurde die KZ-Gedenkstätte Mauthausen als (über)regionale Gedenk- und Bildungslandschaft vorgestellt (Abb. 90).

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Abb. 90: Dariusz Pawłoś. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

26. Werkstattgespräch am 17. Oktober 2017: „Die Themen der ‚Populisten‘ in den Wahlkämpfen“ Thema des Werkstattgesprächs war eine vergleichende Studie über die thematische Ausrichtung populistischer Parteien in Wahlkämpfen 2011 bis 2013 in Europa. Der Fokus des Projekts lag auf einer Medienanalyse nationaler Wahlkämpfe in fünf ausgewählten Ländern (Österreich, Deutschland, Schweiz, Dänemark und Polen) hinsichtlich der Themen, mit denen acht untersuchte populistische Parteien jeweils in Zusammenhang gebracht wurden. Es sprachen Klaus Poier, Frank Decker und Reinhard C. Heinisch (Abb. 91).

27. Werkstattgespräch am 11. April 2018: „Gekreuzte Geschichten“ Im Zentrum des 27. Werkstattgesprächs standen „Österreich und Mexiko im Gedächtnis des 20. Jahrhunderts“. Der im Französischen geprägte Ausdruck „Histoire Croisée“ beschreibt eine Begegnung historischer Akteure oder Kreuzung historischer Prozesse, die bei allen Betei-

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Abb. 91: Die Publikation von Klaus Poier, Sandra Saywald-Wedl und Hedwig Unger „Die Themen der ‚Populisten‘“ aus dem Jahr 2017. Quelle: ÖZF. Foto: Zoe Opratko.

Abb. 92: Berthold Molden. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

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Abb. 93: Peter Menasse und Agnes Meisinger. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

ligten dauerhafte Spuren hinterlässt. Die Nationalgeschichten Mexikos und Österreichs lassen sich mit diesem Begriff gut fassen. Obwohl die Staatswerdungen der beiden Länder weit voneinander entfernt stattfanden, sind sie doch reich an folgenschweren Berührungspunkten. Berthold Molden präsentierte in diesem Zusammenhang das Projekt „Mexikoplatz Reloaded“. Dieser Platz in Wien verdankt seinen Namen der Erinnerung an den Protest gegen die Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich, den Mexiko im März 1938 als einziges Land vor dem Völkerbund erhob (Abb. 92).

28. Werkstattgespräch am 23. Oktober 2018: „Die Kunst des Robert Lettner“ und „Hans Menasse – The Austrian Boy“ Das Werkstattgespräch widmete sich der lebensgeschichtlichen Erforschung zweier Männer, deren Kindheit durch Erfahrungen mit dem NS-Regime geprägt waren. Peter Menasse berichtete von einem Forschungsprojekt über Hans Menasse, der 1930 als drittes Kind einer mährischstämmigen, katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters in Wien geboren wurde und im Alter von acht Jahren mit einem „Kindertransport“ vor der Nazi-Verfolgung nach Großbritannien geflüchtet war. Nach Kriegsende war er nach Wien zurückgekehrt und beim

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First Vienna Football Club zum gefeierten Fußballstar aufgestiegen. Agnes Meisinger sprach über die Forschungen zum Maler Robert Lettner, der 1943 geboren eines der jüngsten Opfer des Nationalsozialismus gewesen war. Er war in seinen ersten zwei Lebensjahren im südfranzösischen Deportationslager Gurs aufgewachsen. Nach seiner Lithographen-Lehre und dem Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste war Lettner zeitlebens bildender Künstler gewesen (Abb. 93).

29. Werkstattgespräch am 3. Mai 2018: „Österreichs Staatsanwälte und die unbestraften NS-Verbrecher“ Österreich sah und sieht sich international mit dem Vorwurf konfrontiert, zu wenig für die Ausforschung und Bestrafung österreichischer NS-Täter unternommen zu haben. Kritisch vermerkt wurde und wird außerdem, dass außer der späten Anklage gegen Heinrich Gross im Jahr 1999 ab Mitte der 1970er-Jahre überhaupt keine Prozesse gegen NS-Täter stattfanden. Kaum bekannt ist jedoch die Tatsache, dass österreichische Staatsanwälte Hunderte weitere Verfahren einleiteten. Diese wurden oft erst nach mehrjährigen, intensiven Ermittlungen eingestellt und nur in Ausnahmefällen öffentlich bekannt. Akten, die im Zuge der polizeilichen und gerichtlichen Erhebungen angelegt wurden, stellen mit ihren zahlreichen Querverweisen, Dokumenten und Zeugenaussagen eine bedeutende historische Quelle dar. Diese aufzufinden und für die Forschung zugänglich zu machen, war der Hauptzweck des von Martin Polaschek, Winfried Garscha und Siegfried Sanwald vorgestellten Projekts (Abb. 94).

30. Werkstattgespräch am 23. Oktober 2018: „GESTAPO-Leitstelle Wien 1938–1945“ Im Zuge des Werkstattgesprächs präsentierten Wolfgang Neugebauer, Elisabeth Boeckl-Klamper und Thomas Mang ein Forschungsprojekt über die Gestapo-Leitstelle Wien, dessen Ergebnisse in einer 2018 erschienenen Publikation dargelegt wurden. Die 1938 im beschlagnahmten Wiener Hotel Metropole am Morzinplatz untergebrachte Gestapo-Leitstelle Wien war mit mehr als 900 Mitarbeitern die größte Gestapo-Leitstelle des Deutschen Reiches und das wichtigste Instrument des NS-Terrors in Österreich. Zu ihren Aufgaben zählten unter anderem die Verfolgung der Juden, die Bekämpfung des Widerstandes und die Unterdrückung von Hundertausenden ausländischen Zwangsarbeitern (Abb. 95).

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Abb. 94: Siegfried Sanwald, Martin Polaschek, Herwig Hösele und Winfried Garscha. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Abb. 95: Thomas Mang und Herwig Hösele. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

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Abb. 96: Michael Gehler. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

31. Werkstattgespräch am 15. November 2018: „Österreichs Weg in die Europäische Union“ Von Saint Germain bis Lissabon: Michael Gehler zeichnete beim 31. Werkstattgespräch Österreichs langen Weg in das Vereinte Europa von 1919 bis 2009 nach. Seine Präsentation begann bei einem Österreich, welches nur über geringen außenpolitischen Handlungsspielraum in den 1920er-Jahren verfügt hatte und in den 1930er-Jahren international auf verlorenem Posten gestanden war, und spannte sich weiter über die Integrationspolitik „in Wartestellung“ unter der SPÖ-Alleinregierung Bruno Kreisky 1972–1983. Zaghafte Neuansätze zur Annäherung in der kurzen Kleinen Koalition SPÖ-FPÖ 1983–1986 hatten im Rahmen der nachfolgenden Großen Koalition SPÖ-ÖVP (Vranitzky – Mock) zu einem „Weg nach Brüssel“ geführt, der nach zahlreichen Verhandlungen 1995 im EU-Beitritt gegipfelt war (Abb. 96).

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Abb. 97: Ursula Marinelli und Sybille Moser-Ernst. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

32. Werkstattgespräch am 15. Jänner 2019: „ART and the MIND – Ernst H. GOMBRICH“ Mit dem Buchprojekt „ART and the MIND – Ernst H. GOMBRICH. Mit dem Steckenpferd unterwegs“ gelang es den Herausgeberinnen und Autorinnen Sybille Moser-Ernst und Ursula Marinelli, ein Team von international renommierten Wissenschaftlern dafür zu gewinnen, über theoriebildende Leistungen Ernst H. Gombrichs im Licht der aktuellen Debatte um BILD und BILDLICHKEIT ins Gespräch zu kommen. Die beiden Kunsthistorikerinnen sprachen über ihr Ziel, die Aufmerksamkeit einer jungen Wissenschaftsgeneration für das intellektuelle Erbe des bekannten Gelehrten Wiener Provenienz zu gewinnen (Abb. 97).

33. Werkstattgespräch am 2. April 2019: „‚Dachaureif‘ – Der Österreichertransport aus Wien in das KZ Dachau am 1. April 1938“ Aufbauend auf die 2008 herausgegebene Broschüre „Stacheldraht mit Tod geladen …“ über den ersten Österreicher-Transport in das KZ Dachau wurden im Rahmen des durch Claudia

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Abb. 98: Maren Rahmann, Wolfgang Neugebauer, Gabriela Schmoll, Claudia Kuretsidis-Haider und Rudolf Leo. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Kuretsidis-Haider und Rudolf Leo vorgestellten Projektes Biografien aller Häftlinge des „Prominententransports“ erstellt und Fotos dieser Personen in öffentlichen Archiven sowie Privatsammlungen recherchiert. Mit Fokus auch auf die Zeit vor 1938 und nach 1945 wurden in der 2019 erschienenen Publikation die Lebensgeschichten der Betroffenen umfassend dargestellt und die Bandbreite ihres weltanschaulichen Hintergrundes sichtbar gemacht (Abb. 98).

34. Werkstattgespräch am 12. November 2019: „Digitaler Medienkoffer. Zeitgeschichte aus verschiedenen nationalen multimedialen Perspektiven“ Peter Dusek und Sven Saekert präsentierten Ergebnisse des Projektes zum „Digitalen Medienkoffer“. Dieser setzt sich zum Ziel, Zeitgeschichte aus verschiedenen nationalen und multimedialen Perspektiven darzustellen, will zum Selberschreiben animieren und zur Entdeckung der eigenen Identität im Kontext des Unbekannten beitragen. Junge Menschen werden zu einem generationsübergreifenden Dialog mit den Eltern und Großeltern über die zentralen Ereignisse und Themen der vergangenen 100 Jahre angeregt. Dazu werden sogenannte „Hotspots“ der Geschichte als Impulsfilme gestaltet, über ein Online-Portal angeboten und für Bildungseinrichtungen und Museen zur Verfügung gestellt (Abb. 99).

Öffentlichkeitsarbeit

135

Abb. 99: Sven Saekert, Peter Dusek und Herwig Hösele. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Abb. 100: Herwig Hösele, Gerhard Bisovsky, Christin Reisenhofer und Anita Dumfahrt. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

136

Tätigkeitsfelder des Zukunftsfonds

35. Werkstattgespräch am 3. Dezember 2019: „100 Jahre Demokratie“ Weil Demokratie nichts Selbstverständliches ist, immer verbessert werden muss und auch gelernt werden kann und soll, wurde der Demokratie MOOC (Massive Open Online Course) entwickelt. Gerhard Bisovsky und Christin Reisenhofer sprachen beim 35. Werkstattgespräch über die Ziele des MOOCs: Neben der Stärkung der politischen Bildung soll ein positiver Zugang zu Politik gefördert und das Selbstverständnis von Bürgern als aktiver Bestandteil des politischen Systems gestützt werden. Mit dem Demokratie MOOC haben Interessierte die Möglichkeit, Wissen über Demokratie, Politik, politische Prozesse und gesellschaftliche Strukturen zu vertiefen (Abb. 100).

Fördertätigkeit Seit seiner Gründung im Jahr 2005 entwickelte sich der Zukunftsfonds zu der zentralen Fördereinrichtung für Projekte, die sich der historischen Aufarbeitung der NS-Diktatur, dem Holocaust, Flucht, Exil, Widerstand sowie dem Erinnern und Gedenken der Opfer widmen. Thematisch sind hier ebenso Projekte zu nennen, die sich mit jüdischer Kultur in Vergangenheit und Gegenwart und dem heutigen jüdischen Leben beschäftigen sowie Projekte, die antisemitischen Tendenzen entgegenwirken. In den letzten Jahren entwickelten sich zudem Schwerpunktsetzungen zu Förderungen für europa- und demokratiepolitische Projekte im Zusammenhang mit Friedenssicherung, Toleranz und Menschenrechten. Gemäß den Richtlinien des Zukunftsfonds haben eingereichte Projekte schwerpunktmäßig einen wissenschaftlichen, historischen und/oder pädagogischen Charakter aufzuweisen. Zudem sollen die Projekte deutliche Komponenten und Ziele enthalten, die im Sinne einer Völkerverständigung und einer Vorbeugung von totalitären Tendenzen auf der historischen Basis des 19. und 20. Jahrhunderts zukunftsweisend sind.30 Es gibt in Österreich wohl kaum eine vergleichbare Institution, die eine derartige Vielfalt an Projektarten – von wissenschaftlicher Forschung über pädagogische Aktionen, Publikationen, Veranstaltungen bis hin zu Ausstellungen, Filmen oder Gedenkprojekten – fördert und dies in einer äußerst unbürokratischen Form.31

30 ÖZF, Jahresbericht des Zukunftsfonds 2006, S. 3. 31 Den Förderungskriterien, thematischen Schwerpunktsetzungen, Projektarten und Projektbeispielen widmet sich ausführlich das nächste Kapitel „15 Jahre – 3000 Projekte“.

Fördertätigkeit

137

genehmigt

eingereicht

193

208 174 144

123

100

165 99

91

129 81

100

142

150

174

205

200

298

283 245

263

261 236

250

301

335 309

317

300

387

379

375

350

391

400

50

19 20

18 20

17 20

16 20

15 20

14 20

13 20

12 20

11 20

10 20

09 20

08 20

07 20

20

06

0

Grafik 1: Anzahl der eingereichten und vom ÖZF genehmigten Projekte im Zeitverlauf von 2006 bis 2019. Quelle: ÖZF. Grafik: Verena Thaller.

Förderumfang und -merkmale Von Beginn der Fördertätigkeit im Jahr 2006 bis zum Jahresende 2019 wurden beim Zukunftsfonds insgesamt 3805 Anträge eingereicht. Von diesen förderte der Fonds im selben Zeitraum 2603 Projekte, was eine Förderungsquote von rund 68,5 % ergibt. 32 Im ersten Halbjahr 2020 wurden weitere 236 Projekte beantragt, von denen 162 genehmigt wurden, wodurch der Zukunftsfonds per 30. Juni 2020 insgesamt 2765 Projekte förderte.33 Per 30. Juni 2020 wurden also in Summe 4041 Projekte beim Zukunftsfonds eingereicht. Seit seiner Gründung verzeichnet der Zukunftsfonds eine kontinuierlich wachsende Zahl an Projektförderanträgen, sodass sich die Anzahl der eingebrachten Anträge des Jahres 2019 im Vergleich zu jenen des Jahres 2006 verdreifacht hatte. Der bisherige „Rekord“ mit 391 eingereichten Anträgen wurde im Jahr 2018 erreicht, der der meisten Genehmigungen mit 32 ÖZF, Jahresbericht 2019, S. 5, 7. 33 ÖZF, Sekretariat.

138

Tätigkeitsfelder des Zukunftsfonds

40.000 € 36.000

35.000

25.000

€ 27.000

30.000

€ 5.600

€ 6.500

€ 6.100

€ 6.500

€ 8.100

€ 9.000

5.000

€ 9.000

€ 12.000

€ 15.000

10.000

€ 15.000

€ 15.000

15.000

€ 14.000

20.000

19 20

18 20

17 20

16 20

15 20

14 20

13 20

12 20

11 20

10 20

09 20

08 20

07 20

20

06

0

Grafik 2: Durchschnittliche Fördersumme pro Projekt 2006 bis 2019. Quelle: ÖZF. Grafik: Verena Thaller.

305 (inklusive vier Projekten von 2018) im Jahr 2019. Grafik 1 zeigt den Anstieg der Antragstellungen im Verhältnis zur Zahl der genehmigten Projekte im Zeitverlauf.34 Der Anstieg der eingereichten Förderanträge wirkt sich aufgrund der verpflichtenden gesetzlichen Vorgabe des Zukunftsfonds, jährlich maximal zwei Millionen Euro für Förderungen auszugeben, auf die Fördersummen für die einzelnen bewilligten Projekte aus. Da dieselbe jährliche Summe auf immer mehr Projekte aufzuteilen ist, nimmt die durchschnittliche Fördersumme pro Projekt immer mehr ab. Dazu hält der ehemalige Vorsitzende des Kuratoriums, Kurt Scholz, fest: „Das ist eine einfache Division und bedeutet für die Fördernehmer meist nur eine Anschubfinanzierung. Gerade geistes- und sozialwissenschaftliche Projekte sind je-

34 In der Grafik nicht enthalten ist die Anzahl der zurückgezogenen Anträge. In einigen wenigen Fällen wurden Anträge von den einreichenden Personen zurückgezogen. Davon waren im Förderzeitraum 2006 bis 2019 insgesamt 136 Projekte betroffen. In den meisten Fällen konnten die betreffenden Projekte nicht ausreichend finanziert und damit nicht durchgeführt werden. Andere Projekte wurden vom Zukunftsfonds selbst als zurückgezogen gewertet, weil gewisse Bedingungen für eine Förderung von den Einreichern nicht erfüllt wurden.

Fördertätigkeit

139

Abb. 101: Das Büro des Zukunftsfonds archiviert alle eingelangten Förderansuchen sowohl digital als auch „analog“ nach Projektnummern geordnet. Quelle: AdBIK. Foto: Yevgenia Nazaruk.

doch auf staatliche Unterstützung angewiesen, weil sie ihre Fördermittel in kaum einem anderen Bereich lukrieren können.“35 Grafik 2 verdeutlicht dieses niedrigere Förderungsniveau pro Projekt im Vergleich zum Beginn der Fonds-Tätigkeit. Wie von Kurt Scholz angedeutet, muss in diesem Kontext betont werden, dass es sich bei den Projektförderungen durch den Zukunftsfonds zumeist nur um Teilförderungen handelt, d. h. die Grafiken zeigen ausschließlich die Fördertätigkeit des Fonds, nicht aber die tatsächlichen Kosten der einzelnen Förderprojekte. Für eine Vielzahl der Projekte stellt die Förderung durch den Zukunftsfonds eine Teilfinanzierung dar, da der Fonds in vielen Fällen die benötigten Gesamtsummen allein nicht tragen kann: „Der Zukunftsfonds kann nicht jedes Projekt voll finanzieren, daher sind in vielen Fällen Kofinanzierungen von anderen Stellen notwendig. Das stellt natürlich eine Hürde für viele Projekte dar, andererseits trägt es auch zur Sichtbarkeit von Projekten bei. In vielen Fällen kann ein Projekt erst im Zuge einer Redimensionierung und durch eine Unterstützung weiterer Förderstellen realisiert werden“, betont Manfried Rauchensteiner.36 Eine Kofinanzierungsmöglichkeit, die von den Antragstellern öfter genutzt wird, besteht in Beantragung von zusätzlichen Fördermitteln durch den Nationalfonds der Republik 35 AdBIK, Interview Kurt Scholz, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 11.3.2015. 36 AdBIK, Interview Manfried Rauchensteiner, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 11.3.2015.

140

Tätigkeitsfelder des Zukunftsfonds

Österreich für Opfer des Nationalsozialismus. Dieser kann durch sein Mandat jedoch nur bestimmte Projekte fördern, während die Bandbreite der vom Zukunftsfonds förderbaren Projekte umfangreicher ist. Zudem vergibt der Nationalfonds im Unterschied zum Zukunftsfonds nur zweimal jährlich Förderungen. Entsprechend dem Wunsch des Hauptausschusses im Nationalrat wurde ab 2011 eine Dokumentation gestartet, in deren Rahmen der Zukunftsfonds jährlich Bericht über die gemeinsam geförderten Projekte erstattet. Dadurch wird eine effiziente Fördervergabe sichergestellt, die viel Zuspruch erhält. So lobte im Jahr 2010 etwa die damalige Nationalratspräsidentin Barbara Prammer die gute Zusammenarbeit der beiden Fonds, wodurch „Doppelgleisigkeiten vermieden werden können und eine gute Verzahnung der einzelnen Fonds hergestellt wurde“.37 Bezüglich der tatsächlichen Anzahl der gemeinsam finanzierten Projekte kann nur eine ungefähre Angabe gemacht werden, da die vorliegenden Zahlen auf den Eigenangaben der Antragsteller basieren. Zudem wurden die gemeinsam finanzierten Projekte erst nach Etablierung der Dokumentationstätigkeit ab dem Jahr 2011 in den Jahresberichten des Zukunftsfonds erfasst. Dem Jahresbericht 2019 ist zu entnehmen, dass im Zeitraum 2011 bis 2019 insgesamt 2109 Projekte vom Zukunftsfonds genehmigt wurden. Davon wurde für 674 Projekte auch beim Nationalfonds um eine Förderung angesucht, die in 604 Fällen eine Bewilligung erfuhren.38 Ein weiteres Förderungsmerkmal des Zukunftsfonds ist die Möglichkeit einer Mehrfachförderung, denn diese ist im Zukunftsfondsgesetz nicht ausgeschlossen. Laut § 4 kann ein Projekt mit einer einmaligen oder wiederkehrenden finanziellen Leistung gefördert werden. Dadurch können einzelne Projektträger mehrmals Projekte einreichen oder sich wiederholende Projekte wie etwa Gedenkveranstaltungen in den Folgejahren erneut gefördert werden. Zudem werden in manchen Fällen mit einer Förderung mehrere Projektbestandteile abgedeckt. So kann bei Forschungsprojekten oder Symposien zugleich um Förderung einer Publikation oder eines Tagungsbandes angesucht oder nach Abschluss eines Projektes separat von einem Verlag ein Antrag auf Druckkostenzuschuss eingereicht werden. Oftmals werden auch Veranstaltungsreihen mit Workshops, Lesungen, Konzerten oder Filmvorführungen beantragt. In manchen Fällen wird die Fördersumme für einen Teil zweckgebunden, meistens jedoch obliegt es den Einreichern, wofür sie den Betrag verwenden, was oftmals eine Erleichterung für die Projektdurchführung darstellt. Förderansuchen können sowohl von natürlichen als auch juristischen Personen aus dem Inund Ausland eingereicht werden. Dass Individualeinreichungen ohne institutionelle Anbindung möglich sind, unterscheidet den Zukunftsfonds von vielen anderen Förderstellen. Damit haben auch Nachwuchswissenschafter und Akteure aus der Zivilgesellschaft die Chance, Pro37 Zukunftsfonds legt Jahresbilanz für 2009 vor. Parlamentskorrespondenz Nr. 939, 25.11.2010. 38 ÖZF, Jahresbericht des Zukunftsfonds 2019, S. 10.

Fördertätigkeit

141

Abb. 102: Manfried Rauchensteiner bei der Begutachtung von Projektanträgen im Zuge einer Projektförderungsbeiratssitzung im Jahr 2020. Quelle: AdBIK. Foto: Yevgenia Nazaruk.

jekte zu realisieren. Die jährlichen Fördermittel durften bis 2012 100.000 Euro pro Projekt nicht übersteigen, ab Dezember 2012 wurde aufgrund der steigenden Zahl an Projektanträgen in den Richtlinien der Höchstbetrag jedoch auf 50.000 Euro herabgesetzt. Bei darüberhinausgehenden Beträgen ist ein einstimmiger Beschluss des Kuratoriums notwendig. Ein Blick auf die Fördersummen zeigt resümierend folgendes Bild: Bis Ende 2019 schüttete der Zukunftsfonds 26.390 Millionen Euro für insgesamt 2603 Projekte aus. Die Gesamtantragssumme dieser 2603 genehmigten Projekte belief sich allerdings auf 52.521 Millionen Euro. Inklusive der abgelehnten Projekte beträgt die Gesamtantragssumme aller seit Bestehen des Fonds eingelangten Projektansuchen mit Ende 2019 93.902 Millionen Euro.39 Mit Stand 30. Juni 2020 wurden 2765 Projekte genehmigt, die Genehmigungssumme insgesamt betrug 27.958 Millionen Euro.40

39 ÖZF, Jahresbericht des Zukunftsfonds 2019, S. 7. 40 ÖZF, Sekretariat.

142

Tätigkeitsfelder des Zukunftsfonds

Abb. 103: Gerald Stourzh im Gespräch mit Heribert Steinbauer im April 2014. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

Projektbeurteilung Das Prozedere bei der Projekteinreichung ist genau festgelegt und verhältnismäßig unbürokratisch. So langen die Initiativanträge der einzelnen Antragsteller im Büro des Zukunftsfonds ein und werden vor den Gremiensitzungen sowohl an den Projektförderungsbeirat als auch an das Kuratorium weitergeleitet. Die Arbeit des Projektförderungsbeirates umfasst neben der Begutachtung der Projektanträge die Durchführung von Recherchen, das Lesen von Manuskripten sowie die Beurteilung von Filmproduktionen und anderen Dokumenten. Der Beirat prüft dabei gemäß den gesetzlichen Vorgaben und wissenschaftlichen Kriterien die Eignung der Projekte und gibt letztlich die in einer Beiratssitzung formulierten Empfehlungen an das Kuratorium ab. Die Zusammensetzung des Projektförderungsbeirats spiegelt dabei das Spektrum der Projekteinreichungen wider. Neben der historischen Expertise von Margarete Grandner und Manfried Rauchensteiner sind mit Helene Maimann eine Medien- und Filmexpertin und mit Robert Pfaller ein Kulturphilosoph im Beirat vertreten. So wurde im Laufe des Bestehens des Zukunftsfonds auf eine Zunahme von Projektanträgen aus dem Bereich Film, Kunst, Theater und Neue Medien reagiert.

Fördertätigkeit

143

Aufgabe des Projektförderungsbeirates ist jedoch nicht nur die Prüfung der eingelangten Anträge hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit der inhaltlichen Zielsetzung des Zukunftsfonds, sondern auch im Hinblick auf weitere zentrale Kriterien: „Eine Besonderheit des Zukunftsfonds ist sicherlich der starke Fokus auf die breite öffentliche Wirksamkeit der geförderten Projekte. Neben wissenschaftlichen Forschungsprojekten werden deshalb verstärkt auch lokale oder regionale Initiativen und Projekte mit einer pädagogischen Ausrichtung unterstützt. Ein gefördertes Projekt soll möglichst viele Menschen erreichen und nicht nur in akademischen Zirkeln verbleiben.“41 Ein weiteres Auswahlkriterium im Hinblick auf die Förderwürdigkeit ist etwa die Nachhaltigkeit für spätere Generationen. Dementsprechend wird in der Projektbeurteilung auch danach gefragt, welcher Nutzen aus einem Projekt für die Nachwelt hervorgeht. Die Dauerhaftigkeit und Zugänglichkeit der Inhalte, etwa in Form von Publikationen, Filmen oder Webseiten, über die sich Interessenten auch noch in vielen Jahren über die Thematik informieren können, ist für den Zukunftsfonds ebenso wichtig. „Auch die Kuratoriumsmitglieder beschäftigen sich sehr intensiv mit den Projektanträgen. Sie bekommen die Anträge vorab, danach werden in einer gemeinsamen Beirats- und Kuratoriumssitzung die Empfehlungen des Beirats diskutiert. Mitunter stellt das Kuratorium in dieser auch Fragen, die möglicherweise im Experten-Beirat so gar nicht aufgekommen sind. Daher ist die gemeinsame Sitzung so wichtig für die effiziente Diskussion der Anträge“42, sagt Generalsekretärin Anita Dumfahrt. Die Endentscheidung über die Projektanträge liegt jedoch beim Kuratorium. Auf Basis der Beirats-Stellungnahmen und der den jeweiligen Projekten zugemessenen Relevanz beschließt es über die Projektförderungen einschließlich der Höhe der Förderbeträge in einer separaten Kuratoriumssitzung. In etwa 98 Prozent der Fälle wird den Empfehlungen des Beirates entsprochen.43 Einige Tage nach Entschluss des Kuratoriums verständigt das Büro des Zukunftsfonds schließlich die Fördernehmer über die Entscheidung. Die Aufgaben der Zukunftsfonds-Gremien sind oftmals mit einem großen Zeitaufwand verbunden, den die Mitglieder ehrenamtlich, also unentgeltlich, leisten. Pro Sitzung müssen beispielsweise Hunderte von Seiten studiert werden. Die Motivation für ihren Einsatz im Projektförderungsbeirat begründet etwa die Historikerin Margarete Grandner wie folgt: „Die Tätigkeit im Projektförderungsbeirat ist sehr arbeitsintensiv. Ein gewisser Eigennutz besteht jedoch allein schon darin, dass man sehr viele interessante Anträge sieht und auch gewisse Trends verfolgen kann.“44 Gerald Stourzh, von 2006 bis 2007 Mitglied des Projektförde41 AdBIK, Interview Margarete Grandner, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 11.3.2015. 42 AdBIK, Interview Anita Dumfahrt, durchgeführt von Katharina Bergmann-Pfleger. Wien 16.6.2020. 43 Ebd. 44 AdBIK, Interview Margarete Grandner, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 11.3.2015.

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Tätigkeitsfelder des Zukunftsfonds

rungsbeirats, ergänzt dazu: „Je nach Themenlage waren für die Sitzungen ausführliche Stellungnahmen vorzubereiten. Insgesamt kann ich sagen, dass die Zusammenarbeit im Beirat und überhaupt im Fonds stets in einer sehr erfreulichen, sachlichen und von gegenseitiger Wertschätzung getragenen Form stattfand. Der Einladung zur Mitarbeit im Projektförderungsbeirat bin ich damals gerne gefolgt, da ich die Zielsetzungen und den Auftrag des Zukunftsfonds damals wie heute für sehr sinnvoll und wichtig erachte.“45

45 AdBIK, Schriftliches Statement Gerald Stourzh. Wien 15.4.2015.

15 Jahre – 3000 Projekte In den 15 Jahren seines Bestehens förderte der Zukunftsfonds der Republik Österreich eine wahre Fülle an Projekten im In- und Ausland mit einer außerordentlichen Vielfalt an Themen und Zugängen – bis 30. Juni 2020 waren es insgesamt 2765 genehmigte Projekte, bis Ende des Jahres 2020 werden 3000 erwartet. Diese Vielfalt reicht von wissenschaftlicher Forschung über Publikationen, Filme, Dokumentationen, Ausstellungen, Gedenkstätten, Schulprojekte, Konferenzen, Tagungen bis hin zu künstlerischen Projekten, Online-Datenbanken oder etwa New-Media-Projekten. Thematisch sind die im Bundesgesetzblatt der Republik Österreich vom 19. Dezember 2005 festgelegten Kriterien für förderwürdige Projekte recht weit gefasst. Sie beinhalten folgende Bereiche: das „Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen Regimes“, die „Erinnerung an die Bedrohung durch totalitäre Systeme und Gewaltherrschaft“, „die Erforschung des Unrechts, das während des nationalsozialistischen Regimes auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich geschehen ist“, die „internationale Zusammenarbeit“, die „zukunftsorientierte Förderung von Toleranz, Achtung der Menschenrechte und Nicht-Diskriminierung“ und die „Förderung von wissenschaftlichen Arbeiten über diese Themen“.1 Überblickt man den gesamten Tätigkeitszeitraum des Zukunftsfonds, so lassen sich für die einzelnen Jahre der Fördertätigkeit sowohl hinsichtlich Projektarten als auch thematischen Schwerpunktsetzungen verschiedene Tendenzen ablesen, die in diesem Kapitel näher betrachtet werden.

Projektausschreibungen 2006, im ersten Tätigkeitsjahr des Zukunftsfonds, langte eine Vielzahl von initiativen Projektanträgen im ÖZF-Büro ein. Rasch zeigte sich jedoch, dass viele dieser Anträge nicht der Zielsetzung und Aufgabenstellung des Fonds entsprachen oder die beantragten Einzelförderungen die gesetzlich festgelegte jährliche Gesamtfördersumme des Fonds überstiegen. Deshalb ging man kurzfristig dazu über, Themenstellungen zu erarbeiten und diese online auf der Website des Zukunftsfonds auszuschreiben: „Dies war notwendig, weil bestimmte relevante Themen von sich aus in den Initiativanträgen nicht vorgekommen sind. Es ging auch darum, bestimmte Signale und Schwerpunkte zu setzen“2, sagt dazu Manfried Rauchensteiner. 1 Bundesgesetzblatt der Republik Österreich vom 19.12.2005. 2 AdBIK, Interview Manfried Rauchensteiner, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 11.3.2015.

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15 Jahre – 3000 Projekte

Abb. 104: Das erste ausgeschriebene Projekt widmete sich unter der Leitung von Hans Schafranek dem Thema „Söldner für den Anschluss. Die Österreichische Legion in den Jahren 1933−1938“. Quelle: Sammlung Hans Schafranek.

In einer ersten Themenstellung standen die Mitwirkung von Österreichern an der Vorbereitung der Machtübernahme des Nationalsozialismus sowie der Anteil der Bevölkerung an der Etablierung und Durchsetzung des NS-Regimes unter besonderer Berücksichtigung der Konzentrations- und Vernichtungslager sowie der Einsatzgruppen im Fokus.3 Bis zum Jahr 2010 folgten weitere Ausschreibungen. Die Projekte sollten mit mehrjähriger Laufzeit bearbeitet werden. Ab dem Jahr 2011 schrieb der Zukunftsfonds aufgrund der steigenden Anzahl an Initiativanträgen und der bereits beforschten Desiderate keine Projekte mehr aus. Folgende Studien wurden im Zeitraum von 2006 bis 2010 vom Zukunftsfonds ausgeschrieben und schließlich vergeben bzw. umgesetzt:

3 ÖZF, Jahresbericht des Zukunftsfonds 2006, S. 6.

Thematische Schwerpunktsetzungen

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• Hans Schafranek, Söldner für den Anschluss. Die Österreichische Legion in den Jahren 1933–1938 (P07-0132)4 • Verena Moritz, Die Österreichische Legion aus Sicht des Heeresnachrichtendienstes und der Staatspolizei in Österreich (P07-0168) • Martin Moll, Österreicher als Element der NS-Okkupationspolitik (P07-0136) • Joseph Marko, Praxis des Minderheitenschutzes in Mitteleuropa (P07-0220) • Evelyn Klein, Österreichs Rolle bei der jüdischen Zuwanderung aus der Sowjetunion (P08-0422) • Michael Gehler, Offene Grenzen, neue Barrieren und gewandelte Identitäten. Österreich, seine Nachbarn und die Transformationsprozesse in Politik, Wirtschaft und Kultur seit 1989 (P10-0734) • Heidemarie Uhl, Österreich und seine Nachbarn: Kulturelle Transformationen, politische Repräsentationen und trans/nationale Identitätsentwürfe seit 1989 (P10-0736)

Thematische Schwerpunktsetzungen Gemäß seinem gesetzlichen Auftrag beschäftigt sich der größte Teil der durch den Zukunftsfonds geförderten Projekte mit den Themen NS-Regime und Holocaust. Die Palette der Jahr für Jahr unterstützten Vorhaben zum Zweiten Weltkrieg und der österreichischen Erinnerung daran könnte breiter nicht sein. Meist geht es bei der Aufarbeitung um die österreichische Mitverantwortung an den Verbrechen des Nationalsozialismus, denn in diesem Bereich ist nach wie vor ein großer Aufholbedarf in der Forschung vorhanden. Diese Gewichtung der Projekte auf das NS-Regime und den Holocaust bedeutet jedoch nicht, dass der Zukunftsfonds in Erfüllung seines gesetzlichen Auftrages nicht auch Untersuchungen über antidemokratische Strömungen beziehungsweise Analysen über den Zustand der demokratischen Gesellschaft in der Gegenwart fördert und weitere Arbeiten zu aktuellen Themen wie Menschenrechte, Migration, Integration und Asyl unterstützt. Gerade seit 2015 wird die Durchführung solcher Vorhaben verstärkt unterstützt, wie die nächsten Kapitel zeigen werden.

4 Bei sämtlichen in diesem Kapitel vorgestellten Projekten werden ausnahmslos die Projektleiter bzw. -einreicher und nicht die Projektmitarbeiter genannt. Die beigefügten Projektnummern dienen einer eindeutigen Identifizierung der erwähnten Projekte und können für eine schnelle Auffindbarkeit in der Online-Datenbank des ÖZF genutzt werden.

148

15 Jahre – 3000 Projekte

Demokratie Der Zukunftsfonds versucht in vielfältiger Weise, dem immerwährenden Auftrag des „Niemals wieder“ gerecht zu werden. Deshalb sind ihm Projekte, die antisemitische, rassistische, extremistische, fundamentalistische, xenophobe und totalitäre Tendenzen und Bedrohungen untersuchen und diesen entgegenwirken, besonders wichtig. Toleranz, Respekt, die Wahrung demokratischer Grundwerte und der Menschenrechte werden dabei als Basis für ein friedliches Zusammenleben angesehen. Ein Beispiel für ein Projekt, das sich dem Thema Demokratie aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive nähert, ist die vom Historiker Oliver Rathkolb gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut SORA umgesetzte Studie „Geschichtsverarbeitung der NS-Zeit. Autoritäre Einstellungen und demokratisches Bewusstsein im Kontext subjektiver Bedrohungswahrnehmungen“ (P13-1553). Mittels einer quantitativen Erhebung im Zuge von 1000 Telefoninterviews wurden dabei Indikatoren für autoritäre Tendenzen und demokratische beziehungsweise demokratiefeindliche Einstellungen erfasst. Die zentrale Fragestellung richtete sich auf das Aufzeigen der in der österreichischen Bevölkerung verbreiteten Meinungen rund um die Themen Autoritarismus, Demokratiebewusstsein und Geschichtsverarbeitung in Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus sowie auf damit zusammenhängende, subjektive Bedrohungswahrnehmungen. Die Analyse zeigte etwa, dass die Abwehr der Auseinandersetzung mit Schuld und Verantwortung in der eigenen Geschichte mit autoritären politischen Einstellungen in der Gegenwart einhergeht. Daraus wurde ersichtlich, inwiefern eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen kollektiven Vergangenheit für die Konstituierung und Festigung eines demokratischen Selbstverständnisses von Bedeutung ist.5 Das Projekt wurde medial stark rezipiert, zeigte es doch den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Unsicherheit, sozioökonomischen Krisen und dem Anstieg antidemokratischer Tendenzen. Dazu der Projektleiter Oliver Rathkolb: „Das Projekt zeigte deutlich, dass es auch gegenwärtig höchst gefährliche und autoritäre Tendenzen in der Gesellschaft und im Diskurs gibt, denen man sich bewusst entgegenstellen muss. Die Förderung des demokratischen Denkens ist eine Zielsetzung des Zukunftsfonds, die gerade auch heute und in Zukunft von höchster Wichtigkeit ist.“6 Auf Basis der Untersuchungen gaben die beteiligten Forscher die Empfehlung ab, die Auseinandersetzung mit der Geschichte, dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg in Österreich im Hinblick auf die Stär5 Siehe dazu auch die Zusammenfassung der Studienergebnisse unter: www.sora.at/fileadmin/downloads/projekte/2014_Presseunterlage_Geschichtsbewusstsein-und-autoritaere_Einstellungen.pdf (5.8.2020). 6 AdBIK, Interview Oliver Rathkolb, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 9.3.2015.

Thematische Schwerpunktsetzungen

149

Abb. 105: Oliver Rathkolb präsentiert das Projekt „Autoritarismus in Österreich und Zentraleuropa“ (P06-0021) bei den Werkstattgesprächen des Zukunftsfonds im November 2011. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

kung der Demokratie, der Bewusstseinsbildung und der Orientierung auf breiter Ebene zu fördern.7 Dieser Empfehlung kam der Zukunftsfonds nach, unterstützte er doch in den folgenden Jahren zahlreiche weitere Forschungsprojekte in diesem Bereich – nicht nur von Oliver Rathkolb, der sich etwa weiterführend dem „Geschichts- und Demokratiebewusstsein im Kontext der aktuellen politischen Situation in Österreichs“ (P16-2495) oder einer „Online-Umfrage zu Autoritarismus, nationalen Geschichtsbildern und demokratischer Disposition in Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn im Oktober 2019“ (P19-3596) widmete, sondern beispielsweise auch von der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft. In mehreren Projekten zum Demokratiemonitoring wurden unter der Leitung von Heinz Kienzl „Politik(erInnen)-Verdrossenheit, Vertrauen in Institutionen, Banken und Versicherungen und Islamismusangst“ (P15-2298) hinterfragt und „Ge7 www.sora.at/fileadmin/downloads/projekte/2014_Presseunterlage_Geschichtsbewusstsein-und-auto ritaere_Einstellungen.pdf (3.8.2020).

