Außerdienstliches Verhalten von Arbeitnehmern [1 ed.] 9783428497768, 9783428097760

Nach fast 30 Jahren werden erstmals wieder die wissenschaftlich und praktisch bedeutsamen Fragen des außerdienstlichen V

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Außerdienstliches Verhalten von Arbeitnehmern [1 ed.]
 9783428497768, 9783428097760

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AMREI WISSKIRCHEN

Außerdienstliches Verhalten von Arbeitnehmern

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 172

Außerdienstliches Verhalten von Arbeitnehmern

Von Amrei Wisskirchen

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Wisskirchen, Amrei:

Außerdienstliches Verhalten von Arbeitnehmern I von Amrei Wisskirchen. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht; Bd. 172) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09776-9

Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-09776-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

e

Vorwort Die Arbeit hat der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn 1997/1998 als Dissertation vorgelegen. Sie wurde im Frühjahr 1997 fertiggestellt und vor Drucklegung auf den Stand von Dezember 1998 aktualisiert. Ich bedanke mich sehr herzlich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Meinhard Heinze. Er hat mir als Mitarbeiterin an seinem Institut bei der Erstellung der Doktorarbeit grundlegende Anregungen gegeben und mir wissenschaftliche Freiheit gewährt. Danken möchte ich auch Prof. Dr. Herbert Fenn rur die Übernahme des Zweitgutachtens. Meine Kollegen am Institut fUr Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit haben durch ihre stets vorhandene Bereitschaft zur Diskussion sehr zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Mein besonderer Dank gilt meinem Vater, meiner Schwester und Stephan Ebeling, die durch ihre konstruktiven Anregungen einen großen Anteil an dieser Arbeit haben, sowie meinem Mann, der diese Arbeit mit seiner beständigen Unterstützung entscheidend gefördert hat.

Bonn, im Winter 1999

Amrei Wisskirchen

Inhaltsverzeichnis Kapitel J

Einleitung

11

I. Allgemeines ......................................... ....................................................................... 11 1. Zu dieser Arbeit.. .......................................................................................... 11 2. Abgrenzung .................................................................................................. 12 3. Gang der Untersuchung ................................................................................ 13 11. Geschichtlicher Überblick ......................................................................................... 14 1. Der Dienstvertrag im römischen Recht.. ....................................................... 14 2. Der Dienstvertrag im Mittelalter .................................................................. 15 3. Der Dienstvertrag während und nach der industriellen Revolution .............. 15 4. Der Dienstvertrag um die lahrhundertwende und im Dritten Reich ............. 16 5. Zusammenfassung ........................................................................................ 17 Kapitel 2

Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

18

I. Rechtfertigung und Rechtsnatur außerdienstlicher Verhaltenspflichten ..................... 18 1. Rechtfertigung .............................................................................................. 18 a) Allgemeine schuldrechtliche Grundsätze .................................................. 18 aa) Interessenwahrungspflichten gern. § 242 BGB .................................. 19 bb) Dauerschuldverhältnis ....................................................................... 20 b) Arbeitsrechtliche Besonderheiten ............................................................. 21 aa) Personenrechtliches Element ............................................................. 21 aaa) Darstellung der Ansicht.. ............................................................ 21 bbb) Kritik ......................................................................................... 23 bb) Genossenschaftliches E1ement.. ......................................................... 25 cc) Sozialstaatsprinzip ............................................................................. 27 dd) Drittdimension des Arbeitsverhältnisses ............................................ 28 ee) Parallele zur verbandsrechtlichen Einbindung ................................... 30 ft) Gesetzliche Bestimmung des § 60 HGB ............................................. 32 2. Rechtsnatur ................................................................................................... 32 a) Bestandteil der Arbeitspflicht ................................................................... 32 b) Selbständige Treuepflicht als weitere Hauptpflicht oder schuldrechtliche Nebenpflicht ................................................................. 34

8

Inhaltsverzeichnis

11. Eingrenzungsmerkmale zur Bestimmung der Pflichten und der Relevanz des Verhaltens .................................................................................................................. 36 I. Betriebsbezogenheit. ..................................................................................... 37 a) Grundsatz .................................................................................................. 37 b) Ausnahme ................................................................................................. 38 c) Umfang der Betriebsbezogenheit .............................................................. 39 aa) Konkrete Störung: Die Rechtsprechung des BAG .............................. 39 bb) Eigener Ansatz ................................................................................... 40 aaa) Ausreichen der Gefiihrdung ....................................................... .40 bbb) Ausmaß der Gefiihrdung ............................................................ 42 d) Zusammenfassung ..................................................................................... 46 2. Einwirken von Grundrechten ........................................................................ 47 a) Einleitung .................................................................................................. 47 b) Die Meinungsfreiheit gern. Art. 5 Abs. I GG in Abwägung mit den Rechten des Arbeitgebers und anderer Arbeitnehmer .............................. 48 aa) Beeinträchtigung der Ehre .................................................................. 51 bb) Angriff auf die Existenz des Betriebs ................................................ 53 cc) Beeinträchtigung des Wettbewerbsinteresses, des Produktionsinteresses und der Vertraulichkeitssphäre ....................... 54 aaa) Durch unwahre Tatsachenbehauptungen .................................... 54 bbb) Durch Werturteile ...................................................................... 55 ccc) Durch wahre Tatsachenbehauptungen und sachliche Kritik ....... 57 (1) Anzeige gegen den Arbeitgeber wegen arbeitnehmerschädigender Handlungen .............................. 57 (2) Anzeige gegen den Arbeitgeber wegen strafbarer Handlungen ......................................................................... 61 ddd) Durch Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ........... 63 dd) Zusammenfassung .............................................................................. 64 c) Besonderheiten bei Tendenzbetrieben ...................................................... 65 aa) Definition von Tendenzbetrieben ....................................................... 65 bb) Rechtfertigung des Tendenzschutzes ................................................. 66 cc) Außerdienstliche Verhaltenspflichten im Tendenzarbeitsverhältnis ... 70 aaa) Tendenzträger ............................................................................. 71 bbb) Umfang der Pflichten ................................................................. 72 111. Zusammenfassung .................................................................................................... 74 Kapitel 3

Rechtsfolgen des relevanten außerdienstlichen Verhaltens

75

I. Außerdienstliche Verhaltenspflichten gern. § 242 BGB ............................................. 75 1. Durchsetzbarkeit der Nebenpflichten ........................................................... 76 a) Schutzpflichten ......................................................................................... 76 b) Selbständige Nebenpflichten .................................................................... 78

Inhaltsverzeichnis

9

c) Nebenleistungsptlichten ............................................................................ 78 2. Schadensersatz ............................................................................................. 80 3. Verhaltensbedingte Kündigung .................................................................... 82 11. Sonstiges außerdienstlich relevantes Verhalten ......................................................... 85 1. Allgemeines / Begriff der Obliegenheit.. ...................................................... 85 2. Die personenbedingte Kündigung als mögliche Rechtsfolge ....................... 86 a) Voraussetzungen der personenbedingten Kündigung ............................... 86 b) Sonderproblem der Druckkündigung ....................................................... 87 aa) Zulässigkeit ........................................................................................ 87 bb) Dogmatische Einordnung .................................................................. 88 aaa) Als betriebsbedingte Kündigung (h. M.) .................................... 88 bbb) Als personen bedingte Kündigung ............................................. 90 c) Einzelne personenbedingte Gründe .......................................................... 93 aa) Sexual- und Eheleben ........................................................................ 93 bb) Straftaten ........................................................................................... 98 cc) Verwandtschaft und Freundschaft .................................................... 100 dd) Lohnpflindungen .............................................................................. 101 111. Zusammenfassung .................................................................................................. 103 Kapite/4

Statuierung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten

105

I. Durch Vertrag ........................................................................................................... 105 I. Zulässigkeit der Erweiterung über den gesetzlichen Umfang hinaus ......... 105 2. Kontrollrnaßstab ......................................................................................... 107 a) Verfassungskonforme Auslegung und Billigkeitskontrolle .................... 107 b) Inhaltskontrolle gern. § 242 BGB ........................................................... 108 c) Rechtsfolge bei Verstoß: Geltungserhaltende Reduktion oder Nichtigkeit (Kassation) .......................................................................... 108 3. Mögliche Vertragsgestaltungen ......................... ................ ......................... 111 a) Nebentätigkeit.. ....................................................................................... 111 aa) Skizzierung der gesetzlichen Ausgangslage ..................................... 111 bb) Vertragliche Erweiterungsmöglichkeiten ........................................ 113 aaa) Anzeigepflicht einer Nebentätigkeit.. ....................................... 113 bbb) Ausdehnung des Wettbewerbsverbots auf andere Geschäftsbereiche ........................................................ .. ......... I 14 ccc) Reglementierung von Kapitalbeteiligungen .................. .. ......... 114 ddd) Verbot wirtschaftlich riskanter Verhaltensweisen ................... 116 eee) Erhaltung der Leistungs- bzw. Arbeitsfilhigkeit.. ..................... 117 b) Residenzpflicht ....................................................................................... 121 c) Schmiergeldannahme .............................................................................. 121 4. Zusammenfassung ...................................................................................... 123 11. Durch Tarifvertrag ................................................................................................... 123

10

Inhaltsverzeichnis

I. Zulässigkeit. ................................................................................................ 123 2. Mögliche Regelungen ................................................................................. 125 111. Durch Betriebsvereinbarung ................................................................................... 126 I. Zulässigkeit. ................................................................................................ 126 a) Bejahende Ansicht (h. M.) ...................................................................... 126 b) Verneinende Ansicht .............................................................................. 127 c) Auseinandersetzung mit der h. M. am Beispiel des Lohnabtretungsverbots ........................................................................... 129 d) Ausnahme von der grundsätzlichen Unzulässigkeit... ............................. 133 2. Zusammenfassung ...................................................................................... 134 IV. Durch Direktionsrecht ............................................................................................ 134 I. Existenz des Direktionsrechts ..................................................................... 134 a) Faktische Grundlagen ............................................................................. 134 b) Rechtliche Grundlagen ........................................................................... 135 2. Rechtliche Wirkung und Grenzen des Direktionsrechts ............................. 137 3. Direktionsrecht bezüglich außerdienstlicher Verhaltenspflichten .............. 138 4. Zusammenfassung ...................................................................................... 141 V. Zusammenfassung ................................................................................................... 141 Kapitel 5

Ergebnisse der Arbeit in Thesenform

142

Literaturveneichnis ...................................... .,.................... .. .... .... .. ,................ ... ...... 146 Sachregister........ ,........................................................................................................ 157

Kapitell

Einleitung I. Allgemeines 1. Zu dieser Arbeit

Die Fragen, die in dieser Arbeit untersucht werden, gewinnen in einer Zeit an Bedeutung, in der Arbeitnehmer immer weniger Zeit im Arbeitsverhältnis verbringen. Für die meisten ist als Folge verkürzter Arbeitszeit die Freizeit stetig gewachsen. Andere nehmen diese Entwicklung zum Anlaß, ihr insoweit brachliegendes Arbeitspotential in selbständiger Tätigkeit oder im Rahmen einer anderen vertraglichen Bindung, sei es Arbeitsvertrag oder Dienstvertrag, zu nutzen. Der Raum fiir außerdienstliches Verhalten von Arbeitnehmern hat sich auf diese Weise nicht nur objektiv vergrößert, er ist vor allem vielfältiger geworden. Schon dadurch dürften sich einige Fragen anders als früher stellen und beantworten. Neben diesen großen empirischen Veränderungen, die das Objekt "Außerdienstliches Verhalten" selbst betreffen, sind auch Rechtsänderungen zu beachten, die rur die Bewertung und Einordnung bedeutsam sind. Hier kommt vor allem der rechtlichen Entwicklung Gewicht zu, die sich in der stärkeren Beachtung der Grundrechte im Bereich des Zivilrechts zeigt. J Beides zusammen, die tatsächliche Veränderung und die Neujustierung zwischen Verfassungs- und Zivilrecht sind hinreichender Grund fiir eine juristische Untersuchung des Themas. Dies gilt um so mehr, als eine systematische Bearbeitung des Gesamtproblems des außerdienstlichen Verhaltens von Arbeitnehmern schon mehr als ein viertel Jahrhundert zurückliegt? Die vorliegende Arbeit versucht, vor einer Beantwortung von Einzelfällen dogmatische Anknüpfungspunkte herauszuarbeiten, die eine Richtschnur fiir die Behandlung der mannigfachen Fallvariationen bilden sollen. Von der Aufstellung einer Formel, unter die fiir das Arbeitsverhältnis relevantes außer-

J Siehe nur zur Bürgschaft BVerfGE 89, S. 214ff; zur Haftung des Arbeitnehmers BAG GS, AP Nr. 103 zu § 611 BGB -Haftung des Arbeitnehmers-. 2 Daum, Außerdienstliche Verhaltenspflichten von Arbeitnehmern, München 1969.

12

Kapitel I: Einleitung

dienstliches Verhalten subsumiert werden kann, wurde jedoch Abstand genommen. Denn sie könnte aufgrund der Vielfalt der denkbaren Sachverhalte nur generalklauselartig formuliert werden und damit lediglich grobe, fUr den Einzelfall letztlich nicht weiterfUhrende Anhaltspunkte fUr die Beantwortung der Frage nach der Relevanz geben. 2. Abgrenzung Mit außerdienstlichem Verhalten ist das in zeitlich und räumlicher Hinsicht außerhalb der Arbeitsleistung liegende Verhalten gemeint. Insofern bleibt von der Untersuchung die Problemgruppe "Schutz der Privatsphäre des Arbeitnehmers im Betrieb, z. B. Kleiderordnung, politische Meinungsäußerung etc." ausgenommen. Auch die spezielle Problematik des außerdienstlichen Verhaltens kirchlicher Mitarbeiter wird nicht behandelt, selbst wenn Fallgruppen aus diesem Bereich (wie z. B. die Kündigung der geschiedenen Kindergärtnerin, die erneut heiratet) zumeist als erstes mit dem Thema der Arbeit assoziert werden. Hier spielt jedoch die verfassungsrechtliche Stellung der Kirchen eine so entscheidende Rolle, daß dieses Thema in einer auf das Individualarbeitsrecht ausgerichteten Arbeit einen Fremdkörper darstellen würde, welchem man sich aufgrund ganz anderer Prämissen nähern müßte. 3 Dies zeigt sich bezüglich des außerdienstlichen Verhaltens darin, daß es nach der Rechtsprechung des BVerfG allein den Kirchen und nicht den Gerichten zusteht, über die Inhalte und die Abstufungen der besonderen Loyalitätsbindungen der kirchlichen Mitarbeiter zu entscheiden. 4 Im Gegensatz dazu ist die Entscheidung eines nichtkirchlichen Arbeitgebers, daß das außerdienstliche Verhalten eines Arbeitnehmers fUr das Arbeitsverhältnis Relevanz hat und nachteilige Konsequenzen nach sich ziehen muß, von den Gerichten voll überplÜtbar. Für den kirchlichen Bereich fällt somit der größte Teil der Problematik fort, da die Kirchen den Umfang der außerdienstlichen Verhaltenspflichten selbst bestimmen dürfen. Auch die Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst sind nicht Gegenstand der Untersuchung, soweit es politische Aktivitäten der Arbeitnehmer betrifft, da hier die Tatsache, daß der Staat Arbeitgeber ist, gerade in verfassungsrechtlicher Hinsicht wiederum ganz andere Anforderungen an das Verhalten von Arbeitnehmern stellt als in Arbeitsverhältnissen der Privatwirtschaft. 3 Rüthers, NJW 1986, S. 356tf, bezeichnet das Kirchenarbeitsrecht zurecht als Sonderdisziplin. 4 BVerfDE 70, S. I 38tf.

I. Allgemeines

13

Positiv fonnuliert wird die vorliegende Arbeit das außerdienstliche Verhalten von Arbeitnehmern in Arbeitsverhältnissen der privaten Wirtschaft (einschließlich der verfassungsrechtlich geschützten Tendenzbetriebe) behandeln.

3. Gang der Untersuchung Die Arbeit ist in vier Kapitel untergliedert: Das erste Kapitel fUhrt in die Thematik ein und gibt einen kurzen geschichtlichen Überblick über die Bedeutung außerdienstlichen Verhaltens im Laufe der Geschichte des Dienst- bzw. Arbeitsvertrags. Im zweiten Kapitel werden zunächst allgemeine schuldrechtliche Grundsätze und arbeitsrechtliche Besonderheiten daraufhin untersucht, inwiefern sie eine Rechtfertigung rur die Annahme außerdienstlicher Verhaltenspflichten liefern können. Im folgenden befaßt sich das Kapitel mit den Kriterien der Betriebsbezogenheit und des Einwirkens der Grundrechte beider Vertragsparteien, die zur Eingrenzung und Bestimmung der Relevanz außerdienstlichen Verhaltens herangezogen werden müssen. Hinsichtlich der Betriebsbezogenheit wird die Fonnulierung der Rechtsprechung und h. M., das Arbeitsverhältnis müsse konkret beeinträchtigt sein, kritisch beleuchtet und geprüft, ob nicht die Gefahr einer konkreten Beeinträchtigung in bestimmten Fällen ausreicht. Das Einwirken der Grundrechte wird am Beispiel des Grundrechts auf Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers und der damit konkurrierenden Grundrechte des Arbeitgebers dargestellt. Anschließend werden im dritten Teil des zweiten Kapitels die wegen ihres verstärkten verfassungsrechtlichen Bezugs eine Sonderstellung genießenden Tendenzarbeitsverhältnisse behandelt. Das dritte Kapitel befaßt sich mit den Rechtsfolgen, die außerdienstliches Verhalten rur das Arbeitsverhältnis haben kann. Erörtert werden Unterlassungsansprüche, Schadensersatzansprüche sowie die verhaltens- und personenbedingte Kündigung. Das vierte Kapitel untersucht die Möglichkeiten, den gesetzlichen Pflichtenkreis außerdienstlichen Verhaltens durch Einzelvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung und Direktionsrecht zu erweitern. Zuletzt werden die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefaßt.

14

Kapitel I: Einleitung

11. Geschichtlicher Überblick Als Einfilhrung in das Thema sol1 zunächst aufgezeigt werden, ob und wenn ja, aufweIchen Grundlagen die Annahme außerdienstlicher Verhaltenspflichten im Rahmen eines Arbeitsvertrags im Laufe der Geschichte basierte. 1. Der Dienstvertrag im römischen Recht

Im römischen Recht war der Dienstvertrag, der wegen der weit verbreiteten und billig zu erlangenden Sklavenarbeit nur geringe Bedeutung hatte, der Sachmiete eines Sklaven nachgebildet. Die "locatio conductio operarum" war ein rein schuldrechtlicher Vertrag, der auf die Leistung niederer Dienste gegen ein Entgelt gerichtet war. Bei der Erbringung höherer Dienste, die "operae liberales", fanden die Regeln des unentgeltlichen Auftrags Anwendung. Denn filr sie wurde zwar eine Ehrengabe (honorarium, salarium) geleistet, auf die jedoch kein Rechtsanspruch bestand. Dies änderte sich erst in der Spätklassik. s Für ein über die Pflicht zur Arbeitsleistung hinausgehendes Treueelement, welches Grundlage filr außerhalb der Dienstpflicht bestehender Verhaltenspflichten hätte sein können, war in diesem der Miete nachgebildeten Dienstvertrag somit kein Raum. Dies läßt sich unter anderem mit der Eigenart des römischen Rechts erklären, zwischen Recht einerseits und Sitte bzw. Religion andererseits streng zu unterscheiden. So gewährte einem das römische Recht teilweise grenzenlose Macht über Sachen und auch Personen (s. z. B. die "patria potestas" des Hausherrn oder die "manus" des Ehemanns). Eine verantwortungslose Handhabung dieser Macht konnte nicht in einem Rechtsstreit vor dem Magistrat angegriffen werden, wohl aber als eine Verletzung der guten Sitten (bona fides) vor dem hierfilr zuständigen Censor. Die Machtordnung des Rechts wurden also durch außerrechtliche Mächte ergänzt.6 Insofern wäre rur den hier interessierenden Zusammenhang ein in dem Dienstvertrag selbst enthaltendes Treueelement systemwidrig und auch nicht notwendig gewesen. Der Vertrag regelte die zu erbringenden Dienste und die darur vorgesehenen Gegenleistungen. Darüber hinausgehende (Treue-) Pflichten bildeten ein Problem, weIches man nicht von einem rechtlichen, sondern

5 Kaser, Römisches Privatrecht, § 42 III; Mitteis / Lieberich, Dt. Privatrecht, S. 147; Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 327f; MünchArb-Richardi, § 2 Rn. 4. 6 Dahm, G., Dt. Recht, S. 81 f; Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 397, 41Of; Schmid, Die Familie in Art. 6 des Grundgesetzes, S. 45f.

11. Geschichtlicher Überblick

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einem sittlichen Standpunkt aus betrachtete und dessen Einhaltung auf einem anderem als dem rechtlichen Weg zu erreichen war. 2. Der Dienstvertrag im Mittelalter Aus dem germanischen Treuedienstvertrag entwickelte sich in Deutschland während des Mittelalters zum einen der Gesindevertrag, zum anderen der Lehrund Gesellenvertrag in der gewerblichen Wirtschaft. Beiden Vertragsarten war gemeinsam, daß neben dem auf Leistungsaustausch gerichteten Schuldverhältnis eine dauernde Arbeitsgemeinschaft begründet wurde. Im mittelalterlichen Recht wurde dem Element der Gemeinschaft weit größere Bedeutung zugemessen als den in einem Arbeitsverhältnis auch enthaltenen Interessengegensätzen. Aus dieser genossenschaftlichen Beziehung zwischen Dienstherr und Dienstnehmer ergab sich daher automatisch eine starke gegenseitige Treuepflicht. 7 Bei der Aufnahme in die Hausgemeinschaft (was bei dem Gesindevertrag die Regel war), kam noch verstärkend das personenrechtliche Element der Schutz- und FUrsorgepflicht, der Strafgewalt und der Haftung des Dienstherm hinzu. Dem stand die strenge Gehorsamspflicht des Gesindes bzw. der Lehrlinge und Gesellen gegenüber. 8 Somit war der Dienstvertrag im Mittelalter, obwohl ein schuldrechtlicher Vertrag, in besonderem Maße von gegenseitigen Treuepflichten geprägt, die Grundlage auch rur in das Privatleben hineinreichende, also außerdienstliche Verhaltenspflichten waren.

3. Der Dienstvertrag während und nach der industriellen Revolution Mit der Entstehung der Manufakturen im 17. Jhdt. entstand ein neuer Typus von Arbeitsverhältnissen. Die rur das Mittelalter charakteristische Hausgemeinschaft und Genossenschaftlichkeit der Arbeit wurde aufgelöst. Nun arbeiteten eine Vielzahl von Dienstnehmern in einem arbeitsteiligen Prozeß innerhalb eines großen Produktionsbetriebs. Der früher übliche enge Kontakt zum Dienstherm ging so verloren. Demzufolge wurde auch das personen-

Ogris, RdA 1967, S. 287, 294; Oppermann, JZ 1937, S. 5f. Conrad, Dt. Rechtsgeschichte Bd.l, S. 424; Mitteis / Lieberich, Dt. Privatrecht, S. 146; Ogris, RdA 1967, S.286, 288f; Ebel, Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht, S. 27ff; Könnecke, Rechtsgeschichte des Gesindes, S. 289ff, 526. 7

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Kapitell: Einleitung

rechtliche Element sowie die gegenseitige Treuepflicht in dem Dienstvertrag zurückgedrängt. 9 Die Industrialisierung im 19. Jhdt. verstärkte diese Entwicklung. Aufgrund der Größe der Fabriken und der damit einhergehenden Entfremdung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern fielen die letzten genossenschaftlichen Bindungen an den Dienstherm fort. IO Nun war das Arbeitsverhältnis geprägt von den Interessengegensätzen der Vertragsparteien. Der Dienstvertrag hatte sich wieder der römisch-rechtlichen "locatio conductio operarum", dem rein schuldrechtlichen Austausch von Arbeitsleistung gegen Lohn, angenähert. 11

4. Der Dienstvertrag um die Jahrhundertwende und im Dritten Reich Gegen Ende des 19. Jhdts. bahnte sich eine veränderte Betrachtung der Arbeit an. Die von Christentum und Naturrechtslehre herrührende Bewertung der Arbeit als Persönlichkeitsgut fand angesichts der sozialen Mißstände, die ihren Ursprung in der rein schuldrechtlichen Sichtweise des Arbeitsverhältnisses hatten, verstärkte Beachtung. Damit erhielt auch der Gedanke der gegenseitigen Treuepflicht, insbesondere der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, wieder Einzug in den Arbeitsvertrag. 12 Diese Entwicklung hin zu einem modifizierten schuldrechtlichen Vertrag mit personemechtlichem Einschlag wurde durch die Arbeitsgesetzgebung im Dritten Reich unterbrochen. Die Ursache lag in dem Erlaß eines neuen Arbeitsordnungsgesetzes (AOG), insbesondere in der Fassung des § 2 AOG. Dieser bestimmte, daß der Führer des Betriebs gegenüber der nun in "Gefolgschaft" umbenannten Belegschaft in allen betrieblichen Angelegenheiten, soweit durch dieses Gesetz geregelt, allein zu entscheiden hatte. Gleichzeitig hatte die Gefolgschaft gern. § 2 Abs. 2 dem Betriebsfiihrer die in der Betriebsgemeinschaft begründete Treue zu halten. Aus dieser Formulierung wurde, nach einigem Zögern auch vom RAG 13 , der Schluß gezogen, daß sich dieser in der Betriebsgemeinschaft herrschende Geist der Treue und Fürsorge auch auf das Individualarbeitsverhältnis auswirken müsse. Das genossenschaftliche Element des Arbeitsverhältnisses, wie es im Mittelalter aus dem germanischen Treuedienstvertrag entwickelt worden war, erlangte nun, Ogris, RdA 1967, S. 286,290. Ogris, RdA 1967, S. 286, 297; Jansen, Porzellanmanufakturen, S. 20. 11 Jansen, Porzellanmanufakturen, S. 20. 12 Mitteis / Lieberich, Dt. Privatrecht, S. 148. \3 RAG, ARS 33, 172, 175f; 37, 230, 236f; 38, 40, 43; 40, 43, 44; RAGE 20, 3,4; 22, 296, 302. 9

10

11. Geschichtlicher Überblick

17

allein schon wegen seiner "germanischen" Herkunft, große Bedeutung. Die für das schuldrechtliche Element typischen Interessengegensätze traten vollkommen in den Hintergrund, sie ließen sich sogar mit der nationalsozialistischen Idee der gemeinsamen Arbeit für den Führer und für die Nation nicht mehr vereinbaren. Das Arbeitsverhältnis galt als personenrechtliches, auf Treue und Fürsorge gegründetes Gemeinschaftsverhältnis, in dem schuldrechtliche Begriffe und Grundsätze nur dann anwendbar waren, wenn sie sich mit dem Wesen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren ließen. 14 Somit war der Arbeitnehmer auch außerhalb seiner eigentlichen Dienstzeit aufgrund dieses seine ganze Person umfassenden Gemeinschaftsverhältnisses pflichtgebunden. Die Entwicklung der Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis bis in die heutige Zeit und der aktuelle Stand der Diskussion um den Charakter des Arbeitsverhältnisses sollen in dem folgenden Kapitel 2 ausführlicher dargestellt werden.

5. Zusammenfassung

Der kursorische Überblick zeigt, daß die Existenz außerdienstlicher Verhaltenspflichten im Lauf der Jahrhunderte sehr unterschiedlich beurteilt wurde und sich keine kontinuierliche Entwicklung im Sinne eines ständigen Aus- oder Abbaus dieser Pflichten erkennen läßt.

14 Wahsner, Unrechtsstaat, S. 86, 99f, 105; Hientzsch, Drittes Reich, S. 62f; Mansfeld in Mansfeld-Pohl, S. 89ff, S. 108ff; Siebert, DAR 1935, S. 95ff.

2 Wisskirchen

Kapitel 2

Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten I. Rechtfertigung und Rechtsnatur außerdienstlicher Verhaltenspflichten Bevor auf Art und Umfang der außerdienstlichen Verhaltenspflichten eingegangen werden kann, müssen zunächst ihre rechtlichen Grundlagen und ihre Rechtsnatur geklärt werden. 1. Rechtfertigung

Es stellt sich vorab die Frage, worauf überhaupt die Annahme von zusätzlichen Verhaltenspflichten fUr Arbeitnehmer gegründet werden kann. Insbesondere die Statuierung von Pflichten, die sich sowohl zeitlich als auch räumlich außerhalb der Erbringung der Hauptleistung befinden, also außerdienstliche Verhaltenspflichten, erscheint durchaus überraschend und kaum schuldrechtskonform. Ihrem Inhalt nach sind es im weitesten Sinne Interessenwahrungs- und Rücksichtnahmepflichten I, da es stets um Sachverhaltskonstellationen geht, in denen dem Arbeitnehmer ein zusätzliches Handeln zugunsten des Betriebs oder aber ein Unterlassen abverlangt wird, um Schaden vom Betrieb zu wenden. a) Allgemeine schuldrechtliche Grundsätze

Da das Arbeitsverhältnis ein Schuldverhältnis ist, erscheint es sinnvoll, zunächst allgemeine schuldrechtliche Grundsätze heranzuziehen, die einen Begründungsansatz fUr das Vorhandensein außerdienstlicher Verhaltenspflichten bieten könnten.

I

Die Begriffe werden im folgenden synonym verwendet.

I. Rechtfertigung und Rechtsnatur außerdienstlicher Verhaltenspflichten

19

aa) Interessenwahrungspflichten gern. § 242 BGB Deshalb soll zuerst untersucht werden, ob und inwiefern allen Schuldverhältnissen Interessenwahrungspflichten innewohnen. Nach der Generalklausel des § 242 BGB hat der Schuldner die Leistung so zu erbringen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Aus dieser Vorschrift könnten sich allgemeine Interessenwahrungspflichten ableiten lassen. Die zentralen Begriffe des § 242 BGB sind Treu und Glauben. Sie beinhalten einerseits einen Vertrauensschutz, andererseits eine billigende Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen anderer Beteiligter, und zwar auch und gerade dort, wo deren Schutzwürdigkeit in der speziellen rechtlichen Regelung nicht bzw. nicht hinreichend Rechnung getragen wird. 2 Daraus kann man schließen, daß die Parteien einander zu einem Mindestmaß an Vertrauen, zu loyalem Zusammenwirken und zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet sind. Jede Partei muß sich in zumutbarer Weise bemühen, daß der Zweck erreicht wird, den die andere Partei erstrebt. 3 Es genügt also ftlr den Schuldner nicht, die dem Vertragstypus entsprechende und im Gesetz normierte Hauptleistung zu erbringen. § 242 BGB konkretisiert die Leistungspflicht dahingehend, daß das Leistungsinteresse des Gläubigers verwirklicht wird und ihm der bezweckte Leistungserfolg erhalten bleibt. Demzufolge muß der Schuldner unter Umständen noch zusätzliche, über das bloße Erbringen der Hauptleistung hinausgehende Nebenpflichten erftHlen, um die Anforderungen des § 242 BGB zu erftHlen. 4 Schließlich können den Schuldner auch Schutzpflichten bezüglich der Rechtsgüter seines Vertragspartners treffen. Denn § 242 BGB will auch das Integritätsinteresse des Gläubigers schützen. Diese weitergehenden Pflichten lassen sich im wesentlichen wie folgt begründen: Indem die Vertragspartner eine rechtsgeschäftlich-soziale Sonderbeziehung knüpfen, muß der Gläubiger vielfach seine Privatsphäre dem Vertragspartner öffuen. So kann dieser leichter in den fremden Rechtskreis hineinwirken und Schaden anrichten. Dieser speziellen vertraglichen Gefahr wird das Deliktsrecht nicht hinreichend gerecht, da dort das Vermögen als solches keinen besonderen Schutz hat und die Zurechenbarkeit von Drittverschulden gern. § 831 BGB ungünstiger als in § 278 BGB ausgestaltet ist. 5 Daher

2 3 4

S

MüKo-Roth, § 242 Rn. 4; Soergel-Teichmann, § 242 Rn. 4. Erman-Werner, § 242 Rn. 3. MüKo-Roth, § 242 Rn. 108. MüKo-Roth, § 242 Rn. 110.

20

Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

ist es notwendig, mit den erhöhten Einwirkungsmöglichkeiten ein ebenso erhöhtes Schutzinteresse bzw. eine ebenso erhöhte Interessenwahrungspflicht korrespondieren zu lassen. Allgemein ist somit festzustellen, daß es grundsätzlich in allen Schuldverhältnissen Interessenwahrungspflichten gibt, die darauf gerichtet sind, sowohl den Leistungserfolg zu bewahren als auch andere Rechtsgüter des Vertragspartners zu schützen. Ihr Umfang bestimmt sich nach der Art und den Besonderheiten des Schuldverhältnisses, so unter anderem nach der Frage, wie groß die Einwirkungsmöglichkeiten des Schuldners sind. 6 Wegen der Vielfalt der zu bedenkenden Faktoren ist aber eine norrnmäßige Erfassung nur durch die Generalklausel des § 242 BGB möglich. bb) Dauerschuldverhältnis Der Charakter des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis könnte zudem in besonderem Maße außerdienstliche Verhaltenspflichten begründen. In diesem Sinne wird bei Dauerschuldverhältnissen teilweise ohne weiteres eine größere Intensität der neben der Hauptleistung existierenden Verhaltenspflichten angenommen. 7 Bereits die längere Bindung und Zusammenarbeit schaffe eine größere Vertrauensbasis als bei nur kurz andauernden Vertragsbeziehungen. Dem widerspricht Mayer-Maly. Es komme vielmehr allein auf den Inhalt des Vertragsverhältnisses an, inwiefern nämlich der Vertragspartner zur Wahrnehmung fremder Interessen herangezogen werde. Dies sei der gemeinsame Nenner, unter dem Vertragsarten zusammengefaßt werden könnten, die weitergehende Verhaltenspflichten auslösten. Als Beispiel nennt er die in der Regel nur kurz bestehenden Vertragsarten wie den Auftrag oder den Maklervertrag, bei denen sogenannte Treuepflichten anerkannt seien. 8 Die Ansicht Mayer-Malys verdient Zustimmung. Der Charakter als Dauerschuldverhältnis kann zwar ein Indiz filr umfangreichere Verhaltenspflichten sein. Sie sind jedoch keine zwingende Folge. So löst beispielsweise ein Mietverhältnis nicht so weitgehende Pflichten aus wie der oben erwähnte Auftrag, bei dem der Auftraggeber dem Auftragnehmer gerade die Wahrnehmung seiner Interessen überantwortet, die fremde Interessenwahrnehmung somit ein prägender Wesenszug des Vertragsverhältnisses ist. MüKo-Roth, § 242 Rn. 176; Erman-Werner, § 242 Rn. 45. BGH, JZ 1959,482; NJW 1960,718; Erman-Werner, § 242 Rn. 62; MüKo-Roth, § 242 Rn. 154; Fenn, AuR 1971, S. 321,325. 8 Mayer-Maly, Treue- und Fürsorgeptlicht, S. 71, 83f. 6

7

1. Rechtfertigung und Rechtsnatur außerdienstlicher Verhaltenspflichten

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Der Charakter des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis kann daher nicht zur Begründung eines größeren Umfangs der vertraglichen Pflichten und damit außerdienstlicher Verhaltenspflichten herangezogen werden. b) Arbeitsrechtliche Besonderheiten

Grundlage fiir die Annahme weitergehender Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers könnten zusätzlich die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses sein, die auf die Intensität der Vertragspflichten des Arbeitnehmers Einfluß haben und insofern auch außerdienstliche Verhaltensweisen erfassen können. aa) Personenrechtliches Element aaa) Darstellung der Ansicht

Das Arbeitsverhältnis wurde seit Beginn dieses Jahrhunderts und teilweise auch heute noch als durch ein personenrechtliches Element geprägt angesehen. Nach dieser Ansicht umfaßt das rechtliche Verhältnis die ganze Person des Arbeitnehmers, es läßt sich nicht auf den Austausch der geschuldeten Arbeitsleistung gegen Lohn begrenzen. 9 Dies hat zur Konsequenz, daß der Arbeitnehmer über seine Arbeitsleistung hinaus in besonderen Maße verpflichtet ist, seinem Arbeitgeber immer, d. h. auch außerhalb des Dienstes, die Treue zu wahren und sein Verhalten dementsprechend auszurichten. Im Gegenzug trifft den Arbeitgeber eine weitgehende Fürsorgepflicht filr das Wohl des Arbeitnehmers. Während das I. Kapitel der Untersuchung einen Überblick über die allgemeine Bedeutung außerdienstlicher Verhaltenspflichten in der Rechtsgeschichte gab, soll nun auf die konkrete Entwicklung der noch heute existierenden Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis eingegangen werden. 10 Die Auffassung wurde von Otto v. Gierke um ca. 1914 begründet. Er sah den deutschrechtlichen Treuedienstvertrag (z. B. den mittelalterlichen Gesindevertrag), dessen Ursprünge auf germanisches Recht zurückgehen, als Vorläufer

9 BAG, AP Nr. I zu § 615 BGB -Betriebsrisiko, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht-; A. Hueck, Anm. zu BAG, AP Nr. 2 zu § 611 BGB - Beschäftigungspflicht; Hueck / Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd.I, S. 115f, 220; Nikisch, Arbeitsrecht Bd.I, S. 162fT; Daum, Verhaltenspflichten, S. 33. 10 Wobei in diesem Gliederungspunkt zunächst das personenrechtliche Element untersucht wird, im nächsten Gliederungspunkt dann das genossenschaftliche.

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

des modernen Arbeitsverhältnisses an. 11 Seiner Ansicht nach war das Arbeitsverhältnis als personenrechtliches Herrschaftsverhältnis zu beurteilen. Daraus ergaben sich auch rur die beiden Parteien über die Erbringung der Arbeits- und Lohnleistung hinaus weitreichende Pflichten, die die Sorge und Treue gegenüber der anderen Person umfaßten. Mit Abschluß des Arbeitsvertrags unterwarf sich der Arbeitnehmer als Person einer fremden Herrschaft und wurde so zu persönlicher Tätigkeit rur die Zwecke und Bedürfnisse einer anderen Person verpflichtet. 12 Unterstützung fand v. Gierke bei Sinzheimer, der eine soziologische Betrachtung des Arbeitsverhältnisses verfaßte: Der Arbeitnehmer könne innerhalb eines Betriebes nicht als gleichberechtigt mit dem Arbeitgeber angesehen werden, so wie es bei den Partnern eines schuldrechtlichen Vertrages zu erwarten sei. Vielmehr müsse er sich einem fremden Herrschaftsbereich persönlich unterordnen. 13 Die Einbindung des Arbeitsverhältnisses in eine schuldrechtliche Dogmatik sei daher falsch. Seine Einordnung solle sich nicht an Rechtsnonnen, sondern an seiner konkreten Daseinsfonn orientieren. 14 Die Idee des personenrechtlichen Verhältnisses wurde in der NS-Zeit weiterentwickelt, da sie sich mit der Führerideologie gut verbinden ließ. § 2 Abs. 2 AOG bestimmte, daß der bisherige Arbeitgeber als "Führer" den Betrieb leitet und die Betriebsangehörigen, jetzt "Gefolgschaft" genannt, ihm unbedingten Gehorsam zu leisten hätten. Der Hauptteil in Schrifttum und Rechtsprechung lS beharrte aber darauf, zumindest die Entstehung des Arbeitsverhältnisses schuldrechtlich zu begründen und damit innerhalb der Zivilrechtsdogmatik zu bleiben. Die in § 2 Abs. 2 AOG festgelegte Fürsorge- und Treuepflicht sollte lediglich als Maßstab auf den Inhalt des Einzelarbeitsverhältnisses einwirken, nicht aber die rechtsbegrUndende Quelle bestimmter vennögensrechtlicher AnsprUche sein. 16 Dem widersprach Siebert. Ebenso wie Sinzheimer vertrat er die Ansicht, die von der Rechtslehre vorgenommene rechtliche Einordnung des Arbeitsverhältnisses in das Schuldrecht richte sich nicht nach den realen Gegebenheiten. Diese erblickte Siebert allerdings im Gegensatz zu Sinzheimer nicht in Herrschaftsverhältnissen, sondern in einer Betriebsgemeinschaft von v. Gierke, FS Brunner, S. 37ff. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd.III, S. 609. J3 Sinzheimer, Arbeitsnormenvertrag, Bd. I, S. 16. 14 Sinzheimer, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie, Bd. I, S. 402, 404. 15 RAG, ARS Bd.23, 170, 173; 26, 175, 176; 33, 172, 176; A. Hueck, Deutsches Arbeitsrecht, S.70; Nipperdey, DArbR 1937, 142, 143; Dersch, ZAkfDR 1936, S. 1033f. 16 RAG, ARS Bd.33, 172, 2. Leitsatz; vgl. auch Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 392ff. 11

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I. Rechtfertigung und Rechtsnatur außerdienstlicher Verhaltenspflichten

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Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 17 Die Treue- und FÜfsorgepflicht war ihm zufolge die umfassende Grundpflicht der Betriebsgemeinschaft, aus der sich alle anderen Pflichten, auch die Arbeits- und Lohnzahlungspflicht, ergaben. 18 Auch nach dem Nationalsozialismus blieb die Idee vom personenrechtlichen Verhältnis im Schrifttum existent. 19 Sie wurde zwar von dem nationalsozialistischen Gedankengut befreit, ihr Weiterbestehen erachtete man jedoch für notwendig, um sozialen Gerechtigkeitserwägungen ein Einfallstor in das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Hueck begründete nun seine Auffassung vom personenrechtlichen Verhältnis damit, daß im Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer seine persönliche Arbeitskraft dem Arbeitgeber unter dessen Leitung zur Verftlgung stelle und dadurch eine enge persönliche Bindung begründet werde, die entsprechend alter deutschrechtlicher Auffassung vom Grundsatz beiderseitiger Treue beherrscht werde. 20 Diese Ansicht vertrat auch das BAG in seiner Rechtsprechung bis Ende der 60er Jahre. 21 bbb) Kritik

Ein Großteil der Literatur bestreitet zurecht den Charakter des Arbeitsverhältnisses als ein personenrechtliches Verhältnis. 22 Zunächst bestehen Bedenken, das Arbeitsverhältnis auf deutschrechtliche Grundlagen ZUTÜckzufilhren. Der germanische Treuedienstvertrag ging von einem feudalen Herrschaftssystem aus. Die neue, auf den Gesetzen von freier Marktwirtschaft und Rechtsgeschäften basierende Gesellschaftsordnung löste aber im Zuge der induStriellen Revolution dieses System ab. Unter diesen Umständen stellt der Rückgriff auf Rechtsinstitute einer vergangenen Rechts- und Gesellschaftsordnung den nicht einleuchtenden Versuch dar, eine geschichtliche Kontinuität vorzugeben, die nicht existiert. 23

Siebert, Arbeitsverhältnis, S. 68ff. Siebert, Arbeitsverhältnis, S. 100ff. 19 A. Hueck, Anm. zu BAG, AP Nr.2 zu § 611 BGB -Beschäftigungspflicht-; Hueck / Nipperdey, Arbeitsrecht, Bd.I, § 22 11, § 37 I; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd.l, S.169. 20 A. Hueck, Treuegedanke, S. 13. 21 BAG, AP Nr. 5 und 7 zu § 611 BGB -Treuepflicht-. 22 Schwerdtner, Fürsorgetheorie, S.40ff; Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 14ff; ders., DB 1971, S. 1863, 1866f; Blomeyer, ZfA 1972, S. 85, 96f; Richardi, Treuepflicht, S. 41, 53ff; MünchArb-Richardi, § 8 Rn. 8ff; KempfJ, Grundrechte, S. 79ff; Duo, Personale Freiheit, S. 131ff; Fenn, AuR 1971, S. 321ff; Wiese, ZfA 1996, S. 439ff. 17

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Ebensowenig überzeugt zur Begründung dieser Konstruktion der Hinweis auf die realen Gegebenheiten, die vom Schuldrecht nicht in befriedigender Weise erfaßt werden könnten. Denn wenn man die Rechtsquelle des Arbeitsverhältnisses in konkreten Daseinsformen erblickt, macht man sie vom ideologischen Standpunkt des jeweiligen Betrachters abhängig. Als Beispiel sind Sinzheimer und Siebert anzufilhren, von denen der erstere das Arbeitsverhältnis als Ausdruck eines Herrschaftsverhältnisses und des Interessengegensatzes Kapital-Arbeit sah (also ein eher marxistischer Ansatz), während der andere das Arbeitsverhältnis als ErfUllung der Betriebsgemeinschaft verstand (ein eher nationalsozialistischer Ansatz).24 Schließlich bestehen auch rechtsdogmatische und -theoretische Einwände. Ein personenrechtliches Verhältnis verpflichtet nämlich dazu, sich um das Wohl des anderen zu sorgen. Dies beinhaltet die Herstellung und Förderung aller Bedingungen seiner körperlichen und geistigen Existenz sowie die Möglichkeit, Entscheidungen über diese Maßnahmen zu treffen. Zu einer solch weitreichenden Sorge und Erziehung ist der Arbeitgeber jedoch nach dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses nicht befugt.25 Dem BGB ist zudem mit Ausnahme des Familienrechts ein solches Herrschafts- und Gewaltverhältnis fremd. 26 Der Gesetzgeber hat demgegenüber durch § 611 BGB ft1r das Arbeitsverhältnis deutlich gemacht, daß es sich dabei um einen schuldrechtlichen Vertrag handelt mit den im Synallagrna stehenden Hauptleistungen Arbeit und Lohn. 27 Die Abgrenzung zu diesen nicht bestrittenen schuldrechtlichen Elementen bleibt bei den Vertretern des Personenrechtsverhältnisses unklar. Schließlich ist A. Hueck entgegenzuhalten, daß die persönliche Erbringung der Arbeitsleistung, in der er das ausschlaggebende Kriterium rur die personenrechtliche Beziehung sieht, gern. § 613 BGB nur den Regelfall darstellt, jedoch kein unabdingbares Merkmal des Arbeitsvertrags ist. Die Annahme eines personenrechtlichen Verhältnisses ist somit kein überzeugender Ansatz, um Interessenwahrungspflichten des Arbeitnehmers auch im außerdienstlichen Bereich zu begründen.

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So auch MünchArb-Richardi, § 8 Rn. 4. So auch MünchArb-Richardi, § 8 Rn. 7. SO Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 17. Schwerdtner, FUrsorgetheorie, S. 40. Schwerdtner, FUrsorgetheorie, S. 46; Söllner, AcP 167 (1967), S. 132, 136.

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Ein Teilaspekt dieser Lehre erscheint trotzdem bedenkenswert: Mit der Verpflichtung des Arbeitnehmers, seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur VerfUgung zu stellen, ist zwar nicht zwingend (und deshalb sollte man in dieser Tatsache nicht wie Hueck ein ausschlaggebendes Kriterium erblicken), aber in der Regel gern. § 613 BGB der Einsatz der eigenen Person verbunden. Diese Eigenart des Arbeitsverhältnisses muß bei der Begründung und Bestimmung arbeitsvertraglicher Verhaltenspflichten berücksichtigt werden. 28 bb) Genossenschaftliches Element

In Verbindung mit dem personenrechtlichen Element wurde das Arbeitsverhältnis häufig auch als Gemeinschafts- oder Genossenschaftsverhältnis angesehen. 29 Dieser Ansatz läßt sich ebenfalls bis in das Mittelalter zurückverfolgen. 3o Merkmal einer Genossenschaft ist die Interessenidentität zweier oder mehrerer Parteien und der dadurch entstehende Wunsch zur gemeinsamen Zielerreichung. 31 Die Annahme eines genossenschaftlichen Elements im Arbeitsverhältnis könnte demnach als Begründung einer erweiterten und auch außerdienstlich bestehenden Interessenwahrungspflicht der jeweils anderen Vertragspartei zur gemeinsamen Zielerreichung dienen. Mit dem Hinweis auf die großen Interessengegensätze zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern wird dieses genossenschaftliche Element filr heutige Arbeitsverhältnisse teilweise ganz abgelehnt. 32 Seit der industriellen Revolution seien die Interessen der Arbeitsparteien stetig auseinandergedriftet. Das geltende Arbeitsrecht sei der Versuch, den Arbeitnehmerinteressen gegenüber denen des Arbeitgebers Geltung zu verschaffen und somit Ausdruck dieses Interessengegensatzes. Die Propagierung eines genossenschaftlichen Elements fllhre zu einer Verwischung der Interessen - und zwar zum Nachteil der Arbeitnehmer. 33 Zudem sei besonders im Dritten Reich durch § 2 AOG der Genossenschaftsgedanke hervorgehoben worden 34 , um die Arbeitnehmer in die Führerideologie 28 Vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 2 11 3, § 29 I 4; MünchArb-Blomeyer, § 49 Rn. 12; Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, § 29 11; Wiese, ZfA 1996, S. 439, 456. 29 Hueck / Nipperdey, Arbeisrecht, § 22 11; v. Gierke, FS Brunner, S. 37ff; Nikisch, Arbeitsrecht, S. 145ff. 30 Siehe Kapitel I, 11 2. 31 Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 19; Olto, Personale Freiheit, S. 134. 32 Schwerdtner, Fürsorgetheorie, S.48; Kempff, OB 1979, S.790, 791; Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 17ff. 33 Kempff, Grundrechte, S. 90ff. 34 Siehe vor allem Oppermann, JW 1937, S. 5, 7f(Kapitell, 11 4).

