Asset Management für Infrastrukturanlagen - Energie und Wasser [3. Aufl.] 9783662615256, 9783662615263

Die Aufgabe eines Versorgungsunternehmens (Elektrizität, Gas, Wasser) ist es, eine ausreichende Versorgung unter technis

787 73 11MB

German Pages XIX, 496 [507] Year 2020

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Asset Management für Infrastrukturanlagen - Energie und Wasser [3. Aufl.]
 9783662615256, 9783662615263

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIX
Einleitung (Gerd Balzer, Christian Schorn)....Pages 1-25
Aufgaben des Anlagenmanagements (Gerd Balzer, Christian Schorn)....Pages 27-161
Steuerungsfunktionen (Gerd Balzer, Christian Schorn)....Pages 163-343
Einbindung in die Unternehmensorganisation (Gerd Balzer, Christian Schorn)....Pages 345-364
Systemlandschaft im Asset Management (Gerd Balzer, Christian Schorn)....Pages 365-403
Statistik (Gerd Balzer, Christian Schorn)....Pages 405-453
Zustandsfeststellung (Gerd Balzer, Christian Schorn)....Pages 455-487
Back Matter ....Pages 489-496

Citation preview

Gerd Balzer Christian Schorn

Asset Management für Infrastrukturanlagen – Energie und Wasser 3. Auflage

Asset Management für Infrastrukturanlagen – Energie und Wasser

Gerd Balzer · Christian Schorn

Asset Management für Infrastrukturanlagen – Energie und Wasser 3. Auflage

Gerd Balzer FG Elek. Energieversorgung Technical University of Darmstadt Darmstadt, Deutschland

Christian Schorn TransnetBW GmbH, Stuttgart Stuttgart, Deutschland

ISBN 978-3-662-61525-6 ISBN 978-3-662-61526-3  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-61526-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2011, 2014, 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Alexander Gruen Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort zur 3. Auflage

In der vorliegenden Auflage sind aufgrund der weitergehenden Veränderung insbesondere in der elektrotechnischen Infrastruktur wesentliche Teile hinzugefügt bzw. die Struktur ist geändert worden, so dass eine erweiterte Neuauflage sinnvoll erschien. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Infrastrukturunternehmen haben sich sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene geändert, worauf im ersten Kapitel (Abschn. 1.3) näher eingegangen wird. Ausgehend von den Aktivitäten auf nationaler Ebene seitens der DKE (Deutsche Elektrotechnische Kommission) wurde in der Zwischenzeit ein internationaler IEC-Standard entwickelt, der im Jahr 2019, auch als VDE 0109, veröffentlicht wurde, Abschn. 2.2. Zusätzlich werden weitere Asset Management Aktivitäten auf internationaler Ebene dargestellt. Wesentlich erweitert ist die Thematik „Optimierung der Instandhaltung“, welches sich zum einen durch die Ergänzung des Markov-Modells (Abschn. 3.4.1.4) und zum anderen in der vollkommenen Überarbeitung des Abschn. 3.5 zeigt. Hierbei gilt ein besonderer Dank Herrn Dr.-Ing. A. Rhein für die gründliche Durchsicht. Darüber hinaus wurde dem erweiterten Thema „Statistik“ ein eigenes Kapitel gewidmet und im Kap. 7 werden Möglichkeiten der Zustandsfeststellung von Betriebsmitteln der elektrischen Energieversorgung aufgeführt. Eine Bewertung des Zustands der Betriebsmittel wird jedoch nicht vorgenommen, da dieses in der Verantwortung des Asset Managers ist, und somit ist diese Darstellung im Einklang mit der ­IEC/DKEVorschrift VDE 0109. Es zeigt sich, dass die Entwicklung des Aufgabengebietes „Asset Management“ auch in der Zukunft noch nicht abgeschlossen ist, zumal sich die von außen vorgegebenen Randbedingungen stets ändern. Darmstadt Stuttgart März, 2020

Gerd Balzer Christian Schorn

V

Vorwort zur 2. Auflage

In der vorliegenden Auflage sind aufgrund der weitergehenden Veränderung insbesondere in der elektrotechnischen Infrastruktur wesentliche Teile hinzugefügt worden, so dass eine erweiterte Neuauflage als sinnvoll erschien. Zum Einen ist in der Zwischenzeit eine Instandhaltungsnorm von der Deutschen Elektrotechnischen Kommission (DKE) veröffentlicht worden, auf die im Abschn. 2.2.2 näher eingegangen wird. Dann ist ein neues Abschn. 3.5 zugefügt worden, welches sich mit der multi-kriteriellen Optimierung in der Instandhaltung bzw. der Erneuerung von Infrastrukturanlagen befasst. Hierbei werden Verfahren des Operations Research (OR) verwendet. In der Systemwelt der Elektroenergieversorgung ist ebenfalls ein großer Umbruch im Gange, die „Energiewende“ hat natürlich auch massive Auswirkungen auf die Anlagen in der Infrastruktur. Dezentralisierung und neue Aufgabenstellungen erfordern neue Funktionen und dementsprechend auch neue Asset Strategien. Die „Modernisierung“ der Planungsprämissen, insbesondere in den unteren Spannungsebenen, die Umsetzung von Innovationen mit der Einbeziehung neuer und intelligenter Betriebsmittel ist hier einer der Hauptdiskussionspunkte. Aber auch die Veränderung der Netzentwicklung von reinen Verbrauchsnetzen hin zu Einspeisenetzen mit erneuerbarer Energie stellt eine neue Herausforderung an den Asset Manager dar. Die neuen Planungsprämissen, die sich aufgrund der dezentralen Energieerzeugung ergeben, sind in einem gesonderten Abschnitt „Netzplanung in Smart Grid“ zusammengefasst. Entsprechend dieser Entwicklung sind vor allem die Kap. 2 und 3 mit diesen neuen Aspekten überarbeitet und ergänzt worden. Es zeigt sich, dass die Entwicklung des Aufgabengebietes „Asset Management“ auch in der Zukunft noch nicht abgeschlossen ist, zumal sich die von außen vorgegebenen Randbedingungen stets ändern. Stuttgart Darmstadt Februar, 2014

Gerd Balzer Christian Schorn

VII

Vorwort

Die Einführung von Wettbewerbsbedingungen im Bereich der Infrastrukturunternehmen hat vielfach dazu geführt, dass neue Entscheidungs- und Organisationsstrukturen in ­Versorgungsunternehmen entwickelt und umgesetzt wurden. Hierbei hat sich in den letzten Jahren insbesondere im Bereich der technisch-wirtschaftlichen Betrachtung von Netzen der Begriff „Asset Management“ durchgesetzt. Hierbei besteht, ganz global betrachtet, die wesentliche Aufgabe darin, die Investitionen und den Betrieb eines Netzes zu optimieren. In diesem Zusammenhang beziehen sich die im vorliegenden Buch dargestellten Beispiele häufig auf den Bereich der elektrischen Energieversorgung, jedoch sollte dieses nur exemplarisch angesehen werden, da alle Betrachtungen auch auf andere Infrastrukturbereiche (Gas, Wasser, Telekommunikation usw.) übertragen werden können. Die verwendeten Grundlagen und Beispiele, die in den folgenden Abschnitten dargestellt werden, haben im Wesentlichen zwei verschiedenen Quellen, die aber ihrerseits wiederum die internationale Fachdiskussion in Unternehmen, Fachorganisationen und Verbänden nutzen: • Das Fachgebiet „Elektrische Energieversorgung“ der TU Darmstadt beschäftigt sich seit 15 Jahren intensiv mit Fragen und Lösungen im Bereich des Asset Management, mit dem Ziel, die Instandhaltung unter dem Gesichtspunkt der Versorgungszuverlässigkeit zu optimieren. Die Ergebnisse dieser Arbeit drücken sich in vielen Veröffentlichungen und Dissertationen aus, die in diesem Zeitraum publiziert wurden. Den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sei an dieser Stelle für die Arbeit recht herzlich gedankt. • Von der EnBW Regional AG, Stuttgart, einem der größten Verteilungsnetzbetreiber in Deutschland wurden die Anregungen aus der Erfahrung einer entsprechenden Organisation aufgenommen. Die reale Struktur eines Asset Managements, entwickelt und ausgebaut mit nationalem und internationalem Austausch anderer Netzbetreiber und die hier durchgeführte betriebliche Umsetzung von Strategien und Prozessen dienten als Diskussionsgrundlage für die operativen Inhalte. Hier sind insbesondere Organisationsmodell und Systemlandschaft in der Informationstechnik von entscheidender Bedeutung. IX

X

Vorwort

Da dieser gesamte Prozess sich in permanenter Weiterentwicklung befindet und auch insbesondere vor dem Hintergrund auch politischer und regulatorischer Rahmenbedingungen noch nicht abgeschlossen ist, stellen die in diesem Buch dargestellten Systeme, Vorgehensweisen und Ergebnisse den derzeitigen Stand sowohl der Forschungsdiskussion als auch der tatsächlichen operativen Umsetzung bei Unternehmen mit einer entsprechend entwickelten Organisation dar. Darmstadt Stuttgart November, 2010

Gerd Balzer Christian Schorn

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Grundlagen des Anlagenmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.2 Entwicklung des Anlagenmanagements in Europa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3 Gesetzlicher Rahmen für Infrastrukturunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.3.1 Energiewirtschaftsgesetz EnWG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.3.2 Anreizregulierungsverordnung ARegV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.3.3 Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien EEG . . . . . . . . . . . 11 1.3.4 Gesetz über den Messstellenbetrieb und die Datenkommunikation in intelligenten Energienetzen MSbG . . . . 12 1.3.5 IT-Sicherheitskatalog IT-SIKAT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.3.6 Clean Energy Package CEP der EC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.4 Motivation für ein Anlagenmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.5 Herausforderungen der Versorgungsnetzbetreiber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.6 Tätigkeiten des Asset Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.7 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2 Aufgaben des Anlagenmanagements. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.1 Strategieentwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.1.1 Überblick Instandhaltungsstrategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.1.2 RCM-Strategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.1.3 Instandhaltung mit Fuzzy-Logik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.1.4 FMEA-Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2.1.5 Alterungsverhalten der Betriebsmittel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2.1.6 Lebensdauer von Betriebsmitteln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2.1.7 Netzentwicklungsstrategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2.1.8 Erneuerungsstrategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2.1.9 Kurzfrist- und Langfristbetrachtungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2.1.10 Projektentwicklung und Beauftragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2.2 Entwicklung und Sicherstellen von Standards und Normen. . . . . . . . . . . . 142 2.2.1 Interne Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 XI

XII

Inhaltsverzeichnis

2.2.2 Nationale und internationale Normierungsverfahren. . . . . . . . . . . 143 2.2.3 ISO Standard 55000 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2.2.4 Instandhaltungsnorm: DIN VDE 0109 und IEC/TS 63060. . . . . . 147 2.2.5 Bewertung der Normen ISO 55000 und DIN (VDE 0109). . . . . . 151 2.2.6 IEC TC 123 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2.3 Sicherstellung der Ressourcen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2.3.1 Material und Dienstleistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2.3.2 Betriebspersonal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2.3.3 Reserven und Sondersituationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2.4 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3 Steuerungsfunktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3.1 Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3.1.1 Budgetplanung und Aufbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3.1.2 Budgetsteuerung und Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3.1.3 Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3.2 Technische Steuerungsfunktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3.2.1 Störungsstatistiken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3.2.2 Schadensdatenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3.2.3 Netzsubstanzbetrachtungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3.2.4 Zustandsdatenbewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3.2.5 Monitoring/Diagnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3.2.6 Risikoanalysen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3.3 Kennziffern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 3.3.1 Zielgrößen der beteiligten Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 3.3.2 Auswahl von Kennziffern bei einer IH-Maßnahme. . . . . . . . . . . . 258 3.3.3 Benchmarking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3.4 Asset-Simulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 3.4.1 Entwicklung einer langfristigen Strategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 3.4.2 Eingabedaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 3.4.3 Anwendung dynamischer Simulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 3.4.4 Simulation: Zustandsbewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 3.4.5 Simulation: Statistische Ausfallrate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 3.4.6 Zusammenfassung Asset Simulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 3.5 Optimierung der Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 3.5.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 3.5.2 Grundlagen der Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 3.5.3 Zielfunktionen der Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 3.5.4 Optimierungsmodell: Rucksackproblem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 3.5.5 Lösung eines Problems mit verschiedenen Zielfunktionen. . . . . . 316 3.5.6 Algorithmen zur Optimierung von einkriteriellen Problemen. . . . 319

Inhaltsverzeichnis

XIII

3.5.7

Algorithmen zur Optimierung von multikriteriellen Problemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 3.5.8 Bewertung und Beispiel in einem 220-kV-Netz . . . . . . . . . . . . . . 331 3.5.9 Beispiel in einem 110-kV-Netz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 3.6 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 4 Einbindung in die Unternehmensorganisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 4.1 Funktionale Aufteilung im Asset Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 4.2 Das Rollenmodell im Management von Infrastrukturen. . . . . . . . . . . . . . . 348 4.3 Unternehmensorganisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 4.3.1 Entscheidungskriterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 4.3.2 Service-Provider Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 4.3.3 Network-Manager Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 4.3.4 Asset-Manager Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 4.3.5 Asset-Owner Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 4.4 Einfluss der Infrastruktursysteme auf die Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . 359 4.4.1 Größendegression von Systemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 4.4.2 Einfluss der Systemhomogenität von Infrastrukturen. . . . . . . . . . 362 4.5 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 5 Systemlandschaft im Asset Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 5.1 Daten im Asset Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 5.2 Enterprise Resource Planning (ERP-Systeme) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 5.2.1 Anlagendokumentation (ADB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 5.2.2 Finanzmodul. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 5.2.3 Betriebs- und Instandhaltungsmodul. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 5.2.4 Projektmodul. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 5.2.5 Einkaufs- und Materialmodul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 5.2.6 Personalmodul. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 5.3 Geo-Informationssysteme (GIS). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 5.4 Asset Strategie Planungssysteme (ASP). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 5.5 Projekt Priorisierungs-Systeme (PPS). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 5.6 Mobile Workforce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 5.7 Netzplanungs- und Netzführungssysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 5.8 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 6 Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 6.1 Wahrscheinlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 6.1.1 Einfache Wahrscheinlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 6.1.2 Bedingte Wahrscheinlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406

XIV

Inhaltsverzeichnis

6.1.3 Venn-Diagramme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 6.1.4 Regeln der Wahrscheinlichkeitsberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 6.2 Kenngrößen von Wahrscheinlichkeitsverteilungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 6.2.1 Erwartungswert – Mittelwert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 6.2.2 Medianwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 6.2.3 Varianz (Streuung) und Standardabweichung. . . . . . . . . . . . . . . . 414 6.2.4 Spannweite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 6.2.5 Skalierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 6.2.6 Dichtefunktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 6.2.7 Verteilungsfunktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 6.2.8 Fehlerrate (Hazard-Rate) eines Betriebsmittels. . . . . . . . . . . . . . . 418 6.2.9 Korrelation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 6.2.10 Konfidenzintervall, Stichprobe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 6.3 Stetige Verteilungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 6.3.1 Normalverteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 6.3.2 Exponentialverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 6.3.3 Weibull-Verteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 6.3.4 Weitere Verteilungsfunktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 6.4 Diskrete Zufallsgrößen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 6.4.1 Poission-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 6.4.2 Binominalverteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 6.5 Ausgleichsrechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 6.5.1 Messfehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 6.5.2 Ausgleichsfunktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 6.6 Chi-Quadrat-Test (χ2-Test). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 6.7 Evidenztheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 6.8 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 7 Zustandsfeststellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 7.1 Betriebsmittel von Freiluftschaltanlagen (Hochspannung). . . . . . . . . . . . . 455 7.1.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 7.1.2 Transformator. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 7.1.3 Leistungsschalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 7.1.4 Trenn- und Erdungsschalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 7.1.5 Strom- und Spannungswandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 7.1.6 Überspannungsableiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 7.1.7 Schutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 7.1.8 Steuerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 7.1.9 Gerüste-Freiluft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 7.1.10 Fundamente (Freiluft, Transformator). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 7.1.11 Freileitungsportal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461

Inhaltsverzeichnis

XV

7.1.12 Sammelschiene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 7.1.13 Infrastruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 7.1.14 FW-Anlage/Telefon-Anlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 7.1.15 Eigenbedarf-Transformator. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 7.1.16 Eigenbedarf-MS-Schaltanlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 7.1.17 Eigenbedarf-NS-Verteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 7.1.18 Eigenbedarf-Gleichspannungsversorgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 7.1.19 Eigenbedarf-Notstrom-Aggregat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 7.2 Gasisolierte Schaltanlage (Hochspannung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 7.2.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 7.2.2 Transformator. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 7.2.3 GIS-Leistungsschalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 7.2.4 GIS-Trenn- und Erdungsschalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 7.2.5 AIS-Strom- und Spannungswandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 7.2.6 GIS-Stromwandler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 7.2.7 GIS-Spannungswandler (induktiv, gekapselt). . . . . . . . . . . . . . . . 468 7.2.8 GIS-Überspannungsableiter (gekapselt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 7.2.9 AIS-Überspannungsableiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 7.2.10 GIS-Durchführungen (SF6/Luft bzw. SF6/Öl). . . . . . . . . . . . . . . . 469 7.2.11 GIS-Gehäuse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 7.2.12 Schutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 7.2.13 Steuerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 7.2.14 Gerüste-Freiluft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 7.2.15 Fundamente (Freiluft, Transformator). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 7.2.16 Infrastruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 7.2.17 Gebäude. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 7.2.18 FW-Anlage/Telefon-Anlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 7.2.19 Eigenbedarf-Transformator. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 7.2.20 Eigenbedarf-MS-Schaltanlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 7.2.21 Eigenbedarf-NS-Verteilung,. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 7.2.22 Eigenbedarf-Gleichspannungsversorgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 7.2.23 Eigenbedarf-Notstrom-Aggregat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 7.3 Freileitung (Hochspannung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 7.3.1 Mast. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 7.3.2 Fundament. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 7.3.3 Leiterseile. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 7.3.4 Erdseil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 7.3.5 Isolatoren, Klemmen, Verbinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 7.4 Anlagen (Mittelspannung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 7.4.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 7.4.2 Schaltfeld/Anlagenaufbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 7.4.3 Leistungsschalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478

XVI

Inhaltsverzeichnis

7.4.4 Lasttrennschalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 7.4.5 Trennschalter/Erdungsschalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 7.4.6 Spannungswandler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 7.4.7 Stromwandler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 7.4.8 Schutz, Steuerung, Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 7.4.9 Hilfsspannungsversorgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 7.4.10 FW-Anlage/Telefon-Anlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 7.4.11 Transformator (Mittel-/Niederspannung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 7.4.12 E-Spule (Mittelspannung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 7.4.13 TRA-Anlage (Sekundärteil). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 7.4.14 Gebäude. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 7.5 Station (Mittelspannung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 7.5.1 Gesamtbeurteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 7.5.2 Schaltfeld/Anlagenaufbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 7.5.3 Spannungswandler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 7.5.4 Stromwandler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 7.5.5 Trennschalter/Erdungsschalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 7.5.6 Lasttrennschalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 7.5.7 Transformator (Mittel-/Niederspannung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 7.5.8 Gebäude. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 7.5.9 Mast. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 7.5.10 Niederspannungs-Anlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 7.6 Kabel (Mittelspannung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 7.7 Motor (Hochspannung, ab 250 kW) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 7.8 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489

Abkürzungen

ACER Agency for the Cooperation of Energy Regulators ADB Anlagendokumentation AfA Abschreibung für Abnutzung AHK Anschaffungs- und Herstellungskosten AI Availability Index AIF Average Interruption Frequency AIS Air Insulated Substation (Freileuftschaltanlage) AIT Average Interruption Time AN Absoluter Nutzen ARegV Anreizregulierungsverordnung ASP Asset Strategie Planungssystem ASR Accident Severity Rate BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik CAIDI Customer Average Interruption Duration Index CAIFI Customer Average Interruption Frequency Index CAPEX Capital Expenditure (Investitionsausgaben) CBM Condition-Based Maintenance (zustandsorientierte IH) CENELEC Comité Européen de Normalisation Électrotechnique CEP Clean Energy Package CI Costs Index CIGRE Conseil International des Grands Réseaux Électriques CM Corrective Maintenance (ereignisorientierte IH DGUV Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. DIN Deutsche Institut für Normung e. V. DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE DSO Distribution System Operator (Verteilungsnetzbetreiber) DVGW Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. EBIT Earnings Before Interest and Taxes (Gewinn vor Zinsen und Steuern)

XVII

XVIII

Abkürzungen

EBITDA Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen) EEG Erneuerbare Energien Gesetz ENS Energy Not Supplied EnWG Energiewirtschaftsgesetz ERP Enertrise Resource Planing System FMEA Failure Mode Effect Analysis FNN Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE FW Funkrundsteuertechnik GGG globularer Grauguss GIS Gas Insulated Substation (Gasisolierte Schaltanlage) GIS Geo-Informationssystem GuV Gewinn- und Verlustrechnung HR Human Resource HS Hochspannung IEC International Electrotechnical Commission IH Instandhaltung ISO International Organization for Standardization ITO Independent Transmission System Operator IT-SIKAT IT-Sicherheitskatalog KPI Key Performance Idikator KWK Kraft Wärme Kopplung LCC Life Cycle Cost MF Major failure Mf Minor failure MS Mittelspannung MSbG Messstellenbetriebsgesetz NS Niederspanung OPEX Operational Expenditure (Betriebsausgaben) OR Operation Research PAS Public Available Standard PE Polyethylen, RCM Reliability-Centered Maintenance (zuverlässigkeitsorientierte IH RI Reliability Index RN Relativer Nutzen ROIC Return on Invested Capital (Gesamtkapitalrendite) SAIDI System Average Interruption Duration Index SAIFI System Average Interruption Frequency Index SCADA Supervisory Control and Data Acquisition (Überwachen und Steuern technischer Prozesse) SLA Service Level Agreement SPI System Performance Index

Abkürzungen

TBM Time-Based Maintenance (zeitorientierte IH) TC Technical Committee (IEC) TCO Total Cost of Ownership TNW Tagesneuwert TOTEX Total Expenditure TR Technical Report (TR) TRA Tonfrequenz-Rundsteueranlagen TS Technical Specification (IEC) TSM Technisches Sicherheitsmanagement UIS Unavailability Index of System UW Umspannwerk VaR Value-at-Risk VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. VOLL Volume Of Lost Load

XIX

1

Einleitung

Die Infrastruktur eines Landes ist die Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung und der bestimmende Faktor, um sich in einer globalen agierenden Welt erfolgreich entwickeln zu können. Während in Staaten, die sich infrastrukturmäßig stark entwickeln in erster Linie neue Strukturen aufgebaut werden, bestand im Gegensatz hierzu in den übrigen Ländern bislang die Aufgabe, bestehende Infrastrukturen nach dem Ende deren Lebensdauer zu erneuern. Diese Aufgabe wird zumindest im Stromsektor in der Zwischenzeit deutlich erweitert in eine Erneuerungsaufgabe kombiniert mit der Entwicklung einer neuen Charakteristik des Netzes. Die ursprüngliche Aufgabe, Energie durch gerichtetem Energiefluss von großen Kraftwerken hin zum Endkunden zu leiten, wandelt sich nun zu einem Energienetz, an dem zentrale und dezentrale Erzeuger ebenso wie Endkunden an jedem Verbindungspunkt dieses Netzes, angeschlossen sein können. Zudem ist mit Klimawandel und Umweltschutzplänen ein grundsätzlicher Wandel der Erzeugung weg von konventioneller Erzeugung zu erkennen. Hierdurch wird auch eine Veränderung der Transportinfrastruktur im Energiesektor verursacht, welche die neuen Erzeugungszentren, z. B. Offshore Windparks, mit den bestehenden Lastzentren verbinden muss. In den letzten Jahren hat sich im Bereich der Versorgungsunternehmen und auch bei Verkehrs-Infrastrukturbetreibern der Begriff „Asset Management“ durchgesetzt. Die grundsätzliche Aufgabe besteht darin, das Management von Infrastrukturanlagen zu optimieren, indem klare Arbeitsabläufe definiert sowie Betriebs- und Steuerungsprozesse implementiert werden [3]. Auch die Entwicklung dieser Infrastrukturanlagen entlang neu entstehender Aufgaben ist im Rahmen von vorausschauenden Planungsprozessen zu definieren. Nach [13] wird zwischen den Begriffen „Asset Managing“ und „Managing Assets“ unterschieden. Der Begriff „Managing Assets“ umfasst mehrheitlich Tätigkeiten, die sich direkt mit den Betriebsmitteln beschäftigen, z. B. Lebensdaueraktivitäten, Verfügbarkeit, © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Balzer und C. Schorn, Asset Management für Infrastrukturanlagen – Energie und Wasser, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61526-3_1

1

2

1 Einleitung

Datenbasis, Personal, Budget, Kosten, Indikatoren (Key Performance Indicators, KPI) usw. In Ergänzung hierzu umfasst der Begriff „Asset Managing“ hauptsächlich die Strategien, um den Nutzen des Anlagevermögens für alle Interessengruppen der Unternehmensorganisation zu optimieren. Hierzu gehören z. B. folgende Aktivitäten: Steigerung der langfristigen Vermögenswerte und des Unternehmenswert, Geschäftsrisiken, Regulierung, Kundenbeziehungen usw. In diesem Buch werden mit dem Begriff „Asset Management“ beide oben beschrieben Tätigkeiten erfasst.

1.1 Grundlagen des Anlagenmanagements Eine sehr gute Infrastruktur ist somit eine der wesentlichen Grundlagen, damit sowohl die Wirtschaftskraft eines Landes langfristig wachsen kann und es für Industrieunternehmen interessant wird, Investitionen vorzunehmen, als auch für das Wohlergehen der Bevölkerung, um einen ausreichenden Lebensstandard zu erreichen und zu erhalten. Zum Begriff Infrastruktur werden im Allgemeinen unterschiedliche Bereiche zusammengefasst, zu denen beispielhaft gehören: • Energieversorgungsnetze (Elektrizität, Gas), • Wasser-, Abwasserversorgung, • Straßen, • Schienennetz (Eisenbahn, Straßenbahn), • Telekommunikation. Das Kennzeichnende der oben genannten Bereiche ist, dass der Bau der notwendigen Netze besonders kapitalintensiv und langfristig ist, sodass falsche Entscheidungen zu Beginn einer Investitionsphase sich über Jahrzehnte negativ auswirken und dann nur mit einem erheblichen Aufwand korrigiert werden können. Anlagenmanagement in seiner hier beschriebenen ganzheitlichen Funktion hat die Aufgabe, unter Berücksichtigung nachvollziehbarer Planungskriterien die optimale Entwicklung und Erhaltung der Infrastruktur zu gewährleisten. In der Versorgung mit Energie und Wasser ist eine weitestgehend lückenlose Funktion der Infrastruktur und eine vollständige Erfüllung der Anforderungen der angeschlossenen Kunden unabdingbar, Verkehrsstaus oder Besetztzeichen sind hier aus physikalischen Gründen nicht möglich. In diesem Buch konzentrieren sich die Erläuterungen zum Anlagenmanagement daher auf die Infrastruktur ausschließlich in den Bereichen Energieversorgung (Elektrizität, Gas) und Wasser. Nach [5] hatten die Investitionen in die entsprechenden Netze in Deutschland für den Aus- bzw. Neubau alleine für das Jahr 2010 die folgende Größenordnung:

1.1  Grundlagen des Anlagenmanagements

3

• Elektrizität: 3,8 Mrd. € • Gas: 1,1 Mrd. € • Wasser: 1,3 Mrd. € Die Investitionssumme im Elektrizitätssektor im Jahr 2018 betrug gemäß Zahlen der Bundesnetzagentur bereits 6,4 Mrd. €. Ergänzend zu diesen Werten gibt es Studien, die speziell im deutschen Stromverteilungsnetz einen Investitionsbedarf im Bereich von 30 bis 40 Mrd. € in den Jahren von 2010 bis 2030 aufzeigen [17]. Im deutschen Netzentwicklungsplan wird in 2019 für den Übertragungsnetzbereich bis 2030 ein Projektvolumen von insgesamt rund 60 Mrd. € diskutiert [14]. Diese Zahlen unterstreichen, welchen Stellenwert die richtige Entscheidungsfindung hinsichtlich eines optimalen Zeitpunktes dieser langfristigen Investitionen hat, um schonend mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen umzugehen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass ausgehend von einer Monopolstellung der Versorgungsunternehmen in der Vergangenheit, heute alle Entscheidungen unter Wettbewerbsbedingungen erfolgen müssen, da vom Gesetzgeber eingesetzte Regulatoren Erlösobergrenzen für die Investitionen und die Instandhaltung der Netzinfrastruktur vorgeben und diese Erlöse auch durch Effizienzbenchmarks ermittelt werden. Basis für diese Vorgehensweise ist das Energiewirtschaftsgesetz [18], mit den für das Anlagenmanagement wesentlichen Aussagen in den §§ 1 und 11 • § 1: Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas. • § 11: Betreiber von Energieversorgungsnetzen sind verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist. Aus den Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes lässt sich somit die Pflicht der Energieversorgungsunternehmen ableiten, dass die Netze so zu errichten und zu betreiben sind, dass eine sichere und zuverlässige Versorgung gewährleistet ist, soweit dieses wirtschaftlich sinnvoll ist. Damit wird deutlich, dass die beiden grundsätzlichen Kriterien: Technische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen in jedem Fall gegeneinander bewertet werden müssen, wobei die technischen Rahmenbedingungen durch die Versorgungsqualität repräsentiert werden können. In der neuen Energiewelt muss dabei nicht mehr nur die Verbraucherseite, sondern auch die Erzeugungsseite in allen Spannungsebenen des Stromnetzes betrachtet und berücksichtigt werden. Dennoch muss die Grundproblematik in zwei Teilaspekte unterteilt

4

1 Einleitung

werden, einerseits die notwendige Netzentwicklung durch sich verändernde Rahmenbedingungen wie Lastwachstum, Zubau dezentraler Erzeugung, Entwicklung der Elektromobilität usw. Dieser Bereich wird durch Netzentwicklung und Planungsprämissen abzudecken sein. Der zweite Teilaspekt stellt die reine Erneuerung von Netzkomponenten aufgrund des Erreichens des Lebensdauerendes dieser Komponenten dar. Diese haben durch erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeiten einen starken Einfluss auf die Versorgungsqualität. Die nachfolgende Betrachtung konzentriert sich auf die Fragestellung des zweiten Teilaspektes. Die Thematik der Netzentwicklung wird in einem späteren Kapitel entsprechend detailliert aufgegriffen werden. Eine Lösung dieser Fragestellung wird heute innerhalb der Versorgungswirtschaft durch ein bereits etabliertes „Asset Management“ durchgeführt, indem nicht nur die verschiedenen Prozesse definiert, sondern zugleich auch die betrieblichen organisatorischen Strukturen entsprechend verändert werden. Beeinflusst wird dieser Prozess auch durch die Bestrebungen des „Unbundlings“, was bedeutet, dass die verschiedenen Aufgaben der ehemals integrierten Energieversorgungsgesellschaften von Erzeugung über Vertrieb zum Transport und Verteilung auch in rechtlich unabhängigen Unternehmensstrukturen ausgegliedert werden müssen. Die beiden dargestellten Rahmenbedingungen (technisch, wirtschaftlich) werden jeweils durch die Instandhaltung und die Investitionen für neue Betriebsmittel beeinflusst, jedoch ergibt sich bei dieser Betrachtung jeweils ein gegenläufiger Einfluss auf die Kosten des Gesamtsystems. Den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen den Kosten und der Versorgungsqualität zeigt beispielhaft Abb. 1.1.

Kosten

Gesamtkosten ∆K

Kosten der Anlagenqualität

Kosten der Versorgungsunterbrechung

∆V Versorgungsqualität

Abb. 1.1   Ermittlung des Kostenoptimums und der Versorgungsqualität

1.2  Entwicklung des Anlagenmanagements in Europa

5

Der Zusammenhang zwischen den Kosten und der Versorgungsqualität lässt sich wie folgt ableiten: • Kosten für Versorgungsunterbrechungen nehmen mit steigender Versorgungsqualität ab, da die Anzahl der Unterbrechungen vermindert wird und sich damit die Aufwendungen für die Behebung der Störungen (Reparaturkosten, Aufwendungen für nicht gelieferte Energie usw.) reduzieren. • Kosten der Anlagenqualität nehmen mit steigender Versorgungsqualität zu, da ein größerer Aufwand für Instandhaltung und Neuinvestitionen für die Erreichung einer besseren Versorgungsqualität erforderlich wird. Grundsätzlich kann nach Abb. 1.1 auch analytisch errechnet werden, welcher finanzielle Aufwand notwendig ist, wenn eine bestimmte Versorgungsqualität erreicht werden soll. Jedoch setzt dieses die Kenntnis der genauen Zusammenhänge voraus, was in der Praxis nur erreichbar wäre, wenn der genaue Zeitpunkt einer Störung voraussagbar ist und damit kurz vor diesem Ereignis Qualitätssicherungsmaßnahmen möglich sind. Die Aufgabe für das Anlagenmanagement besteht darin, das Optimum der Versorgungsqualität abzuleiten, was natürlich den gesetzlichen Vorgaben entsprechen muss.

1.2 Entwicklung des Anlagenmanagements in Europa Im Jahr 2000 wurde eine Broschüre der Cigre Arbeitsgruppe 37–27 veröffentlicht, die aufgrund einer Umfrage bei den Mitgliedern dieser Arbeitsgruppe eine Zusammenstellung der in Betrieb befindlichen Betriebsmittel einer Hochspannungsschaltanlage durchführten [15]. Das Ergebnis der Altersverteilung zeigt Abb. 1.2. Die Altersverteilung nach Abb. 1.2 verdeutlicht den Einfluss der unterschiedlichen Technologien auf dem Gebiet der Leistungsschaltertechnik (LS), wobei sich in den letzten Jahren ein deutlicher Technologiewandel mit Übergang von Druckluftschaltern (Luft-LS) über ölarme (Öl-LS) zu SF6-Leistungsschaltern vollzogen hat. Darüber hinaus wurden Ende der 60er-Jahre die ersten gekapselten Schaltanlagen (GIS) installiert, die heute den Stand der Technik darstellen, wenn Anlagen aufgrund der Platz- und Umgebungsverhältnisse nicht in Freilufttechnik ausgeführt werden können. Der starke Aufbau insbesondere in Mitteleuropa nach dem zweiten Weltkrieg führte dazu, dass in den 50er und 60er Jahren die Energieversorgungsnetze sehr stark ausgebaut wurden. Diese Entwicklung verstärkte sich noch in den sogenannten „Wirtschaftswunderjahren“. Damit erforderte der Lastzuwachs den weiteren Ausbau, sodass einerseits viele Geräte schon vor dem Ende der Lebensdauer aufgrund der Übertragungsfähigkeit und des technologischen Fortschritts durch neue ersetzt und andererseits neue Netze errichtet wurden. Diese Entwicklung lässt sich auch in der oben gezeigten Altersstruktur ablesen, die rückgerechnet vom Jahr 2000 die starke Investitionstätigkeit der 60er und 70er Jahre und das darauffolgende Abflachen aufzeigt. In dieser Situation stand die Befriedigung

6

1 Einleitung

10000

Bereich Lebensalter

Anzahl

8000 6000 4000 2000 0 0-5

10 SF6-LS TR

15

20

25

Öl-LS GIS

30

35

40

Luft-LS Schutz

45

50

55

60

65

Sonst. Geräte

Abb. 1.2   Anzahl der Betriebsmittel und Altersverteilung (Stand 1998) [15]

der Kundenbedürfnisse und der zeitnahe und zügige Ausbau der Infrastruktur im Vordergrund, ein Anlagenmanagement war nicht erforderlich. Im Gegensatz hierzu wird heute einerseits von einem moderaten Lastzuwachs ausgegangen, sodass es sinnvoll ist, die vorhandenen Betriebsmittel bis an das Ende der tatsächlichen technischen Lebensdauer auszunutzen, andererseits entstehen neue Herausforderungen. So sieht sich das über Dekaden entwickelte System von Erzeugungsschwerpunkten, Lastzentren und die Verbindung dieser beiden über Stromtransportnetze derzeit durch politische Weichenstellungen einer immensen Veränderung ausgesetzt. Als Beispiel hierzu mag der Beschluss Deutschlands zum Kernenergieausstieg und die anstehende Entscheidung zum Ausstieg aus der Energieerzeugung mit Kohle dienen sowie die Festlegungen im europäischen Energieregelwerk „Clean Energy for all Europeans – CEP“. Hieraus ist zu erwarten, dass es komplett veränderte geografische Erzeugungsschwerpunkte aber auch neue Technologien im Stromtransportnetz geben muss, um auch zukünftig die sichere Versorgung mit elektrischer Energie zu garantieren. Daneben verändert sich bereits seit einigen Jahren die Struktur der Versorgungsnetze insbesondere im Elektrizitäts- und Gasbereich durch die Entstehung vieler kleiner Erzeugungseinheiten. Durch die Energiewende steigt die Anzahl der Stromanwendungen auch im Wärme und Verkehrssektor um eine CO2–freie Zukunft zu gestalten. Damit steigen auch die Komplexität des Gesamtsystems und in der Folge die Anforderungen an die Infrastruktur. Wird nun nach Abb. 1.2 ein mittleres Betriebsalter der eingesetzten Geräte von ca. 40 Jahre angenommen, so zeigt sich, dass in den nächsten Jahren mit einer steigenden

1.3  Gesetzlicher Rahmen für Infrastrukturunternehmen

7

Anzahl von Ersatzinvestitionen einerseits aber aufgrund der neuen Anforderungen auch mit Neuinvestitionen zu rechnen ist. Dazu müssen für die Steuerung und Gewährleistung der Versorgungszuverlässigkeit neue Technologien entwickelt und eingesetzt werden. Das sogenannte „Smart Grid“ hat hierbei in der Entwicklung der Infrastruktursysteme eine große Bedeutung erlangt und wird nahezu inflationär als Lösung für alle zukünftigen Probleme der Energieversorgung dargestellt. Ausgehend davon, dass die Transportnetze durch ihre gute Beobachtbarkeit in den Leitwarten der Übertragungsnetzbetreiber bereits „smart“ sind, wird im Verteilungsnetz mit „Smart Grid“ der verstärkte Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie aber auch der Einsatz völlig neuer Komponenten wie z. B. der regelbare Ortsnetztransformator oder auch steuerbare Ladeeinrichtungen für Elektromobile verstanden. Dies zielt darauf ab, das Netz auch in den niederen Spannungsebenen mit der volatilen Einspeisung von regenerativen Erzeugungseinheiten (insbesondere Wind und Sonne), einem vermutlich ansteigenden Volumen an dezentralen Speichersystemen, variablen aufgrund volatiler Energiepreise marktgesteuerten Lasten und vielen weiteren Herausforderungen sicher betreiben und steuern zu können. Die bereits erwähnte, hieraus entstehende „Investitionslawine“ stellt bereits heute sehr hohe Ansprüche an die Personalressourcen der Versorgungsunternehmen, die Lieferfähigkeit von Komponentenherstellern, die Verfügbarkeit von Dienstleistern und auch an die finanzielle Leistungsfähigkeit der Investoren, da es sich hierbei um kapitalintensive und langfristige Investitionen handelt.

1.3 Gesetzlicher Rahmen für Infrastrukturunternehmen Aufgrund der grundlegenden Bedeutung von Infrastrukturen, insbesondere im Versorgungsbereich für die Gesellschaft, gibt es eine Vielzahl von gesetzlichen Regelungen, die den ordnungspolitischen Rahmen für das in letzter Konsequenz privatwirtschaftlich organisierte Infrastrukturgeschäft setzt. Diese Gesetze werden regelmäßig novelliert, um sie den aktuellen Entwicklungen anzupassen, teilweise kommen neue Gesetze hinzu. Auch hier ist es eine maßgebliche Aufgabe des Asset Managers, diese Gesetze für seine verschiedenen Aufgaben zu kennen und sein Handeln entsprechend konform auszurichten. In einem Buch ist es nicht zielführend, alle Gesetze zu beleuchten, da dies von Umweltsachverhalten bis Datenschutz nahezu alles betrifft. Dennoch sollen im Folgenden die wichtigsten Gesetze und Verordnungen beispielhaft für Deutschland genannt und Ihre Bedeutung für das Asset Management aufgezeigt werden. Ergänzend wird auch auf das energiepolitische Rahmenwerk der Europäischen Kommission eingegangen, da dies eine grundlegende und verpflichtende Bedeutung für die nationalen Regelungen innerhalb der europäischen Union hat.

8

1 Einleitung

1.3.1 Energiewirtschaftsgesetz EnWG Im Jahr 2005 wurde das deutsche Energiewirtschaftsgesetz [18] grundsätzlich neu veröffentlicht. Es bildet die gesetzliche Grundlage für alle Unternehmen, die im Energieversorgungssektor tätig sind. Damit sind natürlich auch die Betreiber von Infrastrukturen in diesem Segment betroffen und folgende wesentlichen Abschnitte sind für das Anlagenmanagement von Bedeutung: • § 1: Zweck des Gesetzes (1) Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas. (2) Die Regulierung der Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze dient den Zielen der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas und der Sicherung eines langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen. • § 11: Betrieb von Energieversorgungsnetzen (1) Betreiber von Energieversorgungsnetzen sind verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist. (1a)  Der Betrieb eines sicheren Energieversorgungsnetzes umfasst insbesondere auch einen angemessenen Schutz gegen Bedrohungen für Telekommunikationsund elektronische Datenverarbeitungssysteme, die für einen sicheren Netzbetrieb notwendig sind. Die Regulierungsbehörde erstellt hierzu im Benehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik einen Katalog von Sicherheitsanforderungen und veröffentlicht diesen. • § 49: Anforderungen an Energieanlagen (1)  Energieanlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. (2) Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik wird vermutet, wenn bei Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung und Abgabe von 1. Elektrizität die technischen Regeln des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V., 2. Gas die technischen Regeln der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e. V. eingehalten worden sind. … In diesen Passagen werden die Kriterien festgelegt, nach denen ein Asset Manager sein System entwickeln und betreiben muss. Wie schon erwähnt ist hier auch die Berücksichtigung von ökonomischen Randbedingungen explizit aufgeführt mit der Aussage soweit es wirtschaftlich zumutbar ist.

1.3  Gesetzlicher Rahmen für Infrastrukturunternehmen

9

Des Weiteren ist eine wichtige Grundlage für die Arbeit eines verantwortlichen Managers die gesetzliche Verankerung der Berücksichtigung von Normen und Standards im sogenannten „Vermutungsparagraphen 49“. Hier ist festgelegt, dass der Betreiber juristisch auf der sicheren Seite liegt, wenn das Regelwerk des jeweiligen Energiesektors nachweislich eingehalten wird bzw. die korrekte Interpretation dieses Regelwerkes durch Sachverständige in den Entscheidungen zugrunde gelegt wurde. Sagt das Regelwerk zu einem bestimmten Sachverhalt nichts aus, so ist es entsprechend hilfreich über weitergehende Erfahrungen wie z. B. Expertengruppen internationaler Organisationen wie Cigré, Cired oder wissenschaftliche Studien Argumentationen als Grundlage für die anstehenden Entscheidungen zu schaffen. Damit kann gegebenenfalls gegenüber einer Aufsichtsbehörde oder schlimmstenfalls der Justiz die Einhaltung der „allgemeinen Regeln der Technik“ bestätigt werden.

1.3.2 Anreizregulierungsverordnung ARegV In der Vergangenheit wurden die Erlöse eines Versorgungsunternehmens aufgrund des Monopols auf der Basis einer Kalkulation sämtlicher Ausgaben (Investitions- und Betriebskosten) ermittelt, einschließlich eines angemessenen Betrags für das eingesetzte Kapital. Mit der Verabschiedung der Anreizregulierungsverordnung ARegV [16] im Jahr 2007 (zuletzt novelliert in 2019) wurde dieses System vollständig ersetzt. Durch den Übergang zur Anreizregulierung werden Erlösobergrenzen vorgegeben, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Anlass für den Einsatz der Anreizregulierung war, der, in den Augen der Politik, grundsätzlich fehlende Effizienzdruck der Unternehmen in den Zeiten vor der Regulierung, da als Folge der Kostenerstattung für sämtliche Netzaufwendungen der Anreiz fehlte, kostenoptimal die Versorgung sicherzustellen. Die Anreizregulierung dient somit in einem aufgrund der technischen Rahmenbedingungen grundsätzlichen Monopolmarkt Wettbewerbsbedingungen einzuführen, da es für neu eintretende Wettbewerber nicht sinnvoll ist, eine parallele Infrastruktur vorzuhalten, die in der Errichtung auch noch äußerst kapitalintensiv ist. Nach gesetzlicher Festlegung [8] begann die erste Regulierungsperiode am 1. Jan. 2009, wobei diese Periode fünf Jahre dauert und damit die zweite Regulierungsperiode am 1. Jan. 2014 startete. Der wesentliche Bestandteil der Verordnung besteht darin, dass eine Erlösobergrenze festgeschrieben wird, die die zulässigen Gesamterlöse eines Netzbetreibers festlegen. Diese Erlösobergrenze bestimmt sich nach Gl. (1.1), wobei der Einfluss eines Qualitätselementes Qt erst in weiteren Regulierungsperioden umgesetzt werden soll:     VPIt − PFt · EFt + Qt (1.1) EOt = KAdnb,t + KAvnb,0 + (1 − Vt ) · KAb,0 · VPI0 Die verschiedenen Parameter nach der Gl. (1.1) definieren sich wie folgt:

10

EOt KAdnb,t  KAdnb,0 Vt KAb,0 VPIt VPI0 PFt EFt Qt 

1 Einleitung

Erlösobergrenzen aus Netzentgelten d auerhaft nicht beeinflussbarer Kostenanteil vorübergehend nicht beeinflussbarer Kostenanteil Verteilungsfaktor für den Abbau von Ineffizienten beeinflussbarer Kostenanteil Verbraucherpreisgesamtindex Verbraucherpreisgesamtindex (Statistisches Bundesamt) Produktivitätsfaktor Erweiterungsfaktor Zu- und Abschläge auf die Erlösobergrenzen (Qualitätselement)

Für eine Beurteilung, welche Kosten nach Gl. (1.1) für den Asset Manager von Interesse sind, ist eine detaillierte Beschreibung einiger Größen wesentlich: • Dauerhaft nicht beeinflussbarer Kostenanteil, z. B.: – gesetzliche Abnahme- und Vergütungsverpflichtungen, – Konzessionsabgaben, – Betriebssteuern, – Ausgaben des genehmigten Investitionsbudgets, hierzu gehören Ausgaben für Investitionen, die zur Stabilität, der Einbindung in das Gesamtsystem bzw. Verbundnetz oder einem bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes dienen, – erforderliche Inanspruchnahme vorgelagerter Netzebenen, – Vergütungen für dezentrale Einspeisungen (Erzeugung), – Berufsausbildung und Weiterbildung usw. • Vorübergehend nicht beeinflussbarer Kostenanteil: Dieses Kosten werden aus den Gesamtkosten ermittelt, wenn der Netzbetreiber Besonderheiten bezüglich seiner Versorgungsaufgabe nachweisen kann. • Beeinflussbarer Kostenanteil: Diese sind die Kosten, die nicht den beiden oben definierten Kostenanteile zugeordnet werden können, hierzu gehören beispielhaft die Reparatur- und Instandhaltungskosten der Netze. Die Aufwendungen für die Instandhaltung der Versorgungsnetze stellt somit eine wesentliche Kostengröße dar, die vom Asset Manager zu beeinflussen ist. Grundsätzlich ist es möglich, durch eine Vergrößerung der Wartungsintervalle Kosten zu sparen, jedoch wird dieses u. U. zu einer Verschlechterung der Versorgungszuverlässigkeit führen. Zur Kontrolle der Netzzuverlässigkeit ist in der Anreizregulierung ein Qualitätselement ([16], § 19) enthalten, um eine ausreichende Zuverlässigkeit zu gewährleisten. Durch die Einführung des Q-Elementes soll die Netzzuverlässigkeit, Sicherheit und Versorgungsqualität gewährleistet sein, da der Netzbetreiber den Anreiz hat, durch die Einhaltung der Qualitätsvorgaben einen höheren Erlös genehmigt zu bekommen. Die Bewertung der Netzzuverlässigkeit kann hierbei nach ([16], § 20) durch folgende Kriterien erfolgen:

1.3  Gesetzlicher Rahmen für Infrastrukturunternehmen

• • • •

11

Dauer der Unterbrechung der Energieversorgung, die Häufigkeit der Unterbrechung der Energieversorgung, die Menge der nicht gelieferten Energie und die Höhe der nicht gedeckten Last.

Werden die oben aufgeführten Kriterien, bezogen auf den Durchschnitt der gesamten Versorgung, unter- oder überschritten, so werden seitens des Regulators Zu- oder Abschläge auf die Erlösobergrenze vorgenommen (Qt). Trotz der vielfältigen Regulierungsvorgaben, ist grundsätzlich zu beachten, dass der Versorgungsnetzbetreiber in einer privatwirtschaftlichen Marktstruktur die letztendliche Verantwortung für den Netzbetrieb hat.

1.3.3 Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien EEG Erstmalig im Jahr 2000 wurde der Umgang mit erneuerbaren Energien gesetzlich geregelt und das „Erneuerbare Energien Gesetz“ EEG [10] verabschiedet. Dieses Gesetz war auch der Namensgeber der sogenannten EEG-Umlage, die Endverbraucher mit jeder Kilowattstunde entrichten müssen, um die Förderung der Erzeugung elektrischer Energie aus Wind und Sonne zu ermöglichen. Seither gab es viele Entwicklungen und damit zahlreiche Neufassungen (letzte 2017) und Novellierungen (letzte 2019), um den Anforderungen der fortschreitenden Energiewende zu folgen. Das EEG verfolgt das Ziel einer nachhaltigen Versorgung mit Energie insbesondere durch definierte Zielquoten für den Anteil erneuerbarer Energien. Prägnant ist dabei die Zielquote für Deutschland von 80 % im Jahr 2050. Da diese Anlagen an die Infrastruktur angeschlossen werden müssen und eine besondere Rolle im Energiesystem zugewiesen bekommen haben, gibt es wesentliche Paragrafen und Passagen, die für Netzbetreiber und damit Anlagenmanager von Bedeutung sind. • § 8 Anschluss: (1) Netzbetreiber müssen Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien und aus Grubengas unverzüglich vorrangig an der Stelle an ihr Netz anschließen, die im Hinblick auf die Spannungsebene geeignet ist und die in der Luftlinie kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage aufweist, wenn nicht dieses oder ein anderes Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist; bei der Prüfung des wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkts sind die unmittelbar durch den Netzanschluss entstehenden Kosten zu berücksichtigen… (4) Die Pflicht zum Netzanschluss besteht auch dann, wenn die Abnahme des Stroms erst durch die Optimierung, die Verstärkung oder den Ausbau des Netzes nach § 12 möglich wird.

12

1 Einleitung

• § 11 Abnahme, Übertragung und Verteilung: (1) Netzbetreiber müssen vorbehaltlich des § 14 den gesamten Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Grubengas, der in einer Veräußerungsform nach § 21b Absatz 1 veräußert wird, unverzüglich vorrangig physikalisch abnehmen, übertragen und verteilen… • § 12 Erweiterung der Netzkapazität: (1) Netzbetreiber müssen auf Verlangen der Einspeisewilligen unverzüglich ihre Netze entsprechend dem Stand der Technik optimieren, verstärken und ausbauen, um die Abnahme, Übertragung und Verteilung des Stroms aus erneuerbaren Energien oder Grubengas sicherzustellen. (2) Die Pflicht erstreckt sich auf sämtliche für den Betrieb des Netzes notwendigen technischen Einrichtungen sowie die im Eigentum des Netzbetreibers stehenden oder in sein Eigentum übergehenden Anschlussanlagen. (3) Der Netzbetreiber muss sein Netz nicht optimieren, verstärken und ausbauen, soweit dies wirtschaftlich unzumutbar ist. § 11 Absatz 2 des Energiewirtschaftsgesetzes ist entsprechend anzuwenden. Mit diesen Festlegungen werden insbesondere den Planungs- und Netzentwicklungsbereichen im Anlagenmanagement die Handlungsfreiheit einer langfristigen strategischen Entwicklung eines Netzes dahin gehend beschränkt, dass sie quasi ad hoc auf Anschlussbegehren von Anlageninvestoren reagieren mussten. Dies hat insbesondere in den Boomjahren nach 2010 für große Ausbauvolumen im Verteilungsnetz gesorgt, die weder strategisch in einen Entwicklungsplan aufgenommen werden konnten noch eine zuverlässige vorausschauende Finanzplanung im Anlagenmanagement zuließen. Hinzu kommt der sogenannte Einspeisevorrang der Erneuerbaren, der große Anstrengungen in der Bilanzierung und Stabilisierung des Netzes bis heute erfordert. Durch ein in § 14 definiertes Einspeisemanagement besteht ein gewisses Optimierungspotenzial, welches sich der Anlagenmanager aber durch die Entwicklung entsprechender Mess-Sensorik und Automatisierungstechnik erschließen muss. Grundsätzlich verbleibt aber die Pflicht, ausreichende Anschlussnetzkapazitäten sicher zu stellen und auch das Netz bis auf die Ebene des grenzüberschreitenden Transportes auszubauen. Dabei liegt gemäß § 17 auch die Finanzierung eines derartigen Ausbaus in der Verantwortung der Netzbetreiber.

1.3.4 Gesetz über den Messstellenbetrieb und die Datenkommunikation in intelligenten Energienetzen MSbG Dieses Gesetz, in der Kurzform auch Messstellenbetriebsgesetz [11] genannt, hat die Zielsetzung, intelligente Messsysteme (incl. Zähler) auch als Grundlage für Netzbetriebsoptimierungen in Deutschland einzuführen und dabei ein Höchstmaß an Datensicherheit zu garantieren. Ursprünglich geplant als Verordnung wurde das Thema nach vielen Jahren der Diskussion am 29.08.2016 als Gesetz veröffentlicht. Vorbild in

1.3  Gesetzlicher Rahmen für Infrastrukturunternehmen

13

der grundsätzlichen Einführung von intelligenten Zähler waren Italien und Schweden, wo diese Technik mittlerweile in der 2. oder 3. Generation flächendeckend zum Einsatz kommt. Die angenommene Bedeutung für das Netz und damit den Anlagenmanager lässt sich in der ursprünglichen Cost-Benefit-Analyse für die Einführung in Deutschland erschließen, die der Technologie einen derart großen Einfluss auf die Netzausbauund Betriebsprozesse zugewiesen hat, dass die Einsparungen in diesen Bereichen einen großen Teil der Einführungskosten abdecken sollte. Neben der Definition der Messstellenbetriebsorganisation und Festlegungen für die Kundenbeziehungen inclusive der Vertragsbeziehungen sind in dem Gesetz wesentliche für den Anlagenmanager bedeutende Festlegungen und Begriffsbestimmungen enthalten. • § 1 Anwendungsbereich: Dieses Gesetz trifft Regelungen 1. zur Ausstattung von Messstellen der leitungsgebundenen Energieversorgung mit modernen Messeinrichtungen und intelligenten Messsystemen, … 4. zu technischen Mindestanforderungen an den Einsatz von intelligenten Messsystemen, … 5. zur energiewirtschaftlichen Datenkommunikation und zur allgemeinen Datenkommunikation mit Smart-Meter-Gateways, … • § 2 Begriffsbestimmungen: 7. Intelligentes Messsystem: eine über ein Smart-Meter-Gateway in ein Kommunikationsnetz eingebundene moderne Messeinrichtung zur Erfassung elektrischer Energie, das den tatsächlichen Energieverbrauch und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegelt … 16. Netzzustandsdaten: Spannungs- und Stromwerte und Phasenwinkel sowie daraus errechenbare oder herleitbare Werte, die zur Ermittlung des Netzzustandes verwendet werden können. • § 50 Zulässigkeit und Umfang der Erhebung: 4. zur Wahrnehmung einer Aufgabe des Netzbetreibers, die in Ausübung ihm übertragener hoheitlicher Befugnisse erfolgt. Die Technischen Anforderungen des Gesetzes und die Bestimmungen zum Umgang mit Daten zielen darauf ab, das in letzter Konsequenz nur noch Daten aus dem intelligenten Messsystem für die Netzführung und dann auch die Automatisierung in intelligenten Netzen der regulierten Netzbetreiber genutzt werden soll. Darauf weist der Begriff der „hoheitliche Befugnisse“ in § 50 hin. Wenn dieses Konzept entsprechend ausgerollt würde, stünden den Netzbetreibern auf allen Ebenen die Informationen zur Verfügung, um das Netz möglichst effizient zu betreiben und damit dem Anlagenmanager mit historischen Zustandsdaten und einer Voraussage in die Zukunft seine Netzentwicklungsstrategie mit allen Flexibilitätspotenzialen optimal zu angelegten Bedingungen für einen verpflichtenden Rollout dieser Technologie im Netz nicht erfüllt, es fehlt derzeit die Markterklärung, mit der die Verfügbarkeit von zertifizierten Smart Meter Gateways von

14

1 Einleitung

drei verschiedenen Herstellern bestätigt wird. Das Gesetz und seine Umsetzung ist ein Negativbeispiel für einen technisch ungeklärten Ordnungsrahmen mit den bei Behörden möglichen Klärungszeiten. Dies führt zu einer großen Unsicherheit bei den Investitionsentscheidungen und damit weitgehendem Stillstand bei der technologischen Weiterentwicklung der Netzbetreiber und der Zählerhersteller. Der positive Einfluss dieser Informationsmöglichkeiten im Netz lässt sich international jedoch an vielen Beispielen darstellen und ist daher nach wie vor ein wichtiges Entwicklungsfeld für Digitalisierung und Automatisierung im Anlagenmanagement.

1.3.5 IT-Sicherheitskatalog IT-SIKAT Der IT-Sicherheitskatalog für Energieanlagen nach § 11 Absatz 1b EnWG [6] ist von der Bundesnetzagentur verbindlich festgelegt, basiert gesetzlich auf dem Energiewirtschaftsgesetz und ist somit für alle Netzbetreiber verpflichtend umzusetzen. Hiermit verbunden ist die Pflicht zu einem bestimmten Stichtag ein entsprechendes Audit mit einer damit verbundenen Zertifizierung nachzuweisen. Der Katalog ist anzuwenden auf alle ITAnlagen, die nach einer Festlegung, der sogenannten KRITIS-Verordnung, des Bundesamtes für Sicherheit in der Energieversorgung BSI betriebsnotwendig für den Betrieb kritischer Energieversorgungsanlagen sind. Damit soll ein angemessener Schutz dieser Anlagen gegenüber informationstechnischen Angriffen gewährleistet werden. Einige Beispiele für Angriffe auf Energieunternehmen weltweit, erstmals auf kerntechnische Anlagen im Iran und später die Unterbrechung der Energieversorgung in der Ukraine, zeugen von der Verwundbarkeit und Kritikalität dieser Technologie. Der Katalog definiert die drei folgenden Schutzziele: • Verfügbarkeit – beinhaltet die Zugänglichkeit und gesicherte Nutzbarkeit der zu schützenden Systeme. • Integrität – bedeutet die Richtigkeit und Vollständigkeit der zu nutzenden Daten sowie die korrekte Funktionsweise der Systeme. • Vertraulichkeit – zielt auf den Dateninhalt ab, der unberechtigten Personen nicht zugänglich sein darf. Um diese Schutzziele zu erreichen, schreibt der Sicherheitskatalog die Einrichtung eines Informationssicherheitstechnischen Managementsystems ISMS vor, welches als zentrales Instrument alle Maßnahmen überwacht. Dieses Managementsystem kann an verschiedenen Stellen innerhalb eines Unternehmens angesiedelt sein, betrifft aber den Anlagenmanager an mehreren Stellen direkt in seiner Funktion als Verantwortlicher für Standards und Spezifikationen aber auch in der Beauftragung des Asset Service. Da unter IT-Anlagen sowohl die Telekommunikationseinrichtungen inklusive Fernwirkverbindungen als auch die sekundärtechnischen Anlagen wie Schutz- und Leittechnik fallen, müssen in den zugehörigen Spezifikationen Mindestsicherheitsmaßnahmen festgelegt sein, die diesen

1.3  Gesetzlicher Rahmen für Infrastrukturunternehmen

15

Schutzzielen genügen. Insbesondere die Verwendung von Passwörtern, deren Änderbarkeit und der Zugriff auf diese Systeme über Netzverbindungen bedürfen einer genauen Betrachtung der Absicherung. Ein weiterer großer Schwerpunkt ist die Zugänglichkeit der Systeme in den Anlagen und damit der Zutrittsschutz (Zaunanlagen, Schließanlagen, Kameraüberwachung Einbruchsmeldesysteme usw.) zu diesen Anlagen selbst. Hier muss der Anlagenmanager ein ausgewogenes System von aktivem und passivem Zutrittsschutz definieren und dessen Umsetzung in Bau und Betrieb mit dem Asset Service veranlassen. In diesem Bereich ist je nach Ausgestaltung ein kostenintensiver Teil des Anlagenmanagements neu entstanden, der insbesondere in der Designphase von Anlagen berücksichtigt werden sollte, um teure Nachrüstungen weitgehend zu vermeiden. Dabei muss das System aber auf jeden Fall die Anforderungen im Rahmen eines Audits erfüllen, um die verpflichtende Zertifizierung zu erhalten.

1.3.6 Clean Energy Package CEP der EC Mit der Verabschiedung der 1. Binnenmarktrichtlinie der europäischen Kommission zur Einführung eines Energiemarktes in Europa im Jahr 1995 begann die Regulierung dieses Sektors übergreifend über alle Mitgliedsstaaten. Dieser ordnungspolitische Rahmen entwickelte sich mit der Zeit zu einem Konstrukt aus verschiedenen Richtlinien und Verordnungen, die mit der Besonderheit einhergehen, dass sie Gesetzescharakter haben. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, die Regelungen aus den Richtlinien innerhalb eines definierten Zeitraumes in nationales Recht zu überführen, die Inhalte der Verordnungen gelten unmittelbar nach Veröffentlichung. Damit wird das Ziel verfolgt, europaweit einheitliche Bedingungen für den Energiemarkt zu schaffen. Während in der ersten Richtlinie noch die Trennung der verschiedenen Geschäftsbereiche von Netze, Erzeugung, Vertrieb und Handel festgelegt wurden (siehe auch Abb. 1.4), hat sich in der Zwischenzeit ein komplexes Regelwerk ergeben, welches in der Verabschiedung eines novellierten Pakets im Juni 2019 für den Elektrizitätsbinnenmarkt seine vorläufige finale Fassung gefunden hat. Im Jahr 2020 soll eine ähnliche Novellierung für den Gasbinnenmarkt erfolgen, wobei absehbar ist, dass sich diese beiden Sektoren mittelfristig deutlich annähern werden. Das novellierte Paket trägt den offiziellen Titel „Clean Energy for all Europeans“ wird aber in Kurzform mit „Clean Energy Package CEP“ bezeichnet. Es besteht aus insgesamt acht Bausteinen, die in Abb. 1.3 dargestellt sind. Die Gesetzestexte sind über die Internetseiten der europäischen Kommission [9] abrufbar. Die Richtlinien stellen die von der Kommission gewollte politische Entwicklung in Stromeuropa dar, wie z. B. die aus der ersten Strombinnenmarktrichtlinie stammende Festlegung zum „Unbundling“ der einzelnen Geschäftsfunktionen im Stromgeschäft. In ähnlicher Form werden grundsätzliche Entwicklungen auf den Gebieten der Erneuerbaren Energien, der Gebäudeeffizienz und der Energieeffizienz beschrieben. Diese Regelungen sind in erster Näherung für das Anlagenmanagement wenig bedeutsam

16

1 Einleitung

EU-Richtlinien

EU-Verordnung

Umsetzung durch nationale Gesetzgebung

Unmittelbar geltendes Recht in allen EU-Mitgliedsstaaten

Strombinnenmarktrichtlinie

ACER Verordnung

RL(EU) 2019/944

Erneuerbare Energien Richtlinie RL(EU) 2018/2001

VO(EU) 2019/943

VO(EU) 2019/942

Energieeffizienzrichtlinie

Gebäudeeffizienzrichtlinie

Risikovorsorgeverordnung

RL(EU) 2018/2002

RL(EU) 2018/844

VO(EU) 2019/941

Energie-Union Governanceverordnung VO(EU) 2018/1999

Strombinnenmarktrichtlinie

Abb. 1.3   Bausteine des Clean Energy Package (CEP) der EC

und müssen zudem noch in nationales Recht überführt werden, was in der Regel mit den Interpretationen der Energiestrategie des jeweiligen Mitgliedstaates einhergeht. Daher wird auf die Richtlinie an dieser Stelle nicht näher eingegangen. Die Relevanz der einzelnen Verordnungen des insgesamt einige hundert Seiten starken Paktes für den Anlagenmanager soll dagegen hier kurz beleuchtet werden. • Strombinnenmarktverordnung Die Strombinnenmarktverordnung steht sozusagen im Zentrum des CEP und beschreibt mehrere neue strategische Ausrichtungen der Kommission. Einen Schwerpunkt der Festlegungen betreffen Handelsfunktionen, Definitionen von Gebotszonen und den Umgang mit Netzengpässen im europäischen Markt. Diese Passagen sind ebenso wie die hinterlegten Erlösmechanismen für den Anlagenmanager eher nicht von Belang. Eine wichtige Festlegung besteht in der Definition neu zu schaffender „Regional Coordination Center RCC“ (regionaler Koordinierungszentren), die regelzonenübergreifend Kapazitäts- und ggf. Stabilitätsberechnungen durchführen sollen. Diese Berechnungen sind in täglichen Absprachen mit den in der Region tätigen Übertragungsnetzbetreiber abzustimmen und gelten als Basis für den Systembetrieb. Dies ist insbesondere für die Planungsaufgabe des Anlagenmanagers von Bedeutung, da explizit festgelegt wird, das unterschiedliche Planungsprämissen der einzelnen Netzbetreiber nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen dürfen. D. h. hier ist die Verpflichtung für alle Verantwortlichen im Übertragungsnetz angelegt,

1.3  Gesetzlicher Rahmen für Infrastrukturunternehmen

17

zumindest in Grundzügen einheitliche und abgestimmte Planungsprämissen zum Einsatz zu bringen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Definition und Festlegung einer Vielzahl von Grundsätzen in Artikel 3, nach denen die Netzbetreiber ihren Betrieb durchführen müssen. Dabei unterstützen soll ein System aus Netz-Kodizes, welches in Artikel 58 beschrieben ist. Diese Kodizes sind durch den europäischen Verband Entso-E auszuarbeiten, in Zusammenarbeit mit den weiteren „Stakeholdern“ der Energieversorgung, und die Netzbetreiber müssen ihren Betrieb zwingend an diesen ausrichten. Damit ist ein enger Rahmen aus europäischen Standards für die Strategieentwicklung im Anlagenmanagement vorgegeben. • ACER Verordnung Hier wird die Funktion der europäischen Agentur der Regulatoren beschrieben. Die wesentliche Aufgabe in der Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern besteht im Monitoring der Netzplanungs- und Netzausbauaktivitäten für den grenzüberschreitenden Energietransport mit dem Verband der Übertragungsnetzbetreiber EntsoE und der Systemführung inclusive Handelsabwicklung, gemeinsam mit den, in der Binnenmarktverordnung definierten, regionalen Koordinierungszentren. Aufgrund der immer stärkeren Verflechtung der Verteilnetzbetreiber in der Energiewende, mit Entwicklung von Smart Grids, massiver dezentraler Erzeugung usw. wird hier auch die Zusammenarbeit mit dem neu zu schaffenden europäischen Verband der Verteilnetzbetreiber (EU-DSO) definiert. Die Relevanz dieser Verordnung für die Netzbetreiber besteht vor allem in der sicheren Vorhaltung entsprechender Planungsstrategien mit ausreichenden für ACER akzeptablen Begründungen. Damit sind hier die Anlagenmanagementfunktionen Netzplanung und Entwicklungsstrategie besonders im Fokus. • Risikoverordnung Aufgrund der Bedeutung der Elektrizitätsversorgung für die Gesellschaft beschreibt die Risikovorsorgeverordnung die Rollen und Vorgehensweise der verschiedenen Verantwortlichen für den Fall einer Krisensituation. Dazu gehört auch die frühzeitige Erkennung des Risikos zum Entstehen einer derartigen Situation durch Vorschaurechnungen, die insbesondere das Vorhandensein ausreichender Erzeugungskapazitäten zur jederzeitigen Lastdeckung zum Gegenstand haben. Die Verordnung weist dabei die Verantwortung für die Durchführung derartiger Rechnungen eindeutig den Transportnetzbetreibern in ihren jeweiligen Regelzonen, bzw. dem europäischen Verband der Transportnetzbetreiber Entso-E für die europaweite Betrachtung. Die Bedeutung für den Anlagenmanager ist hier eher gering, da er kaum Möglichkeiten hat, dieses Thema strategisch zu beeinflussen, hier ist ein Mechanismus zur Schaffung ausreichender Erzeugungseinheiten – national aber auch europaweit – erforderlich. • Energie-Union-Governance-Verordnung Diese Verordnung beschreibt die Funktion der Europäischen Kommission in der Wahrnehmung der Governance-Funktion und hat keine direkte Relevanz für Netzbetreiber bzw. Anlagenmanager.

18

1 Einleitung

1.4 Motivation für ein Anlagenmanagement Die langfristige Sicherstellung einer zuverlässigen Netzinfrastruktur – eine Forderung des Energiewirtschaftsgesetzes [18] – ist eine bedeutende Aufgabe des Asset Managements. Neben der Berücksichtigung der verschiedenen Einfluss- und Zielgrößen der unterschiedlichen Interessengruppen, ist dabei die ganzheitliche Betrachtung des Asset Management Prozesses zwingend notwendig. Die Hauptaufgabe ist somit die langfristige Ertragsoptimierung bei gleichzeitig hohem Versorgungsstandard und akzeptablen Risiken. Ausgehend von den unterschiedlichen Definitionen und Tätigkeitsfeldern der am Asset Management Prozess Beteiligten können verschiedene Modelle hinsichtlich der betrieblichen Umsetzung gewählt werden. Zudem ist ein integrierter und vernetzter Informations- und Entscheidungsfluss erforderlich, um so eine Stringenz und Durchgängigkeit von der Erstellung einer Asset-Strategie für das gesamte Netz bis zur Umsetzung einer konkreten Maßnahme bei einem Betriebsmittel zu ermöglichen. Die Märkte für leitungsgebundene Energien (Gas, Elektrizität) sind in Deutschland durch die Energierechtsnovelle 1998 [12] geöffnet worden. Bis zu diesem Zeitpunkt besaßen die Versorgungsunternehmen in ihren Versorgungsgebieten ein kartellrechtlich freigestelltes Monopol. Weiterführende gesetzliche Regelungen wurden durch die Energierechtsnovelle 2003 [8] festgelegt, in der die Änderungen den ungehinderten Zugang Dritter zu den Versorgungsnetzen betrafen, um den Wettbewerb zu intensivieren. Durch das Inkrafttreten der Energierechtsnovelle am 13. Juli 2005 [18] erfolgte der Übergang vom verhandelten zum regulierten Netzzugang. Grundlage ist, dass die Erlöse nicht mehr zwischen den am Markt beteiligten Gruppen verhandelt, sondern durch gesetzliche Vorgaben (Regulator) vorgegeben werden. Diese Festlegungen wurden in der bereits diskutierten Anreizregulierungsverordnung [16] getroffen. Wesentlich für den Wettbewerb sind die Bestimmungen zur Entflechtung des Netzbetriebs, das sogenannte „Unbundling“. Hierbei sind die Versorgungsnetzbetreiber in rechtlich selbstständige Einheiten zu überführen, wobei Ausnahmeregelungen für kleinere Versorgungsunternehmen möglich sind. Abb. 1.4 zeigt als Folge der zeitlichen Entwicklung den Übergang von einem integrierten Versorgungsunternehmen, zu einem Verbund von verschiedenen Teilen, indem in Abhängigkeit des Know-hows verschiedene Bereiche separat betrieben werden können. Ausgehend von einem Unternehmen, welches alle Aufgaben abdeckte, werden heute die unterschiedlichen Funktionen durch klar abgegrenzte Einheiten bedient, die wie folgt definiert sind: • Netze Transport, • Netze Verteilung, • Messen und Abrechnen, • Vertrieb, • Handel, • Erzeugung.

1.4  Motivation für ein Anlagenmanagement

Integriertes Versorgungsunternehmen

Netz und Vertrieb

19

Netz

Netzbesitzer

Netzbesitzer (Asset Owner)

Netzmanager

Netzmanager

Bearbeitungstiefe

(Asset Manager)

Vertrieb & Handel Erzeugung

Erzeugung

Netzservice / Dienstleistungen

Netzservice Dienstleistungen

Vertrieb

Vertrieb

Handel

Handel

Erzeugung

Erzeugung

(Service Provider)

Zeit Abb. 1.4   Zeitliche Entwicklung der Versorgungsunternehmen

Dem Infrastrukturteil im Übertragungsbereich von Strom und Gas wurden hierbei verschärfte eigentumsrechtliche Bedingungen für die Entflechtung vorgegeben. Strom-Übertragungsnetzbetreiber und Gas-Fernleitungsnetzbetreiber müssen vollständig unabhängig von anderen Unternehmen im Energiesektor sein – auch und insbesondere von Verteilnetzbetreibern. Politisch gewollt war hierbei die eigentumsrechtliche Trennung. In Deutschland wurde aber der Sonderfall der „Independent Transmission System Operator ITO“ geschaffen, bei dem das Eigentum in einem Konzern verbleiben kann, von dort aber keinerlei Einfluss auf das operative Geschäft genommen werden darf. Die interne Organisation in den Netzbereichen weiter auf drei Hauptfunktionen im Sinne eines Rollenmodells unterteilen: • Netzbesitzer (Asset Owner), • Netzmanager (Asset Manager), • Netzservice, Dienstleistungen (Service Provider). Aufgrund der oben beschriebenen Änderung der gesetzlichen Vorgaben werden neue Geschäftsmodelle mit entsprechenden Führungsprozessen und Steuerungsfunktionen entwickelt, um den neuen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.

20

1 Einleitung

1.5 Herausforderungen der Versorgungsnetzbetreiber Als Folge der gesetzlichen Vorgaben und der vielfältigen technischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, ergeben sich für den Versorgungsnetzbetreiber permanent wesentliche Herausforderungen, welche die Infrastruktur sehr stark beeinflussen werden. Hierzu gehören: • • • • • • • • • • • • •

Sicherstellen der Versorgungszuverlässigkeit, Sicherstellen der Systemsicherheit, Einbindung dezentraler Einspeisung (Erzeugung), Einbindung von Offshore Windparks, Antizipieren der Energiewende mit Kernenergie- und Kohleausstieg, Änderung des Lastverhaltens mit Speicher, Elektromobilität usw., „Unbundling“ der unterschiedlichen Bereiche, Beachtung der regulatorischen Vorgaben, Sicherstellung einer preiswerten Energieübertragung, Optimierung der Erlös- und Gewinnsituation, Optimierung der Instandhaltung, schonender Umgang mit den vorhandenen Ressourcen, Steuerung der Ersatzinvestitionen von Betriebsmitteln (Ende der technischen Lebensdauer), • Einbindung von Informations- und Kommunikationstechnik zur Steuerung der Netze und zur Datenübertragung der Messgeräte, • Definition von Zielnetzen. Das wesentliche Kriterium hierbei ist, das sich immer mehr verschiedene aktuelle Trends überlagern und einer Lösung gefunden werden muss, mit der die oben aufgeführten Herausforderungen bedient werden können. Zu diesen Trends zählen: • • • • • •

Verstärkte Wettbewerbsbedingungen, ansteigender Investitionsbedarf in den nächsten Jahren, Einbindung von regenerativen elektrischen Energiequellen (Wind, Sonne), erhöhter Speicherbedarf für den Ausgleich der fluktuierenden Energieerzeugung, volatile Laststeuerung aufgrund der Strompreisentwicklung, neue Technologien/Digitalisierung im Netzbetrieb.

Die oben beschriebenen Teilaufgaben stellen eine besondere Beanspruchung hinsichtlich der vorhanden Ressourcen nicht nur für die am Prozess beteiligten Personen dar, sondern auch für die finanziellen Mittel eines Versorgungsunternehmens. Grundsätzlich besteht keine Notwendigkeit, sämtliche Aufgaben innerhalb eines Unternehmens abzudecken. Dieses hängt von den zur Verfügung stehenden Kompetenzen ab,

1.6  Tätigkeiten des Asset Management

21

die deshalb auch dann als Konsequenz ständig vorgehalten werden müssen. In vielen Fällen kann es aus diesem Grunde besser sein, verschiedene Leistungen öffentlich auszuschreiben, um wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu haben.

1.6 Tätigkeiten des Asset Management Im Weiteren werden mit dem Begriff „Asset Management“ alle Tätigkeiten des gesamten Prozesses in Bezug auf Infrastrukturanlagen verstanden. Im Gegensatz hierzu nimmt der „Asset Manager“ ausschließlich die Tätigkeiten wahr, die im Folgenden beschrieben werden. Die Entwicklung, Steuerung und Optimierung der technischen Anlagen eines Unternehmens wird über einen Entscheidungsprozess geführt, an dem folgende Bereiche mit unterschiedlichen Interessen und Aufgaben beteiligt sind. Diese Bereiche stellen die Grundlage eines dreigeteilten Rollenmodells dar [1, 2, 7]. • Der „Asset Owner“ vertritt die Funktion des wirtschaftlichen Eigentümers der Betriebsmittel/Assets, wobei dies auch über Pachtmodelle möglich ist. Er gibt die grundlegenden Prämissen bezüglich Qualität, akzeptablen Risiken, Versorgungszuverlässigkeit, Anlagensubstanz und Finanzierung vor, sodass die Basisstrategien festgelegt sind. Er ist der Ansprechpartner gegenüber dem Regulator und macht auch das Regulierungsmanagement. Der Asset Owner ist somit der Auftraggeber des Asset Managers und genehmigt das Gesamtbudget für die verschiedenen Netzebenen. • Der „Asset Manager“ definiert auf den grundlegenden Vorgaben des Asset Owners technische Einzelstrategien, hauptsächlich auf den Gebieten Netzentwicklung, Investition und Instandhaltung. Er ist somit verantwortlich für die Umsetzung der Vorgaben des Asset Owners in einen Arbeitsplan zur Erfüllung der Ziele. Der Asset Manager identifiziert die notwendigen Maßnahmen und veranlasst die Umsetzung auf der Basis technischer Standards, deren Festlegung ebenfalls in seinen Aufgabenbereich gehört. Abschließend muss er ein entsprechendes Controlling seiner Maßnahmen bezüglich Geldeinsatz und Versorgungsqualität aufsetzen, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu ermitteln und ggf. Korrekturen in den Strategien und Standards vorzunehmen. Die Aufgabe des Asset Managers ist es somit, das Optimum zwischen den folgenden Problemkreisen zu suchen: geschäftliches Risiko, Netzverfügbarkeit und finanzielle Ausgaben zur Erhaltung der Netzsubstanz. Für die operative Umsetzung setzt er als Auftraggeber den Service Provider ein. • Der „Service Provider“ führt sämtliche Dienstleistungen hinsichtlich der Abwicklung des Netzbetriebs und der Durchführung von Projekten im Auftrage des Asset Managers durch, hierbei können im Einzelnen zwei Fälle unterschieden werden: – „Support Service Provider“; stellt allgemeine Dienstleistungen, wie z.  B. Finanzierung, Einkauf und Informationstechnik, zur Verfügung.

22

1 Einleitung

– „Asset Worker“; zuständig für die operativen technischen und betrieblichen Abläufe, wie z. B. Anlagenbetrieb, Projektierung und Bauausführung. Darüber hinaus sind vielfältige Grundleistungen (z. B. Dokumentation, Pflege von Datenbanken und Stellungnahmen) und die Ermittlung von Zuständen und Anforderungen als Grundlage für die Ableitung der Budgets zu erbringen. Die Arbeitsgruppe TF 23.18 der Cigre führte im Jahr 2000 eine Umfrage bei ihren Mitgliedern über die Aufgaben der am Entscheidungsprozess Beteiligten durch, wie sie oben definiert sind. Das Ergebnis der Befragung [2, 4], an der 16 verschiedene Unternehmen teilgenommen haben, zeigt Abb. 1.5. Aus der Darstellung ist zu entnehmen, welcher Teilnehmer an den verschiedenen Aufgaben beteiligt ist (Wertung zwischen 0 und 100 %), wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Die Rolle des Asset Owners wird in erster Linie in der Festlegung der Geschäftspolitik und der finanziellen Vorgaben (Budget und Umsatz) für den Asset Manager gesehen. Die Aufgabenverteilung des „Service Provider“ unterteilt sich hierbei in die Bereiche externe und interne Service Provider und des Asset Workers (Operation). Ausgehend von der Aufgabenzuordnung im Asset Management nach Abb. 1.5 kann eine „Pyramide des Asset Management-Prozesses“ abgeleitet werden, die sowohl den Ablauf des Entscheidungsprozesses darstellt als auch den hierfür notwendigen Informationsfluss

Owner

Manager

external SP

internal SP

Asset Worker

Geschäftspolitik Finanzierung Lagerverwaltung 100 Regulatorangelegenheiten Systemumschaltung 90 Budget/Genehmigung F&E Untersuchungen 80 Geschäftsentwicklung Fehler- und Störungsanalyse 70 Techn. Anlagendatenbank Systemführung

60

Kontakte zu Körperschaften

50 40

Einhaltung des gesetztl. Rahmens

30 20

Informationstechnik

Management CAPEX

10 0

Kfm. Abwicklung

Netzplanung/Investitionen Kundenbeziehungen

Einkauf/Beschaffung

Projekt Management Technisches Design

F&E Tätigkeiten Anlagenbetrieb Prüfung&Inbetriebnahme Projektausführung

Instandhaltungsstrategien Erneuerung/Ersatz-Entscheidungen

Risiko Management F&E/neue Technologien Instandhaltungsmanagement Ausgabenvorgaben

Abb. 1.5   Aufgabenverteilung im Bereich des Asset Management [1]

23

1.6  Tätigkeiten des Asset Management

(Abb. 1.6). Aufgrund der Umfrage bei den verschiedenen Unternehmen gab es einige Tätigkeitsfelder, die eindeutig den drei Funktionen (Asset Owner, Asset Manager und Service Provider) zugeordnet werden, wohingegen andere jeweils in Abhängigkeit der jeweiligen Unternehmensstruktur überlappend wahrgenommen werden. Während der Informationsfluss über den Zustand der Betriebsmittel von der Basis bis zur Unternehmensspitze geht, ist der Entscheidungsprozess in umgekehrter Reihenfolge anzusetzen. Der Asset Manager übernimmt an den jeweiligen Nahtstellen zu Asset Owner und Service Provider die Abstimmungs- und Umsetzungsaufgaben und hat somit im Informationsprozess einerseits und im Entscheidungsprozess andererseits eine zentrale Funktion. Innerhalb der Asset-Entscheidungen (Netzentwicklung, Erneuerung und Instandhaltung) umfasst die für den Asset Manager grundlegende Lebensdauerbetrachtung verschiedenste zum Teil konkurrierende Zielgrößen. Diese Betrachtung beginnt bei der langfristigen strategischen Asset Planung und der Netzentwicklung, über die Projektierung, die Ausführungsplanung, die Inbetriebnahme, bis hin zu dem Betrieb und endet bei der Außerbetriebnahme oder der Erneuerung. Die Strategieauswahl zu Beginn des Prozesses hat dabei den größten Einfluss auf den finanziellen und qualitativen Erfolg des Entscheidungsprozesses. Bei diesen Überlegungen sind auf der Grundlage von festzulegenden Planungsvoraussetzungen selbstverständlich technische Randbedingungen einzuhalten wie z. B. die Spannungshaltung, Versorgungssicherheit, Immissionswerte und Grenzwerte der Betriebsmittelauslastung. Auf dieser Grundlage entsteht die Entscheidungsmöglichkeit für die wirtschaftlichste Vorgehensweise für die betrachteten Betriebsmittelgruppen oder Netzteile.

Asset Owner/ Asset Manager

Asset Manager

Asset Manager/ Service Provider

Service Provider

Abb. 1.6   Pyramide des Asset Management Prozess [2]

Regulatorangelegenheiten Kontakte zu Körperschaften Gesetzliche Vorschriften Finanzierungsmanagement Kundenkontakte Instandhaltungsstrategien Refurbishment/Ersatz Entscheidungen Risk Management F&E Technologien Ausgabenplanung Instandhaltungsmanagement Projektausführung/Projekt Management Prüfung; Inbetriebnahmen/Instandhaltung F&E-Tätigkeiten, Abwicklung Informationstechnik/Datenverwaltung Systemführung/Netzumschaltung Engineering Design/Lagerverwaltung Fehleranalyse

Netzplanung

Asset Owner

Geschäftspolitik Finanzierung Budget/Genehmigung Geschäftsentwicklung

24

1 Einleitung

Als Unterstützung des Entscheidungsprozesses auf der Asset Owner- und Asset Manager-Ebene bieten sich vielfach Asset Simulationen an, hierbei können die Ziele wie folgt definiert werden. • • • • • • •

Strategieentwicklung und -optimierung, Kostenersparnisse (ableiten von Life-Cycle-Kurven der Betriebsmittel), Bewertung der Netzrisiken (Auswirkung und Konsequenzen von Störungen), Ermittlung der Instandhaltungsmaßnahmen, Festlegung des jährlichen Budgetbedarfs, Strategieüberprüfung auf der Basis des genehmigten Budgets, Anpassung der erforderlichen Maßnahmen.

Der Nutzen der Simulationen ist zum Beispiel: • • • •

Transparente und nachvollziehbare Grundlage, Basis für den effizienten Einsatz knapper Ressourcen, Basis für die Identifikation der größten Werthebel, belegbare Argumentation für die interne und externe Kommunikation.

Die detaillierten Aufgaben innerhalb des Asset Management Prozesses und die hieraus sich ergebenden Konsequenzen auf die Strukturen innerhalb des Unternehmens werden ausführlich in Kap. 4 dargestellt.

1.7 Zusammenfassung Die historisch gewachsene Infrastruktur hat eine grundlegende Bedeutung für die Wohlfahrt industrialisierter und sozial entwickelter Gesellschaften. Dabei haben diese Infrastrukturen eine Komplexität und Volumen erlangt, welche eine starke Managementorganisation erfordert. Daneben entstehen immer neue Herausforderungen und Rahmenbedingungen. Als Folge der neuen Rahmenbedingungen, die die Versorgungswirtschaft in den letzten Jahren bereits grundlegend verändert hat und der weiterhin anhaltenden ordnungs- und umweltpolitischen Änderungen, ergibt sich die Anforderung einer klaren Strukturierung des Entscheidungsprozesses, wie Infrastrukturanlagen weiterentwickelt sowie langfristig betrieben werden können. Während der Asset Owner im Wesentlichen für die Geschäftsentwicklung und die Bereitstellung der finanziellen Mittel zuständig ist, bezieht sich die Aufgabe des Asset Managers auf die Umsetzung der Strategien unter Berücksichtigung der sonstigen Vorgaben. In Ergänzung hierzu erfolgt vom Service Provider die Durchführung der verschiedenen Tätigkeiten als Folge definierter Aufträge durch den Asset Manager.

Literatur

25

Die Konsequenz ist, dass durch diese Strukturierung klare Schnittstellen zwischen den verschiedenen Kompetenzen definiert werden, damit ein Entscheidungsprozess abgebildet werden kann, der zu einer optimalen Entwicklung bzw. Erhalt der Infrastrukturanlagen führen sollte.

Literatur 1. Balzer G, Benz T, Schorn C, Spitzer H (2005) Asset Management in Energieversorgungsunternehmen. Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 55(8):552–555 2. Balzer G, Gaul A, Neumann C, Schorn C (2007) The general asset management process of power systems. CIGRE-Symposium, report 212, Nov. 01.-04., 2007, Osaka 3. Balzer G, Benz T, Gößmann T, Schorn C (2008) The general asset management process of power systems. CEPSI 2008, Macau rep. 1052, 2008, 26.-31. Oct. 4. Bartlett S (2002) Asset management in a de-regulated environment. Cigre Session 2002, Bericht 23–303, Paris 5. BDEW-Jahresbericht (2010) BDEW, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V., Berlin 6. Bundesnetzagentur (2018) IT-Sicherheitskatalog für Energieanlagen nach § 11 Absatz 1b EnWG, Bonn 7. Cigre JWG 2339-14 (2001) Maintenance outsourcing guidelines. Paris 8. Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 20. Mai 2003 9. EU-Kommission, Clean Energy Package (2019) https://ec.europa.eu/energy/en/topics/energystrategy-and-energy-union/clean-energy-all-europeans 10. Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2017) (2017) 11. Gesetz über den Messstellenbetrieb und die Datenkommunikation in intelligenten Energienetzen (Messstellenbetriebsgesetz – MsbG), (2016) 12. Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998 13. ISO/TC 251 (2017) Asset Management: Managing Assets in the context of Asset Management. International Organization for Standardization, Genf, Schweiz 14. Netzentwicklungsplan (2019) https://www.netzentwicklungsplan.de/de/netzent­wicklungs­ plaene/netzentwicklungsplan-2030-2019 15. Smith P, Balzer G et al (2000) Ageing of the system – Impact on planning. Working Group 37–27, Cigre, Report 176, December 2000 16. Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (Anreizregulierungsverordnung – AregV), (2007, 2019) Ausfertigungsdatum: 29.10.2007, novelliert am 13.06.2019 17. Verteilnetzstudie (dena) (2012) Ausbau und Innovationsbedarf der Stromverteilnetze in Deutschland bis 2030 (Abschlussbericht). Deutsche Energie-Agentur, Berlin 18. Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 2005

2

Aufgaben des Anlagenmanagements

Zur Erfüllung der in Abschn. 1.6 aufgeführten Ziele, die im Anlagenmanagement zu erreichen sind, können die unterschiedlichen Aufgaben definiert werden. In diesem Zusammenhang sind die Entwicklung der Strategie und die zu deren Umsetzung notwendigen Ressourcen von wesentlicher Bedeutung. In diesem Abschnitt werden die verschiedenen Aufgaben ausführlich dargestellt.

2.1 Strategieentwicklung Die nach Abschn. 1.6 definierten Aufgaben im Asset Management können in unterschiedliche Teilaufgaben untergliedert werden, wodurch sich entsprechende Arbeitsschritte definieren lassen. Hierbei ist es sinnvoll, diese Reihenfolge bei der Bearbeitung einzuhalten, da sie dem Ablauf des Entscheidungsprozesses nach Abb. 1.6 entspricht [13]. • Arbeitsschritt 1: Festlegung der Gesamtstrategie für alle bestehenden Betriebsmittel Mithilfe einer langfristigen Analyse werden die gesamten Systemkosten ermittelt, sodass sowohl die Investitions- als auch die Betriebskosten für einen längeren Strategiezeitraum (z. B. 10 Jahre) abgeleitet werden können. Dies geschieht unter Berücksichtigung verschiedener Instandhaltungsstrategien einerseits und weiteren Rahmenbedingungen andererseits, wie z. B. die nicht gelieferte Energie oder die Anzahl von Störungen an bestimmten Netzpunkten aber auch Themen wie Konjunkturentwicklung, Verbreitung von Eigenerzeugung, Elektromobilität und politische Rahmenbedingungen (Erneuerbaren Energiegesetz, Eigenheimzulage, Ausstieg aus der Kernenergie- und Kohleerzeugung usw.). Aufgrund der Nichtvorhersehbarkeit

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Balzer und C. Schorn, Asset Management für Infrastrukturanlagen – Energie und Wasser, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61526-3_2

27

28







2  Aufgaben des Anlagenmanagements

einzelner Entwicklungen ist es sinnvoll, der Strategieentwicklung einen als wahrscheinlich angenommenen Szenarienrahmen mit entsprechend definierten Prämissen zugrunde zu legen. Ein Ergebnis dieses Entwicklungsprozesses ist sowohl der langfristige Mittelbedarf im Netz als auch daraus abgeleitet das jährliche Budget für die Entwicklung, Erneuerung und Wartung der bestehenden Betriebsmittel, welches dem Asset-Manager für die Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung steht. Die Vorgehensweise dieser Teilaufgabe ist beschrieben in den Abschn.  2.1.8 (Erneuerungsstrategie) und 3.4 (Asset Simulation). Arbeitsschritt 2: Umsetzung der Gesamtstrategie und Ableitung der einzelnen AssetEntscheidungen auf Betriebsmittelebene Ausgehend von den Ergebnissen der finanziellen Rahmenbedingungen, die im ersten Arbeitsschritt ermittelt werden, erfolgt eine Auswahl der Betriebsmittel, die einer Wartung bzw. einer Erneuerung zu unterziehen sind. Die Festlegung erfolgt hierbei unter Berücksichtigung des Zustands des Betriebsmittels und der Wichtigkeit für das gesamte System. In diesem Zusammenhang wird in der Praxis vielfach die RCM-Strategie nach Abschn. 2.1.2 eingesetzt. Arbeitsschritt 3: Auswahl der geeigneten Instandhaltungsmaßnahme Nach der Auswahl des für eine Instandhaltung vorgesehenen Betriebsmittels, erfolgt in diesem Arbeitsschritt die Entscheidung, welche Instandhaltungsaktivität (z. B. Ersatz oder Revision) unter Berücksichtigung der Konsequenzen angewendet wird, die durch einen Ausfall hervorgerufen werden. Hierbei sind Risikobetrachtungen u. U. hilfreich, die ausführlich in Abschn. 3.2.6 beschrieben werden. Arbeitsschritt 4: Optimale Wartungsmaßnahme der Betriebsmittel Während die ersten drei Arbeitsschritte sich mit den Betriebsmitteln bezogen auf das Gesamtsystem beschäftigen, wird in diesem Fall die Entscheidung ausschließlich auf der Betriebsmittelebene durchgeführt. Mithilfe einer FMEA-Untersuchung (Fehler-Mode-Effekt-Analyse) kann die optimale Wartung für einen Betriebsmitteltyp bestimmt werden, unter Berücksichtigung von Fehlerstatistiken und den Konsequenzen einer Störung für das Gesamtsystem. Die Beschreibung der FMEAMethode erfolgt beispielhaft in Abschn. 2.1.4.

Die Erarbeitung der verschiedenen Strategien wird im Anlagenmanagement in der Praxis unter Berücksichtigung von vorher definierten Key Performance Indicators (KPI, Kennziffern, Abschn. 3.3) erfolgen. Das Monitoring dieser KPI‘s ermöglicht einerseits die Überprüfung, ob durch die Strategien die gewünschten Ziele und Ergebnisse erreicht werden und schaffen andererseits die Grundlage zum Benchmark mit anderen Infrastrukturbetreibern. Die übergeordneten Strategien können hierbei in verschiedene Tätigkeitsfelder mit den dazugehörigen Einzelaufgaben unterteilt werden:

2.1 Strategieentwicklung

29

• Netzentwicklung: – Erstellung des Zielnetzkonzeptes bzw. dessen kontinuierliche Anpassung, – Definition der Netzplanungsprämissen, – Festlegung der Auslastungsgrenzen, – Berücksichtigung des Netzkundenbedarfs in der Planung, – Berücksichtigung dezentraler aktiver Elemente (Erzeugung, Speicher usw.), – Identifikation und Beauftragung (Lastenhefte) der Einzelprojekte. • Instandhaltung: – Festlegung der Instandhaltungszyklen, – Zustandsbewertung der Betriebsmittel, – Entscheidung über die Vorgehensweise bei entstandenen Schäden an Betriebsmitten, – Festlegung des Arbeitsumfangs, – Erstellen eines jährlichen Maßnahmenplans, – Bereitstellung der Ressourcen (Material, Finanzen), – Beauftragung der Umsetzung beim Asset Service. • Erneuerung: – Definition von Einzelstrategien, – Festlegung des Zeitpunkts für die Betriebsmittelerneuerung incl. des Umfangs, – Entscheidung über die einzusetzende Technologie, – Aufsetzen einzelner Erneuerungsprojekte, – Bereitstellung der Ressourcen (Finanzen, Spezifikationen, Lieferanten), – Beauftragung der Umsetzung beim Asset Service. Mit den Ergebnissen der oben aufgeführten Tätigkeiten ist es möglich, die Aufgaben des Asset Managements zu erfüllen und ein Infrastruktursystem optimal zu betreiben. Nach [32] werden unter dem Begriff Instandhaltung alle Maßnahmen (incl. des Managements) zusammengefasst, die während des Lebenszyklus eines Instandhaltungsobjektes zur Erhaltung des funktionsfähigen Zustands oder der Rückführung in diesen notwendig sind, sodass die geforderten Funktionen erfüllt werden.

2.1.1 Überblick Instandhaltungsstrategie Bei Betriebsmitteln von Infrastrukturanlagen werden verschiedene Instandhaltungsstrategien angewendet, die auch den Ersatz bzw. den Austausch festlegen. Die Auswahl der Strategie für eine Betriebsmittelgruppe hängt von verschiedenen Randbedingungen ab, die im Einzelfall zu beachten sind. Zu diesen Randbedingungen gehören beispielhaft. • Ausfallverhalten des Betriebsmittels, • Konsequenz im Fall einer Störung, • Vergleich der Instandhaltungskosten bezogen auf den Investitionswert,

30

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

• Ersatzbeschaffung eines kompletten Betriebsmittels, • Reparaturzeit bzw. Unterbrechungszeit des Betriebs, • Verfügbarkeit von Ersatzteilen, • Technologieentwicklung, • usw. Im Weiteren werden die grundsätzlichen Unterscheidungen der verschiedenen Strategien aufgezeigt und verglichen.

2.1.1.1 Definitionen Die Instandhaltung von Betriebsmitteln hat die Aufgabe, die Verfügbarkeit und die Leistungsfähigkeit der Netzkomponenten über die gesamte Lebensdauer zu sichern. Grundsätzlich besitzt jedes Betriebsmittel einen Abnutzungsvorrat, der durch geeignete Instandhaltungsmaßnahme beeinflusst wird. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass zwischen der Verfügbarkeit einer Komponente und eines Netzknotens, an dem Verbraucher angeschlossen sind, zu unterscheiden ist. Während durch die Instandhaltung eines Betriebsmittels direkt der Zustand und damit die Fehlerrate beeinflusst werden kann, wirken sich auf die Verfügbarkeit von Netzknoten noch andere Kriterien aus, zum Beispiel: • Netztopologie, Netzstrukturen, • Betriebsweise der Betriebsmittel, • Redundanz, • Betriebsmitteltyp, • Reservehaltung, • Verfügbarkeit und Reaktionsfähigkeit des Personals, so stellt die Instandhaltung einzelner Betriebsmittel nur eine Möglichkeit dar, die Verfügbarkeit eines Netzes zu beeinflussen. Mit welcher Maßnahme das gewünschte Ziel erreicht werden kann, hängt immer von den individuellen Gegebenheiten eines Netzes und der Philosophie eines Unternehmens ab. Nach der Norm „DIN VDE 0109:2019-1 Elektrische Energieversorgungsnetze – Allgemeine Aspekte und Verfahren der Instandhaltung von Anlagen und Betriebsmitteln, VDE-Verlag, Berlin“ [31] werden die nachfolgend aufgeführten Begriffe definiert. Ähnliche Definitionen sind in [29] und [30] aufgeführt. Um die Funktionsfähigkeit eines Betriebsmittels nach Asset Management Gesichtspunkten zu gewährleisten, besteht bei der Auswahl einer Instandhaltungsmaßnahme die Herausforderung darin, bei einem Ausfall des Betriebsmittels ein Optimum zwischen den Konsequenzen und der Häufigkeit einer Versorgungsunterbrechung zu finden. Dieses bedeutet, dass sich in Abhängigkeit des Betriebsmittels und der Randbedingungen verschiedene Instandhaltungsstrategien in der Vergangenheit ausgebildet haben, die unterschiedlich eingesetzt werden. Diese verschiedenen Strategien werden in den folgenden Abschnitten erläutert, nämlich:

2.1 Strategieentwicklung

• • • • •

31

Ereignisorientierte Instandhaltung (Abschn. 2.1.1.3), Zeitorientierte Instandhaltung (Abschn. 2.1.1.4), Zustandsorientierte Instandhaltung (Abschn. 2.1.1.5), Prioritäten bzw. zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung (Abschn. 2.1.1.6), Risiko-orientierte Instandhaltung (Abschn. 2.1.1.7).

Die in den Abschnitten 2.1.1.4 und 2.1.1.5 dargestellten Instandhaltungsstrategien (zeitund zustandsorientiert) können zur vorbeugenden Instandhaltung zusammengefasst werden. Instandhaltungsaufgaben Grundsätzlich kann die gesamte Instandhaltung eines Betriebsmittels bzw. eines Netzes in verschiedene Teilaufgaben unterschieden werden, die in den weiteren Unterabschnitten genauer beschrieben werden. Im Einzelnen gehören hierzu: • Inspektion, • Wartung, • Instandsetzung, sowie die stellenweise als eigenständige Begrifflichkeit auftretende • Verbesserung. Inspektion Eine Inspektion ist eine Instandhaltungsmaßnahme, die ausschließlich zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustands eines Betriebsmittels dient, einschließlich der Ursachen der Abnutzung. Aus dem Ergebnis der Inspektion können anschließend die notwendigen Instandhaltungskonsequenzen abgeleitet werden, die eine weitere Nutzung des Betriebsmittels ermöglichen. Die Inspektion kann durch verschiedene Aktivitäten, in Abhängigkeit des Betriebsmittels oder der Anlage erfolgen:

• Begehung

Die Begehung ist die einfachste Möglichkeit, eine Inspektion durchzuführen. Das Ziel ist in diesem Fall, den Ist-Zustand eines Betriebsmittels durch eine grobe Inaugenscheinnahme hinsichtlich des Gesamtzustands zu erfassen. Hierbei kann die Begehung auch aus der Luft erfolgen (Befliegen), z. B. bei Freileitungen

• Sichtkontrolle

Im Gegensatz zur Begehung wird bei der Sichtkontrolle der Zustand des Betriebsmittels mit den menschlichen Sinnesorganen bewertet. In diesen Fällen werden auch charakteristische Größen zur Beschreibung des Zustands protokolliert, sodass offensichtliche Mängel, wie z. B. Verschmutzung, Verschleißspuren usw., erfasst werden können

32

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

• Funktionskontrolle (Funktionsprüfung)

Die Funktionskontrolle eines Betriebsmittels stellt sicher, dass die geforderten Hauptfunktionen erfüllt werden, z. B. das Auslösen des Schutzes im Kurzschlussfall

• Zustandsermittlung

Ziel dieser Maßnahme ist es, eine tiefere Beurteilung des Ist-Zustands eines Betriebsmittels zu ermöglichen. Im Allgemeinen sollte die Zustandsermittlung durch eine Messung (Diagnose) erfolgen, wobei diese aktuellen Ergebnisse mit früheren Messungen verglichen werden können. Die Kennwerte einer Messung hängen unter anderem vom Betriebsmitteltyp, den Betriebsbedingungen und den Betriebserfahrungen des Anwenders ab Darüber hinaus kann die Zustandsermittlung auch durch eine zerstörungsfreie Prüfung erfolgen

• Zustandsbeurteilung

Beurteilung des Zustands eines Instandhaltungsobjektes aus den Maßnahmen (Begehung, Sicht-, Funktionskontrolle und Zustandsermittlung) zur Ableitung einer Instandhaltungsstrategie

Die oben angegebenen Maßnahmen (Begehung, Sichtkontrolle, Funktionskontrolle und Zustandsermittlung) werden zu dem Begriff Zustandsfeststellung bzw. Zustandserfassung zusammengefasst. Die Zustandsbeurteilung verwertet die Ergebnisse der Zustandsfeststellung und leitet hieraus die notwendigen Instandhaltungsaktivitäten an den betrachteten Betriebsmitteln ab. Im Folgenden wird ausschließlich die Bezeichnung Zustandserfassung verwendet. Wartung Die Wartung ist eine Instandhaltungsmaßnahme zur Bewahrung des Soll-Zustands, sodass hiermit Maßnahmen zur Verzögerung des Abbaus bzw. ein Wiederauffüllen des Abnutzungsvorrates verstanden werden. Bei einer Wartung wird das Betriebsmittel in der Regel zumindest teilweise demontiert, Verschleißteile, soweit vorhanden und erforderlich, ersetzt und die Funktionsfähigkeit aktiv sichergestellt z. B durch Sicherstellung der Funktionsfähigkeit beweglicher Teile, Nachziehen von Schrauben usw. Eine Indikation für den Zeitpunkt zur Durchführung einer Wartung kann aus einer Inspektion, aus Problemen im Betrieb oder aber aus Erkenntnissen der letzten Wartung selbst entstehen. Instandsetzung Im Gegensatz zur Wartung ist die Instandsetzung eine Maßnahme zur Wiederherstellung (Rückführung) des Soll-Zustands, wobei nach einem Defekt oder Ausfall des Betriebsmittels selbst oder eines maßgeblichen Teils durch Reparatur die definierte spezifizierte Funktionsfähigkeit des Betriebsmittels wieder erreicht wird.

2.1 Strategieentwicklung

33

Verbesserung Eine Verbesserung ist die Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen sowie der Maßnahmen zur Steigerung der Funktionssicherheit eines Betriebsmittels bzw. Anlage, ohne die geforderte Funktion zu ändern. Grundsätzlich können Verbesserungen angebracht sein, wenn die Betriebserfahrungen bzw. Inspektionsergebnisse systematische Probleme erkennen lassen. Verbesserungen sind keine eigenständige Instandhaltungsaufgabe, sie werden in der Regel im Rahmen der Wartung bzw. der Instandsetzung umgesetzt.

2.1.1.2 Grundlagen der Instandhaltungsstrategien Im Allgemeinen kann nach [45] der gesamte Entscheidungsprozess zur Entwicklung einer Instandhaltung in Teilstrategien mit unterschiedlichen Zielen (Tab. 2.1) unterteilt werden. Diese könnten beispielsweise sein: Tab. 2.1  Ziele der Instandhaltungsstrategien Teilstrategie

Beschreibung

• Optimierung des Betriebsmittels

Betrieb der Systemkomponente im Bemessungsbetrieb mit geringen Ausschaltzeiten

• Minimale Lebensdauerkosten

Geringe Investitions- und Betriebskosten über die gesamte Lebensdauer bei optimalem Betrieb

• Optimierung der Ressourcen

Maximaler Betrieb der Systemkomponente bei minimalen Ressourcen (Personal, Finanzen), Überwachung des Betriebs

• Minimales Risiko

Sichere Einhaltung der vom Unternehmen vorgegebenen und akzeptierten Risiken: Personal, Betrieb Versorgungszuverlässigkeit und Finanzen

• Zusätzliche Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Betriebsmittel

Erarbeitung von zusätzlichen Möglichkeiten auf der Basis des zur Verfügung stehenden Know-hows

• Erhöhung der Verfügbarkeit

Reduktion der Fehlerrate eines Betriebsmittels und den damit verbunden Konsequenzen bei einer Störung

• Optimierung des Gesamtsystems

Ausrichten der Instandhaltung von Einzelkomponenten auf die Restlebensdauer des Gesamtsystems (z. B. Umspannwerk, Station usw.) bis zur ganzheitlichen Erneuerung

34

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Die Festlegung auf ein grundsätzliches Strategieziel bzw. die Kombination verschiedener Ziele bei einem Betriebsmittel legt somit im Einzelnen auch die Instandhaltungsstrategie fest [24]. Die verschiedenen Instandhaltungsstrategien, die in den Abschnitten 2.1.1.3 bis 2.1.1.7 beschrieben sind, können nach Abb. 2.1 in zwei Klassen eingeteilt werden, nämlich: • Ereignisorientierte Instandhaltung und • Vorbeugende (präventive) Instandhaltung. Bei einer vorbeugenden Instandhaltung werden verschiedene Maßnahmen (Inspektion, Wartung, Ersatz) in einem vorgegebenen Zeitintervall durchgeführt, um den Verschleißprozess eines Betriebsmittels zu verringern. Bei der Verwendung einer Instandhaltungsstrategie werden verschiedene Kennwerte verwendet, wie dieses in der Tab. 2.2 festgehalten ist. Im Gegensatz zur Darstellung nach Tab. 2.2 zeigt Abb. 2.2, welche Instandhaltungsstrategie ausgewählt werden kann, wenn Aussagen über die Wichtigkeit bzw. die Diagnose vorliegen.

2.1.1.3 Ereignisorientierte Instandhaltung (CM, Corrective Maintenance) Der Ersatz oder eine Reparatur erfolgt ausschließlich nach einem Fehler, der zu einem Ausfall des Gerätes mit einer Versorgungsunterbrechung führt. Wenn einerseits die Investitionskosten eines Betriebsmittels gering und auch die Folgekosten einer Störung zu vernachlässigen sind und andererseits der Aufwand für eine Zustandsermittlung hoch ist, führt diese Strategie zu den geringsten Instandhaltungskosten, da nur nach einem Fehlerereignis Kosten anfallen. Diese Strategie wird vielfach in Netzen mit geringeren Spannungen angewendet, wobei Ersatzteile in kurzer Zeit zur Verfügung stehen sollten und die Folgen eines Betriebsmittelausfalls und damit eine Versorgungsunterbrechung vernachlässigt werden können. Darüber hinaus ist in der Regel ein weiterer Grund für diese Strategie, dass die Anzahl der eingesetzten Komponenten sehr hoch ist und damit

Instandhaltungsstrategien

vorbeugende Instandhaltung

ereignisorientierte Instandhaltung

zeitorientierte Instandhaltung

zustandsorientierte Instandhaltung

Abb. 2.1   Klassifizierung der Instandhaltungsstrategien

zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung

risikoorientierte Instandhaltung

2.1 Strategieentwicklung

35

Tab. 2.2  Zuordnung der Kennwerte zu den unterschiedlichen Instandhaltungsstrategien Strategie

Kennwert Alter Zustand

Fehlerwahrscheinlichkeit

Wichtigkeit/Konsequenz

Ereignis









Zeit

X



(X)



Zustand



X

(X)



Zuverlässigkeit



X

(X)

X

Risiko





X

X

–   kein Einfluss X  großer Einfluss (X) indirekter Einfluss

auch durch den Skaleneffekt bei den wirtschaftlichen Auswirkungen keine andere Strategie angebracht ist. Bei dieser Instandhaltungsstrategie wird der Ist-Zustand eines Betriebsmittels nicht systematisch durch eine Inspektion erfasst, da dies aufgrund des begrenzten Erkenntnisgewinns wirtschaftlich nicht zielführend ist und teilweise auch durch die Unzugänglichkeit des Betriebsmittels generell verhindert wird. Der Gebrauch des Betriebsmittels erfolgt bis zur maximalen Nutzungsdauer, ohne Gewährleistung für die Verfügbarkeit der Anlage. Grundsätzlich ist diese Instandhaltung außer bei den oben genannten Gründen sinnvoll, wenn die Fehlerrate eines Betriebsmittels auf einem sehr niedrigen Niveau konstant ist und kein feststellbares Alterungsverhalten auftritt (Abschn. 2.1.5.1). Damit besteht auch nicht das Risiko von hohen, nicht planbaren Instandhaltungsaufwendungen.

Instandhaltungsaktivitäten für verschiedene Strategien nein nein

CM Corrective Maintenence

?

ja

?

ja

Diagnose

CBM ConditionBased Maintenence

Abb. 2.2   Auswahl der Instandhaltungsstrategien

Wichtigkeit nein

TBM TimeBased Maintenence

?

ja

RCM ReliabilityCentered Maintenence

36

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

2.1.1.4 Zeitorientierte Instandhaltung (TBM, Time-Based Maintenance) Inspektion und Wartung erfolgen hierbei nach festen Zeitintervallen und der Austausch eines Betriebsmittels wird nach einer vorgegebenen Zeit, d. h., nach Ablauf einer erwarteten technischen Lebensdauer durchgeführt, wobei der zeitliche Zyklus aus den Erfahrungen der Anwender und Hersteller abgeleitet wird, der in der Regel durch bekannte Alterungsprozesse und eine Schadensstatistik begründet ist. Der Umfang der Instandhaltungsmaßnahme ist dabei im Voraus definiert und die grundsätzliche Basis dieser Strategie ist die Vermeidung von Störungen. Diese Strategie wird hauptsächlich an werthaltigen Betriebsmitteln mit guten Ergebnissen bzw. Verfügbarkeit angewendet, wenn ein Verschleiß an den verschiedenen Komponenten aufgrund der Betriebserfahrungen angenommen wird. Grundsätzlich führt jedoch diese Instandhaltung zu größten finanziellen Aufwendungen, da in der Regel die Betriebsmittel nicht bis zum Ende ihrer Lebensdauer eingesetzt werden. Diesen Kosten stehen jedoch die vermiedenen Aufwendungen für die Erfassung und Bewertung des Zustands bei der zustandsabhängigen Instandhaltungsstrategie gegenüber. Die Anwendung der zeitorientierten Instandhaltung setzt jedoch eine Korrelation zwischen dem Alter oder der Beanspruchung eines Betriebsmittels (z. B. Schalthäufigkeit einer Komponente) und der Fehlerrate voraus, sodass aufgrund einer statistischen Grundlage einzelne Komponenten vor einer Störung ausgetauscht werden können. Nach Abschn. 2.1.5.1 sollte diese Instandhaltungsstrategie bei Betriebsmitteln eingesetzt werden, deren Zustand nicht wirtschaftlich durch eine Zustandserfassung bzw. ein Monitoring bewertet werden kann. In der praktischen Anwendung hat die zeitorientierte Instandhaltung den wesentlichen Vorteil, dass z. B. komplette Anlagen oder Abzweige freigeschaltet werden können und somit eine Instandhaltung aller Betriebsmittel möglich ist. Wohingegen bei einer zustandsorientierten Strategie stets eine Einzelentscheidung für jedes Betriebsmittel erfolgen müsste. 2.1.1.5 Zustandsorientierte Instandhaltung (CBM, Condition-Based Maintenance) Da in vielen Fällen ein strenger Zusammenhang zwischen der Fehlerrate und dem Alter des Betriebsmittels nicht vorhanden und somit die zeitorientierte Instandhaltung nicht zielführend ist, führte dieses zur Anwendung einer zustandsorientierten Instandhaltung, hierbei erfolgt die Wartung und der Austausch des Betriebsmittels in Abhängigkeit des technischen Zustandes. Bedingung hierbei ist, dass durch Monitoring oder Diagnoseverfahren der Zustand eines Gerätes feststellbar ist und mit einem früheren Zustand verglichen werden kann, sodass ein Ausfall des Betriebsmittels vorhergesehen und damit vermieden werden kann. Die zustandsorientierte Instandhaltung verursacht zusätzliche Anforderungen für die Investition von Diagnosesystemen und die entsprechende Ausbildung des Personals. Bei der Bewertung der Life-Cycle Kosten in Bezug auf die Anwendung der zustandsorientierten Instandhaltung ist zu beachten, dass die Aufwendungen für ein Monitoringsystem zum Zeitpunkt der Investition des Betriebsmittels

2.1 Strategieentwicklung

37

anfallen, während die vermiedenen Störungskosten zu einem späteren Zeitpunkt auftreten, sodass der wirtschaftliche Vorteil zum einen vom Kapitaldienst abhängig ist und zum anderen nicht alle Betriebsmittelstörungen als Trend identifiziert werden können. Der Nachteil dieser Instandhaltungsstrategie ist jedoch, dass alle Betriebsmittel grundsätzlich identisch zu behandeln sind, unabhängig von ihrem Einsatzort bzw. von der Bedeutung für das Systemverhalten. Diese Strategie ist besonders bei den Betriebsmitteln sinnvoll, die mit geeigneten Geräten zur Zustandsüberwachung automatisch ausgerüstet sind oder wenn die Zustandserkennung im Rahmen einer Inspektion möglich ist. Grundsätzlich ist eine zustandsorientierte Instandhaltung für die Betriebsmittel sinnvoll, bei denen ein Alterungsprozess bzw. Verschleißerscheinungen deutlich detektierbar sind, sodass das Ausfallrisiko vermindert werden sollte.