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15 Jahre – 3000 Projekte

Abb. 106: Der vom Zukunftsfonds geförderte Österreichische Demokratie Monitor beobachtet die Demokratieentwicklung in Österreich, macht auf Probleme aufmerksam und schlägt Lösungen vor. Quelle: demokratiemonitor.at.

sellschaftspolitische Entwicklungen und Trends im Spiegel der Meinungsforschung“ (P172674) sowie „Langfristbeobachtung des Meinungsbildes in Österreich zu demokratiepolitisch relevanten Themen“ (P18-3059) dargelegt. In diesem Zusammenhang ist auch die Unterstützung des vom Meinungsforschungsinstitut SORA durchgeführten Demokratie Monitors (P17-2983, P19-3537, P20-3963), der im Frühjahr 2018 erstmals präsentiert wurde, durch den Zukunftsfonds zu erwähnen. Unter dem Motto „Warnsignale erkennen“ erhebt dieser jährlich die Einstellungen der Menschen in Österreich zur Demokratie sowie ihre politische und zivilgesellschaftliche Partizipation. Gleichzeitig möchte er rechtzeitig Maßnahmen zur Erhaltung und Stärkung der Demokratie empfehlen. Die Grundlage des Österreichischen Demokratie Monitors (ÖDM) stellt eine jährliche Bevölkerungsumfrage dar. Im Jahr 2019 wurden etwa 2185 Menschen mit Wohnsitz in Österreich ab 16 Jahren über Telefon- und Online-Interviews befragt. Die Studie ergab dabei zum einen eine mit 87 Prozent grundsätzlich sehr hohe Zustimmung zur Demokratie als „beste Staatsform“. Zum anderen identifizierte sie – wie auch bereits 2018 – zwei Warnsignale: „Erstens ist der Anteil an Menschen mit autoritären/illiberalen Demokratievorstellungen in den vergangenen 12 Monaten etwas angestiegen und liegt nun bei 38%. Ob diese Entwicklung v. a. im ökonomisch stärksten Drittel der Bevölkerung eine vorübergehende oder nachhaltige ist, wird der ÖDM im kommenden Jahr zeigen. Zweitens stellt sich die Frage, ob Österreich auf dem Weg in eine Zwei-Drittel-Demokratie ist – in

Thematische Schwerpunktsetzungen

151

Abb. 107: Die Publikation „Sehnsucht nach dem starken Mann?“ beschäftigt sich mit autoritären Tendenzen in Österreich seit 1945. Quelle: Forschungsinstitut für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek.

eine Demokratie, in der sich das ökonomisch schwächste Drittel kaum mehr an politischen Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt.“8 Im Bereich der Forschungsprojekte über Demokratie sei noch auf die Studie „Autoritäre Tendenzen in der Zweiten Republik“ (P15-2152) des Forschungsinstitutes für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek in Salzburg hingewiesen. Die daraus entstandene, 2019 erschienene Publikation „Sehnsucht nach dem starken Mann?“ (P18-3337) von Martin Dolezal, Peter Grand, Berthold Molden und David Schriffl geht der Frage nach, wie bedeutend autoritäre Tendenzen im Zeitverlauf tatsächlich waren und in welchen politischen und gesellschaftlichen Bereichen sie aufkamen. Zur Untersuchung des vielschichtigen Phänomens widmen sich die Autoren neben den Einstellungen der Bevölkerung der Programmatik der politischen Parteien, den medialen Diskursen in Zeitungskommentaren sowie der 8 Webseite Österreichischer Demokratie Monitor, Presseunterlage vom 10.12.2019, https://www.de mokratiemonitor.at/wp-content/uploads/2019/12/20191210_OEDM_Presseunterlage.pdf, S. 3 (3.8. 2020).

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15 Jahre – 3000 Projekte

Wahrnehmung zentraler Ereignisse der österreichischen Nachkriegspolitik durch das westliche Ausland. In ihrer Zusammenfassung gelangen sie dabei unter anderem zu dem Schluss, dass die „Vorstellung von einer – bisher fast immer männlich konnotierten – Führerfigur, die als Erlöser auftritt und mit entschlossener Hand die scheinbar unlösbaren Probleme einer Gesellschaft zu lösen vermag, […] die vielleicht wichtigste Konstante autoritärer Einstellungen [ist]“9. Auch abseits der großen Studien findet das Thema „Demokratie“ über sämtliche Projekt­ arten verteilt große Unterstützung durch den Zukunftsfonds: Seien es Veranstaltungen wie etwa die Veranstaltungstrilogie „Lernen Sie Geschichte. Österreich auf dem beschwerlichen Weg in die Demokratie“ (P07-0258) des Forums Zeit und Glaube des Katholischen Akademiker/innen Verbands der Erzdiözese Wien, die mehrmals geförderten Kongresse „Momentum“ (etwa P16-2535) des gleichnamigen Vereins für kritische Wissenschaft in Hallstatt,10 der sich der Entwicklung neuer Impulse und praxistauglicher Lösungen für den sozialen Fortschritt verschrieben hat, und das Symposium „Krise der Demokratie – Demokratie in der Krise“ (P18-3192) des Sir Peter Ustinov Instituts zur Erforschung und Bekämpfung von Vorurteilen.11 Oder seien es Publikationen wie die Drucklegung der Dissertation „Direkte Demokratie in der liechtensteinischen Landesverfassung und dem österreichischen Bundes-Verfassungsgesetz. Bestandsaufnahme – Empirie – Entwicklungspotential“ (P16-2486) von Christian Geisselmann und des 2017 erschienenen Buchs „Die Themen der ‚Populisten‘. Mit einer Medienanalyse von Wahlkämpfen in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Dänemark und Polen“ (P17-2951) von Klaus Poier, Sandra Saywald-Wedl und Hedwig Unger. Initiativen im Bildungsbereich sowie für Kinder und Jugendliche stehen ebenso im Zentrum der Förderungen: Exemplarisch seien die Projekte „Entwicklung und Produktion von Vermittlungs- und Unterrichtsmaterialien für das Haus der Geschichte Österreich. Geschichts- und Demokratievermittlung im Museum, in der Schule, zu Hause“ (P18-3053), „Förderung eines reflexiven Geschichts- und Demokratiebewusstseins durch Museumsbesuche im Geschichtsunterricht“ (P19-3483) des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck sowie die Durchführung einer Projektwoche zu „Demokratie – Friede – Menschenrechte“ (P18-3252) des Gymnasiums, Realgymnasiums und wirtschaftskundlichen Realgymnasiums Ödenburgerstraße in Wien genannt. Spannend gestaltet sich zudem das 9 Martin Dolezal – Peter Grand – Berthold Molden – David Schriffl, Sehnsucht nach dem starken Mann? Autoritäre Tendenzen in Österreich seit 1945. Wien – Köln – Weimar 2019, S. 452. 10 Vgl. hierzu die Webseite des Kongresses unter https://www.momentum-kongress.org/ (5.8.2020). 11 Vgl. hierzu die Webseite des Sir Peter Ustinov Instituts unter http://www.ustinov.at/2018-%E2%80% 9Ekrise-der-demokratie-demokratie-der-krise%E2%80%9C sowie Irene Brickner, Menschenrechtsexperte Nowak befürchtet soziale Revolten, in: Der Standard, 3. Juni 2018, online unter: https://www. derstandard.at/story/2000080857876/menschenrechtsexperte-nowak-befuerchtet-soziale-revolten (5.8.2020).

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Game-Theaterprojekt für Menschen ab 14 „Das Los“ (P20-3992) des Theatervereins Ansicht. Die jugendlichen Zuschauer sollen bei diesem interaktiven Gruppenspiel zu Entscheidungsträgern eines demokratischen Prozesses und somit Teil ihrer eigenen Gesetzgebung werden. Durch diese spielerische Komponente werden dem jungen Publikum mögliche Konsequenzen seiner Entscheidungen und seines Verhaltes aufgezeigt. Projekte mit demokratiepolitischen Zielsetzungen sind letztlich auch im Bereich der Neuen Medien zu verzeichnen. So ist etwa die Webapplikation www.politikeronline.at (P152163) im Bereich der Politischen Bildung aktiv und will vor allem junge Menschen in ihrem Lebensalltag erreichen. Da das Vertrauen in die institutionalisierte Politik mangels fehlender Direktkontakte sinken kann, möchte sie einen Kommunikationskanal und Dialogmöglichkeiten zwischen Politikern und Bürgern eröffnen, um so möglichem Desinteresse, Frust oder Protest vorzubeugen. Dabei sammelt politikeronline.at sämtliche Postings von österreichischen Politikern aus den Sozialen Medien und stellt diese ohne redaktionelles Eingreifen auf der Plattform dar.

Europa Ähnlich breit gefächert wie die Förderung von Projekten zum Thema Demokratie sind diejenigen zum Themenkomplex Europa. Die Europäische Union als umfassendes Friedensprojekt sowie als Projekt des ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts, des Zusammenhalts sowie der Sicherheit steht hier im Fokus der unterschiedlichen unterstützten Vorhaben. An eine junge Zielgruppe richtet sich eines der größten dem Themenkomplex Europa zugehörigen und zum wesentlichsten Teil vom Zukunftsfonds geförderten Projekte: Im Rahmen von „Europa. Gemeinsam“ (zuletzt P19-3796), einem Kooperationsprojekt der Diplomatischen Akademie in Wien und dem Verband Österreichischer Volkshochschulen, lernen Lehrlinge aus Österreich das „Europäische Projekt“ in seiner historischen und gegenwärtigen Ausprägung direkt vor Ort kennen, indem sie während einer mehrtägigen Exkursion nach Brüssel in die Arbeit der europäischen Institutionen und der österreichischen Vertretung „hineinschnuppern“ können. Im Zusammenhang mit dem Besuch des Weltkriegsmemorials in Ypern soll zudem veranschaulicht werden, dass es das Verdienst der Europäischen Union ist, die traditionell verfeindeten europäischen Mächte in ein groß angelegtes Friedensprojekt eingebunden zu haben, das mit fortschreitender ökonomischer und politischer Integration umso nachhaltiger und erfolgreicher sein kann. Dazu Gerhard Bisovsky vom Verband Österreichischer Volkshochschulen: „Die Jugendlichen werden medial begleitet und geschult und

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Abb. 108: Das Projekt „Europa.Gemeinsam“ macht die Europäische Union und ihre Institutionen sichtbar, erlebbar und fassbar. Lehrlinge aus Österreich können in einer dreitägigen Reise nach Brüssel ihre Aufgabengebiete, Arbeitsweisen und Mechanismen kennenlernen. Quelle: Verband Österreichischer Hochschulen. Foto: Tolikas Media.

werden motiviert eigene Videoclips zu drehen,12 die Teil der Filmdoku werden. Zudem werden sie von einem Historiker begleitet, der insbesondere auf den Besuch in Ypern vorbereitet. An drei Exkursionen haben bislang 173 Lehrlinge aus Berufsschulen in acht Bundesländern teilgenommen.“13 In diesem Zusammenhang sei auch auf den ebenso vom Zukunftsfonds kofinanzierten und vom Verband Österreichischer Volkshochschulen ins Leben gerufene „Demokratie-MOOC – Demokratiepolitische Bildung im Internet“ (P18-3204) hingewiesen, eine Plattform, die orts- und zeitunabhängig demokratiepolitische Bildung ermöglicht. 14 Als ein Beispiel für die vielen geförderten Publikationen im europapolitischen Kontext soll die „Europäische Rundschau“ von Zeitschriftengründer und Redaktionsleiter Paul Lendvai erwähnt werden – vor allem auch als kleine Hommage anlässlich ihrer letzten Ausgabe (Heft 2/2020) nach 47 Jahren ihres Erscheinens. Der Zukunftsfonds förderte drei Sondernummern dieser Vierteljahreszeitschrift für Politik, Wirtschaft und Zeitgeschichte: „Wiederaufleben 12 Die von den Lehrlingen produzierten Handy-Clips über Brüssel und Europa sind auf der Web­seite von „Europa. Gemeinsam“ online abrufbar: https://europagemeinsam.at/galerie/handyclip-contest-­ volume-3-2018/ (3.8.2020). 13 AdBIK, schriftliches Statement Gerhard Bisovsky. Wien 23.5.2020. 14 Siehe hierzu die Webseite des Demokratie-MOOC https://demooc.at/ (3.8.2020).

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des Nationalismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit“ (P13-1449), „Der Mythos der ‚starken Männer‘ und die Lehren aus der Vergangenheit“ (P18-3233) sowie „100 Jahre Trianon – die explosiven Folgen eines Diktats“ (P20-3899). Die Zeitschrift, von der letztlich 190 Nummern erschienen, wurde „als eine in einem neutralen Land ansässige, parteiunabhängige, international bedeutsame Stimme der politischen Analyse inmitten des Kalten Krieges“15 gegründet. Sie war über viele Jahre als eine Aussichtsplattform auf das Geschehen in Mittel- und Osteuropa anzusehen, die sich brisanten Themen wie etwa den wirtschaftlichen und sozialen Problemen des Transformationsprozesses in den ehemaligen kommunistischen Ländern widmete. Osteuropaexperte Lendvai blieb dieser Linie bis zur letzten Ausgabe, die die Folgen der Trianon-Verträge von 1920 zum Inhalt hatte, treu. Auch im Veranstaltungsbereich erfahren europapolitische Themen Förderungen durch den Zukunftsfonds, jedes Jahr finden zahlreiche Konferenzen, Symposien oder Tagungen zu verschiedenen Fragestellungen statt. Das gemeinnützige, 2004 vom damaligen Salzburger Landeshauptmann Franz Schausberger gegründete Institut der Regionen Europas (IRE)16 etwa erhielt für seine „Konferenzen Europäischer Regionen und Städte“ (P18-3152, P193564, P20-3923) seit 2018 eine jährliche Unterstützung des Fonds. Das Institut verfolgt das Ziel, ein Forum für die europäischen Regionen, Kommunen und Unternehmen zu schaffen sowie grenzübergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Es umfasst derzeit ein Netzwerk von über 130 Mitgliedern aus 23 europäischen Städten. Joachim Fritz, Generalsekretär des IRE, betont dabei, dass durch die Förderung des Zukunftsfonds die Arbeit des IRE für die Republik Österreich, aber auch für Europa und seine gemeinsame Geschichte erst sichtbar gemacht worden sei: „Wir sind dankbar, mit dem Zukunftsfonds der Republik Österreich einen zentralen Partner in Fragen Demokratie, Geschichtsbewusstsein und Solidarität gefunden zu haben.“17 So widmete sich die 14. Konferenz Europäischer Regionen und Städte des IRE, die im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft Anfang Oktober 2018 in Salzburg stattfand, dem Thema „Europa 1918 – 2018 – 2118“. Dabei wurden Fragen erörtert wie „Was wurde aus dem Europa seiner Gründer?“, „Was wird aus Europa?“, „Europa: Die Zukunft ist digital“, „Die Zukunft der Energie in Europa“ oder „Landflucht als Schicksal für den ländlichen Raum in Europa?“.18 15 N. N., „Europäische Rundschau“ stellt Erscheinen ein, in: Wiener Zeitung, 9.7.2020. Online unter: https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/medien/2067258-Europaeische-Rundschau-stellt-Erscheinen-ein.html (3.8.2020). 16 Siehe hierzu auch die Webseite des IRE: http://www.ire.or.at/ (5.8.2020). 17 AdBIK, Schriftliches Statement Joachim Fritz. Salzburg 19.4.2020. 18 Vgl. hierzu etwa Julia Hettegger, Konferenz der Europäischen Regionen und Städte (IRE). Wenn das Land die Stadt sein will, in: meinbezirk.at, 4.10.2018, https://www.meinbezirk.at/salzburg/c-politik/ wenn-das-land-die-stadt-sein-will_a2952834 (4.8.2020).

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Abb. 109: Die 14. Konferenz Europäischer Regionen und Städte des Instituts der Regionen Europas widmete sich dem Thema „Europa 1918 – 2018 – 2118“. Quelle: IRE. Foto: Franz Neumayr.

Ebenso aus Anlass des EU-Ratsvorsitzes fand die vom Zukunftsfonds kofinanzierte und vom New Israel Fund Österreich durchgeführte Veranstaltung „The European Union in Israel: Supporting Democracy – Supporting Civil Society“ (P18-3293) im Oktober 2018 statt. In dieser sei dargelegt worden, wie EU-Förderungen die israelische Zivilgesellschaft bei der Durchführung von Projekten, die die Demokratie im Land stärken, unterstützt, so Mit-Organisatorin Eleonore Lappin-Eppel. „Die zahlreichen zivilgesellschaftlichen Projekte, welche in Israel das Zusammenleben zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft verbessern, aber auch das demokratische Gefüge des Landes stärken – sei dies auf dem Gebiet der Selbstverwaltung, sei dies in Bezug auf Menschenrechte – sind in Österreich so gut wie unbekannt. Genauso wenig ist aber bekannt, wie sehr sich gerade die EU für die Förderung solcher Projekte einsetzt. Der Hinweis auf die Verbindung von Demokratie, Israel und EU war mir ein wichtiges Anliegen, der EU-Vorsitz von Österreich ein gegebener Anlass.“19 Das gemeinsame Europa steht ständig vor neuen Herausforderungen, aber auch Chancen. Aus diesem Grund unterstützt der Zukunftsfonds ausdrücklich Projekte, die sich mit innovativen Ideen und neuen Problemlösungen beschäftigen. Als ein Beispiel kann in diesem 19 AdBIK, Schriftliches Statement Eleonore Lappin-Eppel. Wien 27.5.2020.

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Abb. 110: Im Rahmen der Veranstaltung „The European Union in Israel: Supporting Democracy – Supporting Civil Society“ skizzierte Naomi Chasan das aufgrund der historischen Ereignisse belastete Verhältnis zwischen Israel und der EU und sprach sich dafür aus, dass die Vergangenheit nicht die gegenwärtigen zwischenstaatlichen Beziehungen prägen sollte. Quelle: Eleonore Lappin-Eppel.

Zusammenhang die Unterstützung zweier Projekte der „Querdenkerplattform: Wien – Europa“ angesehen werden. Der Verein sieht sich als „Kommunikationsplattform zur Diskussion und Erarbeitung von Lösungen wirtschaftlicher, sozialer, gesellschaftlicher und ökologischer Probleme in Europa“20. Der Fokus liegt dabei auf internationaler Politikkoordination zwischen Europa und seiner Nachbarschaft, wobei es nicht „um egoistische Lösungen für ein Land auf Kosten von anderen, sondern um Politikvorschläge mit positiven ‚Spillovers‘ zu den Nachbarn“21 geht. In diesem Sinne förderte der Zukunftsfonds die beiden Forschungsprojekte „Europawahlen 2019: Renationalisierungsforderungen, Programme und Einfluss auf neue Strategie“ (P18-3320) sowie „Redefinition of the European peace mission as strategic answer to populism and nationalism“ (P17-2825). Letzteres analysiert Maßnahmen zur Erhöhung 20 Webseite Querdenkerplattform: Wien – Europa, http://www.querdenkereuropa.at/about (5.8.2020). 21 Ebd.

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der Zustimmung zu europäischen Lösungen in einer Zeit dominierender Kritik an zentralistischen Entscheidungen, um über eine Erneuerung der europäischen Friedensmission Ungleichheit und Arbeitslosigkeit vorzubeugen sowie Integration von Migranten zu unterstützen.

Asyl, Migration und Menschenrechte Neben den zentralen Themenschwerpunkten der letzten Jahre Demokratie und Europa widmet sich der Zukunftsfonds vielen weiteren, gesellschaftlich wichtigen Feldern. Seit 2015 ist dies insbesondere die Herausforderung mit Geflüchteten, die über die Mittelmeer- und Balkanroute nach Österreich kommen, sowie ihre Eingliederung in die Gesellschaft. Diese von Kriegen in Afghanistan, Irak und Syrien sowie von Überbevölkerung und der schlechten wirtschaftlichen Lage in Afrika (Somalia, Nigeria, Sahel-Zone) Betroffenen versuchen seit dem Jahr 2015 verstärkt, in den Westen zu gelangen. Mitunter trifft sie beim gefährlichen Transfer über das Mittelmeer ein ähnliches Schicksal wie die jüdischen Flüchtlinge am Beginn des Zweiten Weltkrieges, als Länder sie nicht aufzunehmen bereit waren. Unter anderem aus diesem Grund stehen Projekte zu Flucht und Migration auf der aktuellen Agenda des Zukunftsfonds, wobei ein Fokus auf den damit zusammenhängenden Menschenrechtsverletzungen liegt. Eine der am meisten durch den Zukunftsfonds geförderten Vermittlungswege in Bezug auf die oben genannten Themenfelder ist das Medium Film. So nahmen sich bereits im Jahr 2012 einige Produktionen dieses Schwerpunkts an: Der Kurzfilm „Schneeglöckchen“ (P12-1149) etwa beschreibt den Versuch einer kleinen Gruppe von Flüchtlingen, mithilfe von Schleppern die grüne Grenze zwischen der Ukraine und der Slowakei zu überwinden, während sich der 90-minütige Dokumentarfilm „Lampedusa im Winter“ (P12-1256) der Krisenbewältigung der Bewohner der gleichnamigen Insel, die das wichtigste Ziel illegaler Bootsflüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa darstellt, widmet. Im Jahr 2013 folgte unter anderem die Produktion des 2015 erschienenen Dokumentarfilms „Last Shelter“ (P131514), der die Besetzung der Wiener Votivkirche durch eine kleine Gruppe junger Afghanen und Pakistani thematisiert. Die „Besetzer“ hatten im Schnellverfahren negative Asylbescheide erhalten, obgleich sie aus prekären Bedingungen geflüchtet waren: So hatten sie sowohl das Abbrennen von Schulen oder das Kopfabschneiden durch religiöse Fanatiker als auch den Mord an Familienmitgliedern erlebt. Der 2015 unter anderem auf ORF III ausgestrahlte TV-Essay „Wohin und nicht zurück“ (P15-2133) beschäftigt sich mit Integration in Österreich und versucht, ihr Gelingen und ihre Schwierigkeiten aufzuzeigen. Ein Außenseiterporträt zeichnet der Dokumentarfilm „Refugee Lullaby“ (P16-2541) der israelischen Filmemacherin Ronit Kertsner. Er begleitet über mehrere Monate Hans Breuer, den letzten Wanderhirten Österreichs, der sich im Herbst 2015 immer wieder an die ungarische Grenze begab, um Geflüchtete zu unterstützen. Der Film feierte im Oktober 2019 im Wiener Film-

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casino Premiere – anschließend gab es ein Konzert von Hans Breuer und seiner Band. Letztlich sei noch auf das dokumentarische Langzeit-Filmprojekt zur Flüchtlingssituation in Europa, „3400 Semmeln – Flüchtlinge. Helfer. Menschen.“ (P18-3224) hingewiesen. Es wurde im September 2015 begonnen, als eine große Zahl von Schutzsuchenden in der „SchwarzlHalle“ südlich von Graz erwartet wurde, woraufhin Pächter Klaus Leutgeb 3400 Semmeln bestellte. Regisseur und Produzent Heinz Trenczak sowie neun weitere Kameraleute drehten seitdem etwa 400 Stunden Videomaterial – in Graz, in der Südsteiermark, in Wien, in Slowenien, in Kroatien, in Serbien, in Italien, in Griechenland und in Deutschland. Sie begleiteten Schutzsuchende aus Afghanistan, Syrien oder dem Irak sowie deren Helfer. Der Film hat es sich zum Ziel gesetzt, neben Aufklärung ein Gegengewicht zur Berichterstattung in den Boulevard-Medien zu sein.22 Vorhaben, die sich mit den Themenschwerpunkten Asyl, Migration und Integration beschäftigen, sind zudem in sämtlichen weiteren Projektkategorien vertreten: Als Beispiel für ein Forschungsprojekt sei die am Institut für Germanistik der Universität Wien angesiedelte, unter der Leitung von Anna Babka durchgeführte Studie „Poetiken der Migration oder Migrationsliteratur als ästhetisch-politischer Beitrag zu emanzipatorischen Prozessen der interkulturellen Verständigung“ (P17-2808) erwähnt. In dieser wurde die als Migrationsliteratur bezeichnete zeitgenössische Literatur in Österreich der letzten 20 Jahre analysiert, wobei literarische Phänomene, die an der Bildung von „transitorischen Identitäten“ teilhaben und sich der Reflexion des Lebens und Schreibens zwischen den Kulturen und über Grenzen hinweg widmen, von besonderem Interesse waren. Exemplarisch für ein Projekt im Bereich der Neuen Medien ist der Relaunch der Webseite „asyl.at“ (P16-2358) des Vereins „asylkoordination österreich“ zu nennen, in dessen Rahmen das Informationsangebot für ein breiteres Publikum aufbereitet wurde. „Der Blick des Anderen. Drinnen/Draußen/Heymat“ (P15-2172), ein mehrsprachiges Festival des Jungen Salons – Verein für partizipative Theaterprojekte, stellt ein Beispiel aus dem Kunst- und Kulturbereich dar. Im März 2016 bot es an mehreren Tagen neben Theaterstücken auch Lesungen, Filme und Diskussionen. Im Zentrum standen junge, geflüchtete Menschen, die ihre eigenen Geschichten präsentierten. Als Integrations- bzw. Inklusionsinitiative ist schließlich die von der Caritas der Erzdiözese Wien organisierte „Käfig League“ zu sehen, die der Zukunftsfonds mehrmals förderte (zuletzt P19-3606). Unter dem Motto „Mehr Zusammenhalt durch Sport“ wird Kindern 22 Der Film ist eine Koproduktion der Vis-à-vis Film mit der Steirischen Gesellschaft für Kulturpolitik und wird neben dem Zukunftsfonds auch vom Land Steiermark Kultur, der Genossenschaft für Gemeinwohl, der Diözese Graz-Seckau, der Stadt Graz Kultur sowie der ÖH an der Uni Wien, dem Alternativreferat der ÖH an der Uni Graz und den Grünen Gemeinderatsklub Graz unterstützt. Vgl. hierzu etwa auch https://www.gemeinwohlprojekte.at/projekte-unterstuetzen/details/projekt/151/.

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Abb. 111: In dem Dokumentarfilm „Refugee Lullaby“ von Ronit Kertsner geht es um den jüdischen Schäfer Hans Breuer, der, als er im Herbst 2015 die Bilder von den müden Flüchtlingen sah, die zu Tausenden über die ungarische Grenze zu Fuß nach Österreich kamen, die Hälfte seiner Schafherde verkaufte und mit dem Auto nach Hegyeshalom fuhr, um Menschen eine Mitfahrgelegenheit anzubieten. Quelle: ÖZF.

und Jugendlichen von 8 bis 16 Jahren in 30 Fußballkäfigen in ganz Wien wöchentlich ein eineinhalbstündiges Training mit geschulten Trainern angeboten. Dabei treffen Menschen mit unterschiedlichen Bildungsniveaus, ethnischen und kulturellen Hintergründen sowie sozialen und ökonomischen Voraussetzungen aufeinander. So wird der Fußballsport für die Vermittlung von social skills genutzt: „Respekt für sich selbst und andere, Fairness und gegenseitige Wertschätzung.“23 In mannigfaltiger Ausprägung liegen zudem die vom Zukunftsfonds unterstützten Projekte zum Thema Menschenrechte vor. Diese sind nicht nur im Zusammenhang mit der Flüchtlingsthematik zu sehen, sondern setzen etwa auch Schwerpunkte auf Frauen- und Kinderrechte. Beispiele dafür sind das seit mehreren Jahren geförderte interaktive Theaterprojekt „Den Kinderrechten auf der Spur“ (zuletzt P20-3902) vom Verein zur Schaffung, Entwicklung und Förderung von Kunst und Kultur „culture fly“, bei dem Volksschüler als 23 Webseite der Caritas der Erzdiözese Wien, https://www.caritas-wien.at/hilfe-angebote/zusammenleben/youngcaritas-kaefig-league/ (5.8.2020).

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Abb. 112: Der Zukunftsfonds förderte den Relaunch der Webseite asyl.at, die eine wichtige Anlaufstelle für Informationssuchende nach aktuellen Berichten, Statistiken und Hintergrundinformationen zum Thema Asyl ist.

Ideenschöpfer, Co-Autoren, Schauspieler und Bühnen- und Kostümbildner fungieren, sowie der Dokumentarfilm „What the wind took away“ (P15-1971) von den Regisseuren Martin Klingenböck und Helin Celik. Der Film beschäftigt sich mit der religiösen Minderheit der Yeziden, eines der Hauptopfer des Terrors durch den Islamischen Staat, der unzählige Yezidinnen aus ihrem Hauptsiedlungsgebiet verschleppte, systematisch vergewaltigte und teilweise als Sex-Sklavinnen in andere arabische Staaten verkaufte. In Bezug auf die filmische Auseinandersetzung mit dem Thema Menschenrechte sei weiters die mehrmalige Förderung des Internationalen Filmfestivals „This human world“ (zuletzt P20-3935) erwähnt. Kernpunkte des Festivals, das sich als Instrument der Bewusstseinsbildung für Menschenrechte und deren Einhaltung auf breiter Ebene versteht, sind zudem die Förderung der Akzeptanz fremder Kulturen sowie die der interkulturellen Vernetzung. Neben Veranstaltungen wie das jährliche „Internationale Menschenrechtesymposium“24 (etwa P17-2923 oder P19-3560) der Bewusstseinsregion Mauthausen – Gusen – St. Georgen unterstützt der Zukunftsfonds zudem Forschungs- und Publikationsprojekte. Das von der 1926 gegründeten Österreichischen Liga für Menschenrechte durchgeführte Projekt zur „Wiedererrichtung und Öffnung eines verschollenen Archivs der Menschenrechte“ (P17-3022) widmet sich zum einen der Fertigstellung der vom Projektleiter Christopher 24 Siehe hierzu die Webseite der Bewusstseinsregion Mauthausen – Gusen – St. Georgen, http://bewusstseinsregion.at/menschenrechtesymposium/ (5.8.2020).

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Abb. 113: Plakat des 12. Internationalen Menschenrechte-Filmfestivals „this human world“, das in mehreren Kinos in Wien vom 28. November bis 10. Dezember 2019 stattfand. Quelle: this human world.

Treiblmayr verfassten Monografie zur Geschichte der Liga bis zum 25-jährigen Gründungsjubiläum 1951, zum anderen der Integration und Aufarbeitung eines wiederaufgefundenen Archiv-Teils in das seit 1945/46 nahezu vollständig erhaltene Nachkriegsarchiv der Liga. Das vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) durchgeführte Forschungsprojekt „Völkerstrafrecht vor heimischen Strafgerichten“ (P19-3765) verfolgt das Ziel, die Rolle der österreichischen Strafjustiz bei der strafrechtlichen Verfolgung schwerster Menschenrechtsverbrechen zu eruieren. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen mittels einer rechtsvergleichenden Analyse in einen gesamteuropäischen Kontext gestellt werden, um Best-Practise-Beispiele innerhalb der Europäischen Union bei der Verfolgung schwerster Menschenrechtsverbrechen zu identifizieren und Empfehlungen an die Behörden der Europäischen Union, an nationale Behörden, Netzwerke und NGOs zu erarbeiten. „Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind in vielfältiger Weise von den Folgen schwerster Menschenrechtsverbrechen betroffen, insbesondere durch einen enormen Zustrom von Flüchtlingen, die ihre Heimat verlassen mussten. Wie einige Strafverfahren, vor allem in Deutschland, gezeigt haben, befinden sich darunter nicht nur Opfer und

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Grafik 3: Anzahl der durch den Zukunftsfonds zwischen Jänner 2006 und Juni 2020 geförderten Projekte nach Projektarten. Quelle: ÖZF. Grafik: Verena Thaller.

Zeugen, sondern auch Täter schwerster Menschenrechtsverletzungen“25, heißt es in der Projektkurzbeschreibung des BIM.

Projektarten Wie die bislang vorgestellten Projekte zu den verschiedenen Themenschwerpunkten zeigen, ist der Zukunftsfonds gemäß seinem gesetzlichen Auftrag nicht auf die Förderung einzelner Projektarten wie Publikationen oder Veranstaltungen beschränkt. Vielmehr kann er eine große Bandbreite an unterschiedlichsten Zugängen unterstützen. Für eine Auswertung und 25 http://www.zukunftsfonds-austria.at/projektinfo.php?pcode=P19-3765 (5.8.2020).

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Grafik 4: Gesamtfördersummen nach Projektarten Jänner 2006 bis Juni 2020. Quelle: ÖZF. Grafik: Verena Thaller.

Zuordnung der bis zum Stichtag 30. Juni 2020 insgesamt 2765 geförderten Projekte wurden zehn Projektarten – wissenschaftliche Forschung, Veranstaltungen, Filme, Publikationen, Übersetzungen, pädagogische Aktionen, Ausstellungen, Gedenkprojekte, digitale Projekte sowie Kunst und Kultur – formuliert. Ihre prozentuelle sowie finanzielle Verteilung an der Gesamtförderungsrate ist den oben stehenden Grafiken zu entnehmen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Zuschreibungen zu den einzelnen Projektarten nach dem Gesichtspunkt der in den Projektbeschreibungen der Fördernehmer dargelegten Schwerpunktsetzung gewählt wurde. Kombinationsförderungen werden in den Grafiken nicht berücksichtigt. Zu finden sind diese vor allem bei Projekten, die zusätzlich etwa zur wissenschaftlichen Forschung, zur Kuratierung von Ausstellungen oder im Zuge von Gedenkveranstaltungen auch eine Publikation herausgeben oder eine pädagogische Zielsetzung verfolgen.

Projektarten

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Abb. 114: Modevorführung in Wien kurz nach dem „Anschluss“ 1938. Unter der Leitung von Andrea Hurton widmete sich ein vom Zukunftsfonds gefördertes Projekt (P11-0880) „Arisierungen und Liquidationen in der Wiener Textil- und Modewirtschaft 1938−1940“. Quelle: Sammlung Andrea Hurton.

In den nächsten Unterkapiteln werden die vom Zukunftsfonds im Zeitraum Jänner 2006 bis Juni 2020 geförderten Projekte nach Projektarten näher skizziert und jeweils mit Beispielen unterlegt. Gemessen an der Vielfalt und Vielzahl der mittlerweile geförderten Projekte kann dies jedoch nur in kursorischer Form geschehen, die Auswahl von Projekten hat rein exemplarischen Charakter.26

Wissenschaftliche Forschung Bis Ende Juni 2020 unterstützte der Zukunftsfonds 393 Forschungsprojekte mit rund 10,4 Millionen Euro. Zählt man die wissenschaftlichen Publikationen, Übersetzungen und Ver26 Eine vollständige Aufstellung aller vom Zukunftsfonds geförderten Projekte sowie nähere Details zu den einzelnen Projekten sind in der Online-Datenbank auf der Webseite des Zukunftsfonds unter www.zukunftsfonds-austria.at abrufbar.

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Abb. 115: Das aus dem Forschungsprojekt „Orte und Zeichen der Erinnerung“ entstandene, gleichnamige Buch von Heimo Halbrainer, Gerald Lamprecht und Georg Rigerl wurde anlässlich des Gedenkens des 80. Jahrestages des „Anschlusses“ am 12. März 2018 in der Landstube des Steiermärkischen Landtages präsentiert. V. l. n. r.: Georg Rigerl, Michael Schickhofer, Bettina Vollath, Gerald Lamprecht, Hermann Schützenhöfer, Heimo Halbrainer. Quelle: Gerald Lamprecht. Foto: Landtag Steiermark.

anstaltungen dazu, so kann der Bereich Wissenschaft als Hauptförderbereich des Zukunftsfonds bezeichnet werden. Die Mehrzahl der geförderten Forschungsprojekte widmete sich der historischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus und behandelte die Schwerpunktthemen Holocaust, Flucht, Exil, Widerstand, Arisierung, Enteignung und Entnazifizierung. Waren es in den Anfangsjahren des Fonds noch weniger, dafür aber größere Forschungsprojekte, die mit höheren Summen unterstützt werden konnten – wie etwa Gabriele Anderls „Der Kunsthandel in Österreich während der NS-Zeit und seine Rolle im nationalsozialistischen Kunstraub“ (P060046), Oliver Rathkolbs und Friedrich Stadlers „Restitution und Entnazifizierung im Bereich des ÖGB nach 1945“ (P06-0124) oder Gerold Grubers und Amaury Du Closels „Dreijähriges Forschungsprojekt über von Nationalsozialisten vertriebene österreichische Komponist/ inn/en und Musiker/innen“ (P07-0236) –, so ist im Laufe der Jahre die Tendenz festzustellen, jährlich mehr Forschungsprojekte, dafür aber mit kleineren Summen zu fördern. Dies korre-

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liert direkt mit der bereits erwähnten, stets wachsenden Anzahl an Projektanträgen, mit der der Zukunftsfonds bei allen Projektarten konfrontiert ist. Neben der historischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus sind auch Projekte thematisch stark vertreten, die sich der Erforschung totalitärer Regime widmen wie etwa die große Studie von Klaus Koch und Elisabeth Vyslonzil „Wirkmächtige Mechanismen totalitärer Entwicklungen. Das 20. Jahrhundert im europäischen Vergleich“ (P06-0008) oder dem Bereich Demokratie und Menschenrechte zuzurechnen sind. Zudem sind Projekte zu verzeichnen, die sich mit dem Thema Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit auseinandersetzen. So beschäftigte sich etwa Claudia Kuretsidis-Haider mit den „Erinnerungsstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in Österreich“ (P07-0214) ganz allgemein, während Ute Bauer mit dem „Erinnerungsort Flakturm. Untersuchung am Beispiel Leitturm Arenbergpark“ (P07-0266) ins Detail ging. Gerald Lamprecht widmete sich mit „Orte und Zeichen der Erinnerung. Erinnerungszeichen an die Opfer von Nationalsozialismus und Krieg in der Steiermark“ (P172728) einem regionalen Thema.27 Der Großteil der durch den Zukunftsfonds der Republik Österreich geförderten wissenschaftlichen Projekte ist dem Bereich Zeitgeschichte zuzurechnen. Mit dem ersten Förderprojekt „Sowjetische Zwangsarbeiter und ihre weiteren Schicksale“ (P06-0001) bewies der Zukunftsfonds auch seine Resistenz gegenüber Versuchen politischer Einflussnahme und eine Entschiedenheit zur historischen Aufarbeitung mitunter sensibler Fragestellungen. Dies machte zugleich deutlich, dass einzelne Projekte auch politisch virulente Thematiken außerhalb Österreichs tangieren können. So sorgte dieses Projekt international für Aufsehen, beleuchtete es doch den repressiven Umgang mit den aus Österreich heimkehrenden ehemaligen Zwangsarbeitern in der UdSSR.28 Stefan Karner, ehemaliger Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung in Graz von 1993 bis 2018, hebt in diesem Zusammenhang die Rolle des Zukunftsfonds bei der Projektvergabe hervor: „Manche historische Themen sind sehr belastet und stellen besondere Reizthemen dar. Der Zukunftsfonds bürgt, neben den Projektverantwortlichen, mit seinen professionellen Gremien dabei zusätzlich für die Qualität und Sachlichkeit der geförderten Projekte. Eines unserer Forschungsprojekte, das sich mit dem späteren Schicksal der sowjetischen Zwangsarbeiter in Österreich befasste, widersprach zum Beispiel

27 Siehe hierzu die Publikation Heimo Halbrainer – Gerald Lamprecht – Georg Rigerl, Orte und Zeichen der Erinnerung. Erinnerungszeichen für die Opfer von Nationalsozialismus und Krieg in der Steiermark. Herausgegeben vom Landtag Steiermark. Graz 2018. 28 Siehe dazu etwa Reinhard Olt, „Warum seid ihr nicht den Heldentod gestorben? Opfer zweier Diktaturen: Wie die Sowjetunion mit ihren heimkehrenden Zwangsarbeitern verfuhr“, in: Frankfurter Allgemeine, Feuilleton, 11.1.2007.