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einzubinden. Dieser Umstand verstärke noch die Bedenken gegen die Annahme eines genossenschaftlichen Elements im Arbeitsverhältnis. J5 Dieser Ansicht ist zwar zuzugeben, daß es im Arbeitsverhältnis gegenläufige Interessen gibt (möglichst viel Lohn filr möglichst wenig Arbeit und umgekehrt) und diese wohl auch vorherrschend sind. Andererseits kann aber eine gewisse Interessenparallelität nicht geleugnet werden. Jedem Arbeitnehmer ist der Erfolg des Betriebs wichtig, weil davon seine Lohnhöhe und vor allem auch der Bestand seines Arbeitsplatzes abhängt.J6 Er sitzt insofern mit dem Arbeitgeber "in demselben Boot".J7 Auch die Vorschrift des § 2 BetrVG sieht vor, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer friedlich und kooperativ filr das Wohl des Betriebs und seiner Arbeitnehmer sorgen sollen. Daraus kann zwar nicht die Notwendigkeit eines genossenschaftlichen Verhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber abgeleitet werdenJ8 , die Betriebspartner werden aber zur gemeinsamen Interessenwahrung angehalten. Sie haben untereinander gesteigerte Loyalitäts- und Rücksichtnahmepflichten. Die Zusammenarbeit soll sowohl nach ihrer Art und Weise als auch hinsichtlich der Zielsetzung in Kooperation statt in Konfrontation stattfmden. J9 Ein genossenschaftliches Element kann darin jedenfalls ausgemacht werden. Schließlich kommt dem Hinweis auf die nationalsozialistische Vergangenheit des Genossenschaftsgedankens im Arbeitsrecht keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die bloße Nutzbarmachung und auch Verzerrung dieser Idee im Dritten Reich zugunsten der nationalsozialistischen Ideologie kann nicht zur Folge haben, daß sich dieser Rechtsgedanke dadurch automatisch filr eine weitere Verwendung disqualifiziert hat. Das Arbeitsverhältnis ist zwar wegen des unstreitig bestehenden Interessengegensatzes zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber kein Gemeinschaftsverhältnis, ihm wohnt aber aufgrund der teilweise bestehenden Interessenidentität hinsichtlich des Betriebserfolgs ein genossenschaftliches Element inne.

35 Kempff, Grundrechte, S. 93ft'; Wiese, ZfA 1996, S. 439, 452; OUo, Personale Freiheit, S. 136. 36 Weber, Vertrauensvolle Zusammenarbeit, S. 32; Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 446f; Mayer-Maly, Treue- und Fürsorgeptlicht, S. 71, 86. 37 Siehe auch Adomeit, JA 1988, S. 173ft', der in der Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks ein gesellschaftsrechtliches Element i. S. d.. BGB-Gesellschaft im Arbeitsverhältnis erblickt. 38 So aber Neumann-Duesberg, NJW 1954, S. 617, 618f. 39 MünchArb-v. Hoyningen-Huene, § 289 Rn. 21, § 292 Rn. 28.

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Diese arbeitsvertragsspezifische Besonderheit stellt einen Baustein in der Begründung besonderer arbeitsvertraglicher Verhaltenspflichten dar. cc) Sozialstaatsprinzip Benda hat einen Gedanken entwickelt, der auf der Auffassung vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis autbaut. Nach seiner Auffassung regelt das Sozialstaatsprinzip neben der staatlichen Ordnung auch unmittelbar das Verhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Seine Ansicht begründet er mit der dort herrschenden Über- und Unterordnung, welche dem Machtverhältnis Staat-Bürger gleiche. WUrde das Sozialstaatsprinzip nicht im Arbeitsrecht angewandt, so verringerte sich der Wert dieses Prinzips in erheblichen Maße. Denn eine noch so soziale Politik des Staates nütze nichts, wenn das Arbeitsleben, welches einen großen Teil der Persönlichkeit erfasse und das Leben eines Menschen wesentliche präge, nicht von sozialstaatlichen Maximen bestimmt sei. 4o Benda folgert daraus, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch über die aus dem personenrechtlichen Verhältnis sich ergebende FUrsorge- und Treuepflicht hinaus eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme triffi. 41 Indem Benda das Sozialstaatsprinzip auf das Arbeitsverhältnis anwendet, findet er eine zusätzliche Begründung filr die Annahme eines personenrechtlichen Verhältnisses. Die dagegen bereits erhobenen Einwände gelten filr Bendas Theorie ebenso. Erst recht müssen gegen die direkte Geltung des Sozialstaatsprinzips im Arbeitsverhältnis mit der Folge, daß daraus Rechte und Pflichten abgeleitet werden können, Bedenken angemeldet werden. Nach der h.M. wirkt dieses verfassungsrechtliche Prinzip bindend filr den Gesetzgeber und ist eine Auslegungsmaxime filr die Rechtsprechung und Verwaltung. 42 Wegen seiner Unbestimmtheit kann es aber nicht als Anspruchsgrundlage verwendet werden. Aus diesem Grund vermag das Sozialstaatsprinzip nicht, Privatrechtsverhältnisse konkret auszufUllen und damit Verpflichtungen zu statuieren. 43 Zudem wirken die verfassungsrechtlichen Grundsätze regelmäßig nur über die Generalklauseln in Privatrechtsverhältnisse hinein, ihre Unmittelbarkeit ist stark umstritten. 44 Das BAG ist bezüglich der Grundrechte Mitte Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 413f. Benda, Industrielle Herrschaft und Sozialstaat, S. 440. 42 BVertGE 1, S. 97, 105; BVerfG, AP Nr. 22 zu § 112 BetrVG 1972. 43 MüKo-Söllner, § 611 Rn. 176; MünchArb-B/omeyer, § 49 Rn. 13. 44 Dafür: Gamillscheg, Grundrechte, S. 28ft"; Nipperdey, RdA 1950, S. 121ft"; Laujke, FS Lehmann, Bd.l., S.145, 179ft"; dagegen: BVerfGE 7, S. 198, 207; 12, S. 113, 124; MünchArb-Richardi, § 10 Rn. 9; Alexy, Grundrechte, S. 480; Canaris, AcP 184 (\984), S. 201, 203ft". 40 41

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der achtziger Jahre dazu übergegangen, zumindest im Arbeitsvertragsrecht nur noch ihre mittelbare Geltung anzuerkennen. 4s Die direkte Anwendung des Sozialstaatsprinzip im Arbeitsverhältnis muß daher abgelehnt werden und kann jedenfalls nicht als Ansatz zur Begründung von Interessenwahrungspflichten des Arbeitnehmers dienen. dd) Drittdimension des Arbeitsverhältnisses Eine weitere Besonderheit, die Einfluß auf die Begründung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten haben kann, ist die Drittdimension des Arbeitsverhältnisses. Verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit in einem Betrieb, so steht sein individualrechtlich begründetes Schuldverhältnis zwar selbständig neben denen der anderen Mitarbeiter. Dennoch gibt es Wechselbeziehungen zwischen den Arbeitnehmern, die sich auch auf den Inhalt des Arbeitsvertrags und damit auf die Rechte und Pflichten auswirken. 46 Ausdruck dieser Wechselbeziehung ist zunächst das kollektive Arbeitsrecht, das durch Tarifabschlüsse und Betriebsvereinbarungen neue Rechte und Pflichten begründen kann. Beispielhaft genannt sei die vorübergehende Einfilhrung von Kurzarbeit, die die von dem Arbeitnehmer selbst vertraglich ausgehandelte Arbeitszeit auch gegen seinen Willen verringert. Die Abhängigkeit des Inhalts seines Vertrags von denen seiner Kollegen zeigt sich filr den Arbeitnehmer vor allem im arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn der Arbeitgeber ist danach nicht befugt, einen seiner Arbeitnehmer schlechter zu stellen als vergleichbare andere, es sei denn, es gibt dafilr einen sachlichen Grund. 47 Die Vertragsfreiheit wird also durch diese Spielart der Drittdimension des Arbeitsverhältnisses eingeschränkt. Eine weitere Komponente des Drittbezugs liegt in der sozialen Auswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung gern. § lAbs. 3 S. 1 KSchG. Die Frage, ob dem Arbeitnehmer gekündigt wird, hängt von den sozialen Daten seiner Kollegen ab. Falls seine Weiterbeschäftigung nicht im berechtigten betrieblichen Interesse liegt (gern. § lAbs. 3 S. 2 KSchG), kann er ebensowenig wie der Ar-

4S BAG, AP Nr. 27 zu § 611 BGB -Direktionsrecht-; AP Nr. 14 zu § 611 BGB -Beschäftigungspflicht-. 46 MünchArb-Richardi, § 8 Rn. 16; Richardi, Treuepflicht, S. 41, 69f; Gamillscheg, FS Fechner, S. 135ff. 47 BAG, AP Nr. 4 zu § 242 BGB - Gleichbehandlung -.

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beitgeber das Ergebnis der Entscheidung eines Kündigungsrechtsstreits beeinflussen.48 Schließlich ist noch die gesetzliche Haftungsbeschränkung unter Arbeitnehmern gern. § 105 SGB VII (früher § 637 RVO) in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Zunächst galt für die Arbeitnehmer das normale Schadensersatzrecht, das für die Begegnung einander fremder Personen geschaffen wurde, nämlich das Deliktsrecht. Diese Regelung trug jedoch nicht dem Umstand Rechnung, daß die nichtvertraglichen Beziehungen zwischen Kollegen am gleichen Arbeitsplatz im Vergleich zu manchen vertraglichen Verhältnissen ebenso eng, wenn nicht sogar noch enger sind. Durch die Einftlhrung der Haftungsbeschränkung bei deliktischen Handlungen unter Kollegen hat der Gesetzgeber 1963 diesem Aspekt Geltung verschafft. 49 Die aufgefilhrten Punkte zeigen, daß erhebliche Wechselbeziehungen zwischen den Arbeitnehmern trotz ihrer isolierten, parallel nebeneinander verlaufenden Schuldverhältnisse zum Arbeitgeber bestehen. Daraus ergeben sich zum einen Vorteile, so bei der gemeinsamen Interessenvertretung im Betriebverfassungs- und Tarifrecht, durch die Arbeitnehmer ihre Stellung als Vertragspartner wesentlich stärken können. Zum anderen sind jedoch auch Nachteile hinzunehmen. Sie entstehen aufgrund der Einsicht, daß in einer Betriebsgemeinschaft nicht immer die eigenen Interessen ohne Rücksicht auf die der anderen durchgesetzt werden können. Am deutlichsten wird dieser Gedanke bei der sozialen Auswahl. Gamillscheg spricht in diesem Zusammenhang von "So lidarität" .50 Diese Überlegungen sind geeignet, eine weitere rechtliche Begründung für eine Interessenwahrungspflicht des Arbeitnehmers zu geben, soweit er seine Arbeit in einem Betrieb mit mehreren Mitarbeitern zusammen verrichtet. Denn eine Nichtschädigung des Betriebs kommt neben dem Arbeitgeber auch den anderen Kollegen zugute und liegt damit in deren Interesse. sl Die aufgezeigte Drittdimension des Arbeitsverhältnis ist somit ein weiteres Kriterium filr die Annahme einer Interessenwahrungspflicht des Arbeitnehmers und für die Bestimmung ihres Umfangs. 52

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Richardi, Treuepflicht, S. 41, 69. Gamillscheg, FS Fechner, S. 135, 136; Richardi, Treuepflicht, S. 41, 69. Gamillscheg, FS Fechner, S. 135, 137. Buchner, ZfA 1979, S. 335, 346. Gamillscheg, FS Fechner, S. 135, 139ff.

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ee) Parallele zur verbandsrechtlichen Einbindung Schließlich könnte sich aus dem Gedanken der verbandsrechtlichen Einbindung ein BegrUndungsansatz filr Interessenwahrungspflichten des Arbeitnehmers gewinnen lassen, soweit die Interessenlage im Arbeitsverhältnis vergleichbar ist. Bei verbandsrechtlichen Mitgliedschaftsverhältnissen (Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften) werden von der Rechtsprechung weitgehende Loyalitätspflichten angenommen. Aktivitäten außerhalb des Verbands, die sich gegen seine Zielsetzung richten, berechtigen danach stets zum Ausschluß des betreffenden Mitglieds. 53 Ebenso kann die Aufnahme in den Verband aus diesen Gründen verweigert54 oder können zusätzlich SchadensersatzansprUche begründet werden 55 • Schließlich können auch verbandsinterne Aktivitäten, z. B. Verteilung von Flugblättern, in denen die Arbeit des satzungsgemäß gewählten Vorstands polemisch attakiert wird, zum Ausschluß fUhren. 56 Diese das Verbandsmitglied treffenden Einschränkungen seiner Handlungspflicht sind zulässig. Einerseits lassen sie sich damit begründen, daß die Verbände selbst grundrechtlich durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt sind. Sie können ihre von der Verfassung übertragenen Aufgaben nicht erfUllen, wenn sie Mitglieder haben, die den Verbandszweck konterkarieren oder unterlaufen. Außerdem nimmt das Mitglied mit seinem Eintritt in den Verband zur gemeinsamen Zweckverfolgung Beschränkungen in seinen Grundrechtspositionen hin, wie z. B. in der Meinungsfreiheit; schließlich fmdet der Beitritt freiwillig statt. Hinzukommt die Möglichkeit des Mitglieds, sich in den verbandsrechtlichen Mitwirkungsbereichen wie z. B. den Vorstandswahlen an der Meinungsbildung zu beteiligen und so die Inhalte der gemeinsamen Interessenverfolgung zu beeinflußen. Es fragt sich, inwiefern diese Bewertungsgrundsätze auf ein Arbeitsverhältnis übertragen werden können. Ein Merkmal, welches im Verbandsrecht die Grundrechtseinschränkung der Mitglieder mitbegrUndet, ist die verfassungsrechtlich geschützte Position der Verbände selbst (Art. 9 Abs. 3 GG). Einen solchen Schutz genießt das Arbeitsverhältnis nicht. Als ein weiterer maßgeblicher Aspekt ist jedoch die Möglichkeit filr Arbeitnehmer zu untersuchen, an den Zielsetzungen ihres Unternehmens mitzuwirken. 53 54 55 56

BAG, AP Nr. 21 zu Art. 9 GG; EzA Nr. 26, 50, 51 zu Art. 9 GG. BAG, EzA Nr. 38 zu Art. 9 GG. BAG, EzA Nr. 27 zu Art. 9 GG. BAG, EzA Nr. 52 zu Art. 9 GG.

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Hier kommen zunächst die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in Betracht. Die betriebliche Mitbestimmung in § 87 BetrVG ist durch die Arbeitsgerichte immer weiter ausgedehnt worden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung57 schließt die unternehmerische Entscheidungsfreiheit als Beschränkungskriterium der Mitbestimmung generell aus, ein Standpunkt, der übrigens nur wenig Zustimmung im Schrifttum58 gefunden hat. Dennoch kann die dem Betriebsrat von der Rechtsprechung eingeräumte Einflußnahme auch auf wirtschaftliche Entscheidungen nicht als so weitgehend angesehen werden, daß sie mit den satzungsmäßigen Mitwirkungsbefugnissen der Mitglieder von Verbänden gleichgesetzt werden könnte. 59 Etwas anderes gilt aber für solche Unternehmen der Montanindustrie, in der die paritätische Mitbestimmung herrscht. Denn dort stehen den Arbeitnehmern Wege offen, sich über den Arbeitsdirektor im Vorstand Einfluß auf die ihren Betrieb betreffenden Entscheidungen zu verschaffen. Es läßt sich daher sagen, daß das Merkmal der Mitwirkungsmöglichkeit, welches im Verbandsrecht eine Interessenwahrungspflicht mitbegründet, zumindest bei Arbeitsverhältnissen in montanmitbestimmten Unternehmen, wenn auch in abgeschwächter Form, vorhanden ist und daher als Ansatz flir eine solche Pflicht herangezogen werden kann. Für alle Arbeitsverhältnisse kann zumindest eine Parallele in einem Punkt zu einem verbandsrechtlichen Mitgliedschaftsverhältnis festgestellt werden: die Freiwilligkeit des Eintritts. Ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag abschließt -mag er dazu auch aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sein-, gibt mit der Einigung zu verstehen, daß er die Ziele des Unternehmens durch seine Arbeitsleistung in Zukunft unterstützen will. Er hat sich damit nicht nur fUr die Einhaltung seines Vertrags, sondern auch fUr eine positive Haltung gegenüber den Betrlebzielen ausgesprochen. Beides läßt sich nicht voneinander trennen, da die Arbeitsleistung innerhalb der Betriebsorganisation erbracht werden muß und ihre genaue Ausgestaltung durch den Betriebszweck bestimmt wird. 60 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Grundsätze zur verbandsrechtlichen Einbindung nur bedingt auf das Arbeitsverhältnis übertragbar sind. Aufgrund der Freiwilligkeit des Eintritts und - allerdings nur bei montanmitbestimmten Unternehmen - der Einflußmöglichkeiten der Arbeitnehmer auf das 57 BAG, AP Nr.3 zu § 87 BetrVG 1972 -Kurzarbeit-; AP Nr.8 zu § 87 BetrVG 1972 -Arbeitszeit-. 58 Wiese, Anm. zu BAG, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 -Kurzarbeit-; Erdmann, FS K. Molitor, S. 81, 90ft'; Lieb, ZfA 1988, S. 413, 434ft'; Duo, NZA 1992, S. 97, 100. 59 V gl. auch Buchner, ZfA 1979, S. 335, 342. 60 Buchner, ZfA 1979, S. 335, 344; Teubner, Alternativkomm. zum BGB, § 242 Rn. 53.

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Unternehmensziel kann man aber überzeugende Ansätze zur Begründung von Interessenwahrungspflichten des Arbeitnehmers auch im außerdienstlichen Bereich gewinnen. ft) Gesetzliche Bestimmung des § 60 HGB

Ein weiterer Hinweis auf die Existenz von Verhaltenspflichten der Arbeitnehmer auch außerhalb ihrer eigentlichen Arbeitsverrichtung ist der § 60 Abs. 1 HGB. Darin wird dem Handlungsgehilfen und auch dem selbständigen Handlungsreisenden verboten, in Konkurrenz zu ihrem Prinzipal zu treten. Der Gesetzgeber hat somit anerkannt, daß der Arbeitnehmer - das BAG hat die nach ihrem Wortlaut nur filr das Handelsgewerbe geltenden Grundsätze des § 60 HGB wegen der identischen Interessenlage auf alle Arbeitnehmer filr anwendbar erklärt6J - nicht nur während der bedungenen Arbeitszeit zur Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet ist, sondern auch in seiner Freizeit die Interessen des Arbeitgebers durch sein Verhalten nicht schädigen darf. § 60 HGB stellt eine gesetzliche Konkretisierung dieses Gedankens dar. 62 Aus § 60 HGB läßt sich somit herleiten, daß es außerdienstliche d. h. außerhalb der eigentlichen Arbeitspflicht bestehende Verhaltenspflichten filr Arbeitnehmer geben kann. 2. Rechtsnatur Nach Aufzeigen der allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätze und der arbeitsrechtlichen Besonderheiten, die die Existenz außerdienstlicher Verhaltenspflichten rechtfertigen, soll im folgenden auf ihre Rechtsnatur und ihre rechtliche Grundlage eingegangen werden.

a) Bestandteil der Arbeitspflicht Zunächst könnten außerdienstliche Verhaltenspflichten Bestandteil der Hauptleistungspflicht des Arbeitsvertrags selbst, der Arbeitspflicht, sein. 63 Nach Ansicht des Reichsgerichts64 gehört es zur vertraglichen Hauptleistung, den

BAG, AP Nr. 7, 8, 10 zu § 611 BGB -Treuepflicht-. BAG, AP Nr. 5,6 zu § 60 HGB, EzA § 60 HGB Nr. 2; Buchner, ZfA 1979, S.335,337f. 63 So Molitor, AR-Blattei, Arbeitspflicht A IV G. 64 RGZ 54, S. 98, 102. 61

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Vertragszweck weder durch Unterlassen noch durch positives Tun zu gefiihrden. Inhalt der Arbeitspflicht wäre es dann, neben der Erbringung seiner Arbeitsleistung alles zu unterlassen, was den Erfolg verhindern oder beeinträchtigen könnte und unter Umständen über die Arbeitsleistung hinaus noch Handlungen vorzunehmen, die zum Erhalt des Erfolgs beitragen. Dagegen sprechen aber GrUnde der zivilrechtlichen Dogmatik. Die Schuldverhältnisse sind im BGB auf HauptansprUchen aufgebaut. Dabei werden konkrete Schuldnerpflichten, die "essentialia negotii ", gesetzlich festgelegt, wodurch die Vertragsart typisiert und von anderen abgrenzbar gemacht wird. 6S So legt § 611 BGB fUr den Arbeitsvertrag fest, daß derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet wird. Es erscheint daher systemfremd, zusätzliche, nicht normierte Hauptleistungspflichten zu bilden. Ginge man so vor, verwischte man zunehmend die Konturen der Vertragstypen, zumal sich diese zusätzlichen Pflichten teilweise ähneln. Ein weiterer Gedanke gegen die Ausdehnung der Hauptpflicht auf alle den Vertragserfolg unterstützenden Verhaltenspflichten läßt sich aus § 9 Abs. 2 Nr.2 AGBG gewinnen. Danach ist eine Klausel unwirksam, wenn sie wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, vertragszweckgefiihrdend einschränkt. Der Gesetzgeber unterscheidet also durchaus zwischen normierten Hauptpflichten, die dem Vertrag ihr Gepräge geben, und nicht normierten Nebenpflichten, und er knüpft daran auch teilweise verschiedene Rechtsfolgen. 66 Diese Überlegung spricht dagegen, außerdienstliche Verhaltenspflichten, die begrifflicherweise nichts mit der direkten Arbeitsleistung zu tun haben und schon wegen ihrer Vielfalt den Vertragstypus nicht festlegen können, als Bestandteil der Arbeitspflicht anzusehen. Hinzukommt, daß eine solche Auffassung wegen des Synallagmas zwischen Arbeitspflicht und Lohnzahlungspflicht bedenklich erscheint. Die Ausdehnung des Begriffs der Hauptpflicht würde wegen § 325 BGB stets zum Fortfall des Lohnzahlungsanspruchs fUhren, wenn der Arbeitnehmer zwar seine unmittelbare Arbeitsleistung erbracht hat, durch ein weiteres Verhalten dann aber den Vertragserfolg gefiihrdet und somit die Hauptleistung als nicht erfUllt anzusehen wäre. Ein derartiges Verhalten außerhalb der eigentlichen Hauptleistungspflicht ist nur in bestimmten Fällen als so schwerwiegend anzusehen, daß es einen Wegfall der Lohnzahlungsanspruchs (aber gern. § 242 BGB und

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Esser / Schmidt, Schuldrecht, S. 108. So auch Esser / Schmidt, Schuldrecht, S. 109.

3 Wisskirchen

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

nicht gern. § 325 BGB) rechtfertigen wUrde. Hierbei kämen nur solche Verhaltenspflichten in Betracht, die zur Arbeitspflicht akzessorisch sind. Zudem beinhaltet die Gleichsetzung von außerdienstlichem Verhalten und Hauptleistung die Annahme, daß der Arbeitnehmer nicht nur die Arbeitsleistung selbst, sondern auch den Arbeitserfolg bewirken muß. Dies ist jedoch offensichtlich beim Arbeitsvertrag, der eine Unterart des Dienstvertrags darstellt, nicht der Fall. Vielmehr wird die Unterscheidung zwischen Dienst- und Werkvertrag gerade an der Erfolgseinstehungspflicht des Werkunternehmers festgemacht, die beim Dienstleistenden eben nicht besteht, wenngleich eine gewisse Erfolgsförderungspflicht dadurch natürlich nicht ausgeschlossen ist. Es läßt sich wegen der aufgefilhrten Einwände abschließend feststellen, daß außerdienstliche Verhaltenspflichten nicht als Bestandteil der Arbeitspflicht angesehen werden können. b) Selbständige Treuepflicht als weitere Hauptpflicht oder schuldrechtliche Nebenpjlicht

Wenn man die Arbeitspflicht als Grundlage außerdienstlicher Verhaltenspflichten ablehnt, bleibt noch zu prüfen, ob eine selbständig neben der Arbeitspflicht existierende Treuepflicht anzunehmen ist oder außerdienstliche Verhaltenspflichten als nebenvertragliche Pflichten gern. § 242 BGB aufzufassen sind. Die Vertreter der Lehre von dem personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis gehen von einer selbständigen Treuepflicht aus. 67 Die oben aufgefilhrten Bedenken68 müssen auch gegen die weiteren Schlußfolgerungen der Ansicht gelten, also auch gegen die Annahme einer Treuepflicht. Mayer-Maly69 hingegen begründet sein Eintreten fllr eine selbständige Treuepflicht damit, daß die nebenvertraglichen Pflichten gern. § 242 BGB in der Regel Schutzpflichten seien, die sich nicht auf das Leistungsinteresse, sondern nur auf das Integritätsinteresse des Gläubigers bezögen. Die herausgebildeten Fallgruppen der Interessenwahrungspflichten (z. B. Unterlassen von Wettbewerb oder von heilungshemmendem Verhalten während Arbeitsunfilhigkeit) dienten jedoch größtenteils dem Leistungsinteresse des Arbeitgebers, er müsse sie deshalb auch einklagen können. Die Schutzpflichten seien aber nach weit verbreiteter Ansicht nicht selbständig einklagbar, sondern wUrden bei ihrer 67 Hueck / Nipperdey, Arbeitsrecht, S. 220ff; Daum, Verhaltenspflichten, S. 31 ff; Ebert, OB 1979, S. 1750f. 68 Siehe Kapitel 2, I I b) aa) bbb). 69 Mayer-Maly, Treue- und Fürsorgepflicht, S. 71, 77ff.

I. Rechtfertigung und Rechtsnatur außerdienstlicher VerhaItenspflichten

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Verletzung nur Schadensersatzansprüche, Leistungsverweigerungsrechte oder Rücktrittsrechte auslösen. Da somit die Dogmatik von den nebenvertraglichen Pflichten dem besonderen Charakter der neben der Arbeitspflicht bestehenden sonstigen Arbeitnehmerpflichten nicht gerecht werde, müsse von einer selbständigen arbeitsrechtlichen Treuepflicht ausgegangen werden. 70 Die Einwände Mayer-Malys erscheinen nicht überzeugend. Wie bereits oben in den Begründungsansätzen außerdienstlicher Verhaltenspflichten dargelegt wurde, lassen sich vertragliche Interessenwahrungspflichten im Rahmen von Schuldverhältnissen sehr wohl auf § 242 BGB zurückfilhren. 71 Denn durch § 242 BGB werden nicht allein, wie Mayer-Maly meint, nur Schutzpflichten begründet, die das Integritätsinteresse des Gläubigers bewahren sollen. Aus Treu und Glauben ergeben sich auch gegenseitige Rücksichtnahmepflichten, so z. B. die Pflicht, den Vertragserfolg nicht zu gefährden. 72 Diese Pflichten sind sogenannte Nebenleistungspflichten und beziehen sich auf das Leistungsinteresse des Gläubigers. Diese Rücksichtnahmepflichten sind mit den von Mayer-Maly so bezeichneten Interessenwahrungspflichten des Arbeitnehmers gleichzusetzen und können als Begriffe synonym verwendet werden. Hinsichtlich ihrer Durchsetzbarkeit (auf die ausfilhrlicher in dem Kapitel 3: "Rechtsfolgen des außerdienstlich relevanten Verhaltens" eingegangen wird) geht die überwiegende Meinung davon aus, daß akzessorische Nebenleistungspflichten, also solche, die eng mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers verknüpft sind, einklagbar sind. 73 Aber auch bei Schutzpflichten wird eine Klagbarkeit bej aht. 74 Die von Mayer-Maly geltend gemachten Nachteile einer Einbettung in die Dogmatik vertraglicher Nebenpflichten gern. § 242 BGB bestehen also nicht. Abgesehen davon, daß eine Lösung arbeitsrechtlicher Probleme innerhalb des Zivilrechts einer Sonderbehandlung in der Regel vorzuziehen ise5 - auch Mayer-Maly stimmt dem grundsätzlich ZU76_, spricht noch ein weiterer Gedanke

70 Mayer-Maly, Treue- und Fürsorgepflicht, S. 71, 78ff; ähnlich sieht es Zöllner, der an dem Begriff Treuepflicht festhalten will, um die Grundlage der Pflicht nicht aus dem Auge zu verlieren: Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 13 III. 7\ Siehe Kapitel 2, I I a) aa). 72 MüKo-Roth, § 242 Rn. 4; Soergel-Teichmann, § 242 Rn. 4. 73 RGZ 119, 353; 131, 274; 136, 266; BGH, LM Nr. 2, 5, 6 zu § 536 BGB; Esser I Schmidt, Schuldrecht, S. 109; Stürner, JZ 1976, 384, 388; MüKo-Roth, § 242 Rn. 196. 74 MüKo-Roth, § 242 Rn. 196; Stürner, JZ 1976, S. 384, 385ff. 75 So Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie, S.80; Fenn, AuR 1971, S. 321, 325. 76 Mayer-Maly, Treue- und Fürsorgepflicht, S. 71, 80.

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

filr die Einordnung außerdienstlicher Verhaltenspflichten in den Bereich vertraglicher Nebenpflichten gern. § 242 BGB. Zwischen dem Arbeitsvertrag und damit der vereinbarten Arbeitspflicht sowie außerdienstlicher Verhaltenspflichten besteht eine enge Beziehung, man könnte auch von Akzessorietät reden. 77 Denn auf den Inhalt und vor allem den Umfang der in Frage stehenden Pflichten können die Art der Beschäftigung wie auch die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb Einfluß haben. Diesem Abhängigkeitsverhältnis wird man eher gerecht, wenn man die außerdienstlichen Verhaltenspflichten in die Vertragspflichten einbettet, anstatt sie als selbständige Treuepflicht neben die Arbeitspflicht zu steUen. 78 Auch der Einwand von Zöllner79, mit dem Begriff Treuepflicht bleibe die Grundlage dieser Pflicht, nämlich das dem Vertragspartner eingeräumte Vertrauen, im Bewußtsein, überzeugt nicht. Denn auch die Kennzeichnung als Nebenpflichten gern. § 242 BGB beinhaltet den diese Norm ausfilIlenden Grundsatz von Treu und Glauben. Auch außerdienstliche Verhaltenspflichten sind folglich ihrer Rechtsnatur nach als vertragliche Nebenpflichten gern. § 242 BGB anzusehen und auch als solche zu bezeichnen. 8o

11. Eingrenzungsmerkmale zur Bestimmung der Pflichten und der Relevanz des Verhaltens Im vorhergehenden Kapitel wurde dargelegt, daß außerdienstliche Verhaltenspflichten im Arbeitsverhältnis existieren. Daran schließt sich nun die Frage an, ob von dem Arbeitnehmer jede Art von außerdienstlicher Verhaltensweise verlangt werden kann, oder ob und in welcher Weise diese Pflichten begrenzt sind.

So Schwarz, FS Wilburg, S. 355, 365( So auch Kramer, Arbeitsvertragsrechtliche Verbindlichkeiten, S. 43. 79 Zöllner I Loritz, Arbeitsrecht, § 13 III. 80 So im Ergebnis: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 53 I I; Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie, S.79ff; ders., ZFA 1979, S. 1, 15ff; Richardi, Treuepflicht, S.41, 55ff; Fenn, AuR 1971, S.321, 325; Blomeyer, ZfA 1972, S.85, 97; Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, § 29 H. 77

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11. Eingrenzungsmerkmale

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1. Betriebsbezogenheit a) Grundsatz

Überwiegend stellen die BegrUndungsansätze ftlr die Zulässigkeit außerdienstlicher Verhaltenspflichten in ihrer Argumentation den Betrieb in den Mittelpunkt. Beispielhaft seien die zuvor dargestellte Drittdimension des Arbeitsverhältnisses und das genossenschaftliche Element, welches ihm innewohnt, genannt. Die Drittdimension des Arbeitsverhältnisses erfordert es, die eigenen Interessen in Beziehung zu denen der anderen Mitarbeiter zu setzen, sei es, daß man die gemeinsamen Forderungen aus einer stärkeren Position heraus an den Arbeitgeber richtet, sei es aber auch, daß man seine eigenen Interessen zugunsten der anderen zurUckstelien muß. Mit Hilfe dieses Ansatzes können somit nur solche Pflichten begrUndet werden, deren Einhaltung auch anderen Arbeitnehmern des Betriebes zugute kommt. Eng damit verbunden ist die Annahme eines genossenschaftlichen Elements. Wenn zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen der Belegschaft hinsichtlich des Betriebserfolgs eine Parallelität besteht, dann sind die Interessen der Mitarbeiter in der Regel auf das Wohlergehen des Betriebs gerichtet. Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß es bei den Interessenwahrnehmungspflichten - als solche können außerdienstliche Verhaltenspflichten im weiteren Sinne auch bezeichnet werden (Mayer-Maly) - nicht so sehr um die Wahrung der persönlichen Interessen des Arbeitgebers, sondern um die des Betriebs geht. Meistens sind diese zwar identisch. Sollte sich der Arbeitgeber jedoch von höchstpersönlichen Interessen leiten lassen, die einen Bezug zum Betrieb nicht erkennen lassen, so muß auf die Betriebsinteressen als die allein entscheidenden abgestellt werden. sl In die gleiche Richtung weist auch der Gedanke der verbandsrechtlichen Einbindung. Der Arbeitnehmer, der in das Arbeitsverhältnis und damit in den Betrieb eintritt, erklärt sich einverstanden, den Betriebszweck zu fOrdern. Folglich deckt dieser BegrUndungsansatz auch nur solche außerdienstlichen Pflichten ab, die diesem Ziel dienen. Als Fazit läßt sich feststellen, daß sich in der Regel nur solche Pflichten statuieren lassen, die betriebsbezogen sind. Ein Vergleich mit den Grenzen des arbeitgeberseitigen Fragerechts bei der Einstellung bestätigt dieses Ergebnis. 81

297ff.

Müller, JArbGeg 1963, Bd.l, S. 19, 21; Dudenbostel-Klas, AuR 1979, S. 296,

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

Die bei einer Einstellung interessierenden Fragen wie z. B. solche nach dem körperlichen Zustand, politischen Ansichten oder allgemein nach dem Vorleben berühren die Privatsphäre des Bewerbers. Deswegen muß auch hier eine Abgrenzung gefunden werden, um dem Recht des Arbeitnehmers auf Schutz seiner Persönlichkeit (Art. I, 2 Abs. 1 GG) gerecht zu werden. So hat sich die Ansicht durchgesetzt, daß der Arbeitgeber nur nach solchen Umständen fragen darf, die filr das angehende Arbeitsverhältnis bedeutsam sind. Er hat also kein Recht, die Person des Bewerbers vollständig mit Fragen zu erfassen. 82 Andererseits ist der Arbeitgeber auf gewisse Informationen angewiesen, um unter den Bewerbern eine sachgerechte Auswahl treffen zu können. Sein Auswahlrecht ist Ausfluß der Vertragsfreiheit. Dem Bedürfnis des Arbeitgebers nach Informationen zur sachgerechten Ausübung der Vertragsfreiheit einerseits und dem Schutz des Arbeitnehmers in seiner Persönlichkeit andererseits wird Rechnung getragen, wenn dem Arbeitgeber nur solche Fragen nach Umständen oder Fähigkeiten gestattet sind, die filr das angestrebte Arbeitsverhältnis erforderlich sind. Allgemein läßt sich schlußfolgern, daß die Privatsphäre des Arbeitnehmers nur dann tangiert werden darf, wenn eine durch das Arbeitsverhältnis oder den Betrieb verursachte Notwendigkeit dafiir besteht. Die Betriebsbezogenheit ist somit ein Eingrenzungsmerkmal, um arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten bestimmen zu können. b) Ausnahme

Da durch außerdienstliches Verhalten auch das Intel!:ritätsinteresse des Arbeitgebers, d. h. sein Interesse an der Unversehrtheit seiner privaten Rechtsgüter, betroffen werden kann, besteht trotz fehlender Betriebsbezogenheit unter Umständen eine Pflicht zum Unterlassen dieses Verhaltens. Durch die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses muß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer teilweise seine Privatsphäre öffnen, so z. B. bei Kleinbetrieben, bei denen Wohn- und Arbeitsstätte des Arbeitgebers oft nahe beieinander liegt oder teilidentisch sind. Dadurch ist der Arbeitnehmer in der Lage, private Angelegenheiten von seinem Arbeitgeber zu erfahren, die, falls er sie weitererzählen würde, seinen Arbeitgeber in Mißkredit brächten. Zu denken ist an familieninterne Zwistigkeiten, Schulden etc.

82 BAG, AP Nr. 26 zu § 123 BGB; AP Nr. 2 zu § 28 Abs. I S. 2 BDSG; Erman-Ehmann, Anhang zu § 12, Rn. 425; Zöllner, Daten- und Informationsschutz, S.33ft"; so auch v. Hoyningen-Huene, DB 1991, Beilage 10, S.I, 2 ftlr den Bereich von psychologischen Tests.

11. Eingrenzungsmerkmale

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Wie bereits oben83 ausgeftlhrt, ergibt sich aus § 242 BGB die vertragliche Nebenpflicht, private Rechtsgüter des Vertragspartners, zu denen auch die Ehre gehört, insofern zu schützen, als sie gerade durch den Vertragsabschluß in den eigenen Einfluß- und Zugriffsbereich gelangt sind. Dies bedeutet rur einen Arbeitnehmer, daß er private Informationen, die er durch sein Arbeitsverhältnis gewinnen konnte, außerdienstlich nicht weitergeben darf, ihn insoweit eine entsprechende Unterlassungspflicht triffi:. Der Arbeitnehmer muß also nach § 242 BGB - in Ausnahme von dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit - auch wegen rein persönlicher Interessen seines Arbeitgebers, die er allein wegen des Arbeitsverhältnisses in der Lage ist zu verletzen, im außerdienstlichen Bereich Beschränkungen hinnehmen. c) Umfang der Betriebsbezogenheit

Es bleibt die Frage zu klären, welche Anforderungen an die regelmäßig notwendige Betriebsbezogenheit des außerdienstlichen Verhaltens zu stellen sind. aa) Konkrete Störung: Die Rechtsprechung des BAG Das BAG hat sich mit der Frage nach der Relevanz außerdienstlichen Verhaltens stets im Rahmen von KUndigungsschutzprozessen auseinandergesetzt. Dabei entwickelte es immer strengere Anforderungen an den Bezug zum Arbeitsverhältnis. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1963, in der es um einen FUhrerscheinentzug während einer außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt ging, erörterte es den Bezug dieses Verhaltens zum Arbeitsverhältnis gar nicht. 84 Einige Jahre später (1969) entschied es über die politische Betätigung eines Arbeitnehmers und verlangte, daß das Arbeitsverhältnis davon betroffen sein müsse. 85 Schließlich wurde in weiteren Entscheidungen rur außerdienstliches Verhalten das Erfordernis der konkreten Berührung statuiert. 86

Kapitel 2 I 1 a) aa). BAG AP Nr. 51 zu § 626 BGB. 85 BAG AP Nr. 58 zu § 626 BGB. 86 BAG AP Nr. 2 zu § 134 BGB; AP Nr. 1 zu § 15 KSCHG 1969; AP NR.5 zu § 611 BGB -Beschäftigungspflicht; AP Nr. 4 zu § 1 KSCHG 1969 -Verhaltensbedingte Kündigung-. 83

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

Am Ende dieser Entwicklung steht die Formel des BAG, das Arbeitsverhältnis müsse durch das außerdienstliche Verhalten konkret beeinträchtigt werden, um eine Vertragspflichtverletzung und damit eine Kündigung bejahen zu können. 87 bb) Eigener Ansatz Die Rechtsprechung des BAG könnte dazu verleiten, generell anzunehmen, außerdienstliches Verhalten sei nur dann vertrags- und damit kündigungsrechtlich relevant, wenn es den Betrieb konkret beeinträchtigt, d. h. wenn eine Schädigung eingetreten ist. 88 Diese Betrachtung erscheint jedoch zu eng. Denn es sind auch außerdienstliche Verhaltensweisen denkbar, die schon im Vorfeld einer tatsächlichen Beeinträchtigung eine konkrete Gefahr in sich bergen, welche bei ihrer Realisierung zu einer großen Schädigung des Betriebs fUhren können. Ein Abwarten könnte in diesen Fällen ftir den Arbeitgeber unzumutbar sein. Eine solche Gefiihrdung läßt sich allerdings kaum abstrakt umschreiben. Deshalb erscheint es sinnvoll, Fallgruppen zu bilden, um die Frage zu beantworten, wann eine bloße Gefilhrdung des Betriebs ausreicht, um eine Unterlassenspflicht annehmen zu können. Bei einem Verstoß läge folglich eine Vertragsverletzung vor, die grundsätzlich zu einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigt, obwohl das zugrunde liegende Verhalten den Betrieb noch nicht konkret beeinträchtigt hat. aaa) Ausreichen der Gefährdung

Hielte man prinzipiell an dem Erfordernis einer konkreten Beeinträchtigung durch außerdienstliches Verhalten fest, mutete man dem Arbeitgeber zu, stets die eigene Schädigung abwarten zu müssen, bevor Schritte gegen den Arbeitnehmer unternommen werden könnten. Dagegen spricht schon § 1004 BGB, der jedem Eigentümer, auch dem eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs89, neben dem Beseitigungsanspruch einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch gegen Beeinträchtigungen gewährt. Diese Beeinträchtigung muß nicht materiell sein, sondern kann sich

87 BAG AP Nr. 11, 13, 19,24 zu § 1 KSchG 1969 -Verhaltensbedingte Kündigung-; AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 -Sicherheitsbedenken-. 88 So verstehen es: Wank, RdA 1993, S.79, 87; Stahlhacke / Preis, Kündigung, Rn. 706. 89 BGHZ 3, S. 270; 29, S. 65.

11. Eingrenzungsmerkmale

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auch als immateriell darstellen in Fonn einer konkreten Drohung. 90 Mit Hilfe des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs kann diese immaterielle Beeinträchtigung beseitigt werden. Es wird somit vom Eigentümer gerade nicht erwartet, daß er eine Schädigung zunächst hinnehmen muß, falls eine hinreichend konkrete Geflihrdung besteht. Daß dieser Grundsatz auch im Arbeitsrecht gilt, zeigt schon die Nonnierung des Wettbewerbsverbots in § 60 HGB und die dazu vorliegende arbeitsgerichtliche Rechtsprechung. Arbeitet ein Arbeitnehmer in einem Konkurrenzunternehmen oder selbständig in derselben Branche, so wird die Gefahr eines Interessenkonflikts als so groß angesehen, daß die Wettbewerbstätigkeit von vorneherein verboten wird, ohne daß auf eine Realisierung der Gefahr, z. B. durch den Verrat von Betriebsgeheimnissen, gewartet werden muß. 91 Es wird also eine gesetzliche Unterlassenspflicht ftlr ein Verhalten statuiert, das ftlr sich allein genommen den Betrieb noch nicht konkret beeinträchtigt. Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß der Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Rücksichtspflicht auch bei anderen außerdienstlichen Tätigkeiten zur Unterlassung verpflichtet sein kann, wenn sich eine mit dem Wettbewerb vergleichbare Gefahr, die das Verhalten rur den Betrieb birgt, zwar noch nicht realisiert hat, jedoch konkret besteht. 92 Die Rechtsprechung zur Heranziehung des Rechtsgedankens des § 60 HGB im Rahmen des § 242 BGB auf alle Arbeitnehmer läßt erkennen, daß auch das BAG trotz seiner in vielen Urteilen verwandten Fonnel nicht ausnahmslos auf einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses besteht, um außerdienstliches Verhalten als Vertragspflichtverletzung anzusehen. 93 Ebenso zeigen Urteile zu anderen Fallgruppen, daß die Rechtsprechung selbst die hinreichende Gefahr einer Beeinträchtigung bereits als konkrete Beeinträchtigung ansieht: Werden durch außerdienstliches Verhalten (insbesondere Vennögens-, Verkehrs- und Sexualdelikte) berechtigte Zweifel an der 90 RGZ 101, S. 335; 151, S. 239,246; BGH LM Nr. 27 zu § 1004 BGB; SoergelMühl, § 1004, Rn. 30. 91 BAG, AP Nr. 3, 4, 6 zu § 60 HGB; MünchArb-Blomeyer, § 50 Rn. 2. 92 So auch MünchArb-Blomeyer, § 53 Rn. 5; Becker-Schaffner, BlStSozArbR 1980, S. 321, 322. 93 BAG, AP Nr. 3, 5, 6 zu § 60 HGB. Auch bei kritischen Meinungsäußerungen über den Arbeitgeber oder den Betrieb läßt es die Rechtsprechung filr die Bejahung einer Pflichtverletzung ausreichen, daß es "erfahrungsgemäß" zu Störungen des Betriebsfriedens kommt; eine konkrete Beeinträchtigung müsse nicht nachgewiesen werden, es spreche eine tatsächliche Vermutung dafilr, siehe BAG, AP Nr. 4 zu § 13 KSchG; ArbG Iserlohn, EzA Art. 5 GG Nr. 4.

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

Eignung des Arbeitnehmers filr seine AufgabenerfUllung geweckt, so reicht dies alleine als Kündigungsgrund aus, ohne daß die mangelnde Eignung sich bereits negativ auf das Arbeitsverhältnis ausgewirkt hat. 94 bbb) Ausmaß der Gefährdung

Theoretisch können sehr unterschiedliche außerdienstliche Verhaltensweisen die Gefahr mit sich bringen, zu einer Beeinträchtigung des Betriebes zu filhren. Man denke beispielsweise an eine unvernünftige Lebensweise des Arbeitnehmers, sodaß dadurch seine Leistungsflihigkeit auf dem Spiel steht. Durch eine besonders hohe Verschuldung könnte er in die Versuchung geraten, sich am Betriebsvermögen zu bereichern. Es ist jedoch offensichtlich, daß dem Arbeitgeber wegen dieser theoretischen Gefahren nicht ein Recht auf bestimmtes Verhalten oder Unterlassen in allen privaten Lebensbereichen eingeräumt werden kann. Daher muß eine vernünftige Eingrenzung des Gefahrenbegriffs gefunden werden, die beiden Interessen, sowohl des Arbeitgebers wie des Arbeitnehmers, gerecht wird. Einen Anhaltspunkt können die im Polizei- und Ordnungsrecht entwickelten Grundsätze zum Gefahreneingriff geben. 95 Denn auch hier muß ein Ausgleich geschaffen werden zwischen dem Bedürfnis des Bürgers, in seiner Privatsphäre durch den Staat ungestört zu bleiben, und dem des Staates, die öffentliche Sicherheit zu schützen, d. h. Schäden an Rechtsgütern zu vermeiden. Danach ist die Zulässigkeit eines Eingriffs von folgenden Kriterien abhängig: Je wichtiger das bedrohte Rechtsgut ist (und damit je größer der drohende Schaden ist), desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit der Gefahrenrealisierung zu stellen; je höher die Wahrscheinlichkeit einer Gefahrenrealisierung ist, desto geringere Anforderungen sind an die Wichtigkeit des bedrohten Rechtsguts (und damit die Höhe des Schadens) zu stellen. 96 Überträgt man diese Grundsätze auf das Arbeitsverhältnis, so ist zunächst zu fragen, wann ein besonders großer Schaden vorliegt. Naheliegenderweise ist das zunächst der Fall, wenn der Arbeitgeber wirtschaftlich schwer geschädigt werden kann. Dieser Erkenntnis hat die Rechtsprechung Rechnung getragen, indem sie die analoge Anwendbarkeit des § 60

94 LAG Köln, LAGE § 626 BGB Nr. 34; LAG Berlin, LAGE § 626 BGB Nr. 45; LAG Hamm, LAGE § 626 BGB Nr. 53; LAG München, LAGE § 626 BGB Nr. 67; Hersehel! Löwiseh, KSchG, § I Rn. 156. 9S SO auch Wank, RdA 1993, S. 79, 87. 96 BVerwGE 47, S. 31, 40; OVG Münster, NVwZ 1985, S. 355,356; Friaufin von Münch! Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 2. Abschn. Rn. 51.