2.1.1.6 Prioritätenorientierte Instandhaltung (auch: zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung; RCM, ReliabilityCentered Maintenance) Im Allgemeinen wird bei der zuverlässigkeitsorientierten Instandhaltung die Wichtigkeit eines Betriebsmittels als Grundlage für eine Wartung bzw. für einen Ersatz gewählt, unabhängig vom technischen Zustand. Der Zustand geht hierbei über die Fehlerrate in die Betrachtung ein, indem z. B. die Ausfallwahrscheinlichkeit oder die nicht gelieferte Energie berechnet wird. Im Folgenden wird im Gegensatz hierzu unter dem Begriff der „zuverlässigkeitsorientierten“ Instandhaltung eine Strategie verstanden, bei der sowohl die Wichtigkeit als auch der Zustand betrachtet werden. Nur die Kombination der Bewertung aus Wichtigkeit und Zustand führt zu einer optimalen Allokation der Geldmittel in der Instandhaltung für die Betriebsmittel, die einerseits eine entsprechende Bedeutung für die Versorgung haben und sich andererseits auch in einem Zustand befinden, der eine Aktivität rechtfertigt. Eine ausführliche Darstellung der zuverlässigkeitsorientierten Instandhaltungsstrategie (RCM) erfolgt in Abschn. 2.1.2. 2.1.1.7 Risiko-orientierte Instandhaltung Ausgehend von der zuverlässigkeits-orientierten Instandhaltung kann die risiko-orientierte Strategie als Fortsetzung angesehen werden, indem das mögliche ­ Risiko ( =  Wahrscheinlichkeit einer Störung x resultierende Konsequenz) im Falle einer Störung des Betriebsmittels oder einer Versorgungsunterbrechung bewertet wird, Abschn. 3.2.6. Bei der Darstellung der risiko-orientierten Instandhaltungsstrategie können auch die Instandhaltungsaufwendungen zur Vermeidung einer Störung berücksichtigt werden. Bei dieser Instandhaltungsstrategie ist die Bewertung der zugelassenen Risikofaktoren von extrem wichtiger Bedeutung. Grundlage einer risikoorientierten Instandhaltung ist die Anwendung der ­FMEA-Analyse, Abschn.  2.1.4.

38

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

2.1.1.8 Zusammenfassende Beurteilung der Instandhaltungsstrategien Während die ersten drei Instandhaltungsstrategien (Abschn. 2.1.1.3 bis 2.1.1.5) bei werthaltigen Betriebsmitteln wesentliche Nachteile (z. B. kostenintensiv, ausreichende Lagerhaltung, alle Geräte werden identisch behandelt) haben, wird die vierte Variante (zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung) in der letzten Zeit verstärkt angewendet. Hierbei kann die zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung auch als übergeordnete Instandhaltungsstrategie angesehen werden, wie dieses in Abb. 2.2 dargestellt ist. Wenn es nicht möglich bzw. nicht sinnvoll ist, die Wichtigkeit und auch den Zustand eines Betriebsmittels zu bestimmen, ist in der Regel die ereignisorientierte Instandhaltung (CM) die wirtschaftlich sinnvollste Strategie (linke Verzweigung). Einziger Grund, eine zeitorientierte Instandhaltungsstrategie umzusetzen, ist die gesetzliche (oder quasi-gesetzliche) Vorgabe Inspektion oder Wartung in einem definierten Zeitraum nachzuweisen. Als Beispiel seien hier die TÜV-Untersuchung von Betriebsmitteln (z. B. Druckluftkompressoren, Aufzüge usw.) genannt. Die Möglichkeit, wirtschaftlich (positive Kosten-Nutzen-Analyse) eine Diagnoseund Wichtigkeitsbewertung durchführen zu können, führt aber automatisch zur zuverlässigkeitsorientierten Strategie (RCM). Letztendlich wird bei Infrastrukturunternehmen immer ein weiter Bereich von unterschiedlichsten Betriebsmitteln anfallen, sodass eine generelle Aussage, nur eine Strategie umzusetzen, nicht zu treffen ist. Vielmehr wird eine auf Gruppen von Betriebsmitteln bezogene Entscheidung unter Berücksichtigung der aufgezeigten Kriterien und der Wirtschaftlichkeit zu fällen sein. Ausgehend von der RCM-Strategie kann nachfolgend wiederum in die drei bereits behandelten Instandhaltungsstrategien (CM, CBM, TBM) in Abhängigkeit der Wichtigkeit übergegangen werden. Zum Beispiel kann eine Zuverlässigkeitsberechnung als Ergebnis liefern, dass ein Betriebsmittel keinen wesentlichen Einfluss auf die Nichtverfügbarkeit der elektrischen Energie hat und somit in diesem Fall die ereignisorientierte Instandhaltung angewendet werden könnte, wenn in kurzer Zeit ein Ersatz bzw. eine Reparatur möglich ist. Dieses bedeutet, dass die Einführung einer ereignisorientierten Instandhaltung das Ergebnis einer Überlegung aus der Erfahrung sein, aber auch durch eine gezielte Berechnung der Zuverlässigkeitskenngrößen herbeigeführt werden kann.

2.1.2 RCM-Strategie Seit einigen Jahren wird die zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung (Reliability Centered Maintenance, RCM), die ihre Anfänge in den 60er bzw. 70er Jahre in der Flugzeugindustrie hat, in vielen Bereichen erfolgreich eingesetzt [1, 2, 16]. Bei dieser Vorgehensweise wird im Einzelnen untersucht, welche Komponenten eines Betriebsmittels mit welcher Wahrscheinlichkeit ausfallen können und welche Konsequenzen sich hieraus ableiten lassen. Der Sinn einer zuverlässigkeitsorientierten Instandhaltung liegt somit in

2.1 Strategieentwicklung

39

einem Ausgleich zwischen einer ereignisorientierten und einer vorbeugenden (zeit- bzw. zustandsorientierten) Instandhaltung. Diese Vorgehensweise, wenn sie auf ein Betriebsmittel bezogen wird, wird als FMEA (Failure Mode Effect Analysis) bzw. FMECA (Failure Mode Effect and Criticality Analysis) bezeichnet. Das Ergebnis einer derartigen Untersuchung kann dann sowohl für eine Instandhaltungsmaßnahme als auch für eine Neuentwicklung eines Gerätes verwendet werden (Abschn. 2.1.4). Während mit dem Begriff der zuverlässigkeitsorientierten Instandhaltung ursprünglich ausschließlich die Betrachtung der Konsequenz bei einer Störung berücksichtigt wird, die dann zu einer Instandhaltungsmaßnahme führt, erfolgt im Weiteren auch die Berücksichtigung des Zustands des Betriebsmittels, um zu einer Entscheidung (Ersatz, Wartung) zu kommen.

2.1.2.1 Definitionen Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, eine zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung anzuwenden: • Betriebsmittelorientiert In diesem Zusammenhang wird die Fragestellung gelöst, welche Komponente eines Betriebsmittels seine Funktionstüchtigkeit verliert und welche Ursachen hierfür verantwortlich sind. Diese Fragestellung wird durch die Anwendung der FMEAMethode gelöst und das Ergebnis dieser Untersuchung führt zu der Entscheidung, welche Komponente gewartet bzw. ausgetauscht werden sollte. Darüber hinaus gibt es Rückschlüsse, welche Teile eines Betriebsmittels bei einer zukünftigen Entwicklung zu optimieren sind. Die Basis dieser Überlegungen ist jeweils die Zuverlässigkeit der Einzelkomponenten und die resultierenden Konsequenzen bei einer Störung. • Feldorientiert Die Betrachtung auf der Feldebene (bestehend aus mehreren Betriebsmitteln, die in Reihe geschaltet bzw. innerhalb eines Feldes voneinander abhängig sind), ist vergleichbar mit der betriebsmittelorientierten Betrachtung. Der Nachteil der Betriebsmittelbetrachtung ist, dass bei der Anwendung einer Instandhaltungsmaßnahme an einem Betriebsmittel jeweils das gesamte Feld freigeschaltet werden muss. Im Gegensatz hierzu ist es aus betrieblicher Sicht günstiger, Maßnahmen an mehreren Betriebsmitteln gleichzeitig durchzuführen. Dieses bedeutet, dass die Maßnahmen an den Komponenten aufeinander abgestimmt sein sollten. • Systemorientiert Bei diesem Ansatz wird untersucht, welches Betriebsmittel und welche Anlage die Verfügbarkeit und das Verhalten des Netzes beeinflussen und somit zu einer Versorgungsunterbrechung führen. Diese Aufgabe wird durch die Anwendung von Zuverlässigkeitsberechnungen gelöst, indem u. a. die nicht verfügbare Energie oder die Anzahl von Versorgungsunterbrechungen an bestimmten Netzknoten bestimmt wird.

40

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Darüber hinaus ist es möglich, die Wichtigkeit eines Betriebsmittels mithilfe anderer Kriterien zu bestimmen. Im Gegensatz zu der betriebsmittelorientierten Vorgehensweise besteht in diesem Fall das Resultat aus einer Festlegung, welches Betriebsmittel bzw. Anlage aus Systemsicht gewartet oder ersetzt werden sollte. Die weiteren Betrachtungen in diesem Abschn. 2.1.2 berücksichtigen ausschließlich den systemorientierten Ansatz, wobei die Anwendung des beschriebenen Verfahrens als eine übergeordnete Vorgehensweise angesehen werden kann, sodass ausgehend von dem systemorientierten Ansatz alle anderen Instandhaltungsstrategien abgeleitet werden können, z. B. ereignis-, zeit- oder zustandsorientierten Wartung (Abschn. 2.1.1.8).

2.1.2.2 Vorgehensweise Bei der zuverlässigkeitsorientierten oder auch prioritätenorientierten Instandhaltung (RCM), werden grundsätzlich die beiden Größen: Zustand des Betriebsmittels/der Anlage und die Wichtigkeit bewertet und hieraus eine Reihenfolge der Betriebsmittel abgeleitet, die einer Instandhaltung unterzogen werden sollten [3]. Hieraus leiten sich nach Abb. 2.3 die folgenden Arbeitsschritte ab: • Feststellen des Zustandes eines Betriebsmittels (Zustandsindex c), • Ermittlung der Wichtigkeit dieses Betriebsmittels für das Gesamtsystem, z. B. der Einfluss eines Betriebsmittelausfalls auf die Versorgungszuverlässigkeit (Wichtigkeitsindex i),

Index c

Index o

Zustand des Betriebsmittels

gesamter Index der Betriebsmittel 1. 2. 3. 4. 5.

Index i Wichtigkeit des Betriebsmittels

Instandhaltungsstrategie Abb. 2.3   Prinzipielle Vorgehensweise bei der RCM-Strategie

equipment #1 equipment #2 equipment #3 equipment #4 equipment #5

2.1 Strategieentwicklung

41

• Zusammenfassen der beiden Informationen, um die optimale Reihenfolge der Instandhaltung der einzelnen Geräte festzulegen, • Festlegung der Instandhaltungsstrategie. Während nach Abb. 2.3 ein einzelnes Betriebsmittel bewertet wird, ist auf derselben Basis eine Bewertung von verschiedenen Komponenten möglich, die zu einer Gesamtanlage zusammengefasst werden können. Die grundsätzliche Vorgehensweise kann in diesem Fall aus Abb. 2.18 (Abschn. 2.1.3) am Beispiel einer Mittelspannungsanlage abgeleitet werden [4]. Das Beurteilungsergebnis für den gesamten Anlagenzustand ermittelt sich durch eine geeignete Verknüpfung der Teilergebnisse aus der Beurteilung des Zustands der in der jeweiligen Anlage vorhandenen Betriebsmittelgruppen. Die Verknüpfung dieser Zwischenergebnisse zum Zustandsindex c erfolgt dann wiederum durch die Bildung einer relativen gewichteten Summe (siehe Zustandsermittlung). Die Gewichtungsfaktoren für die einzelnen Betriebsmittelgruppen werden jeweils für jede Anlage aus der Anzahl installierter Betriebsmittel und zum Beispiel aus den Investitionskosten oder der Konsequenz bei einem Betriebsmittelausfall bezogen auf die Gesamtanlage ermittelt. Für die Erhebung und korrekte Verknüpfung der jeweiligen Parameter ist sehr viel Expertenwissen aus dem Netzbetrieb erforderlich. Die Umsetzung erfolgt dabei oftmals mit intelligenten Softwaresystemen, die beispielsweise auch mithilfe der Fuzzy-Logik zu Ergebnissen gelangen (Abschn. 2.1.3). Anschließend wird aus dem aggregierten Zustand der Anlage unter Berücksichtigung des Wichtigkeitsindex i der Gesamtindex der Anlage abgeleitet. In den nachfolgenden Unterabschnitten wird die Erarbeitung der beiden Größen Zustand und Wichtigkeit näher dargestellt. Zustandserfassung Bei der Zustandserfassung werden die einzelnen Betriebsmittel gesondert bewertet und anschließend untereinander verglichen, hierbei erfolgt die Zustandsbewertung durch eine geeignete Verknüpfung der Ergebnisse ausgewählter Beurteilungskriterien. Für die Kriterien kommen neben den Stammdaten des Betriebsmittels (Alter, Technologie, Einbauort) Vergleichsmessungen, die z. B. im Rahmen zyklischer Inspektionen durchgeführt werden, visuelle Beobachtungen und Beurteilungen durch das Instandhaltungspersonal usw., in Betracht. Weiterhin fließen die Betriebserfahrung und das vorhandene technischwirtschaftliche Know-how des Anlagenbetreibers in die Bewertung ein. Wie beispielhaft in Tab. 2.3 dargestellt, werden die Bewertungen der einzelnen Kriterien der Betriebsmittel durch die Auswahl aus einer vorgegebenen Menge möglicher Bewertungen festgelegt. Der Zustandsindex c ermittelt sich dann aus diesen Einzelbewertungen als relative, gewichtete Summe dieser Werte (Gewichtung). Für die zugehörigen Betriebsmittel gilt in diesem Fall dann: je größer der ermittelte Index c, desto schlechter ist der Zustand des Betriebsmittels. Für c = 0 befindet sich das Betriebsmittel in einem ausgezeichneten, für c = 100 in einem sehr schlechten Zustand.

42

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Tab. 2.3  Beurteilungsliste für Betriebsmittel am Beispiel eines Leistungsschalters (Auszug) Kriterium

Skala S

Alter (in Jahren)

Schaltungen pro Jahr

Service Know-how

 40

10

Normal

1

Mittel

6

Hoch

10

Gut Mittel

Messergebnisse

3

4

6 10

Normal

1

Schlecht

Gewichtung 5

1

Schlecht Mittel Gesamtzustand c

Bewertung

10

6 10 (Wert)

Bei der Zustandsermittlung eines Betriebsmittels nach Tab. 2.3 wird nicht nur der jeweilige technische Zustand, der sich zum Beispiel aus Messungen oder visuellen Beobachtungen, wie oben angegeben, ableiten lässt. Er kann auch mithilfe sonstiger Angaben bewertet werden. Hierzu können die Technologie, die betrieblichen Erfahrungen, die Ersatzteilversorgung oder aber das Service-Know-how gehören. Die Konsequenz hieraus ist, dass durch diese Bewertung auch eine Investitionssteuerung vorgenommen werden kann. So können z. B. einzelne Geräte oder Gruppen früher ausgetauscht werden, um beispielsweise einen Technologiewechsel zu gestalten oder aber eine übergeordnete Erneuerungsstrategie umzusetzen. In der Bewertung kann dies dadurch erfolgen, dass diesen Betriebsmitteln „künstlich“ ein schlechterer Zustand zugewiesen wird, sodass z. B. ein Austausch früher erfolgt oder aber einfach durch eine übergeordnete „zentrale“ Bewertung, die eine geeignete Steuerungsfunktion übernimmt. Im Allgemeinen ist es möglich, dass bei einer Bewertung eines Betriebsmittels, bestehend aus vielen Kriterien, eine schlechte Einzelbewertung durchaus durch andere Bewertungen kompensiert werden kann, sodass diese schlechte Bewertung im Gesamtergebnis nicht auffällig wird. Zur Lösung dieses Problems sollte bei der Überschreitung von Schwellwerten eine Meldung erfolgen, sodass eine unmittelbare Instandhaltungsmaßnahme erfolgen muss. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass diese Bewertung einen wesentlich höheren Einfluss auf das Ergebnis hat, z. B. eine logarithmische Einteilung statt einer linearen.

2.1 Strategieentwicklung

43

Darüber hinaus ist es auch möglich, die Bewertung mithilfe der Fuzzy-Logik umzusetzen. Hiermit können kritische Bewertungen gesondert gewichtet oder auch k.o.-Kriterien eingeführt werden (Abschn. 2.1.3). Zusätzlich sind weitere Zustandskriterien sinnvoll, die sich z. B. mehr auf die einzelnen Typen und Hersteller beziehen: • • • •

Ergebnis der Instandhaltung, Zeit bis zur nächsten Wartung, After-Sales-Service des Herstellers, Fehlerrate des Betriebsmittels.

Bei der Zustandsbewertung durch Mitarbeiter, z. B. während einer Inspektion kann es zu Unsicherheiten in der Beurteilung kommen. Die Basis für diese Abweichung liegt in zwei Problemkreisen, nämlich: • die Wahrnehmung eines technischen Zustands im Vergleich zum Sollwert und • anschließend die entsprechende Bewertung. Maßnahmen hinsichtlich der Reduktion der subjektiven Bewertung sind beispielhaft: Detaillierte Checklisten, vordefinierte Bewertungsbeispiele bzw. ein Bewertungsleitfaden und eine Schulung des Personals. 7 sind für die wesentlichen Betriebsmittel und Anlagen der elektrischen Energieversorgung Kriterien aufgeführt, die zu Checklisten der Zustandsbewertung verwendet werden können. Die verschiedenen Zustandskriterien nach Tab. 2.3 haben einen unterschiedlichen Einfluss auf die Bewertung des Gesamtzustands des Betriebsmittels. Dieser Einfluss wird durch eine Gewichtung gekennzeichnet, wie dieses in der Spalte (rechts) der Tabelle dargestellt ist. Die Gewichtung kann hierbei beispielhaft durch einen paarweisen Vergleich der Kriterien nach Abschn. 2.1.4.2 (Abb. 2.28) abgeleitet werden. Wichtigkeitsbewertung Die Festlegung der Wichtigkeit eines Betriebsmittels stellt grundsätzlich eine subjektive Wertung dar. Sie kann durch eine Vielzahl von verschiedenen Kriterien definiert werden, die sich auch kombinieren lassen. Zu diesen Kriterien können bei einem elektrischen System beispielhaft gehören: • Spannungsebene (110 kV; 380 kV), • Einsatzort (Kraftwerk, Freileitungsfeld), • Kraftwerkstyp (Wind, Kohle, Kernkraft), • Investitionskosten, • Entfernung von einem Reparaturort, • Netztopologie (Strahlennetz, Einschleifung, vermaschtes Netz), • Umfang der nicht gelieferten Energie,

44

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

• • • • • • •

Anzahl der Versorgungsunterbrechungen, Fehlerrate des Betriebsmittels, Leistungsfluss des Betriebsmittels, sozialer Einfluss der nicht gelieferten Energie (Krankenhaus), geschäftlicher Einfluss (Pönale für die nicht gelieferte Energie, Umsatzverlust), Einfluss einer Störung auf das gesamte betrachtete Netz, Beeinträchtigung der Umgebung bzw. Umwelt durch eine Störung (Explosion, Austritt von Öl), • Imageschaden für das Unternehmen bei einem Fehler, • usw. Bei einer Kombination von verschiedenen Kriterien zur Beurteilung der Wichtigkeit, können auch in diesem Fall die Bewertungen gegeneinander gewichtet und normiert werden, um eine einheitliche Dimensionierung zu erhalten. Bei der Feststellung der Wichtigkeit einer Gesamtanlage sollten Kriterien verwendet werden, die in der Gesamtheit auf alle Komponenten der Anlage zu treffen. Am Beispiel einer elektrischen Schaltanlage könnte dieses beispielhaft sein: • Spannungsebene (110 kV; 380 kV), • Schaltanlagenkonfiguration: Einfach- oder Doppelsammelschiene mit und ohne Längskupplung, • übertragene Wirkleistung • Art der versorgten Kunden: Haushalte, Gewerbe, Industrie. Während einige der oben angegebenen Kriterien sich auf die jeweiligen Betriebsmittel beziehen (z. B. Spannungsebene, Fehlerrate, Leistungsfluss usw.), können andere als systemorientiert gelten (z. B. nicht gelieferte bzw. nicht eingespeiste Energie, Einfluss der Störung, Versorgungsunterbrechungen usw.). Aufgrund der Netzstruktur und der damit höheren Auswirkung einer Störung eines wichtigen Betriebsmittels auf das Gesamtnetz ist es durchaus sinnvoll, im Höchstspannungsnetz die betriebsmittelorientierte Wichtigkeitsbewertung anzuwenden, während im Mittelspannungsnetz eine systemorientierte Beurteilung durchaus angebracht ist. Durch Normierung ist es möglich, einen Wichtigkeitsbereich i zwischen 0 und 100 zu definieren. Hierbei soll ein Wert von i = 0 bedeuten, dass diese Betriebsmittel unwichtig sind, im Vergleich mit dem Betriebsmittel, welches den Wert i = 100 hat und somit als sehr wichtig eingestuft wird. Wesentlich ist bei der Einteilung, dass diese Zuordnung jeweils relativ zu gleichartigen Betriebsmitteln zu sehen ist, da das Ergebnis der abschließenden Bewertung zu einer Priorisierung innerhalb des Betriebsmittelkollektivs führt, und damit zu einer Festlegung, in welcher Reihenfolge Instandhaltungsmaßnahmen in den einzelnen Kollektiven durchgeführt werden sollen. Ausführliche Kriterien zu verschiedenen Betriebsmitteln bzw. Anlagen der elektrischen Energieversorgung sind in Kap. 7 aufgeführt.

2.1 Strategieentwicklung

45

Interpretation des Ergebnisses Nach der Ermittlung der Bewertungen für die Parameter c (Zustand) und i (Wichtigkeit) entsprechend der oben dargestellten Vorgehensweise ist es möglich, die Ergebnisse (Kreuze) entsprechend Abb. 2.4 in einem Zwei-Achsen-Koordinatensystem darzustellen. Hierbei werden der Zustand des Betriebsmittels auf der Ordinate und die Wichtigkeit auf der Abszisse aufgetragen. Nach Abb. 2.4 stellt ein Kreuz in der linken oberen Ecke (c ~ 100, i ~ 0) ein Gerät dar, welches zwar in einem schlechten Zustand ist, dessen Ausfall jedoch keine größeren Auswirkungen haben wird als Folge der geringen Wichtigkeit, bezogen auf das gesamte Netz. Im Gegensatz hierzu kennzeichnet ein Kreuz in der rechten unteren Hälfte (c ~ 0, i ~ 100) eine Komponente, die in einem sehr guten Zustand ist, ein Ausfall dieses Gerätes wird jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Versorgungszuverlässigkeit haben. Aus der Netzerfahrung resultierend und damit unter Umständen anwenderspezifisch werden die technischen Bewertungskennwerte cW und cE eingetragen [5, 47]. Die Einteilung hinsichtlich der Instandhaltungsmaßnahme erfolgt grundsätzlich parallel zur Abszisse i durch die oben definierten Kennwerte abhängig vom Zustand des Gerätes, z. B.: • Bereich I: Ersatz des Betriebsmittels, • Bereich II: Wartungsarbeiten, • Bereich III: Inspektionen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten. Die Reihenfolge für eine Instandhaltungsmaßnahme innerhalb eines Feldes ist von der Entfernung zu einer Gerade d abhängig. Wenn diese Achse in einem Winkel von 45° von der Ordinate gedreht ist, heißt es, dass beide Kriterien (Zustand c und Wichtigkeit i)

Abb. 2.4   Darstellung des RCM-Ergebnisses; c Zustand des Betriebsmittels; i Wichtigkeit des Betriebsmittels

c 100

1 d1

cE d

Bereich I 2

3

5

4 Bereich II

cW d4 d2

d3

d5

Bereich III 100

i

46

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

gleichberechtigt in die Entscheidungsfindung eingehen. Dieses bedeutet zum Beispiel, dass das Betriebsmittel 3 im roten Feld zuerst ausgetauscht werden sollte, anschließend 2 und 1, obwohl letzteres einen schlechteren Zustand hat. Wird im Unterschied zu dieser Vorgehensweise ausschließlich eine zustandsorientierte Instandhaltung durchgeführt, die als Entscheidungskriterium ausschließlich den Zustand betrachtet, sollte der Austausch in der Reihenfolge 1–3–2 erfolgen, da die Wichtigkeit des Betriebsmittels bei der Auswahl nicht berücksichtigt wird. Die Festlegung der Reihenfolge, in der die verschiedenen Betriebsmittel bei einer Instandhaltung berücksichtigt werden, wird jeweils in den Abbildungen durch einen roten Pfeil verdeutlicht. Im Bereich II (Wartung) sollte eine Maßnahme an den Betriebsmitteln in der Reihenfolge 5–4 erfolgen, da in diesem Fall das Betriebsmittel 5 den größten Abstand d5 zur Achse d aufweist. Nach Abb. 2.4 hat die d-Achse einen Winkel von 45° gegenüber den beiden übrigen Achsen. Grundsätzlich ist es möglich, eine hiervon abweichende Winkelverschiebung zu haben, sodass die endgültige Bewertung der Größen Zustand und Wichtigkeit einen unterschiedlichen Einfluss auf die Beurteilung haben. Wird der Winkel zwischen der Achse d und der Zustandsachse c auf 90° vergrößert, so wird in diesem Fall eine zustandsorientierte Instandhaltung durchgeführt, da die Entfernungen d1 … d0 nur vom Zustand der Betriebsmittel abhängig sind (Abb. 2.5). Wird mit dem Winkel α der Winkel zwischen der c-Achse und der d-Achse beschrieben (Abb. 2.4), so bestimmt sich der Abstand zur d-Achse nach Gl. 2.1.

dn = cn · sin (α) + in · sin (90 − α)

(2.1)

Mit dem Laufindex n für die unterschiedlichen Betriebsmittel. Wenn der Winkel mit α = 45° angenommen wird, dann vereinfacht sich Gl. 2.1) zu: √ 2 (2.2) dn = (cn + in ) 2 Im Gegensatz hierzu wird nur die Wichtigkeit beurteilt, wenn die Achse d parallel zur Ordinate liegt. Bei dieser Darstellung (Abb. 2.6) können die Betriebsmittel in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden, sodass zum Beispiel ein Ergebnis wie folgt aussehen kann, entsprechend der Zuordnung auf der Wichtigkeitsachse i: • Bereich I: keine Wartung, • Bereich II: Wartung alle 10 Jahre, • Bereich III: Wartung alle 5 Jahre. In diesem Fall erfolgt ein Austausch eines Gerätes unabhängig von seinem Zustand, zum Beispiel nach einer vorgegebenen Zeit, sodass in diesem Fall entweder die ereignis- oder zeitabhängige Instandhaltung nachgebildet werden kann. Neben den in den Abb. 2.5 und 2.6 dargestellten Möglichkeiten, können die verschiedenen Bereiche auch unterschiedlich kombiniert werden, wie dieses in Abb. 2.6

2.1 Strategieentwicklung Abb. 2.5   Zustandsorientierte Instandhaltung

47 c 100 Bereich I

Ersatz

Bereich II

Wartung

Bereich III

Inspektion

cE cW

100

Abb. 2.6   Ereignis- bzw. zeitorientierte Instandhaltung

c

i

Keine Aktivität Wartung nach 10 Jahren Wartung nach 5 Jahren

100

Bereich III

Bereich I Bereich II

i1

i2

100

i

beispielhaft dargestellt ist. Die in den Abb. 2.5 bis 2.7 eingetragenen Werte für c und i zeichnen sich durch die folgenden Eigenschaften aus: • cW

Zustandswert, bis zu dem ausschließlich Inspektionen sinnvoll sind,

• cE

Zustandswert, ab dem ein Ersatz der Betriebsmittel empfehlenswert ist,

• i1

Aufgrund der geringen Wichtigkeit des Betriebsmittels für das gesamte System, kann eine ereignisorientierte Instandhaltung angebracht sein,

• i2

Als Folge der höheren Wichtigkeit kann ein anderer Zeitzyklus für die Instandhaltung festgelegt werden

48

a

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

b

c

c

100

100 Bereich IV

Bereich IV

cE cW

cE Bereich I

Bereich I

Bereich III

Bereich II Bereich III

Bereich II

i1

100

i

i1

i2

100 i

Abb. 2.7   Kombination von verschiedenen Instandhaltungsstrategien

Diese Vorgehensweise kann bis zu einer beliebig gestalteten Funktion von d und daraus resultierend beliebigen Kombinationen von Entscheidungsbereichen verfeinert werden. Wichtig hierbei ist jedoch die logische und nachvollziehbare Definition und Herleitung der durchzuführenden Tätigkeiten und Maßnahmen. In der Literaturstelle [23] wird auch die Zustandsbewertung in einer geänderten Aufteilung der einzelnen Bereiche dargestellt, Abb. 2.8 zeigt das grundsätzlich Prinzip. Im Gegensatz zur Darstellung nach Abb. 2.4 erfolgt eine Einteilung mit „gekrümmten“ Bereichen, hierbei bedeuten: • Bereich I: Austausch, • Bereich II: Maßnahmen sind vorgesehen, • Bereich III: Inspektion und Wartung nach den allgemeinen Regeln. Bei dieser Darstellung der Bereiche wird zusätzlich berücksichtigt, dass besonders wichtige Betriebsmittel auch bei einem akzeptablen Zustand in den Bereich I fallen und somit frühen ausgetauscht werden können.

2.1.2.3 Beispiel: Freileitungsabschnitt In diesem Abschnitt wird ausgehend von einer Zustands- und Wichtigkeitsbewertung eines Hochspannungs-Freileitungssystems die Notwendigkeit der Instandhaltungsaktivitäten abgeleitet, entsprechend Abschn. 2.1.2.2. Die Beschreibung des Beispiels erfolgt nach [15]. Ein mögliches Gefährdungspotential einer Freileitung wird bei der Festlegung der Reihenfolge der Instandhaltungsmaßnahmen nicht betrachtet, da dieses in jedem Fall zu einer unmittelbaren Instandhaltungsaktivität führen muss.

2.1 Strategieentwicklung Abb. 2.8   Geänderte Zustands- und Wichtigkeitsbewertungen von Betriebsmitteln

49 c 100 BereichII Bereich

Bereich II

Bereich III

100

i

Isolator Leiterseil

Mast Fundament Erdseil

Freileitung

Abb. 2.9   Zusammenfassung der Komponenten einer HS-Freileitung

Stromkreis

Zustandsbewertung Die Beurteilung des Zustands eines Freileitungsabschnitts wird unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien durchgeführt, die in Abhängigkeit der Betriebserfahrung des Anwenders und der Empfehlungen der Hersteller festgelegt werden können. Da eine Hochspannungs-Freileitung (HS-Freileitung) aus mehreren Komponenten (Mast, Leiter-, Erdseil usw.) besteht, müssen diese einzeln bewertet werden. Anschließend erfolgt eine Zusammenfassung entsprechend der Darstellung nach Abb. 2.9. Nach Abb. 2.9 werden die einzelnen Komponenten, die mit Hochspannungspotential verbunden sind, als Stromkreis bezeichnet und bewertet, während unter dem Begriff „Freileitung“ alle Komponenten verstanden werden. Die Einteilung erlaubt es somit, sowohl eine Zustandsbewertung eines Stromkreises als auch für die übrigen Komponenten, um anschließend eine Instandhaltungsmaßnahme auf der Grundlage der Zustandsbewertung durchzuführen.

50

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Für die Zustandsbewertung der einzelnen Teilkomponenten nach Abb. 2.9 werden verschiedene Kriterien abgeleitet und entsprechend gewertet. Für die Beurteilung können beispielhaft die folgenden Kriterien herangezogen werden: Leiterseil: • Alter

• Material

• Auslegungstemperatur

• Schäden

• Durchhang

• Auslastung

• usw Freileitungsmast: • Alter

• Material

• Konstruktion

• Erfahrungen

• Mastart

• Stahlqualität

• Korrosionsschutz

• Abrostung

• usw. Fundament: • Alter,

• Mastart,

• Schäden,

• Bauform,

• Absenkung,

• usw.

Für die Bestimmung des Gesamtzustands eines Stromkreises, bestehend aus den Leiterseilen incl. Klemmen und Befestigungsgarnituren (cL) und den Isolatoren (cT), ist jeweils der Einfluss der verschiedenen Komponenten auf den Gesamtzustand zu berücksichtigen, sodass zum Beispiel mit den Gewichtungsfaktoren a1 und a2 gilt:

cS = a1 · cL + a2 · cT

(2.3)

Bei einem Wert von a1 = a2 = 0,5 werden beide Stromkreiskomponenten den gleichen Einfluss auf den Zustand des gesamten Stromkreises haben. Eine ähnliche Bewertung kann auch für die Bewertung der gesamten Freileitung abgeleitet werden. Grundsätzlich kann die Bestimmung der Faktoren a1 und a2 auch mithilfe einer Entscheidungsmatrix (Abschn. 2.1.4.2) erfolgen, indem jeweils zwei Kriterien gegeneinander bewertet werden. Bei der Bestimmung des Zustands einer gesamten Freileitung ergibt sich somit ein Mittelwert, berechnet aus den verschiedenen Kriterien der unterschiedlichen Komponenten, sodass sich Extremwerte durch die Mittelwertbildung aufheben können. Dieses hat zur Konsequenz, dass bei der Festlegung einer Instandhaltungsmaßnahme, z. B. Sanierung des gesamten Freileitungsabschnittes, stets untersucht werden muss, welche Teilkomponente diesen Gesamtzustand hauptsächlich beeinträchtigt, sodass eine Instandhaltungsmaßnahme direkt an der betroffenen Komponente erfolgen kann.

2.1 Strategieentwicklung

51

Wichtigkeitsbewertung Eine grundsätzliche Möglichkeit der Beurteilung der Wichtigkeit eines Stromkreises bzw. einer Freileitungstrasse besteht in der Berechnung der unterbrochenen Energie (z. B. am Ende einer Freileitung), der Unterbrechungshäufigkeit oder der Störungsdauer, jeweils bezogen auf die vorhandenen Netzknoten. Diese Werte werden von verschiedenen Größen beeinflusst, z. B. der Reparaturdauer, Störungsrate der Betriebsmittel, der Netztopologie und der Belastung. Welche der genannten Größen oder aber Kombinationen hiervon für die Bewertung der Wichtigkeit herangezogen werden, hängt im Einzelfall von den Randbedingungen ab. Im zuletzt betrachteten Beispiel wird zur Bewertung der Wichtigkeit einer Freileitung für das Gesamtsystem die Summe der durch Ausfall des betroffenen Leitungsabschnittes unterbrochenen Energie an allen Netzknoten (Kunden, Kraftwerke) mithilfe einer Ausfallrechnung ermittelt. Bei der Festlegung der Wichtigkeit einer Freileitung für das Gesamtsystem kann hierbei zwischen zwei Möglichkeiten unterschieden werden: • Energie, die aufgrund einer Leitungsunterbrechung nicht für die Versorgung eines Kunden oder für die Einspeisung in ein unterlagertes System zur Verfügung steht, • Energie, die aufgrund einer Leitungsunterbrechung nicht von Erzeugungsanlagen oder von wichtigen Transportleitungen eingespeist werden kann. Welche der unterbrochenen Energien (nicht eingespeiste bzw. nicht gelieferte) für eine Bewertung genommen wird, ist eine Folge der Versorgungsaufgabe des Netzbetreibers. Dieses hängt im Allgemeinen von der Spannungsebene des Systems ab, während im Mittel- und Niederspannungsnetz in der Regel die nicht gelieferte Energie von wesentlicher Bedeutung ist, wird dieses im Hoch- und Höchstspannungsnetz Netzknotenweise zu differenzieren sein. Für die Bestimmung der Wichtigkeit einer Freileitung wird für das nachfolgende Beispiel eine Zuverlässigkeitsberechnung durchgeführt. Hierbei dient die Zuverlässigkeitsberechnung der Ermittlung des Störungseinflusses aller Freileitungen auf das Verhalten an sämtlichen Netzknoten. Als Eingangsdaten werden die Datensätze verwendet, wie sie für die Lastflussberechnung üblich sind, z. B. Netztopologie, technische Daten der Komponenten sowie der Betriebszustand (Einspeisungen und Verbrauch), zusätzlich noch Zuverlässigkeitskenndaten für die Systemkomponenten: • die Ausfallrate λ [1/a], • die Reparaturdauer Tr [h]. Mithilfe dieser Zuverlässigkeitskenndaten, die aus veröffentlichten Statistiken oder aus den Aufzeichnungen des Anwenders abgeleitet werden können, werden dann die Auswirkungen der Störungen auf die Versorgungszuverlässigkeit der Netzknoten berechnet. Auf der Basis dieser Vorgehensweise ist es möglich, den Beitrag jeder Leitung bezogen auf die Wichtigkeitsgröße (nicht eingespeiste oder nicht gelieferte Energie) zu bestimmen.

52

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

250 km 200

150

100

50

0 1

6

11

16

21

26

31

36

41

46

51 Alter 56

Abb. 2.10   Altersverteilung des untersuchten 220-kV-Freileitungsnetzes (Angaben in km) [15]

Freileitungsnetz Die in den vorhergehenden Bemerkungen dargestellte Beurteilung wird anhand eines 220-kV-Freileitungsnetzes eines Netzbetreibers durchgeführt, welches eine Gesamtlänge von 1145 km besitzt mit einer Altersverteilung nach Abb. 2.10 [15]. Es zeigt sich, dass der größte Teil der 220-kV-Freileitungen über 40 Jahre alt ist und die älteste Freileitung besteht seit 57 Jahren. Die letzten gebauten Freileitungen sind für eine Nennspannung von 380 kV ausgelegt, werden jedoch heute mit einer Spannung von 220 kV betrieben. Ergebnis der Zustandsbewertung Nach dem oben dargestellten Verfahren erfolgt eine Bewertung der Leiterseile und Isolatoren, die zu einer Beurteilung des ganzen Stromkreises zusammengefasst werden (Abb. 2.11). Die Bewertung zeigt, dass der Zustand von zwei Leiterseilen einen schlechteren Zustand haben, verglichen zu den übrigen Leitungen, hierbei handelt es sich jeweils um die beiden ältesten Leitungen, die im Jahr 1957 errichtet wurden. Der Zustand dieser Hochgebirgsleitungen kann als kritisch bezeichnet werden (IndexZustand über 70 nach Abb. 2.11).

2.1 Strategieentwicklung

53

Zustand

80 Gesamtzustand Zustand Isolator Zustand Leiter

70 60 50 40

30 20 10 0

1

3

5

7

9

11

13

15

17

19

21

23

25

27

29

31

33

35

37 39 Ltg.-Nr.

Abb. 2.11   Zustandsbewertung der verschiedenen Stromkreise [15]

Ergebnis der Wichtigkeitsbewertung Die Berechnung der unterbrochenen Energie erfolgt für die beiden Möglichkeiten Last bzw. Erzeugung, jedoch mit einer unterschiedlichen Gewichtung, indem das Verhältnis der beiden Energien mit 1/10 bewertet wird (Last: 1, Erzeugungsanlage: 10). Da die Wichtigkeitsbeurteilung von der jeweiligen Lastsituation abhängt, werden verschiedene Lastszenarien berücksichtigt, die durch folgende Szenarien beschrieben werden können: • Spitzenverbrauch Winter,

• Minimalverbrauch Winter,

• Spitzenverbrauch Herbst,

• Spitzenverbrauch Sommer.

Die Zusammenfassung der verschiedenen Wichtigkeitswerte für alle Freileitungen zeigt Abb. 2.12, wobei der Summenwert der unterbrochenen Energien für eine Leitung auf den Maximalwert im Netz bezogen und gleich 100 gesetzt wird. Für die Ermittlung der Wichtigkeit der Freileitungen wurden alle oben beschriebenen Lastszenarien gleich bewertet, d. h., die Ergebnisse gehen jeweils mit 25 % in das Endergebnis ein. Die Beurteilung der drei wichtigsten Freileitungen ergibt sich aufgrund der Einspeisung von großen Kraftwerken in das Freileitungsnetz (Index > 40 nach Abb. 2.11). Die, nach dieser Definition, weniger wichtigen Leitungen befinden sich in Gebieten mit einem großen Verbrauch und zugleich sind sie stark vernetzt, sodass der Ausfall einer Leitung geringere Konsequenzen für die Versorgung hat.

54

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Wichtigkeit

100

80

60

40

20

0

1

3

5

7

9

11

13

15

17

19

21

23

25

27

29

31

33

35

37 39 Ltg.-Nr.

Abb. 2.12   Wichtigkeitsbewertung der Freileitungen [15]

Resultierende Bewertung In der nachfolgenden Betrachtung werden bezüglich einer Instandhaltungsmaßnahme zur Vereinfachung ausschließlich Stromkreise betrachtet. Ausgehend von den Bewertungen zeigt Abb. 2.13 das Gesamtergebnis in einem Zwei-Achsen-System nach Abb. 2.4. Eine Markierung in der linken oberen Bildecke (c > 50; i   50 der Ersatz der Betriebsmittel empfohlen wird, erfolgt für diese Schalter die Ableitung des SPI-Wertes, um eine Reihenfolge der Instandhaltungsmaßnahme festzulegen.

100 c

c

80

cR

cE

60

40

20

0

0

20

40

60

Abb. 2.16   Bewertung der Hochspannungsschaltgeräte

c Zustandsbewertung der Originalschaltgeräte cR Zustandsbewertung der Geräte nach einer Revision cE Zustandsbewertung nach Ersatz durch ein neues Gerät

80

i

100

60

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Ausgehend von der Bewertung nach Abb. 2.16 wird untersucht, ob ein sofortiger Ersatz der Geräte oder aber eine Revision, um den Austausch für einen Zeitbereich von sechs Jahren zu verschieben, sinnvoll ist. Für die Bestimmung des SPI-Wertes wird die Veränderung des Zustands aufgrund der betrachteten Instandhaltungsmaßnahme ermittelt. Das bedeutet, dass in einem zweiten Schritt die Zustandsbewertung wiederholt wird, unter Berücksichtigung einer durchgeführten Revision, d. h., die Kriterien sind in Abhängigkeit der Tätigkeiten bei einer Revision entsprechend zu verändern und es ergeben sich dann die neuen Zustandswerte cR, (Abb. 2.16, Viereck). Nach dem gleichen Muster erfolgt die Bewertung eines neuen Leistungsschalters für den gleichen Einsatzort, cE (Abb. 2.16, Dreieck). Unter Berücksichtigung der Revisionskosten nach Tab. 2.5 werden die Kennziffern SPIS ermittelt, wobei in diesem Fall vorausgesetzt wird, dass durch diese Revision ein Ersatz um sechs Jahre verzögert wird. Darüber hinaus werden bei der Ermittlung der Kennziffer SPIE folgende Investitionskosten (beispielhaft) für den Ersatz eines Leistungsschalters verwendet, wobei vorausgesetzt wird, dass eine alte Komponente durch einen modernen SF6-Leistungsschalter ersetzt wird: • Abschreibungszeit

25 Jahre

• Zinssatz

6.5 %/a

• Neupreis

123 kV

25 T€

245 kV

75 T€

420 kV

220 T€

Da die finanziellen Aufwendungen für die unterschiedlichen Instandhaltungsmaßnahmen jeweils unterschiedliche Zeiträume abdecken, sind die jährlich konstanten Kosten für den Betrachtungszeitraum zu betrachten. Im Falle einer Neuinvestition ist hierbei auch der Restbuchwert zu berücksichtigen, damit die Instandhaltungskosten vergleichbar sind. Abb. 2.17 zeigt das Ergebnis der Bewertung, indem die Werte: Δ SPI = SPIE (Ersatz)–­ SPIR (Revision) dargestellt sind. Ein positiver Wert Δ SPI bedeutet, dass ein Ersatz des Gerätes besser ist als eine intensive Revision durchzuführen, mit dem Ziel, den Austausch um sechs Jahre zu verschieben. Es ergibt sich somit das folgende Ergebnis der Bewertung:

Tab. 2.5  Revisionskosten in T€ für verschiedene Leistungsschaltertypen (beispielhaft)

Typ

123 kV

245 kV

420 kV

Druckluft

15

25

50

Ölarm

10

15

30

5

10

20

SF6

2.1 Strategieentwicklung

61

25 DSPI

Ersatzfeld

20

15

10

5

0

1

2

3

4

5

-5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

Revisionsbereich

Abb. 2.17   Ergebnis der SPI-Bewertung

• Die Druckluftschalter sollten sofort ausgetauscht werden (10: 123 kV; 11: 245 kV; 14: 420 kV). • Die gleiche Aussage trifft für die ölarmen Schaltgeräte (7/8: 123  kV) und SF6-Schalter (1–6: 123 kV; 13: 245 kV) zu. • Für den SF6-Schalter (12) ist eine Revision sinnvoll. • Der wirtschaftliche Vorteil, die 123 kV-Leistungsschalter sofort auszutauschen, ist in diesem Fall durch den geringen Neuanschaffungspreis begründet. Wird im Gegensatz hierzu bei den betrachteten Fällen ausschließlich die Ermittlung des Barwertes als ein Entscheidungskriterium verwendet, wird in jedem Fall eine Revision die geeignete Maßnahme sein mit Ausnahme der 123-kV-Schaltgeräte, was wiederum eine Folge der geringen Investitionskosten ist. Diese Vorgehensweise ist im ersten Schritt nur auf das Betriebsmittel „Leistungsschalter“ bezogen. Eine erweiterte Betrachtung würde im nächsten Analyseschritt auch die nähere (komplettes 110-kV-UW) und dann die weitere Umgebung (110-kV-System) der Leistungsschalter umfassen.

2.1.3 Instandhaltung mit Fuzzy-Logik Als Ergebnis einer Zustandsbeurteilung wird häufig eine Reihenfolge ermittelt, in der die betrachteten Anlagen und/oder Komponenten einer Instandhaltungsmaßnahme

62

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

unterzogen werden sollten, wie zum Beispiel einer Wartung/Revision oder einer vollständigen Erneuerung. Insbesondere bei Erneuerungsmaßnahmen kann es dabei zu der Frage kommen, ob sich ein Austausch einzelner Betriebsmittel einer Anlage noch lohnt, oder ob nicht stattdessen die Erneuerung der kompletten Anlage ratsam wäre. Eine eindeutige, systematisch hergeleitete Antwort auf diese Fragestellung unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Budgetdrucks einerseits und der technischen Qualitätsanforderungen andererseits fällt in der Praxis oft nicht leicht, sondern ist vielfach von Randbedingungen abhängig, die sich einer objektiven Bewertung entziehen. Ausgehend von diesen Überlegungen kann mithilfe der Fuzzy-Logik eine Entscheidungshilfe für die Beantwortung der Frage erarbeitet werden, ob im konkreten Einzelfall der vollständige Ersatz einer Gesamtanlage oder nur der Teilaustausch einzelner Komponenten bzw. Betriebsmittel technisch erforderlich und damit wirtschaftlich sinnvoll ist, wie dieses ausführlich in [7] dargestellt ist und hier wiedergegeben wird. Bei der Anwendung der vorausschauenden Instandhaltung bzw. RCM-Strategie, wie in Abschn. 2.1.2 beschrieben, werden zwei Gesichtspunkte berücksichtigt: • Technischer Zustand des Betriebsmittels/der Anlage • Wichtigkeit der Anlage für das Gesamtnetz. Während bei der Beurteilung des Zustands der einzelnen Betriebsmittel unterschiedliche, ausschließlich komponentenorientierte Kriterien für die Bewertung des Zustandes herangezogen werden, muss bei einer Station oder Schaltanlage der übergreifende Gesamtzustand, bestehend z. B. aus den Geräten der Primär- und Sekundärtechnik, dem Gebäude und den Hilfseinrichtungen, ermittelt werden. Die grundsätzliche Vorgehensweise ist in Abb. 2.18 für eine Anlage mit den unterschiedlichen Geräten 1 bis n dargestellt. Ausgehend vom Zustand der einzelnen Betriebsmittel wird hierbei der Gesamtzustand einer Anlage dadurch ermittelt, dass die Gewichtung zum Beispiel entsprechend den Investitionskosten der Einzelteile oder den Auswirkungen bei einer Störung durchgeführt wird und zusätzlich geht die Anzahl der Betriebsmittel in die Bewertung ein. Das Ergebnis stellt somit den Mittelwert des Zustandes aller Betriebsmittel dar und gibt einen Hinweis über den Gesamtzustand der Anlage. In die Festlegung der jeweils optimalen Instandhaltungsmaßnahme bei einer Anlage fließen in der Praxis – neben den „objektivierbaren“ Kriterien „Zustand und Wichtigkeit“ sowohl der Anlage als auch ihrer Komponenten – auch und nicht zuletzt langjährige betriebliche Erfahrungswerte ein. Die Erneuerung alter Installationen beispielsweise kann, muss aber nicht unbedingt auch die Erneuerung des umgebenden Gebäudes mit sich bringen. Umgekehrt gibt es oft gute technische und wirtschaftliche Gründe dafür, eine – auch betagte – elektrische Anlage trotz umfassender Gebäudesanierung weiter zu betreiben. Die Entscheidung für oder wider Teil- oder Komplettsanierung bewegt sich in vielen Fällen in einer Grauzone und ist insgesamt nur schwer zu systematisieren.

2.1 Strategieentwicklung

Gerät 1, Index cG!

63

Gerät 2, Index cG2

Gerät 4, Index cG4

Gerät 3, Index cG3

Gerät 5, Index cG5

Anlagenzustand, Index c

Anlagenwichtigkeit, Index i

Gesamtindex Schaltanlage, Index o

Abb. 2.18   Verfahren zur Instandhaltungsplanung einer Anlage unter Berücksichtigung von Zustand und Wichtigkeit des Betriebsmittels

Aber auch bei ausschließlicher Betrachtung der elektrotechnischen Installationen (z. B. in Freiluftanlagen) lässt sich die Frage nach teilweiser Sanierung oder vollständiger Erneuerung nicht immer eindeutig beantworten. In der Regel gibt es eine Expertenbewertung, die dann zu einer Entscheidung der Vorgehensweise führt, wobei die menschliche Denkweise mit der Möglichkeit komplexe und „unscharfe“ Sachverhalte in Gänze aufzunehmen und zu einem „Ja“ oder „Nein“ zu kommen eine maßgebliche Rolle spielt. Die Abbildung derartiger Entscheidungsvorgänge ist mittels sogenannter Expertensysteme oder auch wissensbasierter Systeme in der Vergangenheit intensiv erforscht und bereits vielfach erfolgreich in verschiedensten Bereichen eingesetzt worden. Eine herausragende Möglichkeit, diese Zusammenhänge in mathematischen Funktionen abzubilden und zu einer systematisch nachvollziehbaren Entscheidung zu gelangen, bietet die Anwendung der Fuzzy-Logik. Während in den Abschn. 2.1.3.2 bis 2.1.3.5 die Zusammenfassung der Zustände verschiedener Betriebsmittel zu einem Gesamtzustand einer Anlage gezeigt wird, ist es auch möglich, die Zustände verschiedener Komponenten zum Gesamtzustand eines Betriebsmittels zusammenzufassen. Die grundsätzliche Vorgehensweise für diesen Fall wird in Abschn. 2.1.3.6 erläutert.

64

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

2.1.3.1 Grundzüge der Fuzzy-Logik Wenn die Fuzzy-Logik für einen Lösungsansatz verwendet werden soll, wird das Übertragungsverhalten der Lösungsfunktion zunächst mit Hilfe verbaler (linguistischer), unscharfer „Wenn – dann“ Regeln ausgedrückt, das heißt: Wenn

Gerät 1 den Zustand c1 und Gerät 2 den Zustand c2 hat,

dann

ergibt sich das Ergebnis E

Dieses bedeutet zum Beispiel im Rahmen einer Instandhaltung von Anlagen bzw. Stationen: Wenn

das Gebäude schlecht ist und die Primärtechnik schlecht ist,

dann

ist eine Komplettsanierung der Anlage/Station sinnvoll

Die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Entscheidungsfindung mithilfe der FuzzyLogik geht aus Abb. 2.19 hervor und ist in [18, 44] ausführlich beschrieben. Anhand von Abb. 2.17 können die einzelnen Funktionsblöcke entsprechend den nachfolgenden Erläuterungen definiert werden. Fuzzifizierung Die Aufgabe der Fuzzifizierung ist die Überleitung „scharfer“ Eingangsgrößen in „unscharfe“ Fuzzy-Größen mit Hilfe von sogenannten Zugehörigkeitsfunktionen, d. h., ein aktueller Messwert wird einer qualitativen Größe zugeordnet. In Abb. 2.20 wird die „scharfe“ Eingangsgröße „Zustand des Betriebsmittels“ (ein exakter Zahlenwert zwischen null: sehr gut, und hundert: sehr schlecht; wie in Abschn. 2.1.2 erläutert) exemplarisch durch drei „unscharfe“ Zugehörigkeitsfunktionen (niedrig, mittel, hoch) dargestellt. Die Zugehörigkeitsfunktionen werden dabei mathematisch so formuliert, dass für jeden Zustandswert c (Abszisse) die Summe der – in diesem Fall drei – Zugehörigkeitsgrade (Ordinaten) jeweils den Wert „Eins“ ergibt und nach Abb. 2.20 werden in diesem Beispiel ausschließlich Dreiecksfunktionen verwendet.

Regeln

Eingangsgröße (unscharfe Werte)

Fuzzifikation

unscharfe Wissensverarbeitung

Defuzzifizerung

Ausgangsgröße (scharfe Werte)

Abb. 2.19   Grundsätzliche Vorgehensweise bei der Entscheidungsfindung mithilfe der FuzzyLogik [7]

65

Wahrscheinlichkeit

2.1 Strategieentwicklung

niedrig

1,0

mittel

hoch

0,5

0,0

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Zustand Abb. 2.20   Beispiel einer Fuzzifizierung [7]

Nach Abb. 2.20 wird als Eingangsgröße der Zustandswert eines Betriebsmittels eingegeben, der sich aus der Zustandsermittlung, z. B. nach Abschn. 2.1.2, ergibt. Entsprechend der Definition von unscharfen Mengen kann die Eingangsgröße, hier Zustand c eines Gerätes, zu einer oder mehreren Zugehörigkeitsfunktionen zugeordnet werden (niedrig, mittel, hoch). Für einen „scharfen“ (exakten) Zustandswert von c = 70 ergeben sich zum Beispiel folgende „unscharfe“ Aussagen (siehe Abb. 2.20: • Dieser Wert entspricht mit 0,0 p.u. der Größe „niedrig“, • dieser Wert entspricht mit 0,6 p.u. der Größe „mittel“, • dieser Wert entspricht mit 0,4 p.u. der Größe „hoch“. Die „scharfen“ Zustandseingangsgrößen werden somit in „unscharfe“ Beschreibungen überführt, die anschließend mit Hilfe von wissensbasierten Regeln kombiniert werden. Regeln Für die unscharfe Wissensverarbeitung der unterschiedlichen Eingangsgrößen werden Regeln aufgestellt, die den Zusammenhang zwischen den Eingangsgrößen und den Ausgangsgrößen herstellen. Im Einzelnen können sie beispielsweise die folgende Gestalt haben: • wenn Gerät 1 den Zustand „hoch“ hat, Gerät 2 den Zustand „mittel“, dann Ergebnis „hoch“; • wenn Gerät 1 den Zustand „mittel“ hat, Gerät 2 den Zustand „mittel“, dann Ergebnis „mittel“; • usw.

66

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Mit „Ergebnis“ kann z. B. in diesem Fall der Gesamtzustand einer Anlage, zusammengesetzt aus den Geräten 1 und 2, gemeint sein. Die Regeln geben hierbei die Entscheidungsfindung bei einem Ersatz von Einzelteilen oder dem Austausch der Gesamtanlage wider und werden aus der praktischen Erfahrung abgeleitet, wobei wirtschaftliche Erwägungen bei der Urteilsfindung einfließen. Die Anzahl der Regeln richtet sich hierbei nach der Anzahl der Geräte, die miteinander verglichen werden, und die Zahl der Zugehörigkeitsfunktionen. Aus dem Grad des Gesamtzustands kann die Instandhaltungsmaßnahme abgeleitet werden (Defuzzifizierung). Wissensverarbeitung und Defuzzifizierung Im Rahmen der Wissensverarbeitung werden die unscharfen Fuzzy-Größen logisch miteinander verknüpft (v. a. UND, ODER, NICHT). Im Falle der hier ausschließlich verwendeten UND-Verknüpfung (Konjunktion) ist der resultierende Zugehörigkeitsgrad durch das Minimum der Zugehörigkeitsgrade der Eingangsgrößen bestimmt: • Größe A erfüllt Bedingung 1 zu 0,2 p.u., • Größe B erfüllt Bedingung 2 zu 0,4 p.u., dann wird das zugehörige Ergebnis – entsprechend der Anforderung „es wird sowohl Bedingung 1 als auch Bedingung 2 erfüllt“ – nur zu 20 % erfüllt. Graphisch kann dies als „Abschneiden“ der Ergebnis-Zugehörigkeitsfunktion auf dem Zugehörigkeitsgrad der minimal erfüllten Eingangs-Zugehörigkeitsfunktion angesehen werden (Abb. 2.21).

Betriebsmittel 1: 94.4

Betriebsmittel 2: 53.3

Ergebnis: 73.3

Anwendung der Minimalmethode

Anwendung der Schwerpunktmethode gut

schlecht

gut

schlecht

Abb. 2.21    Defuzzifizierung mithilfe der Minimal- und Schwerpunktmethode (Simulation MATLAB)

2.1 Strategieentwicklung

67

Die Minimalmethode stellt nur eine Möglichkeit der Wissensverarbeitung dar; in Abhängigkeit von der gewählten Regelbasis können auch z. B. die Maximalmethode (entsprechend reinen ODER-Verknüpfungen) sowie andere Methoden aus der Fuzzy-SetTheorie angewendet werden. Zur Ermittlung der Ausgangsgröße – dieses ist in dem hier gewählten Beispiel die Entscheidung, ob ein Ersatz der Gesamtanlage oder aber nur ein Austausch einzelner Betriebsmittel vorgeschlagen wird – erfolgt die Anwendung der Schwerpunktmethode auf die aggregierte Zugehörigkeitsfunktion, das heißt, es wird der Schwerpunkt der resultierenden Fläche ermittelt. Nach Abb. 2.21 werden für zwei Betriebsmittel. • Zustandsbewertung Gerät 1: 94,4, • Zustandsbewertung Gerät 2: 53,3, bei jeweils drei unterschiedlichen Zugehörigkeitsfunktionen (niedrig, mittel, hoch) insgesamt neun (3 × 3) Regeln aufgestellt. Das Ergebnis der Minimalmethode (rechte Säule nach, Abb. 2.21), in diesem Fall: 73,3, resultiert aus der Überlagerung der einzelnen Teilflächen und der Bestimmung des Schwerpunktes dieser Fläche. Für alle praktisch verwendeten, unscharfen Eingangszugehörigkeitsfunktionen ist das mithilfe der Schwerpunktmethode ermittelte Fuzzy-Ergebnis niemals genau Null oder genau Hundert und muss daher abschließend geeignet – z. B. auf Hundert – normiert werden. Den vollständigen Zusammenhang zwischen den Zustandswerten, der in diesem Beispiel betrachteten zwei Betriebsmitteln und der resultierenden Ergebnisfunktion auf der Basis der drei Zugehörigkeitsfunktionen aus Abb. 2.20, veranschaulicht Abb. 2.22. In diesem Beispiel zeigt sich, dass bei einem Zustand „null“ des Betriebsmittels 2 das Ergebnis nahezu konstant ist, wenn der Zustand des Betriebsmittels 1 sich im Bereich 50–100 befindet.

2.1.3.2 Vorgehensweise bei der Beurteilung des Zustands Im Folgenden wird die Vorgehensweise bei der Festlegung der jeweils bestgeeigneten Instandhaltungsmaßnahme anhand eines konkreten Beispiels, nämlich der Beurteilung von 10/0,4-kV-Netzsstationen, vorgestellt [7]. Vergleichbares gilt auch für eine komplexere Schaltanlage in einem Umspannwerk oder als selektive Schaltanlage in einem Netzknoten. Bei der Beurteilung des Zustands von Netzstationen werden folgende Teile bzw. Betriebsmittel nach verschiedenen Zustandskriterien bewertet: • Schaltfeld • Transformator (Mittel-, Niederspannung) • Trennschalter/Lasttrennschalter/Erdungsschalter • Wandler (Strom-, Spannung) • Gebäude bzw. Mast.

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Ergebnis

68

Zustand Betriebsmittel 2

Zustand Betriebsmittel 1

Abb. 2.22   Zusammenhang der Zugehörigkeitsfunktionen der Betriebsmittel 1 und 2 bezogen auf das Ergebnis (Simulation MATLAB)

Bei der Beurteilung des Zustands der Netzstation werden alle Betriebsmittel zunächst unabhängig voneinander bewertet, gemäß den Vorgaben nach Tab. 2.3, und die Einzelbewertungen dann entsprechend ihrer Wichtigkeit für die Energieverteilung zu einem Zustandswert für die ganze Station zusammengefasst (Abb. 2.18). Das Ergebnis ist somit eine gemittelte Beurteilung der Netzstation. Für die anschließende Entscheidung der optimalen Instandhaltungsmaßnahme, in diesem Fall die Frage, ob die gesamte Netzstation ausgetauscht werden soll oder nur einzelne Komponenten, wird jedoch ein anderes Verfahren angewendet, in dem logische Abhängigkeiten zwischen diesen Betriebsmitteln berücksichtigt werden (Abschn. 2.1.3.3). Ausgehend von der Einzelbeurteilung von diesen Betriebsmitteln werden für die Instandhaltungsstrategie der betrachteten Netzstationen verschiedene Betriebsmittel zu Gruppen zusammengefasst, wie dieses in Abb. 2.23 dargestellt ist. Die Zusammenfassung zu Betriebsmittelgruppen resultiert aus der Erfahrung, dass diese Geräte auch bei einer Instandhaltungsmaßnahme gemeinsam betrachtet werden. Hierbei werden erstens die Strom- und Spannungswandler und zweitens die Trenn-, Lasttrenn- und Erdungsschalter betrachtet. Diese Betriebsmittel werden anschließend mit der Beurteilung des Schaltfeldes zur Primärtechnik kombiniert. Zum Schluss erfolgt die Zusammenfassung mit der Komponente „Gebäude/Mast“. Grundsätzlich ist in diesem Bild auch die Sekundärtechnik zu berücksichtigen, die jedoch zurzeit in den hier betrachteten Stationen im elektrischen Verteilungsnetz nicht vorhanden ist und deshalb bei den weiteren Überlegungen nicht betrachtet wird.

69

2.1 Strategieentwicklung Transformator

Sekundär -technik

UWandler

IWandler

Wandler

Trennschalter

Lasttrenn -schalter

Schalter

Schaltfeld

Gebäude/ Mast

Schaltfeld

Primärtechnik

Elektrotechnik

Transformator

Gebäude/ Mast

Netzstation

Abb. 2.23    Zusammenfassung der Betriebsmittel einer Netzstation zur Ableitung einer Instandhaltungsmaßnahme [7]

Für die Umsetzung einer Instandhaltungsstrategie wird in der Praxis bei Netzstationen angenommen, dass ein MS/NS-Transformator unabhängig vom Zustand der übrigen Betriebsmittel ausgetauscht wird, da durch den Austausch des Transformators die anderen Komponenten nicht beeinflusst werden. Dieses bedeutet somit, dass als Konsequenz ein Transformator keinen Einfluss auf eine Totalsanierung einer Netzstation hat. Die Anwendung der Fuzzy-Logik nach Abschn. 2.1.3.1 wird daher auf folgende Entscheidungen angewendet: • Gebäude/Mast – Primärtechnik, • Wandler – Schalter – Schaltfeld. Die zwei Entscheidungsebenen sind zusätzlich in Abb. 2.23 kenntlich gemacht. Darüber hinaus zeigt Abb. 2.24 den Entscheidungsbaum für die Umsetzung der Instandhaltungsstrategie (ohne Sekundärtechnik). Ausgehend von den Betriebsmitteln bzw. Einheiten werden mithilfe der Fuzzy-Logik Überlegungen abgeleitet, ob eine Sanierung der gesamten Netzstation zweckmäßig ist. Falls dieses nicht der Fall ist, erfolgt in einem zweiten Schritt die Entscheidung, ob die Primärtechnik komplett ausgetauscht werden sollte. Wenn ein Austausch der Station bzw. der Primärtechnik nicht angebracht ist, erfolgt in Abhängigkeit vom Zustand c der einzelnen Betriebsmittel eine Entscheidung, wie dieses Gerät zu behandeln ist.

70 c ≥ 60

2  Aufgaben des Anlagenmanagements Transformator

c < 60

Primärtechnik

Gebäude/ Mast

Fuzzy ja

nein

Austausch/ Station

ja

Austausch/ Primärtechnik

c ≥ 60

ja

Netzbedingungen

nein

nein

c ≥ 60 Gebäude/ c < 60 Mast

Schalter/ Wandler/ Schaltfeld

Austausch

c < 60

keine Maßnahme

Abb. 2.24   Umsetzung einer Instandhaltungsstrategie für Netzstationen [7]

Bevor eine endgültige Entscheidung über die Behandlung des Betriebsmittels erfolgt, sind in jedem Fall wesentliche Systemfragen zu beantworten. Hierbei werden beispielhaft insgesamt fünf Fragen betrachtet, die bei einer aktuellen Anwendung ergänzt oder reduziert werden können: • • • •

Ist die Lage der Anlage/Station hinsichtlich der Netzverluste noch richtig positioniert? Ist ein Wechsel der Bemessungsspannung vorgesehen? Erfolgt eine Umrüstung der Anlage/Station von Freileitungs- auf Kabelanschluss? Sind die Anlagen/Stationen und ihre Lage aus der Sicht öffentlicher Belange richtig gewählt? • Gibt es Änderungen der technischen Anforderungen (Zielnetzplanung, Leistung, Zuverlässigkeit, Kundenanforderungen usw.)? Wenn eine der oben aufgeführten Fragen für den nächsten Betrachtungszeitraum (z. B. drei Jahre) mit „ja“ beantwortet wird, erfolgt weder der Austausch/Rückbau der gesamten Anlage/Station noch der von einzelnen Betriebsmittel, da aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen eine Neukonzeption erforderlich ist und ein Austausch 1:1 nicht sinnvoll ist. Diese Systemfragen sind nach Abb. 2.24 durch den Block „Netzbedingungen“ gekennzeichnet.

2.1 Strategieentwicklung

71

2.1.3.3 Technische Regeln für die Wissensverarbeitung Bei der Fuzzifizierung werden den scharfen Eingangsgrößen, die den technischen Zustand der Betriebsmittel und des baulichen Teils beschreiben, unscharfe Ausgangsgrößen (Variablen) zugeordnet, Abschn.  2.1.3.1. Dabei wird mit drei ­Fuzzy-Bereichen. • Niedrig: guter Zustand, • mittel: mittlerer Zustand und • hoch: schlechter Zustand gearbeitet. Die Zugehörigkeit der Eingangsgrößen zu diesen Bereichen wird in diesem Beispiel nach Dreiecksfunktionen festgelegt. (Abb. 2.20). Technische Regeln übernehmen jetzt in dem Entscheidungsprozess die Verarbeitung der unscharfen Fuzzy-Größen (Variablen) für die weitere Zustandsbewertung, um zu der Entscheidung „Ersatz der Anlage“ oder „Austausch einzelner Komponenten“ zu gelangen. Man kommt bei diesen Regeln ohne Einschränkung stets mit wenn – dann – Schlüssen und Konjunktionen aus. Zum Beispiel: wenn das Schaltfeld x und die Wandler y und Last-/Trennschalter z dann Primärteil u. Dem Zustand der Primärtechnik (Abb. 2.23) werden nun gleichfalls drei qualitative (unscharfe) Fuzzy-Bereiche N = niedrig, M = mittel und H = hoch zugeordnet. Diese Bereiche werden auch hier wieder durch Dreiecksfunktionen beschrieben. Gleiches gilt dann auch für die Zustandsbeschreibung des Gebäudes oder Mastes einer Netzstation. Im weiteren Verlauf, bei der Festlegung der Instandhaltungsmaßnahme für die gesamte Netzstation, sind dann dem Bereich N (niedrig) die Maßnahmen „Austausch einzelner Betriebsmittel“ oder „keine Erhaltungsmaßnahme“ zugeordnet, dem Bereich H (hoch) die Maßnahmen „Ersatz der Netzstation“ bis hin zum „Austausch einzelner Betriebsmittel“. Der mittlere Bereich M (mittel) überdeckt die beiden erstgenannten Fuzzy-Bereiche. Tab. 2.6 zeigt beispielhaft einige Regeln für die Zustandsbestimmung (Instandhaltungsmaßnahme) der Primärtechnik einer Netzstation, bestehend aus den Komponenten: Schaltfeld – Wandler – Last-/Trennschalter. Für n = 3 betrachtete Komponenten und x = 3 Zustandsformen ergeben sich nx = 27 einzelne Regeln. Tab. 2.6 gibt die Regeln für die Bestimmung des Gesamtzustandes einer Netzstation, d. h., für die Primärtechnik und den bautechnischen Teil wider. Nachfolgend werden einzelne Regeln für eine Mittelspannungsnetzstation in einem Kabelnetz erläutert. Es wird angenommen, dass die Schaltanlage aus fabrikfertigen, typgeprüften, metallgekapselten Schaltfeldern besteht [28]. Die Netzstation ist klassisch aufgebaut und beinhaltet keine Anlage mit hermetisch abgeschlossenen, gasgefüllten Schotträumen, die den Austausch einzelner Betriebsmittel verhindern würde. Zur Messung bzw. Abrechnung sind Verrechnungswandler für Strom und Spannung integriert.

72

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Tab. 2.6  Regeln zur Bestimmung der Instandhaltungsmaßnahme für die Primärtechnik Nr.

Schaltfeld

Wandler

Last-/Trennschalter

Zustand Primär-technik

1

H

H

H

H

2

H

H

M

H

3

H

H

N

M

4

H

M

H

H

5

H

M

M

H

6

H

M

N

M

7

H

N

H

H









… 25

N

N

H

M

26

N

N

M

N

27

N

N

N

N

Erläuterungen zu Tab. 2.6 • Regel 7: Der Zustand des Schaltfeldes und der Schaltgeräte ist schlecht (Zustand H). Folgende Merkmale können dies verursachen: Trotz vorschriftsmäßiger Wartung wird die zulässige Kontaktübertemperatur des Lasttrennschalters auch unterhalb des Bemessungsstroms deutlich überschritten, der Antrieb ist ständig schwergängig. Die Durchführungen in der metallgeschotteten Anlage zeigen schon bei der Betriebsspannung Teilentladungen, die Funktionstüchtigkeit von Schaltfeld und Lasttrennschalter sind deutlich eingeschränkt und ein Austausch der gesamten Primärtechnik (Zustand H) ist unumgänglich, daran ändert auch der gute Zustand der Strom- und Spannungswandler (Zustand N) nichts. • Regel 25: Die Schaltanlage ist etwa 20 Jahre in Betrieb. Mehrere Lasttrennschalter zeigen schon unterhalb des Bemessungsstroms an den stromführenden Teilen eine unzulässige Erwärmung und die Antriebe der Schaltgeräte bedürfen einer häufigen Wartung, (Zustand H). Die Strom- und Spannungswandler sind gießharzisoliert und weisen gegenüber dem Neuzustand keine Veränderung auf (Zustand H). Die einzelnen Schaltfelder sind in einem guten Zustand (N), es sind weder Korrosion noch dielektrische Verschlechterungen (Teilentladungen) an den spannungsführenden Teilen (Durchführungen) feststellbar. Die dielektrischen Abstände im Bereich der Kabelendverschlüsse sind richtig bemessen. Die Verriegelungen und die Gesamtkonstruktion entsprechen den allgemeinen Anforderungen an die Personensicherheit und Störlichtbogenfestigkeit. Die Primäranlage wird damit dem Bereich M zugeordnet. Ein Ersatz der Anlage ist nicht erforderlich, die Schaltgeräte in einzelnen Feldern können erneuert werden.

2.1 Strategieentwicklung

73

Erläuterungen zu Tab. 2.7 • Regel 1: Der Gebäudeteil der Netzstation zeigt gravierende Mängel: Die Zu- und Abluftöffnungen sind so bemessen, dass es häufig zu einer länger andauernden Taupunktbildung an den hochspannungsbehafteten Teilen kommt. Die großen Belüftungsöffnungen führen zu einer starken Verschmutzung der inneren Bauteile, die zusammen mit der Taupunktbildung zur Teilentladung an Isolierstoffoberflächen führt. Dieser Mangel ist bautechnisch kaum zu beheben, die Anforderungen für die Störlichtbogenfestigkeit des Gehäuses stehen einer Veränderung der Lüftungsquerschnitte im Wege. Das Gehäuse der Station ist aus Stahlblech gefertigt und besonders an den Kanten korrodiert. Der Zustand des Baukörpers wird daher in dem Bereich H eingestuft. Die Primärtechnik der Netzstation entspricht dem Zustand wie unter der Regel 7 in Tab. 2.6 beschrieben. Die Gesamtbewertung der Netzstation ist schlecht (H), ein Ersatz der Gesamtstation ist notwendig. • Regel 7: Der Gebäudeteil erfüllt alle wesentlichen technischen Anforderungen (Zustand N): Die Zu- und Abluftquerschnitte sind richtig bemessen, sodass die Taupunktbedingungen im Innenraum den allgemeinen Anforderungen genügen und die Erwärmung im Innenraum führt zu keiner Einschränkung der Bemessungsleistung des Transformators oder der Kabelverbindungen. Der Baukörper erfüllt darüber hinaus die Kriterien für die Lichtbogenprüfung bei inneren Fehlern und der allgemeine bautechnische Zustand ist befriedigend [30]. Die Primärtechnik der Netzstation ist schlecht (Zustand H). Für die Entscheidung „Ersatz der Netzstation“ oder „Austausch der Primäranlage“ wird der mittlere Fuzzy-Bereich M gewählt. In gleicher Weise sind die übrigen Regeln in den Tabellen nach dem Expertenwissen für die Wissensverarbeitung entstanden.

Tab. 2.7  Regeln zur Bestimmung des Gesamtzustandes einer Netzstation

Nr.

Gebäude/Mast

Primärtechnik

Zustand Netzstation

1

H

H

H

2

H

M

H

3

H

N

M

4

M

H

M

5

M

M

M

6

M

N

M

7

N

H

M

8

N

M

N

9

N

N

N

74

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

2.1.3.4 Ergebnis Netzstation Mithilfe des Verfahrens nach [2] wird im Folgenden für 40 Ortsnetzstationen (20/0,4 kV) eine Zustandsbewertung durchgeführt und anschließend wird die Fuzzy-Bewertung angewendet (Austausch/Station nach Abb. 2.24), indem in einem ersten Schritt das Verfahren für die Bewertung Elektro-/Primärtechnik – Gebäude/Mast eingesetzt wird [6, 7]. Hierbei ergibt die Bewertung, dass insgesamt bei neun Stationen ein Austausch sinnvoll ist. In einem zweiten Rechenschritt wird die Primärtechnik untersucht, sodass sich das folgende Ergebnis für die Instandhaltung der insgesamt 40 Netzstationen ergibt: Gesamte Netzstation:

9

Primärtechnik:

1

Gebäude:

5

Trennschalter:

4

Hierbei wird unter einem Austausch der „gesamten Station“ die Primärtechnik und Gebäude bzw. Mast verstanden, da der Transformator gesondert behandelt und somit nicht betrachtet wird.

2.1.3.5 Beurteilung Grundsätzlich kann das Verfahren auch für komplexere Anlagen der Energieverteilung, wie z. B. Schaltanlagen mit Leistungsschaltern in Umspannwerken oder im Netz angewendet werden. Bei einer gasisolierten Hochspannungsanlage (GIS) werden zum Beispiel die Leistungstransformatoren, Spannungswandler, Erdungsschalter und Kabelendverschlüsse einer Anlage unabhängig vom Zustand der Anlage gewartet bzw. ausgetauscht [9, 10]. Der Austausch der Sekundärtechnik erfolgt ebenso unabhängig von der Primärtechnik; nur, wenn die Primärtechnik gewechselt wird, erfolgt auch ein Austausch der Sekundärtechnik. Das Gebäude hat keinen Einfluss auf die Instandhaltungsmaßnahme: Austausch von Komponenten oder der Gesamtanlage. Da der Hauptstromwandler in der Regel mit dem Leistungsschaltergehäuse verbunden ist, werden somit diese beiden Betriebsmittel zu einer Komponente zusammengefasst. Für die Fuzzy-Entscheidung bleiben somit die folgenden Betriebsmittel übrig: • Leistungsschalter/Stromwandler, • Trennschalter, • übrige Primärtechnik. Für diese drei verschiedenen Komponenten einer GIS-Anlage sind entsprechende Regeln nach Tab. 2.6 aufzustellen.

2.1 Strategieentwicklung

75

2.1.3.6 Zustandsermittlung eines Betriebsmittels mit Fuzzy-Logik Während in den vorhergehenden Abschnitten eine Instandhaltungsmaßnahme für eine gesamte Anlage aus unterschiedlichen Betriebsmitteln mithilfe der Fuzzy-Logik abgeleitet wird, ist dieses auch auf der Ebene der Zustandsbestimmung für ein Betriebsmittel möglich. Bei der Zustandsermittlung eines Betriebsmittels für die zuverlässigkeits-orientierte Instandhaltung nach Abschn. 2.1.2.2 werden nach Tab. 2.3 verschiedene Kriterien verwendet, die in die Bewertung eingehen. Da diese Kriterien einen unterschiedlichen Einfluss auf den Zustand haben können, ist es unumgänglich, Gewichtungsfaktoren zu verwenden, die auf diesen Sachverhalt Rücksicht nehmen. Diese Bewertung kann aus der Erfahrung direkt abgeleitet werden, wobei u. U. auch die Anwendung einer Entscheidungsmatrix nach Abschn. 2.1.4.2, Abb. 2.28, hilfreich ist. Es ist aber auch möglich, die Zustandsbewertung mithilfe der Fuzzy-Logik nach [42, 43] zu ermitteln, wie dieses im Folgenden dargestellt wird. Die weiteren Bemerkungen beziehen sich auf die Darstellung nach [43]. Für die Bestimmung des Zustands eines Betriebsmittels können die verschiedenen Bewertungskriterien in unterschiedliche Kategorien zusammengefasst werden, z. B.: • Stammdaten (Kategorie I)

Informationen über Typ, Bemessungsgrößen, Standort, Anzahl usw.

• Betriebsdaten (Kategorie II)

Alter, Instandhaltung, finanzielle Aufwendungen, ServiceKnow-how, Ersatzteile, Erfahrungen usw.

• Zustandsdaten (Kategorie III)

Ergebnisse aus Messungen, Prüfungen, Sichtkontrollen und Verluste usw.

Grundsätzlich ist es möglich, den technischen Gesamtzustand eines Betriebsmittels mithilfe der Fuzzy-Logik zu bestimmen, sodass aus diesem Grunde ausschließlich die Angaben nach den Kategorien II und III Verwendung finden. Im Gegensatz hierzu dienen die Stammdaten in erster Linie für eine Entscheidung im strategischen Asset Management, wenn z. B. ein Technologiewechsel beabsichtigt ist. Der gesamte Arbeitsprozess kann durch die beiden Abb. 2.25 und 2.26 zusammengefasst werden. Sämtliche Eingangsgrößen xm für eine Beurteilung des Zustands werden in linguistische Größen ym (Fuzzifizierung) überführt (Abb. 2.25). Nach der Fuzzifizierung werden die y-Werte einer Regelbasis unterworfen, jedoch erfordert dieses bei insgesamt drei möglichen linguistischen Werten (z. B. niedrig, mittel, hoch) zusammen 3m-Regeln, wenn m-Eingangsgrößen zur Bewertung herangezogen werden. Dieser Vorgang entspricht der Darstellung nach Abschn. 2.1.3.1, Abb. 2.20. Da im Regelfall ein Betriebsmittel aus mehreren Komponenten zusammengefasst ist, ist es zweckmäßig, die Ausgangsgrößen ym der Fuzzifizierung auch direkt den Komponenten zuzuordnen. Dieses erfolgt auch unter dem Gesichtspunkt, dass eine Instandhaltungsmaßnahme unmittelbar an den einzelnen Komponenten entsprechend des technischen Zustands durchgeführt wird.

76

2  Aufgaben des Anlagenmanagements Eingangsgrößen

Fuzzifizierung

Informationsgehalt

Zustand Komponenten

α1,K1 y1

α1,K2 α1,Kn α2,K1

x2

y2

α2,K2 α2,Kn

xm

ym

αm,K1

Kombination von Zustandsinformationen

x1

αm,K2 αm,Kn

Abb. 2.25   Darstellung der Beurteilung des Zustands eines Betriebsmittels mithilfe der FuzzyLogik, Teil 1 [43]

Da es durchaus möglich ist, dass die unterschiedlichen Eingangsgrößen xm verschiedenen Komponenten, die in diesem Fall mit K1 bis K4 bezeichnet werden, gleichzeitig zu geordnet werden können, z. B. das Alter des kompletten Betriebsmittels, sind die linguistischen Ausgangsgrößen ym auch den einzelnen Komponenten zuzuordnen. Darüber hinaus ist es möglich, dass der Informationsgehalt jeder Eingangsgröße unterschiedlich sein kann, bezogen auf eine Komponente, wie dieses in Tab. 2.8 beispielhaft für vier verschiedene Komponenten gezeigt ist. In diesem Beispiel hat die Information x1 einen großen Einfluss auf den Zustand der Komponente K4, während diese auf die Komponente K1 bis K3 geringer ist. Die Umsetzung, dass besonders aussagekräftige Eingangsinformationen für die Bewertung des Zustands einzelner Komponenten wirken, kann mithilfe der Verwendung von „alpha cut-sets“ durchgeführt werden [44]. Hierdurch kann beispielhaft eine Information x1 mit dem Wert α1 = 0,6 und x2 mit α2 = 1,0 bewertet werden, sodass auf diese Weise der Einfluss der Information x1 begrenzt werden kann. Nach der Aufbereitung der Informationen können die Zustandsinformationen für die verschiedenen Komponenten zusammengefasst werden (Abb. 2.26). Diese Abbildung stellt hierbei die Fortsetzung der Informationsverarbeitung nach Abb. 2.25 dar. Für die Ermittlung des Gesamtzustands des Betriebsmittels können die verschiedenen Zustände der Komponenten wiederum gewichtet werden, da der Einfluss auf die Funktionalität des Betriebsmittels unterschiedlich sein kann (z1, z2, …zm). Darüber hinaus ist es möglich, zusätzlich „knock-out“ Regeln zu definieren, die ein nicht lineares Verhalten in Bezug auf eine oder mehrere Komponenten beschreiben, Tab. 2.9.

2.1 Strategieentwicklung Tab. 2.8  Bewertung des Informationsgehaltes der Eingangsgrößen

77 Eingangsgröße xm

Komponente K1 K2

K3

K4

x1

+

+

+

++

x2

++

+

+

x3





++









++

(+)





xm







++    hohe Aussagekraft +      mittlere Aussagekraft (+) schwache Aussagekraft −      kein Einfluss

Kombination von Zustandsinformationen

Zustand Komponenten

Komponenten

Fuzzy-Regeln

K1

z1

R1

K2

z2

R2

Kn

zn

Rk

Zustand gesamt

Zustand Betriebsmittel

Abb. 2.26   Darstellung der Beurteilung des Zustands eines Betriebsmittels mithilfe der FuzzyLogik, Teil 2 [43]

Tab. 2.9  Regeln für die Ermittlung des Gesamtzustands Wenn-Bedingung

Dann-Regel

Maximal eine Komponente hat einen schlechten Zustand

Gesamtzustand ist mittel

Maximal zwei Komponenten sind in einem schlechten Zustand

Gesamtzustand ist mittel – schlecht

Mehr als drei Komponenten sind in einem schlechten Zustand

Gesamtzustand ist schlecht

Komponente K1 ist in einem schlechten Zustand und alle anderen sind im mittleren oder guten Zustand

Gesamtzustand ist mittel – schlecht

Komponente K1 und mindestens eine andere ist in einem schlechten Zustand

Gesamtzustand ist schlecht

78

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

2.1.4 FMEA-Methode Die FMEA-Methode (Failure Mode Effect Analysis) kann als ein bedeutender Bestandteil der zuverlässigkeits-orientierten Instandhaltung (Reliability-Centred Maintenance, RCM) angesehen werden. Sie wurde zum ersten Male in der Flugzeugindustrie in den 1960er Jahre bei der Entwicklung der Boeing 747 angewendet, die wesentlich komplizierter war als die bis dahin entwickelten Flugzeugtypen. Die Konzepte und die Grundlagen sind in den Veröffentlichungen [48, 55] zu finden. Die gesamte Methodik ist ausführlich in [20] beschrieben, worauf sich auch die weiteren Ausführungen beziehen. Entsprechend der Darstellung der verschiedenen Arbeitsschritte innerhalb der Strategieentwicklung (Abschn. 2.1), stellt die Anwendung der FMEA-Methode den letzten Arbeitsschritt dar. Während die ersten Schritte sich sowohl mit der Budgetentwicklung als auch mit der Auswahl der geeigneten Betriebsmittel in Bezug auf eine Instandhaltung beschäftigen, ist es das Ziel des FMEA-Verfahrens, die konkreten Instandhaltungsaktivitäten abzuleiten, um im Weiteren zukünftige Störungen an diesen Geräten zu vermeiden bzw. die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren. Grundlage für eine optimale Diagnose und damit der Festlegung einer Instandhaltungsstrategie sind Überlegungen, welche Störungen bzw. Schäden bei einem Betriebsmittel auftreten können und welche geeigneten Maßnahmen zu deren Vermeidung vorzunehmen sind. Eine Möglichkeit, dieses systematisch aufzubereiten, besteht in der Anwendung der FMEA-Methode, sodass im Folgenden die Anwendung dieses Verfahrens auf Hochspannungs-Betriebsmittel exemplarisch vorgestellt wird. Abschließend ist es möglich, die Ergebnisse der FMEA-Methode hinsichtlich der Fehlerwahrscheinlichkeit von einzelnen Betriebsmittelkomponenten zu bewerten und einzuordnen, sodass eine Reihenfolge des betrieblichen Risikos einer fehlerhaften Komponente abgeleitet werden kann. Dieses Ergebnis ist dann u. U. entscheidend für die Festlegung einer optimalen Diagnose bzw. der Anwendung von Instandhaltungsmaßnahmen der unterschiedlichen Betriebsmittelkomponenten. Darüber hinaus können die Ergebnisse auch als Grundlage einer Produktverbesserung im Zuge einer Weiterentwicklung verwendet werden. Das Prinzip einer FMEA-Untersuchung besteht in der Untersuchung, welche Funktionen ein Betriebsmittel, z. B. ein Leistungsschalter, zu erfüllen hat, durch welche Störungen diese Funktionen nicht mehr gewährleistet und welche Schäden als Folge zu erwarten sind, nicht nur am gestörten Gerät, sondern auch im Gesamtsystem und der Umgebung (Sicherheitsrelevanz/Gefährdungshaftung). Ein wesentlicher Bestandteil der Vorgehensweise ist anschließend die Festlegung der Konsequenz aus einem Fehler, die z. B. betriebliche Einschränkung, Personen- und Umweltschäden nach sich ziehen können. Im Weiteren sind Maßnahmen zu erarbeiten, die zu einer Verminderung der Fehlerwahrscheinlichkeit führen können, falls dieses notwendig ist. Die erläuterte Vorgehensweise ist in [19] ausführlich dargestellt.

2.1 Strategieentwicklung

79

Während in Abschn. 2.1.4.1 die Grundlagen der FMEA-Methode beschrieben werden, erfolgt in 2.1.4.2 und 2.1.4.3 die Darstellung der Vorgehensweise anhand eines Leistungsschalters und in Abschn. 2.1.4.4 die Beschreibung am Beispiel einer kompletten Anlage, um verschiedene Instandhaltungsaktivitäten abzuleiten. Ergänzende Informationen sind in [20] aufgeführt.

2.1.4.1 Methodische Grundlagen Im Zuge einer erfolgreichen Bearbeitung einer FMEA-Untersuchung ergeben sich verschiedene Fragestellungen, die auch gleichzeitig die Reihenfolge der Bearbeitungsschritte verdeutlichen [46, 51], und wie folgt definiert werden können (die Hinweise in den Klammern weisen auf die betreffenden Überschriften hin): • Welche Funktionen und Leistungsnormen können für die Anlagenkomponente bzw. das Betriebsmittel unter Berücksichtigung der Betriebsbedingungen definiert werden (Funktionen)? • Wie versagt eine Anlagenkomponente, sodass die Funktion nicht aufrechterhalten werden kann (Funktionsstörungen/Funktionsausfall)? • Welche Ursache hat die Funktionsstörung (Störungsarten/Störungsursache)? • Welche Auswirkung hat die Störung der Anlagenkomponente (Störungsauswirkungen)? • Wie kann die Störung frühzeitig (ggf. im Vorfeld) erkannt werden (Erkennen von Störungen)? • Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit einer Störung (Störungswahrscheinlichkeit)? • Welches Risiko ergibt sich durch die Störung und kann eine Reihenfolge der unterschiedlichen Risiken aufgestellt werden (Auswertung des Risikos)? • Bewertung der aktuellen Instandhaltungsmaßnahme in Bezug auf die unterschiedlichen Störungen (Maßnahmen gegen Störungen). Der gesamte Bewertungsprozess zur Durchführung eines FMEA-Verfahrens kann durch den Arbeitsablauf nach Abb. 2.27 veranschaulicht werden. Die oben angegebenen Fragen werden in den folgenden Abschnitten anhand der Betrachtung eines HS-Leistungsschalters (SF6-Schaltgeräte) beispielhaft verdeutlicht. Funktionen eines Leistungsschalters Die allgemeine Funktion eines Schaltgerätes besteht darin, den erwarteten Leistungsfluss zu erfüllen, der maximal der Bemessungsleistung aufgrund der Konstruktion entspricht. Zur Beantwortung dieser Frage werden die Funktionen eines Betriebsmittels in primäre und sekundäre aufgeteilt. Während die Primärfunktionen eines Betriebsmittels die wesentlichen Aufgaben darstellen, werden mit den Sekundärfunktionen weitere Kriterien angesprochen, die zusätzlich erwartet werden.

80

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Aufstellung der Funktionen eines Betriebsmittels

Auswahl der Störungsarten

Auswirkungen

Erkennung

Wahrscheinlichkeit

Gesamtauswirkung Risiko einer Störung

Reihenfolge der Risiken

Bewertung der aktuellen Instandhaltungsmaßnahmen Abb. 2.27   Arbeitsablaufes des FMEA-Bewertungsprozesses

Die Hauptfunktionen eines Leistungsschalters sind durch die Anwendung im Netzbetrieb definiert und aufgrund von nationalen und internationalen Normen festgelegt [37]. Zu den Hauptfunktionen, die der Leistungsschalter unter den festgelegten Randbedingungen (max. Betriebsspannung, max. zulässiger Betriebs- und Kurzschlussstrom, max./min. Betriebstemperatur, usw.) erfüllen muss, gehören beispielhaft: • • • •

Ausschalten des Betriebsstroms, Einschalten des Betriebsstroms, Unterbrechung des Kurzschlussstroms, Ein- und Ausstellung sichern.

Zusätzlich können einige Nebenfunktionen definiert werden, die das Gerät während seiner Betriebszeit erfüllen sollte, z. B.: • Überwachung des Löschmediums, • Überwachung der Antriebsenergie, • Meldung der Schalterstörung, • usw.

2.1 Strategieentwicklung

81

Ausgehend von diesen Definitionen schließen sich Überlegungen an, durch welche Vorkommnisse diese Funktionen gestört werden können, sodass das Betriebsmittel nicht entsprechend den Erwartungen betrieben werden kann. Funktionsstörungen (Funktionsausfall) eines Leistungsschalters Eine Funktionsstörung ist dann gegeben, wenn die oben definierten Haupt-, Nebenfunktionen nicht mehr erfüllt werden können, hierbei kann es u. U. zu einem teilweisen oder kompletten Ausfall kommen. Ist eine Funktionsstörung so gravierend, dass es zu einem sofortigen Ausfall des Betriebsmittels kommt bzw. es innerhalb 30 min. außer Betrieb genommen werden muss, so handelt es sich um einen „major failure“, Abschn. 2.1.5.3. Eingeschränkte Funktionsstörungen, die über einen längeren Zeitbereich vorliegen können, werden im Gegensatz hierzu als „minor failure“ bezeichnet und führen somit nicht zu einem sofortigen Ausfall. Diese Störungen können im Rahmen einer geplanten Instandhaltung in Abhängigkeit des Betriebs durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang sind folgende Fragen jeweils zu beantworten: • Welche Funktionsstörungen sind möglich? • Wodurch werden diese Funktionsstörungen ausgelöst? Mögliche Funktionsstörungen eines Leistungsschalters können nach einem CIGREReport wie folgt definiert werden [21]: • kein Einschalten nach Befehl, • kein Ausschalten nach Befehl, • Einschalten ohne Befehl, • Ausschalten ohne Befehl, • kein Stromfluss, • keine Unterbrechung des Ausschaltstroms, • keine ausreichende Stromtragfähigkeit, • Überschlag zur Erde, • Überschlag zwischen Isolatoren, • interner/externer Schaltkammerüberschlag, • sonstiges. Störungsarten (Störungsursache) Der nächsteArbeitsschritt besteht in der Definition der Störungsarten (Störungsursache), die zu den einzelnen Funktionsstörungen führen, die unter „Funktionsstörungen“ beschrieben werden. Grundsätzlich ist es möglich, die Störungsarten zu klassifizieren; nämlich: • Reduktion des Leistungsvermögens unterhalb des Sollwertes, z. B. durch eine Zustandsverschlechterung, Umwelteinflüsse usw., • Überschreiten des Leistungsvermögens, z. B. durch eine Überlastung, • Keine Erfüllung der geforderten Leistung möglich, z. B. nicht geeignetes Material.

82

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Tab. 2.10  Störungsauswirkungen bei Leistungsschaltern, beispielhaft [20] Auswirkungen

Konsequenz

Punkte

P:

Personen

Verletzung

10

E+:

Umwelt

SF6 und Öl

9

E:

Umwelt

Feuer

8

E−:

Umwelt

Kein Austritt von SF6 und Öl

7

O+ :

Ausfallzeit

>5 Tage

6

O:

Ausfallzeit

2–5 Tage

5

O−:

Ausfallzeit

2 Tage

4

C+ :

Reparaturkosten

>10000 €

3

C:

Reparaturkosten

1000–10000 €

2

C−:

Reparaturkosten

8

>40

Mittel

>4

>20

Niedrig

>0

>0

zeigt in diesem Fall, dass nahezu alle aufgetretenen Fehler an den untersuchten SF6Leistungsschalter im Bereich „niedrig“ eingestuft werden können. Dieses lässt somit den Schluss zu, dass eine Veränderung der Instandhaltung eines Leistungsschalters aufgrund der durchgeführten FMEA-Untersuchung nicht notwendig ist. Während die Risiken mit größeren Auswirkungen (Personengefährdung, keine Erkennung der Fehler, Fehler in der Schaltkammer mit Gefährdung der Ausschaltfähigkeit) eine geringe Störungswahrscheinlichkeit haben, haben im Gegensatz hierzu die Störungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit (z. B. an Sensoren, bzw. Relaisfehler in der Steuerung) eine geringe Auswirkung auf den gesamten Betriebsablauf, sodass auch diese Risiken als unkritisch eingestuft werden können. Zu den Fehlern, die an der Grenze der Risikoklasse „niedrig/ mittel“ liegen, gehören nach dieser Auswertung z. B. Fehler an der Auslöseklinke von Federspeicherantrieben.

2.1 Strategieentwicklung

89

2.1.4.4 FMEA-Untersuchung einer Anlage Mithilfe einer FMEA-Untersuchung ist es grundsätzlich auch möglich, im Gegensatz zu dem oben beschriebenen Beispiel, eine optimale Instandhaltungsstrategie von gesamten Anlagen festzulegen. Im Folgenden wird dieses Verfahren auf eine Mittelspannungsanlage angewendet, wobei unterschiedliche Betriebsmittel berücksichtigt werden: • Schaltfeld (incl. Sammelschiene, Kabelanschluss), • Leistungsschalter, • Lasttrennschalter, • MS/NS-Transformator, • Spannungs- und Stromwandler, • Schutz und Steuerung, • Gebäude. Das Ziel der Untersuchung ist es, in Abhängigkeit der Auswirkungen der verschiedenen Störungen, zum einen mögliche Instandhaltungsaktivitäten und zum anderen deren Rangfolge festzulegen. Entsprechend der Beschreibung im Abschn. 2.1.4.1 werden die folgenden Kriterien betrachte: • Störungsursachen: Auswahl der Störungsursachen, die zu einer Funktionsunterbrechung der Betriebsmittel führen (Auswertung von Statistiken für die in einer Schaltanlage enthaltenen Geräte). • Störungsauswirkung: Festlegung der Störungsauswirkungen hinsichtlich der Auswirkungen auf Personen, Umwelt und Betrieb bzw. eine Störung hat keinen unmittelbaren Einfluss auf den Betrieb, sodass keine sofortige Abschaltung erfolgen muss. • Störungshäufigkeit: Festlegung der relativen Störungshäufigkeit aller betrachteten Betriebsmittel innerhalb einer Anlage anhand allgemeiner Störungsstatistiken bzw. der eigenen Erfahrung des Anwenders. Beispielhaft werden für ein Schaltfeld die nachfolgenden Funktionen zugeordnet, inklusive der dazugehörigen Funktionsstörungen und Störungsursachen, Tab. 2.15. Hierbei werden dem Schaltfeld die Funktionen „Leistungsübertragung“ und „Isolierung“ zugeordnet. Durch die Festlegung von Störungsauswirkungen und deren Häufigkeit kann das Risiko für jedes Ereignis durch Multiplikation der Bewertungskriterien bestimmt werden, sodass sich eine Rangfolge der Störungsursachen ergibt, ähnlich der Darstellung nach Abschn. 2.1.4.3. Ausgehend von diesen Störungen können Instandhaltungsmaßnahmen (Soll-Maßnahmen) definiert werden, die u. U. eine Vermeidung dieser Störungen bewirken könnten. Anschließend ist zu prüfen, ob diese Soll-Maßnahmen durch eine bereits heute durchgeführte Instandhaltungsaktivität (Ist-Maßnahme) abgedeckt wird.

90

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Tab. 2.15  FMEA-Tabelle für ein Schaltfeld (Auszug) Funktionen

Funktionsstörung

Störungsursache

1. Leistungsübertragung

1. Unzulässige Erwärmung der Strombahn

1. Verformung 2. Kabelanschluss: Innerer Fehler

2. Gealterte Isolation

1. Innerer Fehler

3. Überspannung (Blitz)

1. Sammelschiene: Äußerer Überschlag, Lichtbogen 2. Kabelanschluss: Innerer Fehler

4. Unzulässige Abstände

1. Äußerer Überschlag, Lichtbogen

5. Verschmutzung, Feuchte

1. Äußerer Überschlag, Lichtbogen

1. Überspannung (Blitz)

1. Sammelschiene: Äußerer Überschlag, Lichtbogen 2. Kabelanschluss: Innerer Fehler

2. Unzulässige Abstände

1. Äußerer Überschlag, Lichtbogen

3. Gealterte Isolation

1. Innerer Fehler

4. Verschmutzung, Feuchte

1. Äußerer Überschlag, Lichtbogen

2. Isolierung

Als Ergebnis dieser Untersuchung kann anschließend sowohl die Dringlichkeit als auch der notwendige zusätzliche Instandhaltungsbedarf, der sich aus der Differenz der Soll- zu Ist-Maßnahmen ergibt, ermittelt werden. Beispielhaft zeigen die Tab. 2.16 und 2.17 die Ergebnisse einer kompletten Auswertung einer Anlage hinsichtlich der Störungsursachen, den hieraus folgenden Schäden (Tab. 2.16) und die Soll- und IstMaßnahmen (Tab. 2.17). Während Tab. 2.16 die Reihenfolge der verschiedenen Störungen mit den hieraus folgenden Schäden an den Betriebsmitteln darstellt, beschreibt Tab. 2.17 die notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen und die zurzeit durchgeführten Aktivitäten, denen diese Soll-Maßnahmen zugeordnet werden können. Die Untersuchung zeigt, dass die Ursache für Schäden in einer Anlage in erster Linie durch Überspannungen bzw. durch Verschmutzung und Feuchte hervorgerufen werden. Die Auswirkungen führen in beiden Fällen zu äußeren Überschlägen mit einem Lichtbogen. Die Maßnahmen zur Vermeidung dieser Störungen beinhalten auf der einen Seite die Überprüfung von Betriebsmitteln zur Vermeidung von Überspannungen (Einbau von Überspannungsableitern) durch die Netzplanungsabteilung als auch die Kontrolle der Feuchte bzw. der Verschmutzung während der Inspektion und Wartung.

2.1 Strategieentwicklung

91

Tab. 2.16  Bewertung der Betriebsmittel einer Anlage (Störungsursache, Schäden) Nr.

Priorität

Betriebsmittel

Ursache

Schaden

1

131

Schaltfeld

Blitzüberspannungen

Sammelschiene: äußerer Überschlag, Lichtbogen

2

131

Schaltfeld

Verschmutzung, Feuchte

Äußerer Überschlag, Lichtbogen

3

98

Schaltfeld

Gealterte Isolierung

Innerer Fehler

4

33

Schaltfeld

Unzulässige Abstände

Äußerer Überschlag, Lichtbogen

5

30

MS/NS-Transformator

Überspannungen

Defekte Isolation

6

28

Schaltfeld

Blitzüberspannungen

Kabelanschluss: innerer Fehler

7

23

Leistungsschalter

Fehlerhafter Antrieb

Energieübertragung (Lichtbogen)

8

22

Leistungsschalter

Fehlerhafte Schaltkammer

Undicht, dielektrische Überbeanspruchung

9

20

MS/NS-Transformator

Überspannung

Überschlag zum Kessel (Fußpunkte)

10

15

Schaltfeld

Unzulässige Erwärmung der Strombahn

Verformung

2.1.5 Alterungsverhalten der Betriebsmittel Die elektrischen Betriebsmittel in Übertragungs- und Verteilungsnetzen beeinflussen den Lastfluss und dienen zum Schutz von Personen und Sachen im Falle einer Störung. Aus diesem Grund sind eine hohe Verfügbarkeit und ein ausgezeichnetes Betriebsverhalten unerlässlich. Um dieses Ziel während der gesamten Betriebsdauer zu erreichen, sind optimale Instandhaltungsstrategien notwendig. Die Instandhaltung kann hierbei in verschiedene Aktivitäten an den Instandhaltungsobjekten (IH-Objekte) nach [27, 29] unterschieden werden: • Inspektion:

Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes eines Betriebsmittels, incl. der Ableitung der notwendigen Konsequenzen

• Wartung:

Maßnahmen zur Verzögerung des Abbaus des vorhandenen Abnutzungsvorrats

• Instandsetzung:

Maßnahme zur Rückführung oder Wiederherstellung eines Betriebsmittels in einen definierten funktionsfähigen Zustand, mit Ausnahme der Verbesserung

• Verbesserung

Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen zur Steigerung der Funktionssicherheit eines Betriebsmittels, ohne die von dem IH-Objekt geforderte Funktion zu ändern

92

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Tab. 2.17  Bewertung der Betriebsmittel einer Anlage (Soll-, Ist-Maßnahmen); die Auflistung entspricht den Störungsursachen und Schäden nach Tab. 2.16 Nr.

Priorität

Betriebsmittel

Soll-Maßnahme

1

131

Schaltfeld

Überspannungsableiter an Prüfung durch Netzgeeigneten Stellen planung

2

131

Schaltfeld

Feuchte: Kontrolle der Heizung und Fenster, undichte Regenrohre; Verschmutzung: Reinigung, besonders luftisolierte Anlagen

Inspektion/Wartung (Feld)

3

98

Schaltfeld

Sichtprüfung: Verfärbung der Oberfläche; Geräusche, anschließend TE-Messung

Inspektion/Wartung (Feld)

4

33

Schaltfeld

Falsche Dimensionierung, Vorgaben durch es muss auf Abstand Projektierung/Abnahme dimensioniert werden

5

30

MS/NS-Transformator

Überspannungsableiter

6

28

Schaltfeld

Überspannungsableiter an Prüfung durch Netzgeeigneten Stellen planung

7

23

Leistungsschalter

Revision

Inspektion/Wartung (Feld)

8

22

Leistungsschalter

Sichtprüfung (ölarm); Revision

Inspektion/Wartung (Feld)

9

20

MS/NS-Transformator

Überspannungsableiter

Prüfung durch Netzplanung/Projektierung

10

15

Schaltfeld

Stromüberwachung bei Anlagen mit einer Auslastung von nahezu 100 %; Thermografiemessung zum Feststellen von „Hot Spots“

Inspektion/Wartung (Feld)

Ist-Maßnahme

Prüfung durch Netzplanung/Projektierung

Seit einigen Jahren bestehen die Überlegungen, die angewendeten Instandhaltungsstrategien zu überdenken. Ausgehend von der zeitabhängigen Wartung (Abschn. 2.1.1.4) mit festen Zeitintervallen und einer festgelegten Zeit für den Ersatz der Betriebsmittel, gehen einige Energieversorgungsunternehmen dazu über, die zustandsabhängige Instandhaltung (Abschn. 2.1.1.5) einzusetzen oder aber die bestehenden Wartungsintervalle zu verlängern, in Abhängigkeit vom Betriebsmitteltyp und den jeweiligen Betriebserfahrungen. Das größte Problem besteht jedoch darin, diese Erfahrung zur Festlegung

2.1 Strategieentwicklung

93

des optimalen Zeitintervalls für eine Instandhaltung zu nutzen, ohne das Risiko einer höheren Fehlerrate einzugehen. Wartungsmaßnahmen können nur optimiert und spezielle Strategien festgelegt werden, wenn Daten über vergangene Ereignisse (Störungen und Wartungsmaßnahmen) ausreichend zur Verfügung stehen. Dieses bedeutet, dass zuverlässige Aussagen über eine Verlängerung der Serviceintervalle nur möglich sind, wenn entsprechende aufbereitete Störungsdaten vorliegen. Aus diesem Grunde sollten diese Ereignisse in den Störungsstatistiken eines Netzbetreibers gesammelt werden, wobei diese Statistiken die Zeit des Ereignisses, die Fehlerart und die Störungsursache enthalten sollten. Darüber hinaus ist es angebracht, zusätzlich noch die entstandenen finanziellen Auswirkungen zu dokumentieren, um u. U. eine Risikoanalyse (Abschn. 3.2.6) anzuschließen, die zu einer optimalen Festlegung des Intervallzeitraums führen kann. Die nachfolgenden Abschn. 2.1.5.1 bis 2.1.5.5 beschreiben die Vorgehensweise, wie die gesammelten Störungsdaten aufgearbeitet werden sollen, damit nicht nur das bekannte Altersverhalten der Betriebsmittel, sondern auch das zukünftige abgeleitet werden kann. Beispielhaft wird diese Methode an ungefähr 8600 Hochspannungs>  100 kV und ca. 6800 Leistungsschaltern mit einer Bemessungsspannung von Ur  Störungen angewendet, entsprechend den Darstellungen in [8, 11, 12, 32, 33].

2.1.5.1 Allgemeines Fehlerverhalten eines Betriebsmittels Die Ausfallhäufigkeit der verschiedenen Betriebsmittelklassen stellt grundsätzlich ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung einer Instandhaltungsmaßnahme dar und neben der Analyse des Fehlerorts, ist es auch möglich, verschiedene Betriebsmittel in Bezug auf das Alter, das Betriebsverhalten, der Konstruktion und die Zeitdauer zwischen zwei Fehlern zu vergleichen. Anhand der Fehlerstatistik können grundsätzliche Rückschlüsse auf zukünftige Wartungsarbeiten getroffen werden. Im Allgemeinen können die folgenden zeitlichen Störungsverläufe an den Betriebsmitteln unterschieden werden [46]: • (Wieder-) Inbetriebnahmeprobleme:

Anfangsprobleme, welche sich bei fortschreitendem Betrieb reduzieren,

• Verschleiß:

Abnutzungsprobleme, die in Abhängigkeit der Betriebszeit zunehmen, treten besonders bei sich bewegenden Teilen auf,

• betriebsbedingt:

Ausfälle, die in Abhängigkeit des Betriebs auftreten,

• Alterung:

Alterungserscheinungen, die unabhängig von der betrieblichen Beanspruchung sind,

• Zufall:

zufällig auftretende Ausfälle, die keine alters- oder betriebsbedingten Ursachen haben,

• Badewannen-Kurve:

Kombination von Inbetriebnahme- und Abnutzungsproblemen

94

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Abb. 2.30 [8] zeigt den grundsätzlichen Verlauf des Störungsverhaltens in Abhängigkeit der Betriebszeit, wobei die Kenntnis über den Störungsverlauf eine wesentliche Grundlage für die Auswahl und Festlegung der anzuwendenden Instandhaltungsstrategie ist. Wenn das Betriebsmittel ein Fehlerverhalten entsprechend der linken Seite (Abb. 2.30) aufweist, das heißt, die Fehlerrate nimmt mit steigendem Alter zu, ist eine zeitabhängige Wartung sinnvoll. Bei Überschreitung einer akzeptierten Störungsrate des Betriebsmittels kann in Abhängigkeit der Betriebszeit eine Instandhaltung vorgesehen werden. Während im Gegensatz hierzu bei Fehlern auf der rechten Seite eine zustandsabhängige Wartung die einzige mögliche Strategie ist, um Fehler zu vermeiden. Dieses bedeutet, dass vor einer Festlegung einer verbindlichen Wartungsstrategie für einen Betriebsmitteltyp zuerst eine Aussage über das Fehlerverhalten des Betriebsmittels erfolgen muss, als Funktion der Betriebszeit. Aus Kurven nach Abb. 2.30 lassen sich insgesamt fünf unabhängige Grundkurven definieren (mit Ausnahme der Badewannenkurve), die im Einzelfall betrachtet werden müssen.

altersabhängig

zustandsabhängig

Inbetriebnahmeprobleme

Badewannenkurve hF

hF

Zufall

Verschleiß hF

hF

betriebsbedingt

Alterung hF

hF Alter

Abb. 2.30   Fehlerverhalten

Alter

2.1 Strategieentwicklung

95

2.1.5.2 Analyse des Fehlerverhaltens und Maßnahmen Ziel der Fehleranalyse ist es, das tatsächlich vorhandene Fehlerverhaltens eines Betriebsmittels in die fünf Grundmuster nach Abb. 2.30 zu zerlegen. Dieses bedeutet, es werden diejenigen Teilkurven ermittelt, deren Summe die geringste Abweichung vom Verlauf der Fehlerhäufigkeit der Störungsdaten aufweist. Abb. 2.31 zeigt die grundsätzliche Vorgehensweise, welche ausführlich in [34] beschrieben ist. Das Ergebnis ist eine Funktion, die eine Kombination der bestehenden Grundfunktionen darstellt, wobei die Koeffizienten angeben, in welchen Maße die verschiedenen Grundfunktionen das Störungsverhalten des Betriebsmittels beeinflussen, sodass anschließend zuverlässige Aussagen über die abzuleitenden Instandhaltungsstrategien möglich sind. Es kann somit festgestellt werden, ob beispielhaft der tatsächliche Störungsverlauf eher einer Verschleißerscheinung unterliegt oder mehr einem normalen Alterungsprozess. Aus diesen Gründen ist es möglich, eine Entscheidung über eine zeitbasierte oder zustandsbasierte Instandhaltung zu fällen, in Abhängigkeit des Störungsverhaltensmusters. In Abhängigkeit der Fehleranalyse lassen sich folgende Rückschlüsse in Abhängigkeit der Grundfunktionen nach Abb. 2.30 ableiten: • (Wieder-) Inbetriebnahmeprobleme:

Geben Hinweise auf die Qualität der Montage bzw. des Services nach einer IH-Maßnahme, sodass eine bessere Schulung des Personals sinnvoll ist bzw. eine Überarbeitung der Konstruktion

• Verschleiß:

Durch eine geänderte Konstruktion lassen sich Fehler reduzieren bzw. die Komponente kann rechtzeitig ausgewechselt oder gewartet werden, wenn eine Mindestanforderung unterschritten wird

• Betriebsbedingt:

Diese Fehlerart sollte im Bereich der Energieversorgung selten auftreten, sodass Maßnahmen nicht erforderlich sind. Mögliche Maßnahmen sind Änderungen der Konstruktion/Steuerung oder Anpassung der Betriebsprozesse

• Alterung:

Lassen sich durch konstruktive Maßnahmen an einzelnen Komponenten oder Einsatz von geändertem Material beeinflussen bzw. vorzeitige IH-Maßnahmen beugen einer Störung vor

• Zufall:

Eine vorbeugende Instandhaltungsmaßnahme am Betriebsmittel ist nicht möglich, jedoch sind u. U. die örtlichen Randbedingungen zu kontrollieren als Folge von Einflüssen Dritter (atmosphärische Überspannungen, Kleintiere usw.)