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Abb. 116: Heimkehrerzug mit ehemaligen sowjetischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern sowie ihren Kindern. Ein Mädchen weist demonstrativ auf das Plakat „Kommt schnellstens in die Heimat zurück!“, dessen Ruf sie − mehr oder weniger freiwillig − gefolgt ist. Quelle: GARF.

der vorherrschenden Meinung Moskaus und führte dort zu großen Befürchtungen. In Russland gab es nahezu in jedem Dorf einen Betroffenen bzw. eine Familie, die unter dem Schicksal der ‚heimgekehrten‘ Zwangsarbeiter gelitten haben. Die Wissenschaftlichkeit und Sachlichkeit bildeten aber auch hier die Basis für das gegenseitige Vertrauen und damit den Zugang zu den relevanten Informationen. Das internationale Renommee des Zukunftsfonds trägt dazu bei.“29 Gerade im Bereich der zeitgeschichtlichen Forschung kommt die Bedeutung des Zukunftsfonds klar zum Vorschein, ermöglicht er doch erst durch seine Fördertätigkeit die Durchführung spezifischer Projekte wie etwa die der großen Interview-Studie mit Überlebenden des KZ Mauthausen unter der Leitung von Gerhard Botz „Mauthausen überleben und erinnern“ (P07-0171), zu österreichischen Stalinopfern30 oder Besatzungskin29 AdBIK, Interview Stefan Karner, durchgeführt von Alexandra Kofler. Graz 13.4.2015. 30 Etwa die Projekte von Stefan Karner „Erschossen in Moskau … Österreichische Stalinopfer 1950–

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Abb. 117: Im September 2008 wurde auf dem Moskauer Donskoe-Friedhof von Bundesministerin Ursula Plassnik (3. v. l.) ein Gedenkstein für die in Moskau erschossenen Österreicherinnen und Österreicher enthüllt. Die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Themas erfolgte im Rahmen eines vom ÖZF geförderten Forschungsprojekts zu „Stalins letzten Opfern“ (P06-0104) unter der Leitung von Stefan Karner. Foto: Hopi Media.

dern31. Der Zukunftsfonds fördert allerdings auch zahlreiche Studien zur Zeitgeschichte mittlerer und kleinerer Größe. Ihr Spektrum ist weit gefasst und reicht von der Erfor1953“ (P06-0104) – aus dem die Publikation Stefan Karner – Barbara Stelzl-Marx (Hg.), Stalins letzte Opfer. Verschleppte und erschossene Österreicher in Moskau 1950–1953. Wien – München 2009 hervorgegangen ist –, von Finbarr McLoughlin „Biographisches Handbuch der österreichischen Opfer des Stalinismus in der UdSSR (bis 1945)“ (P08-0425) oder von Peter Ruggenthaler „Österreichische Stalinopfer in Zentralasien. 1941–1956. Verurteilung – Lagerhaft – Folgen“ (P19-3720). 31 Etwa die Projekte von Barbara Stelzl-Marx „Besatzungskinder in Österreich. Eine sozial-, diskursund biografiegeschichtliche Analyse“ (P11-0995), aus dem die Publikation Barbara Stelzl-Marx – Silke Satjukow (Hg.), Besatzungskinder. Die Nachkommen alliierter Soldaten in Österreich und Deutschland. Wien – Köln – Weimar 2015 hervorgegangen ist, oder von Albert Lichtblau „Lost in Administration. Die Geschichte der Kinder afroamerikanischer GI’s in Österreich. Ein Vermittlungsund Forschungsprojekt“ (P15-2205), aus dem unter anderem die Ausstellung „Schwarz Österreich“ im Wiener Volkskundemuseum im Jahr 2016 hervorgegangen ist.

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Abb. 118: Stefan A. Müller, David Schriffl und Adamantios T. Skordos werfen in der 2015 im Böhlau-Verlag erschienenen Publikation „Heimliche Freunde“ einen neuen Blick auf die Beziehungen der Zweiten Republik. Das Buch ging aus dem Projekt „Die Beziehungen Österreichs zu den autoritären Regimen Südeuropas nach 1945. Spanien, Portugal, Griechenland“ von Projektleiter Robert Kriechbaumer hervor. Quelle: ÖZF.

schung von „Filmdokumenten zur Zeitgeschichte“ (Siegfried Mattl, P07-0259) über die der „Entwicklung der deutschen Minderheiten in Ungarn, Rumänien, Polen, Serbien, Kroatien und der Ukraine nach dem Zweiten Weltkrieg im Vergleich und Kontext ihrer regionalspezifischen Unterschiede“ (Norbert Kapeller, P09-0545), die der „Beziehungen Österreichs zu den autoritären Regimen Südeuropas nach 1945. Spanien, Portugal, Griechenland“ (Robert Kriechbaumer, P12-1139) oder die der „Österreichischen Außenpolitik von 1959 bis 1990 aus der Sicht der BRD und DDR“ (Georg Rütgen, P16-2339) bis hin zu Studien über „Gründungsmomente der Kunsterziehung“ (Elke Krasny und Barbara Mahlknecht, P15-2207) oder über „Neurologie in Österreich: Geschichte, wissenschaftliche Neuerung und politische Wirkungen 1900 bis 1960“ (Wolfgang Maderthaner, P17-2794). Mit der gezielten Förderung von Projekten von Individualeinreichern unterstützt der Zukunftsfonds zudem auch kleine „Ein-Mann-Unternehmungen“ und trägt damit zur Förderung von jungen Wissenschaftern bei. So berichtet etwa Berthold Molden, dass es ohne die substanzielle Unterstützung des Zukunftsfonds kaum möglich gewesen wäre, sein 2015

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begonnenes Projekt „Friedrich Katz. Ein Exil-Österreicher als Jahrhunderthistoriker Mexikos. Eine Biographie“ (P14-1815) zu betreiben.32 „Diese intellectual biography des österreichischen Historikers Friedrich Katz beleuchtet anhand seines einflussreichen Werkes über die mexikanische Geschichte verschiedene Schlüsselaspekte der Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts: Marxismus als Antifaschismus, der Ideologiekonflikt des Kalten Krieges sowie Sozial- und Revolutionsgeschichte als Spiegel politisch-geistiger Entwicklungen.“33 Internationale Sichtbarkeit bzw. Zusammenarbeit ist ein weiterer Aspekt der vom Zukunftsfonds geförderten Forschungsprojekte. Deren Ergebnisse sollen nicht nur im Inneren Österreichs verbleiben, sondern auch Beiträge zu Forschungsdesiderata auf internationaler Ebene bieten. So berichten etwa Martha Keil und Sabine Hödl vom Institut für jüdische Geschichte Österreichs, dass das Projekt „Fluchterfahrung als Vorteil? Am Beispiel der jüdischen Flüchtlinge aus Galizien und der Bukowina in Wien und Niederösterreich 1918–1941“ (P18-3035) „international große Beachtung gefunden [hatte], weil es eine These beweisen konnte, die einerseits Fluchtbewegungen erklärt und andererseits für die Gegenwart und Zukunft wertvolle Information brachte.“34 Das „Gemeinsame österreichisch-tschechische Geschichtsbuch“ (P15-2079) von Niklas Perzi und Hildegard Schmoller von der ÖAW, In­stitut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung, wiederum ist per se schon als transnationales Projekt zu verstehen, dessen Ziel es war, eine auf neuesten Forschungsergebnissen beruhende, komparative Darstellung der Geschichte der beiden Staaten und Gesellschaften zu erarbeiten. Als Folge der vom Zukunftsfonds kogeförderten Studie erschien 2019 das von Perzi, Schmoller, Ota Konrád und Václav Šmidrkal in Deutsch und Tschechisch herausgegebene Buch „Nachbarn“, in dem in zwölf Übersichtskapiteln 27 Historikerinnen und Historiker aus beiden Ländern dem Gemeinsamen und Trennenden in den Nationalgeschichten nachspüren.35 Ein Beispiel für innovative Forschungsprojekte mit internationaler Resonanz ist auch das Projekt des Historikers Hans Schafranek zur „Österreichischen Legion“ (P07-0132).36 Mit der Ausschreibung dieses Themas regte der Zukunftsfonds gezielt Forschungen zur Tätergeschichte an. Als „Österreichische Legion“ wurden jene Nationalsozialisten benannt, die nach dem Verbot der NSDAP in Österreich 1933 nach Deutschland geflohen waren, um sich dort in Lagern auf die Machtübernahme vorzubereiten. Das Kernstück der Forschungs-

32 Vgl. AdBIK, Schriftliches Statement Berthold Molden. Wien 20.4.2020. 33 AdBIK, Schriftliches Statement Berthold Molden. Wien 30.7.2020. 34 AdBIK, Schriftliches Statement Martha Keil und Sabine Hödl. St. Pölten 23.3.2020. 35 Vgl. Niklas Perzi – Ota Konrád – Hildegard Schmoller – Václav Šmidrkal, Nachbarn. Ein österreichisch-tschechisches Geschichtsbuch. Weitra 2019. 36 Erschienen als Hans Schafranek, Söldner für den „Anschluss“. Die Österreichische Legion 1933– 1938. Wien 2011.

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arbeit bildete die Erhebung der biografischen Eckdaten zu den rund 15.000 Angehörigen der Legion und deren Verknüpfung. Dadurch konnte die bisher größte und auf NS-Dokumenten basierende Analyse zu Alters- und Berufsstruktur, Organisationsdichte und regionaler Verteilung der illegalen österreichischen Nationalsozialisten durchgeführt werden. Dazu Hans Schafranek: „Das Thema der Österreichischen Legion war bis zur Projektausschreibung durch den Zukunftsfonds ein weißer Fleck auf der historiografischen Landkarte. Aufgrund von mehrjährigen Vorarbeiten musste zwar nicht bei Punkt null begonnen werden, dennoch nahmen die aufwendigen Recherchen und Forschungen in insgesamt zwölf deutschen und österreichischen Archiven mehrere Jahre in Anspruch. Die daraus entstandene Datenbank umfasst 150.000 Einträge zu insgesamt 15.000 Personen. Mittlerweile sind auch mehrere Publikationen zum Thema erschienen. Ohne den Zukunftsfonds wäre diese Forschungsarbeit nicht finanzierbar und umsetzbar gewesen.“37 Der Zukunftsfonds scheut sich nicht, mitunter auch „experimentelle Kleinprojekte“ zu unterstützen. Mit Erfolg, wie das Beispiel des Projekts „Ephemere Filme: Nationalsozialismus in Österreich“ (P11-0922 und P14-1645) zeigt. Dieses zwischen 2011 und 2016 in zwei Teilen geförderte Projekt untersuchte Filme mit begrenztem Zweck, die nicht dazu gedacht waren zu überdauern. Ziel des Projekts von Ingo Zechner, Leiter des Ludwig Boltzmann Institute for Digital History in Wien, war die Sicherung, wissenschaftliche Erschließung und wissenschaftliche Auswertung einer Sammlung „ephemerer“ Filme, um das von Propagandafilmen geprägte Bild vom Nationalsozialismus zu ergänzen und zu korrigieren. Gleichzeitig wurden neue Standards für den Umgang mit ephemeren Filmen entwickelt. Rund 50 weitgehend unbekannte und zuvor nur eingeschränkt benutzbare Amateurfilme, Kulturfilme und rohe Filmmaterialien zum Aufstieg der NSDAP ab 1932, zum „Anschluss“ Österreichs 1938, zu den Kriegsjahren 1941 bis 1942, aber auch zum jüdischen Alltagsleben vor der Vertreibung und Vernichtung der Juden aus den Beständen des Österreichischen Filmmuseums und des United States Holocaust Memorial Museum in Washington DC wurden als Endergebnis in kommentierter Form einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.38 Welche Hebelwirkung dabei die Förderung des Zukunftsfonds hatte, beschreibt Ingo Zechner: Das Projekt habe nicht nur einen neuen Forschungsschwerpunkt am Ludwig Boltzmann Institut begründet, sondern auch konzeptionelle und technische Grundlagen für eine zeitbasierte Annotation von Filmen geschaffen und sei letztlich ein Peer-Projekt zweier großer EU Horizon 2020 Projekte geworden. „Eine größere Hebelwirkung ist kaum vorstellbar“, so Zechner, hatte das Projekt letztlich „eine EUR 5 Mio Förderung aus EU-Töpfen zur Folge, von denen 37 AdBIK, Schriftliches Statement Hans Schafranek. Wien 24.6.2015. 38 Zu den Projektergebnissen siehe die Webseite Ephemeral Films Projekt National Socialism in Austria, http://efilms.ushmm.org (20.7.2020).

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Abb. 119: Ingo Zechner und Michael Loebenstein bei der Präsentation des Projekts „Ephemere Filme“ in der Jerusalem Cinematheque im November 2018. Quelle: Ludwig Boltzmann Institute for Digital History. Foto: Leslie Swift.

EUR 3,1 Mio an in Österreich ansässige Institutionen gehen. Aus einem hochexperimentellen Kleinprojekt ist ein neues, internationale Maßstäbe setzendes Großprojekt hervorgegangen, an dem 13 Institutionen als Konsortium-Mitglieder beteiligt sind, darunter sechs aus Österreich.“39

Veranstaltungen Zwischen 2006 und 2020 förderte der Zukunftsfonds exakt 499 Projekte mit einer Summe von rund 3,3 Millionen Euro, die unter die Kategorie Veranstaltungen zu subsumieren sind. Veranstaltungen sind in diesem Kontext als zeitlich begrenzte und geplante Ereignisse mit definierten Zielsetzungen einer Person, Organisation oder Institution, an dem eine Gruppe von Menschen teilnimmt, zu verstehen. Darunter fallen etwa Symposien, Seminare, Tagungen, 39 AdBIK, Schriftliches Statement Ingo Zechner. Wien 29.4.2020.

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Konferenzen, Workshops, Vorträge, Einladungsprogramme, Buchpräsentationen, Gedenk­ reisen oder Exkursionen für Erwachsene – in den Monaten März bis Juni 2020 aber auch Veranstaltungen, die nicht wie geplant „live“ stattfinden konnten, sondern in den digitalen Raum verschoben werden mussten. Die „Covid-19-Krise“ ab März 2020 hatte generell einen großen Effekt auf die Projektart „Veranstaltungen“, ebenso wie auf die des Films und der pädagogischen Aktionen, wie Generalsekretärin Anita Dumfahrt hervorhebt: „Veranstaltungen konnten wegen des Lockdowns plötzlich nicht mehr wie geplant durchgeführt werden. Viele Veranstalter mussten umplanen und das Internet als Austragungsort wählen wie etwa der Österreichische Zeitgeschichtetag, das Zeitimpuls-Filmfestival oder das Fest der Freude. Der Zukunftsfonds hat das gerne genehmigt und unterstützt. Manche Veranstaltungen müssen auch zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Es bleibt aber zu befürchten, dass dies nicht immer gelingen wird.“40 Was die Finanzierung betrifft, so entschied der Zukunftsfonds im Zuge der Corona­ krise, Kosten, die bereits im Vorfeld getätigt worden waren, auch bei Nichtabhaltung von Veranstaltungen zuzugestehen. „Im Prinzip leiden unsere Fördernehmer in dieser Situation dreifach“, resümiert Anita Dumfahrt die Situation weiter. „Erstens haben sie die Projekte nicht durchführen können, zweitens müssen sie einen späteren Durchführungstermin organisieren und drittens haben sie wahrscheinlich dadurch noch zusätzliche Kosten. Deshalb halten wir in den meisten Fällen die Förderzusagen und die Summen aufrecht.“41 Dies bestätigt etwa auch Gerhard Bisovsky vom Verband Österreichischer Volkshochschulen in Bezug auf das bereits vorgestellte Projekt „Europa.Gemeinsam“: „Die für April 2020 geplante Exkursion konnte aufgrund der Corona-Krise nicht durchgeführt werden. Der Zukunftsfonds hat rasch und unbürokratisch reagiert. Das Projekt wurde bis ins Frühjahr 2021 verlängert, sodass wir in der Lage sein werden, die Exkursion Anfang 2021 durchzuführen.“42 Inhaltlich weisen die Projekte in der Kategorie „Veranstaltungen“ größtenteils einen wissenschaftlichen Charakter auf oder widmen sich dem Themenschwerpunkt „Gedenken“. Unter den wissenschaftlichen Veranstaltungen finden sich Konferenzen zu Themen wie Wehrmachtsjustiz, Exil, Holocaust, Zwangsarbeit, Frauen und Kinder während der NS-Zeit, Antisemitismus, Enteignung und Restitution oder Diskriminierung und Vertreibung, um nur ein paar Thematiken zu erwähnen. In dem breiten inhaltlichen Spektrum sind vertiefende Veranstaltungen mit spezifischen Fragestellungen – wie etwa die polnisch-österreichische Tagung „Gedenkstätten und Museen in den nationalsozialistischen Lagern“ (P10-0731), die internationale Konferenz in Wien „Narratives of Encounters in the North Atlantic Tri40 AdBIK, Interview Anita Dumfahrt, durchgeführt von Katharina Bergmann-Pfleger. Wien 17.6.2020. 41 Ebd. 42 AdBIK, Schriftliches Statement Gerhard Bisovsky. Wien 23.5.2020.

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Abb. 120: Im November 2011 fand die internationale, dreitägige Konferenz „Maly Trostinec Erinnern“ (P10-0796) im Wien Museum mit Unterstützung des Zukunftsfonds statt. Quelle: Sammlung Waltraud Barton.

angle“ (P13-1551), die Tagung „Die Entnazifizierung des Oberlandesgerichtes Innsbruck nach 1945“ (P15-1988) oder die Tagung „Transnationaler Widerstand und Befreiung 1945. Die Operation Greenup im Kontext des mediterranen Kriegsschauplatzes“ (P18-3348) – ebenso zu nennen wie solche, die allgemeine Fachgebiete behandeln – etwa „Israel komplex. Symposium anlässlich der 60-jährigen Gründung des Staates Israel“ (P07-0184), die Konferenz „The Global Prevention of Genocide: Learning from the Holocaust“ (P09-0586), das internationale Symposium „Exilforschung in Österreich. Leistungen, Defizite und Perspektiven“ (P12-1251) oder die Konferenz „Antisemitismus in Österreich 1933–1938“ (P14-1897). Im Bereich der vom Zukunftsfonds geförderten Gedenkveranstaltungen machen Gedenk­ reisen, -fahrten, -treffen und -märsche für Erwachsene sowie Jugendliche den zahlenmäßig größten Anteil aus. Sie reichen von Gruppenfahrten wie „zur Befreiungsfeier des ehemaligen KZ Ravensbrück“ (P07-0142) über die mehrmalige Förderung der Gedenkfahrten nach Engerau der Zentralen Österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz (etwa P09-0461, P12-1085 oder P19-3430), die jährlichen Gedenkreisen des Vereins IM-MER nach Minsk und/oder Maly Trostinec (etwa P11-0845, P14-1694, und P19-3790) sowie Studienfahrten nach Auschwitz – etwa des Studiengangs Soziale Arbeit der FH Joanneum (P18-3195) – bis

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hin zu Versöhnungs- oder Gedenkmärschen wie die Teilnahmeunterstützung einer österreichischen Delegation der jüdischen Gemeinde Österreichs am „March of the Living“ (z.B. P15-2009 oder P19-3521). Dieses jährliche Erziehungsprogramm bringt Schüler und Studenten aus der ganzen Welt in die Gedenkstätte Auschwitz. Allen Initiativen gemeinsam ist, vor Ort Geschichte erlebbar zu machen, Erinnerungsarbeit zu leisten und vor allem Hintergrundwissen zu vermitteln. Dieselbe Zielsetzung verfolgen die weiteren, vom Zukunftsfonds geförderten Gedenkveranstaltungen und die Gedenkfeiern beziehungsweise -feste. Beispiele dafür sind die mehrmals unterstützten Gedenkveranstaltungen anlässlich der Jahrestage der Liquidierung des „Zigeunerlagers“ im ehemaligen KZ Auschwitz-Birkenau (etwa P11-0879), die jährlichen „Baranka-Park“-Gedenkfeiern (etwa P18-3086) im 10. Wiener Gemeindebezirk, die die in Wien lebenden Menschen an die 1941 von der Gestapo verschleppten Roma und Sinti erinnern wollen, oder eine Gedenkfeier zum „Fremdvölkischen Kinderheim“ in Spital am Pyhrn (P172789) – alle diese Projekte tragen dazu bei, über (trans-)nationale Gedächtnisorte die öffentliche Wahrnehmung zu sensibilisieren. Wie an obigen Beispielen ersichtlich, ist der Zukunftsfonds gerade im Bereich der Veranstaltungen mitunter als langjähriger Förderpartner anzusehen, wenn auch die Förderungen stets neu beantragt werden müssen. So unterstützte er bislang drei Mal die Simon Wiesenthal Konferenz des Wiener Wiesenthal Instituts für Holocaust-Studien43 in den Jahren 2013 bis 2015 (P13-1511, P14-1868, P15-2217) und zeigte sich seit 2012 immer wieder als Ko-Förderer des Österreichischen Zeitgeschichtetages (etwa P15-2286 und P19-3543). Seit 2013 geht auch eine Förderung des Zukunftsfonds jährlich nach Tel Aviv, um dort die von Judith Weinmann-Stern ins Leben gerufenen „Österreichischen Kulturtage“ zu unterstützen. Das Ziel des Events ist es, den im Zweiten Weltkrieg nach Israel geflüchteten Exil-Österreichern die Musik ihrer Kindheit wiederzubringen und gleichzeitig die Werke jener Künstler zu spielen, die ebenso Betroffene des NS-Terrors waren und deren Musik verboten war. Damit soll nicht nur ein wenig Erinnerung an ein früheres Zuhause-Gefühl gegeben, sondern gleichzeitig den heutigen, in Israel lebenden Nachfolge-Generationen der Holocaust-Opfer ermöglicht werden, die Gedanken und die Welt ihrer Vorfahren kennenzulernen und möglicherweise so die eigene Identität abzurunden. Dazu sagt Judith Weinmann-Stern: „Ein für mich völlig unerwartetes Folgeprojekt ist aus dem engen Kontakt mit den österreichischen ExilantInnen (Alt-ÖsterreicherInnen) in Israel entstanden. […] Viele von ihnen haben mir zum ersten Mal ihre Geschichten erzählt; vielleicht deshalb, weil sie plötzlich jemanden hatten, dem sie ihre Geschichten in ihrer Muttersprache erzählen konnten. Ich begann die Lebensgeschichten mit 43 Siehe hierzu auch die Webseite des Wiener Wiesenthal Instituts für Holocaust-Studien, https://vwi. ac.at/index.php/11-german-site/veranstaltungen/simon-wiesenthal-conferences (6.8.2020).

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Abb. 121: Judith Weinmann-Stern (Mitte), die Initiatorin der „Österreichischen Kulturtage in Tel Aviv“, mit den österreichischen Exilanten Trixi Schwarz, geboren 1926 in Wien, und Herbert Klinger, geboren 1920 in Leoben. Quelle: Judith Weinmann-Stern.

Video aufzunehmen. Inzwischen habe ich bereits eine Sammlung von fast 30 Interviews von Zeitzeugen, die alle zwischen 1938 und 1939 von Österreich ins damalige Palästina geflohen sind. […] Die Förderung des Zukunftsfonds der 1. Österreichischen Kulturtage in Tel Aviv, die ich noch als Privatperson durchgeführt habe, hat die Durchführung des Projekts zustande gebracht.“44 Nicht nur in Tel Aviv, sondern generell im internationalen und nationalen Raum sind Events mit und für Zeitzeugen und deren Nachkommen ein wichtiges Förderfeld des Zukunftsfonds. Bereits die erste vom Fonds finanzierte Veranstaltung, die „Unbroken Will Tour“ (P06-0003), widmete sich Vorträgen des KZ-Überlebenden Leopold Engleitner an amerikanischen Universitäten und Holocaustgedenkstätten. Eine Vielzahl von Zeitzeugenworkshops an österreichischen Schulen sind in diesem Zusammenhang als weiterer wichtiger Vermittlungskanal zu nennen. So organisierte etwa der Wiener Verein Exil im Jahr 2014 unter dem 44 AdBIK, Schriftliches Statement Judith Weinmann-Stern. Tel Aviv 20.5.2020. Eine Sammlung von Presseberichten über die Österreichischen Kulturtage in Tel Aviv befindet sich auf der Webseite des Vereins Wien – Tel Aviv: https://www.wien-telaviv.com/presse (6.8.2020).

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Abb. 122: Das Psychosoziale Zentrum ESRA organisierte anlässlich 80 Jahre Novemberpogrom am 8. November 2018 in der Tempelgasse in Wien eine Gedenkveranstaltung. Foto: ESRA.

Titel „Ich habe Angst, Auschwitz könnte nur schlafen“ (P14-1740) 15 Zeitzeugen-Workshops für 15 Schulklassen ab der achten Schulstufe zur Aufarbeitung des Holocaust. Das Psychosoziale Zentrum ESRA45 in Wien indes legt seinen Schwerpunkt in die Behandlung und Beratung von Überlebenden der NS-Verfolgung sowie deren Familien und erhält im Rahmen seiner Gedenkarbeit seit Jahren Unterstützung vom Zukunftsfonds (etwa P09-0521, P131368 oder P19-3548). ESRA präsentiert unter anderem Bilder, Fotografien oder Texte von Überlebenden – über eine Vielzahl von Veranstaltungsformen wie Gesprächen, Podiumsdiskussionen, Buchpräsentationen, Ausstellungen, Filmvorführungen, Lesungen oder Symposien hatten so bereits viele Überlebende die Gelegenheiten, ihre Geschichte zu erzählen. „Durch die Veranstaltungen konnten wir auch immer wieder einer breiteren Öffentlichkeit vermitteln, dass Traumatisierungen durch Verfolgung, Gewalt, Ausgrenzung etc. ein ganzes Leben lang anhalten können und auch Auswirkungen auf die Folgegenerationen haben“46, sagt Angelika Hirsch von ESRA zu dieser wichtigen Vermittlungsarbeit. 45 Siehe hierzu auch die Webseite des Psychosozialen Zentrums ESRA, https://www.esra.at/ (6.8.2020). 46 AdBIK, Schriftliches Statement Angelika Hirsch. Wien 12.6.2020.

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Abb. 123: Der Dokumentarfilm „Little Alien“ von Nina Kusturica begleitet Teenager, die allein und unter größter Gefahr aus Krisenregionen nach Europa flüchten. Den Film sahen rund 30.000 Zuschauer in den österreichischen Kinos, er gewann mehrere Preise. Quelle: littlealien.at

Filme Unter die Kategorie Filme werden sowohl Filmproduktionen – darunter Dokumentar-, Kinound Kurzfilme sowie Lehrfilme für Schulen – als auch Projekte, die sich der Realisierung von Filmfestivals oder Filmwettbewerben, der Filmkonzeption sowie der Produktion von Untertiteln oder anderssprachigen Fassungen widmen, subsumiert. Im Zeitraum von 2006 bis 2014 förderte der Zukunftsfonds insgesamt 133 Filmprojekte mit 1,7 Millionen Euro, mit Stichtag 30. Juni 2020 waren es bereits 324 mit einer Gesamtförderungssumme von 3,2 Millionen Euro. Daraus ist abzuleiten, dass die Projektart Film seit 2015 einen deutlichen Zuwachs an geförderten Einzelprojekten erfuhr, wenn auch die Fördersummen pro Projekt immer geringer ausfallen. Bei den vom Zukunftsfonds unterstützten Filmproduktionen macht der Bereich der geförderten Kinofilme eher einen kleinen Anteil aus. Zu nennen sind hier etwa die Filme „Little Alien“ (P07-0177) von Nina Kusturica, „Vienna’s lost daughters“ (P06-0099) von Miriam Unger oder „Six Million and One“ (P10-0633) von David Fisher. Weitaus zahlreicher werden Dokumentarfilme eingereicht, die sich etwa mit dem jüdischen Leben in Österreich

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nach dem Zweiten Weltkrieg (Volkmar Geiblingers „Eine verlorene Welt“, P19-3692), Österreich im Zweiten Weltkrieg („Schwechat im Krieg“ der Arbeitsgemeinschaft Geschichte und Archäologie, P19-3420) oder der Thematik der „Ostarbeiter“ (Ruslana Berndls „Sonntag in Straßburg“, P17-3005) beschäftigen, um drei neuere Produktionen zu nennen. Weitere, bereits früher geförderte Beispiele sind die „Die Kinder der Marc-Aurel-Straße 5“ von Gideon Eckhaus (P06-0068), „Exil“ von Lhotsky Film (P07-0238), „Grüß Gott und Heil Hitler“ von Thalia-Film (P07-0255, P08-0278), „Auf den Spuren des Widerstands“ von Christian Stoppacher (P08-0404), „Sterben für den Führer“ von Nikolaus Wisiak von pre tv (P09-0459) oder „Rechtsextremismus in Österreich“ (P12-1238) von Eduard Moschitz. Viele der vom Zukunftsfonds geförderten Filme werden im Rahmen des Zeitgeschichte-Schwerpunkts auf ORF III ausgestrahlt. Wie sehr die finanzielle Unterstützung des Zukunftsfonds bei den Filmproduktionen eine wichtige Rolle spielt, berichtet etwa der 2002 mit dem Wiener Filmpreis bedachte, seit 1981 in Österreich lebende türkische Regisseur Kenan Kilic: Die Qualität seines 2008 veröffentlichten, ersten Langdokumentarfilms „Gurbert – In der Fremde“ habe er durch den Finanzierungsanteil des Zukunftsfonds realisieren können: „vom Dreh selbst über die Nachbearbeitung und Fertigstellung. Gleichzeitig konnte ich durch die Finanzierung freier denken und arbeiten.“47 Der Film zeichnet eine Chronik von in Österreich lebenden, türkischen Gastarbeitern und erntete durchwegs positive Kritiken.48 Eine große Anzahl der durch den Zukunftsfonds geförderten Filmprojekte setzt sich mit dem Holocaust und der Shoah auseinander und dokumentiert die Geschichte der Opfer sowie der Überlebenden, unter anderem über Zeitzeugen-Porträts oder biografische Filmprojekte.49 Dazu bemerkt die Filmschaffende Claudia Wohlgenannt: „In der Filmbranche habe ich den Eindruck, dass man sich in den letzten Jahren verstärkt mit den Themen Shoah und Israel auseinandergesetzt hat. Vielleicht war die Zeit auch reif für die jüngere Generation an Filmemachern, die sich mit einem neuen Blick den Themen zugewandt haben. Nachdem die Opferthese Österreichs immer mehr infrage gestellt wurde, hat erst eine kritische Selbstreflexion eingesetzt. Der Zukunftsfonds war da sicherlich ein wichtiger Motor, indem er viele 47 AdBIK, Schriftliches Statement Kenan Kilic. Wien 15.6.2020. 48 Vgl. etwa Christian Huber, Ausländer? Deutschländer?? Kinderschänder??? Mit der interessanten Gastarbeiter-Chronik „Gurbert – In der Fremde“ leistet Regisseur Kenan Kilic intelligente Pionierarbeit, in: Die Presse, 7.10.2009, S. 23. 49 Stellvertretend für die vielen geförderten biografischen und Zeitzeugen-Filmprojekte sei hier auf die Projekte „VISIBLE – Portraitreihe über zehn noch lebende Ravensbrückerinnen“ (P07-0270) von Brigitte Halbmayr, „Überall alleine – Die Malerin Soshana“ (P10-0678) von Werner Müller, „Ari Rath – Ein Bub aus Wien“ (P13-1322) von Herbert Martinschitz und „Micha Shagrir (1937–2015) – The Linzer Candy Boy“ (P18-3191) von Michael Pfeifenberger verwiesen.

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Abb. 124: Der Film „Gurbert – In der Fremde“ von Kenan Kilic dokumentiert die Geschichten von neun Arbeitnehmern aus der Türkei, die als erste Generation von Arbeitsmigranten ab 1964 nach Österreich gekommen sind. Quelle: Kenan Kilic.

Filmprojekte unterstützt hat. Und man muss auch bedenken, dass es sich bei diesen Dokumentarfilmen um keine Blockbuster handeln kann. Umso wichtiger ist der Zukunftsfonds als Fördergeber für Filmprojekte.“50 In den letzten Jahren unterstützte der Zukunftsfonds auch einige größere Fernseh-Produktionen. Besonders hervorzuheben ist hier die Förderung der neunteiligen Dokumentationsreihe „Unser Österreich – Unser Land“ im Rahmen von Universum History. In dieser wird die Geschichte der österreichischen Bundesländer von 1914 bis heute nachverfolgt und jeweils anhand eines exemplarischen Familienschicksals dargestellt. Der Zukunftsfonds begann im Jahr 2015, diese Dokumentationen zu fördern; Einreicher waren die jeweiligen Produktionsfirmen. In den Jahren 2015 und 2016 wurden die Bundesländer Kärnten (P152253), Tirol (P15-2254), Niederösterreich (P16-2443) und Salzburg (P16-2477) portraitiert, 2017 folgten die Steiermark (P17-2723), Vorarlberg (P17-2840) und Oberösterreich (P172886), 2018 schließlich das Burgenland (P18-3054) und Wien (P18-3177). Die Universum50 AdBIK, Interview Claudia Wohlgenannt, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 19.2.2015.

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Abb. 125: Ab Jänner 2012 tourte der Dokumentarfilm „Heil Hitler, die Russen kommen“ (P09-0557) durch Österreich. Quelle: Sammlung Andreas Kuba.

History-­Reihe konnte eine hohe Rezeption verzeichnen, bei der Folge „Steiermark – Verbunden über alle Grenzen“ sahen etwa 622.000 Personen (21 Prozent Marktanteil) zu. ORF-Programmdirektorin Kathrin Zechner: „Mit einer beeindruckenden Offenheit hat uns die Familie Tertinjek teilhaben lassen an ihrer Geschichte – einer Geschichte der Grenzziehungen quer durch den Hof, einer Geschichte der Entbehrungen, aber auch des unbändigen Willens, miteinander willkürlich gesetzte Grenzen zu überwinden. Und unser Publikum hat mitgelebt, gelitten und erstmalig in slowenisch-deutschen Dialogen in den Spielszenen auch wirklich grenzüberschreitend historisch gewachsene regionale Gemeinsamkeiten erlebt.“51 Letztlich sei noch auf die umfangreiche Förderung von österreichischen Filmfestivals und – wettbewerben durch den Zukunftsfonds verwiesen. So wurden beziehungsweise werden das „Crossing Europe Film Festival Linz“ (etwa P12-1058) seit 2012, das internationale Dokumentarfilm Filmfestival in Wien „Ethnocineca“ (etwa P15-1942) seit 2014, das Filmfestival 51 Webseite des ORF, https://der.orf.at/unternehmen/aktuell/unser_oe_rw_steiermark100.html (21.7.2020).

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Abb. 126: Der zeitimpuls Kurzfilmwettbewerb richtet sich seit 2008 an junge Menschen, die sich in Form eines Kurzfilms kritisch mit gesellschaftspolitischen Problembereichen in Geschichte und Gegenwart beschäftigen wollen. Quelle: Elisabeth Golzar.

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zeitimpuls shortfilm

FESTIVAL 17-22 JUNI 2019 METRO Kinokulturhaus schikaneder Klimt Villa Wien Begleitprogramm

„LET’S CEE“ (P16-2555) in den Jahren 2017 und 2018 sowie das Jüdische Filmfestival Wien (P19-3511) 2019 und 2020 unterstützt. Der Kurzfilmwettbewerb „Zeitimpuls“ (etwa P121240, P18-3335) konnte im Zukunftsfonds seit seinem dritten Wettbewerb im Jahr 2013 einen wichtigen Unterstützer finden. Durchgeführt wird er vom Verein zur Förderung komplementärer Diversitätsstrukturen „all inclusive“, der ein ganzjähriges Medienprogramm zur Förderung von Toleranz, Menschenrechts- und Demokratieverständnis anbietet. Unter diesem Motto und unter einem sozialpolitischen Fokus steht auch sein international ausgetragener Kurzfilmwettbewerb für junge Menschen, bei dem 2019 insgesamt 3200 Einreichungen aus über 120 Ländern einlangten.52

52 Vgl. Webseite von Zeitimpuls, https://www.zeitimpuls.at/short-film-kurzfilmfestival/de-2019/ award-2019/ (6.8.2020).

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Publikationen Publikationen stellen zahlenmäßig die größte Förderkategorie des Zukunftsfonds dar: Bis Ende Juni 2020 wurden 728 Einzelprojekte mit einer Summe von rund 2,8 Millionen Euro in diesem Bereich gefördert, was einen statistischen Durchschnitt von rund 3850 Euro pro Projekt ergibt. Hinzu tritt noch eine Anzahl von 182 Projekten, bei denen Publikationen im Zuge einer kombinierten Förderung – etwa als Teil eines Forschungsprojekts, einer Ausstellung oder einer Veranstaltung – integriert waren. Der Kategorie Publikationen wurden Projekte zugeordnet, bei denen es um die Zusammenstellung, Herausgabe, Aktualisierung beziehungsweise Erweiterung, Wiederauflage oder Neugestaltung von Schriftwerken und den damit verbundenen Kosten wie Druckkosten geht. Die hohe Anzahl der eingereichten Publikationsprojekte lässt durchaus die Schlussfolgerung zu, dass sich die öffentlichen Kürzungen im Bereich der Druckkostenförderung auch auf den Zukunftsfonds auswirken. Besonders seit der im Jahr 2012 erfolgten Einstellung der Vergabe von Druckkostenzuschüssen durch das Wissenschaftsministerium53 suchen vermehrt Autoren – und auch Verlage – beim Fonds um eine Publikationsförderung an. Dazu meint etwa Oliver Rathkolb: „Auch wenn man als Forscher erfolgreich ist beim Lukrieren von Drittmitteln, braucht es unterschiedliche Fördertöpfe. Gerade die kleinteiligen Förderungen wie z. B. die Publikationsförderungen, die im wissenschaftlichen Bereich wichtig sind, wurden in Österreich zunehmend eingestellt. Dadurch sind uns wichtige Standbeine eingebrochen. Der Zukunftsfonds ist in dieser Hinsicht eine letzte Stütze, ohne die vieles nicht mehr möglich wäre.“54 Auf die Problematik der zunehmend geringer werdenden Förderungsmöglichkeiten gerade im geisteswissenschaftlichen Bereich wird im Kapitel „Wirkungsweisen“ noch näher eingegangen. Unter den vom Zukunftsfonds geförderten Publikationen sind hauptsächlich wissenschaftliche Werke, Biografien, Akten- und Quelleneditionen, Jahrbücher sowie Ausstellungskataloge zu finden. Wissenschaftliche Publikationen liegen dabei in unterschiedlichsten Formen vor – von Monografien und Sammelbänden über Gedenkbücher, biografische Einzeldarstellungen bis hin zu Akten- und Quelleneditionen – und stellen inhaltlich einen Querschnitt der bereits in den vorigen Projektkategorien näher beschriebenen Thematiken dar. Um „Nachwuchs-Wissenschafter“ bei ihrem Einstieg ins akademische Berufsfeld zu unterstützen, fördert der Zukunftsfonds auch explizit die Drucklegung von Dissertationen.