11. Eingrenzungsmerkmale

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HGB auf alle Arbeitsverhältnisse bejahte. 97 Denn bei Wettbewerbstätigkeiten in derselben Branche besteht die Gefahr schwerer wirtschaftlicher Schädigung. Aber auch durch kriminelle Handlungen von Arbeitnehmern kann dem Arbeitgeber besonders dann ein hoher Schaden entstehen, wenn sie in einer entsprechenden Vertrauensstellung arbeiten oder wenig kontrollierbaren Zugriff auf Vermögenswerte haben. Zwar kann wegen dieses hohen zu schützenden Rechtsguts Angestellten in solchen Vertrauenspositionen nicht automatisch die Pflicht gern. § 242 BGB treffen, eine Verschuldung, die z. B. durch sein regelmäßiges Glücksspiel entstehen könnte, zu unterlassen. Daftlr ist die Wahrscheinlichkeit eines Gefahreneintritts nicht konkret genug. Es ist jedoch denkbar, ein solches gefahrenträchtiges Verhalten durch eine vertragliche Vereinbarung einzuschränken. 98 Auch in anderer Hinsicht kann der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber schädigen. Denn gern. § 242 BGB besteht die vertragliche Nebenpflicht, den Vertragszweck nicht zu gefährden. Dies muß umso nachdrücklicher gelten, wenn durch ein Verhalten des Arbeitnehmers nicht nur der eigene Vertragszweck beeinträchtigt wird, sondern darüber hinaus negative Folgen ftlr den gesamten Betrieb und die unternehmerische Zielsetzung zu erwarten sind. In diesem Zusammenhang könnte den Arbeitnehmer daher die Pflicht treffen, seine Leistungsfähigkeit zu erhalten, da bei Nichtertllllung seines Arbeitsvertrags stets der Betriebserfolg insgesamt zumindest geringer als sonst ausfällt. Eine allgemein angenommene Leistungserhaltungspflicht würde aber zu einer starken Einschränkung des Privatlebens des Arbeitnehmers fUhren. Er müßte sich bei jeder Handlung (Sport, Ernährung, Schlafgewohnheiten etc.) fragen lassen, ob er sie nicht unterlassen sollte, weil dadurch seine Leistungsfähigkeit beeinträchtigt werden könnte. Eine solche ausschließliche Ausrichtung des außerdienstlichen Lebens auf das Arbeitsverhältnis kann schon wegen des dann entstehenden Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung nicht angenommen werden. Denn der Arbeitnehmer befände sich Tag und Nacht gleichsam latent im Dienst, obwohl er nur filr einen Teil der Zeit entlohnt wird. 99 Wird ein Arbeitnehmer krank, so kann er zwar seine Hauptleistungspflicht nicht mehr erbringen. Die Folgen rur den Betrieb sind zumindest bei einem

BAG, AP Nr. 3, 4, 5, 6 zu § 60 HGB. Siehe hierzu Kapitel 4, I. 99 So im Ergebnis: Schaub, Handbuch, § 53 I 2; MünchArb-Blomeyer, § 51 Rn. 101; Herschel/ Löwisch, KSchG, § 1 Rn. 125; Kaske, Berufssport, S. 142. 97

98

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

kurzen Ausfall in der Regel gering, da die ihm zugewiesene Arbeit ftlr eine Weile liegengelassen werden kann oder von Kollegen mitübernommen wird. Im äußersten Fall muß eine Ersatzkraft eingestellt werden. Der Betriebszweck wird jedoch nicht dadurch vereitelt, sodaß durch die Arbeitsunflihigkeit kein großer Schaden entsteht. Aber auch bei Arbeitnehmern, die wie Künstler oder Sportler ihre Arbeitsleistung nur höchstpersönlich erbringen können und deren Ausfall daher einen größeren Schaden verursacht, besteht keine absolute Leistungserhaltungspflicht, die sie daran hindert, auch nur jede mit dem kleinsten Risiko behaftete Tätigkeit auszuüben. Will der Arbeitgeber jede Gefährdung seines Betriebserfolgs ausschließen, muß er entsprechende Unterlassenspflichten vertraglich vereinbaren. loo Eine bereits aufgrund § 242 BGB bestehende Unterlassungs- oder Leistungserhaltungspflicht kann den Arbeitnehmer nur nach den oben aufgestellten Grundsätzen zur abstrakten Gefährdung treffen. Dies ist angesichts des nicht so hohen drohenden Schadens der Fall, wenn das angestrebte Verhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Arbeitsunflihigkeit und damit zur NichterfiHlung vertraglicher Pflichten ftlhren würde. Entsprechend etwas geringere Anforderungen sind bei solchen Arbeitnehmern zu stellen, die höchstpersönliche Leistungen erbringen und deren Ausfall daher einen größeren Schaden verursacht. Diese Unterlassenspflicht trifft den Arbeitnehmer folglich dann, wenn er die hohen Anforderungen an physische Konstitution und Training, die die von ihm angestrebte Tätigkeit stellt, nicht im geringsten erftlllen kann und damit keine vernünftigen Erfolgsaussichten ftlr ihn bestehen. So muß ftlr eine schwierige Klettertour im Hochgebirge durch einen Ungeübten mit völlig unzureichender Ausrüstung ebenso eine Unterlassungspflicht angenommen werden wie ftlr einen Führerscheinneuling, der an einer anspruchsvollen Ralleyfahrt teilnimmt. Die Pflicht zur Vermeidung riskanter Tätigkeiten trifft vor allem Arbeitnehmer, die wegen einer Krankheit besonders zur Arbeitsunflihigkeit neigen. Daher muß ein schwer Herzkranker Abstand davon nehmen, einen Marathonlauf zu absolvieren oder andere, körperliche Hochleistungen erfordernde Tätigkeiten auszuüben. Ebenso darf jemand, der unter einer Fischallergie leidet und danach regelmäßig mehrere Tage mit Lebensmittelvergiftungssymptomen das Bett hütet, keinen Fisch in der Hoffuung essen, diesmal werde es ausnahmsweise gutgehen. In allen diesen aufgezeigten Beispielfällen ist der Eintritt einer Arbeitsunfahigkeit derart wahrscheinlich, daß das Interesse des Arbeitgebers an der 100

Siehe hierzu Kapitel 4, I.

H. Eingrenzungsmerkmale

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Erbringung der vertraglichen Leistung durch den Arbeitnehmer bereits im Vorfeld des Verletzungseintritts durch eine Unterlassungspflicht geschützt werden muß. Dieses Ergebnis steht allerdings im Gegensatz zu der in der Literatur und Rechtsprechung herrschenden Meinung, eine durch selbstverschuldete Krankheit oder Unfall verursachte Arbeitsunfilhigkeit ftlhre nur zu einem Wegfall der Lohnfortzahlung, sei aber nicht als arbeits vertragliche Pflichtverletzung einzustufen. lol Begründet wird dies damit, daß den Arbeitnehmer nur ein Verschulden gegen sich selbst treffe, welches den Lohnfortzahlungsanspruch ausschließe. Es könne aber von keiner Pflicht ausgegangen werden, sich zur Erftillung des Arbeitsvertrags gesund zu erhalten. Dies sei eine unzumutbare Einschränkung des Grundrechtes auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG. I02 Schließlich wird angefiihrt, bei einer Pflicht zum Unterlassen gesundheitsschädigenden Verhaltens entstehe automatisch bei ihrer Verletzung eine Schadensersatzpflicht. Dies habe aber eine erhebliche Verschlechterung der Rechtsposition des Arbeitnehmers zur Folge, die nicht hinnehmbar sei und vom Normzweck des Lohnfortzahlungsgesetzes auch nicht gedeckt sei. \03 Dem ist nicht zuzustimmen. Zum einen erscheint es dogmatisch fragwürdig, eine vertragliche Pflicht nur deshalb zu verneinen, weil die bei ihrer Verletzung eintretende Rechtsfolge, nämlich die Schadensersatzpflicht, zu hart erscheint. 104 Die Rechtsfolge ist eine Entscheidung des Gesetzgebers, die man nicht umgehen darf, indem man einfach das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen leugnet. Im übrigen ist es eher als eine Härte fiir den Arbeitgeber anzusehen, wenn die Möglichkeit der Pflichtverletzung bei selbstverschuldeter Arbeitsunflihigkeit des Arbeitnehmers von vorneherein verneint werden würde. Denn im Zweifel hat er kein Interesse an dem Ersatz seines entstandenen Schadens, der in seiner Höhe auch regelmäßig schwer nachzuweisen sein wird, sondern er ist vielmehr an der Möglichkeit interessiert, im Wiederholungsfalle Unterlassungsansprüche geltend zu machen und vor allem eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen zu können. Gerade letzteres ist nicht möglich, bleibt man bei der kategorischen

101 BAG, AP Nr. 28 zu § 63 HGB; BAG, AP Nr. 25 zu § I LohnFG; BAG, AP Nr. 26 zu § 1 LohnFG; Hofmann, ZfA 1979, S.275, 286ff; Münkel, Verschulden, S.II; Grunsky, JuS 1989, S. 593, 598; MünchArb-Schulin, § 81, Rn. 87; Schäfer, NZA 1992, S.529,530f. 102 Ähnlich Grunsky, JuS 1989, S. 593, 597f. 103 So Hofmann, ZfA 1979, S. 275, 287; Münkel, Verschulden, S. 11. 104 So auch Glöckner, Nebentätigkeitsverbote, S. 76.

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

Verneinung einer Pflichtverletzung bei selbstverschuldeter Arbeitsunfähigkeit. Den Arbeitgeber in diesem Fall auf die Option einer krankheitsbedingten Kündigung zu verweisen, ist wegen der durch die Rechtsprechung filr diese Kündigungsart aufgestellten hohen Anforderungen, vor allem was die Zukunftsprognose angeht, unrealistisch. Außerdem ist das Argument der zu großen Härte auch deshalb nicht sehr überzeugend, als mit den oben aufgestellten Fallgruppen nicht jede Leichtsinnigkeit eines Arbeitnehmers erfaßt wird, sondern nur ExtremflUle risikoreichen Verhaltens. Schließlich ist die Behauptung nicht haltbar, das EntgFZG (früher LohnFZG) stelle eine abschließende Regelung filr selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit dar. In diesem Gesetz ist nur als Ausnahme von § 323 BGB der Lohnanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber im Falle der Nichtleistung wegen Arbeitsunfähigkeit geregelt. Dieser Anspruch soll bei eigenem Verschulden entfallen. Damit lebt die ursprUngliehe Regelung des BGB wieder auf. Die Ansprüche des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer hingegen bleiben von dem Gesetz und seinem Nonnzweck unberührt. Will man argumentieren, durch die in § 3 Abs. I S. I EntgFZG (§ I Abs. I S. I LohnFZG) enthaltene Anspruchsbeschränkung bei Selbstverschulden erhalte der Arbeitgeber bereits einen (und zwar abschließend geregelten) Vorteil, so verkennt man, daß durch diese Einschränkung lediglich zu dem Grundsatz "Ohne Arbeit keinen Lohn" zurückgekehrt wird und insofern darin kein expliziter Vorteil gesehen werden kann. 105 Letztlich spricht filr die hier vertretene Ansicht, daß auch bei der Verletzung anderer außerdienstlicher Verhaltenspflichten Schadensersatzansprüche drohen (z. B. bei dem Verrat von Betriebsgeheimnissen). Dies muß umso mehr bei einer Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers gelten, da hier die Hauptleistungspflicht im Arbeitsverhältnis selbst betroffen ist. d) Zusammenfassung

Die konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses zur Bejahung einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann nicht ausnahmslos in dem Sinne verstanden werden, daß durch das außerdienstliche Verhalten eine Schädigung des Betriebs eingetreten sein muß. Dies zeigt schon die Rechtsprechung zu § 60 HGB. In den oben aufgeführten Fällen reicht bereits ein das Arbeitsverhältnis gefährdendes Verhalten aus, um als betriebsbezogen und damit als vertragsrechtlich relevant angesehen werden zu müssen. In Ausnahmefällen reicht auch 105

So auch Glöckner, Nebentätigkeitsverbote, S. 76.

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die Beeinträchtigung privater Arbeitgeberinteressen rur die Annahme einer Unterlassungspflicht aus.

2. Einwirken von Grundrechten a) Einleitung

Der zweite wesentliche Gesichtspunkt, welcher bei der Aufstellung außerdienstlicher Verhaltenspflichten zu beachten ist, sind die Grundrechte des Arbeitnehmers. Auch wenn das erste Merkmal, die Betriebsbezogenheit des Verhaltens, vorliegt, muß anschließend noch eine Abwägung der Grundrechte beider Vertragsparteien erfolgen, bevor eine Entscheidung über das Bestehen einer außerdienstlichen Pflicht getroffen werden kann. Wie die Grundrechte im Arbeitsverhältnis wirken, ist umstritten. Von einem Teil der Literatur lO6 wird eine unmittelbare Wirkung angenommen. Dies ist jedoch abzulehnen. Die genannte Ansicht wird dem Umstand nicht gerecht, daß die Grundrechte fUr die Beziehung Staat-BOrger geschaffen wurden, während sich im Arbeitsverhältnis zwei Grundrechtsträger gegenüberstehen. Dieser grundsätzliche Unterschied kann auch nicht durch den Hinweis beseitigt werden, daß die Machtverhältnisse zwischen den Arbeitsvertragsparteien denen zwischen Staat und BOrger ähneln. Denn trotz seiner wirtschaftlich stärkeren Position hat auch der Arbeitgeber (im Gegensatz zum Staat) Grundrechte. 107 Daher ist von einer nur mittelbaren Wirkung der Grundrechte im Arbeitsverhältnis auszugehen. 108 Durch ihr Hineinwirken über Generalklauseln kann in einer Abwägung den Grundrechten beider Vertragsparteien Rechnung getragen werden. Da außerdienstliche Verhaltenspflichten Nebenpflichten gern. § 242 BGB sind, können über diese klassische Generalklausel bei der Bestimmung ihres Umfangs sowohl die Grundrechte des Arbeitnehmers als auch die des Arbeitgebers berücksichtigt werden.

106 Gami/lscheg, Grundrechte, S. 17ff; Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 147, 285ff; früher noch Nipperdey, RdA 1950, S. 121 ff. 107 So auch MünchArb-Richardi, § 10 Rn. 9; Alexy, Grundrechte, S. 480. 108 So BVerfGE 7, S. 198,220; 73, S. 261; dem folgend: BAGE 48, S. 122ff; Dürig, FS Nawiasky (1956), S. 157, 176ff; Maunz-Dürig, Bem.130 zu Art. 1 Abs. 3; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 7 1 1, 2.

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Auf Arbeitnehmerseite kommen im Hinblick auf außerdienstliche Verhaltenspflichten in erster Linie das Recht auf Persönlichkeit und Handlungsfreiheit gern. Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG sowie das Recht auf Meinungsfreiheit gern. Art. 5 Abs. 1 GG und auf Arbeitgeberseite das Recht auf Schutz des Eigentums gern. Art. 14 GG in Betracht. Beide Seiten können sich zudem auf Art. 12 GG berufen. Als zweites Kriterium bei der Bestimmung außerdienstlicher Verhaltenspflichten sind somit die Grundrechte des Arbeitnehmers zu beachten, in die zwar nicht unverhältnismäßig eingegriffen werden darf, die allerdings wegen der teilweise entgegenstehenden Grundrechte des Arbeitgebers Einschränkungen hinnehmen müssen. b) Die Meinungsfreiheit gern. Art. 5 Abs. J GG in Abwägung mit den Rechten des Arbeitgebe~s und anderer Arbeitnehmer

Im folgenden soll anband des Rechts auf Meinungsfreiheit aufgezeigt werden, welchen Beschränkungen die Grundrechte des Arbeitnehmers bei außerdienstlichen Verhaltenspflichten unterliegen. Das Beispiel der Meinungsfreiheit wird wegen seiner großen Relevanz im Bereich des außerdienstlichen Verhaltens gewählt. Das BVerfG hat in seinem Lüth-Urteil zu dem Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 S. 1 1. HS GG ausgetUhrt, die Meinungsfreiheit sei ein unentbehrliches und grundlegendes Funktionselement eines demokratischen Gemeinwesens, der unmittelbarste Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt, das rur eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend sei. 109 Für das Arbeitsverhältnis bestimmt § 612a BGB, daß ein Arbeitnehmer, der in zulässiger Weise seine Rechte, insbesondere seine Grundrechte, ausübt, nicht benachteiligt werden darf Zusammengenommen ergibt sich aus dem Vorstehenden, daß ein Recht auf Meinungsfreiheit auch im Arbeitsverhältnis grundsätzlich besteht. Dieses Recht wird jedoch nicht unbegrenzt gewährt. Seine Beschränkung folgt aus Art. 5 Abs. 2 GG: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, ... und in dem Recht der persönlichen Ehre." Die Beurteilung einer Meinungsäußerung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses muß in zwei Stufen erfolgen: Zum einen muß die Norm, die die Meinungsfreiheit beschränkt, unter Beachtung der Bedeutung von Art. 5 Abs. 1 109 BVerfDE 7, S. 189; vgl. auch BVerfDE 59, S.231, 266; 69, S. 315, 344; 74, S. 297, 323.

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GG unter Umständen selbst einschränkend ausgelegt werden, zum anderen muß auch bei einem letztlich bejahten Verstoß gegen diese Schranke die Reaktion darauf (wie z. B. die Kündigung) wiederum unter Beachtung des Grundrechts angemessen sein. 110 Es bleibt zu untersuchen, welche der in Art. 5 Abs. 2 GG genannten allgemeinen Gesetze im Arbeitsverhältnis zur Beschränkung der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers existieren. Eine ausdrückliche Regelung fmdet sich nur im öffentlichen Dienst in den § 35 Abs. 2 BRRG und § 53 BBG. Danach hat der Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergeben. Ähnliches bestimmt § 39 DRiG für Richter. Außerhalb des öffentlichen Dienstes gibt es nur im Betriebsverfassungsrecht in § 74 Abs.2 S.3 die Vorschrift, daß Arbeitgeber und Betriebsrat jede parteipolitische Tätigkeit im Betrieb zu unterlassen haben. Dies gilt jedoch nicht, soweit das Betriebsratsmitglied außeramtlich auftritt und handelt. 111 Da Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge nur selten Bestimmungen zur Beschränkung der Meinungsfreiheit enthalten, fehlen ftlr den Bereich des Arbeitsverhältnisses in der Privatwirtschaft in der Regel ausdrückliche Regelungen i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG. Das BAG geht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß zu den allgemeinen Gesetzen i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG auch die Grundregeln des Arbeitsverhältnisses zählen. 112 Danach muß sich der Arbeitnehmer in der Ausübung seiner Meinungsfreiheit Schranken auferlegen lassen, die sich nach dem konkreten Vertragszweck, den arbeitsvertraglichen Pflichten und nach dem Grundsatz bestimmen, andere von der Rechtsordnung ebenfalls anerkannte Rechtsgüter zu achten. l13 Dagegen wendet Preis ein, schon im StrafgefangenenUrteil des BVerfG 114 sei klargestellt worden, daß es auch innerhalb besonderer Gewaltverhältnisse eines Gesetzes bedarf, um die Meinungsfreiheit einzu-

110 So BVerfGE 7, S. 198, 208 unter II 2, 1. Abs. und unter 11 2b; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 53 11 5 b. 111 Buchner, ZfA 1982, S. 49, 65f. 112 BAGE I, S. 185, 194ff; 7, S. 256, 261; 21, S. 340, 345f; 24, S. 438,444. zustimmend: Schaub, § 53 II 5 b; Soergel-Kraft, § 611 Rn. 81; Schwenk, NJW 1968, S. 822, 825; Kissel, NZA 1988, S. 145, 146. 113 So auch RGRK-Corts, § 626 Rn. 136. 114 BVerfGE 33, S. 1,9. 4 Wisskirchen

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schränken. 115 Preis übersieht hierbei aber den wesentlichen Unterschied zwischen einem Eingriff durch den Staat und dem eines Vertragspartners, des Arbeitgebers. Wirken die Grundrechte nur mittelbar über die Generalklauseln in das Zivilrecht ein, wie vom BVerfG entschieden und seitdem vom BAG so vertreten, so müssen auch die vertraglichen Regeln Einfluß auf die Geltung der Grundrechte im Vertragsverhältnis haben. Als schUtzenswerte Rechtsgüter kommen beim Arbeitsverhältnis folgende in Betracht: Zum einen die persönliche Ehre von Betriebsmitgliedern und Arbeitgeber (sie wird gesondert in Art. 5 Abs. 2 GG erwähnt), zum anderen die Existenz und Erhaltung des Betriebs, die Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers, seine Produktionsinteressen und die Betriebszwecke, die Vertraulichkeitssphäre des Unternehmens sowie die Tendenz des Unternehmens.-116 Die letztgenannten Rechtsgüter sind Ausformungen des Eigentumsrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG. Allgemein besteht die arbeitsvertragliche Pflicht, nicht der unternehmerischen Zielsetzung entgegenzuwirken und damit den eigenen Vertragserfolg zu verhindern. 117 In ihrer Gesamtheit handelt es sich um die im vorhergehenden Kapitel aus § 242 BGB und den Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses hergeleitete Interessenwahmehmungs- oder Rücksichtspflicht des Arbeitnehmers. Im Rückgriff auf diese Rücksichtspflicht wählt Blomeyer eine andere Konstruktion, um den Umfang des Rechts auf Meinungsfreiheit zu klären. 118 Die Rücksichtspflicht, welche die allgemeine Schranke der arbeitnehmerseitigen Meinungsfreiheit bilde, habe ihre Grundlage in § 242 BGB. Da die Grundrechte aber über Generalklauseln wie § 242 BGB in die Vertragsverhältnisse hineinwirkten, müsse eine darauf basierende Nebenpflicht im Lichte der Grundrechte bestimmt werden. Blomeyer behandelt also das Verhältnis von Arbeitsvertragspflichten und Meinungsfreiheit in § 242 BGB und verzichtet somit darauf, auf die Grundrechtsschranke in Art. 5 Abs. 2 GG zurückzugreifen. Die Abwägung, sei es innerhalb des § 242 BGB oder des Art. 5 Abs.2 GG, erfolgt aber mit Hilfe derselben Kriterien, so daß beide Konstruktionen zum gleichen Ergebnissen kommen. Anhand der in der Rechtsprechung entschiedenen und in der Literatur diskutierten Fallgruppen sollen nachfolgend die im Arbeitsverhältnis existierenden 115 Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S.473; Preis / Stoffels, RdA 1996, S. 210, 211f. 116 Vgl. Sö/lner, FS Herschel, S. 389, 397fT. 117 BAGE 24, S. 438, 444; BAG, AP Nr. 5 zu § 611 BGB -Beschäftigungsptlicht-; Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 -Verhaltensbedingte Kündigung-. 118 MünchArb-Blomeyer, § 51 Rn. 64.

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Beschränkungen zum Schutz der aufgezählten Rechtsgüter im Verhältnis zum Recht auf Meinungsfreiheit gezeigt werden. aa) Beeinträchtigung der Ehre Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind ftlr den Arbeitnehmer überschritten, wenn er Werturteile abgibt, die die Ehre des Arbeitgebers, der eine natürliche Person ist, oder anderer Betriebsmitglieder verletzen. Darin wird sogar regelmäßig ein Kündigungsgrund gesehen. 1\9 Hinsichtlich des Arbeitgebers liegt der Grund in der damit einhergehenden Störung des Vertrauensverhältnisses, das -wenngleich mit unterschiedlicher Intensität- eine Grundvoraussetzung ftlr jedes Arbeitsverhältnis iSt. 120 Eine Beleidigung des Arbeitgebers bedeutet zudem normalerweise eine Schädigung seines Ansehens in der Öffentlichkeit. Beleidigungen von Betriebsmitgliedern hingegen können den Betriebsfrieden so nachhaltig stören, daß eine reibungslose Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist und damit die Dienstleistung oder Produktion beeinträchtigt wird. Eine andere Bewertung ist angebracht, wenn die Beleidigung während einer Unterhaltung mit Dritten ausgesprochen wird, bei der der Arbeitnehmer nicht damit rechnen muß, die betroffene Person werde davon erfahren. 121 Dies gilt laut BAG selbst ftlr unwahre Tatsachenbehauptungen. Dem ist insofern beizupflichten, als auch im Strafrecht Bemerkungen, die in der sogenannten "beleidigungsfreien Sphäre" fallengelassen werden, unter Berücksichtigung des hohen Rechtsgutes der Meinungsfreiheit nicht relevant sind (sei es tatbestands-oder nur strafausschließend). 122 Es wird jedoch allenfalls eine Unterredung mit engen Freunden, nicht aber eine solche mit Arbeitskollegen zu dieser Sphäre gerechnet. Trotzdem ist der Entscheidung des BAG zuzustimmen, das eine fristlose Kündigung in einem solchen Fall abgelehnt hat. 123 Denn selbst bei Bejahung einer ErfillIung des Tatbestands der §§ 185,

119 BAGE 24, S. 438,445; AP Nr. I zu § I KSchG 1969 -Verhaltensbedingte Kündigung-; AP Nr. 69 zu § 626 BGB; RGRK-Corts, § 626 Rn. 140; Schwenk, NJW 1968, S. 822, 825; Hueck / Hueck / v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 1 Rn. 327. 120 Siehe auch Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 13 III; Belling, RdA 1996, S. 223, 229f, der das Vertrauen zwischen den Arbeitsvertragsparteien als Teil der Geschäftsgrundlage ansieht. 121 So das BAG, 'EzA § 626 BGB n.F. Nr. 23; RGRK-Corts, § 626 Rn. 117. 122 Siehe dazu Schönke / Schröder-Lenckner, Vorbem. §§ I 85ffRn. 9. 123 BAG, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 23.

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186 StGB ist die vertragliche Pflichtverletzung nicht als so groß anzusehen wie bei einer öffentlich ausgesprochenen Beleidigung. Denn der Arbeitnehmer wollte die schädigende Wirkung seiner Bemerkung, die gerade die Vertragsverletzung ausmacht, durch sein Zurückziehen in den vermeintlich privaten Kreis begrenzen. Mit diesem Ergebnis wird auch die oben dargelegte Einbeziehung des Art. 5 Abs. I GG in zweifacher Hinsicht beachtet: Zum einen muß der Straftatbestand der §§ 185, 186 StGB restriktiv ausgelegt werden (Existenz einer beleidigungsfreien Sphäre), zum zweiten muß auch bei Bejahung einer Beleidigung das Ausmaß der Sanktion an Art. 5 Abs. I GG ausgerichtet werden. Diese Wertung kann allerdings nicht bei einer bewußt wahrheitswidrigen Behauptung des Arbeitnehmers unter Arbeitskollegen getroffen werden, die den Tatbestand der Verleumdung gern. § 187 StGB erftlllt. Denn in diesem Fall muß das Recht auf Meinungsfreiheit stets hinter anderen, von der Meinungsäußerung betroffenen Rechtsgütern zurückstehen. Auch im Strafrecht wird keine "verleumdungsfreie Sphäre" anerkannt. 124 Bei einer Verleumdung selbst in engem Kollegenkreis ist demnach von einer Vertragspflichtverletzung auszugehen, die unter Umständen eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Werden die ehrverletzenden Werturteile öffentlich kundgetan, so sieht Buchner 125 die Grenzen der Meinungsfreiheit nur überschritten, wenn sich die Ansicht des Arbeitnehmers nicht durch tatsächliche Vorkommnisse rechtfertigen läßt. Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen. Laut Buchner können Tatsachen ein abwertendes Gesamturteil über eine oder mehrere Personen tragen und legitimieren. Mit dieser Aussage erweckt er den Eindruck, daß Werturteile objektiv anband von Tatsachen überprüfbar sind. Das ist jedoch gerade nicht der Fall. Jede Person zieht aus Fakten, die ihr zu Kenntnis gebracht werden, individuell verschiedene Schlüsse. Was die Person in den. Augen des einen Arbeitnehmers in der Wertschätzung steigen läßt, läßt sie bei einem anderen eher sinken. Es gibt kaum Fakten, die es erlauben, die ehrenrührige Beurteilung einer Person als objektiv richtig anzuerkennen. Deswegen liegt es innerhalb der Grenzen der Meinungsfreiheit, seinem Arbeitgeber die Kürzung von Sozialleistungen vorzuwerfen, nicht aber, ihn deswegen als Ausbeuter oder Feind der Arbeitnehmerschaft zu betiteln.

124 125

Schänke / Schräder-Lenckner, Vorbem. §§ 185ffRn. 9. Buchner, ZfA 1982, S. 49, 70.

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Im Ergebnis ist also festzustellen, daß öffentliche Beleidigungen i. S. d. § 185 StGB die Grenzen der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis überschreiten und gegebenenfalls eine Kündigung rechtfertigen. 126 bb) Angriff auf die Existenz des Betriebs Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind filr den Arbeitnehmer auch dann überschritten, wenn er mit seinen Äußerungen die sich aus § 242 BGB ergebende vertragliche Nebenpflicht verletzt, seinem Betrieb weder zu schaden noch ihn gar vernichten zu wollen. Denn die Schädigung des Vertragspartners und damit auch die vorsätzliche Vereitelung des Vertragserfolgs muß als ein venire contra factum proprium angesehen werden. 127 Der Entscheidung des BAG 128 zu dem sogenannten Bankkaufmann-Fall aus dem Jahr 1972 ist vornehmlich aus diesem Gesichtspunkt zuzustimmen: Ein Bankkaufmann hatte vor einer Privatbank Flugblätter verteilt, in denen als eine Voraussetzung filr die Verwirklichung des Kommunismus die Abschaffung des Privatbankwesens und insbesondere der Bank, in der er beschäftigt war, gefordert wurde. Durch dieses Verhalten setzte sich der Arbeitnehmer zu seinem eigenen Handeln bei Abschluß des Arbeitsvertrags und bei dessen täglicher Erfilllung in Widerspruch. Denn er hatte sich vertraglich verpflichtet, durch seine Arbeitsleistung zur Erhaltung der Privatbank seinen Beitrag zu leisten. Bereits aus diesem Grund konnte ein treuwidriges Verhalten und damit eine schwere Pflichtverletzung gern. § 242 BGB angenommen werden, ohne daß auf die Wirkungen dieser Aktion in der Öffentlichkeit und die damit einhergehende Schädigung der Wettbewerbs interessen der Bank hätte eingegangen werden müssen, wie es das BAG tat. 129 Von einem Angriff auf die Existenz sind Forderungen zu unterscheiden, die zu Belastungen des Unternehmens filhren können, z. B. der Wunsch nach höheren Löhnen oder Arbeitszeitverkürzung. Die Diskussion um Vertragsbedingungen muß selbstverständlich unter Vertragspartnern möglich sein. Aber

126 Vgl. BAG, AP Nr. 1 zu § 1 KSehG 1969 -Verhaltensbedingte Kündigung-; AP Nr.69 zu § 626 BGB; Sö/lner, FS Hersehel, S.389, 396; Kissel, NZA 1988, S. 145, 150. 127 Kissel, NZA 1988, S. 145, 150; Söllner, FS Hersehe1, S. 389, 397; Buchner, ZfA 1982, S. 49, 68f; MünchArb-Blomeyer, § 51 Rn. 73. 128 BAGE 24, S. 438ff. 129 Siehe aueh Söllner, FS Hersehel, S. 389, 397f; Kissel, NZA 1988, S. 145, 150; ähnlieh Buchner, ZfA 1979, S. 335, 355.

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auch gesellschaftspolitische Forderungen wie die nach paritätischer Mitbestimmung oder Verstaatlichung sind gerade beim Arbeitsverhältnis Ausfluß der ihm innewohnenden Interessengegensätze. Würde man darin eine Überschreitung der Grenzen der Meinungsfreiheit erbliken, wäre einem Großteil der Bevölkerung in wichtigen politischen Fragen die Mitwirkung in der öffentlichen Debatte verwehrt. 130 Daraus ergibt sich, daß eine außerdienstliche politische Betätigung, die nicht auf die Schädigung des Arbeitgebers abzielt, von der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers voll gedeckt wird und nicht durch arbeitsvertragliehe Pflichten beschränkt ist. Dies kann bei politischen Äußerungen innerhalb des Betriebes anders zu beurteilen sein 131; dieser Problemkreis als Fall des innerdienstlichen Verhaltens ist jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit. ce) Beeinträchtigung des Wettbewerbsinteresses, des Produktionsinteresses und der Vertraulichkeitssphäre Übt der Arbeitnehmer sachliche Kritik an seinem Betrieb, dem Betriebsrat oder dem Arbeitgeber, so ist dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Denn oft gibt erst von Betroffenen geäußerte Kritik den Anstoß, Mißstände abzuschaffen und positive Neuerungen einzuftlhren. 132 Uneingeschränkt kann die Meinungsfreiheit jedoch auch hier dem Arbeitnehmer nicht gewährt werden, da durch entsprechende Äußerungen die Wettbewerbs- und Produktionsinteressen des Arbeitgebers sowie die Vertraulichkeitssphäre des Betriebes beeinträchtigt werden können, die unter dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG stehen. Kritik, die sich unwahrer Tatsachenbehauptungen bedient, oder herabsetzende Werturteile sind grundsätzlich als unzulässig anzusehen. Die Einzelheiten sollen im folgenden dargestellt werden. aaa) Durch unwahre Tatsachenbehauptungen

Bei der kritischen Äußerung darf es sich zunächst nicht um unwahre Tatsachenbehauptungen handeln. Bei einer auf Unwahrheiten basierenden Kritik geht

130 Siehe auch Söllner, FS Hersehe!, S. 389, 398; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 13 I 6; Kissel, NZA 1988, S. 145, 150; ähnlich Buchner, ZfA 1979, S. 335, 355. \31 Siehe z. B. das Tragen von "Anti-Strauß"-Plaketten, BAG, AP Nr. 73 zu § 626 BGB; allgemein v. Hoyningen-Huene / Hofmann, BB 1984, S. 1050. !32 V gl. Hueck / Hueck / v. Hoyningen-Huene, KSchG, § I Rn. 329; Kittner / Trittin, KSchG, § 1 Rn. 207.

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es nicht um die Vertretung eigener anerkennenswerter Interessen, sondern um die gezielte Schädigung des Betriebs bzw. des Vertragspartners. \33 Ein solches Tun ist im Ergebnis wie eine auf die Vernichtung der Existenz gerichtete Äußerung als venire contra factum proprium zu werten. Daraufweist zutreffend BAG I34 hin, indem es einem Rundfunkredakteur verwehrte, sich auf seine Meinungsfreiheit zu berufen, wenn er im Zusammenhang mit der Absetzung eines Beitrags in der Öffentlichkeit unwahre und ehrenrührige Behauptungen über den rur das Programm verantwortlichen Abteilungsleiter des Senders und damit über seinen Arbeitgeber verbreitet. 135 136 bbb) Durch Werturteile

Auch öffentliche Kritik, die geeignet ist, die Produkte der Firma oder ihre Geschäftspolitik in lediglich wertender Weise gegenüber Dritten herabzusetzen, ist nicht mehr durch das Recht aus Art. 5 Abs. I GG gedeckt. Denn die dem Arbeitsverhältnis als Nebenpflicht gern. § 242 BGB innewohnende Interessenwahrungspflicht gebietet es dem Arbeitnehmer auch, auf die Wettbewerbsinteressen des Betriebs Rücksicht zu nehmen. 137 Einer besonderen Prüfung bedarf die Teilnahme von Arbeitnehmern an Demonstrationen, wenn sie sich gegen den eigenen Betrieb oder gegen ein dort hergestelltes Produkt richten. Denn in einem solchen Fall geht es nicht nur um eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern betroffen ist auch die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG.

\33 Kissel, NZA 1988, S. 145, 150f; Buchner, ZfA 1982, S. 49, 70; Preis, Prinzipien, S.472. 134 BAG, AP Nr. 9 zu Art. 5 Abs. 1 GO -Meinungsfreiheit. 135 Siehe auch BAG, AP Nr. 5 zu § 611 BGB -Beschäftigungspflicht-: Hier wurde die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds rur rechtmäßig erklärt, der in einem Flugblatt bewußt wahrheitswidrige Behauptungen über seinen Arbeitgeber aufgestellt hatte. 136 Siehe auch LAG Baden-Württemberg, OB 1968,359: Aufgrund unrichtiger Behauptungen eines Arbeitnehmers über die wirtschaftliche und finanzielle Lage seines Arbeitgebers wurde ein Vertragspartner veraniaßt, Zahlungen zurückzuhalten und rur die Abwicklung eines Auftrags Sicherheiten zu verlangen. Die auf diese Kreditschädigung hin ausgesprochene Kündigung war rechtmäßig. 137 Kissel, NZA 1988, S. 145, 150; Söllner, FS Herschel, S. 389, 398; Soergel-Kraft, § 611 Rn. 81; Dudenbostel / Klas, AuR 1979, S. 296, 298f.

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Exemplarisch ist hier an Anti-Atomkraft-Demonstrationen zu denken, bei denen Mitarbeiter eines Kernkraftwerks oder eines dieses überwachenden Technischen Überwachungs-Vereins mitwirken. 138 Hinsichtlich der Mitarbeiter eines Kernkraftwerks können Wettbewerbs- und Betriebsinteressen nachhaltig geflihrdet werden, wenn sie sich während der Demonstration ausdrücklich als Angehörige des Energieunternehmens zu erkennen geben. Denn der kritischen Meinungsäußerung von Menschen, die selbst in einem Kernkraftwerk arbeiten und dadurch den Betrieb genauer kennen, haftet eine wesentlich höhere Glaubwürdigkeit an. Der dadurch entstehende Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit kann dem Kernkraft-Unternehmen großen Schaden zufUgen. Dies gilt vor allem fUr Arbeitnehmer, die solche Aufgaben wahrnehmen, daß man ihnen besondere Kenntnisse der Sicherheitslage zutraut. Bei demonstrierenden Mitarbeitern eines TÜV, der das Kernkraftwerk überprüft, wird leicht der Eindruck erweckt, als beständen erhebliche Sicherheitsrisiken, die den TÜV, nähme er seine Aufgabe ernst, dazu veranlassen müßte, die Schließung des Kernkraftwerks zu betreiben. Durch ihre Teilnahme erschüttern die Arbeitnehmer eines TÜV die Glaubwürdigkeit ihres Arbeitgebers und erschweren damit dessen weitere Arbeit. Die Einschränkung des Versammlungsrechts der betreffenden Arbeitnehmer ist regelmäßig gerechtfertigt, da Art. 8 GG zwar ein formal schrankenloses Grundrecht ist, nach der Rechtsprechung des BVerfG aber auch diese Grundrechte nicht in unbegrenztem Umfang von der Verfassung gewährt werden. Vielmehr sind auch dort "von der Sache her" gebotene Einschränkungen zu machen. 139 Im vorstehend skizzierten Fall wird bei der Ausübung des Demonstrationsrechts die bestehende Vertragsbeziehung instrumentalisiert und dem Vertragspartner dadurch ein besonders großer Schaden zugefUgt. Diese gravierende Nebenwirkung bei der Ausübung des Demonstrationsrechts läßt es "von der Sache her" geboten erscheinen, die Teilnahme an solchen Versammlung bei bestimmten Arbeitnehmern einzuschränken. Ein Mitwirken an Demonstrationen verletzt dann die Rücksichtspflicht aus dem Arbeitsverhältnis, wenn der Demonstrierende gerade seine Arbeitnehmereigenschaft zu erkennen gibt oder nicht verbergen kann und dadurch dem Arbeitgeber wegen des erhöhten Effekts in der Öffentlichkeit besonderen Schaden zufUgt. 140 Solange der Mitarbeiter

138 Siehe Buchner, ZfA 1979, S. 335,f, 352f; Sö/lner, FS Herschel, S. 389, 405f; Staudinger-Richardi, § 611 Rn. 421. 139 BVerfG, AP Nr. 16 zu Art. 9 GG. 140 So Sö/lner, FS Hersehel, S. 389, 405.

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anonym demonstriert, muß er keine Beschränkungen seiner Meinungs- und Versammlungsfreiheit hinnehmen. 141 ccc) Durch wahre Tatsachenbehauptungen und sachliche Kritik

Schließlich muß ft1r die Zulässigkeit einer an sich gerechtfertigten Kritik an Arbeitgeber, an betriebliche Zuständen etc. noch eine weitere Einschränkung gemacht werden. Wird diese Kritik von dem Arbeitnehmer sofort nach außen getragen, spricht man von der sogenannten "Flucht in die Öffentlichkeit". Eine solche öffentliche Kritik hat stets eine schädigende Wirkung rur den Arbeitgeber. Deshalb wird es als Inhalt der arbeitsvertraglichen Interessenwahrungspflicht angesehen, daß sich der Arbeitnehmer zunächst bei den im Betrieb zuständigen Stellen um Abhilfe der von ihm kritisierten Zustände bemüht. 142 Dies entspricht auch seiner Interessenlage, denn Ziel seiner Kritik sollte es nicht sein, seinen Arbeitgeber zu schädigen, sondern seine Wünsche zu Gehör gebracht und realisiert zu bekommen. Dazu muß er jedoch dem Arbeitgeber überhaupt die Möglichkeit einer Reaktion geben, bevor er Außenstehende informiert. Erst wenn die internen Bemühungen nichts fruchten, ist dem Weg in die Öffentlichkeit grundsätzlich kein Hindernis mehr gesetzt, um eventuell durch Druck von außen eine Änderung durchzusetzen. Im Folgenden sollen die Zulässigkeit einer Anzeige gegen den Arbeitgeber bei einer zuständigen Behörde eingehender untersucht werden: (1) Anzeige gegen den Arbeitgeber wegen arbeitnehmerschädigender Handlungen Eine besondere Variante von Arbeitnehmerkritik bildet der Fall, daß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein rechtswidriges Verhalten vorwirft und eine Anzeige gegen ihn erstattet. Das LAG Baden-Württemberg 143 entschied 1976 über folgenden Sachverhalt: Ein Schweißer hatte die Aufgabe, mit Kunststoff umhüllte Stahlbleche zusammenzuschweißen. Bei Verrichtung dieser Tätigkeit verspürte er eine Reizung seiner Schleimhäute. Er wandte sich deshalb an den Betriebsingenieur. 141 Söl/ner, FS Hersehel, S. 389,406; Koller, SAE 1981, S. 91,96 rur das Beispiel der anonymen Beitragszahlung an eine oppositionelle Gruppe. 142 BAG, AP Nr.2 zu § 70 HGB; LAG Berlin, OB 1961, S.576; Söllner, FS Hersehel, S. 389, 404; Buchner, ZfA 1982, S. 49, 70f; Preis, Prinzipien, S. 366; KRBeeker, § I Rn. 245; Hueck / v. Hoyningen-Huene, § 1 Rn. 312. 143 LAG Baden-Württemberg, EzA § 1 KSehG -Verhaltenbedingte Kündigung-, Nr.8.

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Nachdem einige Wochen nichts geschah, suchte er Rat beim Gesundheitsamt, welches ihn an das Gewerbeaufsichtsamt verwies. Daraufhin besprach sich der Schweißer mit seiner Gewerkschaft, die beim Gewerbeaufsichtsamt Anzeige erstattete. Das LAG Baden-Württemberg erklärte die anschließend dem Arbeitnehmer gegenüber ausgesprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen die arbeitsrechtliche Treuepflicht rur rechtmäßig. Dem kann nicht gefolgt werden: Dem Grundsatz, daß zunächst der Arbeitgeber von dem möglicherweise rechtswidrigen Zustand in seinem Betrieb unterrichtet werden muß, bevor Anzeige erstattet wird, ist zuzustimmen. Die Richtigkeit dieser Wertung wird nunmehr auch durch § 17 Abs. 2 ArbSchG bestätigt. Danach dürfen die Beschäftigten sich an die zuständige Behörde wenden, wenn der Arbeitgeber zuvor entsprechenden Beschwerden nicht abgeholfen hat. Eine nach Ansicht des Gerichts bestehende Verpflichtung dahingehend, nach Untätigbleiben des Arbeitgebers zur Selbsthilfe zu greifen und sich auf eigene Faust um Schutzvorkehrungen zu kümmern 144, kann nicht angenommen werden. Denn Arbeitsschutzmaßnahmen und Betriebsorganisation fallen in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers. 145 Es ist seine Sache, wie er den Beschwerden des Arbeitnehmers abzuhelfen gedenkt. Er hat die Wahl, ob er das Arbeitsmaterial bzw. den Betriebsablauf ändert oder ob er dem Arbeitnehmer Mittel zum Selbstschutz wie z. B. eine Atemmaske zur Verftlgung stellt. Unterläßt er jegliche Maßnahmen, kann er sich nicht mehr auf ein schützenswertes Interesse an einer weiteren Geheimhaltung berufen. 146 Ein Vorrang der Selbsthilfe, sofern sie nicht mit geringrugigem Aufwand zu erreichen und offensichtlich ist, besteht nicht. Fraglich ist, wieweit die nach den oben aufgestellten Grundsätzen bestehende Pflicht zur vorherigen innerbetrieblichen Klärung des Problems geht. Im vorliegenden Fall hatte der Schweißer den Betriebsingenieur unterrichtet. Aus dem Sachverhalt, der dem Urteil zugrunde liegt, läßt sich nicht ersehen, ob ein Betriebsrat vorhanden war. War er es nicht, so hatte sich der Schweißer an die rur sein Problem zuständige Stelle gewandt und seiner Pflicht genügt.

144 So aber LAG Baden-Württemberg, EzA § I KSchG -Verhaltensbedingte Kündigung-, Nr. 8; Denck, DB 1980, S. 2132. 145 So auch Weiss, Anm. zu LAG Baden-Württemberg, EzA § 1 KSchG -Verhaltensbedingte Kündigung-, Nr. 8. 146 V gl. Stahlhacke / Preis, Kündigung, Rn. 702.

11. Eingrenzungsmerkmale

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Er gab seinem Arbeitgeber die Gelegenheit, den rechtswidrigen (denn dies war in dem oben genannten Fall unbestritten) und filr ihn gesundheitsschädlichen Zustand abzuschaffen. Der Arbeitgeber hatte infolge der Unterrichtung durch seinen Arbeitnehmer die Möglichkeit, seine eigenen Interessen wahrzunehmen, nämlich sich rechtmäßig zu verhalten und damit einer Anzeige zu entgehen. Verzichtete er darauf, konnte er von seinem Arbeitnehmer keinesfalls eine weiterandauernde Interessenwahrungspflicht erwarten. Gerade in dem Fall, in dem dem Arbeitnehmer selbst gesundheitliche Nachteile drohen, falls der von ihm beanstandete Zustand andauern sollte, muß ihm das Recht zu einer Anzeige zugestanden werden, wenn es filr ihn nach Unterrichtung der zuständigen Stelle im Betrieb, dem Betriebsingenieur oder dem Arbeitgeber, keine weitere "Instanz" mehr gibt. Denn hier geht es nicht nur um seine Meinungsfreiheit, sondern auch um das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Dieses Recht darf nicht hinter schutzunwürdigen, weil rechtswidrige Handlungen deckende Arbeitgeberinteressen zurückstehen. 147 Ist ein Betriebsrat vorhanden, so ist dieser eine geeignete Stelle, an die der Arbeitnehmer sich innerhalb des Betriebs wenden kann. Dies ergibt sich zum einen aus seinem Mitbestimmungsrecht in Gesundheitsschutzfragen gern. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, zum anderen aber auch aus § 85 Abs. 1 BetrVG, wonach der Betriebsrat die Beschwerden der Arbeitnehmer entgegenzunehmen und beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken hat. Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer das Ende eines aufgrund seiner Beschwerde durch den Betriebsrat eingeleiteten Verfahrens gern. § 85 Abs. 1 BetrVG bis zu einem eventuellen Spruch einer Einigungsstelle abzuwarten hat. Dies ist wegen des Vorrangs der innerbetrieblichen Abhilfe grundsätzlich zu bejahen. Eine solches Vorgehen ist schon deswegen sinnvoll, weil es zur Beseitigung eines Arbeitsschutzproblems in der Regel mehrere Lösungen gibt; so kann oft zwischen den Alternativen Änderung der Maschine oder persönliche Schutzvorkehrung filr den Arbeitnehmer gewählt werden. Hinzukommt, daß auch bei Beschwerden des Arbeitnehmers nicht automatisch von einem Verstoß gegen Arbeitsschutzvorschriften ausgegangen werden kann. Vielmehr ist es möglich, daß z. B. Emmissionen während eines Arbeitsprozesses als normalerweise ungefährlich eingestuft sind, der betroffene Arbeitnehmer aber außergewöhnlich sensibel darauf reagiert. In diesem Fall 147 So auch Weiss, Anm. zu LAG Baden-WUrttemberg, EzA § 1 KSchG -Verhaltensbedingte Kündigung-, Nr. 8. Ähnlich auch LAG Baden-Württemberg, DB 1964, S. 1451: Ein Arbeitnehmer darf Strafanzeige wegen Beleidigung erstatten, da er die Verletzung eines eigenen Rechtsguts, der persönlichen Ehre, durch seinen Arbeitgeber nicht hinnehmen muß.