Die grundsätzliche Vorgehensweise wird im Folgenden anhand der Auswertung von Fehlerstatistiken bei Hochspannungs-Leistungsschaltern dargestellt. Ebenfalls aufgezeigt werden die hieraus abzuleitenden Maßnahmen für eine Instandhaltung.

96

2  Aufgaben des Anlagenmanagements Grundfunktionen

hF

Fehlerstatistik des Betriebsmittels hF

Inbetriebnahme f1 t

hF

Zufall

t

f2 t hF

betriebsbedingt f3

Σ

t hF

Verschleiß f4

hF

Alterung f5

Methode der Fehlerquadrate

Ermitteltes Fehlerverhalten

t

+

hF t

=

+ +

t

Abb. 2.31   Grundsätzliche Methode zur Analyse des Fehlerverhaltens [11, 32, 34]

2.1.5.3 Daten und Betriebsmittelmodell eines Leistungsschalters Für die nachfolgende Auswertung wird ein Kollektiv von Hochspannungsleistungsschaltern verwendet, das sich aus unterschiedlichen Löschmedien und Antrieben zusammensetzt. Im Einzelnen sind es die folgenden Kriterien: Löschmedium:

Antrieb:

Druckluft

1357

15,9 %

Ölarm

3014

35,2 %

SF6

4184

48,9 %

Pneumatisch

1701

19,9 %

Hydraulisch

3985

46,6 %

Mechanisch

2869

33,5 %

Im Ganzen werden 8555 Leistungsschalter mit unterschiedlichen Löschmedium und Antrieben betrachtet und das Altersverhalten des Kollektivs zeigt Abb. 2.32. Die ersten Installationen sind im Zeitbereich 1960 bis 1970 getätigt worden, während die meisten Betriebsmittel im anschließenden Jahrzehnt in Betrieb gingen. Seit dieser Zeit ist eine Reduzierung der jährlichen Investitionen festzustellen.

2.1 Strategieentwicklung 400 Anzahl

97

SF6

ölarm

Druckluft

350 300 250 200 150 100 50

75 19 77 19 79 19 81 19 83 19 85 19 87 19 89 19 91 19 93 19 95 19 97 19 99 20 01

73

19

71

19

69

19

67

19

65

19

19

61 63 19

59

19

57

19

55

19

53

19

19

19

51

0

Jahr

Abb. 2.32   Altersverteilung der Hochspannungsleistungsschalter [8]

Aus den Angaben nach Abb. 2.32 kann das Durchschnittsalter der untersuchten Betriebsmittel bestimmt werden: • Druckluft:

38,9 Jahre

• Ölarm:

31,2 Jahre

• SF6:

14,9 Jahre

Für die Bewertung der Störungen ist es notwendig, ein Betriebsmittelmodell für einen Leistungsschalter zu entwickeln, um sämtliche Fehlerorte eindeutig einer Komponente zuzuordnen, da eine notwendige Wartungsmaßnahme auch an diesen Komponenten erfolgt. Das in diesem Fall verwendete Modell zeigt Abb. 2.33, hierbei besitzt das Beispiel in der ersten Ebene sechs Klassen, die sich in weitere Klassen unterteilen und somit hat der Antrieb beispielhaft weitere fünf Unterteilungen zur Beschreibung zusätzlicher Komponenten. Zusätzlich ist jeweils eine Klasse „unbekannt“ und „sonstiges“ aufgeführt, um Störungen aufzunehmen, die nicht aufgrund der Fehlerbeschreibung zugeordnet werden können. Vom Leistungsschalterkollektiv wurden insgesamt 6776 Ereignisse festgehalten, die einen Zeitraum von 50 Jahren umfassen. Tab. 2.18 zeigt hierbei die Störungen entsprechend der Klasseneinteilung nach Abb. 2.33. In diesen Angaben sind sowohl „major“- als auch „minor“-Fehler enthalten, da in jedem Fall beide Arten zu einer

98

2  Aufgaben des Anlagenmanagements Löschsystem

Spannungsführende Teile

Kontakte Verbindungselemente Steuerkondensatoren Sonstiges Löschmedium Kammer

HS-Isolation

Steuerkapazität Porzellanisolator Sonstiges Energiespeicher Energieübertragung

LeistungsSchalter

Antrieb

Ladeeinrichtung unbekannt Sonstiges Antrieb Isolation

Schutz & Steuerung

Sekundärtechnik unbekannt Sonstiges Kapsel Flansche

Sonstiges

unbekannt Sonstiges

unbekannt Abb. 2.33   Betriebsmittelmodell für einen Leistungsschalter (Beispiel) [11]

Instandhaltungsmaßnahme und somit zu einer Reaktion des Instandhaltungspersonals führen. Die Folge ist, dass beide Fehlerarten bei der Suche nach einer optimalen Instandhaltungsstrategie betrachtet werden müssen. Diese Betrachtung steht im Gegensatz zu Zuverlässigkeitsberechnungen zur Bestimmung der nicht gelieferten Energie oder der Häufigkeit von Versorgungsunterbrechungen an Systemknoten, da in diesen Fällen nur „major“-Fehler berücksichtigt werden.

2.1 Strategieentwicklung

99

Für eine Unterscheidung in den beiden Fehlerklassen werden nach [21] die folgenden Definitionen verwendet. • „Major“-Fehler:

Störung bzw. Schaden an einem Betriebsmittel, wodurch mehrere wesentliche Funktionen nicht gewährleistet sind. Die Folge ist eine unmittelbare Veränderung der Netzbedingungen, die eine Maßnahme innerhalb von 30 min zur Folge hat. Eine Instandhaltungsmaßnahme wird unmittelbar eingeleitet.

• „Minor“-Fehler:

Störung bzw. Schaden an einem Betriebsmittel oder Komponente, die nicht zu einem „major“ Fehler führt. Der Schaden kann durch eine geplante IH-Maßnahme behoben werden, unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange.

Nach Tab. 2.18 zeigt sich, dass die meisten Fehler im Antrieb ihre Ursache haben, unabhängig vom Schaltertyp. Der hohe Anteil der Fehler bei den SF6-Leistungsschaltern im Bereich „Schutz & Steuerung“ ist hauptsächlich auf den Ausfall der Druck- und Dichtesensoren und Fehler der Alarmsignale zurückzuführen.

2.1.5.4 Fehlerverhalten von Leistungsschaltern Für die weitere Betrachtung der Instandhaltungsstrategien werden nur SF6- und ölarme Leistungsschalter betrachtet, da zum einen die Anzahl der Druckluftschalter wesentlich geringer ist und zum anderen diese in den nächsten Jahren aufgrund des Alters ausgetauscht werden sollten bzw. bereits ausgetauscht wurden. Abb. 2.34 (a und b) zeigt die Fehlerrate der SF6- und ölarmen Schalter als Funktion der Betriebszeit. Deutlich ist für die ölarmen Schaltgeräte ein Fehlertrend zu erkennen. Es zeigt sich, dass im Zeitbereich zwischen 10 und 25 Jahren die jährliche Fehlerrate den gesamten Mittelwert von 1,9 Fehlern pro 100 Schalter und Jahr übersteigt. Die Tatsache, dass die Fehlerrate gegen Ende des Betrachtungszeitraums wieder sinkt, ist u. U. darauf zurückzuführen, dass nur Geräte mit einen sehr guten Betriebsverhalten noch zur Verfügung stehen, da alle übrigen bereits gegen neue Geräte ausgetauscht wurden. Diese Erscheinung ist grundsätzlich bei einer Technik festzustellen, die bereits seit mehreren Jahren angewendet wird, da sämtliche konstruktionsbedingten Fehler behoben wurden und die Betriebsmittel sich noch in Betrieb befinden, die sich durch ein besonders gutes Verhalten auszeichnen. Tab. 2.18  Fehlerverteilung in Abhängigkeit des Schaltertyps (Angaben in Prozent)

Komponente

Typ Leistungsschalter Druckluft Ölarm

Spg.-führende Teile

23,8

HS-Isolation

18,3

SF6 4,7

9,8

7,3

2,6

Antrieb

30,3

42,2

38,0

Schutz & Steuerung

20,3

18,5

35,4

Sonstiges

2,0

11,4

11,8

Unbekannt

13,8

2,3

7,5

100

a

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

10%

Fehlerrate 8% 6% 4% 2% 0% 0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

22

24

26

30 28 Alter

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

22

24

26

28 30 Alter

b 10% Fehlerrate 8% 6% 4% 2% 0%

Abb. 2.34   Fehlerrate der untersuchten Leistungsschalter, ölarm (a), SF6 (b) [8]

Im Gegensatz hierzu ist die Fehlerrate der SF6-Schalter über den Betrachtungszeitraum zufällig verteilt und es ist keine eindeutige Verteilung bzw. Trend zu erkennen. In diesem Fall übersteigt die mittlere Rate mit einem Wert von 6,0 Fehlern pro 100 Schalter und Jahr den Wert bei ölarmen Leistungsschaltern. Zur Vervollständigung ist erwähnt, dass die Druckluftschalter eine Fehlerrate von 2,6 Fehlern pro 100 Schalter und Jahr haben, jedoch ist dieser Wert nicht direkt mit den anderen vergleichbar, da die statistische Basis wesentlich geringer ist und darüber hinaus auch das gleiche gilt, was bereits bei den ölarmen Leistungsschaltern zutrifft, dass auch in diesem Fall alle kritischen Geräte außer Betrieb genommen wurden und somit nicht mehr in der Statistik enthalten sind.

101

2.1 Strategieentwicklung

Da während der gesamten Betriebszeit stets Wartungsmaßnahmen an den Leistungsschaltern durchgeführt worden sind, die auch eine unterschiedliche Intensität haben, ist es sinnvoll, die Fehlerrate als Funktion der ereignisfreien Zeit aufzutragen [8], da angenommen werden kann, dass das Störungsverhalten der Geräte auch von Instandhaltungsaktivitäten beeinflusst wird. In diesem Zusammenhang sind mit dem Wort „Ereignisse“ Störungen, Messungen, Inspektionen, Wartungsmaßnahmen oder auch die Inbetriebnahme gemeint. Dieses bedeutet, dass während der ereignisfreien Zeit weder Störungsbehebungen noch sonstige Instandhaltungsaktivitäten an den Betriebsmitteln durchgeführt wurden. Die hieraus abzuleitende Darstellung ist somit geeignet, Aussagen darüber zu machen, wie lange eine Komponente ohne eine Instandhaltungsmaßnahme betrieben werden kann, sodass optimale Serviceintervalle festgelegt werden können [34]. In einem ersten Schritt zeigt Abb. 2.35 zur Verdeutlichung dieser Vorgehensweise die Fehlerrate eines kompletten SF6-Leistungsschalters in Abhängigkeit der ereignisfreien Zeit und es lässt sich hieraus die prinzipielle Darstellung der weiteren Bilder ableiten, wobei die Zerlegung der allgemeinen Trendkurve in die einzelnen Grundfunktionen erfolgt (Abb. 2.31): • Auf der linken Seite ist die Fehlerrate in Abhängigkeit der ereignisfreien Zeit als Jahreswert aufgetragen. Dieses bedeutet, dass nach jedem Wartungsereignis (inkl. Inbetriebnahme) die zeitabhängige Zählung wieder von „null“ beginnt. • Ausgehend von diesen Werten werden die Grundgleichungen nach Abschn. 2.1.5.2 bestimmt, durch die sich das Kollektiv am besten darstellen lässt. Hierdurch wird ermittelt, welche Grundgleichungen den größten Einfluss auf das Störungsverhalten haben (rechte Seite der Abbildung). • Anschließend werden diese Kurven wiederum überlagert und in das Ausgangsbild (linke Seite) als Ausgleichsgeraden eingetragen. hhFF 20% 20%

Inbetriebnahme Inbetriebnahme

15% 15% Werte Werte

hFF 20% 20% h

10%

Inbetriebnahme/Zufall Inbetriebnahme/Zufall

5% 5%

0% 0%

16% 16%

00

12% 12%

55

10 10

15 15

20% h hF 20%

8% 8%

15% 15%

Zufall Zufall

10% 10%

4% 4%

5% 5%

0% 0%

0% 0 0

55

10 10

15 15

ereignisfreie Zeit/Jahre ereignisfreie Zeit/Jahre

Abb. 2.35   Fehlerverhalten des SF6-Leistungsschalters [8]

20 20

0

55

10 10

15

102

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Aufgrund der Darstellung nach Abb. 2.35 zeigt sich, dass das statistische Verhalten sich hauptsächlich aus einer Inbetriebnahme- und einer Zufallskomponente zusammensetzt. Dieses bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit sehr stark ausgeprägt ist, im gleichen Jahr einen Fehler zu haben nachdem ein Ereignis eingetreten ist, also eine Wartungsmaßnahme stattgefunden hat. Im Gegensatz zur Darstellung nach Abb. 2.35 für den gesamten Schalter ist es jedoch sinnvoll, das Fehlerverhalten der einzelnen Komponenten darzustellen, da die Instandhaltung auch an diesen Komponenten letztendlich durchgeführt wird. Mit Komponenten werden hierbei die Bauteile der zweiten Ebene des Betriebsmittelmodells (Abb. 2.33) verstanden. Bei der weiteren Darstellung werden ausschließlich SF6- und ölarme Leistungsschalter betrachtet, da die Anzahl der vorhandenen Druckluftschalter zu klein ist, um eine zuverlässige Aussage zu erhalten. Darüber hinaus werden die Baugruppen spannungsführende Teile und Isolation nach Tab. 2.18 zusammengefasst (Primärkomponente). Die Abb. 2.36 bis 2.40 zeigen die Fehlerraten der unterschiedlichen Komponenten in Abhängigkeit der ereignisfreien Zeit. In den Bildern sind folgende Komponenten ausgewertet worden: • Primärkomponenten von 4184 SF6-Leistungsschaltern mit 2018 Fehlern

Abb. 2.36

• Primärkomponenten von 3001 ölarmen Leistungsschaltern mit 2144 Fehlern

Abb. 2.37

• 3473 hydraulische Antriebe von SF6-Leistungsschal-tern mit 1694 Fehlern

Abb. 2.38

• 1059 hydraulische Antriebe von ölarmen Leistungsschaltern mit 638 Fehlern

Abb. 2.39

• 2270 mechanische Antriebe von Leistungsschaltern mit 167 Fehlern

Abb. 2.40

Die in den Abb. 2.36 bis 2.40 dargestellten Ergebnisse zeigen, dass im Allgemeinen Inbetriebnahmefehler die Hauptursache für Fehler an den Komponenten sind. Das

8% hFF 8%

Inbetriebnahme Inbetriebnahme

6% 6% Werte

hFF 8% 8% h

Inbetriebnahme/Alterung Inbetriebnahme/Alterung

4% 4% 2% 2% 0% 0%

6% 6%

0

5

10 10

15

20 20

15 15

20 20

8% hhFF 8%

4% 4%

6% 6%

Alterung Alterung

4% 4%

2% 2%

2% 2%

0% 0

5

10 10

15 20 ereignisfreie Zeit/Jahre ereignisfreie Zeit/Jahre

0% 0%

Abb. 2.36   Primärkomponenten von SF6-Leistungsschaltern [8]

00

55

10 10

103

2.1 Strategieentwicklung hFF 12% 12% h

Inbetriebnahme Inbetriebnahme

8% 8% Werte

12% hhFF 12%

Inbetriebnahme/Zufall Inbetriebnahme/Zufall

4% 4%

10% 10%

0% 0% 00

8% 8% 6% 6%

hhFF 12% 12%

4% 4%

8% 8%

2% 2%

4% 4%

0% 0%

00

55

10 10

15 15

55

10 10

15 15

Zufall Zufall

0% 0% 0

55

10 10

15 15

ereignisfreie Zeit/Jahre ereignisfreie Zeit/Jahre

Abb. 2.37   Primärkomponenten von ölarmen Leistungsschaltern [8]

bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, unmittelbar nach einer Wartungsaktivität an einer Komponente eine zweite Störung zu haben. Dieses Verhalten ist besonders bei hydraulischen Antrieben (Abb. 2.38 und 2.39) ausgeprägt, im Vergleich zu den mechanischen Antrieben (Abb. 2.40). Ein ähnliches Störungsgeschehen lässt sich bei den Primärkomponenten von SF6- Leistungsschalter ableiten, jedoch ist in diesem Fall auch ein Alterungsverhalten deutlich erkennbar (Abb. 2.38). Des Weiteren zeigen die hydraulischen Antriebe von SF6-Leistungsschaltern ein größer werdendes Verschleißproblem (Abb. 2.38) nach ca. 11 Jahren, jedoch kann keine Alterung aufgrund des Kurvenverlaufs festgestellt werden. Im Gegensatz dazu lassen

16% hhFF 16%

Inbetriebnahme Inbetriebnahme

12% 12% Werte Werte

16% h hF 16%

Inbetriebnhme/Verschleiß/Zufall Inbetriebnahme/Verschleiß/Zufall

8% 8% 4% 4%

F

0% 0%

12%

0

8% 8%

hhFF 16% 16%

4%

8% 8%

0% 0%

0% 0%

55

10

15 15

20 20

15 15

20 20

Zufall Zufall Verschleiß Verschleiß

12% 12% 4% 4% 00

5 5

10 10

15 15

2020

ereignisfreie ereignisfreie Zeit/Jahre

Abb. 2.38   Hydraulische Antriebe von SF6-Leistungsschaltern [8]

00

55

10 10

104

2  Aufgaben des Anlagenmanagements hFF 12% 12% h Werte Werte

h 12% hFF 12%

Inbetriebnahme Inbetriebnahme

8% 8%

Inbetriebnahme/Verschleiß/Zufall Inbetriebnahme/Verschleiß/Zufall

4% 4%

10% 10%

0% 00

8% 8% 6% 6%

hhFF 12% 12%

4% 4%

8% 8%

2% 2%

4% 4%

0% 00

5

10 10

15 20 15 20 ereignisfreie ereignisfreie Zeit/Jahre Zeit/Jahre

5

10 10

15 15

20 20

Zufall Zufall Verschleiß Verschleiß

0% 0% 00

5

10 10

15

20 20

Abb. 2.39   Hydraulische Antriebe von ölarmen Leistungsschaltern [8] 12% hhFF 12%

Inbetriebnahme

8% 8% Inbetriebnahme/Verschleiß/Zufall Inbetriebnahme/Verschleiß/Zufall

Werte

hFF 12% 12% h

4% 4%

10% 10%

0% 0% 0

8% 8% 6% 6%

h 12% hF 12%

4% 4%

8% 8%

2% 2%

4% 4%

F

0% 0% 0

55

10 10

15 15

0% 0%

55

10 10

15 15

Zufall Zufall Verschleiß Verschleiß

00

55

10 10

15 15

ereignisfreie Zeit/Jahre ereignisfreie Zeit/Jahre

Abb. 2.40   Mechanische Antriebe von ölarmen Leistungsschaltern [8]

sich bei mechanischen Antrieben von ölarmen Leistungsschaltern nur wenige Fehler als Folge von Inbetriebnahmeproblemen deuten. In allen untersuchten Fällen sind stets zufallsbedingte Störungen zu erkennen, die während der Betriebszeit auftreten. Eine detaillierte und weitergehende Bewertung des Störungsverhaltens zeigt sich, wenn z. B. die Betriebsmittel in zwei Altersgruppen (    20 Jahre) zusammengefasst werden, wie dieses in den Berichten [12, 32] ausführlich dargestellt ist.

2.1.5.5 Bewertung der Ergebnisse Durch eine Auswertung des Fehlerverhaltens eines Betriebsmittels ist es möglich, geeignete Maßnahmen für die Instandhaltung auch in Bezug auf die notwendigen Zyklen

2.1 Strategieentwicklung

105

abzuleiten. Darüber hinaus sollte stets eine technische Begründung für das Fehlerverhalten gegeben werden können, um die richtigen Entscheidungen zu treffen, wie dieses nachfolgend dargestellt wird. Jedoch sind grundsätzlich technische Randbedingungen zu berücksichtigen, wenn, wie in diesem Fall, ölarme und SF6-Leistungsschalter miteinander verglichen werden. • Ölarme Leistungsschalter erreichten ihre maximale Schaltleistung je Unterbrechereinheit in der Mitte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, mit Werten von 145 kV/31.5 kA. Viele Hersteller stellten die weiteren Entwicklungsaktivitäten ein und diese Schalter wurden durch die SF6-Technologie abgelöst. • Die Schaltleistung der SF6-Schalter beträgt heute 400 kV/63 kA oder mehr. Von diesem Zeitpunkt an (ca. 1975) ist die SF6-Technologie die vorherrschende Technik. Aufgrund der Bewertung von SF6 als Faktor für den Treibhauseffekt wird seit einigen Jahren an der Entwicklung von alternativen Gasen gearbeitet, wobei die grundlegende Technologie der Gasisolation bei Leistungsschaltern im Höchstspannungsnetz aber bis heute alternativlos erscheint. • Zusätzlich erhöhten sich die elektrischen Anforderungen von der Netzseite und in Folge davon änderten sich die technischen Standards, z. B.: Kurzschlussströme, kapazitives Schaltverhalten, elektrisches und mechanisches Ausdauerverhalten, Typenprüfungen usw. Diese zusätzlichen Anforderungen führen zu höheren Beanspruchungen der einzelnen Komponenten von SF6-Schaltern im Vergleich zu ölarmen. Die mechanischen und hydraulischen Antriebe werden durch die folgenden Charakteristika beschrieben: • Die hydraulischen Antriebe sind sehr komplex im Aufbau, sodass die Fabrikationsanforderungen sehr hoch sind, die jedoch nur sehr schwierig während der Herstellung und Inbetriebnahme zu überwachen sind. Auf der anderen Seite sind die beweglichen Teile bei einem hydraulischen Antrieb geringer im Vergleich zum mechanischen und bedingt durch das natürliche Verhalten des Öls ist ein Verschleiß gering. • Im Gegensatz hierzu sind mechanische Antriebe während der Fertigung und der Inbetriebnahme einfacher zu kontrollieren. Jedoch führt die hohe Anzahl von beweglichen Teilen zu Verschleißerscheinungen während der Betriebszeit. • Als Konsequenz ihrer Komplexität zeigen die hydraulischen Antriebe mehr Inbetriebnahmefehler, aber durch die wenigen beweglichen Teile ein geringes Alterungsverhalten. • Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass die hydraulischen Antriebe in vielen Anwendungen für den Einsatz von stromstarken SF6-Leistungsschaltern, z. B. Eindruckschalter für den Bereich 50 – 100 kA, eingesetzt werden, wohingegen mechanische Antrieb hauptsächlich dann Verwendung finden, wenn die Anforderungen an die Antriebsenergie gering sind. Dieses hat zur Konsequenz, dass ein direkter Vergleich der beiden Antriebstechnologien aufgrund der technischen Anforderungen nicht immer sinnvoll ist.

106

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Als Ergebnis der beispielhaften Untersuchung lässt sich ableiten, dass in vielen Fällen eine Streckung der Instandhaltungsintervalle vorgenommen werden kann, in Abhängigkeit des Schaltertyps bzw. der verwendeten Antriebe, sodass sich hieraus die folgenden Maßnahmen für eine Instandhaltung ableiten lassen. • Aufgrund der zahlreichen Inbetriebnahmeprobleme, welche besonders für die Hochspannungskomponenten (Primärkomponente) und für hydraulische Antriebe von Bedeutung sind, sollten die Wartungsmaßnahmen mit einer größeren Sorgfalt durchgeführt werden. • Darüber hinaus sollte der technische Zustand der Komponenten besser überwacht werden, sodass als Konsequenz hieraus die Anzahl an nicht notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen reduziert werden kann. Dieses hat u. U. zur Folge, dass die Instandhaltungsfehler verringert werden. Bei der Benutzung von zusätzlichen Diagnose- und Monitoringverfahren sind jedoch im jeden Fall die hieraus anfallenden Aufwendungen für Geräte und Auswertung zu betrachten. • Die Auswertung verdeutlicht, dass bei hydraulischen Antrieben die Revisionsintervalle bis auf ca. 12 bzw. maximal 15 Jahre gestreckt werden könnte. Im Gegensatz hierzu sollte der Zyklus bei mechanischen Antrieben ca. 10 Jahre betragen. Jedoch stellt dieses aufgrund der geringen Zahl nur eine grobe Abschätzung dar. Die Darstellung zeigt, dass für die Festlegung einer Instandhaltungsstrategie die Auswertung von Störungsereignissen unerlässlich ist. Im Allgemeinen werden Störungsraten von Betriebsmitteln in Abhängigkeit der Betriebszeit aufgetragen. Da in der Regel während dieser Zeit Instandhaltungsaktivitäten stattgefunden haben, ist somit das Störungsverhalten hiervon beeinflusst, sodass u. U. keine geeigneten Schlussfolgerungen möglich sind. Wesentlich günstiger ist es, in diesem Fall die Fehlerraten als Funktion der Wartungszeiten aufzutragen, um ausgehend von der Zerlegung in verschiedenen Fehlermoden die optimale Instandhaltungsstrategie auswählen zu können.

2.1.5.6 Berücksichtigung des Alterungsverhalten bei der Zustandsbewertung Nach Abschn. 2.1.2.2, Tab. 2.3, ist es möglich, eine Zustandsbewertung durch verschiedene Kriterien festzulegen, um eine Betriebsmittelgruppe im Zustands-, Wichtigkeitsdiagramm darzustellen. Für eine Überlegung, welcher Zustand sich in einem kurzen Zeitraum von z. B. 5 Jahren für eine Betriebsmittelkollektiv ergeben könnte, ist es grundsätzlich möglich, die zeitabhängigen Kriterien entsprechend zu modifizieren, z. B. Kriterien: Alter, Messergebnisse usw. Während die Bewertungen der zeitunabhängigen Kriterien, wie z. B. Schaltungen pro Jahr, konstant bleiben. Ein anderes Verfahren, wie das Alterungsverhalten einer Betriebsmittelgruppe aus dem bereits bewerteten Kollektiv abgeleitet werden kann, wird in Abschn. 3.4.4 dargestellt, indem zwischen einem realen und künstlichen Alter der Betriebsmittel unterschieden wird.

2.1 Strategieentwicklung

107

2.1.6 Lebensdauer von Betriebsmitteln Aufgrund des Alterungsverhaltens und der Abnutzung haben die eingesetzten Betriebsmittel ein mittleres Lebensalter, das von verschiedenen Randbedingungen abhängig ist. Die Konsequenz ist, dass es für die unterschiedlichen Betriebsmittel eigene Mittel- und Maximalwerte der betrieblichen Nutzungsdauer gibt. In den letzten Jahren sind verschiedene Statistiken veröffentlicht worden, die einen Überblick über gebräuchliche Angaben geben. Beispielhaft werden im Folgenden die Werte dargestellt, die durch eine Cigre-Arbeitsgruppe (37–27) für Geräte aus dem Bereich der Hochspannungstechnik veröffentlicht wurden, Tab. 2.19 [22]. Bei den Angaben wird jeweils unterstellt, dass die Lebensdauer der Betriebsmittel einer Normalverteilung unterworfen ist, sodass die Mittelwerte und die dazugehörigen Standardabweichungen spezifiziert sind. Zusätzlich ist noch ein Zeitbereich angegeben, in der der Mittelwert schwanken kann. Die in der Tab. 2.19 aufgeführten Werte stellen die Ergebnisse der von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe zusammengetragenen Betriebsmittel dar, jedoch können sie durchaus als repräsentativ angesehen werden. Aus der Tabelle geht jedoch auch hervor, dass das mögliche Betriebsalter durchaus vom Mittelwert abweichen kann, in Abhängigkeit der individuellen Randbedingungen. So kann beispielhaft die Lebensdauer bei einem Stahlgittermast zwischen 35 und 100 Jahren schwanken, während dieser Wert für einen SF6-Schalter zwischen 30 und 50 Jahren liegt. Für eine Berechnung einer langfristigen Investitionsstrategie nach Abschn. 3.4.5 „Simulation: Statistische Ausfallrate“ können die in der Tab. 2.19 aufgeführten Werte als Annäherung genommen werden. Die Gründe für das Ende der technischen Lebensdauer der verschiedenen Betriebsmittel können unterschiedlich sein und wie folgt für die in der Tab. 2.19 aufgeführten angegeben werden: • Leistungsschalter: Veränderte technische Anforderungen (Bemessungswerte), steigendes Fehlerverhalten und dadurch erhöhte Instandhaltungsaufwendungen, vermindertes Know-how des Servicepersonals und mangelnde Ersatzteile • Erdungs- und Trennschalter: Veränderte technische Anforderungen (Bemessungswerte), Korrosion und mechanische Abnutzung, vergrößerte Instandhaltungskosten • Stromwandler (Öl): Undichtigkeiten • Spannungswandler: Feuchtigkeitsprobleme • Transformatoren Verminderung der Öl-Isolation, veränderte technische Anforderungen (Bemessungswerte), erhöhte Betriebstemperatur, Überlastung • SF6-Anlagen (Innenraum): Veränderte technische Anforderungen (Bemessungswerte), ansteigendes Fehlerverhalten (Verminderung der Isolation, Undichtigkeiten), mechanische Abnutzung, erhöhte Instandhaltungskosten, mangelnde Ersatzteile • Elektromechanischer Schutz: Korrosion der Kontakte, geänderte Anforderungen bzw. Funktionalität, vermindertes Know-how des Service-Personals, mangelnde Ersatzteile

108

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Tab. 2.19  Statistische Angaben zur Lebensdauer von elektrischen Betriebsmitteln [52] Betriebsmittel

Netzspannung/kV

Mittelwert/Jahre

Bereich/Jahre

Standardabweichung/Jahre

Druckluft

110–275

41

30–50

6

40

30–50

6

Öl(arm)

110–199

42

30–50

6

200–275

41

30–50

6

≥345

38

30–45

5

110–199

43

30–50

6

200–275

42

30–50

6

≥345

42

30–50

6

Erdungs-, Trenn- ≥110 schalter

42

30–50

8

Stromwandler (ÖL)

≥110

39

30–50

7

Spannungswandler

≥110

39

30–50

7

Transformator

≥110

42

32–55

8

Leistungsschalter

Gas

≥345

SF6-Anlage (Innenraum)

≥110

42

30–50

8

Elektromechanischer Schutz



32

20–45

9

Normale Umweltbedingungen

≥110

54

40–80

14

Hohe Verschmutzung

≥110

46

30–70

15

Freileitungsmasten (Stahlgitter)

≥110

63

35–100

21

Holzmasten

≥110

44

40–50

4

51

30–85

20

Freileitungsseile (ACSR, AluminiumStahlseil)

Ölkabel

≥110

2.1 Strategieentwicklung

109

• Freileitungsseile: Korrosion und Einfettung der Leiterseile, Fehler an Isolatoren, erhöhte Leitertemperatur aufgrund der Belastung, Qualität des Materials • Stahlgittermaste: Umgebungseinflüsse, vermehrte Korrosion (auch an Schwellenfundamenten), Beanspruchung der Stahl- Betonverbindung, Abplatzen an Fundamenten, Materialermüdung • Holzmasten: Erhöhter Instandsetzungsaufwand, Insektenbefall, Hohlfäule • Ölgefüllte Kabel: Gesteigerte Umweltanforderungen, Metallmantel-Korrosion, thermische Überbeanspruchung, Undichtigkeit (Ausfluss von Öl) Ergänzend zu den statistischen Angaben für den Bereich der Hochspannungsanlagen, sind in der Tab. 2.20 Werte aus dem Bereich der Mittel- und Niederspannungstechnik nach [56] aufgeführt. Darüber hinaus zeigt Tab. 2.21 die erwarteten Lebensdauern von Rohren in Gasverteilungsnetzen nach [36] bzw. von Wasserrohrnetzen nach [37], Tab. 2.22. In den angegebenen Literaturstellen sind ausschließlich übliche Nutzungsdauern aufgeführt, während für die Ermittlung einer Erneuerungsstrategie nach den Abschn. 2.1.2.4 und 6.2.6 statistische Dichtefunktionen, z. B. eine Normalverteilung, angenommen wird. Aus den angegebenen Nutzungsdauern wird die Dichtefunktion entsprechend der folgenden Vorgehensweise ermittelt: 1. Der Mittelwert μ bestimmt sich aus dem Mittelwert des Nutzungsdauerbereiches. 2. Zur Ermittlung der Standardabweichung σ wird vorausgesetzt, dass insgesamt 90 % des gesamten Betriebsmittelkollektivs innerhalb des Nutzungsdauerbereiches ersetzt werden. Die mithilfe der oben angegebenen Voraussetzungen abgeleiteten statistischen Kennzahlen sind zusätzlich in den Tab. 2.20 und 2.21 aufgeführt.

2.1.7 Netzentwicklungsstrategie Neben dem Management des Bestandsnetzes gehört es zu einer der Hauptaufgaben des Asset Managers, die zukünftige Entwicklung des Netzes mit allen Eventualitäten abzuschätzen und darauf aufbauend, eine Strategie zu definieren, wie sich das Netz künftig entwickeln wird. Hierzu sind einerseits Prognosen in den verschiedensten Bereichen der Anforderungen an das Netz erforderlich, andererseits sind technische Prämissen direkt

110

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Tab. 2.20  Statistische Angaben zur Lebensdauer von elektrischen Betriebsmitteln [56, bzw. leicht abgewandelt] Betriebsmittel

Mittelwert/Jahre

Bereich/Jahre

Standardabweichung/Jahre

Kompakt

42,5

40–45

1,5

Gebäudestation

45

40–50

3

Maststation

45

40–50

3

Primärtechnik

45

40–50

3

Sekundärtechnik

27,5

25–30

1,5

MS-Kabelnetz

70

65–75

4

MS-Freileitungsnetz

45

40–50

3

NS-Kabelnetz

70

65–75

4

NS-Freileitungsnetz

45

40–50

3

Netzstation

MS-Schaltfeld

Tab. 2.21  Statistische Angaben zur Lebensdauer Gasverteilungsnetzen, Werkstoff und Rohrumhüllung [35] Betriebsmittel

Mittelwert/Jahre

Bereich/Jahre

Standardabweichung/Jahre

Grauguss DN ≤ 150

70

50–90

12

Grauguss DN > 150

75

50–100

15

Stahl/Jute/Asphalt

70

50–90

12

Stahl/Teer/Wollfilzpappe

70

50–90

12

Stahl/Bitumen/Gewebe

75

50–100

15

Stahl/PE

80

50–110

15,5

Stahl/PE/FZM PE

100

80–120

10

75

50–100

15

Tab. 2.22  Statistische Angaben zur Lebensdauer Wasserrohrnetzen [36] Betriebsmittel Grauguss

Mittelwert/Jahre

Bereich/Jahre

Standardabweichung/Jahre

70

40–100

18

120

100–140

12

Stahl

80

60–100

12

PE

60

40–80

12

GGG/PE/FZM

2.1 Strategieentwicklung

111

vorzugeben, mit denen die historisch gewachsenen Strukturen im Sinne einer Zielnetzentwicklung harmonisiert und optimiert werden können.

2.1.7.1 Allgemeines Von besonderer Bedeutung bei der Ableitung einer langfristigen Strategie ist einerseits, dass es sich bei Netzinfrastrukturen um Systeme komplexer und extrem langlebiger Betriebsmittel handelt und daher eine kurzfristige bzw. dynamische Veränderung ohne regulierende Steuerung in der Regel keine langfristig optimalen Zustände entstehen lässt. So wachsen aufgrund externer Einflüsse und Anforderungen die Netzstrukturen in einer historischen Entwicklung und die Aufgabe der Netzentwicklungsstrategie besteht im Wesentlichen darin, mit den festgelegten Prämissen und Prognosen die langfristigen Bedingungen für die Infrastruktur zu bestimmen und auf dieser Basis jedes Bauprojekt und jede Entwicklung auf diese Entwicklung hin auszurichten, um Fehlinvestitionen zu vermeiden und dennoch eine sichere Infrastrukturbasis gemäß den Anforderungen von Kunden und Aufsichtsbehörden bereitzustellen. Diese Aufgabe ist umso schwieriger, je volatiler sich die jeweiligen Prognosefelder gestalten. So war es in den sogenannten Wirtschaftswunderjahren des zwanzigsten Jahrhunderts extrem schwierig, die Lastentwicklung und die Industrie- und Gewerbeansiedlung in einem definieren Gebiet über ein Jahr vorherzusehen und entsprechend zeitnah ein Infrastruktursystem bereit zu stellen. Heute ist durch die Energiewende in Deutschland eine ähnliche Situation entstanden, bei dem eine Entwicklung der dezentralen Einspeisung und die resultierenden Anforderungen an die Infrastruktur kaum sicher prognostizierbar sind. Dieser Umstand führt zu einem höheren Beobachtungs- und Anpassungsaufwand, was die Rahmenbedingungen von Zielnetzen angeht, solange kein eingeschwungener oder gar stabiler Zustand entstanden ist. Dennoch verbleibt die Notwendigkeit einer vorausschauenden Zielbetrachtung, da die Projektlaufzeiten und die Asset-Lebensdauern keine kurzfristigen Reaktionen ermöglichen. 2.1.7.2 Prognosefelder Um zukünftige Anforderungen an Infrastrukturen zu definieren sind in vielen Bereichen Prognosen erforderlich. Diese Bereiche sind teilweise miteinander verzahnt und in der Regel von externen Einflussfaktoren abhängig, wie der öffentlichen Meinung, Technolgie-Entwicklungen, politischen Entscheidungen bis zum Zusammenspiel von mehreren Infrastrukturen, wie z. B. Autobahnbau in Verbindung mit Industriewachstum und daraus resultierenden Energiebedürfnissen. Die Anwendung der Prognosefelder ist dabei geprägt von eher kurzfristiger Aussagekraft im Bereich von 2 bis 5 Jahren in Einzelfällen bis zu 10 Jahren. Die Prognosefelder sind damit neben weiteren in den folgenden Abschnitten beschriebenen Einflussfaktoren ein Teilkriterium für die Netzentwicklungsstrategie. Maßgebliche Prognosethemen z. B. für Energienetze sind: • Allgemeine Lastentwicklung Haushaltskunden, • allgemeine Konjunkturentwicklung,

112

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

• Entwicklung dezentrale Erzeugung/Einspeisung, • Auswirkung politischer Entscheidung (z. B. Eigenheimzulage, Energieeinsparverordnung, Kernenergie- und Kohleausstieg), • technologische Entwicklung (z.  B. Elektromobilität, Wärmepumpen), Energiespeicher, • Entwicklung paralleler Infrastrukturen. Diese Prognosefelder sind in ihren Auswirkungen generell über gesamte Infrastrukturgebiete (z. B. ein Bundesland) zu betrachten, um grundsätzliche Prämissen zu erhalten. Dann aber sind sie gebietsmäßig zu verfeinern, da die Entwicklung in unterschiedlichen Gebieten deutlich differieren kann. So kann sich z. B. die Netzentwicklung in einem 110-kV-Netzgebiet mit ausgeprägt langen Sonnenscheindauern oder große „Windhöffigkeit“ deutlich unterscheiden von einem anderen Gebiet, in dem gerade ein Ausbau der Autobahn und damit die Entwicklung von Industriegebieten stattfindet. Je nach Art des Infrastruktursystems ändern bzw. mehren sich natürlich auch die Prognosefelder in Teilen. So ist beispielsweise bei einer Telekommunikations-Infrastruktur die Entwicklung der Wettbewerbssysteme durch bspw. Mobilfunktelefonie oder bei Gasnetzen durch alternative Wärmeerzeuger zu betrachten. Das Grundprinzip der Entwicklungsprognose durch den Anlagenmanager bleibt aber bei jedem System erhalten.

2.1.7.3 Planungsprämissen Für eine nachvollziehbare Umsetzung der Netzentwicklung ist das Vorhandensein von Planungsprämissen erforderlich. Auf deren Grundlage kann der einzelne Netzentwickler/Planer in einem Infrastruktursystem die entsprechenden Umfänge einer Entwicklungsmaßnahme ermitteln. Eine der bekanntesten Planungsprämissen im elektrischen Netz ist beispielsweise das „(n-1) Kriterium“, welches besagt, dass bei Ausfall eines wichtigen Betriebsmittels im Stromnetz die Aufgabe von anderen Betriebsmitteln übernommen werden soll, sodass durch diesen Ausfall die Versorgung der Kunden nicht beeinträchtigt wird. So heißt es z. B. in [57] „Mit der Einhaltung des (n-1)Kriteriums wird eine ausreichende Versorgungszuverlässigkeit (Versorgungskontinuität) für alle Anschlussnehmer/Anschlussnutzer sowie die sichere Durchführung von Übertragungen und die Bereitstellung von Systemdienstleistungen ermöglicht. Mit dem (n-1)Kriterium werden sämtliche netztechnischen Fragestellungen behandelt, insbesondere zu erbringende Systemdienstleistungen (z. B. Spannungshaltung inklusive Blindleistungsbereitstellung), Betriebsmittelauslastungen, das Schutzkonzept und bei Bedarf Stabilitätsfragen“. Diese Planungsprämissen sind je nach Infrastruktursystem durchaus sehr unterschiedlich, beinhalten aber immer die grundsätzlichen Themen: • Qualitätsaspekte, Sicherheit, • Belastungsfähigkeit/Auslegung,

2.1 Strategieentwicklung

113

• Festlegung von Strukturparametern • Einhaltung von Normen, anerkannten Regeln und Gesetzen, • Wirtschaftlichkeit. Diese Themenkomplexe stehen teilweise in Konkurrenz zueinander und können durchaus zu widersprüchlichen Prämissen führen. Eine Erhöhung der Qualität ohne Zwang bzw. Zusatznutzen wird immer mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit in Konflikt geraten. Umso wichtiger ist daher ein festgelegtes Regelwerk, in dem die Planungsprämissen definiert sind und auch der Eskalationsmechanismus für Sonderfälle beschrieben ist. Im Folgenden sollen die Themen etwas genauer beleuchtet werden. Qualitätsaspekte, Sicherheit Qualitätsaspekte sind durch Qualitätskennzahlen bzw. „Key Performance Indicators“ (KPI) definiert (siehe Abschn. 3.3 bzw. 3.3.3). Hierbei wird einerseits beschrieben, wie gut das System in der Lage ist, seinen Aufgaben im Normalbetrieb gerecht zu werden. Andererseits werden aber auch die Auswirkungen von Störungen in ihrer Gesamtheit betrachtet und die Auswirkung der festgelegten Planungsprämissen auf diese KPI abgeschätzt. Es muss unterschieden werden, zwischen absoluten Grenzwerten, die generell nicht überschritten werden dürfen, und solchen, die über ein bestimmtes Zeitintervall integriert nicht verletzt werden dürfen. Absolute Grenzwerte sind im Rahmen von Planungsprämissen eher selten und nur vor dem Hintergrund von sicherheitsrelevanten Sachverhalten (Abwendung von Gefahr für Personen und Sachwerten) bei der technischen Auslegung von Betriebsmitteln von Bedeutung. Da absolute Grenzwerte bei allen Eventualitäten des Normalbetriebes eingehalten werden müssen, erfordert eine Berücksichtigung bei Planungsprämissen dann einen entsprechenden Sicherheitsabstand bei der Auslegung und lässt dem Netzplaner kaum bzw. keinen Ermessensspielraum. Ein Beispiel für einen absoluten Grenzwert im Stromversorgungsnetz ist die Höhe des Kurzschlussstroms. Betriebsmittel haben eine definierte und geprüfte Kurzschlussfestigkeit. Kommt es nun beispielsweise im vermaschten Netz durch die Planung einer neuen Verbindung zur Erhöhung des Vermaschungsgrades, so wird in bestimmten Knotenpunkten auch der Kurzschlussstrom ansteigen und es muss sichergestellt sein, dass die Kurzschlussfestigkeit der dort vorhandenen Betriebsmittel zu keinem „normalen“ Betriebszeitpunkt überschritten wird. Die meisten Grenzen sind jedoch integrierenden Charakters mit einer entsprechenden Unschärfe und lassen so einen entsprechenden Auslegungs- und Interpretationsspielraum für den Planer. So werden z. B. Straßensysteme nicht für die beiden Hauptreisetage zu Ferienbeginn und zu Ferienende ausgelegt und Telekommunikationssysteme bzw. Datenbandbreite nicht für die Stunde nach dem Jahreswechsel, in der jeder jedem telefonisch oder per „social media“ ein gutes neues Jahr wünschen möchte. Hier nimmt man entsprechend zeitliche Überlastungen, also Staus oder temporär fehlende Konnektivität in Kauf. So lässt jedes Infrastruktursystem bei den Qualitätsaspekten eine gewisse Atmung

114

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

zu. Betreiber von Infrastruktursystemen müssen ein Qualitätsniveau definieren, das vom Anlagenmanagement erreicht werden soll. Dieses Niveau wird mit den Planungsprämissen langfristig in den entwickelten Gebieten eingestellt werden. Eine kurzfristige Verschlechterung der Qualität aus Wirtschaftlichkeitsgründen, die dann bei später besserer Wirtschaftslage wieder erhöht wird, ist über die Planungsprämissen durch ihre langfristige Wirkung also nicht gegeben. Dennoch ist natürlich das Qualitätsniveau eine der größten Faktoren bezüglich der wirtschaftlichen Auswirkungen in der Netzentwicklung. Je nachdem, mit welchem Risiko man sich an die unteren Grenzen von Qualitätstoleranzbänder legt bzw. auch mal den Ausfall von Aufgaben des Systems zulässt, ergeben sich andere Bauformen bzw. ausgedünnte Systeme, die in ihrer Errichtung und Unterhaltung wesentlich weniger Kosten verursachen als mögliche „Hochverfügbarkeitssysteme“. Ein bekannter Maßstab für die Qualitätsaspekte in Stromversorgungsnetzen über verschiedene Spannungsebenen ist die sogenannte „Zollenkopf-Kurve“ (Cigre 1968, [61], Abb. 2.41), die Gebiete definiert, in denen Netzausfälle aufgrund ihrer massiven Auswirkungen mit entsprechender Priorität vermieden werden sollten. Die Kurve Cigre 1968 gibt somit die zumutbare Unterbrechungsdauer in Abhängigkeit der unterbrochenen Wirkleistung an. Die Cigre 1968-Gerade für die zumutbare Unterbrechungsdauer wird hierbei durch die beiden Eckpunkte: 24 h bei 10 kW und 1 min. bei 100 MW definiert und zwischen diesen Werten linear verbunden (doppelt logarithmischer Maßstab). Nach Abb. 2.41 können die Leistungsbereiche wie folgt gedeutet werden: • • • • •

1000–100 MW: Ausfall einer 110-kV-Netzgruppe 100–10 MW: Ausfall eines 110-kV-Umspannwerks 10–1 MW: Ausfall eines MS-Kabel 1–0,1 MW: Ausfall einer Netzstation 0,1–0,01 MW: Ausfall eines NS-Netzkabels

Die oben angegebene Grenzkurve (Cigre 1968) hat allerdings den Nachteil, dass die Häufigkeit der Versorgungsunterbrechung nicht eingeht. Aus diesem Grunde wurden in [7] zusätzliche Angaben unter Berücksichtigung der Unterbrechungshäufigkeit pro Jahr angegeben, die ebenfalls in Abb. 2.41 enthalten sind. Dieses bedeutet, dass der Anwender bereit ist, eine längere Unterbrechungsdauer bei einer vorgegebenen Wirkleistung zu akzeptieren, wenn die Störungshäufigkeit pro Jahr geringer ist. Belastungsfähigkeit/Auslegung Die Belastungsfähigkeit/Auslegung von Infrastruktursystemen bedeutet eine Entscheidung, wie viele Betriebsmittel in den Systemen eingesetzt werden sollen, um die definierte Aufgabe zu erfüllen. Auch hier ist wieder zu beschreiben, für welchen Normalbetriebszweck das System auszulegen ist. Bei Energieversorgungs- und auch Wassernetzen ist hierbei davon auszugehen, dass immer alle Kunden ausreichend mit Energie

2.1 Strategieentwicklung

115

Unterbrechungsdauer T/h

100 Cigre 1968 0.1 1/a 0.01 1/a 0.001 1/a

10

1

0.1

0.01

0.001 0.01

0.1

1

10

100

1000

Wirkleistung P/MW

Abb. 2.41   Zumutbare Unterbrechungsdauer in Abhängigkeit der unterbrochenen Wirkleistung P in MW [17, 61]

bzw. Wasser versorgt werden können. Dementsprechend werden Festlegungen für Entnahmen durch den Kunden getroffen werden müssen, die auf Erfahrungswerten oder Messungen beruhen und die kontinuierlich angepasst werden müssen. Insbesondere in den Stromversorgungsnetzen wird die Auslegung aufgrund der sich verändernden Anforderungen durch verteilte Erzeugung, mehr dezentrale Verbraucher und die Weiterentwicklung von „Smart Grid“ (Abschn. 1.2 und 2.1.7.5) genau beobachtet werden müssen, hier wird aber noch deutlich mehr Erfahrung benötigt. Bisher wurden in Stromversorgungsnetzen die Lastannahmen in den verschiedenen Bereichen wie folgt abgeschätzt: • Ermittlung der Jahreshöchstlast von Mittelspannungs-Abgängen (PmaxABG) in Umspannwerken Die Maximallasten PmaxABG von Abgängen können ermittelt werden durch: 1. Auswertung archivierter Daten des Netzleitsystems Im Messzeitraum wird der Tag der gemessenen Höchstlast als Referenztag festgelegt. Nur wenn der Messzeitraum ein Jahr beträgt, ist die gemessene Höchstlast gleich der Jahreshöchstlast. 2. Auswertung von Leistungsflussmessungen Die bei der Leistungsflussmessung ermittelte Höchstlast ist nicht die Jahreshöchstlast, sondern bezieht sich auf den Messzeitraum (z. B. eine Woche). Hierbei ist die Jahreshöchstlast PmaxABG eines Abgangs nach der folgenden Gl. 2.5) aus der

116

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

während der Leistungsflussmessung (LFM) aufgetretenen Höchstlast PLFMABG zu ermitteln:

Pmax ABG = PLFMABgG ·

Pmax TR PLFMTR

(2.5)

mit PmaxTR  J ahreshöchstlast des speisenden HS/MS-Transformators PLFMTR  Höchstlast des speisenden HS/MS-Transformators innerhalb des Messzeitraums der Leistungsflussmessung Die Jahreshöchstlast eines HS/MS-Transformators ist wegen der Ungleichzeitigkeit der Abgangshöchstlasten kleiner als die Summe der Jahreshöchstlasten der Abgänge, sodass allgemein gilt:

Pmax TR
36 kV bis < 220 kV

Netzebene 4

Umspannung

Netzebene 5

regionale Verteilungsnetze 1 kV bis 36 kV

Netzebene 6

Umspannung

Netzebene 7

lokale Verteilungsnetze < 1 kV

X MW z.B. Offshore (Wind)

50 – 100 MW

0,2 – 0,5 MW

Abb. 2.46   Gegenüberstellung der historischen und aktuellen Aufgaben des elektrischen Infrastruktursystems in Deutschland

Abb. 2.46 stellt die ursprüngliche Planungsauslegung den hieraus entstehenden Herausforderungen im Verteilungsnetz gegenüber. Wird vor diesem Hintergrund nur der erforderliche Kapazitätszubau betrachtet, dann wird deutlich, dass das Niederspannungsnetz in den betroffenen Netzen mit acht- bis zehnfacher Kapazität ausgebaut werden müsste, das Mittelspannungsnetz immerhin noch mit drei- bis fünffacher Kapazität. Im 110-kV-Netz sind ebenfalls erhebliche Kapazitätszubauten erforderlich, da die Energie in den Spitzenerzeugungszeiten über dieses Netz aus der Erzeugungsregion herausgebracht werden muss. Die deutsche Energieagentur hat 2012 in einer Verteilungsnetzstudie den entsprechend erforderlichen Netzausbau in Deutschland hochgerechnet. Werden keine Smart-Grid-Mechanismen eingesetzt, bleibt die Netzplanung in ihrer Struktur erhalten und das Netz wird statisch auf den Maximalbelastungsfall auszulegen sein mit entsprechend hohen Investitionskosten. Da dieser Maximalbelastungsfall zeitlich nur in sehr wenigen Stunden im Jahr vorkommt, stellt sich diese Vorgehensweise als sehr teuer und auch unwirtschaftlich dar. Um hier eine bessere Alternative für die Planung und den Netzausbau zu finden, werden Änderungen des gesetzlichen und regulatorischen Rahmens diskutiert, die einen Schwerpunkt auf Flexibilitätsoptionen bei Last und Erzeugung legen und damit die Möglichkeit und auch die Notwendigkeit eines Smart Grid Ausbaus für Netzbetreiber erhöhen. Unter Flexibilitätsoptionen sind zwei Hauptgruppen zu unterscheiden:

2.1 Strategieentwicklung

127

• Lastmanagement – steuerbare Lasten Zu dieser Gruppe gehören alle Möglichkeiten, die aus dem Netz zu versorgende Last in dem betrachteten Netzgebiet zu steuern, sowohl in positiver wie in negativer Richtung. Hierzu gehören gesteuerte Lastverschiebungen bei Industriekunden, energiegeführtes Temperaturmanagement bei Kühlhäusern, Speicherheizungssteuerung bei Haushaltskunden (Power-to-Heat) aber auch z. B. Ladevorgänge von Speicherbatterien oder Speicherkraftwerken. • Einspeisemanagement – regelbare dezentrale Erzeuger Hierzu sind alle Steuerungsvorgänge zu verstehen, die auf Energieerzeugungsprozesse im betrachteten Netzgebiet wirken. Bei volatiler Erzeugung wie Photovoltaik und Windkraft handelt es sich um reine ggf. stufenweise Reduzierung der Erzeugung, bei anderen Einheiten kann es auch eine gewollte Erhöhung bzw. Stabilisierung der Erzeugung sein. Beispiele hierfür sind KWK-Anlagen, Biogaskraftwerke mit Gasspeicher aber auch Ausspeisvorgänge aus Speicherbatterien und Speicherkraftwerken. Diese sind auf Mittel- und Niederspannungsebene nur dann einsetzbar, wenn eine stabile Kommunikationsinfrastruktur Informationen zur Netzauslastung bereitstellt, um die Eingriffsnotwendigkeit zu erkennen und auch zu dokumentieren. Ebenfalls müssen hierdurch Steuerungssignale für die Flexibilitätsoptionen zur Verfügung gestellt werden, um diese entsprechend der Netzerfordernisse einzusetzen. Die hierzu erforderlichen energiewirtschaftlichen Prozesse wie z. B. Bilanzkreismanagement oder Abrechnungsvorgänge sollen an dieser Stelle nicht näher behandelt werden, da hier die technischen Auswirkungen im Vordergrund stehen. Abb. 2.47 veranschaulicht schematisch ein betrachtetes Netzgebiet die Einflussgrößen und die Flexibilitätsoptionen sowie die von der Planung zu beachtenden Kapazitätsgrenzen. Im beschriebenen zu erwartenden Systemwandel mit der Verbreitung aktiver und ungesteuerter Komponenten einerseits und dem Einsatz von Flexibilitätsoptionen andererseits, ist eine klassische statische Berechnungsmethode nicht mehr ausreichend. Es muss ein Übergang zu einer dynamischen Planung erfolgen, die die aktiven Komponenten und die Steuerungsoptionen mit einbezieht und so eine Netzplanungsoptimierung ermöglicht. Im Idealfall wären alle Einflussgrößen und ihr Verhalten bei sich ändernden Randbedingungen bekannt. D. h., der Netzplaner hat alle Leistungswerte von angeschlossenen Verbrauchern und Erzeugern zur Verfügung und er kennt den Jahresverlauf von Wind und Sonneneinstrahlung im zu betrachtenden Netzgebiet. Diese Werte werden zukünftig bei einer technischen Entwicklung eines Smart Grid verbunden mit dem Einsatz von „Smart Metern“ durch die installierten Sensoren im Netz zur Verfügung stehen. Ergänzend wird es eine verbesserte Prognose von Wetterbedingungen zur Einschätzung der EEG-Erzeugungseinheiten geben. Als weiterer Bestandteil einer zukünftigen Netzplanung wird die Wahrscheinlichkeit eine große Rolle spielen, da es keine exakten Vorhersagen für das Verhalten von ungesteuerten Lasten und Erzeugungseinheiten geben wird. Der Einsatz der Wahrscheinlichkeit in der Netzplanung wird schon

128

2  Aufgaben des Anlagenmanagements überlagerte Netzebene Leitungsquerschnitt Eres

Abgang 1

Abgang 2

1 Pdez1

~

~

Transformator

Abgang 3 Pdez3

2

~ ~

~

Pdez2g

Pdez3g

~

~

PLast1

3 betrachtetes Zielnetzgebiet

~

~

PLast3 PLast2g

PLast3g

Abb. 2.47   Einflussgrößen und Flexibilitätsoptionen in einem Planungsgebiet

PLastn(g) Leistung der n-ten Last (ungeregelt/geregelt) Pdezn(g) dezentrale Erzeugung der n-ten Einspeisung (ungeregelt/geregelt) Pres residuale Leistung seit einigen Jahren in der universitären Forschung untersucht, z. B. in [54] und findet immer stärkere Beachtung auch in der betrieblichen Nutzung bei Netzbetreibern aufgrund der sich wandelnden Rahmenbedingungen [53]. Für den Einsatz in der Planung müssen die erforderlichen Werte für den Gleichzeitigkeitsgrad der verschiedenen unbeeinflussbaren Faktoren über Betriebserfahrung und Datenaufnahme in großem Umfang (Stichwort „Big Data“) immer wieder neu verifiziert werden. Die mit diesen Eingangsgrößen durchführbare dynamische Planungsrechnung stellt dann eine Simulation des zukünftigen Netzbetriebes unter Berücksichtigung der probabilistischen, ungesteuerten Komponenten dar, unter Einsatz der zu erwartenden Flexibilitätsoptionen, also steuerbarer Lasten und Erzeugungseinheiten. Systeme, die in der Lage sind, eine vollständige Simulation über 8760 h eines repräsentativen Kalenderjahres durchzuführen, werden im Übertragungsnetz zwar bereits eingesetzt, sind aber derzeit für die Mittel- und Niederspannungsnetze noch nicht verfügbar. Diese werden mit der realen Umsetzung von Smart-Grid-Technologie zu entwickeln sein. Um dennoch die grundsätzliche Zielnetzplanung nach neuem Muster umsetzen zu können, werden in

2.1 Strategieentwicklung

129

der Praxis in erster Näherung sogenannte zeitreihenbasierte Planungsrechnungen durchgeführt. In der klassischen Planung genügten mit Lastfluss- und Ausfallrechnung (n-1) im Starklastfall, sowie Kurzschlussstromberechnung mit maximaler und minimaler Generatoreinspeisung vier Grundberechnungen, um den zukünftigen Netzumfang zu bestimmen. Exakt diese vier Grundberechnungen werden nun bei der zeitreihenbasierten Planung für sehr viele verschiedene Lastfälle zu verschiedenen Zeitpunkten mit definierten Erwartungswerten ausgeführt. Welche Anzahl von Lastfällen hier im ersten Schritt ausreichend ist, hängt auch von der Komplexität des Netzes und der zu erwartenden Entwicklung der aktiven Komponenten abhängig. Dies muss vom verantwortlichen Netzbetreiber eingeschätzt und festgelegt werden. Damit die Berechnung für den zukünftigen Betrieb ihre Gültigkeit hat, müssen jedoch zu erwartenden Extremfälle von Last und Erzeugung in den Zeitreihen repräsentiert sein. Zum Aufstellen der Zeitreihen unter Berücksichtigung der Flexibilitätsoptionen sind die Abgänge nach Abb. 2.45 als Grundlage verschiedener Netztypen zu verstehen. Ziel ist immer, den Querschnitt und damit die Übertragungskapazität der einzelnen Abgänge nicht zu überlasten. Auch in Summe der Abgänge darf in keinem Lastfall der Grenzwert des Transformators oder die Übertragungsleistung der Leitung des vorgelagerten Netzes überschritten werden. Überschreitungen der Kapazitätsgrenzen von Betriebsmitteln sind zwar im gewissen Umfang technisch möglich, führen aber zu höherem Verschleiß und Lebensdauerverbrauch. Daher sind diese planerisch nicht konzeptgemäß und im Sinne eines nachhaltigen Asset Management in der Regel zu vermeiden. • Abgang 1 stellt das ungesteuerte Netz ohne Smart Grid Optionen dar. Grundlage der Planung sind die zu erwartenden Last- und Einspeiseentwicklungen, deren Gleichzeitigkeit ist durch repräsentative Wetterdaten für die Erzeugung und durch historische Lastdaten zu definieren. Ein Beispiel für einen Extremlastfall ist ein Feiertag mit wenig Last, hohem Windaufkommen und starker Sonneneinstrahlung. Da keine steuerbaren Flexibilitätsoptionen vorhanden sind, muss das Netz auf die dann zu erwartenden maximale Einspeisung ausgelegt werden. • Abgang 2 ist ein Beispiel für ein sogenanntes Microgrid. Sowohl die Last als auch die Einspeisung ist vollständig steuerbar. Die Belastung des Leitungsquerschnitts lässt sich in einem derartigen Netz beliebig einstellen, die Netzauslegung kann damit unabhängig von den Rahmenbedingungen sehr gering erfolgen, da das Netz keine Lastübertragungseigenschaften im eigentlichen Sinn wahrnimmt, sondern nur intern Last und Erzeugung ins Gleichgewicht bringen muss. Dabei können sowohl Last als auch Erzeugung technisch gesehen auf den Wert „Null“ geregelt werden. • Abgang 3 stellt die Kombination der beiden anderen Abgänge dar. Hier sind verschiedene Lastsituationen zu berücksichtigen, um eine sinnvolle Netzauslegung zu erreichen. Die eigentliche minimale Auslegung wird durch die ungesteuerten Lasten bestimmt und muss allen Lastfällen genügen. Diese Auslegung ist reduzierbar in dem Maße, wie eine steuerbare, aktivierbare Erzeugung vorhanden ist, die die betroffene ungesteuerte Last ebenfalls decken kann. Hierbei ist in der probabilistischen

130

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Bewertung vor allem die unterschiedliche Verfügbarkeit von Netz und Erzeugungseinheiten zu berücksichtigen. In ähnlicher Kombination ist die ungesteuerte Erzeugung im Zusammenspiel mit der steuerbaren Last zu betrachten. Gemeinsam mit der steuerbaren, deaktivierbaren Erzeugung bestimmen diese Größen die Auslegung im Rückspeisefall. Für diesen Kombinationsfall sind alle Eventualitäten über Zeitreihen für das spezielle zu betrachtende Netzgebiet zu erstellen. Durch eine frühzeitige Ausrichtung der Netzplanung auf die beschriebenen Flexibilitätsoptionen und Steuerungsmöglichkeiten, besteht die Möglichkeit für den Asset Manager, sich auf zukünftig veränderte aktive Netzkomponenten in den unteren Spannungsebenen einzustellen. Eine maximale Auslegung der Netze für alle Erzeugungseinheiten, die nur wenige Stunden im Jahr erforderlich wäre und bei entsprechender Weiterentwicklung der Steuerung und Netzautomatisierung zu „stranded Investments“ führen, kann hierdurch vermieden werden. Weitere aktive Komponenten, wie z. B. Elektromobilität, Power-toGas usw., können zukünftig in dieser Planungssystematik durch einfaches Modellieren von definierten Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt werden.

2.1.8 Erneuerungsstrategie Bei der Umsetzung einer Erneuerungsstrategie sind verschiedene Arbeitsschritte zu beachten, die sowohl auf der technischen, wirtschaftlichen und strategischen Ebene liegen. Somit sind unterschiedliche Bereiche eines Unternehmens an der Entscheidungsfindung innerhalb dieser Strategie beteiligt.

2.1.8.1 Allgemeines Infrastruktursysteme unterliegen in der Regel Investitionszyklen, die durch unterschiedlichste Faktoren bestimmt sein können: So ist beispielsweise die historische Entwicklung von geografischen Gebieten aber auch die Entwicklung von neuen Technologien als Beispiel für Investitionsschübe und damit Investitionszyklen zu nennen. Unter der Bedingung, dass durch diese Investitionszyklen immer der Zeitraum kommt, in dem ein größerer Anteil der vorhandenen Betriebsmittel an das Ende der technischen Nutzungsdauer gelangt, spielt die Frage in Bezug auf den Ersatz der Betriebsmittel und des Zeitpunkts eine wesentliche Rolle hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Netzes, bei einem gleichzeitigen Anstieg der Kosten für den Betrieb und die Instandhaltung. Dieses stellt somit eine kritische Situation für das Versorgungsunternehmen dar, sodass es sinnvoll ist, Methoden und Strategien zu entwickeln, wie der Ersatz der auszutauschenden Betriebsmittel bei gleichzeitiger Einhaltung des geforderten Zuverlässigkeitsniveaus gewährleistet werden kann. Hierbei wird die Zuverlässigkeit des Netzes in zweifacher Weise nach Abb. 2.48 beeinflusst. Zum einen führt ein verspäteter Ersatz der Betriebsmittel zu erhöhten Ausfällen als Folge einer größeren Fehlerrate, welches wiederum zu längeren Reparaturzeiten führt (äußerer Ring). Im Gegensatz hierzu führt ein schnellerer

131

2.1 Strategieentwicklung

führt zu

weiteren Fehlern

Versorgungsunterbrechung

führt zu

verspäteter Austausch Versuch den Zustand wiederherzustellen

führt zu

durch

vermehrten Ausfällen

weiterem Ersatz

kontinuierliche Reduktion der Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit weiteren

führt zu

führt zu

führt zu

Doppelfehlern

geringerer längeren Verfügbarkeit Reparaturzeiten einer Periode führt zu hoher Unwährend zuverlässigkeit führt zu führt zu

geringerere geplante Wartungen

geringerer Verfügbarkeit

Abb. 2.48   Veränderung der Netzzuverlässigkeit als Folge des Ersatzes von Betriebsmitteln [22]

­ ustausch der Betriebsmittel zu einer Absenkung des Zuverlässigkeitsniveaus, da das A Netz aufgrund des Ersatzes sich in einem „geschwächten“ Zustand befindet [22]. Es besteht somit die Aufgabe, über einen vorgegebenen Zeitbereich die Investitionen für neue Betriebsmittel zu optimieren, um Belastungsspitzen hinsichtlich der Personalund Finanzressourcen im mittel- und langfristigen Zeitbereich zu vermeiden. Im Gegensatz zur Darstellung nach Abschn. 3.4 „Asset Simulation“ wird im folgendem ausschließlich der Ersatz der Betriebsmittel betrachtet, während dort die Berechnung der gesamten finanziellen Aufwendungen (CAPEX und OPEX) einer Betriebsmittelgruppe erfolgt.

2.1.8.2 Kriterien für eine Erneuerung Nach einer Umfrage bei verschiedenen Energieversorgungsunternehmen wurde ermittelt, welche Gründe für den Austausch von elektrischen Betriebsmitteln maßgebend sind [41]. In der Reihenfolge der Wichtigkeit ergeben sich hierbei beispielshaft die folgenden Nennungen: • Fehlende Unterstützung durch den Hersteller, • Know-how des Service-Personals, • mangelnde Funktionsfähigkeit, Verschleiß, • Umwelteinflüsse, • Sicherheit, • Reservehaltung,

132

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

• Überschreitung der Bemessungswerte, • Instandhaltungskosten,Zuverlässigkeit. Die oben aufgeführten Gründe sind natürlich grundsätzlich von der Art des Betriebsmittels und der betrieblichen Erfahrung abhängig, es zeigt sich jedoch, dass in diesem Fall der Zeitpunkt für die Erneuerung eines Gerätes nicht in erster Linie vom Alter abhängig ist. Stattdessen wird die Entscheidung hauptsächlich von Kriterien beeinflusst, die einen wirtschaftlichen Hintergrund haben. Die verschiedenen Kriterien können unterschiedlichen Klassen zugeordnet werden, hierzu gehören: • Technisch: – keine oder schlechte Funktionalität – ansteigende Fehlerrate – veraltete Technologie – Alterung und Verschleiß – Mangel an Ersatzteilen – Zuverlässigkeit – geringe Auslegung, Überschreitung der Bemessungswerte – … • Wirtschaftlich: – hohe Betriebskosten (Instandhaltung, Reservehaltung, Nichtverfügbarkeit, Verlustkosten) – Aufwendung für Abschreibung – Kosten für Monitoring und Diagnose – geringe Investitionskosten von neuen Betriebsmitteln – hohe finanzielle Aufwendung für Ersatzteile – Kosten für Umweltschäden – geringes Service-Know-how – … • Strategisch: – Personen- und Sachschäden – veraltete Technologie – Imageverlust des Unternehmens – geänderte Netzstrategie – regulatorische und gesetzliche Vorgaben – Abhängigkeit vom Betriebsmittelhersteller – Verfügbarkeit der finanziellen Ressourcen – langfristige Strategie des Unternehmens – …

2.1 Strategieentwicklung

133

Bei der Auflistung ist es möglich, dass identische Kriterien in verschiedenen Bereichen wirken, z. B. eine veraltete Technologie der eingesetzten Betriebsmittel, die einen hohen Instandhaltungsaufwand hervorruft, fehlendes Service-Know-how zur Folge hat, aber auch seitens des Unternehmens nicht mehr unterstützt wird, wenn z. B. in Folge eines Schadens hohe Umweltschäden auftreten, die zu einem Imageverlust führen können.

2.1.8.3 Entscheidungsebenen Hinsichtlich einer Entscheidungsfindung können nach [52] verschiedene Ebenen definiert werden, die sich durch unterschiedliche Eingangs- und Zielgrößen unterscheiden. Die Ebenen können wie folgt beschrieben werden: • Strategisch

• Technisch organisatorisch

• Betrieblich

Diese Einteilung entspricht somit auch den verschiedenen Arbeitsschritten, die allgemein für die Entwicklung einer gesamten Asset Strategie nach Abschn. 2.1 definiert werden. Die Inhalte der verschiedenen Ebenen lassen sich folgendermaßen definieren: • Strategisch:

In diesem Schritt erfolgt die globale Festlegung des Budgets für den Ersatz der Betriebsmittel unter den Randbedingungen, dass alle am Prozess beteiligten Gruppen die strategische, langfristige Entwicklung tragen. Grundsätzlich ist es ausreichend, in diesem Fall bei der Ermittlung der erforderlichen Aufwendungen für den Ersatz der Betriebsmittel von statistischen Funktionen auszugehen, die durch ihre Mittelwerte und Standardabweichungen ausreichend beschrieben werden und zu einem Indexwert für die gesamte Anlagensubstanz des betrachteten Infrastruktursystems führen. Darauf aufbauend wird mit der zugehörigen Altersstruktur und einem Wert für die Wiederbeschaffung des Gesamtsystems ein Gesamtbudgetwert ermittelt. Dieser kann strategisch noch mit Randbedingungen wie z. B. Qualitätsaspekten vor der endgültigen Festlegung verändert werden. Einsatz von langfristigen Asset Simulationen. Aufgabenbereich: Asset Owner

• Technisch organisatorisch:

In dieser Ebene erfolgt die Umsetzung der Erneuerungsstrategie unter Berücksichtigung der Vorgaben der strategischen Ebene (Budgetvorgaben hinsichtlich der globalen Erneuerung und Netzentwicklung). Hier werden die Einzelstrategien entwickelt und mit den Informationen der betrieblichen Ebene (technische Daten der Betriebsmittel, Altersstruktur, Alterungsverhalten, Zuverlässigkeitsbeitrag usw.) die einzelnen Infrastrukturgruppen bis auf einzelne Betriebsmittelebenen analysiert. Im Ergebnis wird die konkrete Erneuerungsstrategie festgelegt, indem Zeit und Ort des Austauschs von Betriebsmitteln festgelegt werden. Die Lösung der Fragestellung erfolgt mit Hilfe von Simulationsrechnungen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Aufgabenbereich: Asset Manager

134 • Betrieblich (Ausführung):

2  Aufgaben des Anlagenmanagements Auf der Basis der Einzelstrategien muss ggf. die Auswahl der Einzelmaßnahmen aus einem geeigneten Erneuerungskonglomerat getroffen werden. Der technische Zustand der Betriebsmittel bildet hierbei die wesentliche Eingangsgröße unter Berücksichtigung des Service-Know-hows des Personals vor Ort. Aber auch die Zugehörigkeit des Betriebsmittels zu einer größeren ggf. gemeinsam zu beurteilenden Einheit ist eine Eingangsgröße für die letzte Entscheidung über Notwendigkeit, Zeitpunkt und Umfang der Erneuerungsmaßnahme. Die Konsequenz ist, dass in diesem Arbeitsschritt die notwendigen Entscheidungen über die Ersatzmaßnahmen für das einzelne Betriebsmittel fallen, z. B. Austausch, Ersatz von Komponenten, Ereignisorientierung, Weiterbetrieb und mittelfristige Gesamterneuerung einer größeren Einheit. Einsatz von Risikoanalysen für einzelne Betriebsmittel. Aufgabenbereich: Asset Manager mit Asset Service

Eine zusammenfassende Darstellung der Entscheidungsebenen mit den Berechnungsmöglichkeiten zeigt Tab. 2.25. Im Folgenden wird ausschließlich die Vorgehensweise bei der Bearbeitung der technisch organisatorischen Ebene behandelt.

2.1.8.4 Modellbildung für die technisch organisatorische Ebene Für die Nachbildung von Betriebsmitteln bzw. Betriebsmittelgruppen zur Bearbeitung der strategischen Ebene können unterschiedliche Modelle verwendet werden. Hierbei besteht die Aufgabe darin, langfristige Investitionsentscheidungen festzulegen. Grundsätzlich gibt es folgende Modellnachbildungen, um diese Aufgabenstellung zu lösen: • Altersabhängigkeit, • statistisches Modell (Normalverteilung), • Nachbildung mithilfe der Überlebensfunktion. Die oben aufgeführten Modelle werden im Nachfolgenden kurz beschrieben und die unterschiedlichen Merkmale anhand eines Beispiels dargestellt [52]. Im Gegensatz zur bisherigen Evaluierung des Investitionsbudgets für den Ersatz von Betriebsmitteln aus dem Zustand der einzelnen Komponenten (Bottom-up), wird in diesem Fall die Festlegung der mittel- und langfristigen Budgets aus dem statistischen Verhalten der gesamtem Betriebsmittelgruppe (Top-down) abgeleitet. Zu beachten ist, dass hierbei die verschiedenen Betriebsmittelgruppen unabhängig voneinander betrachtet werden. Altersabhängige Grenzwerte Bei diesem Modell wird aufgrund der betrieblichen Erfahrung angenommen, dass ein Betriebsmitteltyp in einem Zeitraum zwischen zwei Jahren tmin und tmax im Allgemeinen ausgetauscht wird. Soll beispielhaft bestimmt werden, wie groß die Anzahl der

2.1 Strategieentwicklung

135

Tab. 2.25  Entscheidungsebenen (Zusammenfassung) Entscheidungsebene

Berechnung

Abschn.

Strategische Ebene

2.1.8.4 ff, 3.4

Technisch-organisatorische Ebene

3.1.3, 3.5

Betriebliche Ebene (Ausführung)

3.2.6

­ etriebsmittel ist, die in den nächsten fünf Jahren ersetzt werden sollen, so werden die B Geräte bestimmt, die sowohl während des Betrachtungszeitraums aufgrund der Altersverteilung in diesen Zeitbereich kommen, als ihn auch verlassen. Beispielhaft zeigt Abb. 2.49 die Altersverteilung einer Betriebsmittelgruppe von insgesamt 100 Geräten, entsprechend des Beispiels nach Abschn. 3.4.4.1. Für das Beispiel nach Abb. 2.49 ergeben sich als Folge der Altersstruktur die folgenden Werte, die einer Erneuerung in den nächsten fünf Jahren im Mittel unterworfen werden, wenn ein Zeitbereich für den Ersatz der Betriebsmittel von 36 bis 46 Jahren angenommen wird:

136

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

7 Anzahl 6 5 4 3 2 1 0

1

3

5

7

9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43 45 47 49 Alter

Abb. 2.49   Altersverteilung der Betriebsmittelgruppe

• nmin: = 6   (minimale Anzahl in 5 Jahren) • nmax: = 29 (maximale Anzahl in 5 Jahren) Hierbei bestimmt sich die minimale Anzahl nmin der zu ersetzenden Betriebsmittel aus den Geräten, die in den nächsten fünf Jahren das maximale Alter von 46 Jahren überschreiten. Im Gegensatz hierzu stellt die maximale Anzahl nmax die Betriebsmittel dar, die sowohl in der gewählten Zeitspanne liegen als auch in diesen Zeitbereich hineinkommen. Im Allgemeinen stellt diese Methode eine grobe Abschätzung dar und unter Umständen ist es angebracht, den Mittelwert der zwei Extremwerte für eine Beurteilung zu nehmen, der zu einer Ableitung des Investitionsbudgets führt. Statistisches Modell (Normalverteilung) Bei der Benutzung eines statistischen Modells zur Bestimmung der Anzahl der Betriebsmittel, die erneuert werden sollen, wird vorausgesetzt, dass eine Dichtefunktion der Austauschrate λ einer Betriebsmittelgruppe vorliegt. Grundlage natürlich ist, dass eine ausreichende Grundgesamtheit zur Verfügung steht, sodass eine Normalverteilung vorausgesetzt werden kann. Werden nach Tab. 2.19 in diesem Fall für die Erneuerungsrate der betrachteten Betriebsmittel (Leistungsschalter) ein Mittelwert µ = 42  Jahre bei einer Standardabweichung σ = 6 Jahre angenommen, so kann die Anzahl der Betriebsmittel bestimmt werden, die in jedem Jahr im Zeitbereich von fünf Jahren ausgetauscht werden sollten. Zusätzlich wird angenommen, dass sämtliche Betriebsmittel > 46 Jahre ausgetauscht werden sollen.

137

2.1 Strategieentwicklung

Im Allgemeinen gibt es drei verschiedene Funktionsgleichungen, mit denen statistische Verteilungen umschrieben werden können, dieses sind: • Dichtefunktion f(t) nach Abschn. 6.2.6 • Verteilungsfunktion F(t) nach Abschn. 6.2.7 • Fehler-, bzw. Austauschrate λ(t) nach Abschn. 6.2.8 Ausgehend von der Dichtefunktion f(t) lassen sich die beiden anderen Funktionen ableiten, sodass mithilfe der Angaben für den Mittelwert und die Standardabweichung die Berechnung der Elemente möglich ist, die in einem vorgegebenen Zeitbereich ersetzt werden sollten, wie dieses in Abschn. 3.4.5 dargestellt ist, wenn die Altersverteilung der Geräte vorliegt. Abb. 2.50 stellt die Austauschrate dar, die ausgehend von den oben angegebenen Vorgaben der Normalverteilung ermittelt wird, die auch Zahlenwerte für Zeitbereiche > 46 Jahre angibt. Die Ersatzrate gibt somit die Anzahl der Geräte an, die ausgetauscht werden, bezogen auf die noch vorhandenen. Die Multiplikation mit der Altersverteilung nach Abb. 2.49 gibt somit die jährliche Anzahl der Betriebsmittel wider, die ersetzt werden. Zusätzlich werden die Betriebsmittel berücksichtigt, die das maximale vorgegebene Lebensalter von 46 Jahren überschreiten. Aufgrund der stetigen Funktion der Normalverteilung werden auch anhand der Austauschrate λ(t) Betriebsmittel ersetzt, die geringer als 36 Jahre sind.

0.6

λ(t) 0.5

0.4 21 % der vorhanden Geräte werden ersetzt

0.3

0.2

betrachteter Zeitraum der Ersatzrate 0.1

0 1

5

9

13

17

21

25

29

33

37

41

45

Abb. 2.50   Austauschrate des Betriebsmittelkollektivs als Funktion des Alters

49

53 57 Alter

138

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Das Resultat der Simulation ist, dass insgesamt in den nächsten fünf Jahren 15 Betriebsmittel bezogen auf ursprünglich 100 ersetzt werden müssen. Dieses Ergebnis liegt somit in der Mitte der Überschlagsberechnung, die mithilfe der altersabhängigen Grenzwerte berechnet wird. Die Anzahl der jährlich ersetzten Betriebsmittel zeigt Tab. 2.26 (Werte nicht gerundet). Neben der Anwendung der Normalverteilung hat sich in letzter Zeit die Verwendung der Weibull-Verteilung (Abschn. 6.3.3) als sinnvoll erwiesen, da mithilfe dieser Verteilung verschiedene Lebensdauerbereiche eines Betriebsmittels durch die geeignete Auswahl der Faktoren abgebildet werden kann, z. B. der Verlauf der kompletten „Badewannenkurve“. Beispielhaft sind für den Bereich der elektrischen Energieversorgung statistische Angaben über die Lebensdauer von ausgewählten Betriebsmitteln in Tab. 2.26 aufgeführt, die für diese Anwendung verwendet werden können. Ausgehend von der genauen Altersverteilung des Betriebsmittelkollektivs wird bei der Anwendung des statistischen Modells das Verhalten der gesamten Betriebsmittelgruppe analysiert. Somit ist eine Zuordnung der ausgetauschten Betriebsmittel zu der aktuellen Verteilung grundsätzlich nicht möglich. Zuverlässigkeitsmodell Wenn aus der Praxis die Verteilungsfunktion F(t) bzw. die Ersatzrate λ(t) bekannt ist, das heißt, die Funktion der ausgefallenen Betriebsmittel liegt vor, kann diese Information direkt für die Berechnung der Austauschrate verwendet werden. Der Unterschied gegenüber der Nachbildung als statistisches Modell besteht darin, dass keine Normalverteilung vorliegen muss. Dieses bedeutet jedoch, dass aus der Historie das Ersatzalter der ausgewechselten Betriebsmittel bekannt ist und ein genügend großes Kollektiv vorliegt. Grundsätzlich ist es auch möglich, eine Verteilungsfunktion F(t) aus einer Zustands-, Altersverteilung nach Abschn. 3.4.4.1, Abb. 3.55, abzuleiten. In diesem Fall wird angenommen, dass die Betriebsmittel mit dem besten Zustand, bezogen auf das Alter, das maximale, vorgegebene Lebensalter erreichen werden. Wie in Abschn. 3.4.4.1 beschrieben, kann aus dieser Vorgabe ein künstliches Alter des Betriebsmittels unterstellt werden, sodass eine Verteilungsfunktion F(t) individuell für dieses Betriebsmittelkollektiv abgeleitet werden kann.

Tab. 2.26  Anzahl der jährlich ersetzten Betriebsmittel (statistisches Modell)

Jahr

Anzahl

1

6,6

2

2,4

3

1,7

4

1,9

5 Summe

2,0 14,6

2.1 Strategieentwicklung

139

2.1.8.5 Bewertung der Modelle Das Verfahren unter Verwendung des zuletzt beschriebenen Zuverlässigkeitsmodells liefert die besten Ergebnisse, jedoch wird hierbei vorausgesetzt, dass die Ersatzrate λ(t) in geeigneter Form unter Berücksichtigung des Alterungsverhaltens des Kollektivs vorliegt. Wenn dieses nicht gegeben ist, ist es sinnvoll, abgeleitet aus der eigenen Erfahrung oder geeigneten Literaturangaben, Tab. 2.19, Werte für den Mittelwert µ und der Standardabweichung σ des Ausfallverhaltens zu benutzen. Die Abschätzung auf der Basis altersabhängiger Grenzwerte stellt in jedem Fall einen oberen und unteren Grenzwert hinsichtlich der Anzahl der auszutauschenden Betriebsmittel dar, sodass diese Vorgehensweise nur als grobe Annäherung verwendet werden kann.

2.1.9 Kurzfrist- und Langfristbetrachtungen Ein grundlegendes Ergebnis einer Erneuerungsstrategie ist der mittlere jährliche Finanzmittelbedarf, das Erneuerungsbudget. Bei der Analyse zur Ermittlung dieses Wertes ist die Wahl des Betrachtungszeitraumes von großer Bedeutung. In der Regel wird bei einer Analyse über den Erneuerungsbedarf der kommenden 1–5 Jahre bei Infrastruktursystemen mit Lebensdauern zwischen 30 und 70 Jahren nicht von einer Strategie im eigentlichen Sinn gesprochen. Andererseits ist ein Betrachtungszeitraum größer 25 Jahre ebenfalls zu hinterfragen, da in diesen Zeiträumen die einem Investitionszyklus zugrunde liegenden Kriterien nicht vorhergesehen werden können, sodass getroffene Festlegungen in der Strategie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr umgesetzt werden. Darüber hinaus verfälscht der Einbezug von Betriebsmitteln, die strategisch erst später als 25 Jahre nach dem Analysezeitpunkt ausgetauscht werden sollen, die Erkenntnisse für die Maßnahmen in den früheren Erneuerungszeiträumen. Ein Betrachtungszeitraum zwischen 10 und 25 Jahren erscheint je nach Infrastruktursystem eine sinnvolle Größe darzustellen, wobei auch die zugrunde liegenden Investitionszyklen des Systems bei der Wahl des Betrachtungszeitraumes eine Bedeutung haben. Durch die Ermittlung des €-Bedarfs der jährlichen Erneuerung über Mittelwerte eines Betrachtungszeitraumes entsteht der Steuerungsspielraum in den ersten Jahren des Zeitraumes etwas mehr zu tun als notwendig, dafür aber eine Vergleichmäßigung des Aufwandes über den gesamten Zeitraum zu erreichen. Ein zu großer Betrachtungszeitraum führt zu deutlich überhöhten Anfangsaufwendungen, ein zu geringer Zeitraum lässt keinen Raum zur Steuerung, Abb. 2.51. Grundsätzlich sollte eine Erneuerungsstrategie entweder aufgrund technologischer oder politischer Veränderung getriggert oder aber nach kürzeren zeitlichen Abständen (5–7 Jahre) überprüft und ggf. angepasst werden. Das bedeutet, dass über einen neuen Analysezeitraum eine Betrachtung durchgeführt wird, um wiederum einen neuen jährlichen Budgetwert für Betriebsmittelerneuerungen festzulegen.

140

2  Aufgaben des Anlagenmanagements 1.2

1.0 jährlicher Bedarf 0.8

0.6 Mittelwert 25 Jahre

0.4

Mittelwert 10 Jahre

0.2

0.0

0

5

10

15

20

25

Jahre

30

Abb. 2.51   Ermittlung der Erneuerungsvolumina über dem Betrachtungszeitraum

2.1.10 Projektentwicklung und Beauftragung Asset Management ist nicht nur verantwortlich für die Strategien, vielmehr gehören auch die Identifikation von Tätigkeitsnotwendigkeit und Bauprojekten und die Beauftragung von Servicebereichen oder Dienstleitungsfirmen mit der Abarbeitung dieser Tätigkeiten und Projekte zum Kernaufgabenbereich. Hierbei stützt sich das Asset-Management auf Informationen, die aus Inspektion und Wartung entstehen und die in den Informationssystemen und Datenbanken gespeichert werden. Diese Systeme und Datenbanken werden in Kap. 5 eingehender beschrieben. Die Projektentwicklung und Beauftragung unterliegt einem definierten Prozessablauf der sich in die folgenden Teilschritte aufteilt: • Projektidentifikation Notwendige Leistungsinhalte und Einzelprojekte aus diversen Projektanlässen (Erneuerung, Erweiterung, Störungen, Veranlassung Dritter) identifizieren und im Gesamtkontext der Infrastruktur einordnen. • Variantenanalyse Mögliche Lösungsmöglichkeiten für die Aufgabenstellung definieren und in entsprechenden Varianten bewerten

2.1 Strategieentwicklung

141

• Lastenhefterstellung Die Varianten mit den besten Lösungsräumen identifizieren und als Konzept in einer zur Grobprojektierung und Kalkulation ausreichenden Genauigkeit beschreiben. • Pflichtenhefterstellung Grobprojektierung und Kalkulation der Lösungsvarianten in einer entscheidungsreifen Tiefe mit den entsprechenden Ausführungsparametern (Technologie, Kosten, Zeit). • Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, ggf. Optimierung Überprüfen der Lösung auf Strategiekonformität und Einhaltung des in der Lastenheftphase bzw. Planung veranschlagten Kostenrahmens, eventuell weitere Variantendiskussion. • Beauftragung und Mittelbereitstellung Bereitstellung der im Pflichtenheft kalkulierten Geldmittel für die entschiedene Lösung und schriftliche Beauftragung der Umsetzung. In der Gesamtorganisation von Asset-Management und Leistungserbringung gibt es hier einen Übergang von Aufgaben, insbesondere bei der Pflichtenhefterstellung. Diese wird vom ausführenden Servicebereich ggf. auch von einem dienstleistenden Marktunternehmen (Service-Provider, Abschn. 1.6) übernommen, da hier die operative Ausführung beschrieben wird mit den entsprechenden Rahmenbedingungen wie Technologie, Leistungsfähigkeit, Zeitbedarf und Kosten, die dann im nächsten Schritt wiederum das Asset-Management in die Lage versetzt, eine Variantenbewertung inklusive Wirtschaftlichkeitsrechnung durchzuführen. Auf deren Basis wird dann eine Entscheidung für die Beauftragung mit Mittelbereitstellung (Projektbudget) erfolgen. In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz, „keine Leistung ohne Beauftragung und Mittelbereitstellung“, sodass hierin auch die Verantwortung des Asset Managers deutlich zum Ausdruck kommt. Wenn er nicht bestellt und die Kostenübernahme erklärt, wird der Servicebereich bzw. das Dienstleistungsunternehmen nicht aktiv werden und keine Leistungserbringung erfolgen. Dabei ist jedoch nicht immer konkret ein Projektauftrag gemeint, es gibt vielfache Formen der Beauftragung von einer Rahmenvereinbarung (z. B. im wiederkehrenden Instandhaltungsbereich) über Grundleistungsvereinbarungen (z. B. Sicherstellung der Dokumentation) bis hin zu konkreten Einzeltätigkeiten und Projektvorhaben (Bau einer konkreten Leitungsverbindung oder Anlage), die aber alle den obigen Schritten folgen und aus Gründen der Organisationssicherheit auch auf schriftlichen gerichtsfesten Vereinbarungen beruhen müssen. In der Beauftragung ist also Umfang, Qualität und Kosten einer Leistung zu beschreiben und ein sauberer Verantwortungsübergang von AssetManagement zu Leistungserbringer und zurück zu definieren.

142

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

2.2 Entwicklung und Sicherstellen von Standards und Normen Die Grundlage eines rechtsicheren Asset-Managements ohne Organisationsverschulden beruht auf anerkannten Standards und Normen. Diese sind einerseits durch externe Expertengremien, die in technischen Verbänden organisiert sind, erstellt, andererseits müssen sie jedoch auch auf die jeweils spezifischen Anforderungen des zu managenden Infrastruktursystems angepasst und damit zu einem internen Regelwerk geformt werden. Dem Asset-Management kommen hierbei die Richtlinienkompetenz und damit die Deutungshoheit zu den externen Regelwerken zu, aber auch die Verantwortung die internen Regelwerke umfassend zu erstellen, zu pflegen und auch für deren Publikation zu sorgen.

2.2.1 Interne Regelwerke Für die Organisation, den Betriebsablauf, den Bau und die Errichtung von Infrastruktursystemen ist ein umfassendes internes Regelwerk in den verschiedensten Gebieten erforderlich. Dieses Regelwerk muss den entsprechenden Bereichen zugänglich sein und die Spiegelung an den, im nächsten Absatz beschriebenen, offiziellen Standards und Normen muss gewährleistet sein. Im Gegensatz zu diesen sind die internen Regeln nicht notwendigerweise neutral formuliert, sondern sie werden durchaus Bezug auf die Strategien des Asset-Managements und auch die hier ausgewählte Technologie (die durchaus zur Einschränkung beim Einsatz führen kann) nehmen. Wichtig ist jedoch, dass alle Belange abgedeckt sind und die Umfänglichkeit und Vollständigkeit auch durch Zertifizierungsverfahren nachgewiesen werden kann. Die wichtigsten abzudeckenden Bereiche sind: • Infrastrukturbetrieb Instandhaltungsstrategie mit Tätigkeiten und Zyklen zertifiziert z.  B. gemäß Technischem Sicherheitsmanagement (TSM) von FNN bzw. DVGW. • Umweltschutz In der Regel ein Umweltschutzhandbuch mit den Regelungen zur Einhaltung der Umweltschutzgesetze und zertifizierbar nach DIN 14001. • Arbeitssicherheit Festlegungen zur Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften (Vorschriften der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung DGUV) und der berufsgenossenschaftlichen Regelwerke, zertifizierbar auch durch TSM oder auch durch die Berufsgenossenschaften selbst.

2.2  Entwicklung und Sicherstellen von Standards und Normen

143

• IT-Sicherheit Sicherheit in der Informationsverarbeitung nach gesetzlichen Vorgaben des IT-Sicherheitskatalogs (IT SICAT) mit verpflichtender Zertifizierung für Netzbetreiber. • Materialhandbücher Kataloge des zugelassenen Materials in dem spezifischen Unternehmen zur Vereinheitlichung der Technologie und Begrenzung der Materialvarianten, Unternehmensspezifisch und nicht zu zertifizieren. • Spezifikation für Bau und Errichtung Definition der unternehmensspezifischen Anforderungen an Betriebsmittel und Errichtungsprojekte, in der Regel als Grundlage für die Präqualifizierung von Herstellern/Lieferanten erklärungsbedürftiger Investitionsgüter und projektabwickelnden Dienstleistungsunternehmen. • Katastrophen- und Notfallmanagement Festlegungen für den sichern Ablauf der notwendigen Prozesse und zur Beseitigung einer Katastrophen- oder Notfallsituation mit Beteiligung des zu betrachtenden Infrastruktursystems. Durch ein derartig geschlossenes internes Regelwerk stellt ein Infrastrukturunternehmen die Organisationssicherheit seiner Abläufe und Prozesse sicher. Dabei ist das Asset-Management nicht in allen Bereichen federführend, die Vollumfänglichkeit des Regelwerks stellt jedoch auch sicher, dass die Aufgaben hier erfüllt werden können. Damit ist in vielen Fällen hier die Richtlinienkompetenz (Ratifizierung bzw. Inkraftsetzung) zumindest aber Mitarbeit und Zustimmung durch diesen Bereich erforderlich.

2.2.2 Nationale und internationale Normierungsverfahren Grundlage für die Auswahl der unterschiedlichen Betriebsmittel und die Auslegung von Anlagen in Infrastruktursystemen ist deren Normierung in den verschiedenen Standards. Hierbei handelt es sich um sogenannte Produktnormen einerseits und Errichtungsnormen andererseits. Die Kernaufgabe der Normen, die u. U. weltweit gelten, ist hierbei die Sicherstellung der Qualität des Produktes als auch die Sicherheit während der betrieblichen Anwendung und das Kennzeichnende einer Norm ist in der Regel deren langfristige Gültigkeit. Dieses liegt darin begründet, dass aufgrund der unterschiedlichen Entscheidungsstrukturen von der ersten Beschreibung der Norminhalte bis zur endgültigen Veröffentlichung mehrere Jahre (z. B. 5 Jahre für Erarbeitung der Norm, Veröffentlichung und gegebenenfalls auch Schieds- und Schlichtungsverfahren bis hin zur Gültigkeit) vergehen. In diesem Zusammenhang muss auch die Problematik der Diskussion um die „Bestandssicherheit“ erwähnt werden. Hierunter ist zu verstehen, dass die Errichtung einer Anlage bzw. die Herstellung eines Betriebsmittels mit den zum Zeitpunkt der Errichtung bzw. Herstellung gültigen Versionen der betreffenden Normen

144

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

rechtssicher ausgeführt wurden. Da Infrastruktursysteme aber in der Regel eine lange Lebensdauer haben und innerhalb dieses langen Zeitraums durchaus neue Versionen und Überarbeitungen der Norm entstehen können, stellt sich die Frage, ob die Anlagen und Betriebsmittel immer der neuesten Norm genügen müssen oder es ausreichend ist, die Norm zum Zeitpunkt der Errichtung einzuhalten. Eine abschließende Rechtssicherheit in dieser Frage besteht nicht, wobei sich die Frage stellt, wie ein komplettes Infrastruktursystem bei einer neuen Normversion auf die neuen Bedingungen umgestellt werden kann. Sollten bei der Änderung der bestehenden Norm sicherheitstechnische Belange eine Rolle spielen, so werden durch das Asset-Management im Rahmen einer geeigneten zeitlichen Übergangsfrist sicherlich geeignete Maßnahmen zur Berücksichtigung dieser Belange ergriffen werden müssen, ohne sich auf die „Bestandssicherheit“ zu berufen. Schwieriger ist die Diskussion jedoch bei der Einführung neuer Berechnungsverfahren oder zusätzlicher Reserven, die bei einer früher errichteten Technologie so nicht anwendbar sind. Hier kommt dem Asset-Management die Deutungshoheit aber auch die Abstimmungsnotwendigkeit mit den jeweiligen Aufsichtsbehörden zu, um einen rechtssicheren Weiterbetrieb von Bestandsanlagen zu gewährleisten. Bei der Erstellung einer Norm sollten alle betroffenen Fachkreise (z. B. Versorgungsunternehmen, Hersteller, Dienstleistungsunternehmen, Behörden und Wissenschaft) beteiligt sein. Hierbei ist die Mitarbeit in den erstellenden Expertengremien stets ehrenamtlich. Basis für die Anwendung eines Vorschriftenwerks z. B. in den Strom- und Gasnetzen liefert das Energiewirtschaftsgesetz [62] und die Anforderungen an Energieanlagen werden mit der sogenannten Vermutungsregel in § 49 beschrieben: • § 49: Anforderungen an Energieanlagen (1) Energieanlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. (2) Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik wird vermutet, wenn bei Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung und Abgabe von 1. Elektrizität die technischen Regeln des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. 2. Gas die technischen Regeln der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e. V. eingehalten worden sind. (3)….. Die bekanntesten Normen außerhalb von Strom- und Gasnetzen sind die Deutschen Industrienormen DIN, die viele andere Bereiche, aber auch die z. B. von Bauwerken regeln und damit auch in Infrastruktursystemen relevant sein können. Der wesentliche Vorteil von internationalen Normen ist die Möglichkeit, die beabsichtigte Beschaffung weltweit auszuschreiben, sodass sich die Zahl der potentiellen Anbieter erhöhen sollte, die unter gleichen Bedingungen ihre Produkte herstellen.

2.2  Entwicklung und Sicherstellen von Standards und Normen

145

Neben den Errichtungs- und Produktnormen ist auch das Thema Betrieb von Infrastruktursystemen mehr und mehr in den Fokus von Standardisierung und Regelsetzung gerückt, insbesondere mit der Zertifizierung von Sicherheit und Qualitätsanforderungen in diesem Bereich. Eine der ersten Organisationen, die sich in diesem Bereich engagierte, war die British Standard Institution BSI, die in 2004 mit dem „Public Available Standard PAS 55“ erste Festlegungen für Asset-Management im Sinne von Netzbetrieb traf. Eine Überarbeitung dieser Unterlagen erfolgte 2008 [49, 50]. Im Jahr 2014 ist auf dieser Grundlage auf internationaler Ebene durch die ISO-Organisation (ISO: International Organization for Standardization) ein neuer Standard veröffentlicht worden, Abschn. 2.2.3. In Deutschland wurde die Erstellung von Normen bzw. Betriebsregeln und Anwendungshinweise im Stromnetz durch die Gründung des Fachforums Netztechnik und Netzbetrieb FNN beim VDE im Jahr 2008 institutionalisiert. Die hier entstehenden Regeln sind durch die oben beschriebene „Vermutungsregel“ in § 49 des EnWG quasi gesetzlich verpflichtend. Eine derartige offizielle Organisation, die mit einem Regelwerk im Netzbetrieb sozusagen Rechtssicherheit schafft, hat in Europa derzeit noch ein Alleinstellungsmerkmal. Bereits vor der Gründung des FNN ist seitens der DKE-Organisation (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) im DIN und VDE eine Instandhaltungsnorm veröffentlicht worden, die in Abschn. 2.2.4 dargestellt ist. Ausgehend von dieser deutschen Norm ist anschließend eine IEC Dokument entstanden (IEC/TS 63060:2019), welches wiederum als neues DKE-Dokument übernommen wurde. Parallel zu dieser Entwicklung ist seitens der IEC-Organisation auf der Basis eines „White Papers“ eine IEC-Kommission TC 123 gegründet worden, um gemeinsame Leitlinien für ein Asset Management von elektrischen Betriebsmitteln abzuleiten, Abschn. 2.2.5.

2.2.3 ISO Standard 55000 ff Im Jahr 2014 wurde auf internationaler Ebene ein Standard erarbeitet (ISO: International Organization for Standardization), der sich mit dem Thema „Asset Management“ beschäftigt. Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Teile [40, 60]: • ISO 55000:2014–01: Asset management – Overview, principles and terminology • ISO 55001:2014–01: Asset management – Management systems – Requirements • ISO 55002:2014–01: Asset management – Management systems – Guidelines for the application of ISO 55001 Diese Dokumente [40] beschreiben die Aufgaben und Inhalte des Asset Managements in einer Organisation und es werden geeignete Empfehlungen gegeben, ein Asset

146

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

Management innerhalb eines Unternehmens aufzubauen, wobei neben strategischen auch operative Ansätze dargestellt werden. Grundsätzlich bezieht sich dieser Standard auf alle Unternehmen und nicht nur auf Infrastrukturanlagen, sodass die Inhalte allgemein gehalten sind. In der ersten Norm (ISO 55000) aus dieser Serie werden die Begriffe und eine allgemeine Übersicht dargestellt. Hierbei bedeuten: • Asset Management: Ist die koordinierte Tätigkeit eines Unternehmens zur Steigerung der Vermögenswerte. • Asset Management System: Management System, dessen Aufgabe es ist, die Ziele des Asset Management umzusetzen. Dieses bedeutet, dass dieses System von dem Unternehmen eingesetzt wird, um die Aktivitäten zu steuern, zu koordinieren und zu kontrollieren. • Strategischer Asset Management Plan (SAMP): Dokumentation, wie die strategischen Ziele umgesetzt werden können. • Asset Management Plan: Dokumentation bzw. Information, welche Aktivitäten, Ressourcen und Zeitpläne für ein Betriebsmittel oder eine Betriebsmittelgruppe notwendig sind, um die Unternehmensziele umzusetzen. Alle Unternehmensbereiche sind bei der Umsetzung des Asset Management involviert, jedoch erfolgt der Anstoß dazu von der obersten Unternehmensebene. In der zweiten Norm (ISO 55001) werden im Einzelnen die Anforderungen dargestellt, um ein Asset Managementsystem aufzubauen und umzusetzen. Die Aufgaben werden in verschiedenen Kapitel beschrieben: • Unternehmen: Festlegung der Fragen und „Stakeholder“, die für ein Unternehmen entscheidend sind, in Bezug auf die Ziele des Asset Management. Das Ergebnis ist die Ableitung eines strategischen Asset Management Plans und die Festlegung der Betriebsmittel und Anlagen, die hiervon betroffen sind. • Führung: Nachweis der erforderlichen Qualifikation des Führungspersonals, welches die Grundregeln des Asset Management festlegen müssen. Darüber hinaus stellt das Führungspersonal sicher, dass z. B. die Verantwortlichkeiten festgelegt und innerhalb des Unternehmens kommuniziert werden. • Strategische Planung: In diesem Abschnitt werden im Einzelnen die Ziele des Asset Management auf jeder Unternehmensebene festgelegt, wobei die alle Anforderungen der Stakeholder zu berücksichtigen sind. Es muss sichergestellt sein, dass die im Prozess möglichen Risiken durch das Risikomanagement des Unternehmens berücksichtigt werden. • Unterstützung: Im Einzelnen werden Punkte definiert, die für die Umsetzung der Aufgabenbeschreibung notwendig sind. Hierzu gehören: Ressourcen des Unternehmens, Kompetenz des Personals, Kommunikation inner- und außerhalb des Unternehmens, Festlegung der Informationspflicht und Inhalte einer Dokumentation.

2.2  Entwicklung und Sicherstellen von Standards und Normen

147

• Betrieb: Zur Umsetzung der Prozesse müssen die einzelnen Schritte geplant, kontrolliert und dokumentiert werden. Es ist sicherzustellen, dass auftretende Risiken in Übereinstimmung mit den Grundsätzen bewertet werden. Falls Prozesse ausgelagert werden, müssen diese in geeigneter Form gesteuert werden. • Bewertung und Verbesserung des Prozesses: Der gesamte Management Prozess ist in einer geeigneten Form zu evaluieren und zu verbessern, deren Schritte im Einzelnen beschrieben werden. Die abschließende Norm in dieser Reihe (ISO 55002) stellt einen Leitfaden für die Erstellung eines Asset Management Systems dar, wie dieses in der vorhergehenden Norm (ISO 55001) beschrieben wird. Eine ausführliche Beschreibung und Erläuterung der ISO 55000 Standards war Ziel einer Cigre Arbeitsgruppe (C1.34), die eine technische Broschüre [25] veröffentlicht hat, die als Anleitung für die Anwendung des ISO-Standards verwendet und mit deren Hilfe der Reifegrad einer eigenen Asset Management Organisation anhand einer Themenbeschreibung überprüft werden kann. Dabei ist die Beschreibung des Systems aufgrund der internationalen Anwendbarkeit allgemein gehalten. Die Implementierung eines Systems ist nach wie vor die individuelle Aufgabe eines Unternehmens, die je nach Strategie durchaus unterschiedlich gestaltet werden kann. In [25] sind entsprechend auch verschiedene Beispiele von unterschiedlichen Energieversorgungsunternehmen insbesondere für Prozesse und IT-Werkzeuge beschrieben.

2.2.4 Instandhaltungsnorm: DIN VDE 0109 und IEC/TS 63060 Vor der Gründung des FNN wurden innerhalb der DKE-Organisation (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) im DIN und VDE folgende Normen erstellt, die die Instandhaltung von Anlagen und Betriebsmitteln in Transportund Verteilungsnetzen der Elektrizitätsversorgung aller Spannungsebenen und damit den Anspruch des § 49 EnWG abdecken: • DIN V VDE V 0109–1 (VDE V 0109–1): 2008–07 Instandhaltung von Anlagen und Betriebsmitteln in elektrischen Versorgungsnetzen Teil 1: Systemaspekte und Verfahren • DIN V VDE V 0109–2 (VDE V 0109–2): 2009–10 Instandhaltung von Anlagen und Betriebsmitteln in elektrischen Versorgungsnetzen Teil 2: Zustandsfeststellung von Betriebsmitteln/Anlagen. Diese Normen wurden im Sept. 2014 mit kleinen Ergänzungen überarbeitet und neu herausgegeben. Sie wurden als „Vornorm“ bezeichnet, weil es zum damaligen Zeitpunkt keine übergeordnete IEC- oder CENELEC-Norm gab. Wenn nach [58] VDE-Vornormen wie VDE-Bestimmungen erarbeitet werden und bestehen gegen sie keine inhaltlichen

148

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

­ orbehalte, so können sie wie VDE-Bestimmungen des Status „allgemeine anerkannte V Regeln der Technik“ erlangen. Dieses ist bei der Abfassung der vorliegenden VDEVornorm eingehalten worden. Bei der Erstellung der oben angegebenen DIN-Norm war die Ausgangslage, dass nach dem Energiewirtschaftsgesetz die Aufgabe eines Energieversorgungsunternehmens in einer sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität besteht (Abschn. 1.1). Die Versorgungssicherheit eines Netzes hängt im Allgemeinen von verschiedenen Parametern ab, z. B.: • Netzstruktur, • Instandhaltung, • Neuinvestition, • Reservehaltung von Betriebsmitteln, • Anzahl und Know-how des Personals, • … Dieses bedeutet, dass die Frage der Instandhaltung nur eine Möglichkeit bietet, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dieses hat zur Folge, dass in einer privatwirtschaftlichen organisierten Energieversorgung die Auswahl der verschiedenen Optionen zur Erfüllung des Versorgungsauftrags in der Entscheidung eines jeden Unternehmens liegen sollte. Im Gegensatz hierzu kann die Sanierung bzw. die Lösung eines singulären Problems nicht das Ziel einer Norm sein, sondern ist gegebenenfalls mithilfe einzelner, speziell zugeschnittener Instandhaltungsmaßnahmen zwischen den beteiligten Partnern zu klären. Somit ist es das Ziel der erarbeitenden Norm gewesen, die folgenden Arbeitsschritte, die sich auch in den beiden Teilnormen wiederfinden, abzudecken: • Beschreibung von Instandhaltungsstrategien und Prozessabläufen, Dokumentation, • Möglichkeiten der Zustandserfassung an Betriebsmitteln. Die nach diesen Prinzipien ausgearbeiteten Vornormen der DKE wurden als NP (New Work Item Proposal) von der IEC (International Electrotechnical Commission) übernommen, sodass von dem zuständigen Komitee TC 8 eine Arbeitsgruppe WG 8 eingerichtet wurde, um ein entsprechendes IEC-Dokument zu erarbeiten. Der Arbeitstitel der Arbeitsgruppe WG 8 lautet: „To define a general framework and procedures for maintenance of electrical energy supply networks“. Das Ergebnis dieser Arbeit ist das Dokument IEC/TS 63060:2019, welches 2019 als eine „Technische Spezifikation“ (TS) veröffentlicht wurde [38]. Die IEC-Spezifikation wurde anschließend seitens der DKE als VDE-Norm 0109 übernommen [31]. Im Folgenden wird der wesentliche Inhalt der IEC-Spezifikation bzw. der VDE-Norm 0109 kurz beschrieben, die folgendermaßen gegliedert ist:

2.2  Entwicklung und Sicherstellen von Standards und Normen

149

• Hauptdokument: Systemaspekte und Verfahren, • Anhang A: Erläuterungen zu den Instandhaltungsarten, • Anhang B: Zustandsfeststellung von Betriebsmitteln/Anlagen. Nach Abschn. 2.1.1.1 gehören zur Instandhaltung die folgenden Teilaufgaben: Inspektion – Wartung – Instandsetzung – Verbesserung, wobei die Inspektion die Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes eines Instandhaltungsobjektes (IH-Objekt) umschreibt. Die Inspektion kann in folgende Teilaufgaben gegliedert werden, deren Definitionen in Abschn. 2.1.1.1 angegeben sind (zusätzlich ist der Punkt 3: Online Überwachung ergänzt): 1. Begehung 2. Sichtkontrolle 3. Online Überwachung 4. Funktionskontrolle 5. Zustandsermittlung 6. Zustandsbeurteilung Während zu den Punkten 1 bis 5 die VDE-Norm eine Aussage macht und mit dem Ausdruck Zustandsfeststellung umschrieben werden, bleibt die Frage der Zustandsbeurteilung eines Betriebsmittels unbeantwortet, da dieses, wie oben erläutert, zum Entscheidungsbereich eines Unternehmens zählt. Der Inhalt der Norm, inkl. der Anhänge, kann wie folgt beschrieben werden: Hauptdokument: Systemaspekte und Verfahren Die Anforderungen an eine Norm, die erforderliche Arbeitsprozesse beschreibt, sollten den folgenden Anforderungen genügen: • Die grundsätzlichen Verantwortlichkeiten eines Netzbetreibers bleiben durch die Norm unberührt. • Die Festlegungen sollten gleichermaßen für alle Netzbetreiber umsetzbar sein. • Der Prozess gliedert sich in acht Schritte. • Die Umsetzung der Norm muss für einen Netzbetreiber nachweisbar und gegebenenfalls zertifizierbar sein. Der wesentliche Bestandteil dieser Norm ist die Festlegung eines Prozesses, der in verschiedene Systemschritte unterteilt werden kann, die in der Tab. 2.27 aufgeführt sind. Die wesentlichen Arbeitsschritte und deren Ergebnisse sind anschließend zu dokumentieren, sodass die einzelnen Entscheidungen nachvollzogen werden können. Die IH-Dokumentation sollte mindestens die folgenden Aussagen beinhalten:

150

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

• Grundsätze der Instandhaltung, • Verzeichnis der Instandhaltungsunterstützung, • Instandhaltungskonzept, • Verzeichnis der Instandhaltungspläne, • Bewertungskriterien für den Zustand der Anlagen und Betriebsmittel, • Beschreibung der Instandhaltungsaufgaben je Objekttype, • Bestand an Anlagen und Betriebsmitteln, • Verzeichnis der durchgeführten Instandhaltungsmaßnahmen, • Inspektionsberichte, festgestellte Mängel und Schäden, • Qualifikationsanforderungen an das einzusetzende Personal, • Schulungsnachweis.  Zusammengefasst kann gesagt werden, dass mit der Norm 0109 den Anforderungen nach EnWG § 49 entsprochen wird. Die Bearbeitung der Norm DIN VDE 0109 erfolgt innerhalb der DKE durch die Kommission K 227, das auch das Spiegelgremium der IEC-Arbeitsgruppe IEC/TC 8/WG 8 ist. Anhang A: Erläuterungen zu den Instandhaltungsarten Im informativen Anhang A werden die wesentlichen Grundzüge der verschiedenen Instandhaltungsstrategien dargestellt. Zu diesen Strategien gehören: Ereignisorientierte, vorbeugende (zustands- und zeitorientiert), zuverlässigkeitsorientierte und risikoorientierte Instandhaltung. Anhang B: Zustandsfeststellung von Betriebsmitteln/Anlagen Dieser Anhang dient der Hilfestellung zur Ableitung eines Instandhaltungskonzeptes (Systemschritt 2 nach Tab. 2.27) da in diesem Fall eine Zustandsfeststellung von

Tab. 2.27  Ablauf des Instandhaltungsprozesses nach [31] Systemschritt

Ergebnis

1. Verantwortlichkeiten und Grundsätze festlegen

Grundsätze, z. B. in Form eines Leitfadens

2. IH-Konzept entwickeln

IH-Konzept und Grundgerüst der IH-Dokumentation

3. IH-Plan erstellen

IH-Plan

4. IH-Maßnahmen planen

Einsatzplan (Termin, Ort, Ressource)

5. IH-Maßnahmen durchführen

IH-Objekt ist instand gehalten

6. Ergebnisse dokumentieren

Dokumentation zu jedem IH-Projekt

7. Ergebnisse auswerten

IH-Plan fortgeschrieben

8. Bewerten und verbessern

IH-Konzept weiterentwickeln

2.2  Entwicklung und Sicherstellen von Standards und Normen

151

Betriebsmitteln zu erfolgen hat. Zur Feststellung des Zustands wird für die unterschiedlichen Betriebsmittel ein Auswahlkatalog vorgestellt, der bei Bedarf vom Netzbetreiber zu ergänzen ist. Die aus einer Zustandsfeststellung abzuleitenden Instandhaltungsmaßnahmen (z. B. Ersatz, Instandsetzung, Wartung usw.) werden in dieser Norm nicht festgelegt, sondern liegen in der Verantwortung des Betreibers des Elektrizitätsversorgungsnetzes. Die Zustandsfeststellung erfolgt durch Begehung, Sichtkontrolle, online Überwachung, Funktionskontrolle, Zustandsermittlung (Messverfahren). Im Allgemeinen hängt der Zustand eines Betriebsmittels/Anlage auch vom Einsatzort, der Technologie und der Herstellung ab, sodass diese Nebenbedingungen zu beachten sind. Aus diesem Grund sollten zum Beispiel zusätzlich Herstellerempfehlungen bzw. Betriebserfahrungen des Anwenders in Betracht gezogen werden. Dieses hat zur Folge, dass Prüfzyklen nicht Gegenstand der Norm sind, diese sind in Eigenverantwortung des Netzbetreibers festzulegen. Beispielhaft zeigt Tab. 2.28 einen Überblick, wie der Auswahlkatalog für die unterschiedlichen Komponenten gestaltet ist. Ausgehend von der Komponente wird das Kriterium aufgeführt, dessen Zustand mit einer bestimmten Maßnahme festgestellt werden kann. Falls erforderlich sind ergänzenden Informationen aufgeführt, z. B. weiterführende DKE bzw. IEC-Vorschriften.