53 Vgl. Klaus Taschwer, Ministerium stellt Druckkostenzuschüsse ein, in: der Standard, 22.3.2011, http://derstandard.at/1297821190023/Ministerium-stellt-Druckkostenzuschuesse-ein (22.7.2020). 54 AdBIK, Interview Oliver Rathkolb, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 9.3.2015.

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Abb. 127, 128: Die Collagen zeigen nur ein paar wenige Cover der vom Zukunftsfonds zwischen 2006 und 2020 geförderten Publikationen. Quelle: AdBIK.

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Abb. 129: Regalwand im Büro des ­Zukunftsfonds mit einem Teil der bisher geförderten Publikationen. Quelle: AdBIK. Foto: Yevgenia Nazaruk.

Exemplarisch für die zahlreichen unterstützten Publikationen sei hier einerseits auf die Publikationsform der wissenschaftlichen Handbücher und andererseits auf das Thema „Zeitzeugen, Erinnerungen und Biografien“ verwiesen. Im ersten Jahr seiner Tätigkeit förderte der Zukunftsfonds etwa das „Handbuch der österreichischen Exilliteratur“ (P06-0071) der Theodor Kramer Gesellschaft, ein Jahr später die Aktualisierung, Erweiterung und Neugestaltung des 2003 veröffentlichten und inzwischen vergriffenen „Lexikons der österreichischen Spanienkämpfer“ (P07-0194) von Hans Landauer und Erich Hackl.55 In den nächsten Jahren folgten unter anderem die Neuauflage des „Handbuchs der enteigneten Kunstsammlungen Wiens“ (P08-0310) von Sophie Lillie,56 die „Enzyklopädie der slowenischen Sprache und Literatur in Kärnten“57 (P11-1012) von Katja Sturm-Schnabl und Bojan-Ilija Schnabl und 55 Hans Landauer – Erich Hackl, Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer. 1936–1939. Wien 2008. 56 Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens. Wien 2003. 57 Katja Sturm-Schnabl – Bojan-Ilija Schnabl (Hg.), Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte

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unlängst die Handbücher „Umgang mit der NS-Zeit in Österreich“ (P18-3329) von Martin Tschiggerl sowie „Gleichheit, Geschlecht und Diversität im Familienrecht“ (P18-3373) von Thomas Schoditsch.58 Innerhalb des Themenbereichs „Zeitzeugen, Erinnerungen und Biografien“ förderte der Zukunftsfonds in den 15 Jahren seines Bestehens eine wahre Fülle an Publikationen. Allein für das Tätigkeitsjahr 2016 sind hier 23 Werke zu nennen, darunter das von Ruth Elkabets und Miriam Prager herausgegebene „Tagebuch aus Theresienstadt“ (P16-2371) von Camilla Hirsch,59 das von Lis Malina herausgegebene „Dear Papa, how is you? Das Leben Erich Wolfgang Korngolds in Briefen“ (P16-2372),60 die englische Biografie „Albert Reuss in Mousehole. The Artist as Refugee“ (P16-2414) von Susan Soyinka61 oder die Erinnerungen von Gerda Eisler „Alles, woran ich glaube, ist der Zufall. Jüdisches Leben in Graz und Tel Aviv“ (P16-2604).62

Übersetzungen Zur Kategorie „Übersetzungen“ zählen Projektvorhaben, bei denen es um Translationen verschiedenartigster Publikationen aus den Originalsprachen in andere Sprachen geht, um damit Sichtbarkeit und Zielgruppen erweitern zu können. Insgesamt wurden seit 2006 53 solcher Projekte mit einer Fördersumme von rund 410.000 Euro vom Zukunftsfonds unterstützt. Die Erstellung englischsprachiger Ausgaben von Standardwerken zur österreichischen Zeitgeschichte macht dabei den weitaus größten Anteil aus. Es finden sich aber ebenso immer wieder Übersetzungen etwa aus dem Englischen, Französischen oder Hebräischen ins Deutsche und vice versa aus dem Deutschen ins Hebräische, Tschechische, Polnische, Ukrainische, Serbische oder Griechische. Seit dem Jahr 2013 hat der Zukunftsfonds mit den englischen Übersetzungen einen neuen Schwerpunkt gesetzt. Im Sinne des wissenschaftlichen Diskurses und der internationalen Repräsentanz Österreichs will er so das (zeitgeschichtliche) Wissen um Österreich international rezipierbar machen. Dazu Kurt Scholz: „Wir können nicht in dem provinziellen Bewusstsein verbleiben, dass Wissenschaftler und Interessierte im englischen Sprachraum eben die deutin Kärnten/Koroška. Von den Anfängen bis 1942. Band 1: A-I; Band 2: J-PL; Band 3: PO-Z. Wien – Köln – Weimar 2016. 58 Thomas Schoditsch, Gleichheit und Diversität im Familienrecht. Wien 2020. 59 Camilla Hirsch, Tagebuch aus Theresienstadt. Wien 2017. 60 Lis Malina (Hg.), Dear Papa, how is you? Das Leben Erich Wolfgang Korngolds in Briefen. Wien 2017. 61 Susan Soyinka, Albert Reuss in Mousehole. The Artist as Refugee. Bristol 2017. 62 Gerda Eisler, Alles, woran ich glaube, ist der Zufall. Jüdisches Leben in Graz und Tel Aviv. Graz 2017.

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Abb. 130: Die Collage zeigt einen kleinen Teil der Cover der vom Zukunftsfonds zwischen 2006 und 2020 geförderten Übersetzungen. Quelle: AdBIK.

sche Sprache beherrschen sollen, um unsere Publikationen zu lesen. Wir müssen die Übersetzungen in die lingua franca der Wissenschaft massiv fördern, um international mithalten zu können oder zumindest beachtet zu werden. Dabei geht es ja auch um das Bild Österreichs im Ausland. Der Fonds hat mittlerweile Übersetzungen von Publikationen zum Ersten Weltkrieg, zu Widerstand und Verfolgung, zum Staatsvertrag, zur österreichischen Entschädigungspolitik und zum EU-Beitritt gefördert. Gleichzeitig ist es jedoch tragisch und völlig unverständlich, dass das nicht schon Jahrzehnte zuvor passiert ist. Dass ausländische Historiker eine Geschichte Nachkriegs-Österreichs schreiben, aber häufig die österreichischen Standardwerke nicht kennen, weil sie nicht übersetzt sind, kann man niemandem plausibel erklären.“63 In diesem Sinne liegen mittlerweile einige Standardwerke zur österreichischen Zeitgeschichte in englischer Übersetzung vor: Neben „Der österreichische Widerstand 1938–1945“ (P14-1680) von Wolfgang Neugebauer64 und „Um Einheit und Freiheit. Staatsvertrag, Neu63 AdBIK, Interview Kurt Scholz, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 11.3.2015. 64 Wolfgang Neugebauer, The Austrian resistance 1938–1945. Vienna 2014.

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Abb. 131: Buchpräsentation „Der Tatort Mauthausen. The Crime Scene of Mauthausen“ (P14-1641) mit Kuratoriumsvorsitzendem Kurt Scholz, Ministerin Johanna Mikl-Leitner, Barbara Glück und Bertrand Perz (v. l. n. r.). Quelle: ÖZF.

tralität und das Ende der Ost-West-Beziehung Österreichs 1945–1955“ (P13-1588) von Gerald Stourzh und Wolfgang Mueller65 ist auch „Hitler – Beneš – Tito. Konflikt, Krieg und Völkermord in Ostmittel- und Südosteuropa“ (P17-2871) von Arnold Suppan zu nennen.66 Auch aktuell laufen diverse Übersetzungsprojekte wie etwa des Buchs „Gestapo-Leitstelle Wien 1938–1945“ (P19-3707) von Elisabeth Boeckl-Klamper, Thomas Mang und Wolfgang Neugebauer, das Anfang 2021 bei Berghahn Books (New York/Oxford) erscheinen soll. Eines der letzten in Übersetzung erschienenen Bücher ist Michael Gehlers „Österreichs Weg in die Europäische Union“ (P14-1789). Im April 2020 kam es unter dem Titel „From St. Germain to Lisbon. Austria’s long Road from disintegrated to united Europe 1919–2009“ heraus.67 „In

65 Gerald Stourzh – Wolfgang Mueller, A Cold War over Austria. The Struggle for the State Treaty, Neutrality, and the End of East-West Occupation, 1945–1955. Lanham – Boulder – New York – London 2018. 66 Arnold Suppan, Hitler – Beneš – Tito. National conflicts, world wars, genocides, expulsions, and divided remembrance in East-Central and Southeastern Europe, 1848–2018. Vienna 2019. 67 Michael Gehler, From St. Germain to Lisbon. Austria’s long Road from disintegrated to united ­Europe 1919–2009. Vienna 2020.

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Abb. 132: Der Zukunftsfonds förderte die Übersetzung mehrerer Publikationen, darunter Manfried Rauchensteiners Buch „Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie“ (P13-1572). Rauchensteiner und Kurt Scholz beim Werkstattgespräch „1914: Der Weg in den ­Abgrund Europas“ im Oktober 2013. Quelle: ÖZF. Foto: Ernst Weingartner.

open access- und online-Zeiten ist der ÖZF eines der wenigen segensreichen Unternehmen, die noch Druckwerke fördern und dies vor allem in der lingua franca unserer Zeit, also auf Englisch, womit er zur Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht nur im angloamerikanischen Raum beiträgt“68, betont Gehler in diesem Zusammenhang.

Pädagogische Aktionen Der Zukunftsfonds legt im Rahmen seiner Fördertätigkeit ein großes Augenmerk auf Projekte mit einer pädagogischen Zielsetzung. Diese sollen vor allem junge Menschen zur geschichtlichen Auseinandersetzung anregen und deren Bewusstseinsbildung fördern. Sie sollen Antisemitismus und Rassismus entgegentreten und Toleranz und Respekt hervorheben. 167 Projekte mit einer ausdrücklichen pädagogischen Zielsetzung wurden bislang vom Zukunftsfonds mit einer Summe von rund 2,1 Millionen Euro gefördert. Hinzu treten noch 43 Pro68 AdBIK, Schriftliches Statement Michael Gehler. Hildesheim 18.3.2020.

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Abb. 133: Bei dem pädagogischen Outdoor-Training „Gemeinsam in einem Boot“ (P11-0819, P14-1702) verbringen asylwerbende und österreichische Jugendliche gemeinsam eine Woche in der Natur. Quelle: Sammlung Ursula Sova.

jekte, die im Rahmen einer Kombinationsförderung zusätzlich pädagogische Zwecke verfolgten, worunter vor allem Ausstellungen zu verzeichnen sind. Neben museumspädagogischen Projekten und Ausstellungen, Schulprojekten, Exkursionen, Gedenkfahrten, Zeitzeugen-Workshops und der Erstellung von Lehrmaterialien für Kinder und Jugendliche sind es vor allem Begegnungs- oder Integrationsprojekte, die vom Zukunftsfonds unterstützt werden. Im Rahmen der zwischen 2007 und 2014 jährlich subventionierten Begegnungsaktion „Peacecamp“ (z. B. P07-0158 oder P12-1138) vom Verein zur Förderung der politischen Mündigkeit etwa setzten sich Jugendliche aus Palästina, Israel und Österreich eine Woche lang gemeinsam mit einem Team aus Pädagogen, Psychologen und Künstlern mit kreativen, gewaltfreien und friedensschaffenden Lösungswegen zu politischen und sozialen Fragestellungen auseinander. Die Bedeutung des Zukunftsfonds für die Förderung von pädagogischen Aktionen hebt Josef Neumayr von der Aktion „A Letter To The Stars“ (P06-0026, P06-0116, P07-0231, P10-0649) hervor: „Ohne Förderung durch den Zukunftsfonds hätten wir keines unserer Projekte realisieren können. Wir bemerken auch in den letzten Jahren, dass es immer schwieriger wird, private Unternehmen als Fördergeber oder Sponsoren zu gewinnen, da diese meist

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Abb. 134: Der Zukunftsfonds unterstützte mehrfach Gedenkreisen für Schüler und Schülerinnen des Vereins „March of Remembrance and Hope – Austria“ (P06-0111, P07-0223, P08-0412). Diese jährliche Gedenkveranstaltung mit pädagogischer Ausrichtung bietet österreichischen Schülern die Möglichkeit, an einer internationalen Holocaust-Gedenkveranstaltung in Auschwitz-Birkenau teilzunehmen, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Quelle: MoRaH.

nur mehr PR-Maßnahmen setzen oder eigene CSR-Richtlinien verwenden. Der Zukunftsfonds ist dadurch umso mehr eine zentrale Anlaufstelle. Die Beratung bei der Antragstellung und der rasche Entscheid über eine Projektförderung ist aus der Sicht des Projektverantwortlichen psychologisch sehr wertvoll.“69 So konnten im Rahmen der Aktion „A Letter To The Stars“ mithilfe des Zukunftsfonds bereits mehrmals große Aktionen mit Schülern und Zeitzeugen durchgeführt werden wie beispielsweise mehrere Einladungsprojekte für Holocaust-Überlebende, die von Schulen in Österreich empfangen wurden, oder die Aktion „Blumen der Erinnerung“ am Wiener Stephansplatz.

69 AdBIK, Schriftliches Statement Josef Neumayr. Wien 11.2.2015.

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Abb. 135: Das Projekt „A Letter To The Stars“, 2003 initiiert, ist das größte und nachhaltigste schulische Zeitgeschichte-Projekt Österreichs. Bei der Aktion „Blumen der Erinnerung“ sollen 80.000 weiße Rosen die österreichischen NS-Opfer symbolisieren. Quelle: Sammlung Josef Neumayr.

Ein weiteres Beispiel ist das europaweite Projekt „Esther“ (P12-1118), das sich den Strategien der Holocaust-Erinnerung widmet – etwa auch in Form von pädagogischen Theateraktionen für Kinder. Aufgrund der internationalen Struktur des Projekts konnten dabei Aktionen mit Kindern aus mehreren Ländern umgesetzt werden, wie Projektleiter Gerold Gruber berichtet: „Im Rahmen des Projekts ‚Esther‘ konnten durch die Unterstützung des Zukunftsfonds viele neue Aspekte gesetzt werden, etwa ein Theaterprojekt mit Kindern aus Gymnasien in Österreich, Deutschland und Schweden. Im Mittelpunkt stand das Leben der Holocaust-Überlebenden Esther Bauer, die auch zu allen drei Vorstellungen aus New York anreiste und mit den Kindern diskutierte. Insgesamt nahmen an die tausend Kinder an den Aufführungen teil. Die Beteiligung zeigte uns, wie wertvoll und wichtig es ist, dass sich auch Kinder mit dieser Zeit auseinandersetzen und mit Betroffenen direkt ins Gespräch kommen.“70 Beim 2015 gelaunchten, von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien durchgeführten Projekt „LIKRAT – Lass uns reden“ (zuletzt P19-3798) war beziehungsweise ist der Zukunftsfonds einer von zwei Hauptförderern. „Ohne die Förderung von Seiten des Zukunftsfonds wäre das Projekt LIKRAT nicht in der Form und Schnelligkeit realisierbar gewesen. 70 AdBIK, Interview Gerold Gruber, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 10.3.2015.

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Abb. 136: Seit 2015 führt die Israelitische Kultusgmeinde Wien ihr Dialogprojekt „LIKRAT“ mit Unterstützung des Zukunftsfonds durch. Nichtjüdische Jugendliche treten dabei in einen Austausch mit gleichaltrigen Juden und lernen so ihre Diskussionspartner als Individuen abseits von Wertungen ethnischer Herkunft, Hautfarbe oder Religion kennen. Quelle: IKG Wien.

Der Zukunftsfonds hat somit maßgeblich zum Erfolg eines der bedeutendsten Projekte in der Jugendarbeit der IKG beigetragen“71, betont Präsident Oskar Deutsch. Das Dialogprojekt, dessen Idee 2002 erstmals in der Schweiz umgesetzt worden war, ist mittlerweile auch in Deutschland und Moldavien erfolgreich. Das Modell: Jüdische Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren werden nach Abschluss einer professionellen Ausbildung an nichtjüdische Schulen eingeladen, um mit Gleichaltrigen zu diskutieren, über sich und ihr Judentum zu erzählen und kritische Fragen zu beantworten. Dabei gibt es keine Tabu-Themen, jede Frage und jedes Thema sind willkommen. Da es sich um einen Austausch unter Gleichaltrigen handelt, wird in den Gesprächen eine gewisse Nähe aufgebaut, die dazu führen kann und soll, dass stereotypische Wahrnehmungen abgebaut werden. LIKRAT stellt somit eine Präventiv-Maßnahme gegen Antisemitismus dar, die bei den Jugendlichen auf große Resonanz stößt.72

Ausstellungen Im Bereich Ausstellungen finanzierte der Zukunftsfonds bis Mitte 2020 194 Projekte mit einer Fördersumme von insgesamt 1,7 Millionen Euro. Darunter sind vor allem wissen71 AdBIK, Schriftliches Statement Oskar Deutsch. Wien 8.4.2020. 72 Vgl. ÖZF, Projektbeschreibung und Sachbericht LIKRAT. Vgl. hierzu auch die Webseite http://www. likrat.at/ (6.8.2020).

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Abb. 137: Die vom Institut für jüdische Geschichte Österreichs kuratierte Ausstellung „Verwischte Grenzen“ wurde in der ehemaligen Synagoge in St. Pölten im Jahr 2018 gezeigt. Quelle: Injoest.

schaftliche Ausstellungen, museumspädagogische Projekte und Ausstellungen für Schüler zu finden, die als Dauer-, Sonder- oder Wanderausstellungen kuratiert werden und von klassischen Ausstellungen bis hin zu reinen Fotografie-, Online- oder multimedialen Ausstellungen reichen. Beantragt können sowohl Konzeptionen oder Installationen völlig neuer Ausstellungen als auch inhaltliche Ergänzungen oder ortsspezifische Erweiterungen von bereits bestehenden Präsentationen werden. Oft sind die unterstützten Ausstellungsprojekte als Kombinationsprojekte zu verstehen, in deren Rahmen die Fördernehmer auch Ausstellungskataloge, Rahmenprogramme oder gar Webseiten realisieren. Inhaltlich decken die vom Zukunftsfonds geförderten Ausstellungen die gleiche thematische Bandbreite wie die Projekte der bereits erwähnten Kategorien ab; Ausstellungen mit den Themenschwerpunkten Nationalsozialismus und Holocaust sind jedoch nach wie vor am häufigsten zu finden. Beispielhaft seien erwähnt: die Ausstellung „Vom Leben in den Hitlerbauten“ (P07-0235) im Linzer Stadtmuseum, die interaktive und mit Virtual-Reality-Elementen arbeitende Ausstellung „Anne Frank: Her World, Her Words“ (P11-0831) des Simon Wiesenthal Centers in Los Angeles, die Sonderausstellung „Von Wien nach Barranquilla: Stationen der Flucht ins karibische Exil, 1938/39“ (P12-1185) des Forschungs- und Kulturvereins für Kontinentalamerika und die Karibik, die Centropa-Wanderausstellung „Überleben in Sarajewo. Zusammenarbeit von Juden, Muslimen, Serben und Kroaten während des Bosnienkriegs 1992–1995“ (P13-1339), die Ausstellung zum 80. Todestag von Alfred Adler „Brüche und Kontinuität der Wiener Individualpsychologie – Die Zeit von 1930 bis 1960“ (P17-2714) des Österreichischen Vereins für Individualpsychologie sowie die Ausstellung über die Zwischenkriegszeit in Graz „Im Kartenhaus der Republik. Graz 1918–1938“ (P183049) inklusive Rahmenprogramm im Stadtmuseum Graz. Für manche Institutionen ist der Zukunftsfonds mittlerweile zu einem unverzichtbaren Förderpartner geworden, wie etwa für das Jüdische Museum Hohenems. Seit 2008 wurden zehn Ausstellungen unterstützt, unter anderem „Hast du meine Alpen gesehen? Eine jüdische

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Abb. 138: Im Fokus der 2015 im Wien Museum gezeigten Ausstellung „Romane Thana – Orte der Roma“ standen „Lebensorte“ der Roma und Sinti in Wien und im Burgenland. Quelle: Wien Museum.

Beziehungsgeschichte“ (P08-0415), „Treten Sie ein! Treten Sie aus! Konversionen und Konvertiten zwischen den Religionen der Welt“ (P11-1051) oder „Die ersten Europäer. Habsburger und andere Juden – eine Welt vor 1914“ (P13-1331).73 „Die Förderungen des ÖZF haben 73 Siehe hierzu auch die Webseite des Jüdischen Museums Hohenems, https://www.jm-hohenems.at/ (6.8.2020).

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Abb. 139: Die Ausstellung „Das Ende der Zeitzeugenschaft?“ (P19-3489) des Jüdischen Museums Hohenems und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg in Zusammenarbeit mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ wurde am 10. November 2019 eröffnet. Quelle: Jüdisches Museum Hohenems.

es uns ermöglicht Projekte durchzuführen, die zu nachhaltigen Kooperationen mit anderen Museen, aber auch mit unserem Forschungsnetzwerk rund um die Europäische Sommeruniversität für Jüdische Studien in Hohenems, geführt haben“74, sagt Hanno Loewy, Direktor des Museums. Projekte mit einer pädagogischen Ausrichtung sind für den Zukunftsfonds von großer Relevanz; Ausstellungsprojekte stellen hierbei keine Ausnahme dar. So widmete sich bereits die erste ÖZF-Förderung im Ausstellungsbereich der Thematik „Kinder im Holocaust“. Die von der Internationalen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem gestaltete Wanderausstellung „Kein Kinderspiel“ (P06-0096) ermöglicht es seitdem Schülern, das Thema des Holocausts durch die Augen von Kindern zu sehen. In der Behandlung individueller Geschichten werden Diskussionen über die Wichtigkeit von persönlichen Gegenständen, der Familie, dem Zuhause und der Freundschaft, aber auch der Kreativität und dem Spiel angeregt.75 Ausstellungen 74 AdBIK, Schriftliches Statement Hanno Loewy. Hohenems 20.5.2020. 75 Vgl. Webseite von Yad Vashem, https://www.yadvashem.org/de/education/educational-materials/les

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Abb. 140: Die Dauerausstellung „Für das Kind“ (P13-1456) in der Volkshochschule Wiener Urania erinnert an die Rettung jüdischer Kinder während der NS-Zeit. Quelle: Sammlung Milli Segal.

mit pädagogischer Zielsetzung werden aber auch direkt für Schulen gestaltet. Die Ausstellungsmacherin Milli Segal, die bereits mehrfach Projekte für Schüler – auch unter Förderung des Zukunftsfonds – initiierte, bemerkt hinsichtlich der großen Reichweite und Resonanz von Ausstellungsprojekten: „Die Gesellschaft braucht diese thematische Auseinandersetzung und das Erinnern darf niemals aufhören. Ich erlebe das immer wieder anhand von Fragen, die Schüler und Schülerinnen bei den Ausstellungsbesuchen stellen. Bewusstmachung und Wissensvermittlung ist ein Auftrag, der nie aufhören kann. Zudem ist es auch wichtig, immer einen Bogen zur Gegenwart zu spannen. Auch heute sind Kinder auf der Flucht. Wir leben in keiner heilen Welt. Ich denke, man kann anhand der Geschichte viel für das Heute lernen. Deshalb halte ich den Zukunftsfonds für so wichtig, weil er diese Brückenfunktion darstellt. Wir arbeiten zwar alle mit der Vergangenheit, aber in Wirklichkeit arbeiten wir für die Zukunft, damit wir dieselben Fehler nicht noch einmal machen.“76

son-plans/no-childs-play-primary.html (24.7.2020). 76 AdBIK, Interview Milli Segal, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 19.2.2015.

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Gedenkprojekte Dem Bereich „Erinnern und Gedenken“ sind Projekte zugeordnet, die die Errichtung oder Neugestaltung von Mahn- oder Denkmälern, Gedenktafeln, -steinen, -skulpturen oder -stätten, Stolpersteinen oder Friedhofsausstattungen inklusive deren Begleitmaßnahmen wie die Erstellung von Webseiten, Gedenkbüchern und Broschüren oder Einweihungs- sowie Enthüllungsfeiern zum Ziel haben. Zwischen 2006 und 2020 förderte der Zukunftsfonds 93 solcher Gedenkprojekte mit einer Summe von über 1,1 Millionen Euro. Die größten Projekte, die vom Zukunftsfonds zum Thema „Erinnern und Gedenken“ bislang gefördert wurden, sind jene zu den beiden Gedenkstätten in Mauthausen und Auschwitz. Im Juli 2009 beschloss die österreichische Bundesregierung in Umsetzung ihres Regierungsprogramms, Kapitel „Kunst und Kultur“, Punkt 17, „Verantwortung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus“, die Neugestaltung der österreichischen Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in Polen. Mit der Koordinierung der Planung und der Abwicklung des Gesamtprojekts wurde der Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus beauftragt, der somit als Auftraggeber für die Realisierung der gesamten Neugestaltungsprozesse verantwortlich ist und Entscheidungen in Absprache mit dem Steering Committee des Projekts trifft. Zur Sicherstellung der wissenschaftlichen Qualität der neuen Ausstellung und zur Wahrung der Anliegen betroffener gesellschaftspolitischer Gruppen wird das Projekt zudem von einem Wissenschaftlichen Beirat und einem Gesellschaftlichen Beirat begleitet. Neben dem National- und dem Zukunftsfonds trägt eine Reihe von weiteren öffentlichen Mittelgebern zur finanziellen und administrativen Unterstützung des Neugestaltungsprojekts bei: das Bundesministerium für Bildung und Frauen, das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, das Bundeskanzleramt sowie die Bundesländer.77 Der Fonds beteiligte sich im Jahr 2009 erstmals an der Neugestaltung der Ausstellung in der österreichischen Gedenkstätte in Auschwitz (P09-0547) und förderte in weiterer Folge mehrere Projekte dazu. Auch Begleitmaßnahmen wie die Erstellung einer Website, eines Gedenkbuchs oder von Broschüren wurden unterstützt (P10-0794, P15-2020). Bei den Teilprojekten „Museumspädagogische Begleitung für die Neugestaltung“ (P12-1288) sowie „Kuratierung und wissenschaftliche Leitung der Neugestaltung“ (P15-2019) übernahmen auch einige Mitglieder der Zukunftsfonds-Gremien zentrale Aufgaben: Christoph Kainz trat als Vertretung in das Steering Committee ein, Kurt Scholz wurde Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates, und Moshe Jahoda wurde vom Zukunftsfonds als Vertreter in den Gesellschaftlichen Beirat ent­ 77 Vgl. Webseite des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus, https://www.nationalfonds.org/projektinfo (26.7.2020).

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Abb. 141: Die ursprüngliche Österreich-Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz konzentrierte sich auf die Rolle Österreichs als „erstes Opfer“ und erschien wissenschaftlich sowie museumspädagogisch nicht mehr zeitgemäß, weshalb seit 2009 an einer Neugestaltung gearbeitet wird. Quelle: Nationalfonds der Republik Österreich.

sandt. Aktuell vertritt Herwig Hösele den Zukunftsfonds im Steering Committee und im Gesellschaftlichen Beirat, Kurt Scholz ist nach wie vor Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates. Die Neugestaltung der Ausstellung im Österreich-Pavillon der Gedenkstätte Auschwitz war notwendig geworden, da die bisherige Darstellung der Jahre 1938 bis 1945, die Österreichs Rolle als „erstes Opfer“ der gewaltsamen Expansionspolitik des NS-Regimes in den Vordergrund gestellt hatte, nicht mehr zeitgemäß erschien. Das Bekenntnis zur moralischen Mitverantwortung hat inzwischen zu einer differenzierteren Sicht der historischen Ereignisse geführt, mit der sich auch eine neue Gedächtniskultur verbindet. Im Zentrum der neuen Ausstellung soll nun neben dem Schicksal der österreichischen Opfer in Auschwitz und dem Widerstand von österreichischen Häftlingen auch die Involvierung von Österreichern als Täter und Helfer an den dort begangenen Verbrechen stehen. Auch im Rahmen der Gedenkstätte im ehemaligen KZ Mauthausen förderte der Zukunftsfonds Projekte, wobei neben der Herausgabe eines Gedenkbuches (P14-1708) vor allem die Neugestaltung der Ausstellung in der Gedenkstätte (P09-0593, P10-0786) und das darauffolgende Dokumentationsprojekt (P13-1362), in dessen Rahmen Ausstellungskataloge, eine Ausstellungszeitung, Informationsfolder sowie ein Jahrbuch realisiert wurden, zu nennen sind. Die Neugestaltung orientierte sich an aktuellen Formen der Wissensvermittlung und setzte sich zum Ziel, den zentralen österreichischen Erinnerungsort gemäß neuer pädagogischer und museologischer Gesichtspunkte zu gestalten. Im Zuge dessen wurde etwa auch

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Abb. 142: Der „Raum der Namen“ in der neu gestalteten KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Quelle: BMI.

der „Raum der Namen“ realisiert, in dem die Namen aller 81.000 namentlich bekannten Menschen dargestellt sind, die in den Konzentrationslagern Mauthausen und Gusen sowie in den Außenlagern zwischen dem 8. August 1938 und 30. Juni 1945 ihr Leben verloren.78 Dazu betonen Wilhelm Stadler und Barbara Glück: „Ohne die Förderungen des Zukunftsfonds hätten die Neugestaltung der Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen sowie die Ausstellungskataloge und das Gedenkbuch für die Verstorbenen von Mauthausen nicht in dieser Form durchgeführt werden können. Der Zukunftsfonds hat die umfangreiche wissenschaftliche Begleitung dieser Aktivitäten ermöglicht. Die international positiv rezipierte Ausstellung, die am 5. Mai 2013 eröffnet wurde, hat in entscheidendem Maße davon profitiert.“79 Als wichtige historische Zeugen und Gedenkstätten können Friedhöfe angesehen werden, weshalb der Zukunftsfonds auch in diesem Bereich zahlreiche Gedenkprojekte förderte. So wurden zum Jüdischen Friedhof Wien-Währing bislang vier Projekte (P06-0015, P06-0019, 78 Vgl. Webseite Mauthausen Memorial KZ-Gedenkstätte, https://www.mauthausen-memorial.org/de/ Besuchen/Ausstellungen-und-Raum-der-Namen/Der-Raum-der-Namen (26.7.2020). 79 AdBIK, Schriftliches Statement Wilhelm Stadler und Barbara Glück. Wien 3.3.2015.

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Abb. 143: Inventarisierung von Grabmonumenten am Jüdischen Friedhof Wien-Währing. Quelle: Sammlung Tina Walzer.

P08-0320, P08-0334) zur wissenschaftlichen Aufarbeitung unterstützt – etwa in Form einer Inventarisierung sowie einer Erhebung des Status quo und der Klassifikation der Grabstellen und Grabdenkmäler. Der 1784 eröffnete Friedhof diente den jüdischen Wienern bis zu seiner Schließung 1879 als Hauptbegräbnisstätte, nach seiner teilweisen Zerstörung während der NS-Zeit ist er bis heute geschlossen und harrt einer Sanierung.80 Zudem unterstützte der Zukunftsfonds Projekte zur Anbringung einer Namenstafel am Denkmal der Opfer des Faschismus auf dem Friedhof Wiener Neustadt (P09-0579), zur Neugestaltung der Gedenkstätte am Friedhof Klagenfurt-Annabichl (P10-0755), zur Neugestaltung des alten jüdischen Friedhofs St. Pölten (P10-0787), zur Errichtung von Hinweistafeln der Gruppe 40 auf dem Wiener Zentralfriedhof (P12-1295), zur Erneuerung des Mahnmals auf dem Stadtfriedhofs Hainburg an der Donau (P19-3635) sowie zur Erneuerung des Partisanendenkmals am Friedhof Velden (P19-3750). 80 Vgl. hierzu die ebenso vom Zukunftsfonds geförderte Webseite des Vereins „Rettet den Jüdischen Friedhof Währing“ (P19-3580), https://www.jued-friedhof18.at/ (6.8.2020).

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Abb. 144: IKG-Präsident Oskar Deutsch, Bundesministerin für EU und Verfassung Karoline Edtstadler und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka anlässlich des Baustarts der Shoah-­ Namensmauer auf dem Gelände im Ostarrichipark am 22. Juni 2020. Quelle: APA. Foto: Georg Hochmuth.

Auch viele kleinere Projekte von lokalen und regionalen Gedenkstätten erfuhren seit 2006 vom Zukunftsfonds Unterstützung. Darunter zu finden sind beispielsweise die Errichtungen des „Friedenszeichens der großen Religionen der Welt“ (P08-0280) im Haus der Stille in Heiligenkreuz am Waasen, der „Gedenktafel für jüdische Vertriebene 1938 am Erich Fried Gymnasium in Wien“ (P13-1370) oder der „Gedenktafel für die im NS-Vernichtungslager Kulmhof am Ner ermordeten österreichischen Roma und Sinti“ (P14-1752) sowie „The Missing Image“ (P15-1955), die Erinnerungs-Installation „Straßenreibepartien“ am Wiener Albertinaplatz vor dem von Alfred Hrdlicka 1988 gestalteten Denkmal, die „Counterpoles – Widerstäbe“ (P16-2399), ein offizielles Mahnmal der Stadtgemeinde Baden für die Opfer des Nationalsozialismus, oder die Gestaltung des Gedenkortes „Urnengruft Steyr“ (P18-3200), ein Grabdenkmal zur Erinnerung an 800 KZ-Häftlinge. Für ein größeres Gedenkstättenprojekt kam es Ende Juni 2020 zum Baustart: die von Kurt Y. Tutter initiierte Shoah-Namensmauer im Ostarrichipark im Wiener Alsergrund, die an die über 64.000 in der NS-Zeit ermordeten Jüdinnen und Juden aus Österreich erinnern wird. Die Errichtung des Denkmals soll im Herbst 2021 abgeschlossen sein und sieht in ovaler Anordnung mehrere Steinmauern vor, in welche die Namen der Ermordeten eingraviert wer-

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Abb. 145: Stein der Erinnerung für Josef Rosenstingl, St. Pölten 2019. Quelle: Injoest. Foto: Alexander Millecker.

den.81 Dem Spatenstich vorangegangen war eine vor sechs Jahren durch den Zukunftsfonds kofinanzierte Machbarkeitsstudie „zur Umsetzung einer Gedenkstätte für die in der Shoah ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Österreich“ (P14-1655). In dieser hatte es geheißen: „Die Machbarkeitsstudie soll folgende Themen behandeln: die technischen Aspekte der Errichtung des Projekts, die künstlerische Umsetzung im Design der Gedenkstätte, die ergonomischen Aspekte des Gravierens der Namen auf den Tafeln, die Kostenschätzung, Maßnahmen für die Security der Gedenkstätte, der Plan für die Finanzierung und das Fundraising, die Vorbereitung der Ausführungspläne, der Arbeitsplan.“82

81 Vgl. Baustart für Shoah-Gedenkmauer, in: Webseite ORF Wien, 22.6.2020, https://wien.orf.at/sto ries/3054277/ (6.8.2020). 82 Webseite des Zukunftsfonds der Republik Österreich, Projektinformation P14-1655, http://www. zukunftsfonds-austria.at/projektinfo.php?pcode=P14-1655 (6.8.2020).

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Besonders hervorzuheben sind letztlich die zahlreichen Initiativen zu den sogenannten Stolpersteinen, den „Steinen der Erinnerung“, die Passanten an die Namen und Geschichte der Opfer des Nationalsozialismus an ihren ehemaligen Wohnadressen erinnern sollen. Die Idee stammt vom deutschen Künstler Gunter Demnig, der im Jahr 1992 den ersten Stolperstein verlegte. Mittlerweile gibt es über 60.000 Stolpersteine in über 20 europäischen Ländern, auch in vielen österreichischen Städten werden diese jährlich verlegt. Der Zukunftsfonds förderte hierzu zahlreiche Projekte, unter anderem in Wien (etwa P10-0790, P13-1385 oder P17-2764), in Graz (P13-1543) und weiteren Regionen der Steiermark (P17-2991) oder in St. Pölten (P18-3102, P19-3448, P20-3857). Die letztgenannte, vom Institut für jüdische Geschichte Österreichs in St. Pölten in Kooperation mit der Stadt St. Pölten durchgeführte Initiative versteht sich als mehrjähriges Projekt mit dem Ziel, letztlich an allen 80 Adressen für die 575 namentlich bekannten, im Holocaust ermordeten Männer, Frauen und Kinder der jüdischen Kultusgemeinde St. Pölten Stolpersteine zu setzen.83 „Da es sich um eine über mehrere Jahre anberaumte Gedenkaktivität handelt, ist solch ein Projekt überhaupt nur zu planen, wenn Förderstellen dafür verlässlich für einen nicht sehr umfangreichen, jedoch gleichbleibenden jährlichen Betrag zur Verfügung stehen,“ berichten Martha Keil und Sabine Hödl von Injoest. „Gerade dieses Projekt brachte eine breite Sichtbarkeit und Wahrnehmung: in der Stadt St. Pölten selbst, in nationalen Erinnerungsplattformen und international bei den Angehörigen und Nachkommen der auf den Steinen verewigten Shoah-Opfern.“84

Digitale Projekte In Hinblick auf die Verbreitung von Forschungsergebnissen sowie die Zugänglichkeit von Quellen fördert der Zukunftsfonds eine Vielzahl an digitalen Projekten, die von Jahr zu Jahr häufiger eingereicht werden. Dazu zählen etwa Webseiten, Datenbanken, die Digitalisierung und Archivierung von Oral-History-Interviews, audiovisuelle Projekte, Hörbücher oder Vorhaben im Bereich der Neuen Medien wie beispielsweise YouTube-Videos, Apps oder Podcasts. Dass digitale Projekte auf dem Vormarsch sind, legt auch ein Blick auf die diesbezügliche Statistik nahe: Bis Ende des Jahres 2010 waren es 16 digitale Projekte mit einer Fördersumme von 355.000 €, bis Ende 2015 insgesamt 48 mit 854.000 € und bis Mitte Juni 2020 bereits 119 mit einer Förderung von rund 1,5 Millionen €. Inhaltlich befasst sich ein großer Teil der durch den Zukunftsfonds geförderten digitalen Projekte mit der Veröffentlichung von Zeitzeugen-Erinnerungen. Dazu zählen etwa das „Aus83 Vgl. Webseite des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs, http://www.injoest.ac.at/de/steine-­ der-erinnerung (6.8.2020). 84 AdBIK, Schriftliches Statement Martha Keil und Sabine Hödl. St. Pölten 23.3.2020.

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Abb. 146: Screenshot der vom Zukunftsfonds geförderten Online-Datenbank des Vereins Centropa (P06-0024, P13-1623, P19-3681) mit mehr als 100 österreichischen Zeitzeugen-Interviews. Quelle: Centropa.

trian Heritage Archive“85 (P18-3141, P19-3730), das Audio- und Video-Interviews mit österreichisch-jüdischen Emigranten, die in der Zeit des Nationalsozialismus und unmittelbar danach in die USA oder nach Palästina/Israel geflüchtet waren, versammelt, oder das Projekt „Sammlung und Langzeitarchivierung von Oral- und Video-History-Interviews mit Opfern des Nationalsozialismus“ (P15-1991, P16-2647) der Österreichischen Mediathek, die zwischen 2014 und 2018 annähernd 3.000 Stunden an Audio- und Videodokumenten auf rund 1.700 Trägern aus über 30 Initiativen in ihr digitales Archiv überführte.86 Stark vertreten sind auch Projekte, die sich mit der Erstellung von Datenbanken befassen, unter anderem solche 85 Siehe hierzu die Webseite des Austrian Heritage Archives, http://austrianheritagearchive.at/de (27. 7.2020). 86 Siehe hierzu die Webseite Zeitzeug*innen der Österreichischen Mediathek, https://www.mediathek. at/forschen-und-lernen/abgeschlossene-projekte/sammlung-nationalfonds-zukunftsfonds/ (27.7. 2020).

