Aristoteles Werke: Band 11 Physikvorlesung [Vierte, unveränderte Auflage, Reprint 2022]
 9783112612149

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ARISTOTELES P H Y S I K Y O R L E SUNG

ARISTOTELES WERKE IN DEUTSCHER

ÜBERSETZUNG

BEGRÜNDET

VON

E R N S T GRUMACH HERAUSGEGEBEN

HELLMUT

VON

FLASHAR

B A N D 11

PHYSIKVORLESUNG

AKADEMIE-VERLAG1983

BERLIN

ARISTOTELES P H Y S I K V O R L E S U N G

Ü B E R S E T Z T

HANS

VON

WAGNER

Vierte, unveränderte Auflage

A K A D E M I E - V E R L A G 1983

BERI,

IN

Erschienen im Akademie-Verlag, DDR-1086 Berlin, Leipziger Straße 3 - 4 © Akademie-Verlag Berlin 1983 (1967) Lizenznummer: 202 • 100/227/83 Fotomechanischer Nachdruck und buchbinderische Verarbeitung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 5820 Bad Langensalza Bestellnummer: 750078 2 (3022/11) • LSV 0116 Printed in GDR DDR 5 8 , - M

BUCH I

1 . I m Gesamtbereich der unter Prinzipien, Gründen und Letzt- ist» 10 momenten stehenden Untersuchungen ergeben sich Wissen und Begreifen aus der Erkenntnis ebendieser Grundlagen — denn dann, wenn wir die letzten Gründe des Einzelnen und seine letzten Prinzipien und 5 wenn wir es bis in seine Letztmomente hinein erfaßt haben, halten wir es f ü r erkannt —. U n d so ist denn auch mit Bezug auf die Naturwissenschaft die Notwendigkeit offensichtlich, mit einem Versuch, ihre 1S Prinzipien zu bestimmen, den A n f a n g zu machen. N u n ist es aber das natürliche Schicksal unserer Erkenntnis, daß sie auszugehen hat 10 von dem, was f ü r uns das Einsichtigere und Deutlichere ist, und weiterzugehen zu dem, was an ihm selbst das Deutlichere und Einsichtigere wäre. E s fällt j a keineswegs die Einsichtigkeit f ü r uns mit der Einsichtigkeit überhaupt zusammen. So bleibt es bei der Notwendigkeit, (auch hier) so zu verfahren, daß wir v o n dem ausgehen, 15 was zwar weniger deutlich an ihm selbst ist, d a f ü r aber f ü r uns das 20 Deutlichere ist, und weiterschreiten zu dem, was an ihm selbst das Deutlichere und Einsichtigere darstellt. Dies nun, was f ü r uns im A n f a n g jeweils klar und deutlich ist, ist in Wahrheit gerade eine ungegliederte Mannigfaltigkeit, und erst der anschließenden Analyse 2« werden die Letztmomente und Prinzipien faßbar. Aus diesem Grund hat das Denken v o m Allgemeinen zum Einzelnen fortzugehen. Denn das jeweilige Ganze ist es, was sich vorzugsweise der sinnlichen Wahr- 25 nehmung darbietet, und das Allgemeine ist j a eine A r t von Ganzem; denn es umschließt ein Mannigfaltiges, das gleichsam seine Teile bildet. 25 In gewisser Weise | haben wir die nämliche Sachlage auch bei dem i84b 10 Verhältnis zwischen Wort und B e g r i f f ; das Wort, etwa ' K r e i s ' , bedeutet eine A r t von Ganzem, und zwar in recht unbestimmter Weise, während die Definition desselben eine Unterscheidung in die Mannigfaltigkeit des Einzelnen hinein darstellt. Die K i n d e r sagen j a auch 30 anfangs zu allen Männern „ V a t e r " und „ M u t t e r " zu allen F r a u e n und erst in der Folge vermögen sie die beiden E l t e r n in ihrer Individualität zu erfassen.

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2. Mit Notwendigkeit nun (bestehen folgende Alternativen:) entweder gibt es nur ein Prinzip oder aber mehrere; gibt es nur eines, so ist es entweder prozeßfrei, eine Denkbarkeit, die von Farmenides und Melissos vertreten wird; oder aber prozeßhaft, die Position der Naturphilosophen, wobei die einen als uranfängliches Prinzip die Luft, s andere das Wasser ansetzen; gibt es hingegen eine Mannigfaltigkeit von Prinzipien, so ist diese Mannigfaltigkeit entweder eine bestimmte oder aber eine unbestimmte; ist sie eine bestimmte Mannigfaltigkeit, so gibt es entweder zwei oder aber drei oder aber vier oder aber eine 20 andere Zahl von Prinzipien; ist sie eine unbestimmte Mannigfaltig- 10 keit, dann handelt es sich entweder um Prinzipien von identischer Gattung, aber (unterschiedlicher) Gestalt, die Position des Demokritos, oder aber um Prinzipien von unterschiedener oder sogar entgegengesetzter Art. Wenn übrigens andere Denker die Frage untersuchen, wieviel Seiendes es gibt, so läuft diese Untersuchung auf das näm- is liehe hinaus; denn auch ihnen geht es um die Frage, ob das, woraus die Dinge letztlich herstammen, ein Einziges oder ein Mannigfaltiges sei, und, falls es ein Mannigfaltiges ist, ob es ein bestimmtes oder ein 25 unbestimmtes Mannigfaltiges sei; auch sie also fragen, ob der Grund und das Letztmoment ein Einziges oder ein Mannigfaltiges ist. 20 Was nun die Frage nach etwaiger Einzigkeit und Prozeßlosigkeit des Seienden angeht, so ist sie gar keine Frage, welche die Natur 18S« betreffen könnte. | Denn ganz genauso, wie der Geometer einem Partner gegenüber, der die Prinzipien (der Geometrie) nicht gelten läßt, keine Argumentationsmöglichkeit mehr besitzt, jedwedes weitere Ge- 2s spräch vielmehr in die Thematik einer anderen Wissenschaft oder gar einer Allgemeinen Wissenschaft fallen müßte, so ist hier auch der Prinzipienforscher am Ende (sobald man annehmen wollte, daß das Seiende ein einziges und prozeßfrei sei)..Denn es gibt kein Prinzip mehr, wenn es überhaupt nur ein Einziges gibt und das Seiende in 3» d i e s e r Weise eines ist. Ist doch ein Prinzip immer Prinzip für etwas, s sei dieses letztere ein Einziges oder eine Mannigfaltigkeit. Eine Untersuchung, ob das Seiende in dieser Weise eines sei, ist demnach ebenso (sinnlos) wie eine Auseinandersetzung mit irgendeiner These, die bloßes Gerede ist — z. B. mit der Herakleitos-These oder etwa mit 35 einem solchen Satz: Das Seiende ist ein einziger Mensch — oder auch wie ein Versuch, einen eristischen Satz aufzulösen. Einen solchen eristischen Charakter haben j a nun die beiden Positionen wirklich an sich, sowohl die des Melissos wie die des Parmenides. Falsch ist näm-

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lieh, was sie als Prämissen ansetzen, u n d sie verstoßen gegen die 10 Schlußlogik; besonders p l u m p ist dabei die Position des Melissos, sie bietet keine echte Schwierigkeit, vielmehr ergibt sich aus dem verkehrten Ansatz das Weitere von selbst; irgendeine K u n s t b r a u c h t 5 es dazu nicht. — F ü r uns hingegen sei dies der A u s g a n g s g r u n d s a t z : Die Naturgebilde sind prozeßhaft, u n d zwar entweder alle oder aber wenigstens z u m Teil; die- methodische E r f a h r u n g erweist es. Man b r a u c h t auch nicht jede beliebige These zu widerlegen, sondern n u r 13 solche Positionen, die zwar falsch sind, aber f ü r welche ihr Vertreter 10 immerhin einen Beweis aus den Prinzipien zu f ü h r e n versuchte, wenn er auch fehlging. So ist es f ü r einen Geometer sinnvoll, den mittels der Segmente g e f ü h r t e n Beweis f ü r die K r e i s q u a d r a t u r zu widerlegen, Antiphons Beweis hingegen ist kein möglicher Gegenstand f ü r eine geometrische Widerlegung. Aber es ist vielleicht t r o t z d e m angebracht, is sich kurz m i t ihnen (Parmenides u n d Melissos) auseinanderzusetzen; denn wenn ihre Thesen auch nicht die N a t u r betreffen können, so berühren sie doch b e s t i m m t e Naturprobleme. E s ist nicht ohne philo- 20 sophisches Interesse, sie zu prüfen. Da n u n der Terminus ' d a s Seiende' vieldeutig ist, geht m a n dabei 20 a m besten v o n der F r a g e aus, m i t welcher- B e d e u t u n g er denn in d e m Satze, das Seinsganze s e i eines, gebraucht i s t : ob das Seinsganze als Substanz oder aber als Q u a n t i t ä t oder aber als Qualität gedacht wird, weiterhin, ob es als einzige Substanz gedacht wird, so wie m a n von e i n e m Menschen, e i n e m Pferd oder e i n e r Seele spricht, oder aber 25 25 ob es als einzige Qualität gedacht wird, — weiß, w a r m oder dergleichen. All das m a c h t einen b e d e u t s a m e n Unterschied, aber d e n k b a r ist nichts v o n allem. D e n n wenn das Seinsganze sowohl Substanz wie Qualität u n d Q u a n t i t ä t ist, d a n n ergibt sich eine Mannigfaltigkeit des Seienden, m a g m a n die drei Bestimmtheiten gegeneinander a b g e t r e n n t oder mit30 einander v e r b u n d e n denken. Ist das Seinsganze aber lediglich Qualität oder Q u a n t i t ä t , ohne d a ß es von Bedeutung sein soll, ob es eine Substanz gibt oder nicht, d a n n ist der Unsinn perfekt, wennanders das 30 Unmögliche Unsinn g e n a n n t werden m u ß . Denn ein Fürsichsein besitzt einzig u n d allein die S u b s t a n z ; alles andere k a n n j a n u r als (bestim35 mendes) P r ä d i k a t der Substanz als des Subjekts (im Urteil) gedacht werden. Melissos n u n b e h a u p t e t die Unendlichkeit des Seienden. Folglich ist das Seiende (nach ihm) eine Q u a n t i t ä t . D e n n die Unendlichkeit ist n u r als B e s t i m m t h e i t einer Q u a n t i t ä t möglich. Eine Substanz hingegen, eine Qualität oder ein Zustand [ k a n n höchstens in ver- i85b