2.2.5 Bewertung der Normen ISO 55000 und DIN (VDE 0109) Die beiden dargestellten Normen ISO 55000  ff. (Abschn.  2.2.3) VDE 0109 (Abschn. 2.2.4) unterscheiden sich grundsätzlich und können wie folgt zusammengefasst werden: • ISO 55000 ff.: Diese Norm zielt darauf ab, dass Unternehmen über eine Organisation verfügen, um ein Asset Management System zu installieren. Hierbei besteht die Aufgabe darin, die Ziele eines Unternehmens bzw. der Stakeholder in geeigneter Weise umzusetzen. Dieser allgemeine Ansatz ist unabhängig von der Art des Unternehmens (Energie, Stahl, Chemie usw.). Die Vorgehensweise kann somit als ein Top-down Ansatz bezeichnet werden. • DIN VDE 0109: Die Norm beschreibt, wie aus der Erfahrung mit einer Betriebsmittelgruppe eine Instandhaltungsstrategie abgeleitet werden kann. Die notwendigen Arbeitsschritte, inkl. der erforderlichen Dokumentation, werden beschrieben, wobei der Entscheidungsprozess dokumentiert werden muss. Dieses kann somit als ein Bottom-up Ansatz angesehen werden. Aus diesen beiden unterschiedlichen Ansätzen gibt es keine Überschneidungen, sodass beide Normen grundsätzlich ihre Berechtigung haben.

Sichtkontrolle

Abnutzung Kontaktsystem

Einfahrkontakte (ausfahrbare Schalter)

Sichtkontrolle, Zustandsermittlung

Sichtkontrolle

Druck, Dichte, Feuchte, Zersetzungsprodukte, Füllstand, Durchschlagspannung

Isolier-, Löschmedium

Zustandsermittlung (z. B. Weg-Zeitmessung, Schaltzeitmessung)

Anzahl Schaltspiele, Schaltzeit

Schaltzeit, Schaltgeschwindigkeit

Löschkammer

Zustandsermittlung (z. B. Widerstandsmessung)

Schalter (allgemein)

Übergangswiderstand

Kontakte

Sichtkontrolle

Sichtkontrolle

Korrosion (nicht Flanschkorrosion)

Flanschverbindungen (Freiluftschalter)

Maßnahme Sichtkontrolle

Eingusspolteile (Vakuum-Schalter, aus- Rissbildung fahrbare Schalter)

Kriterium Verschmutzung, Beschädigung

Komponente

Schaltkammerporzellan, Kittung, Flansche, Anschlüsse, Polsäule (Freiluftschaltanlagen)

Tab. 2.28  Zustandsfeststellung Schaltgeräte, spannungsführende Teile [31], Auszug

IEC/TR 62271-303

Ergänzende Information

152 2  Aufgaben des Anlagenmanagements

2.2  Entwicklung und Sicherstellen von Standards und Normen

153

2.2.6 IEC TC 123 Im Jahr 2015 wurde von der International Electrotechnical Commission (IEC) ein Dokument (White Paper, [39]) veröffentlicht, dass den damaligen Stand des Asset Management von elektrischen Netzen zusammenfasst. Viele Unternehmen sind verstärkt mit Fragen des Asset Management beschäftigt und verfolgen zum Teil unterschiedliche Ansätze. Das grundsätzliche Problem ist, dass es keine internationalen Normen bzw. Richtlinien gibt, wie in diesem Fall vorzugehen ist, da die Behandlung der Netze und Betriebsmittel einen großen Einfluss auf die Zuverlässigkeit der elektrischen Versorgung hat. Aus Sicht der IEC gibt es die nachfolgenden Schwierigkeiten: • Die Energieversorgungsunternehmen verwenden verschiedene Messgrößen, um die Leistungsfähigkeiten der Netze zu bewerten. Um jedoch einen Vergleich zwischen den Unternehmen durchzuführen (Benchmark) sind aber akzeptierte Verfahren notwendig, z. B. die Ermittlung der Fehlerraten von Betriebsmitteln. • Es besteht ein Mangel an „Best-Practice“-Methoden für alle Betriebsmittel, um eine Priorisierung von verschiedenen Instandhaltungsstrategien vorzunehmen. Die Konsequenz ist, dass die Unternehmen jeweils eigene Lösungen erarbeiten und damit Zeit und Ressourcen vergeuden. Dieses ist besonders für kleine Unternehmen und in Entwicklungsländern kritisch, die von „Best-Practice“-Lösungen profitieren könnten. • Ohne internationale Normen über die Messung und Berichterstattung bezüglich der elektrischen Betriebsmittel ist es für die verschiedenen Interessengruppen (Stakeholder), z. B. Regulatoren oder Investoren, schwierig, die Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu bewerten. Das erarbeitete Dokument [39] untersucht dieses Thema anhand von verschiedenen Beispielen aus der elektrischen Energieversorgung, die vielfach auf der Basis der innerhalb der Cigre-Organisation beruhen. Darüber hinaus werden Bereiche identifiziert, die von einer Standardisierung profitieren werden. Als Folge dieser Überlegung kam es im Jahr 2018 zur Gründung der Kommission TC 123 innerhalb der IEC, mit dem folgenden Arbeitsauftrag: Standardisierung, um in Zusammenarbeit mit anderen TC/SCs und internationalen Organisationen gemeinsame Methoden und Leitlinien für ein koordiniertes LebensdauerManagement von Netzwerkanlagen in elektrischen Netzen zur Unterstützung eines guten Asset Managements bereitzustellen. Dazu kann auch die Entwicklung neuer Methoden und Richtlinien gehören.

154

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

In der Zwischenzeit sind drei Arbeitsgruppen mit folgenden Titeln gegründet worden: • Arbeitsgruppe WG 1: Terminology (Begriffe, Definitionen) • Arbeitsgruppe WG 2: Case studies of managing assets (Fallbeispiele von behandelten Betriebsmitteln) • Ad-Hoc Gruppe AHG 3: Task and structure development (Aufgabenstellung und Entwicklung der Struktur). Die Bearbeitung der Norm, die auf internationaler Ebene seitens des IEC/TC 123 erarbeitet wird, erfolgt innerhalb der DKE durch die Kommission K 227, das auch das Spiegelgremium des IEC/TC 123 ist.

2.3 Sicherstellung der Ressourcen Die Entwicklung von Strategien und die Identifikation des Handlungsbedarfs sowie Lösungsmöglichkeiten zu Bearbeitung dieses Bedarfes sind die übergeordneten Aufgaben des Asset-Managements. Damit ist aber die ordnungsgemäße Funktion eines Infrastruktursystems bzw. dessen sicherer und stabiler Betrieb noch nicht gewährleistet. Hierfür ist zudem die Kalkulation der notwendigen Finanzmittel, in der Regel bezogen auf Geschäftsjahreszeiträume und Mittelfristplanungsräume, sowie auch die Sicherstellung der notwendigen Ressourcen für die operativen Tätigkeiten erforderlich. Die Tiefe, in der das Asset-Management sich hiermit unmittelbar beschäftigt, variiert je nach Organisationsmodell von reiner Beauftragung (Generalauftrag) eines zuständigen Servicebereichs bis hin zur Auswahl und Vergabe von Aufgaben an verschiedene interne und auch externe Servicepartner (Abschn. 1.6). Hierauf wird im 4. Kapitel noch intensiv eingegangen werden. Die Sicherstellung der Ressourcen ist aber existentieller Bestandteil

Asset-Management Strategien und Budget Quantifizieren, Sichern, Beauftragen

Betriebsmittel

Quantifizieren, Sichern, Beauftragen

Anlagenbetrieb und verantwortung

Abb. 2.52   Umsetzung von Strategie zu operativem Betrieb

Projektdienstleister

2.3  Sicherstellung der Ressourcen

155

des Managements, da durch Strategien und Geldmittel alleine keine Gewährleistung von Funktion und Betrieb gegeben ist. Abb. 2.52 stellt die wesentlichen Aufgaben des Asset Managements bezüglich der Umsetzung von Strategien im operativen Betrieb dar.

2.3.1 Material und Dienstleistungen Für den Normalbetrieb und die innerhalb von Projekten stattfindenden Bau- und Entwicklungstätigkeiten ist eine Vielzahl von Materialien und Betriebsmitteln erforderlich. Dies spaltet sich auf in Verbrauchs- und Verschleißmaterialien einerseits und Baumaterial, Betriebsmittel und Betriebsmittelgarnituren (Zubehör, Verbindungsmaterial usw.) andererseits. Der erste Teil wird in aller Regel durch das Betriebspersonal direkt organisiert und auch die Versorgung hierfür sichergestellt, wobei auch hier eine generelle Freigabe und Zulassung gemäß den internen Regelwerken erforderlich ist (z. B. Reiniger, der nur für bestimmte definierte Oberflächen zugelassen ist). Von größerer Bedeutung sind jedoch Baumaterialien, Betriebsmittel und Garnituren, die einen wesentlichen Einfluss auf die Betriebsfähigkeit, die Lebensdauer und auch die Kosten (Total Cost of Ownership; TCO, Abschn. 3.1.3) innerhalb eines Infrastruktursystems haben. In den internen Regelwerken sind auch die Materialhandbücher in den verschiedenen Segmenten enthalten, die eine genaue Beschreibung der zugelassenen Materialien beinhalten und die auch hinterlegen, nach welchen Prüfvorschriften und Eignungsprüfungen die jeweiligen Materialien für den Einbau im Infrastruktursystem zugelassen sind. Ergänzend zu der Art der Materialien kann es durchaus sein, dass in einzelnen Bereichen nicht nur Funktionen und Materialeigenschaften, sondern auch definierte Fabrikate und Modelle für den Einsatz vorgeschrieben werden. In diesem Zusammenhang muss für die technische Realisierung auch gewährleistet sein, dass nicht nur eine Beschreibung der Materialien vorhanden ist, sondern auch eine Quelle auf dem Beschaffungsmarkt existiert, die den Bedarf an diesen Materialien abdeckt. Wenn z. B. ein Gasnetzbetreiber eine Komponente Druckminderer mit definierten Eigenschaften für sein Netz vorschreibt und freigibt, diese Komponente aber vom Hersteller abgekündigt wird und daraufhin nicht mehr lieferbar ist, muss der Asset Manager eine Lösungsmöglichkeit finden. Dies kann in einer Änderung der Strategie liegen, dass derartige Druckminderer (sofern nicht gesetzlich und normativ vorgeschrieben) zukünftig nicht mehr eingebaut und auch nicht ersetzt werden, es kann auch die Identifikation weiterer Lieferanten für die zugelassene Komponente sein oder aber eine Änderung der zugelassenen Parameter, um eine Nachfolgetechnologie oder andere Lieferanten in den Einsatz zu bringen. Die Grundaussage ist aber letztendlich, dass selbst die Zulassung von Materialien eine strategische Aufgabe im Sinne des technischen Asset-Managements ist, die neben der Erstellung, Pflege und Freigabe der Materialhandbücher auch die Verantwortung für die Sicherstellung der Lieferbarkeit durch Marktquellen für die zugelassenen Materialien beinhaltet. In der Regel wird die Beschaffung selbst durch Supportbereiche, wie Einkauf

156

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

bzw. operative Serviceabteilungen erfolgen, die sich aber an die Materialhandbücher und Spezifikationen halten müssen. Betriebsmittel aus dem Sektor erklärungsbedürftiger Investitionsgüter (wie z. B. Leistungsschalter, Hochspannungskabel, Hochdruckpumpen usw.) sind detaillierter zu betrachten. In diesem Segment gibt es nicht nur genaue Spezifikationen und Beschreibungen der Einsetzbarkeit, hier werden die Herstellerfirmen in der Regel auch vom beschaffenden Unternehmen technisch präqualifiziert und erst nach einem definierten Prozess zur Belieferung zugelassen. Auch hier ist Sorge zu tragen, dass im Rahmen dieser Prozesse ausreichend Lieferanten den Präqualifikationsprozess durchlaufen, um einerseits die Versorgung mit derartigen Investitionsgütern sicherzustellen, andererseits aber auch einen Markt für diese Güter aufzubauen, um einen entsprechenden Anreiz für Wettbewerb und Innovationen zu schaffen. Hierzu wird das Asset-Management, gemeinsam mit Einkauf und operativen Serviceexperten einen Prozess aufsetzen, der über Warengruppen, Spezifikationen zu einer Lieferantenstrategie führt und damit die langfristige Verfügbarkeit der benötigten Technologie und Investitionsgüter sicherstellt. Ähnlich wie bei Material und Betriebsmitteln ist auch die Sicherstellung von Dienstleistungspersonal von großer Bedeutung und hier ist insbesondere die Bearbeitungstiefe in einer Organisation zu beachten. Ist ein Servicebereich so aufgestellt, dass er umfassend alle Dienstleistungen und Tätigkeiten erbringen kann, so ist das AssetManagement mit einer direkten Beauftragung am Ziel seiner Aufgabe. In der Regel werden aber große Anteile von Dienstleistungstätigkeiten durch Dritte erbracht werden, die entweder direkt vom Asset-Management oder in der Beauftragungskette vom Servicebereich beauftragt werden. Hier ist zumindest eine kurzfristige Kapazitätssicherung von Dienstleistungskapazität zur Sicherstellung der anstehenden Tätigkeiten erforderlich und in der weiteren Analyse eine mittelfristige Marktbeobachtung zur Entwicklung der Dienstleistungskapazitäten notwendig. Dienstleistungsfirmen haben in der Regel einen begrenzten wirtschaftlichen geografischen Aktionsradius (Fahr- und Regiekostenanteil gegenüber tatsächlicher Tätigkeit) und daher ist diese Analyse auf Infrastrukturgebietsebene durchzuführen, um hier auch mittelfristig Zugriff auf die entsprechende Kapazität mit annehmbaren Kosten zu haben. Auch dieser Teil ist letztendlich eine strategieorientierte Aufgabe des technischen Anlagenmanagements zur Sicherstellung der Umsetzung von definierten Tätigkeiten und Projekten und damit des nachhaltigen Betriebs und Erhalts des Infrastruktursystems.

2.3.2 Betriebspersonal Der Betrieb von Infrastruktursystemen muss stets sichergestellt sein, wobei in der Regel eine Betriebsorganisation hierfür verantwortlich beauftragt wird. Der Betrieb ist direkt mit der Einhaltung von Normen und Regeln verknüpft und benötigt dahin gehend eine

2.3  Sicherstellung der Ressourcen

157

besondere Qualifikation und Ausbildung des Personals. Verantwortliches Betriebspersonal im Strom- und Gasnetz, welches die sogenannte Anlagenverantwortung wahrnimmt, wird z. B. von sogenannten Fachführungskräften geführt, die für diese Funktion einen Nachweis der verantwortlichen Tätigkeit in diesem Netzsegment über mehrere Jahre erbringen müssen. Aus diesem Grund gibt es keinen echten Wettbewerbsmarkt für Betriebsführungspersonal, in der Regel sind hier die Personalkapazitäten bei Infrastrukturbetreibern direkt angestellt. Wenn im Einzelfall die Betriebsführung beauftragt wird, ist in der Regel ein anderes Infrastrukturunternehmen gleicher Sparte der Dienstleistungserbringer, da die Markteintrittsbarriere für „freie“ Dienstleistungsunternehmen mit dieser (sicherlich gerechtfertigten) Randbedingung zu hoch ist. In der Rolle des Auftraggebers für den Netzbetrieb hat auch hier das AssetManagement die Verantwortung nachzuhalten, dass die Kapazität und die Kompetenz des beauftragten Betriebsbereichs ausreichend sind, die definierten Aufgaben im Netzbetrieb nachhaltig und vollumfänglich zu erbringen.

2.3.3 Reserven und Sondersituationen Ein Sonderfall innerhalb des Betriebes von Infrastruktursystemen stellen Störungen, sogenannte Notfälle oder Katastrophensituationen, dar. Da die Dimensionierung eines Infrastruktursystems nicht wirtschaftlich auf alle Eventualitäten ausgelegt werden kann, wird es in Störungssituationen zu Engpässen und Unterbrechungen der Nutzbarkeit der Systeme kommen. Diese zu beheben kann insbesondere bei Ausfall von hochwertigen und komplexen Betriebsmitteln eine lange Zeit in Anspruch nehmen, sodass in der Strategie der Beherrschung derartiger Situationen einerseits Einsatzkonzepte für Personalkapazitäten, andererseits aber auch Reserve- und Entstörungsmaterialien bis hin zu Sonderkonstruktionen zur provisorischen Wiederherstellung der Nutzbarkeit des Systems vorzuhalten sind. Die ausreichende Dimensionierung dieser Materialien und Konstruktionen ist wiederum eine Aufgabe im Asset-Management, da hiermit einerseits die Qualität des Systems (Wiederversorgungszeit, Unterbrechungsdauer usw.) als auch der einzusetzende Kostenaufwand für Organisation und Vorhaltung im Rahmen der betriebswirtschaftlichen und technischen Konzepte des Infrastruktursystems zu betrachten sind. So ist beispielsweise in der Betrachtung der Struktur eines Hochspannungsnetzes die Wahrscheinlichkeit eines (nicht kurzfristig reparierbaren) Trassenausfalls zu definieren, mit der Vorhaltung von welchen Längen von Noteinsatzkabeln oder auch Notgestängen für den provisorischen Mastbau diese Situation in angemessener Zeit beherrschbar ist und zudem, mit welchem Personal (eigen oder fremd) und welcher Reaktionszeit diese Materialien in Einsatz gebracht werden können. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt des Netzbetriebes und damit auch des Asset-Managements, da derartige Konzepte höchst selten zum Einsatz kommen und daher oft vernachlässigt werden.

158

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

2.4 Zusammenfassung In diesem Abschnitt werden die verschiedenen Grundlagen dargestellt, auf deren Basis der Asset Manager seine Aufgaben lösen kann. Wesentlich ist hierbei zuerst die Darstellung der unterschiedlichen Instandhaltungsstrategien, die in Abhängigkeit der Betriebsmittelgruppe eingesetzt werden. In den letzten Jahren wird vermehrt die zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung verwendet, die eine Priorisierung der Instandhaltungsmaßnahmen erlaubt, in Abhängigkeit des Zustands und der Wichtigkeit des Betriebsmittels für das ganze System. Darüber hinaus ist die Anwendung der FuzzyLogik als auch die Verwendung der „Failure Mode Effect“-Analyse ein Hilfsmittel, Instandhaltungsmaßnahme zu beeinflussen. Hierbei ist die Erfassung von Fehlerdaten und deren Aufbereitung eine wesentliche Voraussetzung, um eine optimale Instandhaltung an den Betriebsmitteln durchzuführen. Da die Betriebsmittel der Infrastruktursysteme sich durch eine lange Lebensdauer auszeichnen, sind langfristige Strategien unerlässlich, um eine Erneuerung vorzunehmen. Als Anhaltswerte können grundsätzlich statistische Werte über das Alterungsverhalten der Netzkomponenten angenommen werden, um den Erneuerungsbedarf in den verschiedenen Jahren als Budgetgröße festzulegen. Zusätzlich ist bei den Erneuerungsstrategien auch die zukünftige Netzentwicklung zu betrachten, hierbei sind unterschiedliche Planungsgrundsätze zu definieren. Ziel dieser Überlegungen ist es, die Personal- und auch die finanziellen Ressourcen eines Unternehmens optimal einzusetzen. Diese Planungsgrundsätze sind im Bereich der elektrischen Energieversorgung aufgrund der dezentralen und volatilen Einspeisung durch regenerative Energien (Wind, Sonne) zu modifizieren, da ein eindeutiger Lastfluss, wie in der Vergangenheit üblich, nicht mehr vorhanden ist. In die unterlagerten Spannungsebene wird zum Teil mehr regenerative Energie im Verhältnis zum Verbrauch eingespeist, sodass eine Rückspeisung in die überlagerten Spannungsebenen stattfindet, mit der Konsequenz, dass sich die elektrischen Randbedingungen für eine Dimensionierung ändern. Dieses erfordert die Annahme von verschiedenen Lastszenarien, um eine Überlastung der Betriebsmittel zu vermeiden. Grundsätzlich sind bei der Durchführung der Instandhaltung die entsprechenden nationalen und internationalen Normen zu beachten, wobei in den letzten Jahren die neu geschaffene Norm DIN VDE V 0109 zu nennen ist, in der die verschiedenen Arbeitsschritte bei der Ableitung einer Instandhaltungsstrategie definiert werden, die auch entsprechend zu dokumentieren sind.

Literatur 1. Balzer G, Strnad A, Schnettler A (1997) Rechnergestützte Instandhaltungsplanung für elektrische Netze. ABB Technik, Bd 4, S 21–25

Literatur

159

2. Balzer G, Brandl M, Lehmer (1999) Instandhaltung von Mittelspannungsanlagen. E-Wirtschaft Bd 98(15): 29–34 3. Balzer G, Halfmann M, Neumann C, Orlowska T, Strnad A (2000) Life cycle management of circuit-breakers by application of reliability centered maintenance. Cigre 2000, Paris, Bericht A3, S 13–177 4. Balzer G et al (2002) Life cycle assessment of substations: a procedure for an optimized asset management. Cigre 2002, Paris, Report 13–304 5. Balzer G, Benz T, Priebe J (2003) Erneuerungsstrategien von Mittelspannungsanlagen und Stationen. ETG Fachtagung, Postersession S 4, Zugegriffen: 08. Okt. 2003 6. Balzer G, Heiss A W, Schmitt O (2003) Maintenance strategy using the fuzzy-logic for medium voltage switchgear and substations. CIRED-2003, Barcelona Bd 12, paper 5.05. Zugegriffen: 15. Mai 2003 7. Balzer G, Benz T, Heiss A W, Schmitt O (2003) Optimierung von Instandhaltungsmaßnahmen mit Fuzzy-Logik. Energiewirtschaftliche Tagesfragen, Bd 53(7) 465–469 8. Balzer G, Drescher D, Heil F, Kirchesch P, Meister R., Neumann C (2004) Evaluation of failure data of h.v. circuit-breakers for conditioned based maintenance. Cigre 2004, A3-305, Paris 9. Balzer G, Degen W, Halfmann M, Hartkopf T, Neumann C (2004) Strategies for optimizing the use of substation assets. CIGRE 2004, Paris, B3-101 11. Balzer G, Drescher D, Heil F, Kirchesch P, Meister R, Neumann C (2004) Evaluation of failure data of h.v. circuit-breakers for conditioned based maintenance. CEPSI 2004 10. Balzer G, Neumann C, Halfmann M (2004) Renovation strategy for high voltage AIS and GIS substation. CEPSI 2004, Shanghai, Okt. 18–22, rep 50, T2 12. Balzer G, Drescher D, Heil F, Kirchesch P, Meister R, Neumann C (2005) Selection of maintenance strategy by analysis of service experience. CIGRE SC A3 & B3 Joint Colloquium, Tokyo 2005, rep 113 13. Balzer G, Benz T, Schorn C, Spitzer H (2005) Ganzheitliche Betrachtung erforderlich. Integrietes Asset-Management bei Netzbetreibern. BWK 57, Nr 10, S 62 14. Balzer G, Bakic K, Haubrich H.-J, Neumann C, Schorn C (2006) Selection of an optimal maintenance and replacement strategy of H.V. Equipment by a risk assessment process. Cigre 2006, Paris, Bericht B3, S 103 15. Balzer G, Ammann M, Rinaldi M, Tabara D, Cott G, Mathis M (2009) Rechnergestützte Bewertung von Hochspannungsfreileitungen. Ein standardisiertes Verfahren zur Ableitung von Instandhaltungsmaßnahmen. Bulletin SEV/AES, 8/2009, S 13–17 16. Bertling L, Allan R, Eriksson R (2005) A Reliability-centered asset maintenance method for assessing the impact of maintenance in power distribution systems. IEEE Trans Power Syst 20(1):75–82 17. Boffo W, Koglin H-J, Wellßow W (1994) Zuverlässigkeitsberechnungen mit Daten aus der VDEW-Störungsstatistik. Elektrizitätswirtschaft, Bd 93(94) Aufl 6, S 278–286 18. Bothe H.-H (1997) Neuro-Fuzzy-Methoden. Springer Verlag GmgH, Heidelberg 19. Choonhapran P (2007) Applications of high voltage circuit-breakers and development of aging models. Dissertation Darmstadt 20. Choonhapran P, Balzer G, Rusek B (2006) FMEA-Methode als Hilfsmittel für die Instandhaltung von Hochspannungsleistungsschaltern. Kassel, Nr 62, S 461–467 Zugegriffen: 19.–20. Sept. 2006 21. Cigre-Brochure 083, June (1994) Final report of the second international enquiry on high voltage circuit-breakers and defects in service. WG 06 SC 13 22. Cigre-Brochure 176 (2000) Ageing of the system –impact on planning. Working Group S 37–27

160

2  Aufgaben des Anlagenmanagements

23. Cigre-Brochure 597, June (2014) Transmission asset risk management-progress in application. WG C1.25 24. Cigre-Brochure 660, June (2016) Saving through optimised maintenance in air insulated substations. WG B3.32 25. Cigre-Brochure 787 (2019) ISO series 55000 standards: Implementation and information guidelines for utilities. WG C1.34, December 26. Dena Verteilnetzstudie (2012) Ausbau und Innovationsbedarf der Stromverteilernetze in Deutschland bis 2030. www.dena.de/fileadmin/user_upload/Projekte/Energiesysteme/Dokumente/denaVNS_Abschlussbericht.pdf. Zugegriffen 14. Apr. 2014 27. DINVDE 0670 Teil 611 1997.08 (1997) Fabrikfertige Stationen für Hochspannung/Niederspannung 28. DINVDE 0670 Teil 6: 1998.05 (1998) Metallgekapselte Wechselstrom-Schaltanlagen für Bemessungsspannungen über 1kV bis einschließlich 52kV 29. DIN 31051, Juni 2003 (2003) Grundlagen der Instandhaltung 30. DIN EN 13306:2018-02 (2018) Instandhaltung – Begriffe der Instandhaltung. Beuth Verlag, Berlin 31. DIN VDE 0109:2019-1 (2019) Elektrische Energieversorgungsnetze – Allgemeine Aspekte und Verfahren der Instandhaltung von Anlagen und Betriebsmitteln. VDE, Berlin 32. Drescher D (2004) Rechnergestützte Bewertung von Betriebsmitteln für Instandhaltungs strategien. Shaker Verlag, Aachen Dissertation Darmstadt, 2004 33. Drescher D, Balzer G (2003) A new method for qualitative evaluation of ageing behavior of electrical equipment. ISH 2003, Delft, 25–29. Aug. 2003. 34. Drescher D, Balzer G, Neumann C (2003) Preparing failure data to evaluate electrical equipment and results. ISH 2003, Delft, 25–29. Aug. 2003 35. DVGW-Arbeitsblatt G 401 (1999) Entscheidungshilfen für die Rehabilitation von Gasverteilungsnetzen. Sept. 1999 36. DVGW-Arbeitsblatt W 401 (1997) Entscheidungshilfen für die Rehabilitation in Wasserrohrnetzen. Sept. 1997 37. Dzieia M (2002) Verbesserte Instandhaltung von Hochspannungs-Leistungsschaltern durch Fehleranalyse und Überwachungstechnik. Dissertation TU Darmstadt, ISBN 3-8322-0303-6 38. IEC TS 63060:2019 Electric energy supply networks – General aspects and methods for the maintenance of installations and equipment, Genf, Schweiz 39. IEC White Paper (2015) Strategic asset management of power networks. Genf/Schweiz 40. ISO 55000-55002:2014-01 (2014): Asset management – Overview, principles and terminology; Asset management – Management systems – Requirements; Asset management – Management systems – Guide-lines for the application of ISO 55001 41. Janssen A L J, Sanchis G, Peelo D, Makareinis D, Carvalho A C (2008) Life cycle management of switchgear review of Cigre WG 13.08’s Technical Brochure 165. Cigre 2008, A3-104 42. Krontiris T, Balzer G (2009) Fuzzy and neuro-fuzzy models for condition assessment of power systems equipment. 16th international symposium on high voltage engineering, paper F-4 43. Krontiris T, Bühler J, Balzer G (2009) Fuzzy-Zustandsbewertung von Hochspannungs leistungsschaltern. ETG 2009 44. Lunze J (1995) Künstliche Intelligenz für Ingenieure. Bd 1 und 2. Verlag Oldenbourg 45. Mansour Y, Haffner L, Vankayaka V, Vaahedi E (2005) One asset, one view: integrated asset management at British Columbia transmission corporation. IEEE Power & Energy Magazine, May/June, S 55–61 46. Moubray J (1997) Reliability-centered maintenance, 2. Aufl. Industrial Press Inc, New York

Literatur

161

47. Neumann C, Borchert A., Schmitt O, Balzer G (1997) Zustands- und wichtigkeitsorientierte Instandhaltung und Erneuerung von Hochspannungsschaltanlagen mit Datenbankunterstützung ETG-Fachbericht 97, Diagnostik elektrischer Betriebsmittel, S 145–150 48. Nowlan FS, Heap HF (1978) Reliability-centered maintenance. Springfield, Dolby Access Press, National Technical Information Service 49. PAS 55–1 Asset Management, Part 1 (2008) Specification for the optimized management of physical infrastructure assets. The Institute of Asset Management 50. PAS 55–2 Asset Management, Part 2 (2008) Guidelines for the application of PAS 55–1. The Institute of Asset Management 51. Vatn Rausand MJ (1998) Reliabiliy centered maintenance. In: Soares CG (Hrsg) Risk and reliability in marine technology. Balkema, Holland 52. Sanchis G, Rijks E, Ford G (2009) Asset management and the end-of-life issue. Cigre 2009 6th Southern Africa regional conference. Paper S 101 53. Schmidtner T (2012) Probalistische Methoden in der Netzplanung. Tagungsband VDE Kongress 2012, Stuttgart, P3.10, Zugegriffen: 5.–6. Nov. 2012 54. Schwan, M (2003) Aspekte der Zuverlässigkeitsberechnung elektrischer Energieversorgungsnetze im liberalisierten Markt. Dissertation Saarbrücken, Logos Verlag Berlin 2003 55. Smith A M (1993) Reliability-centered maintenance. McGraw-Hill, U.S. 56. Stürmer J (2001) Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategien in Verteilungsnetzen. Shaker Verlag, Dissertation TU Dortmund 57. TransmissionCode (2007) Netz- und Systemregeln der deutschen Überragungsnetzbetreiber, Version 1.1, August 2007, VDN Verband der Netzbetreiber 58. VDE 0022 (2008): Satzung für das Vorschriftenwerk des VDE, VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V., Frankfurt 59. Verteilnetzstudie Rheinland Pfalz (2014) www.mwkel.rlp.de/file/Verteilnetzstudie-RheinlandPfalz-Endbericht-pdf/_1/. Zugegriffen: 14. Apr. 2014 60. www.iso55000.de/de/asset-management/iso-55000. Zugegriffen: 18. März. 2019 61. Zollenkopf K (1968) Diskussionsbeitrag zur Cigre-Tagung 1968, Gruppe 32, Cigre-Bericht 32–00, Paris 1968 62. Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 2005

3

Steuerungsfunktionen

Anlagenmanagement bedeutet Strategieentwicklung aufsetzend auf gesicherten Erkenntnissen, die in Normen und Regeln von Experten allgemeingültig formuliert und vorgegeben werden. Aber weitergehend ist auch die Aufgabe der Umsetzung dieser Strategien im Rahmen eines Beauftragungsprozesses und Rollenmodells gegeben (siehe auch Kap. 4) und jede Umsetzung muss entsprechend gesteuert werden. Daher benötigt das Anlagenmanagement entsprechende Steuerungsfunktionen, mit der die Umsetzung der Strategien angestoßen und der Erfolg gemessen werden kann, sowie bei Bedarf entsprechende Strategiekorrekturen implementiert werden. Nur mit solchen Funktionen ist die Zielerreichung der dem Anlagenmanagement gestellten Aufgaben sicherzustellen. Auch die frühzeitige Abschätzung der Wirkung von Strategien durch Betriebserfahrung, Simulation oder Statistikbetrachtung stellt in diesem Zusammenhang eine wesentliche grundsätzliche Steuerungsfunktion dar. Die verschiedenen Unterthemen werden in diesem Kapitel genauer analysiert und beschrieben.

3.1 Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen Jede Unternehmung verfolgt einen Geschäftszweck und wird dementsprechend auch am Ergebnis der darauf basierenden Geschäftstätigkeit gemessen. Umgekehrt gilt, dass nur mit einem finanziellen Ergebnis eine entsprechende Unternehmung weiterbetrieben werden kann, weshalb eine Steuerung der betriebswirtschaftlichen Größen unerlässlich ist. Dies gilt herunter gebrochen auch für das technische Anlagenmanagement. Da bei einem Infrastrukturunternehmen natürlich der Mitteleinsatz in den umzusetzenden Strategien für das Ergebnis der Unternehmung von grundlegender Bedeutung ist und entsprechend gesteuert werden muss, gilt diese Sichtweise auch für das technische Anlagenmanagement. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Balzer und C. Schorn, Asset Management für Infrastrukturanlagen – Energie und Wasser, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61526-3_3

163

164

3 Steuerungsfunktionen

Die Gesamtheit der Mittel, die dem Anlagenmanagement zur Verfügung stehen, wird in der Regel in einem sogenannten Budget geplant, bereitgestellt und gesteuert. Dabei gibt es je nach Struktur bzw. Philosophie des Unternehmens und des für die Finanzressourcenplanung eingesetzten IT-Systems unterschiedliche Ausprägungen in der Aufstellung und Gliederung. Die Eindeutigkeit des Budgets und die Zielsetzung, exakt dieses Budget für die anstehenden Aufgaben zu verwenden, bleibt aber bei allen Variationen eine grundlegende Bedingung. Durch die Komplexität der Aufgabenstellung und die Berichtspflicht gegenüber Eigentümer, Aufsichtsbehörde und auch Regulierung wird in den heutigen Infrastrukturunternehmen in der Regel ein ausgeprägtes „Enterprise Resource Planning System“ (ERP siehe auch Abschn. 5.2) eingesetzt, welches die systemseitigen Werkzeuge für Planung und Steuerung automatisch bereitstellt.

3.1.1 Budgetplanung und Aufbau Das Budget umfasst die Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Finanz- bzw. Geldmittel für die Aufgaben des Anlagenmanagements. Die Vorgabe für das Budget entsteht aus zwei Richtungen. Einerseits gibt es eine langfristige Betrachtung mit entsprechenden Randbedingungen, welche Gesamtsumme jährlich erforderlich ist, um die Prozesse, Projekte und Maßnahmen aus dem Anlagenmanagement so zu erfüllen, dass die vom Auftraggeber vorgegebenen Ziele erreicht werden. Dieser Wert lässt sich beispielsweise durch langfristige Simulationsrechnungen darstellen bzw. entwickeln (siehe auch Abschn. 3.4). Die andere Richtung wird grob dadurch bestimmt, in welcher Höhe der Asset Owner in seiner Aufgabe zur Refinanzierung des Infrastruktursystems Erlöse erzielen und damit dem Anlagenmanagement nach Abzug seiner Kosten und seines Verzinsungsanspruches zur Verfügung stellen kann. Die Zusammenführung dieser beiden Richtungen erfolgt in der Regel über die Definition der Randbedingungen und in der Betrachtung der langfristigen Notwendigkeiten. Im Ergebnis führt dies letztendlich zu einem bestimmten Betrag, der je betrachtetes Geschäftsjahr in der Planungsperiode zur Verfügung steht und der damit entsprechend verplant werden kann. Für den darauffolgenden Schritt gibt es den Prozess der Budgetplanung, der eine bestimmte Vorlaufzeit aufgrund der Langfristigkeit der Geschäftsprozesse benötigt. Ein Beispiel für den Ablauf eines solchen Planungsprozesses ist in Abb. 3.1 dargestellt. Der Prozess startet dabei ca. 15 Monate bevor offiziell das geplante Geld in Maßnahmen umgesetzt werden kann. Am Ende des Prozesses steht ein in den einzelnen Segmenten abgestimmtes Budget als Grundlage für alle operativen Aktivitäten. Die in der Planung wirksamen Finanzmittel lassen sich dabei bezüglich ihrer Wirkung auf das Unternehmensergebnis in drei Bereiche einteilen: • Investitionen Aufwendungen für Bauten oder Betriebsmittel, die als Erweiterung verstanden oder im Ersatzfall zum Austausch eigenständiger Wirtschaftsgüter führen und so in jedem

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

Q3X-2

Q1X-1

165

Q2X-1

Q3X-1

Q4X-1

Budget für Geschäftsjahr

ProjektPflichtenidentifikation hefte

Konsolidierung der Gesamtplanung

Finalisierung Budgetplanung

Bereitstellung Geldmittel im ERP-System

Abarbeitung Maßnahmen und Projekte

Maßnahmenplanung

Gremienberatung

Genehmigung Budget durch Gremien

Projektierung und Kalkulation

Lastenheft

Abb. 3.1   Budgetplanungsprozess eines Infrastrukturunternehmens

Fall buchhalterisch aktiviert werden. Diese Aufwendungen wirken im Unternehmensergebnis über die sogenannte Abschreibungsdauer nur mit dem Prozentsatz, der zur Abschreibung angesetzt wird. Dieser Bereich wird auch mit Capital Expenditure (CAPEX) bezeichnet (siehe Abschn. 3.4.3). • Betriebsaufwand Aufwendungen für die gewöhnlichen Betriebsaktivitäten, Störungsbehebungen, Reparaturen usw. sowie den Austausch von solchen Betriebsmitteln, die nicht als eigenständige Wirtschaftsgüter gelten. Diese Mittel führen nicht zu einer buchhalterischen Aktivierung, sondern wirken im Geschäftsergebnis zu 100 % ergebnismindernd. Dieser Bereich wird auch als Operational Expenditure (OPEX) bezeichnet (siehe Abschn. 3.4.3). • Abschreibung für Aufwendungen (AfA) Die sogenannte AfA summiert sich aus den jeweiligen für das betreffende Geschäftsjahr anstehenden jährlichen Abschreibungen aus vorangegangenen Investitionen über die Abschreibungsdauer. Die AfA wirkt dabei ebenfalls zu 100 % ergebnismindernd. Die Besonderheit der AfA besteht darin, dass sie im Normalfall nicht beeinflussbar ist, d. h., der Anschaffungspreis und die Abschreibungsdauer ist festgelegt und damit auch die je Investitionsgut jährlich anfallende Abschreibung. Aufgrund des nicht beeinflussbaren Charakters der AfA ist dieser in der Budgetplanung des Anlagenmanagements nicht relevant und wird im Folgenden auch nicht weiter betrachtet. Damit lässt sich das Budget und seine Planung im ersten Schritt in die beiden Hauptsegmente Investitionen („Invest“) und Betriebsaufwand („Aufwand“) teilen. Die Zuordnung zu den jeweiligen Kostenblöcken ist dabei nicht frei wählbar, sondern erfolgt sozusagen am Ende der Planung automatisch. Dies wird durch die Bilanzierungsregeln des jeweiligen Infrastrukturunternehmens festgelegt, die im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen einen gewissen Spielraum lassen.

166

3 Steuerungsfunktionen

Die Planung selbst wiederum ist bestimmt durch zwei Grundfälle, die auch den Aufbau des Budgets definieren und für die in Abschn. 3.1.2 beschriebene Steuerung einen maßgeblichen Einfluss haben. Diese Grundfälle sind durch den Charakter der Planbarkeit einerseits und der Prognose andererseits definiert. Da das Anlagenmanagement die Planung auf den von ihm entwickelten Strategien wie Erneuerung und Netzentwicklung aufbaut, wird also der planbare Teil seine Grundlage finden und die hier abgebildeten Maßnahmen ihre Herleitung erfahren. Der nicht planbare und damit zu prognostizierende Teil benötigt andere Quellen, um die hier einzuplanenden Geldmittel zu verifizieren und eine stabile und realistische Grundlage für einen Budgetplan zu schaffen. Die beiden Segmente und die Planungsgrundfälle in Abb. 3.2 sind bei allen Budgetplanungen die Grundelemente und stellen somit die allgemeingültige Basis dar. Ausgehend von dieser Basis ist es für die Handhabbarkeit und auch zur Schaffung von Gruppierungsmöglichkeiten sinnvoll, die Budgetplanung in weitere sogenannte Budget- oder Controlling-Elemente zu unterteilen. Für eine derartige Unterteilung gibt es keine allgemeingültige Nomenklatur und Festlegung, diese ist unternehmensindividuell und teilweise spartenabhängig. Im Nachfolgenden soll exemplarisch ein Beispiel einer derartigen Planungsgliederung aufgezeigt werden, wie sie für Infrastrukturunternehmen anwendbar ist, Tab. 3.1. Wie bei jeder Klassifikation gibt es Sonderfälle und Grenzbereiche, die jeweils bezüglich der Zuordnung entschieden werden müssen, aber in der aufgezeigten Struktur lassen sich alle Geschäftsvorfälle im Anlagenmanagement budgettechnisch abbilden. • Inspektion Betriebsmittel und Anlagen müssen regelmäßig inspiziert werden. Die Zyklen und Tätigkeiten werden je Segment im Rahmen der Instandhaltungsstrategie, wie in Abschn. 2.1 beschrieben, festgelegt und beauftragt. Im Rahmen der Budgetplanung werden diese dann über das gesamte Mengengerüst des Infrastruktursystems mit Stunden und letztendlich in Finanzmitteln bewertet und dargestellt. Aufgrund dieser Herleitung ist die Inspektion ein vollständig planbares Controlling-Element in der Budgetplanung. Dazu ist die Inspektion eine reine Instandhaltungstätigkeit und

Budgetplan „Invest“

„Aufwand“ planbar Prognose

Controlling-Elemente: a) Inspektion b) Wartung c) Instandsetzung d) Erneuerung e) Neubau f) extern veranlasst g) Grundleistung

Abb. 3.2   Basisaufbau eines Budgetplans mit beispielhafter Planungsgliederung

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

167

Tab. 3.1  Beispiel einer Planungsgliederung Element

Attribut Aufwand

Invest

Planbar

Prognose

Inspektion

Ja

Nein

Ja

Nein

Wartung

Ja

Nein

Ja

Nein

Instandsetzung

Ja

Nein

Nein/teilweise

Ja

Erneuerung

Teilweise

Teilweise

Ja

Teilweise

Neubau

Nein

Ja

Teilweise

Teilweise

Extern veranlasst

Teilweise

Teilweise

Nein

Ja

Grundleistung

Ja

Nein

Nein

Ja

beinhaltet keinerlei aktivierungsfähige Anteile. Daher werden in diesem Element nur „Aufwands“-Mittel geplant. Tätigkeiten der Inspektion sind z. B. Anlagenbegehung, Zustandserfassung mittels Checkliste, Kontrolle des Ölstands, einfache Funktionsprüfung, usw. • Wartung Die Argumentation für die Wartungstätigkeit entsteht aus zwei Quellen, einerseits die Vorgaben des Herstellers, andererseits die Erkenntnisse und Erfahrung des Infrastrukturbetreibers über die notwendigen Tätigkeiten aus Inspektion und langjährigem Betrieb. Auch die Wartung wird mit notwendigen Tätigkeiten und Durchführungsindikationen in der Instandhaltungsstrategie festgelegt und ist damit ebenso wie die Inspektion vollständig planbar. Kurzfristige, ungeplante Wartung kommt in einem derartigen System der vorausschauenden und gesteuerten Instandhaltung unter der Regie eines Anlagenmanagers äußerst selten vor und wird daher in der Planung vernachlässigt. Die Wartung beinhaltet wie die Inspektion keine investiven Anteile und damit ist in diesem Controlling-Element ebenfalls reiner „Aufwand“ verplant. Tätigkeiten in der Wartung sind z. B. Austausch von Verschleißteilen, Vegetationspflege im Umfeld von Anlagen und Leitungen, Prüfen und Schmieren von beweglichen Teilen, Ölaufbereitung oder Ölwechsel, Reinigen von Filtern und Pumpen, Erneuern von Korrosionsschutz, usw. • Instandsetzung Da in jedem Infrastruktursystem mit einem größeren Mengengerüst und einer homogenen Altersstruktur sowie Zustandsverteilung kontinuierlich Störungen und Schäden auftreten, müssen auch für dieses Segment entsprechende Geldmittel vorgesehen werden. Da aber letztendlich weder Ort noch instandsetzungsbedürftige Betriebsmittel zum Zeitpunkt der Budgetplanung bekannt sind, handelt es sich in der Regel um ungeplante Tätigkeiten. Es gibt jedoch in diesem Segment einen Graubereich, einerseits bei untergeordneten Schäden, die die Funktionsfähigkeit des Betriebsmittels nicht grundsätzlich verhindern und andererseits bei sehr aufwendigen Reparaturen bzw. langen Lieferzeiten von notwendigen Ersatzteilen. Dieser Graubereich kann

168

3 Steuerungsfunktionen

aufgrund der Langfristigkeit der Reparatur auch zu den planbaren Aufwendungen gerechnet werden, weshalb in Tab. 3.1 für die Planbarkeit dieses Segments zusätzlich „teilweise“ eingetragen ist. Der Schaden würde zwischenzeitlich bestehen bleiben bzw. durch eine provisorische Lösung entschärft werden. Aus diesem Grund setzt sich die Budgetsumme für dieses Element einerseits aus den Geldmitteln für bereits bekannte Schäden, die in einem geordneten Reparaturplan behoben werden, und andererseits aus einem prognostizierten auf Erfahrung beruhenden Teil zusammen. Die zugrunde liegende Prognose wird in der Regel durch das Schadensgeschehen in den einzelnen Betriebsmittel- und Anlagenklassen des Infrastruktursystems und die dafür aufgewendeten Gelder in den vorangegangenen 3–5 Jahren bestimmt. Hier wird deutlich, dass speziell bei den Prognosen eine Historisierung und Dokumentation der Störungen und Schäden inklusive der betriebswirtschaftlichen Daten für eine gute Zukunftsplanung im Anlagenmanagement von großer Bedeutung ist. Eine weitere Besonderheit der Instandsetzung besteht darin, dass sie teilweise auch zu ungeplanter Erneuerung führen kann. Dieser Umstand ist bei der in Abschn. 3.1.2 beschriebenen Steuerung und dem Controlling zu beachten, da er Auswirkungen bei der „Plan-IST-Überprüfung“ hat. Die Prognose ist auch bei knappen Budgets realistisch durchzuführen, da die Instandsetzung weitestgehend zwangsweise umgesetzt werden muss und eine „Optimierung“ der Budgetsumme auf eine definierte Obergrenze durch Reduzierung der Planposition „Instandsetzung“ infolge unrealistischer Prognosen nicht erfolgversprechend in Hinblick auf die Budgeteinhaltung ist. Beispiele für Instandsetzungstätigkeiten sind Reparatur der Muffen bei Stromkabeln, Austausch defekter Isolatoren, Ausbessern der Beschichtung von Gasrohren bei Schäden, Auswechseln defekter Sicherungen, Abdichten von Dächern von Stationsgebäuden, Neuwicklung eines Großtransformators im Werk, Erneuern eines beschädigten Kabelverteilerschrankes, usw. • Erneuerung Eine weitere Strategie im Anlagenmanagement ist die Erneuerungsstrategie. In der Regel gibt es historische Investitionszyklen bei Infrastruktursystemen. Auch bei langlebigen Investitionsgütern, um die es sich bei Betriebsmitteln als Komponenten z. B. von Energieversorgungsnetzen handelt, gibt es die Erfordernisse einer kontinuierlichen Erneuerung, um nicht „aus der Substanz zu leben“. Der Anlagenmanager analysiert diese Erneuerungserfordernisse mit entsprechenden Werkzeugen und ermittelt ein entsprechendes jährliches Mengengerüst, welches in den einzelnen Anlagenklassen und bei Betriebsmitteln zur Erneuerung ansteht. Dieses Mengengerüst gewichtet mit den spezifischen Tagesneuwerten ergibt den entsprechenden Budgetplan für die Erneuerung. Aus dieser Herleitung ist erkennbar, dass das Erneuerungsbudget vollständig planbar ist. Dadurch, dass je nach Bilanzierungsspielregeln in den Unternehmen unterschiedliche Erneuerungsumfänge als abgeschlossene Wirtschaftsgüter aktiviert werden, ist das Verhältnis von „Aufwand“ und „Invest“ durch die

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

169

unternehmensindividuellen Regeln bestimmt. Sicher ist jedoch, dass es immer beide Bereiche im Erneuerungsbudget geben wird. Beispiele für Erneuerungen sind der Austausch von Transformatoren, der leistungsgleiche Neubau einer Umspannanlage, die Verkabelung einer Freileitung, der Austausch von Sekundärtechnik durch neue Generation von IT, der Austausch von kurzen Rohrabschnitten aufgrund von Undichtigkeiten. • Neubau Infrastruktursysteme folgen im Ausbau immer den Bedürfnissen ihrer Kunden in Bezug auf Wachstum bzw. Veränderung. Findet also irgendwo Wachstum statt, aber auch beispielsweise Stilllegung von Industriestandorten und ggf. Konzentration an anderer Stelle, führt dies zum Netzausbau bzw. zu Veränderungen in der Zielnetzbetrachtung. Dabei ist Neubau in zwei Bereichen begründet, einerseits durch das langsame Wachstum auf der Kundenseite, welches nach Erreichen von Auslastungsgrenzen zu Sprunginvestitionen zur Erweiterung der Kapazität des Systems führt, andererseits werden von extern angestoßenen konkreten Projekten Maßnahmen zur Erweiterung und Neubau von Infrastrukturteilen abzuleiten sein. Der erste Anteil ist also in einer langfristigen Entwicklung im System selbst begründet und auf lange Sicht operativ und damit auch im Budget vom Anlagenmanager planbar. Der zweite Teil dagegen wird in der Regel von außen induziert. Dies kann durchaus auch kurzfristig geschehen, tatsächlich wird ein größerer Teil der Neubaumaßnahmen durch externe Faktoren in Zeiträumen konkretisiert, die eine individuelle Berücksichtigung im Budgetplanungsprozess nicht zulassen. Dieser Teil ist somit nur durch eine Prognose budgettechnisch zu erfassen. Als Grundlage einer diesbezüglichen Prognose stehen dem Anlagenmanagement z. B. öffentliche Informationen wie Geschäftsklima, Auftragsvergabe in der Bauwirtschaft (z. B. wie in Abb. 3.3) aber auch direkte Kontakte mit kommunalen Bauämtern und Industriekunden zur Verfügung. Dennoch ist speziell dieser Anteil mit einer hohen Unsicherheit behaftet, da vom Infrastrukturunternehmen nicht beeinflussbare Entwicklungen durchaus kurzfristig eintreten können. So können große Projekte mit entsprechenden Budgetmitteln in letzter Minute am öffentlichen Widerstand scheitern oder kurzfristige staatliche Förderprogramme zu einem Bauboom in bestimmten Regionen führen. Speziell Unternehmen für die Versorgung mit elektrischer Energie haben hier aufgrund der gesetzlichen Anschlusspflicht keine Wahlmöglichkeit, sondern müssen eine notwendige Netzentwicklung verpflichtend umsetzen. Ein weiterer zwangsweiser Neubau in großem Umfang ist in diesem Bereich durch die im Erneuerbaren Energie Gesetz (EEG) getroffenen Festlegungen mit der Anschlusspflicht und der Netzausbaupflicht des Netzbetreibers gegeben. Bei einem nennenswerten zusätzlichen Finanzmittelbedarf durch diese Effekte kann hier auch die Budgetsteuerung in einem einzelnen Geschäftsjahr an ihre Grenzen stoßen. Als Neubau bzw. Netzentwicklung zählen z. B. die Erschließung neuer Wohngebiete mit Infrastruktur, Zubau eines neuen Leistungstransformators wegen Lastwachstum,

170

3 Steuerungsfunktionen

Abb. 3.3   Entwicklung des Geschäftsverlaufs der Bauwirtschaft in Baden-Württemberg [77]

Erweiterung eines Industrieanschlusses wegen Produktionswachstum, Verlegung einer neuen Gaspipeline zur Sicherstellung der Versorgungszuverlässigkeit, Netzverstärkungen zum Anschluss dezentraler EEG-Erzeugungsanlagen usw. • Extern veranlasst Infrastruktursysteme haben vielfältige Berührungspunkte zu Kunden, zu anderen Infrastruktursystemen und zu öffentlichen Organisation wie Kommunen, Entwicklungsgesellschaften u. ä. Die Anlagen und Betriebsmittel beeinflussen deren Bauvorhaben und Projekte bzw. werden von diesen beeinflusst. Je nach Art der Beeinflussung, Gestaltung der Vertragsbeziehung oder gesetzlichen Bestimmungen muss ein Infrastrukturunternehmen bei Anforderung dritter Parteien seine Anlagen verändern, entfernen oder aber temporär absichern, um die Ausführung der Maßnahmen dieser Dritten zu ermöglichen. Unabhängig davon, ob hierfür die Verursacher kostenpflichtig sind, was sich in einer hier nicht behandelten Erlösplanung widerspiegeln würde, müssen auch derartige Maßnahmen des Infrastrukturunternehmens in einer Budgetplanung berücksichtigt sein, damit zur Ausführung entsprechende Geldmittel zur Verfügung stehen. Externe Projekte werden eher kurzfristig beim Infrastrukturunternehmen angemeldet, damit sind diese Maßnahmen im Rahmen des ordentlichen Budgetplanungsprozesses nicht planbar, sondern prognostiziert werden müssen. Dabei ist die Basis neben den Erfahrungswerten aus den vergangenen Geschäftsjahren

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

171

die gleiche wie beim Neubau, da das Geschäftsklima der Wirtschaft natürlich auch Auswirkungen auf die Menge der Projekte Dritter hat und damit das Aufkommen der von dritten veranlassten Maßnahmen mitbestimmt. Die hier umzusetzenden Themen haben in der Regel „Aufwands“-Charakter, können aber durchaus auch investiver Natur sein, wenn beispielsweise eine Freileitung einem Bauvorhaben im Weg ist und deshalb an anderer Stelle eine neue Kabelverbindung entsteht. Weitere Beispiele in diesem Segment sind die Isolierung von elektrischen Dachständerhausanschlüssen bei privaten Dachsanierungen, Umlegen von Leitungen bei Straßenneubau, usw. • Grundleistung Neben allen Einzelmaßnahmen und exakt identifizierbaren Projekten gibt es einen Bereich von Tätigkeiten, die für den sicheren Betrieb auf der Basis von Standards, Normen und Gesetzen von Infrastrukturunternehmen von existenzieller Bedeutung sind. Diese übergreifenden Tätigkeiten werden als Grundleistung bezeichnet. Sie sind nicht einzelnen Geschäftsergebnissen zuordenbar, stellen aber die Basis des geregelten Betriebs dar. Der Umfang dessen, was als Grundleistung in der Budgetplanung berücksichtigt wird, ist von der Unternehmenssteuerungsphilosophie und dem zugrunde liegenden Rollenmodell in der Organisation abhängig. Er orientiert sich aber immer am bestehenden Mengengerüst des Systems selbst und auch an dem Umfang des ansonsten auftretenden Geschäftsvolumens. Da diese Randbedingungen in genügender Genauigkeit im Planungsprozess bekannt sind, lassen sich auch die Grundleistungen entsprechend genau planen. Neue aktivierungsfähige Wertschöpfung entsteht durch Grundleistung nicht, weshalb diese zu 100 % im „Aufwands“-Bereich abgebildet wird. Ohne die Abbildung der Grundleistung in der Budgetplanung oder an anderer geeigneter Stelle ist ein Gesamtüberblick über die notwendigen Aufwendungen im vom Anlagenmanagement zu vertretenden Verantwortungsbereich nicht möglich. Beispiele für Grundleistungen sind Planauskunft bei Tiefbauarbeiten, Stellungnahmen zu Anfragen Dritter, Netzplanung ohne konkretes Projekt, Durchführung von Studien, usw. Mit diesem Modell lässt sich exemplarisch ein entsprechender Budgetplan aufbauen, der als Grundlage aller operativen Tätigkeiten die notwendigen Geldmittel budgetiert, d. h. zur Maßnahmenumsetzung bereitstellt. Hiermit sind in diesem Zusammenhang nicht nur Geldmittel zur Beauftragung externer Firmen, sondern auch für die Erbringung innerbetrieblicher Leistungen gemeint, also die Verrechnung von eigenen Mitarbeitern des Infrastrukturunternehmens. Vor dem Hintergrund des in Kap. 4 noch eingehend zu beschreibenden Rollenmodells stellt also der Budgetplan das vom Anlagenmanagement benötigte Geldvolumen zur Beauftragung von Asset Service zur Sicherstellung und Durchführung aller innerhalb eines Geschäftsjahres notwendigen Maßnahmen, Projekte und Tätigkeiten im Betrieb eines Infrastruktursystems dar.

172

3 Steuerungsfunktionen

3.1.2 Budgetsteuerung und Controlling Durch den Abschluss und die Bereitstellung eines genehmigten Budgets vor Beginn des zu betrachtenden Geschäftsjahres gemäß Abb. 3.1, wird das Anlagenmanagement in die Lage versetzt, in den entsprechenden Segmenten, die durch die ControllingElemente abgedeckt werden, die Beauftragung von Projekten und Tätigkeiten durchzuführen. Wie bereits bei der Definition der Controlling-Elemente beschrieben, ist ein Teil der Positionen auf der Grundlage von Prognosen geplant, zudem können auch exakte Projektplanungen durch Einflüsse von dritter Seite oder Unwägbarkeiten im Ablauf selbst obsolet werden. Um derartige Mechanismen zu überblicken und jederzeit handlungsfähig im Sinne von Reaktion auf unerwartete Anforderungen zu sein, muss das Anlagenmanagement eine Systematik für das Controlling und darauf aufsetzend Instrumente zur Steuerung des aktiven Budgets entwickeln und anwenden. Bei der hier anzuwendenden technischen Tiefe des Controllings ist zu unterscheiden, ob das Budget als Ganzes gesteuert werden soll oder aber einzelne Projekte oder Segmente in der Beauftragung zu beobachten sind. Eine weitere zu treffende Festlegung ist die Frequenz, in der ein Controlling durchgeführt werden soll. Diese beiden Randbedingungen, Tiefe und Frequenz, sind unternehmensabhängig und werden durch die hier definierten Ziele bestimmt. In der Regel sind diese Ziele und deren minimale Erreichung dadurch bestimmt, dass das Anlagenmanagement im betrachteten Geschäftsjahr das Budget nicht überschreitet, die thematisch zugeordneten Geldmittel (z. B. Neubau, Erneuerung) sachgemäß verwendet und somit die Substanz und Betriebsfähigkeit des Infrastruktursystems wie in der Planung vorgesehen erhält. Um dieses rudimentäre Ziel zu erreichen, muss der Anlagenmanager lediglich die Mittelabflüsse der einzelnen Segmente im Auge behalten und über das Jahr hinweg beispielsweise in jedem Quartal einen ausreichenden Sicherheitsabstand zur genehmigten Budgetsumme halten, um unvorhergesehene Sachverhalte sicher abdecken zu können. Zum Jahresende hin wird die Wahrscheinlichkeit solcher unvorhergesehenen Projekte aufgrund der verbleibenden Zeit geringer. Die „normalen“ Projekte werden forciert, um die vorgesehenen Mengen an Erneuerung umzusetzen und damit die Strategie zu erfüllen. Der hieraus bekannte Effekt wird auch als „Jahresendrally“ bezeichnet. Betrachtet man die Budgetauslastung über die Zeit, führt eine derartige Steuerung zu einem ausgeprägten Knick, dem sogenannten „Hockeystick“ im entsprechenden Auslastungsdiagramm, da in den letzten Wochen des Geschäftsjahres ein beträchtlicher Prozentsatz des Jahresbudgets umgesetzt wird. Diese einfachste Art der Steuerung ist nach wie vor weit verbreitet. Die hieraus entstehenden Nachteile wie mangelnde Kontinuität der Abarbeitung, Engpässe im Lieferantenmarkt, eingeschränkte Reaktionsfähigkeit usw., die noch dadurch verstärkt werden, dass diese Steuerung auch bei anderen am Prozess beteiligten Partnern (z. B. Kommunen, Ämter, Nahverkehr) angewendet wird, erfordern eine Optimierung und auch Detaillierung dieses Prozesses, um den Anforderungen einer modernen Unternehmenssteuerung auch auf dem Sektor der Infrastruktur zu genügen.

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

173

Budgetplanungsprozess Die Basis des Controllings besteht in der im vorigen Abschnitt beschriebenen Planung. Die Überprüfung der prognostizierten Aufwendungen in den nicht planbaren Segmenten sowie die Verfolgung der planbaren Projekte und Maßnahmen wird in der vorhandenen Planungstiefe regelmäßig durchgeführt. Um eine Planung nicht nur auf den Erreichungsgrad ihres Endwertes einem Controlling zu unterwerfen, muss auch ein Auslastungsverlauf bzw. ein Hochlauf des Budgets über das Geschäftsjahr geplant werden. Dieser Hochlauf wird zu jedem Controlling-Zeitpunkt für jedes Prognosesegment, jedes Projekt und jede Maßnahme durch einen Planwert bestimmt, der dann in einem PlanIst-Vergleich überprüft werden kann. Der Zyklus der Überprüfung folgt dabei auch dem normalerweise monatlichen Zyklus der Unternehmenssteuerung, d. h., es wird ein monatlicher Controlling-Bericht erstellt, der mindestens die Controlling-Elementebene abdeckt. Die Summe der einzelnen Hochlaufplanungen lassen sich über das gesamte Budget hochaggregieren, es entsteht aus der Zusammenfassung stufenweise ein Hochlauf je Gesamtprojekt, je Infrastrukturelement und zuletzt für den Gesamtwert von OPEX und CAPEX. Ein Beispiel für eine derartige Gesamthochlaufkurve sowie für einen möglichen monatlichen Controlling-Bericht ist in Abb. 3.4 dargestellt. Der Budgetbericht gibt einerseits den Überblick für das technische Anlagenmanagement, wie sich die Budgetumsetzung im Vergleich zur Planung darstellt. Zudem erhält man auf der ersten Ebene die Indikation, welche Segmente und dort welche Controlling-Elemente von der Planung abweichen. Der Detaillierungsgrad bzgl. der Kennzahlen, die in diesem Bericht enthalten sein sollen, ist von der Zielstellung der Budgetsteuerung abhängig. Zu den in Abb. 3.4 beispielhaft aufgeführten Informationen können weitere hinzugefügt werden. Unterscheidung von Mittelabfluss nach extern und innerbetrieblichen Leistungen, Anzahlungen, Obligos, Erlöse von Dritten sind nur einige Beispiele für zusätzliche Kennzahlen, die Informationen für bestimmte Steuerungssachverhalte liefern können. Mit den damit vorliegenden Informationen ist der Anlagenmanager in der Lage, gezielt die Positionen zu analysieren und bis auf die Maßnahmenebene Ursachen für die Plan-Ist-Abweichung festzustellen. Controlling wird also in diesem Zusammenhang tatsächlich als Grundlage für Steuerung benötigt. Sollte sich auf der hier betrachteten Controlling-Ebene, die damit auch als Steuerungsebene definiert ist, keine Abweichung zeigen, so wird der Anlagenmanager nicht tiefer in die Analyse einsteigen, da Plan-Ist-Abweichungen auf tieferer Ebene für die Gesamtsteuerung nicht relevant sind. Verlassen jedoch einzelne Elemente und damit in Folge auch der Gesamtwert die Toleranzwerte eines Monatsberichtes, ist die Möglichkeit gegeben, die entsprechenden Werte auf deutlich tieferer Ebene zu überprüfen. Die möglichen Ursachen für Budgetabweichungen können hierbei vielfältig sein, wie nachfolgend aufgeführt: • Fehlerhafte Planung bzw. Kalkulation von Einzelmaßnahmen, • unvorhersehbare Mehrungen bei Projekten, • zeitliche Verzögerung (z. B. längere Baugenehmigung, Wetter),

174

3 Steuerungsfunktionen

a

Budget-Hochlauf OPEX (Juni) Segment

ControllingElement

Plan (gesamt)

Plan (Monat)

IST (Monat)

Abweichung in %

E-Netz-A

Inspektion

15.000

8.500

8.200

-2.0

Wartung

22.000

14.000

14.700

+3.2

Instandsetzung

4.000

2.000

1.600

-2.0

Neubau

57.000

23.000

21.900

-2.0

Erneuerung

63.000

29.000

30.000

+0.8

Extern

34.000

14.000

15.300

+3.8

Grundleistung

12.000

6.000

6.000

+0.0

Summe

207.000

96.500

97.700

+0.5

Bemerkung

b

250 T€

Plan gesamt

Plan Monat

Plan IST

+Toleranz

-Toleranz

200

150

100

50

0

Abb. 3.4   Beispiel für ein „Hochlauf“ des Jahresbudget. a Darstellung in Tabellenform (monatlich). b: Jahresdarstellung

• Engpass bei Lieferanten oder Dienstleistern, • Prognoseabweichungen (z. B. Konjunkturentwicklung, Rohstoffpreise), • Auftreten systematischer Fehler.

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

175

Singuläre Ereignisse, wie z.  B. Orkane, Überschwemmungen oder andere Naturkatastrophen, können in der Regel nicht über eine Budgetsteuerung ausgeglichen werden und sind daher in dieser Betrachtung nicht relevant. Die Wirkung kann sich jeweils in positiver, also zu frühe bzw. zu hohe, oder in negativer und damit zu späte bzw. zu geringe Budgetauslastung auswirken. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass in die maßgeblichen Abweichungen eher in negativer Richtung gehen, da Verzögerungen eher auftreten als zu schnelle Projektabläufe und auch bei der Projektkalkulation eher Sicherheiten bzw. Positionen für Unvorhergesehenes eingeplant werden. Da die exakte Erfüllung der Planung eine Idealvorstellung ist und das Vorhandensein oben beschriebener Abweichungsursachen eher die Regel, wird in der Realität die Notwendigkeit zur Steuerung für das Anlagenmanagement gegeben sein. Damit werden ggf. Maßnahmen eingeleitet, um z. B. die Budgetwerte in den einzelnen Segmenten oder insgesamt in das Toleranzband zurück zu führen. Es wird dabei davon ausgegangen, dass die Auslastung des Gesamtbudgets zum Jahresende und dazu auch die Einhaltung des unterjährig vorgesehenen Hochlaufs die zu erfüllenden Prämissen sind. Für die Finanzsteuerung ist das zur Verfügung stellen von liquiden Geldmitteln zum richtigen Zeitpunkt ein wichtiger Faktor zur Zinssteuerung, weshalb insbesondere die zweite Prämisse von Bedeutung ist. Für die Steuerung sind verschiedene Möglichkeiten gegeben, die sowohl in positiver, beschleunigender als auch in negativer, bremsender Richtung wirken müssen, um die Einhaltung der Prämissen zu ermöglichen. Sie lassen sich in folgende Kategorien einteilen: • zeitvariable Maßnahmen, • umfangsvariable Maßnahmen, • zusätzliche Projekte, • Budgetanpassungen. Betrachtet man die thematische Zusammensetzung des Budgets nach Controlling-Elementen, so sind die wenigsten Positionen für den Einsatz von ­ Steuerungsmaßnahmen geeignet. Wie in Abb. 3.5 dargestellt, sind einige dieser Blöcke konstant bzw. nicht beeinflussbar. Vielmehr entstehen zu steuernde Ausgleichmechanismen und die Maßnahmen zielen nur auf die variablen Teile innerhalb des Gesamtbudgets. In der Basis 1 nach Abb. 3.5 sind die aus Inspektion und Wartung kommenden Maßnahmen verpflichtend umzusetzen, hier liegen in der Regel Haftungsprobleme zugrunde, weshalb von einer zeit- und umfanggerechten Umsetzung ausgegangen wird. Die Basis 2 beruht auf Prognosen und Erfahrungswerten und bietet aber im Entstehungsfall ebenfalls nicht die Wahl zur Umsetzung oder Nichtumsetzung. Defekte oder gestörte Betriebsmittel müssen instandgesetzt werden und auch die von extern angeforderten Maßnahmen, sofern gesetzlich oder vertraglich begründet müssen umgesetzt werden. Sind jedoch die Umfänge über den Jahresverlauf anders als abgeschätzt, müssen entweder

176

3 Steuerungsfunktionen

Netz 1 Neubau (Netzplanung + Prognose)

Erneuerung (geplante Projekte)

Zusatzprojekte

z. B. aus kommenden Jahren vorgezogen

Ausgleichsmechanismus

Basis 2: Instandsetzung / Extern (Prognose) Basis 1: Inspektion / Wartung (kalkulierbar) Budgetvolumen

verpflichtend umzusetzen

100 % Abb. 3.5   Mechanismen der Budgetsteuerung

aus anderen Blöcken Budgetmittel zugeführt oder aber nicht ausgelastete Mittel durch andere Projekte sinnvoll verwendet werden. Da der einzig wirklich steuerbare Bereich die Erneuerung ist, gilt dieser Block als natürlicher variabler Steuerungsbereich um Geldmittel zur Verfügung zu stellen oder aber aufzunehmen. Dieser Ausgleichsmechanismus wird in Abb. 3.5 durch den Doppelpfeil zwischen Basis 2 und Erneuerung beschrieben. Der Bereich Neubau ist zu unterteilen in Prognose, also Maßnahmen, die durch Erschließung von Wohngebieten oder Ansiedlung von Industrie entstehen, und Netzplanung, die dazu dient, die Versorgungsqualität und sichere Versorgung durch geeignete Infrastruktursysteme zu garantieren. Die aus der Netzplanung entstehenden Maßnahmen sind zumindest in geringen Grenzen zeitvariabel, d. h., einige Projekte lassen sich zumindest in das nächste Budgetjahr verschieben. Damit stellen eine erste Quelle für Steuerungsmaßnahmen innerhalb dieses Blockes selbst dar, indem Mittel, die für Netzplanungsmaßnahmen vorgesehen waren, auch zum Ausgleich einer zu geringen Prognose im Wachstumsbereich genutzt werden können. Reicht dieser interne Ausgleichsmechanismus nicht aus, wird wieder der Block Erneuerung als abgebender oder auch aufnehmender Budgetbereich verwendet. Tritt nun der Fall ein, dass in der Planung alle Positionen zu hoch berücksichtigt waren, d. h., das Störungsgeschehen tritt nicht im angenommenen Umfang auf und auch die Wachstumsprojekte und extern veranlassten Maßnahmen bleiben hinter den Erwartungen zurück, so steht im Block „Erneuerung“ mehr Geld zur Verfügung als in der ursprünglichen Maßnahmenplanung tatsächlich Betriebsmittel für die Erneuerung vorgesehen waren. Auch innerhalb des Bereichs Erneuerung kann es zu Verzögerungen von Projekten kommen. Wie bereits beschrieben, ist dies der Bereich, der dem Anlagenmanagement das größte Potential der Entscheidung und damit der Steuerung bietet. Die Maßnahmen innerhalb der Erneuerung sind, sofern nicht störungsbedingt oder sicherheitsrelevant, sowohl zeitvariabel als auch umfangsvariabel entweder mit

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

177

beschleunigender als auch mit bremsender Wirkung gestaltbar. Zudem können zusätzliche, kurzfristig umsetzbare Erneuerungsprojekte definiert werden, in der Regel durch zeitlich geringfügig frühere Erneuerung von Betriebsmitteln, die erst im folgenden Budgetjahr zur Erneuerung vorgesehen sind. Die letztgenannte Kategorie der Steuerungsmaßnahmen, die Budgetanpassung, stellt keine technische, sondern eine betriebswirtschaftliche Steuerung dar. Hier stehen im Wesentlichen Großprojekte mit zweckgebundenen Mitteln sowie Kundenprojekte mit hohem Erlösanteil im Fokus. Im Rahmen einer Budgetsteuerung macht es technisch keinen Sinn, derartige Projekte zu kompensieren. Diese Themen werden entweder kundengetrieben später umgesetzt oder durch Umdisposition der Geldmittel finanzwirtschaftlich wie durch Bildung von Rückstellungen o. ä. ausgesteuert. Dabei ist neben der Budgetplanung meist auch die Erlösplanung betroffen. Ohne Berücksichtigung der Budgetanpassung stehen damit den hauptsächlich zu betrachtenden Abweichungssachverhalten im Budget die in Tab. 3.2 aufgezeigten Steuerungsmöglichkeiten sowie Kombinationen hieraus gegenüber. Diese Steuerung nach Tab. 3.2 lässt sich natürlich im Detail deutlich verfeinern, folgt aber schon in diesen Grundzügen konsequent der Linie des Anlagenmanagements einer kontinuierlichen und langfristig konsequenten Umsetzung der Erneuerungsstrategie und Vermeidung großer Sprünge in den Budgetplanungen einzelner Jahre im planbaren Bereich. Dies bedeutet, dass sich eventuelle Schwankungen im Prognosebereich durch • den Ausgleich über den Erneuerungsblock aussteuern lassen, • die Anpassung der Planung über mehrere Jahre dies ausgleichen lassen, • entsprechendes Vorziehen bzw. Verschieben von Maßnahmen ausgeglichen werden und dennoch eine technische Steuerung mit Erreichen der verabschiedeten Strategieziele ermöglicht wird. Eine möglichst geringe Plan-Ist-Abweichung im Budget ist damit auch ein Qualitätsnachweis, dass die Steuerungsprozesse des Anlagenmanagements effektiv eingesetzt werden.

3.1.3 Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen Bei einer Investitionsentscheidung ist es unumgänglich, verschiedene Lösungen auch aus wirtschaftlicher Sicht zu bewerten, wenn die technischen und umweltbedingten Randbedingungen eingehalten werden. Hierfür werden verschiedene Methoden zur Verfügung gestellt, um zu einer optimalen Investitionsentscheidung zu gelangen.

3.1.3.1 LCC und TCO In der Praxis werden die beiden Begriffe LCC (Life Cycle Costs, Lebensdauerkosten) und TCO (Total Costs of Ownership) häufig synonym verwendet und hiermit die Aufwendungen

Ausgleich Geldmittel von Erneuerung zu Basis 2 umschichten Geldmittel von Basis 2 zu Erneuerung umschichten

Geldmittel von Erneuerung zu Neubau umschichten. Geldmittel von Neubau in Erneuerung umschichten Keine Umschichtung von Geldmitteln, Ausgleich durch zeitvariable Erneuerungsmaßnahmen

Abweichung

Basis 2 zu gering geplant/prognostiziert

Basis 2 wird nicht ausgelastet

Neubau erfolgt in größerem Maße als prognostiziert, Netzplanungsprojekte reichen zur Kompensation nicht aus

Neubau bleibt hinter den prognostizierten Erwartungen zurück

Geplante und budgetierte Erneuerungsprojekte verzögern sich in der Abwicklung

Tab. 3.2  Steuerungsmöglichkeiten bei Budgetabweichung Steuerung

Vorziehen von Projekten aus dem Folgejahr, Geldmittel des Folgejahres werden für die verzögerten Projekte verwendet

Aufsetzen kurzfristig umsetzbarer Erneuerungsprojekte, Vorziehen aus dem Folgejahr

Reduktion der Erneuerung, Verschieben von Projekten ins Folgejahr

Zeitgesteuertes Anpassen der Prognose für Basis 2 und Aufsetzen kurzfristig umsetzbarer Erneuerungsprojekte. Vorziehen von Projekten aus dem Folgejahr

Reduktion der Erneuerung, Verschieben von Projekten ins Folgejahr

178 3 Steuerungsfunktionen

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

179

für eine Anlage über einen festgelegten Betrachtungszeitraum definiert. In diesem Zusammenhang werden die beiden Kostenbetrachtungen wie folgt definiert: • Life Cycle Costs: Sämtliche Aufwendungen für den Kauf, den Betrieb und der Entsorgung einer Anlage, incl. der Vorarbeiten während der Projektphase, hierbei erfolgt die Berechnung mithilfe der Barwertmethode. • Total Costs of Ownership: Neben den Aufwendungen bei der Berechnung der Aufwendungen Lebensdauerkosten werden zusätzlich noch indirekte Kostenarten berücksichtigt, die darüber hinaus noch eine unproduktive Nutzung des Betriebsmittels oder des gesamten Prozesses in Betracht zieht oder weitere Risiken aus dem gesamten Geschäftsprozess. Da diese Kostenarten im Prinzip sehr schwierig quantifizierbar sind, ist deren Betrachtung grundsätzlich nicht einfach. Darüber hinaus wird im Allgemeinen die Kapitalwertmethode angewendet, hierbei stellt diese Vorgehensweise die Summe der Barwerte (Abschn. 3.1.3.2) aller Ausgaben und Einnahmen innerhalb der Nutzungsdauer dar, Gl. (3.1).

K0 = B0E + B0A

(3.1)

Mit:  apitalwert K0  K B0E     Barwert der Einnahmen B0A   Barwert der Ausgaben Wenn der Kapitalwert positiv ist, ist das Investitionsvorhaben wirtschaftlich bzw. die Investitionsvariante vorzuziehen, die den höchsten Kapitalwert hat. Aus der Kapitalwertmethode kann der interne Zinssatz p bestimmt werden, bei dem der Kapitalwert K0 nach Gl. (3.1) den Wert null hat. Der so ermittelte Zinssatz wird mit den Kapitalzinsanforderungen eines Investors verglichen. Die Bewertung einer Investition mithilfe der Kapitalwertmethode ist z. B. bei einem Kraftwerksprojekt sinnvoll, da in diesem Fall die Einnahmen aus dem Verkauf der elektrischen Energie direkt der Kraftwerksinvestition zugeordnet werden können. Im Gegensatz hierzu ist es jedoch bei einer Investition in eine Infrastrukturmaßnahme, z. B. eine Leitung, nicht einfach möglich, die zusätzliche Einnahme durch diese Investition einer einzelnen Netzkomponente zuzuordnen. Aus den oben genannten Gründen wird bei der weiteren Betrachtung in diesem Buch ausschließlich die Berechnung der Life Cycle Costs (LCC) ausführlich dargestellt, Abschn. 3.1.3.2 bis 3.1.3.5.

3.1.3.2 Lebensdauerkosten Die Ermittlung der Lebensdauerkosten (Life Cycle Costs, LCC) ist heute ein wesentlicher Bestandteil der Kostenbetrachtung, um unterschiedliche Optionen bei der Erstellung einer Anlage zu vergleichen, beispielhaft können somit die gesamten Aufwendungen einer Freiluftanlage (AIS) mit denen einer gasisolierten Anlage (GIS) verglichen werden. Hierbei

180

3 Steuerungsfunktionen

werden bei jeder Variante jeweils sämtliche Kosten addiert, die im Laufe der Nutzungsdauer einer Anlage auftreten, incl. der Entsorgungskosten. Anschließend wird der jeweilige Barwert unter Berücksichtigung eines Zinsfaktors ermittelt, der als Vergleich von verschiedenen Lösungen herangezogen werden kann. Mithilfe dieser Methode werden alle Zahlungen, d. h. einmalige Investitionen, Verluste, Steuern, Personal usw. auf einen festen Zeitpunkt ab- oder aufgezinst. Hierbei werden spätere Aufwendungen, wenn sie auf einen früheren Zeitpunkt bezogen werden, abgezinst und umgekehrt. Das grundsätzliche Vorgehen kann Abb. 3.6 entnommen werden, indem die jährlichen Zahlungen B1 bis BN über den betrachteten Zeitraum aufgetragen werden (grüne Balken). In diesen Fällen wird vorausgesetzt, dass die Zahlungen am Ende des Jahres anfallen. Anschließend werden diese Beträge auf einen Zeitpunkt (z. B. Jahr „null“) abgezinst (blaue Balken). Der Barwert B0 über den gesamten Zeitraum ergibt sich dann nach Gl. (3.2) aus der Addition sämtlicher Teilzahlungen incl. der Aufwendung für die Anfangsinvestition. −1

B0 = I0 +B1 ·(1 + p)

−2

+B2 ·(1 + p)

+. . .+BN ·(1 + p)

−N

= I0 +

N 

Bn · (1 + p)−n

n=1

(3.2)

Mit I0 Bn p  N 

 nfangsinvestition A Aufwendung im n-ten Jahr Kalkulationszinssatz Nutzungsdauer

Unter der Voraussetzung, dass die jährlichen Zahlungen (Bn = B1) konstant sind, vereinfacht sich Gl. (3.2) zu:

B0 = I0 + B1 ·

Abb. 3.6   Anwendung der Barwertmethode (schematisch); N Ende der Nutzungsdauer

(1 + p)N − 1 (1 + p)N · p

(3.3)

B BN I0 B1

0

1

B2

2

B3

3

B4

4

B5

5

...

N

Jahre

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

181

Der mithilfe der Gl. (3.2) ermittelte Barwert berücksichtigt nicht einen möglichen Restwert der Anlagen bzw. des Betriebsmittels, der am Ende der Nutzungsdauer u. U. noch vorhanden ist. Wird im Gegensatz hierzu noch ein Restwert R vorausgesetzt, so ergibt sich für den Barwert:

B0 = I0 +

N 

Bn · (1 + p)−n − R · (1 + p)−N

(3.4)

n=1

Wenn die laufenden jährlichen Ausgaben B1 … BN sich nur durch die Inflationsrate i unterscheiden (es werden keine unterschiedlichen Ausgaben in einem Jahr betrachtet), so ergibt sich der Barwert unter Berücksichtigung des Restwertes zu:

B0 = I0 + B1 ·

N 

(1 + p)−n · (1 + i)n−1 − R ·

n=1

(1 + i)N−1 (1 + p)N

(3.5)

Die Berechnung der Lebensdauerkosten erfolgt im Folgenden nach [50] bez. sinngemäß nach der IEC-Norm 60300-3-3 [47]. In dieser IEC-Norm wird die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Ermittlung der Life-Cycle-Kosten im Bereich der Elektrotechnik vorgestellt, sodass im Weiteren die Anwendung dieses allgemeinen Verfahrens auf die Betrachtung von Betriebsmitteln der elektrischen Energieversorgung, z. B. Hochspannungs-Freiluft-Schaltanlagen, angewendet wird. Abb. 3.7 zeigt die unterschiedlichen Kostenblöcke, die bei der Berechnung der Lebensdauerkosten zu betrachten sind. Zur besseren Darstellung werden die Betrieb- und Instandhaltungskosten im Gegensatz zu [47] getrennt erfasst, sodass zwischen den abgebildeten Kostenarten unterschieden werden kann. Vielfach hat es sich als sinnvoll erwiesen, zwischen den übergeordneten Gruppierungen, nämlich: Investitionskosten, Kosten aus dem Besitz und Entsorgungskosten, zu unterscheiden, sodass sich die folgende Zuordnung ergibt: • Investitionskosten:

Konzepterarbeitung/Engineering, Fertigung-, Herstellungskosten, (Installationskosten)

• Kosten aus dem Besitz:

(Installationskosten), Betrieb, Wartung

• Entsorgungskosten

Entsorgung

Konzepterarbeitung

Engineering

Fertigung/ Herstellkosten

Installation

Betrieb

Abb. 3.7   Arbeitsschritte bei der Ermittlung der Life-Cycle-Kosten

Instandhaltung

Entsorgung

182

3 Steuerungsfunktionen

Die Installationskosten können in Abhängigkeit eines aktuellen Projekts und dessen Umsetzung zwei Kostengruppierungen zugeordnet werden.

3.1.3.3 Definitionen Die nachfolgenden Definitionen geben einen Überblick über die Inhalte der unterschiedlichen Kostenarten. Konzepterarbeitung/Engineering Für die Berechnung dieser Aufwendungen wird der Zeitaufwand für die Konzepterarbeitung, zum Beispiel beim Auftraggeber, und das Engineering der Anlage berücksichtigt, hierbei werden die Kosten betrachtet, die während der Spezifikations- bzw. Planungsphase anfallen. Fertigung/Herstellungskosten Diese Kosten umfassen den Betrag, der für die Herstellung und Vertrieb des Produktes seitens des Auftragnehmers anfallen. Sie stellen somit den Auftragswert für die Anlage dar, jedoch ohne Aufstellungs- und Inbetriebnahmekosten. Gesondert sind die Kosten für Monitoringsysteme aufzuschlüsseln, da diese Kosten gegebenenfalls zusätzlich bei der Bewertung der zustandsabhängigen Wartung des Betriebsmittels zu betrachten sind. Installation Bei der Berechnung der Installationskosten sind alle Aufwendungen zu berücksichtigen, die Vorort geleistet werden müssen, bevor die Anlage in Betrieb genommen werden kann. Hierunter zählen beispielhaft folgende Aufwendungen für die unterschiedlichen Leistungen: Genehmigungen, Bau, Transport, Erdungsanlage, Material, Prüfungen und Montage. Betrieb Sämtliche Aufwendungen, die für den Betrieb der Anlage notwendig sind, werden berücksichtigt. Diese sind im Besonderen die Kosten für Arbeitszeit, Material und Stromwärmeverluste der Betriebsmittel (z. B. strom- und spannungsabhängige Transformatorverluste, Schulung des Personals usw.). Instandhaltung Grundsätzlich gehen bei der Berechnung der Instandhaltungskosten die unterschiedlichen Instandhaltungsstrategien in die Betrachtung ein. Folgende Tätigkeiten können beispielhaft hierzu zusammengefasst werden: Inspektionen, Revision der Schaltanlagen, Trassenpflege bei Freileitungen, Inspektionen usw. Mögliche Instandhaltungsstrategien sind, wie im Abschn. 2.1.1 detailliert beschreiben: ereignisorientiert zeitabhängig zustandsorientiert.

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

183

Eine zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung, wie sie heute vielfach angewendet wird, führt nicht zu einer anderen Bewertung der finanziellen Aufwendungen gegenüber der zustandsabhängigen Wartung, da sich in erster Linie nur die Reihenfolge der instand zuhaltenden Geräte aufgrund der Wichtigkeit der Betriebsmittel für das elektrische System ändert; die Anzahl der Betriebsmittel, die gewartet werden müssen, ist hiervon jedoch unbeeinflusst. Hierbei wird davon ausgegangen, dass sich die Fehlerrate gegenüber der zustandsabhängigen Instandhaltung nicht ändert. In Abhängigkeit der unterschiedlichen Instandhaltungsstrategien sind verschiedene Aufwendungen für Wartung/Revision bzw. Reparatur im Falle einer Störung zu betrachten, diese sind im Einzelnen: • ereignisorientiert: Da bei dieser Instandhaltung ein Austausch des Betriebsmittels erst nach einem Ausfall erfolgt, ist ausschließlich der „major“- Fehler und die für die Behebung einer Störung anfallenden wahrscheinlichen Arbeits- und Materialkosten, bezogen auf ein Jahr, zu berücksichtigen. Eine Inspektion bzw. eine Wartung/Revision des Betriebsmittels findet nicht statt. • zeitorientiert: In diesem Fall erfolgen alle Aktivitäten (incl. des Austauschs) nach fest vorgegebenen Zeitintervallen, sodass alle Aufwendungen für Inspektionen und Revisionen (in Abhängigkeit der Zeitintervalle) betrachtet werden. Zusätzlich werden die wahrscheinlichen Arbeits- und Materialkosten für störungsbedingte Fehler („minor“ und „major“) berücksichtigt. • zustandsorientiert: Bei der zustandsabhängigen Wartung erfolgen die Instandhaltungsaktivitäten in Abhängigkeit des Zustands des Betriebsmittels. Berücksichtigt werden die Aufwendungen für Inspektionen und Revisionen (in Abhängigkeit des Zustands). Zusätzlich werden die wahrscheinlichen, jährlichen Arbeits- und Materialkosten für störungsbedingte Fehler („minor“ und „major“) ermittelt. Darüber hinaus müssen Aufwendungen für die zusätzliche Investition eines Monitoringsystems und die Feststellung bzw. Auswertung des Betriebsmittelzustands (Diagnose, Analyse, Zustandserfassung) berücksichtigt werden. Grundsätzlich sind somit die folgenden Aufwendungen nach Tab. 3.3 bei den verschiedenen Strategien zu beachten. Es wird zwischen einer Inspektion bzw. einer Revision und zwischen der Störungsbehebung von „minor“- und „major“-Fehlern unterschieden. Tab. 3.3 gibt an, welche Kostenpositionen bei den unterschiedlichen Strategien zu berücksichtigen sind. Hierbei ist es grundsätzlich möglich, dass auch bei Betriebsmitteln, die einer ereignisorientierten Instandhaltung unterzogen werden, regelmäßig Inspektionen durchgeführt werden können. Bei den oben beschriebenen Instandhaltungsstrategien sind grundsätzlich unterschiedliche Fehlerraten für „minor“- und „major“-Fehler zu berücksichtigen, da im Allgemeinen vorausgesetzt wird, dass die jährlich auftretenden Störungen bei den Betriebsmitteln eine Folge der angewendeten Instandhaltungsstrategie sind. Darüber

184

3 Steuerungsfunktionen

Tab. 3.3  Zuordnungen bei der Berechnung der Instandhaltungskosten Instandhaltung

Inspektion

Revision

Störungsbehebung „minor“ Fehler

Störungsbehebung „major“ Fehler

Ereignisorientiert

(X)



(X)

X

Zeitabhängig

X

X

X

X

Zustandsorientiert

X

X

X

X

hinaus fallen noch Ausfallkosten an, die wirtschaftlich zu bewerten sind, z. B. Schäden an zusätzlichen Betriebsmitteln, entgangener Umsatz des Versorgungsunternehmens, volkswirtschaftlicher Schaden der nicht gelieferten Energie, Pönale aufgrund von Versorgungsunterbrechungen usw. Entsorgung Bei der Berechnung der Entsorgungskosten sind die folgenden Aufwandsarten zu berücksichtigen: Arbeits-, Material- und Entsorgungskosten. Anfallende Recyclingentgelte (z. B. Kupferwicklungen bei Transformatoren) sind als Gutschriften von den Aufwendungen abzuziehen. Grundsätzlich ist die Angabe von Entsorgungskosten kritisch zu werten, da die tatsächlich in der Zukunft anfallenden Kosten im Wesentlichen von gesetzlichen Grundlagen abhängen, die in der Regel heute noch nicht bekannt sein müssen. Aus diesen Gründen ist es zulässig, die Entsorgungskosten unter Berücksichtigung der heutigen Vorschriften in die Betrachtung anzusetzen. Zusätzliche Eingabewerte Für die Berechnung der Lebensdauerkosten werden folgende zusätzliche Eingabedaten zu den bereits oben erwähnten Angaben berücksichtigt: • Zinsfaktor, • technische Nutzungsdauer der Betriebsmittel, • Inflationsrate, • Stundensatz (für Ingenieurleistungen und Montage). Unter Berücksichtigung einer vorgegebenen Nutzungsdauer einer gesamten Schaltanlage, z. B. 50 Jahre, haben unter Umständen verschiedene einzelne Betriebsmittel in der Praxis hiervon abweichende Lebensdauern, sodass diese nach deren kürzerer Nutzungsdauer ausgetauscht werden müssen. In diesen Fällen reduziert der noch vorhandene Restwert der neuen Betriebsmittel den gesamten Barwert der Anlage am Ende des Betrachtungszeitraums beim endgültigen Rückbau.

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

185

3.1.3.4 Beispiel: Lebensdauerkosten einer 380-kV-Schaltanlage in Freiluftausführung Die grundsätzliche Vorgehensweise der Lebensdauerkosten-Berechnung wird im Folgenden an Hand der Bewertung einer 380-kV-Schaltanlage in Freiluftausführung gezeigt [15]. Das Ziel dieser Berechnung ist es, den Barwert dieser Anlage zu ermitteln, indem alle Aufwendungen während der Nutzungsdauer nach Gl. (3.1) auf das Investitionsjahr abgezinst werden. Die betrachtete Anlage besteht aus insgesamt fünf Feldern, wobei die nachfolgend aufgeführten Betriebsmittel berücksichtigt werden (Anzahl der betrachteten Komponenten): • • • • • •

Anlage 1 Leistungsschalter 5 Transformator 1 Trennschalter 25 Wandler 15 Sekundärtechnik (Feld) 5

Die Sekundärtechnik stellt hierbei den Schutz und die Steuerung der gesamten Anlage dar, während mit der Bezeichnung „Anlage“ alle Komponenten einer Schaltanlage enthalten sind, die in der Aufzählung nicht einzeln erwähnt sind, Sammelschiene, Abspannung, Portale usw. Instandhaltungsstrategien und Fehlerraten Für die oben aufgeführten Betriebsmittel einer Schaltanlage werden heute unterschiedliche Instandhaltungsstrategien angewendet, auf die sich jeweils die verschiedenen Fehlerraten der Betriebsmittel zur Berechnung der Störungskosten beziehen. Diese Strategien sind im Einzelnen in Abhängigkeit der Betriebsmittel für die weitere Betrachtung wie folgt vorausgesetzt: • ereignisorientiert:

– Anlage – Wandler

• zustandsorientiert:

– Leistungsschalter – Trennschalter

• zeitorientiert:

– Transformator – Sekundärtechnik

Die Ausfallkosten der Betriebsmittel werden durch die Ausfallraten (major/minor) beeinflusst, die in Tab. 3.4 beispielhaft für die unterschiedlichen Betriebsmittel aufgeführt sind. Aus diesen Werten ermitteln sich die wahrscheinlichen Ausfallkosten pro Jahr. Bei Betriebsmitteln, die ereignisorientiert behandelt werden, weitet sich jeder „minor“Fehler zu einem „major“-Fehler aus, sodass Ausfallkosten aufgrund von „minor“Fehlern nicht möglich sind und somit auch nicht berücksichtigt werden (Tab. 3.3). Für die Sekundärtechnik wird angenommen, dass ausschließlich „minor“-Fehler, die nicht zu einer direkten Ausschaltung führen, auftreten.

186

3 Steuerungsfunktionen

Tab. 3.4  Fehlerraten für unterschiedliche Betriebsmittel (Ausfälle pro Jahr)

Betriebsmittel

„major“-Fehler

„minor“-Fehler

Anlage

0,220



Leistungsschalter

0,025

0,152

Transformator

0,025

0,050

Trennschalter

0,0015

1)

Wandler

0,001



Sekundärtechnik



0,010

1) im Allgemeinen vernachlässigbar

Für die Fehlerbehebung einer Störung fallen in Abhängigkeit der verschiedenen Betriebsmittel und Fehlerarten unterschiedliche Aufwendungen für Personal-, Materialaufwendungen (Reparaturkosten) an, die aus Tab. 3.5 hervorgehen. Neben den störungsbedingten Kosten (Reparaturkosten), sind bei der zeitorientierten Instandhaltung jeweils die Aufwendungen für eine Inspektion und Revision in Abhängigkeit der festgelegten Zeitintervalle zu berücksichtigen. Bei den weiteren Berechnungen werden die Daten nach Tab. 3.6 verwendet. Hierbei wird vorausgesetzt, dass bei den Daten für die Leistungs- und Trennschalter Mittelwerte für Inspektionen und Revisionen eingesetzt werden, obwohl die Instandhaltung zustandsabhängig erfolgt. Die in diesem Abschnitt grundsätzlichen Daten werden bei der Ermittlung der Instandhaltungskosten als Grundlage verwendet. Konzepterarbeitung Die Anzahl der Arbeitsstunden zur Ausarbeitung der Spezifikation der HochspannungsSchaltanlage kann in diesem Beispiel mit ca. 48 h abgeschätzt werden, dieses setzt jedoch voraus, dass bereits ausreichende Vorkenntnisse aus anderen Projekten vorhanden sind.

Tab. 3.5  Typische Personal- und Materialkosten für die Beseitigung einer Störung Betriebsmittel

„major“-Fehler

„minor“-Fehler

Arbeitszeit/h

Materialkosten/T€

Arbeitszeit/h

Materialkosten/T€

Anlage

16

5





Leistungsschalter

24

25

8

0,5

Transformator

40

150

8

5,0

Trennschalter

16

5

1)

1)

Wandler

16

10





Sekundärtechnik





8

0,5

1) im Allgemeinen vernachlässigbar

187

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

Tab. 3.6  Daten zur Berechnung der Aufwendungen für eine zeitorientierte/zustandsorientierte Instandhaltung Betriebsmittel Leistungsschalter

Revision

Inspektion

Intervall/a

Zeit/h

Material/€

Intervall/a

Zeit/h

12

48

1500

6

4

Material/€ 100

Trennschalter

4

24

200

1)

1)

Transformator

6

8

1500

2

4

1000

1)

Sekundärtechnik

4

8

1000

2

1

100

1) im Allgemeinen vernachlässigbar

Engineeringkosten Die Erarbeitung des endgültigen Layouts für die betrachtete Anlage einschließlich der Engineering-Tätigkeiten erfordert einen Zeitaufwand von ungefähr 160 Arbeitsstunden (Ingenieurleistungen), auch in diesem Fall gilt, dass diese Angaben im Einzelfall von den Vorkenntnissen abhängig sind. Fertigungs- und Herstellkosten Für die verschiedenen Betriebsmittel einer Schaltanlage werden die Fertigungs- und Herstellkosten nach Tab. 3.7 grob abgeschätzt, die Gesamtsumme kann mit ca. 12,6 M€ abgeschätzt werden. Den größten Einfluss auf den Gesamtwert der Herstellungskosten hat hierbei die „Anlage“ mit 45 %, während die Leistungsschalter nur mit ca. 5 % in die gesamte Kalkulation eingehen (Tab. 3.7). Installationskosten Zu den Installationskosten einer Schaltanlage zählen unterschiedliche Einzelaufwendungen, z. B.: Bauleistungen, Material-, Montage- und Transportkosten, Aufwendungen für die Erstellung der Erdungsanlage und Prüfungen. Der Betrag der Installationskosten kann hierbei mit ca. 1,5 M€ abgeschätzt werden, wobei die Anlage mit 54 % den größten Anteil ausmacht (Tab. 3.7). Tab. 3.7  Teilkosten in Abhängigkeit der Betriebsmittel (Prozentwerte) Betriebsmittel

Herstellung

Installation

Betrieb

Entsorgung

Anlage/%

45

54

2

22

Leistungsschalter/%

5

5



25

Transformator/%

26

7

94

11

Trennschalter/%

8

16



23

Wandler/%

12

10



14

Sekundärtechnik/%

4

8

4

5

Gesamtkosten/M€

12,6

1,5

0,13a

0,27

agesamte

Betriebskosten pro Jahr

188

3 Steuerungsfunktionen

Betriebskosten In den Betriebskosten je Jahr (131 T€, Tab. 3.7) für die gesamte Freiluftschaltanlage sind folgende Tätigkeiten bzw. Aufwendungen enthalten, abhängig vom Betriebsmitteltyp: • Anlage:

Begehung der Freiluftanlage, Rasenschnitt, Schneeräumung, usw.

• Transformator:

Leerlauf- und Kurzschlussverluste

• Sekundärtechnik:

Upgrade der Software

Bei der Beurteilung der Transformatorverluste, die sowohl von der Betriebsspannung als auch von der Strombelastbarkeit abhängig sind, wird ein Lastfaktor von 0,4 berücksichtigt für die Ermittlung der Kurzschlussverluste. Die Gestehungskosten elektrischer Energie werden bei der Bewertung mit 3,5 ct/kWh angesetzt. Instandhaltungskosten Bei den Instandhaltungskosten werden die heutigen Strategien für die unterschiedlichen Betriebsmittel nach dem Unterabschnitt „Instandhaltungsstrategien und Fehlerraten“ berücksichtigt. • Die wahrscheinlichen Instandhaltungskosten für die Betriebsmittel, die ereignisorientiert behandelt werden (Anlage/Wandler), summieren sich auf einen jährlichen Betrag von ca. 1,1 T€. Hierbei werden nur Störungskosten aufgrund von „major“Fehlern betrachtet, da jeder „minor“-Fehler sich aufgrund der nicht durchgeführten Instandhaltungsmaßnahme zu einem „major“-Fehler auswirkt. • Bei der Bestimmung der Instandhaltungskosten im Falle einer zeitorientierten Wartung (Transformator/Sekundärtechnik) ist zwischen folgenden Aufwendungen zu unterscheiden: – Kosten für eine Inspektion bzw. Revision (Tab. 3.8), – Wahrscheinliche, jährliche Reparaturkosten aufgrund eines „major“- oder „minor“Fehlers. • Bei der Berechnung der Instandhaltungskosten bei Betriebsmitteln, die einer zustandsorientierten Instandhaltung unterzogen werden (Leistungsschalter/Trennschalter), werden ähnlich wie bei der zeitorientierten Instandhaltung die gleichen Kostenarten berücksichtigt. Tab. 3.8  Aufwendungen für Revisionen und Inspektionen der Betriebsmittel, die zeitorientiert bzw. zustandsorientiert gewartet werden, in T€ (die Anzahl der Betriebsmittel ist berücksichtigt) Betriebsmittel

Revision/T€

Inspektion/T€

Leistungsschalter

25,5

1,3

Trennschalter

45



Transformator

3,3

1,2

Sekundärtechnik

5,5

0,9

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

189

Die jährlichen Aufwendungen für Wartungsarbeiten der Betriebsmittel werden nach Tab. 3.8 bewertet, während bei der Ermittlung der Reparaturkosten die Fehlerraten und die notwendigen Aufwendungen zur Beseitigung der Störung nach den Tab. 3.3 und 3.4 in die Berechnung eingehen. Aus diesen Angaben ermitteln sich die wahrscheinlichen, jährlichen Reparaturkosten der Störungen unter Berücksichtigung der Anzahl der Geräte zu: • • • •

Leistungsschalter: 4,5 T€ Trennschalter: 0,23 T€ Transformator: 4,1 T€ Sekundärtechnik: 0,1 T€

Bei der Berechnung der wahrscheinlichen, jährlichen Reparaturkosten werden sowohl Beschädigungen an anderen Betriebsmitteln als auch Kosten für die nicht gelieferte Energie an einem Netzknoten nicht berücksichtigt. Dass letztere aus dem Grund, da als Folge der Netztopologie des 380-kV-Netzes es nicht zu einer unmittelbaren Versorgungsunterbrechung in den unterlagerten Spannungsebenen kommen sollte. Entsorgungskosten Bei den Entsorgungskosten für die verschiedenen Betriebsmittel werden Gutschriften für Materialien (z. B. Kupfer im Falle des Transformators), berücksichtigt. Der Wert der Entsorgungskosten beträgt somit ca. 270 T€ für die gesamte Schaltanlage, Tab. 3.7. Ermittlung des Barwertes Die Ermittlung des Barwerts einer Anlagenvariante gibt einen Überblick sämtlicher Zahlungen, die über einen festgelegten Zeitraum anfallen, abgezinst z. B. auf das Jahr der Installation der Schaltanlage, Gl. (3.1). Für die Berechnung werden folgende Daten verwendet: • Zinssatz:

6,5 % bzw. 10 %

• Inflationsrate:

2 %

• Nutzungsdauer – Betriebsmittel:

40 Jahre

– Sekundärtechnik:

20 Jahre

• Abschreibungszeit (Betriebsmittel):

25 Jahre

• Reparaturkosten:

Siehe Unterabschnitt: Instandhaltungskosten

• Wartungskosten:

Siehe Unterabschnitt: Revision/Inspektion

• Wartungszyklus:

Tab. 3.6

• Betrachtungszeitraum:

40 Jahre

190

3 Steuerungsfunktionen

Zur Vereinfachung der Betrachtung wird eine maximale Nutzungsdauer der Betriebsmittel von 40 Jahren angenommen, mit Ausnahme der Sekundärtechnik, da in diesem Fall aufgrund der Technologie mit einer geringeren maximalen Nutzungsdauer gerechnet wird. Der Austausch erfolgt somit nach 20 Jahren, sodass in diesem Fall nach 40 Jahren noch kein Restwert der Sekundärtechnik berücksichtigt werden muss. Für eine Beurteilung der Lebensdauerkosten einer gesamten Anlage werden im Folgenden die Barwerte (Abschn. 3.1.3.2) sämtlicher Betriebsmittel addiert, sodass auf dieser Basis die Wichtigkeit der verschiedenen Komponenten bezüglich der anfallenden finanziellen Aufwendungen dargestellt werden kann. Die Barwerte stellen die gesamten Aufwendungen einer Anlage über den betrachteten Zeitraum dar. Barwert der Schaltanlage Abb. 3.8 zeigt die Aufteilung des Barwertes der untersuchten Freiluftschaltanlage (17,3 Mio. €) auf die einzelnen Betriebsmittel bei einem Zinssatz von 6,5 %. Bei einer Erhöhung des Zinssatzes auf 10 %, verringert sich der Gesamtbarwert auf 16,1 Mio. €, da der Barwert der jährlichen Kosten aufgrund der Abzinsung wesentlich geringer ist. Es ist offensichtlich, dass sowohl die Anlage als auch der Transformator mit jeweils 39 % bzw. 34 % den größten Einfluss auf den gesamten Barwert haben, wohingegen die übrigen Komponenten von geringerer Bedeutung sind.

Sekundärtechnik 5.3% Trennschalter 8.4%

Transformator 33.6%

Wandler 9.8%

Anlage 37.9%

Leistungsschalter 5.0%

Abb. 3.8   Barwert der 380-kV-Schaltanlage bei einem Zinssatz von 6,5 % [15]

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

Störungen 10.2%

Entsorgung 1.5%

191

Inspektion 0.2% Revision 3.5%

Investition 84.7%

Abb. 3.9   Barwert der Leistungsschalter (Zinssatz 6,5 %) [15]

Barwert von Betriebsmitteln Die Abb. 3.9 und 3.10 zeigen die Barwerte von zwei unterschiedlichen Betriebsmitteln (Leistungsschalter und Transformator), welche zeitorientiert gewartet werden, jeweils bezogen auf die verschiedenen Teilkosten. Bei den Leistungsschaltern haben die Investitionskosten einen Anteil von 84,7 % bezogen auf den gesamten Barwert, während die Inspektionskosten von geringer Bedeutung sind (0,2 %). Die wahrscheinlichen Störungskosten (Reparaturkosten) gehen mit insgesamt 10,2 % in die Berechnung ein. Im Gegensatz hierzu haben bei der Darstellung des Transformators (Abb. 3.10) die Betriebskosten (Verluste des Transformators) einen erheblichen Einfluss auf den gesamten Barwert mit 41,5 %, während die Investitionskosten nur einen Anteil von 56,7 % ausmachen. Die übrigen Kostenanteile haben eine untergeordnete Bedeutung. Die Schlussfolgerung für den Asset Manager besteht somit darin, dass neben den Investitionskosten auch die Verlustkosten eines Transformators bei der Investitionsentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind. Die Teilkosten „Inspektion/Revision“ und „Störung“ können grundsätzlich für eine Betrachtung der Veränderung einer Instandhaltungsstrategie herangezogen werden, da die Instandhaltung einen unmittelbaren Einfluss auf die beschriebenen Teilkosten haben sollte und hiermit auch der finanzielle Rahmen einer Veränderung angegeben wird. Dieses bedeutet, dass eine Reduktion der Instandhaltungsaufwendungen unter ein definiertes Niveau zu einer Erhöhung der Fehlerrate und damit zu höheren Störungskosten führen wird und umgekehrt. Einfluss der Instandhaltungsstrategie Im Allgemeinen ist es möglich, mithilfe der Berechnung der Lebensdauerkosten, den Einfluss einer geänderten Instandhaltungsstrategie auf den Barwert zu untersuchen.

192

3 Steuerungsfunktionen Inspektion 0.1%

Revision 0.2%

Betrieb 41.5%

Entsorgung 0.1%

Störungen 1.4%

Investition 56.7%

Abb. 3.10   Barwert des Transformators (Zinssatz 6,5 %) [15]

Grundsätzlich korrelieren die Veränderung einer Instandhaltungsstrategie und damit der Zyklus einer Inspektion/Revision mit der Störungsrate des Betriebsmittels. Dieses bedeutet, dass beispielhaft der Übergang von einer zeitorientierten zu einer zustandsorientierten Strategie eine Veränderung der Fehlerrate (major/minor) zur Folge haben sollte. Die grundsätzliche Betrachtungsweise, um den Einfluss einer geänderten Instandhaltung aufzuzeigen, wird in diesem Fall anhand von Leistungsschaltern gezeigt. Ein Übergang von einer zeitorientierten zu einer zustandsabhängigen Instandhaltung erfordert in der Regel die Installation eines Monitoringsystems bzw. eines zusätzlichen Aufwands für die Bewertung des Zustands aus den Messergebnissen. Wenn der Vorteil eines Überwachungssystems beurteilt werden soll, sind grundsätzlich zwei Extremvarianten möglich, da der finanzielle Aufwand für eine Zustandsüberwachung (Einbau eines Monitoringsystems) zwangsläufig die Investitionskosten vergrößert. Diese zusätzlichen Aufwendungen können entweder durch verminderte Störungskosten (Variante a) oder durch reduzierte Revisions- und Inspektionskosten (Variante b) aufgefangen werden. Darüber hinaus wird in der Praxis eine Kombination dieser beiden Varianten auftreten, jedoch wird dieses im Folgenden nicht betrachtet. Der gleiche Effekt ergibt sich auch, wenn anstelle eines zusätzlichen Monitoringsystems für eine Zustandserkennung, ein Betriebsmittel mit einer erhöhten Qualitätsanforderung verwendet werden soll. Auch in diesem Fall lässt sich der Vorteil dieser Zusatzinvestition auf der Basis der Reduktion der Störungskosten beurteilen. Bei den nachfolgenden Überlegungen wird davon ausgegangen, dass z. B. durch eine Reduktion der Störungskosten aufgrund einer verminderten Fehlerrate die Aufwendungen für die Zustandsbewertung kompensiert werden. Bei einer weiteren Reduktion der Fehlerrate wird es zu einem zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteil

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

193

zugunsten eines Übergangs zur zustandsorientierten Instandhaltungsstrategie kommen. In jedem Fall müssen diese oben spezifizierten Varianten mit der Barwertberechnung nach Abb. 3.9 verglichen werden. • Variante a: reduzierte Störungskosten Wenn die Herstellungskosten für ein Monitoringsystem in der Größenordnung von 3 % oder 5 % bezogen auf die Investitionskosten des ursprünglichen Betriebsmittels angenommen werden, müssen sich die Fehlerraten und damit die Störungskosten entsprechend reduzieren, wobei das Verhältnis zwischen „major“- und „minor“-Fehler als auch die Instandhaltungsintervalle als konstant vorausgesetzt werden. Nach Tab. 3.4 werden für Schaltgeräte Fehlerraten von 0,025 %/a („major“-Fehler) und 0,152 %/a („minor-“Fehler) vorausgesetzt. In Abhängigkeit der Investitionskosten für die zusätzliche Zustandserkennung (Monitoringsystem) ergeben sich folgende Veränderungen der Störungsraten, um Kostengleichheit zu erreichen: – 0,025 %/a auf 0,0195 %/a (bei 3 % Investitionskosten) oder – 0,025 %/a auf 0,0155 %/a (bei 5 % Investitionskosten). • Variante b: verminderte Revisions- und Inspektionskosten Abhängig von den zusätzlichen Investitionskosten der Zustandserkennung kann zwischen zwei Fällen unterschieden werden, wenn die Fehlerrate als konstant betrachtet wird und der bestehende Inspektions- und Revisionszyklus verlängert werden soll (Tab. 3.6): – 3 % Investitionskosten: Verlängerung der Intervalle auf 10 Jahre für eine Inspektion und 20 Jahre für eine Revision, von jetzt 6 Jahre (Inspektion) und 12 Jahre (Revision). – 5 % Investitionskosten: Aus wirtschaftlicher Sicht gibt es keinen Vorteil, ein Monitoringsystem einzusetzen, da die zusätzlichen Investitions- und Betriebskosten höher sind als der Barwert der Revisions- und Inspektionskosten. Das letzte Ergebnis kann aus Abb. 3.9 abgeleitet werden, da die Summe der Barwerte der Wartungskosten mit 3,7 %, bezogen auf den Gesamtwert, geringer sind als der Barwert eines Überwachungsgerätes mit 5 %. Neben der Betrachtung der Investitionskosten für ein Monitoringsystem sind in jedem Fall auch die Aufwendungen für die Überwachung und Auswertung bei der Barwertberechnung zu berücksichtigen, sodass der ausschließliche Anteil der Investitionskosten für ein Monitoringsystem sich noch zusätzlich reduziert. Die Berechnungsergebnisse hängen wesentlich von dem Eigenkapitalzinssatz ab, da die Investitionskosten für ein Monitoringsystem sofort anfallen, die vermiedenen Störungskosten jedoch zu einem späteren Zeitpunkt, sodass in diesen Fällen der Barwert aufgrund der Abzinsung niedriger ist. Darüber hinaus ist bei der dargestellten Betrachtung die Veränderung der Instandhaltungsstrategie zu einer zustandsorientierten zu beachten, dass grundsätzlich nur ein Teil der auftretenden Störungen z. B. bei einem Leistungsschalter durch eine Zustandsüberwachung entdeckt werden kann, Abschn. 3.2.5 [9].