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zu musikalischen Nachlässen verfemter Komponisten87 (P11-0914), zu den Schicksalen der insgesamt 25.000 aus dem Großdeutschen Reich in den Jahren 1941 und 1942 nach Riga deportierten österreichischen und deutschen Juden88 (P16-2453) oder zu den Schicksalen amerikanischer und britischer Flugzeugbesatzungen, die zwischen 1939 und 1945 über dem heutigen Österreich abstürzten, in Gefangenschaft gerieten, Opfer von Verbrechen wurden und/oder zu Tode kamen89 (P17-2939). Ein Beispiel für Datenbank-Projekte, die der Online-Recherche dienen, ist die Website www.ns-quellen.at (P06-0062), die im Jahr 2011 online ging und Materialien zu Nationalsozialismus, Vermögensentzug, Rückstellung und Entschädigung in Österreich präsentiert. Diese und viele weitere Projekte machen eine Menge an bislang gar nicht beziehungsweise nur schwer zugänglichen Daten nun für jeden über das Internet verfügbar und durchsuchbar. Dadurch können weitere Forschungen angeregt werden, wie etwa Oliver Rathkolb anhand eines Beispiels darstellt: „Eines meiner Projekte war die Digitalisierung des Gau-Pressearchivs,90 d. h. des Archivs des Gauleiters Baldur von Schirach. […] Wir erwarten hier einen Forschungsschub, da diese Quellen erst jetzt zur Verfügung stehen und für Forschungen herangezogen werden können.“91 Weitere Projekte aus dem digitalen Bereich beschäftigen sich mit der Realisierung von Applikationen für tragbare Endgeräte wie Smartphones und Tablets. Der audiovisuelle Guide „Jüdisches Wien“ (P13-1556) etwa bietet 507 Foto-, Audio- und Videostories, die beim Flanieren durch Wien an den Sehenswürdigkeiten automatisch geöffnet werden.92 Ähnlich arbeitet das Projekt „Digital Memory. MEMENTO WIEN – Taking the DÖW Archive to the Streets“ (P15-2157), das es ermöglicht, im öffentlichen Raum durch Verwendung von Georeferenzierung und GPS-Standortbestimmung mehr über die Opfer des nationalsozialistischen Regimes und die Orte der Verfolgung in Wien mittels Quellen aus dem DÖW-Bestand zu erfahren.93 Die vom Jüdischen Museum Wien gestaltete App „Zwischen den Häusern“ (P131560) wiederum bietet bei einem Spaziergang von der Dorotheergasse 11 durch den histo87 Siehe hierzu die Webseite von exil.arte – Zentrum für verfolgte Musik, https://exilarte.org/datenbank-der-nachlaesse (27.7.2020). 88 Siehe hierzu die Webseite http://todesortriga.lv/ (27.7.2020). 89 Siehe hierzu die Webseite Downed Allied Air Crew Database Austria, https://daacda.acdh.oeaw.ac.at/ (27.7.2020). 90 Erschließung und Digitalisierung des Bürckel-Bestands des „Gaupresse“-Archivs Wien an der Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte der Universität Wien und Integration in die Forschungsplattform „Gaupresse“-Archiv (P11-0930, P16-2330). 91 AdBIK, Interview Oliver Rathkolb, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 9.3.2015. 92 Vgl. https://juedisches-wien.dort.pw/ (27.7.2020). 93 Vgl. die Webseite des DÖW, https://www.doew.at/erforschen/projekte/datenbankprojekte/digital-­ memory (27.7.2020).

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Abb. 147: Screenshot der Beta-Version der Forschungsplattform „Gaupresse“-Archiv Wien des Instituts für Zeitgeschichte und Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte der Universität Wien.

Abb. 148: Der Linzer Audiopaziergang „Steingeschichten“ thematisiert neben dem Umgang mit der Geschichte von NS-Bauten auch NS-Verfolgung und Zwangsarbeit. Quelle: Laura Dressel. Foto: Reinhard Winkler/gfk.

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rischen Kern von Wien zum Judenplatz 8 insgesamt 18 Stationen mit Bildern und Texten zu den heute meist nicht mehr sichtbaren Spuren jüdischer Geschichte.94 Auch in anderen Städten beziehungsweise Regionen Österreichs werden sukzessive derartige Projekte realisiert. So etwa in Linz, wo der digitale Audioweg „Steingeschichten“ (P19-3506) Hintergrundinformationen beziehungsweise Interviews zu den Linzer NS-Bauten „Nibelungenbrücke“ und „Brückenkopfgelände“ bietet und so die Geschichte der Bauten mit dem Heute verknüpft.95 Unter den geförderten digitalen Projekten finden sich zudem zahlreiche Webseiten zu einzelnen Forschungsprojekten, die Inhalte, Forschungsergebnisse sowie Quellen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. So arbeitet die Universität Salzburg etwa im Zuge von „Mauthausen digital“ (P19-3742) daran, die in der Sondersammlung „KZ-memoria scripta“ an der Fachbibliothek Romanistik vorhandenen schriftlichen Erinnerungsberichte von Mauthausen-Überlebenden zu archivieren, wissenschaftlich auszuwerten, zu digitalisieren und via Internet öffentlich zugänglich zu machen. Der Bestand umfasst rund 700 Bücher, Broschüren und Manuskripte (insgesamt ca. 140.000 Seiten), die Texte liegen in deutscher, englischer, französischer, spanischer und italienischer Sprache vor.96 Als ein weiteres Beispiel kann die deutschsprachige Webseite der Gedenkstätte Yad Vashem97 (P13-1386, P15-2037, P16-2428, P17-2799, P18-3325) inklusive des digitalen Österreich-Archivs zu den „Gerechten unter den Völkern“ (P10-0764) genannt werden, deren Überarbeitungen und Erweiterungen der Zukunftsfonds jahrelang förderte. Yad Vashem bietet zudem einen dazugehörigen YouTube-Kanal (P09-0610) in deutscher Sprache an.98 Letztlich sei unter den digitalen Projekten noch die Unterstützung von Archivarbeiten durch den Zukunftsfonds genannt. Neben Projekten zur Österreichischen Exilbibliothek im Literaturhaus (P08-0386), zum „Archiv der Freien Österreichischen Jugend“99 (P14-1785, P15-2292), zu „Jüdischen Journalistinnen und Journalisten in Österreich 1848–1938“ (P07-0166, P14-1918) oder zum „Virtuellen Jura Soyfer Archiv“100 (P15-2206) soll hier näher auf das in mehreren Teilen geförderte Projekt zum Aufbau eines öffentlich zugänglichen Archivs der Israelitischen Kultusgemeinde (etwa P08-0428, zuletzt P18-3321) eingegangen werden. Ausgangspunkt für dieses  94 http://www.jmw.at/app/jewishvienna (27.7.2020).  95 Siehe hierzu die Webseite Steingeschichten Projekt Linz, https://steingeschichten.at/ sowie http:// lauradressel.net/steingeschichten/ (beide: 6.8.2020).  96 Vgl. Webseite der Universität Salzburg, https://uni-salzburg.elsevierpure.com/de/projects/mauthausendigital-digitization-and-online-accessibility-of-mauth (6.8.2020).  97 https://www.yadvashem.org/de.html (6.8.2020).  98 https://www.youtube.com/user/yadvashemgerman (6.8.2020).  99 Siehe hierzu die Webseite der Ludwig Boltzmann Gesellschaft, https://geschichte.lbg.ac.at/archiv-­ freien-osterreichischen-jugend-foj/projekt-foej (6.8.2020). 100 Siehe hierzu die Webseite Jura Soyfer Open Access, http://www.soyfer.at/archiv/ (6.8.2020).

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Abb. 149: Das physische (oben) und virtuelle (unten) Archiv der IKG. Quelle: IKG Wien.

langjährige Vorhaben war das Ziel, das Archiv der IKG Wien in seiner Gesamtheit wiederherzustellen und zum weltweit größten noch vorhandenen Archiv einer jüdischen Gemeinde zu machen. Dazu wurden sämtliche Archivteile zusammengeführt, nach archivwissenschaftlichen Standards erschlossen, wissenschaftlich aufgearbeitet, digitalisiert und letztlich als physisches Archiv öffentlich zugänglich gemacht. „Die Förderungen des ÖZF haben dazu beigetragen, dass insgesamt 64.000 Karteikarten, 35.000 Akten und Personenstandsbücher/-register mit ca. 33.000 Einträgen erschlossen wurden. Das sind insgesamt personenbezogene Informationen zu 237.000 Personen. Diese Daten dienen ForscherInnen und Nachkommen von Shoah-Opfern bei ihren täglichen Recherchen“101, sagt Oskar Deutsch, Präsident der IKG. 2016 folgte schließ-

101 AdBIK, Schriftliches Statement Oskar Deutsch. Wien 8.4.2020.

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Abb. 150: Szene aus dem Theaterstück „Tanzcafé Treblinka“ von Werner Kofler. Der Zukunftsfonds unterstützte die Aufführung im Wiener Hamakom Theater. Quelle: Hamakom.

lich der Aufbau des virtuellen Archivs,102 in dem verschiedene Archivalien wie Dokumente, Fotos und Collagen thematisch geordnet – etwa nach den Kategorien Flucht, Vertreibung, Deportation, Entschädigung, Fürsorge oder Matriken – mit Beschreibungstexten einsehbar sind. Diese „Online-Ausstellung“ soll auch in den nächsten Jahren stetig erweitert werden.

Kunst- und Kulturprojekte Im Bereich Kunst und Kultur förderte der Zukunftsfonds im Zeitraum von 2006 bis Mitte 2020 insgesamt 195 Projekte mit einer Summe von rund 1,3 Millionen Euro. Dieser Kategorie sind Theaterstücke und -workshops sowie Tanztheater, musikalische Veranstaltungen wie Konzerte, Opern oder Festivals, CD- und Schallplattenproduktionen, Roadshows, Kunstprojekte wie Installationen oder Multimedia-Performances, Lesungen und letztlich kulturelle Festivals zugeordnet. Den größten Anteil der in der Kategorie Kunst und Kultur geförderten Projekte machten Theaterproduktionen aus. Diese hatten zum einen die Aufführung von Werken von 102 http://www.archiv-ikg-wien.at/ (6.8.2020).

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Abb. 151: Das Theaterstück „Unter der Haut“ von Yonatan Calderon richtet sich an die dritte ­ eneration der Überlebenden des Holocaust sowie an die Enkelgeneration der NS-Täter. Es beG schreibt die Verknüpfung zwischen Opfer und Täter und handelt von den Grautönen der Schuld. Quelle: Susanne Höhne.

vom NS-Regime verbotenen, verfolgten oder ermordeten Künstlern zum Inhalt wie etwa die Theateraufführungen in New York „Die (irr)witzige und (halb)seidene Karriere des Fräulein Erna“ (P12-1160), eine Dramatisierung des Romans „Karriere“ des ab 1933 von den Nationalsozialisten verbotenen Schriftstellers Robert Neumann, oder von dem 1939 im KZ Buchenwald an Typhus verstorbenen Schriftsteller Jura Soyfer (P12-1172, P17-2814). Zum anderen beschäftigte sich eine Reihe von Stücken mit den Lebensgeschichten von Betroffenen wie beispielsweise mit der von Berta Zuckerkandl (P11-1046, P16-2481), einer jüdischen Schriftstellerin und Salonnière, von Johann Gruber (P16-2591), einem im Konzentrationslager Gusen ermordeten Priester, Pädagogen und Widerstandskämpfer, oder von Therese Zauser (P19-3582), einer im KZ Ravensbrück ermordeten Tänzerin. Zudem förderte der Zukunftsfonds Theaterprojekte, die sich in künstlerischer Form mit Nationalsozialismus und Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Flucht und Vertreibung auseinandersetzen. Exemplarisch seien hier angeführt: das sowohl in Wien als auch in Krakau aufgeführte Theaterstück „Tanzcafé Treblinka“ (P12-1052, P12-1130) von Werner Kofler, das die Beteiligung österreichischer Soldaten am Zweiten Weltkrieg auf der Seite der Nationalsozialisten in Polen

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thematisiert, sowie das Theaterprojekt „Nach der Grenze“ (P07-0202) von Julya Rabinowich, das Erfahrungen von Migranten einbindet und das Zusammenleben verschiedener Nationen, Kulturen und Religionen in Wien behandelt. Einige Theaterprojekte weisen einen pädagogischen Ansatz auf oder wurden gezielt für Kinder und Jugendliche aufbereitet. „Unter der Haut“ (P19-3485) etwa, ein Stück des israelischen Autors Yonatan Calderon, das nach einer wahren Geschichte eine lesbische Beziehung einer KZ-Wächterin und einer jüdischen Gefangenen im Zeitraum 1944 bis 1945 im Vernichtungslager Neuengamme beschreibt. „[Es] wurde von uns als Jugendstück inszeniert, da wir finden, dass es sich sehr gut eignet, Geschichte jungen Menschen nahezubringen, indem es den Holocaust mittels einer privaten Geschichte erzählt, eines Schicksals, das man nachvollziehen kann. ‚Unter der Haut‘ wurde ausschließlich vom Zukunftsfonds gefördert. Als wir es dann zeigen konnten, ist das Stück auch wegen der Arbeit des sehr jungen Ensembles beim jungen und älteren Publikum sehr gut angekommen“103, berichtet Susanne Höhne vom Verein für darstellende und bildende Kunst „Beseder“, der zudem einige weitere Stücke des israelischen Theaters (P16-2601, P17-2759, P18-3168) mithilfe von Förderungen des Zukunftsfonds in Szene setzen konnte. Der Zukunftsfonds unterstützt zudem explizit interaktive und innovative Theater- und Performanceprojekte. So leistet das Teatro Caprile seit dem Jahr 2013 mit seinen verschiedenen Theaterwanderungen eine künstlerische Form der Erinnerungsarbeit in ungewöhnlichen Räumen und Umgebungen und widmet sich dem Thema Flucht während der NSZeit. Beim Theaterprojekt „Grenzüberschreitungen und Fluchten. Eine theatrale Exploration“ (P13-1593, P14-1891) wurden etwa die Fluchtspuren von Jura Soyfer im Zuge von geführten Wanderungen mit szenischen Theaterstücken nachgegangen. Den Teilnehmern sollen dabei die Entwurzelung der Menschen, ihre Strapazen sowie ihre oftmals tödliche Abhängigkeit von lokalen Helfern inmitten kleinräumiger Dorfstrukturen nahegebracht und erlebbar gemacht werden. Dieselbe Zielsetzung verfolgten die Projekte „Gargellenfriedensweg“ (P16-2645) oder die Krimmler Theaterwanderung „Ins gelobte Land! – Eretz Austria? Geschlossene Grenzen – Gefährliche Flucht“ (P17-3007, zuletzt P20-3815), allerdings im hochalpinen Gelände. „Wesentlich für diese jahreszeitlich determinierten Projekte ist eine mehrjährige Aufführungspraxis, um für lokale Tourismusplattformen, Gemeinden und Initiativen als Kooperationspartner interessant zu werden“, sagen Andreas Kosek und Katharina Grabher vom Teatro Caprile. „So konnten die Theaterwanderung im Krimmler Achental als auch die Theaterwanderung in Gargellen, dank der Unterstützung durch den ZF als Mehrjahresprojekte durchgeführt werden. […] Durch den wissenschaftlich historischen Zugang der entscheidenden KuratorInnen, gelingt es dem ÖZF besser als vielen Kunstausschüssen, 103 AdBIK, Schriftliches Statement Susanne Höhne. Wien 8.5.2020.

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Abb. 152: Die Theaterwanderungen des Teatro Caprile, die unter anderem auf den Spuren der illegalen Auswanderung jüdischer Displaced Persons im Sommer 1947 über den Krimmler Tauern (2634 m) angesiedelt sind, finden bei jedem Wetter statt. Quelle: Teatro Caprile. Foto: Friedrich Juen.

die Relevanz politischer Inhalte für ein Theaterpublikum zu erkennen und er schafft es somit auch, die ästhetischen Bedingungen für zeitgenössische Theater- und Performancekultur positiv zu definieren.“104 Neben den verschiedenen Theaterprojekten sind in der Kategorie Kunst und Kultur zudem zahlreiche musikalische Projekte vertreten, wobei die Konzerte oft anlässlich von Jahrestagen wie der Wiederkehr der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 stattfinden oder Teil von Gedenkveranstaltungen sein können. Aufführungen von Opern – etwa der Kinder­oper „Brundibár“ (P08-0417, P09-0521) von Hans Krása, die 1942 im jüdischen Kinderheim in Prag uraufgeführt worden war, der Oper aus dem ehemaligen Konzentrationslager Terezín „Der Kaiser von Atlantis“ (P13-1454, P16-2558) von Viktor Ullmann oder der Israelischen Kammeroper „Else“ (P17-2835) von Josef Tal – sind hier ebenso zu nennen wie Konzerte zu Ehren verfolgter Musiker – beispielsweise das „Tribute to Walter Arlen“ (P172958) oder das Konzert „ALOIS!“ (P19-3782) im Gedenken an die vertriebenen jüdischen Komponisten und Textdichter der Unterhaltungsmusik der 1920er- und 1930er-Jahre. Auch 104 AdBIK, Schriftliches Statement Andreas Kosek und Katharina Grabher. Wien 17.4.2020.

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Abb. 153: Der Verein „EntArteOpera“ widmet sich der Wiederaufführung von Werken von Komponisten, die während der NS-Zeit verfolgt wurden. Quelle: Sammlung Verein „EntArteOpera“.

werden Konzertveranstaltungen zum Thema verfemte Musik gefördert, unter anderem des Vereins „EntArteOpera“ (etwa P12-1157, P14-1879), der sich seit 2012 in den Dienst der Auseinandersetzung mit der sogenannten „entarteten Musik“ stellt und diese – zum Teil auch nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem historischen Gedächtnis gelöschte – Musik wiederbeleben will. In einigen Fällen konnte mit Unterstützung des Zukunftsfonds die erste deutschsprachige Aufführung von Werken in Österreich umgesetzt werden wie beispielsweise des 2007 in San Francisco uraufgeführten Musicals „Gideons Traum“ (P08-0383), das im Rahmen eines Projekts der „Zwi Perez Chajes“-Schule als deutschsprachige Erstaufführung produziert wurde. Neben der Förderung von ganzen Konzertreihen wie des kleinen Festivals für ungehörte Musik „pontus musicae“ (P11-0839) in verschiedenen Städten Rumäniens oder der „musica suprimata“ (P13-1554) in Siebenbürgen sowie Musikfestivals wie beispielsweise des Kammermusikfestivals Schloss Laudon (P15-2306, P16-2631) finden sich im Bereich Musik unter den geförderten Projekten auch mehrere CD-Produktionen, von denen exemplarisch „Divers-CD – ein Musikvisualisierungsprojekt für gehörlose und hörende Menschen“ (P06-0060), „Sephardische (Hochzeits-)Lieder“ (P09-0522, P16-2442), „Out of Sight“ (P162537), eine CD-Produktion mit Werken der österreichisch-jüdischen Komponisten Fritz

Projektarten

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Spielmann, Hermann Leopoldi, Joseph Beer und Egon Neumann oder „Halevai – 30 Jahre Wiener Jüdischer Chor“ (P19-3570) angeführt seien. Im Bereich der Kunst und Kultur nutzen die vom Zukunftsfonds geförderten Projekte mitunter auch neue Wege der Vermittlung oder verbinden unterschiedliche Medien und Zugangsweisen miteinander: Konzerte mit Lesungen (z. B. zu Theodor Herzl, P16-2611, P183302, P19-3589), fotografisch-literarische Integrations- und Kunstprojekte (z. B. „Colours of Carinthia“, P11-0944), theatralisch-musikalische Auseinandersetzungen mit dem Thema Antisemitismus („Was machst du mit dem Knie?“, P09-0562) werden ebenso unterstützt wie die Roadtour zum Film „Heil Hitler, die Russen kommen“ (P10-0715) von Simon Wieland und Andreas Kuba. Dieses in mehreren Bundesländern durchgeführte Zeitzeugenprojekt bot dem Publikum die Möglichkeit, die eigene Geschichte zu dokumentieren. Zudem förderte der ÖZF die Licht- und Klanginstallation „Die vierhundertzwanzig Kinder“ (P12-1181) in der Krypta der Ursulinenkirche Linz in Erinnerung an die im Februar 1945 von Auschwitz ins Konzentrationslager Gusen deportierten und danach ermordeten Kinder, die multimediale Veranstaltung anlässlich 100 Jahre Erster Weltkrieg „Von Sinnen“ (P14-1821), die temporäre Kunstinstallation „Auf- und zugeschüttet. Zur verdrängten Geschichte des Wiener Nordwestbahnhofs“ (P19-3760) sowie das wissenschaftsbasiertes Projektionskunst-Projekt zum Jahrestag des „Anschlusses“ am 11./12. März „ZEITUHR 1938 in Klagenfurt“ (P19-3505). Zudem sind noch die im Zusammenhang mit der im Zukunftsfonds-Gesetz formulierten Zielsetzung „zukunftsorientierte Förderung von Toleranz, Achtung der Menschenrechte und Nicht-Diskriminierung“ unterstützten Kulturveranstaltungen und (inter-)kulturellen Aktionen zu nennen, die der Stärkung des interkulturellen und interreligiösen Dialogs auf internationaler und nationaler Ebene dienen. So förderte der Zukunftsfonds in diesem Bereich etwa die vom Kulturverein österreichische Roma durchgeführten „Interkulturellen Veranstaltungen: Musikabend und Lesung“ (P18-3103), deren Ziel es war, Diskussionen zu volksgruppenspezifischen Themen im historischen und gesellschaftlichen Bereich sowie zu Menschenrechts- und sozial-gesellschaftlichen Themen mit Experten anzuregen. Die seit 2017 vom Zukunftsfonds unterstützten jährlich stattfindenden „Yiddish Culture Festivals Vienna“ (etwa P18-3267) vom Förderverein des Jüdischen Instituts für Erwachsenenbildung wollen indes der jiddischen Sprache und Kultur dazu verhelfen, den ihr zustehenden Platz in Österreich zu bewahren, und gleichzeitig zu einer besseren interkulturellen Völkerverständigung beitragen. Abschließend seien noch die von der Kulturpolitischen Sektion des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres jährlich vergebenen „Intercultural Achievement Awards“ (zuletzt P20-3972) genannt, die der Zukunftsfonds seit 2014 fördert. Dieses Schlüsselprojekt des interkulturellen Dialogs hat zum Ziel, innovative Konzepte und Lösungsansätze zur interkulturellen und interreligiösen Verständigung und Toleranz auszuzeichnen und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

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15 Jahre – 3000 Projekte

Abb. 154: Der Leiter der Auslandskultursektion, Botschafter Wolfgang Waldner, Bundesminister Sebastian Kurz, zwei Preisträger des Intercultural Achievment Award und Hubert von Goisern bei der Preisverleihung im September 2015. Quelle: BMEIA. Foto: eSel.at – Joanna Pianka.

Abb. 155: Die Preisträger des Intercultural Achievement Award 2019 mit Bundesminister Schallenberg und den Laudatoren. Quelle: BMEIA. Foto: Eugénie Berger.

Wirkungsweisen Das folgende Kapitel widmet sich den zentralen Wirkungsweisen der Tätigkeit des Zukunftsfonds. Grundlage dafür bilden Interviews und schriftliche Stellungnahmen mehrerer Antragsteller, von Gremienmitgliedern des Fonds sowie weiterer relevanter Akteure. Ihre Aussagen sollen an dieser Stelle in exemplarischer Weise wichtige Aspekte der Tätigkeit des Zukunftsfonds unterstreichen, die sich im Rahmen der vorliegenden Analyse und Auswertung zeigten.

Antr agstellung Die Mehrheit der in den Jahren 2015 und 2020 befragten Antragsteller hob in den Interviews und Statements die unkomplizierte Form der Antragstellung sowie die kompetente und unterstützende Beratungstätigkeit des Büros des Zukunftsfonds hervor. Weiters wurden die Möglichkeiten zur laufenden Projekteinreichung ohne fixe Deadlines und die kurzen Wartezeiten von maximal drei Monaten bis zur Bescheidübermittlung als sehr positiv empfunden. Diese Faktoren ermöglichten es, die Finanzierbarkeit eines Vorhabens schneller zu ermitteln, Projekte besser zu planen und sich stärker auf die eigentliche, inhaltliche Arbeit zu konzentrieren.

„Der Zukunftsfonds ist die bei Weitem angenehmste Förderstelle: unbürokratisch, flexibel, rasch. Die umständlichen Verfahren anderer Förderstellen halte ich persönlich für keineswegs fairer oder transparenter, im Gegenteil: Die bei anderen Stellen apodiktisch geforderte Einreichung in englischer Sprache stellt gerade bei Themen der österreichischen Zeitgeschichte eine zusätzliche Belastung dar. Die Förderpolitik des Zukunftsfonds trägt dazu bei, dass Projektverantwortliche sich auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren können und nicht unverhältnismäßig viel Zeit auf das Einreichprozedere verwenden müssen.“1 Kurt Bauer, Historiker, assoziierter Mitarbeiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung.

1 AdBIK, Schriftliches Statement Kurt Bauer. Wien 2.4.2015.

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Wirkungsweisen

„Aus meiner Sicht als Projektleiter lässt sich die Fördertätigkeit des Zukunftsfonds in vier Stichworten zusammenfassen: schnell, unbürokratisch, effizient und transparent. Vor allem ein Vergleich mit der deutschen Förderlandschaft zeigt für mich die Vorteile der Struktur und Arbeitsweise des Zukunftsfonds. Während man auf Förderentscheide in Deutschland mitunter ein bis zwei Jahre warten muss, trifft der Zukunftsfonds trotz Anstieg der Anträge und einem relativ kleinen Mitarbeiterstand seine Entscheidungen binnen weniger Monate. Ein langwieriges und umständliches Prozedere blockiert in der Praxis vor allem bei freiberuflich tätigen Projektleitern nicht nur die Forschungskapazitäten, sondern führt auch zu einer existentiellen Bedrohung. Ich kenne neben dem Zukunftsfonds keine andere Fördereinrichtung, weder in Österreich noch im Ausland, die so effizient arbeitet und darüber hinaus auch noch den direkten Kontakt mit den Antragstellern pflegt.“2 Hans Schafranek, Historiker, Publizist.

„Alleine das Angebot, dass die Projektanträge per E-Mail eingereicht werden können und nicht in einem aufwendigen Prozedere in gedruckter und gebundener Fassung eingehen müssen, ist eine nicht zu unterschätzende Erleichterung, die sehr entlastend ist, wenn man mitten in der Arbeit steckt.“3 Claudia Wohlgenannt, Filmproduzentin.

„Die Antragsstellung war einfach und unbürokratisch. Es zählen Inhalte und Ziele und weniger die Bürokratie und Administration. Auf alle Anfragen kamen klare und verständliche Antworten. Die vom Zukunftsfonds geförderten Projekte unterscheiden sich von anderen Förderstellen vor allem dadurch, dass ein echtes Interesse an den Inhalten spürbar ist.“4 Gerhard Bisovsky, Politikwissenschafter, Generalsekretär des Verbands Österreichischer Volkshochschulen.

„Das Archiv der IKG hat bis jetzt schon bei diversen Antragstellern in Österreich, in Großbritannien sowie bei der EU eingereicht. Die meisten Richtlinien ähneln einander und sind sehr strikt einzuhalten, was durchaus Verständnis findet. Oftmals ist der Ausgang der Projektförderung ungewiss und der Zeitaufwand für die Beantragung unver2 AdBIK, Schriftliches Statement Hans Schafranek. Wien 24.6.2015. 3 AdBIK, Interview Claudia Wohlgenannt, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 19.2.2015. 4 AdBIK, Schriftliches Statement Gerhard Bisovsky. Wien 23.5.2020.

Antragstellung

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hältnismäßig hoch. Im Vergleich zu anderen Institutionen sind der gute Kontakt zum ÖZF und die Möglichkeit der persönlichen Kommunikation hervorzuheben. Die MitarbeiterInnnen des ÖZF stehen immer mit Rat und Tat zur Seite und sehen sich als Partner. Wenn ein Projekt keine Aussicht auf Erfolg hat, dann wird dies auch klar kommuniziert.“5 Oskar Deutsch, Präsident der IKG Wien.

„Die Antragsstellung ist unbürokratisch und praxisnah gestaltet. Projektverantwortliche […] arbeiten auch meist mit sehr knappen Ressourcen und sind besonders angewiesen auf kurze Entscheidungszeiträume und eine rasche Abwicklung und Auszahlung. Sie finden im Zukunftsfonds einen verlässlichen Partner.“6 Horst Horvath, Kulturmanager, Leiter des Verlags Edition Lex Liszt 12.

„Die Antragsstellung/Einreichung eines Projektes ist beim ÖZF einfacher und unbürokratischer als bei anderen Förderungseinrichtungen. Ohne andere Institutionen abzuqualifizieren, muss festgestellt werden, dass vielfach die Ausarbeitung eines Projektantrages äußerst aufwändig ist und eine wochenlange Arbeit erfordert. Für in einem Institut angestellte KollegInnen mag das kein Problem darstellen, für freiberuflich tätige WissenschaftlerInnen stellt ein solcher großer Aufwand eine unbezahlte Arbeit dar, die nicht in den Projektkosten berücksichtigt werden kann und zudem das Risiko einer Projektablehnung in sich birgt. In der Regel dauert bei anderen Institutionen der Prozess von der Antragsstellung bis zur Entscheidung über die Zuerkennung wesentlich länger als beim ÖZF.“7 Wolfgang Neugebauer, Historiker, ehemaliger Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes.

„Zur Abwicklung selbst ist zu sagen, dass manche Fördereinrichtungen höchst detaillierte und dadurch mit großem zeitlichen Aufwand verbundene Anträge verlangen, die häufig in keiner Verhältnismäßigkeit zur gewährten Fördersumme stehen. Der Zukunftsfonds hat sowohl bei der Beantragung als auch bei der Abrechnung ein gutes Maß an ausreichender und auch nachfragender Kontrolle, gleichzeitig aber keine Tendenz zu übermäßiger Büro5 AdBIK, Schriftliches Statement Oskar Deutsch. Wien 8.4.2020. 6 AdBIK, Schriftliches Statement Horst Horvath. Oberwart 9.4.2020. 7 AdBIK, Schriftliches Statement Wolfgang Neugebauer. Wien 24.3.2020.

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Wirkungsweisen

kratie und damit Verkomplizierung der Abläufe.“8 Martha Keil, Historikerin, Direktorin des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs, und Sabine Hödl, Historikerin.

Ein weiterer, oft genannter Aspekt betrifft die Option der Einzelantragstellung beim Zukunftsfonds. Diese ermögliche nicht nur die Förderung von nicht institutionell angebundenen wissenschaftlichen, sondern auch von zivilgesellschaftlichen Vorhaben, die bis zu Projekten, die von Schülern durchgeführt werden, reichen können. Zudem erlaube das offenere Regulativ des Zukunftsfonds eine Vielzahl von förderungswürdigen Themen, die mitunter auf den ersten Blick auch unkonventionell wirken und bei keiner anderen Stelle eingereicht werden könnten, wie etwa künstlerische Vorhaben.

„Die Möglichkeit der Einzelantragstellung beim Zukunftsfonds ist für mich ganz wesentlich. Bei vielen anderen österreichischen Förderstellen kann man gar keine Förderung beantragen, wenn man keinen Verein hat oder nicht an eine Einrichtung angebunden ist. Das ist vor allem für junge oder neue Projektverantwortliche ein großes Problem. Der Zukunftsfonds ist gegenüber allen Projekteinreichern aufgeschlossen. Das empfinde ich als sehr wichtig, denn nur weil jemand noch nicht bekannt ist, bedeutet das ja nicht, dass er oder sie kein gutes Projekt umsetzen kann.“9 Milli Segal, Veranstaltungsorganisatorin, PR-Beraterin.

„Die Projektförderung abseits gängiger wissenschaftlicher Verwertungslogiken ist eine wichtige Chance für interdisziplinäre Ansätze, aber auch für einzelne Forscher, die nicht in universitären Institutionen angebunden sind oder sein wollen. Sie können häufig den Vorgaben anderer Fördereinrichtungen nicht entsprechen, sei es durch den Status als freie Wissenschaftler oder aufgrund der Nicht-Übereinstimmung des biologischen Alters mit dem akademischen Alter. Der Zukunftsfonds hat diesbezüglich weit weniger Reglements und zeichnet sich durch eine vergleichsweise unkomplizierte Antragstellung aus.“10 Irene Messinger, Historikerin.

8 AdBIK, Schriftliches Statement Martha Keil und Sabine Hödl. St. Pölten 23.3.2020. 9 AdBIK, Interview Milli Segal, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 19.2.2015. 10 AdBIK, Schriftliches Statement Irene Messinger. Wien 21.4.2015.

Antragstellung

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„Freiberufliche Wissenschaftler haben aufgrund diverser organisatorischer und struktureller Hürden große Probleme, ungeachtet der Qualität und des Innovationsgrades ihrer Projekte, ihre Vorhaben zu finanzieren und umzusetzen. Die Möglichkeit der Selbstantragstellung ist zwar bei mehreren Förderstellen in Österreich vorhanden, jedoch binden ein relativ kompliziertes Begutachtungsprozedere und Wartezeiten ab sechs Monaten die individuellen Kapazitäten freiberuflicher Forscher. Der Zukunftsfonds nimmt im Hinblick auf die Möglichkeit zur Selbstantragstellung und die unbürokratische und rasche Antragsbearbeitung eine Pionierrolle ein. Man darf dabei nicht vergessen, dass gegenwärtig viele wissenschaftlich tätige Menschen ihre finanzielle Existenzgrundlage primär auf der Basis von Projekten organisieren. Die Modalitäten beim Zukunftsfonds tragen dazu bei, dass selbst bei einer Ablehnung eines Projekts noch eine Umorientierung innerhalb eines vertretbaren Zeitraums gewährleistet ist. Zudem ist bei anderen Förderstellen zur Antragstellung etwa auch zwingend ein Doktoratsabschluss erforderlich, wodurch eine bestimmte Form der Berufslaufbahn gestützt wird. Insofern fördert der Zukunftsfonds eine wissenschaftliche Qualifizierung nicht auf der Basis des nominellen Status der Einreicher, sondern auf der Grundlage ausgesuchter Themen und der Qualität der eingereichten Projektkonzepte.“11 Andrea Hurton, Historikerin.

„Die wissenschaftliche Förderpolitik in Österreich ist häufig an einen disziplinär sehr eng gesteckten Reviewprozess gebunden, in dessen Umfeld die Weiterentwicklung von Theorie und Methode im Fokus steht. Forschungsvorhaben, die die Anwendung von bestehenden theoretischen Konzepten und Herangehensweisen auf andere Untersuchungsfelder ausweiten, finden hier kaum finanzielle Unterstützung. […] Damit bleiben viele österreichische Themen im Rahmen von wissenschaftlicher Fondsförderung unbearbeitbar. Hier schließt der ÖZF eine bedeutende Lücke, weil die gesellschaftliche Relevanz neben der Wissenschaftlichkeit bei der Fördervergabe eine wichtige Rolle spielt.“12 Hildegard Schmoller, Historikerin.

„Vor allem die Unterstützung von Kunst und Kultur ist für mich als Kunstschaffenden äußerst bedeutsam. Die Fülle an Projekten, welche gefördert wurden und werden, ist für mich ein Signal, dass das künstlerische Engagement, auch niederschwellig, wertgeschätzt 11 AdBIK, Schriftliches Statement Andrea Hurton. Wien 9.3.2015. 12 AdBIK, Schriftliches Statement Hildegard Schmoller. Wien 20.3.2020

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Wirkungsweisen

und weitflächig unterstützt wird – das erachte ich als höchst wertvoll. Beim ÖZF habe ich einen besonders menschlichen Zugang erlebt – es gab eine überdurchschnittlich lockere und unkomplizierte Kommunikation. Die Mitarbeitenden waren im Austausch sehr unterstützend und neben der kompetenten professionellen Ebene auch sehr herzlich – das ist eine nicht zu unterschätzende Ressource beim Prozess der Finanzierung.“13 Kenan Kilic, Regisseur.

Sichtbarkeit der Projekte und Netzwerkbildung Ein weiterer wichtiger Effekt ist die Sichtbarkeit der Forschungstätigkeit beziehungsweise der durchgeführten Projekte im zivilgesellschaftlichen Bereich sowie die damit verbundene Vernetzung der Projektträger. Diese wird durch die Kommunikationsaktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit des Zukunftsfonds – in Form der Veranstaltungsreihe Werkstattgespräche, der Projektdokumentation auf der Webseite sowie dem Online-Archiv – gefördert. Dabei wurden vor allem die Werkstattgespräche in Hinblick auf die Netzwerkbildung hervorgehoben. Auch die öffentlichkeitswirksamen und repräsentativen Aktivitäten der Mitglieder des Zukunftsfonds leisten zur Sichtbarkeit und Vernetzung einen wesentlichen Beitrag. Umgekehrt profitiert natürlich auch der Zukunftsfonds hinsichtlich der Steigerung seines Bekanntheitsgrades von der Öffentlichkeitsarbeit der geförderten Projekte.

„Die Werkstattgespräche dokumentieren einen sehr guten Querschnitt der Forschungslandschaft und bieten interessierten Teilnehmern Einblicke in Methoden, Probleme und Ergebnisse von Forschungsprojekten. Meines Wissens bietet keine andere Förderinstitution eine ähnlich transparente und regelmäßige Darstellung ihrer Tätigkeit. Darüber hinaus ermöglichen die Werkstattgespräche im jeweils anschließenden informellen Teil die Kommunikation zwischen Projektverantwortlichen und interessierter Öffentlichkeit. Die Werkstattgespräche als Ort und Kommunikationsraum ermöglichen diesen Austausch erst.“14 Gabriele Anderl, Historikerin.

13 AdBIK, Schriftliches Statement Kenan Kilic. Wien 15.6.2020. 14 AdBIK, Schriftliches Statement Gabriele Anderl. Wien 25.6.2015.

Sichtbarkeit der Projekte und Netzwerkbildung

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„Indem der Zukunftsfonds sowohl rein wissenschaftliche als auch zivilgesellschaftliche Projekte fördert, erhalten die Forschungen eine größere Breitenwirkung. Außerdem kommt es dabei immer wieder zu einem wertvollen Austausch zwischen WissenschaftlerInnen und engagierten TrägerInnen von Bürgerinitiativen. Dass diese Initiativen oft mit Unterstützung von politischen FunktionsträgerInnen wie BürgermeisterInnen, GemeindepolitikerInnen udgl. durchgeführt werden, erhöht ihren Einfluss.“15 Eleonore Lappin-Eppel, Historikerin.

„Im Festivalprogramm [des Crossing Europe Film Festival Linz] gibt es jedes Jahr einige Filme, die wir präsentieren und die auch vom Zukunftsfonds unterstützt wurden, d. h. wir bieten auch vom ÖZF geförderten Filmprojekten eine Plattform. Einige davon hätten sicher ohne die Unterstützung vom ÖZF nicht produziert werden können.“16 Christine Dollhofer, Festival Director Crossing Europe Film Festival Linz.