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mittelter Weise Unendlichkeit besitzen, wenn sie nämlich gleichzeitig auch Größenbestimmtheit an sich h a b e n . Denn die Definition des Unendlichen fordert als Deiinitionsmoment den Begriff der Q u a n t i t ä t , aber nicht die Begriffe der Substanz oder der Qualität. Falls das Seiende (nach Melissos, da er es als unendlich bestimmt) also sowohl s Substanz wie Q u a n t i t ä t ist, d a n n ist es zwei Seiende, u n d nicht etwa s eines. I s t es jedoch ausschließlich Substanz, d a n n ist es nicht unendlich u n d h a t ü b e r h a u p t keinerlei Größe. D e n n andernfalls m u ß es ein q u a n t i t a t i v Bestimmtes sein. Da n u n aber auch der Terminus 'das Eine' selbst genauso wie der 10 Terminus 'das Seiende' vieldeutig ist, m u ß m a n weiterhin die Frage nach der Art u n d Weise stellen, in welcher er in dem Satz, das Seinsganze sei e i n e s , gebraucht wird. Es gibt drei verschiedene Bedeut u n g e n des T e r m i n u s : die Einheit der K o n t i n u i t ä t , d a n n die Einheit der Unteilbarkeit, schließlich die Einheit u n d I d e n t i t ä t des Wesens- is begriffs, wie sie etwa vorliegt bei den zwei W ö r t e r n ' R e b e n s a f t ' u n d 10 'Wein'. Legt m a n (a) die Einheit der K o n t i n u i t ä t als Bedeutungsmöglichkeit zugrunde, so ergibt sich, d a ß ihrem Einen s t a t t Einheit Mannigfaltigkeit z u k o m m t . Denn ein K o n t i n u u m ist ins Unendliche teilbar. — Übrigens enthält das Verhältnis zwischen Teil u n d Ganzem 2» eine Dunkelheit, die vielleicht im gegenwärtigen Z u s a m m e n h a n g keine Rolle spielt, aber an ihr selbst wichtig ist, die nämlich, ob Teil u n d Ganzes miteinander eine Einheit oder eine Mannigfaltigkeit darstellen, und wie d a n n ihre Einheit oder aber ihre Mannigfaltigkeit zu denken ist, u n d zwar insbesondere, wie, falls Mannigfaltigkeit vorliegen sollte, 25 diese Mannigfaltigkeit zu denken i s t ; eine weitere Dunkelheit gibt es hinsichtlich des Begriffs derjenigen Teile, die Teile von nichtkonti15 nuierlichen Ganzen sind; u n d schließlich ist auch dies voller Dunkelheiten, d a ß d a n n , wenn von den zwei Teilen eines Ganzen jeder f ü r sich m i t diesem Ganzen zusammen eine Einheit im Sinne einer Un- 30 a b t r e n n b a r k e i t voneinander darstellt, diese zwei Teile auch miteinander Eines sein müssen. — Legt m a n (b) hingegen die zweite Bedeutung, d. h. die Einheit der Unteilbarkeit, zugrunde, d a n n ist weder eine Größenbestimmtheit noch eine qualitative Bestimmtheit (des Seinsganzen) d e n k b a r und das Seiende k a n n weder, wie Melissos will, 3s unendlich noch auch, wie Parmenides meint, begrenzt sein; denn n u r die Grenze ist ein Unteilbares, nicht aber das begrenzte Gebilde. — Und legt m a n (c) die dritte Bedeutung, die Einheit des Begriffs, zu20 gründe, soll das Seinsganze also in dem Sinne eines sein, wie Cape

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u n d U m h a n g das sind, d a n n wandeln Melissos u n d Parmenides den Weg des Herakleitos: denn d a n n sind Gutsein u n d Schlechtsein, Gutsein u n d Nichtgutsein miteinander identisch — mit der Folge, d a ß es zur I d e n t i t ä t zwischen Gut u n d Nichtgut u n d Mensch u n d Pferd s k o m m t u n d daß das Theorem j e t z t nicht m e h r von der Einheit des Seienden handelt, sondern zu der B e h a u p t u n g wird, das Seiende sei gar nichts — u n d ebenso sind d a n n auch qualitative u n d q u a n t i t a t i v e 25 Bestimmtheit miteinander identisch. — So m a c h t e n es denn auch die jüngeren u n t e r den V ä t e r n der Philosophie bereits zu ihrer H a u p t 10 sorge, doch ja ein Zusammenfallen von Einheit u n d Mannigfaltigkeit in einem u n d demselben Gegenstand auszuschließen. Zu diesem Zwecke e n t f e r n t e n die einen, wie etwa Lykophron, die Kopula aus dem Urteilssatz u n d versuchten die anderen eine A b ä n d e r u n g der sprachlichen Gestalt (des Urteils) dahingehend, daß es nicht heißen d ü r f e : der 15 Mensch ist weiß, oder: er ist umhergehend, sondern heißen müsse: der so Mensch erhielt die weiße Farbe, bzw.: er geht u m h e r . Diese E n t f e r n u n g u n d diese U m g e h u n g der Kopula sollten das Eine davor bewahren, vieles zu sein; begründet aber war der ganze Vorschlag in der (falschen) Meinung, d a ß die Termini 'das E i n e ' u n d 'das Seiende' 20 eindeutig seien. Aber das Seiende ist ein Mannigfaltiges, u n d zwar (ein Begriffs- oder aber auch ein Teilungsmannigfaltiges;) ein Begriffsmannigfaltiges: denn etwas anderes ist z. B. Weißsein u n d etwas anderes ist Gebildetsein, u n d doch ist der eine identische Gegenstand sehr wohl beides z u s a m m e n : also ist das Eine gleichzeitig ein Mannig25 faltiges; ein Teilungsmannigfaltiges: ein Gegenstand ist das Ganze, das er ist, u n d ist doch auch die Mannigfaltigkeit seiner Teile. Und bei diesem letzteren P u n k t | wußten sie sich nicht mehr zu helfen 186» und gestanden die Möglichkeit zu, daß das E i n e ein Mannigfaltiges sei — als ob nicht völlig grundsätzlich die Möglichkeit bestünde, d a ß 30 eins u n d dasselbe sowohl Einheit wie Mannigfaltigkeit besitze, ausgenommen lediglich eine Mannigfaltigkeit von einander widersprechenden Bestimmtheiten. Es gibt j a Einheit in zwei Weisen: potentielle Einheit u n d aktuelle E i n h e i t . 3. Geht m a n (an die Thesen des Melissos u n d des Parmenides) in 35 der soeben bezeichneten Weise heran, so zeigt sich die Unmöglichkeit einer (mannigfaltigkeitslosen) Einheit des Seienden u n d die Haltlosig- s keit der Voraussetzungen, aus welchen (diese Einheit des Seienden) hergeleitet wird. Beide, Melissos wie Parmenides, arbeiten nämlich mit eristischen Scheinschlüssen [falsch nämlich ist, was sie als Prämissen

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ansetzen, u n d ihre Ableitungen verstoßen gegen die Schlußlogik; besonders p l u m p ist dabei die Position des Melissos, sie bietet keine Schwierigkeit, vielmehr ergibt sich aus dem verkehrten Ansatz das Weitere von selbst; irgendeine K u n s t b r a u c h t es dazu nicht]. Der 10 Paralogismus, den Melissos begeht, liegt auf der H a n d . E r h ä l t j a 5 dies f ü r einen gültigen A n s a t z : wenn jegliches P r o d u k t eines Werdens einen A n f a n g h a t , so h a t das, was nicht P r o d u k t eines Werdens ist, keinen Anfang. Ebenfalls u n h a l t b a r ist auch die Meinung, d a ß alles einen Anfang haben m ü ß t e — dabei ist nicht etwa an einen A n f a n g der Zeit nach, sondern an die Stelle gedacht, an welcher das jeweilige io Ding seinen (räumlichen) Anfang h a t , u n d auch nicht etwa bloß an eine (räumliche) Anfangsstelle f ü r das wirkliche E n t s t e h e n , sondern ebenso auch an eine (räumliche) Anfangsstelle f ü r die qualitative Verls änderung, — als ob es nicht i n s t a n t a n e Prozesse gäbe (in welchen ein Gesamtgebilde g l e i c h z e i t i g in allen seinen Teilen in seinen neuen is Z u s t a n d übergeht). W e i t e r h i n : w a r u m soll Einheit Bewegungslosigkeit nach sich ziehen? D e n n ebenso wie es f ü r den Teil, der j a auch eine Einheit darstellt, etwa f ü r eine b e s t i m m t e Teilmenge Wasser, die Möglichkeit der Bewegung, nämlich die einer Bewegung in sich selbst, gibt, ist solche (Bewegung in sich selbst) auch f ü r das Ganze d e n k b a r . 20 U n d ebenso: w a r u m der Ausschluß einer Möglichkeit qualitativer Verä n d e r u n g ? Und schließlich ist auch dies unmöglich, d a ß das Seiende der A r t nach eines sei; möglich ist höchstens eine Einheit alles Seienden 20 hinsichtlich des Grundstoffs, aus dem es besteht, — diese letztere Einheit h a t tatsächlich auch u n t e r den Naturphilosophen Vertreter ge- 23 f u n d e n , jene (Einheit alles Seienden der Art nach) jedoch nicht —. Mensch u n d Pferd sowie die Glieder aller Gegensätze sind gegeneinander artverschieden. F ü r Parmenides gilt das nämliche, wenn freilich auch noch einiges n u r f ü r ihn Eigentümliche h i n z u t r i t t . U n d die Widerlegung besteht 30 einerseits im Nachweis der Falschheit (seines Ansatzes), andererseits im Nachweis, daß seine Ableitung danebengeht. Die Falschheit (des 25 Ansatzes) liegt in seiner A n n a h m e , der Terminus 'seiend' sei eindeutig, w ä h r e n d er in Wahrheit doch vieldeutig i s t ; daneben aber geht seine Ableitung insofern, als, u m einmal n u r die weißen Dinge herauszu- 35 greifen, selbst dann, wenn der Terminus 'weiß' eindeutig n u r eine einzige Bestimmtheit bezeichnet, die weißen Dinge gleichwohl ihre Vielheit behalten und nicht etwa zu einem einzigen Ding werden; denn es k o m m t weder zu einer Einheit alles Weißen im Sinne der