194

3 Steuerungsfunktionen

3.1.3.5 Beispiel: Lebensdauerkosten eines 110-kV-Freileitungsnetz Nach der gleichen Vorgehensweise kann auch der Barwert eines kompletten Netzes ermittelt werden, wie dieses beispielhaft in [50] dargestellt ist. Hierbei besteht das betrachtete 110-kV-Netz aus verschiedenen Komponenten (Anzahl an Komponenten): • • • • • • • • • •

Schaltanlagen: 66 Leistungsschalter: 334 Transformatoren: 83 Trennschalter: 393 Sekundäreinrichtung: 252 Ladestromspulen: 5 Wandler: 168 Trassenlängen (km): 523 Freileitungsmasten: 2093 Stromkreislänge (km): 1151

Das Freileitungsnetz wird aus dem überlagerten 380-kV-Netz eingespeist und hat insgesamt 66 Freiluftschaltanlagen. Bei der Berechnung des Barwertes wird angenommen, dass das Netz zum Zeitpunkt t = 0 neu gebaut wird. Unter Berücksichtigung der notwendigen Daten (Investitionskosten, Fehlerraten, Instandhaltungsaufwendungen, Störungskosten usw.) beträgt der Barwert des gesamten Netzes ca. 500 Mio. €, wenn ein Zinsfaktor von 8 %/a, eine Inflationsrate von 1,5 %/a und ein Betrachtungszeitraum von 50 Jahren vorausgesetzt werden. Die Aufteilung des Barwertes auf die einzelnen Komponenten geht aus Abb. 3.11 hervor. Es zeigt sich, dass in diesem Fall die Freileitungen (Maste, Stromkreise) den größten Einfluss auf den Barwert haben (59 %). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei dieser Betrachtung vorausgesetzt wird, dass die Freileitungstrassen bereits vorhanden sind, sodass Aufwendungen in Bezug auf Genehmigungsverfahren und Streckenplanung nicht enthalten sind. Den zweiten Anteil stellen die Transformatoren dar (19 %), gefolgt von den übrigen Komponenten. Für die Festlegung einer Instandhaltungsstrategie für das gesamte Netz stellt der Barwert der Störungskosten (Reparaturkosten) der verschiedenen Betriebsmittel eine wesentliche Entscheidungsgrundlage dar. Abb. 3.12 zeigt den Barwert dieser Kosten (insgesamt 3,5 Mio. €) für das Netz und es ergibt sich auch in diesem Fall, dass die Freileitungen (54 %) und Transformatoren (29 %) den größten Anteil haben, während die übrigen Komponenten mit insgesamt 17 % am Gesamtwert teilhaben. In dieser Betrachtung sind Aufwendungen für die nicht gelieferte Energie nicht enthalten, die an einem Kunden zu entrichten sind, wenn eine Versorgungsunterbrechung eingetreten ist. Dieser Wert hängt im Einzelfall von der Topologie des Versorgungsnetzes und der vertraglichen Gestaltung zwischen den verschiedenen Partnern ab. Für eine bessere Beurteilung der Aufwendungen für Störungen und Instandhaltungsmaßnahmen zeigt Tab. 3.9 die Absolutbeträge der Barwerte für die

3.1  Betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionen

Sekundäreinrichtung 2%

Trennschalter 2%

Ladestromspulen 0%

Transformatoren 19%

195

Wandler 1%

Masten/ Isolatoren 31%

Schaltgeräte 4%

Anlagen 13%

Stromkreise 28%

Abb. 3.11   Barwert eines 110-kV-Freileitungsnetzes [50]

Sekundäreinrichtung 1%

Transformatoren 29%

Trennschalter 0%

Ladestromspulen 0% Wandler 0%

Schaltgeräte 7%

Masten/Isolatoren 24%

Stromkreise 30% Anlagen 9%

Abb. 3.12   Barwert der Störungskosten eines 110-kV-Freileitungsnetzes [50]

196

3 Steuerungsfunktionen

Tab. 3.9  Bewertung der Barwerte der Störungs- und Instandhaltungskosten Betriebsmittel Masten/Isolatoren Stromkreise

Störungskosten (SK) in T€ 836 1051

Instandhaltungs-kosten (IHK) in T€

Faktor SK/IHK

19.417

0,0413

9852

0,1067

Anlagen

304

9548

0,0319

Schaltgeräte

248

3599

0,0689

1018

1083

0,9400

Trennschalter

Transformatoren

18

1160

0,0155

Sekundäreinrichtung

31

352

0,0881

Ladespulen Wandler Gesamt

0 15 3522

18

0,0000

2191

0,0068

47.218

0.0746

verschiedenen Betriebsmittel und einen Faktor, der die Störungskosten auf die Instandhaltungskosten bezieht. Bei kleinen Werten des Faktors (z. B.  Umax:

Überprüfung des Überspannungsschutzes des Transformators gegen ­Überspannungen Keine Konsequenz für eine Instandhaltungsmaßnahme des Transformators

2. U0  10 M€

> 10 Mmin

mehrere Tote

Verlust der Betriebsgenehmigung

schwer

1 – 10 M€

1 – 10 Mmin

ein Toter/ schwere Verletzung

Gefängnisstrafe

ernst

0.1 – 1 M€

0.1 – 1 Mmin

ein Verletzter

hohe Strafe

moderat

< 100 k€

< 100 kmin

längere Abwesenheit

Verurteilung

Abb. 3.25   Beispiel für die Bewertung von Konsequenzen [22], „harte Fakten“ je Störung

katastrophal

schwer

ernst

moderat

Image "Beachtung in der Öffentlichkeit"

Regulator "Korrekturen"

> ein Monat (national)

struktureller Konflikt

> 10 M€

struktureller Konflikt

eine Woche national, ein Monat regional

einzelner Konflikt

1 – 10 M€

einzelner Konflikt

Umwelt "Reinigungskosten"

Image "Behörden"

Fernsehen: nationaler Bericht, eine Woche regional

dutzende Korrekturen

0.1 – 1 M€

dutzende Korrekturen

regionaler Artikel, Beschwerde in der Zeitung

< zehn Korrekturen

< 100 k€

< zehn Korrekturen

Abb. 3.26   Beispiel für die Bewertung von Konsequenzen [22], „weiche Fakten“

Abbildungen wird hierbei zwischen „harten“ und „weichen“ Fakten aufgrund der Risikoklassen bei der Beurteilung der Konsequenzen unterschieden. Für die abschließende Risikobewertung kann wieder das Risikodiagramm nach Abb. 3.23 verwendet werden, wie dieses allgemein durch Abb. 3.27 gekennzeichnet ist, indem in der Vertikalen die Störungswahrscheinlichkeiten und in der Horizontalen der Grad der Störungskonsequenz (moderat, ernst, schwer, katastrophal) aufgetragen ist.

227

3.2  Technische Steuerungsfunktionen

In Bezug auf die Risikoeinteilungen (SH, H, M, N, SN) in dieser Abbildung können verschiedene Aktivitäten zur Verminderung des Risikos unternehmensspezifisch festgelegt werden. Nach [22] werden für diesen Fall die folgenden Maßnahmen verwendet: • SH:

Sehr hoch

Eine Instandhaltungsmaßnahme ist sofort notwendig,

• H:

Hoch

Eine Instandhaltung sollte im Zuge eines normalen Instandhaltungszyklus durchgeführt werden,

• M:

Mittel

Sollte über die nächsten Jahre verfolgt werden,

• N:

Niedrig

Muss im Augenblick nicht betrachtet werden,

• SN:

Sehr niedrig

Kann vernachlässigt werden.

Nach Abb. 3.27 ist es somit möglich, die unterschiedlichen Risikoklassen einzeln nach ihrer Dringlichkeit zu bewerten und entsprechende Maßnahmen zu veranlassen. Sofern ein einheitlicher Bewertungsmaßstab möglich ist, z. B. „€/pro Jahr“, können die Einzelergebnisse zu einem Gesamtergebnis zusammengefasst werden, wobei u. U. eine unterschiedliche Gewichtung möglich ist.

3.2.6.2 Bestimmung eines Risikos Ausgangspunkt für eine praktische Umsetzung einer risikoorientierten Bewertung einer Instandhaltungsstrategie ist grundsätzlich die FMEA-Methode nach Abschn. 2.1.4. Während im dortigen Abschnitt die Analyse auf einen Leistungsschalter mit unterschiedlichen Komponenten betrachtet wird, kann diese Vorgehensweise auf eine ganze Betriebsmittelgruppe ausgeweitet werden. In diesem Fall sind die Gesamtauswirkungen Wahrscheinlichkeit

pro Jahr

moderat

ernst

schwer

katastrophal

dauernd

> 1000

H

SH

SH

SH

täglich

> 100

M

H

SH

SH

Monatlich

> 10

M

H

SH

SH

jährlich

>1

N

M

H

SH

häufig

> 0.1

N

M

H

SH

wahrscheinlich

> 0.01

SN

N

M

H

möglich

> 0.001

SN

N

M

H

nicht wahrscheinlich

> 0.0001

SN

SN

N

M

unmöglich

< 0.0001

SN

SN

N

N

Abb. 3.27   Beispiel für eine resultierende Risikobewertung, Risikodiagramm [22]

228

3 Steuerungsfunktionen

für jeden Schalter einzeln zu bewerten. Die Gesamtauswirkungen bestimmen sich hierbei auf der Basis von zwei Grundlagen, nämlich der Auswirkung und der Erkennung einer Störung, entsprechend Abb. 2.25 bzw. Abschn. 2.1.4.1. Die Konsequenz ist, dass sich das Risiko nach Gl. (3.14) bestimmt werden kann.

R = GA · W = A · W · E

(3.14)

Mit R  GA  W  E 

 isiko R Gesamtauswirkung Wahrscheinlichkeit Erkennung

Nach [57, 58] werden zwei verschiedene Werte für die Beurteilung angewendet, nämlich: • W1: Wahrscheinlichkeit bezüglich der größten Konsequenz (worst-case) • W2: Wahrscheinlichkeit bezüglich der wahrscheinlichen Konsequenz (most likely case) Somit ist es möglich, zwei verschiedene Risiken für ein Betriebsmittel anzugeben, entsprechend der Eintrittswahrscheinlichkeit W.

3.2.6.3 Erweiterte Risiko Bewertung Die im Abschn. 3.2.6.1 angegebene Methode der Risikobewertung mithilfe eines Risikodiagramms stellt den Zusammenhang zwischen der Wahrscheinlichkeit einer Störung und den Folgen dar, jedoch fehlt ein Vergleich mit den Aufwendungen, die u. U. die Störung hätten verhindern können, zum Beispiel durch eine Wartung bzw. Revision oder aber durch einen vorzeitigen Ersatz des Betriebsmittels. Aus diesem Grunde ist auch eine erweiterte Bewertung möglich, die eine Berücksichtigung der Ausfall- und den Instandhaltungskosten erlaubt. Abb. 3.28 zeigt das grundsätzliche Flussdiagramm [13, 14]. Eine Grundlage für die Bewertung stellt die Ausfallwahrscheinlichkeit des Betriebsmittels dar, sodass es wesentlich ist, die Fehlerrate in Abhängigkeit des Zeitpunktes nach der Inbetriebnahme oder nach der letzten Wartung bzw. Revision zu kennen [10]. Parallel erfolgt durch eine Zuverlässigkeitsberechnung die Ermittlung der nicht gelieferten oder der nicht eingespeisten Energie, die durch den Ausfall des Betriebsmittels verursacht wird. Bei beiden Vorgängen sind jeweils unternehmensspezifische Vorgaben hinsichtlich des Betriebsmittels (z. B. Technik) und des Systems (z. B. Netzzuverlässigkeit) zu beachten. Das Ergebnis dieser Berechnung sind die Störungskosten, die sämtliche Aufwendungen berücksichtigen, die als Konsequenz der Störung angesehen werden (Reparatur, Ersatz, Bewertung der Energie usw.) und somit stellt dieses Resultat den Wert des Risikos nach Gl. (3.13) dar. Anschließend können diese wahrscheinlichen jährlichen Störungskosten mit den verschiedenen Instandhaltungskosten verglichen werden.

3.2  Technische Steuerungsfunktionen

229

Zeitpunkt nach der Inbetriebnahme bzw. letzten Wartung

Ergebnis der Zuverlässigkeitsberechnung

Ausfallwahrscheinlichkeit des Betriebsmittels

Qualität

Vorgabe: Betriebsmittel Betriebsmittelmodell

Störungskosten - Instandsetzung - Versorgungsunterbrechung - Pönale usw.

Störungskosten

Vorgabe: System

Szenarien (z.B.): - Wartung (intensiv) - Erneuerung

Vorgabe: Finanzen Kosten für: - Instandhaltung - Erneuerung

Fuzzy Vorgabe: Umwelt

Risk-Management

Entscheidung

“sociological effects”

Abb. 3.28   Flussdiagramm des Risiko Bewertungs-Prozesses [14]

In diesem Fall kann grundsätzlich zwischen verschiedenen Instandhaltungsstrategien bzw. Übergängen zu Erneuerungsstrategien unterschieden werden [75]: • Verlängerung der Nutzungsdauer durch eine Revision: Durchführung einer intensiven Revision (Überholung), um eine Ersatzinvestition um einen bestimmten Zeitraum zu verschieben. • Erneuerung durch Ersatz: Alle Komponenten einer Anlage werden ausgetauscht; das Netz bleibt von der Struktur unverändert. • Erneuerung durch einen Teilersatz (Retrofitmaßnahme): Einige Komponenten einer Anlage werden ausgetauscht, sodass diese Teile wieder als neu angesehen werden können; das Netz bleibt unverändert. • Aufwertung oder Erneuerung: Das Netz wird teilweise technisch aufgewertet, z. B. durch Vergrößerung der Stromtragfähigkeit oder der Kurzschlussfestigkeit. • Neuplanung des Netzes: Die Struktur des Netzes wird teilweise geändert, z. B. Veränderung der Spannung oder ein anderer Netzanschluss der Anlage. • Ereignisorientierte Instandhaltung: Es wird keine Wartung durchgeführt, da der Ausfall des Betriebsmittels sich nicht auf die Versorgung wesentlich auswirkt („wait and see“). Zum Abschluss erfolgt nach Abb. 3.28 eine Bewertung dieser Kosten unter Berücksichtigung der „sociological effects“ („weiche“ Faktoren nach Abb. 3.26: z. B. soziale Folgen und Imageverlust eines Ausfalls, Häufigkeit usw.). Auch in diesen Fällen

230

3 Steuerungsfunktionen

sind jeweils Unternehmensvorgaben hinsichtlich der Finanzen und der Umwelt in die Betrachtung einzubeziehen. Wenn eine Entscheidung bezüglich eines Szenarios gefallen ist, sind Überlegungen hinsichtlich der Umsetzung notwendig, z. B. sollen weitere Geräte eines Anlagenfeldes mit ausgetauscht werden, um den Gesamtaufwand gering zu halten. In diesem Zusammenhang sind Entscheidungstechniken unter Berücksichtigung der Fuzzy-Logik hilfreich, wenn komplette Schaltanlagen bewertet werden, Abschn. 2.1.3. Die Basis für die Risikobewertung ist die Überlegung, mit welcher Wahrscheinlichkeit Betriebsmittel im nächsten Jahr ausfallen können, in Verbindung mit den sich ergebenden finanziellen Aufwendungen (Störungskosten). Diesen Kosten werden die Instandhaltungskosten für unterschiedliche Szenarien des Betriebsmittels zur Vermeidung dieser Störung bzw. zur Wiederherstellung der Funktionalität des Systems gegenübergestellt. Bei den Kosten der verschiedenen Szenarien sind in jedem Fall auch die zu erwartenden Störungskosten des neuen bzw. des gewarteten Gerätes zu berücksichtigen, da im Allgemeinen auch nach einer Instandhaltung/Ersatz noch Störungen auftreten werden. Wenn diese Instandhaltungskosten geringer sind als die wahrscheinlichkeitsbedingten Störungskosten, ist eine Instandhaltung in diesem Umfang sinnvoll. Die grundsätzliche Vorgehensweise zeigt das nachfolgende Beispiel zur Bewertung von Hochspannungs-Leistungsschaltern. Grundsätzlich sollte dieses Bewertungsverfahren in zwei Arbeitsschritten durchgeführt werden, um die optimale Instandhaltungsmaßnahme abzuleiten: • Variante A: Vergleich des Risikos (Originalzustand) mit dem Risiko nach der Instandhaltungsmaßnahme „Revision/Wartung“, incl. der Störungskosten des gewarteten Betriebsmittels, • Variante B: Vergleich des Risikos (Originalzustand) mit dem Risiko nach der Instandhaltungsmaßnahme „Ersatz“, incl. der Störungskosten des neuen Betriebsmittels. Hierbei wird berücksichtigt, dass aufgrund der vorliegenden Aufgabenbeschreibung aus dem Katalog der Instandhaltungsszenarien ausschließlich die Instandhaltungsmaßnahmen „Verlängerung der Nutzungsdauer durch eine Revision“ und „Erneuerung durch Ersatz“ betrachtet werden. Während die ereignisorientierte Instandhaltung der Berechnung des Risikos im Originalzustand entspricht. Aus dem Vergleich der beiden Bewertungen kann anschließend die geeignete Instandhaltungsmaßnahme für das betreffende Betriebsmittel ausgewählt werden, wobei auch der Übergang zu einer ereignisorientierten Instandhaltung für dieses Betriebsmittel möglich ist. Dieses ist dann angebracht, wenn die wahrscheinlichen Störungskosten stets niedriger sind als die erwarteten Kosten der IH-Maßnahme (Ersatz oder Revision/ Wartung des Betriebsmittels). Bei der Bewertung des Risikos und der Festlegung der Instandhaltungsmaßnahme ist in jedem Fall darauf zu achten, das unabhängig von der Wirtschaftlichkeit der Instandhaltungsmaßnahme vorher vom Unternehmen definierte Risiken nicht

231

3.2  Technische Steuerungsfunktionen

ü­ berschritten werden sollten, unabhängig von den notwendigen Aufwendungen zur Verringerung des Risikos. Im Folgenden werden insgesamt 14 Hochspannungs-Leistungsschalter mit unterschiedlichem Löschmedium betrachtet, wobei die folgenden Typen und Spannungen nach Tab. 3.10 bewertet werden. Die Zustands- und Wichtigkeitsbeurteilung führt zu Werten c und i nach [11] bzw. Abschn. 2.1.2.2, Tab. 2.3. Insgesamt werden für die Zustandsbewertung 23 Kriterien beantwortet, die den Zustand eines Leistungsschalters ausreichend beschreiben. Für die Bewertung der Wichtigkeit werden die folgenden Kriterien berücksichtigt: Spannungsebene, unterbrochene Wirkleistung des Schalters bei einem Ausfall, Fehlerrate und Einsatzort im Netz. Das Ergebnis ist in Abb. 3.29 dargestellt. Wenn für den Zustand

Tab. 3.10  Betriebsmittelkollektiv für eine Risikobewertung

Nr.

Spannung/kV

Typ

1–6

123

SF6

7–8

123

Ölarm

9

123

SF6

10

123

Druckluft

11

245

Druckluft

12

420

SF6

13

245

SF6

14

420

Druckluft

100 c

80

60

40

20

0 0

20

40

60

80

Abb. 3.29   Zustands – Wichtigkeitsbeurteilung der untersuchten Leistungsschalter

i

100

232

3 Steuerungsfunktionen

mit einer Bewertung von c > 50 als Lösungskriterium angesetzt wird, einen Leistungsschalter zu ersetzen, zeigt sich, dass sämtliche Schalter diesen Wert überschreiten und eine Risikobewertung sinnvoll ist, um den tatsächlichen, aktuellen Handlungsbedarf und die Reihenfolge festzulegen. Bei der nachfolgenden Risikobewertung werden die folgenden Möglichkeiten einer Instandhaltung verglichen: • Ereignisorientierte Instandhaltung („wait and see“), das bedeutet, es wird keine Instandhaltungsmaßnahme durchgeführt, • intensive Wartung des Betriebsmittels, um einen Austausch zu verschieben, • sofortiger Austausch des Betriebsmittels. Im Folgenden werden die zwei unterschiedlichen Kostenarten (Störungs- und Instandhaltungskosten) ermittelt, um anschließend eine vergleichende Bewertung vorzunehmen. Störungskosten Die Fehlerraten λ der Leistungsschalter haben einen wesentlichen Einfluss auf die Berechnung der möglichen Störungskosten, die als Folge eines „major“- bzw. „minor“-Fehlers zu erwarten sind. Ausgehend von einer Störungsstatistik in Deutschland im Zeitbereich von 1991 bis 2000, werden die folgenden Fehlerraten („major“-Fehler) in Abhängigkeit der Spannungsebene und Schaltertyp nach Tab. 3.11 verwendet. Nach [29] kann für den Zusammenhang zwischen „minor“- (mf) und „major“- (MF) Fehler die Verhältnisse in Abhängigkeit der Spannungsebene angegeben werden: • 123 kV: 7,0 mf/MF • 245 kV: 8,6 mf/MF • 420 kV: 6,4 mf/MF Dieses bedeutet, dass z. B. auf einen „major“-Fehler für einen 123-kV-Schalter im Mittel 7,0 „minor“-Fehler kommen. Die Angaben der Tab. 3.11 werden benötigt, um die wahrscheinlichen, jährlichen Störungskosten zu ermitteln, zu denen die Reparaturkosten als auch die Aufwendungen für die nicht gelieferte Energie gehören. Wenn die Reparaturkosten für einen „major“-Fehler im Mittel mit ca. 25 % der Investitionskosten für einen neuen Leistungsschalter angesetzt werden, ist es möglich, die jährlichen Reparatur-

Tab. 3.11  Fehlerrate λ (Fehler pro Schalter und Jahr) für „major-“ Fehler

Typ

123 kV

240 kV

420 kV

Ölarm

0,0021

0,0104

0,0203

Druckluft

0,0039

0,0114

0,0319

SF6

0,0024

0,0144

0,0260

3.2  Technische Steuerungsfunktionen

233

kosten in Abhängigkeit der Fehlerrate λ abzuschätzen. Für einen „minor“-Fehler werden Reparaturkosten von 1,0 T€ vorausgesetzt, unabhängig vom eingesetzten Schaltertyp. Im Allgemeinen erfolgt die Berechnung der nicht gelieferten Energie mithilfe einer Zuverlässigkeitsberechnung für ein ganzes Netz, sodass die Auswirkungen des Ausfalls eines Betriebsmittels auf die Netzknoten ermittelt werden können. Das Ergebnis ist, dass die nicht gelieferte Energie an den Netzknoten wesentlich von der Topologie und der Redundanz des Netzes abhängig ist (z. B. strahlenförmig – vermascht). Zur Vereinfachung wird in diesem Zusammenhang die Energie E, die im Fall einer Störung durch einen fehlerhaften Leistungsschalter unterbrochen wird, mithilfe der folgenden Beziehung ermittelt,

E = P · TS · 

(3.15)

mit E  nicht gelieferte Energie, TS Umschaltzeit, z. B. 20 min, λ  Fehlerrate des betrachteten Betriebsmittels Der nach der Gl. (3.15) ermittelte Wert sollte im Allgemeinen eine Abschätzung nach oben darstellen und nur für Radialnetze zutreffen. Für die Bewertung der nicht gelieferten Energie existieren grundsätzlich zwei verschiedene Ansätze, die im Einzelfall betrachtet werden müssen: • Umsatzverlust

Der Betrag der nicht gelieferten Energie führt zu einem Umsatzverlust des Energieversorgungsunternehmens. Hierbei ist es möglich, dass die Energie später, in Abhängigkeit des Kundenverhaltens, verkauft werden kann, sodass sich der Verlust reduziert. Die Bewertung erfolgt mit den Verrechnungskosten, z. B. 0,1 €/kWh für die Niederspannungsebene

• Volkswirtschaftlicher Schaden

Durch den Ausfall der Energie entsteht in Abhängigkeit des Produktionsprozesses auf der Kundenseite ein finanzieller Schaden. Die Bewertung hängt spezifisch von der versorgten Kundenstruktur ab und wird in diesem Fall mit 5 €/kWh als Mittelwert bewertet

In der weiteren Betrachtung wird ausschließlich der volkswirtschaftliche Schaden betrachtet, da in jedem Fall der Umsatzverlust aufgrund der finanziellen Bewertung im Gegensatz hierzu von untergeordneter Bedeutung ist. Zusätzlich zu den oben genannten Kosten werden Schäden an anderen Komponenten angenommen, die mit einem Durchschnittswert von 15  % der Investitionskosten für einen neuen Leistungsschalter angenommen werden. Die Störungskosten in Abhängigkeit von verschiedenen Parametern zeigt Abb. 3.30. Bei der Variation der Fehlerraten auf den fünffachen Wert wird angenommen, dass als Folge des schlechten Betriebsmittelzustands und des Alters mit einem Anstieg der Fehlerrate zu rechnen ist. Es zeigt sich, dass die Kosten für die Bewertung der nicht gelieferten

234

3 Steuerungsfunktionen 25 T€/Jahr

1

2

3

20

15

10

5

0 1-3

4

5

6

7-8

9

10

11

12

13

14

Abb. 3.30   Jährliche Störungskosten für die unterschiedlichen Leistungsschalter (1 bis 14). 1: aktuelle Fehlerrate λ nach Tabelle 3.11, Kosten der nicht gelieferten Energie sind nicht berücksichtigt; 2: fünffache Fehlerrate λ nach Tabelle 3.11, Kosten der nicht gelieferten Energie sind nicht berücksichtigt; 3: aktuelle Fehlerrate λ nach Tabelle 3.11, Kosten der nicht gelieferten Energie sind berücksichtigt

Energie den größten Einfluss auf die Störungskosten haben (3, Abb. 3.30), wenn ein Wert von 5 €/kWh angesetzt wird, wohingegen die Reparaturkosten des Leistungsschalters nahezu vernachlässigt werden können. Dieses gilt sogar dann, wenn ein 123-kV-Schalter (Schalter-Nr. 3 und 6) mit der aktuellen Fehlerrate betrachtet wird (1, Abb. 3.30). Instandhaltungskosten Nach den obigen Ausführungen sind insgesamt drei verschiedene Instandhaltungsszenarien möglich, hierbei werden im Folgenden nur die beiden Strategien berechnet: • Variante 1 (Revision):

Intensive Instandhaltung zur Verschiebung der Ersatzinvestition um einen bestimmten Zeitraum (z. B. 6 Jahre),

• Variante 2 (Ersatz):

Sofortiger Austausch des Betriebsmittels, es fallen keine Revisionsund Inspektionskosten in dem Betrachtungszeitraum an

Die Strategie „ereignisorientierte Instandhaltung“ ergibt sich automatisch, da in diesem Fall keine Instandhaltungskosten anfallen. Die finanziellen Aufwendungen einer intensiven Wartung für die unterschiedlichen Leistungsschalter kann der Tab. 3.12 entnommen werden. Darüber hinaus wird vorausgesetzt, um den Barwert zu bestimmen, dass ein moderner SF6-Schalters eine Revision nach 12 Jahren benötigt (Wartungskosten: 123 kV: 2,5 T€; 245 kV: 4 T€; 420 kV: 5 T€) und eine Inspektion nach sechs Jahren (Kosten: ~ 800 €) notwendig ist.

3.2  Technische Steuerungsfunktionen Tab. 3.12  Wartungskosten (in T€) von älteren Leistungsschaltern (beispielhaft)

235

Typ

123 kV

240 kV

420 kV

Ölarm

10

15

30

Druckluft

15

25

50

5

10

20

SF6

Bei der Ermittlung der erwarteten jährlichen Kosten wird eine Nutzungsdauer der Betriebsmittel von 25 Jahren angenommen. Dieses bedeutet, dass für die Variante 1 (Revision) der Leistungsschalter nach 25 Jahren bereits abgeschrieben ist und nur die jährlichen Annuitäten der Revisionskosten für den Zeitraum von sechs Jahren betrachtet werden. Im anderen Fall (Variante 2), Verschiebung der Ersatzinvestition um sechs Jahre durch eine einmalige Revision, ergibt sich dann ein Restbuchwert entsprechend einer Nutzungsdauer des neuen Leistungsschalters von 19 Jahren. Für die Berechnung der jährlichen Kosten wird ein Zinsfaktor von p = 6,5 % angesetzt. Darüber hinaus wird vorausgesetzt, dass bei einem Ersatz eines Schalters in jedem Fall ein neuwertiger SF6Leistungsschalter der gleichen Spannung berücksichtigt wird. Die finanziellen Aufwendungen für eine Neuinvestition betragen, in Abhängigkeit der Spannungsebene: • 123 kV: 25 T€ • 245 kV: 75 T€ • 420 kV: 215 T€ Abb. 3.31 zeigt die Instandhaltungskosten für die betrachteten Leistungsschalter, jeweils über einen Zeitraum von sechs Jahren. Die jährlichen Kosten für einen Ersatz der 420-kV-Leistungsschalter (Kurve 2, Nr. 12, 14) ergibt sich zu ca. 18,5 T€ als Folge der hohen Investitionskosten für ein neues Betriebsmittel. Im Gegensatz hierzu sind die Kosten einer Revision bei den Geräten Nr. 1–6, 9 höher als die Investitionskosten. Bewertung der Ergebnisse Für eine abschließende Bewertung müssen die verschiedenen Kosten (Instandhaltung, Störungen) miteinander verglichen werden und die Ergebnisse sind in den Abb. 3.32 und 3.33 dargestellt. Die in diesen Bildern enthaltenen Balken verdeutlichen die Kosten nach den Abb. 3.29 und 3.30 und das Risiko, das sich aus der Differenz der beiden Kostenarten ergibt. Hierbei werden die folgenden Kombinationen verglichen, jeweils unter Berücksichtigung der finanziellen Bewertung der nicht gelieferten Energie bei einer Störung: 1. Variante A:

Störungskosten (3, Abb. 3.30) gegenüber Revisionskosten (1, Abb. 3.31)

2. Variante B:

Störungskosten (3, Abb. 3.30) gegenüber Ersatzkosten (2, Abb. 3.31)

236

3 Steuerungsfunktionen 20 T€/Jahr

1

2

15

10

5

0

1-6

7-8

9

10

11

12

13

14

Abb. 3.31   Jährliche Instandhaltungskosten für die verschiedenen Leistungsschalter (1–14); 1: Revision, 2: Ersatz 25 T€/Jahr

Störung

Revision

Risiko

20 15

10 5 0

1-3

4

5

6

7-8

9

10

11

12

13

14

-5

Abb. 3.32   Ergebnis der Risikobewertung in Abhängigkeit der Variante A (Revision)

Die Abb. 3.32 und 3.33 zeigen das endgültige Ergebnis der Kostenanalyse in Abhängigkeit der verwendeten Parameter. Eine Auswertung wird in diesem Fall zu den Maßnahmen bei den verschiedenen Leistungsschaltern nach Tab. 3.13 führen. Während für die Betriebsmittel 1–11 eine ereignisorientierte Instandhaltung ratsam ist, sollte bei den Geräten 12–14 eine Revision durchgeführt werden.

3.2  Technische Steuerungsfunktionen

237

25 Störung

T€/Jahr

Ersatz

Risiko

9

10

20 15 10 5 0

1-3

4

5

6

7-8

11

12

13

14

-5

Abb. 3.33   Ergebnis der Risikobewertung in Abhängigkeit der Variante B (Ersatz)

Tab. 3.13  Ergebnis der Risiko-Bewertung von Schaltgeräten

LS-Nr.

Maßnahme

Rangfolge

1–11

Ereignis



12

Revision

1

13

Revision

2

14

Revision

3

Die Berechnungen bestätigen, dass die Ergebnisse sehr stark von der nicht gelieferten Energie abhängig sind, welches eine Konsequenz der Netztopologie, des Schutzsystems und der Bewertung der nicht gelieferten Energie ist. Jedoch dürfte es im Allgemeinen schwierig sein, die wahrscheinlichen Störungskosten zu ermitteln.

3.2.6.4 Ableitung einer risikooptimierten Instandhaltung Im Folgenden wird eine optimale Instandhaltungsstrategie (Auswahl der geeigneten Wartungsintervalle) in Abhängigkeit der Ausfallhäufigkeit eines Betriebsmittels bestimmt. Dieses bedeutet, dass das geringste Risiko (Min{R})unter Berücksichtigung von Randbedingungen nach Gl. (3.16) zu lösen ist. Min{R} = f1 (p, x) + f2 (p, x) + f3 (p, x) + . . . + fn (p, x) Mit R      R  isiko des Gesamtsystems fn(p,x)  Teilrisiken bzw. Risikoklassen

(3.16)

238

3 Steuerungsfunktionen

Wahrscheinlichkeit der Risikoklasse K  onsequenz der Risikoklasse

p  x 

Nach Gl. (3.16) können die unterschiedlichen Risikoklassen durch die Wahrscheinlichkeit und die Konsequenz bei einem Eintritt definiert werden. Wenn die Bewertung der Risiken nicht mithilfe einer finanziellen Größe erfolgen kann, ist grundsätzlich eine multikriterielle Optimierung sinnvoll, in diesen Fällen kann es angebracht sein, unterschiedliche Wichtungsfaktoren festzulegen. Diese Vorgehensweise ist in Abschn. 3.5 beschrieben. Die grundsätzliche Vorgehensweise kann durch ein einfaches Beispiel gezeigt werden, indem der optimale Wartungszyklus n eines Schaltgerätes bestimmt wird. Hierbei wird angenommen, dass sich die Fehlerrate λ nach Abb. 3.34 ergibt und durch Gl. (3.17) beschrieben werden kann, in Abhängigkeit der Zyklusrate n. Die dargestellten Funktionen sind beispielhaft angegeben. (3.17)

 = F1 + F2 = e−n/2 + e+n/25 Mit F1  F2  n 

 ehlerrate als Folge einer intensiven Wartung, F Fehlerrate als Folge von zusätzlichen Störungen, Wartungszyklus pro Zeiteinheit

Nach Abb. 3.34 und Gl. (3.16) wird angenommen, dass sich die resultierende Fehlerrate λ aus zwei Komponenten zusammensetzt: 2.5

λ 2.0

λ

1.5 F2

1.0

0.5 F1 0.0

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10 Zyklus

Abb. 3.34   Fehlerrate λ eines Schaltgerätes in Abhängigkeit des Zyklus pro Zeiteinheit mit den Fehlerraten F1 und F2

3.2  Technische Steuerungsfunktionen

239

• Verbesserung der Fehlerrate als Folge einer intensiveren Wartung (F1), dieses bedeutet, dass sich die Fehlerrate vermindert, • als Folge einer intensiveren Wartung ist mit einer steigenden Anzahl von Störungen aufgrund von Mängeln bei der Wartung zu rechnen (u. U. werden zusätzliche Fehler eingebaut, F2). Die Parametergröße „n“ (Instandhaltungszyklus) hat in diesem Fall einen zweifachen Einfluss auf die Kosten, nämlich: • Durch eine vermehrte Instandhaltung (größere Zykluszahl n) steigen die Instandhaltungskosten KM pro Zeiteinheit, • die Fehlerrate λ beeinflusst als Folge von Störungen die für eine Störungsbehebung anfallenden Kosten KSt, inklusive der volkswirtschaftlichen Kosten der nicht gelieferten Energie, ebenfalls pro Zeiteinheit. Das Risiko R als Summe der finanziellen Bewertung der einzelnen Risikoklassen, ergibt sich nach Gl. (3.18) aus den oben aufgeführten wahrscheinlichen Kostenanteilen. (3.18)

R = KM + KSt = kM · n + kSt ·  Mit kM  Kosten pro Wartung, kSt  R  eparaturaufwendungen und Kosten für nicht gelieferte Energie pro Störung λ  Fehlerrate ( = e−n/2 + e+n/25) pro Zeiteinheit (Gl. 3.17). Nach Einsetzen von Gl. (3.17) ergibt sich:

  R = kM · n + kSt · e−n/2 + e+n/25

(3.19)

Das Minimum der Gl. (3.19) ergibt sich aus der ersten Ableitung nach „n“ zu:

  d (R) = kM + kSt · −0,5 · e−n/2 + 0,04 · e+n/25 = 0 dn bzw.

12,5 · e−n/2 − e+n/25 = 25 ·

kM kSt

(3.20)

(3.21)

Für die in Gl. (3.21) aufgeführten Kosten werden die folgenden Werte angenommen: • kM = 5  T€ Kosten pro Wartung • kSt = 27  T€ Störungskosten Abb. 3.35 zeigt das Ergebnis nach Gl. (3.19) mit einem Optimum von ca. 1,5 Wartungen pro Zeiteinheit. Bei einem höheren Wartungsintervall wirkt sich die steigende Fehlerrate nach Abb. 3.34 wieder stärker aus, sodass der gesamte Kostenaufwand R pro

240

3 Steuerungsfunktionen 100 R/T€ 80 R

60

40 KSt 20

ΚΜ 0

0

2

4

6

8

Zyklus/n 10

Abb. 3.35   Gesamtrisiko in Abhängigkeit der Wartungszyklen n pro Zeiteinheit

­ eiteinheit ansteigt. Nach Gl. (3.21) bestimmt sich ein genauerer Wert für den Zyklus Z von nopt = 1,5724 bei jährlichen, wahrscheinlichen Kosten von Rmin = 48,9  T€, dieses bedeutet, dass im Minimum mit Gesamtkosten (Instandhaltung und Behebung von Störungen) von 48,9 T€ zu rechnen ist. Die oben durchgeführten Berechnungen setzen natürlich voraus, dass die Reparaturkosten sich nicht verändern, wenn größere Wartungsintervalle vorausgesetzt werden (die Schäden als Folge einer Störung verändern sich nicht). Ist dieses jedoch nicht der Fall, z. B. wenn bei einer geringeren Anzahl von Instandhaltungen mit höheren Reparaturkosten in Folge einer Störung zu rechnen ist, muss zusätzlich eine Abhängigkeit der Reparaturkosten kSt als Funktion des Intervalls n in Gl. (3.18) berücksichtigt werden.

3.2.6.5 Value-at-Risk Methode Das Risiko im Fall einer Störung ist im Allgemeinen eine Folge von mehr oder weniger ernsthaften Konsequenzen für den Netzbetrieb und der Störungshäufigkeit eines Betriebsmittels nach Abschn. 3.2.6.1. Aus diesem Grunde besteht die Aufgabe eines Risiko-Managements darin, die unterschiedlichen Risiken zu identifizieren, zu qualifizieren und falls notwendig, zu vermindern. Mithilfe der Value-at-Risk Methode ist es grundsätzlich möglich, das Risiko abzuschätzen, welches sich durch den Betrieb eines Netzes ergibt [16, 72, 73]. Value-at-Risk (VaR) gibt den wahrscheinlichen Wertzuwachs oder Wertrückgang des Portfolios am Ende der Betrachtungsperiode an, der mit einem vorgegebenen Konfidenzniveau nicht verletzt wird. Der Begriff Value-at-Risk wurde zum ersten Male in der Finanzwelt vor ca. 40 Jahren zur Erhöhung der Transparenz in den Beteiligungsgeschäften verwendet. Heutzutage werden die VaR-Zahlen zur Absicherung der Anleger, zur Analyse der Risikoquellen,

3.2  Technische Steuerungsfunktionen

241

zum Benchmark der Wertpapiere und Portfolien sowie zur Erhöhung der Transparenz der Investitionstätigkeit von Finanzinstituten eingesetzt. Darüber hinaus wird die VaRMethode in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Energiewirtschaft verwendet. Während im Finanzbereich ein Portfolio aus unterschiedlichen Wertpapieren besteht, ist der Übergang auf dem Gebiet des Asset Managements dadurch möglich, dass das Portfolio aus verschiedenen Betriebsmitteln mit unterschiedlichen Störungshäufigkeiten und -konsequenzen besteht. Mithilfe einer Zuverlässigkeitsberechnung ist es möglich, die Ausfälle eines Netzes abzuschätzen sowie die Kenngrößen für erwartete Versorgungsunterbrechungen an den Netzknoten zu bestimmen. Jedoch werden bei diesen Berechnungen die Erwartungswerte des Mittelwertes von Störgrößen verwendet. Im Gegensatz hierzu werden bei der VaR-Methode diese Größen als stochastische Verteilungsfunktionen verwendet. Das VaR-Modell Im Bereich des Asset Management von Energieversorgungsnetzen wird der Portfoliowert mit den Ausgaben und den Einnahmen aus dem Betrieb des Netzes verbunden, insbesondere die Kosten aus den Unzuverlässigkeiten der Betriebsmittel eines Netzes haben einen direkten Einfluss auf die Verfügbarkeit des Gesamtsystems und somit auf den Wert des Portfolios für die Berechnung des VaR. Wesentlich bei der Betrachtung ist, dass der Wert des Portfolios stochastischen Prozessen aufgrund von Einflussgrößen, die ebenfalls stochastische verteilt sind, unterworfen ist. Beispielhaft wird zur Erklärung des VaR-Konzepts eine Normalverteilung angenommen, die durch den Erwartungswert μ und der Standardabweichung σ beschrieben wird. Abb. 3.36 zeigt die Dichtefunktion einer Normalverteilung mit einem Erwartungswert von µ = 10 min, wenn als Einflussgröße die Dauer einer Unterbrechung betrachtet wird. Der farbige Bereich deckt insgesamt 95 % der Störungen ab. Der hierzu gehörige Zeitbereich, in diesem Beispiel 13,25 min, wird als VaR mit einem Vertrauensbereich von 95 % bezeichnet, wohingegen nur in 5 % der Störungen dieser Wert überschritten wird. Die Berechnung des VaR setzt die Entwicklung eines VaR-Modells voraus [43, 44] und nach [46] kann der gesamte Prozess in mehrere Arbeitsschritte unterteilt werden, welches auch durch Abb. 3.37 verdeutlicht wird. • Arbeitsschritt: Mapping (Abbildung des Portfoliowertes): Erstellung eines geeigneten Betriebsmittelportfolios, welches das Äquivalent zum Wertpapierportfolio ist, d. h., das aus verschiedenen Betriebsmitteln besteht, und durch deren Zuverlässigkeitskennzahlen die Verfügbarkeit des Netzes und die Kosten der Instandsetzung beeinflusst. Dieses sind die Einflussfaktoren. • Arbeitsschritt: Inference (Ableitung der stochastischen Verteilung): Stochastische Beschreibung der Risikofaktoren (Verteilung der statistischen Werte) und als Ergebnis dieses Prozesses liegen schließlich die statistischen Verteilungen und deren Abhängigkeiten der Risikofaktoren vor.

242

3 Steuerungsfunktionen 0.25 f(t) 0.20

0.15

0.10

kritischer Wert bei einem Vertrauensbereich von 95 %%

Wahrscheinlichkeitsbereich 95 %

0.05

0.00

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18 mi 20 n

Abb. 3.36   Grafische Darstellung des VaR am Beispiel einer Normalverteilung (Zeitdauer bei einer Störung)

• Arbeitsschritt: Transformation (Zusammenfassung): Kombination der Ergebnisse der beiden vorgelagerten Arbeitsschritte und Ableitung des Portfoliowertes. Als Ergebnis des gesamten Prozesses nach Abb. 3.37 steht am Ende der Vorgehensweise ein VaR-Zahlenwert zur Verfügung, dieses bedeutet, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmter Wert für Störungen in einem Zeitbereich nicht überschritten wird.

Eingang: Betriebsmittel

Arbeitsschritt 1: Abbildung Portfoliowert Arbeitsschritt 3: Zusammenfassung

Eingang: stat. Werte

Arbeitsschritt 2: Abbildung stochastische Verteilung

Abb. 3.37   Grundsätzlicher Arbeitsablauf der VaR-Methode

Ausgang: VaR-Wert

243

3.2  Technische Steuerungsfunktionen

Anwendung des VaR-Modells auf ein einfaches elektrisches Netz (Beispiel) Die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Ermittlung des VaR wird nachfolgend an einem einfachen Beispiel gezeigt und die Betriebsmittel dieses Netzes einschließlich deren Unsicherheiten stellen das Netzportfolio dar. Abb. 3.38 zeigt ein 20-kV-Strahlennetz, an dem die Berechnung beispielhaft durchgeführt wird. Nach Abb. 3.38 versorgt ein 20-kV-Netz über zwei Freileitungen und ein Kabel eine Last (z. B. 15 MW) und sowohl die Spannungsquelle als auch die Sammelschiene werden als ideal angesehen, sodass die Versorgungsqualität ausschließlich durch die Freileitungen und das Kabel beeinflusst wird. Der Wert des Portfolios wird in diesem Fall durch die verkaufte Energie, das investierte Kapital, durch Betriebs- und Störungskosten beeinflusst. Die Berechnung des Risikos, das vom Zustand und von der Wichtigkeit der Betriebsmittel für das System abhängig ist, wird unter Berücksichtigung der Fehlerrate und der Störungskonsequenzen [13] bestimmt. Das Ergebnis des Schritts „portfolio mapping“ ist eine mathematische Formulierung des Portfoliowertes und besteht aus zwei verschiedenen Teilen UE und WA, welche den finanziellen Einfluss auf das Unternehmen und den Barwert der investierten Betriebsmittel darstellen. Dabei wird zwischen festen Faktoren, die einen konstanten Wert und stochastischen Faktoren darstellen, die mit Unsicherheiten verbunden sind und als statistische Verteilungen in die Berechnung eingehen müssen, unterschieden. (3.22)

PN = UE + WA Mit PN  W  ert des Netzes, UE  finanzielle Einfluss auf das Unternehmen, WA  Barwert der Betriebsmittel.

Verschiedene Risikofaktoren wirken auf den „finanziellen Einfluss auf das Unternehmen“ (UE): • Preis der elektrischen Energie, • Verbrauch, • Ausfallhäufigkeit an Netzknoten*, • Strafzahlungen bei einem Ausfall*, • Unterbrechungsdauer bei einer Störung*.

Netz

L1

L2

C1 Last (15 MW)

Abb. 3.38   20-kV-Strahlennetz mit Freileitungen (L1, L2) und einer Kabelverbindung (C1)

244

3 Steuerungsfunktionen

Der zweite Teil (WA) von Gl. (3.22) stellt den Barwert der Betriebsmittel dar und beinhaltet die folgenden Risikofaktoren: • • • •

Finanzieller Wert der Betriebsmittel, Investitionen (z. B. geplanter Ersatz), Kosten einer Störung (z. B. Kosten durch Reparaturen und Beschädigungen)*, Fehlerrate der Betriebsmittel*.

Die Risikofaktoren, die durch einen Stern (*) gekennzeichnet sind, unterliegen einer stochastischen Verteilung und sind daher für die VaR-Berechnung von Bedeutung. Ergebnis Der Wert des Netzportfolios kann in zwei Bestandteile unterteilt werden: Die erste Komponente besteht aus dem Wert der Betriebsmittel und dem erwarteten Umsatz, beide Werte sind in erster Annäherung konstant und aus diesem Grunde für die weitere Betrachtung nicht von Interesse. Der zweite Teil besteht aus stochastischen Faktoren und wahrscheinlichen Kosten, der den Wert des Portfolios negativ beeinflusst und stochastischen Prozessen unterworfen ist (gekennzeichnet durch einen Stern *). Die letzte Klasse wird im Folgenden weiter betrachtet, wobei typische Eingabedaten für die verschiedenen Risikofaktoren verwendet werden [13]. Für die Größen: Fehlerrate, Unterbrechungsdauer, Reparaturkosten und Schäden an anderen Geräten werden die folgenden charakteristischen Werte einer Normalverteilung μ und σ für die betriebsmittelbezogenen Risikofaktoren angenommen (Tab. 3.14). Für UE werden die Werte nach Tab. 3.15 verwendet. Zur Vereinfachung wird angenommen, dass diese Faktoren normalverteilt sind. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Transformationsprozesse können die statistischen Unsicherheiten der Risikofaktoren auf den Wert des Portfolios abgebildet werden. Die Verteilungen der Ausfallraten und Ausfalldauern werden mittels MonteCarlo-Simulation kombiniert und als Ergebnis leitet sich daraus die Nichtverfügbarkeit des Netzes ebenfalls als Verteilung ab. Schließlich werden in verschiedenen Fehlerszenarien die Verteilungen der Reparatur- und Instandsetzungskosten der Betriebsmittel mit den Verteilungen der Fehlerraten kombiniert und die Instandsetzungskosten der

Tab. 3.14  Kenndaten der Risikogrößen (Betriebsmittelebene) Risikogröße

Mittelwert μ L1/L2

C1

Abweichung σ L1/L2 C1

Fehlerrate (1/a)

0,2

1,1

0,1

0,1

Unterbrechungsdauer (min/a)

40

50

50

50

Reparaturkosten (T€)

1,1

4,5

5,0

10,0

Andere Kosten (T€)

0,0

0,0

5,0

5,0

3.2  Technische Steuerungsfunktionen

245

Tab. 3.15  Kenndaten der Risikogrößen (Systemebene) Risikogröße

Mittelwert μ

Abweichung σ

Kosten der elektrischen Energie (ct/kWh)

0,06



Leistung (MW)

15



Ausfallrate der Netzknoten (1/a)

0,15

0,15

Unterbrechungsdauer (h)

0,76

0,76

Pönale (€/kWh)

5,0

5,0

Betrachtungsperiode als Verteilung abgeleitet. Die Kombination der Fehlerdauern, den Kosten pro Störung und den Fehlerraten der Betriebsmittel (Transformationsprozess) veranschaulicht Abb. 3.39 für alle Netzknoten. Zum Schluss werden die gesamten Ausfallkosten der Periode ermittelt und als Verteilung dargestellt, Abb. 3.40. Der rote Balken stellt den VaR mit einem Konfidenzniveau von 95 % dar, dieses bedeutet, dass 95 % der möglichen Störungskosten nicht einen Wert in diesem Fall von 46 T€ pro Jahr überschreiten werden. Im Gegensatz hierzu führt die konventionelle Zuverlässigkeitsberechnung, die ausschließlich Mittelwerte berücksichtigt, zu wahrscheinlichen Störungskosten von 8,9 T€ (blauer Balken nach Abb. 3.40), der einen Konfidenzniveau von 50 % abdeckt, und dieser Betrag ist um 37 T€ geringer als der Wert der VaR-Berechnung.

Fehlerdauer

Kosten je Störung

Fehlerhäufigkeit

Nichtverfügbarkeit der Systemkomponenten

Abb. 3.39   Kombination der Arbeitsschritte Portfoliowert und Risikofaktoren (Transformationsprozess)

246

3 Steuerungsfunktionen

80

T€/a 60

46 T€ 95 % Wahrscheinlichkeit 40

20

50 % Wahrscheinlichkeit 0

1

6

11

16

21

26

31

36

41

8.9 T€ 46

51

56

61

66

71

76

81

86

91

96 %

Abb. 3.40   Ergebnis der VaR-Berechnung

Auswertung Der Vorteil der VaR-Berechnung liegt darin, dass die möglichen Störungskosten, z. B. pro Jahr, mit einem Vertrauensbereich ermittelt werden können. Darüber hinaus ist eine Beurteilung möglich, mit welchem Aufwand die Minimierung der Risiken verbunden ist. Zusätzlich kann ausgewertet werden, welche Risikofaktoren und Betriebsmittel den VaR in erster Linie beeinflussen. Hieraus können strategische Entscheidungen bezüglich des Einsatzes von Instandhaltungsmaßnahmen getroffen werden, sodass die maximalen Störungskosten mit den geringsten finanziellen Aufwendungen reduziert werden können.

3.2.6.6 Anwendung der VaR-Methode auf ein Übertragungsnetz Während im vorherigen Beispiel die Berechnung des Value-at-Risk (VaR) anhand eines einfachen Netzes gezeigt wird, erfolgt im Folgenden die Anwendung am Beispiel eines Übertragungsnetzes [37, 38]. Hierbei wird gezeigt, welche Maßnahmen getroffen werden können, um eine Optimierung vorzunehmen. Insgesamt besteht das betrachtete 380-kV-Netz aus den folgenden Betriebsmitteln: • • • • • •

Freileitungen: 4632 km Stromkreislängen, Leistungsschalter: 367, Trennschalter: 1275, Netztransformatoren: 103, Kraftwerkstransformatoren: 26, Sammelschienen: 124.

3.2  Technische Steuerungsfunktionen

247

Insgesamt sind in der Netzebene 60 Schaltanlagen installiert. Die Zuverlässigkeitsberechnungen sind mit altersabhängigen Ausfallraten der unterschiedlichen Betriebsmittel durchgeführt worden, und sie stellen hiermit die Eingangsgrößen für die Optimierung dar. Aus den Ergebnissen kann die Konsequenz einer Betriebsmittelstörung abgeleitet werden. Maßgebend für die Verfügbarkeit des Übertragungsnetzes ist das Störungsverhalten auf der Unterspannungsseite der Transformatoren, die das unterlagerte 110-kV-Netz versorgen. Die Einflussgrößen bei der VaR-Berechnung können ähnlich Abschn. 3.2.6.5 in betriebliche und technische Größen unterschieden werden, hierbei sind die mit einem Stern (*) versehende Angaben statistische Größen. • Betrieblich: – Reparaturkosten*, – Energiekosten (nicht gelieferte, nicht eingespeiste oder nicht übertragene Energie). • Technisch: – Ausfallraten*, – Ausfalldauer*, – Redispatch-Leistung. Die Reparaturkosten stellen den finanziellen Aufwand dar, um das geschädigte ­Betriebsmittel wieder in Betrieb zu setzen. Die entgangenen Netzentgelte als Folge der nicht gelieferten Energie repräsentieren die Energiekosten. Die Ausfallraten und die Ausfalldauer ergeben sich aus dem Verhalten der Betriebsmittel, während die RedispatchLeistung sich als Folge der Leistungsreduktion im Netz ergibt, hervorgerufen durch den Ausfall der Betriebsmittel. Für die Beurteilung werden insgesamt drei verschiedene Risiken betrachtet, die sich als Folge eines Betriebsmittelfehlers einstellen. Diese Risiken sind: • Reparaturrisiko: Bestimmt sich aus der Fehlerwahrscheinlichkeit des Betriebsmittels und den Reparaturkosten. • Risiko der nicht gelieferten Energie: Bestimmt sich aus der Ausfallrate, den Energiekosten und der Energiemenge, die der unterlagerten 110-kV-Ebene nicht zur Verfügung steht. • Risiko der nicht eingespeisten Energie: Bestimmt sich aus der nicht eingespeisten Leistung eines Kraftwerks und die entsprechende Ausfalldauer. Die letzten beiden Risikogrößen werden hierbei mithilfe der Zuverlässigkeitsberechnung bestimmt, und es ist möglich, jedem einzelnen Betriebsmittel einen Anteil an der nicht eingespeisten/gelieferten Energie an einem Kraftwerks- oder 110-kV-Netzknoten zuzuordnen. Das Ergebnis der VaR-Berechnung unter Berücksichtigung der statistischen Verteilung der Fehlerraten und der Störungskosten zeigt Abb. 3.41, indem die erwartete Schadenshöhe in einem Jahr in Abhängigkeit des Konfidenzintervalls aufgetragen ist

248

3 Steuerungsfunktionen

5.0 M€/a 4.5 4.38 M€/a 4.0 3.85 M€/a 3.5

3.0

2.5

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

p

1

Abb. 3.41   Value-at-Risk in M€/a im betrachteten Übertragungsnetz in Abhängigkeit vom Konfidenzintervall p

[39, 40]. Hierbei ergibt sich ein 95 %-Wert von 4,38 Mio. e/a bzw. ein 50 %-Wert von 3,85 Mio. €/a. Der Betrag von 4,38 Mio. €/a wird in diesem Beispiel nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 % überschritten. Während Abb. 3.41 den aufsummierten Risikowert des betrachteten Netzes darstellt, ist die Verteilung auf die verschiedenen betriebsmittelgruppen und auch die Zuordnung zu den einzelnen Betriebsmitteln wichtig, um notwendige Instandhaltungsmaßnahmen abzuleiten. Die Aufteilung auf die verschiedenen Betriebsmittel zeigt Tab. 3.16, jeweils als prozentualer Anteil der Betriebsmittelgruppe als auch der Betrag je Betriebsmittel. Während in der Tab. 3.16 nur durchschnittliche Werte aufgeführt sind, zeigt Abb. 3.42, dass die Aufteilung des VaR-Wertes z.  B. auf die unterschiedlichen Tab. 3.16  Anteil am Valueat-Risk bezogen auf die Betriebsmittelgruppen in % und durchschnittlicher Wert je Betriebsmittel in k€/a [37]

Betriebsmittel

Anteil in %

Leistungsschalter

39

6,81

Betrag in k€/a

Transformatoren

43

25,96

Trennschalter

13

3,10

Freileitungen

4

1,74

Sammelschienen

1

0,47

3.2  Technische Steuerungsfunktionen

249

160

k€/a

120

80

40

0

1

21

41

61

81

101 121 141 161 181 201 221 241 261 281 301 321 341

Abb. 3.42   VaR-Werte der unterschiedlichen Leistungsschalter [37]

Leistungsschalter sehr verschieden ist und bis zu einem Maximalwert von 152,3 k€/a für den wichtigsten Schalter geht. Die beiden Leistungsschalter mit den höchsten VaR-Werten befinden sich jeweils in einem Transformatorfeld (380/220 kV) mit einer ­Übertragungs-Bemessungsleistung von 1000 MVA, die einen erheblichen Einfluss auf den Leistungsfluss im unterlagerten 220-kV-Netz haben. Ausgehend von den Ergebnissen der VaR-Berechnung eines Betriebsmittels, ist es möglich, eine Optimierung der Instandhaltungsstrategien für ein Netz vorzunehmen. In diesem Fall werden, ähnlich der Darstellung nach Abschn. 3.5.2.2, allen Betriebsmitteln unterschiedliche Instandhaltungsstrategien zugeordnet. Unter Anwendung des Rucksackproblems (Abschn. 3.5.4) aus dem Operation Research (OR) Bereich ist es möglich, den Nutzen eines Prozesses zu erhöhen, in diesem Fall die Verminderung der Instandhaltungskosten, mit der Nebenbedingung, dass das gesamte Störungsrisiko (VaR) nicht vergrößert wird. Ausgehend von der heutigen Instandhaltung (IH) kann z. B. eine reduzierte oder verbesserte Instandhaltung für die verschiedenen Betriebsmittel ermittelt werden, sodass in diesem Fall die IH-Aufwendungen in Höhe von 16,1 Mio. €/a um 4,9 Mio. €/a reduziert werden konnten, ohne dass das maximale Störungsrisiko (95 % VaR) erhöht wird [37].

250

3 Steuerungsfunktionen

3.2.6.7 Informationen für eine Bewertung Bei einer Risikoanalyse wird eine Vielzahl von Daten benötigt, die in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden können, die nachfolgend beschrieben werden, hierbei ist es möglich, dass einige Angaben verschiedenen Gruppen zugeordnet werden. Betriebsmittelebene Die Basis zur Ermittlung des Betriebsmittelausfalls ist die Fehlerrate des Betriebsmittels in Abhängigkeit der Lebensdauer. Das generelle Problem ist, dass diese Angaben ausschließlich unter der Voraussetzung einer bestimmten bzw. verschiedener Wartungsstrategien vorliegen. Wenn aber die Wartungsstrategie geändert werden soll, stellen somit diese Störungsdaten keine zuverlässige Grundlage dar, sondern sind jeweils als Parameter zu verwenden. Im Allgemeinen werden auf der Komponentenebene die folgenden Angaben benötigt: • • • • •

Zahl der Ausfälle pro Jahr und Ursachen, Beschreibung der aufgetretenen Schäden, Fehlerart („minor“- bzw. „major“-Fehler), Zeitdauer der Ausfälle, Alter der Betriebsmittel und Historie (angewendete Instandhaltung in der Vergangenheit), • Ergebnisse aus Messungen: Diagnose und Monitoring. Feldebene In diesem Fall werden die gleichen Informationen ähnlich der Betriebsmittelebene verwendet. Die Daten werden zu einem neuen Betriebsmittel „Feld“ zusammengefasst. Systemebene (Zuverlässigkeitsberechnung) Die Zuverlässigkeitsberechnung bestimmt die nicht gelieferte oder die nicht eingespeiste Energie an verschiedenen Netzpunkten, die für die Versorgungsaufgabe der Energieversorgungsunternehmen bezüglich der Kundenanforderungen wichtig sind. Verschiedene Daten sowohl über die Betriebsmittel als auch über das System sind hierfür notwendig: • Fehlerrate sämtlicher Betriebsmittel der Netzebene incl. der Aus-Dauer, • Systemauslegung und Versorgungsphilosophie, (n-1)-Prinzip, • mögliche Fehlerursache (Einfach- oder Mehrfachfehler), • Auslegung des Selektivschutzes, • Reparaturzeit der fehlerbehafteten Betriebsmittel, • Umschaltzeiten, • versorgte Lasten. Auch in diesem Fall ist es notwendig, eine altersabhängige Fehlerrate der Betriebsmittel zu verwenden, um die Wichtigkeit des Betriebsmittels auf der Systemebene zu bestimmen.

3.2  Technische Steuerungsfunktionen

251

Im Gegensatz hierzu können konstante Fehlerraten für Zuverlässigkeitsberechnungen verwendet werden, wenn auf der Systemebene verschiedene Netzvarianten miteinander verglichen werden sollen. Bei diesen Berechnungen erfolgt der Vergleich unabhängig vom Alter der eingesetzten Betriebsmittel, da ausschließlich unterschiedliche Netztopologien betrachtet werden. Störungskosten Aufgrund der Fehlerrate der Betriebsmittel können die wahrscheinlichen, jährlichen Kosten ermittelt werden, die durch den Ausfall eines Betriebsmittels entstehen. Zusätzlich sind u. U. die Kosten zu addieren, die den volkswirtschaftlichen Ausfall beim Kunden darstellen. Auch sind die Aufwendungen (Pönale) zu berücksichtigen, die aufgrund von Verträgen mit Kunden oder den Vorgaben eines Regulators anfallen. Im Gegensatz hierzu kann der Umsatzausfall des Versorgungsunternehmens aufgrund der nicht gelieferten Energie im Allgemeinen vernachlässigt werden. Die folgenden Informationen sollten zur Verfügung stehen: • • • • • • • •

Reparaturkosten des ausgefallenen Betriebsmittels, Haftungskosten durch Auswirkungen auf Dritte, mögliche Schäden an weiteren Geräten, Fehlerrate des Betriebsmittels (minor, major), nicht gelieferte Energie, Umsatzausfall des Versorgungsunternehmens, finanzielle Bewertung der nicht gelieferten Energie auf der Kundenseite, Kundenverträge (Pönale), Vorschriften eines Regulators.

Bei der Ermittlung der Störungskosten ist grundsätzlich zwischen zwei unterschiedlichen Fehlerszenarien zu unterscheiden, die als Folge auch zu einer anderen finanziellen Bewertung führen: • „major“-Fehler: sofortiger, ungeplanter Ausfall eines Betriebsmittels (z.  B. Spannungsüberschlag im Leistungsschalter) mit und ohne eine Versorgungsunterbrechung, der nur durch eine außerplanmäßige Reparatur zu beheben ist, • „minor“-Fehler: Fehler, der durch eine geplante Wartungsmaßnahme behoben werden kann und nicht zu einem Ausfall der Energieversorgung führt. Instandhaltungskosten Als Folge der unterschiedlichen Instandhaltungsszenarien können die Aufwendungen für diese Szenarien abgeschätzt und mit den wahrscheinlichen Störungskosten im Fehlerfalle verglichen werden. Die folgenden Informationen sind für eine Beurteilung maßgebend: • Instandhaltungsmaßnahme bzw. Instandhaltungsszenario, • Wartungskosten und Zeitintervall,

252

3 Steuerungsfunktionen

• Investitionskosten eines neuen Gerätes, • übliche Nutzungsdauer, • Abschreibungsmethode und Abschreibungszeit, • Zinssatz, • Entsorgungskosten. Umweltbedingungen Zur endgültigen Entscheidungsfindung sind die Umwelt- und sozialen Einflüsse zu berücksichtigen. Im Allgemeinen sind diese Effekte jedoch nicht monetär bewertbar und hängen von Unternehmensvorgaben ab. Unter anderem sind folgende Informationen von Interesse: • Personenschäden bei einer Störung, • Sachschäden bei einer Störung, • sozialer Aspekt des Kunden bei einer Versorgungsunterbrechung, • Image des eigenen Unternehmens, • Landverbrauch, • elektrische und magnetische Felder, • Umweltschäden, • Trassennutzung.

3.2.6.8 Beispiel für die Umsetzung einer risikoorientierten Instandhaltung Im Folgenden wird anhand eines Beispiels dargestellt, wie ausgehend von den Vorgaben des Regulators, ein Verfahren für eine risikoorientierte Instandhaltung für ein elektrisches Mittelspannungsnetz aufgestellt werden kann. Vorgaben durch den Regulator Bezüglich einer Instandhaltung in Netzen, werden zum Beispiel durch den Regulator verschiedene Kriterien definiert, die die Versorgungsqualität und damit die Netzzuverlässigkeit beschreiben (siehe Abschn. 3.3.3, Tab. 3.21): • • • •

Dauer der Unterbrechung der Versorgung, die Häufigkeit der Versorgungsunterbrechung, die Menge der nicht gelieferten Energie, die Höhe der nicht gedeckten Last.

Die Netzzuverlässigkeit wird nach internationaler Praxis durch die folgenden Zuverlässigkeitskennzahlen definiert, die für eine Festlegung weiter zu betrachten sind (siehe auch Abschn. 3.2.1, Gl. 3.6 und 3.7): • Unterbrechungsdauer (Customer Average Interruption Duration Index, CAIDI), • Unterbrechungshäufigkeit (System Average Interruption Frequency Index, SAIFI),

3.2  Technische Steuerungsfunktionen

253

• Nicht gelieferte Energie (Energy Not Supplied, ENS), • Nicht gedeckte Last (Volume Of Lost Load, VOLL). Hierbei stellt die Größe der nicht gedeckten Last kein neues Kriterium dar, da sie aus der nicht gelieferten Energie und der Unterbrechungsdauer abgeleitet werden kann. Da die beiden ersten Größen relative Werte sind, ergeben sich die Absolutwerte, bezogen auf ein Netz, durch die Zuverlässigkeitskenngrößen Häufigkeit (H) und Dauer (T) als Mittelwert aller Netzknoten. Festlegung der Risikoklassen In der Praxis hat es sich bewährt, für die Bewertung einer Konsequenz eines Ereignisses verschiedene Risikoklassen zu definieren. Grundsätzlich kann somit ein Risikodiagramm nach Abb. 3.23 für verschiedene Bereiche abgeleitet werden. Hierzu gehören beispielhaft (siehe Abschn. 3.2.6.1): • • • • • • •

Finanzen: finanzieller Aufwand bei einer Störung Versorgungsqualität: Versorgung an Netzknoten Sicherheit: Anzahl Mitarbeiterunfälle Gerichtsbarkeit/Gesetze: Konflikt mit gesetzlichen Vorgaben Image: Auftritt in der Öffentlichkeit (Zeitung, Rundfunk, Fernsehen) Regulator: Einhaltung der Vorgaben Umwelt: Umweltschäden, z. B. Austritt von Öl

In Abhängigkeit der Vorgabe durch die Unternehmensführung kann es sinnvoll sein, bei der weiteren Betrachtung nur von den folgenden Risikoklassen auszugehen: Finanzen – Versorgungsqualität – Image – Umwelt. Wobei die Risikoklassen sich gegenseitig beeinflussen, so kann beispielsweise auch die Beurteilung in der Risikoklasse „Umwelt“ durch eine finanzielle Bewertung abgedeckt werden, z. B. der Aufwand, um Ölaustritt von Betriebsmitteln zu beheben. Die einzelnen Risikoklassen können durch die folgenden Parameter beeinflusst werden, die bei einer Berechnung der Konsequenzen als Folge einer Störung bzw. eines Fehlers des Betriebsmittels zu berücksichtigen sind. • Finanzen: – Umsatzausfall, – Entsorgungskosten der beschädigten Komponenten, – Reparatur, Ersatz des Betriebsmittels, unterteilt nach „major“- und „minor“Fehlern (MF/mf), – Schaden an anderen bisher nicht betroffenen Geräten, – Aufwendungen aufgrund von Umweltschäden.

254

3 Steuerungsfunktionen

• Versorgungsqualität: – Nicht gelieferte Energie (ENS), – Nicht gedeckte Last (VOLL), – Unterbrechungshäufigkeit je beliefertem Abnehmer (SAIFI): Summe der Kundenunterbrechungen/Anzahl versorgter Kunden, – Nichtverfügbarkeit je beliefertem Abnehmer (SAIDI): Akkumulierte Dauern der Kundenunterbrechungen/Anzahl versorgter Kunden, – Unterbrechungshäufigkeit je unterbrochenem Abnehmer (CAIFI): Summe der Kundenunterbrechungen/Anzahl unterbrochener Kunden, – Mittlere Dauer einer Versorgungsunterbrechung eines Abnehmers (CAIDI): Akkumulierte Dauern der Kundenunterbrechungen/Gesamtzahl der Kundenunterbrechungen. • Image, Bewertung einer Störung in der Öffentlichkeit (jeweils national und international): – Zeitschrift, – Rundfunk, – Fernsehen. Festlegung der Wahrscheinlichkeit (Fehlerverhalten der Betriebsmittel) Die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses erfolgt in diesem Beispiel durch die Beschreibung des Fehlerverhaltens des betrachteten Betriebsmittels. Hierbei wird zwischen einem „major“-Fehler (MF) und einem „minor“-Fehler (mf), der eine geplante Reparatur ohne Versorgungsunterbrechung auslöst, unterschieden, gemäß der Definition nach Abschn. 3.2.6.7. Aufgrund dieser Definition haben die beiden Fehlerarten einen unterschiedlichen Einfluss auf die Konsequenzen bei einer Störung, Tab. 3.17. Nach Tab. 3.17 können somit „major“-Fehler eine Störung mit Schäden auch an benachbarten Betriebsmitteln hervorrufen, die eine Versorgungsunterbrechung zur Folge haben, mit den hieraus folgenden Konsequenzen. Im Gegensatz hierzu wird ein „minor“Fehler nicht zu einer Versorgungsunterbrechung führen und das betroffene Betriebsmittel

Tab. 3.17  Einfluss der Fehlerrate auf die Störungskonsequenzen

Konsequenz

MF

mf

Reparatur

x

x

Ersatz

x



Schäden an anderen Geräten

x



Nicht gelieferte Energie, Dauer, Häufigkeit

x



Umsatzausfall

x



Entsorgungskosten

x



Image

x



3.2  Technische Steuerungsfunktionen

255

wird durch eine geplante Wartung wiederinstandgesetzt. Ein Ersatz des Betriebsmittels ist unter diesen Randbedingungen nicht notwendig. Im Allgemeinen werden die Fehlerraten von Betriebsmitteln in den Statistiken als gemittelter Wert unabhängig vom Alter zum Zeitpunkt der Störung angegeben, z. B. FNN-Statistik. Zur Unterscheidung der Betriebsmittel ist es jedoch sinnvoll, eine Altersabhängigkeit aufgrund der betrieblichen Erfahrung nach Abb. 3.43 zu verwenden, hierbei ist es ausreichend, einen Anstieg am Ende der Lebensdauer zu berücksichtigen, da Ausfälle direkt nach der Inbetriebnahme durch Garantieansprüche abgedeckt sein sollten, und somit die finanziellen Aufwendungen einer Störung durch Dritte abgedeckt sind. Die Alterungsabhängigkeit bei einem „major“-Fehler könnte beispielhaft nach Gl. (3.23) zur Vereinfachung durch eine e-Funktion nachgebildet werden, die das Fehlerverhalten nach Abb. 3.43 repräsentiert.

MF = a + ebt

(3.23)

Für die Häufigkeit eines „minor“-Fehlers sollte zur Vereinfachung eine ähnliche Beschreibung oder ein festes Verhältnis zwischen mf/MF gewählt werden. Bei der Bestimmung der Fehlerrate sind im Gegensatz zur Abb. 3.43 Störungen, bei denen die entstehenden Schäden durch verursachende Dritte bezahlt werden, nicht zu berücksichtigen. Vorgehensweise Das grundsätzlich Problem der Umsetzung einer risikoorientierten Instandhaltung auf Komponentenebene besteht darin, dass • die regulatorische Beschreibung der Versorgungsqualität sich auf Netzknoten bezieht, an denen Kunden angeschlossen sind, während • die Instandhaltung nur an Komponenten des Netzes erfolgen kann. In Wirklichkeit hat die Instandhaltung eines Betriebsmittels jedoch nur einen mittelbaren Einfluss auf die Versorgungszuverlässigkeit des Netzes, da beispielhaft auch die Netztopologie für die Ermittlung der nicht gelieferten Energie wesentlich ist und nicht nur die Fehlerrate der eingesetzten Geräte.

Abb. 3.43   Allgemeines Altersverhalten von Betriebsmitteln (Beispiel)

Fehlerrate

Garantie

Alterung/ Verschleiß Zeit

256

3 Steuerungsfunktionen

Für die Risikobewertung nach Abschn. 3.2.6.2 und der Ableitung einer geeigneten Instandhaltungsmaßnahme werden von unterschiedlichen Szenarien die entsprechenden Risiken nach Abb. 3.24 berechnet und anschließend miteinander verglichen. • Risiko des Originalzustands (Szenario 1): Berechnung der wahrscheinlichen Störungskosten pro Jahr des Betriebsmittels ohne Revision/Wartung. Es wird in diesem Fall eine ereignisorientierte Instandhaltung angenommen. • Risiko nach Ersatz (Szenario 2): Das betrachtete Betriebsmittel wird ersetzt und es werden die Investitions-, Instandhaltungs- und Störungskosten des neuen Gerätes ermittelt (Umrechnung der Investitions- und Instandhaltungskosten auf Jahreswerte). • Risiko nach Revision/Wartung (Szenario 3): Das betrachtete Betriebsmittel wird einer „großen“ Wartung unterzogen, sodass die Lebensdauer über einen bestimmten Zeitraum (z. B. 5 Jahre) verlängert wird. Berücksichtigt werden die Revisions- und Störungskosten, jeweils auf Jahreswerte umgerechnet. Die Risiken nach einer Instandhaltungsmaßnahme (Ersatz oder Revision/Wartung, dieses bedeutet Szenario 2 und 3) werden anschließend mit dem Risiko des Originalzustands (Szenario 1) verglichen, um eine geeignete IH-Maßnahme abzuleiten. Nach Abb. 3.33 ergeben sich somit die folgenden Kostenblöcke für die verschiedenen Risiken: • R1 (Risiko des Szenario 1): Wahrscheinliche Störungskosten des betrachteten Betriebsmittels (roter Balken), • R2 (Risiko des Szenario 2): Ersatzkosten, incl. Störungskosten des neuen Betriebsmittels (blauer Balken), • R3 (Risiko des Szenario 3): Revisions-/Wartungskosten, incl. Störungskosten des gewarteten Betriebsmittels (nicht in Abb. 3.33 enthalten). Für die Festlegung der optimalen Instandhaltungsstrategie auf der Basis einer RisikoOrientierung ergeben sich somit die folgenden Regeln:

R1 − R2 > 0 → Ersatz des Betriebsmittels

(3.24)

R1 − R3 > 0 → Revision/Wartung des Betriebsmittels

(3.25)

Falls beide Gl. (3.52) und (3.25) einen positiven Wert haben, gilt:

R2 < R3 → Ersatz, sonst Revision/Wartung

(3.26)

Grundsätzlich ist das Risiko des Originalzustands R1 mit dem maximal zulässigen Risiko R1max (z. B. Abb. 3.25) zu vergleichen, dessen Überschreitung unabhängig von den Bewertungen nach den Gl. (3.52) und (3.25) nicht akzeptiert werden kann, auch wenn beide Gleichungen zu einem negativen Ergebnis führen. In diesen Fällen ergeben sich die berechneten Risiken R2 und R3 ohne die jährlichen Aufwendungen für Ersatz oder Wartung des Betriebsmittels, die nach Gl. (3.27) mit RC2 und RC3 bezeichnet werden.

3.3 Kennziffern

257

Die Effektivität der notwendigen Instandhaltungsmaßnahme bestimmt sich dann nach Gl. (3.13) bzw. (3.27), z. B.:

η12 =

R1 − R2 − RC2 bzw. RC2

η13 =

R1 − R3 − RC3 RC3

(3.27)

Die Bewertung der Effektivität einer IH-Maßnahme zur Verringerung eines Risikos nach Gl. (3.27) wird für den Fall angewendet, dass das anfängliche Risiko des Betriebsmittels einen zulässigen Wert R1max überschreitet und trotzdem die Bewertung nach Abschn. 3.2.6.2 nicht zu einem Ergebnis führt, dass eine Instandhaltungsmaßnahme erforderlich ist.

3.3 Kennziffern Für die Entscheidungsfindung werden in einem Unternehmen und der am Prozess beteiligten Gruppen verschiedene Kennziffern verwendet, die das Ziel haben, die Festlegung transparent und nachvollziehbar zu machen. Die Auswahl der Kennziffern hängt hierbei von den Gruppen („stakeholder“) ab, die an der Entscheidung beteiligt sind, zu diesen Gruppen zählen im Allgemeinen: Eigentümer, Kunden, Mitarbeiter, Gesetzgeber, Umweltgruppen, Händler usw. In diesem Abschnitt werden unterschiedliche Kennziffern vorgestellt, die in Abhängigkeit der Randbedingungen des jeweiligen Umfeldes eingesetzt werden können. Darüber hinaus besteht für die Unternehmen zunehmend die Notwendigkeit, Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen, in denen der Einfluss des Betriebs von Anlagen auf die Umwelt bewertet wird. Internationale Standards, wie. z. B. ISO 14001, die „Global Reporting Initiative“ (GRI) und der „Global Compact“ (Vereinte Nationen, UN) geben für diesen Bereich Hinweise für die Bewertung.

3.3.1 Zielgrößen der beteiligten Gruppen Die am Versorgungsprozess beteiligten Gruppen haben grundsätzlich unterschiedliche Interessen, die u. U. auch gegensätzlich sein können, sodass im Allgemeinen Regeln bestehen sollten, wie die Energieversorgung der Öffentlichkeit langfristig gewährleistet werden kann. Die Grundlage hierfür ist in jedem Fall für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland das Energiewirtschaftsgesetz in der jeweiligen gültigen Fassung (hier EnWG, 7. Juli 2005), dass folgende Vorgaben festlegt (§ 1): • (1) Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas. • (2) Die Regulierung der Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze dient den Zielen der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung

258

3 Steuerungsfunktionen

mit Elektrizität und Gas und der Sicherung eines langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen. Darüber hinaus ist der Betreiber von Energieversorgungsnetzen verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist (§ 11). Die Anforderungen an Energieanlagen werden nach § 49 wie folgt geregelt: • (1) Energieanlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemeinen anerkannten Regeln der Technik zu beachten. • (2) Die Einhaltung der allgemeinen anerkannten Regeln der Technik wird vermutet, wenn bei Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung und Abgabe von – Elektrizität die technischen Regeln des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. – Gas die technischen Regeln der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e. V. eingehalten werden. Aufgabe der verschiedenen Gruppen ist es, unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Randbedingungen die wesentlichen Zielgrößen zu definieren, die für einen Entscheidungsprozess von Wichtigkeit sind. Beispielhaft sind in der Tab. 3.18 einige Zielgrößen gruppenweise aufgeführt, die für die verschiedenen Gruppen von Interesse sind. Die in den Tab. 3.18 und 3.19 aufgeführten Kriterien wurden teilweise durch eine Arbeitsgruppe der CIGRE B3.06 erarbeitet. Wobei für diejenigen, deren Geschäftsprozess im Wettbewerb steht, die wirtschaftlichen Kriterien besonders wichtig sind. Im Gegensatz hierzu sind Unternehmen der öffentlichen Hand mehr an technischen Fragen interessiert, z. B. Versorgungsqualität und Zuverlässigkeit. Politische Organisationen, wie z. B. die Regulatoren, haben die Aufgabe, einen Ausgleich zwischen den Marktkräften, den öffentlichen Interessen und den Kundenbedürfnissen herzustellen.

3.3.2 Auswahl von Kennziffern bei einer IH-Maßnahme Bei der Entscheidung eines Asset Managers, ein älteres Betriebsmittel bzw. eine gesamte Anlage auszutauschen, sind grundsätzlich verschiedene Szenarien in Abhängigkeit der technischen Randbedingungen möglich: • • • •

Verlängerung der Lebensdauer (Szenario 1: Lebensdauer) Austausch sämtlicher Betriebsmittel (Szenario 2: Ersatz) Erneuerung durch Austausch einzelner Komponenten (Szenario 3, Austausch) Änderung der Versorgungsstruktur (Szenario 4, Netzänderung).

3.3 Kennziffern

259

Tab. 3.18  Beteiligte Gruppen und deren Zielgrößen (wirtschaftlich, technisch, soziologisch) Gruppe („stakeholder“) Wirtschaftlich

Technisch

Soziologisch

Händler, Verkäufer

Max. Gewinn

Kraftwerksbetreiber (privat)

Max. Gewinn

Verfügbarkeit, Effizienz

Kraftwerksbetreiber (öffentlich)

Gewinn

Zuverlässigkeit, Geringes Risiko

Eigentümer der Betriebsmittel

Max. Gewinn

Verfügbarkeit, Zustand der Betriebsmittel

Industrie

Max. Gewinn

Produktqualität/ Preisverhältnis, Effizienz des Energieverbrauchs

Dienstleistung (privat)

max. Gewinn

Servicequalität/Preisverhältnis

Dienstleistung (öffentlich)

Gewinn

Zuverlässigkeit, Spannungsqualität

Sicherheit, Image

Netzbetreiber

Gewinn

Zuverlässigkeit, Spannungsqualität, geringe Verluste

Solidarität, geringer Umwelteinfluss (CO2, Lärm, usw.) Zusammenarbeit, Sicherheit

Mitarbeiter

Gehalt



Arbeitsplatz, Motivation; Sicherheit

Politische Organisationen

Marktstrukturen, ausgewogener Preis



Marktwirtschaftliche Gesetze

Regulator, Gesetzgeber Kontrollierter Preis

Ausreichende Technik, Benchmark

Übereinstimmung mit den Gesetzen

Kunde (privat)

Niedriger Preis

Verfügbarkeit

Sicherheit, Komfort, Effizienz

Kunde (öffentlich)

Niedriger Preis

Umwelt

Energie aus erneuerbaren Quellen, Sicherheit

Verfügbarkeit

Sicherheit



Bestand, Sicherheit

260

3 Steuerungsfunktionen

Je nachdem, welche Instandhaltungsstrategie vom Asset Manager festgelegt wird, werden unterschiedliche Kennziffern von besonderer Wichtigkeit sein. Hierbei können die Kennziffern verschiedenen Bereichen (technisch, wirtschaftlich, soziologisch) zugeordnet werden, wie dieses beispielhaft in der Tab. 3.19 dargestellt ist. Die in der Tab. 3.19 aufgeführten Kennziffern stellen eine vereinfachte Auswahl der insgesamt möglichen dar, die beispielhaft als Indikatoren ausgewählt werden können. Darüber hinaus sind weitere Kriterien sinnvoll, die ergänzend im Folgenden aufgeführt sind. • Technischer Bereich: Grundsätzlich gehören zu diesem Bereich Informationen sowohl über das einzelne Gerät als auch über das gesamte System. Im Einzelnen können dieses sein: – Zuverlässigkeit bzw. Verfügbarkeit der Betriebsmittel – Altersabhängige Fehlerwahrscheinlichkeit – Störungsverhalten in der Vergangenheit – Zurzeit angewendete Instandhaltung – Zustand der Betriebsmittel – Verbleibende Lebensdauer – Höhe der Verluste – Bewertung der Effizienz – Nicht gelieferte bzw. nicht eingespeiste Energie an den Netzknoten – Höhe der nicht gedeckten Last – Dauer und Häufigkeit der Unterbrechung – Service Know-how – Verfügbarkeit von Ersatzteilen – usw.

Tab. 3.19  Auswahl von Kennziffern bei verschiedenen Instandhaltungsszenarien (Beispiel) Szenario

Kennziffer Technisch

Wirtschaftlich

Soziologisch

1. Lebensdauer

Fehlerrate, Restlebensdauer

Instandhaltungskosten, Lebenszykluskosten

Umwelteinfluss

2. Ersatz

Zustandsbewertung, Zuverlässigkeit

Ersatzkosten, Geschäftliche Vorteile

Sicherheit, Umwelt, Image in der Öffentlichkeit

3. Austausch

Zustandsbewertung, Zuverlässigkeit

Ersatzkosten, Folgekosten

Fehlerwahrscheinlichkeit, Umwelt

4. Netzänderung

Versorgungssicherheit, Verfügbarkeit

Folgekosten, Lebenszykluskosten, geschäftliche Vorteile

Mitarbeitermotivation, Image in der Öffentlichkeit, Umwelt

3.3 Kennziffern

261

• Wirtschaftlicher Bereich: Als Folge der Umsetzung der unterschiedlichen Instandhaltungsmaßnahmen sind finanzielle Aufwendungen erforderlich, die verschiedenen Kriterien zugeordnet werden können. Hierzu gehören: – Lebensdauerkosten der Betriebsmittel – Betriebskosten gegenüber Investitionskosten – Aufwendungen für zusätzliche Haftungsschäden – Umsatzverlust als Folge einer Störung – Kosten der nicht gelieferten bzw. nicht eingespeisten Energie – Strafzahlungen an Kunden aufgrund einer Versorgungsunterbrechung – Kosten einer Störungsbehebung (Reparatur- bzw. Ersatzkosten) – Aufwendungen für die Instandhaltung – Geschäftsmöglichkeiten – usw. • Soziologischer Bereich: Grundsätzlich werden Störungen oder Versorgungsunterbrechungen nicht nur durch technische oder wirtschaftliche Informationen beeinflusst, sondern sie haben u. U. auch einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten der Gesellschaft bzw. die Öffentlichkeit. Als Beispiel gelten: – Kundenzufriedenheit – Personensicherheit – Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben – Eigentumsverletzungen bei einer Störung – Öffentliche Versorgungseinrichtungen, z. B. Schulen – Motivation der Mitarbeiter – Umwelteinfluss, z. B. Landnutzung, Verschmutzung, elektrische und magnetische Felder – Vertrauen in der Öffentlichkeit – Image des Unternehmens – Reduktion des CO2-Ausstoßes – usw.

3.3.3 Benchmarking Von der Cigre-Arbeitsgruppe C1.11 wurde eine Umfrage bei verschiedenen internationalen Energieversorgungsunternehmen durchgeführt, mit der Zielrichtung, wesentliche Indikatoren zu identifizieren, die von den Unternehmen zur Steuerung der geschäftlichen Tätigkeiten eingesetzt werden [24]. Insgesamt beteiligten sich 19 Unternehmen weltweit an dieser Umfrage. Im Folgenden werden einige Kenngrößen näher beschrieben, die in unterschiedlicher Intensität eingesetzt werden. Grundsätzlich ist es sinnvoll, die verschiedenen Kennziffern entsprechenden Bereichen zuzuordnen, hierzu gehören: Finanzen – Zuverlässigkeit – Kunden – Sicherheit/Mitarbeiter, Tab. 3.20, 3.21, 3.22 und 3.23.

262

3 Steuerungsfunktionen

Tab. 3.20  Finanzen/Wirtschaft Kennziffer

Beschreibung

EBIT (Earning Before Interests Taxes)

Umsatz abzüglich der Betriebskosten, vor Abzug von Zinsen und Steuern

Betriebskosten (Operating Expenditure, OPEX)

Sämtliche Aufwendungen, die für den Betrieb, Instandhaltung und nicht aktivierungsfähige Erneuerung eines Netzes notwendig sind, z. B. Personal- und Instandhaltungskosten, Abschreibungen, Verluste

Investitionskosten (Capital Expenditure, CAPEX)

Sämtliche aktivierungsfähigen Aufwendungen, die für das Errichten und Erneuern der Betriebsmittel und Anlagen notwendig sind, z. B. Herstellungs- und Projektierungskosten, Grundstücke

Spezifische Betriebskosten/ (Energie * Leitungslänge) (Specific OMA, Operating, Maintenance, Administration)

Die Betriebskosten werden durch das Produkt aus der gelieferten Energie und der Stromkreislänge dividiert

Spezifische Beschaffungskosten je Betriebsmittel/Leitungskilometer (controllabe unit costs)

Die Summe der in einem bestimmten Zeitraum für den Einkauf einer definierten Betriebsmittelgruppe aufgewendet wird, bezogen auf die beschaffte Anzahl



Zusätzlich beschreibt Tab. 3.24 noch Kennziffern, die für eine Beurteilung von Systemverfügbarkeit relevant sind, um Tätigkeiten von Service Providern (intern/extern) zu beurteilen. Wie bereits kurz hingewiesen, gewinnt die Darstellung der Reduktion der Umwelteinflüsse für die verschiedenen Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Dieses bedeutet, dass für die Bewertung der Betriebsmittel auch deren Einfluss auf die Umwelt entscheidend ist und damit auch die Wahl der Instandhaltungsmaßnahme. Aus diesem Grund wurden zwei Cigre Berichte [23, 25] veröffentlicht, die diese Problematik eingehend beschreiben. Tab. 3.25 stellt einige Kennziffern dar, die auch in [25, 42] aufgeführt sind.

3.4 Asset-Simulationen Eine Möglichkeit, die Einflüsse der technischen und finanziellen Randbedingungen für die Infrastruktur abzuschätzen, besteht in der Betrachtung der gesamten Kosten einer Betriebsmittelgruppe in einem Netz unter Berücksichtigung der Nichtverfügbarkeit an den Netzknoten über einen langfristigen Zeitraum [4, 5, 7], die nachfolgenden

3.4 Asset-Simulationen

263

Tab. 3.21  Zuverlässigkeit Kennziffer

Beschreibung

Nicht gelieferte Energie (Energy Not Supplied, ENS)

Aufgrund von Unterbrechungen an einem Knoten oder im Netz der akkumulierte Wert der nicht gelieferten Energie pro Zeiteinheit, [MWh]

Nicht gedeckte Last (Volume Of Lost Load, VOLL)

Ergibt sich aus der nicht gelieferten Energie bezogen auf die Unterbrechungsdauer, [MW]

Unterbrechungsdauer (Average Interruption Duration, AID)

Die durchschnittliche Zeit einer Unterbrechung an einem Knoten oder im gesamten Netz, [min/Unterbrechung]

Unterbrechungshäufigkeit (Average Interruption Frequency, AIF)

Durchschnittliche Anzahl von Unterbrechungen an einem Knoten, [Unterbrechung/Jahr]

Nichtverfügbarkeit je beliefertem Abnehmer (System Average Interruption Duration Index, SAIDI)

Akkumulierte Dauer der Kundenunterbrechungen bezogen auf die Anzahl versorgter Kunden, [min/Kunde]

Summe der Kundenunterbrechungen bezogen Unterbrechungshäufigkeit je beliefertem auf die Anzahl versorgter Kunden, Abnehmer (System Average Interruption Frequency Index, [Unterbrechung/Kunde] SAIFI) Mittlere Dauer einer Versorgungsunterbrechung Akkumulierte Dauern der Kundenunter(Customer Average Interruption Duration Index, brechungen bezogen auf die Gesamtzahl der CAIDI) Kundenunterbrechungen, [min/Kunde] Unterbrechungshäufigkeit je unterbrochenem Abnehmer (Customer Average Interruption Frequency Index, CAIFI)

Summe der Kundenunterbrechungen bezogen auf die Anzahl unterbrochener Kunden, [Unterbrechung/Kunde]

Nichtverfügbarkeit (Unavailability)

Produkt aus der Unterbrechungshäufigkeit und der Unterbrechungsdauer, dieses ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde in einem Jahr von einer Unterbrechung der Versorgung betroffen wird, [1, 100 %]

System Unterbrechungszeit (System Average Interruption Time, AIT)

Entspricht der Nichtverfügbarkeit, jedoch in Zeitangabe bezogen auf ein Jahr, [min/Jahr]

Mittlere maximale Wiederversorgungszeit

Zeit bei Störungen, bis bei einer Versorgungsunterbrechung die vollständige Versorgung aller Kunden im Durchschnitt wieder aufgenommen wird, [min/Unterbrechung]

System Minutes Lost

Nicht gelieferte Energie eines Netzes bezogen auf die Spitzenlast [MWh/MW]



264

3 Steuerungsfunktionen

Tab. 3.22  Kunden Kennziffer

Beschreibung

Kundenzufriedenheit Umfrage der Kundenzufriedenheit bei den am Versorgungs(Customer Satisfaction Survey) prozess beteiligten Gruppen Markanteile (Market Share)

Kundenanteil in den unterschiedlichen Versorgungsbereichen

Reklamationen (Rechnungen) (Wrong Invoice Rate)

Anzahl der Kundenrechnungen, die falsch ausgestellt wurden

Beschwerden (complaints)

Anzahl von Kundenbeschwerden



Tab. 3.23  Mitarbeiter/Sicherheit Kennziffer

Beschreibung

Unfallrate (Accident Severity Rate, ASR)

Verhältnis der Arbeitstage, die durch Arbeitsunfälle, ausfallen multipliziert mit 200.000 bezogen auf die Gesamtzahl der Arbeitsstunden der Beschäftigten

Anzahl der ernsten Betriebsunfälle (Serious Incidents)

Anzahl der Betriebsunfälle, eine Einteilung in verschiedene Kategorien ist sinnvoll

Unfallbedingte Arbeitstage (Lost day rate)

Anzahl der unfallbedingten Arbeitstage, bezogen auf die gesamten Arbeitstage

Krankheitstage (Occupational diseas rate)

Anzahl der Krankheitstage, bezogen auf die gesamten Arbeitstagen

Anzahl der Mitarbeiter (Number on employees)

Anzahl der Mitarbeiter, in Abhängigkeit der Ausbildung

Personalkosten (Employee wages)

Summe der finanziellen Personalaufwendungen

Demografischer Faktor (Demographic Factor)

Altersstruktur, Alterspyramide der Mitarbeiter in Bezug auf das betriebsnotwendige Know-how

Produktivität (Productivity)

Anzahl der Jahresstunden, die in der Leistungsverrechnung produktiv mit einem Stundensatz abgerechnet werden können

Fortbildungsstunden, inkl. Sicherheitsbelehrungen (Training Hours)

Anzahl der Tage für Fortbildung bezogen auf die gesamt zur Verfügung stehenden Arbeitsstunden



3.4 Asset-Simulationen

265

Abschnitte beziehen sich hierbei auf diese Referenzen. Mithilfe dieser Vorgehensweise ist es möglich, Auswirkungen aufgrund der Instandhaltungs- und Investitionsstrategie, z. B. Verlängerung der Servicezyklen oder der Nutzungsdauern, unter Berücksichtigung wesentlicher Randbedingungen abzuschätzen. Hierzu gehören beispielhaft die nicht gelieferte oder nicht eingespeiste Energie, Personal- und Materialressourcen. Aus diesem Grund bietet die Ableitung einer fundierten und nachhaltigen Asset-Strategie mithilfe der dynamischen Simulation einen praxiserprobten und stringenten Ansatz dar, der das Asset Management konsequent in seiner Aufgabe unterstützt, die Versorgungsnetze ganzheitlich und nachhaltig zu bewirtschaften. Das Ergebnis einer Simulation stellt somit das statistische Verhalten der gesamten Betriebsmittelgruppe über einen längeren Zeitraum dar, ein einzelnes Betriebsmittel kann jedoch nicht mehr identifiziert werden, um individuelle betriebsbedingten Entscheidungen abzuleiten.

3.4.1 Entwicklung einer langfristigen Strategie Das Ziel dieser Analyse ist es, eine langfristige Strategie für die Instandhaltung bzw. Investitionsentscheidungen eines Netzes mithilfe von geeigneten Betriebsmittelmodellen zu entwickeln. Diese Modelle sollen geeignet sein, das Betriebsmittelverhalten in einem beliebigen Zeitbereich z. B. von 30–60 Jahren zu betrachten, entsprechend der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der unterschiedlichen Betriebsmittel. Damit ergeben sich die nachfolgenden Arbeitsschritte bei einer dynamischen Asset-Simulation: • Zustandsbewertung und Fehlerverhalten der Betriebsmittelgruppe eines Versorgungssystems (Abschn. 3.4.1.1), • Ableitung und Implementierung eines Alterungsmodells für die unterschiedlichen Betriebsmitteltypen (Abschn. 3.4.1.2), • Nachbildung der unterschiedlichen Ursache-Wirkungsketten mithilfe von Rechnersimulationen unter Berücksichtigung der personellen und finanziellen Randbedingungen (Abschn. 3.4.1.3), • Erstellung der erforderlichen Eingabedaten (Abschn. 3.4.2), • Durchführung von dynamischen Simulationen, • Bewertung der Ergebnisse. In den Abschn. 3.4.1.1 bis 3.4.1.3 und 3.4.2 werden die wesentlichen Grundlagen für die Erstellung des Datenmodells und die notwendigen Eingabewerte beschrieben.

3.4.1.1 Zustandsbewertung der Betriebsmittel Für die Bewertung eines Betriebsmittels hat sich in den letzten Jahren ein Verfahren durchgesetzt, welches sowohl den Zustand als auch die Wichtigkeit des Betriebsmittels für das Gesamtsystem berücksichtigt, Abschn. 2.1.2 [8, 12]. Bei dieser Vorgehensweise

266

3 Steuerungsfunktionen

Tab. 3.24  Systemverfügbarkeit Kennziffer

Beschreibung

Verfügbarkeit von Betriebsmitteln (Availability Index, AI)

Verhältnis der Zeit, dass Betriebsmittel nicht zur Verfügung standen, bezogen auf die Anzahl der Betriebsmittel und den gesamten Zeitbereich

Zuverlässigkeitsindex von Betriebsmitteln Bezogene Zeit des zufälligen Ausfalls von (Reliability Index, RI) Komponenten Nichtverfügbarkeit des Systems (Unavailability Index of System, UIS)

Diese Kennziffer beschreibt die Nichtverfügbarkeit der Betriebsmittel eines Systems

Index der Instandhaltungskosten (Maintenance Costs Index, CI)

Kosten der Instandhaltung bezogen auf die Anzahl der Betriebsmittel

… Tab. 3.25  Umwelteinflüsse Kennziffer

Beschreibung

Verwendete Materialien (Materials)

Beschreibung nach Gewicht bzw. Volumen

Recycelte Materialien (recycled materials)

Prozentanteil der Materialien, die recycelt werden

Energieverbrauch (Energy consumption)

Darstellung der Energieeffizienz durch neue Betriebsmittel bzw. Reduktion der Übertragungs- und Verteilungskosten

Treibhausgasemissionen (z. B. CO2, SF6, SOx, NOx) (Greenhouse gas emission)

Angaben der Gase mit CO2-Potential

Einfluss auf die Vegetation (vegetation impact)

z. B. Landverbrauch bzw. –reduktion durch IH-Maßnahmen

Gefährliche Abfallstoffe (hazardous waste)

Auflistung der Gefahrstoffe in t



wird der Zustand eines Betriebsmittels mithilfe verschiedener Kriterien ermittelt, die unterschiedlichen Bewertungsklassen zugeordnet werden können, diese sind zum Beispiel: • • • • •

Allgemeine Daten (Typ, Einbauort, usw.), alterungsabhängige Daten (Alter, Know-how, Ersatzteile, usw.), betriebliche Daten (Belastung, Temperatur, Schalthäufigkeit, usw.), finanzielle Daten (Aufwand für Instandhaltung, usw.), technische Daten (Korrosion, Verschleiß, usw.).

3.4 Asset-Simulationen

267

Die oben aufgeführten Bewertungsklassen bedeuten somit, dass nicht nur der technische Zustand eines Betriebsmittels erfasst wird, sondern auch zusätzliche Größen, die für den Entscheidungsprozess hinsichtlich des Austausches eines Betriebsmittels für den Anwender von wesentlicher Bedeutung sind. Diese verschiedenen Klassen unterliegen während der Nutzungsdauer eines Gerätes unterschiedlichen Alterungsvorgängen, die ebenfalls in einem Alterungsmodell berücksichtigt werden müssen. Zum Beispiel werden bei neu installierten Betriebsmitteln in den ersten Jahren ein ausreichendes Know-how und gegebenenfalls auch Ersatzteile zur Verfügung stehen, welches u. U. gegen Ende der technisch möglichen Nutzungsdauer nicht mehr in ausreichendem Maße gewährleistet ist. Dies hat zur Konsequenz, dass ein Austausch dieser Betriebsmittel vor dem eigentlichen Ende der technischen Nutzungsdauer sinnvoll sein kann, obwohl dieses Gerät möglicherweise noch den betrieblichen Erfordernissen entspricht. Resultierend besteht die Zustandsbewertung eines Betriebsmittels aus zwei unterschiedlichen Gruppen von Kriterien, die einen Einfluss auf das Alterungsverhalten haben und wie folgt definiert werden können: • Technische Alterung der Betriebsmittel: In diesem Zusammenhang werden Kriterien berücksichtigt, die einen Alterungs- bzw. Verschleißprozess beschreiben. • Strategische („künstliche“) Alterung der Betriebsmittel: Kriterien, die einen vorzeitigen Ersatz des Betriebsmittels als sinnvoll erscheinen lassen, wenn z. B. die Anzahl der eingesetzten Geräte einer Betriebsmittelgruppe zu gering ist, sodass das erforderliche Service-Know-how nicht im Unternehmen zur Verfügung steht. Ein aus dieser Zustandsbewertung abgeleitetes Alterungsmodell hat somit diese beiden grundsätzlichen Komponenten mit unterschiedlichem Alterungsverhalten zu berücksichtigen.

3.4.1.2 Alterungsmodell Vereinfachend kann die Fehlerrate eines Betriebsmittels in Abhängigkeit der Lebensdauer nach Abb. 3.44 beispielhaft dargestellt werden [3]. Wird die jährliche Fehlerrate in verschiedene Altersgruppen eingeteilt, so lassen sich in diesem Fall aufgrund des Fehlerverhaltens vier verschiedene Bereiche identifizieren, die in der weiteren Betrachtung die Anzahl der Zustandsklassen des Markov-Modells nach Abb. 3.44 festlegen. In diesen vier Bereichen (I–IV) kann dann das Ausfallverhalten zur Vereinfachung als konstant angegeben werden. Die Fehlerrate entspricht in diesem Fall der Definition nach Abschn. 6.2.8. indem die Schäden pro Zeiteinheit jeweils auf die noch in Betrieb befindlichen Betriebsmittel bezogen werden. In diesem Beispiel sind vier Altersgruppen angenommen, jedoch lassen sich weitere Gruppen bei Bedarf definieren. Ausgehend von der Fehlerrate λ kann auch die Zuverlässigkeit bzw. Verfügbarkeit eines Betriebsmittels abgeschätzt werden, wie dieses beispielhaft in Abb. 3.45, [20] gezeigt ist. In diesem Fall wird angenommen, dass erst nach 20 Jahren eine bemerkbare Veränderung des Zustands und damit Abnahme der Zuverlässigkeit eintritt. Wird keine

268

3 Steuerungsfunktionen 0.007 λ 0.006 Fehlerrate Mittelwert

0.005 0.004

I

0.003

II

III

IV

30

35 Jahre 40

0.002 0.001 0.000 0

5

10

15

20

25

Abb. 3.44   Typische Fehlerraten von Betriebsmitteln (Beispiel) [3]

Zuverlässigkeit

1.2

1.0

3-Jahreszyklus

0.8

5-Jahreszyklus 0.6 7-Jahreszyklus

0.4 ohne Wartung 0.2

0.0 20

25

30

35

40

45

50

55

60 Alter 65

Abb. 3.45   Einfluss von Instandhaltungsmaßnahmen mit unterschiedlichen Zeitintervallen auf die Verfügbarkeit eines Betriebsmittels [20]

Instandhaltungsmaßnahme an diesem Betriebsmittel durchgeführt, so wird vorausgesetzt, dass nach 35 Jahren der „Lebensdauervorrat“ vollständig aufgebraucht ist (Zuverlässigkeit ist null). Durch eine periodische Wartung wird die Nutzungsdauer des Betriebsmittels verlängert unter Berücksichtigung einer geforderten Zuverlässigkeit. Wesentlich ist jedoch, dass keine Verbesserung des Zustands und damit der Zuverlässigkeit nach einer normalen

269

3.4 Asset-Simulationen

Instandhaltungsmaßnahme erreicht wird. Dieses ist jedoch dann der Fall, wenn es sich um eine Wartung mit Austausch von Verschleißteilen oder einer Komponente eines Betriebsmittels handelt. Zum Beispiel kann bei der Bewertung einer kompletten Freileitung durch den Ersatz der Leiterseile der Zustand und damit die Zuverlässigkeit wesentlich verbessert werden, welches sich in diesen Fällen in einer sprunghaften Verbesserung der Zuverlässigkeit des Betriebsmittels auswirken wird. Ausgehend von diesen Überlegungen kann ein Alterungsmodell entwickelt werden, welches die Veränderung des technischen Zustands (technische und künstliche Alterung) realisiert. Als Beispiel kann das Zustandsmodell nach Abb. 3.46 angesehen werden, indem die verschiedenen Instandhaltungsmaßnahmen und die einzelnen Zustandsklassen nachgebildet sind. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Übergangsraten zwischen den Zuständen bzw. Maßnahmen, kann mithilfe des Markov-Modells der Zustand eines Betriebsmittels in Abhängigkeit des Alters abgeleitet werden. Insgesamt besteht Abb. 3.46 aus vier Zustandsklassen, die mit ausgezeichnet – gut – ausreichend – schlecht beschrieben sind. Während den ersten Zustandsklassen eine Instandhaltungsmaßnahme (Wartung/ Inspektion) zugeordnet ist, erfolgt aus dem Zustand „schlecht“ ein Ersatz bzw. eine Entsorgung der betroffenen Betriebsmittel. Durch eine Wartung kann grundsätzlich das Gerät in den gleichen, besseren oder schlechteren Zustand versetzt werden. Im Gegensatz hierzu ist mit einem Teilaustausch eines Betriebsmittels („Refurbish“) in jedem Fall eine Zustandsverbesserung verbunden, da eine neue Komponente eingesetzt wird. Mithilfe des Markov-Prozesses und den dazugehörigen Übergangsraten zwischen den verschiedenen Zuständen kann berechnet werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Betriebsmittel in einen bestimmten Zustand zu finden ist. Näheres ist in Abschn. 3.4.1.4 dargestellt. Die Anteile an der Gesamtheit einer ganzen Betriebsmittelgruppe, die auf eine Zustandsklasse (in diesem Fall: ausgezeichnet, gut, ausreichend, schlecht) entfallen, haben durch eine Zustandsbewertung zu erfolgen, die bereits im Abschn. 3.4.1.1 dargestellt wurde. Die einzelnen Betriebsmittel durchlaufen während ihres Lebensalters

Refurbish

Ersatz

schlecht

ausgezeichnet

gut

ausreichend

Wartung

Wartung

Wartung

Entsorgung

Abb. 3.46   Alterungs- und Zustandsmodell eines Betriebsmittels (Markov-Modell)

270

3 Steuerungsfunktionen

die unterschiedlichen Klassen, wobei die Instandhaltungsmaßnahmen diesen Prozess verlangsamen oder auch beschleunigen können, was vom Erfolg der Instandhaltungsmaßnahmen bzw. von deren Zyklen abhängt (Abb. 3.45). Eine wesentliche Aufgabe in diesem Arbeitsschritt ist somit, alle Betriebsmittel den verschiedenen Zuständen zuzuordnen und die Übergangsraten zwischen den Zustandsclustern festzulegen. Das Alterungsmodell muss hierbei den folgenden Bedingungen genügen: • In Abhängigkeit des Alters verändert sich der Zustand des Betriebsmittels, sodass ein Übergang zu einer anderen Zustandsklasse gewährleistet ist. • Jedes Betriebsmittel hat eine maximale Verweildauer in einem Zustandscluster. Hierdurch wird sichergestellt, dass jedes Betriebsmittel nach einer maximalen Betriebszeit ersetzt wird. • Es muss möglich sein, dass Betriebsmittel „künstlich“ altern können, wenn zum Beispiel bei einem Betriebsmitteltyp ein Service nicht mehr möglich ist, sodass ein Ersatz früher sinnvoll ist. • Innerhalb eines Zustandsclusters wird zur Vereinfachung von einer konstanten Fehlerrate ausgegangen. • Die Übergangsraten zwischen den verschiedenen Zuständen sind während des Betrachtungszeitraums konstant und berücksichtigen eine Gleichverteilung der Betriebsmittel. In der Regel wird jedoch eine Betriebsmittelgruppe, z. B. Leistungsschalter, aus verschiedenen Typen (Druckluft-, ölarme und SF6-Leistungsschalter) bestehen, die auch ein unterschiedliches Verhalten hinsichtlich des Zustands und der Fehlerraten haben, sodass es sinnvoll ist, für die jeweils verschiedenen Betriebsmitteltypen ein abweichendes Alterungsmodell abzuleiten und die verschiedenen Alterungsprozesse durch unterschiedliche Modelle nachzubilden.

3.4.1.3 Ursache – Wirkungsketten Die Auswirkungen einer Alterung der Betriebsmittel und die hieraus resultierenden Maßnahmen (Instandhaltung bzw. Ersatz), können durch Ursache – Wirkungsketten ermittelt werden. Abb. 3.47 zeigt beispielhaft die Zusammenhänge zwischen den Bereichen: Technologie – Personal – Finanzen – Kunde – Unternehmen. Ausgehend vom Alterungsmodell der Betriebsmittel können die notwendigen Personal- und Finanzressourcen eines Netzbetreibers hinsichtlich der Wartung und des Ersatzes der Betriebsmittel bestimmt werden. Gleichzeitig hat der Zustand der Betriebsmittel auch Auswirkungen auf den Gesamtzustand des Netzes, woraus sich die Spannungsqualität bzw. das Ausfallverhalten an den Systemknoten ergibt, die wiederum das Abnahmeverhalten der Kunden beeinflussten kann. Grundsätzlich ist es natürlich möglich, Abb. 3.47 durch die Bereiche: Gesellschaft, Gesetzgebung, Regulator usw. zu ergänzen, um weitere Einflüsse bzw. Vorgaben zu berücksichtigen.

3.4 Asset-Simulationen

271

Personalkosten Personal Personalkapazität

Finanzen

Betriebskosten

Gesamtkosten Materialkosten

Unternehmen

Investitionskosten

Finanzielles Ergebnis

Gewinn

Neuinvestition Ersatz-/ Wartungsaktivitäten

Systemzustand

Betriebsmittel

Verbrauch Versorgungsqualität Technologie

F&E

Kunde Kundenverhalten

Abb. 3.47   Ursache – Wirkungsketten im Asset Management Prozess

Auf Basis des so entstandenen Simulationsmodells lassen sich dann verschiedene Asset Strategien simulieren und im Detail bewerten. Zudem können durch Parametervariation und Sensitivitätsanalysen die entscheidenden Stellhebel identifiziert werden. Das Asset Management gewinnt so ein wesentlich besseres Verständnis bezüglich des künftigen Verhaltens seiner Anlagen sowie der möglichen langfristigen Auswirkungen der geplanten Maßnahmen und wird damit in die Lage versetzt, fundierte und nachhaltige Asset Strategien zu formulieren und umzusetzen.

3.4.1.4 Markov-Prozess Nach Abschn. 3.4.1.2 wird für die Darstellung von mehreren Zuständen eines Betriebsmittels das Markov-Modell verwendet. Wesentlich hierbei ist, dass die Übergangsraten λ konstant zwischen zwei Zuständen (Abb. 3.46) sind. Mithilfe des Markov-Modells ist es möglich, die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, mit der z. B. ein Betriebsmittel sich in einem bestimmten Zustand befindet [48]. Für die zeitliche Veränderung der Wahrscheinlichkeit, dass eine Komponente in einem bestimmten Zustand sich befindet, dann gilt: dP1 = P˙ 1 = − · P1 dt Mit P1  Wahrscheinlichkeit des Zustandes 1, P˙ 1   zeitliche Ableitung der Wahrscheinlichkeit, λ            Ausfallrate (Übergangsrate in einen anderen Zustand).