„Durch die Zusammenarbeit mit dem Zukunftsfonds der Republik Österreich haben sich neue Kontakte und Zugänge für das Institut der Regionen Europas (IRE) ergeben. Vor allem für die Sichtbarkeit in den Medien (ORF, SN [Salzburger Nachrichten], Bezirksblätter, Furche, Wiener Zeitung, Presse, Kurier, APA Online, Landesmedienzentrum, IRE Kanäle, Youtube, facebook, instagram, twitter …) war der Hinweis auf die neue Zusammenarbeit sehr wichtig und wertvoll.“17 Joachim Fritz, Jurist, Generalsekretär des Instituts der Regionen Europas.

Wie ein Blick auf die folgenden „Topografien der Erinnerungskultur“ zeigt, ist dem Zukunftsfonds Vernetzung und Breitenwirkung der geförderten Projekte nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene wichtig. Innerhalb von Österreich steht der Fonds für eine gezielte Unterstützung von Regionalprojekten, um die Fördertätigkeit über alle Bundesländer hinweg auszugleichen und der – vor allem in den Anfangsjahren – vorherrschenden „Wienlastigkeit“ zu entgegenzuwirken. Mittlerweile sind Projekte nahezu flä-

15 AdBIK, Schriftliches Statement Eleonore Lappin-Eppel. Wien 27.5.2020. 16 AdBIK, Schriftliches Statement Christine Dollhofer. Linz 30.3.2020. 17 AdBIK, Schriftliches Statement Joachim Fritz. Salzburg 19.4.2020.

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Wirkungsweisen

Abb. 156: Die Karte zeigt die geografische Verteilung der vom Zukunftsfonds geförderten Projekte ­innerhalb Österreichs. Quelle: ÖZF. Karte: Google Maps. Bearbeitung: Johannes Benedikter.

chendeckend in allen Bundesländern zu finden – vom Bodensee bis zum Neusiedlersee, von Gmünd bis zum Loiblpass. In mehrfacher Hinsicht kann zudem die Internationalität von Projekten als weitere Wirkungsweise des Zukunftsfonds angesehen werden. Dies beinhaltet sowohl die internationale Sichtbarmachung von Forschungsergebnissen und zivilgesellschaftlichen Vorhaben – etwa im Zuge der Förderung von Übersetzungen, internationalen Konferenzen, Tagungen, Symposien oder sonstigen Veranstaltungen – als auch die Unterstützung von Auslandsprojekten, sofern diese einen Österreich-Bezug aufweisen. So konnte der Zukunftsfonds mittlerweile Projekte in nahezu allen europäischen Ländern, aber auch auf allen Kontinenten unterstützen – unter anderem in Israel, Jordanien, Syrien, Irak, Türkei, Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Guatemala, Kolumbien, Mexiko, Uruguay, Venezuela, USA, Kanada, Australien, Indien, China, Japan, Vietnam, Kambodscha, Russland, Kasachstan, Marokko, Ruanda oder Südafrika.

Effekte in Bezug auf Laufbahnen und K arrieren Die Fördertätigkeit des Zukunftsfonds hat teilweise substanziellen Einfluss auf die berufliche Laufbahn der Antragsteller oder ihrer Mitarbeiter. Nicht selten ermöglicht die Genehmigung eines Projekts einem „Jungwissenschafter“ den Einstieg in eine akademische Laufbahn, bei

Effekte in Bezug auf Laufbahnen und Karrieren

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Abb. 157: Die Karte zeigt die geografische Verteilung der vom Zukunftsfonds geförderten Projekte ­innerhalb Europas. Quelle: ÖZF. Karte: Google Maps. Bearbeitung: Johannes Benedikter.

Abb. 158: Die Karte zeigt die weltweite geografische Verteilung der vom Zukunftsfonds geförderten Projekte. Quelle: ÖZF. Karte: Google Maps. Bearbeitung: Johannes Benedikter.

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Wirkungsweisen

Vorhaben im zivilgesellschaftlichen Bereich kann diese den Beginn eines neuen Tätigkeitsfeldes bedeuten. Auch für bereits etablierte Institute oder Forschende kann eine Projektförderung dazu beitragen, über die Forschungsarbeit hinaus einen neuen oder erweiterten Platz in der wissenschaftlichen Community zu finden; manchmal befördert sie zudem die Erschließung neuer Forschungsfelder oder nachfolgender Projekte.

„Die Koordination eines vom Zukunftsfonds geförderten Projektes war für mich der Einstieg in die zeitgeschichtliche Forschung als Berufsfeld. Insofern würde ich schon sagen, dass die Förderungsmöglichkeit für zeithistorische Forschung, die der Zukunftsfonds bot, damit auch meine persönliche berufliche Laufbahn gefördert hat. Aber es ist nicht nur die direkte Projektarbeit, sondern alles, was damit in Verbindung steht, etwa die Teilnahme bei internationalen Konferenzen, die ja auch finanziert werden muss.“18 Dieter Bacher, Historiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung.

„Durch die Förderungen des Zukunftsfonds konnten wichtige Projekte umgesetzt werden, die für die Projektmitarbeiter auch berufliche Möglichkeiten eröffnet haben. Zudem ergaben sich im Zuge dessen viele wichtige Kontakte zu nationalen und internationalen Experten innerhalb der wissenschaftlichen Community.“19 Wilhelm Stadler, Leiter des Bereichs HR und Finanzen der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, und Barbara Glück, Historikerin, Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen.

„Durch die intensive Auseinandersetzung mit israelischer dramatischer Literatur bin ich von der israelischen Botschaft als österreichische Expertin für israelische Literatur gekürt worden. Etwas, was nur durch die finanzielle Unterstützung des Zukunftsfonds geschehen ist.“20 Susanne Höhne, Dramaturgin.

„Uns als Institution mit durchschnittlich zehn Mitarbeiter/innen ermöglicht die Förderschiene des ÖZF die Finanzierung ‚kleinerer‘ Projekte, die für längerfristige und damit 18 AdBIK, Interview Dieter Bacher, durchgeführt von Alexandra Kofler. Graz 1.4.2015. 19 AdBIK, Schriftliches Statement Wilhelm Stadler und Barbara Glück. Wien 3.3.2015. 20 AdBIK, Schriftliches Statement Susanne Höhne. Wien 8.5.2020.

Effekte in Bezug auf Laufbahnen und Karrieren

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auch höher dotierte Förderungen nicht in Frage kommen, trotzdem aber gesellschaftlich und auch politisch relevant sind. So ist es möglich, junge Historikerinnen und Historiker in Projektarbeit einzuführen, darin auszubilden und damit nicht nur deren Fortkommen zu unterstützen, sondern auch einen entsprechenden Output für das Institut zu erzielen.“21 Martha Keil, Historikerin, Direktorin des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs, und Sabine Hödl, Historikerin.

„Der Zukunftsfonds hat wichtige Projekte der steirischen Zeitgeschichte gefördert und damit auch zur Schärfung meines eigenen wissenschaftlichen Profils beigetragen. Er war somit sowohl für meine eigene Laufbahn bedeutend wie auch für die weitere wissenschaftliche Entwicklung der jeweiligen ProjektmitarbeiterInnen. Ohne die Unterstützung des Österreichischen Zukunftsfonds hätte ich zahlreiche Forschungsvorhaben in der Form nicht umsetzen können, und es ist zu befürchten, dass diese angesichts der schwierigen Forschungsförderungssituation in Österreich somit gar nicht realisiert worden wären.“22 Gerald Lamprecht, Historiker, Centrum für jüdische Studien der Karl-Franzens-Universität Graz.

„Meine Mitarbeit als Koordinatorin und Autorin am Projekt des Gemeinsamen österreichisch-tschechischen Geschichtsbuches, welches vom ÖZF und fünf weiteren Fördergebern finanziell unterstützt wurde, bedeutete für mich den Einstieg in die wissenschaftliche Community und die Sichtbarkeit als Historikerin im internationalen Umfeld. Dies führte zu Vortragseinladungen, Einladungen zum Verfassen von Buchbeiträgen, Gestaltung von Ausstellungen als auch zur Mitwirkung bei Dokumentarfilmen als Interview­ partnerin.“23 Hildegard Schmoller, Historikerin.

„Das vom Zukunftsfonds geförderte Projekt ‚Ephemere Filme: Nationalsozialismus in Österreich‘ […] und der mit ihm verbundene Forschungsschwerpunkt hat den Grundstein für die 2019 erfolgte Transformation und Umbenennung des Ludwig Boltzmann Instituts für Geschichte und Gesellschaft (LBIGG) in das Ludwig Boltzmann Institute for 21 AdBIK, Schriftliches Statement Martha Keil und Sabine Hödl. St. Pölten 23.3.2020. 22 AdBIK, Schriftliches Statement Gerald Lamprecht. Graz 22.5.2020. 23 AdBIK, Schriftliches Statement Hildegard Schmoller. Wien 20.3.2020.

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Wirkungsweisen

Digital History (LBIDH) gelegt, das Pionierarbeit in den Digital Humanities leistet.“24 Ingo Zechner, Historiker, Leiter vom Ludwig Boltzmann Institute for Digital History.

Bedeutung des Zukunftsfonds im Hinblick auf den öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs Abseits seines Standings als mittlerweile fest in der österreichischen Forschungslandschaft verankerte Förderungseinrichtung für wissenschaftliche Vorhaben in Bezug auf den Nationalsozialismus und den Holocaust wird der Zukunftsfonds auch als Institution angesehen, deren Projekte in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche hineinwirken und dort entsprechende Diskurse fördern. So verbindet der Großteil der befragten Antragsteller den Zukunftsfonds mit einer Einrichtung, die für eine kritische österreichische Geschichtsaufarbeitung stehe und gleichzeitig von der Zivilgesellschaft initiierte Aktivitäten befördere, ja überhaupt erst ermögliche. Im Bereich der Erinnerung und des Gedenkens komme dem Zukunftsfonds eine zentrale Stellung zur Entwicklung einer österreichischen Gedächtniskultur zu, zudem fungiere er in gewisser Weise auch als Sinnbild für einen Paradigmenwechsel der Beziehung Österreichs zu seiner Vergangenheit. Dabei richte sich sein Wirken – gemäß seinem Namen – in die Zukunft, um aus der Vergangenheitsaufarbeitung Lehren für diese zu ziehen und zu einer Stärkung von Demokratie, Menschenrechten und Toleranz beizutragen. Nicht zuletzt würden die geförderten Projekte deutlich zeigen, dass mit dem Zuwachs an Wissen auch wieder neue Forschungslücken sichtbar würden, das „Niemals wieder!“ also einen immerwährenden Auftrag darstelle, der im Hinblick auf aktuelle Tendenzen in der Gesellschaft und dem Umgang mit nationalsozialistischem, antisemitischem und antidemokratischem Gedankengut seine Dringlichkeit nicht verliere. „Der Versöhnungsfonds und sein Nachfolger, der Zukunftsfonds, waren die ersten Fonds, die sich nach den verschiedenen Rückstellungsgesetzen der Aufarbeitung des großen Unrechts, das vielen Menschen in Österreich während des NS-Regimes widerfahren ist, gewidmet haben. Wesentlich für mich war der Nachweis, dass es unter den vielen Sklaven- und Zwangsarbeitern auch jüdische Betroffene gab. Ebenso wie der Nationalfonds und der Entschädigungsfonds ist der Zukunftsfonds ein Paradigmenwechsel in der österreichischen Geschichte und in der Beziehung Österreichs zu seiner Vergangenheit 24 AdBIK, Schriftliches Statement Ingo Zechner. Wien 29.4.2020.

Bedeutung des Zukunftsfonds im Hinblick auf den öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs 231

geworden. Er spielt eine wesentliche Rolle in der Gedächtniskultur, in der historischen Aufarbeitung und in der Förderung wichtiger Projekte.“25 Ariel Muzicant, Vizepräsident des Europäischen Jüdischen Kongresses und des Jüdischen Weltkongresses.

„Ich verfolge mit Interesse die Initiativen, die heute in Österreich gesetzt werden, um die Vergangenheit aufzuarbeiten, um Lehren für die Zukunft zu ziehen, und bis zu einem gewissen Maß auch, um die Verbrechen der Vergangenheit zu sühnen. Vor allem gilt es, Verleumdungen und falsche Geschichtsdarstellungen zu bekämpfen. Dafür setze ich mich gemeinsam mit meinen Kollegen im Zukunftsfonds mit aller Kraft und Überzeugung ein.“26 Moshe Jahoda, Kuratoriumsmitglied des Zukunftsfonds von 2006 bis 2016.

„Der Zukunftsfonds ist ein gelungenes Beispiel für die Wirksamkeit von Forschung und Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft. Die spezifische Form der Forschungs- und Projektförderung hat einen wichtigen Impact auf die Gesellschaft und das demokratische Bewusstsein in Österreich. Ich persönlich kann zwar nur für den Bereich der historischen Forschung sprechen, aber man sieht sehr deutlich, dass die vielfältigen, vom Fonds geförderten Projekte – seien dies Dokumentarfilme, Biografien, Theaterstücke und vieles mehr – jeweils auf ihre eigene Art für eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus sorgen. Der Zukunftsfonds ist somit auch ein Beispiel für einen erweiterten Forschungsbegriff, der nicht nur die zu Papier gebrachte Geschichte anerkennt, sondern auch digitale und visuelle Medien als Ort der Auseinandersetzung fördert.“27 Oliver Rathkolb, Historiker, Vorstand des Instituts für Zeit­ geschichte der Universität Wien.

„Im Bereich der historischen Forschung führen die neuen Erkenntnisse auch zu neuen Fragestellungen […]. Insbesondere auch im Hinblick auf die aktuelle Flüchtlingsproblematik kann die historische Forschung hier eventuell Fragen beantworten beziehungsweise können Lehren aus der Geschichte gezogen werden, etwa wie damals mit den großen Flüchtlingsströmen nach dem Krieg umgegangen wurde und welche Lösungen dafür 25 AdBIK, Schriftliches Statement Ariel Muzicant. Wien 17.3.2015. 26 AdBIK, Schriftliches Statement Moshe Jahoda. Wien 30.6.2015. 27 AdBIK, Interview Oliver Rathkolb, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 9.3.2015.

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Wirkungsweisen

erarbeitet wurden. Zeithistorische Forschung, wie sie der Zukunftsfonds fördert, hat daher auch immer wieder starke Bezüge zur Gegenwart.“28 Dieter Bacher, Historiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung.

„Es gibt nach wie vor zahlreiche Themen der österreichischen Zeitgeschichte, die als Tabu- oder Reizthemen existieren und öffentlich nach wie vor umstritten sind oder stark emotionalisierend wirken. Die vom Zukunftsfonds geförderten Projekte tragen in ihrer Vielfalt zweifellos entscheidend zu Veränderungen in der Sichtweise sowie zu einer Versachlichung der Debatten bei. Der Fonds leistet einen längst überfälligen Beitrag zur Historisierung von Kernfragen der österreichischen Geschichte des 20. Jahrhunderts.“29 Kurt Bauer, Historiker, assoziierter Mitarbeiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung.

„Als Bürgerin bin ich sehr glücklich darüber, dass es einen Fonds in Österreich gibt, der sich der Aufarbeitung der Naziverbrechen und der Förderung der Gedenkkultur widmet und Menschen/Initiativen unterstützt, die sich auf unterschiedlichen Ebenen damit auseinandersetzen.“30 Christine Dollhofer, Festival Director Crossing Europe Film Festival Linz.

„Der Zukunftsfonds fördert durch seine finanzielle Unterstützung wissenschaftliche und projektorientierte Arbeit über die Einbettung der Projekte in großen Institutionen hinaus und über einen rein akademischen Rahmen durch die Orientierung an gemeinschaftsstiftenden Werten wie Toleranz und Menschenrechte.“31 Elisabeth Golzar, Obfrau des Vereins zur Förderung komplementärer Diversitätsstrukturen „all inclusive“.

„Der Zukunftsfonds ermuntert seine Projektpartner dazu, die Erinnerung an die NS-Verbrechen in produktiver Weise mit den Herausforderungen des Zusammenlebens der Ge28 AdBIK, Interview Dieter Bacher, durchgeführt von Alexandra Kofler. Graz 1.4.2015. 29 AdBIK, Schriftliches Statement Kurt Bauer. Wien 2.4.2015. 30 AdBIK, Schriftliches Statement Christine Dollhofer. Linz 30.3.2020. 31 AdBIK, Schriftliches Statement Elisabeth Golzar. Wien 22.5.2020.

Bedeutung des Zukunftsfonds im Hinblick auf den öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs 233

genwart zu verknüpfen. Das hat inhaltlich durchaus positive Wirkungen auf das Spektrum der Projekte.“32 Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems.

„Der Zukunftsfonds der Republik Österreich ist Träger zweier wichtiger Funktionen: Zum einen ist seine Existenz von großer gesellschaftlicher Relevanz, da in seinem Zweck und Aufgabenbereich die Verantwortung der Republik Österreich für die Interessen der Opfer der NS-Herrschaft und das Gedenken an sie institutionell verankert ist. Zum anderen spielt er eine wichtige Rolle in der Förderung von Projekten, die sich politischen, rechtlichen und soziologischen Zusammenhängen dieser Zeit widmen und damit der Aufklärung und Bewusstmachung dienen. Da die zur Verfügung stehenden Mittel für Projekte im geistes- und kulturwissenschaftlichen Bereich in den letzten Jahren allgemein zurückgegangen sind, kommt dem Zukunftsfonds hier eine wesentliche Funktion zu.“33 Martha Keil, Historikerin, Direktorin des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs, und Sabine Hödl, Historikerin.

„Der Zukunftsfonds ist eine bedeutende Fördereinrichtung der Republik Österreich, die mit ihrer Tätigkeit wichtige gesellschafts- und erinnerungspolitische Projekte ermöglicht. Er trägt zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem nationalsozialistischen Erbe ebenso bei wie zur Stärkung von Demokratie, Menschenrechten sowie einer liberalen und offenen Gesellschaft. Er steht letztlich für ein Bekenntnis Österreichs zur Mitverantwortung am Nationalsozialismus und seinen Verbrechen.“34 Gerald Lamprecht, Historiker, Centrum für jüdische Studien der Karl-Franzens-Universität Graz.

„Der ZF trägt dazu bei, dass Projekte, die sich mit Erinnerung, Bewusstseinsbildung und Aufklärung befassen, tatsächlich das Licht der Welt erblicken können. Es geht dabei oft um Projekte, die von den ProjektwerberInnen unentgeltlich oder mit geringem Entgelt, aber viel Herzblut realisiert werden. Es haben die Projekte insgesamt Bedeutung für

32 AdBIK, Schriftliches Statement Hanno Loewy. Hohenems 20.5.2020. 33 AdBIK, Schriftliches Statement Martha Keil und Sabine Hödl. St. Pölten 23.3.2020. 34 AdBIK, Schriftliches Statement Gerald Lamprecht. Graz 22.5.2020.

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Wirkungsweisen

ein Österreich, das aus der Vergangenheit gelernt hat und die Zukunft positiv gestalten will.“35 Peter Menasse, Schriftsteller und Journalist.

„Der ÖZF ermöglichte ein enorm breites Spektrum von Projekten zwischen Grundlagenforschung und künstlerischer Aufarbeitung historischer Themen – unkompliziert und ohne politische oder ideologische Vorbehalte. Gerade in Österreich ist der Schwerpunkt des ÖZF – Geschichte, Folgeerscheinungen und aktuelle Spielweisen autoritärer Politik – unverzichtbar. Durch seine herausragende Fördertätigkeit hat der ÖZF selbst bereits nach fünfzehn Jahren eine historische und für unsere Gesellschaft unverzichtbare Leistung erbracht.“36 Berthold Molden, Historiker.

„Der Zukunftsfonds der Republik Österreich ist ein wesentlicher Beitrag zur Österreichischen Geschichte, für eine Verbesserung des Geschichtsbewusstseins und auch ein permanenter Mahner der Gesellschaft, dass die Dinge immer einen Zusammenhang aufweisen, Entscheidungsprozesse vernetzt sind und viele Staatsbürger die essentiellen zeithistorischen Zusammenhänge nicht vergessen. Dafür eine Einrichtung wie den Zukunftsfonds der Republik Österreich zu haben, ist von zentraler Wichtigkeit.“37 Joachim Fritz, Jurist, Generalsekretär des Instituts der Regionen Europas.

Die Bedeutung des Zukunftsfonds in der österreichischen Förderlandschaft In den letzten 15 Jahren etablierte sich der Zukunftsfonds zu einem unverzichtbaren Teil der österreichischen Förderlandschaft innerhalb der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften (GSK). Nachdem das Wissenschaftsministerium im Jahr 2012 die Druckkostenzuschüsse eingestellt hatte,38 traf die Bekanntgabe des Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank, mit Beginn des Jahres 2020 nur noch notenbankrelevante Forschung im Gebiet der 35 AdBIK, Schriftliches Statement Peter Menasse. Wien 15.3.2020. 36 AdBIK, Schriftliches Statement Berthold Molden. Wien 20.4.2020. 37 AdBIK, Schriftliches Statement Joachim Fritz. Salzburg 19.4.2020. 38 Ministerium stellt Druckkostenzuschüsse ein, in: Der Standard Online, 22.3.2011, www.derstandard. at/1297821190023/Ministerium-stellt-Druckkostenzuschuesse-ein (10.8.2020).

Die Bedeutung des Zukunftsfonds in der österreichischen Förderlandschaft

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Ökonomie zu finanzieren, den GSK-Bereich zusätzlich hart.39 Im Jahr 2019 hatte der Jubiläumsfonds noch rund 2,4 Millionen Euro für sozial- und geisteswissenschaftliche Projekte von seinem insgesamt 8,7 Millionen Euro umfassenden Fördervolumen ausgeschüttet,40 das entspricht der Finanzierung von rund 30 wissenschaftlichen Nachwuchskräften.41 Da im Unterschied zu den Naturwissenschaften, zur Medizin und zu den technischen Disziplinen den GSK andere Fördermöglichkeiten wie etwa die Pharmaindustrie oder die Privatwirtschaft weitgehend verwehrt bleiben, bilden der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) und der Zukunftsfonds – in Bezug auf NS- und Holocaust-relevante Themen auch der Nationalfonds – die einzigen Möglichkeiten, um (Grundlagen-)Forschungsprojekte finanziert zu bekommen. Der FWF als einzige große Geldquelle sieht sich jedoch – ebenso wie der Zukunftsfonds – mit immer mehr Projektanträgen aus dem GSK-Bereich konfrontiert. Der FWF gab im Jahr 2019 für Projekte aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften 55,4 Millionen Euro an Förderungen aus, was 23,3 Prozent seiner Gesamtfördertätigkeit entsprach.42 Für Forschungsprojekte und Publikationsförderungen zu Themenstellungen, die auch im Bereich des Zukunftsfonds liegen, bewilligte der FWF im Zeitraum von 2005 bis Juli 2015 gemäß eigener Auskunft ca. 16 Millionen Euro an Förderungen, was eine durchschnittliche jährliche Fördersumme von etwa 1,5 Millionen Euro ergibt.43 Dieser Umfang dürfte in den letzten fünf Jahren annähernd gleich geblieben sein. Der Zukunftsfonds vergab im Vergleich dazu aufgrund seines gesetzlichen Mandats jährlich Förderungen in einer Gesamthöhe von rund zwei Millionen Euro, wobei die Hürden für eine Finanzierung vonseiten der befragten Antragsteller als weitaus geringer im Vergleich zu anderen Fördereinrichtungen beschrieben wurden.

39 Vgl. Reform des originären Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank, APA-Presseaussendung, 3.10.2019, https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191003_OTS0064/reform-des-originaeren-jubilaeumsfonds-der-oesterreichischen-nationalbank (10.8.2020). 40 Vgl. Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank, Rechenschaftsbericht 2019, S. 8f. Online unter: https://www.oenb.at/Ueber-Uns/Forschungsfoerderung/Jubilaeumsfonds/Downloads.html (10.8.2020). 41 Vgl. Reform des originären Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank, APA-Presseaussendung, 3.10.2019, https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191003_OTS0064/reform-des-originaeren-jubilaeumsfonds-der-oesterreichischen-nationalbank (10.8.2020). 42 FWF – der Wissenschaftsfonds, Jahresbericht 2019, S. 84. Online unter: https://www.fwf.ac.at/de/ ueber-den-fwf/publikationen/ (10.8.2020). 43 AdBIK, Schriftliches Statement Falk Reckling. Wien 22.7.2015. Herrn Dr. Falk Reckling, FWF, sei für diese Auskunft herzlich gedankt.

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Wirkungsweisen

„Die Fördersituation in Österreich, vor allem jene im wissenschaftlichen Bereich, ist sehr problematisch. Für Projektleiter in Österreich ist der Zukunftsfonds eine der weiteren sehr kargen Geldquellen. Die Projektförderungen des Fonds sind oftmals zeitweilige Ergänzungen oder Überbrückungshilfen. Der Gesamtbedarf an Projektfördermitteln – bzw. die beantragten Fördersummen – können bei Weitem nicht mehr abgedeckt werden. Gerade für junge Wissenschaftler wird es zunehmend schwieriger, an entsprechende Geldmittel zu kommen, um angemessen forschen zu können. Aber auch die einzelnen Länder fördern nicht mehr so viel wie früher.“44 Margarete Grandner, Historikerin, Mitglied des ÖZF-Projektförderungsbeirats seit 2006.

„Die extreme Reduzierung der Förderungen in der universitären und außeruniversitären Forschungslandschaft in den letzten Jahren ist im Projektförderungsbeirat besonders spürbar. Hier sieht man vor allem, dass Projekte, die ihren eigentlichen Ort anderswo hätten, beim Zukunftsfonds eingereicht werden. Es handelt sich dabei um sehr gute und respektable Projekte, für die es offensichtlich keinen adäquaten Ort mehr gibt. Leider kann der Zukunftsfonds auch hier nicht einspringen, da diese Projekte nicht in der inhaltlichen Zielsetzung des Fonds liegen.“45 Robert Pfaller, Professor für Philosophie, Mitglied des ÖZF-Projektförderungsbeirats seit 2011.

„Für den Bereich Jugendarbeit ist der ÖZF einer der wenigen Fördergeldgeber, der es den Antragstellern nicht unnötig schwer macht, Förderungen zu beantragen. Die meisten Antragsstellen haben mittlerweile eine äußerst bürokratische und komplizierte Struktur aufgebaut, welche eine große Hürde für die Antragsteller darstellt. Der ÖZF arbeitet transparent und förderungsorientiert.“46 Oskar Deutsch, Präsident der IKG Wien.

„Für ESRA ist die Finanzierung von Gedenkprojekten jedoch insgesamt schwierig, weil aus dem Budget nur die Arbeit der Ambulanz bzw. Sozialarbeit finanziert werden darf und selbstverständlich keine Mittel für Gedenkprojekte davon verwendet werden dürfen. Firmen als Spender für diese Arbeit zu finden, erwies sich als fast unmöglich. Absage44 AdBIK, Interview Margarete Grandner, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 11.3.2015. 45 AdBIK, Interview Robert Pfaller, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 11.3.2015. 46 AdBIK, Schriftliches Statement Oskar Deutsch. Wien 8.4.2020.

Die Bedeutung des Zukunftsfonds in der österreichischen Förderlandschaft

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briefe, die auf mehr oder weniger direkte Weise die Aussage ‚Jetzt muss aber endlich einmal Schluss sein‘ enthielten, gab es einige. Wie schon gesagt, ist eine Stelle, die vor allem diesen Aspekt der Forschung fördert, auch in Zukunft von größter Wichtigkeit. ESRA hätte viele Projekte überhaupt nicht durchführen können und ist als langjähriger Kooperationspartner für die Unterstützung sehr dankbar. Dies trifft aber sicherlich auch auf viele andere ähnliche Forschungsprojekte in den letzten Jahren zu, die nur mit Hilfe der Förderung durch den Zukunftsfonds realisiert werden konnten.“47 Angelika Hirsch, Psychosoziales Zentrum ESRA.

„Durch seine spezifische inhaltliche Ausrichtung ermöglicht der Zukunftsfonds Projekte, die von den meisten anderen österreichischen Forschungseinrichtungen mit dem Argument, keine ‚Aufarbeitung der Vergangenheit‘ zu fördern, nicht unterstützt werden. Er ermöglicht damit wichtige wissenschaftliche Projekte, für die sich andere wissenschaftliche Forschungsförderungseinrichtungen nicht mehr zuständig fühlen.“48 Gerald Lamprecht, Historiker, Centrum für jüdische Studien der Karl-Franzens-Universität Graz.

„Die Folgen der Nichtexistenz (oder Weiterführung) des ÖZF wären für die Zeitgeschichte und im Besonderen für die NS-Forschung verheerend, zumal sich in den letzten Jahren immer mehr Fördergeber (Jubiläumsfonds der OENB, Hochschuljubiläumsfonds der Stadt Wien u. a.) von der Förderung der Zeitgeschichte bzw. der Geisteswissenschaften zurückgezogen haben. Das bedeutet in weiterer Folge, dass viele wissenschaftliche Projekte im Bereich Nationalsozialismus nicht mehr zustande kämen und jüngere WissenschaftlerInnen, die auf diese Förderung angewiesen wären, praktisch nicht mehr wissenschaftlich arbeiten könnten.“49 Wolfgang Neugebauer, Historiker, ehemaliger Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes.

„Ich habe bisher sehr gute Erfahrungen [mit dem Zukunftsfonds] gemacht, da es leider nur mehr ‚Großforschung‘ gibt – sei es auf österreichischer Ebene beim FWF oder auf europäischer Ebene (ERC) etc. Gerade für die Zeitgeschichte in Österreich sind 47 AdBIK, Schriftliches Statement Angelika Hirsch. Wien 12.6.2020. 48 AdBIK, Schriftliches Statement Gerald Lamprecht. Graz 22.5.2020. 49 AdBIK, Schriftliches Statement Wolfgang Neugebauer. Wien 24.3.2020.

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Wirkungsweisen

kleinere, auch lokal bezogene Projekte sehr wesentlich, aber es gibt kaum mehr Förderungsmöglichkeiten dafür. Die gesellschaftspolitische und auch wissenschaftliche Umwegrentabilität der Zukunftsfondsprojekte ist sehr, sehr hoch und auch die Sichtbarkeit ist gegeben.“50 Oliver Rathkolb, Historiker, Vorstand des Instituts für Zeigeschichte der Universität Wien.

„Für die Geistes- und Kulturwissenschaften ist das Spektrum der Projektförderungen in Österreich stark beschränkt. Förderungen durch den Hauptfördergeber FWF sind zwar mit deutlich höheren Fördersummen als jene durch den Zukunftsfonds verbunden, Anträge an den FWF sind aber unvergleichlich zeitaufwendiger und mit größerem Risiko behaftet als Anträge an den Zukunftsfonds. Anträge an den FWF setzen implizit voraus, dass ein erheblicher Teil der Forschungsarbeit bereits vor Projektbeginn geleistet ist, um eine positive Begutachtung zu erzielen, während der Zukunftsfonds Projekten mit offener Fragestellung viel aufgeschlossener gegenübersteht. Für Projekte, die in den Cross­ over-Bereich zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung fallen sowie für archivarische Erschließungsprojekte ist der Zukunftsfonds oft überhaupt die einzige Fördereinrichtung, die in Frage kommt.“51 Ingo Zechner, Historiker, Leiter vom Ludwig Boltzmann Institute for Digital History.

„Das Institut der Regionen Europas (IRE) arbeitet nicht auf Gewinn. Wir haben hohe Kosten jährlich für die Konferenz zusammen zu tragen. Aktuell ist die Bereitschaft der privaten Unternehmen als Sponsor aufzutreten stark abnehmend. In diesem Fall ist eine Kooperation mit öffentlichen Stellen (Bund, Land, Gemeinde) essentiell und von nachhaltiger Wirkung. Das IRE könnte keinen Ersatz für den Zukunftsfonds der Republik Österreich finden.“52 Joachim Fritz, Jurist, Generalsekretär des Instituts der Regionen Europas.

„In den 1990er Jahren habe ich durchaus sehr gute Erfahrungen mit der Projektförderung des FWF und der Stadt Wien gemacht. Allerdings ist der Einreichungsprozess beim FWF in den letzten Jahren äußerst bürokratisch und im Entscheidungsprozess 50 AdBIK, Schriftliches Statement Oliver Rathkolb. Wien 14.5.2020. 51 AdBIK, Schriftliches Statement Ingo Zechner. Wien 29.4.2020. 52 AdBIK, Schriftliches Statement Joachim Fritz. Salzburg 19.4.2020.

Die Bedeutung des Zukunftsfonds in der österreichischen Förderlandschaft

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auch zunehmend intransparent geworden, auch ist – meinen Erfahrungen nach – die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit nicht mehr ein wesentlicher Bestandteil der Zielsetzungen dieser Forschungsförderungsinstitutionen. Im Gegensatz dazu werden beim Zukunftsfonds auch innerhalb der NS-Forschungen Themen und Gebiete berücksichtigt, die sonst – trotz ausgezeichneter Gutachten – offensichtlich als nicht unbedingt wichtig eingestuft werden.“53 Brigitte Dalinger, Theater-, Film- und Medienwissenschafterin.

Bedingt durch die von Jahr zu Jahr wachsende Anzahl an Projekteinreichungen und der seit 15 Jahren gleichbleibenden – gesetzlich festgelegten – Fördersumme von jährlich maximal zwei Millionen Euro kann der Zukunftsfonds in den seltensten Fällen Projekte vollständig finanzieren. Eine Förderung durch den Fonds stellt so für viele Antragsteller – nicht nur im Bereich der GSK, sondern vor allem auch in jenen abseits der Wissenschaft wie etwa Film oder Kunst und Kultur – eine Art Anschubfinanzierung dar, die es häufig ermöglicht, weitere Förderquellen zu erschließen. Gerade diese Funktion wird von den befragten Antragstellern als unverzichtbar beschrieben, da sonst im größten Teil der Fälle die Projekte schlichtweg nicht umgesetzt werden könnten.

„Der Zukunftsfonds war für uns während der Aufbauphase unserer Projektaktivitäten einer der wichtigsten Förderer. Wir haben unsere Projekte sowohl auf der Basis von wissenschaftlicher Forschung als auch auf dem Veranstaltungsbereich betrieben, dazu zählen etwa auch Workshops und Konzerte. Fast alle Komponisten, deren Werke und Geschichte wir aufgearbeitet haben, stammten aus Wien, sind hier aufgewachsen oder haben hier studiert. Dennoch war es oft schwierig, Fördermittel für diese Projekte zu bekommen. Besonders wichtig war daher auch die Ergänzung durch den Nationalfonds, der durch seine Förderkriterien eine zusätzliche Unterstützung bot. Beide Fonds haben sich auf diese Weise sehr gut ergänzt, indem sie unterschiedliche Förderungsebenen abdeckten. Wichtige Anregungen zur Weiterentwicklung unserer Projekte ergaben sich im Zuge der Gespräche mit den Fördergebern. Die internationale Vernetzung unserer Projekte kam etwa durch eine Anregung des Zukunftsfonds in Zusammenarbeit mit dem Außenministerium zustande, für die wir schließlich auch den Golden Stars Award der EU-Kommission erhalten haben. Wir konnten schließlich mit Symposien, Konzerten

53 AdBIK, Schriftliches Statement Brigitte Dalinger. Wien 6.4.2020.

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Wirkungsweisen

und Aktionen europaweite Aktivitäten setzen, bei denen wir mehr als 5.000 Personen erreicht haben.“54 Gerold Gruber, Gründer von exil.arte, Leiter des exil.arte Zentrums.

„In der Filmbranche arbeiten wir vorwiegend mit Förderungen. Manchmal hat man auch Projekte, die so speziell sind, dass nicht viele Förderungen infrage kommen. In diesen Fällen sind spezielle Fördertöpfe, die das dann abdecken oder wo das thematisch hinpasst, ganz wichtig, auch wenn es zuerst vielleicht nur ein Strohhalm ist. Gerade in einer Anfangs- oder Endphase eines Projekts können auch kleine Summen viel bewirken. Teilweise gibt es auch viele Vorgaben wie prozentuelle Deckelungen oder Umwegrentabilitäten, die eingefordert werden. Der Zukunftsfonds hat diesbezüglich als Förderstelle relativ wenige Reglements bis auf die thematische Ausrichtung, was die Arbeit sehr erleichtert.“55 Claudia Wohlgenannt, Filmproduzentin.

„Der Nationalfonds hat bereits 1995 damit begonnen, Projekte zu fördern, daher haben wir auch viel Erfahrung mit Projekten, aber es unterscheidet uns doch auch einiges vom Zukunftsfonds. Wir sind durch unsere Aufgabenstellung festgelegt auf die Zeit des Nationalsozialismus, und unsere Hauptaufgabe ist die Betreuung der Überlebenden, während der Zukunftsfonds ein viel breiteres Spektrum hat und vor allem wissenschaftliche Projekte fördert. Ein Schwerpunkt unserer Projekte ist das Erinnern an die Menschen und ihre Geschichte. Im Unterschied zum Zukunftsfonds gibt es im Nationalfonds deshalb auch keinen wissenschaftlichen Projektförderungsbeirat. Mittlerweile arbeiten wir jedoch auch zusammen und fördern viele Projekte gemeinsam, da sonst überhaupt keine Förderung zustande kommen würde. Der Nationalfonds hat wie der Zukunftsfonds auch eine jährlich begrenzte Fördersumme, die für die große Anzahl an eingereichten Projekten nicht ausreicht. Deswegen sind wir sehr glücklich, dass der Zukunftsfonds ins Leben gerufen wurde, da wir allein den finanziellen Bedarf nicht abdecken könnten. Die enge Kooperation hat mittlerweile viele Projekte ermöglicht.“56 Hannah M. Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus.

54 AdBIK, Interview Gerold Gruber, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 10.3.2015. 55 AdBIK, Interview Claudia Wohlgenannt, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 19.2.2015. 56 AdBIK, Interview Hannah M. Lessing, durchgeführt von Alexandra Kofler. Wien 21.4.2015.

Die Bedeutung des Zukunftsfonds in der österreichischen Förderlandschaft

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„Durch die Förderungen des Zukunftsfonds ist es gelungen, Sponsoren zu finden, die für die weitere Durchführung des Projektes EUROPA.Gemeinsam relevant waren. Die Anschubfinanzierungen waren entscheidend, sodass wir in einer breiten Partnerschaft ein erfolgreiches Projekt umsetzen konnten. Gleiches gilt für den Demokratie-MOOC, die komplementäre Förderung durch den ZFÖ hat dazu beigetragen, dass der DeMOOC heute noch besteht und verwendet wird.“57 Gerhard Bisovsky, Politikwissenschafter, Generalsekretär des Verbands Österreichischer Volkshochschulen.

„Die exzeptionellen Projekte des teatro caprile an der Schnittstelle von regionaler Rückbindung und partizipativer Geschichtsaufarbeitung, insbesondere die Theaterwanderungen im Krimmler Achental (Salzburg) und im Montafon (Vorarlberg), konnten ihre Erfolge nur durch die kontinuierliche Unterstützung des Zukunftsfonds feiern. Wesentlich für diese jahreszeitlich determinierten Projekte ist eine mehrjährige Aufführungspraxis, um für lokale Tourismusplattformen, Gemeinden und Initiativen als Kooperationspartner interessant zu werden. Während andere Förderstellen dieser zeitlichen Permanenz allzu gerne die Notwendigkeit der permanenten Innovation gegenüberstellen, gewährleistet der Zukunftsfonds, dass die von caprile geleistete künstlerische Form der Erinnerungsarbeit an politisch schwerwiegenden (lokal)geschichtlichen Ereignissen von Jahr zu Jahr mehr Menschen erreicht und auch über die Grenzen hinaus rezipiert wird.“58 Katharina Grabher, Schauspielerin, und Andreas Kosek, Schauspieler und Theaterwissenschafter.