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K o n t i n u i t ä t n o c h a u c h zu einer Einheit d e m Wesensbegriff n a c h ; d e n n ein a n d e r e s b l e i b t d a s Weißsein, ein a n d e r e s d a s G e g e n s t a n d s e i n (des w e i ß e n G e g e n s t a n d e s ) ; u n d n e b e n d e m w e i ß e n G e g e n s t a n d g i b t es n i c h t s ( w e i t e r e s ) , w a s e i n F ü r s i c h s e i n b e s ä ß e ; d e n n n i c h t e t w a , w e i l 30 s die B e s t i m m t h e i t ' w e i ß ' ein F ü r s i c h s e i n b e s ä ß e , s o n d e r n d e r W e i s e i h r e s S e i n s n a c h s i n d d i e B e s t i m m t h e i t ' w e i ß ' u n d d a s (als w e i ß ) B e s t i m m t e v o n e i n a n d e r verschieden. A b e r d a s begriff P a r m e n i d e s n o c h n i c h t . So w u r d e (für ihn) der A n s a t z u n v e r m e i d l i c h , d a ß d a s P r ä d i k a t 'seiend' m i t Bezug auf jeden möglichen Gegenstand der Be10 u r t e i l u n g n i c h t n u r E i n h e i t , s o n d e r n w e s e n h a f t e S e i n s b e s t i m m t h e i t u n d w e s e n h a f t e E i n h e i t s b e s t i m m t h e i t besage. D e n n die z u s ä t z l i c h e Bestimmtheit wird ja von einem bestimmten (von ihr verschiedenen) G e g e n s t a n d ausgesagt u n d das h ä t t e hier zur Folge, d a ß dieser Gegens t a n d , f ü r d e n d i e S e i n s b e s t i m m t h e i t b l o ß z u s ä t z l i c h e B e s t i m m u n g 35 15 s e i n w ü r d e , s e l b s t g a r n i c h t w ä r e — d e n n v o n d e r B e s t i m m t h e i t ' s e i e n d ' w ä r e e r j a v e r s c h i e d e n —. | E s g ä b e d a n n a l s o e i n N i c h t s e i e n d e s ( u n d 186b v o n i h m w ü r d e g e r a d e a u s g e s a g t w e r d e n , d a ß es i s t ! ) . U n d so b l e i b t d e n n n u r dies ( f ü r P a r m e n i d e s ) ü b r i g : die w e s e n h a f t e S e i n s b e s t i m m t h e i t ( b e s t e h t f ü r s i c h ; sie) i s t n i c h t B e s t i m m t h e i t a n e t w a s v o n i h r 20 V e r s c h i e d e n e m . D e n n e i n e i n z e l n e s , b e s t i m m t e s S e i e n d e s k ö n n t e sie n u r u n t e r der B e d i n g u n g sein, d a ß der T e r m i n u s 'seiend' f ü r eine Mannigfaltigkeit s t ü n d e , u n d zwar in der Weise, d a ß jedes Glied derselben B e s t i m m t h e i t z u h a b e n v e r m ö c h t e . A b e r (dies g e h t f ü r P a r m e nides n i c h t ; denn) d a steht die G r u n d t h e s e d a g e g e n : der T e r m i n u s 25 ' s e i e n d ' b e d e u t e t n u r E i n e s . — A b e r n u n : W e n n d o c h d i e s e w e s e n h a f t e Seinsbestimmtheit nicht zusätzliche B e s t i m m t h e i t an irgend etwas W e i t e r e m sein k a n n , s o n d e r n lediglich zu i h r selbst zusätzliche Bes t i m m t h e i t e n h i n z u t r e t e n k ö n n e n , w i e soll d a n n d i e s e r T e r m i n u s s 'wesenhafte Seinsbestimmtheit' gerade das Seiende bezeichnen u n d 30 n i c h t e t w a e b e n s o g u t d a s N i c h t s e i e n d e b e d e u t e n ? D e n n w e n n d i e s e w e s e n h a f t e S e i n s b e s t i m m t h e i t g l e i c h z e i t i g e t w a w e i ß s e i n soll, W e i ß sein a b e r d o c h m i t dieser wesentlichen S e i n s b e s t i m m t h e i t n i c h t ident i s c h s e i n k a n n — d e n n es k a n n i h m d o c h n i c h t e t w a d i e B e s t i m m t h e i t ' s e i e n d ' eignen, w o d o c h allein n u r die w e s e n h a f t e S e i n s b e s t i m m t h e i t s d e n C h a r a k t e r e i n e s S e i e n d e n b e s i t z e n soll — d a n n e r g i b t s i c h ( d e r W i d e r s i n n ) : D a s , w a s weiß ist, ist gar kein Seiendes. U n d z w a r n i c h t n u r kein Seiendes b e s t i m m t e r A r t u n g , sondern in gar keinem Sinn ein S e i e n d e s . D a s b e s a g t a b e r ( n i c h t s g e r i n g e r e s a l s d i e s ) : D i e s e w e s e n - 10 h a f t e S e i n s b e s t i m m t h e i t ist s e l b s t g a r k e i n S e i e n d e s . D e n n d a r a n i s t

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nicht zu rütteln, daß sie w e i ß ist; die Bestimmung 'weiß' aber (dies gehört zu dem für Parmenides Ausgemachten) bezeichnet ihren Gegenstand als ein Nichtseiendes. D a s heißt aber (daß man jetzt umgekehrt sagen muß): auch die Bestimmtheit 'weiß' muß wesenhafte Seinsbestimmtheit sein. Und das heißt wiederum: Der Terminus 'seiend' s bezeichnet eine M a n n i g f a l t i g k e i t . — Übrigens kann folglich auch das Seiende, wenn es schon (nach Parmenides) die für sich bestehende Seinsbestimmtheit ist. keinerlei Ausdehnungsgröße besitzen; denn (hat es Ausdehnung, so hat es Teile; hat es Teile, ist es nicht eines: denn) jeder Teil hätte für sich sein eigenes Sein. i» Daß die wesenhafte Seinsbestimmtheit eine M a n n i g f a l t i g k e i t sein muß, die in besondere weitere Seinsbestimmtheiten auseinander 15 tritt, lehrt uns zweifelsfrei auch (die Logik) des Begriffs; wenn z. B. der Begriff des Menschen der Begriff einer Wesensbestimmtheit ist, dann sind notwendigerweise auch die Begriffe des Lebewesens und des Zwei- is füßigen Begriffe von Wesensbestimmtheiten; denn andernfalls müßten sie Begriffe von bloß zusätzlichen Bestimmtheiten sein. Und dann entweder solche des Menschen oder aber eines anderen Gegenstandes. Doch erweist sich beides als unmöglich. (Beweis der Unmöglichkeit des e r s t e n Alternativgliedes:) Zusätzliche Bestimmtheit heißt eine Bestimmtheit 2» dann, wenn sie entweder dem Gegenstand nicht mit Notwendigkeit zu20 kommt oder aber wenn in ihrer Definition der Gegenstand, dem sie zukommt, auftritt [oder auch wenn in ihr der Begriff des Gegenstandes, dem sie zukommt, enthalten ist], — so ist z . B . 'Sitzen' eine solche unnotwendige Bestimmtheit und im Begriff des Schielens ist der Begriff des 2s Auges involviert, dem wir das Schielen zusprechen —. Weiterhin: Die Definitionsstücke enthalten in i h r e m Begriff nicht den Begriff des Gan25 zen, (den sie definieren sollen); so enthält der Begriff des Zweifüßigen nicht den Begriff des Menschen, der Begriff des Bleichen nicht den Begriff des bleichen Menschen. Wenn also bei solcher grundsätzlichen Sachlage 3) und Gattungsbestimmtheit (yh>oq); sie ist keines von diesen dreien, vielmehr dadurch charakterisiert, daß sie dem Gegenstand einmal zukommen, zu anderer Zeit wiederum nicht zukommen m a g (b 6). Sie ist also zusätzliche B e s t i m m t h e i t im Sinne nichtnotwendiger Bestimmtheit. (Vorübergehend und im rein relativen Sinn mag sie einmal auch als Exklusivbestimmtheit fungieren können — 20 ff.) 7. Top. I 8, 103 b 7—19. E s werden Gegenstandsbestimmungen unterschieden, die mit dem Gegenstand konvertibel und die das nicht sind. Konvertibel sind die Definition (als ganze) und die Exklusivbestimmtheit; inkonvertibel sind jedes Definitionsglied für sich ( G a t t u n g und Differenz) und die bloß zusätzliche Bestimmtheit. D a die Exklusivbestimmtheit nicht zur Wesensbestimmtheit zählt, also gegenüber dieser letzteren ebenfalls bloß zusätzliche Bestimmung ist (accidens proprium), ergibt sich als Gesetz: E s ist ein Charakteristikum der im engeren Sinne zusätzlichen Bestimmung, inkonvertible zusätzliche Bestimmung zu sein. 8. Top. I I 3, 110 b 22—25. I m Zusammenhang wird vor der Gefahr gewarnt, den Unterschied zu übersehen zwischen dem, was der Gegenstand an ihm selbst ist, und seinen zusätzlichen Bestimmtheiten. E s geht u m den Unterschied zwischen folgenden zwei Urteilen: D a s Dreieck hat eine Winkelsumme von 2 R ; u n d : Die gleichseitige Figur hat eine Winkelsumme von 2 R . I m ersteren Fall k o m m t dem bezeichneten Gegenstand die Prädikatsbestimmtheit an ihm selbst z u ; im letzteren jedoch keineswegs, sondern nur, insofern er gleichzeitig und fundamental ein Dreieck ist (denn es ist keine wesentliche, auch keine notwendige Bestimmtheit einer gleichseitigen Figur, eine Winkelsumme von 2 R zu haben). Nur gemäß einer zusätzlichen Bestimmtheit (xarä ovftßeßrjxoq)~t:ignet also einer gleichseitigen Figur diese Bestimmtheit. — Übrigens ist auch hier wieder zusätzliche Bestimmtheit geradedasjenige, was absolut genommen wesentliche und entscheidende Bestimmtheit ist. Zusätzlichkeit besagt hier also lediglich noch Ungenanntheit der Bestimmtheit (im Gegensatz zur Genanntheit jener anderen Bestimmtheit, die absolut genommen gerade nicht entscheidend ist, die aber zur Bezeichnung des Gegenstands im Urteil gebraucht worden ist).