(3.27)

272

3 Steuerungsfunktionen

Das Minuszeichen in Gl. (3.27) bedeutet: Abgang in einen anderen Zustand. Dieses führt zur homogenen Differentialgleichung

P˙ 1 +  · P1 = 0

(3.28)

P1 = k · ect

(3.29)

mit dem Ansatz

und der Anfangsbedingung P1(0) = 1 folgt daraus: (3.30)

P1 (t) = e−t

Kann im Gegensatz hierzu eine Komponente zwei Zustände P1 (z. B. in Betrieb) und P2 (z. B. außer Betrieb) einnehmen, so ergeben sich die Veränderungen aus der Ausfallrate λ und der Instandhaltungsrate μ zu (z. B. Abb. 3.48):

P˙ 1 = − · P1 + µ · P2

(3.31)

P˙ 2 = + · P1 − µ · P2

(3.32)

Die Werte λ und µ bestimmen sich jeweils aus folgenden Beziehungen:

=

1 MTTF

µ=

1 MTTR

(3.33)

Mit MTTF  M  ittlere Zeit bis zu einem Fehler (mean time to failure) MTTR  Mittlere Zeit für eine Reparatur (mean time to repair) Da die zweite Gl. (3.32) keine zusätzliche Information liefert, sondern sich aus der ersten ergibt, kann sie durch die Bedingung ·

P1 + P2 = 1

(3.34)

P˙ 1 = − · P1 + µ · (1 − P1 ) bzw.

(3.35)

P˙ 1 = µ − ( + µ) · P1

(3.36)

ersetzt werden. Hieraus ergibt sich:

Unter Berücksichtigung von Gl. (3.27) ergibt die Lösung der Differentialgleichung aus dem Integral:   dP1 = dt bzw. (3.37) µ − P1 · ( + µ)



  1 ln µ − P1 · ( + µ) + C1 = t ( + µ)

(3.38)

3.4 Asset-Simulationen

273

  ln µ − P1 · ( + µ) = ( + µ) · (C1 − t)

(3.39)

µ − P1 · ( + µ) = e−(+µ)·(t−C1 ) = e−(+µ)·t · e(+µ)·C1

(3.40)

Nach Einführung einer neuen Konstanten K1 folgt daraus: (3.41)

K1 · e−(+µ)·t = µ − P1 · ( + µ)

Die Konstante K1 kann aus der Anfangsbedingung P1(0) zum Zeitpunkt t = 0 abgeleitet werden:

K1 = µ − P1 (0) · ( + µ) = µ · [1 − P1 (0)] −  · P1 (0)

(3.42)

Wegen der Bedingung (die Komponente muss sich in einem der beiden Zustände P1 und P2 befinden):

P1 (0) + P2 (0) = 1 → K1 = µ · P2 (0) −  · P1 (0)

(3.43)

Nach Einsetzen und Umformen ergibt sich für den Wert P1 aus Gl. (3.41) und analog für P2:

P1 =

P2 =

  1 · µ + { · P1 (0) − µ · P2 (0)} · e−(+µ)·t µ + 

(3.44)

  1 ·  + {µ · P2 (0) −  · P1 (0)} · e−(+µ)·t µ + 

(3.45)

Der stationäre Zustand lässt sich mit t → ∞ aus den Gl. (3.44) und (3.45) ermitteln zu

P1 =

µ µ + 

P2 =

 µ + 

(3.46)

Abb. 3.48 zeigt die grundsätzliche Anordnung für ein Betriebsmittel mit zwei Zuständen und die Ermittlung des zeitlichen Verlaufs der beiden Betriebsmittelzustände [35]. Abb. 3.48 kann folgendermaßen erläutert werden: • Das Betriebsmittel bleibt mit einer Wahrscheinlichkeit von p = 0,5/a im Zustand P1, • das Betriebsmittel wechselt in den Zustand P2 mit einer Wahrscheinlichkeit von p = 0,5/a (Übergangsrate μ), • das Betriebsmittel bleibt mit einer Wahrscheinlichkeit von p = 0,75/a im Zustand P2, • das Betriebsmittel wechselt in den Zustand P1 mit einer Wahrscheinlichkeit von p = 0,25/a (Übergangsrate µ). Abb. 3.48   Betriebsmittel mit zwei Zuständen P1 und P2

0,50 P1

P2 0,25

274

3 Steuerungsfunktionen

Die Wahrscheinlichkeiten beziehen sich jeweils auf einen bestimmten Zeitraum, in diesem Fall ein Jahr. Ausgehend von den Gl. (3.44) und (3.45) ergibt sich in Abhängigkeit Übergangsraten λ = 0,50/a und µ = 0,25/a:

P1 =

  1 · 0,25 + {0,50 · P1 (0) − 0,25 · P2 (0)} · e−0,75·t 0,75

P2 =

  1 · 0,50 + {0,25 · P2 (0) − 0,50 · P1 (0)} · e−0,75·t 0,75

In Abhängigkeit der Zeit ergibt sich die Zustandsverteilung nach Abb. 3.49, wenn die Anfangsverteilung wie folgt angenommen wird: P1(0) = 1 und P2(0) = 0. Zusätzlich ist jeweils noch der Endwert t → ∞ nach Gleichung 3.X + 18) eingetragen, P1(∞) und P2(∞). Die Ermittlung der Zustände P1 und P2 lässt sich ausgehend von den Gl. (3.31) bis (3.34) bestimmen, welches im Folgenden erläutert wird. Die Zustandswahrscheinlichkeiten des Markov-Prozesses werden im Allgemeinen mithilfe eines Gleichungssystems ermittelt. Für die Matrix gilt mit den Übergangsraten αnn:

  α11 dP1 /dt  α21  dP2 /dt      .  =  . .  .   .. 

dPn /dt

α12 α22 .. .

αn1 αn2

Pn         Zustand, dPn/dt  Veränderung aus dem Zustand Pn, αnn             Übergangsraten.

   · · · α1n P1   · · · α2n   P2   · .  . . ..  . . .   .  Pn · · · αnn

(3.47)

Die Veränderung des Zustands P1 ergibt sich hierbei aus dem Zustand P1 abzüglich des Abgangs in andere Zustände und zuzüglich der von anderen in den Zustand P1. Diese Matrix lässt sich aus den Gl. (3.27), (3.31) und (3.32) ableiten. Allgemein gelten die folgenden Regeln für das Aufstellen der Matrix: • die Hauptdiagonalelemente sind negativ, die übrigen positiv, • die Hautdiagonalelemente ergeben sich aus der negativen Summe der Übergangsraten von Zustand i in den anderen Zustand j, • die Nebendiagonalelemente ergeben sich aus den Übergangsraten des anderen Zustands j in den Zustand i, • für die Nebendiagonalelemente gilt: αij ≠ αji, • die Spaltensumme ist null.

3.4 Asset-Simulationen

275

Für die stationäre Zustandsverteilung gilt für das Gleichungssystem (3.47) mit dPn/dt = 0 (t → ∞):

   α11 0  α21 0    . =  . . .  .. 0

α12 α22 .. .

αn1 αn2

   · · · α1n P1   · · · α2n   P2   · .  . . ..  . . .   .  Pn · · · αnn

(3.48)

Da das Gleichungssystem (3.48) linear abhängig ist, kann eine beliebige Zeile gestrichen und durch die Bedingung nach Gl. (3.34) ersetzt werden (die Summe der Wahrscheinlichkeit aller Zustände ist 1).

1 = P1 + P2 + · · · + Pn

(3.49)

Die Lösung des Gleichungssystems ergibt sich nach der Cramerschen Regel zu:

Pn =

Dn D

(3.50)

Mit D  Koeffizienten-Determinante des Systems nach Gl. (3.48), Determinante, wenn in der Koeffizienten-Determinante des Systems die Dn  Koeffizienten der Unbekannten Pn durch die linke Spalte ersetzt wird. Für die Determinante D1 gilt allgemein (1. Spalte):



0 0  D1 =  .  ..

α12 α22 .. .

 · · · α1n · · · α2n   . . ..  . . 

(3.51)

1 1 ··· 1

Gl. (3.47) stellt ein System linearer Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten dar. Zur Lösung eines derartigen Gleichungssystems ist im Allgemeinen das Eigenwertproblem zu bearbeiten, Gl. (3.52).

A·V=c·V Mit A  Matrix des Gleichungssystems, Gl. 3.47), c         Eigenwerte der charakteristischen Gleichung, V  Eigenvektor, E   Einheitsmatrix.

(3.52)

276

3 Steuerungsfunktionen

Die Eigenwerte c können mithilfe der charakteristischen Gl. (3.53) bestimmt werden.



a11 − c α12  α21 α22 − c  det (A − c · E) =  .. ..  . . αn1 αn2

··· ··· .. .



α1n α2n .. .

· · · αnn − c

  =0 

(3.53)

Aus den Eigenwerten lassen sich die Eigenvektoren V bestimmen.

 v11  v12    V1 =  .   ..  

v1n

 vn1  vn2    Vn =  .   ..  

 v21  v22    V2 =  .   ..  

(3.54)

vnn

v2n

Die Lösung des Gleichungssystems (3.47) ergibt sich dann zu:

 P1  P2     .  = k1 · V1 · ec1 ·t + k2 · V2 · ec2 ·t + · · · + kn · Vn · ecn ·t  ..  

(3.55)

Pn

1.0

0.8 P2(∞) 0.6

P1(t)

P2(t)

0.4 P1(∞) 0.2

0.0

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

4.5

Abb. 3.49   Zeitliche Zustandsverteilung nach Abb. 3.48 in Abhängigkeit der Jahre

a 5

3.4 Asset-Simulationen

277

Oder ausgeschrieben:

P1 (t) = k1 · v11 · ec1 ·t + k2 · v21 · ec2 ·t + · · · + kn · vn1 · ecn ·t P2 (t) = k1 · v12 · ec1 ·t + k2 · v22 · ec2 ·t + · · · + kn · vn2 · ecn ·t .. .

(3.56)

Pn (t) = k1 · v1n · ec1 ·t + k2 · v2n · ec2 ·t + · · · + kn · vnn · ecn ·t Die Konstanten k1, k2 … kn sind durch die Anfangsbedingungen zu bestimmen. Mithilfe der Lösungen nach Gl. (3.56) ist es möglich, den zeitlichen Verlauf der Veränderung zu ermitteln, wie dieses in Abb. 3.49) dargestellt ist. Die Koeffizienten v11, v21, … vnn der Vektoren bestimmen sich jeweils durch Einsetzen der unterschiedlichen Eigenwerte ci, z. B. für den Eigenwert c1:

(a11 − c1 ) · v11 + a12 · v12 + · · · + a1n · v1n = 0 a21 · v11 + (a22 − c1 ) · v12 + · · · + a2n · v1n = 0 .. .

(3.57)

an1 · v11 + an2 · v12 + · · · + (ann − c1 ) · v1n = 0 Da im Prinzip das Gleichungssystem (3.57) überbestimmt ist, kann die letzte Zeile gestrichen werden, die Folge ist, dass nur Verhältnisse untereinander bestimmt werden können. Wenn im Gegensatz hierzu die Lösungen der charakteristischen Gleichung eine Mehrfachwurzel hat, so stellen die Werte des Eigenvektors ein Polynom dar. Die Häufigkeit, mit der ein Betriebsmittel einen bestimmten Zustand verlässt, ergibt sich aus dem Produkt der Wahrscheinlichkeit dieses Zustandes mit der Summe der Übergangsraten von diesem Zustand in andere Zustände, dieses bedeutet:

H1 = −P1 · α11

H2 = −P2 · α22

Hn = −Pn · αnn

(3.58)

Die Dauer des Zustandes Pn ermittelt sich aus dessen Abgangsraten, dieses bedeutet:

T1 =

−1 −1 −1 ; T2 = ; Tn = α11 α22 αnn

(3.59)

Für das einfache Beispiel nach Abb. 3.48 mit zwei Zuständen gelten allgemein die Gleichungssysteme       dP1 /dt α11 α12 P1 = · (3.60) α21 α22 P2 dP2 /dt bzw. nach ersetzen der letzten Zeile:       0 α11 α12 P1 = · 1 1 P2 1

(3.61)

Für die Wahrscheinlichkeiten der Zustände P1 und P2 ergibt sich nach Gl. (3.50) oder aber kann direkt ermittelt werden:

278

3 Steuerungsfunktionen

P1 =

α12 α12 − α11

P2 =

−α11 α12 − α11

(3.62)

Unter Berücksichtigung der Übergangsraten nach Abb. 3.48 folgt:

α11 = −0,5 [1/a] α12 = 0,25 [1/a] α22 = −0,25 [1/a] α21 = 0,5 [1/a] P1 =

8760 h 2 1 = ˆ = 2920 h/a und P2 = = ˆ 5840 h/a 3 a 3

Das Ergebnis entspricht dem Resultat nach Abb. 3.48 (t → ∞). Für die Häufigkeit folgt nach Gl. (3.58):

H1 = −P1 · α11 und H2 = −P2 · α22 H1 =

1 2 1 1 1 1 · [1/a] = · [1/a] = [1/a] und H2 = [1/a] 3 2 6 3 4 6

Für die Dauer gilt

T1 =

−1 −1 = 2 [a] und T2 = = 4 [a] α11 α22

Im Folgenden werden zwei ausführliche Beispiele (Alterungsprozess und Verfügbarkeit von Betriebsmitteln) dargestellt. Die Anwendung des Markov-Modells bei der Berechnung der Zuverlässigkeit von Komponenten eines Hochspannungsleistungsschalter-Kollektivs ist in [21] aufgeführt. Beispiel: Alterungsprozess Im Folgenden wird beispielhaft der Alterungsprozess eines Betriebsmittels mit drei verschiedenen Zuständen Z1, Z2 und Z3 gezeigt [1], Abb. 3.50, wobei die verschiedenen Zustände nach unterschiedlichen Zeiten erreicht werden können. Durch Wartungen W1, W2 kann das Betriebsmittel wieder in einen besseren Zustand versetzt werden. Zum Abschluss erfolgt der Ersatz des Betriebsmittels E. Die unterschiedlichen Übergangsraten können wie folgt definiert werden, Angaben jeweils in Jahren: • ν1 Übergang vom Zustand Z1 in den Zustand Z2, • ν2 Übergang vom Zustand Z2 in den Zustand Z3, • ν3 Übergang vom Zustand Z3 in den Zustand E, in dem der Ersatz des Be-triebsmittels stattfindet, • ν4 Übergang vom Zustand E in den Zustand Z1, der durch die Zeit, bedingt durch die Neuinstallation, gekennzeichnet ist,

3.4 Asset-Simulationen

279

ν4 Z1

ν1

µ

Z2

λ

ν2

E

λ

µ

W1

ν3

Z3

W2

Abb. 3.50    Markov-Diagramm des Alterungsprozesses eines Betriebsmittels bei drei verschiedenen Betriebszuständen. Z1, Z2, Z3 Zustand. W1, W2 Wartung. E, Ersatz. λ, µ, ν Übergangsraten

• λ Übergang in den Zustand W1 bzw. W2, der durch den Wartungszyklus geprägt ist, • µ Übergang in den Zustand Z1 bzw. Z2, der durch die Reparaturzeit bzw. Wartungszeit bestimmt ist. Die Zustandsmatrix für das Beispiel nach Abb. 3.50 ergibt sich unter Berücksichtigung von Gl. (3.47) zu:

  −υ1 0 0 υ4 dZ1 /dt  υ −(υ + )  dZ /dt  0 0 1 2 2       −(υ + ) 0 /dt 0 υ dZ    3 2 3  =    0  dE/dt  −υ4 0 υ3     dW1 /dt   0  0 0 dW2 /dt 0 0  0 

µ 0 0 0 −µ 0

   Z1 0   µ    Z2     0   Z3   (3.63) · 0   E     0   W1  W2 −µ

Für die Berechnung des stationären Endwertes werden die zeitlichen Veränderungen gleich null gesetzt. Ebenso wird die letzte Zeile gemäß Gl. (3.49) ausgetauscht.       0 −υ1 0 0 υ4 µ 0 Z1 0  υ −(υ + )   0 0 0 µ 2    1   Z2        −(υ3 + ) 0 0 0   Z3  υ2 0  0   =  ·  (3.64) 0  0 −υ4 0 0   E  0 υ3       0  0  0 0 −µ 0   W1  W2 1 1 1 1 1 1 1 Ausgehend vom Gleichungssystem (3.64) kann die stationäre Wahrscheinlichkeit der einzelnen Zustände (t → ∞) von Abb. 3.50 bestimmt werden.

Z1 =

b b·c+a·d

Z2 =

a · Z1 b

(3.65)

280

3 Steuerungsfunktionen

Z3 =

W1 =

υ2 · Z2 υ3 + 

 · Z2 µ

W2 =

E=

υ3 · Z3 υ4

υ2 +  υ1 · Z2 − · Z1 µ µ

(3.66)

(3.67)

Mit

a = υ1 b =  + υ1 c= 1− µ

υ2 · υ 3  + υ3

   υ2 υ3 υ2 +  d = 1+ + · 1+ + µ  + υ3 υ4 µ

(3.68)

(3.69)

Für ein Beispiel werden die verschiedenen Übergangsraten nach Tab. 3.26 verwendet. Hierbei bedeutet „Zeit“ der Zeitraum für ein Ereignis und die „Wert“ ermittelt sich aus dem Kehrwert. Aus den Angaben nach Tab. 3.26 kann abgeleitet werden, dass die Lebensdauer des Betriebsmittels sich aus der Addition der Übergangsraten bis zum Zustand E ergibt, in diesem Fall sind dieses 30 Jahre. Dieses stellt somit die Lebensdauer dar, wenn keine Wartung durchgeführt wird, welches einer ereignis-orientierten Instandhaltungsstrategie entspricht. Für die neue Installation wird eine Zeit von einem halben Jahr benötigt wird, während eine Wartung alle acht Jahre erfolgt, mit einer Bearbeitungszeit von einer Woche. Unter Berücksichtigung der Angaben nach Tab. 3.26 kann somit angegeben werden, wie die wahrscheinliche Verteilung der Betriebsmittel auf die unterschiedlichen Zustände sein wird, Tab. 3.27. Wird unter sonst gleichen Voraussetzungen, wie in Tab. 3.26, ausschließlich die Wartungszyklen von 8 Jahren auf 12 Jahre angehoben, so ergibt sich in diesen Fällen eine Anhebung des Anteils der Zustände Z2 und Z3 zulasten des Zustands Z1. Wird keine Wartung durchgeführt, ergibt sich nahezu eine Verteilung entsprechend der Verweildauer in den einzelnen Zuständen Z1 bis Z3. Die unter diesen Annahmen durchgeführten Berechnungen zeigen, dass durch eine intensivere Wartung sich der Anteil der Betriebsmittel, die in einer besseren Zustandsgruppe sind, vergrößert.

Tab. 3.26  Verweilzeiten und Übergangsraten für das Beispiel nach Abb. 3.50

Rate

Zeit/Jahr

υ1

15

0,06667

υ2

10

0,10000

υ3

5

0,20000

υ4

0,5

2,00000

λ

8

μ

7/365

Wert/1/Jahr

0,12500 52,14286

3.4 Asset-Simulationen Tab. 3.27  Stationäre Aufteilung der Betriebsmittelgruppe

281 Anteila)/%

Anteilb)/%

Anteilc)/%

Zustand Z1

67,592

62,414

49,197

Zustand Z2

24,156

27,033

32,782

Zustand Z3

7,433

9,541

16,383

Ersatz E

0,743

0,954

1,638

Wartung W1

0,058

0,043

0,000

Wartung W2

0,018

0,015

0,000

100,000

100,000

100,000

Zustand

Gesamt

a) Wartungszyklus alle 8 Jahre b) Wartungszyklus alle 12 Jahre c) Ohne Wartung

Zur Bestimmung der zeitlichen Entwicklung der einzelnen Zustände, wird die Vorgehensweise entsprechend den Gl. 3.52) angewendet, um die Eigenwerte zu bestimmen. Die charakteristische Gleichung bestimmt sich aus Gl. (3.70).

    −υ1 − c 0 0 υ4 µ 0    υ −(υ2 + ) − c 0 0 0 µ  1    −(υ3 + ) − c 0 0 0 0 υ2   det (A − c · E) =     0 0 υ3 −υ4 − c 0 0     0  0 0 −µ − c 0    0 0  0 0 −µ − c  (3.70)

Nach Einsetzen der Werte entsprechend Tab. 3.27 folgt aus der Determinante nach Gl. (3.70):

   −0,06667 − c  0 0 2,0 52,14286 0    0,06667 −0,225 − c 0 0 0 52,14286     0 0 0 0 0,1 −0,325 − c       0 0 0,2 −2,0 − c 0 0     0 0,125 0 0 −52,14286 − c 0    0 0 0,125 0 0 −52,14286 − c 

(3.71)

Aus der Determinante, Gl. (3.71), kann die charakteristische Gleichung zur Bestimmung der Eigenwerte abgeleitet werden, um den zeitlichen Verlauf der Zustände nach Abb. 3.50 zu bestimmen. Die charakteristische Gleichung lautet:  4  c + 104,92604 · c3 + 168,71734 · c2 + 601,63222 · c + 9,35399 ·c·(c + 52,14286) = 0 (3.72)

282

3 Steuerungsfunktionen

Die Eigenwerte ergeben sich zu:

c1 = 0

c2 = −52,14286

c4 = −2,00047

c3 = −52,14246

c5 = −0,38163

c6 = −0,23498

Nach Gl. (3.57) ergibt sich die allgemeine Lösung des Differentialgleichungssystems zu:

Z1 (t) = k1 · v11 · ec1 ·t + k2 · v21 · ec2 ·t + · · · + k6 · v61 · ec6 ·t Z2 (t) = k1 · v12 · ec1 ·t + k2 · v22 · ec2 ·t + · · · + k6 · v62 · ec6 ·t Z3 (t) = k1 · v13 · ec1 ·t + k2 · v23 · ec2 ·t + · · · + k6 · v63 · ec6 ·t E(t) = k1 · v14 · ec1 ·t + k2 · v24 · ec2 ·t + · · · + k6 · v64 · ec6 ·t

(3.73)

W1 (t) = k1 · v15 · ec1 ·t + k2 · v25 · ec2 ·t + · · · + k6 · v65 · ec6 ·t W2 (t) = k1 · v16 · ec1 ·t + k2 · v26 · ec2 ·t + · · · + k6 · v66 · ec6 ·t Die Konstanten k1 bis k6 werden aus den Anfangsbedingungen bestimmt. Die Werte der Eigenvektoren Vn bestimmen sich für jeden Eigenwert mithilfe der Determinanten (3.70) und der rechten Seite von Gl. (3.55). Hieraus lassen sich die Eigenvektoren für die verschiedenen Eigenwerte ci bestimmen. Da das System nach Gl. (3.71) überbestimmt ist, kann eine Zeile gestrichen werden, sodass die Koeffizienten als Verhältnis bestimmt werden können. Im Folgenden wird jeweils der Wert vi1 = 1 als Basiswert gesetzt.

µ+c υ3 υ3 +  + c · vi3 vi3 = · vi6 vi4 = · vi3   υ4 + c υ1 · υ 2 ·   · vi2 vi6 = · vi1 vi4 = µ+c (µ + c) · (υ2 +  + c) · (υ3 +  + c) − µ · υ1 · υ2 (3.74)

vi2 =

Nach Einsetzen ergeben sich die Werte der Eigenvektoren nach Gl. 3.54).

     1,000 1,000 1,000  −0,003   0,000   0,357               0,000   0,000   0,110  V1 =    V3 =   V2 =   0,000   0,000   0,011         −0,999   −0,999   0,001  0,002 −0,001 0,000     1,000 1,000  1,014   −0,446           −1,791   −0,496  V5 =   V6 =    −0,221   −0,056       0,002   −0,001  −0,004 −0,001 

 1,000  −0,038       0,002  V4 =    −0,964     0,000  0,000 

(3.75)

3.4 Asset-Simulationen

283

Mithilfe der Eigenvektoren kann das Gleichungssystem (3.73) ausgefüllt werden, hierbei wird der Eigenwert c1 = 0 berücksichtigt. Anschließend ist es möglich, die zeitlichen Verläufe zu berechnen. Z1 (t) = k1 + k2 · ec2 ·t + k3 · ec3 ·t + k4 · ec4 ·t + k5 · ec5 ·t + k6 · ec6 ·t Z2 (t) = 0,357 · k1 − 0,003 · k3 · ec3 ·t − 0,038 · k4 · ec4 ·t + 1,014 · k5 · ec5 ·t − 0,446 · k6 · ec6 ·t Z3 (t) = 0,110 · k1 + 0,002 · k4 · ec4 ·t − 1,791 · k5 · ec5 ·t − 0,496 · k6 · ec6 ·t E(t) = 0,011 · k1 − 0,964 · k4 · ec4 ·t − 0,221 · k5 · ec5 ·t − 0,056 · k6 · ec6 ·t W1 (t) = 0,001 · k1 − 0,999 · k2 · ec2 ·t − 0,999 · k3 · ec3 ·t + 0,002 · k5 · ec5 ·t − 0,001 · k6 · ec6 ·t W2 (t) = −0,001 · k2 · ec2 ·t + 0,002 · k3 · ec3 ·t − 0,004 · k5 · ec5 ·t − 0,001 · k6 · ec6 ·t

(3.76) Unter Berücksichtigung der Anfangsbedingungen können die allgemeinen Konstanten des Gleichungssystems (3.76) bestimmt werden, hierbei wird von zwei unterschiedlichen Beispielen zum Zeitpunkt t(0) ausgegangen, nämlich: • 1. Szenario: Alle Betriebsmittel befinden sich im Zustand Z1(0) = 1; während der Bestand der übrigen Zustände jeweils null ist. • 2. Szenario: Alle Betriebsmittel sind zu einem Drittel auf die Zustände Z1(0) = Z2(0) = Z3(0) = 0,333 verteilt; während der Bestand der übrigen Zustände jeweils null ist. Für die Konstanten ergeben sich die Werte nach Tab. 3.28 in Abhängigkeit der beiden unterschiedlichen Anfangsbedingungen. Werden die Konstanten in das Gleichungssystem (3.76) eingetragen, so ergeben sich die vereinfachten Gleichungen nach (3.77, 3.78) für die beiden verschiedenen Randbedingungen (es werden jeweils die Zahlen mit 4 Stellen nach dem Komma berücksichtigt).

Tab. 3.28  Bestimmung der Konstanten für das Gleichungssystem (3.76)

Konstante k1

1. Szenario

2. Szenario

0,675906

0,675230

k2

0,000000

0,250562

k3

−0,000003

−0,249766

k4 k5 k6

0,000242

−0,066494 0,390349

0,039109

−0,053496

−0,328639

284

3 Steuerungsfunktionen

• 1. Szenario

Z1 (t) ≈ 0,6759 + 0,0002 · ec4 ·t − 0,0665 · ec5 ·t + 0,3904 · ec6 ·t Z2 (t) = 0,2416 · k1 − 0,0674 · k5 · ec5 ·t − 0,1741 · k6 · ec6 ·t Z3 (t) = 0,0743 · k1 − 0,1191 · k5 · ec5 ·t − 0,1934 · k6 · ec6 ·t E(t) = 0,0074 · k1 − 0,0002 · k4 · ec4 ·t + 0,0147 · k5 · ec5 ·t − 0,0219 · k6 · ec6 ·t W1 (t) = 0,0006 · k1 − 0,0002 · k5 · ec5 ·t − 0,0004 · k6 · ec6 ·t W2 (t) = 0,0002 · k1 + 0,0003 · k5 · ec5 ·t − 0,0005 · k6 · ec6 ·t

(3.77)

• 2. Szenario Z1 (t) = 0,6752 + 0,2506 · ec2 ·t − 0,2498 · ec3 ·t + 0,0391 · ec4 ·t − 0,0535 · ec5 ·t − 0,3286 · ec6 ·t Z2 (t) = 0,2413 + 0,0008 · ec3 ·t − 0,00149 · ec4 ·t − 0,0543 · ec5 ·t + 0,1467 · ec6 ·t Z3 (t) = 0,0743 + 0,0001 · ec4 ·t + 0,0958 · ec5 ·t + 0,1628 · ec6 ·t E(t) = 0,0074 − 0,0377 · ec4 ·t + 0,0118 · ec5 ·t + 0,0185 · ec6 ·t W1 (t) = 0,0006 − 0,2502 · ec2 ·t + 0,2495 · ec3 ·t − 0,0001 · ec5 ·t + 0,0004 · ec6 ·t W2 (t) = 0,0002 − 0,0003 · ec2 ·t − 0,0005 · ec3 ·t + 0,0002 · ec5 ·t + 0,0004 · ec6 ·t

(3.78) Für Zeiten t → ∞ verschwinden die Glieder mit einer Exponentialfunktion der Gleichungssysteme (3.77, 3.78), sodass die Absolutglieder übrigbleiben. Diese Werte entsprechen den stationären Angaben nach Tab. 3.27). Die Abb. 3.51 und 3.52) zeigen den zeitlichen Verlauf der verschiedenen Zustände über einen Zeitbereich von 40 Jahren, in denen sich die Betriebsmittel befinden können, nach Abb. 3.28. Ausgehend von den vorgegebenen Startwerten in Abhängigkeit der Szenarien 1 oder 2 ergeben sich die Endverteilung nach Tab. 3.27). Nach Abb. 3.50 führt eine Instandhaltungsmaßnahme (Wartung) immer zu einer Verbesserung des Zustands, indem das Betriebsmittel z. B. vom Zustand Z2 in den Zustand Z1 gelangt. In Abhängigkeit der Wartungsintensität ist es natürlich auch möglich, dass das Gerät entweder in den gleichen Zustand zurückkommen oder aber sogar in einen besseren gelangen kann [1]. Beispielhaft zeigt Abb. 3.53 das Diagramm, wenn eine Verbesserung oder aber ein konstantes Verhalten möglich ist. Hierbei wird zusätzlich eine Wahrscheinlichkeit p eingesetzt, sodass das Zustandsverhalten verändert werden kann. Wenn z. B. die Wahrscheinlichkeit identisch ist, dass nach einer Wartung der Zustand Z1 oder Z2 erreicht wird, ist in diesem Fall p = 0,5 zu setzen. Zusätzlich ist es natürlich möglich, dass durch eine Wartung der Zustand eines Betriebsmittels verschlechtert werden kann, in diesem Fall ist ein Übergang zu einem schlechteren Zustand möglich, z. B. von W1 nach Z3 oder von W2 nach E. Der Wert p teilt sich dann auf drei Möglichkeiten auf, z. B. von W1 nach Z1, Z2 und Z3 auf, wobei die Summer der Wahrscheinlichkeiten 1 ist.

3.4 Asset-Simulationen

285

100%

80% Z1 60%

40% Z2 20% Z3 E

0% 0

5

10

15

20

25 W1, W2 30

35

a

40

Abb. 3.51   Zeitlicher Verlauf der Zustandsverteilung, 1. Szenario; Bezeichnungen nach Abb. 3.50

100%

80%

Z1 60%

40%

Z2 20% Z3

E 0%

0

5

10

15

20

W1, W2 25

30

35

a

40

Abb. 3.52   Zeitlicher Verlauf der Zustandsverteilung, 2. Szenario; Bezeichnungen nach Abb. 3.50

286

3 Steuerungsfunktionen

ν4 Z1

ν1

µ⋅ p

µ⋅(1 - p)

ν2

Z2

λ

W1

ν3

Z3

λ

µ⋅ p

µ⋅(1 - p)

E

W2

Abb. 3.53   Markov-Diagramm eines Alterungsprozesses, Legende siehe Abb. 3.50

Durch die Einführung zusätzlicher Übergangsraten verändert sich das Gleichungssystem entsprechend. In diesem Beispiel wird die Wahrscheinlichkeit p bei den Wartungen W1 und W2 als identisch angenommen.

    Z1 −υ1 0 0 υ4 µ · (1 − p) 0 dZ1 /dt    υ −(υ + )  dZ /dt  0 0 µ·p µ · (1 − p)  2   Z2   1   2      υ2 −(υ3 + ) 0 0 µ · p   Z3   0  dZ3 /dt    ·  =    E   0  dE/dt  −υ4 0 0 0 υ3       dW1 /dt    W1   0  0 0 −µ 0 W2 dW2 /dt 0 0  0 0 −µ 

(3.79)

bzw. zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Betriebsmittel in einem bestimmten Zustand befindet.

      Z1 −υ1 0 0 υ4 µ · (1 − p) 0 0    υ −(υ + ) 0 0 0 µ·p µ · (1 − p)  2   Z2   1         υ2 −(υ3 + ) 0 0 µ · p   Z3   0 0  ·   =    E   0 0 −υ4 0 0 0 υ3       0   W1   0  0 0 −µ 0 W2 1 1 1 1 1 1 1

(3.80)

Ausgehend von den Gleichungssystemen nach (3.79) bzw. (3.80) kann wiederum die zeitliche Entwicklung der Zustände als auch die Endverteilung bestimmt werden. Wenn die Wahrscheinlichkeiten bekannt sind, dass sich ein Betriebsmittel innerhalb eines definierten Zustands (Abb. 3.51) befindet, können auch die entstehenden Kosten pro Jahr oder im Betrachtungszeitraum bestimmt werden. Hierbei wird die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Betriebsmittel in einem Jahr gewartet wird (z. B. Bestand im Zustand W1), mit den Wartungskosten multipliziert [2].

3.4 Asset-Simulationen

287

Beispiel: Verfügbarkeit von Betriebsmitteln Wenn ein System aus zwei Komponenten B1 und B2 besteht, die repariert werden können, dann gibt es insgesamt vier verschiedene Zustände, in denen sich das System befinden kann, Abb. 3.54 [59]. Die Zustandsmatrix für das Beispiel nach Abb. 3.54 ergibt sich zu       P1 µ2 0 µ1 dP1 /dt −(1 + 2 )      dP2 /dt  P  −(µ +  0 µ ) 1 1 2 2    ·  2  dP3 /dt  =    P3  2 0 −(µ1 + 1 ) µ1 P4 0 2 1 −(µ1 + µ2 ) dP4 /dt (3.81) Nach Ersetzen der letzten Zeile folgt mit t → ∞:    µ2 µ1 0 −(1 + 2 )  0  −(µ +  0 ) 1 1 2   =  0  2 0 −(µ1 + 1 ) 1 0 1 1

 0 µ2  · µ1  1

 P1  P2     P3  

(3.82)

P4

Die Wahrscheinlichkeiten P der verschiedenen Zustände Z ergeben sich aus dem Gleichungssystem zu:

µ1 · µ2 (1 + µ1 ) · (2 1 · µ2 P2 = (1 + µ1 ) · (2 2 · µ1 P3 = (1 + µ1 ) · (2 1 · 2 P4 = (1 + µ1 ) · (2 P1 =

Abb. 3.54   MarkovDiagramm für ein ZweiKomponentensystem, Zustände Z1 bis Z4. Zustand +: Komponente in Betrieb. Zustand -: Komponente nicht in Betrieb. λ Ausfallraten. µ Instandhaltungsraten

+ µ2 )

λ2

(3.83)

+ µ2 ) + µ2 )

λ1

B1+ B2+

Z1

Z3

+ µ2 )

µ1

λ2

µ2

B1+ B2-

B1B2+

λ1 µ1

Z2

µ2

B1B2-

Z4

288

3 Steuerungsfunktionen

Für die Ausfallhäufigkeit gilt, wenn die Übergangsraten zwischen den einzelnen Zuständen nach Abb. 3.54 betrachtet werden:

H1 = P1 · (1 + 2 )

H2 = P2 · (µ1 + 2 )

(3.84)

H3 = P3 · (µ2 + 1 )

H4 = P4 · (µ1 + µ2 )

(3.85)

Werden die beiden Betriebsmittel nach Abb. 3.54 in Reihe bzw. parallelgeschaltet, so kann die Verfügbarkeit PG bzw. die Nichtverfügbarkeit QG des Gesamtsystems, bestehend aus den beiden Betriebsmitteln, aus der Wahrscheinlichkeit der Einzelzuständen Z1 bis Z4 bestimmt werden. • Reihenschaltung der beiden Komponenten im Netz

PGR = P1

QGR = P2 + P3 + P4

(3.86)

• Parallelschaltung der beiden Komponenten im Netz

PGP = P1 + P2 + P3

QGP = P4

(3.87)

Die Häufigkeit des Ausfalls des Gesamtsystems bei Parallelschaltung ergibt sich aus dem Zustand P4 unter Berücksichtigung der Instandhaltungsraten µ zu:

HGP = P4 · (µ1 + µ2 ) =

(µ1 + µ2 ) · 1 · 2 (1 + µ1 ) · (2 + µ2 )

(3.88)

mit λ1  70 Betriebsjahre erhöhen müsste, um Kostengleichheit der beiden Varianten zu erhalten. Tab. 3.30  Aufsummierte Zahlungsströme der Investitions- und Betriebskosten Kostenart

Variante 1

Variante 2

Erneuerung/Mio. €

159,49

127,76

37,72

41,67

Betrieb/Mio. €

Variante 1: maximale Betriebsdauer 70 Jahre Variante 2: maximale Betriebsdauer 80 Jahre

301

3.4 Asset-Simulationen

Darüber hinaus ist grundsätzlich zu bedenken, dass Strategien, die sich zu Beginn der Simulation durch eine geringere Investition auszeichnen und dadurch vielleicht höhere Betriebskosten auf spätere Jahre verschoben werden, stets den Vorzug haben gegenüber den Strategien, die sich durch einen größeren Investitionsaufwand zu Beginn und in den laufenden Jahren zu geringeren Betriebskosten auszeichnen. Dieses ist eine Folge des bei einer Barwertbetrachtung verwendeten Kapitaldienstfaktors, der u. U. im Bereich von 7 bis 9 %/a liegen kann.

3.4.5 Simulation: Statistische Ausfallrate Im Gegensatz zu der Asset-Simulation nach Abschn. 3.4.4, indem aus einer Zustandsbewertung einer Betriebsmittelgruppe das zukünftige Alterungsverhalten abgeleitet wird, ist es auch grundsätzlich möglich, die Austausch- bzw. Ersatzrate einer ganzen Betriebsmittelgruppe mithilfe der Betriebserfahrung abzuschätzen, sodass entweder die Anzahl der auszuwechselnden Geräte pro Lebensjahr, bezogen auf die Grundgesamtheit (Dichtefunktion, Abb. 3.63), oder die kumulierte Ausfallwahrscheinlich (Verteilungsfunktion, Abb. 3.64) angegeben werden kann. Wird zum Beispiel eine Normalverteilung nach Abschn. 6.3.1 angenommen, so ergeben sich die entsprechenden Verteilungen, wenn nach ([15] oder Abschn. 2.1.6, Tab. 2.18) für Hochspannungstransformatoren (≥ 110 kV) ein Mittelwert der Lebensdauer von 42 Jahren mit einer Standardabweichung von 8 Jahren berücksichtigt wird. Nach Abb. 3.63 bzw. 3.64 sind insgesamt 50 % der ursprünglich installierten Transformatoren nach 42 Jahren ausgetauscht, wobei aufgrund der Standardabweichung von 0.06

µ = 42 Jahre

fE(t) 0.05 0.04 0.03

σ = ±8 Jahre 0.02

0.01 0

0

4

8

12 16 20 24 28 32 36 40 44 48 52 56 60 64 68 72 76 80 Jahre

Abb. 3.63   Austausch-(Ersatz)rate fE(t) für Hochspannungs-Transformatoren [72]

302

3 Steuerungsfunktionen 1 FE(t) 0.8

µ = 42 Jahre

0.6 0.5 0.4

0.2

0

σ = ±8 Jahre

0

4

8

12 16 20 24 28 32 36 40 44 48 52 56 60 64 68 72 76 80 Jahre

Abb. 3.64   Kumulierte Austauschwahrscheinlichkeit FE(t) für Hochspannungs-Transformatoren [72]

8 Jahren im Zeitfenster zwischen 34 und 50 Jahren insgesamt 68,2 % der Geräte ersetzt wurden. Die Umrechnung zwischen den statistischen Größen fE(t), Abb. 3.63, und FE(t), Abb. 3.64, erfolgt nach Gl. (3.95), siehe Abschn. 6.2.7:

FE (t) =

t

fE (t) · dt bzw. fE (t) =

dFE (t) dt

(3.95)

0

Wird im Gegensatz zur Ersatzrate fE(t), die auf das gesamte Kollektiv zum Zeitpunkt t = 0 bezogen ist, die Ersatzrate λE(t) gewählt, die sich auf die noch in Betrieb befindlichen Geräte bezieht, so berechnet sich λE(t) mit zu:

F(t) + R(t) = 1 E (t) =

fE (t) fE (t) = R(t) 1 − F(t)

(3.96) (3.97)

Mit R(t)  A  nzahl der Geräte, die noch in Betrieb sind F(t)  Anzahl der Geräte, die bereits ausgetauscht sind. Während nach den Abb. 3.63 und 3.64 eine Normalverteilung mit einem symmetrischen Verhalten für den Austausch der Betriebsmittel angenommen wird, ist es in vielen Fällen

3.4 Asset-Simulationen

303

realitätsnäher, eine Weibull-Verteilung (Abschn. 6.3.3) zu verwenden, da in diesen Fällen die Ersatzrate in den Zeitbereichen vor und nach dem Maximalwert unterschiedlich angepasst werden kann. Darüber hinaus kann eine Ersatzrate (entsprechend Abb. 3.63) aus dem bestehenden Kollektiv abgeleitet werden, indem die Berechnung der Funktion fE(t) anhand des künstlichen/realen Alters nach Abb. 3.55 erfolgt. Die Abb. 3.65 und 3.66 zeigen sowohl die Dichte- als auch die Verteilungsfunktion unter der Annahme, dass bei einem Betriebsmittelalter von 42 Jahren insgesamt 50 % der ursprünglichen Betriebsmittel bereits ausgetauscht wurden. Es zeigt sich, dass in Abhängigkeit des Parameters β nach Gl. 6.63, Abschn. 6.3.3) die Kurvenform der Ausfallrate so angepasst werden kann, sodass das Alterungsverhalten u. U. nachempfunden wird. So ist z. B. bei einem Wert von β = 10 der Verlauf der Austauschrate bis zum maximalen Wert flacher als nach 43 Betriebsjahren, darüber hinaus sind nach 54 Jahren sämtliche Betriebsmittel ausgetauscht. Der grundsätzliche Ablauf der Simulation kann nach Abb. 3.67 in mehrere Arbeitsschritte unterteilt werden: • Die Einteilung des vorhandenen Betriebsmittelkollektivs erfolgt nach dem tatsächlichen Alter der Betriebsmittel, da alle Verteilungen (Störungsraten, Ersatzrate) sich auf dieses Alter beziehen. • In Abhängigkeit des Störungsverhaltens [λmf(t) bzw. λMF(t) minor (mf), major (MF)] kann das Betriebsmittelkollektiv in verschiedene Klassen eingeteilt werden, denen z. B. unterschiedliche Störungskosten zugeordnet werden können (Abb. 3.44).

0.100 f(t) 0.080

β = 10

0.060

0.040

β=5 0.020

β = 2.5 0.000

0

4

8

12

16

20

24

28

32

36

40

44

48

52

56

60

64 68 Jahre

Abb. 3.65   Austausch- und Ersatzrate f(t) mithilfe der Weibull-Verteilung, Parameter β

304

3 Steuerungsfunktionen 1

β = 10

F(t)

β=5

0.8

0.6

0.4

β = 2.5 0.2

0

0

4

8

12

16

20

24

28

32

36

40

44

48

52

56

60

64 68 Jahre

Abb. 3.66   Kumulierte Austauschwahrscheinlichkeit FE(t) mithilfe der Weibull-Verteilung, Parameter β

nNI

nE

λmf(I) λMF(I)

λmf(II) λMF(II)

λmf(III) λMF(III)

λmf(IV) λMF(IV)

Klasse: I t = 1 – 5 Jahre R(t) = 1-F(t)

Klasse: II t = 6 – 20 Jahre R(t) = 1-F(t)

Klasse: III t = 21 – 35 Jahre R(t) = 1-F(t)

Klasse: IV t = 36 – 45 Jahre R(t) = 1-F(t)

λE(t)

λE(t)

λE(t)

λE(t)

Σ

Abb. 3.67   Simulation mit statistischen Werten (Arbeitsschritte)

• Mithilfe der jährlichen Ersatzrate λE(t) werden die Betriebsmittel berechnet, die in den einzelnen Jahren ersetzt werden. Hierbei kann u. U. berücksichtigt werden, dass nicht alle Betriebsmittel gegen neue ausgewechselt werden, wenn aufgrund einer Zielnetzplanung eine Reduktion der im Netz befindlichen Betriebsmittel erfolgt (nE  1). • Nach einer maximalen Betriebszeit werden sämtliche noch vorhandenen Betriebsmittel ausgetauscht, in diesem Beispiel nach 45 Jahren.

3.4.6 Zusammenfassung Asset Simulation Mithilfe einer Asset Simulation kann der Erneuerungs- und Instandhaltungsbedarf in den verschiedenen Jahren unter zu definierenden Randbedingungen (Fehlerraten, Aufwand für Instandhaltung usw.) ermittelt werden. Durch eine Parametervariation, z. B. Verlängerung des Wartungszyklus, kann der Einfluss auf den Finanzbedarf und die Versorgungszuverlässigkeit bei veränderter Fehlerrate abgeleitet und optimiert werden. In diesen Fällen ist jedoch das Störungsverhalten der Betriebsmittel bei geänderten Wartungszyklen abzuschätzen. Der wesentliche Vorteil einer dynamischen Betriebsmittelsimulation ist, neben der Kenntnis des Finanzbedarfs bei Berücksichtigung der aktuellen Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategie, die Ermittlung des Einflusses, den eine abweichende Strategie, z. B. die Verschiebung des Austauschs mithilfe einer einmaligen, aufwendigen Revision oder der Streckung des Instandhaltungsintervalls, auf die Ergebnisse haben wird. Dieses wird auch von besonderem Interesse bei einer Diskussion mit den entsprechenden staatlichen Behörden bzw. Regulierungsstellen hinsichtlich der Investitionsstrategie und somit den hieraus abzuleitenden notwendigen finanziellen Aufwendungen sein. Das Austauschverhalten des Betriebsmittelkollektivs wird in diesen Fällen aufgrund der betrieblichen Erfahrung angenommen, welches sich in den entsprechenden Austauschraten zeigt (Abb. 3.55 und 3.57). Diese Nachbildung berücksichtigt somit das technische Verhalten der Betriebsmittel, welches aus der Vergangenheit abgeleitet wird. Im Gegensatz hierzu kann auch das Austauschverhalten in Abhängigkeit der Vorgaben eines Regulators erfolgen (Abschn. 1.3.2), sodass es betriebswirtschaftlich sinnvoll sein kann, die Betriebsmittel abweichend von den tatsächlichen technischen Erfordernissen durch neue zu ersetzen.

3.5 Optimierung der Instandhaltung Grundsätzlich besteht innerhalb der Unternehmen ein Konflikt zwischen zwei widerstrebenden Zielen, nämlich: • Der Versorgungsqualität, das heißt, eine sichere und zuverlässige Energieversorgung und • einem effizienten Netzbetrieb, zu dem unter anderem einer optimalen Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategien der eingesetzten Betriebsmittel beitragen kann.

306

3 Steuerungsfunktionen

Aus diesen beiden Größen ist somit ein Optimum entsprechend der Abb. 1.1, Abschn. 1.1, zu suchen. Mithilfe des Arbeitsgebietes Operations-Research (OR) ist es möglich, eine Strategieoptimierung unter verschiedenen Randbedingungen durchzuführen. In der Vergangenheit sind verschiedene Optimierungsprobleme gelöst worden, zu denen das Problem des Handlungsreisenden das bekannteste ist [32].

3.5.1 Allgemeines Eine Priorisierung der Betriebsmittel für Instandhaltungs- und Erneuerungsaktivitäten ist auf der Basis unterschiedlicher Verfahren möglich, die verschiedene Entscheidungsebenen vereinen. Zum Beispiel können hierzu folgende Verfahren mit unterschiedlichen Eingangsgrößen eingesetzt werden. • Mithilfe eines Zustandsindex („Health Index“) für eine Betriebsmittelgruppe kann eine Zustandsbewertung der einzelnen Betriebsmittel durchgeführt und Priorisierung vorgenommen werden. In Abhängigkeit der finanziellen Ressourcen können entsprechende Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. Wenn ein Zustandsindex zur Entscheidungsfindung herangezogen wird, muss berücksichtigt werden, dass dieses nur dann sinnvoll ist, wenn sich eine Zustandsverschlechterung als Trend zeigt. Eine große Anzahl von Fehlern sind zufallsbedingt, sodass ein Zustandsindex hierüber keine verlässliche Aussage über den Zustand eines Betriebsmittels machen kann, Abschn. 3.2.5.2. Die Entscheidung erfolgt ausschließlich auf der Betriebsmittelebene einer Gruppe. Dieses Verfahren kann als ein Bottom-up-Verfahren bezeichnet werden, da ausgehend von der Zustandserkennung eines individuellen Betriebsmittels eine Investitionsentscheidung durchgeführt wird. • Auf der Basis der zuverlässigkeitsorientierten Instandhaltung (RCM) nach Abschn. 2.1.2, wird neben der Zustandsbeurteilung eines Betriebsmittels zusätzlich die Wichtigkeit des Betriebsmittels für das Netz beurteilt. Aus der Bewertung beider Größen (Zustand und Wichtigkeit) kann eine Priorisierung der Instandhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen festgelegt werden. Im Gegensatz zum ersten Verfahren findet die Entscheidung auf der Systemebene und innerhalb einer Betriebsmittelgruppe statt. Auch in diesem Fall handelt es sich um ein Bottom-up-Verfahren. • Grundsätzlich ist es möglich, allen Betriebsmitteln eine unterschiedliche Instandhaltungsstrategie zuzuordnen, sodass die Betriebsmittel eine andere Fehlerrate aufweisen, die altersabhängig ist. Es kann nun eine Strategie für das gesamte Netz gefunden werden, sodass jedem Betriebsmittel eine individuelle Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategie zugewiesen werden kann, wodurch sich ein Optimum zwischen der Versorgungsqualität und den Investitions- und Betriebskosten ergibt. Zur Lösung

3.5  Optimierung der Instandhaltung

307

dieses mathematischen Problems sind in der Vergangenheit verschiedene Verfahren aus dem Bereich Operations-Research (OR) entwickelt worden. Die Entscheidung findet auf der Systemebene statt, da zur Lösung der Aufgabe alle Betriebsmittel eines Systems betrachtet werden. Nach dieser Vorgehensweise werden die Entscheidungen mithilfe der statistischen Gesamtverteilung der verschiedenen Betriebsmittelgruppen festgelegt, unabhängig vom technischen Zustand des einzelnen Betriebsmittels. Aus diesem Grund kann dieses Verfahren als ein Top-down-Verfahren bezeichnet werden. In den folgenden Abschnitten werden die Voraussetzungen und unterschiedliche Algorithmen aus dem Bereich Operations-Research vorgestellt, mit denen eine Optimierung durchgeführt werden kann.

3.5.2 Grundlagen der Berechnung Im Folgenden werden die wesentlichen Eingangsdaten für die Optimierung der Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategie am Beispiel eines Ausschnitts eines Höchstspannungsnetzes dargestellt [52, 65]. Zu diesen Grundlagen zählen: • Betriebsmitteldaten, Netztopologie, Lastfluss, • Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategien, • altersabhängige Fehlerraten der Betriebsmittel, • Berechnung der nicht gelieferten bzw. nicht übertragenen Energie, • Instandhaltungskosten, • Erneuerungskosten. Mit diesen Angaben werden beispielhaft Strategien mithilfe von zwei verschiedenen Algorithmen ermittelt und verglichen, Abschn. 3.5.8.

3.5.2.1 Betriebsmitteldaten, Netztopologie, Lastfluss Für die Untersuchung wird ein Ausschnitt eines 220-kV-Übertragungsnetzes verwendet, welches insgesamt über 13 Schaltanlagen in Doppelsammelschienenausführung verfügt. Die Einspeisung erfolgt über eine 380-kV-Schaltanlagen. Insgesamt werden acht 110-kV-Netze als unterlagerte Netze versorgt, sodass das betrachtete Netz neben einer Übertragungs- auch eine Versorgungsaufgabe besitzt. Insgesamt wird eine Leistung (Starklastfall) von P = 2,1 GW übertragen. Das betrachtete Netz verfügt über die in Tab. 3.31 angegebene Anzahl Betriebsmittel, mit einem mittleren Alter zwischen 25 und 38 Jahren. Abb. 3.68 zeigt die Altersverteilung der Betriebsmittel. Der überwiegende Anteil ist ca. 21 bis 35 Jahre alt, bei einer maximalen Nutzungsdauer der Betriebsmittel von 50

308

3 Steuerungsfunktionen

Tab. 3.31  Anzahl der betrachteten Betriebsmittel [65]

Betriebsmittel

Abkürzung

Anzahl

Leistungsschalter

LS

54

Trennschalter

TS

103

Transformator

TR

8

Kombiwandler

KW

47

Summe



212

60 n 50 40

30 20 10 0

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45 Jahre50

Abb. 3.68   Anzahl der betrachteten Betriebsmittel in Abhängigkeit des Alters in Jahren [65]

Jahre, mit Ausnahme der Transformatoren, die in Abhängigkeit des Zustands bis 60 Jahre betrieben werden. Das Übertragungsnetz ist ein Freileitungsnetz, jedoch werden die Freileitung nicht nach einer vorgegebenen Instandhaltungsstrategie unterworfen, da die Maßnahmen in jedem Fall zustandsbedingt sind und z. B. den Baumwuchs betreffen.

3.5.2.2 Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategien Im vorliegenden Modell gibt es drei mögliche Wartungs- bzw. Instandhaltungsstrategien und zusätzlich eine Erneuerungsstrategie, die an den untersuchten Komponenten Transformatoren, Leistungsschaltern, Wandlern und Trennschaltern angewendet werden können. Diese vier Alternativen werden im Folgenden als Instandhaltungsoptionen bezeichnet. Eine gewählte Wartungsstrategie wird jeweils für das ermittelte Instandhaltungsintervall eines Betriebsmittels konstant gehalten. Die einzelnen Strategien haben

3.5  Optimierung der Instandhaltung

309

unterschiedliche Auswirkungen auf die Ausfallrate λ(t) eines Betriebsmittels und damit auf die anfallende Defizitenergie des Netzes. Weiterhin beeinflussen sie die Kosten für Neuinvestitionen und die Wartungskosten. Die betrachteten drei Instandhaltungsstrategien unterscheiden sich in der Häufigkeit ihrer Instandhaltungsaktivitäten bzw. ihrem Wartungsintervall. Die getroffenen Annahmen gelten für jedes einzelne Betriebsmittel und sind somit unabhängig von den übrigen Komponenten des Netzes. Diese Optionen sind: • Reguläre Wartung: Bei der Strategie „Reguläre Wartung“ werden die Wartungsaktivitäten an einer Betrachtungseinheit für jedes Jahr auf dem heutigen Niveau fortgesetzt. Somit verweilen auch Wartungskosten und die Defizitenergie des Netzes auf dem aktuellen Wert (Strategie A). • Reduzierte Wartung: Die Strategie „Reduzierte Wartung“ bedeutet, dass das Wartungsintervall an einem Betriebsmittel im Vergleich zur Strategie „Reguläre Wartung“ vergrößert wird. Dies senkt in der Folge die jährlichen Wartungskosten, bei steigender Ausfallrate eines Betriebsmittels im Vergleich zur Strategie „Reguläre Wartung“. Hierdurch erhöht sich die zu erwartende Defizitenergie, die durch dieses Betriebsmittel hervorgerufen wird (Strategie B). • Verbesserte Wartung: Bei Anwendung dieser Strategie wird das Wartungsintervall an einem Betriebsmittel im Vergleich zur Strategie „Reguläre Wartung“ verkleinert. In der Folge erhöhen sich die Wartungskosten, während die Ausfallrate im Vergleich zur Strategie „Reguläre Wartung“ verkleinert wird. Darüber hinaus wird bei dieser Strategie die im Netz anfallende Defizitenergie entsprechend reduziert (Strategie C). • Erneuerungsstrategie: Ein Betriebsmittel wird erneuert, wenn es entweder die maximale technische Nutzungsdauer erreicht hat oder eine Erneuerung aufgrund der Kosten (z. B. erwartete Störungskosten) sinnvoller ist (Strategie D). Die Festlegung einer der oben beschriebenen Strategien für ein Betriebsmittel erfolgt erst dann, wenn das Instandhaltungsintervall der aktuellen Strategie abgeschlossen ist. Die Intervalle der verschiedenen Instandhaltungsstrategien sind in der Tab. 3.33 aufgeführt.

3.5.2.3 Altersabhängige Fehlerraten der Betriebsmittel Um die optimale Instandhaltungsstrategie für die verschiedenen Komponenten eines Netzwerks zu ermitteln, ist es notwendig, die altersbedingte Fehlerrate der verschiedenen Betriebsmittelgruppen zu verwenden. Die Optimierung berücksichtigt nur Ausfälle, die durch Instandhaltungsmaßnahmen verhindert werden können. Somit ist das Alterungsverhalten wesentlich. Im Allgemeinen kann das altersabhängige Ausfallverhalten mithilfe einer Badewannenkurve nachgebildet werden, bei der sich drei verschiedene Zeitbereiche unterscheiden:

310

3 Steuerungsfunktionen

• Zuerst treten Frühausfälle (Kinderkrankheiten)auf, die jedoch nicht eine Folge eines Alterungsverhaltens darstellen, sondern durch Fehler während der Inbetriebnahme bzw. Montage begründet sind, • gefolgt von einem konstanten Bereich der Fehlerrate auf niedrigerem Niveau, • danach steigt die Fehlerrate aufgrund der Alterung, wenn sich die Betriebsmittel ihrer maximalen Nutzungsdauer nähern, Abschn. 2.1.5.1. Da die folgende Betrachtung sich auf die Auswirkung einer Instandhaltungsstrategie bezieht, ist es sinnvoll, ausschließlich den späteren Verlauf der Badewannenkurve mit dem Alterungsverhalten darzustellen, sodass sich die Ausfallrate im Allgemeinen durch eine Exponentialgleichung beschreiben lässt, Gl. (3.98).

hi (t) = hi,0 · et/T

(3.98)

mit  usfallrate zum Zeitpunkt t = 0 hi,0  A T      Zeitkonstante in Abhängigkeit der Wartungsstrategie Diese Fehlerraten für die verschiedenen Betriebsmittelgruppen sind auf der Basis der Untersuchungen nach [36, 45] erstellt, die in [65] abgleitet sind. Hierbei sind die Fehlerraten so angepasst, dass sie bei einer mittleren Nutzungsdauer der Betriebsmittel von 25 Jahren den Fehlerraten nach Tab. 3.32 entsprechen. Unter Berücksichtigung dieser Randbedingungen sind die Fehlerraten als Polynom 4. Ordnung dargestellt, in Abweichung zu Gl. (3.98). Die Abb. 3.69a, b zeigt die Fehlerraten für Leistungsschalter und Trennschalter in Abhängigkeit der Nutzungsdauer, zusätzlich erfolgt eine Darstellung in Abhängigkeit der Instandhaltungsstrategie, Abschn. 3.5.2.2.

3.5.2.4 Berechnung der nicht gelieferten bzw. nicht übertragenen Energie In Übertragungsnetzen wird im Allgemeinen das (n-1)-Kriterium angewendet, dieses bedeutet, dass stets die folgenden Bedingungen eingehalten werden:

Tab. 3.32  Fehlerraten h von verschiedenen Betriebsmittelgruppen [65]

Betriebsmittel

Fehlerrate 1/100 a

Referenz

Leistungsschalter

0,58

[27]

Trennschalter

0,69

[70]

Kombiwandler

0,08

[28]

Transformatoren

0,51

[41]

311

3.5  Optimierung der Instandhaltung 2.5

a

h 2.0

6 Jahre

8 Jahre

10 Jahre

1.5

1.0

0.5

0.0 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45 Jahre 50

35

40

45 Jahre 50

4.0

b

h 3.5 3.0

4 Jahre

6 Jahre

2.5 2.0 1.5 1.0 0.5 0.0 0

5

10

15

20

25

30

Abb. 3.69   Fehlerraten h (1/100 Jahre) in Abhängigkeit der Nutzungsdauer und Instandhaltungsstrategie, Abschn. 3.5.2.2. a Leistungsschalter [65, 67]. b Trennschalter

312

3 Steuerungsfunktionen

• Die Netzsicherheit ist auch dann gewährleistet, wenn bei prognostizierter, maximaler Übertragungs- und Versorgungsaufgabe, eine Komponente oder ein Stromkreis ausfällt oder abgeschaltet wird. • Es darf in diesem Fall nicht zu unzulässigen Versorgungsunterbrechungen oder einer Ausweitung der Störung kommen. • Außerdem muss die Spannung innerhalb der zulässigen Grenzen bleiben und die verbleibenden Betriebsmittel dürfen nicht überlastet werden. Der Einsatz des (n-1)-Kriteriums hat sich in der Vergangenheit in der Praxis bewährt, sodass im Allgemeinen ausschließlich Einfachausfälle betrachtet worden. In der letzten Zeit wird vorgeschlagen, dieses Verfahren um eine Risikobewertung in Bezug auf Mehrfachfehler zu erweitern, um auch in Zukunft überregionale Großstörungen sicher vermeiden zu können [18]. Bei der Anwendung des (n-1)-Kriteriums bei der Planung wird es somit nicht zu einem Versorgungsausfall bei einer Störung eines Betriebsmittels kommen, jedoch ist diese Vorgehensweise als eine statische Betrachtungsweise anzusehen. Schutzauslösungen, Umschaltvorgänge oder auch Reparaturen werden hierbei nicht berücksichtigt. Im Gegensatz hierzu können bei der Verwendung von Zuverlässigkeitsberechnungen diese Zeiten bei einer Störung berücksichtigt werden, sodass die Ergebnisse als eine „transiente“ Übergangszeit mit Ausfällen angesehen werden können. Aus diesem Grund kann es auch in Übertragungsnetzen es zu kurzzeitigen Ausfällen der Versorgung an den Netzknoten kommen. Darüber hinaus kann im Allgemeinen der Ausfall eines Betriebsmittels durch Umschaltvorgänge in benachbarten Netzen ausgeglichen werden, sodass die Zuverlässigkeitsberechnung die Robustheit des betrachteten Netzabschnitts bewertet. Die Höhe der nicht gelieferten bzw. der nicht übertragenen Energie an den Netzknoten wird mithilfe von Zuverlässigkeitsberechnungen durchgeführt. Hierbei wird, ausgehend von einer Ausfallrate eines Betriebsmittels, die nichtgelieferte Energie an allen Netzknoten bestimmt, die durch den Ausfall einer Komponente hervorgerufen wird. Die Berechnungen erfolgen mithilfe der altersabhängigen Fehlerraten nach Abschn. 3.5.2.3. Als Ergebnis dieser Berechnung kann jedem Betriebsmittel eine Defizitenergie für das ganze Netz zugeordnet werden, die die Folge einer Störung an diesem Gerät ist. Hierbei wird zur Vereinfachung vorausgesetzt, dass die Ausfallrate für die Zuverlässigkeitsberechnung konstant bleibt, da sonst für jede Veränderung der Strategie oder des Alters eine separate Berechnung zu erfolgen hat.

3.5.2.5 Instandhaltungskosten In der Tab. 3.33 sind die Instandhaltungskosten und Zyklen für die betrachteten Betriebsmittelgruppen aufgeführt, woraus sich die jährlichen Kosten unter Berücksichtigung der verschiedenen Instandhaltungsstrategien nach Abschn. 3.5.2.3 bestimmen lassen.

3.5  Optimierung der Instandhaltung

313

Tab. 3.33  Kosten pro Instandhaltung und Zyklen in Jahren in Abhängigkeit der Strategien [65] Betriebsmittel

Strategie A

Strategie B Intervall/a

Transformator 17200 Leistungsschalter

Strategie C

Kosten/€

Intervall/a

Kosten/€

Intervall/a

4

8600

6





6850

8

5150

10

8550

6

Kombiwandler 3050

8

2300

10

3800

6

Trennschalter

4

1800

6





Kosten/€

3550

3.5.2.6 Erneuerungskosten Bei langfristigen Asset-Simulationen ist es wesentlich, dass Kriterien festgelegt werden, unter welchen Bedingungen Betriebsmittel ausgetauscht werden. Dieses kann beispielhaft sein, wenn • die Betriebsmittel eine nicht mehr akzeptierte Ausfallrate haben oder • ein maximales Lebensalter überschritten wird, z. B. 50 Jahre. In Ergänzung zu den oben angegebenen Möglichkeiten kann zusätzlich eine Erneuerung dann durchgeführt werden, wenn der Buchwert des Anlagevermögens sämtlicher Betriebsmittel eine Bandbreite von – 25 % des ursprünglich angesetzten Anlagevermögens verlässt. Der Grund liegt darin, dass der Netzbetreiber gezwungen ist, Investitionen zu tätigen, um die Verfügbarkeit der Betriebsmittel hoch zu halten. Die Wahl der zu ersetzenden Betriebsmittel erfolgt dann in der Reihenfolge der Betriebsmittel, die bei einem Ausfall den höchsten Wert der nicht gelieferten Energie im Netz hervorruft, bis der Anlagenwert wieder zu mindestens 100 % erreicht ist. Hierbei bezieht sich der Wert 100 % auf den Wert des Anlagevermögens zu Beginn der Simulation (nicht Neuwert der Betriebsmittel). In der folgenden Untersuchung wird die Abschreibungszeit sämtlicher Betriebsmittel mit 40 Jahren angenommen. Als Investitionskosten der verschiedenen Betriebsmittel werden die folgenden Werte eingesetzt: • • • •

Transformator: 2650 T€, Leistungsschalter: 130 T€, Kombiwandler: 130 T€, Trennschalter: 80 T€

Diese Werte können als beispielhaft angesehen werden.

314

3 Steuerungsfunktionen

3.5.3 Zielfunktionen der Optimierung Bei der Auswahl der Instandhaltungsoptionen für alle Betriebsmittel im betrachteten Netz zielt die Optimierung auf eine Minimierung der drei Ziele: • Investitionskosten der Betriebsmittel, die während des Betrachtungszeitraums neu installiert werden, Abschn. 3.5.2.6 (CAPEX). • Betriebskosten (Instandhaltungskosten) der Betriebsmittel, die während des Betrachtungszeitraums instandgehalten werden, Abschn. 3.5.2.5 (OPEX). • Nicht gelieferte bzw. nicht übertragene Energie, die jedem Betriebsmittel aufgrund von Zuverlässigkeitsberechnungen zugeordnet werden kann, Abschn. 3.5.2.4 (ENS). Die Zielfunktion wird als Summe aller entsprechenden Werte für die ausgewählten Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategien für jedes Betriebsmittel im Netz festgelegt. Zum Beispiel wird die Zielfunktion OPEX durch die Summe der Betriebsausgaben aller ausgewählten Instandhaltungsalternativen für alle betrachteten Betriebsmittel des Netzes berechnet. Die Optimierungsalgorithmen orientieren sich an diesen drei Zielfunktionen und wählen Strategien für alle Betriebsmittel aus, sodass CAPEX, OPEX und ENS für die gesamten Instandhaltungsoptionen minimiert werden. Für die Optimierung ist es sinnvoll, bei Bedarf geeignete Nebenbedingungen einzusetzen, die den praktischen Fragestellungen entsprechen. Hierzu können beispielsweise gehören: • Maximale Nutzungsdauer der verschiedenen Betriebsmitteltypen, • minimale Nutzungsdauer, ab der ein Betriebsmittel ausgetauscht werden kann, • maximales Budget für Investitionen, • maximales Budget für Instandhaltungsaktivitäten, • minimaler Restbuchwert des Anlagevermögens, sodass eine Erneuerung vorgenommen werden muss, • Mindestvorgabe der Verfügbarkeit an Netzknoten.

3.5.4 Optimierungsmodell: Rucksackproblem Ein bekanntes Optimierungsverfahren des Operations Research (OR) stellt das Rucksackproblem dar, welches aus der Tätigkeit eines Wanderers abgeleitet ist: Er steht vor der Aufgabe, für eine Wanderung seinen Rucksack optimal zu packen, indem das Ziel darin besteht, die Summe der spezifischen Nutzwerte der eingepackten Gegenstände zu maximieren, unter der Nebenbedingung, nicht mehr Gewicht einzupacken als er tragen kann. Weitere Nebenbedingungen können in diesem Zusammenhang sein: Volumen und Kosten der Ausrüstung. Für den Transfer auf unternehmerische Fragestellungen ist

3.5  Optimierung der Instandhaltung

315

es sinnvoll, auch mehrere Nebenbedingungen zu betrachten, wie z. B. Arbeitsstunden, Personal und finanzielle Mittel. Dieses allgemeine Verfahren kann für die Anwendung im Bereich der elektrischen Energieversorgung so angewendet werden, dass für die betrachteten Betriebsmittel ein Instandhaltungsplan abgeleitet werden soll [53, 56]. Dieses bedeutet, dass die verschiedenen Wartungsmaßnahmen die verschiedenen Gegenstände darstellen und die Gewichtsrestriktion das jährliche Budget repräsentiert. Der maximale Nutzen besteht in diesem Fall darin, dass die Ausfallenergie an den verschiedenen Netzknoten minimiert wird. Zur Lösung dieser speziellen Aufgabe wird eine Abwandlung des einfachen Rucksackproblems eingesetzt, nämlich das Multiple-Choice-Rucksackproblem [56]. Im Gegensatz zum einfachen Rucksackproblem, bei welchem Gegenstände unberücksichtigt bleiben können, muss beim Multiple-Choice-Rucksackproblem z. B. jedem Betriebsmittel eine Maßnahme zugeordnet werden. Die Vorgehensweise besteht darin, dass n verschiedene Kategorien die verschiedenen Betriebsmittel des Netzes darstellen. Für jedes Gerät gibt es eine Auswahl k von möglichen Instandhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen, von denen genau eine für das zu betrachtende Jahr durchgeführt werden muss. Dieses bedeutet: Wartung mit regulärer (k = A), reduzierter (k = B) oder verbesserter (k = C) Intensität und eine für Ersatz (k = D). Eine Instandhaltungsmaßnahme ist also durch die verursachten Kosten und die Ausfallenergie charakterisiert, die sich einstellen, wenn diese im nächsten Jahr an einem Betriebsmittel durchgeführt wird. Dies entspricht einer Minimierung der Ausfallenergie unter folgenden Nebenbedingungen: • Ein Betriebsmittel wird nur einer neuen Instandhaltungsoption unterworfen, wenn die vorherige Instandhaltungsoption abgeschlossen ist. • Aus den möglichen Instandhaltungsoptionen wird genau eine Alternative ausgewählt. • Das maximal zur Verfügung stehende Budget darf nicht überschritten werden. Nach der Tab. 3.34 besteht die Lösung des Optimierungsproblems darin, dass die Betriebsmittel unterschiedlich gewartet bzw. erneuert werden können, entsprechend den Strategien nach Abschn. 3.5.2.2. In diesem Fall wird das Betriebsmittel I nach Strategie A (regulär) oder das Betriebsmittel m nach Strategie D (erneuert) behandelt. Für m verschiedene Betriebsmittel mit k unterschiedlichen Strategien gibt es grundsätzlich km Kombinationen von Möglichkeiten zur Wartung und Erneuerung aller Betriebsmittel im Netz. Dieses bedeutet, wie im vorliegenden Fall bei m = 212 Betriebsmitteln, insgesamt 4212 = 4,33×10127 mögliche Kombinationen. Grundsätzlich ist es möglich, alle Kombinationen zu ermitteln (Brute-Force-Methode), welches jedoch in Abhängigkeit der Parameter einen sehr großen Rechenaufwand hervorrufen kann. Um diesen Rechenaufwand zu reduzieren, stehen aus dem Bereich des Operations Research (OR) unterschiedlichen Methoden zur Verfügung, deren Voraussetzungen und Möglichkeiten im Folgenden näher beschrieben werden.

316 Tab. 3.34  Auswahl der optimalen Instandhaltungsund Erneuerungsstrategie für ein Netz (beispielhaft m = 4 verschiedene Komponenten)

3 Steuerungsfunktionen BetriebsMittel

Strategie k A

B

C

D

I

X







II





X



III

X

















m







X

3.5.5 Lösung eines Problems mit verschiedenen Zielfunktionen Wie in Abschn. 3.5.3 erläutert, ist das Instandhaltungs- und Erneuerungsproblem durch drei Zielfunktionen gekennzeichnet, jedoch können gängige Methoden der Operations Research (OR) nur Optimierungsprobleme mit einer einzigen Zielfunktion behandeln. Multikriterielle Optimierungsprobleme können entweder nach einer Transformation in eine Aufgabe mit einer Zielfunktion oder durch einen auf Pareto-Effizienz basierenden Algorithmus gelöst werden [66].

3.5.5.1 Optimierung eines einkriteriellen Problems Die erste Möglichkeit verwendet einen geläufigen OR-Ansatz, um ein einkriterielles Problem zu optimieren, das den Zielen der gesuchten Optimierung entspricht. Eine einzelne Zielfunktion kann auf verschiedene Arten erstellt werden. Zunächst ist es möglich, das Optimierungsproblem in eine gewichtete Zusammenfassung mehrerer Ziele umzuwandeln. Dabei werden die Zielfunktionen entsprechend ihrer Wichtigkeit skaliert und summiert. Außerdem können Ziele in eine Nebenbedingung umgewandelt werden, um dem Lösungsraum eine Grenze zu geben. Somit wird die Zielfunktion nicht optimiert, sondern die Erreichung und die Erfüllung eines vorbestimmten Niveaus dieses Kriteriums sichergestellt. Darüber hinaus ist eine Kombination der beiden Verfahren möglich [62]. Als Zielfunktionen in dieser Fragestellung (Abschn. 3.5.3) dienen die finanziellen Ressourcen und die nicht gelieferte bzw. übertragene Energie. Hierbei werden CAPEX und OPEX z. B. gleich gewichtet und zu einer einzigen Zielfunktion für finanzielle Aufwendungen zusammengefasst. Die nicht vom Netz gelieferte Energie bleibt als zweites Ziel erhalten. Während eine der beiden Funktionen als Optimierungsziel gewählt wird, geht die andere Funktion als Nebenbedingung in die Optimierung ein. In Abhängigkeit von der Zielfunktion, die als Beschränkung festgehalten wird, kann der Asset Manager Antworten auf die folgenden beiden Fragen bekommen: • Ist eine bessere Zuordnung von Instandhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen für die verschiedenen Betriebsmittel im Netz möglich, sodass die Verfügbarkeit des Übertragungsnetzes bei gleichem finanziellen Aufwand zu verbessert wird?

3.5  Optimierung der Instandhaltung

317

In diesem Fall wird die Summe der finanziellen Aufwendungen (CAPEX und OPEX) als konstante Restriktion verwendet und als Nebenbedingung realisiert. Dies ist eine Optimierung der Verfügbarkeit des Netzes unter Berücksichtigung des vorgegebenen Budgets des Asset Managers. • Ist eine Reduktion der finanziellen Ausgaben möglich, bei konstanter Verfügbarkeit des Netzes? Die nicht gelieferte bzw. übertragene Energie des Netzes bleibt auf demselben Niveau, während sich die finanziellen Aufwendungen (CAPEX und OPEX) verbessern können. In diesem Falle ist es z. B. möglich, die Betriebskosten zu minimieren, bei konstanten Investitionskosten und gleicher Verfügbarkeit des Netzes. Während in den oben beschriebenen Varianten die Dimensionen der Zielfunktionen (€ bzw. MWh/a) erhalten bleiben, kann natürlich die nicht gelieferte bzw. die nicht übertragene Energie mit einem Preis gewichtet werden, z. B. 5 €/kWh, um dem volkswirtschaftlichen Schaden einer Nichtverfügbarkeit des Netzes zu quantifizieren. Da in diesem Fall alle Zielfunktionen mit der gleichen Dimension bewertet werden, ergibt sich ein eindimensionales Problem. Dennoch ist eine Aufsummierung aller Zielfunktionen zu einer einzigen Funktion mit der gleichen Dimension und der analytischen Bestimmung der besten Wartungsstrategie (Durchführung der ersten Ableitung der gebildeten Zielfunktion, Abschn. 3.2.6.3) nicht möglich, da in diesem die Gleichung eine diskrete und keine kontinuierliche Funktion darstellt. Dieses bedeutet, es sind nur ja–nein-­ Entscheidungen für oder gegen eine Instandhaltungsoption möglich. Zu diesem Zweck werden die Methoden des OR zur Optimierung der Instandhaltungsstrategie in diesem Fall benötigt Der Vorteil des einkriteriellen Ansatzes ist, dass der OR Lösungsansatzes die Optimierung vereinfacht. Darüber hinaus erhält der Asset Manager eine eindeutige Aussage auf die gegebene Frage, jedoch wird die Optimierung nur für eine Zielfunktion, wenn z. B. in einem Unternehmen feste Budgetvorgaben bestehen, durchgeführt. Eine Verbesserung der Aussage wird erreicht, wenn die vorgegebene Randbedingung der finanziellen Ausgaben oder der nicht gelieferten Energie verringert wird.

3.5.5.2 Optimierung eines multikriteriellen Problems Der zweite Ansatz versucht die Nachteile der einkriteriellen Verfahren zu beheben, da es bei vielen Optimierungsaufgaben nicht möglich ist, alle Zielfunktionen durch eine Größe zu beschreiben, z. B. durch eine monetäre Bewertung. Die Optimierungskriterien sind im Prinzip oftmals unabhängig voneinander. Der multikriterielle Ansatz basiert auf dem Pareto-Optimum und ermöglicht eine gleichzeitige Optimierung mehrerer Ziele, in diesem Fall Aufwand für Betrieb und Austausch sowie nicht bereitgestellte Energie. Dies sind konkurrierende Ziele, für die mit verschiedenen Algorithmen eine Lösung dieses Optimierungsproblems gesucht wird. Die gefundene Lösung stellt ein sogenanntes Pareto-Optimum dar. Darunter ist ein Ergebnis zu verstehen, das die Anforderungen aller Zielfunktionen weitestgehend befriedigt

318

3 Steuerungsfunktionen

und somit einen besten Kompromiss zwischen den konkurrierenden Zielen repräsentiert. Beim Vorliegen eines Pareto-Optimums kann kein Teilnehmer bessergestellt werden, ohne die Situation eines anderen zu verschlechtern. Dieses bedeutet, dass das Verbessern einer Lösung aus diesem Datensatz zu einer Verringerung von mindestens einem anderen Ziel führt. Folglich wird keine Lösung gefunden, die in allen Zielen besser ist [19]. Die grundlegende Vorgehensweise zeigt Abb. 3.70, indem exemplarisch für zwei Zielfunktionen ein Zwei-Achsensystem dargestellt ist. Durch eine zufällige Generierung von möglichen Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategien für das gesamte Netz, z. B. Startstrategie nach Tab. 3.34, wird durch iterative Suche innerhalb des Lösungsraums eine optimale Lösung gefunden, die mit allen Pareto-Lösungen der vorherigen Iteration verglichen werden. Die neue, generierte Strategie wird abgelehnt, wenn sie in beiden Zielen der Pareto-Lösung unterlegen ist. Sie wird dem Datensatz hinzugefügt, wenn sie in mindestens einem Kriterium besser ist, während das andere Kriterium mindestens gleichwertig ist [65]. Nach einer Reihe von vorgegebenen Iterationen ergibt sich ein Pareto-Satz mit optimalen Strategien für das gesamte Netz. Nach Abb. 3.70 stellen alle Lösungen, die sich auf der pareto-optimalen Kurve sich befinden, eine optimale Lösung dar, sodass sich in Abhängigkeit der Vorgabe, z. B. Festlegung der Zielfunktion ZF1A, die dazugehörige Zielfunktion ZF2A automatisch ergibt, woraus sich die Strategie A für das Netz einstellt. Die Zielfunktion ZF1 kann z. B. die Vorgabe eines maximalen Budgets sein, während ZF2 die geforderte Verfügbarkeit darstellt. Bei der Auswahl der Netzstrategien werden insgesamt drei Zielfunktionen (CAPEX, OPEX und ENS, Abschn. 3.5.3) betrachtet, sodass ein Koordinatensystem mit den drei Dimensionen darzustellen ist. Aus den Pareto-Lösungen kann der Asset Manager eine bevorzugte Strategie mit dem erforderlichen Niveau bezüglich CAPEX, OPEX und ENS wählen.

ZF2

ZF2A

Start

A B

ZF2B

Pareto-Menge optimaler Strategien ZF1A

ZF1B

ZF1

Abb. 3.70   Pareto-optimale Strategien am Beispiel für zwei Zielfunktionen ZF1 und ZF2. Start z. B. zufällige Auswahl der Szenarien nach Tab. 3.34. A, B optimale Strategien in Abhängigkeit des Wertes einer Zielfunktion

3.5  Optimierung der Instandhaltung

319

Als ein Vorteil der Pareto-basierten Methoden können beide Fragen des einkriteriellen Problems gleichzeitig gelöst werden. Sie suchen nach einer Instandhaltungsoption, bei der die Kosten für Wartung und Austausch gesenkt werden, und zusätzlich zu einem geringeren Wert an nicht gelieferter Energie führt.

3.5.6 Algorithmen zur Optimierung von einkriteriellen Problemen In diesem Abschnitt werden zwei Algorithmen vorgestellt, die für die Optimierung von einkriteriellen Problemen geeignet sind. Hierbei werden die Anwendung der Branchand-Bound Methode (Bestimmung des relativen Nutzens) und die Optimierung nach dem Ameisen-Algorithmus erläutert. Aufgrund der hohen Rechenzeit wird die Lösung der Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategien durch heuristische Verfahren optimiert. Hierbei dienen heuristische Methoden zur näherungsweisen Lösung von Optimierungsproblemen, sodass sie eine iterative Methode zur Ermittlung des Lösungsraums eines Optimierungsproblems darstellen. Heuristiken verwenden Informationen über frühere Ergebnisse und müssen an die analysierte Aufgabe angepasst werden [71].

3.5.6.1 Heuristische Lösungen des Rucksackproblems Zur Lösung des Rucksackproblems gibt es verschiedene heuristische Verfahren, um zu einer Lösung zu kommen, z. B.: • Greedy-Algorithmus bzw. absoluter Nutzen (AN), • Relativer Nutzen (RN), • Branch-and-Bound Methode. Die Algorithmen sortieren den Nutzen bzw. die Kosten-Nutzen-Verhältnisse aller Betriebsmittel in absteigender Reihenfolge. Danach werden die Alternativen in der Reihenfolge des sortierten Verhältnisses geändert, sodass die effizientesten Aktivitäten zuerst durchgeführt werden. In die Instandhaltungsoption für das Netz werden vor allem die Einzelstrategien mit der höchsten Verbesserung der nicht gelieferten Energie im Verhältnis zu den Ausgaben für die Wartung und den Ersatz aufgenommen. Die iterative Optimierung der nicht gelieferten Energie ist beendet, wenn die Budgetbeschränkung erreicht ist. Eine Optimierung der finanziellen Ausgaben ist ebenfalls möglich, und der Algorithmus ist beendet, wenn der vorgegebene Wert der nicht gelieferten Energie erreicht ist [52, 74]. Im Weiteren werden diese drei Verfahren anhand eines einfachen Beispiels mit zwei Instandhaltungsszenarien (j = 2) vorgestellt, wobei in Tab. 3.35 die Absolutwerte der nicht gelieferten Energie (ENS) pro Betriebsmittel in Abhängigkeit des Instandhaltungsszenarios und die Betriebskosten (OPEX) aufgeführt sind. Der relative Nutzen (RN) bestimmt sich hierbei nach Gl. (3.99) aus dem Verhältnis der Veränderung der Netzverfügbarkeit von zwei Alternativen und deren

320

3 Steuerungsfunktionen

Tab. 3.35  Nichtgelieferten Energie (ENS) je Betriebsmittel i und Betriebskosten (OPEX) in Abhängigkeit des Instandhaltungsszenarios j = 1, 2

Betriebs -mittel

ENS1 MWh/a

ENS2 MWh/a

OPEX1 k€

OPEX2 k€

A

10

4

5

7,5

B

5

3

4

5

C

3

1,5

1

2

D

12

8

8

10,5

E

8

5

3

4

F

6

5

3

5

Summe

44

26,5

24

34

­Kostenunterschied (OPEX) dieser Maßnahmen an demselben Betriebsmittel. Anhand dieser Gleichung kann auch der absolute Nutzen (AN) ermittelt werden.

RNi,j =

ENSi,j ENSi,j−1 − ENSi,j = OPEXi,j − OPEXi,j−1 OPEXi,j

(3.99)

Mit RNi,j  ΔENSi,j 

r elativer Nutzen der Intensivierung zu Strategie j bei Betriebsmittel i, Differenz der nicht gelieferten Energie in Abhängigkeit von zwei benachbarten Strategien j bei Betriebsmittel i, ΔOPEXi,j   Differenz der Betriebskosten in Abhängigkeit von zwei benachbarten Strategien j bei Betriebsmittel i.

Als notwendige Nebenbedingung wird vorausgesetzt, dass das Budget für die Betriebskosten einen Wert von 30 k€ nicht überschreiten soll, sodass die Nebenbedingung ausgehend von der Wahl der Alternative j bei allen Betriebsmitteln lautet: F 

OPEXi ≤ 30 kC

i=A

(3.100)

2,5 · XA + 1 · XB + 1 · XC + 2,5 · XD + 1 · XE + 2 · XF ≤ 30 kC Absoluter Nutzen (AN) Bei diesem Algorithmus werden die Betriebsmittel in monoton abfallender Reihenfolge der Veränderung des absoluten Nutzens (AN) aufgeführt, sodass sich die Werte nach Tab. 3.36 ergeben. Die Aufgabe besteht darin, möglichst für viele Betriebsmittel die maximale Defizitenergie zu reduzieren. Hierbei werden zu Anfang alle Betriebsmittel nach Szenario 1 gewartet. Die Zielfunktion lautet in diesem Fall:

max

F 

�ENSi

i=A

max(6 · XA + 2 · XB + 1,5 · XC + 4 · XD + 3 · XE + 1 · XF )

(3.101)

3.5  Optimierung der Instandhaltung Tab. 3.36  Entscheidungstabelle zur Bestimmung des absoluten Nutzens (AN)

321

Betriebs -mittel

ENS1 MWh/a

ENS2 MWh/a

ΔENS MWh/a

ENSneu MWh/a

A

10

4

6

4

B

5

3

2

5

C

3

1,5

1,5

3

D

12

8

4

8

E

8

5

3

5

F

6

5

1

6

Summe

44

26,5

17,5

31

Nach dem absoluten Nutzen sollte die Reihenfolge der Betriebsmittel, die statt nach Szenario 1 nach Szenario 2 gewartet werden (fett gedruckt), sein:

A

B

C

D

E

F

Aufgrund der Nebenbedingung, Gl. (3.100), können nur die Betriebsmittel A, D und E (Reihenfolge der Effektivität) nach Szenario 2 instandgehalten werden, die übrigen werden nach Szenario 1 gewartet. Der Lösungsvektor ergibt sich zu:

F(x) = (1|0|0|1|1|0) Insgesamt ergibt sich eine Reduktion der nicht gelieferten Energie auf Σ ENSneu = 31 MWh, statt Σ ENS1 = 44 MWh, bei Betriebskosten von Σ OPEXneu = 30 k€. Da bei diesem Algorithmus ausschließlich die Verfügbarkeit maximiert wird, unabhängig von den entstehenden Betriebskosten, kommt es bei dieser Vorgehensweise nicht unbedingt zu einem optimalen Ergebnis. Relativer Nutzen (RN) Bei diesem Algorithmus werden die Betriebsmittel in monoton abfallender Reihenfolge der Veränderung des relativen Nutzens (RN) nach Gl. (3.99) aufgeführt, sodass sich die Werte nach Tab. 3.37 ergeben. Die Zielfunktion lautet in diesem Fall:

max

F F   �ENSi = max RNi �OPEXi i=A i=A

(3.102)

max(2,4 · XA + 2 · XB + 1,5 · XC + 1,6 · XD + 3 · XE + 0,33 · XF ) Nach dem relativen Nutzen sollte die Reihenfolge der Betriebsmittel, die statt nach Szenario 1 nach Szenario 2 gewartet werden, sein:

A

B

C

D

E

F

322 Tab. 3.37  Entscheidungstabelle zur Bestimmung des relativen Nutzens (RN)

3 Steuerungsfunktionen Betriebs -mittel

ΔENS ΔOPEX MWh/a k€

RN ENSneu OPEXneu MWh/a/ MWh/a k€ k€

A

6

2,5

2,4

4

7,5

B

2

1

2

3

5

C

1,5

1

1,5

1,5

2

D

4

2,5

1,6

12

8

E

3

1

3

5

4

F

1

3

0,33

6

3

Summe

17,5

11



31,5

29,5

Aufgrund der Nebenbedingung, Gl. (3.100), können nur die Betriebsmittel E, A, B und C (Reihenfolge der Effektivität) nach Szenario 2 instandgehalten werden, während die übrigen nach Szenario 1 gewartet werden. Das Betriebsmittel D kann nicht berücksichtigt werden, da sonst die Nebenbedingung nicht eingehalten wird. Der Lösungsvektor ergibt sich zu:

F(x) = (1|1|1|0|1|0) Insgesamt ergibt sich eine Reduktion der nicht gelieferten Energie auf Σ ENSneu = 31,5 MWh, statt Σ ENS1 = 44 MWh, bei Betriebskosten von Σ OPEXneu = 29,5  k€. Aufgrund der Suchrichtung findet der Algorithmus keine anderen Lösungen und verbleibt möglicherweise in einem lokalen Optimum, das im Vergleich zur optimalen globalen Lösung nicht so gut ist. Branch-and-Bound Methode Die Branch-and-Bound Methode ist ein heuristisches Prinzip, das ein diskretes Optimierungsproblem in kleinere Teile aufteilt. Die Methode sucht nach einer optimalen Lösung, indem sie Teilprobleme mit niedrigeren Freiheitsgraden löst [74] und aufgrund von Schranken Lösungen ausschließt. Ausgehend von einem Ausgangsproblem P0 kann eine Aufteilung in Teilprobleme P1 und P2 erfolgen, die wiederum in Teilprobleme unterteilt werden können. Auf diese Art entsteht ein Lösungsbaum nach Abb. 3.71. Basierend auf einer Anfangslösung P0 kann die obere Schranke F 0 einer Funktion bestimmt werden, und in diesem Fall ergibt sich die untere Schranke der Zielfunktion z. B. durch F = 0. Alternativ kann z. B. das Ergebnis aus der Berechnung des relativen Nutzens (RN) genommen werden. Der Algorithmus ist dann beendet, wenn es eine ganzzahlige Lösung mit einem maximalen Wert von F gibt.

3.5  Optimierung der Instandhaltung

323

Abb. 3.71   Lösungsbaum bei der Branch-and-Bound Methode

F(x) = (x1/x2) x1 > n F1 x2 > m F3

P3

P1

P0

F0 F=0 x1 < n P2

x2 < m P4

F2

F4

3.5.6.2 Ameisenalgorithmus Der Ameisenalgorithmus maximiert die Zuverlässigkeit eines Übertragungssystems unter Berücksichtigung einer Budgetrestriktion. Die Methode nutzt die Schwarmintelligenz und kopiert das Verhalten von Ameisenkolonien bei der Nahrungssuche. Jede Ameise will von einem Ameisenhügel zu einem Futterplatz gelangen, sie können verschiedene Wege gehen und den gewählten Weg mit Pheromonen markieren. Wenn der Weg kurz ist, kehren sie früher zurück und starten wieder ihren Weg zum Futterplatz. Nach einiger Zeit ist der kürzeste Pfad mit der höchsten Pheromonen-Menge markiert. Alle Ameisen werden von der Menge dieser aromatischen Substanz geleitet, sodass der kürzeste Weg von den meisten Ameisen benutzt wird [60]. Dieses Modell wird auf das Problem der Instandhaltungsoptionen übertragen. Die Betriebsmittel entsprechen Punkten auf dem Weg zum Futterplatz, in diesem Fall vom Start (ST) bis Bm. Verschiedene Wege verbinden ein Betriebsmittel, z. B. B1, mit dem nächsten B2 und repräsentieren die Instandhaltungsoptionen des nächsten Betriebsmittels, in diesem Fall B2. Alle Betriebsmittel Bm stellen die Gesamtzahl der Betriebsmittel in einem Netz dar. Wenn es zum Beispiel vier Alternativen kn gibt (drei Instandhaltungsalternativen und eine Ersatzalternative, gibt es somit vier Wege, jedes Betriebsmittel mit seinem Nachfolger zu verbinden. Dieses Modell ist in Abb. 3.72 dargestellt, und das Ende des Pfades ist erreicht, wenn alle Punkte aufgesucht wurden. Somit wird die Multiple-Choice-Bedingung und die Auswahl von genau einer Instandhaltungsoption pro Betriebsmittel sichergestellt. Der Ameisenalgorithmus ist ein iterativer Algorithmus, z. B. wiederholen 20 Ameisen 1000 Mal den Weg zum Futterplatz. Sie ändern zufällig den Weg aufgrund der Menge an Pheromonen, die im Modell durch die veränderliche Wahrscheinlichkeit pm repräsentiert wird. Hierdurch wird die Möglichkeit beschrieben, die Wartungsalternative kn für das Betriebsmittel i auszuwählen. Die Wahrscheinlichkeit p hängt vom Verhältnis zwischen der nicht gelieferten Energie, den Ausgaben für jede Instandhaltungsoption und der bisherigen Pheromonmenge ab. Je öfter eine Strategie Teil einer optimalen Lösung ist, desto höher ist die Menge an Pheromonen. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit des optimalen Weges im zeitlichen Verlauf. Nach Beendigung eines Pfades werden die nicht gelieferten Energie und die Ausgaben für die Wartung der gewählten Strategie zusammengefasst. Eine Straffunktion verringert die Anzahl der Pheromone auf einem Pfad, wenn die Ausgaben

324

3 Steuerungsfunktionen k11

ST k1n

B2 k2n

km1

ki1

k21

B1

Bm

Bi kin

kmn

Abb. 3.72   Modell zur Darstellung des Ameisenalgorithmus

das Budget überschreiten [60]. Wenn das Budget nicht vollständig verwendet wird, wird die Lösung verbessert, indem Wartungsalternativen aufgrund des vorgegebenen KostenNutzen-Verhältnisses, Gl. (3.102) geändert werden. Der Ameisenalgorithmus stellt eine stochastische Suchmethode zur Optimierung des Instandhaltungsproblems dar. Die Suche nach dem optimalen Pfad wird wiederholt und verwendet Informationen der vorhergehenden Runden, die durch die Anzahl der Pheromone gespeichert werden. Dies erfordert eine höhere Berechnungszeit als die Branch-and-Bound-Methode. Der Ameisenalgorithmus verbessert iterativ die gesamte Strategie des Netzes und erzielt im Vergleich zur Branch-and-Bound-Methode bessere Ergebnisse. Die stochastische Suche reduziert das Risiko, ein lokales Optimum zu finden, das nicht so gut ist wie die beste globale Strategie.

3.5.7 Algorithmen zur Optimierung von multikriteriellen Problemen Im Gegensatz zu den zuvor gezeigten Algorithmen sind Methoden, die Pareto-Optimalität; Abschn. 3.5.5.2, verwenden, in der Lage, mehrere Ziele gleichzeitig zu optimieren. Dieser Abschnitt beschreibt die multikriteriellen Suchstrategien der Partikelschwarmoptimierung, des genetischen Algorithmus und der Spieltheorie und erläutert ihre Anwendungen für das Instandhaltungs- und Erneuerungsproblem.

3.5.7.1 Spieltheoretische Optimierung Ein Ansatz zur Optimierung stellt die Spieltheorie dar, mit der das Verhalten rationaler Individuen mit konkurrierenden Interessen analysiert wird, die sich gegenseitig in ihren strategischen Entscheidungen beeinflussen [64]. Die einzelnen Funktionen CAPEX, OPEX und ENS sind voneinander unabhängige Ziele, die als einzelne Spieler eines Spiels betrachtet werden können, um die Instandhaltungsoptionen zu optimieren. Es ist die Aufgabe dieses Spiels, die Strategie mit dem höchsten Nutzen für jeden Spieler zu finden. Diese Suche hängt von der Bewertung der individuellen und der globalen Nutzenfunktion für jede Strategie ab, sodass die Anzahl der betrachteten Strategien reduziert wird. Wenn Nutzenfunktionen mit verschiedenen Einheiten miteinander verglichen werden, ist eine Standardisierung, z. B. durch die Sigmoidfunktion (S-Funktion), erforderlich [51–53]. Für jeden Spieler wird eine Nutzenfunktion erstellt, indem sich der individuelle Nutzen einer Strategie zwischen 0 und 1 bewegen kann. Die Umwandlung des konkreten

325

3.5  Optimierung der Instandhaltung

Wertes Vp(IH) für eine der drei Zielfunktion, die die Wartungs- und Investitionskosten sowie die nicht gelieferte Energie einer Strategie abbilden, in einen standardisierten Nutzen Bp(IH) zeigt Abb. 3.73. Für jeden Spieler ist es möglich, in Abhängigkeit der Instandhaltungsoptionen einen individuellen Nutzen zu bestimmen. Die dargestellte Kurve kann mithilfe Gl. (3.103) bestimmt werden.

BP (IH) =

1 1+

(3.103)

ecP ·VP (IH)

Mit Bp(IH)  Nutzen der Strategie IH für jeden Spieler Vp(IH)  W  ert der Zielfunktion in Abhängigkeit der Strategie IH cp  Normierungsfaktor Durch den Normierungsfaktor cp ist es möglich, die Steilheit der Kurve zu verändern und damit Einfluss auf die Gewichtung der verschiedenen Spieler zu nehmen. Die Festlegung der verwendeten Nutzenfunktion kann während des gesamten Spiels nicht verändert werden. Durch eine geänderte Vorzeichenwahl des Normierungsfaktors können unterschiedliche Zielrichtungen (Maximierungs- und Minimierungsziele) gegenüber dem

1.0

BP(IH) 0.8

max Bandbreite W

0.6

0.4

0.2 min 0.0

min

Abb. 3.73   Standardisierte Nutzungsfunktion

mittel

max

V P(IH)

326

3 Steuerungsfunktionen

­ asisszenario festgelegt werden. Darüber hinaus wird als Ergebnis des Basisszenarios B eine Bandbreite W bestimmt, die sich nach Gl. (3.104) aus der Nutzen Transformation der minimalen und der maximalen Zielfunktionswerte ergibt.

W = BP,max (Basis) − BP,min (Basis)

(3.104)

Die gewichtete Aufsummierung der Nutzenfunktion jedes Spielers wird globale Nutzenfunktion genannt. Durch die Berücksichtigung einer globalen Nutzungsfunktion wird sichergestellt, dass sich der globale Nutzen der verschiedenen Kombination in Bezug auf die vorhergehende Simulation verbessert, während andere Kombinationen ausscheiden. In einem Energieversorgungsnetz werden somit nur Strategien betrachtet, die die Zielsetzung des Netzbetreibers verbessert. Der globale Nutzen einer Kombination wird aus der gewichteten Summe der individuellen Nutzenfunktionen bestimmt und dient zur Auswahl der optimalen Strategie in jeder Runde. Zu Beginn des Spiels werden globale und individuelle Nutzenfunktionen für die aktuelle Strategie ausgewertet. Für eine Änderung der Strategie pro Runde wird genau ein Betriebsmittel ausgewählt. Dann wird dieses Betriebsmittel für weitere Strategieänderungen während der Optimierung gesperrt. In jeder Runde werden globale und individuelle Nutzenfunktion für alle zulässigen Kombinationen von Instandhaltungsoptionen berechnet. Strategien, die den Wert des globalen Nutzens reduzieren, werden ausgeschlossen. Dies gewährleistet eine Optimierung der Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategie für das gesamte Netz. Der Wettbewerb zwischen allen Spielern wird mithilfe des dominanten Spielers nachgebildet, der auch in jeder Runde neu bestimmt wird. Der Spieler wird als dominanter Spieler bezeichnet, der den individuellen Nutzen für die meisten Strategien unter allen erlaubten Strategien erhöht. Schließlich wird die Strategie mit der höchsten Steigerung des individuellen Nutzens des dominanten Spielers in dieser Runde festgelegt. Die Optimierung ist beendet, wenn die Instandhaltungsoption für alle Anlagen geändert ist oder wenn sich die globale Nutzenfunktion für alle erlaubten Strategien verschlechtert. Das Ergebnis der letzten Iterationsrunde entspricht der optimierten Instandhaltungsoption [52, 53, 63]. Mithilfe der Tab. 3.38 wird die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Ableitung der einzelnen Spielrunden gezeigt, indem zur Vereinfachung nur drei Betriebsmittel (B1, B2 und B3) betrachtet werden, denen insgesamt drei verschiedene Instandhaltungsszenarien (A, B, C) zugeordnet werden können [51, 52]. Die verschiedenen Zielfunktionen (Betriebs- und Investitionskosten, nicht gelieferte Energie) werden als Spieler betrachtet, deren Optimum gesucht wird. Die grundsätzliche Vorgehensweise besteht darin, dass in einem ersten Szenario eine Instandhaltungsstrategie als Basis bewertet und der Nutzen gemäß Abb. 3.73 parametrisiert wird. Das bedeutet, dass beispielsweise der Nutzen für alle Spieler (Betriebskosten, nicht gelieferte Energie und Investitionskosten) bezogen auf die Strategie A den Wert 0,5 annimmt. Folglich wird der Gesamtnutzen als Summe der Einzelnutzen auf 1,5 berechnet. Dieses stellt nach Tab. 3.38 die Runde 0 dar.

3.5  Optimierung der Instandhaltung

327

Tab. 3.38  Beispielhafter Ablauf der Spielrunden Rd.

Strategie B1

B2

dom. B3

Spieler

Spieler SP1

SP2

GesamtSP3

Nutzen

0

A

A

A



0,50

0,50

0,50

1,50

1a

B

A

A



0,60

0,45

0,40

1,45

1b

C

A

A



0,55

0,50

0,55

1,60

1c

A

B

A



0,55

0,35

0,70

1,60

1d

A

C

A

SP1

0,75

0,45

0,55

1,75

1e

A

A

B



0,45

0,45

0,50

1,40

1 f

A

A

C



0,60

0,45

0,45

1,50

2a

B

C

A



0,78

0,63

0,74

2,15

2b

C

C

A



0,50

0,60

0,65

1,75

2c

A

C

B

SP3

0,80

0,72

0,85

2,37

2d

A

C

C



0,81

0,82

0,70

2,33

3a

B

C

B



0,60

0,72

0,55

1,87

3b

C

C

B



0,69

0,75

0,80

2,24

Rd,. Spielrunde; SP1, Spieler: Betriebskosten; SP2, Spieler: nicht gelieferte Energie; SP3, Spieler: Investitionskosten

Das Ergebnis der nächsten Runde ist die Berechnung der Unterschiede der Strategien, wie sie die verschiedenen Betriebsmittel beeinflussen wird, und der Nutzen aller Spieler wird bewertet, wenn diese Strategie angewendet wird. Die Anzahl der positiven Abweichungen zum Basisszenario identifiziert den dominanten Spieler und seine Strategie definiert die Basisstrategie für die nächste Runde. Das bedeutet, dass in den nächsten Runden die verbleibenden Strategien kombiniert werden, um auf diese Weise zu einem Optimum zu kommen. Das beschriebene Verfahren wird so lange wiederholt, bis kein dominanter Spieler mehr gefunden wird, dessen Strategie zu einer Vergrößerung des Gesamtnutzens führt. Auf der Grundlage des ersten Szenarios (Runde 0) wird eine Strategie in weiteren Runden zyklisch geändert (Runde 1a bis 1 f, Tab. 3.38). Die Ergebnisse der ersten Runden zeigen, dass die Zielfunktion „Betriebskosten“ (SP1) dominante Spieler ist, da eine fünfmalige Vergrößerung des Nutzens im Vergleich zum Basisszenario mit einem Gesamtnutzen von 1,75 erfolgt. Somit ist die Runde 1d von Tab. 3.38 das Basisszenario für die nächste Runde und in der Folge wird Strategie C auf das Betriebsmittel B2 angewendet, da die Zuordnung der IH-Strategie C zum Betriebsmittel B2 den höchsten Gesamtnutzen erzielt. In der zweiten Runde wird für das Betriebsmittel B2 die Strategie C festgehalten, sodass nur noch die Betriebsmittel B1 und B3 kombiniert werden. Im Vergleich zum Basisszenario (1d) ergibt sich SP3 als neuer dominanter Spieler, sodass 2c das neue Basisszenario für die nächste Runde darstellt, bei gleichzeitiger Vergrößerung des

328

3 Steuerungsfunktionen

Gesamtnutzens von 2,37. Als Ergebnis dieser Runde wird die Instandhaltungsstrategie B auf die Anlage B3 angewendet. Das Ergebnis ist, dass Strategie B dem Betriebsmittel B3 zugeordnet wird. In der nächsten Runde wird nur die Strategie des Betriebsmittels B1 variiert, und es ist ersichtlich, dass, obwohl Spieler SP2 der dominante Spieler ist (Runde 3b), der Gesamtnutzen in Bezug auf Runde 2c nicht vergrößert wird. Das Ergebnis ist, dass Runde 2c das Pareto-Optimum darstellt. Die Gesamtstrategie ergibt sich somit: • Betriebsmittel B1: Strategie A, • Betriebsmittel B2: Strategie C, • Betriebsmittel B3: Strategie B Abb. 3.74 zeigt exemplarisch den Prozess der spieltheoretischen Optimierung für zwei Spieler, bei denen die Strategiewahl jeder Runde für zwei unterschiedliche globale Nutzenfunktionen durch Kreuze markiert sind. Aufgrund der deterministischen Auswahl des dominanten Spielers gibt es nur eine Lösung mit Pareto-Optimalität. Die Menge der Pareto-Optimalität kann durch Variation der Gewichtungsfaktoren in der globalen Nutzenfunktion berechnet werden [54]. Ausgehend von einem Basis-Szenario (Punkt Start, Abb. 3.74) werden jeweils Verbesserungen realisiert, indem der Nutzen der beiden Spieler stets verbessert wird. Das Pareto-Optimum ist dann erreicht, wenn die Verbesserung eines Spielers nur durch die Verschlechterung des zweiten Spielers erzielt bzw. im Anwendungsfall zudem, wenn alle Alternativen festgelegt sind oder sich die globale Nutzenfunktion bei allen zulässigen Kombinationen verschlechtert wird.

Start

SP2

SP2A

A B

SP2B

Pareto-Menge optimaler Strategien SP1A

SP1B

SP1

Abb. 3.74   Pareto-Optimum bei einer spieltheoretischen Optimierung (zwei Spieler). x Strategie bei ausgeglichener Bevorzugung der Spieler. ------ Spielrunden bei ausgeglichener Optimierung. ⊗ Strategie bei Bevorzugung von Spieler 1. ____ Spielrunden bei Bevorzugung von Spieler 1

3.5  Optimierung der Instandhaltung

329

Während die gepunktete Linie in Abb. 3.74 den Verlauf der Optimierung bei gleicher Behandlung von beiden Spielern zeigt, entspricht die durchgehende Linie einem Optimierungsprozess mit einer Bevorzugung von Spieler 1. Im Gegensatz zu anderen beschriebenen multikriteriellen Optimierungsmethoden müssen die Präferenzen des Asset-Managers für die Zielefunktionen (Spieler) vor Beginn der Optimierung bekannt sein. Neben diesem Nachteil kann die Alternative nur einmal pro Betriebsmittel während des Optimierungsprozesses geändert werden. Es gibt keine Kontrolle, ob es besser ist, z. B. zwei Trennschalter mit hoher Intensität anstelle eines Leistungsschalters zu warten. Aufgrund der deterministischen Auswahl des dominanten Spielers ist das Ergebnis der Optimierung reproduzierbar. Ein weiterer Vorteil der spieltheoretischen Optimierung ist die Beschränkung der berücksichtigten Strategiekombinationen. Wenn für jedes der m Betriebsmittel des Netzes beispielsweise k Strategien verfügbar sind, beträgt die Anzahl der betrachteten Kombinationen:



m  i=1

i=k·

m · (m + 1) 2

(3.105)

statt der km möglichen Varianten (90312 statt 4,33×10127). Der Ansatz der Spieltheorie kann daher für eine schnelle Abschätzung einer optimierten Instandhaltungsoption verwendet werden.

3.5.7.2 Partikel-Schwarm-Optimierung Die Partikel-Schwarm-Optimierung kann den evolutionären Algorithmen zugeordnet werden. Die Methode imitiert das Flugverhalten eines Vogelschwarms, um ein Optimierungsproblem zu lösen. Hierbei wird das kollektive Verhalten von Vögeln, die auf der Suche nach Nahrung in Schwärmen fliegen, nachgebildet. Dieses Optimierungsverfahren wird durch die von Kennedy und Eberhart 1995 vorgestellte „Particle Swarm Optimization“ nachgebildet [55]. Ein Vogel oder ein Partikel ähnelt einer möglichen Instandhaltung-und Erneuerungsstrategie und legt die Wartungsintensität oder die Erneuerung für jedes Betriebsmittel im Netz fest. Eine endliche Anzahl an Partikeln wird während der Optimierung erstellt und geändert. Alle möglichen Lösungen bzw. Partikel werden in einer Menge gesammelt, die dem Vogelschwarm entspricht [34]. Die folgenden Schritte werden zum Suchen einer optimalen Instandhaltungsoption verwendet, die die Zielfunktionen von CAPEX, OPEX und ENS minimiert: 1. Initialisierung der Startlösung Die Optimierung der Instandhaltungsoption beginnt mit einer Initialisierung des Schwarms durch zufällige Generierung von z. B. 200 Partikeln, die 200 verschiedene Wartungsstrategien für alle Betriebsmittel des Netzes beschreiben. Diese Partikel müssen einer Budgetbeschränkung von CAPEX und OPEX entsprechen.

330

3 Steuerungsfunktionen

2. Iterative Erkennung optimaler Instandhaltungsoptionen Ein Optimierungsschritt beginnt mit den Strategien, die durch Initialisierung erzeugt oder die in der letzten Iterationsrunde optimiert wurden. Diese Lösungen werden anhand der Zielfunktionen CAPEX, OPEX und ENS bewertet. Alle Instandhaltungsoptionen, die in dieser Optimierungsrunde bekannt sind, werden miteinander verglichen, um Pareto-Lösungen zu finden. Nach der Evaluierung und der Auswahl der optimalen Lösungen versucht der Algorithmus, die optimalen Strategien der letzten Iteration zu verbessern. Daher bewegen sich die Partikel des Schwarms durch Ändern der Instandhaltungsoptionen der Betriebsmittel durch den Lösungsraum. Richtung und Geschwindigkeit hängen von der besten Lösung in der Umgebung und der besten Lösung des analysierten Partikels in der Vergangenheit ab. Anschließend werden die aktualisierten Instandhaltungsoptionen evaluiert und neue optimale Lösungen gefunden. Dieses ist der Beginn einer neuen Optimierungsrunde. Die Iteration wird beispielsweise 10000-mal wiederholt. Das Ergebnis wird eine optimierte Instandhaltungsoption für alle Anlagen des Netzes in der aktuellen Periode sein. Die Optimierung mithilfe des PartikelSchwarm-Algorithmus ist im Vergleich zu den einkriteriellen Methoden durch eine größere Rechenzeit gekennzeichnet. Die gleichzeitige stochastische Optimierung der drei Kriterien CAPEX, OPEX und ENS reduziert jedoch das Risiko, in einem lokalen Optimum zu bleiben. Außerdem muss der Asset Manager keine Zielfunktion bei der Optimierung den Vorzug geben. Die Ergebnisse der Optimierung werden in einem Diagramm dargestellt, das Abb. 3.74 entspricht. Es kann also der Zuwachs der finanziellen Aufwendungen gesehen werden, der zu einer überdurchschnittlichen Verbesserung der Verfügbarkeit führt.

3.5.7.3 Genetischen Algorithmen Die Entwicklung dieser Algorithmen hat in den 1970er Jahren begonnen und wurde vom natürlichen Evolutionsprozess angeregt. Individuen können nur überleben, wenn sie sich an Veränderungen der Umweltbedingungen anpassen, dieses wird durch Mutation und Rekombination der am besten geeigneten Individuen erreicht [76]. Eine Mutation repräsentiert die Veränderung einer Eigenschaft eines einzelnen Individuums, und ein neues Individuum entsteht durch die Rekombination von Eigenschaften zweier Individuen miteinander. Die natürliche Anpassung von Individuen erfolgt mit der Zeit, was auf den iterativen Charakter der genetischen Algorithmen hinweist. In diesem Zusammenhang entspricht ein Individuum einer Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategie für alle Betriebsmittel eines Netzes. Fitnessfunktionen messen die Überlebensfähigkeit von Individuen und entsprechen den objektiven Zielfunktionen der Optimierung. Eine Verbesserung der geeignetsten Instandhaltungsstrategien wird erreicht, indem Elemente der geeignetsten Instandhaltungsoptionen miteinander kombiniert oder Elemente in einzelnen Strategien modifiziert werden. Diese Operatoren führen zu einer iterativen Optimierung möglicher Strategien, während die Fitnessfunktionen die Suchrichtung der genetischen Optimierung liefern. Die Optimierung

3.5  Optimierung der Instandhaltung

331

endet nach einer vorbestimmten Anzahl von Iterationen und gibt eine Menge von Paretooptimalen Strategien an, die der Pareto-Kurve der Partikel-Schwarm-Optimierung ähnlich ist. Die Ergebnisse zeigen, dass genetische Algorithmen und die Partikel-SchwarmOptimierung in der Lage sind, die gleiche Art von Problemen zu optimieren. Im Vergleich zur Partikel-Schwarm-Optimierung wurde die Methode der genetischen Algorithmen früher entwickelt, sodass eine größere Anzahl von Algorithmen existiert [30]. Darüber hinaus zeichnen sich Individuen durch binär codierte Informationen aus, wodurch die Übertragung von Instandhaltungs- und Wartungsproblemen auf diskrete Alternativen intuitiver ist als eine kontinuierliche Bewegung von Partikeln im Lösungsraum. Die Wartung und der Austausch jedes einzelnen Betriebsmittels werden jedoch durch mehrere binäre Variablen beschrieben, sodass Multiple-Choice-Einschränkungen sichergestellt werden müssen. Darüber hinaus zerstört die Rekombination die Information über vorher festgestellte Instandhaltungsoptionen, während die Bewegung der Partikel als Erinnerung an den Optimierer angesehen werden kann. Aufgrund der unterschiedlichen Vor- und Nachteile ist zu überprüfen, ob die Partikel-SchwarmOptimierung oder ein genetischer Algorithmus besser für die Pareto-basierte Optimierung von Strategien geeignet ist.