„Hätte das Archiv der IKG die Förderungen nicht erhalten, wäre es den ForscherInnen nicht möglich gewesen, die für die Israelitische Kultusgemeinde notwendigen Datenbanken aufzubauen und Findmittel zu erstellen. Es gäbe vermutlich keine Website und keine 200-Jahre Jubiläumsfestschrift. Umfangreiche Archiverschließungen hätten nicht stattfinden können. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre die Zahl der MitarbeiterInnen geringer. In Summe wäre das Archiv mit allen Projekten und Tätigkeiten fünf Jahre im Rückstand.“59 Oskar Deutsch, Präsident der IKG Wien.

57 AdBIK, Schriftliches Statement Gerhard Bisovsky. Wien 23.5.2020. 58 AdBIK, Schriftliches Statement Andreas Kosek und Katharina Grabher. Wien 17.4.2020. 59 AdBIK, Schriftliches Statement Oskar Deutsch. Wien 8.4.2020.

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Wirkungsweisen

„Durch die Unterstützungen des ÖZF war es mir bei manchen Projekten erst möglich, diese zu realisieren. Ohne den ÖZF wäre die Qualität der Endergebnisse wesentlich verringert, welche natürlich auch als Beurteilungskriterium für die Unterstützung weiterer Projekte herangezogen werden. Meine Werke wären daher in ihrer Gesamtheit nicht das geworden, was sie wurden, oder überhaupt nicht realisiert worden.“60 Kenan Kilic, Regisseur.

„Beim Verlag edition lex liszt 12 hätte eine Reihe von Publikationen ohne die Unterstützung des Zukunftsfonds nicht erscheinen können. RE.F.U.G.I.U.S. – Rechnitzer-, Flüchtlings- und Gedenkinitiative und Stiftung hätte das Open-Air Museum oder das Projekt ‚Forschen und Erinnern‘ nicht realisieren können und einige Veranstaltungen der Roma Volkshochschule Burgenland hätten nicht stattfinden können.“61 Horst Horvath, Kulturmanager, Leiter des Verlags Edition Lex Liszt 12

„Ohne die Förderung durch den ÖZF hätten wohl die meisten Projekte nicht in der geplanten Form durchgeführt werden können bzw. wären die von mir genannten Übersetzungsprojekte überhaupt nicht zustande gekommen. Insbesondere für die Projektmitarbeiter hätten sich existenzielle Probleme ergeben.“62 Wolfgang Neugebauer, Historiker, ehemaliger Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes.

„Eine bessere Ausstattung und damit höhere Förderquoten wären wünschenswert, da aufgrund der geringeren Fördermöglichkeiten offenbar immer mehr Anträge an die wenigen noch vorhandenen Stellen gelangen und damit die Förderquote für einzelne Projekte sinkt. Daraus ergeben sich die bekannten Probleme, dass die Ausfinanzierung von Projekten nicht mehr gegeben ist und damit Basismittel verwendet werden müssen oder aber Projekte gar nicht durchgeführt werden können. Gerade in der Zeit ‚nach‘ den Zeitzeugen ist ein Fonds notwendig, der Forschungslücken schließt und Erinnerungsund Gedenkarbeit finanziert.“63 Martha Keil, Historikerin, Direktorin des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs, und Sabine Hödl, Historikerin. 60 AdBIK, Schriftliches Statement Kenan Kilic. Wien 15.6.2020. 61 AdBIK, Schriftliches Statement Horst Horvath. Oberwart 9.4.2020. 62 AdBIK, Schriftliches Statement Wolfgang Neugebauer. Wien 24.3.2020. 63 AdBIK, Schriftliches Statement Martha Keil und Sabine Hödl. St. Pölten 23.3.2020.

15 Jahre Zukunftsfonds – Statements des offiziellen ­Österreich In den 15 Jahren seines Bestehens verhalf der Zukunftsfonds rund 3000 Projekten für Gedenken, Toleranz und Demokratie zur Durchführung und konnte im Rahmen dieser Tätigkeit sein Wirkspektrum auf vielfältigen Ebenen entfalten. Auch wenn die vorliegende Publikation die Wirkungsweisen des Fonds lediglich in Form von Streiflichtern präsentieren konnte, so zeigt sich darin doch die außerordentliche Tragweite des Zukunftsfonds als einer nationalen Institution, die als Brücke zwischen der Vergangenheit und Zukunft Österreichs fungiert. Mittlerweile steht der Zukunftsfonds sowohl aktiv in Form seiner Fördertätigkeit als auch symbolisch innerhalb der Öffentlichkeit für den immerwährenden Auftrag des „Niemals wieder!“, ein Auftrag, der auch in Zukunft seine zentrale Bedeutung nicht verlieren darf. „Der Zukunftsfonds der Republik Österreich leistet wichtige Arbeit für die Erinnerungskultur in Österreich. Ich möchte Ihnen allen – den ehrenamtlich tätigen Mitgliedern des Kuratoriums und des Projektförderungsbeirates sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – dafür sehr herzlich danken. NS-Diktatur, Holocaust, Verfolgung, Flucht, Exil sowie das Gedenken an die Millionen Opfer des Nationalsozialismus sind Themen, die uns auch heute noch bewegen, beschäftigen und herausfordern. Gerade jüngste Entwicklungen zeigen, wie wichtig es ist, sich auch mit aktuellen Formen von Rassismus und Antisemitismus, Radikalisierung, Hass, Gewalt und antidemokratischen Strömungen zu beschäftigen. Der Zukunftsfonds widmet sich seit einigen Jahren verstärkt diesen Themen. Danke dafür. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen auch europapolitische Projekte. Wir wissen alle um die Bedeutung der Europäischen Union im Zusammenhang mit Friedenssicherung, Demokratie und Einhaltung der Menschenrechte. Der Zukunftsfonds hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Bewusstsein dafür zu stärken und zu festigen, vor allem bei der Jugend. Ohne Erinnerung ist Zukunft schwer zu gestalten. Zu groß ist die Gefahr, alte Fehler zu wiederholen. In diesem Sinn wünsche ich dem Zukunftsfonds der Republik Österreich weiterhin viel Erfolg und gratuliere sehr herzlich zum 15-Jahr-Jubiläum!“1 Alexander Van der Bellen, Bundespräsident der Republik Österreich. 1 ÖZF, Schriftliches Statement Alexander Van der Bellen. Wien 1.9.2020.

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15 Jahre Zukunftsfonds – Statements des offiziellen Ö ­ sterreich

„Der 2005 ins Leben gerufene Zukunftsfonds der Republik Österreich hat sich zu einer anerkannten und wichtigen Institution zur Förderung von Projekten im Interesse der Erinnerungskultur, aber auch zur Stärkung und Sensibilisierung von und für Demokratiebewusstsein, Europa-Orientierung, Toleranz, Menschenrechte und internationaler Zusammenarbeit entwickelt. Diese Fördertätigkeit, die Projekte nicht nur in allen Teilen unserer Republik, sondern auf allen Kontinenten umfasst, ist gerade in den gegenwärtig so fordernden Zeiten für eine vitale und resiliente Demokratie besonders wertvoll. In diesem Sinne danke ich dem Kuratorium und dem Projektförderungsbeirat, deren Mitglieder ehrenamtlich wirken, und dem Team der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fonds für ihr großes Engagement und freue mich auf viele neue Impulse.“2 Sebastian Kurz, Bundeskanzler der Republik Österreich.

„‚Niemals vergessen!‘ darf zu keinem Zeitpunkt zu einem Schlagwort verkommen, sondern muss stetig mit Bedeutung gefüllt werden. Der Zukunftsfonds wurde vor 15 Jahren zu diesem Zweck eingerichtet und leistet seit seinem Bestehen einen zentralen Beitrag zu einer lebendigen Gedenk- und Erinnerungskultur. Die Vergangenheit mit dem Wissen von heute zu beleuchten und so ein Bewusstsein für antidemokratische Entwicklungen zu stärken, soll Anspruch und Auftrag seiner aktiven Förderpolitik zugleich sein. Mit seiner wertvollen Arbeit bildet der Zukunftsfonds einen wichtigen Pfeiler unserer demokratischen Gesellschaft und hilft, Lehren aus der Vergangenheit für eine friedliche und aufgeklärte Zukunft zu ziehen, die auch künftigen Generationen als mahnendes Leitmotiv dient. Mein Dank gilt an dieser Stelle auch den engagierten Persönlichkeiten, die bis dato die Kuratorien gebildet haben, allen voran aber den Mitgliedern des aktuellen Kuratoriums, dem Vorsitzenden Prof. Herwig Hösele sowie Generalsekretärin Mag. Anita Dumfahrt für ihre engagierte Arbeit.“3 Wolfgang Sobotka, Präsident des Nationalrates.

2 ÖZF, Schriftliches Statement Sebastian Kurz. Wien 3.8.2020. 3 ÖZF, Schriftliches Statement Wolfgang Sobotka. Wien 19.8.2020.

15 Jahre Zukunftsfonds – Statements des offiziellen ­Österreich

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„Mit der Unterstützung von Initiativen, die an die NS-Gräuel erinnern, und mit dem Einsatz für Menschenrechte, Toleranz und europäisches Bewusstsein stellt der Zukunftsfonds der Republik Österreich seine unverzichtbare Bedeutung unter Beweis. Innerhalb der österreichischen Förderlandschaft leistet er einen wichtigen Beitrag für die Gedenkkultur, Demokratie und unseren Rechtsstaat. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Zukunftsfonds für ihre wertvolle Arbeit und gratuliere herzlich zum 15-jährigen Bestehen.“4 Werner Kogler, Vizekanzler der Republik Österreich und Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport.

„Der Zukunftsfonds hat sich in den letzten 15 Jahren zu einer zentralen Institution zur Förderung von Projekten und wissenschaftlichen Arbeiten entwickelt, die dem Interesse und Gedenken der Opfer des NS-Regimes, der Achtung der Menschenrechte und der gegenseitigen Toleranz dienen. In diesem Zusammenhang freut es mich sehr, dass seit seiner Gründung zahlreiche im außenpolitischen Interesse liegende Projekte vor allem auch im Bereich des Dialogs der Kulturen und Religionen gefördert und umgesetzt werden konnten. Der Zukunftsfonds wird weiterhin auf die Unterstützung des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten zählen können.“5 Alexander Schallenberg, Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten.

„‚Ich weiß noch, wie wir in Auschwitz in der Baracke saßen und uns überlegt haben, was wir den Deutschen antun würden. Aber dann sagten wir uns: Wenn wir das täten, dann wären wir genauso schlimm wie sie.‘ Diese Worte stammen von Ruth Webber. Sie war eines jener Kinder, das nach der Befreiung am Stacheldraht von Auschwitz-Birkenau in einer Gruppe stehend fotografiert wurde. Das Bild wurde zu einer Ikone. Ruth Webber, 1935 in Ostrowiec/Polen geboren, hingegen nicht. Geschichte ist mehr als das Kennen einer Ikone, die Vergangenheit mehr als eine reine Metapher und Erinnern mehr als eine routinierte Floskel. Das wissen und leben insbesondere jene engagierten Menschen, deren vielfältige Projekte durch den Zukunftsfonds 4 ÖZF, Schriftliches Statement Werner Kogler. Wien 30.7.2020. 5 ÖZF, Schriftliches Statement Alexander Schallenberg. Wien 21.8.2020.

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15 Jahre Zukunftsfonds – Statements des offiziellen Ö ­ sterreich

der Republik nun seit 15 Jahren gefördert werden. Durch dieses geschichtspolitische Engagement wird unsere demokratische und humanistische Gesellschaft gestärkt und genährt. Dafür danke ich dem Team des Zukunftsfonds ganz besonders!“ Doris Bures, Zweite Präsidentin des Nationalrates.

„15 Jahre sind nun seit der Gründung des Zukunftsfonds der Republik Österreich vergangen. Das sind eineinhalb Jahrzehnte wesentlicher Arbeit als bedeutende Institution zur Förderung von Projekten, die zur Erinnerungskultur Österreichs beitragen. Es ist eine notwendige Arbeit für die historische Verantwortung unserer Republik, aber auch stetige Mahnung an die Bedeutung von Demokratie, Menschenrechten und Toleranz.“6 Norbert Hofer, Dritter Präsident des Nationalrates.

„Der Zukunftsfonds der Republik Österreich befindet sich nun schon im 15. Jahr seiner Tätigkeit. Seine Blickrichtung ist dabei nicht nur in die Vergangenheit gerichtet – wie etwa durch Projektförderungen historischer Untersuchungen über die Zeit des Nationalsozialismus –, sondern auch klar in die Zukunft. Um die Verbrechen des Nationalsozialismus zu verstehen und gleichzeitig niemals zu vergessen, bedarf es der Erhebung, der Analyse und der ständigen Aufarbeitung. Ebenso wichtig ist es aber, dass wir daraus auch unsere Lehren ziehen. Deswegen halte ich es für unabdingbar, dass der Zukunftsfonds weiterhin seinem Namen gerecht wird und Projekte fördert, die sich zukunftsorientiert für Toleranz und gegen Diskriminierung ausrichten. Wir müssen unsere historische und moralische Verantwortung wahrnehmen. Dazu gehört auch, alles zu tun, damit sich unsere Geschichte niemals wiederholt. Der Beitrag des Zukunftsfonds der Republik Österreich ist dafür unerlässlich.“7 Nikolaus Scherak, Abgeordneter zum Nationalrat.

6 ÖZF, Schriftliches Statement Norbert Hofer. Wien 20.8.2020. 7 ÖZF, Schriftliches Statement Nikolaus Scherak. Wien 21.8.2020.

Anhang Bundesgesetz über die Errichtung eines Zukunftsfonds der Republik Österreich 1 von 7

BUNDESGESETZBLATT FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH Jahrgang 2005 146. Bundesgesetz:

Ausgegeben am 19. Dezember 2005

Teil I

Zukunftsfonds-Gesetz und Stipendienstiftungs-Gesetz (NR: GP XXII IA 679/A AB 1153 S. 125. Einspr. d. BR: 1164 BR: AB 7420 S. 727.; NR: AB 1250 S. 129.)

146. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Zukunftsfonds der Republik Österreich (Zukunftsfonds-Gesetz) und ein Bundesgesetz über die Errichtung einer Stipendienstiftung der Republik Österreich (Stipendienstiftungs-Gesetz) erlassen werden Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I Bundesgesetz über die Errichtung eines Zukunftsfonds der Republik Österreich (Zukunftsfonds-Gesetz) I. Abschnitt: Errichtung und Aufgaben des Zukunftsfonds § 1. (1) Mit diesem Bundesgesetz wird ein Fonds zur Förderung von Projekten zum Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen Regimes und zur Erforschung des Unrechts, das während des nationalsozialistischen Regimes auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich geschehen ist, sowie einer zukunftsorientierten Förderung von Toleranz und Nicht-Diskriminierung errichtet, der die Bezeichnung „Zukunftsfonds der Republik Österreich“ (in weiterer Folge „Zukunftsfonds“) trägt. (2) Der Zukunftsfonds ist eine Einrichtung der Republik Österreich, unterliegt österreichischem Recht, besitzt eigene Rechtspersönlichkeit und dient ausschließlich gemeinnützigen Zwecken. Er hat seinen Sitz in Wien. § 2. Dem Zukunftsfonds obliegen folgende Aufgaben: 1. Die Förderung von Projekten, die den Interessen und dem Gedenken der Opfer des nationalsozialistischen Regimes, der Erinnerung an die Bedrohung durch totalitäre Systeme und Gewaltherrschaft sowie der internationalen Zusammenarbeit dienen und zu einer Förderung der Achtung der Menschenrechte und der gegenseitigen Toleranz auf diesen Gebieten beitragen sowie die Förderung von wissenschaftlichen Arbeiten über diese Themen. 2. Die Verwaltung von Restmitteln und die Restabwicklung der Leistungserbringung des Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit (Versöhnungsfonds) gemäß dem VersöhnungsfondsGesetz, BGBl. I Nr. 74/2000, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 109/2004, nach dem Ende der Funktionsdauer des Versöhnungsfonds.

II. Abschnitt: Mittel des Zukunftsfonds § 3. (1) Zur Durchführung seiner Aufgaben gemäß § 2 Z 1 erhält der Zukunftsfonds vom Versöhnungsfonds die entsprechenden Mittel mit Ende der Funktionsdauer des Versöhnungsfonds gemäß den Beschlüssen des Kuratoriums des Versöhnungsfonds. (2) Zur Durchführung seiner Aufgaben gemäß § 2 Z 2 erhält der Zukunftsfonds vom Versöhnungsfonds die erforderlichen Restmittel mit Ende der Funktionsdauer des Versöhnungsfonds. (3) Mit den gemäß Abs. 1 und 2 zur Verfügung stehenden Mitteln ist der Zukunftsfonds abschließend dotiert. Es besteht keine Nachschusspflicht. (4) Der Zukunftsfonds kann auch sonstige Zuwendungen erhalten. www.ris.bka.gv.at

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Anhang

BGBl. I – Ausgegeben am 19. Dezember 2005 – Nr. 146

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(5) Das Fondskapital ist ertragbringend anzulegen. § 4. (1) Das Fondsvermögen, Erträge und sonstige Zuwendungen sind ausschließlich im Sinne des Fondszweckes zu verwenden. Darunter sind auch die dabei anfallenden Verwaltungskosten zu verstehen. Die Verwaltung des Zukunftsfonds ist nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu führen. (2) Der Zukunftsfonds ist von allen bundesgesetzlich geregelten Gebühren und Abgaben befreit. Dies gilt auch für Anbringen an den Zukunftsfonds.

III. Abschnitt: Organe des Zukunftsfonds § 5. (1) Die Organe des Zukunftsfonds sind das Kuratorium (§ 6), der Projektförderungsbeirat (§ 8) und der Generalsekretär (§ 10). (2) Der Zukunftsfonds wird nach außen vom Generalsekretär vertreten. (3) Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten leistet dem Zukunftsfonds technische und administrative Unterstützung und stellt das für die Durchführung der Aufgaben des Zukunftsfonds gemäß § 2 Z 1 erforderliche Personal zur Verfügung. Das Personal des Zukunftsfonds ist nach sachlichen und fachlichen Kriterien auszuwählen. § 6. (1) Das Kuratorium ist das oberste Organ des Zukunftsfonds und besteht aus fünf Mitgliedern. Es setzt sich aus renommierten Persönlichkeiten zusammen, die über Erfahrungen im Aufgabenbereich des Zukunftsfonds gemäß dem I. Abschnitt verfügen. (2) Als Mitglieder für die Dauer von jeweils fünf Jahren sind zu bestellen: 1. zwei Mitglieder durch den Bundeskanzler, 2. zwei Mitglieder durch die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten. (3) Die nach Abs. 2 Z 1 und 2 bestellten Kuratoriumsmitglieder wählen mit Stimmenmehrheit als fünftes Mitglied einen Vorsitzenden aus einer Personenliste, die der Bundeskanzler erstellt. (4) Die Mitglieder des Kuratoriums üben ihre Funktion ehrenamtlich aus, die zur Ausübung ihrer Funktion notwendigen Auslagen werden vom Zukunftsfonds ersetzt. (5) Die Wiederbestellung von Kuratoriumsmitgliedern nach Ablauf der Funktionsperiode ist zulässig. Bei Ausscheiden eines Kuratoriumsmitglieds vor Ablauf der Funktionsperiode wird dieses durch die Bestellung eines neuen Mitglieds für den Rest der Funktionsperiode unter sinngemäßer Anwendung der Abs. 1 bis 3 ersetzt. § 7. (1) Dem Kuratorium obliegen insbesondere folgende Aufgaben: 1. Wahl des Vorsitzenden (§ 6 Abs. 3) und eines stellvertretenden Vorsitzenden; 2. Erlassung der Geschäftsordnung des Zukunftsfonds; 3. Erlassung von Richtlinien über die Gewährung von Leistungen gemäß § 2 Z 1; 4. Beschlussfassung über die Gewährung von Leistungen gemäß § 2 Z 1; 5. Grundsätzliche Entscheidungen und Bevollmächtigungen des Generalsekretärs im Hinblick auf die vom Versöhnungsfonds übernommenen Aufgaben gemäß § 2 Z 2; 6. Beschlussfassung über die Finanzordnung; 7. Kontrolle über die widmungsgemäße Verwendung des Fondsvermögens; 8. Genehmigung des Rechnungsabschlusses; 9. Kontakt und Kooperation mit anderen Einrichtungen im In- und Ausland; 10. Auflösung des Zukunftsfonds; 11. Bestellung des Generalsekretärs auf Vorschlag des Bundeskanzlers, Abberufung des Generalsekretärs; 12. Bestellung von zwei Mitgliedern und zwei Ersatzmitgliedern des Projektförderungsbeirates (§ 8). (2) Das Kuratorium ist von seinem Vorsitzenden mindestens zweimal im Jahr einzuberufen. (3) Das Kuratorium kann zur Durchführung einzelner Aufgaben Ausschüsse einsetzen. § 8. (1) Der Projektförderungsbeirat besteht aus dem Generalsekretär (§ 10) und zwei weiteren Mitgliedern (Ersatzmitgliedern) mit besonderen Kenntnissen hinsichtlich der gemäß § 2 Z 1 vorgesehenen Förderung von Projekten. (2) Der Generalsekretär führt den Vorsitz im Projektförderungsbeirat und beruft seine Sitzungen ein.

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(3) Die vom Kuratorium zu bestellenden Mitglieder (Ersatzmitglieder) des Projektförderungsbeirates üben ihre Funktion ehrenamtlich aus, die zur Ausübung ihrer Funktion notwendigen Auslagen werden vom Zukunftsfonds ersetzt. § 9. (1) Dem Projektförderungsbeirat obliegen insbesondere folgende Aufgaben: 1. Begutachtung der Anträge zur Förderung von Projekten bzw. wissenschaftlichen Arbeiten hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit den Richtlinien über die Gewährung von Leistungen gemäß § 2 Z 1; 2. Abgabe von Stellungnahmen zu diesen Anträgen für das Kuratorium sowie fachliche Beratung des Kuratoriums. § 10. (1) Der Generalsekretär trifft Entscheidungen im Rahmen seiner Bevollmächtigung gemäß § 7 Z 5, dient der Unterstützung des Kuratoriums bei der Verwaltung des Zukunftsfonds und bereitet die Beschlüsse und Entscheidungen des Kuratoriums vor. (2) Der Generalsekretär ist dem Kuratorium verantwortlich. (3) Dem Generalsekretär steht zur Besorgung aller Geschäfte ein Sekretariat zur Verfügung.

IV. Abschnitt: Projektförderung § 11. Der Zukunftsfonds erbringt einmalige oder wiederkehrende Geldleistungen aus den ihm gemäß § 3 übertragenen Mitteln für Projekte, die dem Fondszweck gemäß § 2 Z 1 entsprechen. Der jährliche Gesamtbetrag der Förderungsmittel ist in den vom Kuratorium zu erlassenden Richtlinien festzulegen, wobei jedoch ein Höchstausmaß von 2 Millionen Euro nicht überschritten werden darf. § 12. Projektanträge können von natürlichen und juristischen Personen aus dem In- und Ausland gestellt werden.

V. Abschnitt: Übernahme von Aufgaben des Versöhnungsfonds § 13. Der Zukunftsfonds übernimmt gemäß § 2 Z 2 mit Ende der Funktionsdauer des Versöhnungsfonds die Aufgabe der projektbezogenen Vergabe aller den Partnerorganisationen des Versöhnungsfonds zukommenden Restmittel unter Wahrung der vom Versöhnungsfonds formulierten Vorgaben. § 14. Ist mit Ende der Funktionsdauer des Versöhnungsfonds die Abwicklung von Leistungen an einzelne Antragsteller nach dem Versöhnungsfonds-Gesetz noch ausständig, übernimmt der Zukunftsfonds gemäß § 2 Z 2 diese Aufgabe unter Wahrung der vom Versöhnungsfonds formulierten Vorgaben für jene Länder, in denen keine Partnerorganisationen bestehen oder in denen eine Abwicklung über die bestehenden Partnerorganisationen nicht mehr möglich oder zweckmäßig erscheint. § 15. (1) Bis zum 31. Dezember 2010 übernimmt der Zukunftsfonds die Behandlung und Leistungserbringung in Erb- und Beschwerdefällen, die während der Funktionsdauer des Versöhnungsfonds nicht mehr abgeschlossen werden können. Danach sind die hiefür vorgesehenen aber noch nicht ausbezahlten Restmittel für Aufgaben des Zukunftsfonds gemäß § 3 Abs. 1 zu verwenden. (2) Bis zum 31. Dezember 2007 erbringt der Zukunftsfonds Leistungen im Zusammenhang mit Anträgen von ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern, die vom Versöhnungsfonds bereits genehmigt wurden, aber der Begünstigte vor Ende der Funktionsdauer des Versöhnungsfonds nicht mehr ausfindig gemacht werden konnte. Danach sind die hiefür vorgesehenen finanziellen Mittel für Aufgaben des Zukunftsfonds gemäß § 3 Abs. 1 zu verwenden. § 16. Auf Leistungen, die der Zukunftsfonds für den Versöhnungsfonds übernimmt, besteht kein Rechtsanspruch.

VI. Abschnitt: Berichtspflicht und Gebarungskontrolle § 17. Der Vorsitzende des Kuratoriums erstattet dem Hauptausschuss des Nationalrates sowie der Bundesregierung über jedes Geschäftsjahr einen Bericht. Der Bericht wird veröffentlicht. § 18. Der Zukunftsfonds unterliegt der Überprüfung durch den Rechnungshof.

VII. Abschnitt: Schlussbestimmungen § 19. Der Zukunftsfonds ist aufzulösen, sobald seine Mittel aufgezehrt sind. § 20. Die in diesem Bundesgesetz verwendeten personenbezogenen Ausdrücke betreffen, soweit dies inhaltlich in Betracht kommt, Frauen und Männer gleichermaßen. www.ris.bka.gv.at

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§ 21. Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft. Die operative Tätigkeit des Zukunftsfonds beginnt mit der Überweisung der Fondsmittel gemäß § 3 Abs. 1 bzw. Abs. 2. § 22. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind betraut: 1. hinsichtlich des § 4 Abs. 2 der Bundesminister für Finanzen, 2. hinsichtlich des § 5 Abs. 3 und des § 6 Abs. 2 Z 2 die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten, 3. hinsichtlich des § 6 Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 und des § 7 Abs. 1 Z 11 der Bundeskanzler und 4. hinsichtlich der übrigen Bestimmungen die Bundesregierung.

Artikel II Bundesgesetz über die Errichtung einer Stipendienstiftung der Republik Österreich (Stipendienstiftungs-Gesetz) I. Abschnitt: Errichtung und Aufgaben der Stipendienstiftung § 1. (1) Mit diesem Bundesgesetz wird eine Stiftung errichtet, deren Ziel die Gewährung von Ausbildungsstipendien ist und die die Bezeichnung „Stipendienstiftung der Republik Österreich“ (in weiterer Folge „Stipendienstiftung“) trägt. (2) Die Stipendienstiftung ist eine Einrichtung der Republik Österreich, unterliegt österreichischem Recht, besitzt eigene Rechtspersönlichkeit und dient ausschließlich gemeinnützigen Zwecken. Sie ist berechtigt, alle Geschäfte zu schließen und alle Maßnahmen zu setzen, die der Erfüllung des Stiftungszwecks dienen. Sie hat ihren Sitz in Wien. (3) Die Stipendienstiftung gilt mit der Bestellung des ersten Stiftungsrats als errichtet. § 2. Aufgabe der Stipendienstiftung ist die Gewährung von Ausbildungsstipendien für alle Bereiche der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Neben der fachlichen Ausbildung sollen die Stipendiaten auch eine entsprechende Information über Österreich erhalten und so als „Botschafter der Versöhnung“ in ihren Heimatländern wirken. § 3. Die Gewährung von Stipendien erfolgt an Nachkommen von Zwangsarbeitern und an Personen aus jenen Staaten, die besonders unter dem NS-Regime gelitten haben, insbesondere unter der Rekrutierung von Zwangsarbeitern.

II. Abschnitt: Mittel der Stipendienstiftung § 4. (1) Zur Durchführung ihrer Aufgaben gemäß § 2 erhält die Stipendienstiftung vom Versöhnungsfonds als Stiftungskapital die entsprechenden Mittel mit Ende der Funktionsdauer des Versöhnungsfonds gemäß den Beschlüssen des Kuratoriums des Versöhnungsfonds. Das Stiftungskapital ist ertragbringend anzulegen. (2) Als Fördermittel sind die Erträge aus dem Stiftungskapital an die Begünstigten gemäß § 3 auszuschütten. (3) Die Stipendienstiftung kann auch sonstige Zuwendungen erhalten. Diese Mittel können neben den Erträgnissen des Stiftungskapitals an die Begünstigten ausgeschüttet werden.

III. Abschnitt: Organe der Stipendienstiftung § 5. Die Organe der Stipendienstiftung sind der Stiftungsvorstand (§ 6) und der Stiftungsrat (§ 9). § 6. (1) Der Stiftungsvorstand besteht aus 3 Mitgliedern. (2) Der Stiftungsvorstand wird durch die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur nach Anhörung des Stiftungsrates bestellt. § 9 Abs. 2, Abs. 3 Z 2 und 3, Abs. 4 und Abs. 5 gelten sinngemäß. § 7. (1) Der Stiftungsvorstand hat die Stipendienstiftung zu verwalten, nach außen zu vertreten und für die Erfüllung des Stiftungszwecks im Sinne der Beschlüsse des Stiftungsrats gemäß § 11 zu sorgen. Der Stiftungsvorstand hat seine Aufgaben mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zu erfüllen. Die Verwaltung der Stiftung ist nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu führen. (2) Der Stiftungsvorstand beschließt mit der Mehrheit seiner Mitglieder. www.ris.bka.gv.at

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(3) Der Stiftungsvorstand hat eine Geschäftsordnung zu erlassen, die vom Stiftungsrat zu genehmigen und in den Räumlichkeiten der Stiftung zur öffentlichen Einsicht aufzulegen ist. (4) Der Stiftungsvorstand hat dem Stiftungsrat einmal jährlich bis zum 30. Juni des Folgejahres über die dem Stiftungszweck entsprechende Mittelverwendung im abgelaufenen Geschäftsjahr schriftlich zu berichten. § 8. (1) Die Mitglieder des Stiftungsvorstands haben in der Weise zu zeichnen, dass sie dem Namen der Stiftung ihre Unterschrift beifügen. (2) Jeweils 2 Mitglieder des Stiftungsvorstandes sind gemeinschaftlich zur Abgabe von Willenserklärungen und zur Zeichnung für die Stiftung befugt. Ist eine Willenserklärung der Stiftung gegenüber abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Mitglied des Stiftungsvorstands. Die Geschäftsordnung hat zu regeln, wer im Falle der Abwesenheit eines Stiftungsvorstands diesen vertritt. § 9. (1) Der Stiftungsrat besteht aus sechs Mitgliedern. Als Mitglieder für die Dauer von jeweils fünf Jahren sind zu bestellen: 1. ein Mitglied durch den Bundeskanzler, 2. ein Mitglied durch die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten, 3. ein Mitglied durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, 4. ein Mitglied durch die Bundesministerin für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, 5. zwei Mitglieder durch die Bundesministerin für Bildung,Wissenschaft und Kultur. (2) Mitglieder der Geschäftsführung von Fördereinrichtungen, die aus Mitteln der Stipendienstiftung begünstigt werden, können nicht Mitglieder des Stiftungsrats sein. (3) Die Funktion eines Mitglieds des Stiftungsrats endet 1. mit Ablauf der Funktionsperiode; die Wiederbestellung ist zulässig; 2. durch Zurücklegung der Funktion, oder 3. durch Abberufung gemäß Abs. 5. (4) Im Fall einer Beendigung gemäß Abs. 3 Z 2 oder 3 ist vom jeweiligen Bestellungsberechtigten unverzüglich ein neues Mitglied für die Dauer der restlichen Funktionsperiode des ausgeschiedenen Mitglieds zu bestellen. (5) Die in Abs. 1 genannten Bestellberechtigten haben von ihnen bestellte Mitglieder des Stiftungsrats abzuberufen, wenn 1. eine Voraussetzung für die Bestellung wegfällt, 2. nachträglich hervorkommt, dass eine Bestellungsvoraussetzung nicht gegeben war, 3. dauernde Unfähigkeit zur Ausübung der Funktion eintritt, oder 4. grobe Pflichtverletzung vorliegt. § 10. (1) Den Vorsitz im Stiftungsrat führt ein von der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur bestelltes und von dieser mit der Vorsitzführung beauftragtes Mitglied des Stiftungsrats. (2) Der Vorsitzende des Stiftungsrats, im Fall von dessen Verhinderung sein Stellvertreter, hat unter Angabe der Tagesordnung mindestens einmal in jedem Kalendervierteljahr sowie bei wichtigem Anlass unverzüglich eine Sitzung des Stiftungsrats einzuberufen. Die Sitzung muss binnen zwei Wochen nach der Einberufung stattfinden. (3) Jedes Mitglied des Stiftungsrats und der Stiftungsvorstand können aus wichtigem Anlass die unverzügliche Einberufung einer Sitzung des Stiftungsrats verlangen. (4) Der Vorsitzende hat die Entscheidungen des Stiftungsrats gemäß § 11 unter Einbindung der anderen Mitglieder des Stiftungsrats vorzubereiten. Die erste Sitzung des Stiftungsrates ist von dem von der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur gemäß Abs. 1 bestellten Mitglied des Stiftungsrats einzuberufen. (5) Der Stiftungsrat ist beschlussfähig, wenn mindestens drei stimmberechtigte Mitglieder, darunter der Vorsitzende oder dessen Stellvertreter, anwesend sind. Ein Mitglied des Stiftungsrats kann sich durch ein anderes Mitglied vertreten lassen. Beschlüsse des Stiftungsrats bedürfen der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Eine Stimmenthaltung ist nicht zulässig. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. (6) Umlaufbeschlüsse sind nur in begründeten Ausnahmefällen und wenn kein Mitglied des Stiftungsrats widerspricht, zulässig. Abs. 5 gilt sinngemäß. Umlaufbeschlüsse sind vom Vorsitzenden (Stellwww.ris.bka.gv.at

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vertreter) schriftlich fest zu halten, über das Ergebnis der Beschlussfassung ist in der nächstfolgenden Sitzung des Stiftungsrats Bericht zu erstatten. (7) Über die Sitzungen des Stiftungsrats ist ein Protokoll zu führen, welches den Mitgliedern des Stiftungsrats sowie den in § 9 Abs. 1 genannten Personen zu übermitteln ist. Das Protokoll ist vom Vorsitzführenden zu unterzeichnen. (8) Der Stiftungsrat hat sich eine Geschäftsordnung zu geben. § 11. (1) Der Stiftungsrat hat 1. über die Verwendung der Fördermittel der Stipendienstiftung zu beschließen, 2. die Umsetzung der Beschlüsse zu überprüfen, und 3. die Tätigkeiten des Stiftungsvorstands zu überwachen. § 95 Abs. 2 und 3 Aktiengesetz 1965, BGBl. Nr. 98/1965, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 161/2004, ist sinngemäß anzuwenden. (2) Der Genehmigung des Stiftungsrats bedürfen 1. der vom Stiftungsvorstand zu erstellende Jahresabschluss, 2. die Geschäftsordnung des Stiftungsvorstands gemäß § 7 Abs. 3, sowie deren Änderung, 3. Festlegung allgemeiner Grundsätze der Veranlagung des Stiftungsvermögens und der Stiftungszuflüsse gemäß § 4 Abs. 3, 4. der Erwerb, die Veräußerung und die Belastung von Liegenschaften, 5. die Aufnahme von Anleihen, Darlehen und Krediten, die einen Betrag von 20.000 Euro im Einzelnen oder insgesamt 50.000 Euro in einem Geschäftsjahr übersteigen, und 6. Investitionen, soweit sie einen Betrag von 10.000 Euro übersteigen. (3) Der Beschlussfassung des Stiftungsrats sind vorbehalten 1. die Bestellung des Stiftungsprüfers gemäß § 16 Abs. 2, 2. die Verwendung der Fördermittel gemäß § 3, und 3. die Entlastung der Mitglieder des Stiftungsvorstands im Zusammenhang mit der Genehmigung des Jahresabschlusses gemäß § 16 Abs. 4. § 12. (1) Die Tätigkeit der Mitglieder des Stiftungsrates ist ehrenamtlich, die zur Ausübung der Funktion notwendigen Auslagen werden ersetzt. (2) Jedes Mitglied des Stiftungsrats und des Stiftungsvorstands haftet der Stipendienstiftung für den aus seiner schuldhaften Pflichtverletzung entstandenen Schaden. § 13. Das zur Verwaltung der Stipendienstiftung erforderliche Personal ist vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur zur Verfügung zu stellen. Die Verwaltungskosten sind aus den Erträgen der Stipendienstiftung zu decken. § 14. Die Mitglieder des Stiftungsvorstands und Stiftungsrats sowie alle sonst für die Stipendienstiftung tätigen Personen sind über alle ihnen ausschließlich aus ihrer Tätigkeit oder Funktion bekannt gewordenen vertraulichen Tatsachen zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit nicht auf Grund von Auskunftspflichten im Rahmen eines Bundesgesetzes über diese Tatsachen Auskunft zu erteilen ist. Diese Verschwiegenheitspflicht besteht auch nach dem Ausscheiden aus Organfunktionen sowie nach Beendigung der sonstigen Tätigkeit für die Stipendienstiftung weiter.

IV. Abschnitt: Berichtspflicht und Gebarungskontrolle § 15. Der Stiftungsvorstand hat eine interne Revision einzurichten. Er kann sich dabei der internen Revision des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur bedienen. § 16. (1) Der Stiftungsvorstand hat für das vergangene Geschäftsjahr den Jahresabschluss in Form der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung samt Anhang und einen Lagebericht unter Beachtung der Fristen gemäß Abs. 3 aufzustellen. Im Übrigen sind die Bestimmungen des dritten Buches des Handelsgesetzbuches, dRGBl. S 219/1897, auf den Jahresabschluss anzuwenden, sofern in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist. Im Lagebericht ist auch auf die Erfüllung des Stiftungszwecks einzugehen. (2) Der Jahresabschluss und der Lagebericht sind von einem Wirtschaftsprüfer oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Stiftungsprüfer zu prüfen. Der Stiftungsprüfer ist vom Stiftungsrat zu bestellen. § 273 HGB ist anzuwenden.

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(3) Der geprüfte Jahresabschluss samt Lagebericht ist vom Stiftungsvorstand dem Stiftungsrat innerhalb von fünf Monaten nach Ablauf des vorangegangenen Geschäftsjahres zur Genehmigung vorzulegen. Die Beschlussfassung des Stiftungsrats über die Genehmigung des Jahresabschlusses samt Lagebericht hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass der Stiftungsvorstand den Jahresabschluss samt Lagebericht der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des vorangegangenen Geschäftsjahres übermitteln kann. (4) Der Stiftungsrat hat die Mitglieder des Stiftungsvorstands zu entlasten, wenn der Jahresabschluss und der Lagebericht genehmigt wurden, die Geschäftsführung im abgelaufenen Geschäftsjahr jeweils ordnungsgemäß erfolgt ist und der Entlastung keine im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzte grobe Pflichtverletzung entgegensteht. (5) Das Geschäftsjahr der Stipendienstiftung ist das Kalenderjahr. Das erste Geschäftsjahr der Stipendienstiftung beginnt mit der Errichtung der Stipendienstiftung und endet am 31. Dezember desselben Jahres. (6) Der Stiftungsvorstand hat den geprüften und vom Stiftungsrat genehmigten Jahresabschluss und den Lagebericht im Internet zu veröffentlichen und eine Hinweisbekanntmachung mit Angabe der Internetadresse der Stipendienstiftung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung oder einem anderen im gesamten Bundesgebiet erhältlichen Bekanntmachungsblatt zu veranlassen. Der Jahresabschluss und der Lagebericht sind jeweils bis zur Veröffentlichung des nächstfolgenden Jahresabschlusses zur Einsicht im Internet bereit zu halten. (7) Der Vorsitzende des Stiftungsrates erstattet dem Hauptausschuss des Nationalrates über jedes Geschäftsjahr einen Bericht, der jedenfalls Jahresabschluss und Lagebericht gemäß Abs. 6 enthält.