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Anmerkungen

9. Anal. post. 1 4 , 73 a 34—b 24. Z u n ä c h s t wird der Begriff der xaff avràB e s t i m m t h e i t e n definiert. E r uqnfaßt drei K l a s s e n : a ) Die einzelnen Definitionss t ü c k e u n d Prinzipien des G e g e n s t a n d s (so d e n Begriff der Linie f ü r d e n des Dreiecks) u n d d a z u diejenigen möglichen B e s t i m m t h e i t e n a n d e n g e n a n n t e n Definitionss t ü c k e n , welche ohne d e n Begriff eben dieser Definitionsstücke nicht definiert w e r d e n k ö n n e n ( ' g e r a d e ' ist eiAe mögliche B e s t i m m t h e i t der Linie; der Begriff des Geraden ist ohne d e n Begriff der Linie nicht definierbar). Die B e s t i m m t h e i t e n ' g e r a d e ' u n d 'Linie' e t w a sind also xad-' a u r d - B e s t i m m t h e i t e n des Dreiecks. — b) Die Wesensb e s t i m m t h e i t ( b 5 f f . ) ; diese u n t e r s c h e i d e t sich a b s t r a k t b e g r i f f l i c h n a t ü r l i c h nicht v o n d e n u n t e r a) g e n a n n t e n D e f i n i t i o n s s t ü c k e n ; sie ist einfach deren E i n h e i t . Aber in f u n k t i o n a l e r Hinsicht besitzt sie ein P l u s : sie ist der A u s d r u c k des Z u s a m m e n falls des G e g e n s t a n d s m i t seinem Wesen (vgl. u n t e n zur e n t s p r e c h e n d e n ovfißeßrjxogB e s t i m m t h e i t ! ) . — c) Die B e s t i m m t h e i t , welche d e m G e g e n s t a n d auf G r u n d einer a n d e r e n i h m eigenen B e s t i m m t h e i t n o t w e n d i g z u k o m m t . — E n t s p r e c h e n d g i b t es a u c h drei Klassen v o n zusätzlichen B e s t i m m t h e i t e n : a) Alle B e s t i m m t h e i t e n , die weder Definitionsstücke des Gegenstandes sind noch a u c h mögliche B e s t i m m t h e i t e n a n seinen Definitionsstücken solcher A r t , d a ß sie ohne d e n Begriff der letzteren n i c h t selbst definiert werden k ö n n e n (die P a r a d i g m a t a sind 'weiß' u n d 'gebildet'). — b ) Diejenigen B e s t i m m t h e i t e n , die d e m G e g e n s t a n d n u r z u k o m m e n k ö n n e n , insofern er z u n ä c h s t u n d f u n d a m e n t a l als e t w a s anderes b e s t i m m t ist, die also schon einen f u n d a m e n t a l b e s t i m m t e n G e g e n s t a n d v o r a u s s e t z e n u n d zu dessen Wesensb e s t i m m t h e i t e n (ovaia, t i èaxiv u n d deren Glieder) lediglich zusätzlich a u f t r e t e n k ö n n e n . ' E i n Gehendes' e t w a m u ß n o t w e n d i g z u n ä c h s t e t w a s anderes — ein Lebewesen, ein Mensch oder dergleichen — sein, u m die B e s t i m m t h e i t ' g e h e n d ' besitzen zu k ö n n e n . W i r d der G e g e n s t a n d m i t einer B e s t i m m u n g solch letzterer A r t bezeichnet, ist er uneigentlich, s e k u n d ä r u n d narri avpßeßrjxot;, d. h. bloß n a c h einer zusätzlichen B e s t i m m t h e i t a n ihm, bezeichnet. — c) B e s t i m m t h e i t e n , die in d e m , als w a s der G e g e n s t a n d schon b e s t i m m t ist, n i c h t b e g r ü n d e t sind, die also bloß n i c h t n o t w e n d i g e ('zufällige') B e s t i m m t h e i t e n a n i h m darstellen. 10. Anal. post. I 22, 83 a 2 4 - 3 5 (vgl. d a z u A n m e r k u n g e n zu 1 1 , 7 - 1 1 ; 1 3 , 1 3 - 2 4 ) . E s g i b t P r ä d i k a t e , die den Gegenstand n a c h seiner wesentlichen B e s t i m m t h e i t bes t i m m e n . E s gibt andere, die das nicht t u n ; solche k ö n n e n i m m e r n u r so weit P r ä d i k a t e sein, als der G e g e n s t a n d f u n d a m e n t a l als ein Anderes b e s t i m m t ist (so m u ß e t w a der als Weißes bezeichnete G e g e n s t a n d z u n ä c h s t einmal Lebewesen oder Mensch sein); sie k ö n n e n also notwendig n u r als zusätzliche G e g e n s t a n d s b e s t i m m t heiten f u n g i e r e n (zusätzlich zur W e s e n s b e s t i m m t h e i t , zur Definition, zur G a t t u n g s b e s t i m m t h e i t ) . — Wie n u n der gedankliche Z u s a m m e n h a n g es f o r d e r t u n d der K o n t e x t (b 10—12; 19—24) es zeigt, u m f a ß t dieser Begriff der zusätzlichen B e s t i m m t heiten hier a l l e a u ß e r h a l b der W e s e n s b e s t i m m t h e i t fallenden G e g e n s t a n d s b e s t i m m t heiten. D. h. : es gibt zwei wohlunterschiedene T y p e n v o n zusätzlichen B e s t i m m t h e i t e n : a) solche, die zwar gewiß nicht z u m W e s e n gehören, aber d e m G e g e n s t a n d doch a n i h m selbst eigen u n d so a n i h m n o t w e n d i g sind (ov/tßeßrjxos xad'' avrà), b) solche, die weder das erstere noch das letztere sind (avfißeßrjXOTa xaD" F.reoov TQÓTIOV; b 20). — A n d e r e T e r m i n i f ü r diese beiden T y p e n : xarrjyoQOVfieva, Aeyófteva. orna xa&' avrà bzw. xarà avfißeß^xöi;. — I m V o r b e i g e h e n : Der K o n t e x t zeigt zweifelsfrei, d a ß d a s xaff avrò xarrjyoQov/ievov seiner logischen F u n k t i o n n a c h m i t d e m lóiov d e r T o p i k nicht identisch ist. E r s t e r e s ist m i t d e m G e g e n s t a n d nicht, dieses

421 sehr wohl konvertibel; d. h. im ersteren Fall liegt nur Notwendigkeit einseitiger, im letzteren wechselseitiger Implikation vor. E s darf also nicht verwirren, daß die beiden Bestimmtheitstypen gelegentlich i n h a l t l i c h zusammenfallen. 11. Met. V c. 30. Das K a p i t e l bietet zunächst nichts anderes als eine Erläuterung der nichtnotwendigen ('zufälligen') Bestimmtheiten (vgl. Anal. post. I 4, 73 b 10 ff.). Zwischen dem Gegenstand u n d der criyi/lfe/^xd^-Bestimmtlieit gibt es keine notwendige und regelmäßige Verbindung; das bloße Ungefähr stellt sie gelegentlich her. 'Der Mann ist blaß'. Nicht insofern er Mann, sondern insofern er etwas anderes (vielleicht: k r a n k ) ist, ist er blaß (1025 a 28f.): nur einer zusätzlichen Bestimmtheit zufolge ist der als Mann bezeichnete Gegenstand blaß. — Der Schluß des Kapitels ( a 3 0 f f . ) bringt den Begriff des av/ußeßrjxog xaP amò: es ist eine zwar nicht zur Wesensbestimmtheit gehörende, aber dem Gegenstand doch notwendig und stets zukommende Bestimmtheit. — Zu zwei behandelten Stellen (vgl. 9 und 8) ist diese gegenwärtige Stelle in Beziehung zu setzen. Was gegenwärtig als avfißeßrjxoi; xa{F avrò des Dreiecks (die Winkelsumme von 2 R ) bezeichnet wird, wird in Top. I I 3, 110 b 22 f. einfach als xa&' avro-Bestimmtheit bezeichnet u n d diese wird der xarà ov/tßeßjjXÖi-Bestimmtheit gegenübergestellt. Dies letztere entspricht genau der in Anal. post. 1 4 , 73 a 34 ff. ebenfalls getroffenen Entgegensetzung von xa#' aóró-Bestimmtheiten und ovftßeßr]X0Ta (73 a 34; b 4). Doch ist der Gegensatz zwischen Met. V c. 30 einerseits, Top. I I c. 3 und Anal. post. I c. 4 andrerseits so gut wie nur scheinbar. Denn was in Anal. post. I c. 4 einfach avrà heißt, heißt auch in den Analytiken (Anal. post. I 22, 83 b 19f.) avßßsßrjXÖTa xaft' avrà. D. h.: Es gibt neben dem avfißeßrjxos xa& avrò eigentlich auch das av/ißeßrjxog xaxà avfißeßrjxoq. An der letzteren Stelle wäre diese Terminologie ganz folgerichtig, aber Ar. weicht ihr aus mit der Formel : avfißeßrjxog xaff1 érenov TQÓJIOV. — W a s besagt das alles ? Beide avßßeßrjxora sind zusätzliche — nämlich zur Wesensbestimmtheit zusätzliche — Gegenstandsbestimmtheiten. Doch ist die eine gleichzeitig zwar bloß zusätzliche, aber doch notwendige Bestimmtheit (dem Gegenstand zwar nicht laut seiner Definition, wohl aber doch an ihm selbst eigen), die andere im gleichen Sinn zusätzliche, aber nicht notwendige ('zufällige') Bestimmtheit. — D a m i t ergibt sich folgende Unterscheidung von Gegenstandsbestimmtheiten: Wesensbestimmtheit (ovaia; t t iaziv) mit ihren Stücken (rà iv rät Xóyqj ; yévoq und Siaipoga), Exklusivbestimmtheit (lÒiov), notwendige zusätzliche Bestimmtheit (xaif avrò), nichtnotwendige zusätzliche Bestimmtheit (xarà ov/ißeßrix6g). 12. Met. V 7, 1017 a 7—22. Der Abschnitt spricht von dem Unterschied zwischen dem, was ein Gegenstand bloß zusätzlicherweise ist, und dem, was er an ihm selbst ist. E s werden drei Aussagetypen unterschieden: Der Mensch ist gebildet; Der Gebildete ist Mensch; Der Weiße ist gebildet (oder: Der Gebildete ist weiß). I m ersteren wird v o m ursprünglich (als Mensch) bestimmten Gegenstand eine zusätzliche Bestimmtheit ausgesagt (tò> àv&Q(ómp rò /lovaixòv ov/ißeßrjxe)>). I m zweiten ist das, was als Satzsubjekt a u f t r i t t (fiovatxóg), in Wahrheit bloß eine zusätzliche Bestimmtheit am Gegenstand, während an der Prädikatsstelle der Gegenstand, und zwar mit seiner wesentlichen Bestimmtheit, steht — der Satztypus verbirgt also das wahre Verhältnis. I m dritten Aussagetypus ist der Gegenstand seiner ursprünglichen Bestimmtheit nach ü b e r h a u p t nicht da (weder an der S- noch an der P-Stelle), vielmehr sind beide Aussagenglieder lediglich zusätzliche Bestimmtheiten am Gegenstand (ä(iov. E s gibt also sehr wohl ein £rjjov ex £q>ov yiyveaftm — aber nicht f j £wav; denn der Prozeß verlieh dem angenommenen Gegenstand nicht erst den Charakter eines f j a auch (als Definitionsstück): und so ist denn das Resultat des Prozesses xaW avrà ein Pferd, xaxà avfißeßt]X0g ein Lebewesen. U n d nun der beweisende Schluß: Wie das Pferd, das zum H u n d wird, nicht nur £wóv T I , sondern auch dv TI, u n d wie der H u n d , das Resultat des Prozesses, nicht nur fòióv TI, sondern auch ov TI ist, so haben wir bei unserem fingierten Prozeß sowohl ein £ èx £q>ov wie ein dv ei ¿¡wog yiyveo&ac vor uns — aber nicht f j ov, sondern xazà av/xßeßrjxog (Denn der H u n d ist xa&' avrov ein H u n d , ein öv aber bloß xaxà ov/ißeßtjxog). — Der folgende Satz formuliert nur dasselbe negativ : Anders als im Sinne bloß zusätzlicher Bestimmtheit k a n n aus einem Seienden ein Seiendes n i c h t werden. — Das letzte Stück wiederholt dasselbe f ü r das yiyvea&ai i x / i f j övrog: Anders als im Sinne eines bloß zusätzlichen Moments k a n n auch aus dem Nichtseienden ein Seiendes nicht werden. Denn èx /nrj övrog elvai und yiyveo&cu k a n n (vgl. b 10/11) immer nur das bloße M o m e n t des Nichtseins an dem Gegenstand, der anders werden soll, bedeuten, nicht aber die Negation des Gegenstands selbst.