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

kann dem Arbeitgeber nicht vorgeworfen werden, er habe den gebotenen Arbeitsschutz mißachtet. Es kommt nur eine Umsetzung an einen anderen Arbeitsplatz in Betracht, eine Anzeige beim Gewerbeaufsichtsamt könnte dem Arbeitnehmer jedoch nicht weiterhelfen und wäre mithin verfehlt. Um dies auszuschließen, ist daher ein Abwarten der Verhandlungen des Betriebsrats mit dem Arbeitgeber samt Einigungsstellenverfahren sinnvoll. Hat der Arbeitnehmer gesundheitliche Schäden zu beftlrchten, kann ihm aber ftlr die Zeit des Verfahrens ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen. 148 Dieses ZUTÜckbehaltungsrecht ergibt sich ftlr den Arbeitnehmer aus §§ 273 Abs. 1,618 Abs. I BGB. Denn nach § 618 Abs. 1 BGB, § 120a GewO, § 62 Abs. 1 HGB ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitsplatz möglichst frei von gesundheitsschädlichen Chemikalien und sonstigen Gefahrenstoffen zu halten. Dabei muß er aber nicht günstigere Voraussetzung schaffen, als in der Umgebung des Arbeitsplatzes vorherrschen. Das heißt, der Arbeitgeber muß den Arbeitnehmer nur vor arbeitsspezifischen Gefahren schützen, nicht jedoch vor solchen, die allgemein in der Umwelt, z. B. in einem mit giftigen Bausubstanzen belasteten Gebäude, vorhanden sind. Die Geflihrdung durch solche Stoffe unterflillt dem allgemeinen Lebensrisiko. 149 Fühlt der Arbeitnehmer sich aber durch Stoffe, mit denen er während der Arbeit umgehen muß, geflihrdet, so kann er ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, wenn diese Getahrdung objektiv belegbar ist und nicht nur auf einer subjektiven Einschätzung des Arbeitnehmers beruht. Wird der Arbeitgeber durch den Spruch der Einigungsstelle zur Vornahme von Veränderungen verpflichtet und handelt er nicht dementsprechend, braucht keine gerichtliche Klärung mehr abgewartet zu werden. Die innerbetrieblichen Mittel sind dann erschöpft, eine Anzeige darf erfolgen. Die Vorschrift des § 21 Abs. 6 S. 1 der Gefahrstoffverordnung unterstützt die vorgestellte Ansicht. ISO Danach kann sich der Arbeitnehmer an die zuständige Überwachungsbehörde wenden, wenn eine bestimmte, objektiv feststellbare Gefahrstoffkonzentration am Arbeitsplatz erreicht ist, die allerdings auf den Umgang mit Gefahrstoffen zurückgeftlhrt werden muß lSI , und der Arbeitgeber nach entsprechender Mitteilung diesem Umstand nicht unver-

Denck, DB 1980, S. 2132, 2137. BAG, BB 1997, S. 208ff; anders noch BAG, AP Nr. 4 zu § 273 BGB; BAG, Urt. v. 19.2.1997, -5 AZR 982 /94-, erkennt nur dann ein ZUTÜckbehaltungsrecht an, wenn die Gefahrstoftbelastung (hier: Asbest) gegen baupolizeiliche Vorschriften verstößt (Asbestrichtlinien des Landes NRW). 150 Vgl. Kittner / Trittin, KSchG, § 1 Rn. 171. 151 BAG, Urt.v. 8.5.1996, -5 AZR 315 /95-. 148

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zUglich abhilft. Vorher muß der Arbeitnehmer die innerbetrieblichen Möglichkeiten ausgeschöpft haben, wobei an dieses Erfordernis nicht allzu hohe Anforderungen zu stellen sind. 152 § 21 Abs. 6 S. 3 bestimmt zusätzlich, daß eine solchermaßen berechtigt erfolgte Anzeige nicht zu Nachteilen, insbesondere nicht zu einer Kündigung fUhren darf. Schließlich sei noch auf § 79 Abs. 3 des Entwurfs der ArbeitsgesetzbuchKommission von 1977 hingewiesen. 153 Darin war vorgesehen, daß der Arbeitnehmer einen ihm selbst oder Dritten aus dem Betrieb drohenden Schaden der außerhalb des Betriebs zuständigen Stelle dann anzeigen darf, wenn er vorher den Arbeitgeber unterrichtet hat und dieser nicht in angemessener Zeit Abhilfe schaffi:. Sind die innerbetrieblichen Mittel erschöpft, besteht ein Rest an vertraglicher Verpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber einzig noch darin, als der Arbeitnehmer sich an die zuständige Stelle, z. B. das Gewerbeaufsichtsamt, wenden muß und nicht sofort die Presse einschalten oder gar Konkurrenzunternehmen unterrichten darf. 154 (2) Anzeige gegen den Arbeitgeber wegen strafbarer Handlungen Der Arbeitnehmer überschreitet grundsätzlich auch dann nicht die Grenzen seiner Meinungsfreiheit, wenn er ein rechtswidriges Verhalten seines Arbeitgebers anzeigt, das keine konkreten Nachteile fUr den Arbeitnehmer mit sich bringt, wie z. B. eine Steuerhinterziehung. ISS Es darf sich allerdings nicht um eine völlig haltlose oder leichtfertige Strafanzeigenerstattung handeln, hinsichtlich deren Richtigkeit der Anzeigenerstatter sich nicht in zumutbarem Maße vergewissert hat. Ansonsten begeht er eine Pflichtverletzung, die unter Umständen eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt. 156

Preis / Reinfeid, AuR 1989, S. 361, 371. Entwurf der Arbeitsgesetzbuchkommission, hrsg. vom Bundesminister rur Arbeit und Sozial ordnung, 1977. 154 ArbG Berlin, EzA § 1 KSchG -Verhaltensbedingte Kündigung-, Nr. 31; Stahlhacke / Preis, Kündigung, Rn. 703; Preis / Rein/eid, AuR 1989, S. 361.373; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 13 I 2. 15S SO auch Preis. Prinzipien, S. 365f; Soergel-Kraft, § 611 Rn. 81. 156 LAG Frankfurt, LAGE § 1 KSchG Nr. 31 -Verhaltensbedingte Kündigung; LAG Frankfurt, LAGE § 626 BGB Nr. 28; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.12.1997, 9 TaBV 38/97. n.v. 152 153

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

Besteht filr den Arbeitnehmer die Gefahr, sich selbst bei Untätigbleiben strafbar zu machen, ist eine Anzeige unstrittig zulässig. 157 Im Falle einer strafbaren Handlung des Arbeitgebers entsteht rur den Arbeinehmer ein Loyalitätskonflikt. Wiegt seine staatsbürgerliche Pflicht, gerade so gemeinschaftsschädigende Straftaten wie Steuerhinterziehung oder Umweltverschmutzung anzuzeigen schwerer oder hat seine arbeitsvertragliche Interessenwahrungspflicht Vorrang? Sicherlich muß auch hier zunächst versucht werden, betriebsintem daraufhin zu wirken, die rechtswidrigen Handlungen abzustellen. 15S Wiederum bietet sich der Betriebsrat (soweit vorhanden) dafilr als die geeignete Stelle an. 159 Ändert sich nach der geäusserten Kritik an den rechtswidrigen Zuständen jedoch nichts, ist die Interessenwahrungspflicht an ihre Grenzen gelangt. Die Begriffe "Treu und Glauben" in § 242 BGB, aus denen sich diese Pflicht ergibt, müssen im Licht der Grundsätze der gesamten Rechtsordnung ausgelegt werden. Demnach kann § 242 BGB keine Pflicht begründen, Handlungsweisen des Vertragspartners zu schützen, die durch andere Gesetze mißbilligt werden. Eine "Ganoventreue" des Arbeitnehmers läßt sich aus § 242 BGB nicht herleiten. 160 Noch ein weiterer Umstand stützt diese These: Die StPO kennt kein Aussageverweigerungsrecht filr Arbeitnehmer. Das Arbeitsverhältnis wird nicht mit sonstigen Vertrauensverhältnissen wie das Arzt-Patienten-Verhältnis etc. gleichgesetzt, bei denen die Vertraulichkeit und Geheimhaltung untereinander als so hoch eingeschätzt wird, daß auch strafbare Handlungen davon erfaßt werden. Die fehlende Anerkennung des Arbeitsverhältnisses als ein solches Vertrauensverhältnis deutet folglich darauf hin, daß der sicherlich vorhandene arbeitsvertragliche Vertrauensbereich (siehe Geheimhaltungspflicht von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen) nicht rechtswidrige Handlungen umfaßt.

157 So: LAG Hamm, LAGE § 626 BGB Nr. 54; RGRK-Corts, § 626 Rn. 92; Hueck / v. Hoyningen-Huene, KSchG, § I Rn. 313. Anders BAG, AP Nr. 2 zu § 70 HGB: Die Abwägung der Vorinstanz, nach der die Interessen des Arbeitgebers, vor Anzeigen wegen mehrer Delikte im Speditionsbereich bewahrt zu bleiben, höher wiegen als das Interesse des Arbeitnehmers, sich nicht durch Teilnahme an diesen Delikten strafbar zu machen und deshalb den Arbeitgeber anzuzeigen, wurde ftlr rechtsfehlerfrei befunden. 158 So auch LAG Berlin, BB 1961, S. 449; LAG Hamm, LAGE § 626 Nr. 54. Preis, Prinzipien, S. 366; KR-Hillebrecht, § 626 Rn. 302. 159 Preis, Prinzipien, S. 366; MünchKomm-Schwerdtner, § 626 Rn. 61; Buchner, ZfA 1982, S. 49, 70. 160 So auch LAG Hamm, LAGE § 626 Nr. 54.

11. Eingrenzungsmerkmale

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Preis weist in diesem Zusammenhang auch auf den entstehenden Widerspruch hin, wenn von dem Arbeitnehmer einerseits als arbeitsvertragliche Pflicht verlangt wird, rechtswidriges Handeln von Kollegen sofort anzuzeigen, es ihm aber hinsichtlich des Arbeitgebers als Verletzung ebendieser Pflicht angerechnet wird. 161 Die Rechtsprechung l62 , die eine Anzeige des Arbeitgebers durch seinen Arbeitnehmer als Kündigungsgrund, zum Teil sogar als wichtigen Grund ft1r eine fristlose Kündigung angesehen hat, selbst wenn der Arbeitnehmer vorher innerbetrieblich auf Abhilfe gedrungen hat oder er Gefahr lief, sich selbst strafbar zu machen, ist mithin abzulehnen. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers bei Anzeigen gegen den Arbeitgeber nur insofern beschränkt ist, als er zunächst innerbetrieblich auf die Mißstände aufmerksam machen muß und sich anschließend nicht an die Presse, sondern an die zuständigen Stellen zu wenden hat. ddd) Durch Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen

Eine weitere Einschränkung seiner Meinungsfreiheit muß der Arbeitnehmer hinsichtlich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse seines Arbeitgebers hinnehmen. Ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ist jede auf ein Geschäft oder einen Betrieb bezogene Tatsache, die nur ein begrenzter Personenkreis kennt, die der Geschäfts- oder Betriebsinhaber erkennbar und berechtigt geheim halten will und die anderen Personen nicht einfach zugänglich ist. 163 Die entsprechende Verschwiegenheitspflicht ergibt sich rur Betriebsratsmitglieder aus § 79 BetrVG, rur sonstige Arbeitnehmer ist sie Inhalt der Interessenwahrungspflicht gern. § 242 BGB. Die Pflicht geht über § 17 UWG hinaus, da dort nur solche Mitteilungen schadensersatzpflichtig sind, die nicht erweislich wahr sind. l64 Die arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht umfaßt jedoch auch und gerade die wahren Tatsachen, die Geschäftsgeheimnisse darstellen.

Preis, Prinzipien, S. 366f. BAG, AP Nr. 2 zu § 70 HGB; LAG Baden-Württemberg, EzA § I KSchG Verhaltensbedingte Kündigung-, Nr.8; LAG Düsseldorf, BB 1961, S.532; LAG Frankfurt, BB 1967, S. 1168. 163 BAG, AP Nr. 2 zu § 79 BetrVG 1972; Creifelds, Rechtswörterbuch, S. 484 "Geschäftsgeheimnis" . 164 Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 13 I I; Kissel, NZA 1988, S. 145, 150; SoergelKraft, § 611 Rn. 82. 161

162

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

Darüber hinaus fallen auch sonstige vertrauliche Angaben wie persönliche Daten von Mitarbeitern oder des Arbeitgebers, die der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit erfiihrt, unter die Verschwiegenheitspflicht. 16s Das schutZWÜfdigere und demnach schwerwiegendere Interesse des Arbeitgebers an einer Geheimhaltung ist dadurch zu rechtfertigen, daß diese Geheimnisse nur durch sein Eigentum und seine unternehmerische Tätigkeit entstanden oder zumindest dadurch in seinen Bereich gelangt sind. Damit steht auch nur dem Arbeitgeber ihre Verwertung zu. Daraus ergibt sich zusätzlich, daß der Arbeitnehmer auch nachvertraglich zur Verschwiegenheit über Betriebsgeheimnisse verpflichtet ist. 166 Dieser Grundsatz findet ebenfalls Niederschlag in dem Arbeitnehmererfmdungsgesetz, wonach der Arbeitnehmer gern. § 5ff ArbNErfG Diensterfindungen seinem Arbeitgeber zur Verwertung anbieten muß und bei Inanspruchnahme lediglich einen Anspruch auf angemessene Vergütung hat. Hinsichtlich der Auskünfte über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie über sonstige vertrauliche Angaben ist der Arbeitnehmer somit in seiner Meinungsfreiheit beschränkt. 167 dd) Zusammenfassung Die vorgestellten Fallgruppen zeigen, daß eine einheitliche Aussage zu dem Verhältnis der Grundrechte zu arbeitsrechtlichen Pflichten nicht getroffen werden kann. Es läßt sich auch kein genereller Vorrang der Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberinteressen feststellen. Vielmehr muß innerhalb jeder Fallgruppe die Schutzwürdigkeit der jeweiligen Interessen untersucht und danach entschieden werden. Dies wird besonders deutlich bei dem Problem der Anzeige gegen den Arbeitgeber. Dem Bereich, in dem die Grundrechte auf der Arbeitgeberseite eine noch gewichtigere Rolle spielen, nämlich in den Tendenzbetrieben, ist der nächste Gliederungspunkt gewidmet.

165

Preis / Reinfeid, AuR 1989, S. 361, 363f; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 54

1b). 166 BAG, AP Nr. 1,5 zu § 611 BGB -Betriebsgeheimnis-; AP Nr. 4 zu § 611 -Fürsorgepflicht-. 167 So auch: Hueek / v. Hoyningen-Huene, KSchG, § I Rn. 332; KR-Becker, § 1 KSchG Rn. 281; Hersehel / Löwiseh, KSchG, § 1 Rn. 113.

11. Eingrenzungsmerkma1e

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c) Besonderheiten bei Tendenzbetrieben

Die bisher gemachten Aussagen zur Bestimmung außerdienstlicher Verhaltenspflichten bezogen sich auf "normale" Arbeitsverhältnisse in der Privatwirtschaft. Fraglich ist, ob in Tendenzbetrieben beschäftigte Arbeitnehmer wegen des sogenannten Tendenzschutzes unter Umständen weitergehende Beschränkungen ihrer (außerdienstlichen) Verhaltensfreiheit hinnehmen müssen. Zur Untersuchung dieser Frage soll zunächst die Eigenart von Tendenzbetrieben und die Berechtigung des Tendenzschutzes, der sich zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken kann, aufgezeigt werden. aa) Definition von Tendenzbetrieben Die Tendenzbetriebe sind in § 118 Abs. 1 BetrVG filr den Bereich der Betriebsverfassung definiert worden: Es handelt sich um Betriebe, die unmittelbar und überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder Zwecken der Berichterstattung und Meinungsäußerungen i. S. d. Art. 5 Abs. I S. 2 GG dienen. Eine politische Bestimmung haben neben den Parteien und ihren Einrichtungen auch wirtschafts- oder sozialpolitische Vereinigungen wie Unternehmens- und Vertriebenen verbände. 168 Der Begriff "koalitionspolitisch" ist i. S. d. des Art. 9 Abs. 3 GG zu verstehen und umfaßt Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften mitsamt ihren Einrichtungen. Konfessionellen Zielen dienen die rechtlich selbständigen Organisationen der Religionsgemeinschaften. Eine karitative Bestimmung haben private Wohlfahrtsverbände, die aus altruistischen, ethischen Gründen ihren Dienst zur Linderung der Not erbringen. Sie dürfen zwar kostendeckend, aber nicht gewinnbringend arbeiten. 169 Alle Bildungseinrichtungen i. S. d. Art. 7 Abs. 4 S. I GG, die auf eine gewisse Dauer angelegt sind und durch planmäßige und methodische

168

Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 118 Rn. 14; GK-Fabricius, § 118

Rn. 161. 169 BAG, EzA § 118 BetrVG 1972 Nr. 26; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 118 Rn. 17; anders GK-Fabricius, § 118 Rn. 197ff.

S Wisskirchen

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

Unterweisung in einer Mehrzahl allgemeinbildender oder berufsbildender Fächer die Persönlichkeit des Menschen formen, zählen zu Betrieben mit erzieherischem Zweck. 170 Fabricius 171 hält auch die reine Wissensvermittlung filr ausreichend, sofern nicht das Hauptziel des Betriebs wirtschaftliches Gewinnstreben ist. Unter Institutionen mit wissenschaftlicher Bestimmung versteht man solche, deren Ziel es ist, auf bestimmten Gebieten Kenntnisse zu mehren und Zusammenhänge zu erkennen, d. h. die Wahrheit zu erforschen. 172 Eine künstlerische Bestimmung haben schließlich alle Betriebe, die freie schöpferische Gestaltung, Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse durch das Medium einer Formensprache zum Ausdruck bringen. 173 Darunter fallen z. B. Museen, Orchester und Buchverlage, nicht aber Buchhandlungen, deren Zielsetzungen rein wirtschaftlicher Art sind. 174 Von § 118 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG werden nicht nur Presseunternehmen, die eine parteipolitische oder allgemeinpolitische Ausrichtung haben, umfaßt, sondern auch Zeitungen ohne jegliche politische Tendenz. Ebenso zählen privatrechtlich organisierte Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie Nachrichtenagenturen dazu, nicht aber Zeitschriftenhandel oder Lesezirkel. 175 Gemeinsames Merkmal der aufgeftihrten Betriebe ist es, daß sie eine geistigideele Ausrichtung haben. bb) Rechtfertigung des Tendenzschutzes Die in § 118 BetrVG aufgezählten Betriebe genießen Tendenzschutz, der sich dahingehend auswirkt, daß die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Vergleich zu anderen Betrieben eingeschränkt sind. Zu untersuchen ist, ob diese betriebsverfassungsrechtliche Sonderstellung der Tendenzbetriebe auch Einfluß auf die Regelungen des Individualarbeitsrechts hat. Dies kommt nur dann in Betracht, wenn der rechtliche Grund des kollektivrechtlichen Tendenzschutzes und die Interessenlage im individualrechtIichen Bereich eine hinreichende Vergleichbarkeit aufweisen. Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, GK-Fabricius, § 118 Rn. 218ff. 172 Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, 173 BVerfGE 30, S. 173, 188ff. 114 Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, 115 Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, 170

§ 118 Rn. 18.

171

§ 118 Rn. 19. § 118 Rn. 20. § 118 Rn. 23.

H. Eingrenzungsmerkmale

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Allen Betrieben i. S. d. § 118 BetrVG ist gemeinsam, daß sie Zwecke verfolgen, deren Verwirklichung im Grundgesetz besonders geschützt ist. Nach der Begründung des Bundestagsausschusses filr Arbeit und Sozialordnung sollte das rechtspolitische Ziel der Neufassung des § 81 BetrVG 1952, dem jetzigen § 118 BetrVG, sein, "eine ausgewogene Regelung zwischen dem Sozialstaatsprinzip und den Freiheitsrechten der Tendenzträger" zu finden. 176 Er hat hinzugefilgt, daß es sachgerecht sei, bei tendenzbezogenen Maßnahmen des Arbeitgebers dem Tendenzschutz Vorrang vor Beteiligungsrechten des Betriebsrats zu geben. § 118 BetrVG konkretisiert also die grundrechtlichen Gewährleistungen in Art. 4, 5, 7, 9 und 21 GG (um nur die wesentlichen zu nennen) und nimmt damit zusätzlich eine sozialordnungsrechtliche Gestaltungsfunktion war, indem er das Verhältnis zwischen den Freiheitsrechten der Tendenzträger und dem Sozialstaatsprinzip, aus dem die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer abgeleitet werden, zugunsten der ersteren klärt. Diesen Grundrechtsbezug hat das BAG zwar filr § 81 BetrVG 1952 noch abgelehnt I77 , ihn aber filr den neuen § 118 BetrVG 1972 aufgrund des eindeutigen Willens des Gesetzgebers in ständiger Rechtsprechung anerkannt. 178 Trotz mancher Entscheidungen des BAG I79 , die im Sinne einer generellen Gleichrangigkeit der Rechte von Tendenzträger und Arbeitnehmer verstanden werden könnten, hat das BAG an anderer Stelle richtig festgestellt, daß der Gesetzgeber der Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Freiheit der Kunst und Wissenschaft eine so starke Bedeutung beigemessen hat, daß er die auf dem Sozialstaatsprinzip begründeten Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer "in gewissem Umfang einschränken wollte" .180 Fabricius l81 hingegen mißt dem seiner Ansicht nach nur mittelbaren Grundrechtsbezug des § I 18 BetrVG keine besondere Bedeutung zu. Vor aIIem lehnt er es ab, darin eine verfassungskräftige Verbürgung des Tendenzschutzes zu sehen. 182 Zusätzlich weist er darauf hin, gegen einen Verfassungsbezug könne geltend gemacht werden, daß der Tendenzschutz schon vor dem Inkrafttreten der Verfassung bestanden habe. Die Vorschrift des § 118 BetrVG müsse daher verfassungskonform ausgelegt werden. Dies bedeute, daß auch dem Sozialstaatsprinzip und den Grundrechten der Arbeitnehmer Rechnung

Schriftlicher Bericht zu BT-Drucks. VI 12729, S. 17. BAG, AP Nr. 13 zu § 81 BetrVG 1952. 178 BAG, EzA § 118 BetrVG 1972 NT. 4, 6,9. \79 Z. B. BAG, EzA § 118 BetrVG 1972 Nr. 9. \80 BAG, EzA § 118 BetrVG 1972 Nr. 6, 16. \8\ GK-Fabricius, § 118 Rn. 102ff. \82 So auch Ihle/eid, AuR 1980, S. 257ff. \76

177

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

getragen werden müsse und der Tendenzschutz des § 118 BetrVG im Wege der Auslegung unter Umständen dadurch wieder eine Einschränkung erfahre. 183 Dem ist nicht zuzustimmen. Der auch von Fabricius zugegebene Grundrechtsbezug hat nicht zur Folge, daß die Mitbestimmung des Betriebsrats nur dann eingeschränkt ist, wenn sie eine Grundrechtsverletzung des Tendenzunternehmens darstellt. Vielmehr wird durch § 118 BetrVG generell bestimmt, daß nur dann keine Grundrechtsverletzung vorliegt, wenn die Mitbestimmungsrechte in der vorgeschriebenen Weise eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen sind. Diese Konkretisierung des Verhältnisses der Grundrechte untereinander liegt durchaus im Spielraum des Gesetzgebers. 184 Insbesondere Art. 5 Abs. 1 S. 2 und 9 Abs. 3 GG stellen nicht nur Freiheitsrechte dar. Sie werden darüberhinaus als verfassungsrechtliche Einrichtungsgarantien angesehen. 185 Sinn und Zweck solcher Einrichtungsgarantien liegt gerade darin, Grundsätze für die einfachgesetzliche Ausgestaltung der von ihr erfaßten privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Einrichtungen bindend vorzugeben. 186 Wenn die Einrichtungsgarantien aber für die Regelung des von ihnen erfaßten Lebenssachverhalts bindende verfassungsrechtliche Rechtsgrundsätze vorgeben, kann das von Fabricius angeführte Sozialstaatsprinzip für diese Lebenssachverhalte nicht mehr maßgebend sein. 187 Zur Pressefreiheit hat das BVerfG ausgeführt, daß dieses Grundrecht dem Staat eine unmittelbare Einflußnahme auf die Tendenz von Presseerzeugnissen verwehre. Er dürfe aber auch "nicht durch rechtliche Regelungen die Presse fremden - nichtstaatlichen - Einflüssen unterwerfen oder öffuen, die mit dem durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG begründeten Postulat unvereinbar wären, der Freiheit der Presse Rechnung zu tragen".188 Käme dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zu, das ihm eine Einwirkung auf die Tendenz eröffue, so unterläge der Unternehmer einem solchen fremden Einfluß. Das Sozialstaatsprinzip könne keine Schranke der Pressefreiheit im Innenverhältnis der Presseunternehmen sein, "denn eine Begrenzung der Pressefreiheit durch die Verfassung selbst würde insoweit voraussetzen, daß das Sozialstaatsprinzip ei-

183 184

GK-Fabricius, § 118 Rn. 108f; Ihlefeld, AuR 1980, S. 257, 264f. Dietz / Richardi, BetrVG, § 118 Rn. 16; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 118

Rn. 4. 185 Rüthers, NJW 1978, S. 2066,2068; Marino, Verfassungsrechtliche Grundlagen, S. 118,384. 186 BVerfGE 24, S. 367, 389; Bleckmann, Staatsrecht 11 - Die Grundrechte, § 26. 187 Marino, VerfassungsrechtIiche Grundlagen, S. 378. 188 BVerfGE 52, S. 283, 296.

11. Eingrenzungsmerkmale

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nen konkreten und verbindlichen Auftrag zur Einfilhrung einer Mitbestimmung des Betriebsrats in Presseunternehmen enthält". 189 Auch die von Fabricius angeführten Arbeitnehmergrundrechte können nach dem BVerfG das Grundrecht gern. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht einschränken. Denn "auch sie umfassen keinen verbindlichen Verfassungsauftrag zur Einfilhrung einer Mitbestimmung des Betriebsrats in Presseunternehmen".I90 Hinsichtlich des Art. 9 Abs. 3 GG kommt hinzu, daß er nach der Rechtsprechung des BVerfG ein selbständiges Ordnungsprinzip enthält, nämlich die Schaffung einer sinnvollen Ordnung im Arbeitsleben. Somit ist in Art. 9 Abs. 3 GG das Sozialstaatsprinzip, welches generell die Schaffung einer sozial gerechten Ordnung in allen gesellschaftlichen Bereichen bezweckt, bereits konkretisiert und kann daher nicht wieder zur Eingrenzung herangezogen werden. 191 Bedenkenswert ist schließlich, daß § 118 Abs. I BetrVG nicht eine grundrechtsbegrenzende, sondern eine grundrechtsausgestaltende Norm ist, weil sie die Pressefreiheit nicht beschränkt, sondern sie vor Beeinträchtigungen durch die betriebliche Mitbestimmung abschirmt. Zwar kann das Sozialstaatsprinzip auch bei grundrechtsausgestaltenden Regelungen rur die Auslegung herangezogen werden, die Auslegung darf dann jedoch nicht in eine Beschränkung umschlagen. 192 Eine von Fabricius geforderte einschränkende Auslegung des § 118 BetrVG unter Beachtung des Sozialstaatsprinzips ist mithin abzulehnen. § 118 BetrVG muß also dahingehend verstanden werden, daß er Tendenzunternehmen wegen ihrer in der Verfassung verbürgten Grundrechte schützen will und zumindest hinsichtlich der Unternehmen, die sich auf verfassungsrechtliche Einrichtungsgarantien berufen können, auch einen Vorrang vor dem Sozialstaatsprinzip und damit den Beteiligungsrechten der Arbeitnehmer statuiert. 193 Betrachtet man die rechtliche Begründung rur die Normierung einer besonderen Tendenzschutzbestimmung im BetrVG, so wird deutlich, daß der Tendenzschutz nicht auf das kollektive Arbeitsrecht beschränkt bleiben kann.

BVerfGE 52, S. 283, 298. BVerfGE 52, S. 283,298. 191 Marino, Verfassungsrechtliche Grundlagen, S. 385. 192 BVerfGE 52, S. 283, 299. 193 So auch Rüthers, NJW 1978, S. 2066,2068; Dütz, Anm. zu EzA § 118 BetrVG 1972 Nr. 9; Dietz-Richardi, BetrVG, § 118 Rn. 18; Bericht des BT-Ausschusses rur Arbeit und Sozialordnung zu BT-Drucks. VI / 2729, S. 17. 189 190

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Dafilr sprechen die Bedeutung und die Wirkungen der durch § 118 BetrVG privilegierten und von der Verfassung gestützten Zwecke. Ohne die Parteien und Koalitionen wäre das politische und wirtschaftliche Leben in Deutschland kaum denkbar. Und auch das Gesellschafts- und Geistesleben käme ohne die Presse und Einrichtungen mit konfessionellen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen nicht aus. Denn die von dem Grundgesetz gewährten Freiheitsrechte des Einzelnen können ohne einen organisatorischen Rahmen, den die geschilderten Tendenzunternehmen schaffen, nicht in den filr eine Demokratie notwendigen Ideenwettbewerb treten. Die Entfaltung der individuellen Grundrechte setzt also die Bildung und den Schutz der Tätigkeit von Tendenzunternehmen als Rahmenbedingung voraus. Beschränkungen der Tendenzunternehmen drohen im Arbeitsrecht aber nicht nur aus dem kollektiven Bereich. Gerade auch Rechte des einzelnen Arbeitnehmers sind geeignet, den Arbeitgeber an der Verfolgung seiner Tendenz zu hindern. Daraus läßt sich rur das Arbeitsrecht folgern, daß der Schutz der Tendenz nicht nur im Betriebsverfassungs- und Unternehmensverfassungsrecht vorhanden sein muß, sondern auch im Individualarbeitsrecht erforderlich ist, um die oben geforderten Rahmenbedingungen zur Entfaltung der Grundrechte der Tendenzträger zu schaffen. cc) Außerdienstliche Verhaltenspflichten im Tendenzarbeitsverhältnis Nunmehr gilt es zu untersuchen, inwiefern sich der Tendenzschutz konkret auf die außerdienstlichen Verhaltenspflichten von Arbeitnehmern, die in Tendenzbetrieben beschäftigt sind, auswirkt. Wie sich aus der oben ausgeftlhrte Begründung des Tendenzschutzes ergibt, hat der Tendenzbetrieb nicht nur im kollektivrechtlichen Bereich Anspruch auf Schutz seiner Tendenz, sondern auch im individualrechtlichen Bereich. Das bedeutet, daß ein Arbeitgeber sich gegen Beeinträchtigungen bei der Verfolgung seiner Tendenzziele, die von seiten eines Arbeitnehmers kommen, wehren und Unterlassung verlangen darf. 194 Hierbei handelt es sich im Grunde nur um eine besondere Ausgestaltung der im vorhergehenden Kapitel näher erläuterten Interessenwahrungspflicht. Während in "normalen" Betrieben eine gleichwertige Abwägung zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen stattfindet, wiegt in Tendenzbetrieben das Interesse des Arbeitgebers an einer Wahrung der Tendenz in der Regel stärker. Dies erfordert der oben aufgezeigte verfassungsrechtliche Schutz dieser

194 So auch Rath-Glawatz, AfP 1982, S. 125, 130, der nur bei Tendenzunternehmen klagbare Nebenpflichten annehmen will.

11. Eingrenzungsmerkmale

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Betriebe, der nicht statuiert wurde, um den Inhabern von Tendenzbetrieben wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen, sondern um den Pluralismus als Grundelement einer demokratischen Gesellschaftsordnung zu wahren. Bei der Abwägung zwischen Arbeitnehmerinteresse und dem Interesse an der Wahrung der Tendenz läßt das allgemeine gesellschaftliche Interesse und eben nicht nur das Arbeitgeberinteresse das Pendel zugunsten der Tendenz ausschlagen. Das Zurücktreten des Interesses des Arbeitnehmers und somit auch seiner Grundrechte wird zusätzlich damit gerechtfertigt, daß sein Eintritt in den Betrieb freiwillig erfolgt, er mithin auf die Ausübung seiner Grundrechte teilweise verzichtet. 19s Andere betonen das in einem "Tendenzarbeitsverhältnis" dominierende gemeinschaftsbezogene Element l96 , da die innere Einstellung der Arbeitnehmer hinsichtlich der Tendenz mit dem ihres Unternehmens in gesteigertem Maße übereinstimmen müsse. 197 aaa) Tendenzträger

Die besondere Pflicht, der Tendenz des Betriebs nicht entgegenzuarbeiten, trifft jedoch nicht alle Arbeitnehmer gleichermaßen. Die h. M. unterscheidet im Bereich des Betriebsverfassungsrechts zwischen Tendenzträgern und sonstigen Arbeitnehmern. Tendenzträger sind alle die Arbeitnehmer, die mit den spezifisch tendenzbestimmten Tätigkeiten betraut sind. Ihre Arbeit muß typisch filr einen Tendenzbetrieb sein, d. h. sie dürfte nicht auch in jedem anderen Betrieb erbracht werden können. Außerdem muß der Tendenzträger einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Tendenzverwirklichung haben. 198 Kunze l99 hingegen will den Kreis der Tendenzträger nur negativ umschreiben. Tendenzträger sind danach nur solche, die in der Lage sind, die Erftlllung der betrieblichen Aufgabe erheblich zu beeinträchtigen. Diese Möglichkeit sieht Kunze erst ab einer gewissen Höhe der betrieblichen Funktion als gegeben an. Deshalb ist eine Rechtsschutzsekretärin der Gewerkschaft seiner Ansicht nach keine Tendenzträgerin. Sie habe bei der Rechtsberatung einen durch die Gesetze eng gesteckten Gestaltungsspielraum und nehme ansonsten keine Gamillscheg, Grundrechte, S. 39. 196 Siehe dazu auch die Ausfllhrungen in Kapitel 2 I 1 b) bb). 197 Rath-Glawatz, AfP 1982, S. 125. 130. 198BAG, EzA § 118 BetrVG 1972 Nr.9; F / A / K / H, § 118 Rn.31; Löwisch, BetrVG, § 118 Rn. 24; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 118 Rn. 29; Rath-Glawatz, AfP 1982, S. 125, 130. 199 Kunze, Anm. zu BAG, AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969, - Verhaltensbedingte Kündigung -. 195

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

gewerkschaftspolitischen Aufgaben wahr. Sie sei auch nicht in einer hohen Funktion tätig. Daher könne sie keinen negativen Einfluß auf die Verwirklichung gewerkschaftlicher Ziele nehmen. Dem ist nicht zuzustimmen. Die Tendenzträgereigenschaft hängt nicht nur von der Funktionshöhe des Arbeitnehmers ab. Dies ist in der Regel zwar ein Indiz fUr das Vorliegen der Tendenzträgereigenschaft. Aber auch ohne eine hohe Position im Betrieb kann ein Arbeitnehmer z. B. durch Kontakte mit der Außenwelt Einfluß auf die Tendenz nehmen und damit Tendenzträger sein. So unterschätzt Kunze die weitreichenden Möglichkeiten einer Rechtsschutzsekretärin zur Beeinträchtigung der gewerkschaftlichen Tendenz. Der Rechtsschutz ist eine wichtige Leistung der Gewerkschaften an ihre Mitglieder. Das kostenlose Angebot einer Rechtsberatung ist Ausdruck der Verbandssolidarität. Fließt beispielsweise in die Rechtsberatung kommunistisches Gedankengut ein, so kann das Vertrauen des Mitglieds in die demokratische Gesinnung der Gewerkschaft, als dessen Vertreterin die Rechtsschutzsekretärin in seinen Augen agiert, erschüttert werden. Wird aber die Vertrauensbasis zu den Mitgliedern gestört, kann die Gewerkschaft ihr Tendenzziel, die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen, nicht mehr erfilllen. Daran zeigt sich, daß auch eine Rechtsschutzsekretärin als Tendenzträgerin anzusehen ist, weil sie in der Lage ist, die Tendenzverwirklichung der Gewerkschaft erheblich zu beeinträchtigen.2OO Somit ist festzuhalten, daß sowohl die Möglichkeit zur Beeinflussung der Tendenz, was regelmäßig eine gewisse Funktionshöhe voraussetzt, als auch die Fähigkeit zur Beeinträchtigung der Tendenz, die unabhängig von der Höhe der Funktion besteht, wesentliche Merkmale zur Bestimmung der Tendenzträgereigenschaft darstellen. Im Pressebereich beispielsweise gelten daher Redakteure, auch Umbruchredakteure, die die Vorauswahl der Meldungen durchfUhren, als Tendenzträger. 2o, Korrektoren wird hingegen weder ein positiver noch negativer Einfluß auf die Tendenz zugeschrieben. Sie sind keine Tendenzträger. 202 bbb) Umfang der Pflichten

Von den Tendenzträgern wird auch im außerdienstlichen Bereich ein tendenzkonformes Verhalten erwartet. Der Arbeitnehmer macht sich ansonsten

200 So auch BAG, EzA § I KSchG Nr. 5 -Tendenzbetrieb-; Rüthers, Anm. zu BAG, EzA § I KSchG Nr. 5 -Tendenzbetrieb-. 201 BAG, EzA § 1 KSchG Nr. 11 -Tendenzbetrieb-; Neumann-Duesberg, NJW 1973, S. 268, 270f; Mayer-Maly, BB 1973, S. 761, 768ff. 202 LAG Hamburg, DB 1974, S. 2406.

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selbst und damit gleichzeitig den Tendenzbetrieb unglaubwürdig. Er kann seine vertraglich Ubernommene Arbeit nicht mehr erftlllen. Der Bereich des außerdienstlichen Verhaltens, der Beschränkungen erfährt, wird durch die Tendenz bestimmt. 203 Das bedeutet, daß der Redakteur einer Umweltzeitschrift sich der Äußerung besonders umweltschädlicher Ansichten im außerdienstlichen Bereich enthalten muß, seine politischen Ansichten zu familien- oder außenpolitischen Fragen jedoch unbeschränkt mitteilen kann. Tendenzträger von Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerkoalitionen sind, soweit sie nicht die Demokratie insgesamt in Frage stellen (siehe Rechtsschutzsekretärin), nur hinsichtlich sozial- und arbeitspolitischer Themen beschränkt. Ein Redakteur, der Artikel und Glossen ft1r eine liberal-konservative Zeitung verfaßt, darf abends bei Veranstaltungen einer kommunistischen Partei keineflammenden Reden halten. Wird dies bekannt, so werden seine Artikel in Zukunft keinerlei Überzeugungskraft mehr besitzen, der Zeitung insgesamt wird ihre liberal-konservative Tendenz nicht mehr abgenommen werden. Es geht also bei den Beschränkungen stets darum, daß die Glaubwürdigkeit des Arbeitgebers in seiner Tendenz, die er gewählt hat, nicht beeinträchtigt wird durch das Verhalten einzelner Mitarbeiter. Daher wird nur solches tendenzwidriges außerdienstliches Verhalten arbeitsrechtlich relevant, das eine schädigende Wirkung entfalten kann. Dies ist zu bejahen, wenn es bekannt wird, sich also in der Öffentlichkeit abgespielt hat. Tendenzwidriges Verhalten im privaten Kreis ist hingegen nicht geeignet, den Tendenzbetrieb zu schädigen. 204 Allerdings gilt zur Abgrenzung auch hier: Das Unternehmen muß nicht erst auf eine konkrete Beeinträchtigung warten, bevor es arbeitsrechtlich gegen den Arbeitnehmer vorgehen kann. Vielmehr reicht die Geeignetheit und damit die hinreichende Gefahr, daß die Glaubwürdigkeit beeinträchtigt wird. Eine Zeitung beispielsweise muß daher nicht erst den Verlust von Lesern abwarten, um gegenUber einem sich in der Öffentlichkeit tendenzwidrig verhaltenden Redakteur arbeitsrechtliche Maßnahmen ergreifen zu können (siehe dazu auch die Ausftihrungen zum Erfordernis der konkreten Beeinträchtigung205 ).206

Rath-Glawatz, Atp 1982, S. 125, 130. Siehe die entsprechenden Ausfilhrungen zur Beleidigung in Kapitel 2 11 2 b) aa). 205 Kapitel 2 Il 1 c) bb). 206 So auch Rath-Glawatz, Atp 1982, S. 125, 130f, dessen Abhandlung eine große Zahl von arbeitsgerichtlichen Entscheidungen zu außerdienstlichem Verhalten im Pressebereich zitiert und untersucht. 203

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Kapitel 2: Arbeitsrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten

111. Zusammenfassung Zur Eingrenzung außerdienstlich relevanten Verhaltens muß zunächst seine Betriebsbezogenheit untersucht werden. Diese kann jedoch nicht ausnahmslos dahin verstanden werden, daß nur Verhaltensweisen, die zu einer konkreten Beeinträchtigung des Betriebes fUhren, davon erfaßt sind. Bei einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der Gefahr ist bereits eine gefiihrdende Handlung zu unterlassen. In Ausnahmefilllen kann von dem Erfordernis der Betriebsbezogenheit abgewichen werden und rein private Interessen des Arbeitgebers zu eine Pflichtenbindung des Arbeitnehmers filhren. Liegt eine Betriebsbezogenheit außerdienstlichen Verhaltens vor, so muß in einem zweiten Schritt eine Abwägung zwischen den Grundrechten des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers stattfinden. Hierbei spielt insbesondere die Schutzwürdigkeit an der Verwirklichung der jeweiligen Interessen eine Rolle. In Tendenzbetrieben ist jedoch wegen des speziellen verfassungsrechtlichen Schutzes ein regelmäßiges Übergewicht des Arbeitgebers an der Tendenzverwirklichung festzustellen.

Kapitel 3

Rechtsfolgen des relevanten außerdienstlichen Verhaltens I. Außerdienstliche Verhaltenspflichten gern. § 242 BGB Nachdem das Spektrum der sich aus § 242 BGB ergebenden außerdienstlichen Verhaltenspflichten inhaltlich dargelegt worden ist, stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen ein Verstoß dagegen nach sich zieht. In Betracht kommen ErfiillungsanspTÜche (damit sind im folgenden auch UnterlassungsanspTÜche gemeint), SchadensersatzanspTÜche sowie die verhaltens- und personenbedingte Kündigung. Der Eintritt dieser Rechtsfolgen hängt davon ab, wie die verschiedenen Verhaltensanforderungen rechtlich einzuordnen sind. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es eine gewisse Begriffsverwirrung hinsichtlich der Klassifizierung und Bezeichnung der Nebenpflichten, die sich aus § 242 BGB ergeben. Die einen unterscheiden sie von ihrer Rechtsfolge her, ob sie klagbar sind oder nicht. J Die anderen 2 - und das erscheint überzeugender - differenzieren diese Pflichten nach ihrem Inhalt, ohne daß diese Einteilung etwas über die Rechtsfolge im Falle eines Verstoßes und über ihre Klagbarkeit aussagt. Geht man so vor, ergeben sich drei Kategorien von Nebenpflichten gern. § 242 BGB: Schutzpflichten, die das Intergritätsinteresse des Gläubigers wahren, selbständige Nebenpflichten, die neben der Hauptleistungspflicht ein zusätzliches Tun oder Unterlassen fordern, das dem "weiteren" Zweck des Schuldverhältnisses dient, und Nebenleistungspflichten, die das Leistungsverhalten näher ausgestalten.

So MüKo-Kramer, § 241 Rn. 14. So auch: Stürner, JZ 1976, S.384, 385; MüKo-Roth, § 242 Rn. 97, Rn. 140f; Soergel-Teichmann, § 242 Rn. 173. 1

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Kapitel 3: Rechtsfolgen des relevanten außerdienstlichen Verhaltens

1. Durchsetzbarkeit der Nebenpflichten

Da es nur hinsichtlich der Durchsetzbarkeit unterschiedliche Ergebnisse bei den einzelnen Nebenpflichten gibt, soll dieser Aspekt im folgenden getrennt behandelt werden. a) Schutzpjlichten

Die Schutzpflichten zielen darauf ab, unabhängig von der Hauptleistung die bereits bestehenden RechtsgUter des Vertragspartners, also den status quo, zu schützen bzw. ihnen nicht zu schaden. Sie beruhen darauf, daß erst durch das Schuldverhältnis der Gläubiger dem Schuldner seine Rechtssphäre öffnet und diesem dadurch Einwirkungsmöglichkeiten verschafft. Der damit entstehenden Gefahr einer Schädigung kann das Deliktsrecht nicht Rechnung tragen, da die bloße Schädigung des Vermögens regelmäßig - rur sich genommen - nicht ersatzfiihig ist und die Zurechenbarkeit von Drittverschulden (§ 831) filr den Gläubiger ungünstiger ausgestaltet ist. Daher erscheint die Annahme einer vertraglichen Schutzpflicht mit den bei ihrer Verletzung entsprechend günstigeren Rechtsfolgen sachgerecht. 3 Zu den außerdienstlichen Verhaltensweisen eines Arbeitnehmers, die das Integritätsinteresse des Arbeitgebers verletzten, zählen im wesentlichen folgende Fallgruppen: - Rufschädigende und beleidigende Äußerungen, die umso wirkungsvoller den Arbeitgeber und seinen Betrieb schädigen können, als sie aus seinem näheren Umfeld stammen und damit mehr Gewicht und Glaubwürdigkeit besitzen. - Der Verrat von Betriebsgeheimnissen, welcher ebenfalls dem Betrieb als Ganzem Schaden insbesondere im Wettbewerb mit Konkurrenten zuftigen kann. - Die Abwerbung von Kunden und Arbeitnehmern; beide gelten als Bestandteile eines Betriebes und stellen daher bei ihrem Verlust eine Verletzung der Rechtsgutsphäre des Arbeitgebers dar. Die Durchsetzbarkeit und damit Klagbarkeit von Schutzpflichten ist umstritten. Für die gesetzlich ausdrücklich geregelten Schutzpflichten wie z. B. die aus §§ 536 oder 618 BGB wird zwar allgemein ein einklagbarer Anspruch angenommen. Bei den anderen wird dies jedoch teilweise nur bejaht, wenn sie vertraglich konkretisiert und dadurch in den Rang klagbarer Nebenleistungs-

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MüKo-Kramer, Einleitung § 241 Rn. 72; Soergel-Teichmann, § 242 Rn. 178f.

I. Außerdienstliche Verhaltenspflichten gern. § 242 BGB

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pflichten erhoben worden seien. Ansonsten wird der Gläubiger auf die Schadensersatzmöglichkeiten verwiesen. 4 Dem ist nicht zuzustimmen. Schon wegen der Nähe der Schutzpflichten zu deliktischen Ansprüchen ist die Zulassung vor allem vorbeugender Unterlassungsansprüche geboten. s An einer ursprünglich fehlenden Bestimmtheit scheitert die Annahme eines Erfilllungsanspruchs jedenfaHs nicht. Denn die Konkretisierung der Pflicht ergibt sich - ebenso wie bei den gesetzlich normierten Schutzpflichten und den deliktischen Unterlassungsansprüchen - aus dem jeweiligen Geschehensablauf. Ebensowenig soHte die Durchsetzbarkeit nur bei einer vertraglichen Vereinbarung bejaht werden, weil Schutzpflichten schon in ihrer Entstehung nicht von einem wirksamen Vertrag abhängig sind.6 Allerdings wird in der Regel bei Schuldverhältnissen der auf Erfiillung der Schutzpflicht gerichtete Anspruch als ultima ratio angesehen, da er den weitreichendsten Eingriff in die Freiheitssphäre des Schuldners darstellt. 7 Daher wird verlangt, zunächst zu prüfen, ob dem Gläubiger nicht eher zumutbar ist, das Vertragsverhältnis zu lösen und damit die Gefahr filr seine Rechtsgüter zu bannen. 8 Es ist jedoch fraglich, ob diese Überlegung auf das Arbeitsverhältnis als besonders ausgestaltetes Schuldverhältnis übertragbar ist. Hier erscheint die Kündigung filr den Arbeitnehmer jedenfaHs nicht als das geringere "Übel" gegenüber einem Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers. Zudem sind die Kündigungsmöglichkeiten im Arbeitsrecht stark eingeschränkt. Nicht jede Pflichtverletzung berechtigt den Arbeitgeber gleich zur Kündigung. In der Regel muß zunächst eine Abmahnung erfolgen, es sei denn, die Pflichtverletzung war so schwer, daß der Arbeitnehmer mit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr rechnen konnte. 9 Hat daher der Arbeitnehmer bereits einmal gegen eine Schutzpflicht verstoßen und besteht Wiederholungsgefahr oder besteht die konkrete Gefahr eines Erstverstoßes, so darf der Arbeitgeber das Verhalten abmahnen und / oder

4 Larenz, § 2 I, S. 12, § 9 Einleitung, S. 105; Esser I Schmidt, Schuldrecht I, Teilbd.l, § 6 IV, S. 110; Mayer-Maly, Treue- und Fürsorgepflicht, S. 71,80. S So auch Stürner, JZ 1976, S. 384, 385ff; MünchArb-Blomeyer, § 54 Rn. 5; MünchKomm-Söllner, § 611 Rn. 379. 6 Soergel-Teichmann, § 242 Rn. 181, 189; Stürner, JZ 1976, S. 384, 386. 7 Stürner, JZ 1976, S. 384, 386. 8 Stürner, JZ 1976, S. 384, 386f; MüKo-Roth, § 242 Rn. 209; Soergel-Teichmann, § 242 Rn. 189. 9 Stahlhacke / Preis, Kündigung, Rn. 684ff; Hueck / v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 1 Rn. 286; KR-Becker, § 1 Rn. 234.

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Kapitel 3: Rechtsfolgen des relevanten außerdienstlichen Verhaltens

wahlweise zusätzlich einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch geltend machen. Dies ist zum einen fUr den Arbeitnehmer die mildere Lösung und zum anderen fUr den Arbeitgeber ein rechtlich gangbarer und gleichzeitig erfolgversprechender Weg. Auch nach Ausspruch einer Kündigung kann der Arbeitgeber einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch geltend machen, wenn es sich um eine auch nachvertraglich wirkende Ptlicht wie die Ptlicht zur Wahrung von Betriebsgeheimnissen handelt. b) Selbständige Nebenpflichten

Selbständige Nebenptlichten zeichnen sich dadurch aus, daß sie neben der Hauptleistung noch ein zusätzliches Tun oder Unterlassen fordern, das dem "weiteren" Zweck des Vertragsverhältnisses dienen soll. Dazu werden Mitwirkungs-, Aufklärungs- und Auskunftsptlichten gezählt. Ihre ErfUllung ist nach h. M. selbständig einklagbar. 1O Die in Frage stehenden außerdienstlichen Verhaltensptlichten können aber diesen Kategorien nicht zugerechnet werden. Sie stellen daher regelmäßig keine selbständigen Nebenptlichten dar. c) Nebenleistungspflichten

Nebenleistungsptlichten dienen der Vorbereitung und Förderung des Leistungserfolgs, sie konkretisieren also das Leistungsverhalten. Im außerdienstlichen Bereich zählen dazu zum einen die in engen Grenzen anerkannte Ptlicht zur Vermeidung gesundheits- und damit leistungsgeflihrdenden Verhaltens" sowie heilungshemmenden Verhaltens während einer Krankheit 12 • Hierzu rechnet ebenso eine die Leistungsfllhigkeit stark beeinträchtigende Nebentätigkeit. Auch Verhaltensweisen, die die Vertrauensgrundlage der Vertragspartner zerstören und damit eine weitere Annahme der Leistung dem Arbeitgeber unzumutbar machen, verstoßen gegen arbeitsvertragliehe Nebenleistungsptlichten. Darunter fiUlt die Annahme von Schmiergeldern sowie Straftaten des Arbeitnehmers, die sich gegen den Arbeitgeber richten. Ein vertrauenzerstörendes Verhalten kann auch in einer besonders schwerwiegenden Verletzung einer

\0 Soergel-Teichmann, § 242 Rn. 173f; MüKo-Roth, § 242 Rn. 140; Esser-Schmidt, Schuldrecht I, § 6 III 2 .. 11 Siehe Kapitel 2 11 1 c) bbb). 12 Siehe Kapitel 4 I 3 a) aa).