V. Abschnitt: Schlussbestimmungen § 17. Die Stipendienstiftung ist von allen bundesgesetzlich geregelten Gebühren und Abgaben befreit. Dies gilt auch für Anbringen an die Stipendienstiftung. Im Übrigen gilt die Stipendienstiftung abgabenrechtlich als öffentliche Stiftung. § 18. Die Stipendienstiftung kann nur durch Bundesgesetz aufgelöst werden. § 19. Die in diesem Bundesgesetz verwendeten personenbezogenen Ausdrücke betreffen, soweit dies inhaltlich in Betracht kommt, Frauen und Männer gleichermaßen. § 20. Dieses Bundesgesetz tritt mit Kundmachung in Kraft. Die operative Tätigkeit der Stipendienstiftung beginnt mit Überweisung der Mittel gemäß § 4 Abs.1. § 21. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind betraut: 1. die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, 2. hinsichtlich der Bestimmung des § 9 Abs.1 Z 1 der Bundeskanzler, 3. hinsichtlich der Bestimmung des § 9 Abs.1 Z 2 die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten, 4. hinsichtlich der Bestimmung des § 9 Abs.1 Z 3 der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, 5. hinsichtlich der Bestimmung des § 9 Abs.1 Z 4 die Bundesministerin für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, und 6. hinsichtlich der Bestimmung des § 17 der Bundesminister für Finanzen. Fischer Schüssel

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BUNDESGESETZBLATT FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

Jahrgang 2017 141. Bundesgesetz:

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Teil I

Änderung des Zukunftsfonds-Gesetzes (NR: GP XXV RV 1766 AB 1773 S. 194. BR: AB 9895 S. 872.)

141. Bundesgesetz, mit dem das Zukunftsfonds-Gesetz geändert wird Der Nationalrat hat beschlossen: Das Zukunftsfonds-Gesetz, BGBl. I Nr. 146/2005, wird wie folgt geändert: 1. § 3 Abs. 3 lautet: „(3) Zusätzlich zu den Mitteln gemäß Abs. 1 und 2 stellt der Bund dem Fonds beginnend mit 1. Jänner 2018 über einen Zeitraum von fünf Jahren zur Durchführung seiner Aufgaben gemäß § 2 Z 1 einen Betrag in Höhe von zwei Millionen Euro pro Kalenderjahr zur Verfügung. Der Jahresbetrag wird vom Bund in vier Teilbeträgen jeweils zu Beginn des Kalenderquartals an den Fonds überwiesen. Die Überweisung des ersten Teilbetrages erfolgt zu Beginn des ersten Quartals 2018.“ 2. In § 6 wird in Abs. 1 das Wort „fünf“ durch das Wort „sieben“ ersetzt und in Abs. 2 am Ende der Z 2 der Punkt durch einen Beistrich ersetzt; folgende Z 3 und 4 werden angefügt: „3. ein Mitglied durch den Bundesminister für Finanzen, 4. ein Mitglied durch die Bundesministerin für Bildung.“ 3. § 6 Abs. 3 lautet: „(3) Die nach Abs. 2 bestellten Kuratoriumsmitglieder wählen mit Stimmenmehrheit als siebentes Mitglied einen Vorsitzenden aus einer Personenliste, die der Bundeskanzler erstellt.“ 4. § 21 erhält die erhält die Absatzbezeichnung „(1)“; folgender Abs. 2 wird angefügt: „(2) § 3 Abs. 3 sowie das Zitat „§ 3 Abs. 3, § 4 Abs. 2“ in § 22 Z 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. I 141/2017 treten mit 1. Jänner 2018 in Kraft. § 6 Abs. 1 bis 3 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. I 141/2017 und § 22 Z 2a treten mit 1. Jänner 2021 in Kraft.“ 5. In § 22 Z 1 wird das Zitat „§ 4 Abs. 2“ durch das Zitat „§ 3 Abs. 3, § 4 Abs. 2 und § 6 Abs. 2 Z 3“ ersetzt. 6. In § 22 wir nach Z 2 folgender Z 2a eingefügt: „2a. hinsichtlich des § 6 Abs. 2 Z 4 die Bundesministerin für Bildung,“ Van der Bellen Kern

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Chronologie

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Chronologie 8.7.1991

Bundeskanzler Franz Vranitzky hält im Nationalrat eine programmatische Rede zu Österreichs Rolle im Zweiten Weltkrieg und bekennt sich zur Verantwortung gegenüber den Opfern. 9.6.1993 Im Zuge seiner Israel-Reise hält Bundeskanzler Franz Vranitzky eine Rede an der Hebräischen Universität Jerusalem, in der er die Opfer der österreichischen Täter im Namen der Republik um Verzeihung bittet. 13.11.1994 Bundespräsident Thomas Klestil hält als erster Präsident der Republik Österreich vor der Knesset in Jerusalem eine Rede, in der er von einem „schweren Erbe der Geschichte, zu dem auch wir Österreicher uns bekennen müssen“, spricht. 30.6.1995 Der Nationalfonds der Republik Österreich wird gegründet. 1.10.1998 Die Republik Österreich setzt eine Historikerkommission ein. Sie soll den gesamten Komplex des „Vermögensentzugs auf dem Gebiet der Republik Österreich während der NS-Zeit sowie Rückstellungen bzw. Entschädigungen (sowie wirtschaftliche und soziale Leistungen) der Republik Österreich ab 1945“ erforschen und darüber berichten. 25.1.2000 Die Österreichische Historikerkommission übergibt ihren Zwischenbericht der Bundesregierung. 26.1.2000 In Stockholm findet die internationale Holocaust-Konferenz statt, an der 48 Länder und zahlreiche Regierungsvertreter teilnehmen. 31.1.2000 Die EU verhängt aufgrund der gebildeten ÖVP-FPÖ-Koalitionsregierung Sanktionen gegen Österreich 9.2.2000 Bundeskanzler Wolfgang Schüssel stellt in seiner Regierungserklärung eine zügige Regelung zur Entschädigung von ehemaligen NS-Zwangsarbeitern in Aussicht. 15.2.2000 Maria Schaumayer wird zur Regierungsbeauftragten für Leistungen an ehemalige Zwangsarbeiter ernannt. 13.4.2000 Ed Fagan bringt eine Sammelklage in der Höhe von 260 Milliarden Schilling gegen Österreich und heimische Unternehmen ein. 30.4.2000 Maria Schaumayer verkündet in der ORF-Pressestunde, dass sechs Milliarden Schilling für Entschädigungszahlungen an ehemalige NS-Zwangsarbeiter benötigt werden. 16.5.2000 Bei der „Versöhnungskonferenz“ in der Wiener Hofburg beraten sich Maria Schaumayer, Stuart E. Eizenstat und Vertreter der Ukraine, Russlands, Polens, Ungarns, Weißrusslands sowie der Tschechischen Republik unter striktem Aus-

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18.5.2000 29.6.2000 12.9.2000 24.10.2000 26.10.2000 27.11.2000

1.1.2001

17.1.2001

28.2.2001 24.2.2003

13.12.2005 19.12.2005

31.12.2005 1.1.2006

31.12.2006

Anhang

schluss der Öffentlichkeit zu dem von Schaumayer vorgelegten Gesetzesentwurf. Der Diplomat Ernst Sucharipa wird zum „Sonderbotschafter“ für Restitutionsfragen ernannt. Die EU-14 entsenden die drei „Weisen“ Martti Ahtisaari, Jochen Frowein und Marcelino Oreja, die die Situation in Österreich untersuchen sollen. Nach Vorlage des „Weisenberichts“ heben die EU-14 ihre Sanktionen auf. In Wien werden die Verträge unterzeichnet, welche die österreichische Lösung zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter besiegeln. Das von Rachel Whiteread gestaltete Holocaust-Denkmal am Wiener Judenplatz wird enthüllt. Der Versöhnungsfonds wird gegründet. Im Laufe seiner Funktionsdauer bis Ende 2005 wird der Fonds mit 439 Millionen Euro gespeist, wovon insgesamt 352,6 Millionen Euro ausgezahlt werden. Der Versöhnungsfonds nimmt seine Tätigkeit auf. Präsident wird der frühere Staatssekretär Ludwig Steiner, Generalsekretär der Botschafter i. R. Richard Wotava. Das Washingtoner Abkommen zwischen Österreich und den USA zur Regelung von Fragen der Entschädigung und Restitution für Opfer des Nationalsozialismus wird unterzeichnet. Der Allgemeine Entschädigungsfonds wird eingerichtet und mit 210 Millionen US-Dollar dotiert. Die Historikerkommission präsentiert ihren Endbericht und kommt zu dem Ergebnis, dass die Republik Österreich – basierend auf einem Missbrauch der Opferthese – bei der Entschädigung der Nazi-Opfer nur zögerlich und halbherzig agierte. Die letzte Sammelklage in den USA wird abgewiesen, und der Rechtsfrieden durch die österreichische Bundesregierung wird bekanntgemacht. Das Bundesgesetz zur Errichtung des Zukunftsfonds der Republik Österreich tritt in Kraft. Er wird als verzehrender Fonds mit 20 Millionen Euro aus den Restmitteln des Versöhnungsfonds dotiert. Die gesetzliche Funktionsdauer des Versöhnungsfonds endet. Der Zukunftsfonds nimmt seine Tätigkeit auf. Vorsitzende wird die ehemalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, Generalsekretär der Botschafter i. R. Richard Wotava. Im ersten Tätigkeitsjahr werden 129 Projektanträge beim Zukunftsfonds eingereicht.

Chronologie

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31.12.2007 Die Frist für Direktauszahlungen an ehemalige NS-Zwangsarbeiter endet. 25.11.2010 Der Zukunftsfonds erhält im Hauptausschuss des Parlaments viel Lob für seine Arbeit. 14.12.2010 Die Republik Österreich richtet einen Friedhofsfonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich ein. 31.12.2010 Die gesetzlichen Restagenden aus dem Versöhnungsfonds durch den Zukunftsfonds der Republik Österreich werden abgeschlossen. 1.1.2011 Der Zukunftsfonds der Republik Österreich tritt in die zweite Funktionsperiode ein. Kurt Scholz wird neuer Kuratoriumsvorsitzender, Herwig Hösele wird neuer Generalsekretär des Zukunftsfonds. 19.01.2011 Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Washingtoner Abkommens sagt Stuart E. Eizenstat bei seiner Rede im Parlament über Österreich, „dass kein Land in den letzten Jahren weiter gekommen oder schneller gewesen ist, seine moralische Verantwortung anzuerkennen und konkrete Schritte zu unternehmen, um sich mit seiner Rolle während des Zweiten Weltkriegs auseinanderzusetzen“. 11.10.2011 Das erste Werkstattgespräch des Zukunftsfonds findet in der Diplomatischen Akademie in Wien statt. 31.12.2012 Die Anzahl der beim Zukunftsfonds der Republik Österreich eingereichten Projektanträge verdoppelt sich im Vergleich zum Jahr 2006 auf 261 Anträge. 5.5.2013 Die neue Dauerausstellung in der neugestalteten Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen wird eröffnet. 31.12.2014 Im Jahr 2014 werden 309 Projektanträge beim Zukunftsfonds der Republik Österreich eingereicht. Aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Gesamtfördersumme müssen die Einzelförderungen erheblich verringert werden. 30.6.2015 Bereits im ersten Halbjahr 2015 langen 221 Projektförderanträge beim Zukunftsfonds ein, wovon 149 Projekte genehmigt werden. 24.11.2015 Anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Zukunftsfonds der Republik Österreich wird die Publikation „Zukunftsfonds der Republik Österreich. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung“ in der Diplomatischen Akademie Wien präsentiert. 1.1.2016 Der Zukunftsfonds der Republik Österreich tritt in seine dritte Funktionsperiode ein. 1.1.2017 Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen/Mauthausen Memorial wird in eine Bundesanstalt öffentlichen Rechts umgewandelt. 28.6.2017 Bundeskanzler Christian Kern stellt in einem Vortrag an den Ministerrat einen Antrag zur Änderung des Zukunftsfonds-Gesetzes, nach welchem dem Fonds

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ab 1. Jänner 2018 über einen Zeitraum von fünf Jahren ein Betrag in Höhe von zwei Millionen Euro pro Kalenderjahr zur Verfügung gestellt werden soll. 20.9.2017 Die Abgeordneten zum Nationalrat stimmen einstimmig der Regierungsvorlage zur Änderung im Zukunftsfonds-Gesetz mit Inkrafttreten per 1. Jänner 2018 zu. 5.10.2017 Der Bundesrat stimmt einstimmig der Verlängerung des Zukunftsfonds zu. 31.12.2018 Der Zukunftsfonds verzeichnet mit 391 die bislang größte Anzahl an eingereichten Projektanträgen. 8.10.2019 Herwig Hösele wird neuer Kuratoriumsvorsitzender des Zukunftsfonds. 3.12.2019 Das 35. Werkstattgespräch findet in der Diplomatischen Akademie in Wien statt. 10.12.2019 Anita Dumfahrt wird neue Generalsekretärin des Zukunftsfonds. 7.1.2020 Angelobung der Bundesregierung Sebastian Kurz – Werner Kogler. Das Regierungsprogramm sieht auf Basis einer umfassenden Gedenkkultur unter anderem den Ankauf und die Weiterentwicklung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen-Gusen sowie eine Stärkung der Erinnerungskultur für Jugendliche vor. 22.6.2020 Baubeginn der von Kurt Tutter initiierten Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte im Ostarrichipark. Die Regierung Kurz I hat bereits im November 2018 dafür eine Finanzierung von 4,5 Mio. Euro (Gesamtkosten 5,3 Mio. Euro) beschlossen. 1.1.2021 Der Zukunftsfonds der Republik Österreich wird in seine vierte Funktionsperiode eintreten.

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis BIM Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte AdBIK Archiv des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung Abb. Abbildung APA Austria Presse Agentur Bd. Band BMEIA Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres BMI Bundesministerium für Inneres BRD Bundesrepublik Deutschland CSR Corporate Social Responsibility DDR Deutsche Demokratische Republik DÖW Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Ebd. Ebenda ERC European Research Council et al. et alia (und andere) EU Europäische Union EVZ Erinnerung, Verantwortung und Zukunft f. folgende FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FPÖ Freiheitliche Partei Österreichs FWF Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung GARF Staatsarchiv der Russischen Förderation gest. Gestorben GSK Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften hdgö Haus der Geschichte Österreichs Hg. Herausgeber HGNÖ Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich IFM Internationalen Mauthausen Forum IKG Israelitische Kultusgemeinde i. R. in Ruhe IRE Institut der Regionen Europas KZ Konzentrationslager LBIGG Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Gesellschaft LBIDH Ludwig Boltzmann Institute for Digital History MoRaH March of Remembrance and Hope NEOS Das Neue Österreich und Liberales Forum NGO Non-Governmental Organization NS Nationalsozialismus NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ÖAW Österreichische Akademie der Wissenschaften

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ÖDM Österreichischen Demokratie Monitors ORF Österreichischer Rundfunk ÖVP Österreichische Volkspartei ÖZF Zukunftsfonds der Republik Österreich PEN Poets, Essayists, Novelists PR Public Relations RE.F.U.G.I.U.S. Rechnitzer Flüchtlings- und Gedenkinitiative und Stiftung S. Seite SN Salzburger Nachrichten SORA Institute for Social Research and Consulting SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreichs UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UNIDO United Nations Industrial Development Organization USA United States of America VdU Verband der Unabhängigen vgl. vergleiche v. l. n. r. von links nach rechts Vol. Volume WIFI Wirtschaftsförderungsinstitut

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Quellenverzeichnis

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Quellenverzeichnis Archiv des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung Graz – Wien – Raabs (AdBIK) Interviews Dieter Bacher. Graz 1.4.2015. Anita Dumfahrt. Wien 12.5.2015. Anita Dumfahrt. Wien 16.6.2020. Anita Dumfahrt. Wien 17.6.2020. Anita Dumfahrt und Herwig Hösele. Wien 16.6.2020. Margarete Grandner. Wien 11.3.2015. Gerold Gruber. Wien 10.3.2015. Herwig Hösele. Wien 12.5.2015. Christoph Kainz. Wien 10.3.2015. Stefan Karner. Graz 13.4.2015. Hannah M. Lessing. Wien 21.4.2015. Robert Pfaller. Wien 11.3.2015. Oliver Rathkolb. Wien 9.3.2015. Manfried Rauchensteiner. Wien 11.3.2015. Kurt Scholz. Wien 11.3.2015. Wolfgang Schüssel. Wien 11.5.2015. Milli Segal. Wien 19.2.2015. Terezija Stoisits. Wien 12.5.2015. Jürgen Strasser. Kiel 24.3.2015. Hans Winkler. Wien 12.3.2015. Claudia Wohlgenannt. Wien 19.2.2015. Richard Wotava. Wien 25.3.2015. Schriftlichte Statements Gabriele Anderl. Wien 25.6.2015. Kurt Bauer. Wien 2.4.2015. Gerhard Bisovsky. Wien 23.5.2020. Brigitte Dalinger. Wien 6.4.2020. Oskar Deutsch. Wien 8.4.2020. Christine Dollhofer. Linz 30.3.2020. Peter Fichtenbauer. Wien 29.7.2020. Joachim Fritz. Salzburg 19.4.2020. Michael Gehler. Hildesheim 18.3.2020. Elisabeth Golzar. Wien 22.5.2020. Herbert Grubmayr. Wien 9.3.2015. Angelika Hirsch. Wien 12.6.2020.

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Anhang

Susanne Höhne. Wien 8.5.2020. Horst Horvath. Oberwart 9.4.2020. Andrea Hurton. Wien 9.3.2015. Moshe Jahoda. Wien 30.6.2015. Martha Keil und Sabine Hödl. St. Pölten 23.3.2020. Kenan Kilic. Wien 15.6.2020. Waltraud Klasnic. Graz 16.4.2015. Andreas Kosek und Katharina Grabher. Wien 17.4.2020. Gerald Lamprecht. Graz 22.5.2020. Eleonore Lappin-Eppel. Wien 27.5.2020. Hanno Loewy. Hohenems 20.5.2020. Peter Menasse. Wien 15.3.2020. Irene Messinger. Wien 21.4.2015. Berthold Molden. Wien 20.4.2020. Berthold Molden. Wien 30.7.2020. Ariel Muzicant. Wien 17.3.2015. Wolfgang Neugebauer. Wien 24.3.2020. Josef Neumayr. Wien 11.2.2015. Oliver Rathkolb. Wien 14.5.2020. Falk Reckling. Wien 22.7.2015. Hans Schafranek. Wien 24.6.2015. Hildegard Schmoller. Wien 20.3.2020. Wilhelm Stadler und Barbara Glück. Wien 3.3.2015. Ludwig Steiner. Wien 1.6.2015. Gerald Stourzh. Wien 15.4.2015. Judith Weinmann-Stern. Tel Aviv 20.5.2020. Ingo Zechner. Wien 29.4.2020. Zukunftsfonds der Republik Österreich (ÖZF) Jahresberichte 2006–2019 Datensammlung Projektbeschreibung und Sachbericht LIKRAT. Schriftliche Statements Norbert Hofer. Wien 20.8.2020. Werner Kogler. Wien 30.7.2020. Sebastian Kurz. Wien 3.8.2020. Alexander Schallenberg. Wien 21.8.2020. Nikolaus Scherak. Wien 21.8.2020. Wolfgang Sobotka. Wien 19.8.2020. Alexander Van der Bellen. Wien 1.9.2020.

Ortsregister

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Ortsregister Alt-Dietmanns 82 Amsterdam 102 Athen 89 Auschwitz 20, 35 , 49, 102, 118, 175, 176, 178, 200, 201, 217, 245 Auschwitz-Birkenau 84, 118, 176, 193, 200, 245 Baden 204 Belgrad 89 Berlin 22, 86, 88, 102 Brüssel 132, 153, 154 Budapest 102 Caracas 89 Chicago 82, 88 Dachau 49, 133 Engerau 49, 175 Flossenbürg 198 Gmünd 8, 226 Graz 9, 18, 20, 40, 83, 85, 96, 159, 167, 188, 196, 206, 229, 233, 237 Gurs 130 Gusen 49, 112, 126, 161, 202, 213, 217, 258 Hainburg an der Donau 203 Hallstatt 152 Hannover 83 Hegyeshalom 160 Heiligenkreuz am Waasen 204 Hohenems 196, 198, 233 Horn 81 Innsbruck 47, 87, 152, 175 Jerusalem 26, 102, 173, 255

Kairo 89 Kindberg 82 Klagenfurt 203, 217 Krakau 213 Kulmhof am Ner 204 Leoben 85, 177 Leonding bei Linz 106 Linz 86, 106, 182, 196, 209, 210, 217, 225, 232 Lissabon 132 Los Angeles 34, 196 Madrid 89 Maly Trostinec 49, 175 Mauthausen 11–13, 49, 50, 88, 102, 112, 120, 126, 161, 168, 190, 200–202, 210, 228, 257, 258 Minsk 175 Moskau 14, 40, 41, 46–48, 168, 169 Neuengamme 214 New Orleans 9 New York 102, 190, 194, 213 Ostrowiec 245 Oxford 190 Pardubice 83 Prag 83, 215 Princeton 88 Radlbrunn 87 Ravensbrück 175, 213 Riga 208 Rom 89 Saint Germain 132, 190 Salzburg 86, 151, 155, 181, 210, 241 San Francisco 216 Spital am Pyhrn 176

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Anhang

St. Georgen 112, 161 St. Pölten 45, 47, 113, 196, 203, 205, 206 Steyr 204 Stockholm 35, 255 Tel Aviv 89, 102, 103, 176, 177, 188 Terezín 215 Velden 203 Villach 87 Warschau 89, 102 Washington 65, 84, 89, 102, 172, 255, 256, 257 Wien 9, 16, 17, 23, 28, 31, 39, 42, 44–50, 55,

63, 64, 67, 69, 75−77, 81−89, 95, 99, 104, 105, 108, 110, 113, 115, 116, 120, 121, 129, 130, 133, 152, 153, 157−159, 162, 165, 171, 172, 174−178, 180−183, 187, 190, 193−197, 199, 202–204, 206, 208−214, 217, 221, 225, 231, 236−239, 241, 255−258 Wiener Neustadt 87, 113, 203 Wilna 20 Yad Vashem 101, 102, 198, 210 Ypern 153, 154 Zürich 86

Personenregister

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Personenregister Adler, Alfred 196 Alakus, Baris 116, 117 Altmann, Maria 34 Anderl, Gabriele 104, 106, 166, 224 Anderson, Benedict 41 Arlen, Walter 215 Ash, Mitchell 114 Assmann, Aleida 41 Ahtisaari, Martti 256 Babka, Anna 159 Bacher, Dieter 228, 232 Bailer-Galanda, Brigitte 33 Barkan, Elazar 32 Bauer, Esther 194 Bauer, Kurt 108, 109, 219, 232 Bauer, Ute 167 Beer, Joseph 217 Benedikter, Johannes 9, 79, 91, 101, 226, 227 Ben-Yehuda, Shaya 102 Berger, Ernst 118 Berndl, Ruslana 180 Bierlein, Brigitte 77, 78 Bischof, Günter 8, 17, 45, 69, 121, 122 Bisovsky, Gerhard 135, 136, 153, 174, 220, 241 Bloch-Bauer, Adele 34 Boeckl-Klamper, Elisabeth 130, 190 Borodajkewycz, Taras 22, 23 Botz, Gerhard 168 Brauneder, Wilhelm 44, 45 Breuer, Hans 158, 159, 160 Brix, Emil 105 Bures, Doris 246 Burger, Rudolf 31 Calderon, Yonatan 213, 214 Celik, Helin 161 Chasan, Naomi 157 Dalinger, Brigitte 239

Decker, Frank 127 Demnig, Gunter 206 Deutsch, Oskar 195, 204, 211, 221, 236, 241 Diner, Dan 8 Dolezal, Martin 151 Dollhofer, Christine 225, 232 Du Closel, Amaury 166 Dumfahrt, Anita 64, 77, 78, 81, 90, 91, 93, 98, 101, 104, 119, 135, 143, 174, 244, 258 Dusek, Peter 134, 135 Eckhaus, Gideon 180 Eckstein, Tanja 117 Edtstadler, Karoline 204 Eichtinger, Martin 114 Eisler, Gerda 188 Eizenstat, Stuart E. 36, 55, 65, 255, 257 Elkabets, Ruth 188 Engleitner, Leopold 177 Eriylmaz, Ceylan 79 Ernst-Kühr, Petra 113 Eyth, Anita 106, 107 Fagan, Ed 55, 255 Faymann, Werner 78, 79, 81 Fichtenbauer, Peter 73, 78, 79, 82, 92 Figl, Leopold 16 Fischer, Heinz 39, 40 Fisher, David 179 Freud, Sigmund 31 Frimmel, Rainer 116 Fritz, Joachim 155, 225, 234, 238 Frowein, Jochen 256 Garscha, Winfried 130, 131 Gehler, Michael 132, 147, 190, 191 Geiblinger, Volkmar 180 Geisselmann, Christian 152 Giustino, Cathleen 40, 43 Glaesmer, Heide 126

280 Glück, Barbara 120, 126, 190, 202, 228 Goll, Nicole-Melanie 122, 124 Goltermann, Svenja 41 Golzar, Elisabeth 116, 117, 183, 232 Gombrich, Ernst H. 133 Grabher, Katharina 214, 241 Graf, Georg 33 Grand, Peter 151 Grandner, Margarete 64, 79, 80, 82, 142, 143, 236 Gross, Heinrich 130 Gruber, Gerold 166, 194, 240 Gruber, Johann 213 Grubmayr, Herbert 56, 57 Gruša, Jiří 63, 79, 83 Hackl, Erich 187 Haider, Jörg 51 Halbmayr, Brigitte 112 Halbrainer, Heimo 166 Hammerstein, Katrin 38, 39 Hanisch, Ernst 43 Hecht, Dieter J. 113 Heinisch, Reinhard C. 127 Herzl, Theodor 217 Hilmar, Till 106 Hinterberger, Thomas 106, 107 Hirsch, Angelika 178, 237 Hirsch, Camilla 188 Hitler, Adolf 14, 38, 39, 41, 48, 180, 182, 190, 196, 217 Hödl, Sabine 171, 206, 222, 229, 233, 242 Hofer, Norbert 246 Hoffmann, Georg 123, 124 Höhne, Susanne 213, 214, 228 Horvath, Horst 221, 242 Hösele, Herwig 68, 69, 77– 80, 83, 90, 92, 101–103, 109, 113, 115, 122, 131, 135, 201, 244, 257, 258 Hrdlicka, Alfred 46, 49, 204 Hurton, Andrea 165, 223

Anhang Jabloner, Clemens 32, 33 Jacobmeyer, Wolfgang 96 Jahoda, Moshe 63, 79, 84, 200, 231 Johler, Birgit 118 Kainz, Christoph 55, 63, 69, 77, 79, 84, 102, 119, 200 Kanzler, Christine 110 Kapeller, Norbert 170 Karner, Stefan 44, 56, 167, 169 Katz, Friedrich 171 Keil, Martha 171, 206, 222, 229, 233, 242 Kern, Christian 70, 257 Kertsner, Ronit 158, 160 Khol, Andreas 69 Kienzl, Heinz 149 Kilic, Kenan 180, 181, 224, 242 Klasnic, Waltraud 63, 64, 66, 67, 77, 79, 83, 85, 102, 256 Klein, Evelyn 147 Klestil, Thomas 26, 27, 35, 255 Klima, Viktor 32, 51, 56 Klimt, Gustav 34 Klingenböck, Martin 161 Klinger, Herbert 177 Kneissl, Karin 78 Knight, Robert 33 Koch, Klaus 167 Kofler, Alexandra 8, 69, 80, 121, 122 Kofler, Werner 212, 213 Kogler, Werner 13, 245, 258 Konrád, Ota 171 Korngold, Erich Wolfgang 188 Korotin, Ilse 110 Kosek, Andreas 214, 241 Kosnar, Erika 50 Kothbauer, Max 64, 79, 80, 85, 92 Krainer, Josef 83 Krása, Hans 215 Krasny, Elke 170 Krausneker, Verena 110 Kreisky, Bruno 22, 131

Personenregister Kriechbaumer, Robert 170 Kuba, Andreas 182, 217 Kuretsidis-Haider, Claudia 133, 167 Kurz, Sebastian 13, 43, 49, 78, 218, 244, 258 Kusturica, Nina 179 Lamprecht, Gerald 166, 167, 229, 233, 237 Landauer, Hans 187 Lappin-Eppel, Eleonore 110, 156, 157, 225 Lehnguth, Cornelius 38 Leidinger, Hannes 106 Lendvai, Paul 154, 155 Leo, Rudolf 134 Leopoldi, Hermann 217 Lepsius, M. Rainer 38 Lessing, Erich 116 Lessing, Hannah M. 103, 118, 119, 240 Lettner, Robert 129, 130 Leutgeb, Klaus 159 Levy, Daniel 26 Lichtblau, Albert 118 Lillie, Sophie 187 Lind, Christoph 113 Litzka, Traude 110 Loebenstein, Michael 173 Loewy, Hanno 198, 233 Maderthaner, Wolfgang 170 Mahlknecht, Barbara 170 Maimann, Helene 79, 80, 86, 111, 118, 119, 142 Malina, Lis 188 Malina, Peter 106 Mang, Thomas 130, 131, 190 Marinelli, Ursula 133 Marko, Joseph 147 Matscher, Franz 16, 46 Mattl, Siegfried 110, 111, 170 Meder, Iris 114, 115 Meisinger, Agnes 129, 130 Menasse, Hans 129 Menasse, Peter 129, 234 Mernyi, Wilhelm 120, 121

281

Messinger, Irene 118, 1201, 222 Mihacek, Klaus 116, 118 Mikl-Leitner, Johanna 190 Mikoletzky, Lorenz 33 Molden, Berthold 101, 128, 129, 151, 170, 234 Moll, Martin 147 Mölzer, Andreas 44 Moritz, Verena 147 Moschitz, Eduard 180 Moser-Ernst, Sybille 133 Mueller, Wolfgang 190 Müller, Stefan A. 125, 170 Murer, Franz 20 Muzicant, Ariel 116, 231 Nadjivan, Silvia 113 Neisser, Heinrich 29 Netopil, Gerda 116, 117 Neugebauer, Wolfgang 104, 114, 115, 122, 130, 134, 189, 190, 221, 237, 242 Neumann, Egon 217 Neumann, Robert 213 Neumayr, Josef 110, 192, 194 Nusko, Karin 110 Oreja, Marcelino 256 Ostermayer, Josef 69 Papouschek, Herma 79, 91, 104 Pawłoś, Dariusz 120, 126, 127 Pensold, Wolfgang 113 Perz, Bertrand 33, 106, 108, 120, 190 Perzi, Niklas 109, 171 Pfaller, Robert 79, 80, 86, 142, 236 Pirker, Peter 41−43 Plassnik, Ursula 63, 73, 169 Poier, Klaus 127, 128, 152 Polaschek, Martin 130, 131 Prager, Miriam 188 Prammer, Barbara 66, 140 Pröll, Erwin 74, 78, 79, 87, 92

282

Anhang

Rabinowich, Julya 214 Rachler, Paul 79, 91 Rahmann, Maren 134 Rathkolb, Oliver 56, 99, 106, 148, 149, 166, 184, 208, 231, 238 Rauchensteiner, Manfried 64, 79, 80, 87, 125, 139, 141, 142, 145, 191 Reisenhofer, Christin 135, 136 Renan, Ernest 41 Renner, Karl 14, 35, 47, 48 Reuss, Albert 188 Rigerl, Georg 166 Rosenstingl, Josef 205 Rothländer, Christiane 118 Rühle, Fabian 116, 117 Rütgen, Georg 170 Saekert, Sven 134, 135 Safrian, Hans 110 Sandgruber, Roman 33 Sanwald, Siegfried 130, 131 Sarközi, Rudolf 112 Saywald-Wedl, Sandra 128, 152 Schafranek, Hans 110, 146, 147, 171, 172, 220 Schalber, Katharina 110 Schallenberg, Alexander 218, 245 Schaumayer, Maria 54–56, 255, 256 Schausberger, Franz 155 Scherak, Nikolaus 246 Schickhofer, Michael 166 Schirach, Baldur von 208 Schmoll, Gabriela 134 Schmoller, Hildegard 171, 223, 229 Schnabl, Bojan-Ilija 112, 123, 124, 187 Schoditsch, Thomas 188 Scholz, Kurt 44, 63, 68, 69, 77–79, 88, 102, 138, 139, 188, 190, 191, 200, 201, 257 Schriffl, David 125, 151, 170 Schüssel, Wolfgang 7, 35, 36, 51, 56, 58−60, 63, 255 Schützenhöfer, Hermann 166 Schwarz, Peter 122, 123

Schwarz, Trixi 177 Segal, Milli 199, 222 Sinowatz, Fred 46 Skordos, Adamantios T. 125, 170 Šmidrkal, Václav 171 Sobotka, Wolfgang 13, 204, 244 Soyfer, Jura 210, 213, 214 Soyinka, Susan 188 Spielmann, Fritz 217 Stadler, Friedrich 166 Stadler, Wilhelm 202, 228 Staudinger, Barbara 117 Steinbauer, Heribert 142 Steiner, Ludwig 56, 57, 59−61, 64, 81, 256 Stelzl-Marx, Barbara 8, 69, 121, 122, 125, 126 Stern, Michael 106 Steßl, Sonja 69 Stoisits, Terezija 62 Stoppacher, Christian 180 Stourzh, Gerald 64, 65, 79, 80, 88, 142, 143, 190 Strache, Heinz-Christian 43 Strasser, Jürgen 64, 95−98 Stuhlpfarrer, Karl 33 Sturm-Schnabl, Katja 112, 123, 124, 187 Sucharipa, Ernst 256 Sulzenbacher, Hannes 118 Sulzgruber, Werner 113 Suppan, Arnold 108, 109, 190 Sznaider, Natan 26 Tal, Josef 215 Tandler, Julius 121, 123 Teichova, Alice 33 Titz, Eva Tamara 113 Traska, Georg 113 Treiblmayr, Christopher 162 Trenczak, Heinz 159 Tschiggerl, Martin 188 Tutter, Kurt Y. 204, 258 Uhl, Heidemarie 40, 45, 147

Personenregister Ullmann, Viktor 215 Unger, Hedwig 128, 152 Unger, Miriam 179 Van der Bellen, Alexander 11, 243 Venus, Theodor 106, 107 Vollath, Bettina 166 Vranitzky, Franz 24, 26, 27, 132, 255 Vyslonzil, Elisabeth 167 Waldheim, Kurt 23−25, 38, 42, 45, 46, 49 Walzer, Tina 113, 114, 203 Webber, Ruth 245 Weinert, Wilhelm 108, 109 Weinmann-Stern, Judith 176, 177 Weizsäcker, Richard von 39, 40 Whiteread, Rachel 256 Wieland, Simon 217

283

Wiesenthal, Simon 20, 22, 176, 196 Wieser, Ralph 116 Winklbauer, Andrea 114, 115 Winkler, Hans 62, 67, 69, 77, 79, 89, 92, 105 Wirth, Maria 118, 120 Wisiak, Nikolaus 180 Wodak, Ruth 118 Wohlgenannt, Claudia 180, 220, 240 Wotava, Richard 56, 57, 59, 63, 64, 66, 77, 78, 89, 256 Zajac, Marek 126 Zauner, Alfred 112 Zauser, Therese 213 Zechner, Ingo 99, 106, 172, 173, 230, 238 Zechner, Kathrin 182 Zuckerkandl, Berta 213

284

Anhang

Autorenverzeichnis Univ.-Prof. Dr. Günter Bischof, geboren 1953 in Mellau/Vorarlberg, studierte in Innsbruck, Wien und New Orleans Geschichte und Englisch/Amerikanistik und promovierte an der Harvard Universität in amerikanischer Geschichte. Er ist der Marshall Plan Chair of History und Direktor des Center Austria: The Austrian Marshall Plan Center for European Studies an der Universität von New Orleans, wo er seit mehr als 30 Jahren unterrichtet. Er war Gastprofessor an den Universitäten München, Innsbruck, Salzburg, Wien, den Wirtschaftsuniversitäten in Wien und Prag sowie an der Hebräischen Universität in Jerusalem – während des „Coronavirus-Semesters“ im Frühjahr 2020 war er Gastprofessor in Innsbruck. Das Land Vorarlberg ernannte ihn 2019 zum „Wissenschafter des Jahres.“ Seine Hauptforschungsbereiche liegen in der internationalen Zeitgeschichte, vor allem zu den USA und Mitteleuropa im Kalten Krieg, sowie österreichische Einwandererbiografien in die USA. Er ist Mitherausgeber der Contemporary Austrian Studies (29 Bände) und Autor bzw. Herausgeber von weiteren 25 Büchern. Seine jüngsten Bücher sind mit Hans Petschar „Der Marshallplan in Österreich – Seit 1947: Die Rettung Europas & der Wiederaufbau Österreichs“ (2017) und mit Hannes Richter „Towards the American Century: Austrians in the United States“ (2019). Univ.-Prof. Dr. Barbara Stelzl-Marx, geboren 1971 in Graz, ist Professorin für europäische Zeitgeschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz, Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung, Graz – Wien – Raabs, und Vizepräsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission. 2020 wurde sie als „Wissenschafterin des Jahres“ ausgezeichnet. Die Zeithistorikerin ist Autorin bzw. Herausgeberin zahlreicher Publikationen, darunter etwa der preisgekrönten Habilitation „Stalins Soldaten in Österreich. Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955“ und „Besatzungssoldaten. Die Nachkommen alliierter Soldaten in Österreich und Deutschland 1945–1955“ (hg. mit Silke Satjukow). 2018 kuratierte sie die Ausstellung im GrazMuseum „Lager Liebenau. Ein Ort verdichteter Geschichte“. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen: Kriegsfolgen des Zweiten Weltkrieges, Kalter Krieg, Kinder des Krieges, Migration, Stalins Propaganda für sowjetische DPs, Erinnern und Gedenken. Dr. Katharina Bergmann-Pfleger, geboren 1981 in Graz, absolvierte ihr Magister- und Doktoratsstudium der Deutschen Philologie sowie der Medienkunde an den Universitäten Graz und Wien. Sie sammelte umfangreiche Erfahrungen in der wissenschaftlichen Forschung zu den Themenbereichen österreichische Zeit-, Institutions- und Unternehmensgeschichte, Provenienzforschung, Bibliotheksgeschichte 1938–1945 sowie Biografieforschung und veröffentlichte zahlreiche Publikationen, darunter „Geschichte der Universitätsbibliothek Graz 1938–1945“, „Der Compass. 150 Jahre österreichische Wirtschaftsgeschichte“ (gem. mit Tano Bojankin und Nikolaus Futter) sowie „Bildungshaus Schloss St. Martin. 100 Jahre begegnen – begeistern – bilden“ (gem. mit Barbara Stelzl-Marx und Eva-Maria Streit). Seit 2017 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung, Graz – Wien – Raabs.