18-9

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28,33 ff. (b 26f.): Ar. denkt, wie es sich gezeigt hat, dem Gegenstand, der zu etwas werden soll, einerseits das Sein, andererseits das Nichtsein zu. Denn er muß s e i n , weil n i c h t s nichts werden k a n n ; andererseits darf er n i c h t sein, wenn er soll zu etwas w e r d e n können. Nun stellt Ar. fest, daß seine Lösung jenen Verstoß gegen das Widerspruchsprinzip nicht enthält, den die Alten im Begriff des Werdens gefürchtet haben. Auch in diesem P u n k t hat seine Leistung die Not der Alten behoben und ihre Problematik aufgelöst (vgl. 190 a 23/24). 28,36 ff. (b 27—29): Wir wissen, daß Ar. in der Modalbetrachtung des Werdens die abschließende Lösung des Werdeproblems gesehen h a t ; bei ihr ist er verblieben, während der vorgenannte Lösungsweg an Interesse bei Ar. verlor. Die Fundamentalbetrachtung der Prozessualität in I I I (c. 1—2) arbeitet nur noch mit dem Modalgegensatz. Wir dürfen daher schließen, daß unser gegenwärtiger Satz eine spätere Anfügung darstellt, die gerade auf I I I c. 1—2 verweisen soll, also auf die Ausführungen, welche die Fundamentalbetrachtung des Werdens, wie wir sie in I c. 7 kennengelernt haben, hinsichtlich dieses einen Punktes ergänzen und verbessern sollten. — Der formale Hauptunterschied zwischen den beiden Lösungen besteht in folgendem: in der ersteren Lösung besteht die Prozessualität im Übergang aus der areQrjOig in das elöo; (aus der Negativbestimmtheit in die positive Bestimmtheit), in der letzteren jedoch im Übergang des eKog (der Bestimmtheit) aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit. Erst ist der Gegenstand bloß möglicherweise, schließlich aber wirklicherweise ein Mensch, oder gebildet, oder weiß. — Innerhalb unseres Buches I kommt die Modalkorrelation Möglichkeit—Wirklichkeit nur noch in 186 a 3 vor (vgl. Anm. zu 9,32 f.); das eine Glied derselben wird noch in 192 a 27 in Anspruch genommen werden. 20,7 (b 34): Es ist die „zugrunde liegende Wesenheit" von 191 a 7 gemeint, das Material als letztes Substrat alles Werdens von etwas zu etwas — also, wie Ar. überzeugt ist, der S c h l ü s s e l für das ganze Problem (vgl. nochmals a 23/24); und zwar insofern, als sie ein Seinsmoment u n d ein Moment des Nichtseins gleichzeitig enthält (bzw. ein Möglichkeits- u n d Wirklichkeitsmoment). 29,16 (192 a l f . ) : Vgl. 190 b 24! 6vva/iig ist hier natürlich nicht als Möglichkeitsmodus zu verstehen. 29,16—24 (a 2—6): Der Gegenstand, der zu etwas anderem werden soll, hat zwei Momente an sich: das Substratmoment, d. h. das Material, und die Negativbestimmtheit. Dabei ist die Negativbestimmtheit selbst gleichzeitig unmittelbares Moment a m Material, eine zusätzliche Bestimmtheit an ihm. Sie selbst ist wesenhaft und an ihr selbst Nichtseiendes, eben schlichtweg Negation der betreffenden Bestimmtheit. Weil sie Moment am Material ist, ist dieses letztere owt ov xarä av/ußeßrptog: mit Bezug auf dieses sein Moment derffreQTjOtgmit einem Nichtsein zwar behaftet, aber nicht wesenhaft und an ihm als solchen selbst ein Nichtseiendes. — Das Material, so hieß es bereits in 190 b 25/26, ist viel eher als die ffTegrjOii ein toSe ri, also eine Substanz (über rööe rt als Kriterium der Substanz vgl. Anm. zu 26,34—36); doch handelte es sich dort um das konkrete Materialstück. Folglich haben wir hier an das andere Kriterium der Substantialität zu denken; denn das Urmaterial ist ja gerade kein

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Anmerkungen

róde ri; aber von ihm gerade gilt ganz radikal die ältere Substanzdefinition: Substrat aller möglichen gegenständlichen Bestimmtheit zu sein (Met. V I I 3, 1029 a 10—27), die freilich unzureichend ist, so daß eben das Urmaterial nur in gewissem und sehr beschränktem Sinn Substanz heißen darf (so auch Met. 1. c. a 32). Die ariQtjOt? hingegen hat in gar keinem Sinne Anspruch auf diesen Titel. 20,24—30 (a 6—9): Die Piatonschüler setzen als f x f j öv entweder den Gegensatz Groß— Klein oder aber sowohl das Große wie das Kleine; sie setzen dieses f i f j 5v als das notwendige Substrat, das die Formung und Bestimmung durch das eidos — das Sv — erfährt. Aber sie sehen den Doppelcharakter dieses Substrats nicht ein. Sie denken das Substrat bloß als Gegensatzdimension, nicht aber als Material im eigentlichen Sinn. 29,30—80,2 (a 9—16): Die entscheidende Zweiheit ist die von tJA/j und OTEQTJOIQ; die bloße Zweiheit der Gegensatzglieder im Substrat (jxéya—/itxQÓv) genügt nicht. Denn auf der Seite des Substrates gibt es j a auch ein b e h a r r e n d e s Glied. Und dies hat eine sehr entscheidende Funktion — eher schon könnte man das eine Glied jenes bei den Piatonschülern als Substrat fungierenden Gegensatzes, nämlich das negative Ausgangsglied, unterschlagen. Jenes beharrende Glied aber ist konstitutive Bedingung für das Werdende, das sich im Prozeß bildet, allerdings nicht führende Bedingung, wie das die Gestalt selbst ist; aber doch unerläßliche Mitbedingung (diese Momente stecken schon im platonischen Begriff des owahiov; aber auch im arist., vgl. Met. V 5, 1015 a 20/21). Es fungiert sozusagen als „ M u t t e r " : das ist ein deutlicher Hinweis, wie sehr die gegenwärtige Kritik an den Piatonschülern an Piaton selbst orietiert ist: am ^djga-Begrifif Piatons, dem Systemäquivalent zur arist. vkr/ (Timaios 50 D ; 51 A). 30,13f. ( a 2 1 f . ) Vgl. Met. X I V 4, 1092 a 2f. 30,14—20 (a 22—25): I n diesem Theorem vom Streben der Materie mischen sich rationale Momente (so etwa die Aufstufung des Material-Form-Verhältnisses) mit mythologischen Metaphern. In der gegenwärtigen Gestalt ist dieses teleologische Theorem zwar unbeholfen genug, aber es spielt eine große Rolle im Denken des Ar. auch sonst noch: in De gen. et corr. I I 10, 336 b 27f. ist es die Natur, welche stets nach dem Besseren strebt. — Über das Verhältnis des Männlichen und Weiblichen vgl. De gen. anim. 1 2 , 716 a 4 ff. ; hier wird dem Weiblichen geradezu das Materialprinzip für die Erzeugung von Lebewesen zugesprochen. 30,22-24 (a 26f.): Ob der Text dieses Satzes wirklich in Ordnung ist? - Them. (33. 28 ff.) paraphrasiert, als stünde überhaupt (statt xa{F avrò) «ara ovfißeßijXOQ im Texte. Nicht anders auch J . Phil. (189. 27-190. 18). Simpl. (252. 17 ff.) schließt sich ihnen zunächst an, wobei er mit dem Ausdruck rò iv qj eine hilflose Manipulation versucht, kehrt, die Vorgänger berichtigend, in 253. 11 ff. nochmals zur Frage zurück und meint abschließend, der Satz besage : (hg /¿èv crregr/aig bzw. xaxà /lèv zr)V arégrjaiv x a V avrò tp&eigerat (rj v X r j ) (253. 19 und 16/17). — Unser Satz, so wie er im Text steht, behauptet ein tp&EtQsa&ai avrò der vÄt], insofern sie rò èv S> sei. Wir werden im Lauf unserer Physikstudien mehrere Bedeutungen von èv w kennenlernen, aber