I. Außerdienstliche Verhaltenspflichten gern. § 242 BGB

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Schutzpflicht, z. B. dem Verrat eines Betriebsgeheimnisses, liegen, so daß sich Schutz- und Nebenleistungspflichten teilweise überschneiden. 13 Macht der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber unerlaubt Konkurrenz und verletzt damit das Wettbewerbsverbot, entwertet er seine eigene beim Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung und verstößt somit ebenfalls gegen eine Nebenleistungsptlicht. Bei allen diesen Pflichten stellt sich die Frage, ob nur auf die ordnungsgemäße Erftlllung der Hauptleistung geklagt werden kann, weil die einzelnen Unterlassungspflichten lediglich die Kehrseite der Hauptleistungspflicht und damit unselbständig sind. 14 Dies wird im Ergebnis zu verneinen sein. Es ist dem Gläubiger in der Regel nicht zuzumuten, dem leistungsgefährdenden Verhalten des Schuldners tatenlos zuzusehen, bis der Leistungserfolg vereitelt ist. Die ihm dann zustehenden Rechte auf Schadensersatz und Beendigung des Vertragsverhältnisses können den Schaden in der Regel nicht voll kompensieren, da er häufig nicht genau bestimmbar sein wird. Es besteht daher ein schützenswertes Interesse, ein leistungsgefährdendes Verhalten, soweit es konkretisierbar ist, zu unterbinden. Allerdings läßt sich ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Durchsetzung dieser Pflichten nicht begründen, da das Gesetz sich ftlr eine prozeßrechtliche Lösung im Rahmen des Hauptleistungsanspruchs entschieden hat. Der Gläubiger hat nämlich die Möglichkeit, seinen Hauptleistungsanspruch im Wege der einstweiligen Verftigung auf Unterlassen gern. § 938 S.2 ZPO sichern zu lassen. Im Rahmen dieses Verfahrens kann er auch Unterlassungsansprüche gegen die seinen Hauptleistungsanspruch gefährdenden Verhaltensweisen durchsetzen. Für ein eigenständiges Verfahren fehlte ihm dann das Rechtsschutzbedürfnis. 15 Vom Ergebnis her läßt sich jedoch festhalten, daß außerdienstliche Nebenleistungspflichten des Schuldners bei hinreichender Konkretisierbarkeit, welche bei einem Unterlassen häufig gelingt, und hinreichend wahrscheinlicher Gefährdung im Wege der einstweiligen Verfilgung durchgesetzt werden können.

MüKo-Roth, § 242 Rn. 155. So OLG Frankfurt, JZ 1985, S. 337; Erman-Werner, § 242 Rn. 54; StaudingerSchmidt, § 242 Rn. 774. 15 Stürner, JZ 1986, S. 384,390; MüKo-Roth, § 242 Rn. 141; Soergel-Teichmann, § 242 Rn. 174; rur Unterlassungsanspruch bei Wettbewerbsverletzung: Canaris, Anrn. zu BAG, AP Nr. 7 zu § 611 BGB - Treuepflicht -. 13

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Kapitel 3: Rechtsfolgen des relevanten außerdienstlichen Verhaltens

2. Schadensersatz Neben der Erfilliung kann der Arbeitgeber im Falle des Verschuldens den durch die positive Vertragsverletzung entstandenen Schaden ersetzt verlangen. Allerdings zieht die Verletzung einer Schutzpflicht in der Regel nur einen Anspruch auf Ersatz des Schadens nach sich, der aus der Verletzung des Integritätsinteresses entstanden ist. Ein darüber hinausgehendes positives Interesse kann der Arbeitgeber dagegen nicht geltend machen. 16 Vielfach besteht jedoch gerade bei Unterlassungspflichten rur den Arbeitgeber das Problem, die genaue Höhe des Schadens zu beziffern. Beispielhaft sei dies rur die Verletzung eines Wettbewerbsverbots aufgezeigt. Zwar kann der Arbeitgeber gern. § 249 BGB die ihm daraus unmittelbar entstandenen Vermögensnachteile wie den Verlust von Kunden sowie gern. § 252 BGB den entgangenen Gewinn geltend machen. Jedoch muß er vor Gericht substantiiert darlegen, daß zwischen der Pflichtverletzung und dem Verlust des Kunden oder dem Nichtabschluß eines neuen Geschäftes ein kausaler Zusammenhang besteht. Um diese Beweisfiihrung zu erleichtern, räumt die Rechtsprechung dem Arbeitgeber zunächst einen aus § 242 BGB hergeleiteten Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung hinsichtlich der getätigten Wettbewerbsgeschäfte ein, soweit er deren Existenz hinreichend glaubhaft machen kann. Dies gilt sowohl fiir kaufmännische als auch filr andere Arbeitsverhältnisse. 17 Anschließend hat der kaufmännische Arbeitgeber die Wabl, ob er Schadensersatz verlangt oder das sogenannte Eintrittsrecht gern. § 61 Abs. 1 HGB geltend macht. 18 Dieses Eintrittsrecht bedeutet nicht, daß der Arbeitgeber Vertragspartner tUr das mit dem Dritten geschlossene Geschäft wird, sondern lediglich, daß der Arbeitnehmer das aus seinen Geschäften Erlangte herausgeben muß. 19 Die Höhe dieses Gewinns wird nach einer Auskunfts- und Rechnungslegung in der Regel leichter zu bestimmen sein als der entstandene Schaden, so daß der Arbeitgeber sich eher tUr das Eintrittsrecht entscheiden wird. Allerdings steht dem Arbeitgeber dieses Recht nach h. M. nicht zu, falls es sich bei dem verbotswidrigen Geschäft um eine Beteiligung an einer konkurrierenden Gesellschaft handelt. Denn durch einen Eintritt in die Gesellschafter-

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MüKo-Roth, § 242 Rn. 208. BAG, AP Nr. 13 zu § 242 BGB -Auskunftspflicht-; AP Nr. 6, 8 zu § 60 HGB. MünchArb-WinterJeld, § 176 Rn. 17, 18. MünchArb-WinterJeld, § 176 Rn. 19; MünchArb-Blomeyer, § 50 Rn. 33.

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rechte würde in die Rechte der anderen Gesellschafter eingegriffen. Auch eine Beschränkung auf die Herausgabe des Gewinnanteils käme nicht in Betracht, da § 61 Abs. 1 HGB nur den Voll- und nicht den Teileintritt kennt. 20 Demgegenüber wird in der Literatur teilweise die Abtretung von Gewinnansprüchen im Rahmen des § 61 Abs. 1 HGB ftlr zulässig gehalten, da durch diese Ausübung des Eintrittsrechts keine Außenwirkung auf die anderen Gesellschafter gegeben sei. 21 Bei nichtkaufmännischen Arbeitnehmern wird ein dem Eintrittsrecht ähnliches Ergebnis dadurch erzielt, daß die Rechtsprechung § 687 Abs. 2 BGB anwendet und dem Arbeitgeber über die Rechtsfigur des unerlaubten Eigengeschäfts einen Gewinnherausgabeanspruch verschaffi. 22 Diese Lösung hat jedoch den Nachteil, daß sie fahrlässige Verletzungen des Wettbewerbsverbots nicht erfaßt, dem Arbeitgeber mithin in diesem Fall kein Herausgabeanspruch zusteht. Eine analoge Anwendung des § 61 HGB auf nichtkaufmännische Arbeitnehmer würde hier Abhilfe schaffen. 23 Die Rechtsprechung hat dies bisher aber abgelehnt. Ebenso verneint das BAG die analoge Anwendung der in § 61 Abs. 2 HGB angeordneten kurzen Verjährungsfrist von 3 Monaten auf Schadensersatzansprüche gegen nichtkaufmännische Arbeitnehmer. Es begründet dies mit dem geringen GerechtigkeitsgehaIt der Vorschrift, die den Arbeitgeber unangemessen belaste. 24 Die Ablehnung der analogen Anwendung erscheint jedoch nicht überzeugend, da die Interessenlage bei Schadensersatzansprüchen gegen kaufmännische oder nichtkaufmännische Angestellte identisch ist und ftlr eine Ungleichbehandlung in der Verjährung (die einen 3 Monate, die anderen 30 Jahre) kein sachlicher Grund besteht. 2s Daß die Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB als zu kurz erscheint, ist ein Umstand, der vom Gesetzgeber geän-

20 BAG, AP Nr. 1 zu § 61 HGB; Buchner, AR-Blattei (0), Wettbewerbsverbot 11, B 2d; MünchArb-Blomeyer, § 50 Rn. 36. 21 Heymann-Honse//, § 61 Rn. 16f; Glöckner, Nebentätigkeitsverbote, S. 200f. 22 BAG, AP Nr. 12 zu § 242 BGB -Auskunftspflicht-; AP Nr. 3 zu § 687 BGB, AP Nr. 8 zu § 611 BGB -Treuepflicht-. 23 So auch Buchner, Wettbewerbsverbote, S. 53f (BI78ft); MünchArb-Blomeyer, § 50 Rn. 49; Glöckner, Nebentätigkeitsverbote, S. 200 Fn.803. 24 So BAG, AP Nr. 8 zu § 60 HGB, nachdem es zuvor in BAG, AP Nr. 6 zu § 60 HGB noch der Ansicht war, daß vieles rur eine Anwendung der kurzen Verjährungsfrist auch auf Schadensersatzansprüche wegen Wettbewerbsverstoßes gegen nichtkaufmännische Angestellte spreche. 25 So auch Buchner, Wettbewerbsverbote, S. 55 (B 187); MünchArb-Blomeyer, § 50 Rn. 50. 6 Wisskirchen

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Kapitel 3: Rechtsfolgen des relevanten außerdienstlichen Verhaltens

dert werden muß, der jedoch nicht die Verweigerung eines Analogieschlusses trotz vergleichbarer Interessenlage und unbeabsichtigter Gesetzeslücke rechtfertigen kann. Bei der Verletzung eines Betriebsgeheimnisses beruht die Schadensersatzptlicht auf §§ 19 i.V.m. 17 UWG sowie § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 17 UWG. Hier erleichtert die Rechtsprechung dem Arbeitgeber die Beweiserbringung hinsichtlich der haftungsausfiillenden Kausaltität und der Schadenshöhe. Sie läßt zur Schadensberechnung die Lizenzanalogie zu. Diese Berechnungsmethode geht davon aus, daß der Arbeitgeber das Betriebsgeheimnis im Wege einer Lizenzvergabe hätte wirtschaftlich nutzen können. Die dafiir fällig gewordene Lizenzgebühr hat der Arbeitnehmer erspart und muß sie als entgangenen Gewinn dem Arbeitgeber ersetzen. 26 In der Literatur wird filr diese Ansprüche ebenfalls die kurze Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB herangezogen. 27 Das BAG wendet die Vorschrift auf Schadensersatzansprüche aufgrund positiver Forderungsverletzung und unerlaubter Handlung hingegen nur an, wenn gleichzeitig Wettbewerbsverstöße i. S. d. § 60 HGB vorliegen. Für Ansprüche gern. § 826 BGB und § I UWG hat es die Frage offengelassen. 28 Außerhalb der Verletzung von Betriebsgeheimnissen bleibt der Arbeitgeber in allen anderen Fällen der Nebenptlichtverletzung wie z. B. bei rufschädigenden Äußerungen weiterhin verpflichtet, die haftungsausfilllende Kausalität sowie die Schadenshöhe zu beweisen. Die hierbei auftretenden Schwierigkeiten sind ein zusätzlicher Grund, nicht auf die Klagbarkeit von Schutzptlichten und Nebenleistungsptlichten zu verzichten, da dem Arbeitgeber mit dem Schadensersatzanspruch nicht immer eine gleichwertige Alternative zum Schutz seiner Rechtsgüter zur Verfilgung steht.

3. Verhaltensbedingte Kündigung Die Verletzung von Nebenptlichten kann den Arbeitgeber auch zu einer verhaltensbedingten Kündigung gern. § 1 Abs. 2 KSchG berechtigen.

26 BGH, NJW 1977, S. \062f; BAG, AP Nr. 4 zu § 6\\ BGB -Betriebsgeheimnis-; MünchArb-Blomeyer, § 5\ Rn. 58. 27 Buchner, Wettbewerbsverbote, S. 59 (B207); Baumbach / Hopt, HGB, § 61 Rn. 4; Schlegelberger-Schröder, HGB, § 6\ Rn. 9. 28 BAG, AP Nr. 2 zu § 6\ HGB.

I. Außerdienstliche Verhaltenspflichten gern. § 242 BGB

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Eine verhaltensbedingte KUndigung kann aber nur bei einem vertragswidrigen Verhalten ausgesprochen werden. 29 Allein damit wird man der schuldrechtlichen Konzeption des Arbeitsrechts gerecht und vermeidet Wertungswidersprüche zwischen Arbeitsvertragsrecht und Kündigungsrecht. Dieser Grundsatz ist auch bei der Verletzung von Nebenpflichten zu beachten. Darunter fallen somit alle außerdienstlichen Verhaltensweisen, die in den oben aufgezeigten Grenzen der Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers widersprechen und daher Nebenpflichtverletzungen darstellen. Anderes außerdienstliches Verhalten kann nur insofern arbeitsrechtlich relevant sein, als es eine ftlr das Arbeitsverhältnis notwendige Eigenschaft entfallen läßt und daher zu einer personenbedingten Kündigung berechtigt.3o Die Rechtsprechung des BAG zu Lohnpflindungen 31 ist unter diesem Gesichtspunkt inkonsequent. Sie stuft das Schuldenmachen des Arbeitnehmers, welches seine Gläubiger zu zahlreichen, den Betrieb belastenden Lohnpflindungen veraniaßt, als ein Verhalten ein, welches zu einer verhaltensbedingten KUndigung berechtigt, verneint jedoch gleichzeitig eine Vertragspflichtverletzung. Ein Abmahnungserfordernis wird ebenfalls abgelehnt, da der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Pflichten hinsichtlich der Gestaltung seiner Vermögenssphäre auferlegen dürfe. Wenn dem so ist, dann darf das nach Ansicht des BAG rechtmäßige, weil wegen seiner Höchstpersönlichkeit grundsätzlich ungebundene Verhalten des Arbeitnehmers jedenfalls nicht zu einer verhaltensbedingten KUndigung fUhren. Denn bei dieser KUndigungsart wird das Verhalten des Arbeitnehmers mißbilligt; ein rechtmäßiges Verhalten kann aber nicht mißbilligt werden. Daher muß rechtmäßiges Verhalten, das dennoch den Betrieb konkret beeinträchtigt, als eine Eigenschaft des Arbeitnehmers gewertet werden, welches unter den daftlr notwendigen Voraussetzungen zu einer personenbedingten Kündigung berechtigen kann. Die BAG-Rechtsprechung, die unter die verhaltensbedingte Kündigung alle Verhaltensweisen faßt, welche das Arbeitsverhältnis im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit oder im persönlichen Vertrauensbereich konkret beeinträchtigt32, verhindert eine klare Abgrenzung zwischen verhaltens- und personen bedingter Kündigung. Sie verkennt auch, daß 'eine Hauptfunktion des Kündigungsrechts die Vertragsdurchsetzung ist und dementsprechend nur vertragsbezogenes Verhalten, 29 Preis, DB 1990, S. 630, 632; MünchArb-Berkowsky, § 133 Rn. 8, 10; Hueck / v. Hoyningen-Huene, KSchG, § I Rn. 271ff; Wank, RdA 1993, S. 79, 87. 30 Preis, DB 1990, S. 630, 632, 31 BAG, AP Nr. 4 zu § I KSchG 1969 -Verhaltensbedingte Kündigung-. 32 BAG, AP Nr. 3 zu § I KSchG - Sicherheitsbedenken -; AP Nr. 58 zu § 626 BGB; AP Nr. I zu § I KSchG 1969 - Sicherheitsbedenken -.

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Kapitel 3: Rechtsfolgen des relevanten außerdienstlichen Verhaltens

nämlich Vertragspflichtverletzungen, oder das Fehlen vertragsnotwendiger Eigenschaften einen Kündigungsgrund darstellen können. 33 Es kommt hinzu, daß die Einordnung als verhaltens- oder personenbedingte Kündigung nicht lediglich eine Frage der Bezeichnung ist. Mit der Annahme einer personenbedingten Kündigung steigen die Anforderungen an das Gewicht der Arbeitgeberinteressen im Verhältnis zum Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes. 34 Eine konsequente Lösung des Lohnpflindungsproblems kann daher nur darin bestehen, das Schuldenmachen des Arbeitnehmers in seinen belastenden Ausmaßen doch als vertragswidrig anzusehen 3s oder lediglich als ein Verhalten, welches eine für das Arbeitsverhältnis notwendige Eigenschaft entfallen läßt und damit einen personenbedingten Kündigungsgrund dartellt. 36 Dieses Problem wird bei der personenbedingten Kündigung noch eingehender erörtert. Die zu einer verhaltensbedingten Kündigung führende Vertragsverletzung muß so gravierend sein, daß es dem Arbeitgeber nicht mehr zumutbar ist, das Vertragsverhältnis fortzusetzen. 37 Entscheidend hierfür ist zum einen die Schwere der betrieblichen Beeinträchtigung, zum anderen eine Negativprognose für die Zukunft. Ist davon auszugehen, daß der Arbeitnehmer nochmals gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen wird, ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt.38 Um diese Prognose stellen zu können, ist es allerdings in der Regel erforderlich, den Arbeitnehmer zuvor abzumahnen. 39 Damit soll ihm der Hinweis gegeben werden, daß sein Verhalten als vertragswidrig angesehen wird und im Wiederholungsfall zu einer Kündigung führen wird. Bei einem erneuten Verstoß kann eine Negativprognose getroffen werden, weil der Arbeitnehmer trotz der Warnung offensichtlich nicht bereit ist, sich vertragskonform zu verhalten.

33 Preis, DB 1990, S. 630, 632; Dorndorf, ZfA 1989, S. 345, 351ft"; Herschel / Löwisch, KSchG, § I Rn. 84. 34 So auch Reuter, JuS 1982, S. 544f. 35 So v. Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu § I KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung-. 36 So Reuter, JuS 1982, S. 544f; einen Mischcharakter zwischen verhaltens- und personenbedingter Kündigung annehmend: Nickel, SAE 1983, S. 207, 208. 37 MünchArb-Berkowsky, § 133 Rn. 6. 38 BAG, AP Nr. 3 zu § I KSchG 1969 -Abmahnung-; Stahlhacke / Preis, Kündigung, Rn. 684. 39 Ständige Rechtsprechung: BAG, AP Nr. 3, 12, 17, 18 zu § I KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung-; MünchArb-Berkowsky, § 133 Rn. I Off.' Hueck / v. Hoyningen-Huene, KSchG, § I Rn. 280.

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Diese Grundsätze gelten auch rur außerdienstliches Verhalten, soweit sich dieses als Verletzung einer Nebenpflicht darstellt. Insbesondere ist es wie jedes dienstliche vertragswidrige Verhalten abmahnungsfilhig.

11. Sonstiges außerdienstlich relevantes Verhalten 1. Allgemeines / Begriff der Obliegenheit Neben den gern. § 242 BGB bestehenden außerdienstlichen Vertragspflichten gibt es noch anderes außerdienstliches Verhalten, welches arbeitsvertraglich relevant werden kann. Es handelt sich hierbei um solche Verhaltensweisen, die Rückschlüsse auf das Fehlen einer rur das Arbeitsverhältnis notwendigen Eigenschaft zulassen und damit eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen. Diese Verhaltensweisen stellen keine von § 242 BGB umfaßten Nebenpflichten dar, weil fUr sie kein Erfilllungsanspruch und bei ihrer Verletzung kein Schadensersatzanspruch besteht. Denn sie liegen außerhalb der gesetzlich reglementierten Vertragssphäre im Intimbereich des Arbeitnehmers. Ihre Qualifizierung als Pflichtwidrigkeit bedeutete einen Eingriff in höchstpersönliche Rechte des Arbeitnehmers und in die Ausübung zentraler Grundrechte. 40 In Rechtsprechung und Literatur wird daher häufig von Obliegenheiten des Arbeitnehmers gesprochen, um ihre fehlende Erzwingbarkeit herauszustellen. Diese Terminologie erscheint jedoch nicht passend. Der Begriff der Obliegenheit entstammt dem Schadens- und Versicherungsrecht. Er befaßt sich mit der Risikoabgrenzung, nach der sich entscheidet, wann ein Schaden selbst zu tragen ist oder auf den Schädiger bzw. die Versicherung abgewälzt werden kann. 41 Kommt der Gläubiger bestimmten Handlungsanforderungen wie Auskunfserteilung oder Schadensminderung nicht nach, wird sein Anspruch und damit seine Rechtsrnacht beschränkt. Er erleidet einen Rechtsnachteil. Seiner Obliegenheit nachzukommen ist also rur ihn rechtlich geraten. 42 Diese mit dem Begriff der Obliegenheit verbundenen Inhalte und Rechtsfolgen passen nicht auf alle Bereiche des außerdienstlich relevanten Verhaltens. Geht es z. B. darum, einem kirchlichen Mitarbeiter wegen seines Kirchenaustritts personenbedingt zu kündigen, so wäre selbst die Annahme eines rechtlichen Geratenseins, in der Kirche zu bleiben, wegen des hohen Rechtsguts der Religionsfreiheit zu weitgehend. Die Kündigung darf lediglich ausgeSo Glöckner, Nebentätigkeitsverbote,S. 125. Esser / Schmidt, Schuldrecht Bd.l, S. 92f. 42 Esser / Schmidt, Schuldrecht I, S. 92ff; MüKo-Kl'amer, Einleitung § 241 Rn. 44; Soergel-Teichmann. Vor § 241 Rn. 7. 40

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sprochen werden, weil bestimmte Arbeitnehmereigenschaften mit bestimmten Arbeitsverhältnissen nicht kompatibel sind, so vorliegend die Nichtmitgliedschaft in der Kirche als kirchlicher Mitarbeiter. Dies ist eine Tatsache, die den Arbeitnehmer jedoch nicht im Sinne eines rechtlichen Geratenseins oder als "Pflicht geringerer Intensität" dazu bringen soll, in einem bestimmten Sinne zu handeln. Daß er die Gefahr einer personenbedingten Kündigung vielleicht faktisch in seine Abwägung miteinbezieht, ändert an dieser Einschätzung nichts. Bei anderen arbeitsrechtlich relevanten außerdienstlichen Verhaltenspflichten kann man hingegen von Obliegenheiten sprechen, da sie nicht den innersten Kreis von höchstpersönlichen Rechtsgütern betreffen. Zu denken ist hier an einen mit Vermögensbetreuungspflichten betrauten Arbeitnehmer, der sich aufgrund seiner Spielsucht hochverschuldet und dadurch nicht mehr vertrauenswürdig erscheint. Hier könnte man durchaus ein rechtliches Geratensein zum Aufgeben der Spielleidenschaft annehmen, bei deren Verletzung eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt ist. Dies gilt umso mehr, als ftlr Arbeitnehmer in gehobenen Vertrauensstellungen sogar eine vertragliche Verpflichtung statuiert werden könnte, das Spielen in Spielbanken zu unterlassen und allgemein in geordneten Vermögensverhältnissen zu leben. 43

2. Die personenbedingte Kündigung als mögliche Rechtsfolge Im Folgenden soll zunächst auf die Rechtsfolgen eingegangen werden, die außerdienstliche Verhaltensweisen, die sich nicht als Vertragspflichtverletzung darstellen, rur das Arbeitsverhältnis auslösen können. Insbesondere bedarf es einer kritischen Prüfung, inwieweit der persönliche Lebenswandel Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben kann. Bei der Reglementierung eines solchen außerdienstlichen Verhaltens entsteht leicht der Verdacht, der Arbeitgeber wolle seine persönlichen Moral- und Wertvorstellungen dem Arbeitnehmer aufzwingen, wozu er nicht berechtigt ist.

a) Voraussetzungen der personenbedingten Kündigung Relevant werden kann ein solches Verhalten deshalb auch nur, wenn es zu einem Verlust einer filr das Arbeitsverhältnis notwendigen Eigenschaft filhrt. In diesem Fall liegen die Voraussetzungen rur eine personenbedingte Kündigung

43 Siehe hierzu LAG Hamm, LAGE § 626 BGB Nr. 119, das allerdings einen Kündigungsgrund wegen der Spielbankbesuche eines Bankfilialleiters, die dieser zunächst geleugnet hatte, ablehnte, weil beim ihm keine Kreditgeflihrdung vorlag.

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vor. 44 Jedoch sind an das Erfordernis der Interessenabwägung besonders strenge Maßstäbe anzulegen. Die sozialen Schutzbelange des Arbeitnehmers sind den Interessen des Arbeitgebers gegenüberzustellen. 4s b) Sonderproblem der Druckkündigung

Wird von Dritten wegen eines Verhaltens des Arbeitnehmers unter Androhung schwerwiegender Nachteile eine Kündigung gefordert, ohne daß dem Arbeitnehmer eine Vertragspflichtverletzung vorgeworfen werden kann oder dieses Verhalten filr sich genommen eine rur das Arbeitsverhältnis notwendige Eigenschaft entfallen läßt, so spricht man, wenn der Arbeitgeber diesem Druck nachgibt, von einer DruckkUndigung. Da diese Konstellation gerade bei außerdienstlichem Verhalten häufiger relevant wird46 , indem z. B. Kunden des Arbeitgebers Anstoß an einem vermeintlich unmoralischem Verhalten des Arbeitnehmers nehmen, soll im nachfolgenden Abschnitt die Zulässigkeit und die dogmatische Einordnung der Druckkündigung gesondert untersucht werden. aa) Zulässigkeit Zunächst ist es notwendig, die Druckknndigung auf ihre Zulässigkeit und ihre dogmatische Einordnung hin zu untersuchen. Denn nur bei ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit kann bestimmtes außerdienstliches Verhalten über die DruckkUndigung arbeitsvertraglich relevant werden. Ihre Zulässigkeit wird in der Literatur teilweise verneint. 47 Das Arbeitsrecht dürfe keine Möglichkeiten eröffnen, daß unberechtigte Forderungen Dritter durchgesetzt werden können. Das Recht brauche dem Unrecht nicht zu weichen. Der Arbeitgeber müsse auf die ihm rechtlich zur Verftlgung stehenden Abwehrund Schadensersatzmöglichkeiten gegen den Dritten verwiesen werden. Die h. M. in Rechtsprechung und Literatur erkennt die Zulässigkeit einer DruckkUndigung richtigerweise an. 48

KR-Beeker, § I Rn. 186. BAG, AP Nr. 6, 21 zu § 1 KSchG. 46 Siehe LAG Hamm, LAGE § 1 KSchG -Verhaltensbedingte Kündigung-, Nr. 28. 47 Kittner / Trittin, KSchR, § 1 KSchG Rn. 333; § 626 BGB Rn. 157ff; Preis, Handbuch des Arbeits- und Sozialrechts, § 19 F Rn. 70; Stahlhaeke / Preis, Kündigung, Rn. 541. 48 BAG, BAGE 9, S. 53ff; 12, S. 220ff; 27, S. 263ff; OB 1986, S. 2498; OB 1991, S. 2599; LAG Frankfurt, OB 1987, 1443; KR-Hillebreeht, § 626 Rn. 148f; KR-Beeker, § 1 Rn. 270; Hueek / v. Hoyningen-Huene, KSchG, Rn. 203; Hersehel / Steinmann, 44

4S

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Voraussetzung ist allerdings, daß schwere wirtschaftliche Schäden, wie z. B. der Abbruch einer wichtigen Geschäftsbeziehung, drohen. Leichtere Einbußen sind von dem Arbeitgeber hinzunehmen. Außerdem darf die Drohung nicht durch andere Maßnahmen abgewandt werden können. Deshalb muß sich der Arbeitgeber zunächst schützend vor seinen Arbeitnehmer stellen und versuchen, den druckausübenden Dritten umzustimmen. Dies ergibt sich bereits aus seiner Fürsorgepflicht. Helfen diese Bemühungen nicht und kommen auch andere mildere Mittel wie eine Versetzung nicht in Betracht, so ist die KUndigung zulässig. bb) Dogmatische Einordnung Die dogmatische Einordung dieser Kündigung ist innerhalb der h. M. umstritten. aaa) Als betriebsbedingte Kündigung (h. M)

Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur sehen in ihr eine betriebsbedingte Kündigung, die sowohl ordentlich wie auch außerordentlich ausgesprochen werden kann. 49 Fraglich ist jedoch, inwiefern eine DruckkUndigung unter die Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung subsumiert werden kann. Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber eine unternehmerischen Entscheidung getroffen hat, die zu einem Überhang von einem oder mehreren Arbeitsplätzen filhrt. 50 Bei der Druckkündigung ist aber zweifelhaft, worin die unternehmerische Entscheidung zu sehen ist, die zu einem Arbeitsplatzüberhang filhrt und dadurch den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers wegfallen läßt. Denn es geht nicht um die Kündigung einer überschüssigen Arbeitskraft, sondern um die einer

KSchG. § 1 Rn. 39b; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 130 II 13; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rn. 168. Argumentativ ergibt sich dieses Ergebnis aus dem Streit um die dogmatische Einordnung der Druckkündigung; siehe sogleich. 49 BAG, BAGE 12, S. 220, 231; 27, S. 263,268; EzA § I KSchG -Betriebsbedingte Kündigung- Nr. 39; OB 1986, S. 2498f; LAG Berlin, OB 1980, S. 2195; LAG Düsseldorf, OB 1957, S. 460; LAG Frankfurt, LAGE § 1 KSchG -Betriebsbedingte Kündigung- Nr. 11; Hueck, KSchG, Rn. 93a; KR-Becker, § 1 Rn. 270; Herschel / Löwisch, KSchG, § 1 Rn. 207. 50 So die al1gemeine Definition: BAG, EzA § 1 KSchG -Betriebsbedingte Kündigung- Nr. 36, 44; KR-Becker, § 1 Rn. 291.

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bestimmten Person, deren freigewordener Arbeitsplatz anschließend neu besetzt werden muß. Der fUr eine betriebsbedingte Kündigung typische ArbeitsplatzUberhang liegt somit bei der Druckkündigung gerade nicht vor. 51 Daß sich das Verbleiben des Arbeitnehmers nachteilig auf den Betrieb auswirken wUrde, ist kein Spezifikum der betriebsbedingten Kündigung, sondern allen in § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG genannten Kündigungsgründen gemeinsam. Auch die Gewißheit, daß sich bei einem Verbleiben des Arbeitnehmers aufgrund der sich dann einstellenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten eine Einschränkung des Arbeitsplatzbedarfs ergeben wird, ersetzt nicht den bei der betriebsbedingten Kündigung erforderlichen Arbeitskräfteüberhang. 52 Denn auch der zukünftige Rückgang des Bedarfs an Arbeitskräften muß unabhängig von der Entlassung des betroffenen Arbeitnehmers feststehen, nicht aber durch sein Bleiben bedingt sein. Weiterhin ist zu bedenken, daß bei einer Druckkündigung die vom Gesetzgeber grundsätzlich vorgesehene soziale Auswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung gern. § 1 Abs. 3 KSchG nie vorgenommen werden kann. Schließlich spricht die Rechtsprechung des BAG zur betriebsbedingten Kündigung selbst noch in einem weiterem Punkt gegen die Einordnung der Druckkündigung als betriebsbedingte Kündigung: In ständiger Rechtsprechung hat das BAG festgestellt, daß eine betriebsbedingte Kündigung nur in ganz seltenen Fällen als außerordentliche ausgesprochen werden könne, so wenn durch unvorhersehbare Ereignisse wie Krieg oder Wirtschaftskrisen die Fortfiihrung des Unternehmens unmöglich gemacht wird oder die ordentliche Kündigung tariflich ausgeschlossen wurde. 53 Mit der Druckkündigung hat sich das BAG jedoch zunächst nur im Rahmen von außerordentlichen Kündigungen beschäftigt und sie ftir rechtmäßig erklärt, bevor es 1986 erstmals eine ordentliche Druckkündigung aus betriebsbedingten Gründen als zulässig beurteilte. 54 Die Rechtsprechung scheint somit eher die außerordentliche denn die ordentliche Kündigung als den Regelfall einer Druckkündigung zu behandeln. 55 Auch dies spricht gegen die Annahme betriebsbedingter Kündigungsgründe bei der Druckkündigung.

So auch Blaese, DB 1988, S. 178, 179f. So aber Schultz, RdA 1963, S. 81, 85. 53 BAG, EzA § 626 BGB Nr. 17; DB 1982, S. 121; EzA § 626 BGB n.F. Nr. 96; Popp, Handbuch des Arbeits- und Sozialrechts 1II, § 19 B Rn. 164f; KR-Hillebrecht, § 626 Rn. 120ff. 54 Siehe BAG, DB 1986, S. 2498. 55 So auch Popp, Handbuch der Arbeits- und Sozial rechts 1II, § 19 B Rn. 409. 51

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Die aufgefilhrten Aspekte lassen es daher als bedenklich erscheinen, die Druckkündigung dogmatisch unter den betriebsbedingten KÜßdigungsgrund des § lAbs. 2 S. I KSchG zu fassen. bbb) Als personenbedingte Kündigung

Es bleibt zu erwägen, ob es sich bei der Druckkündigung um einen Fall der personenbedingten Kündigung handelt. Als Gründe in der Person des Arbeitnehmers sind solche Umstände anzusehen, die auf einer in der Sphäre des Arbeitnehmers liegenden "Störquelle" beruhen. 56 Darunter werden zunächst persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten gefaßt. In den Fällen der Druckkündigung ist es jedoch so, daß das Verhalten oder die Eigenschaft des Arbeitnehmers, die den Kündigungswunsch der Dritten ausgelöst haben, ft1r sich genommen weder das Arbeitsverhältnis beeinträchtigen, noch den Arbeitnehmer rur seinen Arbeitsplatz ungeeignet erscheinen lassen oder ihn an der Ausübung der Arbeit hindern. Unter die engen Begriffe Eigenschaft und Fähigkeit läßt sich die Druckkündigung in der Regel also nicht als personenbedingte subsumieren. Eine Ausnahme bleibt zu prüfen: Geht die Ablehnung des Arbeitnehmers von Mitarbeitern aus, so kann dieser Umstand dazu filhren, daß dem Arbeitnehmer eine ft1r die Erbringung seiner Arbeitsleistung erforderliche Fähigkeit abhanden kommt. Zu den Anforderungen an Berufsprofile gehören zunehmend auch soziale Fähigkeiten. Die Betriebsorganisationen arbeiten heutzutage in weit stärkerem Maße im Team, als dies früher der Fall war. Lehnt also eine Belegschaft die Zusammenarbeit mit einem Kollegen ab und fordert seine Entlassung, so wird ihm dadurch eine wichtige Fähigkeit, nämlich mit anderen im Verbund zu arbeiten, genommen. Infolgedessen kann er unter Umständen seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mehr oder nur unvollständig erftlllen. Auf ein Verschulden oder eine Verursachung kommt es bei dem Vorliegen personenbedingter KÜßdigungsgrOnde gerade nicht an. Entscheidend ist die Tatsache, daß dem Arbeitnehmer eine wichtige Fähigkeit fehlt. Im Falle der DruckkÜßdigung, die durch die Mitarbeiter veraniaßt wird, kann also ein personenbedingter Kündigungsgrund angenommen werden. Die Interessen des Arbeitnehmers müssen in der abschließenden Interessenabwägung berücksichtigt werden.

56 BAG EzA § I KSchG Nr. 42; EzA § I KSchG -Betriebsbedingte KündigungNr. 44; KR-Becker, § I Rn. 187.

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Für den Fall, daß der Druck von der Belegschaft, die nicht unmittelbar mit dem Arbeitnehmer zusammenarbeitet, oder von Vertragspartnern ausgeht, kann, wie oben dargelegt, nicht das Fehlen notwendiger Fähigkeiten oder Eigenschaften angenommen werden. Hier sind andere Erwägungen anzustellen: Die Begriffe "fehlende Eigenschaften und Fähigkeiten" sind nur Ausformungen des allgemeinen, oben bereits erwähnten Grundsatzes, daß die Gründe personenbedingt sind, die auf einer Störquelle aus der Arbeitnehmersphäre beruhen. Folglich muß überlegt werden, wo die Störungsquelle bei der Druckkündigung liegt und welcher Sphäre sie zuzurechnen ist. Unmittelbar liegt die Ursache der betrieblichen Störung in der Drohung durch Kunden oder Belegschaft. Diese könnte man der Sphäre des Arbeitgebers zurechnen, da nur er mit ihnen in vertraglicher Beziehung steht. Ursache fUr die Drohungen wiederum ist aber ein Verhalten oder eine Eigenschaft des Arbeitnehmers. Die Störungsquelle wird also ausgelöst durch Umstände, die in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen. Falls überhaupt eine Möglichkeit der Einflußnahme auf die betriebliche Störung besteht, dann hat sie vornehmlich der Arbeitnehmer, indem er sein Verhalten ändert. In Anbetracht dieser Kausalkette muß daher auch insgesamt die Störungsquelle eher der Sphäre des Arbeitnehmers als der des Arbeitgebers zugerechnet werden. 57 Es ist aber zu berücksichtigen, daß das Verhalten oder Eigenschaften des Arbeitnehmers, die fUr den Kündigungswunsch der Dritten kausal waren, rechtmäßig waren oder sich zumindest, um in strafrechtlichen Termini zu formulieren, innerhalb des erlaubten Risikos bewegten. Zusätzlich muß der bereits oben erwähnte Aspekt beachtet werden, daß der Arbeitgeber in vertraglichen Beziehungen zu den Dritten steht, ihm also Einflußmöglichkeiten auf die Dritten offenstehen. Diesen beiden Aspekten kann man im Rahmen einer Interessenabwägung gerecht werden. Sowohl bei der verhaltens- als auch bei der personenbedingten Kündigung ist stets nach Feststellung des Vorliegens eines Kündigungsgrundes eine Interessenabwägung vorzunehmen. 58 An diese sind bei der personenbedingten Kündigung strenge Anforderungen zu stellen, da der Arbeitnehmer regelmäßig schuldlos an dem Vorliegen der Gründe ist. Innerhalb dieser Interessenabwägung können auch die von der h. M. geforderten Voraussetzungen einer rechtmäßigen Druckkündigung als Prüfungspunkte berücksichtigt werden:

So auch Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 357. BAG, AP Nr. 5, 6, 21, 50 zu § 1 KSchG; KR-Becker, § 1 Rn. 149ff; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 47ff. 57

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Da die Druckausübenden immerhin Vertragspartner des Arbeitgebers sind, muß er zunächst versuchen, seinen Einfluß geltend zu machen und sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Nur damit kann er dem ultima-ratio-Prinzip gerecht werden, welches die Kündigung als letztes Mittel vorsieht, das nur zum Einsatz kommt, wenn anders keine Abhilfe geschaffen werden kann. Schließlich darf er selbst nur drohende schwere wirtschaftliche Nachteile anfUhren, da nur solche das Interesse des Arbeitnehmers, schuldlos seinen Arbeitsplatz zu verlieren, aufwiegen können. Denn das Interesse des Arbeitnehmers ist umso höher einzustufen, als der Kündigungsgrund nur mittelbar auf dem Umweg über die Druckausübenden der Person des Arbeitnehmers zugerechnet werden kann. Etwas anderes mag bei dem Kündigungsverlangen durch Mitarbeiter gelten, weil hier ein unmittelbares Fehlen einer notwendigen Eigenschaft anzunehmen ist. Abschließend läßt sich festhalten, daß die Einordnung der Druckkündigung als eine personenbedingte Kündigung dogmatisch befriedigender ist, die Wertungen der h. M. aber auch hier beibehalten werden können im Rahmen der Interessenabwägung. 59 Mit diesem Ergebnis kann auch die Ansicht, die die generelle Rechtswidrigkeit einer Druckkündigung vertritt, überzeugend abgelehnt werden. Die Interessen des Arbeitnehmers werden hinreichend in der abschließenden Abwägung bei der personenbedingten Kündigung berücksichtigt. Steht jedoch fest, daß die Drohenden sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen und daß dem Arbeitgeber schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, so muß eine Kündigung möglich sein. Denn letztlich ist es das persönliche Risiko des Arbeitnehmers, daß Dritte rechtswidrige Handlungen, wie es Preis und Kittner zurecht betonen60, gegen ihn vornehmen. Dagegen muß er sich selbst wehren (z. B. mit Schadensersatzforderungen). Würde man von dem Arbeitgeber verlangen, dem Druck der Dritten wegen seiner Rechtswidrigkeit standzuhalten und dem Arbeitnehmer nicht zu kündigen, so bürdete man ihm dieses Risiko auf. Die arbeitsvertragliehe Pflicht oder selbst die Fürsorgepflicht reichen jedoch nicht so weit, seine Arbeitnehmer vor rechtswidrigen Handlungen Dritter zu schützen.

59

So im Ergebnis: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung,

Rn. 357; Hueck / Hueck / v. Hoyningen-Huene, KSchG, Rn. 205; Gamillscheg, Anm. zu BAG, AP Nr. 33 zu § 1 KSchG -Betriebsbedingte Kündigung-. 60 Preis, Handbuch des Arbeits- und Sozialrechts II1, § 19 F Rn. 70; Kittner / Trittin, KSchG, § I Rn. 333, § 626 Rn. 160, 162.

H. Sonstiges außerdienstlich relevantes Verhalten

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Der Vorschlag von Kittner, den Arbeitgeber auf SchadensersatzansprUche gegen die Dritten zu verweisen61 , zeugt von einer gewissen Realitätsferne. Denn in der Regel kann ein Vertragspartner die Vertragsbeziehungen jederzeit abbrechen (wenn auch mit einer Frist) und / oder keine neuen Aufträge mehr vergeben, ohne daß er sich schadensersatzpflichtig macht. Seine Beweggründe spielen dabei keine Rolle. Selbst wenn man die Grenze des § 242 BGB im Einzelfall als überschritten sähe und daraus eine Schadensersatzpflicht herleiten wollte, würde es dem Arbeitgeber schwerfallen, den Umstand, daß wegen eines mißliebigen Arbeitnehmers die Vertragsbeziehung abgebrochen wurde, vor Gericht zu beweisen. Es ist also davon auszugehen, daß der Arbeitgeber in aller Regel keine Kompensation tUr seine wirtschaftlichen Nachteile, die er durch eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers erleiden würde, erhalten wird. Vom Ergebnis her erscheint es deshalb überzeugender, den Arbeitnehmer das Risiko gegen ihn gerichteter rechtswidriger Handlungen tragen zu lassen, zumal er über § 826 BGB finanziellen Ausgleich tUr den Verlust seines Arbeitsplatzes von den Dritten erlangen kann. c) Einzelne personenbedingte Gründe

Im folgenden sollen Fallgruppen vorgestellt werden, in denen außerdienstliches Verhalten zu einer personenbedingten Kündigung, auch in Form der Druckkündigung, filhren kann. aa) Sexual- und Eheleben Besonders in der Rechtsprechung der tUnfziger und sechziger Jahre tauchen immer wieder Urteile zu der Frage auf, ob ein bestimmtes Sexual- oder Eheleben des Arbeitnehmers zur Kündigung berechtige. In den 50iger Jahren hat das LAG Niedersachsen62 eine Kündigung filr wirksam gehalten in einem Fall, in dem die Ehefrau und die Tochter eines Arbeitnehmers einen "bewegten Lebenswandel" filhrten und die Rügen gegenüber dem Arbeitnehmer wirkungslos blieben. Das BAG 63 wies 1958 eine Kündigungsschutzklage eines Schlossers ab, der wegen einer Verurteilung wegen mehrerer Abtreibungen entlassen worden war. Ansonsten läßt sich jedoch die Tendenz der Arbeitsgerichte erkennen, die Bereiche Ehe- und Sexualleben (z. B. Leben in nichtehelicher Lebensgemein6\

62 63

Kittner / Trittin, KSchG, § I Rn. 333.

LAG Niedersachsen, ARSt. XXIV, S. 79. BAG, AP Nr. I zu § I KSchG -Verhaltensbedingte Kündigung-.

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Kapitel 3: Rechtsfolgen des relevanten außerdienstlichen Verhaltens

schaft, nichteheliches Kind, Ehebruch etc.) als kündigungsrechtlich irrelevant einzustufen, da venneintlich moralische Integrität nicht zu den filr ein Arbeitsverhältnis notwendigen Eigenschaften gehört. 64 Allerdings hatte noch im Jahre 1990 das LAG Hamm 6S über eine Druckkündigung wegen des Liebeslebens eines Arbeitnehmers zu entscheiden: Eine Sparkasse in einer Kleinstadt beschäftigte einen ledigen Angestellten, der schon wiederholt intime Beziehungen zu verheirateten Kundinnen aufgenommen hatte. Das filhrte zu erheblicher Aufregung in dieser Kleinstadt. Die Bitten der Sparkassenleitung, sich in Zukunft nur ledige Frauen auszusuchen, wurden jedoch ignoriert. Als der Angestellte eine Beziehung zu der Frau eines Oberfeldwebels aufnahm, drohte dieser, seine Konten bei der Sparkasse aufzulösen, falls sein Widersacher nicht entlassen werde. Die Sparkasse berief sich auf einen betriebsbedingten Grund und kündigte. Das LAG Hamm filhrte dazu aus, daß der Sparkasse durch die Auflösung der Konten des Oberfeldwebels keine schweren wirtschaftlichen Schäden drohten, insofern also der betriebsbedingte Grund fehlte. Die Kündigung sei daher unwirksam. Dieses Urteil macht deutlich, wo die Möglichkeiten und Grenzen der Relevanz von Ehe- und Sexualleben liegen. Der Kündigungsgrund kann kein verhaltensbedingter sein, da der Arbeitnehmer keine Verhaltenspflicht verletzt hat. Dies wäre allenfalls bei kirchlichen Arbeitsverhältnissen zu diskutieren. Zu prüfen bleibt eine personenbedingte Kündigung. Das Verhalten des Arbeitnehmers läßt aber keine Rückschlüsse auf Eigenschaften zu, die ihn als Sparkassenangestellten ungeeignet erscheinen lassen. Besondere Qualifikationen bezüglich Treue oder Moralvorstellungen können hierfilr nicht verlangt werden. Allenfalls käme hier eine personenbedingte Kündigung in Fonn der Druckkündigung in Betracht. Die Drohung des betrogenen Ehemanns, seine Konten aufzulösen, stellt eine Beeinträchtigung des Betriebs der Sparkasse dar. Diese Beeinträchtigung muß mittelbar der Sphäre des Arbeitnehmers zugerechnet werden, da sein Verhalten die Reaktion des Kunden ausgelöst hat. Dem Arbeitnehmer soll allerdings ein Verhalten zum Nachteil werden, das ihm niemand verbieten kann und das auch keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweist. Nur über den Umweg der Belegschafts- oder Kundenbeschwerden sind negative Folgen filr den Betrieb spürbar. Ob sich aber jemand an seinem

64

6S

Zuletzt noch ArbG Passau, NZA 1998, S. 427ff. LAG Hamm, LAGE § I KSchG -Verhaltensbedingte Kündigung-, Nr. 28.

II. Sonstiges außerdienstlich relevantes Verhalten

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(erlaubten) Verhalten stößt oder nicht, liegt nicht in der Machtsphäre des Arbeitnehmers und ist auch nicht vorhersehbar. Dem Arbeitnehmer können bezüglich seines Verhaltens keine Vorwürfe gemacht werden, weil es rechtmäßig war. Nach den oben aufgestellten Grundsätzen kann deshalb die eine personenbedingte KUndigung abschließende Interessenabwägung nur zugunsten des Arbeitgebers ausfallen, wenn er schwere wirtschaftliche Nachteile bei einer Weiterbeschäftigung befiirchten muß. Die Auflösung der Konten eines Oberfeldwebels ist wohl nur als leicht Einbuße zu werten, die die Sparkasse als Arbeitgeber hinnehmen muß. Eine personen bedingte KUndigung scheidet daher ebenfalls auS. Das LAG Hamm stellt in seiner Entscheidung, allerdings im Rahmen der PrUfung einer betriebsbedingten KUndigung66 , auf ebendiesen Punkt ab und kommt zu dem gleichen Ergebnis. Die KUndigung wurde folglich zurecht von dem Gericht fiir sozial nicht gerechtfertigt erklärt. Neben wirtschaftlichen Einbußen wird teilweise67 erwogen, ob auch eine Ansehensgeflihrdung ohne die konkrete Gefahr wirtschaftlicher Einbußen als Schaden ausreicht, weil Dritte von dem Verhalten des Arbeitnehmers auf die Qualität des Unternehmens insgesamt schließen könnten. Dieser Aspekt kann aber nur eine Rolle spielen, wenn das Unternehmen bestimmten sittlichen Maximen verpflichtet ist wie die Kirchen und daher bestimmte Verhaltens- und Eigenschaftsanforderungen an seine Mitarbeiter stellen kann. Zudem sind solche Organisationen nicht auf Gewinn ausgerichtet, so daß wirtschaftliche Schäden keine Rolle spielen können. Zu dem Aspekt der Ansehensgeilihrdung ist noch eine arbeitsgerichtliehe Entscheidung zu erwähnen, die Gegenstand eines Artikels in der Boulevardzeitung "Express" War: Ein Arbeitgeber hatte seiner Angestellten gekUndigt, weil sie in der RTL-Sendung "Tutti-Frutti" als Kandidatin mitgewirkt hatte und dabei den Spielregeln entsprechend einen Striptease vorfilhren mußte. Das Arbeitsgericht gab der KUndigungssc~utzklage korrekterweise statt, da hier keine wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers berUhrt waren und seine moralischen Ansichten nicht berUcksichtigt werden können. In Ausnahmeilillen kann der Arbeitnehmer indes auch aufgrund seines außerdienstlichen Sexual- und Liebeslebens eine fiir das Arbeitsverhältnis erforderliche Eigenschaft verlieren. Dies ist bei einem Bewährungshelfer zu bejahen, der mit der Ehefrau des von ihm betreuten Strafgefangenen heimlich eine länger andauernde Beziehung unterhält. In dem vom LAG Rheinland66 67

Siehe zu der dogmatischen Einordnung oben Kapitel 3 II 2 b) bb). Mayer-Maly, AuR 1968, S. I, 2; Dudenbostel / Klas, AuR 1979, S. 296, 299.