3.5.8 Bewertung und Beispiel in einem 220-kV-Netz Grundsätzlich erfordern die einkriteriellen Verfahren die Festlegung von Grenzwerten für die Nebenbedingungen, sodass etwa das finanzielle Budget oder die Verfügbarkeit des Netzes vorgegeben werden muss. In diesem Fall wird jeweils die andere Zielfunktion optimiert. Im Gegensatz hierzu bestimmen multikriterielle Verfahren Strategien, die von Grenzwerten der Zielfunktionen unbeeinflusst sind. Dieses erlaubt die Bestimmung einer optimalen Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategie. Tab. 3.39 zeigt zusammengefasst die wesentlichen Ergebnisse nach [65]. Ausgehend von der Anzahl der Betriebsmittel (Abschn. 3.5.2.1) werden die Ergebnisse von zwei Algorithmen gegenübergestellt, nämlich der Ameisenalgorithmus (Abschn. 3.5.6.2) und die Partikel-Schwarm-Optimierung (Abschn.  3.5.7.2). Hierbei zeichnen sich die beiden Ergebnisse durch folgende Merkmale aus, die in den Optimierungsverfahren begründet sind: • Ameisenalgorithmus: Die Zielfunktion ist die nicht gelieferte bzw. übertragene Energie (ENS), mit der Nebenbedingung, dass die Aufwendungen für Investitionskosten (CAPEX) und Betriebskosten (OPEX) konstant bleiben. Als Zusatzbedingung werden die jährlichen Betriebskosten auf die Kosten der regulären Wartung für die betrachteten Betriebsmittel begrenzt. Um Spielraum für einen vorzeitigen Austausch der Betriebsmittel zu erhalten, werden bei den Investitionskosten über den gesamten Simulationszeitraum ein Aufschlag von 25 % zugelassen.

332

3 Steuerungsfunktionen

Tab. 3.39  Bewertung der Optimierungsverfahren [65] in Abhängigkeit der optimierten Zielfunktionen Verfahren

ENS

OPEX

RechenENS, OPEX, dauer CAPEX

SuchBemerkung methode

Relativer Nutzen

X





Gering

det.

Vorgabe von CAPEX- und OPEX-Grenzen

AmeisenAlgorithmus

X

X



Hoch

stoch.

Vorgabe von CAPEX- und OPEX-Grenzen bzw. ENS- und CAPEX-Grenzen

Spieltheorie





(X)

Gering

det.

Zielgewichtung notwendig; Berechnung einer optimalen Lösung

Genetische Algorithmen





X

Hoch

stoch.

Pareto-optimale Strategiemenge

PartikelSchwarmOptimierung





X

Hoch

stoch.

Pareto-optimale Strategiemenge

stoch. – stochastisch; det. – deterministisch

• Partikelschwarmoptimierung: Die drei Zielfunktionen werden gleichzeitig optimiert, es ergibt sich eine pareto-optimale Lösung. Für die beiden Verfahren werden jeweils identische Instandhaltungsoptionen sowie technische Nebenbedingungen, falls notwendig, vorausgesetzt, wie z. B. Aufwendungen für Instandhaltung, maximale Nutzungsdauer der Betriebsmittel usw. (Abschn. 3.5.2). Die Ergebnisse werden gespiegelt an den Werten der regulären Instandhaltung in Verbindung mit dem Austausch bei Erreichen der maximalen Nutzungsdauer (Strategie A, Abschn. 3.5.2.2), da diese Strategie der heutigen Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategie entspricht. Die Ergebnisse sind in Tab. 3.40 aufgeführt. Nach Tab. 3.40 lassen sich die Ergebnisse wie folgt zusammenfassen: • Ameisenalgorithmus: Mit leicht erhöhtem finanziellen Aufwand ist es möglich, die nicht eingespeiste bzw. nicht übertragene Energie um 19,7 % zu reduzieren, bei etwa gleichem Aufwand für Investitions- und Betriebskosten. • Partikel-Schwarm-Optimierung: Bei diesem multikriteriellen Verfahren neigt der Algorithmus, wenn keine Zielgewichtung zwischen den Funktionenvorgenommen wird, zu einem vorzeitigen Austausch der Betriebsmittel, sodass als Konsequenz die Betriebskosten sinken, bei einem gleichzeitigen Anstieg der Versorgungszuverlässigkeit um 32,5 %. Dieses ist eine Folge der für die verschiedenen Betriebsmittel angenommenen Fehlerkurven.

3.5  Optimierung der Instandhaltung

333

Tab. 3.40  Vergleich der Optimierungsverfahren über einen Zeitraum von 50 Jahre [65] Zielfunktion

Strategie A Wert

Ameisenalgorithmus Wert

CAPEX

49,82 M€

52,90 M€

+6,2

60,20 M€

+20,8

OPEX

18,06 M€

17,61 M€

15,57 M€

CAPEX+ OPEX

−2,5

67,88 M€

70,51 M€

+3,9

−13,8

75,77 M€

+11,6

ENS

30,3 GWh

24,40 GWh

−19,7

20,6 GWh

−32,5

Veränderung %

Partikel-SchwarmOptimierung Wert

Veränderung %

Strategie A – reguläre (aktuelle) Strategie

Beide Algorithmen geben nicht nur den Wert der Zielfunktionen pro Jahr an, sondern es wird eine Empfehlung gegeben, welche Betriebsmittel nach welcher Instandhaltungsoption in den Jahren behandelt werden, in Abhängigkeit des Standorts und des Alters. Die Ergebnisse mit dem Ameisenalgorithmus zeigt beispielhaft Abb. 3.75. Bei der Darstellung der Strategie D (Austausch) wird zwischen zwei Varianten unterschieden und zwar: Betriebsmittel, die aufgrund der Altersgrenze (D2) und Betriebsmittel, die als Folge der Optimierung (D1) ausgetauscht werden. Nach Abb. 3.75 wird der überwiegende Teil der Betriebsmittel reduziert gewartet, welches besonders für die Trennschalter und die Transformatoren gilt. Im Gegensatz hierzu werden Leistungsschalter und Kombiwandler auch intensiv instandgehalten, in Abhängigkeit des Alters und des Standorts. Wenn im Gegensatz zur Darstellung nach Tab. 3.40 bei der Verwendung des Ameisenalgorithmus als Zielfunktion eine Optimierung der Betriebskosten (OPEX) unter den Nebenbedingungen konstanter Investitionskosten (CAPEX) und konstante nicht gelieferte bzw. übertragene Energie (ENS) angenommen, so ergeben sich nach [65] für die Kennzahlen folgende Werte, jeweils mit den Veränderungen gegenüber der regulären Strategie (A): • • • •

CAPEX:                  49,99 M€ (+ 0,3 %) OPEX:                   14,66 M€ (−18,8 %) CAPEX + OPEX:  65,65 M€ (−3,29 %) ENS:                        30,00 GWh  (−1,1 %)

Durch die Optimierung lassen sich die Betriebskosten der Instandhaltung um ca. 18,8 % reduzieren, bei nahezu konstanten Größen für CAPEX und ENS. Abb. 3.76 zeigt die unterschiedlichen Strategien für die einzelnen Betriebsmittel. Ein Vergleich der Abb. 3.75 und 3.76 zeigt, dass die Forderung nach einer Reduktion der Betriebskosten durch eine Ausbreitung der reduzierten Instandhaltung erreicht

334

3 Steuerungsfunktionen 100%

5.1 10.8

5.4 4.5

8.9 4.1

2.3

6.8

80% 34.9 60%

35.1 54.9

40%

24.6

28.4 20%

60.2

35.1

27.3

30.7

TS

KW

TR

20.9 0% LS

Abb. 3.75    Prozentsatz der gewählten Instandhaltungsoptionen (Ameisenalgorithmus), Optimierung bezüglich der nicht gelieferten bzw. nicht übertragenen Energie [65]. LS – Leistungsschalter; TS – Trennschalter; KW – Kombiwandler; TR – Transformatoren; blau – regulär, Strategie A; rot – reduziert, Strategie B; grün – intensiv, Strategie C; grau – Austausch optimiert, Strategie D1; schwarz – Austausch altersbedingt Strategie D2

wird. Es zeigt sich, dass eine Optimierung der Betriebskosten für das gesamte Netz erreicht wird, ohne dass eine Reduktion der Netzzuverlässigkeit erfolgt bei konstanten Investitionskosten.

3.5.9 Beispiel in einem 110-kV-Netz Im Folgenden werden verschiedene Algorithmen angewendet, die mithilfe des Rucksackproblems die optimale Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategie für ein 110-kVFreileitungsnetz bestimmen. Die Optimierungsalgorithmen haben das Ziel, die nicht gelieferte Energie für das nächste Jahr zu minimieren, unter der Nebenbedingung, dass das Jahresbudget nicht überschritten wird. Insgesamt werden drei verschiedene vereinfachte Algorithmen ermittelt und mit dem Ergebnis der exakten Lösung verglichen, nämlich: • Minimalwartung (MM): Bei dieser Variante werden ausschließlich minimale Instandhaltung (Inspektionen) und keine Ersatzinvestitionen durchgeführt, dieses bedeutet, die Geräte werden nicht nach 50 Jahren ausgetauscht. Diese Variante dient als Vergleich zu allen anderen Möglichkeiten.

3.5  Optimierung der Instandhaltung 100%

10.8 80%

335

7.8

1.8

3.4 9.5

60% 42.6

8.1

12.1 1.8

1.2

7.7

61.4

42.8

62.1

40%

20%

33.7

29.0

35.7

28.7

0% LS

TS

KW

TR

Abb. 3.76    Prozentsatz der gewählten Instandhaltungsoptionen (Ameisenalgorithmus), Optimierung bezüglich den Betriebskosten [65]. LS – Leistungsschalter; TS – Trennschalter; KW – Kombiwandler; TR – Transformatoren; blau – regulär, Strategie A; rot – reduziert, Strategie B; grün – intensiv, Strategie C; grau – Austausch optimiert, Strategie D1; schwarz – Austausch altersbedingt Strategie D2

• Absoluter Nutzen (AN): Abschn. 3.5.6.1. Insgesamt sind in diesem Beispiel 328 Instandhaltungsmaßnahmen möglich, die sich auch gegenseitig ausschließen, da für ein Betriebsmittel nur eine Instandhaltungsmaßnahme angewendet wird. Damit sichergestellt ist, dass für jedes Betriebsmittel auch eine Wartungsmaßnahme vorgesehen ist, wird zu Beginn der Simulation jedem Gerät die Maßnahme „Inspektion“ zugewiesen. • Relativer Nutzen (RN): Abschn. 3.5.6.1 • Exakte Lösung (EX): In diesem Fall wird die bei einem vorgegebenen Jahresbudget nicht gelieferte Energie minimiert. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Algorithmen werden sämtliche Betriebsmittel- und Instandhaltungsoptionen geprüft, die unter den Randbedingungen zu dem niedrigsten Wert der nicht gelieferten Energie führt.

3.5.9.1 Grundlagen der Berechnung Die Berechnungen werden anhand eines 110 kV-Netzes durchgeführt, welches einen Ausschnitt eines realen Versorgungsnetzes darstellt. Das gesamte Teilnetz besteht aus Zwei- und Dreiwicklungs-Transformatoren, Leistungsschaltern, Trennschaltern, Freileitungen und Lasten. Insgesamt hat das betrachtete Netz drei Einspeisungen aus der

336

3 Steuerungsfunktionen

380-kV-Spannungsebene und eine aus dem 220-kV-Netz. Hierbei handelt es sich um einen kleinen Ausschnitt einer 110-kV-Gruppe, da in diesem Netz die übertragene Leistung nur ca. 133 MW beträgt. Diese Leistung hat einen erheblichen Einfluss auf die nicht gelieferte Energie, die im weiteren Verlauf wiederum einen wesentlichen Einfluss auf den Optimierungsvorgang hat. Der betrachtete Netzausschnitt selbst versorgt verschiedene unterlagerte der 20-kVMittelspannungsnetze. Für die nachfolgende Berechnung werden insgesamt nur drei verschiedene Betriebsmittelgruppen berücksichtigt, nämlich: • 8 Transformatoren (TR) • 28 Leistungsschalter (LS) • 46 Trennschalter (TS). Da für die Berechnung der nicht gelieferten Energie an den verschiedenen Netzknoten die Ausfallraten der Betriebsmittel mithilfe der Störungsstatistik des FNN verwendet werden, die keine Altersabhängigkeit berücksichtigt, wird von einem mittleren Betriebsmittelalter von 20 Jahren ausgegangen, was dem mittleren Alter der im Netz befindlichen Geräte entsprechen sollte. Für die Simulationen werden die Betriebsmittel im Zeitbereich zwischen 1 und 40 Jahren zufällig verteilt angenommen, sodass sich auf diesem Wege ein unterschiedliches Alter der einzelnen im Netz vorhandenen Komponenten ergibt. Dieses hat einen Einfluss auf die Fehlerrate des jeweiligen Betriebsmittels, welches bei der Zuverlässigkeitsberechnung berücksichtigt wird. Für die altersabhängige Fehlerraten der Betriebsmittel wird ein ähnlicher, exponentieller Kurvenverlauf nach Abschn. 3.5.2.3 verwendet. Im Gegensatz zur Darstellung nach Abschn. 3.5.2.2 werden in diesem Fall nur drei Instandhaltungsmaßnahmen berücksichtigt, nämlich: • Ausschließlich Inspektion, • Strategie A: Reguläre Wartung nach Abschn. 3.5.2.2, • Strategie B: Reduzierte Wartung nach Abschn. 3.5.2.2. Die einzelnen Aufwendungen für den Betrieb und Ersatz der Betriebsmittel können der Tab. 3.41 entnommen werden. In der Simulation wird ein gesamtes jährliches Budget für alle Maßnahmen, d. h. für Instandhaltung und Ersatz, festgesetzt. Der maximale Wert des Budgets entspricht der größten Einzelmaßnahme, die in diesem Fall aus dem Ersatz eines Transformators besteht, nämlich Bmax = 675  T€ oder es müssen jährliche Rückstellungen für größere Investitionsmaßnahmen gebildet werden. Darüber hinaus gilt ein Minimalbudget, das sich dadurch bestimmt, dass an allen Betriebsmitteln ausschließlich eine Inspektion durchgeführt wird.

3.5  Optimierung der Instandhaltung

337

Tab. 3.41  Jährliche Instandhaltungskosten und Investitionsaufwendungen Abhängigkeit der IHMaßnahmen in T€ (Beispiel) Betriebsmittel

Inspektion

Strategie A

Strategie B

Ersatz

Transformator

0,675

6,750

3,713

675

Leistungsschalter

0,680

0,510

0,289

34

Trennschalter

0,380

0,285

0,162

19

Da die nicht gelieferte Energie an den Lastknoten zu minimieren ist, sind in dem 110-kV-Netz Zuverlässigkeitsberechnungen durchzuführen. Die Zuverlässigkeitsberechnungen ergeben die folgenden Werte der nicht gelieferten Energien an den Lastknoten des 110-kV-Netzes, jeweils pro Betriebsmittel und Jahr: • Leistungsschalter:            0,246 MWh/a • Trennschalter:                   0,101 MWh/a • Leistungstransformator:  0,897 MWh/a

3.5.9.2 Beispiel Im Folgenden werden für das 110-kV-Netz zwei unterschiedliche Szenarien ermittelt, die sich hinsichtlich des zur Verfügung stehenden Jahresbudgets unterscheiden. Die Simulationszeit beträgt in jedem Fall 20 Jahre. Falls in einem Jahr das vorgegebene Budget nicht vollständig benötigt wird, kann dieses auf das nächste Jahr übertragen werden. Szenario 1 In diesem Szenario beträgt das Jahresbudget für Instandhaltungsmaßnahmen 300 T€, wobei Rückstellungen für den Ersatz von Transformatoren möglich sind. In Tab. 3.42 sind die Ergebnisse der Simulationen für die Algorithmen aufgeführt. Szenario 2 In diesem Fall wird ein geringeres Jahresbudget von 70 T€ festgesetzt, welches sich an den Ausgaben für „weniger Instandhaltung“ orientiert, während der Ersatz eines Transformators nur unter erheblicher Reduktion der Wartungsmaßnahmen an anderen Betriebsmitteln erfolgen kann. Unter den oben genannten Bedingungen sind die Ergebnisse in der Tab. 3.43 zusammengefasst. Ein Vergleich der verschiedenen Varianten zeigt, dass die Optimierung nach dem absoluten Nutzen (AN) der exakten Lösung (EX) ähnlich ist, was sich aus dem Vergleich der nicht gelieferten Energie entnehmen lässt, Szenario 1. Eine Analyse auf der Basis des relativen Nutzens (RN) ist nicht sinnvoll, was sich z. B. aus der Anzahl der zu ersetzenden Betriebsmittel über den Simulationszeitraum von 20 Jahren nach

338

3 Steuerungsfunktionen

Tab. 3.42  Ergebnisse Szenario 1 (300 T€ Jahresbudget) [52] Größe

MM

ENS (1. Jahr/MWh)

23,6

AN

RN

19,9

EX

19,9

19,5

ENS (20. Jahr/MWh)

55,4

15,0

23,5

14,5

Summe ENS/MWh

758,6

321,0

406,1

311,6

Durchschnittsalter (1. Jahr)

25,5

19,3

19,3

19,3

Durchschnittsalter (20. Jahre)

44,5

17,8

8,5

17,3

OPEX/T€

181,0

1236,1

1097,2

1265,7

CAPEX/T€



4208,0

4895,0

4223,0

(OPEX + CAPEX)/T€

181,0

5444,1

5992,2

5488,7

ungenutztes Budget/T€

5819,0

555,9

7,8

511,3

ENS – nicht gelieferte Energie; CAPEX – Investitionskosten; OPEX – Kosten der Instandhaltung

Tab. 3.43  Ergebnisse Szenario 2 (70 T€ Jahresbudget) [52] Größe

MM

AN

RN

EX

ENS (1. Jahr/MWh)

23,6

21,9

21,6

21,3

ENS (20. Jahr/MWh)

55,4

29,9

30,7

24,2

Summe ENS/MWh

758,6

500,6

500,8

444,5

Durchschnittsalter (1. Jahr)

25,5

24,5

23,9

24,5

Durchschnittsalter (20. Jahre)

44,5

24,2

23,3

28,5

OPEX/T€

181,0

345,7

320,8

729,0

CAPEX/T€



1053,0

1076,0

671,0

(OPEX + CAPEX/)T€

181,0

1398,7

1396,8

1400,0

Ungenutztes Budget/T€

1219,0

1,3

3,2

0,0

ENS – nicht gelieferte Energie; CAPEX – Investitionskosten; OPEX – Kosten der Instandhaltung

Tab. 3.44 ergibt (Szenario 1). Die minimale Instandhaltung (MM) führt in jedem Fall zu den schlechtesten Werten bezüglich des Netzzustandes (Betriebsmittelalter und nicht gelieferte Energie). Die Simulation zeigt, dass nach Szenario 1 das jährliche Budget um ca. 25 T€ reduziert werden kann, ohne einen Einfluss auf das Netzverhalten zu haben, während das jährliche Budget des zweiten Szenarios zu klein ist, da diese Summe zu einem Anstieg der nicht gelieferten Energie und gestiegenem Betriebsmittelalter führt.

3.6 Zusammenfassung

339

Tab. 3.44  Anzahl der ausgetauschten Betriebsmittel während der gesamten Simulationszeit (Szenario 1 und 2) [52] Betriebsmittel

Szenario 1 AN

RN

EX

Szenario 2 AN

RN

EX

Leistungsschalter

22

73

23

17

16

8

Trennschalter

40

127

39

25

28

21

Transformator

4

0

4

0

0

0

3.6 Zusammenfassung Die Steuerungsfunktionen erlauben es dem Asset Manager, seine vielfältigen Aufgaben zu erfüllen. Zu diesen Funktionen gehören grundsätzlich wirtschaftliche Betrachtungen, hierzu zählen die Barwertberechnung, um die Aufwendungen verschiedener Investitionsmöglichkeiten miteinander zu vergleichen, als auch die Ermittlung der Lebensdauerkosten. Die Lebensdauerkosten umfassen hierbei alle Aufwendungen, die während der Lebensdauer des Betriebsmittels entstehen, angefangen von den Projektierungskosten, über die Betriebskosten bis zur Entsorgung. Für eine Beurteilung der Betriebsmittel ist eine Zustandsbewertung und die Auswertung der Messergebnisse eine wesentliche Voraussetzung, hierbei sind verschiedene Diagnose- und Monitoringverfahren einzusetzen, in Abhängigkeit des Betriebsmitteltyps. Die Störungsdaten der Betriebsmittel oder an den Netzknoten, sind die Voraussetzung, zu einer risiko-orientierten Instandhaltungsstrategie überzugehen. In diesem Zusammenhang steht die Identifizierung des Risikos im Vordergrund, unabhängig hiervon ist in jedem Fall zu betrachten, ob dieses Risiko akzeptiert werden kann oder aber entsprechende Maßnahmen erforderlich sind, ein Risiko zu vermindern. Während in der Vergangenheit bei der Risikoermittlung Zuverlässigkeitskennzahlen verwendet wurden, die den Erwartungswert z. B. einer Störung beschreiben, ist es sinnvoll, den aus der Finanzwelt bekannten Begriff „Value-at-Risk“ zu bestimmen. In diesem Fall wird berücksichtigt, dass sowohl die Störungen der Betriebsmittel als auch die Schadensaufwendungen statistisch verteilt sind. Das Ergebnis stellt somit eine Wahrscheinlichkeit dar, mit der ein Schadenswert innerhalb eines Jahres überschritten werden kann. Zur Unterstützung einer endgültigen Entscheidungsfindung sind spezielle Kennziffern seitens des Unternehmens zu definieren, die in Abstimmung mit den am Versorgungsprozess beteiligten Gruppen festgesetzt werden sollten. Hierbei können die Kennziffern unterschiedlichen Bereichen zugeordnet werden, z. B. Finanzen/Wirtschaft, Zuverlässigkeit, Kunden, Mitarbeiter/Sicherheit, Netzverfügbarkeit und Umwelt. In den letzten Jahren werden vermehrt „Asset Simulationen“ hinsichtlich einer langfristigen Betrachtung des Betriebsmittelbestands eingesetzt. In diesem Zusammenhang

340

3 Steuerungsfunktionen

werden wesentliche Kennzahlen des Anlagenbestands und die hieraus abzuleitenden Größen (Aufwendungen für Instandhaltung und Ersatz oder betriebswirtschaftliche Kennzahlen, z. B. Cash-flow usw.) über einen Zeitraum von z. B. 40 Jahren bestimmt. Mit dieser Vorgehensweise ist es grundsätzlich möglich, Investitionsspitzen im Voraus zu erkennen, um entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, sodass ein optimaler Einsatz der Ressourcen hinsichtlich Personal und Finanzen möglich ist. Mithilfe des Arbeitsgebietes „Operation Research“ ist es möglich, eine Optimierung der Instandhaltung bzw. der Erneuerung verschiedener Betriebsmittelgruppen durchzuführen. Hierbei werden geeignete Verfahren eingesetzt, z. B. das Rucksackproblem oder aber es wird mithilfe der Spieltheorie das Pareto Optimum bestimmt, indem die verschiedenen Kriterien als Spieler betrachtet werden. Der Vorteil des Einsatzes der Spieltheorie besteht darin, dass die mögliche Anzahl an Kombinationen geeignet reduziert werden können, sodass eine rechnerische Behandlung der Optimierungsaufgabe möglich ist.

Literatur 1. Anders GJ, Endrenyi J et al (1992) Maintenance Planning Based on Probabilistic Modeling of Aging in Rotating Machines. Cigre Session, 30. August–5. September, report 11–309 2. Anders GJ, Leite da Silva AM (2000) Cost related reliability measures for power system equipment. IEEE Trans Power Systs 15(2):654–660 3. Asgarieh L, Balzer G, Gaul A (2008) Circuit-Breaker Estimation with the Aid of Ageing Models. PMAPAS, Rincon, Ruerto Rico, paper 050 4. Asgarieh L, Balzer G, Jordan U, Rost H, Mathis M (2008) Langzeitsimulation am Beispiel eines Mittelspannungskabelnetzes. Ew 107(22):58–61 5. Balzer G, Asgarieh L, Gaul A (2008) Abschätzung des Investitionsbedarfs von Betriebsmitteln. Ew 107(4):26–30 6. Balzer G, Asgarieh L, Jordan U, Mathis M (2008) Realization of Long Term Investment Strategies of Power Systems. CEPSI, Macau 26.–31. Oct., rep. 1045 7. Balzer G, Asgarieh L, Neumann C, Gaul A, Bakic K, Schorn C (2008) Planning of long term transmission investment strategies of power systems. CIGRE, Paris, pp C1–113 8. Balzer G, Brandl M, Strnad A, Röhsler H, Schnettler A (1997) A computer-aided, reliabilitycentered maintenance strategy for power networks. ABB-Rev 4(1997):21–22 9. Balzer G, Drescher D, Heil F, Kirchesch P, Meister R, Neumann C (2004) Evaluation of failure data of HV circuit-breakers for condition based maintenance, CIGRE Session, rep. 305 10. Balzer G, Drescher D, Heil F, Kirchesch P, Meister R, Neumann C (2004) Evaluation of Failure Data of H.V. Circuit-Breakers for Conditioned Based Maintenance. CEPSI, Oct. 18–22, Shanghai, T-” Power Transmission and Substation, ID 80 11. Balzer G, Neumann C, Schmitt O (2002) Life Cycle Assessment of GIS-Substations: An Optimized Asset Management. CEPSI, Nov. 4–8, Fukuoka; T2-A4, S 78–83 12. Balzer G, Orlowska T, Halfmann M, Neumann C, Strnad A (2000) Life cycle management of circuit-breakers by application of reliability centered maintenance. CIGRE, Paris, Session 13–103 13. Balzer G, Schorn C (2004) Risk assessment of high voltage equipment, CEPSI, Shanghai, Oct. 18–22, rep. 102, M3

Literatur

341

14. Balzer G, Schorn C (2004) Risk-Assessment von Betriebsmitteln der elektrischen Energieversorgung. Energiewirtschaftliche Tagesfragen 54(10):674–678 15. Balzer G, Schorn C (2007) Life Cycle Costs Analysis of a Complete Air Insulated Substation. CIGRE B3 Symposium, Berlin, report 104b 16. Balzer G, Schreiner A, Gößmann T, Schorn C (2008) Assessment of Outage Costs Using Value at Risk Methodology. CEPSI-Conference, Macau SAR, China, rep. 1047 17. Broschüre zur FNN-Störungs- und Verfügbarkeitsstatistik Berichtsjahr 2008 (2009) Oktober 18. Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (2011) Monitoring-Bericht des nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, Berlin, Januar 2011 19. Chong E, Zak SH (2011) An introduction to optimization. WILEY, New York 20. Choonhapran P (2007) Applications of High Voltage Circuit-Breakers and Development of Aging Models. Dissertation, Darmstadt 21. Choonhapran P, Balzer G (2007) Availability of HV Circuit-Breakers: The Application of Markov Model. IEEE Power Engineering Society 2007 general Meeting, 24–28 June 2007, Tampa, Florida USA, Switchgear Session, Paper 07 GM0301 22. Cigre Brochure 309 (2006) Asset Management of Transmission Systems and associated Cigre Activities, Cigre WG C1.1 23. Cigre Brochure 340 (2008) Utilities Practices toward Sustainable Development, Cigre WG C3.03 24. Cigre Brochure 367 (2008) Asset Management – Performance Benchmarking, Cigre C1.11, February 2008 25. Cigre Brochure 383 (2009) Sustainable Development Performance Indicators for Trans mission System Operators, Cigre WG C3.02 26. Cigre Brochure 424 (2010) Transmission Asset Risk Management, Cigre WG C1.16, August 2010 27. Cigre Brochure 510 (2012) Final Report of the 2004–2007 International Enquiry on Reliability of High Voltage Equipment, Part 2 – Reliability of High Voltage SF6 Circuit Breakers. Cigre WG A3.06, October 2012 28. Cigre Brochure 512 (2012) Final Report of the 2004–2007 International Enquiry on Reliability of High Voltage Equipment, Part 4 – Instrument Transformers. Cigre WG A3.06, October 2012 29. Cigre Brochure 83 (1994) Final report of the 2nd enquiry on HV circuit-breaker failures and defects in service. SC13 30. Deb K, Pratap A, Agarwal S, Meyarivan T (2002) A fast and elitist multiobjective genetic algorithm: NSGA-II. IEEE Trans Evol Computat 6(2):182–197 31. DIN EN 13306:2018-02 (2018) Instandhaltung – Begriffe der Instandhaltung. Beuth Verlag, Berlin 32. Domschke W, Drexl A (2005) Einführung in Operations Research, 6. Aufl. Springer, Berlin 33. Drescher D (2004) Rechnergestützte Bewertung von Betriebsmitteln für Instandhaltungs strategien. Darmstadt 34. Eberhart R, Kennedy J, (1995) A new optimizer using particle swarm theory. Sixth International Symposium on Micro Machine and Human Science, Nagoya/Japan, Oct. 4–6, S 39–43 35. Elmakias D (2008) New computational methods in power system reliability. Springer, Berlin 36. Federlein S (2010) Modellierung des typspezifischen Störungsaufkommens von Hoch spannungs-Schaltgeräten. Aachener Beiträge zur Hochspannungstechnik, Bd. 15, Dissertation, Aachen

342

3 Steuerungsfunktionen

37. Fleckenstein M (2015) Risikoorientierte Instandhaltung auf der Basis der Value-at-Risk Methode im Übertragungsnetz. Dissertation TU Darmstadt D17 38. Fleckenstein M, Neumann C, Balzer G (2013a) Importance oriented maintenance strategies based on the Value at Risk method; CIGRE Study Committees B3/D1 Colloquium Managing Substations in the Power System of the Future; September 9–11, Brisbane, Australia, Ref. 170 39. Fleckenstein M, Neumann C, Balzer G (2013a) Value at Risk monitored maintenance for extra-high voltage Assets; CIGRE International Symposium and Study Committee Meetings – Best Practice in Transmission and Distribution in a Changing Environment; September 16–17, Auckland, New Zealand, Ref. 233 40. Fleckenstein M, Rhein A, Neumann C, Balzer G (2013) Risk Assessment of power wheeling in extra high voltage transmission systems 48th Universities’ Power Engineering Conference, September 3–5, Ref. 230 41. Forum Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) (2011) Störungs- und Verfügbarkeitsstatistik, Berichtsjahr 2010, Berlin 42. Global reporting Initiative (2006) Sustainability reporting Guidelines V 3.0 43. Glyn A, Holton GA (2003) Value at Risk, theory and practice. Academic, Amsterdam 44. Hartung J (1995) Statistik. Lehr- und Handbuch der angewandten Statistik, 10. Aufl. Oldenbourg, München 45. Hille C (2011) Simulatorische Analyse und Optimierung von Asset Management Strategien im regulierten Umfeld der Elektrizitätsversorgung. Aachener Beiträge zur Hochspannungstechnik, Bd. 21, Dissertation Aachen, Verlagshaus Mainz GmbH 46. http://www.riskglossary.com/articles/var_measure.htm>. Zugegriffen: 2. Juli 2006 47. IEC 60300-3-3 (2005) Dependability management; Part 3–3: Application guide – Life cycle costing 48. IEEE/PES Task Force on Impact of Maintenance Strategy on Reliability of the Reliability, Risk and Probability Applications Subcommittee (2001) The present status of maintenance strategies and the impact of maintenance on reliability. IEEE Trans Power Systs 16(4):638– 646 49. ISO/IEC 31010:2009 (2009) Risk Management – Risk Assessment Techniques 50. Jeromin I, Balzer G, Backes J, Huber R (2009) Life Cycle Cost Analysis of Transmission and Distribution Systems. CIRED, Prag, 8.–11. Juni 2009, Bericht Nr.: 0098 51. Jeromin I, Balzer G, Werth B, Mathis M (2012) Multi-Criteria Optimization of Maintenance Activities. CEPSI 2012 Bali, Indonesia, October 15.–19., no. 003 52. Jeromin, I (2012) Verfahren zur Optimierung von Instandhaltungsmaßnahmen für Hoch spannungsnetze, Dissertation Darmstadt, D 17 53. Jeromin I, Balzer G (2011) Game theoretical approach for maintenance planning of large networks. PowerTech, IEEE Trondheim 2011:1–5 54. Jin Y, Olhofer M, Sendhoff B (2001) Dynamic Weighted Aggregation for Evolutionary MultiObjective Optimization: Why Does It Work and How? http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/ summary? doi=10.1.1.27.9439 55. Kennedy J, Eberhart R (1995) Particle swarm optimization. ICNN’95 – International Conference on Neural Networks, Perth, Western Australia, 27 Nov.–1 Dec., S. 1942–1948 56. Martello S, Toth P (1990) Knapsack problems: algorithmus and computer implementations. Wiley, Chister 57. Mehairjan R (2017) Risk-Based Maintenance for Electricity Network Organization. Springer International Publishing AG, Cham 58. Mehairjan R, Djairam D (2014) Trends in risk-based substation asset management & lifetime monitoring. Cigre-Symposia, Rio de Janeiro, Brasil

Literatur

343

59. Mkandawire B O, Ijumba N M, Whitehead H (2009) Markov & Weilbull Analysis for HV Network Maintenance: Reliability Management, Preventive Maintenance. 16th International Symposium on High Voltage Engineering, Johannesburg, paper F-25 60. Nahas N, Nourelfath M (2005) Ant system for reliability optimization of a series system with multiple-choice and budget constraints. Reliab Eng Syst Saf 87(1):1–12 61. Neumann C, Borchert A, Schmitt O, Balzer G (2002) Zustands- und wichtigkeitsorientierte Instandhaltung und Erneuerung von Hochspannungsschaltanlagen mit Datenbankunterstützung ETG Diagnostik der elektrischen Betriebsmittel, No. 97 62. Nickel S, Stein O, Waldmann K-H (2011) Operations research. Springer, Berlin 63. Orths A, Styczynski ZA (2001) Game theoretical approach to power network planning. Power Tech, Porto/Portugal, Sept 08–12:6 64. Osborne MJ, Rubinstein A (1994) A course in game theory. MIT Press, Cambridge 65. Rhein A (2018) Multikriterielle Optimierung von Instandhaltungs- und Erneuerungsstrategien in Übertragungsnetzen. Verlag Dr. Hut, München, Dissertation TU Darmstadt D 17 66. Rhein A, Balzer G (2015) Model for Optimization of Maintenance Strategies in Transmission Systems. 50th International Universities Power Engineering Conference, 31. Aug.–4. Sept., Staffordshire, UK, rep. 225 67. Rhein A, Balzer G, Eichler C (2015) Optimized Maintenance Strategies for Extra-High Voltage Assets. Cigre Symposia A3&B3 Nagoya, report 302 68. Rusek B (2007) Digital Modeling and Simulations of High Voltage Circuit Breaker Failures for Optimization of Sensor Technique. Dissertation Darmstadt 69. Rusek B, Balzer G, Holstein M, Claessens M-S (2006), Möglichkeiten der Überwachungsverbesserung eines Hochspannungs-Leistungsschalters. ETG Kassel 70. Rusek B, Neumann C, Protze C (2013) improvement of Maintenance for High Voltage Disconnectors and Earthing Switches Through the Application of FMEA. Cigre Auckland Symposium 71. Russell SJ, Norvig P (2010) artificial intelligence: a modern approach. Prentice Hall, Upper Saddle River 72. Schreiner A, Balzer G, Precht A, Schorn C (2008) Value at Risk (VaR) als Risk Assessment Instrument im Asset Management der Energieversorgungssysteme. Energiewirtschaftliche Tagesfragen 58(1/2):62–67 73. Schreiner A, Balzer G, Precht A, Schorn C (2009) Risk Assessment of Distribution System Real Case Application of Value at Risk Metrics. CIRED, Prag, 8.–11. Juni 2009, Bericht Nr.: 0862 74. Sinha P, Zoltners A-A (1979) The multiple-choice knapsack problem. Oper Res 27(3):503– 515 75. Smith P, Balzer G, et. al. (2000) Ageing of the System – impact on Planning. Working Group 37–27, Cigre, Report 176, December 2000 76. Srinivas M, Patnaik LM (1994) Genetic algorithms: a survey. Computer 27(6):17–26 77. www.bw.ihk.de/veroeffentlichungen/konjunkturberichte/baden-wuerttemberg. Zugegriffen: 19. Jan. 2020

4

Einbindung in die Unternehmensorganisation

Mit der Liberalisierung der Energiemärkte wurden insbesondere die Energieversorgungsunternehmen mit anderen Organisationsformen konfrontiert. Die ursprüngliche integrierte Bearbeitung aller Sparten von Vertrieb, Handel, Erzeugung und Infrastruktursystem war aufgrund des neuen Ordnungsrahmens in dieser Form bei größeren Unternehmen nicht mehr möglich, das „Unbundling-Gebot“ verhinderte diese bisherige Integration. Im Rahmen der notwendigen gesellschaftsrechtlichen Neuorganisation wurden grundsätzlich auch die internen Prozesse untersucht, um eine höhere Effizienz zu erreichen, da in der liberalisierten Welt plötzlich die Versorgungsunternehmen dem Wettbewerb ausgesetzt sind. Wettbewerb entstand auch im verbleibenden Monopolbereich der Netzbetreiber durch die vom Regulator eingeführten Effizienzbenchmarks zwischen den verschiedenen Unternehmen. Diese Randbedingung war der Anlass, in vielen Versorgungsunternehmen auch über das Kerngeschäft und die Bearbeitungstiefe nachzudenken. Die Implementierung eines Anlagenmanagements ist in dieser Situation ein notwendiger Schritt im Sinne von Nachvollziehbarkeit und Transparenz im Netzbereich gewesen. Aus der Einführung dieser Funktion, verbunden mit der Diskussion um die Bearbeitungstiefe, ergeben sich verschiedene Modelle und organisatorische Möglichkeiten, die im Nachfolgenden näher beschrieben werden. Die wesentlichen Funktionen sind dabei dreigeteilt (siehe Abschn. 1.6) in die Rollen des • Anlagenbesitzers, „Asset Owner“, • Anlagenmanagers, „Asset Manager“ und • operativen Dienstleisters, „Service-Provider“. Ausgehend davon, dass die Funktion des Asset Owners immer als Kerntätigkeit des Geschäftsfelds „Infrastruktur“ zu sehen ist, bedeutet die Diskussion um die © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Balzer und C. Schorn, Asset Management für Infrastrukturanlagen – Energie und Wasser, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61526-3_4

345

346

4  Einbindung in die Unternehmensorganisation

Bearbeitungstiefe, dass über die Möglichkeiten und Risiken nachgedacht werden muss, welche Leistungen nicht als Kerntätigkeiten und damit nicht innerhalb des eigenen Unternehmens erbracht werden müssen, sondern kostengünstiger und ohne Risikoerhöhung von am Markt operierenden Dienstleistern geleistet werden können. Aus diesem Grunde werden in diesem Kapitel unter anderem die Begleitumstände in Bezug auf eine Verlagerung von Tätigkeiten an Dritte diskutiert (Abschn. 4.3). Aber auch die politische Landschaft hat sich mit Regulierung und durch die europäische Gesetzgebung (die sogenannten Binnenmarktpakete und kommunalpolitische Randbedingungen) verändert, was durchaus Einfluss auf Strategien und Netzbetrieb in den Infrastruktursystemen hat. Gerade die in Deutschland etablierte Thematik der Konzessionsverträge, mit denen die Kommunen den Netzbetreibern das Recht zur Nutzung der öffentlichen Wege und Grundstücke für die Verlegung der Infrastruktur einräumen, stellt eine große Herausforderung für den stabilen und vor allem kosteneffizienten Betrieb dieser Infrastruktur dar. Auch diese Thematik wird im Folgenden genauer beleuchtet werden. Die Rolle des technischen Anlagenmanagements hat in diesem, sich seit Mitte der 1990er Jahre entwickelnden Umfeld, einen hohen Stellenwert für Strategie- und Kostenentwicklung sowie den nachhaltig stabilen und sicheren Netzbetrieb eingenommen.

4.1 Funktionale Aufteilung im Asset Management An dieser Stelle wird noch einmal darauf hingewiesen, dass der Ausdruck „Asset Management“ den gesamten Prozess beschreibt. Während der „Asset Manager“ ausschließlich für die weiteren, beschriebenen Aufgaben zuständig ist. Sie führen zu Rollen, die in einer Organisation als interne oder externe Funktionseinheiten aufgebaut werden. Die wesentlichen Aufgaben rund um das gesamte Asset Management können, wie bereits in Abschn. 1.6 beschrieben, wie folgt zusammengefasst werden: • Asset Owner: Er übernimmt die Auftraggeberfunktion gegenüber dem Asset Manager, genehmigt in Summe das Betriebs- und Investitionsprogramm und ist verantwortlich für die Werterhaltung von Netzen und Anlagen. Dabei gehört speziell die Planung und Entwicklung der strategischen Vorgaben (z. B. die Netzentwicklung, Vorgabe des Substanzerhalts, Vorgabe der Versorgungszuverlässigkeit, zeitliche Entwicklung des Gesamtbudgets usw.) zu den Tätigkeiten. Wesentlich ist, dass der Asset Owner die Rolle des Eigentümers wahrnimmt und damit die Verantwortung sowohl für die Refinanzierung der Kosten als auch die Diskussion mit Regulatoren und übergeordneten Genehmigungsbehörden trägt. • Asset Manager: Er steuert in der Auftragsgeberfunktion die technischen Dienstleistungen, die für den Betrieb und die Instandhaltung von Netzen bzw. Anlagen durchzuführen sind. Im Einzelnen gehören hierzu folgende wesentliche Aufgaben: – Erarbeiten von Strategien (Netzplanung, Ausbau, Optimierung, Instandhaltung), – Festlegen von Standards (Betriebsmittel, Technologie, Dokumentation),

4.1  Funktionale Aufteilung im Asset Management

347

– Beauftragen von Netzbetrieb und Netzservice (Geschäftsvereinbarungen mit Servicebetreibern). Grundsätzlich ist die Aufgabe des Asset Managers, die globaleren technischen und finanziellen Vorgaben des Asset Owners auf die einzelnen technischen Ebenen herunter zu brechen und mit Maßnahmen und Projekten durch Beauftragung geeigneter Dienstleister umzusetzen. • Service Provider: Er ist zuständig für die Durchführung von Leistungen in Bau und Betrieb des Infrastruktursystems im Auftrag des Asset Managers. Hierzu gehören beispielsweise die folgenden Tätigkeiten: – In- bzw. Außerbetriebnahme von Betriebsmitteln (Schaltbetrieb), – Überwachen des laufenden Betriebs und Sicherstellung der Betriebssicherheit (Gefahrenabwehr), – Diagnose und Prüfung, – Reaktion auf Fehler, – Inspektionen und Wartung zur Zustandsermittlung, – Status der Betriebsmittel, – Projektierung und Bau von Infrastrukturanlagen, – Erbringung von Grundleistungen (z. B. Dokumentation, Stellungnahmen usw.), – Strategieanwendung bei Netztätigkeiten. Der Vorteil dieser klaren Unterteilung besteht darin, dass die unterschiedlichen Aufgaben- und vor allem Verantwortungsbereiche sowie die Entscheidungsbefugnisse klar voneinander getrennt werden und eindeutig definierte Schnittstellen bestehen [5]. Abb. 4.1 zeigt vereinfacht und übergeordnet die Zusammenhänge zwischen den am Prozess beteiligten Gruppen.

Asset Owner: Definition von Zielen

Asset Manager: Transformation der Ziele

Festlegung der Aufträge Aufgabenrealisierung

Abb. 4.1   Aufgabenaufteilung im Asset Management Prozess [4]

Service Provider: Umsetzung der Ziele

348

4  Einbindung in die Unternehmensorganisation

Ausgehend von diesen grundsätzlich verschiedenen Funktionen lässt sich ein, jeder Unternehmensorganisation zugrunde liegendes, Rollenmodell definieren. Darauf aufbauend können verschiedene Organisationsformen und Bearbeitungstiefen von Versorgungsunternehmen definiert werden, auf die in den weiteren Abschnitten eingegangen wird.

4.2 Das Rollenmodell im Management von Infrastrukturen Mit der beschriebenen Aufgabenteilung (Abschn. 1.6 und 4.1) als Grundverständnis lassen sich je nach Bearbeitungstiefe innerhalb eines Unternehmens verschiedene Möglichkeiten für die Organisationsstruktur des Unternehmens darstellen [1, 2, 5]. Unabhängig von den im nachfolgenden Abschnitt beschriebenen Möglichkeiten der Unternehmensorganisation gibt es innerhalb des Rollenmodells definierte Spielregeln und „ungeschriebene“ Zielsetzungen, die der Natur der Rollen entsprechen. Die Zielsetzung eines Unternehmens speziell im Infrastruktursektor ist die Erhaltung einer stabilen Geschäftsgrundlage, d. h., eines betriebssicheren Infrastruktursystems, eines gesetzes- sowie normenkonformen Betriebs und letztendlich der Erzielung eines Gewinns, der den üblichen Anforderungen des Kapitalmarktes mindestens adäquaten ist. Die Rolle des Asset Owners hat somit als erste Zielsetzung die Refinanzierung des Assets selbst und eine entsprechende Kapitalrendite. Dieses Ziel ist in erster Linie durch die Preispolitik und damit durch die Einnahmenseite zu steuern, wird aber in der Regel durch Entgeltgenehmigungen von Behörden oder Regulierungsstellen begrenzt. Als weitere Ergebnisgestaltungsmöglichkeit bieten sich dann noch Effizienzsteigerungen bzw. Kostensenkungen an, die aber eine fundierte Basis brauchen, da ansonsten das zweite Ziel der stabilen Geschäftsgrundlage gefährdet ist. Die Rolle des Serviceproviders zielt in erster Linie auf Beschäftigung seines Personals und, sofern unternehmensextern angesiedelt, ebenfalls auf Erreichung eines angemessenen bis maximalen Gewinns aus seiner Tätigkeit. Der Serviceprovider hat ebenfalls Optimierungspotenzial, indem er einerseits sein Betriebsrisiko mindert und das Infrastruktursystem aus betrieblicher Sicht möglichst „bequem“ ausbaut, was in der Regel großzügige Redundanzen an Betriebsmitteln, Steuerungsmöglichkeiten und Ersatzteilen bedeutet. Zudem wird er nach Möglichkeit immer die neueste errichtungsfreundlichste und wartungsärmste Technologie einsetzen, um seine Leistungen zu reduzieren und ggf. seinen Gewinn zu maximieren. Zwischen diesen beiden Rollen ist der Anlagenmanager aufgefordert, die wirtschaftlichsten Konzepte zu identifizieren und vorzugeben, sowie einheitliche und über die Lebensdauer der Assets betrachtete stabile und betriebsfähige Standards zu definieren. Damit besetzt der Anlagenmanager von der Sache her eine eher unbequeme Rolle, da er sich argumentativ sowohl mit dem Asset Owner als auch mit dem Serviceprovider auseinandersetzen muss, um deren widerstreitende Zielsetzungen in seinen Konzepten zu neutralisieren. Um sich im technischen Umfeld argumentativ durchsetzen zu können,

4.2  Das Rollenmodell im Management von Infrastrukturen

349

müssen seine Konzepte und Strategien nachvollziehbar, technisch fundiert und ergebnisorientiert sein. Seine Position kann er dabei aber dennoch nur dann halten, wenn er entsprechende Kompetenzen und Steuerungsmöglichkeiten besitzt. Gegenüber dem Serviceprovider muss der Asset Manager die Richtlinienkompetenz haben und in der Lage sein, diese auch fachlich wahrzunehmen. Ebenfalls muss er klare Beauftragungsstrukturen und Kompetenzen bei Projekten und Instandhaltungsstrategien haben, inklusive der hierfür notwendigen Budgetverantwortung, d. h., er muss Herr über das vom Asset Owner bereitgestellte Geld sein. In dieser Funktion kann es durchaus sein, dass Wünsche und Anregungen des Serviceproviders nicht umgesetzt werden, da der Anlagenmanager weder die technische Notwendigkeit noch die finanzielle Wirtschaftlichkeit darstellen kann und die mit einer Nichtumsetzung verbundenen Risiken oder Erschwernisse dennoch mit der Gesamtstrategie konsistent sind. Dies zu beurteilen kann nur auf der Basis von eigenem Expertenwissen, jedoch auf einer hohen eher strategischen Bearbeitungsebene und durch die Nutzung von Daten, Kennzahlen und zeitlicher Erfahrung im zu beurteilenden Segment beruhen. Bei den Entscheidungsprozessen in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen des technischen Anlagenmanagements handelt es sich also im Wesentlichen um Risikomanagement, bei dem abgewogen wird, welcher finanzielle Aufwand mit welcher Risikominderung einhergeht. Die Zielsetzung ist erreicht, wenn mit minimalem Geldmitteleinsatz der vom Asset Owner grundsätzlich akzeptierte Risikolevel an allen Stellen des Systems eingehalten wird. Gegenüber dem Asset Owner hat der Anlagenmanager eben diese Position der minimal notwendigen Kosten (OPEX und CAPEX) im richtigen Verhältnis zu vertreten, da er an dieser Schnittstelle mit den Gewinnmaximierungsforderungen des Asset Owners konfrontiert wird. Die Aufgabe besteht also darin, ein hohes Maß an Transparenz über die Auswirkungen von Maßnahmen bzw. globalen finanziellen Vorgaben des Asset Owners zu schaffen, um wiederum im Sinne von Risikomanagement die langfristigen Konsequenzen bewusst zu machen. Die Letztentscheidung liegt beim Asset Owner, er muss also durch den Anlagenmanager in die Lage versetzt werden, seine Strategien und Ziele auf der Kenntnis der daraus folgenden Entwicklung, wie zum Beispiel mittelfristiger Substanzverlust, hohe zukünftige Störungskosten, Minderung der Versorgungsqualität usw., zu treffen. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, setzt der Anlagenmanager wiederum auf Daten und Kennzahlen, die er mittels spezieller Softwaresysteme (siehe Kap.  5) zu Risikomanagement, Zukunftssimulation und Priorisierung der Maßnahmen verwendet. Damit liefert er auf der Basis anerkannter Verfahren, nachvollziehbare und reproduzierbare Ergebnisse bezüglich der Wirkung seiner Maßnahmen. Sollte im Extremfall, z. B. aufgrund der engen finanziellen Vorgaben des Asset Owners, sicherheitsrelevante Maßnahmen nicht mehr umgesetzt werden, wird der Anlagenmanager die Verantwortung nicht mehr übernehmen können. In Abb. 4.2 sind das Rollenmodell und die Position des Anlagenmanagers ersichtlich. Aus diesem Rollenmodell heraus entstehen auch Überlegungen, welche Aufgaben eines Unternehmens hierbei bezüglich eigener Bearbeitung zu den Schwerpunkten zählen

350

4  Einbindung in die Unternehmensorganisation

Verant wortung Rendite Substanz Qualität

Risikomanagement Optimierung Priorisierung

Asset Owner A

Asset Owner B

Asset Owner X

Letzt entscheider

Strategie Beauftragung

Technisches Anlagenmanagement

Dienstleistungsvereinbarung

Auslastung Redundanz Aktualität

Service Provider 1

Service Provider 3

Service Provider n

Ausführung Kosten

Service Provider 2

Abb. 4.2   Rollenmodell und Zusammenspiel von Asset Owner, Asset Manager und Service Provider

und welche Aktivitäten u. U. nach außen verlagert und zu günstigeren Konditionen (gegenüber internen Kosten) an einen Wettbewerbsmarkt vergeben werden können, sodass hiermit die Unternehmensstruktur beeinflusst werden kann. Die Konsequenzen einer derartigen Betrachtung führen zu insgesamt vier verschiedenen möglichen Modellen, die sich hinsichtlich der Bearbeitungstiefe unterscheiden. Bei dieser Betrachtungsweise wird die Rolle des Service Providers als der Bereich, dessen Tätigkeit am ehesten an den Markt vergeben werden, nochmals geteilt. Einerseits in den klassisch ausführenden Bereich (reine Monteurs- und Bautätigkeit) und andererseits in einen sogenannten Netzmanager, der eine höhere Stufe in der Betriebsführungserfahrung und bei der Betreiberverantwortung einnimmt. Bei den vier Modellen handelt es sich um: • • • •

Service-Provider Modell (Abschn. 4.3.2) Network-Manager Modell (Abschn. 4.3.3) Asset-Manager Modell (Abschn. 4.3.4) Asset-Owner Modell (Abschn. 4.3.5)

Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, bei gleicher Systemzuverlässigkeit, die Infrastrukturkosten zu reduzieren, nämlich:

4.2  Das Rollenmodell im Management von Infrastrukturen

351

• Unter Beibehaltung bestehender Strukturen und Arbeitsprozesse die Aufwendungen für Investitionen und Instandhaltung so zu optimieren, dass die Mittel die höchste Effektivität bei der Zuverlässigkeitserhaltung entfalten oder • Teilaufgaben von Dritten einzukaufen, die diese Leistungen als Folge anderer Kostenstrukturen, Unternehmensorganisationen oder eines Skaleneffektes preiswerter erbringen können. In dieser Betrachtung liegt auf jeden Fall die Schlussfolgerung nahe, verschiedene Tätigkeiten nicht mehr als Kernfunktionen im eigenen Unternehmen zu definieren und durchzuführen, sondern von Dritten auf dem freien Markt einzukaufen. Dieses bedeutet, dass verschiedene Funktionen unter Berücksichtigung von Auswahl- und Kontrollpflichten eines Auftraggebers an Unterlieferanten weiterbeauftragt werden. Im Resultat soll dieses zu einer Reduktion der Kosten führen, wobei jedoch eventuell mit einer Erhöhung der Risiken zu rechnen ist. Für eine Vergabeentscheidung muss dabei mindestens ein Gleichgewicht zwischen einem möglichen Risiko, welches durch das Verlagern von Tätigkeitsfeldern nach außen („Outsourcen“), entstehen kann, und der Vereinfachung der internen Prozesse und damit einer Reduktion der Kosten herzustellen sein. In dieser Betrachtung ist auch zu berücksichtigen, dass der Auswahl- und Vergabeprozess, das Controlling der Aufgaben und die Qualitätsüberwachung mit Kosten verbunden sind, die der reinen Kostenreduktion entgegenstehen und in der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einzurechnen sind. Ein weiterer Aspekt ist die Situation des Infrastrukturunternehmens im regulatorischen Umfeld. Handelt es sich bei dem Infrastruktursystem um einen regulierten Monopolbereich, wie die Strom- und Gasnetze, so sind die Dienstleistungskosten einer Fremdvergabe hinsichtlich Anerkennung durch die regulatorische Entgeltprüfung zu betrachten. Hier zeigt sich oftmals, dass Fremdkosten stark als Kürzungspositionen bei den Netzentgeltgenehmigungen seitens der Regulierung verwendet werden, was einen möglichen wirtschaftlichen Vorteil nachhaltig unmöglich macht. Die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Evaluierung, welche Leistungen an Dritte übergeben werden können, ist in Abschn. 4.3 dargestellt. Umfragen unter Versorgungsunternehmen haben ergeben, dass hinsichtlich der Vergabe von Leistungen nach Außen die folgenden Gründe maßgebend waren, Reihenfolge entsprechend der Wichtigkeit [2]: • • • • • • • •

Erzielen eines Kostenvorteils, Konzentration auf die Schwerpunkte eines Unternehmens („core business“), Erreichung von Wettbewerbsvorteilen, Einsatz von Know-how, welches im Augenblick innerhalb des Unternehmens nicht zur Verfügung steht, Verbesserung der Servicequalität, Steigerung des Umsatzes, Erfüllen von sich ändernden Anforderungen, Steigerung „Shareholder Value“,

352

4  Einbindung in die Unternehmensorganisation

• Steigerung der Leistung, • Erzielen von interner Flexibilität aufgrund der geänderten Aufgaben. Die unterschiedliche Aufgabentiefe in Abhängigkeit der verschiedenen Modelle lässt sich einfach aus Abb. 4.3 ableiten, ausgehend vom Modell des Service Providers bis zum Asset Owner verringert sich jeweils diese Aufgabentiefe. Nach [3] können den verschiedenen Arbeitsbereichen I bis IV nach Abb. 4.3 die folgenden Aufgaben zugeordnet werden:

Know-how Tiefe

• Bereich I: Servicetätigkeiten; Instandhaltung, die kein umfangreiches Spezialistenwissen oder Betriebserfahrung erfordern und einfach zu reproduzierende Kompetenz darstellt (z. B. Rasenmähen in einer Anlage, Anstreichen von Freileitungsmasten, Ablesen von Zählern usw.); • Bereich II: Operative Abwicklung des Netzbetriebs und von Projekten; erfordert Betriebserfahrung und das Wissen um die Zusammenhänge der Tätigkeiten innerhalb eines Infrastrukturunternehmens, beinhaltet betriebliche Spezialkompetenzen mit entsprechender Ausbildungsdauer; • Bereich III: Ableitung und Umsetzung der Instandhaltungsstrategie und Instandhaltungsplanung; Beauftragung von Grundleistungen, Projektmanagement, Bereitstellung der Ressourcen, Standardisierung (Benchmarks, Prozesse, Technik); Infrastrukturentwicklung und Netzplanung; betriebswirtschaftliche Organisation von

Bereich I Bereich II Bereich III Bereich IV Service Provider

Network Manager

Asset Manager

Asset Owner

Abb. 4.3   Know-how Tiefe in Abhängigkeit des Geschäftsmodells

Modell

4.3 Unternehmensorganisation

353

Budgets, Variantenbetrachtungen mit Wirtschaftlichkeitsberechnungen, usw. Hohes Maß an Spezialistenkompetenz zur Beurteilung von Leistungen aus Sicht des Auftraggebers und zur permanenten Verbesserung der Strategien und Bedingungen innerhalb des Systems; • Bereich IV: Vertragsmanagement; Festlegung der langfristigen Entwicklung; Kontrolle, Betrachtung von Auswirkungen von Regulierungsmodellen, Refinanzierung durch Netznutzungsentgelte, Betrachtung der Gesamtwirtschaftlichkeit des Infrastrukturgeschäfts. Eine wesentliche Aufgabe ist die Messung der erbrachten Serviceleistung (“Performance”), um die Qualität der Dienstleistungen unter Berücksichtigung einer definierten Zuverlässigkeit zu sichern, unabhängig davon, ob sie an Dritte ausgelagert wird oder nicht. Hierbei ist es notwendig, relevante Kennziffern zu definieren und in einer Vereinbarung festzulegen („Service Level Agreement“ SLA), wie dieses in Tab. 3.21, Abschn. 3.3.3 dargestellt ist. Grundsätzlich kann es auch die Philosophie eines Unternehmens sein, sämtliche wesentliche Tätigkeiten selbst auszuführen, da nur hierdurch eine hohe Qualität auf allen Ebenen gewährleistet ist. In diesen Fällen wird das Service-Provider Modell bzw. das Network-Manager Modell verfolgt.

4.3 Unternehmensorganisation Als Folge der unterschiedlichen Funktionen innerhalb eines Versorgungsunternehmens, lässt sich auch eine Unternehmensorganisation ableiten und zwar in Abhängigkeit der bereits im Unternehmen vorhandenen Bearbeitungstiefe, Mitarbeiterkompetenz und -kapazität. Der Fokus bei der Unternehmensorganisation ist dabei stark auf Verantwortlichkeiten im Infrastrukturbetrieb ausgerichtet. Jede Organisationsform muss eindeutige Schnittstellen zwischen internen Prozessen und internen wie externen Leistungserbringern beinhalten, um einen rechtsicheren Betrieb des Infrastruktursystems von Inspektion der Anlagen bis z. B. Arbeitssicherheit oder Umweltschutz zu gewährleisten. Dies beinhaltet eine umfangreiche und detaillierte Dokumentation von Organigrammen, von Vorgehensweisen mittels Prozessbeschreibungen, Arbeitsanweisungen, Dienstleistungsverträgen, Service Level Agreements usw. Dabei ist es für ein Unternehmen hilfreich und empfehlenswert, sich diese Organisation mit externer Beratungskapazität zertifizieren zu lassen, um eine unabhängige Bestätigung für die zielführende und normkonforme Organisation zu erhalten bzw. Hinweise für die Verbesserung und die kontinuierliche Entwicklung in die Unternehmensorganisation einspeisen zu können. Hier gibt es verschiedene Zertifizierungsmöglichkeiten, wie z. B. die speziell für Infrastrukturunternehmen von den entsprechenden Verbänden (DVGW, VDE, FNN) entwickelte sogenannte TSM-Zertifizierung, die das technische Sicherheitsmanagement (TSM) überprüft, die Zertifizierung der integrierten Umweltmanagementorganisation

354

4  Einbindung in die Unternehmensorganisation

nach DIN 14001 oder aber die weitverbreitete Qualitätsmanagementzertifizierung nach DIN/ISO 9001. Viele weitere Teilprüfungsverfahren von Arbeits- bis IT-Sicherheit sind möglich und je nach Unternehmensausprägung sinnvoll durchzuführen. Die Darstellung dieser, teilweise formalen Bestätigung der Unternehmensorganisation, soll hier jedoch nicht Gegenstand der Beschreibung sein, da sie grundsätzlich für jede untersuchte Ausprägung der Aufteilung von interner und externer Aufgabenteilung, in gleicher Weise erforderlich ist.

4.3.1 Entscheidungskriterien Im Folgenden wird dargestellt, welche Leistungen an Dritte ausgelagert werden können. Hierbei ist es notwendig eine Effektivitäts-/Risiko-Analyse durchzuführen, indem die verschiedenen Tätigkeiten bzw. Leistungen eines Unternehmens unterschiedlichen Klassen zugeordnet werden können [2]. Diese sind: • Unverwechselbare Kompetenz (1): Bei einem Asset Manager gehört hierzu das Entwickeln und Beauftragen von Strategien oder die Entwicklung und Inkraftsetzung von Standards, während bei einem Netz-Manager in diesem Zusammenhang, z. B. die Kenntnis der Netzzusammenhänge für die Instandhaltung der hier enthaltenen Betriebsmittel, zählt. • Entscheidende Kompetenz (2): Diese Kompetenz ist wesentlich für die Organisation des Betriebes, hierzu gehört beispielhaft die Fähigkeit, den Betrieb nach einer Störung wiederaufzunehmen, betriebliche Schalthandlungen und sicherheitsrelevante Tätigkeiten durchzuführen, aber auch die Sicherstellung von Maßnahmen durch Budgetzuordnung und Materialbereitstellung. • Überschüssige Kompetenz (3): Zusätzlich ist es möglich, eigene Leistungen auf dem freien Markt anzubieten, um zu einer besseren Auslastung der Ressourcen zu kommen. Als Beispiel könnte hier die Vermietung von Geräten dienen, die sonst teilweise nicht in Anspruch genommen werden oder aber nicht benötigtes Expertenwissen, welches in Zusammenhang mit der normalen Tätigkeit beim Personal vorhanden ist und als Dienstleistung vermarktet wird, sodass ein zusätzlicher Außenumsatz erwirkt wird. • Bewahrende Kompetenz (4): In diesem Fall ist diese Kompetenz vergleichbar mit (2), jedoch zusätzlich mit Aktivitäten verbunden, die mit einem hohen Risiko verknüpft sind, wenn deren Durchführung nicht gewährleistet ist. Als Beispiel kann das Verständnis für den Netzschutz in einem elektrischen Versorgungsunternehmen angesehen werden. • Störende Kompetenz (5): Hierbei handelt es sich um eine Kompetenz, die im Prinzip die Organisationsressourcen belastet, ohne dass sie für die Kerntätigkeit wesentlich sind oder zum Unternehmenserfolg beitragen. Diese trifft in der Regel für einfache Umsetzungstätigkeit zu, wie beispielhaft für das Anstreichen von Freileitungsmasten.

4.3 Unternehmensorganisation

355

Für eine Beurteilung, welche der oben genannten Kompetenzen ausgelagert werden können, ist die Zuordnung in einem Diagramm nach Abb. 4.4 sinnvoll. Hierbei ist zwischen der Effektivität der Kompetenz im eigenen Unternehmen einerseits und dem mit der Kompetenz verbundenen Risiko zu unterscheiden, sodass eine Aussage möglich ist, welche Aktivitäten sinnvoll ausgelagert werden können. Ausgehend von den verschiedenen Quadranten A bis D kann eine Zuordnung definiert werden, hierbei wird unter Effektivität der Erfolg der Leistung durch die Kompetenz verstanden, die für das eigene Unternehmen erreicht wird: • A: Da die Effektivität sehr hoch ist, sollte diese Aktivität innerhalb des Unternehmens bleiben, dieses setzt voraus, dass diese Effektivität auch in der Zukunft bewahrt werden kann. Das Risiko sollte in diesem Fall kontrolliert werden. • B: In diesem Fall ist sowohl die Effektivität als auch das Risiko gering, sodass es sich hierbei um Tätigkeiten handelt, die nach außen verlagert werden sollten. • C: Hierbei wird vorausgesetzt, dass die Effektivität hoch ist und das Risiko gering. Bei diesen Voraussetzungen ist eine Verlagerung dann sinnvoll, wenn die Effektivität durch einen Dritten noch verbessert werden kann. • D: Unter diesen Randbedingungen gibt es für den Asset Manager die Aufgabe, die Effektivität wesentlich zu steigern oder das Risiko deutlich zu vermindern. Eine Verlagerung nach außen ist vor allem dann angezeigt, wenn das Risiko vermindert wird und die Effektivität der Leistungserbringung durch andere Unternehmen höher ist. Neben der Beurteilung des betrieblichen Risikos und der Qualität bzw. der Effektivität der Leistungen sind zusätzlich auch die Kosten zu bewerten, sodass es in Abhängigkeit

hoch

D Risiko

störende Kompetenz

bewahrende Kompetenz

entscheidende Kompetenz

B

A unverwechselbare Kompetenz

C überschüssige Kompetenz

gering gering

Effektivität

Abb. 4.4   Effektivität – Risiko Modell zur Bewertung von Leistungen [2]

hoch

356

4  Einbindung in die Unternehmensorganisation

der Beurteilung zu einer Entscheidungsfindung kommen kann, welche Aktivitäten verlagert werden können. Im Einzelfall ist zu beachten, dass unter Umständen Serviceverträge mit außenstehenden Unternehmen über einen längeren Zeitbereich laufen sollten, wodurch eine besondere Sorgfalt bei der Auswahl gewährleistet werden muss. Auf der Basis dieses Effektivitäts-Risiko-Modells ist in einer Organisation eine Aufstellung und Zuordnung aller relevanten Prozesse und Tätigkeiten zu erarbeiten und innerhalb des Modells zu positionieren. Je nach gewähltem Unternehmensmodell führt dies innerhalb des Diagramms zu unterschiedlichen Positionen. So würde die Durchführung einer Wartung, z. B. im Service-Provider Modell, zur entscheidenden Kompetenz und damit eher im Sektor A angesiedelt werden, beim Asset-Owner Modell hingegen wäre eine Einstufung in störende Kompetenz wahrscheinlich und damit eine Zuordnung in Sektor B. Durch diese Entscheidungssystematik entsteht auch eine Reihenfolge der notwendigen Schritte in der Unternehmensorganisation: • • • •

Auswahl des anzustrebenden Modells, Auflistung der für das Infrastruktursystem erforderlichen Tätigkeiten und Prozesse, Bewerten und Positionieren der Tätigkeiten in der Effektivitäts-Risiko-Matrix, Entscheidung zur Eigen- bzw. Fremdleistung je Position.

Als Grundlage für den ersten Schritt ist eine Entscheidung über die Länge der internen Wertschöpfungskette erforderlich. Hier gibt es viele Randparameter, von der Betrachtung von Synergien mit weiteren Unternehmensteilen bis zur Unternehmensphilosophien, die zu beachten sind. Auch ist die jeweilige Marksituation im Dienstleistungsmarkt von Bedeutung. Gibt es hier begrenzende Bedingungen, z. B. einen starken Fachkräftemangel oder eine Marktbereinigung durch die Bildung eines Oligopols, hat auch dieses einen starken Einfluss auf die anstehende Entscheidung. Dies bedeutet auch, dass eine einmal getroffene Entscheidung je nach Marktentwicklung in einzelnen Bereichen geändert werden muss, wenn die Leistungserbringung nicht mehr garantiert werden kann oder die externen Kosten zu stark steigen. Unter anderem auch deshalb gibt es keine allgemeingültige Empfehlung oder einen Leitfaden für die Auswahl eines der vier nachfolgend beschriebenen Modelle. Diese Entscheidung muss anhand der bestehenden Randparameter und unternehmensindividuell getroffen werden.

4.3.2 Service-Provider Modell Bei diesem Modell werden alle Aktivitäten vom Unternehmen selbst durchgeführt, sofern die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stehen. Nur Aktivitäten, die auch bei größtmöglicher Definition der Wertschöpfungskette nicht zu den Kernarbeitsgebieten zählen, werden nach außen verlagert. Dies wird auch nur dann geschehen, wenn das Verhältnis zwischen dem Nutzen und den finanziellen Aufwendungen zugunsten einer Fremdvergabe ausfällt. Andernfalls werden auch hier eher Ressourcen aufgebaut und die

4.3 Unternehmensorganisation

357

Tätigkeiten intern umgesetzt. Dieses Modell führt zu einem großen Ressourcenbestand und damit viel Know-how innerhalb des Unternehmens, jedoch mit hoher Inflexibilität der Personalsteuerung und Auslastung und damit entsprechend hohen Kosten, insbesondere dann, wenn der Tätigkeitsumfang perspektivisch zurückgeht. Das Risiko hingegen, eine Tätigkeit aufgrund Kompetenz- oder Kapazitätsmangel nicht ausführen zu können, wird minimiert, eine Abhängigkeit von Dritten oder vom Dienstleistungsmarkt existiert nicht. Eine derartige Organisation bietet speziell dann Vorteile, wenn die Dienstleistungskapazitäten am Markt sehr beschränkt sind (Verkäufermarkt → hohe Kosten) und z. B. aufgrund von Vollbeschäftigung ein Kapazitätsaufbau nicht möglich ist. Die Arbeitstiefe dieses Modells entspricht in etwa der Bearbeitung in einem „traditionellen“ Energieversorgungsunternehmen (Bereich I bis IV nach Abb. 4.3) mit Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette eines Infrastrukturunternehmens.

4.3.3 Network-Manager Modell Bei diesem Modell bleiben die kritischen Arbeitsprozesse innerhalb des Hauses und das Unternehmen ist sowohl für die Umsetzung von Investitionsprojekten als auch für den operativen Betrieb mit den zugehörigen Verantwortlichkeiten (Anlagenverantwortung, Bereitschaftsdienste, Netzführung usw.) zuständig. Serviceaktivitäten werden nur aus zwei Gründen nach außen verlagert. Entweder, wenn die Leistungen aufgrund von externem außerordentlichen Spezialistenwissen zu einem besseren Ergebnis führen und die interne Entwicklung dieses Wissens nicht sinnvoll umsetzbar ist. Oder, wenn betrieblich-operative Leistungen kein internes Know-how oder tiefere Kenntnisse des Infrastruktursystems erfordern, und somit von vielen freien Dienstleistern erbracht werden können. Die Konzentration der internen Leistungserbringung liegt dabei auf den Managementfähigkeiten der Vorgänge in Planung und Betrieb. Bei diesem Modell ist damit sichergestellt, dass Planungs-, Projektierungs- und Betriebs-Know-how innerhalb des Unternehmens bleibt und dennoch die Kostenvorteile eines Dienstleistungsmarktes bei einfachen und austauschbaren Tätigkeiten genutzt werden. Das Network-Manager Modell ist eine erste Optimierungsstufe bezüglich Arbeitsaufkommen und Personalausstattung unter Minimierung eventueller Risiken in Bau und Betrieb. Dabei werden insbesondere auch Supportaufgaben wie Innendienste und nicht technische Aktivitäten nach außen vergeben (Bereich II bis IV nach Abb. 4.3).

4.3.4 Asset-Manager Modell Alle Aktivitäten hinsichtlich der technischen Asset Management-Aufgaben, wie z. B. Entwicklung von Strategien, Projektplanung, Identifikation von Projekten und Maßnahmen,

358

4  Einbindung in die Unternehmensorganisation

Vorgabe von technischen Standards usw., bleiben innerhalb des Unternehmens. Dagegen werden schon die operativen Betriebs- und Instandhaltungsmaßnahmen nach außen vergeben. Die Information über Vorgänge im System sowie die Rückkopplung bezüglich des Zustandes der Betriebsmittel hängt im Einzelnen von der Vertragsgestaltung über sogenannte „Service Level Agreements“ und die dort beschriebenen Berichtsumfänge ab. Gegenüber dem Network-Manager Modell ist diese Ausprägung stringenter bezüglich der Ausgestaltung der Beauftragungsschnittstelle zwischen Anlagenmanager und Service Provider zu handhaben, da es sich dabei um eine Unternehmensgrenzen überschreitende Beziehung handelt. Damit ist zwar einerseits der Durchgriff auf den Dienstleister innerhalb des Unternehmens nicht mehr gegeben und dadurch bedingt ein Anstieg der Umsetzungsrisiken von Projekten und Tätigkeiten zu erwarten. Andererseits besteht die Möglichkeit, für bezüglich der Kapazität kritische Arbeitsumfänge mehrere Lieferanten einzusetzen, um somit das Risiko einer Projekthäufung mit nicht ausreichenden Kapazitäten besser steuern zu können. Die Verantwortlichkeit ist durch die klare vertragliche externe Beauftragung über die Gewährleistung hinaus eindeutig definiert. Der Asset Manager trägt sämtliche Risiken des Betriebsausfalls, der Investitionen und der finanziellen Ausgaben (Bereich III bis IV nach Abb. 4.3). Er ist darüber hinaus auch für die ausreichende Akquisition von Personalressourcen am Markt zuständig, um den sicheren Betrieb zu gewährleisten. Dies ist nur in einem entsprechend entwickelten Dienstleistungsmarkt möglich und wirtschaftlich umsetzbar. Damit bietet sich die Wahl einer derartigen Organisation in einem ausgeprägten Käufermarkt an.

4.3.5 Asset-Owner Modell Bei diesem Modell werden die meisten Aufgaben nach außen verlagert, rein die beschriebenen Asset Owner Funktionen verbleiben innerhalb des Unternehmens. Dem Unternehmen gehören die Betriebsmittel (wirtschaftliches Eigentum), es kontrolliert das System anhand von übergeordneten Qualitäts- und Finanzkennzahlen und ist entsprechend für die Finanzierung zuständig. Der Asset Owner ist somit Auftraggeber für externe Dienstleister, wobei an erster Stelle die Beauftragung der Tätigkeiten des technischen Anlagenmanagements steht. In dieser Rolle verbleibt, wie bei anderen Modellen, die Letztentscheidungsverantwortung beim Asset Owner. Durch die externe Vergabe hat er aber auch die Auswahlpflicht und damit die Verantwortung für die nachvollziehbare Qualifikation des beauftragten Anlagenmanagers. Nachfolgender Einsatz von Service Providern erfolgt nicht mehr vom Asset Owner, sondern in der Kette durch den beauftragten Anlagenmanager. Diese Variante bietet sich insbesondere bei geografisch weit verteilten Assets bzw. mehreren nicht zusammenhängenden Sparten an, sodass auch eine Auswahl verschiedener Anlagenmanager zur Beauftragung infrage kommt. Auch ein neu gegründetes Infrastrukturunternehmen kann diese Variante sinnvoll wählen, da hierdurch der Aufbau eines qualifizierten und für die weiteren Schritte ver-

4.4  Einfluss der Infrastruktursysteme auf die Organisation

359

antwortlichen Anlagenmanagers entfällt und auf die Erfahrung im Dienstleistungsmarkt zurückgegriffen werden kann. Die Konsequenz dieses Modells ist, dass das betriebliche Risiko des Unternehmens durch vertragliche Vereinbarungen organisiert und die haftungsrechtliche Verantwortung bei der Auswahl des Dienstleisters bereits mit der Beauftragung des Anlagenmanagers gewährleistet sein muss, was eine hohe Sorgfalt bei Auswahl und Beauftragung erforderlich macht (Bereich IV nach Abb. 4.2).

4.4 Einfluss der Infrastruktursysteme auf die Organisation Die Organisation von Anlagenmanagement und die Ausprägung des beschriebenen Rollenmodells erfordern einen nicht vernachlässigbaren Aufwand an hochqualifiziertem Personal und Systemen. Das zu managende Infrastruktursystem hat dabei einen entsprechenden Einfluss auf Ausprägung und Umfang der Organisation. Diese Betrachtung reicht von sehr kleinen Systemen, bei denen die Einrichtung einer ausgeprägten Organisation nicht wirtschaftlich, und damit nicht sinnvoll ist, bis zu einem System mit geografisch weitverteilten nicht zusammenhängenden Betriebsmitteln, welche eine aufwendigere Form der Strategieentwicklung und Umsetzung erfordern. Dabei sind auch die Besitzverhältnisse und die Einflüsse von externen „Stakeholdern“ auf das Infrastruktursystem eine nicht zu vernachlässigende Größe.

4.4.1 Größendegression von Systemen Einer der Hauptfaktoren für die Einrichtung einer Asset-Management Organisation ist die gesamte Größe des Systems selbst. Darunter sind die geografische Ausprägung und die Mengengerüste der im System enthaltenen Betriebsmittel zu verstehen. In diesem Zusammenhang ist hierunter auch die Zusammenführung mehrerer gleichartiger Infrastruktursysteme, z. B. mit unterschiedlichen Asset Ownern zu verstehen, die die Managementaufgabe an die gleiche Asset Management Organisation vergeben haben (siehe auch Abb. 4.2). Es sind also drei wesentliche Fälle zu unterscheiden: • Sehr kleines einzelnes System (Fall 1), • Mittleres bis großes zusammenhängendes System (Fall 2) • Großes, aber verteiltes System mit mehreren Asset Ownern (Fall 3). In dieser Betrachtung gibt es dabei vier zu diskutierende Faktoren: • Existenz und Vorhaltung von Expertenwissen, • Entwicklung und Aufbau von Unterstützungssystemen, • die Entwicklung von Strategien inklusive der Abstimmung mit dem Asset Owner und

360

4  Einbindung in die Unternehmensorganisation

• Sicherstellung der operativen Betriebsführung mit einem oder mehreren Serviceprovidern. Unter der Würdigung, dass eine Wirtschaftlichkeit von Ressourcen mit hohen Grundkosten und geringen skalierbaren Zuwachskosten nur dann gegeben ist, wenn ein bestimmter Umfang des Objektes oder ein entsprechendes Mengengerüst für diese Ressourcen existiert, können die drei oben definierten Fälle bezüglich der vier Faktoren charakterisiert werden. Expertenwissen Da in einem Infrastruktursystem unterschiedliche Systeme und Verfahren vorkommen, die gegenüber Lieferantenseite als auch im Hinblick auf gesetzliche und normative Konformität betrachtet werden müssen, ist für das Anlagenmanagement ein Expertenwissen in allen relevanten Bereichen erforderlich. In Fall 1 ist eine Wirtschaftlichkeit von eigenen Experten nicht erreichbar, Fall 2 wird ab einer bestimmten Größe eigene Ressourcen entwickeln und Fall 3 ist prädestiniert für die Darstellung von zentralem eigenem Expertenwissen. Jeder Systemzuwachs ab einer gewissen Schwelle wird die Wirtschaftlichkeit bei den Fällen 2 und 3 erhöhen, da vorhandenes Expertenwissen im Prinzip für beliebige Mengengerüste gilt und unabhängig von der Struktur und der Verbindungen eines Infrastruktursystems ist. Unterstützungssysteme Systeme für Steuerung, Dokumentation, Strategien sind in der Regel mit hohen Entwicklungs- und Betriebskosten verbunden und benötigen eine kritische Größe. Der Zuwachs von Betriebsmitteln führt dabei zu teilweise sprunghaften Erweiterungskosten (Speicherplatz, Performance, usw.), die aber gegenüber einer Neuimplementierung nicht ins Gewicht fallen. Auch für den ersten Fall sind derartige Unterstützungssysteme denkbar, es handelt sich aber dann in der Regel um sehr einfache ggf. eigenprogrammierte Lösungen auf Standardsoftwarebasis. Diese Lösungen sind oftmals personenbezogen und von Anpassungsbedarf bei Release-Wechseln der Standardsoftware betroffen, sodass einerseits spezifisch hohe Kosten und geringe Kontinuität das Ergebnis sind. Fall 2 ist für die Entwicklung einer derartigen Systemlandschaft ideal, da ein zusammenhängendes Asset mit wirtschaftlicher Größe und somit geringen spezifischen Systemkosten hier eingebracht werden kann. Fall 3 beinhaltet die Besonderheit, dass verschiedene Asset Owner Zugriff auf „ihre“ relevanten Daten dieser Systemlandschaft erhalten müssen, aber nicht für alle Daten und insbesondere nicht für Daten anderer Asset Owner berechtigt sind. Aus diesem Grund muss ein System hier immer mandantenfähig sein, um die Nutzungsansprüche verschiedener Nutzer weitgehend in Einklang zu bringen. Fall 3 beinhaltet damit die Chance einer sehr hohen Wirtschaftlichkeit, aber auch die Forderung der Vermeidung von starken individuellen Lösungsansprüchen. Ebenfalls wird ein akzeptables Verrechnungsmodell der Systemkosten auf die verschiedenen Asset Owner benötigt.

4.4  Einfluss der Infrastruktursysteme auf die Organisation

361

Strategieentwicklung Die wesentlichen Strategien im Anlagenmanagement sind einerseits bezogen auf die Asset Charakteristik (Leistungsschalter, Stahlrohre, Telekommunikationsumsetzer, usw.) aber auch abhängig vom Mengengerüst (Zielnetzplanung, unterschiedliche Technologien, statistische Kennzahlen). Hierbei muss noch unterschieden werden in eine Basisstrategie, Entwicklung und Anwendung von Regelwerken, sowie in eine Entwicklungsstrategie mit Definition von Vorgehensweisen und Prozessen für definierte Geschäftsvorfälle. Eine Entwicklungsstrategie im Fall 1 wird nicht grundlegend, sondern eher situativ und auf die speziellen Betriebsmittel des kleinen Systems abgestimmt erfolgen, die Basisstrategie wird sich auf frei zugängliche Regelwerke von z. B. Verbänden und Vereinigungen abstützen. Die Nichtrealisierung von etwaigen Einsparungen aufgrund individueller Interpretation der Regelwerke wird aus Wirtschaftlichkeitsgründen in Kauf genommen. Die Fälle 2 und 3 hingegen werden eine eigene Basisstrategie entwickeln, um diese individuellen Vorteile der Interpretation von Normen und Regelwerken in ihrer Organisation zu nutzen. Dabei ist im Fall 3 die Abstimmung mit mehreren Asset Ownern erforderlich, was im Einzelfall zu Auswirkungen beim Umfang des Regelwerkes und auch z. B. beim Technologieeinsatz führen wird. Daher ist in diesem Fall immer zu prüfen, ob der Zuwachs an Größe mit neuen Asset Ownern statt zu positiven Skaleneffekten nicht zu ineffektivem Aufblähen der Regelwerke und der Strategien führt und somit ggf. das Gesamtsystem ineffizienter macht. Beauftragung der operativen Betriebsführung Der Anlagenmanager ist auch für die Sicherstellung der Ressourcen für Bau und Betrieb des Infrastruktursystems verantwortlich. Dabei bedient er sich entweder interner oder externer Serviceprovider, die mit einheitlichen Prozessen beauftragt und gesteuert werden sollten. Fall 1 ist hier dahin gehend problematisch, da in der Regel einzelne Personen die Rolle des Serviceproviders und gleichzeitig auch die des Anlagenmanagers mit allen ihren Verantwortlichkeiten übernehmen und bei Ausfall (Krankheit, Austritt, Ruhestand) dieser Personen ein hohes Betriebsrisiko in diesen Infrastruktursystemen auftritt. In Fall 2 ist die Sicherstellung der Ressourcen einfach möglich, in der Regel wird es eine verantwortliche Serviceprovider Organisation, evtl. je Einzelsparte, geben, die die entsprechenden Kapazitäten bereitstellt und die Durchführung garantiert. Fall 3 ist aufgrund des fehlenden Zusammenhangs von Geografie und ggf. Struktur differenziert zu betrachten. Für den Bau von Assets ist dieser Faktor nicht von großer Bedeutung, Planung und Projektierung wird projektbezogen umgesetzt und folgt den Gesetzen der Skalierbarkeit, für jedes Projekt wird ein entsprechender Projektant mit Zeitaufwand benötigt. Der Betrieb dagegen ist stark von einer funktionierenden Flächenorganisation abhängig. Die Skaleneffekte sind hierbei umso größer, je besser das Verhältnis von Arbeitszeit zu Fahrzeit ist, weshalb weit voneinander entfernte Asset-Gebiete hier

362

4  Einbindung in die Unternehmensorganisation

nicht zu positiven Einflüssen führen. Auch weitere Themenstellungen, wie Bereitschaftsorganisation, gebietsübergreifende Einsatzsteuerung usw., sind in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. Fall 3 wird also eher zur Beauftragung verschiedener Serviceprovider Organisationen, auch für gleichartige Sparten, in den verschiedenen Gebieten führen. Die Optimierungsaufgabe besteht in der übergreifenden Steuerung und dem Austausch von z. B. Ersatzteilen, Notfallmaterialien usw. über Grenzen hinweg. Daher ist in diesem Fall bei jedem Systemzuwachs zu prüfen, ob hier wirklich Skaleneffekte im Betrieb gehoben werden können bzw. ob es geeignete Gebiete gibt, die durch Lückenschluss einen entsprechend hohen Effekt aufweisen. Abschließend lässt sich feststellen, dass die Systemgröße einen starken Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Anlagenmanagements von Infrastruktursystemen hat. Fall 1 ist dahin gehend prädestiniert für Kooperationen mit größeren Partnern oder aber zur Vergabe vieler Funktionen von Expertenwissen bis hin zur Strategieentwicklung an Dritte. Der Aufbau eigener Ressourcen und Systeme lässt sich wirtschaftlich nicht darstellen. Fall 2 ist in allen Faktoren der eigentliche Idealfall, da er ohne hohe Komplexität und Abstimmung leicht in allen Faktoren Skaleneffekte generieren kann und auch der Hebel von Optimierungsvorgängen entsprechend groß ist. Der dritte Fall ist ebenfalls geprägt von der Chance zur Hebung von Skaleneffekten, es muss aber hier immer der Einzelfall betrachtet werden, inwieweit diese tatsächlich vorhanden sind. Zudem besteht in diesem Fall immer das Risiko steigender Komplexität und damit der Ineffizienz.

4.4.2 Einfluss der Systemhomogenität von Infrastrukturen Die Systemhomogenität, die ansatzweise im vorherigen Abschnitt bereits unter Fall 3 (Abschn. 4.4.1) diskutiert wurde, hat über die generelle Betrachtung in vielen Einzelthemen, sowohl technisch als auch bezogen auf die Struktur der Eigentümer, eine herausragende Bedeutung. Die Abstimmung des Anlagenmanagers mit den jeweiligen Asset Ownern, bei denen bezüglich ihrer jeweiligen Anlagen und Betriebsmittel die Letztentscheidung liegt, muss auf einem definierten Niveau stattfinden. Dieses ist für die Handlungsfähigkeit des Anlagenmanagements und die Hebung von Synergien unabdingbar. Die Rollendefinition muss eindeutig festgelegt werden, da eine Zersplitterung dieses durch Verträge definierten Verhältnisses zu unüberschaubaren Verantwortungsverhältnissen führt. Hier besteht das Risiko von Entscheidungsfehlern aufgrund nicht eindeutiger Verantwortungszuordnung und dies steht einem sicheren Management aller betroffenen Infrastruktursysteme entgegen. In diesem Zusammenhang lassen sich drei Stufen einer übergeordneten Organisation definieren, die von Stufe zu Stufe eine Erhöhung von Synergie-Effekten erzeugt: Stufe 1:  Stufe 2:  Stufe 3: 

 inheitliche Strategieentwicklung für verteilte Systeme, E Zusätzlich Einsatz von einheitlichen Unterstützungssystemen, Zusammenführung (real oder virtuell) zu einem System

4.5 Zusammenfassung

363

Die Tendenz im heutigen politischen Umfeld, speziell in Deutschland, lässt diese Betrachtungen weitgehend außer Acht, bzw. nutzt sie zur Argumentation eines Wettbewerbs um Infrastruktursysteme. Dadurch, dass kleinere Systeme speziell in der Diskussion um Konzessionsverträge natürlich wachsen wollen, entsteht der Anreiz, insbesondere benachbarte Systeme zu integrieren und so lokal zu optimieren. Da dies aber in der Regel dazu führt, dass diese Gebiete aus bestehenden größeren Einheiten herausgelöst werden müssen, entsteht vielmehr das Risiko der Synergie-Vernichtung insgesamt und das Entstehen einer Unternehmenslandschaft, die teilweise durch den in Abschn. 4.4.1 diskutierten Fall 1 geprägt wird. D. h., vom Standpunkt des Anlagenmanagers entwickelt sich die Situation eher in Richtung kleinere Systeme und damit in den o. g. Stufen in der umgekehrten Reihenfolge. Die abgetrennten Systeme werden dann möglicherweise aus der Strategieanwendung und auch aus den Supportsystemen herausfallen. Dies ist sozusagen der „worst case“ für die Synergien im Anlagenmanagement. Dazu entstehen weitere Nachteile, wie neue Schnittstellen in der Struktur sowie Datenübergaben, die für die Zusammenarbeit an den Systemgrenzen weiterhin erforderlich sein werden.

4.5 Zusammenfassung Geschäftsmodell, Management sowie Bau und Betrieb eines Infrastruktursystems werden durch ein dreigeteiltes Rollenmodell mit Asset Owner, Asset Manager und Service Provider abgebildet. Diese Rollen stehen über Beauftragung mittels internen oder externen Dienstleistungsverträgen in Kontakt, die die jeweiligen Leistungen beschreiben und die Qualität der Erbringung über sogenannte Service Level Agreements (SLA) definieren. Die Verantwortungen sind gemäß der Aufgabenverteilung zugeordnet, wobei sich der Anlagenmanager in einer sogenannten „Sandwichposition“ zwischen den Renditeanforderungen des Asset Owners und den Ausstattungswünschen, z. B. bei der Betriebsmittelredundanz oder der Aktualität der Technologie des Service Providers, befindet. Dieser Rolle wird er durch die von ihm genutzten Daten und Systeme, seiner Erfahrung und mit der unabdingbaren Entscheidungsgewalt über technische sowie prozessuale Standards, Beauftragung von Projekten und Budgetplanung inkl. Steuerung gerecht. Für die Frage, inwieweit diese Rollen bei der Unternehmensorganisation intern oder extern ausgefüllt werden, gibt es keine allgemeingültige Antwort. Diese Entscheidung ist von exogenen Faktoren, wie Markvolumina, Wettbewerb, Personalverfügbarkeit usw. einerseits und endogenen Faktoren, wie Unternehmensphilosophie Grundstruktur der Anlagen und Betriebsmittel usw. abhängig und muss individuell getroffen werden. Dabei lassen sich ein definiertes Entscheidungsmuster sowie eine Analyse der zu berücksichtigenden Kompetenz für die Entscheidungsanalyse verwenden. Vier mögliche Modelle der Unternehmensorganisation mit unterschiedlicher Bearbeitungstiefe sind beschrieben und können zusätzlich als Grundlage für die Umsetzung

364

4  Einbindung in die Unternehmensorganisation

eines Asset Manager Modells für Infrastruktursysteme zugrunde gelegt werden. Randbedingungen für die Organisation sind hierbei die zu managenden Mengengerüste, die bei der Vorhaltung von Softwaresystemen und Expertenwissen ab einem bestimmten Volumen zu Skaleneffekten führen. Aber auch die Homogenität und geografische Verteilung der Systeme sowie die Struktur der Asset Owner spielen bei der Organisation und Ausgestaltung des Asset Managements eine bedeutende Rolle.

Literatur 1. Balzer G, Benz T, Schorn C, Spitzer H (2005) Asset Management in Energieversorgungsunternehmen. Energiewirtschaftl Tagesfragen 55(8):552–555 2. Cigre Broschüre 201 (2002) Maintenance outsourcing guidelines by JWG 23/39-14 3. Eyles T, Wester P, Brennan G, Wilson A (2000) Outsourcing of maintenance in view of market liberalisation, Cigre Session 2000, Paris 23/39-10 4. Slootweg H, Clemens (2007) Implementing and certifying a state of the art asset management – practical experiences. CIRED 2007, paper 0065, Wien 5. Wilson A, Doernemann K, Eugenio O-G, Lica J, Renaud P, Kinnis, I, Corbett J (2004) Outsourcing of maintenance a review of world experience, B3-106, Paris 2004

5

Systemlandschaft im Asset Management

Wesentlich für den Erfolg des Asset Management innerhalb eines Unternehmens ist die Bereitstellung der Daten und deren Pflege. In den folgenden Abschnitten werden die unterschiedlichen Softwareprogramme, die Bestandteil der IT-Landschaft eines Unternehmens sind, und deren Anwendungen besprochen.

5.1 Daten im Asset Management Wie bereits mehrfach beschrieben, sind Daten jeglicher Art die Grundlage für die Umsetzung von Asset Management Aufgaben. Dabei muss eine Vielzahl von Daten erfasst, in den unterschiedlichen Programmen und Datenbanken gespeichert und verarbeitet werden. Idealerweise sind die Programme und Datenbanken miteinander vernetzt, wobei diese Konstellation als „Daten-Systemlandschaft“ bezeichnet wird. Die Grundkomponenten dieser Systemlandschaft werden in den nachfolgenden Abschnitten im Einzelnen näher beschrieben. In jedem Programmsystem wird ein entsprechendes Datenmodell eingesetzt, bei dem Objekte gebildet und mit Eigenschaften/Attributen belegt werden. Diese Objekte bilden in der Regel Betriebsmittelgruppen, Einzelbetriebsmittel bis zu Einzelteilen von Betriebsmitteln ab. Die Vernetzung ist die Voraussetzung für eine redundanzfreie Datenerfassung, -pflege und -verarbeitung, sodass die verwendeten Datenmodelle in gegenseitigen Auswertungen immer zu konsistenten Ergebnissen führen. Dies bedeutet, dass insbesondere die Attribute nur an einer Stelle in der Systemlandschaft erfasst und geändert werden dürfen. Alle anderen Programme greifen dann auf dieses Datenfeld zu, sofern dort der Bedarf zur Verarbeitung dieser Information besteht. Der Umfang der Datenmodelle hat dabei eine extreme wirtschaftliche Bedeutung. Jeder in diesen Modellen als notwendig definierte Datenpunkt bedeutet einen © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Balzer und C. Schorn, Asset Management für Infrastrukturanlagen – Energie und Wasser, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61526-3_5

365

366

5  Systemlandschaft im Asset Management

finanziellen Aufwand bei der Erfassung, bei der Pflege und auch bei jeder Weiterentwicklung der Systeme selbst und insbesondere bei der Aufrechterhaltung der korrekten Verarbeitung in der vernetzten Welt. Teilweise müssen auch Daten von Dritten in diese Systemwelt aufgenommen werden wie z. B. Wetterdaten oder aber geografische Informationen der Vermessungsbehörden. Dieses ist ebenfalls mit entsprechendem finanziellen Aufwand verbunden. Aus diesem Grund ist ein unkontrolliertes Beschaffen oder Erfassen von vorliegenden oder erzeugbaren Daten, das sogenannte „Data-Mining“ nicht zielführend. Dieser Grundsatz der „Datensparsamkeit“ bleibt auch bei immer einfacher automatisiert erzeugbaren und auswertbaren Informationsdaten erhalten, Der Umfang der Datenmodelle nimmt zwar durch die verbesserten technischen Möglichkeiten zu, dennoch muss das Anlagenmanagement in einer Analyse die für seine Ziele und Strategien notwendigen Datenpunkte definieren und in einer Kosten-Nutzen Abschätzung die entsprechenden Datenmodelle aufbauen. Dass dieses keine triviale Aufgabe ist, wird vor dem Hintergrund der Langlebigkeit der Betriebsmittel und damit auch der zugehörigen Daten deutlich. Wird irgendwann die Notwendigkeit der Erfassung eines bestimmten Attributs erkannt, so dauert es bei manchen Datenarten mehrere Jahre, um einen aussagekräftigen Datenstamm aufzubauen. Manche Daten, wie z. B. bestimmte Messdaten zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme einer Anlage oder eines Betriebsmittels, lassen sich auch nicht mehr nacherfassen. Damit wird deutlich, dass die Daten eines Infrastruktursystems einen finanziellen und betriebsnotwendigen Wert an sich darstellen. Die Modellierung und der Umfang der Datenmodelle stellen dabei eine sensible Abwägung für das Anlagenmanagement dar, zwischen gewollter, notwendiger Informationssammlung und effizientem Betrieb. Im Rahmen der auch im Anlagenmanagement thematisierten Digitalisierung der Geschäftsprozesse spielen die Datenmodelle eine bedeutende Rolle. Insbesondere der Begriff des „Digital Twin“, also des digitalen Zwillings von Anlagen und Betriebsmitteln taucht immer häufiger in Diskussionen zu den Betriebs- und Instandhaltungsstrategien auf. Hierbei handelt es sich im Grunde um die Zusammenführung und das Zurverfügungstellen der verschiedenen Datenmodelle innerhalb eines IT-Systems. Damit sollen weitreichende Informationen zu den Assets an einer Stelle verfügbar sein, ohne die physische Anwesenheit des Betriebspersonals vor Ort. Vor allem durch die fortschreitende Verfügbarkeit einer Vielzahl von Sensoren in den verteilten Assets, verbunden mit einer ebenfalls wachsenden Kommunikationsinfrastruktur (InternetProtokoll mit Glasfaser; „Internet of Things“, usw.) werden hier durchaus auch vermehrt online-Daten eingebunden werden. Hier stellt sich ebenfalls die Frage der bereits oben thematisierten Datensparsamkeit für den Anlagenmanager, er muss die Entscheidung treffen, welche Daten sinnvoll erzeugt werden sollen und insbesondere welche dann auch in welchen Zeiträumen und Zyklen gespeichert werden. Auch im Rahmen dieser Betrachtung lässt sich die Struktur der Daten selbst, unabhängig vom Ort der Erfassung und Speicherung, in die folgenden Kategorien einteilen:

5.1  Daten im Asset Management

367

• Bestandsdokumentation, • Auftrags- und Bewegungsdaten, • Prozess- und Steuerungsdaten. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Informationen und Daten, die in ihrer Gesamtheit nicht umfänglich beschrieben werden können und deshalb auch hier nicht Gegenstand sein sollen. Die Tab. 5.1, 5.2 und 5.3 geben einen Überblick über die wichtigsten Daten mit sich anbietenden Möglichkeiten, in welchen Programmsystemen diese Daten erfasst und bereitgestellt werden können. In diesen Tabellen wird ersichtlich, dass sich für die Anlagendokumentation sowohl das „Enterprise Resource Planning System“ (ERP) als auch das Geoinformationssystem (GIS) anbieten. In der Tat hängt es von der Unternehmensphilosophie und hier insbesondere von der IT-Strategie ab, welche Variante gewählt wird. Insgesamt bilden diese beiden Systeme aber den Kern der Datenhaltung, auf den für die meisten Funktionen von den anderen Programmen zurückgegriffen wird. Tab. 5.1  Bestandsdaten Daten

Programmsystem

Technische Anlagen Objektbeschreibung • CAD-Pläne, 3D-Modelle • Technische Daten, Grenzwerte, Leistung, usw • Baujahr, Hersteller, Typenbezeichnung • verwendete Standards • Genehmigungsunterlagen

GIS/ERP

Herstellerunterlagen • Betriebshandbücher • Garantiezusagen • Vergabe- und Vertragsunterlagen

Papier GIS/ERP

Aufbau der Infrastruktur/Anlagenstruktur • Anlagenhierarchie • Vernetzung, Komponentenverknüpfung

GIS/ERP Netzplanung Netzführung

Materialressourcen • Reservegeräte, Notfallmaterialien • Fertigungshilfsmittel, Betriebsausrüstung

ERP Mobile Einsatzsteuerung

Organisationsinformationen • Zuständigkeitsverteilung, Verantwortung • Kostenstellenplan • Verrechnungshierarchie • Risikomanagement, Krisenorganisation

ERP

Externe Kontakte, Kunden, Lieferanten usw • Adressen • Verträge • Auflagen, Festlegungen

ERP Mobile Einsatzsteuerung

368

5  Systemlandschaft im Asset Management

Tab. 5.2  Auftragsdaten- und Bewegungsdaten Daten

Programmsystem

Zustandsinformationen • Inspektions-, Wartungsprotokolle • Rangliste Erneuerung, Restlebensdauer • systematische Fehlerinformationen

GIS/ERP Mobile Einsatzsteuerung

Arbeitsabläufe • Einzelaufträge, Vorgänge • Arbeitspläne • Workflow

Mobile Einsatzsteuerung

Arbeitsressourcen • Betriebs- und Bereitschaftspersonal • Planung, Projektierung und Bau • Vergabetiefe Fremdleistungen

ERP

Zeitinformationen • Durchführungsnachweis, Termin • Start- und Endtermine • Periodendauer, Zyklen

GIS/ERP Mobile Einsatzsteuerung

Status, Verfügbarkeit • Freigabe Auftrag • Arbeitsgenehmigung erteilt • Arbeitsfortschritt eines Auftrag

Netzführung Mobile Einsatzsteuerung

Bau- und Betriebskosten • Plan-/Ist – Obligo • Material, Dienstleistungen, Eigenleistungen

ERP

Tab. 5.3  Prozess- und Steuerungsdaten Daten

Programmsystem

Prozessdaten, Sensordaten • Messwerte, Belastung, Abnutzung, usw. • Alterungsverhalten, Zustandsentwicklung

GIS/ERP Netzplanung Netzführung

Störungs- und Schadensdaten • MTBF (Mean Time Between Failure) • MTTR (Mean Time to Repair) • spezifische Störungs- und Schadenshäufigkeit • Störungskosten zu Gesamtbudget

Asset Strategie Netzplanung Netzführung

Ressourcen-Kennzahlen • Personalauslastung (fremd/eigen) • spezifische Auftragsdaten • spezifische Bau- und Betriebskosten • Anlagenverfügbarkeit

Asset Strategie Netzplanung Netzführung

Historie • Ein-/Ausbau • betriebsmittelbezogene Lebensdauern • objektbezogene IH-Kosten

GIS/ERP Asset Strategie

5.2  Enterprise Resource Planning (ERP-Systeme)

369

Die Bestandsdokumentation wird dadurch charakterisiert, dass die Daten und Unterlagen einer geringen Fluktuation unterliegen und über die Lebensdauer von Anlagen, Kundenanschlüssen und auch Organisationsformen stabil sind. Sie wächst mit der Erweiterung der Infrastruktur, mit der Verwendung neuer Materialien oder bei der Erweiterung des Lieferantenkreises und stellt in gewisser Weise auch die Geschichte des Infrastrukturunternehmens dar. Beim oben erwähnten „Digital Twin“ stellt die Bestandsdokumentation quasi den Grundrahmen dar, an den alle weiteren Daten angekoppelt werden können. Die Bewegungsdaten von technischen Anlagen sind kurzfristigen Anpassungen unterworfen und werden mit dem normalen Betrieb gepflegt. Hier laufen die Informationen zusammen, die mit Arbeitsaufträgen entstehen und die bei der Arbeitsausführung gewonnen werden. Sie stellen die Betriebsdokumentation dar und sind damit auch der Nachweis der gesetzes- und normkonformen Betriebsweise des Infrastruktursystems. Darüber hinaus liefern die Bewegungsdaten die Basis für die darauf aufsetzenden Prozess- und Steuerungsdaten. Aus den Prozess- und Steuerungsinformationen und insbesondere aus deren Entwicklung über Arbeitszyklen und Geschäftsjahre gewinnt das Anlagenmanagement seine Grunddaten zur Weiterentwicklung und Anpassung seiner Strategien und zur Beauftragung der ausführenden operativen Einheiten. Dabei werden alle Strategien von der Instandhaltung über Erneuerung und Entwicklung von einzelnen Betriebsmitteln bis hin zum gesamten Infrastruktursystem analysiert. Es handelt sich hierbei um den Kontrollmechanismus, ob die mit den Strategien verbundenen Ziele erreicht werden können bzw. ob in der Planung oder in der operativen Umsetzung Korrekturen erforderlich sind.

5.2 Enterprise Resource Planning (ERP-Systeme) Der Begriff „Resource“ kann aus dem Französischen mit Geldmittel, Hilfsmittel oder Reserve übersetzt werden, damit weist die Namensgebung auf ein System zur Organisation aller für das Unternehmen erforderlichen Ressourcen (Materialien, Geldmittel und Personalvolumina) hin. „Enterprise Resource Planning“ Systeme sind insbesondere in den 80er und 90er Jahren in Großunternehmen implementiert und weiterentwickelt worden. Sie beinhalten von ihrem Wesen den Anspruch, alle IT-unterstützten Geschäftsprozesse innerhalb eines Systems zu bedienen und durch die Vernetzung von Softwaresystemen alle Funktionen der oben beschriebenen Daten-Systemlandschaft zu übernehmen. In der Realität ergeben sich jedoch viele Spezialthemen, die durch eigene Programme auch mit Daten, die nicht in ERP gespeichert sind, bedient werden, sodass dieser Anspruch bislang Theorie geblieben ist. Dennoch bilden die ERP-Systeme heute in vielen Unternehmen das Rückgrat der Informationsverarbeitung für die Unternehmensführung. Sie greifen in alle Arbeitsprozesse ein und stellen vielfach die administrative Arbeitsgrundlage für die jeweiligen Unternehmensbereiche wie Finanzen, Personal, Einkauf, Fertigung,

370

5  Systemlandschaft im Asset Management

Betrieb und eben auch das Anlagenmanagement dar. Die nachfolgende Erläuterung wird sich dabei auf die für das Anlagenmanagement notwendigen Funktionen und Module konzentrieren und gegebenenfalls daran angrenzende Schnittstellenmodule zu anderen Bereichen erwähnen. Eine umfangreiche Beschreibung von ERP-Systemen ist der einschlägigen wirtschaftswissenschaftlichen Literatur nachzulesen z. B. [4]. Der wesentliche Vorteil der ERP-Systeme liegt in der Automatisierung und Standardisierung von Arbeitsprozessen und -abläufen. Nach [6] sind die Hauptargumente für den Einsatz von Standardisierung: • Bessere Koordination und Vermeidung von Doppelarbeit; durch definierte Zusammenarbeit und genaue Festlegung von Vorgehensweisen wird organisatorisches Konfliktpotential reduziert. • Erhöhung der Produktivität; durch die Planbarkeit der Aktivitäten und Ressourcen findet ein ökonomischer Einsatz statt, Arbeitsschritte müssen nicht mehr im Einzelfall hinterfragt und entschieden werden. • Entlastung von Führungskräften; die einmal festgelegte Steuerung von Prozessen führt zur weitgehend automatischen Umsetzung und ermöglicht die Konzentration auf Verbesserungen und das Setzen von Führungsschwerpunkten. • Erhöhung der Stabilität des organisatorischen Systems; durch die in den Standards und im System festgelegten Abläufe ist die Unternehmensfunktion nicht mehr von Einzelpersonen, sondern von der Konsistenz der Standards abhängig. Standardisierung macht jedoch nur mit entsprechenden Skaleneffekten Sinn. Die Prozesse müssen in genügender Häufigkeit ausgeführt werden, um einerseits die Entwicklung eines Standards zu rechtfertigen und auch mögliche Nachteile bei der Anwendung im Einzelfall über die Menge zu egalisieren. Daher erlebt die Infrastrukturbranche auch immer wieder eine starke Tendenz zu unternehmensübergreifenden Kooperationen und Shared-Services, um diese Vorteile bei vertretbarem Aufwand auch bei kleineren Unternehmen realisieren zu können. Ein ERP-System lässt sich nach [4] in unterschiedliche Aufgabenkategorien gliedern, hierbei handelt es sich um: • • • •

Administration, Datenhaltung für Geschäftsvorfälle, Disposition, Automatisierung von Routinevorgängen, Information durch Kennzahlenbildung, Analyse und Auswertungen durch zeitliche Reports.

Die Einsatzbereiche, die durch diese Aufgabenkategorien unterstützt werden, sind, wie oben beschrieben, sehr vielfältig. Für das Anlagenmanagement sind hierbei die Einsatzbereiche:

5.2  Enterprise Resource Planning (ERP-Systeme)

371

• Finanzplanung, • Budgetsteuerung/Controlling, • Instandhaltungssteuerung, • Projektplanung/Steuerung, • Materialwirtschaft, • Personalwirtschaft und • Anlagendokumentation von Bedeutung. Letzterer Bereich kann, wie bereits erwähnt, durchaus auch durch eine entsprechende Zuordnung dieser Funktion vollumfänglich im GIS abgedeckt werden, da hier ja mindestens der Teil der Anlagendokumentation, der die geografischen Daten der Anlagen enthält, abgebildet wird. An dieser Stelle soll aber beispielhaft die Variante der Datenlandschaft mit der Anlagendokumentation im ERP beschrieben werden. Das ERP-System ist aufgrund der vielfältigen Aufgaben in der Regel in Modulen oder in sogenannten Fachschalen aufgebaut, die auf gemeinsame Prozesse und übergreifende Supportfunktionen zurückgreifen. Einen sehr guten Überblick über Entwicklungen, Lösungsanbieter und Institutionen sind beispielhaft in [9] aufgeführt.

5.2.1 Anlagendokumentation (ADB) Wie bereits dargestellt, ist eine umfassende aber zielgerichtete Dokumentation der Komponenten und Betriebsmittel eines Infrastruktursystems die unabdingbare Grundlage zur Durchführung des Anlagenmanagements. Alle Analysen, Untersuchungen, Kennzahlen und damit die Ableitung von Maßnahmen in Instandhaltung oder Erneuerung greifen auf die Grunddatenstruktur zurück, die im ERP-System hinterlegt sein muss. Die Anlagendokumentation stellt sozusagen den Katalog des Infrastruktursystems dar, in dem die verschiedenen oben erwähnten Datenarten (Bestands-, Bewegungs- und Prozessdaten) abgelegt und abrufbar sind. Das Infrastruktursystem wird in der Anlagendokumentation in der Regel hierarchisch abgebildet. Dabei lassen sich zwei Hauptobjektarten unterscheiden: • Technischer Platz Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes ortsfestes Objekt, wie beispielsweise ein Umspannwerk oder eine Gaspipeline. Ein technischer Platz ist in der Regel eine Zusammenfassung von einer Vielzahl von beweglichen Objekten bzw. wird durch diese gebildet. Dadurch lässt er sich zwar bezüglich der Einbindung ins Infrastruktursystem nicht verändern, ist aber in Größe und Anzahl der unterlagerten Objekte variabel. Ihm ist eine bestimmte übergreifende Funktion zugewiesen, er besitzt aber durch seinen Charakter als Ortsbeschreibung keine technischen Daten oder Herstellerinformation.

372

5  Systemlandschaft im Asset Management

• Betriebsmittel Das Betriebsmittel ist ein separierbares, bewegliches, technisches Objekt, das in einem technischen Platz ein- und ausgebaut werden kann. Es handelt sich in der Regel um ein in sich geschlossenes technisches Objekt, dem auch technische Daten und Eigenschaften (Baujahr, Charge, Herstellerangaben, Leistungsdaten, Betriebsmittelhistorie, usw.) zugeordnet sind. Durch die hierarchische Darstellung ist in der Regel auch gewährleistet, dass die technischen Objekte mit hoher Wichtigkeit, leicht zu selektieren sind und die entsprechenden Analysen auf einem sehr frühen Abbildungslevel einer Datenbank erfolgen können. Zudem ist die Anzahl der übergeordneten Objekte in der Regel gering (Größenordnung: von einigen Dutzend bis weniger als hundert Datensätze), sodass hier auch ohne intelligente Suchstrategien bzw. Datenbankabfragen entsprechende Erkenntnisse aus der Dokumentation gewonnen werden können. In der Regel genügt auf dieser Ebene eine simple alphabetische Suchfunktion nach Objektname oder aber auch einfaches Scrollen in den Datensätzen. In den tieferen Ebenen der Datenbankhierarchie können jedoch leicht gleichartige Betriebsmittel in hoher Anzahl zu erfassen sein. So ist z. B. in mittleren und größeren Stromverteilungsnetzen die Anzahl von Umspannstationen in der Größenordnung von einigen Tausend keine Seltenheit, geht man in der Hierarchie noch weiter nach unten ist ein Vielfaches an Datensätzen vorstellbar. Um hier die notwendige Funktionalität einer Anlagendokumentation zu erhalten, sind entsprechende Standard-Datenmodelle mit den für das Anlagenmanagement notwendigen Attributen für die einzelnen Betriebsmittel aufzubauen. Damit sollten intelligente Abfragestrategien über die Anlagendokumentation realisiert werden. Auf diesem Weg werden notwendige Funktionen insbesondere für die Strategieplanung und das Reporting sichergestellt. Beispiele für entstehende Ergebnisse sind: • Störungsstatistiken, • Mengengerüste (z. B. technologie- oder altersbezogen), • Wertanalysen, • Schwachstellenanalyse (systematische Fehler), • Instandhaltungszyklen, • Zustandsabhängige Erneuerungsstrategie, • usw. Um die in Abb. 5.1 dargestellten Beziehungen sicherzustellen und zu den entsprechenden Ergebnissen zu gelangen, sind einerseits natürlich Schnittstellen zwischen den Systemen erforderlich, wobei davon auszugehen ist, dass moderne ERP-Systeme innerhalb ihrer Modulstruktur interoperabel sind und dementsprechend hier nach einer entsprechenden Gesamt-ERP Implementierung kein weiterer Kopplungsaufwand besteht. Die Kopplung zu beispielsweise Berichtssystemen oder dem GIS ist oftmals mit IT-technischen Problemen behaftet und muss bei jeder Anpassung bzw.