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hier kann es sich nur um die Grundbedeutung handeln: Substrat. Die Parenthese -sagt, daß das Material Substrat der im Werden vergehenden Negativbestimmtheit ist. Kein Zweifel daran! Aber warum soll das Substrat der Negativbestimmtheit -an ihm selbst vergehen, wenn das Getragene (ein av/ißeßrjxögl) vergeht? Wissen wir nicht, daß es gerade an ihm selbst das im Werden Beharrende ist (a 13)? — Nun, zunächst wird man annehmen müssen, daß ro ev $ nicht zu ergänzen ist zu To iv ¿> ariQrfllt; iariv, sondern zu TO ev d> yiyVEtai, was Piaton im Tim. 50 C/D als Terminus gebraucht. Dieses Substrat des Werdens ist am Anfang Substrat der •cniQrjOts, am Ende Substrat des eldog. Nun soll es — gemäß dem Satz — als dieses Substrat des Werdens vergehen. Das kann nur eines besagen: Am Ende jedes Prozesses ist das Substrat nicht mehr Substrat des W e r d e n s . Das ist richtig: denn obwohl es gerade das Beharrende ist, bleibt es nicht Substrat des Werdens (wie es J a auch nicht Substrat der doch verschwindenden Negativbestimmtheit bleibt), sondern ist zuletzt Substrat der F o r m und, als solches, Materialmoment am Gegenstand. Der Sinn des Satzes wäre also der: Als unbestimmtes Substrat des Werdens kann das Material nicht beharren; diesen Charakter muß es vielmehr in jedem Prozeß notgedrungen verlieren; es ist dazu verurteilt, im Gegenstand als sein Moment unterzugehen. -80,25—27 (a 27—29): „Faßt man es hinsichtlich der (in ihm verkörperten) Möglichkeit" ; nun hat das Material keine andere Möglichkeit als die, gestaltet und bestimmt zu werden; also muß der Ausdruck das Material als Material möglicher Gestaltung meinen. — Als solches soll es nicht seinem Wesen nach zugrunde gehen können (also: höchstens zusätzlicher Bestimmtheit nach). Piaton sagt im Tim. 52 A/B: b e z e i c h n e t e , i m m e r a u c h ein Glied s t a n d , d a s auf die Seite des W e s e n s , der G e s t a l t , des G a n z e n fällt. A u c h Simpl. h a t es wohl so v e r s t a n d e n . D a n n w ä r e w o h l die Silbe d a s G a n z e der B u c h s t a b e n , d a s H a u s g e r ä t d a s W e s e n u n d die G e s t a l t i m G e g e n s a t z zu seinem b l o ß e n Material, d e r K ö r p e r die V e r b i n d u n g der E l e m e n t a r k ö r p e r . E i n b i ß c h e n schwierig ist die Z u o r d n u n g f ü r avfmeQaOfia; vgl. d a s A l e x a n d r o s z i t a t bei Simpl. 320. 7—11. 40,16 ( a 2 1 ) : „ d e r S a m e " ; a u s I 7, 190 b 3—5 h ä t t e m a n schließen m ö g e n , d a ß d e r S a m e eher ein Beispiel f ü r d e n M a t e r i a l g r u n d sei; n u n a b e r d i e n t er als Beispiel f ü r d e n P r o z e ß q u e l l . Mir ist keine Stelle b e k a n n t g e w o r d e n , welche die E n t s c h e i d u n g b r ä c h t e . I n D e p a r t . a n i m . I 1, 641 b 2 9 f . w ü r d e sich die E n t s c h e i d u n g finden, w e n n m a n n i c h t tO {E£ OV RO) ANEOFIA lesen m ü ß t e , — z u g u n s t e n n ä m l i c h des P r o z e ß q u e l l s ; ü b e r d i e s s t e h t gleich a n s c h l i e ß e n d (b 36f.), d a ß d e r S a m e wesentlich d u r c h bloße Möglichkeit c h a r a k t e r i s i e r t sei. I n D e gen. a n i m . I 18, 724 a 35 ff. wird die Altern a t i v f r a g e m i t aller B e s t i m m t h e i t gestellt, als d r i t t e D e n k b a r k e i t lediglich n a c h t r ä g l i c h n o c h e r w ä h n t , d a ß der S a m e beides gleichzeitig sein k ö n n t e (b 5 f . ) ; a b e r wir b e k o m m e n d a n n nirgends eine E n t s c h e i d u n g d a r ü b e r , der S a m e w i r d v i e l m e h r als eines der negizräifiaxa b e s t i m m t (725 a 3f.). — Die P r o z e ß q u e l l e e r f ä h r t eine n e u e K e n n z e i c h n u n g : sie ist d a s notovv. Sie ist j a die Quelle des Prozesses, der d e n a n d e r e n G e g e n s t a n d v e r ä n d e r t : so ist s i e es, die i h n letztlich v e r ä n d e r t , also auf i h n einw i r k t . D e m g e g e n ü b e r ist der P r o z e ß g e g e n s t a n d das, w a s d e n v o n der P r o z e ß q u e l l e b e w i r k t e n P r o z e ß e r f ä h r t : er ist d a s naaypv. noielv u n d ndayeiv sind zwei K a t e g o r i e n ; vgl. K a t . c. 9. 40,18—23 (a23—26): Der P r o z e ß a b s c h l u ß ist a u c h die W e r t q u e l l e f ü r d a s übrige. Alles, w a s in einem H a n d l u n g s z u s a m m e n h a n g g e t a p wird, wird u m des Ziels u n d Zwecks willen g e t a n , d e n m a n v e r f o l g t . E s e r h ä l t n u r W e r t , weil d a s Ziel u n d d e r Zweck, w o z u es f ü h r t , i h m W e r t g e b e n ; es h a t also n u r v e r m i t t e l t e n W e r t , der Zweck a b e r h a t u n m i t t e l b a r e n W e r t . D a r u m e r r e i c h t d e r P r o z e ß a n seinem A b s c h l u ß u n d erst a n seinem A b s c h l u ß die volle W e r t h ö h e . D a s g a n z e A r g u m e n t s t a m m t n a t ü r l i c h a u s d e r S p h ä r e des H a n d e l n s u n d H e r s t e l l e n s ; die Generalisierung ist f ü r d e n

465 Finalismus unseres Philosophen charakteristisch. — Mit dem letzten Satz will Ar. sein Argument v o n der Problematik der E r k e n n b a r k e i t des echten Wertes unabhängig h a l t e n : Das (paivófiEVOV àyadóv erfüllt die Zweckfunktion in der formalen S t r u k t u r des Handelns u n d Herstellens ebensogut. — F ü r den Wert des Handelns selber ist dieser Unterschied natürlich umgekehrt gerade entscheidend: vgl. E N I I I 6, 1113 a 14—b 2; dazu die scharfe Formulierung in De gen. et corr. I 8, 325 a 17-23. 40,24—27 (a 26—29) : Der Abschnitt bringt eine andersgeartete Gliederung der Mannigfaltigkeit der Gründe. Diese Gliederung steht senkrecht auf der zuvor angegebenen; d . h . : f ü r jeden der vier T y p e n der ersten Gliederung gibt es die nunmehr angeschlossene, zweite Gliederung. 195 b 3—6 bringt schließlich nochmals eine weitere, ebenfalls senkrecht durchgehende Gliederung: die modale. Solche Gliederungsmannigfaltigkeit läßt sich kombinatorisch behandeln. Ar. versteht sie auch tatsächlich so: vgl. b 1 2 - 1 6 ; J . Phil. 248. 12-252. 14. 40,29—36 (a 29—32): Die Mannigfaltigkeit von Gründen f ü r eines und dasselbe kann darauf beruhen, daß der betreffende Grund einmal mittels eines engeren, ein andermal mittels eines weiteren Begriffs gedacht wird: d. h. also auf der Abstufung, die im Reich der Begriffe herrscht. Das eine Beispiel n i m m t Ar. aus dem Bereich der Prozeßquelle, das andere aus dem Bereich der Gestalt (vgl. 194 b 26 ff.). 40,36ff. (a 32—b 1): Die Mannigfaltigkeit von Gründen f ü r eines und dasselbe kann weiterhin darauf beruhen, daß der betreffende Grund einmal mittels seiner wesentlichen Bestimmtheit, ein andermal mittels einer bloß zusätzlichen Bestimmtheit angegeben wird; auch hier gibt es dann wieder die weitere Mannigfaltigkeitsmöglichkeit d a n k der Allgemeinheitsabstufung, die auch im Bereich der bloß zusätzlichen Bestimmtheit s t a t t h a t . Grund dieser Statue ist der B i l d n e r ( w e s e n t l i c h e Bestimmtheit des Entstehungsgrunds), aber auch ein Mensch, ein Lebewesen, dieser Mensch Polykleitos (verschiedene Allgemeinheitsstufen einer bloß z u s ä t z l i c h e n Bestimmtheit des Entstehungsgrunds). Uns Heutige wird es stören, d a ß die Individualität des schöpferischen Genies auf diese Weise auf die Seite der lediglich zusätzlichen Bestimmtheiten des Entstehungsgrundes fällt. Aber Ar. ist hier unerbittlich: wesentlich bezeichnet ist der Entstehungsgrund der S t a t u e ausschließlich mittels des Terminus 'Bildner' und der diesem über- und untergeordneten Termini. Mag es noch so unerläßlich sein, d a ß dieser Bildner ein Mensch sei — schon dies ist nur mehr zusätzliche Bestimmtheit, wenn auch gewiß ein ov/ußeßrjxoi; xad' avrò. Ar. beschränkt sich hier auf ein Beispiel vom Typ der Prozeßquelle. 41,6—10 (b 1—3): Ar. f ü g t hier eine weitere Quelle möglicher Mannigfaltigkeit in der Angabe des Grundes ein (in der abschließenden Aufzählung wird er sie nicht berücksichtigen) : ein und derselbe Grund läßt sich mittels einer zusätzlichen Bestimmtheit, die dem Gegenstandswesen näher ist, aber auch mittels einer solchen, die ferner steht, angeben. Nun - differieren an dieser Stelle der Metaphysiktext (1014 a 5f.) und unser Physiktext. Nach dem Metaphysiktext wären die Beispiele f ü r größere Wesensnähe 'Polykleitos' und 'Mensch', f ü r geringere Wesensnähe hingegen 'Weißer' und 'künstlerisch Geschulter'. I m Physiktext stehen nur die zwei letzten Glieder.