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Kapitel 3: Rechtsfolgen des relevanten außerdienstlichen Verhaltens

Pfali8 zu entscheidenden Fall hatte sich der Betreute häufiger an seinen Bewährungshelfer gewandt, um mit ihm insbesondere über die Probleme, die er mit seiner Frau hatte, zu sprechen. Er trug ihm auch auf, seiner Frau auszurichten, daß er sie liebe und vermisse. Das in dieser Zeit unterhaltene Verhältnis des Bewährungshelfers zu der Ehefrau stellte folglich einen tiefgreifenden Mißbrauch des in ihn gesetzten Vertrauens dar. Die Fähigkeit zum Autbau und Erhalt eines Vertrauensverhältnisses ist aber eine wichtige Voraussetzung filr die Ausübung des Berufs als Bewährungshelfer. Damit machte die Aufuahme einer sexuellen Beziehung zu der Ehefrau des von ihm Betreuten den Bewährungshelfer zur Ausübung seines Berufs ungeeignet und rechtfertigte eine personenbedingte, sogar außerordentliche Kündigung. Das LAG Rheinland-Pfalz spricht allerdings in seinen EntscheidungsgrUnden fiUschlicherweise von einer Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflicht durch die Aufuahme der ehewidrigen Beziehung. 69 Dies ist eine unzutreffende rechtliche Bewertung. Denn Vertragspflichten können grundsätzlich nicht bis in die Intimsphäre eines Arbeitnehmers ausgedehnt werden. Die Besonderheit eines Arbeitsverhältnisses kann nur zur Folge haben, daß bestimmte Eigenschaftsanforderungen an den Arbeitnehmer gestellt werden, die durch sein konkretes Verhalten nicht mehr erfillit werden, so daß die Voraussetzungen einer personenbedingten KUndigung vorliegen. Eine vertragliche Pflicht jedoch, sich in einem bestimmten Sinne zu verhalten mit der Folge der Durchsetzbarkeit oder zumindest einer Schadensersatzpflichtigkeit, ginge zu weit und ließe sich mit dem Grundrechtsschutz nicht vereinbaren. Die nachfolgenden Fallgruppen des Sexual- und Ehelebens weisen insofern eine stärkere Betriebsbezogenheit als die oben genannten auf, als es um Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder unter Arbeitnehmern geht. Das ArbG Siegburg70 mußte über die Rechtmäßigkeit einer KUndigung entscheiden, die ein Ehemann als Arbeitgeber gegenüber seiner Frau ausgesprochen hatte, weil diese eine außereheliche Beziehung aufgenommen hatte und mit der er nun in Scheidung lebte. Das ArbG Siegburg hat die Kündigung aus verhaltensbedingten GrUnden filr sozial gerechtfertigt erklärt. HauptprUfungspunkt der Entscheidung ist die Frage, inwiefern der Ehebruch der Frau Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat. Ein Ehegattenarbeitsverhältnis wird oftmals begrUndet, um eine Vertrauensperson im Betrieb zu haben, die mit besonderen Aufgaben betraut werden kann. Ist die Ehe jedoch zerrüttet, so kann der Ehegatte diese Funktion nicht mehr erfillien. Es ist 68 69 70

LAG Rheinland-Pfalz, LAGE § 626 BGB Nr. 40. LAG Rheinland-Pfalz, LAGE § 626 BGB Nr. 40 Bl.3f. ArbG Siegburg, EzA § I KSchG -Verhaltensbedingte Kündigung-, Nr. 17.

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eventuell sogar zu befilrchten, daß er aufgrund der privaten Schwierigkeiten seinem Ehepartner und Arbeitgeber nun schaden will. Es wäre unrealistisch, anzunehmen, daß private und geschäftliche Beziehung strikt getrennt gehalten werden könnten. Das Vertrauen, das zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zumindest in kleineren Betrieben bestehen muß, ist im Fall einer zerrütteten privaten Beziehung nicht mehr vorhanden. 71 Hat der Arbeitnehmer eine Vertrauensposition inne und ist dieser Bereich beeinträchtigt, kommt regelmäßig eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Das außerdienstliche, ehewidrige Verhalten stellt keine Leistungspflichtverletzung dar, sondern läßt RückschlUsse auf die Vertrauenswürdigkeit der Person zu. Insofern erscheint es nicht richtig, wenn das ArbG Siegburg von einer verhaltensbedingten Kündigung ausgeht. Sie käme nur in Betracht, wenn die Ehefrau eine Vertragsverletzung begangen hätte. Diese kann aber nicht in ihrem vorangegangenen ehewidrigen Verhalten gesehen werden, da dieser Intimbereich vertraglichen Pflichten nicht mehr zugänglich ist. Gibt es also aufgrund des Ehe- und Sexual verhaltens in ihrer privaten Beziehung Störungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, so wirkt sich dies auf einen eventuell vorhandenen Vertrauensbereich im Arbeitsverhältnis aus und kann eine personenbedingte, nicht aber eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Die Betriebsbezogenheit ist auch in dem Fall uneingeschränkt zu bejahen, in dem Mitarbeiter eines Betriebes untereinander intime, eventuell auch ehewidrige Beziehungen unterhalten und es dadurch zu Störungen im betrieblichen Sektor kommt. 72 Zu denken ist hierbei an Reibungsverluste, die bei der Zusammenarbeit mit den Kollegen entstehen. Grund dafilr können Eifersucht oder schlichte Mißbilligung des Verhältnisses sein, aber auch, falls einer der beiden eine Vorgesetztenfunktion innehat, das Gefilhl der anderen, gegenüber dem Intimpartner benachteiligt zu werden. Allerdings reicht ein bloßer Hinweis auf die Störung des Betriebsfriedens nicht aus. Dieser Begriff ist zum einen recht unbestimmt. Außerdem weisen seine Erklärungs- und Definitionsansätze Tendenzen zu dem bereits oben abgelehnten Charakter des Arbeitsverhältnisses als Gemeinschaftsverhältnis auf. Worauf es allein ankommt, ist die Feststellung, daß sich Streitigkeiten oder Disharmonien zwischen Mitarbeitern nachteilig auf

71

72

So auch ArbG Siegburg, EzA § 1 -Verhaltensbedingte Kündigung-, Nr. 17. LAG Oüsseldorf, OB 1969, S. 667, 668; KR-Becker, § 1 Rn. 260.

7 Wisskirchcn

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Kapitel 3: Rechtsfolgen des relevanten außerdienstlichen Verhaltens

den Betriebsablauf oder den Produktionsprozeß auswirken. Die Störung des Betriebsfriedens ist somit der Störung des Betriebsablaufs gleichzusetzen. 73 Es müssen also die Leistungen der Mitarbeiter insgesamt nachlassen, um eine entsprechende Störung des Betriebsablaufs bejahen zu können. In diesem Fall kommt eine personen bedingte Kündigung in Betracht. Ähnlich wie bei der DruckkUndigung, die von Mitarbeitern ausgeht, nimmt die Ablehnung eines Kollegen durch die anderen ihm die ftlr einen Arbeitnehmer notwendigen sozialen Fähigkeiten. Sowohl als Vorgesetzter als auch als Mitarbeiter in Teamwork kann der betreffende Arbeitnehmer seine Aufgaben nicht mehr erftlllen. Ihm fehlt dann eine ftlr das Arbeitsverhältnis notwendige Eigenschaft. Nach einer Interessenabwägung, die vor allem eine ausreichende Intensität der Betriebsbeeinträchtigung ergeben muß, kann also eine personenbedingte Kündigung ausgesprochen werden. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Sexual- und Eheleben nur in seltenen Fällen rechtliche Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat. Kommt es jedoch durch ein bestimmtes Verhalten zu erheblichen Beeinträchtigungen des Betriebs, können personenbedingte, nicht jedoch verhaltens bedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Denn das Ehe- und Sexualverhalten ist unter keinen Umständen als Inhalt einer arbeitsvertraglichen Pflicht zu begreifen. bb) Straftaten Begeht der Arbeitnehmer Straftaten, die sich nicht gegen den Arbeitgeber richten (gegen den Arbeitgeber gerichtete Straftaten stellen in der Regel bereits eine Vertragspflichtverletzung dar), so können sie dennoch eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen. Beispielsweise verliert ein Arbeitnehmer, der Vermögenswerte des Arbeitgebers zu betreuen hat, die daftlr notwendige Vertrauenswürdigkeit, wenn er außerdienstlich ein Vermögensdelikt begeht. Denn sein Verhalten beweist, daß rur ihn die Hemmschwelle, fremdes Vermögen zu schädigen, nicht sehr hoch liegt. Dementsprechend nahm das LAG Berlin in einem entsprechenden Fall sogar einen außerordentlichen Kündigungsgrund an. Eine Polizeiangestellte, die mit

73 Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 229; Roemheld, SAE 1984, S. 162, 164; Kohte, AuR 1984, S.125, 128; Schwerdtner, ZfA 1979, S.I, 33; a.A. KRHillebrecht, § 626 Rn. 93, der zwischen Störung des Betriebsfriedens und des Arbeitsablaufs unterscheidet.

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der Aufgabe betraut war, Verkehrswidrigkeiten zu ahnden und dementsprechende Verwarngelder zu kassieren, war wegen Untreue verurteilt worden. Hier hielt das Gericht die Vertrauenswürdigkeit rur so stark beeinträchtigt, daß es nicht einmal mehr die Beschäftigung bis zum Ablauf einer ordentlichen KUndigungsfrist fiir den Arbeitgeber als zumutbar ansah. 74 Ebenso verliert ein Pädagoge oder Kindergärtner eine rur das Arbeitsverhältnis notwendige Eigenschaft, wenn er sich eines Sexualdelikts oder einer vorsätzlichen Körperverletzung zu Lasten eines Kindes (auch in der Vergangenheit) strafbar gemacht hat. Dies offenbart Charaktermängel, die es unverantwortlich erscheinen lassen, ihm weiterhin Kinder in Obhut geben zu können. 75 Auch hier greift der in Kapitel 276 entwickelte Grundsatz ein, daß ein außerdienstliches Verhalten, welches nur die Geflihrdung eines Rechtsguts bedingt, je nach Wichtigkeit dieses Rechtsguts arbeitsrechtliche Folgen haben kann, ohne daß sich die Gefahr realisiert haben muß. Ebenso läßt der Fall eines außerdienstlichen Trunkenheitsdelikts an der Zuverlässigkeit eines Berufskraftfahrers zweifeln und berechtigt damit zu einer personenbedingten Kündigung. 77 Auch ein Leiter einer KfZ-Prüfstelle erscheint rur seine Tätigkeit ungeeignet, der eine strafbare Trunkenheitsfahrt mit einer anschließenden Fahrerflucht begeht. 78 Im öffentlichen Dienst können aufgrund der hoheitlichen Aufgaben der Behörde besondere Anforderungen an Angestellte bestehen. So macht sich ein Mitarbeiter des Finanzamts rur seine Tätigkeit ungeeignet und rur die Behörde untragbar, der selbst Steuerhinterziehungen begeht. Denn die Ausübung hoheitlicher Funktionen erfordert von den Mitarbeitern absolute Integrität, um die Glaubwürdigkeit der Behörde zu erhalten. 79 Ebenso darf die Staatsanwaltschaft, um ihre Glaubwürdigkeit als Strafverfolgungsbehörde zu verteidigen, einer Gerichtshelferin personen bedingt kündigen, die einen Ladendiebstahl begangen hat. 8o Die Kündigung einer öffentlich Bediensteten, die aufgrund einer sogenannten Konversionsneurose mehrfach Diebstähle begangen hat und deswegen verurteilt

LAG Berlin, EzA zu § 626 n. F. Nr. 80. LAG Berlin, LAGE § 626 BGB Nr. 45; so auch Preis, Prinzipien, S.466; Wank, RdA 1993, S. 79, 86 Fn. 150. 76 Kapitel 2 11 I c bb). 77 BAG, AP Nr. 51, 70 zu § 626 BGB. 78 LAG Köln, LAGE § 626 BGB Nr. 34. 79 LAG Düsseldorf, EzA zu § 626 n.F. Nr. 72. 80 LAG Frankfurt, LAGE § 626 BGB Nr. 22. 74

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wurde, ist nach Ansicht des BAG sogar wegen Verstoßes gegen §§ 6 und 8 BAT aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt.81 cc) Verwandtschaft und Freundschaft Problematisch ist, inwieweit Verwandtschafts- oder Freundschaftsverhältnisse gerechtferigte Bedenken des Arbeitgebers auslösen können, daß der Arbeitnehmer sich illoyal verhält, indem er Betriebsgeheimnisse verrät oder gegen Sicherheitsvorschriften verstößt. Denkbar ist dies, falls der Verwandte oder Lebenspartner des Arbeitnehmers in einem Konkurrenzunternehmen arbeitet oder einer gegen den Arbeitgeber eingestellten, eventuell sogar terroristischen Vereinigung angehört. 82 Das BAG läßt jedoch in diesen Fällen allein die Tatsache einer Beziehung nicht ausreichen, um eine Kündigung wegen fehlender Vertrauenswürdigkeit zu begründen. Vielmehr muß der Arbeitgeber dem Arbeitsgericht konkrete Umstände darlegen, die seine Bedenken objektiv belegen und so dem Gericht nachvollziehbar machen. 83 Ausreichend wäre beispielsweise bei der Beziehung mit einer Terroristensympathisantin die aktive Unterstützung ihrer Arbeit durch den Arbeitnehmer. Fraglich ist allerdings, weIche konkreten Anhaltspunkte erforderlich sind, um die Gefahr eines Betriebsgeheimnisverrats an den im Konkurrenzunternehmen angestellten Ehepartner zu untermauern. Wenn erst der begründete Verdacht eines bereits erfolgten Geheimnisverrats genügen würde, wäre der Bereich einer personen bedingten Kündigung wegen fehlender Vertrauenswürdigkeit bereits verlassen und es käme nur eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Vertragspflichtverletzung oder eine VerdachtskUndigung aus diesem Grund in Betracht. Damit würde man aber dem Arbeitgeber zumuten, mit Maßnahmen zu warten, bis der Schaden eingetreten ist. Auch insoweit wird man, wie bereits im Kapitel zur konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses dargelegt84, eine Abwägung vornehmen müssen: Je höher die Position des Angestellten und je leichter ftir ihn der Zugang zu sensiblen Daten, die bei ihrem Verrat dem Betrieb einen großen Schaden zufilgen könnten, desto geringere Anforderungen sind an die Konkretisierbarkeit und Wahrscheinlichkeit des Vertragsbruchs in Form eines Geheimnisverrats zu stellen. Nur im Extremfall, d. h. falls lebenswichtige Betriebsinteressen auf dem Spiel stehen, wird auch die Tatsache der Ehebeziehung allein die fehlende Vertrauens-

BAG, AP Nr. 43 zu § I KSchG 1969. KR-Becker, § 1 Rn. 199. 83 BAG, AP Nr. 1, 2 zu § I KSchG 1969 - Sicherheitsbedenken -; LAG BadenWürttemberg, DB 1968, S. 359. 84 Kapitel 2 II 1 c) bb). 8\

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würdigkeit begründen können. Unter Umständen genügt aber schon eine Änderungskündigung, durch die der Arbeitnehmer in eine weniger vertrauliche Position versetzt wird, um Abhilfe zu schaffen. 85 Das LAG Nümberg statuierte sogar rur einen leitenden Angestellten, dessen Firma mit der Firma seines Sohnes Geschäftsbeziehungen aufnahm, eine Offenbarungspflicht hinsichtlich seines Verwandtschaftsverhältnisses, deren Verletzung eine fristlose Kündigung rechtfertige. 86 dd) Lohnpfilndungen Ein Problem unter den außerdienstlichen Verhaltensweisen stellt der Fall übermäßiger Lohnpfilndungen dar. Hat ein Arbeitnehmer zahlreiche Schulden, kann es im Zuge der Vollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger zu Lohnpfändungen bei seinem Arbeitgeber kommen. Diese vermögen in der Buchhaltung des Betriebs nicht unerheblichen Aufwand zu verursachen, da die Anfragen der Gläubiger bearbeitet, Auskünfte erteilt und die einzelnen Summen überwiesen werden müssen. Das BAG sieht daher den Arbeitgeber bei einem Überhandnehmen von Lohnpfändungen aufgrund der betrieblichen Belastungen als berechtigt an, dem Arbeitnehmer zu kündigen. 87 Es stellt sich die Frage, worauf sich eine solche Kündigung stützen kann, mithin um welche Art der Kündigung es sich handelt und ob dem Arbeitnehmer zuvor eine Abmahnung zukommen muß. Zunächst ist zu untersuchen, ob der Arbeitnehmer eine Vertragspflichtverletzung begeht, wenn er sich hoch, jedenfalls mehrfach verschuldet und die daraufhin erfolgenden Lohnpfändungen in seinem Betrieb Störungen auslösen. Problematisch erscheint hier auf dem ersten Blick die fehlende Unmittelbarkeit zwischen Verhalten des Arbeitnehmers und Störung. Die Störung im Betrieb wird nicht durch die Verschuldung des Arbeitnehmers verursacht, sondern durch den Entschluß des Gläubigers, mit Hilfe eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die ausstehenden Forderungen beim Arbeitgeber zu vollstrecken. Zwischen dem Handeln des Arbeitnehmers und der Betriebsstörung besteht also nur ein mittelbarer Zusammenhang. Es muß noch ein Verhalten Dritter, das der Gläubiger, hinzutreten, welches die Betriebsstörung auslöst. Es kann deshalb von einer Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers

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Hersehel / Löwisch, KSchG, § 1 Rn. 156; Dudenbostel / Klas, AuR 1979, S. 296,

297f. LAG Nümberg, LAGE § 626 BGB Nr. 51. BAG, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 -Verhaltensbedingte Kündigung-; EzA § 1 KSchG -Verhaltensbedingte Kündigung- Nr. 45; Urt. v. 29.8.1980, 7 AZR 726 / 77, n.v. 86 87

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Kapitel 3: Rechtsfolgen des relevanten außerdienstlichen Verhaltens

nicht gesprochen werden, da diese sich unmittelbar gegen das Arbeitsverhältnis richten muß. Das Sichverschulden des Arbeitnehmers ist hingegen ein neutrales, mit dem Arbeitsverhältnis zunächst in keinem Bezug stehendes Verhalten und daher nicht vertragswidrig. Damit entfällt auch die Möglichkeit einer verhaltensbedingten Kündigung, weil sie, wie bereits oben dargelegt, ein vertragswidriges Verhalten voraussetzt. Daraus könnte man den Schluß ziehen, die durch zahlreiche Lohnpfiindungen verursachten Störungen in der Buchhaltung eines Betriebs rechtfertigten überhaupt keine Kündigung. 88 Eine andere, überzeugendere Möglichkeit besteht jedoch darin, eine Kündigung wegen zahlreicher Lohnpfiindungen als personenbedingt anzusehen. Die Fallkonstellation liegt hier ähnlich wie bei der bereits behandelten DruckkUndigung. Ein Verhalten des Arbeitnehmers, welches fllr sich genommen außerhalb des vertraglich geregelten Rechtskreises liegt und das Arbeitsverhältnis nicht berührt, provoziert eine Reaktion Dritter, die sich ihrerseits unmittelbar negativ auf den Betrieb auswirkt. Die Personenbedingtheit der Kündigung besteht bei der Lohnpfändung wie bei der Druckklindigung nicht in einer fehlenden, aber notwendigen Eigenschaft des Arbeitnehmers. Die personenbedingte Kündigung ist jedoch grundsätzlich durch alle Umstände gerechtfertigt, die auf einer in der Sphäre des Arbeitnehmers liegenden Störquelle beruhen. Eigenschaften und Fähigkeiten sind hierftlr der Regelfall, schließen aber andere Umstände nicht aus. Kommt es also zu einer aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammenden Belastung des Betriebs, die dem Arbeitgeber billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann, so kann ebenfalls ein personenbedingter Kündigungsgrund vorliegen. Untersucht werden muß also zunächst, ob die durch die Lohnpfiindungen verursachten Störungen aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammen. Die Lohnpfiindungen werden von seinen Gläubigem vorgenommen. Allerdings verursacht der Arbeitnehmer diese Handlungen mittelbar, wenn er seine Schulden nicht begleicht. Der Umstand, daß Gläubiger zu Lohnpfiindungen schreiten, entspricht auch dem normalen Lauf der Dinge, da die Vollstrekung in Lohnforderungen des Schuldners in der Regel das ftlr den Gläubiger erfolgversprechendste Mittel ist. Daher sind die Lohnpfändungen dem Arbeitnehmer zurechenbar und sind als aus seiner Sphäre stammend anzusehen.

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So Preis, Prinzipien, S. 466f.

III. Zusammenfassung

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Diese vom Arbeitnehmer herrührenden Störungen dürfen dem Arbeitgeber nicht mehr zurnutbar sein, um einen personenbedingten Kündigungsgrund abgeben zu können. Für die Zumutbarkeit der Belastungen, die sich filr den Betrieb durch zahlreiche Lohnpfändungen ergeben, könnten aber die Regelungen der Forderungspfändung in den §§ 828 ff ZPO sprechen. Denn dort ist gesetzlich festgelegt, welche Pflichten den Drittschuldner bei einer Forderungspfändung treffen. Daraus wird von einigen Autoren geschlossen, daß der Gesetzgeber die Zumutbarkeit von Lohnpfändungen filr den Drittschuldner generell bejaht hat. 89 Diese Ansicht ist abzulehnen. Die gesetzgeberische Grundentscheidung in den §§ 828 ff ZPO sagt nur etwas darüber aus, welche Pflichten den Drittschuldner in dem Vollstreckungsverhältnis gegenüber dem Gläubiger und dem Schuldner treffen. Ob eine große Häufung von Lohnpfändungen Konsequenzen rur das zwischen Schuldner und Drittschuldner bestehende Schuldverhältnis haben kann, ist und kann in den Vollstreckungsvorschriften der ZPO nicht geregelt (sein).9o Daher ist es nicht ausgeschlossen, zahlreiche Lohnpfändungen, die zu nachhaltigen Störungen im Betrieb fUhren, als dem Arbeitgeber nicht mehr zurnutbar anzusehen und ihm das Recht zu einer personenbedingten Kündigung einzuräumen. 91

III. Zusammenfassung Außerdienstliche Verhaltenspflichten können, soweit es sich um Schutzpfichten handelt, im Wege des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs eingeklagt werden und bei einem wiederholten Verstoß zu einer verhaltensbedingten Kündigung fUhren. Soweit es sich um Nebenleistungspflichten handelt, sind sie durch den vorbeugenden Rechtsschutz zu Sicherung des Hauptanspruchs prozessual durchsetzbar und können ebenfalls bei einem wiederholten Verstoß zu einer verhaltensbedingten Kündigung filhren. Daneben hat der Arbeitgeber Schadensersatzansprüche, die in ihrer Wirkung allerdings eingeschränkt sind wegen der Schwierigkeiten, die Kausalität zwischen Vertragsverletzung und Schaden

So Preis, Prinzipien, S. 467; Pfarr / Struck, BIStSozArbR 1982, S. 289, 291ft'. BAG, AP Nr. 4 zu § I KSchG 1969 -Verhaltensbedingte Kündigung -. 91 So auch BAG, Urt. v. 29.8.1980, 7 AZR 726 / 77, n.v.; in Rechtsprechung und Literatur werden Lohnpflindungen jedoch überwiegend unter dem Aspekt der verhaltensbedingten Kündigung gesehen: BAG, AP Nr.4 zu § I KSchG 1969 - Verhaltensbedingte Kündigung-; EzA § I KSchG -Verhaltensbedingte Kündigung- Nr. 45; Pflaum, Abmahnung, S. 183ft'; v. Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu § I KSchG 1969 -Verhaltensbedingte Kündigung-; KR-Etzet, § I Rn. 48. 89

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Kapitel 3: Rechtsfolgen des relevanten außerdienstlichen Verhaltens

sowie die Höhe des Schadens selbst darzulegen. Bei der Verletzung von Wettbewerbsverboten werden dem Arbeitgeber Beweiserleichterungen eingeräumt. Außerdienstliches Verhalten, welches keine Vertragspflichtverletzung darstellt, kann zu einer personenbedingten Kündigung fUhren: Zum einen dann, wenn dadurch Mängel an fUr das Arbeitsverhältnis notwendigen Eigenschaften und Fähigkeiten sichtbar werden; zum anderen in den Fällen, in denen das Verhalten des Arbeitnehmers mittelbar zu Beeinträchtigungen des Betriebs fUhrt und der Arbeitgeber außer der Kündigung keine weitere Möglichkeit mehr hat, um eine schwere Schädigung seines Betriebs abzuwenden.

Kapite/4

Statuierung von außerdienstlichen Verhaltens pflichten Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, durch welche "Gestaltungsmittel" außerdienstliche Verhaltenspflichten statuiert werden können. Zu untersuchen sind hierbei der Arbeitsvertrag, der Tarifvertrag, die Betriebsvereinbarung und das Direktionsrecht.

I. Durch Vertrag Die allgemein im Arbeitsverhältnis geltenden außerdienstlichen Verhaltenspflichten können in den Grenzen, die in Kapitel 2 II aufgezeigt wurden, jederzeit auch einzelvertraglich ausdrücklich festgelegt werden. Sie gelten indes bereits ohne schriftliche Fixierung, da sie gern. § 242 BGB als Neben- bzw. Nebenleistungspflichten mit Abschluß des Vertrags automatisch entstehen. Insofern haben solche Vertragsklauseln rein deklaratorische Wirkung. Sie sind jedoch sehr hilfreich, um dem Arbeitnehmer gegenüber die rur ihn bestehenden Verhaltenspflichten gern. § 242 BGB näher zu verdeutlichen. Das gilt allerdings nur, wenn die Klauseln sich auf bestimmte Verhaltensweisen beziehen (z. B. Unterlassen kreditschädigender Äußerungen, Verschwiegenheitspflicht bezüglich genau umschriebener Betriebsgeheimnisse) und sich nicht in pauschalen Umschreibungen (z. B. Der Arbeitnehmer hat alles zu unterlassen, was die Interessen seines Arbeitgebers beeinträchtigen könnte) ergehen. Denn in ihrer Allgemeinheit bilden sie nicht nur keinen Anhaltspunkt fUr den Arbeitnehmer, sie können sogar unwirksam sein, wenn sie zu weit gefaßt sind und dadurch die Interessen des Arbeitnehmers unverhältnismäßig beeinträchtigen.

1. Zu lässigkeit der Erweiterung über den gesetzlichen Umfang hinaus Es ist zu prüfen, inwieweit über die in Kapitel 2 11 aufgezeigten Grenzen hinaus außerdienstliche Verhaltenspflichten durch vertragliche Vereinbarung erweitert werden können. Teilweise wird die Ansicht vertreten, in diesem Bereich gebe es keine Vertragsfreiheit.

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Kapitel 4: Statuierung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten

Eine vertragliche Regelung könne nur deklaratorisch das bestätigen, was ohnehin durch das Gesetz (in der Regel § 242 BGB) vorgegeben sei. I Auf der anderen Seite wird das die Privatrechtsordnung beherrschende Prinzip der Vertragsfreiheit betont und entsprechende Klauseln werden nur mit der Schranke der Sittenwidrigkeit belegt.2 Richtiger erscheint es, zu differenzieren. Der völlige Ausschluß der Vertragsfreiheit ist abzulehnen, da er der Einordnung des Arbeitsvertrags in das Zivilrecht grundsätzlich widerspricht. Bei Vertragsabschlüssen, filr die die Vermutung der Richtigkeitsgewähr besteht, sollte nur die im Zivilrecht übliche Schranke der Sittenwidrigkeit zur Begrenzung herangezogen werden. Dies gilt rur Verträge, die individuell ausgehandelt werden und bei denen der Arbeitnehmer genügend Einfluß besitzt, um eigene Vorstellungen in dem Vertrag zu realisieren. Das Gericht, das solche Verträge auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen muß, hat demnach auf Indizien zu achten, die filr eine gleichwertige Verhandlungsposition sprechen wie z. B. das Verhältnis von Angebot und Nachfrage (der Arbeitgeber sucht dringend einen Arbeitnehmer rur eine bestimmte Aufgabe und steht nur einem geringen Angebot gegenüber) oder die juristische Beratung des Arbeitnehmers. Liegen solche Anhaltspunkte vor, kann das Gericht den Vertrag nur im Hinblick auf eine Sittenwidrigkeit gern. § 138 BGB überprüfen. 3 Allein die Tatsache, daß es sich um einen Individualvertrag handelt, besagt noch nichts über seine Richtigkeitsgewähr. 4 Anders ist es, wenn dem Gericht eine einseitige Vertragsbedingung vorliegt, wie dies bei formularmäßigen Verträgen die Regel ist. Hier kann die Richtigkeitsgewähr des Vertrags nicht ohne weiteres vermutet werden. Es liegt in der Natur der Sache, daß derjenige, der die Vertragsbedingungen bestimmen kann, zunächst seine eigenen Interessen, unter Umständen auch auf Kosten des Vertragspartners, durchzusetzen versucht. Daher reicht hier eine bloße Überprüfung im Rahmen des § 138 BGB, die nur krasse Mißstände beheben würde, nicht aus.

Oligmüller, Nebentätigkeitsproblematik im Arbeitsrecht, S. 104f, l31 ff. Gift, BB 1959, S. 43, 44; Callam, Mehrfache Erwerbstätigkeit, S. 109; Schwarz / Holzer, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers, S. 102. 3 So auch Preis, Grundfragen, S. 290. 4 So auch Zöllner, RdA 1989, S. 152, 156. I

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I. Durch Vertrag

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2. Kontrollmaßstab Bei der Frage, anband welchen Maßstabs eine weitergehende Kontrolle einer solchen Vertragsbedingung durchgefilhrt werden soll, bietet die Rechtsprechung allerdings kein klares und überzeugendes Bild. a) Verfassungskonforme Auslegung und Billigkeitskontrolle

Teilweise wird eine verfassungskonfonne Auslegung vorgenommen, bei der die Vertragsklausel von dem Gericht auf ihr zulässiges Maß reduziert bzw. abgeändert wird. s Teilweise unterzieht das BAG die Vertragsklauseln einer Billigkeitskontrolle, wobei es offenläßt, auf welcher Gesetzesgrundlage dies beruht. 6 Die sogenannte verfassungskonfonne Auslegung ist abzulehnen, weil damit im Ergebnis wohl die eigentlich auch vom BAG bereits verabschiedete Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte 7 wieder Eingang in die Rechtsprechung findet. 8 Zudem sind Vertragsklauseln nicht wie Gesetze, sondern nach den filr Verträge geltenden Vorschriften der §§ 133, 157 BGB auszulegen, d. h. nach dem wirklichen Willen der Vertragsparteien. Daß dieser Wille immer dahingeht, daß der Vertrag verfassungskonfonn ist, kann jedoch gerade bei Privatleuten nicht unterstellt werden. 9 Die häufiger vorgenommene Billigkeitskontrolle kann ebenfalls nicht überzeugen. Bereits begrifflich bedeutet Billigkeit, daß es nicht um die Vereinbarkeit einer Regelung mit dem Gesetz geht, sondern daß mit ihrer Hilfe filr einen Einzelfall ein gerechtes Ergebnis gefunden werden soll. Somit eignet sie sich nicht filr generelle Regelungen, die einer Rechts- oder Inbaltskontrolle unterworfen werden müssen. 1O Im übrigen erscheint auch die vereinzelt filr die Billigkeitskontrolle herangezogene Rechtsgrundlage des §.315 BGB verfehlt. Denn diese Vorschrift setzt eine einseitige Leistungsbestimmung voraus, woran es bei einer Vertragsklausel, selbst wenn man von einer gestörten Parität 5 So z. B. BAG, AP Nr. 60 und 68 zu § 626 BGB; EzA § I KSchG -Verhaltensbedingte Kündigung-; zustimmend Staudinger-Richardi, § 611 Rn. 398; RGRK-Corts, § 626, Rn. 141; Buchner, Wettbewerbsverbote, S. 26 (B 67). 6 BAG, AP Nr. I zu § 242 BGB -Ruhegehalt- Unterstützungskassen-; AP Nr. 1 zu § 305 BGB -Billigkeitskontrolle-; AP Nr. 9 zu § 339 BGB; EzA § 611 BGB -ParkplatzNr. 1. 7 Seit BAG, BAGE 48, S. 122ff. 8 So auch Preis, Grundfragen, S. 154. 9 Glöckner, Nebentätigkeitsverbote, S. 145; Preis, Grundfragen, S. 154. 10 v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 129.

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Kapitel 4: Statuierung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten

ausgeht, augenscheinlich fehlt. 11 Sähe man es anders, gäbe man das Vertragsprinzip im Arbeitsrecht preis und nähme es damit aus dem Rahmen des Zivilrechts heraus. 12 Zudem findet § 315 BGB erst Anwendung, wenn ein wirksamer Vertrag, der ein Bestimmungsrecht einräumt, besteht. Bei der Inhaltskontrolle geht es aber gerade um die Wirksamkeit dieses Vertrags. 13 b) Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB

Deshalb erscheint es richtiger, anband des § 242 BGB zu überprüfen, ob die jeweilige vertragliche Regelung die ihr aufgrund Treu und Glauben innewohnenden Grenzen überschritten hat. Eine solche richterliche Inhaltskontrolle sieht das BAG im Anschluß an den Beschluß. des Bundesverfassungsgerichts zu Bürgschaftsverträgen l4 als von der Verfassung geboten an. Maßstab sind hierfilr insbesondere die Interessen des Arbeitnehmers, die nicht unangemessen benachteiligt werden dürfen. Damit wird der im Zivilrecht allgemein geltende Grundsatz des Übermaß verbots angewandt, der sich mit den Begriffen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit umschreiben läßt. IS c) Rechts/alge bei Verstoß: Geltungserhaltende Reduktion oder Nichtigkeit (Kassation)

Fraglich ist, was mit der Vertragsklausel geschieht, falls ein Verstoß gegen das Übermaßverbot festgestellt wird. Preis favorisiert die generelle Unwirksamkeit einer solchen Klausel, soweit sie einseitig gestellt ist und keine Hauptleistungspflicht betrifft. Denn die Vertragsparteien (insbesondere der Arbeitgeber, der die Vertragsbedingung formuliert hat) sollten nicht ihre Verantwortung und auch das Risiko, das ihnen die Vertragsfreiheit gibt, auf die Gerichte abwälzen können, die eine unzulässige Regelung im Wege der geltungserhaltenden Reduktion auf das gerade noch zulässige Maß reduzieren würden. Damit bestünde fUr den Arbeitgeber kein Anreiz, eine die Interessen des Arbeitnehmers mitberücksichtigende Regelung zu schaffen. Statt dessen Zöllner, RdA 1989, S. 152, 158. So auch MünchArb-Richardi, Bd.l, § 12 Rn. 48. 13 Wolf, RdA 1988, S. 270, 271. 14 BVerfD, AP Nr. 35 zu Art. 2 GG. 15 BAG, Urt. v. 6.5.1998, 5 AZR 535 / 97, noch nicht veröffentlicht; AP Nr. 18 zu § 611 BGB -Ausbildungsbeihilfe-; AP Nr. 3 zu § 620 BGB -Bedingung-; AP Nr. 6 zu § I KSchG 1969 -Krankheit-; zustimmend: Wiedemann, Anm. zu BAG, AP Nr. 18 zu § 611 BGB -Ausbildungsbeihilfe; Zöllner, RdA 1989, S.152, 159; Glöckner, Nebentätigkeitsverbote, S. 143; Wolf, RdA 1988, S. 270, 273ff. 11

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könne er versuchen, zunächst Maximalforderungen zu stellen, die, falls der Arbeitnehmer sich wehren sollte, auf das rechtlich Zulässige gekürzt würden. Stehe aber die Drohung der vollständigen Unwirksamkeit der Klausel im Raum, werde sich der Arbeitgeber bereits bei ihrer Abfassung bemühen, das Übermaßverbot zu beachten. 16 Diese Ansicht verdient überwiegend Zustimmung. Gerade in dem hier interessierenden Zusammenhang der außerdienstlichen Verhaltenspflichten muß der Arbeitgeber keine untragbaren Nachteile hinnehmen, falls seine erweiternde Vertragsklausel wegen Überschreitung der durch § 242 BGB gesetzten Grenzen unwirksam ist. Denn an ihre Stelle tritt das geltende Recht, welches in dem notwendigen Umfang bereits Rücksichtnahmepflichten des Arbeitnehmers zugunsten des Arbeitgebers statuiert. So sind beispielsweise umfassende Genehmigungsvorbehalte von Nebentätigkeiten des Arbeitnehmers wegen ihres Verstoßes gegen das Übermaßverbot unwirksam; denn bei Nebentätigkeiten, die das Arbeitsverhältnis nicht berühren, besteht kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers, diese zu verbieten. Der Vorbehalt der Genehmigung steht ihm daher nicht zu. Durch die gesetzliche Lage, nämlich § 60 HGB und das aus § 242 BGB folgende allgemeine Wettbewerbsverbot, ist er hinreichend geschützt. I? Eine andere Ansicht besagt, daß eine Regelung, bei der ein Teil der von ihr ermöglichten Maßnahmen innerhalb, ein Teil aber außerhalb des Angemessenheitsrahmens liegt, nicht insgesamt unzulässig und unwirksam sein soll. Stattdessen solle im Wege der Ausübungskontrolle fiir jeden Anwendungsfall geprüft werden, ob sich die Maßnahme noch innerhalb des Rahmens bewegt. Denn es sei fiir den Arbeitgeber unmöglich, den Rahmen des Zulässigen schon in der vertraglichen Ermächtigungsnorm genau abzustecken, weil sich das fiir den konkreten Anwendungsfall Zulässige im voraus nicht erkennen lasse. 18 Dies würde fiir umfassende Genehmigungsvorbehalte bei Nebentätigkeiten bedeuten, daß in jedem Fall, in dem der Arbeitgeber die Genehmigung verweigert, von den Gerichten überprüft werden müßte, ob schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers durch die Nebentätigkeit beeinträchtigt sind. Diese Ansicht überzeugt nicht. Denn der Arbeitgeber kann durchaus mit Hilfe gene16 Preis, Grundfragen, S. 357ff; v. Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG, AP Nr. 23 zu § 611 BGB -Ausbildungsbeihilfe-; siehe ebenso mit ähnlichen Argumenten die h. M. zu § 6 AGBG, die die geltungserhaltende Reduktion von Vertragsklauseln, die gegen das Übermaßverbot verstoßen, ablehnt: BGH, BGHZ 84, S. 109, 115ff; BGHZ 96, S. 18, 25; 106, S. 19, 26; Wolf/Horn / Lindacher, AGBG, § 6 Rn. 30ff; Ulmer / Schmidt, AGBG, § 6 Rn. 14ff. 17 Glöckner, Nebentätigkeitsverbote, S. 147ff. 18 Zöllner, RdA 1989, S. 152, 16 I.

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ralklauselartiger Umschreibungen zumindest kenntlich machen, daß die getroffene Regelung die ihr durch § 242 BGB gezogenen Grenzen achten will. So könnte die Formulierung bei Nebentätigkeiten lauten: "Der Arbeitnehmer muß seine Nebentätigkeit genehmigen lassen, soweit sie schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt." Bei solchen Klauseln verschiebt sich dann in der Tat die Inhaltskontrolle zu einer Ausübungskontrolle durch die Gerichte. Denn rur das in Streit stehende Verhalten des Arbeitnehmers muß geprüft werden, ob es noch von der Regelung umfaßt und damit verboten ist oder nicht. Generalklauselartige Formulierungen der vertragsimmanenten Grenzen tragen somit zwar auch nicht zu einer größeren Rechtsklarheit bei, machen den Arbeitnehmer aber auf die Existenz solcher Grenzen aufmerksam, auf deren Einhaltung er dann gegenüber seinem Arbeitgeber bestehen und sie notfalls gerichtlich im Wege der Ausübungskontrolle durchsetzen kann. Deswegen kann nicht auf die Drohung der vollständigen Unwirksamkeit überschießender Regelungen verzichtet werden, deren immanente Vertragsgrenzen vielleicht nicht durch konkrete Angaben, aber zumindest durch abstrakte Umschreibungen vom Arbeitgeber hätten aufgezeigt werden können. Von dem Grundsatz, daß eine die immanenten Grenzen überschreitende Regelung insgesamt unwirksam ist, muß abgewichen werden, wenn mit der Regelung ein dem Arbeitnehmer gewährter Vorteil eingeschränkt werden soll, wie das bei Widerrufsvorbehalten von freiwilligen Leistungen der Fall ist. ließe man die einschränkende Klausel, die den Widerruf nicht an die Kriterien der Zumutbarkeit und Angemessenheit gebunden hat, ohne Ersatz wegfallen, erlangte der Arbeitnehmer einen wesentlich größeren Vorteil, nämlich einen unbedingten Anspruch auf eine Leistung, der ursprünglich nicht bestand. In diesem Fall ist die Praxis des BAG I9 vorzuziehen, eine Reduktion des umfassenden in einen eingeschränkten Widerrufsvorbehalt vorzunehmen?O Andernfalls wäre das Interessengleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht gewahrt. Da der Arbeitnehmer auch bei einer Reduktion noch einen großen Vorteil behält, ist seinem Schutzinteresse genüge getan, selbst wenn die Möglichkeit des Widerrufs nicht ersatzlos wegfällt. Steht also eine Klausel mit einer anderen vertraglichen Regelung in einem konnexen Zusammenhang, muß eine geltungserhaltende Reduktion vorgenommen werden, um eine zu grobe Verzerrung des ursprünglichen Vertragsinhalts zu verhindern. Solche zusammenhängenden Klauseln werden aber in Verbindung mit außerdienstlichem Verhalten eher selten sein. Denkbar ist rur diesen Bereich

19 BAG, AP Nr. 4, 18 zu § 242 BGB - Ruhegehalt-Unterstützungskassen -; AP Nr. 6 zu § 242 BGB - Ruhegehalt -; AP Nr. 1 zu § 1 BetrA VG - Ablösung -. 20 Zöllner, RdA 1989, S. 152, 161.

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beispielsweise eine Vertragsvereinbarung, die dem Arbeitnehmer unter Widerrufsvorbehalt das Betreiben eines bestimmten Konkurrenzgeschäftes erlaubt.

3. Mögliche VertragsgestaItungen Anschließend soll anband von konkreten, in der Praxis relevanten Beispielen erörtert werden, welche Erweiterungen außerdienstlicher Verhaltenspflichten durch Vertrag zulässig sind. a) Nebentätigkeit

Ein häufig vorkommender Problemkreis ist die Reglementierung von Nebentätigkeiten. Darunter wird jede anderweitige Verwertung der Arbeitkraft des Arbeitnehmers (körperlicher oder geistiger Natur) verstanden, so daß sowohl entgeltliche Aktivitäten darunterfallen wie auch die Ausübung von Hobbys oder Ehrenämtern? 1 aa) Skizzierung der gesetzlichen Ausgangslage Bevor vertragliche Erweiterungsmöglichkeiten untersucht werden, sollen zunächst die bereits aufgrund der gesetzlichen Lage bestehenden Pflichten des Arbeitnehmers, soweit in Kapitel 2 noch nicht geschehen, skizziert werden: Der Arbeitnehmer hat zunächst jede Nebentätigkeit zu unterlassen, die seine Arbeitskraft spürbar beeinträchtigt und damit sein Arbeitsverhältnis konkret berührt. Beispielhaft sind Nachtarbeiten neben einem Vollzeit-Tagesarbeitsverhältnis zu nennen. Davon ausgenommen werden müssen Tätigkeiten, die zwar negative Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben, jedoch aufgrund Gesetz ausdrücklich erlaubt werden, so z. B. bei der Bewerbung um ein Mandat im Bundestag oder einem Landtag gern. Art. 48 Abs. 1 GG, Art. 46 Abs. 2 S. 1 Landesverfassung NRW. Für Ehrenämter, deren Übernahme eine gesetzliche Pflicht bedeutet und bei denen die Belange des Arbeitgebers nicht als Ablehnungsgrund anerkannt sind22 , muß gleiches gelten. 23 Nicht zu folgen ist jedoch der von Glöckner vertretenen Ansicht, der Arbeitgeber müsse eine Beeinträchtigung seiner Interessen auch dann hinnehmen, wenn der Arbeitnehmer ein erhebliches Interesse an der Nebentätigkeit hat. Als Beispiel wird 21

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MünchArb-Blomeyer, § 53 Rn. 1. Z. B. § 28, 29 GO NW, § 24 ArbGG, § 31 GVG. So auch Trappe, BB 1974, S. 43, 46; Glöckner, Nebentätigkeitsverbote, S. 92.

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der Hausbau in Eigenregie angeftlhrt, der den Arbeitnehmer so beansprucht, daß er in seinem Arbeitsverhältnis nicht mit voller Kraft arbeiten kann. 24 Damit wird der Charakter des Arbeitsverhältnisses als schuldrechtlicher Austauschvertrag vollständig ignoriert. Die in einem Arbeitsverhältnis intensiveren Rücksichtnahmepflichten gern. § 242 BGB reichen filr beide Seiten nicht soweit, daß abgesehen von geringfilgigen Beeinträchtigungen regelrechte Vertragsstörungen von einer der Vertragsparteien hingenommen werden müssen, inbesondere wenn die volle Gegenleistung, hier der Lohn, weiterhin geschuldet wird. Während einer Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitnehmer grundsätzlich berechtigt, einer Nebentätigkeit nachzugehen. Er hat aber alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Genesungsprozeß zu verzögern. Eine tatsächliche Verzögerung muß der Arbeitgeber dabei nicht nachweisen?5 Als besonders schwerer Verstoß gegen die Interessenwahrungspflicht des Arbeitnehmers gern. § 242 BGB gilt eine Konkurrenztätigkeit während der Zeit der Arbeitsunfiihigkeit. 26 Die Nebentätigkeit während der Arbeitsunfähigkeit kann aber durchaus ein Indiz dafilr sein, daß die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschlichen wurde, so daß der Arbeitnehmer nunmehr beweisbelastet filr das Vorliegen einer zur Arbeitsunfähigkeit filhrenden Krankheit ist. 27 Insofern besteht stets ein gewisses Risiko tUr den Arbeitnehmer, wenn er während der Zeit der Krankmeldung einer anderen Tätigkeit nachgeht. Nebentätigkeiten des Arbeitnehmers sind weiterhin durch das Verbot, seinem Arbeitgeber Konkurrenz zu machen, beschränkt. Dies ergibt sich filr kaufmännische Angestellte aus § 60 HGB, filr andere Arbeitnehmer wird der Gedanke dieser Vorschrift im Rahmen des § 242 BGB herangezogen?8 Verstößt der Arbeitnehmer gegen dieses Verbot, so kann ihm unter Umständen

Glöckner, Nebentätigkeitsverbote, S. 90. BAG, AP Nr. 5 zu § I KSchG 1969 -Krankheit-; BAGE 74, S. 127, 139; LAG Frankfurt, LAGE Nr. 30 zu § 626 BGB; LAG Hamm, LAGE Nr. 34 zu § 1 KSchG -Verhaltensbedingte KUndigung-; LAG Köln, LAGE Nr. 69 zu § 626 BGB; RGRK-Corts, § 626 Rn. 103; Kittner / Trittin, KSchG, § I Rn. 219; Willemsen, OB 1981, S. 2619; MünchArb-Blomeyer, § 53 Rn. 6. 26 LAG Frankfurt, LAGE Nr. 23 zu § 626 BGB; RGRK-Corts, § 626 Rn. 103. 27 BAGE 74, S. 127tf; Pauly, OB 1981, S. 1282tf; RGRK-Corts, § 626 Rn. 103; Kittner / Trittin, KSchG, § I Rn. 220; Preis, OB 1988, S. 1444, 1447 schlägt vor, von dem Arbeitnehmer ein Attest zu verlangen, weIches seine Arbeitsfilhigkeit ftlr die Nebentätigkeit bescheinigt. 28 BAG, AP Nr. 7, 8, 9 zu § 611 BGB -Treueptlicht-; MünchArb-Blomeyer, § 50 Rn. 45; Buchner, Wettbewerbsverbote, S. 49 (B 162). 24

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sogar ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden. 29 Das Konkurrenzverbot umfaßt auch Vorbereitungshandlungen, wie das beharrliche Abwerben von Mitarbeitern, soweit es bereits geeignet ist und auch dazu dienen soll, den Arbeitgeber zu schädigen. Gemeinsames Pläneschmieden dagegen ist unschädlich. 30 bb) Vertragliche Erweiterungsmögl ichkeiten Eine vertragliche Regelung darf diese beschriebenen gesetzlichen Verpflichtungen erweitern, ohne jedoch gegen das Übermaß verbot zu verstoßen. aaa) Anzeigepflicht einer Nebentätigkeit

Generelle Nebentätigkeitsverbote oder umfassende Genehmigungsvorbehalte sind, wie bereits oben erwähnf 1, unzulässig. 32 Hier fehlt es an den dem Übermaßverbot innewohnenden Kriterien der Erforderlichkeit und VerhäItnismäßigkeit. Denn die Reglementierung einer Nebentätigkeit, die keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat, ist filr die korrekte Durchftlhrung des Vertragsverhältnisses, auch im Interesse des Arbeitgebers, nicht erforderlich. Deshalb darf es nicht generell in der Macht des Arbeitgebers stehen, Nebentätigkeiten zu verbieten. Um seinem Interesse, sich nachteilig auf sein Arbeitsverhältnis auswirkende Nebentätigkeiten zu unterbinden, gerecht zu werden, reicht die Statuierung einer Anzeigepflicht des Arbeitnehmers hinsichtlich einer von ihm aufgenommenen Nebentätigkeit aus. Dies gilt nicht hinsichtlich solcher Tätigkeiten, die überhaupt nicht geeignet sind, das Arbeitsverhältnis zu beeinträchtigen. Der Arbeitnehmer muß deshalb nicht jede Handlung, die er außerhalb der Dienstzeit vornimmt, melden. Preis33 verwendet demzufolge die Formulierung, die Anzeigepflicht sei auf solche Nebentätigkeiten zu beschränken, die eine Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben können. Eine solche Anzeigepflicht ist zunächst geeignet, die Interessen des Arbeitgebers bei beeinträchtigenden Nebentätigkeiten des Arbeitnehmers zu wahren.