5.2  Enterprise Resource Planning (ERP-Systeme)

Anlagendatenbank Infrastruktursystem

373

ERP IHModul ERP intern ProjektModul

E1

FinanzModul

E2 E3 E4

…………….

ggf. ERP intern

Stask Stask Statistik Reports Strategie Workforce

Datenmodell

Bestandsattribute Bewegungsdaten Prozessdaten

Anlagendatenbank Datenaustausch

GIS

Abb. 5.1   Anlagendatenbank, Inhalte, Datenübergabe und Zielsetzung

neuer Softwareversion überprüft und ggf. neu konzipiert werden. Dies ist in der Regel mit großem Aufwand verbunden, weshalb die höchstmögliche Konzentration in einem System zielführend ist. Die dennoch notwendigen Systemkopplungen sollten möglichst schlank ausgeführt und als einfacher Datenexport gestaltet werden. Um dies zu gewährleisten, müssen die Daten in den Modellen einfach strukturiert und möglichst ohne Querverknüpfungen oder Mehrfachbeziehungen abgebildet werden. Die Erhöhung der Datenmodellkomplexität führt zu einer vielfachen Erhöhung des Handling- und Auswerteaufwands sowie der Schnittstellenproblematik. Die maßgeblichen weiteren Systeme außerhalb des ERP-Systems, die vom Datenbestand der Anlagendatenbank abhängen, sind ebenfalls für den Betrieb und die strategische Entwicklung des Infrastruktursystems unabdingbar. Zu nennen sind hier insbesondere: • Netzberechnungswerkzeug zur Planung, • Asset-Simulation und -Strategie Werkzeug, • Projekt-Priorisierungswerkzeug, • Mobile Einsatzsteuerung („Mobile Workforce“), • Netzführungssystem SCADA. Diese Systeme benötigen für ihre eigenen Funktionen ein zu definierendes Informationsvolumen, welches aus diesem Grund im Datenmodell beschrieben sein muss. Hier ist die

374

5  Systemlandschaft im Asset Management

Granularität der Daten im Datenmodell, insbesondere die Anzahl und Art der Attribute sowie die zu erfassenden und auszuwertenden Bewegungs- und Prozessdaten von großer Bedeutung. Jeder Datenpunkt bedeutet sowohl bei der Erfassung als auch bei der Pflege und Auswertung Aufwand. Aufgrund der stark ansteigenden Anzahl der technischen Objekte von einer Hierarchieebene des Infrastruktursystems zur nächst tieferen Ebene, die schnell in die Größenordnung von einigen Zehntausend gelangen kann, muss eine genaue Prüfung von Notwendigkeit, Nutzen und Aufwand der Existenz jedes einzelnen Datenfelds erfolgen. Dazu gehört auch die Begrenzung der einzeln und exakt abzubildenden technischen Objekte. Die Anlagendatenbank wird sich dabei auf die werthaltigen Objekte stützen und bei einer zu hohen Granularität im Infrastruktursystem die letzten Ebenen geeignet zusammenfassen. So wurde beispielsweise in einem Stromverteilungsnetz bislang nicht jeder Kabelverteilerschrank als technisches Objekt abgebildet. Die exakte Erfassung in der Anlagendatenbank des ERP endete z. B. auf der Stationsebene und dem Ortsnetz als tiefste Objektebene. Sofern sie eine geografische Bedeutung haben, müssen tiefere Ebenen zwar im GIS abgebildet werden, aber ohne aufwendige Bestandsdatenattribute wie Hersteller, Baujahr, usw. Diese Diskussion wird sich zwar mit den wachsenden technischen Möglichkeiten verschieben, bleibt aber in der grundsätzlichen Aussage einer begrenzten Granularität der Datenmodelle für die Strategieentwicklung richtig. Die Anlagendatenbank ist vom Anlagenplanwerk zu trennen. Letzteres dient dem sicheren Betrieb und nicht den Mechanismen des Anlagenmanagements. Das Anlagenplanwerk (z. B. Stromlaufpläne in Anlagen, Netzbetriebspläne usw.) ist daher eher integraler Bestandteil der Betriebsmittel und Anlagen selbst.

5.2.2 Finanzmodul Der finanzwirtschaftliche Bereich war im Grunde die Ursprungsfunktion des ERP. Jedes Unternehmen ist verpflichtet, eine den gesetzlichen kaufmännischen Vorgaben genügende Buchführung durchzuführen und eine geschäftsjahresbezogene Gewinnund Verlustrechnung (GuV) vorzulegen. Aufgrund der steigenden Komplexität und den immer weiter steigenden Erfordernissen der Datenerfassung und Datenverarbeitung, stellte dieser Bereich ein ideales Gebiet zur Implementierung von Softwareinstrumenten dar. Firmen wie SAP und Oracle haben in den 90er Jahren diese Systeme intensiv entwickelt und in Kombination mit den Effizienz- und Kostenfortschritten bei der Computerhardware weltweit massiv verbreitet. Das Wesen des Anlagenmanagements als sowohl technisch als auch kaufmännisch analysierender und optimierender Bereich führte zur Ausweitung der ursprünglich reinen Finanzplanungs- und Buchführungsfunktionen auf die technische Steuerungsebene. Das Finanzmodul verknüpft sozusagen die beiden Welten miteinander und macht die jeweiligen Informationen integriert nutzbar. Die Einflüsse des operativen Betriebs eines Infrastrukturunternehmens auf die

5.2  Enterprise Resource Planning (ERP-Systeme)

375

Gewinn- und Verlustrechnung lassen sich auf diese Weise direkt verdrahten und in die andere Richtung lässt sich wiederum die finanzielle Abwicklung des operativen Betriebs integriert steuern. Die wesentlichen Grundfunktionen des Finanzmoduls, die hierbei von Bedeutung sind, lauten: • Anlagenbuchhaltung, • Kostenstellenwesen, • Budgetierung. In der Anlagenbuchhaltung befindet sich sozusagen das finanzielle Abbild des technischen Infrastruktursystems. Die einzelnen Wirtschaftsgüter werden hier aktiviert und über den finanziellen Nutzungszeitraum hin abgeschrieben. Somit wird der sogenannte Buchwert des Infrastruktursystems erzeugt. Zu beachten ist, dass die Anlagenbuchhaltung im Gegensatz zur technischen Anlagendatenbank kein technisch korrektes Abbild darstellt. Insbesondere Sachzeitwert und Altersstruktur der Betriebsmittel kann real deutlich von den Buchwerten differieren. Dies ist der unterschiedlichen Behandlung von realer Erneuerung zu buchhalterischer Aktivierung geschuldet, beispielsweise wird eine Gasleitung beim erstmaligen Errichten mit dem Datum der Inbetriebnahme aktiviert und dann über eine definierte Abschreibungszeit bis auf den Restwert von 1 € abgeschrieben. Im Verlauf der Lebenszeit dieser Leitung wird sie möglicherweise in Teilabschnitten erneuert oder auch geringfügig verlegt, womit es zu einer faktischen Erneuerung und Lebensdauerverlängerung kommt. Da diese Teilerneuerung aber jeweils kein abgeschlossenes Wirtschaftsgut darstellt, wird sie nicht aktiviert und die Ursprungswerte (Datum der Inbetriebnahme, Restwert) der Anlagenbuchhaltung bleiben erhalten. Das Kostenstellenwesen stellt die Grundlage zur umfassenden Kostensammlung und Kostenverrechnung dar. Alle Aktivitäten von Personalkosten über Betriebs- und Geschäftsausstattung bis hin zu nicht investiven Projektkosten werden über Auftragsoder Pauschalverrechnung auf den Kostenstellen gesammelt und fließen von dort in die GuV ein. Die Kostenstellenstruktur ist teilweise auch Abbild der Unternehmensorganisation und bildet die oberste Finanzsteuerungsebene ab, da hier die Gesamtheit der operativen Kosten abgebildet ist. Eine Selektion der Kosten, deren Steuerung und das Controlling findet über entsprechende Kostenarten statt, sodass bereits auch in diesem Bereich das Anlagenmanagement Analysemöglichkeiten über die Kostenentwicklung und die segmentbezogenen Teilkosten der Anlagenvorhaltung und des Anlagenbetriebs erhält. Die Budgetierung stellt gemäß [13] die Vorgabe eines finanziellen Rahmens für eigenverantwortliches Wirtschaften dar. Mit einer im Finanzbereich dafür notwendigen Cash-Flow-Steuerung im Hintergrund, werden nach dem in Abschn. 3.1.1 beschriebenen Ablauf des Planungsprozesses im Umsetzungsjahr die Finanzmittel für die, aus den

376

5  Systemlandschaft im Asset Management

Strategien des Anlagenmanagements entwickelten Maßnahmen und Projekte budgetiert, also bereitgestellt. Diese Finanzmittel sind die Grundlage der Handlungsfähigkeit des Anlagenmanagements, im Rahmen des Rollenmodells die weitere Beauftragung von Dienstleistungen und Projekten durchzuführen. Das Budget hat damit auch die direkte Verknüpfung zu den weiteren ERP-Modulen, wie Projekt- und IH-Modul. Die in diesen Modulen hinterlegten Aufträge verrechnen sich mit dem im Budget bereitgestellten Geld auf die zugewiesenen Kostenstellen, wodurch ein in sich konsistentes und geschlossenes System entsteht. Das Budget stellt durch den Verknüpfungsbezug auf Auftragsebene auch die wichtigste Ebene für das Controlling des Anlagenmanagements dar. Sowohl die Instandhaltung als auch das Projektwesen lässt sich in einer zu definierenden Granularität über selektierbare Auftragsarten, Maßnahmen und Projekte (jeweils wieder durch die zugrunde liegenden Aufträge) auf Kosten- und Termintreue analysieren. Auch die Möglichkeit zur Budgetsteuerung durch Freigabe oder Sperren von Aufträgen ist hier gegeben und damit die Grundlage einer der Hauptfunktionen des Anlagenmanagements. In Abb. 5.2 ist das Zusammenspiel der unterschiedlichen Funktionen noch mal im Überblick dargestellt. Deutlich wird erkennbar, dass beide Ebenen die ihnen zugeordneten Aufgaben durch einen Informationsfluss in beide Richtungen sicher abwickeln können und dabei insgesamt ein konsistenter Datenbestand von operativem Mittelabfluss bis zur GuV entsteht.

HR

ADB

Anlagenbuchhaltung Kostenstellenwesen Budgetierung Kreditoren/Debitoren Personalverrechnung GuV-Planung

IH

Geldbereitstellung Abrechnung Budgetplanung Datenaustausch

Reine Finanzfunktionen

Projekt

Einkauf

Budgetcontrolling Budgetsteuerung Betriebsaufwand Investitionsabwicklung Projektkalkulation Wirtschaftlichkeit (TCO) Personalressourcen

Funktionen Anlagenmanagement

Abb. 5.2   Zusammenspiel Finanzfunktionen und Anlagenmanagement; HR Human Resources (Abschn. 5.2.3); ADB Anlagendokumentation (Abschn. 5.2.1); IH Instandhaltung; TCO Total Costs of Ownership (Abschn. 3.1.3.1); GuV Gewinn- und Verlustrechnung

5.2  Enterprise Resource Planning (ERP-Systeme)

377

5.2.3 Betriebs- und Instandhaltungsmodul Der Betrieb und die Instandhaltung von Infrastruktursystemen ist geprägt von vielen gleichartigen und wiederkehrenden Tätigkeiten wie Inspektionen, Wartungen, Schaltungen usw., die insbesondere bei Massenprozessen nur durch entsprechende ITUnterstützung steuerungs-, analyse- und controllingfähig werden. Als Grundlage dieses Moduls gilt das Auftragswesen, bei dem in geeigneter Betrachtungstiefe die einzelnen Tätigkeiten in Auftragsform im System erzeugt werden und damit als Grundlage für die Ausführung der Tätigkeit und zur Rückmeldung von Stunden, Material und Fremdaufwand dienen. Hierbei entstehen leicht viele tausend Aufträge, deren Erzeugung aus Aufwandsgründen nach Möglichkeit weitgehend automatisiert erfolgen muss. Dazu werden im Instandhaltungsmodul die verschiedenen Strategiepositionen, wie zeitbasierte oder prioritätenbasierte Instandhaltung, hinterlegt. Mit den vom Anlagenmanagement definierten Zeitzyklen können somit für alle Betriebsmittel mit zeitbasierten Tätigkeiten entsprechende Aufträge für das gesamte Geschäftsjahr erzeugt werden. Bei der prioritätsbasierten Strategie gibt es als Datenbasis den Betriebsmittelzustand z. B. aus Inspektionsberichten und die vom Anlagenmanagement zu ermittelnde Wichtigkeit, mit denen ein nächster Wartungstermin errechnet und wiederum automatisiert ein Auftrag für diese Tätigkeit erzeugt werden kann (siehe Abschn. 2.1.1.6 und 2.1.2). Die Intelligenz des Instandhaltungsmoduls steckt in eben diesen vom Anlagenmanagement hier hinterlegten Strategien, die zu einer automatisierten Zykluszeitberechnung je Betriebsmittelsegment und -typ führt. Die darauf basierende automatische Auftragserzeugung für den gesamten planbaren Bereich des Infrastruktursystems ist ein umfängliches Instrument zur Effizienzsteigerung in diesem Prozess. Damit sind lediglich die nicht planbaren Tätigkeiten wie Störungen oder von extern veranlassten Maßnahmen im Rahmen der hier sowieso entstehenden manuellen Vorgangsbearbeitung als von Hand zu erzeugende Aufträge abzuarbeiten. Die Aufträge in ihrer Gesamtheit bilden den Arbeitsvorrat des gesamten Geschäftsjahres für den Servicebereich und damit auch die Basis für eine Nachverfolgung der Auftragserledigung und des damit verbundenen Finanzaufwandes auf der Budgetseite. So ist für den Anlagenmanager einerseits eine Plan-Ist-Betrachtung möglich, andererseits ist durch die Auftragsrückmeldung und Dokumentation in diesem Modul der Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung von Betrieb und Instandhaltung gegeben. Dies ist vor dem Hintergrund einer immer höheren Detaillierungsanforderung der Aufsichtsbehörden und auch des Regulators an derartige Nachweise zur Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik gemäß § 49 EnWG (Abschn. 2.2.2) von großer Bedeutung. Die im Modul enthaltenen Instandhaltungsaufträge können auf verschiedene Arten verarbeitet werden, wobei die Verwendung eines digitalen Systems zum Dispatching (Auftragssteuerung) und Rückmelden der Vorgänge auf digitale Endgeräte bei den Servicemonteuren, das sogenannte „Mobile Workforce“, immer weitere Verbreitung findet.

378

5  Systemlandschaft im Asset Management

Das Instandhaltungsmodul hat innerhalb des ERP Kontakt zu verschiedenen Modulen. Die Instandhaltungsobjekte werden in der Anlagendatenbank identifiziert. Die finanziellen Mittel werden durch Verknüpfung mit dem Budgetteil bereitgestellt, für die Budgetplanung stehen wiederum die automatisiert erstellten und kalkulierten Aufträge zur Verfügung. Die Verrechnung der Aufträge erfolgt auf die jeweils zugeordnete Kostenstelle, die personellen Ressourcen und die notwendige Kompetenz zur Ausführung der Tätigkeiten werden durch die im Personal-Modul hinterlegten Informationen sichergestellt. Die Auftragserfüllung mit Datum, Kosten und ggf. Zustandsinformationen werden durch Rückmeldung in die Anlagendatenbank und dort in die Betriebsmittelhistorie der Instandhaltungsobjekte oder der technischen Plätze dokumentiert und für das Reporting bereitgestellt. Außerhalb des ERP hat das Modul eine Schnittstelle zum Auftrags-Dispatching, der Arbeitsorganisation, die für die Verteilung und Rückmeldung der Aufträge verantwortlich ist. Hier sind je nach Ausprägung der Organisation Aktivitäten wie Ausdrucken der Aufträge und händische Rückmeldung im Zentralsystem bis zur Nutzung mobiler Endgeräte bei den Monteuren viele Varianten und Systeme denkbar.

5.2.4 Projektmodul Der zweite große Block innerhalb des Anlagenmanagements, neben dem operativen Betrieb und der Instandhaltung, ist die Projektkalkulation und -abwicklung. In der Regel werden Projekte auf drei möglichen unterschiedlichen Wegen identifiziert: • Zustandsbezogene Erneuerung, • Entwicklung aus Zielnetzplanung und Zubau, • extern veranlasste Umlegungen/Änderungen. Dabei wird der überwiegende Anteil der Projekte eines Infrastruktursystems innerhalb der ersten beiden Wege durch das Anlagenmanagement definiert und damit innerhalb des planbaren Bereichs. Unabhängig vom Weg der Identifikation werden alle Projekte im Projektmodul geplant. Basierend auf einem Lastenheft, das die funktionellen Anforderungen des Anlagenmanagements beschreibt, wird durch den Serviceprovider eine Projektierung durchgeführt. Diese mündet in einem, die konkrete Umsetzung beschreibenden, Lastenheft, wobei als Kalkulationsunterstützung Betriebsmittelkomponenten und Standardtätigkeiten als Bausteine mit zugeordneten Kosten hinterlegt werden können. Die hierzu notwendigen Informationen, z. B. bei Material und Fremddienstleistung, können aus dem Einkaufsmodul, mit den hier hinterlegten Produktpreisen aus Rahmenverträgen bzw. ermittelten Durchschnittspreisen, entnommen werden. Die so kalkulierten Projekte werden im Projektmodul gespeichert und entweder als sogenannte „Projektidee“ zur zukünftigen Umsetzung vorgehalten oder aber in die Budgetplanung

5.2  Enterprise Resource Planning (ERP-Systeme)

379

aufgenommen und mit Projektbeginn in der laufenden oder kommenden Geschäftsperiode zur Realisierung aufgesetzt. Eine entsprechende Auswahl für Projekte, die als Idee im System verbleiben und solche, die realisiert werden, wird durch das später noch zu erläuternde ProjektPriorisierungswerkzeug erreicht. Dieses bedeutet, dass jedes Projekt mit seinen Daten zu Kosten und Zeitverlauf im Projektmodul einen entsprechenden Status erhält (z. B. „zur Umsetzung freigegeben“) und für die vorgesehenen Meilensteine auch der Finanzmittelabfluss geplant wird. Für die Meilensteine gibt es einige herausragende Zeitpunkte: • Anzahlung, • Materiallieferung, • Bauabschnittsabnahme, • Inbetriebnahme, die im System hinterlegt werden können. Da ein Projekt in der Regel aber einen komplexen möglicherweise mehrteiligen Ablauf hat, ist eine monatliche Mittelabflussplanung für den kontrollierten Projektablauf am ehesten zielführend. Im Ergebnis stellt das Projektmodul neben dem Instandhaltungsmodul die zweite konkrete Plattform dar, in der die vom Anlagenmanagement beauftragten und zu steuernden Aufgaben, Tätigkeiten und Entwicklungen enthalten sind und kontrolliert werden können. Der Unterschied zum Instandhaltungsmodul besteht darin, dass Projekte durchaus längere Laufzeiten als ein Geschäftsjahr haben können und deshalb beim Umfang von Planung, Budgetierung und Controlling ein mehrjähriger Verlauf möglich ist. Die Schnittstellen des Projektmoduls zu anderen Systemen sind ebenfalls die gleichen wie bei der Instandhaltung mit der Ergänzung, dass es eine ausgeprägte Verknüpfung zum Einkaufs- und Materialmodul geben muss. Damit wird die Verwendung der festgelegten technologischen Standards mit den dort hinterlegten Materialien und Betriebsmitteln sichergestellt, auch um möglichst keine individuellen oder gar exotischen Lösungen zu erlauben.

5.2.5 Einkaufs- und Materialmodul Zu den Aufgaben des technischen Anlagenmanagements gehört auch die Sicherstellung von ausreichenden Ressourcen für den nachhaltig sicheren Betrieb des Infrastruktursystems. Hierunter fallen die notwendigen Dienstleistungskapazitäten, Materialien und Betriebsmittel inklusive einer ausreichenden Ersatzteilversorgung. Je nach Geschäftsmodell (Kap. 4) des Unternehmens ist das Anlagenmanagement hierfür mittelbar, durch Nutzung eines internen General-Service-Dienstleisters oder unmittelbar durch Marktbeauftragung verantwortlich. Das Einkaufs- und Materialmodul innerhalb eines ERP unterstützt hierbei in folgenden Bereichen:

380

5  Systemlandschaft im Asset Management

• Materiallisten (Technologie und Preis), • Lieferantendatenbank, • Lagerwirtschaft, • Rahmenvertragswesen, • Einkaufs- und Abruffunktion. In den Materiallisten werden die zugelassenen Betriebsmitteltypen, Materialien, Ersatzteile, Verbrauchsmittel usw. geführt, die verbindlich für die Verwendung vorgesehen sind. Außerhalb dieser als Standardmaterial gekennzeichneten Umfänge ist die Beschaffung von Sondermaterialien möglich (z. B. zur Reparatur historischer Investitionsgüter, einzelfallgeprüfte Sonderlösungen usw.), jedoch ist hier jeweils ein separater Prüfungsvorgang zu implementieren, um diese, in der Regel, kostenintensiveren Vorgänge und deren Begründung nachvollziehbar zu machen. Auf diese Art wird ein Controlling über das Verhältnis von Standardbeschaffung und Sondermaterial ermöglicht. Die Identifikation und Zulassung des Standardmaterials wird vom Anlagenmanagement durchgeführt, zumindest jedoch freigegeben. Dazu wird je Material oder Betriebsmittel eine entsprechende, auf das Infrastrukturunternehmen bezogene Spezifikation benötigt. Diese beschreibt die speziellen Anforderungen für die Zulassung zur Verwendung und wird im Einkaufsmodul hinterlegt. Die Spezifikation gilt grundsätzlich als Basis für die Ausschreibung von Materialien und auch Dienstleistungen (Leistungsverzeichnis als Spezifikation). Standardisiertes Material ist auch besonders geeignet für eine Lagerhaltung aufgrund der regelmäßigen Verwendung. Da es in der Regel immer eine Lieferfrist gibt, die einer kurzfristigen Verfügbarkeit entgegensteht und zudem Infrastruktursysteme 24 h am Tag einsatzbereit müssen und daher auch Arbeiten an Wochenenden oder nachts zur normalen gehören, ist eine kurzfristige Verfügbarkeit derartiger Materialien nur durch jederzeit zugängliche Lager möglich. Auch bei projektbezogenen „just in time“ Lieferungen können durch die Lagerwirtschaft Mehrmengen aufgenommen bzw. unvorhergesehene Mindermengen ausgeglichen werden. Die für die Lagerhaltung vorgesehenen Standardmaterialien werden dementsprechend zu Lagermaterial im ERPModul. Die komplexen Prozesse der Lagerwirtschaft selbst, die in diesem Modul hinterlegt sind, werden hier nicht detaillierter beschrieben. Alle Materialien und Dienstleistungen haben auch einen Bezug zu den möglichen Lieferquellen. Die Lieferanten mit ihren spezifischen Liefermöglichkeiten, Preisen und auch Qualitätsmerkmalen werden ebenfalls im Einkaufsmodul vorgehalten. Die Zuordnung mehrerer zuverlässiger und qualitativ guter Lieferanten zu einem Material ist ein Maß für dessen Verfügbarkeit und damit auch für das Risiko für das Infrastruktursystem im Beschaffungsfall. Entstehen Monopolsituationen, Qualitätsprobleme oder außergewöhnliche Preisanstiege für Materialien im Lieferantenmarkt, ist der Einkauf aufgefordert, durch eine entsprechende Lieferantenentwicklung Qualitäts- oder Preisverbesserungen zu erzielen bzw. alternative Hersteller zu finden. Ergänzend dazu muss das Anlagenmanagement permanent nach alternativen und verbesserten technologischen Lösungen suchen. Dies erfolgt z. B. durch die Erstellung eines Ablösungskonzeptes

381

5.2  Enterprise Resource Planning (ERP-Systeme)

für eine bestimmte Technologie, durch eine wirtschaftlichere und modernere oder auch durch Überprüfung und Änderung der Spezifikation zur Verbreiterung des Anbietermarktes. Dieser Vorgang wird auch als Produktkostenoptimierung bezeichnet. Die Indikation für derartige Problemstellungen und den Handlungsbedarf für das Anlagenmanagement, insbesondere in den Ersatzteilbereichen, werden durch die direkte Verknüpfung von Standardmateriallisten, Lieferantenlisten und Preisbeobachtungen geliefert. Ein weiterer Aspekt der Lieferantendatenbank ist die bereits angesprochene Qualitätsbetrachtung von Leistungen und Materialien. Der Auftraggeber hat im Rahmen seiner gesetzlichen Auswahlpflicht auch zu prüfen, inwieweit der Hersteller und Lieferant geeignet ist, eine Dienstleistung oder Lieferung zu erbringen. Im Materialbereich findet dies entweder über die Zusicherung der Einhaltung von anerkannten Normen statt, aber auch die Qualitätssicherung durch Wareneingangskontrolle findet bei Infrastruktursystemen mehr und mehr Verwendung. Im Servicebereich finden dagegen sogenannte Audits statt, bei denen sowohl im Firmensitz des Serviceproviders als auch auf der Baustelle die Einhaltung der gängigen Umweltschutz- und Arbeitssicherheitsrichtlinien überprüft und die Firmen somit als zugelassener Dienstleister qualifiziert werden. Die Zulassung wird ebenfalls im Einkaufsmodul hinterlegt und periodisch erneuert. Sofern nicht tolerierbare Qualitätsmängel auftreten, wird der Lieferant im System gesperrt und seine Dienstleistung bzw. seine Materialien stehen somit nicht mehr zur Beschaffung zur Verfügung. Bei wichtigen Materialien bzw. Dienstleistungen kann dies große Auswirkungen auf die Projektabwicklung und die Planung des Anlagenmanagements haben. Die reine Einkaufsfunktion wird innerhalb des Moduls über die üblichen Verfahrensweisen von Ausschreibung (unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften), Abschluss und Verwalten von Rahmenverträgen bzw. Volumen-Commitments sowie Durchführung von Einzelbestellungen, umgesetzt. Hierzu wird, wie in Abb. 5.3 gezeigt, auf die (1:n) – Beziehung zwischen Material und Lieferantenstamm zurückgegriffen. (1 : n) Beziehung Material

Spezifikation

Lieferant

Kapazität Qualität Preislisten

Klassifikation

Mengencontrolling

Ausschreibung Rahmenverträge Einzelbestellungen

Abb. 5.3   Beziehungen im Einkaufsmodul

Verfügbarkeit

382

5  Systemlandschaft im Asset Management

Für das Anlagenmanagement hat das Einkaufs- und Materialmodul eine weitere wichtige Controlling-Funktion dahin gehend, dass hier der Materialverbrauch direkt erfasst werden kann und bei entsprechender Systemausprägung auch eine Zuordnung zu den Tätigkeiten innerhalb von Instandhaltung oder Projektbearbeitung stattfindet. Somit besteht ein Instrument, um die in der Planung vorgesehenen Mengen zu plausibilisieren, ggf. sogar zu verifizieren. Das Zusammenspiel von Mengen- und Finanzplanung wird innerhalb dieses Moduls durch die Verknüpfung von Einkaufsmengen und Preislisten und somit Erzeugung von spezifischen Preisen realisiert. Damit bietet sich auch die Möglichkeit, eine Kostenentwicklung im Infrastruktursektor zu überwachen, indem das Anlagenmanagement einen charakteristischen Warenkorb mit der spezifischen Verteilung von Betriebsmitteln und Dienstleistungen über das jährliche Einkaufsvolumen zusammenstellt und dessen kumulierte Preisentwicklung über einen mehrjährigen Zeitraum verfolgt. So lässt sich einerseits die Gesamtentwicklung abschätzen, aber auch die Segmente mit den höchsten Kostentreibereffekten identifizieren und ggf. Gegenmaßnahmen einleiten.

5.2.6 Personalmodul Das Personalmodul “Human Resources“ (HR) besteht im Wesentlichen aus den folgenden Komponenten: • Personalwirtschaft, • Personalmanagement und • Personalabrechnung. Aufgrund datenschutzrechtlicher Themen ist das Personalmodul in der ERP-Welt eher isoliert und nur punktuell in die Prozesse des Infrastrukturmanagements einzubinden. Lediglich die betriebsnotwendigen Informationen, meist ohne direkten Personenbezug, sind für die ERP-Verknüpfungen verfügbar. Im Wesentlichen handelt es sich um Informationen der Gesamtkapazität, d. h., wie viele Mitarbeiter stehen in welchem Tätigkeitsbereich und mit welcher Kompetenz hinsichtlich der Aus- und Weiterbildung dem Unternehmen intern zur Verfügung. Zukunftsgerichtet gibt es zudem die Frage nach der demografischen Entwicklung zur Beurteilung der mittelfristigen Möglichkeiten und Handlungsbedarfe in diesen Bereichen. Mit den Kennzahlen aus diesem Modul werden spezifische Kalkulationsgrößen wie z. B. Stundensätze in den einzelnen Qualifikationssegmenten oder aber auch die Produktivität innerhalb von Tätigkeitsbereichen berechnet, die wiederum als Kalkulationsgrundlage für die operative Geschäftstätigkeit herangezogen werden können. Eine mehr oder weniger direkte Verknüpfung des Personalmoduls besteht einerseits zum Budgetierungsbereich, da hier die entsprechend verplanten Personalressourcen plausibilisiert werden und andererseits zur mobilen Einsatzsteuerung auf die unter Abschn. 5.6 noch detaillierter eingegangen wird.

383

5.3  Geo-Informationssysteme (GIS)

5.3 Geo-Informationssysteme (GIS) Innerhalb der Dokumentation findet durch die Entwicklungen softwaregestützte Geo-Informationssysteme im IT-Bereich zunehmend Verbreitung. Auch durch den Investitionszyklus z. B. bei Strominfrastrukturen in Deutschland und wachsende neue Themen, wie verteilte Erzeugung im Netz, entstehen Aufgabenstellungen, die mit einer Erneuerung der Anlagendokumentation einerseits und Erweiterung der Funktionen andererseits effektiv nur noch durch derartige IT-Systeme gelöst werden können. Abb. 5.4 zeigt ein Beispiel für die verschiedenen Funktionen und deren Zusammenspiel in einer modernen IT-Umgebung. Die Vernetzung der Geo-Informationen und weiteren Anlageninformationen in diesen Systemen mit den bereits beschriebenen weiteren Datenbanken der Anlagendokumentation, insbesondere mit dem ERP-System, aber auch mit Betriebsfunktionen wie dem Netzleitsystem oder dem mobilen Workforce System werden durch die Verknüpfungen in dieser IT-Umgebung geregelt. Auch hier gilt wieder der Grundsatz zur Vermeidung doppelter Datenhaltung und zur Gestaltung von einfachen und einheitlichen Datenübergaben zwischen den Systemen. Geo-Informationssysteme enthalten im Wesentlichen geografische Informationen zu den Betriebsmitteln, also Lage und Position, die durch anerkannte Koordinatensysteme wie z. B. das Gauß-Krüger-System bestimmt sind. Zusätzliche Sachdaten und Betriebsinformationen machen es neben dieser Informationsebene zu einem wichtigen

Dokumentationsarbeitsplatz Papierausgabe

Planauskunft

Serverlandschaft Arbeitsplatz mit lokalen Daten Ausgabe

Mobiles PlanWerkzeug, z. B. für Workforce

Abb. 5.4   Umgebung für digitale Planwerk und Geo-Informationssysteme

384

5  Systemlandschaft im Asset Management

Instrument für das Anlagenmanagement, da sowohl Altersstrukturen als auch Technologien geografisch visualisiert werden können und auch Netzstrukturinformationen enthalten sind, die für die Netzplanung und den Netzbetrieb von herausragender Bedeutung sind. Zudem werden diese Informationen mehr und mehr mobil verfügbar, sodass sie auch als Grundlage für das Mobile Workforce Programm verwendet werden können. Als Grundlage für digitale Planwerke und die Geo-Informationssysteme dienen die amtlichen Grundkarten, die in der Regel bei den jeweiligen Vermessungsämtern vorliegen und den Infrastrukturunternehmen auch digital zur Verfügung gestellt werden können. Diese Informationen werden auf der Übersichtsebene in den topografischen Karten abgebildet. Durch Erhöhung der Abbildungstiefe wird die topografische Ebene verlassen und man gelangt auf der tieferen Ebene in die Katasterpläne mit Gebäudegrundrissen und Flurstückdarstellung. In diese Basisebene sind nun verschiedene Layer mit unterschiedlichen Informationen mit einzublenden. Abb. 5.5. zeigt ein Beispiel mit eingeblendeten Mittelspannungsleitungen und zugehörigen Umspannstationen. Bereits auf dieser Ebene lässt sich beispielsweise für das Anlagenmanagement ein Informationsgewinn über Mustererkennung herleiten, z. B. historisch gewachsener

Abb. 5.5   Beispiel: Topografische Karte (TK25) mit Mittelspannungsleitungen und Umspannstationen. (Quelle: EnBW)

5.3  Geo-Informationssysteme (GIS)

385

ungewöhnlicher Häufung von Betriebsmitteln, die in einem Erneuerungszyklus und die Realisierung eines Zielnetzes optimiert werden können. Oder es wird durch Zusatzinformationen erkennbar, wo die Verteilung von Freileitung und Kabel in einem Gebiet die Möglichkeit zu einer einheitlichen Netzentwicklung mit nur einer Technologie eröffnet. Das Planwerk lässt sich in drei Hauptkategorien einteilen: • Übersichtspläne, • Bestandspläne, • Sonderpläne. In den Übersichtsplänen befinden sich die oben genannten Informationsinhalte, die eine einfache Beurteilung und Maßnahmenableitung ermöglichen und einen Zusatznutzen, wie z. B. das Auffinden der Betriebsmittel vor Ort, schaffen. Die Bestandspläne beinhalten exakte und den Grundkarten angepasste maßstabstreue Abbildungen der Betriebsmittel inklusive Bemaßung der Längen und Abstände zu anderen Objekten. Das Bestandsplanwerk (Abb. 5.6) hat insbesondere große Bedeutung für die Planauskunft bei Bautätigkeiten zur Vermeidung von Beschädigungen und auch

Abb. 5.6   Beispiel: Bestandsplan Strom Maßstab, 1:500. (Quelle EnBW)

386

5  Systemlandschaft im Asset Management

bei der Zuordnung von Anlagen zu Grundstücken bezüglich der rechtlichen Situation der Gestattung dieser Betriebsmittel auf öffentlichem oder privatem Grund. Sonderpläne dienen einem spezifischen Zweck und sind anlassbezogen vom jeweiligen Unternehmen definiert. Betriebspläne können hier als Beispiel dienen. Diese zeigen zusammenhängende Infrastrukturteile, galvanisch verbundene Netzteile und die Möglichkeiten zur Verbindung solcher Teile z. B. im Störungsfall oder bei Arbeiten im Netz. Die Informationsinhalte in den Plänen können durchaus vielfältig und bei gemeinsamer Anzeige unübersichtlich werden, weshalb die Systeme in der Regel über eine Layertechnik die gewünschten Informationen in die Grundkarten ein- und ausblenden können. Abb. 5.6 zeigt ein funktionales Beispiel eines Bestandsplans für ein Stromnetz. Weitere Planbeispiele für Bestands- und Übersichtspläne sind in der einschlägigen Literatur ersichtlich z. B. [3, 7]. Die Visualisierung des Betriebszustandes in den Betriebsplänen ist in den Abb. 5.7 und 5.8 für Mittel- und Niederspannungsnetze beispielhaft dargestellt.

Abb. 5.7   Beispiel: Betriebsplan Mittelspannung, Maßstab 1:2500. (Quelle EnBW)

5.3  Geo-Informationssysteme (GIS)

387

Abb. 5.8   Beispiel: Betriebsplan Niederspannung, Maßstab 1:500. (Quelle EnBW)

Diese Information dient im Wesentlichen dem operativen Betrieb, hiermit kann auch ein „netzfremder“ Monteur die zusammenhängenden Stromkreise erkennen und ggf. Trennstellen bedienen oder die zum Arbeiten notwendigen Teile vom Netz freischalten. Die farbliche Darstellung der Niederspannungsabgänge und Teilnetze bildet dabei eine gute Sicherung z. B. gegen unabsichtliche Fehlschaltungen. Diese Informationen sind auch bei den Standards des Anlagenmanagers von Bedeutung, da hier die Schutzabschnitte (Sicherungen), mittlere Verbindungslängen in den Netzen, Zielnetzprämissen, Qualitätsthemen wie Spannungs- oder Druckhaltung über Datenmodelldefinitionen direkt aus dem Planwerk ermittelt werden könnten und als Kennzahlen für Netzentwicklungen oder Qualitätskennzahlen zur Verfügung stehen. Die Erstellung und Fortführung von Planwerken, z. B. für die öffentliche Elektrizitätsversorgung, wurde in der Vergangenheit durch DIN 2425 von 1983 geregelt. Aufgrund der beschriebenen Fortschritte innerhalb des digitalen Planwerkes wurde diese DIN-Vorschrift im Jahr 2005 zurückgezogen. Die aktuellen Anforderungen, die dieser Entwicklung Rechnung tragen, sind im Vorschriftenwerk des VDE verankert. Hier wurde 2010 eine diesbezügliche Anwendungsregel [3] durch das Forum für Netztechnik und Netzbetrieb FNN beim VDE in Kraft gesetzt. Damit ist für Infrastrukturunternehmen wieder ein Orientierungsrahmen entstanden, der von Datenaufnahme und Erfassung bis zur Aktualisierung und Datenhaltung die Mindestanforderungen beschreibt.

388

5  Systemlandschaft im Asset Management

5.4 Asset Strategie Planungssysteme (ASP) Das Anlagenmanagement in seiner Rolle und mit den Aufgaben insbesondere in der Erneuerung gemäß Abschn. 1.6 ist auch für den langfristigen nachhaltigen Erhalt der Anlagensubstanz der Infrastruktur verantwortlich. Im Rahmen der Vorgaben seitens des Asset Owners bzw. seines Auftraggebers ist die Substanzentwicklung zu steuern. Dies beinhaltet die Analyse, Aufbereitung und Darstellung von Szenarien mit geeigneten Parametervariationen, um die Implikationen von temporären Festlegungen z. B. beim Investitionsumfang auf die langjährige (10–25 Jahre) Entwicklung des Systems transparent zu machen. Die einfache Art einer derartigen Analyse über die Betrachtung von Mengengerüsten und Altersstruktur stößt sowohl in der Bearbeitungsdauer als auch in der Aussagefähigkeit bei einer größeren Anzahl von Betriebsmitteln sehr schnell an die Grenze des sinnvoll Machbaren. Dies insbesondere bei einer regelmäßig notwendigen, jährlichen Überprüfung und Anpassung der Ergebnisse der Analyse. Daher ist eine Unterstützung durch ein Softwaresystem mit automatisierten Analyse und Auswertfunktionen sowie Schnittstellen zu den Anlagedatenbanken für die Umsetzung dieser Aufgabe des Anlagenmanagements erforderlich. Derartige Systeme für die Asset Strategie Planung (ASP) sind zwar in den vergangenen Jahren immer häufiger am Markt aufgetaucht, dennoch sind derzeit nur wenige spezialisierte Systeme real verfügbar bzw. im Einsatz [10–12]. Die Grundstruktur eines ASP-Systems ist eine regelbasierte Wissensplattform, die die Alterung und den technischen Lebensdauerverbrauch des Infrastruktursystems simuliert und die zur Erhaltung bzw. Entwicklung der Substanz erforderlichen Austauschraten über die Jahre identifiziert. Die grundsätzliche Vorgehensweise ist hierbei in Abschn. 3.4 (Asset Simulation) für verschiedene Beispiele ausführlich dargestellt. Das Infrastruktursystem wird hierzu in verschiedene Systeme und Betriebsmittelklassen zerlegt und deren Alterungsketten in Abhängigkeit von Lebensdauer und Wartungsintensität hinterlegt. Zusatzinformationen, wie Schadensraten oder technologische Systemfehler, geben weiteren Informationsinput für die Simulation. Basis für ein ASP-System sind z. B. Programmstrukturen wie Business Dynamics [8]. Dabei werden in sich geschlossene Regelkreise mit verstärkenden oder abschwächenden Faktoren auf verschiedenen Wegen miteinander verknüpft, somit die Auswirkung verschiedener Einflüsse auf das Gesamtsystem nachgebildet und die Reaktion in den definierten Systemgrenzen analysiert (Abb. 5.9). In dieser Abbildung sind insgesamt vier verschiedene Bereiche: Finanzielle Aspekte, Markt/Kundenbedürfnisse, Ressourcen und Asset Basis dargestellt, die sich wiederum in unterschiedliche Kriterien unterteilen. Die eingetragenen Linien bzw. Pfeile stellen die Zusammenhänge zwischen den Kriterien dar. Die Darstellung entspricht hierbei den Wirkungsketten nach Abschn. 3.4.1 (Abb. 3.47, Ursache – Wirkungsketten) zur Ableitung einer Asset Simulation.

389

5.4  Asset Strategie Planungssysteme (ASP)

Finanzielle Aspekte

Markt / Kundenbedürfnisse

Ressourcen

Asset Basis

Abb. 5.9   Simulation des Gesamtsystems durch miteinander verknüpfte Regelkreise

Eine weitere Möglichkeit bildet auch die Anwendung von Fuzzy-Logik Strukturen bei denen mit sogenannten unscharfen Regelsets die Analyse eines menschlichen Experten nachgebildet wird (Abschn. 2.1.3). Der Aufbau und die Entwicklung des Systems hat dabei einen selbstlernenden Charakter, d. h., durch die Anwendung und langjährige Analyse ist das Anlagenmanagement in der Lage, mit den gesammelten Erfahrungen die Analyseergebnisse zu verifizieren und die Richtigkeit der Vorhersagen bzgl. Qualität, Ausfallraten und Optimierungspotenzial zu überprüfen. Faktoren, Alterungsketten und Entscheidungsregeln können entsprechend geschärft und aktualisiert werden. Dabei werden auch grundlegende Veränderungen wie Innovationen und Technologiewechsel berücksichtigt. Mit einem ASP-System wird also im Grunde eine virtuelle Welt aufgebaut und hierin das Infrastruktursystem nachgebildet (Abb. 5.10). Die Vorzüge einer virtuellen Welt als Versuchsumgebung sind: • Low-Cost Labor, • Variabilität von Zeit und Raum, • Wiederholbarkeit von Aktionen, • Simulation nicht durchführbarer, teurer, unmoralischer oder gefährlicher Entscheidungen, • Reduktion von Reaktionszeiten, • Testen von extremen Situationen. Die Eingangsdaten für das ASP-System sind wiederum die detaillierten Anlagendaten aus der Anlagendokumentation, die in einer Vorstufe zu Infrastruktursegmenten zusammengefasst werden. Hierzu benötigt das System eine Datenschnittstelle zum

390

5  Systemlandschaft im Asset Management

Virtuelles System Skalierbare Komplexität Bekannte Modellierung Steuerbare Prozesse Datenmodell

Simulation Strategieanwendung

Variationen-Einfluss vollständige Umsetzung exakte Anwendung zyklisches Lernen

Dynamische Erkenntnisse Wertungen Systemreakonen

Gedankenmodelle Parametervariationen wissenschaftliche Struktur dynamische Regeln

Reale Welt hohe Komplexität Ergebnisse nur in Echtzeit bedingte Steuerbarkeit Zufallseinflüsse

Simulationsergebnisse umfassend scharf, exakt sofort

Abbildung gesicherter Erkenntnisse unvollständig inkonsistent

Abb. 5.10   Simulation als Grundlage für reale Maßnahmen

ERP-System und zum GIS-System zur einfachen Aktualisierung der Datenbasis. Da jedes Jahr durch Zubau, Erneuerung und anderen Veränderungen die Anlagendaten variieren und die Simulationen und Analysen auf den aktuellen Daten jährlich verifiziert und neu durchgeführt werden sollten, ist eine derartige aufwandsarme Schnittstelle unbedingt erforderlich. Hierüber werden auch die weiteren, für die Analyse erforderlichen Daten wie Schadensraten und Störungsdaten sowie technologische Zusatzinformationen übertragen. Weitere Eingangsdaten sind kaufmännische Daten und Instandhaltungsinformationen, die zur Beurteilung von CAPEX- und OPEX-Auswirkungen (Abschn. 3.4.3) der jeweiligen Szenarien und Strategien führen. Auch diese Daten sind im ERP-System insbesondere im Instandhaltungs- und im Einkaufsmodul enthalten und jährlich zu pflegen. Alle diese Daten werden in der virtuellen Welt zu einem segmentierten Anlagenmodell zusammengefasst und stehen dann für die Simulation zur Verfügung. Ein wesentlicher Anteil an der Simulation haben die sogenannten Alterungsketten, die für jedes einzelne Segment aufgrund von Betriebserfahrung, Herstellerinformationen und Erfahrungswissen der Betriebsmittelexperten entwickelt und festgelegt werden. Abb. 5.11. zeigt ein Beispiel einer solchen Alterungskette, die den betreffenden Betriebsmittelzustand in vier Stufen darstellt und auch aufzeigt, wie der Übergang von „neuwertig“ über

5.4  Asset Strategie Planungssysteme (ASP)

Stufe 1

391

Stufe 2

Stufe 3

Erneuern

Stufe 4

große Wartung durchführen

Bau

steigender IH-Aufwand unzuverlässig

altern

Inbetriebnahme zuverlässiger Betrieb

schadensanfällig stilllegen werden altern

in Betrieb „neuwertig“

Instandsetzung

„zuverlässig“

„gealtert“

erneuerungsbedürftig „auszutauschen“

Abb. 5.11   Schematische Darstellung der Alterungskette eines Betriebsmittelsegments

„zuverlässig“ und „gealtert“ in „auszutauschen“ über die Zeit erfolgt und wie dieser Übergang durch Maßnahmen ggf. beeinflussbar bzw. umkehrbar ist. Zu diesen Maßnahmen gehören: Erneuern, große Wartung durchführen, Instandsetzung, stilllegen. Die Verweildauer in jedem Zustandsbereich kann dann mithilfe der Übergangsraten zwischen den Zuständen bestimmt werden, sodass dieses Verhalten der Darstellung der Markov-Ketten entspricht (Abb. 3.46). Die Übergangsraten werden nach Abb. 5.11 durch den Alterungsprozess (altern) dargestellt. Die Analyse ist für verschiedenste Anwendungen und Strategieentscheidungen des Anlagenmanagements als Basis zu sehen. Als Hauptergebnis steht immer die Entwicklung der „optimalen“ Erneuerungsstrategie unter Beachtung der vorgegebenen Randbedingungen und der Verteilung von OPEX und CAPEX im Vordergrund. Darüber hinaus ist die Ermittlung von weiteren finanztechnischen Kennzahlen möglich, z. B. Eigenkapitalverzinsung oder Cash-Flow, wie dieses beispielhaft in [1] dargestellt ist. Diese aus den verschiedenen Szenarien heraus zu entwickeln und die Konsequenzen der Verfolgung einer hieraus beschlossenen Strategie transparent zu machen, ist die Kernfunktion der ASPSysteme. Als Datenergebnis der Analysen entstehen segmentbezogene Erneuerungsraten über die Jahre des betrachteten Analysezeitraumes. Die ermittelten Erneuerungsmaßnahmen bewertet mit den notwendigen Finanzmitteln ergeben dann die notwendigen Budgetmittel, die in dieser langjährigen Verteilung für die Umsetzung der Strategie erforderlich sind. Weitere Ergebnisse sind beispielsweise die Darstellung der Entwicklung von Kennziffern, wie Anlagensubstanz und Versorgungsqualität in der Stromversorgung. Zwei exemplarische Anwendungsfälle sind in den Abb. 5.12 und 5.13 dargestellt, indem das Optimum der Störungs- und Erneuerungskosten unter Berücksichtigung der Versorgungsqualität ermittelt und ein Vergleich zwischen den Betriebskosten (OPEX) und Investitionskosten (CAPEX) bei verschiedenen Instandhaltungsstrategien gezeigt wird.

392

5  Systemlandschaft im Asset Management

Abb. 5.12 zeigt die Abhängigkeit der Störungs- und Erneuerungskosten von der Versorgungsqualität. Eine geringe Versorgungsqualität hat zwar aufgrund der hohen Anzahl an Störungen hohe Störungskosten zur Folge, die Kosten für die Erneuerung der Betriebsmittel sind in diesem Fall jedoch gering. Bei einer hohen Versorgungsqualität ist die Kostenverteilung entsprechend umgekehrt. Durch diesen Sachverhalt kann ein Optimum der Gesamtkosten zur Festlegung der optimalen Instandhaltungsstrategie, wenn die notwendige Versorgungsqualität eingehalten wird, abgeleitet werden. Darüber hinaus ist erkennbar, welcher zusätzliche finanzielle Aufwand entsteht, wenn eine hiervon abweichende Versorgungsqualität erreicht werden soll. Ein ähnliches Beispiel ist in Abschn. 3.2.6.4 in Bezug auf eine risiko-optimierte Instandhaltung beschrieben. Abb. 5.13 zeigt das Ergebnis einer Simulation mit einem ASP-Berechnungstool zur Bestimmung der langfristigen Auswirkungen von zwei unterschiedlichen Investitionsstrategien. Hierbei werden die Betriebs- und Investitionskosten über den gesamten Simulationszeitraum ermittelt und können somit verglichen und beurteilt werden. Die Anwendung eines derartigen Programms ist auch in [2] dargestellt. Die Ergebnisse sind aufgrund der statistischen Betrachtungsweise über das vollständige Infrastruktursystem in Segmentform nicht dazu geeignet, direkt einzelne Betriebsmittel oder Anlagen für die Erneuerung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu

Kosten

Summe Erneuerungskosten

∆ Kosten

Optimum

∆ Kosten

Störungskosten

∆ V-Qualität Versorgungsqualität

Abb. 5.12   Anwendungsbeispiele für ASP-Analysen: Kostenvergleich: Kostenoptimum und Versorgungsqualität

5.5  Projekt Priorisierungs-Systeme (PPS)

393

100

Kosten in M€ 75 Betrieb Strategie 1 Investition 50

Betrieb Strategie 2 Investition

25

0 2010

2015

2020

Abb. 5.13    Anwendungsbeispiele Investitionskosten

2025

für

2030

ASP-Analysen;

2035

2040

Strategievergleich:

2045 Jahr 2050

Betriebs-

und

identifizieren. Hierfür werden die Projekt-Priorisierungs-Systeme aus dem folgenden Abschnitt eingesetzt. Sie dienen aber als Grundlage zur Entwicklung des kurzfristigen und mittelfristigen Budgetplanes, ohne die eine Erneuerungsplanung immer von subjektiven Einschätzungen des Betriebspersonals einerseits und von historischen Investitionszyklen sowie Störungsgeschehen andererseits abhängig wäre. Tiefere Erkenntnisse über weiter in der Zukunft liegende, zu erwartende Finanzaufwendungen sowie die Möglichkeiten, eine gleichmäßige Auslastung über einen längerfristigen Zeitraum bei gleicher oder besserer Qualität zu erhalten, werden erst mit ASP-Analysen möglich.

5.5 Projekt Priorisierungs-Systeme (PPS) In der Analyse über einen langjährigen Zeitraum mittels ASP (Abschn. 5.4) werden die Erneuerungsraten wie beschrieben segmentweise bestimmt. Eine dezidierte Identifikation der notwendigen Projekte und Maßnahmen ist dagegen nicht Aufgabe dieser Systeme; diese wird innerhalb eines Projekt-Priorisierungs-Systems (PPS) durchgeführt. Basis für ein derartiges System ist eine Risikoanalyse zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer

394

5  Systemlandschaft im Asset Management

Störung als auch die Bewertung der Konsequenz, wenn eine IH-Maßnahme an Betriebsmitteln nicht durchgeführt wird. Eine Risikoanalyse kann auf unterschiedlicher Weise durchgeführt werden, Beispiele sind in Abschn. 3.2.6 ausführlich dargestellt. Die Grundlage für ein derartiges System ist ein Projekt- oder Maßnahmenspeicher, in dem die innerhalb des Anlagenmanagements identifizierten Erneuerungsmaßnahmen enthalten sind und der kontinuierlich weiter mit den aktuell entstehenden Maßnahmen gefüllt wird. Die im Anlagenmanagement vorkommenden Identifikationsanlässe für die Projekte sind im Wesentlichen: • Zielstrukturplanung, • technologische Austauschprogramme, • Zustandsbewertungen, • Schadensraten, • extern veranlasste Veränderungen. Der Speicher ist damit eine Datenbank, eine Liste oder Ähnliches gefüllt mit Projektvorschlägen. Die einzelnen Projekte für die vergleichende Beurteilung sind wiederum mit Attributen belegt, die eine Priorisierung auf der Basis der jeweiligen Einflussfaktoren ermöglichen. Idealerweise werden diese Projekte bereits als Projektideen so in einem System abgebildet, dass sie von dem Projektmodul des ERP-Systems bei Durchführungsentscheidung als schon vorbereitetes Kalkulationsobjekt übernommen und so mit wenig Aufwand in die Realisierung des Budgetplans überführt werden können. Dies zeigt wiederum die notwendige Verbindung PPS und ERP zur Übertragung von Daten aus der Anlagendatenbank (technische Objekte die als Erneuerungsprojekte identifiziert wurden) in das PPS und wieder zurück ins Projektmodul (aus der Priorisierung zur Durchführung entschiedene Projekte aus der Priorisierung). Die notwendigen Attribute, die innerhalb des PPS-Systems zur Entscheidung herangezogen werden, lassen sich noch in zwei Kategorien einteilen, in „Kann“ und in „Muss“ (k. o.-Kriterium), wobei eine entsprechende Einordnung in letzterer Kategorie zu einer zwingenden Durchführung des Projektes bzw. der Maßnahme führt. Mögliche Kriterien mit Attributen sind beispielhaft in Tab. 5.4 aufgeführt. Zusätzlich zu den Priorisierungskriterien müssen die Projekte in einer zweiten Betrachtung auf gegenseitige Abhängigkeiten (operative Umsetzbarkeit) und auf mögliche Alternativszenarien (Strukturänderungen usw.) überprüft und anschließend eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt werden, sofern dies innerhalb der Rahmenbedingungen des Infrastruktursystems erforderlich und sinnvoll umsetzbar ist. Am Ende eines Priorisierungsdurchlaufs entsteht eine Rangliste anhand derer, gemäß dem in den Budgets zur Verfügung gestellten Finanzmittel, ausgewählt werden kann, welche Projekte zusätzlich zu den identifizierten „Muss“-Projekte noch umgesetzt werden können. Durch die bereits auf Basis der ASP-Analyse festgelegte Strategie ist sichergestellt, dass mindestens zur Realisierung der „Muss“-Projekte ausreichende Budgetmittel zur Verfügung stehen, da dies als Minimalstrategie anzusehen wäre. Eine

5.6  Mobile Workforce

395

Tab. 5.4  Priorisierungskriterien Kriterium

Attribute

K. o.

Einhaltung von Normen und Gesetzen

Sicher eingehalten, interpretierbar, nicht eingehalten

Ja

Sicherheit von Personen

Ausgeschlossen, möglich, wahrscheinlich

Ja

Qualitätseinflüsse

Hoch, mittel, niedrig

Nein

Ausfallwahrscheinlichkeit

Hoch, mittel, niedrig

Nein

Kostenrisiko bei Schaden

Hoch, niedrig

Nein

Folgerisiken

Gegeben, unwahrscheinlich

Nein

Umsetzungskosten

Grobkalkulation je Projekt

Nein

Umsetzungszeitrahmen

Sofort, mittelfristig, variabel

Ja

derartige Minimalstrategie wird aufgrund der fehlenden Nachhaltigkeit in der Regel nicht als optimal anzusehen sein. Die Reihenfolge in der Priorisierung ermöglicht dem Anlagenmanagement somit für die Verwendung der Geldmittel, die über eine Minimalstrategie hinausgehen, die Projekte zu identifizieren, bei denen durch die Umsetzung der größte Effekt in Bezug auf Risikominimierung und Substanzerhalt entstehen. Damit wird neben der Definition der notwendigen Budgethöhe als Top-Down-Ansatz auch die Identifikation, Priorisierung und Umsetzungsplanung der im Jahresbudgetplan zu berücksichtigenden Umsetzungsprojekte als „Bottom-up“-Ansatz innerhalb des Anlagenmanagements durch ein System mit objektiven Kriterien und Entscheidungsmustern unterstützt. Da beide Ansätze durch unterschiedliche Wege und Systeme, aber auf der Basis derselben Datenbanken und Anlagendokumentationen, zu Ergebnissen kommen, bildet der Abgleich einer detaillierten Projektliste mit der Erneuerungsrate der betreffenden Jahresscheibe die Möglichkeit, die Projektbudgetplanung zu plausibilisieren und über die mehrjährige Anwendung die Richtigkeit der Strategieanalyse zu verifizieren. Eine Umsetzung von Projekt-Priorisierung in gleicher oder ähnlicher Systematik oder sogar im gleichen Programm-Algorithmus wie die Strategieanalyse, führt zu sich selbst bestätigenden Ergebnissen. Aus diesem Grund wird hier zum Erhalt der Plausibilisierungsmöglichkeit eine Systemtrennung – zumindest aber eine Trennung der Systematik – als erforderlich erachtet.

5.6 Mobile Workforce Informationen aus dem von ihm beauftragten operativen Betrieb sind für das technische Anlagenmanagement in mehreren Hinsichten von großer Bedeutung. Einerseits wird durch Rückmeldung und damit Durchführungsbestätigung der beauftragten Tätigkeiten die Erfüllung der vom Anlagenmanagement vorgegebenen Strategie dokumentiert.

396

5  Systemlandschaft im Asset Management

Dieses ist für den Nachweis der Einhaltung von Gesetzen und Normen und damit aus Haftungsrisikogründen aber auch gegenüber der Genehmigungsbehörde von außerordentlicher Wichtigkeit. Die so entstehenden Daten dienen also der juristischen Sicherheit des Infrastrukturunternehmens und stellen einen wichtigen Teil der Datenlandschaft der Infrastruktur dar. Weiterhin wird durch die, aus dem Betrieb über Inspektion und Wartung entstehenden, Protokolle die Information über den Zustand bzw. den Reparaturbedarf von Betriebsmitteln und Anlagen erfasst. Diese Daten sind für die verschiedenen bereits beschriebenen Analysen und auch für die Ermittlung von technischen Lebensdauern und Risiken unabdingbar erforderlich. Der operative Betrieb bildet gemeinsam mit der Netzführung sozusagen das „Auge und Ohr“ des technischen Anlagenmanagements in den Infrastrukturanlagen. Die Kombination dieser Informationsbereiche, ergänzt um Kosten und Zeitbedarf für die Tätigkeiten, ist Grundlage für den in Abb. 5.14 dargestellten Analysezyklus, der es dem Anlagenmanagement erlaubt, seine Instandhaltungsstrategien kontinuierlich zu überprüfen und zu verbessern. Auch die Möglichkeit, Gebiete bzw. Betriebsmittel zu erkennen, die z. B. aufgrund ihrer Wartungsintensität und damit ggf. unwirtschaftlichem Betrieb Handlungs- und Erneuerungsbedarf aufzeigen, ist mit diesen Daten in Verbindung mit der Anlagendokumentation möglich. Um die im operativen Betrieb entstehenden Daten IT-technisch verfügbar zu machen, finden bei immer mehr Arbeitsorganisationen Programme Anwendung, die als „Mobile technisches Anlagenmanagement

Budgetabgleich, Strategieüberprüfung, Kennzahlenbildung

Strategie Ableitung von Aufträgen mit Arbeitsvorbereitung

Arbeitspläne

Controlling, Analyse

zusätzliche Kundenaufträge

IH-Ablauf

Auftragsgenerierung

Rückmeldung Inspektions- und Wartungsberichte, Arbeitsdokumentation

Mobile Datenübertragung

Arbeitsverteilung und Ablaufoptimierung

Auftragsdurchführung operative Umsetzung

Abb. 5.14   Zyklus zur Überprüfung und Verbesserung von Strategien anhand der Betriebsdaten

397

5.6  Mobile Workforce

Workforce Systeme“ bezeichnet werden. Diese Systeme erhalten mithilfe mobiler Geräte Informationen von zentralen Datensystemen für das operative Betriebspersonal und können auch wieder Informationen dorthin übermitteln. Die Datenübertragungsumgebung derartiger Systeme ist exemplarisch in Abb. 5.15 dargestellt. Ihren Ursprung haben derartige Systeme bei mobilen Serviceeinheiten, die z. B. Kundendienst für Heizungen oder Haushaltsgeräte durchführen und schnell auf Kundenanforderungen aus den Call-Centern reagieren mussten. Mit der Verbreitung digitaler Telefonanlagen haben auch Telefongesellschaften als erste Infrastrukturunternehmen solche Systeme weiterentwickelt und auf ihre Bedürfnisse angepasst. Mittlerweile sind mobile Workforce Systeme bei vielen Versorgungsunternehmen in unterschiedlicher Ausprägung und Tiefe im Einsatz. Insbesondere die geforderte Effizienzsteigerung bei der Auslastung des Betriebspersonals und immer wartungsärmere Betriebsmittel führen sowohl zu einem ausgeweiteten geografischen Aktionsradius als auch größeren Betriebsmittelmengengerüst, welche von einem Monteur betreut werden sollen. Durch den Verlust der Ortskenntnis ist ein Einsatz der Systeme immer zwingender erforderlich. Wie in der gesamten Systemlandschaft ist auch bei den Workforce Systemen der Zugriff auf die Anlagendokumentation, sowohl lesend zur Identifikation als auch schreibend zur Aufnahme von Protokollen, Zuständen und Betriebsmittelhistorien von grundlegender Bedeutung. Die Systeme selbst sind für zwei Aufgabenbereiche des Infrastrukturunternehmens wichtig. Neben der Aufgabe der automatisierten Strategieumsetzung, der Überprüfung und des Controllings auf der Seite des technischen Anlagenmanagements stellen sie ein grundlegendes Steuerungsinstrument für den

Internet Mobile Endgeräte IP-basierte Verbindungen (LAN, 3G, GPRS) Web Application Server Workforce Infrastruktur Auftragssteuerung

Schnittstellensoftware ERP

Middleware GIS Back-end Systeme

Abb. 5.15   Systemumgebung für mobile Workforce Systeme

SCADA

398

5  Systemlandschaft im Asset Management

Service Provider, also den operativen Betrieb, dar. Sie ermöglichen nicht nur die Auftragssteuerung und -übermittlung sondern sind auch Informationsmedium für die mobilen Serviceeinheiten, dadurch dass zumindest ein Teil der Backend-Systeme auf den mobilen Endgeräten mit übertragen wird und somit direkt vor Ort zur Verfügung steht. Die unter Abschn. 5.3 beschriebenen Betriebspläne aus dem GIS können hier als anschauliches Beispiel dienen. Insbesondere bei Fremdvergabe dieser Aufgabenbereiche ist der Einsatz solcher Systeme die Grundlage einer wirtschaftlichen Leistungserbringung durch die Dienstleister, da der Arbeitsplanbezug auf die technischen Objekte des ERP-Systems auch eine individuelle Strategieumsetzung ermöglicht. Zudem ist die Ortskenntnis der mobilen Serviceeinheit aufgrund der vorliegenden Informationen aus dem mitgeführten IT-Gerät nicht mehr zwingend erforderlich. Dies bedeutet aber auch zwangsläufig eine Verknüpfung der einzelnen Komponenten, d. h. Zugriff auf die Informationen der den Auftrag umfassenden Infrastruktur in die Backend-Systeme des beauftragenden technischen Anlagenmanagements oder Integration dieser Daten in die eigene IT-Umgebung.

5.7 Netzplanungs- und Netzführungssysteme Ein weiterer bedeutender Teil der Systemlandschaft des Anlagenmanagements stellen die Werkzeuge zur digitalen Berechnung der Infrastruktur dar. Diese Werkzeuge haben bei allen Infrastruktursystemen die Funktion, die Leistungsfähigkeit des Systems zu verifizieren, Engpässe zu ermitteln und Zielstrukturen für Wachstum bzw. Veränderungen zu ermitteln. Dies gilt sowohl für Straßenbaumaßnahmen mit Verkehrsbewältigung und Stauvermeidung als auch für Rohrnetze mit Durchflussmengenbetrachtungen und Stromnetze mit elektrischen Impedanzen. Exemplarisch für das Stromnetz werden im Einzelnen die folgenden Standardprogramme für Übertragungs- und Verteilungsnetze nach Tab. 5.5 zur Berechnung verwendet. Im Folgenden wird daher exemplarisch die Betrachtung für dieses Infrastruktursystem ausführlicher dargestellt, eine Überführung auf andere Systeme ist in der Regel einfach möglich. Für den Bereich Gas-, Wasser- und Fernwärmenetze werden Lastflussprogramme eingesetzt, mit denen der Druck und die Strömungsgeschwindigkeit bzw. Temperatur in einem System ermittelt werden können. Beispielhaft sind in der Tab. 5.6 einige Berechnungsmöglichkeiten entsprechender Programme aufgeführt [12]. Die Durchführung von Netzberechnungen erfordert eine digitalisierbare mathematische Sicht auf das Infrastruktursystem. Die Kenntnis des einzelnen Betriebsmittels ist nur insoweit interessant, wie die elektrischen bzw. physikalischen Kenngrößen von diesen Betriebsmitteln abgeleitet werden können. Ein elektrisches Versorgungsnetz besteht in einer einfachen Betrachtung aus Umspann- bzw. Schaltanlagen, die durch Leitungsverbindungen (Kabel oder Freileitung) miteinander verbunden sind. In der digitalen Netzberechnung stellt dieses dann Knoten mit beliebig vielen Verbindungen und Maschen dar, die durch diese Verbindungen geschlossen werden. Diese

5.7  Netzplanungs- und Netzführungssysteme

399

Tab. 5.5  Standardberechnungsprogramme für elektrische Netze Programm

Beschreibung

Kurzschlussstrom

Berechnung der Kurzschlussströme bei unterschiedlichen Fehlern für die Auslegung der Betriebsmittel, z. B. Auswahl der Schaltgeräte und Netzstationen

Lastfluss

Strom- und Spannungsverteilung unter Berücksichtigung eines vorgegebenen Lastflusses, z. B. Festlegung des Querschnitts von Kabelverbindungen

Zuverlässigkeit

Ermittlung der Versorgungszuverlässigkeit unter Berücksichtigung der Ausfallraten von Betriebsmittel

Schutz

Einstellung des Netzschutzes zur Abschaltung von Kurzschlussströmen, Reaktionszeit und Auslösestrom

Oberschwingungen

Einfluss von Oberschwingungen durch Leistungselektronik, Einsatz von Filter zur Einhaltung der Spannungsqualität

Tab. 5.6  Standard Berechnungen für Wasser-, Gas- und Fernwärmenetze Netz

Berechnungen

Wasser

Durchflussmenge, Wasserdruck, zeitabhängige Verbraucherprofile, Querschnitte, Löschwasserpläne (Druck, Löschwassermenge)

Gas

Durchflussmenge, Gasdruck, Querschnitt, Verbraucherprofile

Fernwärme

Durchflussmenge, Fernwärmedruck, Querschnitt, Verbraucherprofile, Temperaturund Energieverluste, Vor- und Rücklauf

Verbindungen werden wiederum durch elektrische Kenngrößen charakterisiert, im Wesentlichen die elektrischen Impedanzen sowie die Leistungsfähigkeit zum normalen Leistungstransport sowie die Kurzschlussfestigkeit bei möglichen Fehlern. Diese Kenngrößen sind durch die Herstellerangaben gegeben und garantiert, was insbesondere die Grenzwerte der Betriebsmittel zum Schalten und Steuern betrifft. Dabei ist das Betriebsmittel mit dem geringsten Leistungsgrenzwert bestimmend für die Leistungsfähigkeit des gesamten Knotens, es stellt den sogenannten Engpass dar. Das Netzberechnungswerkzeug bildet nun mit charakteristischen Werten der Betriebsmittel einen Berechnungsdatensatz, der das mathematische Abbild des Netzes darstellt und welcher die Grundlage für alle mathematischen Analysen und Betriebsvorgänge zeigt. Dieser Datensatz dient als Basis für zwei Aufgabenbereiche: • Netzstrukturplanung Das Infrastruktursystem unterliegt einem stetigen Wandel, Kunden werden neu angeschlossen, Industriestandorte verlagern sich, die Energieeinspeisung verändert sich von zentraler zu dezentraler Einspeisung usw. Die Netzstrukturplanung bildet derartige Veränderungen ab und verfolgt eine Zielnetzentwicklung, die anhand der gegebenen Randbedingungen und vom Anlagenmanagement festzulegender

400

5  Systemlandschaft im Asset Management

­ rämissen (Lastwachstum, Risikoakzeptanz, Betriebsreserven, usw.) eine langfristig P zu erreichende Struktur abbildet, auf die dann durch Entwicklungs- und Erneuerungsprojekte hingearbeitet wird. Die Netzstrukturplanung setzt auf einem jährlich zu aktualisierenden „Ur-Datensatz“ auf, der für den kreativen Planungsprozess die feste Grundlage und einen nachvollziehbaren Ausgangspunkt darstellt. Durch Planungsvarianten werden in einem reinen Offline-Prozess die Standardberechnungen (Lastfluss- und Kurzschlussberechnung) durchgeführt und je Netzgebiet eine optimale Zielnetz-Variante ermittelt. Innerhalb dieses Zielnetzes gibt es das Bestandsnetz mit der Betrachtung möglicher und notwendiger Erneuerungen sowie Weiterentwicklungen. Dieses sind z. B. Neubauten auf der Basis externer Entwicklungsinformationen, die auf konkreten Kundenprojekten aber auch auf allgemeiner Wirtschaftsentwicklung beruhen können. Eine ausführliche Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte in Bezug auf die Ausarbeitung einer Netzentwicklungsstrategie unter Berücksichtigung der erforderlichen Randbedingungen ist eingehend in Abschn. 2.1.7 beschrieben. Die Netzstrukturplanung ist eine reine Anlagenmanagementaufgabe, da insbesondere in der Planungsphase die Weichen für die Qualität und auch die Betriebskosten des Infrastruktursystems gestellt werden. Planungssysteme sind mittlerweile weitreichend etabliert und von den großen Herstellern und Spezialanbietern auf dem Markt erhältlich, z. B. [12]. • Netzführungsaufgaben (SCADA) Die komplexen Betriebsprozesse in Infrastruktursystemen werden mittlerweile durch den Einsatz von Netzleittechnik und Fernwirkgeräten durch ControlCenter, im elektrischen Netz durch Netzleitstellen, geführt. Diese garantieren eine schnelle Reaktionszeit bei Fehlern und sind zudem, bei den geografisch weit verteilten Netzen, die einzige Möglichkeit, diese sicherheitsrelevanten Infrastrukturen einer permanenten und sicheren Überwachung zu unterziehen. Eine ausführliche Beschreibung derartiger Netzleittechnik ist z. B. in [5] zu finden. Die Aufgaben aus der „Supervisory Control And Data Acquisition“ (SCADA) sind dem Netzbetrieb zuzuordnen, sie dienen dem sicheren Betrieb des Infrastruktursystems aber eben auch der Datenbeschaffung („Data Acquisition“) und damit dem Informationseingang bezüglich Belastungsdaten, Fehlerraten und auch Betriebsmittelverfügbarkeit. Diese Daten wiederum sind wichtige Eingangsdaten für die Strategien des Anlagenmanagements. Das SCADA-System ist ein Online-System, es erhält seine Informationen nahezu in Echtzeit von den Sensoren in den Anlagen und greift direkt über Fernsteuerung auf die Schalt- und Regelgeräte im Netz zu. Die Grundlage des Systems zur Durchführung von Lastflussrechnungen, Kurzschlussrechnungen und Betriebsüberwachung ist wiederum der bereits erwähnte Datensatz. Für die Betriebsführung muss dieser jedoch permanent angepasst werden, da jede Baumaßnahme und jede Betriebsmitteländerung eine direkte Veränderung der Grenzwerte und Netzeigenschaften mit sich bringt und diese sofort (bei Inbetriebnahme) in das operative System aufgenommen werden muss, um Fehlberechnungen und daraus resultierende Fehlhandlungen zu vermeiden.

5.7  Netzplanungs- und Netzführungssysteme

401

Für beide oben beschriebenen Aufgabenbereiche (Netzstrukturplanung und Netzführungsaufgaben) sind die gleichen Grunddatensätze zu erstellen mit dem Unterschied der permanenten Aktualisierung in der Netzführung und der stichtagsbezogenen Ur-Datensatzbildung in der Strukturplanung. Die Erstellung erfolgt auf der Basis der Betriebsmittel aus der Anlagendatenbank und ist im optimalen Fall automatisiert. Hierfür gibt es je nach Ausprägung der Systeme zwei Möglichkeiten. Ist das ERP- bzw. das GIS-System in der Lage, aus den technischen Kenngrößen und Grenzwerten die elektrischen Ersatzwerte zu berechnen, wird dies direkt in diesen Systemen durchgeführt. Durch eine intelligente Schnittstelle, die in der Lage ist, die Betriebsmittel der Netzstruktur am richtigen Platz mit der richtigen Verknüpfung zuzuordnen, werden die elektrischen Kenngrößen dann in das Berechnungssystem überspielt und hier wird der Grunddatensatz erstellt. Änderungen müssen für das Netzführungssystem zeitnah im ERP eingepflegt sein, um eine Teilaktualisierung des Betriebsdatensatzes zu ermöglichen. In der zweiten Möglichkeit werden die technischen Kenngrößen direkt in das Berechnungswerkzeug übergeben und dort in entsprechende elektrische Ersatzwerte umgerechnet, wobei sich diese dann schon in der logisch richtigen Netzstruktur befinden. Auch in diesem Fall ist eine zeitnahe Teilaktualisierung bei Änderungen erforderlich und möglich. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass sowohl Netzplanung als auch Netzbetrieb auf der gleichen Datenbasis aufsetzen, um ein Auseinanderlaufen von „theoretischer“ Planung und „realem“ Betrieb zu vermeiden und die Diskussionsfähigkeit von Betrieb und Planung zur Netzstrukturentwicklung zu erhalten. Die Erstellung des Datensatzes und die Pflege der Grenzwerte/Engpässe ist Aufgabe des Anlagenmanagers. Die Planungssysteme sind in der Regel nicht über direkte Schnittstellen mit der Anlagendatenbank verbunden, die Datensätze werden durch Übergangssysteme erzeugt. Auch in die umgekehrte Richtung gibt es Informationstransport aus den SCADASystemen normalerweise durch entkoppelte Systeme, um den autarken und sicheren Betrieb dieser Systeme zu gewährleisten. Wichtige Informationen für das Anlagenmanagement sind z. B.: • • • • • • • •

Belastungsdaten von Betriebsmitteln, Lastgangkurven und Gleichzeitigkeitsfaktoren, Einspeisequellen und Daten, Störungen, Ort und Dauer, Reaktionszeiten von Betriebsmitteln, Verfügbarkeiten bei Instandhaltungsaufgaben, Betriebskenngrößen (Strom, Spannung, usw.), externe Einflüsse (fremde Baustellen, usw.).

402

5  Systemlandschaft im Asset Management

Diese Informationen werden in der Netzentwicklungsstrategie und auch in der Definition und Festlegung von Planungsprämissen berücksichtigt, um eine an den operativen Betriebsbedingungen gespiegelte Risikostruktur in den Zielnetzplanungen zu implementieren. Ist das Risiko zu hoch, werden entweder die Störungskosten die Investitionseinsparungen überwiegen oder bei jeder Maßnahme im Netz sind teure Provisorien zum Erhalt der Betriebsfähigkeit erforderlich. Wird das Netz überdimensioniert, sind die spezifischen Netzkosten zu hoch und die Investitionsmittel nicht optimal zugeordnet worden. Vor dem Hintergrund der Langlebigkeit der Infrastruktur sind derartige Fehlplanungen über Jahrzehnte kaum zu korrigieren. Somit stellen diese Daten eine der wichtigsten Basisinformationen für die Abschätzung der neben Instandhaltung und Erneuerung dritten Strategieebene des technischen Anlagenmanagements dar, der Netzentwicklung. Die Daten selbst werden in den SCADA-Systemen und unterlagerten oder parallelen Datenbanken, wie z. B. der Störungsdatenbank, archiviert und stehen dort zur Verfügung. Das Besondere an diesen Betriebsdaten ist, dass sie quasi nirgendwo anders erfasst werden können und somit in ihrer Gesamtheit redundanzfrei auch in diesen Systemen verbleiben können. Lediglich die exakte Störungszuordnung zu weiter in Betrieb befindlichen Betriebsmitteln wird auch im Instandhaltungsmodul in der Betriebsmittelhistorie hinterlegt, sofern es sich um ein werthaltiges Betriebsmittel handelt.

5.8 Zusammenfassung In den Abschnitten dieses Kapitels wird die Wichtigkeit der Dokumentation und Datensystemen aufgezeigt. Die Notwendigkeit, nur die „richtigen“ Daten in den Modellen zu erfassen und zu verarbeiten, ist insbesondere im Hinblick auf die Kosten von Datenerfassung, -speicherung und -verarbeitung dargestellt. Anlagenmanagement in seiner modernen Form in der Entwicklung und Umsetzung von effizienten Systemvorhaltungsund Systembetriebsstrategien benötigt als Basis eine Systemlandschaft, um IT-­unterstützt datenbasierte Analysen zu machen und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Dabei spielen die verschiedenen einzelnen Programme in ihrer jeweils speziellen Funktion eine wichtige Rolle. In ihrer Vernetzung und den damit verbundenen Grundsätzen von redundanzfreier Datenerfassung und -haltung einerseits und die Bildung und Verarbeitung von konsistenten Datensätzen in den einzelnen Programmen andererseits bilden sie die eindeutige Arbeitsgrundlage für das Anlagenmanagement, aber auch für den Anlagenservice. Die Gesamtheit der Systemlandschaft und das Zusammenspiel der einzelnen Programme werden in Abb. 5.16 zusammenfassend verdeutlicht.

Literatur

403

Netzplanung / Netzführungssystem GEOInformations -System

StörungsSchadensDB

ERP Anlagenstruktur

Abrechnung

Messund Zählwerte

Materialwirtschaft

Budget + € Controlling

AssetStrategie



Verbrauchsstelle

Auftrag

Mobile Einsatzsteuerung Route

Auftragspläne Arbeit

Arbeit spläne spläne

Fig. 5.16   Die Datensystemlandschaft im Überblick

Literatur 1. Balzer G, Asgarieh L, Precht A, Schorn C (2010) General considerations of the incentive regulation requirements for investment costs analysis. CEPSI 2010, Taipeh, PP0 101005 2. Balzer G, Asgarieh L, Mathis M (2010) Asset simulation for long term resource planning. CEPSI 2010, Taipeh, TS0 204 3. FNN/VDE Anwendungsregel (2010) VDE-AR-N 4201. VDE Verlag, Berlin 4. Gronau N (2004) Enterprise resource planning und supply chain management. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 5. Rumpel D, Sun JR (1989) Netzleittechnik, Informationstechnik für den Betrieb elektrischer Netze. Springer, Berlin 6. Schertler W (1985) Lehrbuch der Organisation und strategische Unternehmensführung. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 7. Schulze H (1997) Anlagentechnik für elektrische Verteilungsnetze, Band Netzdokumentation. VWEW Verlag, Frankfurt 8. Sterman J D (2000) Business Dynamics. McGraw-Hill Higher Education, New York 9. www.erp-software.org 10. www.fichtner.de 11. www.intellgenio.de 12. www.neplan.ch 13. www.wirtschaftslexikon24.net

6

Statistik

Zur Festlegung einer Instandhaltungsmaßnahme bzw. für Zuverlässigkeitsberechnungen ist die Kenntnis des Fehlerverhaltens der eingesetzten Betriebsmittel unerlässlich. Hierbei besteht häufig die Aufgabe, aufgrund der Vielzahl der Geräte, aus einer Stichprobe die zukünftigen Eigenschaften einer Grundgesamtheit abzuleiten, wodurch die Datenmenge beschrieben wird. Grundlage der mathematischen Statistik ist hierbei die Anwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie [1, 10, 13, 17, 18]. Im Folgenden wird auf die wesentlichen Grundlagen der Statistik eingegangen, die in den angegebenen Referenzen ausführlich beschrieben sind.

6.1 Wahrscheinlichkeit Das zukünftige Verhalten eines Betriebsmittels kann mithilfe der Wahrscheinlichkeit charakterisiert werden. Die Wahrscheinlichkeit ergibt sich aus der Beobachtung der Häufigkeit der Ereignisse aus der Vergangenheit. Hierbei bedient sich die Wahrscheinlichkeitsrechnung der deskriptiven Statistik.

6.1.1 Einfache Wahrscheinlichkeit Als einfache Wahrscheinlichkeit wird das Eintreten eines bestimmten Ereignisses bezogen auf eine Grundgesamtheit aller möglichen Ereignisse bezeichnet. Hierbei kann es sich um unabhängige, sich ausschließende oder komplementäre Ereignisse handeln, mit folgenden Definitionen:

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 G. Balzer und C. Schorn, Asset Management für Infrastrukturanlagen – Energie und Wasser, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61526-3_6

405

406

6 Statistik

• unabhängig:

Die Schadensereignisse eines Betriebsmittels A haben keinen Einfluss auf das Schadensverhalten des Betriebsmittels B

• sich ausschließend:

Die Schadensereignisse können nicht zur selben Zeit auftreten

• komplementäre:

Es besteht nur die Wahl zwischen zwei Ereignissen, d. h., ein Betriebsmittel ist entweder ein- oder ausgeschaltet, sodass die Summe der Wahrscheinlichkeiten für beide Ereignisse stets P = 1 ist

6.1.2 Bedingte Wahrscheinlichkeit Bei der bedingten Wahrscheinlichkeit hängt das Auftreten eines Ereignisses nach einer Zeit T von dem Verhalten bis zu diesem Zeitpunkt ab. Dieses bedeutet, dass das Störungsverhalten eines Betriebsmittels, z. B. der komplette Ausfall und damit der erforderliche Ersatz, davon abhängt, dass dieses Gerät bis zu diesem Zeitpunkt nicht bereits ersetzt wurde. Somit hängt die Wahrscheinlichkeit des Auftretens des Ereignisses A im Zeitbereich T + t von der Wahrscheinlichkeit des Ereignisses B bis zum Zeitpunkt T ab.

6.1.3 Venn-Diagramme Die Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsberechnung werden mithilfe der VennDiagramme veranschaulicht (Abb. 6.1). Ein Venn-Diagramm ist im Normalfall ein Rechteck, was den gesamten Wahrscheinlichkeitsraum umfasst. Innerhalb dieses Raumes gibt es zwei oder mehrere Ereignisse, deren Wahrscheinlichkeit betrachtet wird. Beispielhaft gilt für die beiden Ereignisse A und B, dass sie in dem Wahrscheinlichkeitsraum S auftreten können. Wenn das Ereignis B innerhalb des Ereignisses A liegt, dann ist B eine Untermenge von A (Abb. 6.1 links). Dieses ist eine Möglichkeit der Verbindungen der Ereignisse von A und B. Der Extremfall ist dann, wenn die Ereignisse A und B völlig unabhängig voneinander sind (Abb. 6.1 rechts).

S

A B

Abb. 6.1   Venn-Diagramme

S

S

A B

A B

6.1 Wahrscheinlichkeit

407

6.1.4 Regeln der Wahrscheinlichkeitsberechnung Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsberechnung sind allgemeine Regeln, die im Folgenden definiert werden. Regel 1: Unabhängige Ereignisse Zwei Ereignisse sind unabhängig voneinander, wenn sie sich gegenseitig nicht beeinflussen. Zum Beispiel hat das Ergebnis eines Würfelspiels keinen Einfluss auf das Resultat das Werfen einer Münze. Regel 2: Sich ausschließende Ereignisse Zwei Ereignisse schließen sich gegenseitig aus, wenn sie nicht zur selben Zeit auftreten können. Dieses Verhalten wird durch das Venn-Diagramm (Abb. 6.1 rechts) charakterisiert, in dem die beiden Ereignisse sich nicht überlappen. Da die Ereignisse A und B nicht den ganzen Raum beanspruchen, können somit auch noch andere Ereignisse auftreten. Als Beispiel kann ein Würfel gelten: Das Werfen der Zahl 1 und 2 zur selben Zeit schließt sich gegenseitig aus. Regel 3: Komplementäre Ereignisse Zwei Ereignisse sind komplementär zu einander, wenn das Ereignis A nicht eintritt, muss das Ereignis B eintreten. Dieses wird durch das Venn-Diagramm nach Abb. 6.2 dargestellt. Wenn die beiden Wahrscheinlichkeiten mit P(A) und P(B) beschrieben werden, dann gilt:

P(A) + P(B) = 1

_

(6.1)

P(B) = P(A)

_

mit P(A) der Wahrscheinlichkeit, dass A nicht eintritt. Als Beispiel kann das Werfen eine Münze angesehen werden. Hierbei sind Kopf oder Zahl möglich. Regel 4: Bedingte Ereignisse Bedingte Ereignisse treten unter der Voraussetzung des Eintretens eines anderen Ereignisses auf (Satz von Bayes). Es existieren zum Beispiel zwei Ereignisse A und B, wobei Abb. 6.2   Venn-Diagramm für komplementäre Ereignisse

B

A

408

6 Statistik

die Wahrscheinlichkeit von A von B abhängt. Mathematisch wird dieses mit P(A|B) beschrieben. Die Wahrscheinlichkeit wird durch das Venn-Diagramm nach Abb. 6.1 (Mitte) gekennzeichnet, das heißt, die Wahrscheinlichkeit entspricht dem Bereich, der von beiden Flächen A und B gemeinsam eingeschlossen wird. Für die bedingte Wahrscheinlichkeit gilt dann nach dem Venn-Diagramm die Beziehung:

P(A|B ) =

Wahrscheinlichkeiten, dass A und B eintreten Wahrscheinlichkeit, dass B eintritt

(6.2)

Für die Wahrscheinlichkeit folgt:

P(A|B ) =

P(A ∩ B) P(B)

(6.3)

Regel 5: Gleichzeitiges Eintreten von Ereignissen In diesem Fall treten die beiden Ereignisse zur selben Zeit auf, dieser Vorgang wird nach dem Venn-Diagramm (Abb. 6.1, Mitte) durch das Gebiet charakterisiert, was von beiden Bereichen A und B gebildet wird. Die mathematische Bezeichnung lautet:

(A ∩ B)

(6.4.)

(A AND B)

Hierbei werden zwei Fälle unterschieden: • Die Ereignisse A und B sind unabhängig. In diesem Fall gilt: (6.5)

P(A ∩ B) = P(A) · P(B) Wenn n-unabhängige Variablen vorliegen, gilt allgemein:

P(A1 ∩ A2 ∩ . . . ∩ Ai ∩ . . . ∩ An ) =

n 

P(Ai )

(6.6)

i=1

Beispiel: Es werden zwei Transformatoren ausgewählt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Transformator A in Ordnung ist, beträgt P(A) = 0,9; für Transformator B ergibt sich: P(B) = 0,8. Die Gesamtwahrscheinlichkeit, dass beide Betriebsmittel in Ordnung sind, ergibt sich dann:

P(A ∩ B) = P(A) · P(B) = 0,72

(6.7)

• Die Ereignisse A und B sind abhängig. Wenn die Ereignisse A und B abhängig sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von A vom Ergebnis B abhängig. Für diesen Fall kann Gl. (6.8) verwendet werden:

6.1 Wahrscheinlichkeit

409

P(A ∩ B) = P(A) = P(A|B ) · P(B)

(6.8)

Beispiel: Es wird angenommen, dass von einem Spiel mit 32 Karten eine rot ist (A) und die zweite Karte eine Dame sein soll (B). Für die Wahrscheinlichkeiten gilt hierbei:

P(A) = (16/32) = 0,5 Wenn das Ereignis A eintritt, können zwei Damen noch rot sein, sodass gilt:

P(A|B ) = 2/16 Für die Wahrscheinlichkeit, dass beide Ereignisse eintreten, ergibt sich nach Gl. (6.7):

P(A ∩ B) = (16/32) · (2/16) = 1/16 Beispiel: Ebenso ergibt sich für das Ereignis P(B) (Wahrscheinlichkeit, dass eine Dame gezogen wird):

P(B) = 4/32 Falls das Ereignis B eingetreten ist, gilt für P(A|B ) = 2/4, sodass sich ergibt:

P(B ∩ A) = (4/32) · (2/4) = 1/16 Das oben dargestellte Ergebnis kann auch direkt abgeleitet werden, da in einem Kartenspiel zwei rote Damen vorhanden sind. Regel 6: Eintritt wenigstens eines Ereignisses Hierbei wird vorausgesetzt, dass von zwei Ereignissen wenigstens ein Ereignis eintritt (A oder B oder beide). Im Venn-Diagramm ist dieses durch die beiden Gebiete A und B nach Abb. 6.1 (Mitte) dargestellt. In diesem Fall gilt die Darstellung:

(A ∪ B)

(A OR B)

Bei dieser Regel müssen insgesamt drei Fälle unterschieden werden. • Die Ereignisse A und B sind unabhängig, aber schließen sich nicht gegenseitig aus. Für die Wahrscheinlichkeit gilt:     P(A ∪ B) = 1−P A ·P B = 1−[1 − P(A)]·[1 − P(B)] = P(A)+P(B)−P(A)·P(B) (6.9) Das Ergebnis der Gl. (6.9) kann auch aus dem Venn-Diagramm nach Abb. 6.1 (Mitte) direkt abgeleitet werden.

P(A ∪ B) = P(A) + P(B) − P(A ∩ B)

(6.10)

410

6 Statistik

Der letzte Ausdruck muss hierbei abgezogen werden, da er sonst in den Wahrscheinlichkeiten P(A) und P(B) doppelt enthalten ist. Mit Gl. (6.5) folgt dann:

P(A ∪ B) = P(A) + P(B) − P(A) · P(B)

(6.11)

Beispiel: Für das Beispiel entsprechend der Regel 5 ergibt sich in diesem Fall [Transformator P(A) = 0,9; Transformator P(B) = 0,8].

P(A ∪ B) = 0,9 + 0,8 − 0,9 · 0,8 = 0,98 • Die Ereignisse A und B sind unabhängig, aber schließen sich gegenseitig aus. Unter dieser Bedingung schließt sich die Wahrscheinlichkeit des Eintretens beider Ereignisse aufgrund der Definition aus, sodass das Produkt P(A)·P(B) gleich null ist. Dieses Ergebnis kann aus dem Venn-Diagramm (Abb. 6.1, rechts) entnommen werden, da es keine Überlappung gibt. Wenn n-unabhängige Ereignisse auftreten können, so gilt allgemein:

P(A1 ∪ A2 ∪ . . . ∪ Ai ∪ . . . ∪ An ) =

n 

P(Ai )

(6.12)

i=1

• Die Ereignisse A und B sind abhängig. Wenn die Ereignisse A und B abhängig sind, dann ergibt sich aus Gl. (6.11) und (6.12).

P(A ∪ B) = P(A) + P(B) − P(A ∩ B) = P(A) + P(B) − P(B|A ) · P(A) P(A ∪ B) = P(A) + P(B) − P(B|A ) · P(A)

(6.13)

Beispiel: Für das Beispiel nach Regel 5 (Ereignisse sind abhängig) ergibt sich unter der Bedingung, dass die gezogene Karte rot, eine Dame oder beides ist:

P(A) =

4 2 16 P(B) = P(B|A ) = 32 32 16

Daraus folgt:

P(A ∪ B) =

4 2 16 9 16 + − · = 32 32 16 32 16

Regel 7: Bedingte Wahrscheinlichkeit Das grundsätzliche Prinzip ist bereits in der Regel 4 dargelegt, indem das Ereignis A vom Ereignis B abhängig ist. Dieses Verfahren kann auf mehrere Ereignisse Bi erweitert werden. Nach Gl. (6.3) folgt

P(A ∩ B) = P(B|A ) · P(B)

(6.14)

6.1 Wahrscheinlichkeit

411

für i-Abhängigkeiten. n 

P(A ∩ Bi ) =

n 

P(A|Bi ) · P(Bi )

(6.15)

i=1

i=1

Wenn Gl. (6.16) über die Ereignisse Bi aufsummiert wird, dann ergibt sich nach Abb. 6.3: n 

P(A ∩ Bi ) = P(A)

(6.16)

i=1

Hiermit reduziert sich Gl. (6.15) auf:

P(A) =

n 

(P|Bi ) · P(Bi )

(6.17)

i=1

Beispiel: Es wird angenommen, dass Überspannungsableiter in zwei Fabriken hergestellt werden, hierbei wird der Gesamtbedarf zu 60 % von Fabrik 1 gefertigt. Darüber hinaus ergibt sich, dass die Ableiter der Fabrik 1 zu 95 % und der Fabrik 2 zu 90 % dem geforderten Standard entsprechen. Es soll (a) bestimmt werden, wenn bei einem Kauf von 100 Ableitern, wie groß der Anteil ist, die dem Standard entsprechen. Zusätzlich ist zu berechnen (b), mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Standardableiter in der Fabrik 2 hergestellt wird. Zu a: Zur Ermittlung wird vorausgesetzt, dass ein Standardableiter A ist und ein Ableiter in der Fabrik 1 mit B1 und in der Fabrik 2 mit B2 bezeichnet wird. Unter diesen Voraussetzungen gelten folgende Annahmen:

P(A|B1 ) = 0,95

P(B1 ) = 0,6

Abb. 6.3   Venn-Diagramm für bedingte Wahrscheinlichkeit

P(A|B2 ) = 0,9

P(B2 ) = 0,4

B1

A

B2

B5 B4

B3

412

6 Statistik

Nach Gl. (6.17) folgt dann:

P(A) = 0,95 · 0,6 + 0,9 · 0,4 = 0,93 Dieses bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 93 % die gekauften Ableiter dem Standard entsprechen. Zu b: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Standardableiter aus der Fabrik 2 kommt, wird mit P(B2 |A ). Aus (a) ergibt sich für die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ableiter aus der Fabrik 2 kommt und ein Standardableiter ist zu

P(A ∩ B2 ) = P(A|B2 ) · (B2 ) = 0,9 · 0,4 = 0,36 Für die Wahrscheinlichkeit, dass in der gesamten Menge ein Standardableiter ist, gilt nach Beispiel (a): P(A) = 0,93. Hieraus ergibt sich für die Beantwortung der Frage (b):

P(B2 |A ) =

0,36 P(A ∩ B2 ) = = 0,387 P(A) 0,93

Wenn im Gegensatz zu oben, die Wahrscheinlichkeit von A nur von zwei Zuständen B0 und Bi abhängig ist, so gilt nach Gl. (6.17):

P(A) = P(A|Bi ) · P(Bi ) + P(A|B0 ) · P(B0 )

(6.18)

Bei Wahrscheinlichkeitsberechnungen können diese Zustände z. B. „in“ und „out“ für Betriebsmittel sein. Wenn zum Beispiel ein System aus zwei Komponenten besteht und dieses System dann ausfällt, wenn beide Komponenten nicht in Betrieb sind (Parallelschaltung), dann gilt für den Ausfall des Gesamtsystems:

P(A) = P(A|Bi ) · (1 − QB ) + P(A|B0 ) · QB

(6.19)

Mit A Ausfall des Systems Bi Betriebsmittel in Betrieb B0 Betriebsmittel außer Betrieb QA, QB Wahrscheinlichkeit, dass das Betriebsmittel A oder B außer Betrieb ist P(A) Wahrscheinlichkeit für den Ausfall des Gesamtsystems Aus Gl. (6.19) ergibt sich:

P(A) = 0 · (1 − QB ) + QA · QB = QA · QB

(6.20)

Nach Gl. (6.20) folgt, dass ein Ausfall des Gesamtsystems nicht möglich ist, wenn ein Betriebsmittel in Betrieb, nicht in Betrieb oder ausgefallen ist [P(A|Bi ) = 0].

6.2  Kenngrößen von Wahrscheinlichkeitsverteilungen

413

6.2 Kenngrößen von Wahrscheinlichkeitsverteilungen Zur Beschreibung von statistischen Zusammenhängen werden verschiedene Größen verwendet, die eine Verteilung beschreiben.

6.2.1 Erwartungswert – Mittelwert Der Erwartungswert E(x) einer Dichteverteilung wird auch als arithmetischer Mittelwert µ bezeichnet und kennzeichnet den Schwerpunkt einer Verteilung (er stellt jedoch nicht den erwarteten Wert dar, sondern dieser wird nur bei einer unendlichen Anzahl an Daten erreicht). Der Mittelwert berechnet sich aus der Anzahl der einzelnen Werte xi, multipliziert mit dem Wahrscheinlichkeitswert nach Gl. (6.21) für den diskreten Fall.

E(x) =

n 

xi · Pi

bzw.

E(x) =

i=1

x1 + x2 + · · · + xn =µ n

(6.21)

Wenn für die einzelnen Ergebnisse eine Funktion f(x) vorliegt, dann kann die Summe in ein Integral überführt werden. Für den Erwartungswert ergibt sich dann im Falle einer stetigen Verteilung (Abschn. 6.3):

+∞ E(x) = x · f (x) dx

(6.22)

−∞

Der Mittelwert einer Datenmenge wird in erheblichem Maße von Ausreißern beeinflusst und aus diesem Grunde kann es sinnvoll sein, diese Extremwerte bei der allgemeinen Betrachtung zu eliminieren (Abschn. 6.2.4). Beispiel: Metalloxid-Ableiter (MO-Ableiter) bestehen aus einzelnen Scheiben, deren zulässige Dauerspannung von einem Sollwert aufgrund der Fertigung schwanken kann. Bei einer Sollspannung von Uc = 3 kV ergibt sich in dem Beispiel eine Verteilung nach Tab. 6.1. Für den Mittelwert E(x) folgt daraus nach Gl. (6.21): E(x) = (22,94 · 0,0356 + 2,96 · 0,1236 + 2,98 · 0,2073 + 3,00 · 0,3907 + 3,02 · 0,1656 + 3,04 · 0,0593 + 3,06 · 0,0179) kV = 2,9955 kV. Der Mittelwert der gesamten Messreihe ergibt sich somit zu E(x) = 2,9955  kV.

6.2.2 Medianwert Sind die Werte n einer Stichprobe geordnet, so liegt der Medianwert in der Mitte der gesamten Stichprobe. Damit gilt in Abhängigkeit der Anzahl n der Messergebnisse:

414 Tab. 6.1  Verteilung der Messergebnisse einer Stichprobe

6 Statistik Spannungswert/kV

Anteil/%

2,94

3,56

2,96

12,36

2,98

20,73

3,00

39,07

3,02

16,56

3,04

5,93

3,06

1,79

n(ungerade)

n(gerade)

xM =

xM =

n+1 2 n 2

(6.23)

(6.24)

Nach Gl. (6.24) ist nur der Medianwert einer ungeraden Anzahl von Messpunkten eindeutig.

6.2.3 Varianz (Streuung) und Standardabweichung Die Varianz V(x) ist ein Maß für die Abweichung der einzelnen Werte bezogen auf den Erwartungswert und stellt den Mittelwert der quadratischen Abweichungen vom Mittelwert dar, sodass gilt: n

V (x) =

1 (xi − E(x))2 n i=1

(6.25)

Für den Begriff Varianz wird auch vielfach der Ausdruck Streuung verwendet. Wenn nach Tab. 6.1 die einzelnen Zahlenwerte mit einer Wahrscheinlichkeit hinterlegt sind, so ergibt sich die Varianz nach Gl. (6.26) zu:

V (x) =

n 

(xi − E(x))2 · Pi

(6.26)

i=1

Für Gl. (6.26) kann auch mithilfe des Verschiebungssatzes [1] geschrieben werden:

V (x) =

n   2  xi · Pi − E 2 (x) i=1

(6.27)

6.2  Kenngrößen von Wahrscheinlichkeitsverteilungen

415

In der Praxis wird häufig der Begriff der Standardabweichung verwendet, hierfür gilt:   n  1  σ = + V (x) =  (xi − E(x))2 (6.28) n i=1 Die Größe Standardabweichung verdeutlicht, wie die verschiedenen Messgrößen um den Mittelwert streuen, was beispielhaft in Abb. 6.8 dargestellt ist. Beispiel: Für das Beispiel nach Abb. 6.4 folgt für die Streuung bzw. Standabweichung: V(x) = (2,942 · 0,0356 + 2,962 · 0,1236 + 2,982 · 0,2073 + 3,002 · 0,3907 + 3,022 · 0,1656 + 3,042 · 0,0593 + 3,062 · 0,0179) kV2 – 2,99552 kV2 = 0,00061 kV2 σ = 0,1034  kV Die Standardabweichung für dieses Beispiel ergibt sich zu σ = 0,0248  kV.

6.2.4 Spannweite Die Spannweite eines Datensatzes ist durch die Beziehung

Sp = max(xi ) − min(xi )

(6.29)

gegeben, jedoch hängt diese Größe in besonderem Maße von Ausreißern ab. Im Gegensatz hierzu ist der Quartilsabstand wesentlich robuster, da er z. B. nur den Bereich der mittleren 50 % des Datenbestandes berücksichtigt, sodass gilt:

Q50 = x0,75 − x0,25

(6.30)

6.2.5 Skalierung Für einen besseren Vergleich von verschiedenen Häufigkeitsverteilungen ist es sinnvoll, diese Verteilungen zu standardisieren. Dieses kann z. B. mit einer Zentrierung oder Standardisierung erfolgen. Bei der Zentrierung wird der Nullpunkt der Verteilung in den Mittelpunkt μ gelegt, sodass der neue Mittelwert der zentrierten Datenmenge null ist. Bei einer Standardisierung einer Verteilung werden zusätzlich noch die Werte auf die Standardabweichung bezogen (Gl. 6.31).

xi − µ xi − µ = x˜ i = √ σ V (x)

(6.31)

Diese Daten nach Gl. (6.31) haben somit keine Dimension, da der Mittelwert null und die Varianz 1 ist.

416

6 Statistik

6.2.6 Dichtefunktion Die Dichtefunktion f(x) stellt allgemein die diskrete Verteilung z. B. die Ausfallrate in Abhängigkeit einer Größe, z. B. Lebensdauerjahre, dar. Im Gegensatz hierzu ist die (kumulierte) Verteilungsfunktion F(x) die Aufsummierung der Wahrscheinlichkeiten ausgehend von der Dichtefunktion, Abschn. 6.2.7. Beispiel: Abb. 6.4 zeigt die Verteilung der Messungen für das Beispiel nach Abschn. 6.2.1., indem die Spannungswerte nach Tab. 6.1 aufgetragen sind. In Abb. 6.4 ist an der linken Ordinate die Dichtefunktion f(x) und rechts die Wahrscheinlichkeitsfunktion P(x) einer diskreten Zufallsveränderlichen xi aufgetragen (Abschn. 6.4). Die Summe aller Wahrscheinlichkeiten ergibt sich zu: n 

P(xi ) = 1

(6.32)

i=1

Die Balkendarstellung nach Abb. 6.4 wird auch als Histogramm bezeichnet.

Anzahl

Prozent

70

70 P(x)

f(x) 60

f(x)

60

P(x)

50

50

40

40

30

30

20

20

10

10

0

0 2.94

2.96

2.98

3.00

3.02

3.04

kV

3.06

Abb. 6.4   Dichtefunktion f(x) und Wahrscheinlichkeitsfunktion P(x) von MO-Scheiben mit einem Sollwert von Uc = 3  kV

6.2  Kenngrößen von Wahrscheinlichkeitsverteilungen

417

6.2.7 Verteilungsfunktion Eine weitere Möglichkeit, dass Ergebnis von Abb. 6.4 darzustellen, besteht in der Verteilungsfunktion F(x) nach Abb. 6.5 und die Aussage hieraus ist die Wahrscheinlichkeit, mit der eine MO-Scheibe kleiner als ein bestimmter Spannungswert ist. Die Verteilungsfunktion stellt hierbei das Integral der Dichtefunktion f(x) dar. Der Zusammenhang der Funktionen f(x) und F(x) ergibt sich somit zu:

F(x) f (x) = dx

bzw. F(x) =

x2

f (x)dx

(6.33)

x1

Mithilfe Gl. (6.33, rechts) kann beispielsweise ermittelt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Bereich zwischen x1 und x2 eintritt. Im Bereich des Asset Managements ist es vielfach wichtig, die Wahrscheinlichkeit der korrekten Funktion eines Betriebsmittels in Abhängigkeit des Lebensalters abzuschätzen, wenn z. B. die Dichtefunktion nach Abb. 6.6 für ein gesamtes Kollektiv vorliegt. Die Verteilung f(t) nimmt nach einem maximalen Wert ab, da die Anzahl der Ausfälle bezogen auf das ursprüngliche Gesamtkollektiv wieder kleiner wird (die meisten Betriebsmittel sind bereits ausgefallen). Durch die Fläche F(t) nach Abb. 6.6 wird der Anteil der Betriebsmittel gekennzeichnet, die bereits ausgefallen sind. Im Gegensatz

100 F(x)/% 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2.94

2.96

Abb. 6.5   Verteilungsfunktion F(x)

2.98

3

3.02

3.04

kV

3.06

418

6 Statistik

Abb. 6.6   Dichtefunktion eines Betriebsmittelkollektivs

f(t)

F(t)

R(t)

t0

t

hierzu stellt die Größe R(t) die Anzahl der noch in Betrieb befindlichen Geräte dar, sodass für die Summe gilt: (6.34)

R(t) + F(t) = 1

Die Größen F(t) und R(t) ergeben sich hierbei aus dem Integral der Dichtefunktionen f(t), Gl. (6.33).

F(t) =

t

f (t) dt

bzw. R(t) = 1 −

0

t

f (t) dt =

f (t) dt

(6.35)

t

0

f (t) =

∞

dR(t) dF(t) =− dt dt

(6.36)

6.2.8 Fehlerrate (Hazard-Rate) eines Betriebsmittels Zur Beschreibung des Fehlerverhaltens eines Kollektivs wird häufig die Fehlerrate λ(t) herangezogen, bezogen auf das noch vorhandene Kollektiv. Die Größe beschreibt die Anzahl der Fehler, bezogen auf die Anzahl der sich noch in Betrieb befindlichen Betriebsmittel, die noch ausfallen können. Wenn mit der Zahl (6.37)

Na = Ni + No die gesamte ursprüngliche Anzahl von Betriebsmitteln bezeichnet wird • Ni(t) Betriebsmittel in Betrieb • No(t) Betriebsmittel außer Betrieb, ergeben sich folgende Beziehungen:

R(t) =

No (t) Ni (t) =1− Na Na

bzw. F(t) =

No (t) Na

(6.38)

6.2  Kenngrößen von Wahrscheinlichkeitsverteilungen

419

Die Größen R(t) bzw. F(t) ergeben sich nach Abb. 6.6 aus der Anzahl der bereits ausgefallenen zu den noch in Betrieb befindlichen Geräte. Nach Ableitung ergibt sich mithilfe der Gl. (6.36) und (6.38):

dF(t) 1 dNo (t) dR(t) =− =− · dt dt Na dt

(6.39)

mit Gl. (6.33) folgt:

f (t) = +

1 dNo (t) · Na dt

(6.40)

Anhand Abb. 6.6 kann anschließend die Fehlerrate λ(t) bestimmt werden, indem nach Gl. (6.40) die Gesamtzahl Na der Betriebsmittel durch die noch in Betrieb befindlichen Anzahl Ni ersetzt wird. Es gilt hierbei:

(t) =

dNo (t) 1 · Ni (t) dt

(6.41)

Nach Gl. (6.41) errechnet sich die Ausfallrate aus der Veränderung der Anzahl der ausgefallenen Betriebsmittel No(t) bezogen auf die in Betrieb befindlichen Geräte. Durch Umwandlung ergibt sich:

(t) =

1 dNo (t) f (t) Na · = Ni (t) Na dt R(t)

(6.42)

Durch Einsetzen der Ableitung von Gl. (6.36) folgt:

(t) =

dR(t) 1 · R(t) dt

(6.43)

Mit dem Ergebnis der letzten Gleichung kann jeweils die Wahrscheinlichkeit λ(t) für den Ausfall bestimmt werden, wenn die Dichtefunktion bekannt ist. Unter Berücksichtigung von Gl. (6.36) kann auch geschrieben werden:

(t) =

f (t) ∞

f (t) dt

=

f (t) 1 − F(t)

(6.44)

t

Dieses bedeutet, dass sich die Fehlerrate λ(t) nach Abb. 6.6 aus der Dichtefunktion f(t) ergibt, dividiert durch die Fläche von t → ∞. Im Gegensatz zur Darstellung nach Gl. (6.43) kann auch eine bedingte Fehlerrate eines Betriebsmittels bestimmt werden, die angibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Betriebsmittel in einem bestimmten Zeitbereich (T + t) ausfallen kann. Hierbei werden

420

6 Statistik

nach Gl. (6.45) die in diesem Zeitbereich ausfallenden Geräte, in Abhängigkeit der Dichtefunktion f(t), auf die noch in Betrieb befindlichen, bezogen.

(t) =

T+t

f (t)

T ∞

(6.45)

f (t) dt

T

6.2.9 Korrelation Mithilfe der Korrelation ist es möglich, die Abhängigkeit von verschiedenen Größen darzustellen, die durch eine Punktwolke gekennzeichnet sind. Die Gleichungen zur Berechnung des Korrelationskoeffizienten r bei linearen Gleichungen sind in Abschn. 6.5, Gl. (6.101) aufgeführt, hierbei bedeutet ein Wert von r = 1, dass die Werte x und s linear voneinander abhängig sind.

6.2.10 Konfidenzintervall, Stichprobe Mithilfe eines Konfidenzintervalls ist es möglich, einen geschätzten Parameter, z. B. den Mittelwert X einer Stichprobe, aufgrund einer festgelegten Wahrscheinlichkeit zu ermitteln. Dieses bedeutet, dass nicht der Mittelwert einer Stichprobe bestimmt wird, sondern ein Vertrauensbereich, der diesen Mittelwert einschließt. Wird in diesem Fall die Irrtums-Wahrscheinlichkeit mit α bezeichnet, so ergibt sich das Konfidenzintervall zu (1 – α). Abb. 6.7 zeigt dieses für den Fall einer Normalverteilung. Hierbei wird davon ausgegangen, dass bei einer Normalverteilung der Grundgesamtheit auch die Stichprobe normalverteilt ist. Wird vorausgesetzt, dass die Standardabweichung σ bekannt ist, so gilt für die standardisierte Zufallsvariable (Abschn. 6.2.5):

Z=

X −µ √ σ n

(6.46)

Mit

X¯   µ  σ  n 

Wert der Stichprobe  ittelwert der erwarteten Normalverteilung M Standardabweichung Anzahl der Elemente der Stichprobe

Die Zufallsvariable hängt vom Umfang n der Stichprobe ab, sie geht jedoch für n → ∞ in die standardisierte Normalverteilung über. Für den Konfidenzintervall folgt hieraus unter Berücksichtigung der beiden Grenzwerte uuG und uoG [9], dieses bedeutet, dass die gesuchte Zufallsvariable zwischen diesen beiden Grenzen liegen sollte:

6.2  Kenngrößen von Wahrscheinlichkeitsverteilungen 0.150

421

_ X

f

0.125

0.100 1- α 0.075

0.050

0.025

α /2

α /2 0.000 0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

22

24

26

28 30 Jahre

Abb. 6.7   Beispiel für die Definition eines Konfidenzintervalls

uuG ≤

X −µ √ ≤ uoG σ n

(6.47)

Für die Wahrscheinlichkeit, dass der gesuchte Wert X in den geforderten Grenzen liegt, ergibt sich somit die Beziehung, mithilfe der statistischen Sicherheit S, wenn für die beiden Grenzwerte uuG und uoG der Ausdruck ± us gesetzt wird:   X −µ P −uS ≤ √ ≤ + uS = S (6.48) σ n In Gl. (6.48) stellt der Ausdruck −uS das +uS -Quantil der Standardnormalverteilung dar. Durch Auflösen der Gl. (6.48) kann der gesuchte Mittelwert µ bestimmt werden.   σ σ P X − uS · √ ≤ µ ≤ X + uS · √ =S =1−α (6.49) n n Die statistische Sicherheit S nach Gl. (6.49) beschreibt den Prozentsatz, der innerhalb des Vertrauensbereichs liegt, sodass α/2 den Wert nach Abb. 6.7 beschreibt, der Außerhalb der betrachteten Verteilung der symmetrischen Standardnormalverteilung liegt. Werden beispielhaft verschiedene Konfidenzintervalle in Prozent angenommen, so lassen sich die Werte für uS im Falle einer Normalverteilung nach Tab. 6.2 ermitteln, da das Integral unterhalb der Verteilung nach Abb. 6.7 den Wert 1 hat.

422

6 Statistik

Tab. 6.2  Quantil der Standardnormalverteilung

Intervall (%)

uS

90

1,282

95

1,645

99

2,327

99,9

3,090

99,99

3,719

Für den gewünschten Vertrauensbereich ergibt sich somit nach Gl. (6.50), um den Mittelwert µ einer Normalverteilung ausgehend von einem Schätzwert X¯ zu bestimmen, in Abhängigkeit des Vertrauensbereiches und der Größe n der Stichprobe:

σ µ = X ± uS · √ n

(6.50)

Beispiel: Für das Beispiel nach Abschn.  6.2.1 ergeben sich unter diesen Voraussetzungen X = 2,9955 kV; σ = 0,0248 kV der folgende Konfidenzintervall, wenn ein Vertrauensbereich von 95 % und ein Stichprobenumfang von insgesamt n = 10000 Untersuchungen vorausgesetzt werden.

0,0248 = 2,9955 kV ± 0,0004 kV µ = 2,9955 kV ± 1,645 · √ 10000

6.3 Stetige Verteilungen Bei einer stetigen Wahrscheinlichkeitsverteilung ist die Funktion f(t) über eine unendliche Zahl von Punkten definiert, sodass auch das Intervall −∞