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Anmerkungen

M a n k a n n n u n gewiß a u c h d e n P h y s i k t e x t so v e r s t e h e n , wie d e r d e r M e t a p h y s i k es a u s d r ü c k l i c h sagt (so t u t es Simpl. 323.19—23; R o s s 512f. schließt sich an). A b e r m a n m u ß es n i c h t t u n ; d e n n a u c h zwischen /lovaixog u n d Xevx6i b e s t e h t ein wohlb e s t i m m t e r U n t e r s c h i e d in der W e s e n s n ä h e : d a s erstere sei eine auf d e n M e n s c h e n e i n g e s c h r ä n k t e , das l e t z t e r e a b e r eine auf d e n M e n s c h e n n i c h t e i n g e s c h r ä n k t e zusätzliche B e s t i m m t h e i t , so v e r s t e h t die Stelle J . P h i l . 256. 15—19. I c h m e i n e r s e i t s gehe d a v o n a u s , d a ß die wesentliche B e z e i c h n u n g f ü r d e n G r u n d der S t a t u e ' B i l d n e r ' ist. Mit B e z u g d a r a u f ist nun/lovaocöq zweifellos eine n ä h e r e zusätzliche B e s t i m m t heit als Aevxog. 4 1 , 2 2 f . (b 9 / 1 0 ) : Also e t w a s t a t t „ D a s hier ist der G r u n d f ü r dieses B l a t t P a p i e r " : „ D a s hier ist der G r u n d f ü r dieses W e i ß e , f ü r d a s W e i ß e , f ü r d a s F a r b i g e " . 42,15—25 (b 21—28): I n diesem A b s c h n i t t f ü g t Ar. n o c h drei F o r d e r u n g e n hinsichtlich der E r f o r s c h u n g des jeweiligen G r u n d e s a n . Die e r s t e ist die F o r d e r u n g , d e n a b s c h l i e ß e n d e n G r u n d a n z u g e b e n , d. h . d e n j e n i g e n , bei d e m die R ü c k f r a g e ( M e n s c h B a u m e i s t e r — B a u b e f ä h i g u n g ) schließlich sich b e r u h i g e n d a r f , weil er wirklich d a s M o m e n t d a r s t e l l t , a u s w e l c h e m sich d a s B e g r ü n d e t e begreifen l ä ß t . F ü r die B e d e u t u n g v o n axQÖxaxav ahiov vgl. Met. I V 1, 1003 a 26 ff.; D e caelo I 9, 279 a 30 ff.; E N I 2, 1095 a 13—16. — G a n z s t r e n g g e n o m m e n ist n i c h t die B a u b e f ä h i g u n g als solche der a b s c h l i e ß e n d e G r u n d f ü r d a s i m B a u begriffene H a u s , s o n d e r n der B a u m e i s t e r in seiner B a u b e f ä h i g u n g , d. h. generell: D e r G e g e n s t a n d in seiner p r o z e ß b e w i r k e n d e n F ä h i g k e i t bzw. N a t u r . — Die f o l g e n d e n zwei Glieder (b 25—29) bleiben k o n s t r u k t i o n s a b h ä n g i g v o n dei äei ^rftelv (b 21 f.). 42,29—31 (b 31—33): „ d i e F ü g u n g u n d der leere Z u f a l l " (rtijjjj u n d avro/xarov); es ist schwer, die p a s s e n d e Ü b e r s e t z u n g zu finden, w e n n sie a n allen T e x t s t e l l e n f e s t h a l t b a r sein soll. — Ar. stellt n u n die F r a g e , ob n i c h t a u c h sie zu d e n G r ü n d e n g e h ö r e n . W i r w e r d e n sehen, d a ß er die F r a g e , o b z w a r in modifizierender Weise, b e j a h t . — Schon in d e n A n a l y t i k e n e r s c h e i n t im Z u s a m m e n h a n g m i t der E r ö r t e r u n g d e r ü b r i g e n F o r m e n v o n G r ü n d e n a u c h F ü g u n g u n d Zufall ( P o s t . I I 11, 95 a 2—9); u n d d a s bloß Zufällige l ä ß t sich n i c h t beweisend a b l e i t e n , weil es k e i n e n P r ä m i s s e n t y p geben k a n n , a u s d e m Zufälliges folgen w ü r d e (ib. I 30, 87 b 19—27). — M e h r f a c h erscheint F ü g u n g u n d Zufall als f u n d a m e n t a l e F o r m v o n G r u n d d i s j u n k t i v n e b e n d e r N a t u r u n d d e m m e n s c h l i c h e n H e r s t e l l e n ( e t w a Met. V I I 7, 1032 a 1 2 f . ; 2 5 - 3 0 ; X I I 3, 1070 a 6f.). Schon hier sei auf d e n A b s c h n i t t Met. X I 8, 1065 a 2 7 - 1 0 6 5 b 4 verwiesen. — Offensichtlich g e b r a u c h t Ar. die b e i d e n T e r m i n i z u n ä c h s t o h n e d e u t lichen B e d e u t u n g s u n t e r s c h i e d , d o c h f ü h r t er einen solchen in c. 6, 197 a 36 ff. ein. 42,37—43,4 (196 a 1—5): Diesen S a t z , b e s o n d e r s d a s in i h m e n t h a l t e n e Beispiel, m u ß m a n g e n a u b e t r a c h t e n . J e m a n d sei a n ö rvxrjg auf d e n M a r k t g e g a n g e n u n d h a b e d o r t j e m a n d g e t r o f f e n , der i h m sehr gelegen k a m , weil er sich ein Z u s a m m e n t r e f f e n m i t i h m a n sich w ü n s c h t e , m i t dessen D o r t s e i n er a b e r g a r n i c h t g e r e c h n e t h a t t e . E r w a r sicherlich m i t Absicht auf d e n M a r k t g e g a n g e n ; aus i r g e n d e i n e m M o t i v . ' Z u fällig' ist also n u r dies, d a ß er u n a b h ä n g i g v o n d e m Zweck, d e n er v e r f o l g t e , einen Zweck erreichte, d e n er n i c h t v e r f o l g t e . E r w a r ' z u seinem G l ü c k ' auf d e n M a r k t g e g a n g e n ; d e n n dies b r a c h t e i h m einen E r f o l g , der n i c h t Zweck seines T u n s gewesen

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w a r ; sein Glück (rvxrj) f ü h r t e ihn hin. — Leider ist es n u n nicht möglich, mit dem Versuch, rvxr] durchwegs mit 'Glück' zu übersetzen, durchzukommen. Aber mit der Übersetzung ' F ü g u n g ' ist durchzukommen — und sie wird dem arist. Gedanken viel gerechter. 'And TV%T]S geschieht nämlich nicht sosehr das ¿X&elv eig rrjv ayogav, auch nicht sosehr das xaraXaßelv, sondern das ik&elv xal xarahaßeiv, d. h. die V e r e i n i g u n g eines an sich sehr wohl zweckbestimmten T u n s mit einem nicht durch dieses T u n erstrebten Erfolg. Solche Vereinigung nun heißt eben F ü g u n g : es f ü g t sich, daß einer etwas erreicht, was er (sich wohl wünschte, aber eben) mit der moment a n e n Handlung oder dem momentanen Verhalten nicht bezweckte. Die Fügung verleiht der H a n d l u n g (dem Verhalten) einen zusätzlichen, mit dem Zweck der H a n d l u n g nicht gegebenen Erfolg. — Der gelegentlich überkritische Textleser, immer aber eminent scharfsinnige Erklärer Torstrik trifft hier den logischen Kern des arist. Gedankens aufs genaueste; vgl. A. Torstrik, IIEQI TV%T)I; >cai rov avro/TATOV, Hermes I X (1875), 423-470. 48,4—13 (a 5—11): Diese Gegner von Zufall und Fügung verweisen also zusätzlich darauf, daß es bei den alten Philosophen keine Lehre über Zufall und Fügung gegeben habe, und schließen daraus, daß diese alten Philosophen Zufall und Fügung als Erklärungsgrund abgelehnt h ä t t e n ; denn es wäre sonst das Fehlen einer Theorie unverständlich. — I m folgenden repliziert Ar.: genauso rätselhaft sei aber die andere Tatsache, daß diese nämlichen Philosophen manches gerade auf F ü g u n g und Zufall zurückgeführt haben. — Der Text, handschriftlich bestens bezeugt, ist v o n a 11—14 nicht ganz geheuer; Torstrik h a t ihn zu bessern versucht; Ross ist beim H a n d schriftentext geblieben; ihm folgt auch unsere Übersetzung. Zu naXatog Xöyog vgl. Ross 514. 48,29 f. (a 22/23): Unser fr. 53 (Vors. 1031 ß 53). 334 a 1—5 (hier al&tjQ s t a t t unseres ärjQ).

Vgl. auch De gen. et corr. I I 6,

43,33 (a 24): „von mancher Seite"; der Umfang der Gruppe, gegen die sich die nachstehende Polemik richtet, ist nicht genau festzustellen; nur Demokritos mit der Lehre vom Urwirbel hebt sich bestimmt heraus; auf ihn bezieht sich wohl auch die Rede von „allen Welten ü b e r h a u p t " ; denn es wird uns berichtet, Demokritos habe eine unendliche Menge von Welten angenommen (Ross 515). 44,27—38 (196 b 10—15): Ar. beginnt den Weg der Definition. E r klassifiziert zunächst die Prozesse: es gibt a) solche, die stets und mit Notwendigkeit gleich ablaufen und das gleiche Ergebnis zeitigen; b) solche, die wenigstens in der Regel gleich ablaufen und das nämliche Ergebnis zeitigen; es gibt c) exzeptionelle Prozesse, exzeptionell im Vorkommen und im Ergebnis. Nur f ü r exzeptionelle Prozesse k a n n TVYJJ oder ein ANO TV'/JJQ (ein P r o d u k t bloßer Fügung) verantwortlich gemacht werden. — Vgl. De gen. et corr. I I c. 4 ff. — Über das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Beweis einerseits, im TO noXv und Ausnahme bzw. F ü g u n g andererseits vgl. auch Anal. pr. I 13, 3 2 b 4 f f . ; Met. VI 2, 1027 a 2 0 f f . ; ib. X I c. 8; über die modallogische Bedeutung aller drei Glieder handelt genau und k l a r : A. Becker, Die aristotelische Theorie der Möglichkeitsschlüsse, Berlin 1933.

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Anmerkungen

45,1—10 (b 17—22): Der zweite die Definition vorbereitende S c h r i t t : eine zweite Klassifizierung der Prozesse, wiederum deren Allheit umfassend: Prozesse bringen entweder Zweckmäßiges hervor oder sie haben diese Eigenschaft nicht, d. h. sie besitzen Finalität oder aber nicht. Die Finalprozesse ihrerseits zerfallen in zwei Unterklassen: E s gibt Prozesse, deren Finalität auf Zweckbewußtsein beruht, andere, die ohne die Beteiligung eines zweckbewußten Prozeßgfiedes (speziell Prozeßquells) Finalität an sich haben. — Ti yiyvercai e.vexd r o v : etwas wird (zu dem oder dem) um eines Anderen willen, welches den Z w e c k dieses Werdens und dieses Werdenden darstellt. Dies ist der genaue Begriff eines Finalprozesses. Ungenau bleibt nur ein Punkt in diesem arist. Begriff: Darf das Produkt eines solchen Prozesses 'zweckbestimmt' heißen oder muß man sich damit begnügen, es als bloß -'zweckmäßig' zu denken? I c h fürchte, es gibt kein Mittel, diese Upgenauigkeit bei Ar. zu beseitigen; alle Anzeichen sprechen dafür, daß Ar. die (freilich schwierige) Unterscheidung gar nicht in den Sinn gekommen ist: wo er Zweckmäßigkeit sah, verstand er sie grundsätzlich gleichzeitig als Zweckbestimmtheit. E r ließ also nicht nur, was zutreffend ist, Zweckmäßigkeit ohne Zweckbewußtsein, sondern auch, was kaum denkbar ist, Zweckbestimmtheit .ohne Zweckbewußtsein zu. — Wie soll man also EVEXD TOV übersetzen? Nachdem die Zweckmäßigkeit das eigentliche Argument in der arist. Überlegung darstellt, sollte man evexd TOV mit 'Zweckmäßigkeit' wiedergeben, dabei freilich stets daran denken, daß Zweckbestimmtheit für Ar. mit Zweckmäßigkeit jederzeit verbunden erscheint. — Nun sagt Ar.: So wie ein Teil der Prozesse überhaupt durch Zweckmäßigkeit ihrer Resultate charakterisiert ist, so kann doch nun auch ein Teil der exzeptionellen Prozesse durch die Zweckmäßigkeit ihrer Resultate charakterisiert sein. Ar. spricht nur davon, daß dies sein k a n n , daß solcher Denkbarkeit kein sachliches Argument entgegensteht (evdixeTcu)• Kein Zweifel, daß er damit recht hat. — Zuletzt gibt Ar. noch an, in welchen Prozeßtypen sieh Zweckmäßigkeit grundsätzlich findet: in Prozessen, welche das Werk überlegenden Denkens, und in Prozessen, welche das Werk der (zwar nicht überlegenden und nicht zweckbewußten, aber zweckmäßig arbeitenden) Natur sind. — B i s h e r i g e s R e s u l t a t : Fügung (und Zufall) gibt es nur im Bereich von Prozessen, die a) exzeptionellen Charakter haben, die b) durch Zweckmäßigkeit gekennzeichnet sind und die also c) entweder das Werk überlegenden Denkens oder der Natur sind. 45,10—24 (b 23—29): In b 23/24 haben wir die Definition, wie sie aus den vorausgegangenen Vorbereitungsschritten herauswächst. E s werden noch zwei weitere Definitionsabschnitte im T e x t folgen, die nicht genau dasselbe sagen, aber mit der jetzigen Definition doch verbindbar sind (197 a 5 f . ; b 18—22). Die Definition sagt: Wenn die Zweckmäßigkeit exzeptioneller und zweckmäßiger Prozesse (seien es Prozesse der Natur oder solche, die das Werk überlegenden Denkens sind) xaxä avfißeßrjxog — bloß dank zusätzlichen Umständen — auftritt, so haben wir ein Werk bloßer Fügung vor uns; xazä nvfißeßijxog bringt also die entscheidende differentia specifica der Definition zum Ausdruck. Die Fügung (und der Zufall) ist ein ahiov d>g av/ußeßrjxäc (so ausdrücklich in 197 a 13f.). Was das heißt, macht die anschließende Parenthese klar — im Rückgriff auf Einsichten, die uns bereits aus Buch I bekannt sind (bes. 5, 188 a 30 ff.). Ein Gegenstand hat neben dem, was er wesentlich ist, noch eine Fülle zusätzlicher Bestimmtheiten. Das gilt auch von einem Gegenstand, der auf Grund irgendeiner seiner Bestimmtheiten als Grund für einen anderen Gegenstand.