29 BAG, Urt. v. 23.4.1998, 2 AZR 442/97, n.v.; LAG Frankfurt, LAGE § 1 KSchG Nr. 10, -Verhaltensbedingte Kündigung-. JO LAG Schleswig-Holstein, LAGE 42 zu § 626 BGB; LAG Rheinland-Pfalz, LAGE 64 zu § 626 BGB; Trappe, BB 1974, S. 43, 47. J1 Siehe Kapitel 4 I 2 c). 32 BAG, AP Nr. 60, 68 zu § 626 BGB; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 53 11 6; Mache, AiB 1987, S. 256, 257. 33 Preis, Grundfragen, S. 537f. 8 Wisskirchen

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Eine Anzeigepflicht ist auch erforderlich, um es dem Arbeitgeber durch die Kenntniserlangung zu ermöglichen, die den Arbeitnehmer unter Umständen gern. § 242 BGB treffende Unterlassenspflicht durchzusetzen. Sie erscheint auch trotz ihres Eingriffs in die Privatsphäre des Arbeitnehmers unter Abwägung der Interessen der Vertragsparteien als verhältnismäßig. 34 bbb) Ausdehnung des Wettbewerbsverbots auf andere Geschäftsbereiche

Weiterhin ist es zulässig, ein Wettbewerbsverbot nicht nur auf den Bereich zu beschränken, auf dem der Arbeitgeber im Augenblick tätig ist, sondern genau bezeichnete Gebiete, auf die in naher Zukunft eine Ausdehnung des Arbeitgebers erfolgen soll, in das Verbot miteinzubeziehen. 3s Sollte die Ausweitung innerhalb einer genau umrissenen Zeit nicht vorgenommen worden sein, wird das Verbot unwirksam, da ein konkretes schützenswertes Interesse des Arbeitgebers dann entfallen ist und die Berufsbeschränkung dadurch unverhältnismäßig wird. Hierftlr wird in Anlehnung an § 74a Abs. 1 S. 3 HGB eine Spanne von zwei Jahren empfohlen. 36 Schließlich ist eine vertragliche Erweiterung eines Nebentätigkeitsverbots auf Arbeitsbereiche denkbar, in denen ein anderes Unternehmen des Konzerns oder ein enger Geschäftspartner tätig sind, soweit es sich um mit dem Arbeitgeber verwandte Branchen handelt. Eine Ausdehnung auf alle Bereiche, in denen Schwesterunternehmen des Konzerns tätig sind, könnte sich allerdings je nach dem Grad der Diversifizierung als generelles Berufsverbot entpuppen, welches wegen seiner Unverhältnismäßigkeit (Verstoß gegen Art. 12 GG) unwirksam wäre. ccc) Reglementierung von Kapitalbetei/igungen

Das rur Arbeitnehmer geltende Wettbewerbsverbot wirkt sich nicht nur auf Nebenbeschäftigungen, sondern auch auf sonstige Beteiligungen an Konkurrenzunternehmen aus. Dies ergibt sich aus der Formulierung in § 60 Abs. 1 2. Alt. HGB, in der auch das "Geschäftemachen" im Handelszweig des Prinzipals verboten wird. Darunter wird teilweise jede Unterstützung des Konkurrenten z. B. durch Hingabe eines Kredits oder durch eine Beteiligung als stiller Gesellschafter verstanden. 37 Dies erscheint im Bereich der gesetzlichen So auch Gift, BB 1959, S. 43, 45. Röhsler / Borrmann, Wettbewerbsbeschränkungen, S.37; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 26f. 36 Glöckner, Nebent!1tigkeitsverbote, S. 165. 37 BAG, AP Nr. 1 zu § 61 HGB; Schaub, Handbuch des Arbeitsrechts, § 57 II 2; Heymann, HGB, § 60 Rn. 14. 34

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Rücksichtnahmepflichten des Arbeitnehmers überzogen. Die Gefahr eines Interessenkonflikts und einer Wettbewerbsschädigung entsteht erst dann, wenn dem Arbeitnehmer durch seine Kapitalbeteiligung eine Einflußmöglichkeit auf die Geschäfte des Konkurrenzunternehmens eröffnet wird. Dies bedeutet, daß die Betätigung als Kleinaktionär ohne Sperrminorität in einem Konkurrenzunternehmen oder die Hingabe einer Spareinlage als Bankangestellter bei einer fremden Bank nicht als Verletzung des Konkurrenzverbots gewertet werden kann. 38 Auch die Tatsache, daß ein Arbeitnehmer bei einem Konkurrenzunternehmen stiller Gesellschafter oder Kommanditist ist, filhrt nicht automatisch zu einem Pflichtenverstoß, denn die gesetzlichen Kontrollrechte gern. §§ 233, 166 HGB sind gering. Erst wenn die Kapitalbeteiligung so hoch ist, daß von einer faktischen Einflußmöglichkeit ausgegangen werden muß, kann ein Wettbewerbsverstoß bejaht werden. Auf vertraglicher Ebene kann zunächst ähnlich wie bei Nebentätigkeiten eine Anzeigepflicht von Kapitalbeteiligungen bei Konkurrenzunternehmen vereinbart werden. Ein generelles Verbot oder ein umfassender Genehmigungsvorbehalt ist mangels eines berechtigten Interesses des Arbeitgebers (s.o.) abzulehnen. Schließlich erscheint es vertretbar, auch reine Kapitalbeteiligung an Konkurrenzunternehmen von vorneherein auf 5% zu begrenzen, um die Gefahr eines Interessenkonflikts vollständig auszuschließen. 39 In der Praxis gibt es häufiger vertragliche Regelungen, in denen berufliche und wirtschaftliche Betätigungen von Familienmitgliedern mitreglementiert werden. 40 Zwar besteht auch hier die Gefahr eines Interessenkonflikts des Arbeitnehmers, insbesondere dann, wenn Familienangehörige lediglich als Strohmann oder -frau eingesetzt werden, um die Beteiligung des Arbeitnehmers zu verdecken. Dennoch ist eine solche Vertragsklausel in der Regel unwirksam, da es sich hierbei um einen Vertrag zu Lasten Dritter handelt. Wie bereits oben bei der Erörterung von Verschwiegenheitspflichten festgestellt wurde, muß ein Arbeitgeber in der Regel konkrete Anhaltspunkte fUr einen Pflichtverstoß des Arbeitnehmers haben, der bloße Verdacht wegen seiner Verwandtschaft zu einem in dem Konkurrenzunternehmen Tätigen reicht nicht, um Sanktionen zu ergreifen. Eine Ausnahme kann nur bei Arbeitnehmern gemacht werden, die so hohe Positionen bekleiden, daß ein Verrat von Betriebsgeheimnissen lebenswichtige Interessen des Betriebs verletzen würde.

38 Buchner, Wettbewerbsverbote, S. 22 (B 51 /52); Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 16; MünchArb-B1omeyer, § 50 Rn. 22. 39 So auch Glöckner, Nebentätigkeitsverbote, S. 167. 40 Siehe Beispiele bei Heilmann, Der Betriebsrat 1981, S. 519, 520.

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ddd) Verbot wirtschaftlich riskanter Verhaltensweisen

Aus der dargestellten Handhabung der Fallgruppe des Wettbewerbsverbots in Rechtsprechung und Literatur läßt sich der allgemeine Grundsatz herleiten, daß Verhaltensweisen des Arbeitnehmers, die zu wirtschaftlichen Schäden fUhren können, unter Umständen schon im Vorfeld verboten werden dürfen, ohne daß es zu konkreten Schädigungen des Arbeitgebers gekommen ist oder kommen muß. Besonders deutlich wird dies bei dem Wettbewerbsverbot durch "Geschäftemachen" gern. § 60 Abs. I 2.Alt. HGB, bei dem es gerade nicht auf den Erfolg der Tätigkeit, sondern auf die bloße Geflihrdung der Geschäftsinteressen des Prinzipals ankommt. 41 Dies muß auch rur die Geflihrdung des Betriebs durch schlicht kriminelle Handlungen von Arbeitnehmern gelten, durch die ein besonders hoher Schaden entstehen kann, wenn die Arbeitnehmer in einer entsprechenden Vertrauensstellung arbeiten; so z. B., wenn der Kassierer oder sonstige Mitarbeiter einer Bank, die Zugriff auf Bargeld und Konten haben, der Bank Geld entwenden. Denn abgesehen davon, daß gerade bei Geldinstituten durch Veruntreuung unmittelbar hohe finanzielle Verluste entstehen, ist auch die Ansehens- und Vertrauenseinbuße bei der Kundschaft und damit die mittelbare Schädigung zu berücksichtigen, die eintritt, wenn ein solcher Vorfall bekannt wird. Zwar kann wegen dieses hohen zu schützenden Rechtsguts die Bank ihren Angestellten beispielsweise keinen Hausbau verbieten, der die Gefahr der Überschuldung in sich birgt. Denn dies würde elementare Interessen des Arbeitnehmers an einer selbständigen Lebensfilhrung und wirtschaftlicher Handlungsfreiheit unberücksichtigt lassen und damit zumindest gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das letzte Kriterium des Übermaßverbots, verstoßen. Diese Interessen des Arbeitnehmers können auch durch das Bestreben des Arbeitgebers, große finanzielle Schäden zu verhindern, nicht aufgewogen werden. Ein geeigneteres Mittel könnte hier sein, als Bank selbst aufgrund günstiger Konditionenfilr ihre Angestellten die Finanzierung zu übernehmen und damit genauen Einblick in den Schuldenstand haben. Die Erwartung einer finanziell soliden Lebensfilhrung bei Arbeitnehmern in besonderen Vertrauenspositionen und damit eine entsprechende Verhaltenspflicht ist jedoch von seiten des Arbeitgebers grundsätzlich gerechtfertigt. So ist es in der Praxis üblich, daß Banken bestimmten Angestellten vertraglich ein Glücksspielverbot auferlegen.

41 BAG, AP Nr. 3 zu § 60 HGB; MünchArb-Blomeyer, § 50 Rn. 22; Buchner, Wettbewerbsverbote, S. 20 (B 46).

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NatUrlich kann man nicht davon ausgehen, daß jeder, der spielt, sich hoch verschuldet und dann zu kriminellen Maßnahmen greift. Die psychische Anziehungskraft des Spiels um Geld besteht jedoch erwiesenermaßen, wie eine große Zahl von Spielsuchtkranken zeigt. Zudem birgt das Glücksspiel die Gefahr in sich, in sehr kurzer Zeit hohe Summen zu verlieren und dadurch den Spielenden in eine Notsituation zu bringen. Ein Spielverbot erscheint geeignet und auch als mildestes Mittel im Sinne der Erforderlichkeit, um einen Arbeitnehmer zumindest von der typischen Gefahrensituation des Spiels und damit vor wirtschaftlichen Schädigungen des Arbeitgebers aus einer finanziellen Notlage heraus abzuhalten. Auch eine Interessenabwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ergibt angesichts des hohen bedrohten Rechtsguts des Arbeitgebers kein krasses Mißverhältnis zu Lasten des Arbeitnehmers, da die Wahrscheinlichkeit, daß jemand, der spielt, Geld unterschlägt, um seine Schulden zu begleichen und weiterspielen zu können, nicht zu gering geschätzt werden sollte. Eine Unterlassungspflicht bezüglich Spiel um Geld rur Angestellte, die Zugriff auf Bargeld und Konten haben, kann daher vertraglich statuiert werden. eee) Erhaltung der Leistungs- bzw. Arbeitsfähigkeit

Zu prüfen bleibt, inwiefern Pflichten zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit vertraglich geregelt werden können. Eine allgemeine Leistungserhaltungspflicht gern. § 242 BGB besteht nicht, da sie den Arbeitnehmer in seinem Privatleben zu stark beschränken würde. 42 Denn er müßte jede seiner geplanten Aktivitäten zunächst unter dem Gesichtspunkt überdenken, ob er dadurch arbeitsunfähig werden könnte. Eine entsprechende vertragliche Klausel verstieße ebenso gegen das Übermaßverbot. Allerdings hat der Arbeitnehmer, wie in Kapitel 243 dargelegt, bereits gern. § 242 BGB die Verpflichtung, solche Aktivitäten zu unterlassen, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer Arbeitskraftbeeinträchtigung derart hoch ist, daß vernünftigerweise mit einem guten Ausgang nicht gerechnet werden kann. Beispielhaft seien die Hochgebirgstour eines Herzkranken oder die Verspeisung von Lebensmitteln, gegen die eine Allergie besteht, genannt. Es bleibt zu überlegen, wann solche Unterlassungspflichten vertraglich auch für weniger gefährliche Aktivitäten statuiert werden können. Um eine sinnvolle Eingrenzung der Arbeitnehmergruppe, ftlr die eine entsprechende Erweiterung der vertraglichen Pflichten bejaht werden kann, zu erreichen, muß auf die Maßgeblichkeit ihrer Arbeitsleistung als Beitrag zum 42 43

Siehe oben Kapitel 2.2. Kapitel 2 II 1 c) bb) bbb).

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Betriebserfolg abgestellt werden bzw. auf die Auswirkungen bei ihrem Ausfall. 44 Wird ein "normaler" Arbeitnehmer krank, so kann er zwar seine Hauptleistungspflicht nicht mehr erbringen. Die Folgen rur den Betrieb sind zumindest bei einem kurzen Ausfall in der Regel gering, da die ihm zugewiesene Arbeit rur eine Weile liegenbleiben kann oder von Kollegen mitübernommen wird. Im äußersten Fall muß eine Ersatzkraft eingestellt werden. Der Betriebszweck wird durch ein solches Ereignis nicht vereitelt. Eine über die gesetzlichen Unterlassungspflichten hinausgehende vertragliche Reglementierung des außerdienstlichen Verhaltens hinsichtlich der Erhaltung der Arbeitskraft erschiene somit unverhältnismäßig. Anders liegt der Fall bei Arbeitnehmern, die ihre Arbeitsleistung nur höchstpersönlich erbringen können. Zu denken ist an Berufssportler, Künstler oder in ihrem Fach hoch spezialisierte Arbeitnehmer sowie Führungskräfte. Zu ihrer Arbeitsleistung sind sie oft nur aufgrund ganz persönlicher Fähigkeiten in der Lage. Ihr Ausfall hat weitaus schwerwiegendere Auswirkungen auf den Betriebserfolg als der eines "normalen" Arbeitnehmers. Denn sie sind wegen ihrer eher seltenen Begabung nicht so leicht ersetzbar wie Arbeitnehmer, die häufig vorkommende Arbeitsleistung erbringen. Die Unmöglichkeit ihrer Leistungserbringung kann somit den Betriebserfolg schwer, wenn nicht ganz beeinträchtigen. Beispielhaft sei die Schwächung und damit erheblich verringerten Siegeschancen einer Sportmannschaft genannt, deren Leistungsträger verletzt ist (oder sind).45 Dies bedeutet konkret, daß eine Unterlassungspflicht rur einen Arbeitnehmer, der als Sportler tätig ist, hinsichtlich der Ausübung verletzungsintensiver anderer Sportarten vertraglich festgelegt werden kann. Diese müssen genau bezeichnet werden, um rur den Arbeitnehmer Klarheit zu schaffen. Gibt es ein milderes Mittel, z. B. die Ausübung der Sportart unter fachkundiger Aufsicht oder eine Limitierung ft1r die Zeit vor einem wichtigen Wettkampf, so ist dies als vertragliche Regelung vorzuziehen. Diese Grundsätze gelten jedoch nicht nur rur die in diesem Zusammenhang häufig zitierten Sportler, sondern auch rur andere schwer ersetzbare Arbeitnehmer wie die oben erwähnten Künstler oder auch Spezialisten. Konsequenz einer vertraglichen Regelung ist, daß eine

44 Kreller, AcP 123 (1925), S. 263, 297f verlangt neben dem allgemeinen Betriebsinteresse an der Leistungsfllhigkeit des Arbeitnehmers ein besonderes Betriebsinteresse, weIches eine Reglementierung des außerdienstlichen Verhaltens erst rechtfertigen könne. 45 So auch Kaske, Berufssport, S. 141.

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Zuwiderhandlung auch dann, wenn keine Verletzung eingetreten ist, einen KUndigungsgrund darstellen kann. 46 Eine Vertragsklausel zur Erhaltung der Leistungsflihigkeit, die den beschriebenen Anforderungen nicht gerecht wird, findet sich in § 2 des vom DFB empfohlenen Mustervertrages filr Lizenzspieler. 47 Darin wird der Spieler verpflichtet, seine ganze Kraft und seine sportliche Leistungsflihigkeit uneingeschränkt filr den Verein einzusetzen, alles zu tun, um sie zu erhalten und zu steigern und alles zu unterlassen, was ihm im allgemeinen und im besonderen vor und bei Veranstaltungen des Vereins abträglich sein könnte. In § 2 t) wird insbesondere verlangt, daß der Spieler durch sein Verhalten privat und in der Öffentlichkeit weder das eigene Ansehen noch das des Vereins, der Verbände und des Fußballsports allgemein beeinträchtigen darf. Äußerungen in der Öffentlichkeit stehen unter einen Zustimmungsvorbehalt des Vereins, Äußerungen gegenüber außenstehenden Personen über innere Vereinsangelegenheiten sind ganz zu unterlassen. Diese Klauseln verstoßen überwiegend gegen das Übermaßverbot, da sie letztlich von dem Spieler verlangen, sein Leben vollständig auf seinen Beruf auszurichten, ohne noch eigene Interessen verfolgen zu können. Auch wird sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit durch den pauschalen Zustimmungsvorbehalt fiir Äußerungen in der Öffentlichkeit in unzulässiger, weil unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. Allenfalls das Verbot hinsichtlich vereinsinterner Vorgänge ist als zulässig anzusehen, wenn man diese als Betriebsgeheimnisse qualifiziert. Da eine geltungserhaltende Reduktion nach der hier vertretenen Auffassung nicht möglich ist, sind die Vertragsklauseln hinsichtlich der Verhaltensregelung und dem Zustimmungsvorbehalt demzufolge als nichtig anzusehen. 48 In den Themenkomplex Erhaltung und Bewahrung der Arbeitsflihigkeit gehören auch Alkoholverbote, wie sie in Verträgen von Piloten, Kraftfahrzeugfilhrern oder Sportlern zu finden sind. Zwar besteht bereits gesetzlich die Pflicht des Arbeitnehmers, zum Arbeitsantritt einsatzflihig und damit nicht 46 So im Ergebnis auch: Hersehel / Löwiseh, KSchG, § 1 Rn. 125; Hueek, KSchG, § 1 Anm. 96b; Kaske, Berufssport, S. 142ff, 147f 47 Zitiert in Buehner, Arbeitsrecht-Blattei D, Sport 11, Der Fußballsport, e 11 4 b aa; in der Fassung von November 1996 ist der Text des § 2 zwar derselbe, jedoch wird statt Absätzen eine Gliederung nach Buchstaben vorgenommen. 48 Ebenfalls mit Bedenken Buehner, Arbeitsrecht-Blattei, D, Sport 11, Fußballsport, eIl 4 b) bb) (2) und (3), der eine "restriktive Interpretation" vorschlägt; auch rur eine einschränkende Auslegung: Heinze, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, Schriftenreihe des Bad.-Württ.-Fußballverbandes 1987, S. 73, 88f; anscheinend ohne Vorbehalte: BAG, EzA § 339 BGB Nr. 1.

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alkoholisiert zu sein. 49 Für Berufe, in denen die volle Konzentrationsfiihigkeit oder körperliche Leistungsfiihigkeit unbedingte Voraussetzung ist, ist eine vertragliche Erweiterung eines Alkoholverbots zulässig. Um aber auch hier das Übermaß verbot zu beachten, sollte als mildestes Mittel im Sinne der Erforderlichkeit das Alkoholverbot auf einen bestimmten Zeitraum z. B. 24 Stunden vor Dienstantritt beschränkt werden. Eine entsprechende Regelung gilt beispielsweise rur Piloten der Luftwaffe. 50 Damit ist den Interessen des Arbeitgebers Genüge getan und dem Arbeitnehmer der Genuß von Alkohol nicht gänzlich verwehrt. 51 In die gleiche Richtung wie Alkoholverbote geht auch das vertragliche Verbot von manchen Werbeagenturen an ihre Models, innerhalb von drei Tagen vor einem Auftritt Chips zu essen, weil diese angeblich Pickel verursachen. Ebenso gibt es Ausgehverbote ab einer bestimmten Uhrzeit im Bereich von Sportvereinen. Diese Verbote erscheinen allesamt als bedenklich. Denn sie greifen in die Privatsphäre des Arbeitnehmers ein, ohne daß die Geeignetheit der Mittel zum Schutz der Arbeitgeberinteressen überhaupt feststeht. Denn ob jemand Pickel nach dem Verzehr von Chips bekommt, hängt von seinem individuellen Hauttyp ab. Ebenso ist mit einem Ausgehverbot nicht gewährleistet, daß der Sportler tatsächlich ausgeschlafen am nächsten Tag zum Dienst kommt. In Anbetracht der zweifelhaften Wirksamkeit der Verbote ist es daher sinnvoller, den Arbeitnehmer auf seine Verpflichtung, "pickellos und fit" zum Dienst zu erscheinen, hinzuweisen und die Art und Weise, wie er dieses Ziel erreicht, ihm zu überlassen. 52 Etwas anderes gilt im Bereich des Sports jedoch, wenn die Spieler z. B. eines Fußball vereins vor einem wichtigen Spiel in ein Trainingslager gehen, wo zwangsläufig der Lebenswandel eher kontrolliert und reglementiert werden kann. Solche Trainingslager gehören jedoch zur bezahlten Arbeitszeit und sind daher nicht wegen unzulässiger Bindung außerdienstlichen Verhaltens zu beanstanden. 53

49 Monjau, DB 1959, S.1345; Kaske, Berufssport, S. 153; RGRK-Corts, § 626 Rn. 89; Willemsen, DB 1988, S. 2304, 2308f; Brill, ZSA 1983, S. 211, 214f; Künzl, BB 1993, S. 1581. 50 Diese wurde vom BVerwG rur zulässig erachtet: BVerwG, NJW 1991, 1317, 13 I 8. 51 So auch Preis, Grundfragen, S. 541f; Glöckner, Nebentätigkeitsverbote, S. 177; a. A. Kaske, Berufssport, S. 153ff, der ein generelles Alkoholverbot als zu weitgehend ansieht, die Möglichkeit der zeitlichen Beschränkungjedoch nicht erörtert. 52 So auch in Bezug auf Ausgangsperren Kaske, Berufssport, S. 158. 53 So auch Kaske, Berufssport, S. 159f

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b) Residenzpjlicht

Ein weitere Regelung außerhalbdes Nebentätigkeitsbereichs, welche sich häufiger in Arbeitsverträgen fmdet, ist die Statuierung einer Residenzpflicht des Arbeitnehmers. 54 Für solche Klauseln muß ein besonderes Interesse des Arbeitgebers vorhanden sein, um im Sinne des Übermaßverbots sowohl die Kriterien der Geeignetheit und Erforderlichkeit als auch die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Denn hier wird das Grundrecht des Arbeitnehmers auf Freizügigkeit gern. Art. 11 GG beschränkt. Ein solches Interesse liegt vor, wenn mit dem Arbeitnehmer ein Bereitschaftsdienst vereinbart ist, da dieser Verpflichtung nur nachgekommen werden kann, wenn die räumliche Entfernung von Wohn- zum Arbeitsort nicht zu groß ist. Ebenso darf von einem Lokalredakteur erwartet werden, daß er am Sitz der Zeitung wohnt, um bei wichtigen örtlichen Ereignissen schnell zur Stelle zu sein. 55 Nach diesen Maßstäben kann dem Urteil des LAG München56 insofern zugestimmt werden, als dort eine Wohnsitzklausel für wirksam erklärt wurde, weil die Vertragsparteien eine Zufallsbereitschaft (wer im Notfall da ist, muß kommen) vereinbart hatten. Nicht zu folgen ist jedoch der lapidaren Feststellung des LAG München, die Klausel sei schon deshalb gültig, weil der Arbeitnehmer in Ausübung seiner Vertragsfreiheit auf sein Grundrecht aus Art. 11 GG verzichtet habe und sich nunmehr auf dieses Grundrecht nicht mehr berufen könne. Die Inhaltskontrolle von Vertragsklauseln durch die Gerichte wird doch gerade deshalb vorgenommen, weil man davon ausgeht, daß ein Verhandlungsungleichgewicht bei Vertragsabschluß vorlag, welches es dem Arbeitnehmer verwehrte, seine Interessen durchzusetzen bzw. zu wahren. c) Schmiergeldannahme

Schließlich lassen sich auch vertragliche Regelungen über den Themenkomplex "Schmiergeldannahme" treffen. Die Schmiergeldannahme stellt grundsätzlich eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Denn der Arbeitnehmer läßt durch das einem Dritten gegen Geld gegebene Versprechen, eine ihm mögliche Handlung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses vorzunehmen, erkennen, daß er bei der Ausfilhrung seiner Tätigkeit in dem konkreten Fall nicht die Interessen seines Arbeitgebers, sondern die des Dritten berücksichtigen wird. Damit verletzt er aber die ihm obliegende Interessenwahrungspflicht

54 Beispielsweise enthielten laut Preis ca. 20% der von ihm untersuchten Arbeitsverträge für leitende Angestellte solche Klauseln: Preis, Grundfragen, S. 542 Fn.120. 55 So Preis, Grundfragen, S. 543. 56 LAG München, LAGE § I KSchG, Nr. 32 -Verhaltensbedingte Kündigung-.

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Kapitel 4: Statuierung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten

und untergräbt das Vertrauen des Arbeitgebers. 57 Dies muß ebenfalls gelten, wenn die versprochene Leistung nicht in den Aufgabenbereich des Arbeitnehmers fiillt, weil er dadurch, daß er seine bloßen Einflußnahmemöglichkeiten im Betrieb zugunsten eines Dritten nutzt oder zu nutzen vorgibt, nicht die Interessen seines Arbeitgebers wahrt und zudem dessen Ansehen bei dem Dritten schädigt. 58 Insofern ist der Entscheidung des BAG 59 zu widersprechen, in welcher die KUndigung eines Arbeitnehmers, der gegen Annahme von 1500,DM einem Dritten die Vermittlung einer Arbeit versprochen hatte, obwohl ihm die PersonaleinsteIlung nicht oblag, wegen fehlender Vertragsverletzung fUr sozialwidrig erklärt wurde. Denn auch hier gab der Arbeitnehmer zumindest vor, seine Einflußmöglichkeiten allein im Interesse des Dritten nutzen zu wollen und erweckte zusätzlich den Eindruck, der Betrieb sei korrupt. Eine vertragliche Regelung, die die Schmiergeldannahme verbietet, hat also lediglich deklaratorischen Charakter und gibt die gesetzliche Verpflichtung gern. § 242 BGB wieder. Um fUr den Arbeitnehmer Rechtssicherheit zu schaffen hinsichtlich der Frage, ob ein Geschenk, welches er in oder fUr die Ausübung seiner Arbeit von Dritten erhält, bereits den Tatbestand der Schmiergeldannahme erfllllt, sind vertragliche Regelungen über diesen Gegenstand hilfreich. So ist es möglich, ähnlich wie in § 10 BAT zu regeln, daß der Arbeitnehmer Geschenke nur mit Erlaubnis seines Arbeitgebers annehmen darf. Eine Alternative besteht darin, eine Werthöchstgrenze von 10,- bis 20,- DM rur "erlaubnisfreie" Geschenke im Arbeitsvertrag Arbeitsvertrag festzusetzen. Durch solche Klauseln werden die Interessen des Arbeitnehmers nicht beeinträchtigt, da er rechtlich überhaupt keinen Anspruch darauf hat, rur seine Arbeitsleistung von Dritten Belohnungen entgegenzunehmen. Sie stellen letztlich eine Abmilderung des strikten Schmiergeldverbotes (mit Ausnahme von Gelegenheitsgeschenken wie Kalender oder Feuerzeug6o) dar.

57 BAG, AP Nr. 65 zu § 626 BGB; LAG Berlin, EzA § 626 BGB, Nr. 62; LAG Harnburg, LAGE Nr. 58 zu § 626 BGB; Staudinger-Richardi, § 611 Rn. 416; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 53 11 7.; RGRK-Corts, § 626 Rn. 145. 58 So auch Löwisch, Anm. zu BAG, EzA § 1 KSchG Nr. 18 - Verhaltensbedingte Kündigung -, = AP Nr. 19 zu § 1 KSchG 1969 - Verhaltensbedingte Kündigung; van Venrooy, Anm. zu BAG, AP Nr.19 zu § 1 KSchG 1969 - Verhaltensbedingte Kündigung -. 59 BAG, AP Nr. 19 zu § 1 KSchG 1969 - Verhaltensbedingte Kündigung -. 60 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 53 11 7.

11. Durch Tarifvertrag

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4. Zusammenfassung Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß durch vertragliche Regelungen außerdienstliche Verhaltenspflichten erweitert werden können, soweit das Übermaß verbot mit seinen Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Hierbei sind präzise umschriebene Fallgestaltungen generalklauselartigen Formulierungen vorzuziehen, da letztere zum einen dem Arbeitnehmer keine Gewißheit über seinen Pflichtenumfang verschaffen und zudem in ihrer G10balität meist gegen das Übermaßverbot verstoßen und daher unwirksam sind.

11. Durch Tarifvertrag Im Folgenden ist zu untersuchen, ob auch durch Tarifvertrag außerdienstliche Verhaltenspflichten statuiert werden können.

1. Zulässigkeit Dazu muß geklärt werden, inwiefern die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien sich auch auf dieses Gebiet erstreckt. Nach Art. 9 Abs. 3 GG obliegt den Koalitionen die Aufgabe, die Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fOrdern. Dementsprechend enthält der Tarifvertrag gern. § I TVG unter anderem Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen können. Die Statuierung außerdienstlicher VerhaItenspflichten, die der störungsfreien Durchführung des Arbeitsverhältnisses dienen, kann als Arbeitsbedingung angesehen werden und würde i. S. d. § I TVG den Inhalt von Arbeitsverhältnissen regeln. Sie erscheint daher vom Wortlaut des Art. 9 Abs.3 GG und des § I TVG gedeckt. In der älteren Rechtsprechung61 und Lehre62 wurde jedoch vertreten, daß die Regelungsbefugnis der Kollektivparteien im Gegensatz zu einzelvertraglichen

BAG, AP Nr. 1 zu § 399 BGB; Nr. 5 zu § 57 BetrVG. Siebert, FS rur Nipperdey 1955, S. 119, 128ff, 139ff; Bötlicher, Die gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien, S. 121; A. Hueck, RdA 1961, S. 141, 143. 6\

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Kapitel 4: Statuierung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten

Vereinbarungen sich nicht auf die Privatsphäre des Arbeitnehmers erstrecken könne. In diesem Zusammenhang wurde beispielsweise das tarifvertragliche Verbot von Lohnabtretungen diskutiert, welches als einzelvertragliche Regelung als zulässig angesehen wurde. Den Tarifvertragsparteien wurde diesbezüglich eine Regelungsbefugnis teilweise abgesprochen, weil dadurch in nur der Verfiigungsmacht des Arbeitnehmers unterliegende Individualrechte eingegriffen werde. 63 Andere 64 modifizierten diese Ansicht insofern, als sie den Tarifparteien in dem Moment eine Regelungsbefugnis auch über in die Privatsphäre des Arbeitnehmers hineinreichende Themen zugestanden, sobald sie üblicherweise Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen würden. Denn dann würden diese Vereinbarungen zu Arbeitsbedingungen und es entstünde die Aufgabe der Tarifparteien, die Arbeitnehmer vor einem Mißbrauch solcher Regelungen zu schützen. Diese Ansichten erscheinen überholt. Es läßt sich nunmehr die Regel aufsteHen, daß aHes, was möglicher Inhalt eines Einzelarbeitsvertrages ist, auch in einem Tarifvertrag geregelt werden kann, soweit sich die Materie koHektiv regeln läßt. 65 Zum einen überträgt der Arbeitnehmer durch den freiwilligen Beitritt zur Gewerkschaft einen Teil seiner originären Zuständigkeit rur das Aushandeln von Arbeitsbedingungen auf die Tarifvertragsparteien. 66 Zum anderen ist der Schutz der Arbeitnehmer vor einer unverhältnismäßigen Einschränkung ihrer Privatsphäre gewährleistet durch die Schranke der allgemeinen Rechtsordnung, der die Tarifvertragsparteien verpflichtet sind. Insbesondere steHt die Grundrechtsbindung des Tarifvertrags und das daraus folgende Verhältnismäßigkeitsprinzip eine Grenze dar. 67 Die vormals vorgetragenen Bedenken gegen Regelungen bezüglich der Privatsphäre des Arbeitnehmers, die mit dem Arbeitsverhältnis nichts mehr zu tun habe, greifen nicht. Denn sie resultierten daraus, daß früher die Möglichkeit, außerdienstliche Verhaltenspflichten einzelvertraglich zu vereinbaren, sehr weitreichend war und

So Siebert, FS rur Nipperdey, 1955, S. 119, 140fT. Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 254f; Säcker, Arbeitsrecht-Blattei, D Tarifvertrag I, 111 4c; Klett, Grenzen der tarifvertraglichen Normsetzungsbefugnis, S. 154ff, 168f. 6S Hersehel, Verhandlungen des 46. Dt. Juristentages, Bd.1I Teil D, S.7, 23; MünehArb-Löwiseh, § 252 Rn. 16ff. 66 Riehardi, Kollektivgewalt und Individualwille, S. 312ff; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 79ff. 67 MünehArb-Löwiseh, § 252 Rn. 19; Löwiseh/ Rieble, TVG § I Rn. 153. 63

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11. Durch Tarifvertrag

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ihr nur die Grenze der Sittenwidrigkeit gezogen wurde. 68 Legitimiert wurde dies mit dem Hinweis auf einen zulässigen Grundrechtsverzicht durch den Arbeitnehmer. Den Tarifvertragsparteien sei ein solcher Verzicht zulasten der Arbeitnehmer jedoch nicht erlaubt. Inzwischen ist aber anerkannt, daß, wie bereits oben dargelegt, auch einzelvertraglich nur außerdienstliche Verhaltenspflichten unter Beachtung des Übermaßverbots vereinbart werden können, das heißt, es müssen daran schutzwerte Interessen des Arbeitgebers im Bezug auf die Durchftlhrung des Arbeitsverhältnisses bestehen. Damit ist die notwendige Beziehung zum Arbeitsverhältnis hergestellt, die auch die Tarifvertragsparteien legitimiert, das Gebiet außerdienstlicher Verhaltenspflichten als zu den Arbeitsbedingung zugehörig regeln zu dürfen. Insofern sind die Regelungsbereiche im Einzelvertrag und im Tarifvertrag bezüglich außerdienstlicher Verhaltenspflichten deckungsgleich, soweit es sich um kollektiv regelbare Materien handelt. 69

2. Mögliche Regelungen In der Praxis kommen tarifvertragliehe Regelungen auf dem Gebiet von Nebentätigkeitsverboten zum Schutz vor zu hoher Arbeitsbelastung, von Verschwiegenheitspflichten und von Wettbewerbs verboten vor. 70 Teilweise werden auch nur die bereits gern. § 242 BGB bestehenden Pflichten wiederholt. So bestimmt beispielsweise der Manteltarifvertrag ftlr Redakteure an Tageszeitungen vom 23.11.198071 , daß bei der Anstellung die Verpflichtung des Redakteurs auf die Innehaltung von Richtlinien rur die grundsätzliche Haltung der Zeitung festzulegen ist.

68 Siehe beispielsweise Siebert, FS fUr Nipperdey, 1955, S. 119, 140; Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 259, fUhrt als Beispiel an, daß ein einzelvertragliches umfassendes Nebentätigkeitsverbot im Gegensatz zu einem tarifvertraglichen zulässig sei, eine Ansicht, die heutzutage nicht mehr vertreten wird. 69 Z. B. wären alle bei Wiedemann / Stumpf, TVG, Ein\. Rn. 211ft' genannten Beispiele von unzulässigen tarifvertraglichen Regelungen in Bezug auf außerdienstliches Verhalten nach heute h.M. auch einzelvertraglich unzulässig. 70 Siehe MünchArb-Löwisch, § 252 Rn. 30, 32, § 253 Rn. 9; Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, Einl Rn. 141; Wiedemann / Stumpf, TVG, Ein\. Rn. 215; Löwisch / Rieble, § 1 Rn. 611f, 659ft'; Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 132; Röhsler / Borrmann, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 40. 71 Zitiert in Rath-Glawatz, AfP 1982, S. 125.

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Kapitel 4: Statuierung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten

ill. Durch Betriebsvereinbarung Fraglich ist, ob auch durch Betriebsvereinbarungen außerdienstliche Verhaltenspflichten statuiert werden können.

1. Zulässigkeit Die Beantwortung dieser Frage bestimmt sich ebenfalls nach der Reichweite der Regelungsbefugnis der Betriebsparteien. a) Bejahende Ansicht (h. M)

Das BAG und die ihr folgende wohl h. M. vertreten die Ansicht, die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien sei der der Arbeitsvertragsparteien und der Tarifvertragsparteien grundsätzlich gleichzusetzen. 72 Einschränkungen ergäben sich nur aus dem in § 77 Abs. 3 BetrVG normierten Tarifvorrang und der in § 75 Abs. 1 BetrVG statuierten Bindung an höherrangiges Recht. Diese umfassende Regelungsbefugnis wird entweder aus § 88 BetrVG abgeleitet, wonach in sozialen Angelegenheiten freiwillige Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden können. 73 Als soziale Angelegenheiten werden dabei unter Hinweis darauf, daß eine Abgrenzung zu personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten nur schwer möglich ist, alle Regelungsinhalte über innerbetriebliche Verhältnisse auf dem Gebiet der Ordnung des Betriebs oder der Arbeitsbedingungen angesehen. 74 Andere leiten die umfassende Regelungsbefugnis in einem Umkehrschluß aus § 77 Abs. 3 BetrVG ab. Aus dieser Vorschrift lasse sich die Folgerung ziehen, daß die Betriebsparteien alle Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne regeln dürfen, sofern diese nicht schon durch Tarifvertrag geregelt bzw. üblicherweise geregelt sind. 75

72 BAG, AP Nr. 23, 46 zu § 77 BetrVG 1972; AP Nr. 1 zu § 88 BetrVG 1972; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 77 Rn. 15; F / A / K / H, BetrVG, § 88 Rn. 2; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 77 Rn. 24, § 88 Rn. Iff; Oelker, NZA 1986, S. 148f; MünchArb-Matthes, § 318 Rn. 5 Off. 73 BAG (GS), AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG; Buchner, NZA 1986, S. 377, 378; Hanau, NZA 1985, S. 73, 75; Galperin / Löwisch, § 88 Rn. 1. 74 BAG (GS), AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972; Galperin / Löwisch, § 88 Rn. I. 75 BAG, AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 206ff, 222; MünchArb-Matthes, § 318 Rn. 51.

III. Durch Betriebsvereinbarung

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Nach dieser h. M. unterflillt demnach eine Regelung außerdienstlicher Verhaltenspflichten durch eine Betriebsvereinbarung grundsätzlich der Kompetenz der Betriebsparteien. b) Verneinende Ansicht

Andere lehnen bereits die Grundthese der h. M., daß alles, was Inhalt eines Arbeitsvertrages oder Tarifvertrages sein könne, auch durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden dürfe, richtigerweise ab. 76 Der Arbeitnehmer wird durch Regelungen der Betriebsparteien fremdbestimmt und somit in seiner durch Art.2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Privatautonomie beeinträchtigt. Es besteht ein wesentlicher Unterschied zu den Selbstbestimmungsordnungen Individualarbeitsvertrag und Tarifvertrag. Beim letzteren hat durch den freiwilligen Beitritt in die Gewerkschaft eine individuelle Unterwerfung des Arbeitnehmers stattgefunden, so daß auch hier die getroffenen Regelungen ihm gegenüber als Selbstbestimmungsordnung gelten müssen. Eine derartige Unterwerfung kann im Betriebsverfassungsrecht nicht in dem Eintritt des Arbeitnehmers in den Betrieb erblickt werden. Zum einen gibt es keinen Anhaltspunkt dafUr, die Vertragserklärung des Arbeitnehmers, in der er sich zur Vertragsleistung gegenüber dem Arbeitgeber gegen Lohn verpflichtet, gleichzeitig als konkludente Unterwerfung unter die betriebliche Rechtsetzung auszulegen. Auch dem tatsächlichen Eintritt in den Betrieb kann keine weitergehende rechts geschäftliche Willenserklärung beigemessen werden. 77 Die Fremdbestimmtheit im Betriebsverfassungsrecht wird nicht durch die Teilnahme an der Betriebsratswahl aufgehoben. Denn der Arbeitnehmer kann die Zusammensetzung des Betriebsrats nur beeinflussen, er wird nach den Grundsätzen des Verhältnis- oder Mehrheitsprinzips (§ 14 Abs.3 BetrVG) dann, wenn er der Minderheit angehört, sogar gegen seinen Willen von einem bestimmten Betriebsrat vertreten. Die Betriebsratswahl kann somit nur die

76 Canaris, AuR 1966, S. 129f, 136; Richardi, ZfA 1992, S. 307, 315, 32Of; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 148ff; Siebert, FS für Nipperdey (1955), S. 119, I 28ff; Heinze, NZA 1997, S. I, 4ff. 77 So die h. M.: Canaris, AuR 1966, S. 129, 139; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 64ff; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille, S. 313f; Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 298; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S.89f; Säcker, ZfA 1972 (Sonderheft), S.41, 50; a. A. insbes. Nebei, Betriebsverband, S. 124ff; Reuter, RdA 1994, S. 152, I 56ff; in die gleiche Richtung geht auch die Argumentation des BAG, AP Nr. I zu § 399 BGB (am Ende).

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Kapitel 4: Statuierung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten

Fremdbestimmungsordnung, die von den Betriebsparteien aufgestellt wird, demokratisch legitimieren, sie stellt jedoch keinen Unterwerfungsakt dar. Der Arbeitnehmer hat auf diese Weise seine originäre Zuständigkeit rur das Aushandeln von Arbeits- und Vertragsbedingungen, anders als bei dem Koalitionsbeitritt, nicht übertragen. 78 Daher besteht zwischen der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien auf der einen Seite und der der Betriebsparteien auf der anderen Seite ein wesentlicher Unterschied, der es verbietet, diese beiden Sachverhalte gleich zu behandeln. 79 Die Stimmen in der Literatur, die ebenfalls dieser Ansicht sind, schränken die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien in unterschiedlicher Weise ein. Nach der einen Meinung gibt es hinsichtlich der formellen Arbeitsbedingungen keine besonderen Beschränkungen, weil diese ohne Betriebsrat durch den direktionsbefugten Arbeitgeber allein geregelt wUrden, eine Kollision mit dem Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers auf diesem seiner Macht entzogenen Gebiet somit nicht zu befilrchten sei. Die Regelung materieller Arbeitsbedingungen hingegen sei wegen der Zweckbestimmung der Betriebsvereinbarung, die betroffenen Arbeitnehmer zu schützen, insofern beschränkt, als sie nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers ausfallen dürften bzw. nicht die konkrete Struktur des Arbeitsverhältnisses z. B. hinsichtlich des Arbeitsumfangs verändern dürften. 8o Andere hingegen sehen die Beschränkung der Regelungsbefugnis der Betriebsparteien in dem Vorbehalt des Gesetzes. 8l Bei wesentlichen Entscheidungen, insbesondere bei Eingriffen in den Grundrechtsbereich, bedUrfe es entweder eines diesen Gegenstand regelnden formellen Gesetzes oder zumindest einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage (sog. Wesentlicbkeits-

78 So auch Waltermann, Die Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S.62ff, 84ff; Richardi, ZfA 1992, S. 307, 315; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 74; Heinze, ZfA 1988, S. 53, 62ff; a. A. Säcker, ZfA 1972 (Sonderheft), S. 41, 50. 79 So auch Canaris, AuR 1966, S. 129. 80 Dietz / Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 49ff, 54; Richardi, ZfA 1990, S. 211, 230ff; Canaris, AuR 1966, S. 129, 130; so auch Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 197, 246ff und Säcker, AR-Blattei, 0, Betriebsvereinbarung III, B 5, die dies aber als eine Innenschranke der grundsätzlich bestehenden Regelungsbefugnis ansehen; in einer frühen Entscheidung vertrat das BAG ebenfalls diese Ansicht: BAG, AP Nr. 26 zu § 611 BGB - Fürsorgepflicht -. 81 Insbesondere Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 148ff, I 54f; Heinze, NZA 1997, S. 1,5; in die gleiche Richtung gehen: Belling, Anm. zu BAG, EzA Nr. I zu § 620 BGB - Altersgrenzen -; Papier, RdA 1989, S. 137, 142.

III. Durch Betriebsvereinbarung

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theorie).82 Somit müsse hinsichtlich jedes Regelungsgegenstandes geprüft werden, ob er einen Eingriff in Grundrechte der Arbeitnehmer darstelle und wenn ja, ob das BetrVG zu dieser Regelung speziell ermächtige. Die §§ 77 Abs. 3 und 4 und 88 BetrVG, die oft als Ermächtigungsgrundlage ft1r eine umfassende Regelungsbefugnis der Betriebsparteien herangezogen würden, könnten in ihrer Allgemeinheit jedenfalls nicht den Anforderungen, die die Wesentlichkeitstheorie an den Vorbehalt des Gesetzes stellt, gerecht werden. 83 Unabhängig von der unterschiedlichen Schrankensetzung folgt aus beiden Ansichten, die die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien nicht umfassend sehen, daß die Statuierung außerdienstlicher Verhaltenspflichten durch eine Betriebsvereinbarung nicht möglich ist. Denn zum einen stellt sie eine ausschließlich belastende, materielle Arbeitsbedingungen betreffende Regelung dar, die dem Schutzzweck der Betriebsvereinbarung widerspricht. Zum anderen enthält das BetrVG keine Norm, die als ausreichende Ermächtigungsgrundlage tUr diesen Grundrechtseingriff, denn ein solcher ist bei außerdienstlichen Verhaltenspflichten stets zu bejahen, herangezogen werden könnte. c) Auseinandersetzung mit der h. M am Beispiel des Lohnabtretungsverbots

Zwar stellt auch die h.M. Schranken ft1r den Inhalt von Betriebsvereinbarungen auf, soweit es um Eingriffe in die Individualsphäre der Arbeitnehmer geht. Die verwendeten Abgrenzungkriterien sind jedoch so dehnbar, daß sich fast jedes Ergebnis damit rechtfertigen läßt. Dies sei am Beispiel der Zulässigkeit eines Lohnabtretungsverbots durch Betriebsvereinbarung verdeutlicht: Das BAG erkannte in seiner dazu grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 1957 an, daß eine solche Betriebsvereinbarung nur zulässig sein kann, wenn sie ihre Rechtfertigung noch in dem Sinn und Zweck des Arbeitsverhältnisses, in den arbeitsrechtlichen Gesamtzusammenhängen und in der Natur der Sache findet. Zudem müsse die Maßnahme der Ordnung innerhalb des Betriebes dienen, wobei sie aber keine unnötigen und unangebrachten Eingriffe in die Individualsphäre des einzelnen Arbeitnehmers herbeifilhren dürfe. 84

82 BVerfGE 33, S. 303, 345ff; 49, S. 89, 126ff; 83, S. 130, 151f; 88, S. 103, 116f; Ossenbühl, Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd.3, § 62 Rn. 7fT. 83 Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 148f. 84 So fast wörtlich BAG, AP Nr. 1 zu § 399 BGB; ebenso BAG, AP Nr. 4 und 8 zu § 399 BGB; zustimmend: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 77 Rn. 35,51; F / A / K I H, BetrVG, § 77 Rn. 36a; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 77 Rn. 20; MünchArbMatthes, § 318 Rn. 52. 9 Wisskirchen

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Kapitel4: Statuierung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten

Sinn und Zweck des Arbeitsverhältnisses sieht das BAG im folgenden unter anderem darin, den Arbeitnehmer vor sich selbst und einer etwaigen Verschuldung zu schützen, die zu Depressionen und, hier kommt der Bezug zum Arbeitsverhältnis, zu einer deshalb verminderten Arbeitslust und -fähigkeit filhren könnte. Zudem steige dadurch die Gefahr von Arbeitsunfilllen auch filr die Kollegen des Arbeitnehmers, ein Umstand, der die Ordnung innerhalb des Betriebs betreffe. Mit einem ähnlichen Abgrenzungskriterium, nämlich den Zusammenhang des beeinträchtigten Rechts mit dem Arbeitsverhältnis, kommt Siebert, dem das BAG in seiner Theorie von den gewordenen (daher beschränkbaren) und ursprünglichen (daher von den Betriebsparteien nicht beschränkbaren) Individualrechten im Kern folgt, jedoch zu einem entgegengesetzten Ergebnis. Denn filr ihn steht die Frage der Abtretbarkeit in einem nur sehr losen Zusammenhang mit dem Arbeitsprozeß, so daß er einen Eingriff durch die Betriebsparteien filr nicht gerechtfertigt hält. 85 Die Art und Weise, wie das BAG den Sachverhalt mit weit hergeholten Argumenten86 unter seine eigenen Vorgaben subsumiert (z. B. die Herstellung des Zusammenhangs zur Ordnung innerhalb des Betriebs), disqualifiziert diese Abgrenzungkriterien von selbst. "Mit solchen Erwägungen kann man jede Bevormundung rechtfertigen! ,,87 Ausgehend von dem zutreffenden Standpunkt, daß der Arbeitnehmer weder durch seinen Betriebseintritt noch durch die Teilnahme an einer Betriebsratswahl seine originäre Zuständigkeit zum Aushandeln von Vertragsbedingungen abgegeben hat, ist die Statuierung eines Lohnabtretungsverbots in einer Betriebsvereinbarung unzulässig. 88 Grundsätzlich bestimmt das Gesetz, daß jede Forderung abtretbar ist. Durch § 399 BGB wird dem Gläubiger das Recht eingeräumt, durch Vereinbarung mit dem Schuldner die Abtretbarkeit auszuschließen. Diese gesetzlich dem Einzelnen zugeschriebene Befugnis, die Abtretbarkeit einer Forderung auszuschließen, kann somit nicht durch die Betriebsparteien im Wege einer Fremdbestimmungsordnung über den Kopf des Forderungsinhabers hinweg

Siebert, FS filr Nipperdey (1955), S. 119, 142. So auch Larenz, Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu § 399 BGB. 87 Zitat Larenz, Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu § 399 BGB. 88 So im Ergebnis: Canaris, AuR 1966, S. 129, 133; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 249; Siebert, FS für Nipperdey (1955), S. 119, 142; Larenz, Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu § 399 BGB; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. I 69ff. 8S

86

III. Durch Betriebsvereinbarung

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beseitigt werden, zumal dies nicht ausdrücklich durch Gesetz ftlr die Betriebsparteien zugelassen wurde. 89 Auch das Argument, das Lohnabtretungsverbot schütze den Arbeitnehmer vor sich selbst (insofern würde es sich sogar um eine letztlich den Arbeitnehmer begünstigende Regelung handeln), überzeugt nicht. Die Frage, wieweit der Arbeitnehmer eines Schutzes vor sich selbst bedarf, ist gesetzlich im Rahmen des § 400 BGB unter Verweis auf die in der ZPO festgelegten Pfändbarkeitsgrenzen geregelt worden. Würde man den Betriebsparteien ein Recht zu weitergehenden Regelungen auf diesem Gebiet einräumen, ftlhrte dies zur Entmündigung des Arbeitnehmers ohne gesetzliche Grundlage. 90 Zudem bemerkt Canaris richtigerweise, daß die Betriebsparteien nur zum Schutz des Arbeitnehmers vor dem Arbeitgeber berufen sind. 91 Schließlich kann auch nicht § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, in dem die Mitbestimmung des Betriebsrats rur Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb normiert ist, eine gesetzliche Ermächtigung rur ein Lohnabtretungsverbot in einer Betriebsvereinbarung darstellen. Zum einen sind mit § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG Fragen gemeint, die ansonsten dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterfallen würden. 92 Dies ist bei der Lohnabtretung sicherlich nicht der Fall. Zum anderen kann nicht jeder mit einiger Phantasie herzustellende, auch nur eventuell eintretende Zusammenhang zur Ordnung des Betriebs wie die Gefahr von Arbeitsunfällen wegen Depressionen verschuldeter Arbeitnehmer unter diese recht allgemein gehaltene Vorschrift subsumiert werden, wenn dadurch ein Eingriff in die gern. Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Verftigungsbefugnis des Arbeitnehmers über seinen Lohnanspruch 93 legitimiert werden sol1.94

89 So Larenz, Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu § 399 BGB; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 173. 90 Larenz, Anm. zu BAG, AP Nr.4 zu § 399 BGB; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 173. 91 Canaris, AuR 1966, S. 129, 133. 92 Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rn. 58; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 174. 93 Siehe Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 171 ff. 94 Inkonsequent ist die Ansicht von Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille, S.321, der die Betriebsvereinbarung als Fremdbestimmungsordnung deklariert, aufgrund der Privatautonomie des Arbeitnehmers daher belastende kollektive Regelungen, die materielle Arbeitsbedingungen zum Gegenstand haben, als unzulässig ansieht, und dann ein Lohnabtretungsverbot, welches er zu diesen materiellen Arbeitsbedingungen zählt, wegen seiner angeblichen Nähe zu Fragen der Ordnung des Betriebs ausnahmsweise tUr zulässig erklärt.

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Kapitel 4: Statuierung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten

Es wäre sogar denkbar, unabhängig von der Frage ihrer Zulässigkeit einer Betriebsvereinbarung im Rahmen des Günstigkeitsprinzips ihre normative Wirkung abzusprechen. Denn man könnte einen Arbeitsvertrag, in dem ein bestimmter Lohn versprochen wird, aufgrund der gesetzlichen Lage, nach der Forderungen grundsätzlich abtretbar sind, dahingehend auslegen, daß der Arbeitgeber sich zur Leistung eines abtretbaren Lohns verpflichtet hat. Dann würde eine Betriebsvereinbarung über ein Lohnabtretungsverbot vorher geschlossene Verträge oder solche, in denen ihre Geltung nicht vereinbart ist, aufgrund des Gilnstigkeitsprinzips nicht erfassen. Will der Arbeitgeber zur Entlastung seines Lohnbüros (denn das ist in der Regel der wahre Grund rur Lohnabtretungsverbote) ein solches vereinbaren, so muß er dies einzel- oder tarifvertraglieh tun. Neben dem Lohnabtretungsverbot werden folgende Themen in der Literatur und teilweise auch in der Rechtsprechung diskutiert und als zulässiger Regelungsgegenstand einer Betriebsvereinbarung abgelehnt: Es dürfen keine Vorschriften über die Verwendung des verdienten Arbeitsentgelts oder die Gestaltung der arbeitsfreien Zeit gemacht werden, z. B. darf weder Verpflichtung zur Teilnahme an einer Betriebsfeier unter Androhung des Verlustes eines Urlaubstages statuiert werden95 noch die Verpflichtung zum Beitritt zu bestimmten Verbänden oder Lohnabzüge filr Organisationen ausgesprochen werden96 • Dementsprechend kann durch Betriebsvereinbarung nicht bestimmt werden, daß die Gewerkschaftsbeiträge der Arbeitnehmer automatisch vom Lohnbüro des Arbeitgebers einbehalten und abgefUhrt werden. 97 Die Gegenansicht betreibt eine Entmündigungspolitik gegenüber dem Arbeitnehmer, wenn sie anfUhrt, es falle dem Arbeitnehmer leichter, seine Gewerkschaftsbeiträge zu entrichten, wenn das von ihm gleichsam unbemerkt durch das Lohnbüro des Arbeitgebers geschieht, er aber den Lohn, den er nach Abzug überwiesen bekommen habe, behalten könne. 98 Nach der hier vertretenen Ansicht sind Nebentätigkeits- und Wettbewerbsverbote in Betriebsvereinbarungen grundsätzlich ebenso unzulässig wie Verpflichtungen des Arbeitnehmers, einen bestimmten Teil des Lohns zu spa-

BAG, AP Nr. 5 zu § 7 BUrIG. BAG, AP Nr. I zu § 399 BGB. 97 Hess / Schlochauer / Glaubitz, § 77 Rn. 19; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 77 Rn. 49; MünchArb-Matthes, § 318 Rn. 55. 98 So Farthmann, AuR 1963, S. 353, 354; im Ergebnis zustimmend: F / A / K / H, BetrVG, § 77 Rn. 35. 95

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III. Durch Betriebsvereinbarung

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ren, ein Konto bei seinem Arbeitgeber zu unterhalten oder sich mit eigenem Kapital am Unternehmen zu beteiligen. 99 Diese angesprochenen Verhaltensweisen können teilweise durch keines der arbeitsrechtlichen Gestaltungsmittel geregelt werden, teilweise, wie bei der Nebenbeschäftigung, ist aber eine einzel- oder tarifvertragliche Regelung durchaus möglich. d) Ausnahme von der grundsätzlichen Unzulässigkeit

In dem Fall einer einzelvertraglichen Regelung greift eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß außerdienstliches Verhalten nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein kann, ein: Falls es in einem Betrieb durchgehend einzelvertragliche Vereinbarungen z. B. über ein weitergehendes Nebentätigkeitsverbot gibt, kann durch eine Betriebsvereinbarung eine günstigere Regelung für die Arbeitnehmer erzielt werden. Insofern kann die Idee von Biedenkopf (der fUr den Tarifvertrag allerdings nicht zu folgen ist) fruchtbar gemacht werden, der eine Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien hinsichtlich außerdienstlichen Verhaltens dann bejaht, sobald es Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen ist. 100 Eine Kollision mit den oben aufgestellen Grundsätzen zur Wahrung der Privatautonomie des Arbeitnehmers ist nicht zu be fUrchten. Denn es liegt kein Eingriff in eine Grundrechtsposition vor, wenn die Betriebsvereinbarung die Lage des Arbeitnehmers verbessert und nicht verschlechtert. Insofern bedarf es auch nach der These von Waitermann 101 keiner gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Ihrem Schutzzweck wird die Betriebsvereinbarung gerecht, weil sie eine begünstigende und keine belastende Regelung darstellt. Allerdings wäre eine ablösende, verschlechternde Betriebsvereinbarung, die nach der Rechtsprechung des BAG in den Grenzen von Recht und Billigkeit zulässig ist lO2, auf diesem Gebiet grundsätzlich unzulässig. Lediglich eine bloße Kündigung der Betriebsvereinbarung und damit das Aufleben der einzelvertraglichen Abmachung wäre erlaubt.

99 Zum Nebentätigkeitsverbot: Dietz-Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 80; F / A / K / H, BetrVG, § 77 Rn. 35; a.A. BAG, AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 -Krankheit-; a.A. hinsichtlich Wettbewerbsverbot: Grunsky, Wettbewerbsverbote, S. 134; zur Kapitalbeteiligung: Röder, NZA 1987, S. 799, 805; MünchArb-Matthes, § 318 Rn. 55. 100 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 254f. 101 Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebvereinbarung, S. 148ff. 102 BAG GS, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG; AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972.

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Kapitel4: Statuierung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten

2. Zusammenfassung Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß durch Betriebsvereinbarungen aufgrund ihres Fremdbestimmungscharakters keine außerdienstlichen Verhaltenspflichten begründet werden können, da ansonsten in die Privatautonomie des Arbeitnehmers eingegriffen würde. Lediglich die Modifizierung zum Günstigen von bereits einzelvertraglich bestehenden Verhaltenspflichten ist zulässig.

IV. Durch Direktionsrecht 1. Existenz des Direktionsrechts Bevor geklärt werden kann, ob durch Direktionsrecht außerdienstliche Verhaltenspflichten statuiert werden können, müssen zunächst die Grundlagen angesprochen werden, aus denen sich die Existenz eines Direktionsrechts als dem schwächsten Gestaltungsrecht im Arbeitsverhältnis rechtfertigen läßt. Denn teilweise wird das Bestehen eines Direktionsrechts des Arbeitgebers generell angezweifelt. 103 a) Faktische Grundlagen

Insbesondere in der älteren Arbeitsrechtslehre wird das Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer Weisungen zu erteilen, aus seiner Eigentümerposition und seiner wirtschaftlichen Risikotragung hergeleitet oder zumindest von dieser faktischen Notwendigkeit auf eine rechtliche Grundlage geschlossen. Denn als Eigentümer dürfe er bestimmen, wie der Arbeitnehmer sich im Umgang mit seinen Betriebsmitteln zu verhalten hat. Da er die Haftung dafUr trage, daß die Arbeit nicht zu dem gewUnschten Erfolg fUhrt, müsse er die Möglichkeit haben, durch entsprechende Arbeitsanweisungen dieses Risiko zu minimieren. 104 Schließlich bringe auch die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb die faktische Notwendigkeit eines Direktionsrechts mit sich. lOS Denn die Einzelleistung des jeweiligen Arbeitnehmers müsse mit denen der anderen abgestimmt und angepaßt werden, um dem Betriebsziel dienen und damit den

Gast, BB 1986, S. 1513ff; Haug, Direktion, S. 177ff. Molitor, Das Wesen des Arbeitsvertrages, 1925, S.40; Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 25, 146ff; Stamm, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers, S. 8ff. \05 Molitor, RdA 1959, S. 2, 4f; Böker, Das Weisungsrecht, S. 49ff; Stamm, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers, S. 4ff; Daum, Verhaltenspflichten, S. 26. \03

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IV. Durch Direktionsrecht

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angestrebten Erfolg bringen zu können. Dies könne nur durch Weisung des leitenden Arbeitgebers oder einer seiner Vertreter erfolgen. b) Rechtliche Grundlagen

Da rein faktische, mitunter auch nur vermeintliche Notwendigkeiten keinen Ersatz rur eine rechtliche Fundierung eines angenommenen Rechts bieten können, muß nach einer Rechtsgrundlage filr das Direktionsrecht des Arbeitgebers gesucht werden. Zunächst wird § 121 GewO in analoger Anwendung vorgeschlagen lO6 , wonach Gesellen und Gehilfen verpflichtet sind, den Anordnungen der Arbeitgeber in Beziehung auf die ihnen übertragenen Arbeiten und auf die häusliche Einrichtung Folge zu leisten; zu häuslichen Arbeiten sind sie nicht verbunden. Die Frage, ob diese Vorschrift auch filr nichtgewerbliche Arbeitsverhältnisse analogieftihig ist, stellt sich jedoch gar nicht erst. Denn § 121 GewO bildet keine Rechtsgrundlage rur ein Direktionsrecht, sondern setzt es voraus. Die Gewerbeordnung in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer-Schutzgesetz will mit § 121 das als bestehend angesehene Direktionsrecht des Arbeitgebers auf die übertragenen d. h. vertraglich vereinbarten Arbeiten und auf die häuslichen d. h. betrieblichen Einrichtungen begrenzen. Dies bestätigt der zweite Halbsatz, der häusliche Arbeiten ausdrücklich ausschließt. 107 Aus dem gleichen Grund ist ein Rückgriff auf § 315 BGB als Rechtsgrundlage oder als das Direktionsrecht ausgestaltende Vorschrift abzulehnen. 108 Denn auch diese Vorschrift setzt die Möglichkeit zur einseitigen Bestimmung der Leistung bereits voraus und regelt lediglich die Rechtsfolge, daß die Bestimmung der Billigkeit entsprechen müsse. I09 Dieser Kontrollmechanismus, der in § 315 Abs. 3 BGB vorgesehen ist, ist aber filr ein Dauerschuldverhältnis wie das Arbeitsverhältnis nicht geeignet, in dem täglich zahlreiche Weisungen erteilt werden. 110 Söllner löst dieses Problem, indem er auf die Zweifelsregelung Frey, Rechtsarchiv der Wirtschaft, S. 307 (zit. bei Böker). So auch Böker, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers, S. 41; im Ergebnis Rüthers / Buhl, ZfA 1986, S. 19, 24. 108 So aber: BAG, OB 1980, S. 1603; OB 1986, S. 132; Hanau / Adomeit, Arbeitsrecht, S. 33; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 45f, allerdings unter gleichzeitigem Hinweis darauf, daß das Direktionsrecht zum wesentlichen Inhalt des Arbeitsverhältnisses gehört, letztlich also doch der Arbeitsvertrag Rechtsgrundlage ist. 109 So auch Böker, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers, S. 41 f. 110 So auch Reuter, BB 1986, S. 385, 387; Gast, BB 1986, S. 1513, 1515; ablehnend auch Falkenberg, OB 1981, S. 1087, 1089; Berger-Delhey, OB 1990, S.2266, 2267, der Weisungen nur der Billigkeitskontrolle gern. § 242 BGB unterwerfen möchte. 106 107

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Kapitel 4: Statuierung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten

des § 315 BGB hinweist. Nur im Zweifel solle die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, bei Weisungen mit geringerer Bedeutung könne der Arbeitgeber nach Belieben handeln. 111 Richtigerweise wird man mit der h. L. davon ausgehen müssen, daß das Direktionsrecht seine rechtliche Grundlage im Arbeitsvertrag selbst hat, da es ein Wesenselement des Arbeitsverhältnisses ist. 112 Der hiergegen gerichteten Kritik von Gast und Haug kann nicht gefolgt werden. Gast argumentiert, die einseitige Risikotragung durch den Arbeitgeber, die von manchen als Rechtfertigung rur das arbeitgeberseitige Direktionsrecht genommen wird, existiere nicht. Denn auch der Arbeitnehmer sei mit Risiken belastet, so z. B. der Bestand seines Arbeitsplatzes oder von Sozialeinrichtungen des Betriebes. Daher könne gerade der Risikogedanke nur ein zweiseitiges Leistungsbestimmungsrecht und damit eine umfassende Mitbestimmung im Betrieb legitimieren. 1I3 Ebenso meint Haug aus der Verfassung, insbesondere aus Art. 9 Abs.3 GG, aus den Schrankenbestimmungen des Art. 14 GG und dem Sozialstaatsprinzip, eine zweiseitige Leistungsbestimmung, nicht aber ein nur dem Arbeitgeber zustehendes Direktionsrecht herleiten zu können. 114 In ihrer Kritik gegen die h. L. gehen die bei den Autoren jedoch von einer falschen Voraussetzung aus. Denn ihr Hauptargument ist, daß es weder eine einseitige Risikotragung gibt 115 noch die hierarchische Arbeitsorganisation die einzig mögliche ist l16 . Dann bestehe aber die von manchen behauptete faktische Notwendigkeit rur ein nur dem Arbeitgeber zustehendes Direktionsrecht nicht. 117 Auf diesen vermeintlichen Sachzusammenhang stützt sich jedoch die h. M., die das Direktionsrecht im Arbeitsvertrag begründet sieht, nicht. So ist es unbestritten, daß es auch kooperative Arbeitsorganisationsmodelle gibt. Allerdings sind die Rechtsverhältnisse der dort Arbeitenden eher dem Gesellschaftsrecht als dem Arbeitsrecht zuzuordnen. Denn das Arbeitsrecht, welches man in seinen wesentlichen Teilen als Arbeitnehmerschutzrecht bezeichnen kann, hat die

Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 43. Nikisch, Arbeitsrecht Bd.l, S.158; Maurer, AuR 1956, S.137; MünchArbRichardi, Bd. I, S. 132f; Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht, S. 102f; Reuter, BB 1986, S. 385, 387; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 6 I 8, S. 68f; Hromadka, DB 1995, S. 2601; Gaul, Arbeitsrecht, Bd. I, S. 197; Richter, DB 1989, S. 2378,2379. 113 Gast, BB 1986, S. 1513, 1516f. 114 Haug, Direktion, S. 156ff. 115 Gast, BB 1986, S. 1513, 1516. 116 Haug, Direktion, S. 68ff. lJ7 Gast, BB 1986, S. 1513, 1516f; Haug, Direktion, S. 10lf. 111

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IV. Durch Direktionsrecht

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Intention, den Arbeitnehmer in seiner aufgrund der Weisungsunterworfenheit schwächeren Stellung gegenüber dem Arbeitgeber zu schützen. Wünscht man eine kooperative Arbeitsorganisation bzw. wie Gast eine umfassende Mitbestimmung, so verläßt man den Bereich des Arbeitsrechts. Entscheidet man sich hingegen fiir den Vertragstypus Arbeitsvertrag, so hat man damit die Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers in einer hierarchischen Arbeitsorganisation, gleichzeitig aber auch den besonderen Arbeitnehmerschutz des Arbeitsrechts gewählt. Ein Modell im Sinne Haugs oder Gasts unter Beibehaltung aller arbeitsrechtlichen Vorschriften erscheint wegen der dann vergleichbaren Lage von Gesellschaftern, die keinen besonderen Schutz genießen, nicht vertretbar. IlB Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß die Weisungsunterworfenheit zu den Essentialia des Arbeitsvertrags gehört. Dieses Charakteristikum ist auch gemeinhin unter Arbeitnehmern und Arbeitgebern bekannt, so daß es von ihren Willenserklärungen zum Vertragsabschluß umfaßt ist und damit automatisch bei seinem Abschluß Vertragsinhalt wird, ohne daß es einer ausdrücklichen schriftlichen Erwähnung bedürfte. Die Behauptung von Birk ll9 , der Arbeitnehmer denke normalerweise nicht an seine Weisungsgebundenheit, wenn er einen Arbeitsvertrag schließt, überzeugt nicht. Es erscheint realitätsfremd, im Regelfall von einem Arbeitnehmer auszugehen, der bei Abschluß seines Arbeitsvertrags glaubt, er dürfe in Zukunft selbst bestimmen, welche Arbeit er wie und wann zu verrichten hat. Ist der Arbeitsvertrag aber Grundlage des Direktionsrechts, erübrigt sich der von Birk und Böker l20 favorisierte Rückgriff auf das Gewohnheitsrecht oder Richterrecht.

2. Rechtliche Wirkung und Grenzen des Direktionsrechts Mit Hilfe des Direktionsrechts kann der Arbeitgeber zum einen die konkrete Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und zum anderen Fragen der betrieblichen Organisation bestimmen. Dabei ist er an die Grenzen, die ihm durch Gesetze, Arbeitsvertrag, Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung gesetzt werden, gebunden. 121 Seiner Rechtsnatur nach handelt es sich der h. M. zufolge um ein

So auch Reuter, BB 1986, S. 385, 387. Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 59. 120 Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, S. 76f; Böker, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers, S. 47ff. 121 BAG, AP Nr. 2, 17, 19, 20, 26, 27 zu § 611 BGB -Direktionsrecht-; Rüthers / Buhl, ZfA 1986, S. 19, 25ff; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht, § 6 I 8; MünchArb-Blomeyer, 118

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Kapitel 4: Statuierung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten

Gestaltungsrecht, durch welches erst eine konkrete Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeit geschaffen wird. 122 Teile der Literatur wollen jedoch Anordnungen, die die Art der von dem Arbeitnehmer zu erbringende Arbeit konkretisieren, keine rechtsgeschäftliehe Qualität zusprechen, sondern rein faktische. Nur Anweisungen, die sich auf Arbeitsbedingungen wie die Arbeitszeit oder den Arbeitsort beziehen, haben danach rechtsgestaltende Wirkung. 123

3. Direktionsrecht bezüglich außerdienstlicher Verhaltensptlichten Nachdem die Grundzüge zur rechtlichen Einordnung des Direktionsrechts aufgezeigt worden sind, wird nun der Frage nachgegangen, inwiefern durch dieses Recht der Arbeitgeber neue außerdienstliche Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers statuieren, sie bloß konkretisieren kann oder ihm lediglich ein Hinweis auf bestehende Verpflichtungen möglich ist. Die Frage nach der Statuierung neuer Pflichten läßt sich relativ einfach beantworten: Da das Direktionsrecht nach ganz h. M. dem Gesetz sowie den individual- und kollektivvertraglichen Regelungen nachgeordnet ist, kann es keine Pflichten begründen, die nicht bereits ihre Rechtsgrundlage in den vorrangigen Gestaltungsmitteln haben. 124 Durch das Direktionsrecht können hinsichtlich des außerdienstlichen Verhaltens also nur durch Gesetz oder Vertrag vorgegebene Spielräume ausgeschöpft werden. Problematisch ist aber, inwiefern durch das Direktionsrecht außerdienstliche Verhaltenspflichten konkretisiert werden können. Diese Formulierung der Konkretisierung wird von den Vertretern der Ansicht, das Direktionsrecht sei ein Gestaltungsrecht, verwendet. Dann bedeutet aber Konkretisierung, daß erst mit Ausspruch der Weisung rur den Arbeitnehmer die konkrete Verhaltenspflicht entsteht. 125 Bezogen auf außerdienstliches Verhalten heißt das, daß

§ 46 Rn. 30f; Berger-Delhey, OB 1990, S. 2266; Heinze, Oirektionsrecht des Arbeitgebers, Schriftenreihe des Bad.-Württ.-Fußballverbandes 1987, S. 73, S. 83. 122 Molitor, RdA 1959, S. 2, 6f; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 26ff; MünchArb-Blomeyer, § 46 Rn. 26; Birk, AR-Blattei OirektionsrechtI, B II 230 III la; Staudinger-Richardi, § 611 Rn. 243; Hromadka, OB 1995, S. 1609, 1610. 123 So Bötticher, AuR 1967, S. 321,326; Böker, Oas Weisungsrecht des Arbeitgebers, S. 14ff; MüncMrb-Richardi, § 12 Rn. 53. 124 Hueck-Nipperdey, Bd.1 § 25 IV Fn.43; Stamm, Oas Weisungsrecht des Arbeitgebers, S. 28; Daum, Verhaltenspflichten, S. 29f. a. A. Molitor, RdA 1959, S. 2, 6; MayerMaly, AuR 1968, S. I, 11. 125 So Hromadka, OB 1995, S. 260 I, 2605; MüncMrb-Blomeyer, § 46 Rn. 26 m.w.N.

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die in Kapitel 2 umschriebenen Verhaltensanforderungen gern. § 242 BGB lediglich latent vorhanden sind und erst, wenn sie durch Direktionsrecht konkretisiert werden, zur Pflicht tUr den Arbeitnehmer werden. 126 Diese Konzeption ist nicht überzeugend. Denn die Pflichten aus § 242 BGB entstehen mit Abschluß des Vertrages. Sie müssen nicht fiIr jeden Fall einzeln von dem Vertragspartner eingefordert werden. Deshalb begeht ein Arbeitnehmer, der sich beispielsweise in seiner Freizeit kreditschädigend über seinen Arbeitgeber äußert, von vorneherein einen Verstoß gegen die ihm aus § 242 BGB obliegende Rücksichtnahmepflicht, ohne daß er von dem Arbeitgeber nochmals darauf aufinerksam gemacht werden müßte; tut der Arbeitgeber dies dennoch, so ist das als bloßer Hinweis ohne eine rechtliche Wirkung zu verstehen. Ginge man von latenten Nebenpflichten aus, so müßte der Arbeitgeber entweder durch vorbeugende Weisungen alle ihm denkbaren Unterlassenspflichten begründen, die im Rahmen des § 242 BGB möglich sind, um ihre Einhaltung sicherzustellen. Eine vorherige Weisungserteilung wird aber meistens daran scheitern, daß der Arbeitgeber nicht an alle möglichen Fälle (er weiß ja nicht, was der Arbeitnehmer vorhat) denken kann. Er könnte sie nur generalklauselartig umschreiben und würde damit die von Stamm l27 angestrebte Konkretisierung der Verhaltenspflicht aus dem weiten Feld der latenten Verhaltenspflichten gerade nicht leisten. Die Alternative wäre, stets einen Verstoß abzuwarten, bevor das konkrete Verhalten durch Direktionsrecht verboten werden kann. Auch dies erscheint weder sinnvoll noch zumutbar. Insofern ist davon abzuraten, bei außerdienstlichem Verhalten den Terminus "Direktionsrecht" zu benutzen, wenn man der h. M. hinsichtlich der Rechtsnatur des Direktionsrechts als Gestaltungsrecht folgen will. I28 Der Ansicht zufolge, nach der das Direktionsrecht hinsichtlich der Arbeitspflicht nur faktische Wirkung hat, kommt auch dem Direktionsrecht bezüglich außerdienstlicher Nebenpflichten nur faktische Wirkung zu. Nach dieser Ansicht kann also der So Stamm, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers, S. 29. Stamm, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers, S. 28f. 128 Für jedes dienstliche Verhalten ist die Annahme des Gestaltungscharakters des Direktionsrechts durchaus nachvollziehbar; denn die konkrete Arbeitsptlicht des Arbeitnehmers wird tatsächlich erst durch eine entsprechende Weisung des Arbeitgebers begründet (Beispiel: wird jemand als Schlosser eingestellt, muß ihm am ersten Morgen und auch später immer wieder gesagt werden, was er tun soll; wenn nicht, kann ihm niemand bei Untätigbleiben einen Arbeitsptlichtverstoß vorwerfen); ähnlich wie hier: Richter, DB 1989, S.2378, 2379, fiir den außerdienstliche Verhaltensptlichten nicht durch eine Konkretisierung kraft Direktionsrecht, sondern nur aufgrund gesetzlicher Nebenptlichten bestehen können. 126

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Kapitel 4: Statuierung von außerdienstlichen Verhaltenspflichten

Tenninus "Direktionsrecht" auch bezüglich außerdienstlichen Verhaltens verwandt werden, weil er einen bloßen Hinweischarakter beinhaltet. Für ein Direktionsrecht im Sinne eines Gestaltungsrechts bleibt nur noch Raum, wenn im Arbeitsvertrag ein unter Wahrung der Grenzen des § 242 BGB generalklauselartig beschriebenes Verhalten ausdrücklich der Konkretisierung durch Direktionsrecht vorbehalten wird. In diesem Fall entsteht die Verhaltenspflicht für den Arbeitnehmer erst in dem Augenblick, in dem sein Arbeitgeber diese durch Ausübung seines Direktionsrechts einfordert, da der Arbeitgeber durch die vertragliche Regelung zunächst auf die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten gern. § 242 BGB auf einem bestimmten Gebiet verzichtet hat. Beispielhaft genannt sei eine Vertragsklausel, in der der Arbeitgeber auf ihm zustehendes generelles Wettbewerbsverbot in seinem Geschäftsbereich verzichtet und sich vorbehält, im Einzelfall über die geschäftlichen Nebenaktivitäten seines Arbeitnehmers mittels seines Direktionsrechts zu entscheiden. Eine in der Praxis verwandte Vertragsklausel, in der der Arbeitgeber sich ein Direktionsrecht zur Konkretisierung generalklauselartig umschriebener, auch außerdienstlicher Verhaltenspflichten vorbehält, ist in § 6 (früher § 4) i. V. m. § 2 des vom DFB empfohlenen Mustervertrags für Lizenzspieler zu finden. '29 Allerdings ist die Umschreibung der außerdienstlichen Verhaltenspflichten der Fußballspieler zu weitgehend und daher, wie bereits oben dargelegt, nichtig. Bestehen Unklarheiten über den Umfang der außerdienstlichen Verhaltenspflichten, so muß der Arbeitnehmer nachfragen. Ist zwischen ihm und dem Arbeitgeber streitig, ob das beanstandete Verhalten gegen § 242 BGB verstößt, so findet spätestens vor Gericht eine Klärung dieser Frage statt und zwar auf dem Weg, daß eine eventuell ausgesprochene Abmahnung oder gar Kündigung vor Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft wird. Es ist jedoch nicht notwendig, daß der Arbeitgeber zunächst den Arbeitnehmer darauf hinweisen muß, welches außerdienstliche Verhalten er von ihm erwartet, bevor er arbeitsrechtliche Konsequenzen ergreifen kann. Gerade um dem Arbeitnehmer nochmals seine Verhaltenspflichten vor Augen zu führen, deren Nichteinhaltung auch eine Kündigung zur Folge haben kann, wurde das Institut der Abmahnung geschaffen, in der konkret das mißbilligte und das gewünschte vertragsgemäße Verhalten bezeichnet werden muß. \30

129 So interpretiert Heinze, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, Schriftenreihe des Bad.-Württ.-Fußballverbandes 1987, S. 73, 83f die bei den Vertragsklauseln. 130 Beckerle / Schuster, Die Abmahnung, S.57; Kammerer, Personalakte und Abmahnung, S. 123f.

V. ZusammenfasSWlg

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4. Zusammenfassung Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß dem Arbeitgeber grundsätzlich aus dem Arbeitsvertrag ein Recht zusteht, einseitig dem Arbeitnehmer Weisungen bezüglich seiner Tätigkeit zu erteilen. Da das Direktionsrecht allen anderen arbeitsrechtlichen Gestaltungsmitteln nachrangig ist, können mit seiner Hilfe keine über den gesetzlichen oder vertraglichen Umfang hinausgehende außerdienstliche Verhaltenspflichten statuiert werden. Ebensowenig werden durch das Direktionsrecht im Sinne eines Gestaltungsrechts nur zunächst latent bestehende Pflichten gern. § 242 BGB konkretisiert und dadurch erst geschaffen. Vielmehr kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich auf bereits bestehende Pflichten hinweisen.

v. Zusammenfassung Die im gesetzlichen Umfang bestehenden außerdienstlichen Verhaltenspflichten können sowohl durch Einzelvertrag als auch durch Tarifvertrag erweitert werden, soweit dies nicht gegen das Übermaßverbot verstößt. Hingegen können durch Betriebsvereinbarung nur dann außerdienstliche Verhaltenspflichten geregelt werden, wenn sie im Betrieb bereits einzelvertraglich verankert sind und durch die Betriebsvereinbarung eine günstigere Regelung getroffen wird. Im übrigen unterfallen außerdienstliche Verhaltenspflichten nicht der Regelungsmacht der Betriebsparteien. Begreift man das Direktionsrecht mit der h. M. als ein Gestaltungsrecht, durch welches konkrete Pflichten erst geschaffen werden, so gibt es kein Direktionsrecht hinsichtlich außerdienstlicher Verhaltenspflichten. Denn die im gesetzlichen Rahmen gern. § 242 BGB bestehenden Pflichten sind nicht nur latent vorhanden, sondern gelten rur den Arbeitnehmer unmittelbar, ohne daß sie einer Konkretisierung bedürfen. Etwas anderes gilt dann, wenn einzelvertraglich dem Arbeitgeber ein Gestaltungsspielraum rur die Ausübung seines Direktionsrechts eingeräumt wurde.

Kapitel 5

Ergebnisse der Arbeit in Thesenform 1. Die Existenz außerdienstlicher Verhaltenspflichten ist durch folgende allgemeine, schuldrechtliche Grundsätze und arbeitsvertragliche Besonderheiten rechtlich begründet (bzw. nicht begründet): a) Der rur jedes Schuldverhältnis geltende Grundsatz des § 242 BGB verpflichtet auch den Arbeitnehmer, auf schutzwilrdige Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen und den durch das Arbeitsverhältnis bezweckten Vertragserfolg nicht zu vereiteln. b) Die Drittdimension des Arbeitsverhältnisses führt zu einer Verpflichtung des Arbeitnehmers auch seinen Kollegen gegenüber, den Betriebserfolg durch außerdienstliches Verhalten nicht zu vereiteln. c) Die ParalIeie zur verbandsrechtlichen Einbindung von Mitgliedern rechtfertigt gleichfalls den Schluß, daß der Arbeitnehmer durch den freiwilligen Eintritt in das Arbeitsverhältnis eine Verpflichtung eingegangen ist, die Ziele des Betriebs in Zukunft durch seine Arbeitsleistung zu unterstützen und sie folglich nicht durch außerdienstliches Verhalten wieder zu bekämpfen. Dies gilt insbesondere rur Unternehmen mit Montanmitbestimmung, da die Arbeitnehmer dort Einfluß auf die Unternehmens führung haben. d) Die gesetzliche Bestimmung des Wettbewerbverbots gern. § 60 HGB schließlich weist ebenfalIs daraufhin, daß für den Arbeitnehmer außerdienstliche Verhaltenspflichten bestehen können. e) Hingegen können ein personenrechtlicher oder genossenschaftlicher Charakter des Arbeitsverhältnisses nicht anerkannt werden und daher auch keine außerdienstlichen Verhaltenspflichten rechtfertigen. Ebenso spricht die Eigenschaft des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis nicht zwingend für die Annahme außerdienstlicher Verhaltenspflichten.

Kapitel 5: Ergebnisse der Arbeit in Thesenform

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2. Außerdienstliche Verhaltenspflichten sind Nebenpflichten gern. § 242 BGB. Die Annahme einer gesonderten Treuepflicht im Arbeitsverhältnis ist abzulehnen. 3. Außerdienstliches Verhalten kann in der Regel nur dann fllr das Arbeitsverhältnis relevant werden, wenn es sich betriebsbezogen auswirkt, wobei in den Fällen einer hohen Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts auch die Gefahr einer Beeinträchtigung des Betriebs ausreicht. 4. Der Arbeitnehmer hat unter Umständen im Bereich seines außerdienstlichen Verhaltens eine Beeinträchtigung seiner Grundrechte hinzunehmen, wenn schützenswerte Rechte des Arbeitgebers dies erfordern. Es hat eine Abwägung stattzufinden. a) Öffentlich ausgesprochene Beleidigungen von Arbeitgeber oder Arbeitskollegen werden vom Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit gern. Art. 5 GG nicht erfaßt und stellen eine Pflichtverletzung dar. b) Der Arbeitnehmer darf in seinen Meinungsäußerungen nicht die Existenzberechtigung des Betriebs in Frage stellen, da dies als venire contra factum proprium bezüglich seines geschlossenen Arbeitsvertrags angesehen werden muß. Politische Forderungen hingegen, die zwar zu einer Belastung des eigenen Betriebs führen können, jedoch nicht vorrangig auf eine Schädigung abzielen (z. B. Forderung nach höherer Unternehmensbesteuerung), können nicht wegen entgegenlaufender Interessen des Arbeitgebers verboten werden. c) Hinsichtlich der Beeinträchtigung der Wettbewerbs- und Produktionsinteressen des Arbeitgebers sowie der Vertraulichkeitssphäre ist zu differenzieren: aa) An der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen und schädigender Werturteile hat der Arbeitnehmer kein schutzwertes Interesse und muß dieses daher unterlassen. Die Teilnahme an Demonstrationen, die sich gegen den eigenen Betrieb richten, ist nur insoweit erlaubt, als sich der Arbeitnehmer, insbesondere wenn er in einer verantwortlichen Position arbeitet, nicht als Mitarbeiter zu erkennen gibt und dadurch der Kritik als jemand, "der es wissen muß", besondere Glaubwürdigkeit verleiht. bb) Bei Kritik an betrieblichen Zuständen, insbesondere auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes, muß der Arbeitnehmer zunächst auf innerbetriebliche Abhilfe dringen, bevor er an die Öffentlichkeit geht. Gleiches gilt rur Straftaten des Arbeitgebers, von denen der Arbeitnehmer Kenntnis erlangt.

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Kapitel 5: Ergebnisse der Arbeit in Thesenfonn

cc) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dürfen von dem Arbeitnehmer nicht verraten werden. Insofern unterliegt auch hier seine Meinungsfreiheit Beschränkungen. 5. In Tendenzunternehmen hat der Tendenzschutz in der Regel Vorrang vor den Grundrechten der Arbeitnehmer. 6. In Tendenzunternehmen trifft nur die Tendenzträger die Pflicht, auch außerdienstlich sich tendenzkonform zu verhalten. Unter Tendenzträgern sind solche Arbeitnehmer zu verstehen, die mit spezifisch tendenzbestimmten Arbeiten betraut sind und die einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Tendenzverwirklichung haben. Daher fallen darunter auch Mitarbeiter, die die KontaktsteIle zwischen dem Tendenzunternehmen und der Öffentlichkeit bilden. 7. Die Verletzung außerdienstlicher Verhaltenspflichten kann verschiedene Rechtsfolgen nach sich ziehen. a) Bei außerdienstlichem Verhalten handelt es sich in der Regel entweder um Verstöße gegen Schutzpflichten oder Nebenleistungspflichten. Schutzpflichten sind eigenständig einklagbar. Auch die Nebenleistungspflichten können im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Sicherung des Hauptanspruches eingeklagt werden. b) Weiterhin kann der Arbeitgeber bei Vertragspflichtverletzungen Schadensersatz verlangen. Hier werden ihm bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot Erleichterungen zur Schadensermittlung eingeräumt und ein Wahlrecht zwischen Schadensersatz oder Eintritt in das verbotswidrig getätigte Geschäft des Arbeitnehmers gewährt. c) Bei der Verletzung außerdienstlicher Verhaltenspflichten kann der Arbeitgeber, unter Umständen erst nach einer Abmahnung, eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. 8. Neben dem pflichtgebundenen gibt es noch sonstiges außerdienstliches Verhalten, welches, obwohl es keine Pflichtverletzung darstellt, Auswirkungen auf den Arbeitsvertrag haben kann. Dies ist dann der Fall, wenn das Verhalten eine rur das Arbeitsverhältnis notwendige Fähigkeit oder Eigenschaft entfallen läßt. Es berechtigt dann zu einer personenbedingten Kündigung. 9. Die Druckkündigung, bei der einem Arbeitnehmer auf Druck von Kunden oder Kollegen wegen eines Verhaltens gekündigt wird, das an sich rechtmäßig

Kapitel 5: Ergebnisse der Arbeit in Thesenform

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ist, ist entgegen der h. M. als personenbedingte Kündigung und nicht als betriebsbedingte Kündigung einzuordnen. 10. Die Kündigung wegen übermäßiger Lohnpfiindungen ist entgegen der h. M. ebenfalls als personenbedingte Kündigung und nicht als verhaltensbedingte Kündigung einzuordnen. 11. Durch Vertrag kann der Umfang außerdienstlicher Verhaltenspflichten erweitert werden, soweit der Grundsatz des Übermaßverbots gewahrt bleibt. 12. Eine Klausel, die dagegen verstößt, kann regelmäßig nicht geltungserhaltend reduziert werden, sondern ist unwirksam. 13. Durch Tarifvertrag können im gleichen Umfang wie durch den Einzelvertrag außerdienstliche Verhaltenspflichten erweitert werden, soweit ein kollektiver Bezug vorhanden ist. 14. Hingegen reicht die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien entgegen der h. M. nicht so weit, durch Betriebsvereinbarung außerdienstliche Verhaltenspflichten aufzustellen. 15. Begreift man das Direktionsrecht mit der h. M. als ein Gestaltungsrecht, durch welches konkrete Pflichten erst geschaffen werden, so gibt es kein Direktionsrecht hinsichtlich außerdienstlicher Verhaltenspflichten. Denn die im gesetzlichen Rahmen des § 242 BGB bestehenden Pflichten sind nicht nur latent vorhanden, sondern gelten filr den Arbeitnehmer unmittelbar, ohne daß sie einer Konkretisierung bedürfen. 16. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Arbeitgeber vertraglich einen Gestaltungsspielraum zur Ausübung seines Direktionsrechts vorbehalten hat.

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Zöllner, Wolfgang/ Loritz, Karl-Georg: Arbeitsrecht, 4. Aufl. München 1992

Sachregister Alkoholverbot 119f Anzeige gegen Arbeitgeber (siehe auch Meinungsfreiheit) 57ff - arbeitnehmerschädigende Handlungen 57ff - Flucht in die Öffentlichkeit 57 - Leistungsverweigerungsrecht 60 - sonstige Straftaten 61 ff - Vorrang innerbetrieblicher Abhilfe 57ff Ausgehverbot 120

Druckkündigung (siehe auch personenbedingte Kündigung) 87jJ, 94, 144f - dogmatische Einordnung 88ff - Schadensersatzanspruch 93 - Zu lässigkeit 87f

Betriebsbezogenheit (siehe auch Eingrenzungskriterien) 37jJ, 143 Betriebsfrieden 97 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisverrat (siehe auch Meinungsfreiheit) 63f, 76, 78, 82, 100, 119, 144 Betriebsvereinbarung über außerdienstliches Verhalten 126jJ, 145 - Betriebsfeier 132 - Lohnabtretungsverbot 129ff - Nebentätigkeitsverbote 132 - Regelungsbefugnis 126jJ, 145 - Verwendung des Arbeitsentgelts l32 - Wesentlichkeitstheorie 128f - Zulässigkeit 126ff

Gemeinschaftsverhältnis 17, 21ff - genossenschaftliches Element

Dienstvertrag -historische Entwicklung 14ff Direktionsrecht 134jJ, 145 - dogmatische Grundlage 134ff - Erweiterung durch Vertrag 140, 145 - Gestaltungsrecht I 37ff, 145 - Grenzen 137f Drittdimension des Arbeitsverhältnisses 28f, 142

Eingrenzungskriterien 36ff - Betriebsbezogenheit 37jJ, 143 - Grundrechte 47jJ, 143 - konkrete Beeinträchtigung 39jJ, 73, 143

15ff,

25jJ, 142

-

historische Entwicklung 14ff personenrechtliches Element

15f,

21jJ, 142

Glücksspiel 43,86, 116f Grundrechte (siehe auch Eingrenzungskriterien) 47jJ, 143 - Meinungsfreiheit 48jJ, 119 Heilungshemmendes Verhalten 78, 112 Interessenwahrungspflicht 19jJ, 142 Klagbarkeit außerdienstlicher Verhaltenspflichten 76ff Kündigung (siehe pers. u. verh.-bedingte Kündigung) Künstler 44, 118 Leistungsgefahrdendes Verhalten I Leistungserhaltungspflicht 43ff, 78f, 117ff Lohnpfandungen (siehe auch pers.- u.

158

Sachregister verh.-bedingte IOlff,145

Kündigung)

83f,

Meinungsfreiheit (siehe auch Grundrechte) 48ff, I 19 - Anzeige gegen Arbeitgeber 57ff - Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen/Existenzbedrohung 53ff, 143 - Beleidigung 51ff, 76, 143 - Betriebs- und Geschäftsgeheimnisverrat 63f, 76, 78, 82,100,119,144 - Demonstrationsteilnahme / Versammlungsfreiheit 55ff, 143 - Schranken gern. Art. 5 Abs. 2 GG 48ff - unwahre Tatsachenbehauptungen 54f, 143 - wahre Tatsachenbehauptungen! sachliche Kritik 57, 143 - Werturteile 55ff, 143 Nebenleistungspflichten (siehe auch Rechtsfolgen/Rechtsnatur) 75, 78ff, 144 Nebentätigkeit III ff - Abgeordnetenmandat III - Anzeigepflicht 113 - Arbeitsunfähigkeit 112 - Ehrenamt III - Erhaltung der Leistungsflihigkeit 117ff - gesundheitsgeflihrdende Aktivitäten 117ff - Glücksspiel 116f - Hausbau 112, 116 - Kapitalbeteiligungen 114f - Nachtarbeit III - Residenzpflicht 121 - Schmiergeldannahme 122f - Wettbewerb 112f, 114f Obliegenheiten 85f Personenbedingte Kündigung 85ff

- Druckkündigung 87ff, 94, 144f - Kirchenaustritt 85f - Lohnptandung IOIf!, 145 - Sexual- und Eheleben 93ff - Spielsucht 86 - Störung des Betriebsfriedens 97 - Straftaten 98ff - VerwandschaftiFreundschaft 100f Personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis 21 ff Rechtfertigung außerdienstlicher Verhaltenspflichten 18ff Rechtsfolgen außerdienstlichen Verhaltens 75ff - bei Nebenleistungspflichten 78ff, 144 - bei Schutzpflichten 76ff, 144 - Erfiillungsanspruch 76ff - personenbedingte Kündigung 86ff - Schadensersatz 80ff - Unterlassungsanspruch 76ff - verhaltensbedingte Kündigung 82ff Rechtsnatur außerdienstlicher Verhaltenspflichten 32ff - Bestandteil der Arbeitspflicht 32ff - Nebenleistungspflicht 78ff, 144 - schuldrechtliche Nebenpflicht 34ff, 143 - Schutzpflicht 76ff, 144 - selbständige Nebenpflicht 78 - selbständige Treuepflicht 34ff, 143 Schmiergeldannahme (siehe auch Nebentätigkeit) 78, 122/ Schutzpflichten 76ff Sozialstaatsprinzip (siehe auch Tendenzbetrieb) 27f,67ff Sportler 44, 118 Statuierung außerdienstlicher Verhaltenspflichten 105ff - durch Betriebsvereinbarung 126ff, 145 - durch Direktionsrecht 134ff, 145

Sachregister - durch Tarifvertrag l23ff, 145 - durch Vertrag 105ff, 145 Straftaten (siehe auch personenbedingte Kündigung) 78, 98ff - gegen Arbeitgeber 78, 98 - Sexualdelikte 99 - Trunkenheitsdelikte 99 - Vermögensdelikte 98f Tarifvertragsklauseln über außerdienstliches Verhalten l23ff, 145 - Grundrechtsbindung 124 - Lohnabtretung 124 - Nebentätigkeitsverbote 125 - Regelungsbefugnis 123ff - Übermaßverbot 124f - Verschwiegenheitspflicht 125 - Wettbewerbsverbot 125 - Zulässigkeit 123ff Tendenzbetrieb 65ff, 144 - Definition 65f - Einrichtungsgarantie 68f - Rechtfertigung des Tendenzschutzes 66ff - Sozialstaatsprinzip 67ff - Tendenzträger 71f, 144 - Umfang der Pflichten nf Tendenzträger (siehe auch Tendenzbetrieb) 71f - Presse nf

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- Rechtsschutzsekretär 71 f Treuepflicht 14ff, 21 ff, 34ff - als selbständige Vertragspflicht 34ff, 143 - historische Entwicklung 14ff Verbandsrechtliches Element 30ff, 142 Verhaltensbedingte Kündigung 75, 82ff, 144 - Lohnpfändung 83f, lOff! - Negativprognose 84 - vertragswidriges Verhalten 83 Verschuldung 42, 116 Vertragsklauseln über außerdienstliches Verhalten 105ff - Ausübungskontrolle 109 - Billigkeitskontrolle 107f - Fallgruppen 111 ff - geltungserhaltende Reduktion f 08ff, 145 - Inhaltskontrolle gern. § 242 BGB 108 - Nichtigkeit f08ff, 145 - Übermaßverbot 108f, 117, 119f - verfassungskonforme Auslegung 107f - vertragsimmanente Grenzen 110 - Zulässigkeit 105ff Wettbewerb/Wettbewerbsverbot 32, 41. 42f, 76, 79, 80f, 112ff, 125, 132( 143