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f ü r die Bestimmtheit eines anderen Gegenstands, f ü r einen Prozeß fungiert: neben der f ü r seine Grundfunktion entscheidenden Bestimmtheit h a t er weitere, zusätzliche Bestimmtheiten an sich. J e d e von diesen letzteren k a n n (in äußerlicher Weise) zur Bezeichnung des betreffenden Grundes dienen. Ausdrücklich ist dies in 195 a 32—b 2 b e t o n t worden (vgl. Anm. zu 40,36—41,10). — Mit dem Ross'schen K o m m e n t a r zu unserer Stelle (518f.) vgl. W. K. C. Guthrie a. 0 . , Class. Quart. 40 (1946), 76. — Zu Torstriks Meinung (a. O. 444f.), in b 23 müsse unbedingt nach yEvrjTai ' a l n a eingesetzt werden: eine unumgängliche Notwendigkeit besteht nicht; vgl. auch Ross 519. 45,24—29 (b 29—33): Ar. sagt n u n : Wo immer dieses äußerliche Verhältnis (ein durch bloß zusätzliche Bestimmtheit bezeichneter Grund als Grund f ü r eine bestimmte Folge) im Bereich zweckmäßiger Prozesse s t a t t h a t , da haben wir F ü g u n g u n d Zufall vor uns u n d Ergebnisse von F ü g u n g und Zufall. Der Bückverweis „wie gesagt" geht auf b 23f. N u n f ü g t Ar. zur F ü g u n g den Zufall hinzu, u n d zwar mit dem Vermerk, d a ß wir die beiden zunächst noch nicht zu unterscheiden b r a u c h e n ; die Unterscheidung bringt er dann später (c. 6). 46,29—35 (b 33—36): An einer Stelle (b 34) ist der T e x t sehr unsicher: s t a t t xofitto/tevov, wofür sich Boss entscheidet, steht in Handschriften sowohl xofiiaafievov wie xo/ii^¿fievog und xo/iiao/ievog. Weil keine Entscheidung zwingend treffbar ist, folgt die Übersetzung dem Ross'schen Text. Wer lieber xo/nt^ö/uevog liest, findet die entsprechende Übersetzung bei H a r d y - G a y e ; wer xofitoo/tevog vorzieht, findet die Übersetzung dazu bei P r a n t l (doch bildet Ar. sonst xo/xiov/nevog und xo/jieio&ai: E N I X 2, 1165 a 8 f . ; ib. 7, 1167 b 24; V I I I 15, 1163 a 18). I n der zweiten Abschnittshälfte ist der Text einheitlich bezeugt; gleichwohl haben Bonitz (Arist.-Stud. I 240f.) u n d Torstrik (a. 0 . 448) sich f ü r die Streichung der letzten drei W o r t e (rov xofiioaodai evexa) ausgesprochen; denn sie stünden in unvereinbarem Widerspruch zum eben Vorausgegangenen (fj}&e ahiwv' hat genau dieselbe Funktion, wie dann später, in b 20, das '(5v «fio rò amov'. Damit eine Fügung vorliege, genügen eben die Exzeptionalität und Zweckmäßigkeit nicht; vielmehr muß das Resultat auch prinzipiell Ziel einer Zweckwahl und eines planenden Denkens sein können, obzwar es natürlich auf diesen nicht beruhen darf, wenn es wirklich Fügungsergebnis (ànò tv/tjì) sein soll. 46,6—9 (a 5f.): Drei Definitionsglieder sind festzuhalten: a) ahia xarà avfißeßijxo;, d. h. die Fügung ist ein aus bloßen zusätzlichen Umständen bestehender Grund; b) Tmv ivexa rov (yiyvo/Aevwv), d. h. sie ist ein solcher Grund für zweckmäßige Resultate; (diese beiden Definitionsglieder gelten natürlich auch für das avrójiarov; erst

II 5 - 6

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d a s folgende Glied ist ausschließlich f ü r die TVX*) spezifisch:) c) ev rolg xazä nQOaiQtaiv, d. h. sie ist ein Grund f ü r zweckmäßige Resultate solcher Art, die prinzipiell auch d u r c h Planen und Zwecktätigkeit erreichbar sind. — Vgl. Met. X I 8, 1065 a 30 f. 46,25 (a 15): „ein Flötenspieler"; „dieses H a u s h a t der Flötenspieler N. g e b a u t . " 46,30f. (a 17; a 18): Möglicherweise haben die drei W ö r t e r : duöxoiv, ipevywv und &eaaofievoi; hier keine spezifische Bedeutung — wie sollte m a n es entscheiden? Letzterenfalls: „ d a ß er hinter j e m a n d e m her war oder vor j e m a n d e m floh oder dort dem Geschehen zusehen wollte". 47,4—7 (a 24/25): Über solche vgl. 195 b 1 ff. — Zum Beispiel schneiden lassen und sich der soll sich so gefügt haben, d a ß i n g l e i c h e m G r a d e als ahtov

Abstufung unter den zusätzlichen Bestimmtheiten in a 23/24: Es soll sich ein K r a n k e r die H a a r e haben frischen L u f t und Sonne ausgesetzt haben. Und es er wieder gesund wurde. K o m m t da alles Genannte xarä ov/tßeßrp xarä

övvafiiv

¡i6vov).

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Anmerkungen

93,35 (b 5 ) : „ h o m o g e n e s G e b i l d e " ; vgl. A n m . zu 1 4 , l f f . Diese U n t e r s c h e i d u n g s c h e i n t in d e m A b s c h n i t t ü b e r d e n O r t in K a t . 6, 5 a 10—14 n i c h t ins A u g e g e f a ß t z u sein. 9 3 , 3 9 f f . (b 7 - 1 2 ) : F ü r diese U n t e r s c h e i d u n g vgl. n o c h m a l s 211 a 1 7 - 2 3 ! 94,4 (b 8 ) : „ w i e eben erst g e s a g t " ; wir h a b e n es wohl auf 212 a 31 £f. z u b e z i e h e n . 94,13—15 ( b 1 4 - 1 6 ) : N i c h t d a s s e l b e wie d a s in 209 b 32 f. Gesagte. J e t z t s t e h e n sich der O r t (to TZOV, tO EV IL) u n d d a s , w a s er u m s c h l i e ß t , g e g e n ü b e r . D e m n a c h h ä t t e d a s All n u r d a n n einen O r t , w e n n es e t w a s g ä b e , v o n d e m es u m s c h l o s s e n w ü r d e . E s h a t n u r n o c h eine G r e n z e , a b e r k e i n e n O r t m e h r . 94.20 (b 1 9 / 2 0 ) : [. . .] möglicherweise eine E i n f ü g u n g v o n f r e m d e r , s p ä t e r e r H a n d . 9 4 . 2 1 (b 21): „ Ä t h e r " (aid/Jo). D a s W o r t ist h ä u f i g im W o r t s c h a t z d e r V o r s o k r a t i k . Ar. v e r w e n d e t es sonst n u r i m R e f e r a t ; d e n E l e m e n t a r k ö r p e r , welcher n a c h i h m die obere W e l t a u f b a u t , n e n n e n n u r wir (im A n s c h l u ß a n die p s e u d o a r i s t . S c h r i f t D e m u n d o [2, 392 a 5]) Ä t h e r ; A r . selbst s a g t (De caelo I 3, 270 b 2 0 - 2 4 ) lediglich, d a ß die A l t e n f ü r diese R e g i o n d a s W o r t g e b r a u c h t h ä t t e n . — W a s h e i ß t al&rig a n u n s e r e r T e x t s t e l l e ? B e d e u t e t es d e n „ Ä t h e r " oder a b e r das F e u e r (d. h . d e n o b e r s t e n s u b l u n a r i s c h e n E l e m e n t a r k ö r p e r ) oder a b e r e i n f a c h d e n E l e m e n t a r k ö r p e r , d e r a m w e i t e s t e n o b e n ist ( o h n e eine D i f f e r e n z i e r u n g in d a s s u b l u n a r i s c h e F e u e r u n d d e n superlunanschen „Äther")? 94,23ff. (b 22—29): Z u m S c h l u ß d e r E r ö r t e r u n g des Ortsbegriffs zeigt n u n Ar., w a s sein Ortsbegriff leistet. B e v o r er d a r a u f h i n w e i s t , w a s dieser Ortsbegriff f ü r die E r k l ä r u n g d e r n a t ü r l i c h e n B e w e g u n g u n d der K ö r p e r v e r t e i l u n g i m W e l t g a n z e n leistet, e r i n n e r t er a n die in 209 a 2 ff. e n t w i c k e l t e n A p o r i e n u n d v e r s i c h e r t u n s , d a ß sie a u f g e l ö s t sind. — E r b e z e i c h n e t als a u f g e l ö s t z u n ä c h s t die d o r t i g e s e c h s t e B e d e n k l i c h k e i t (209 a 26—29); s o d a n n die d o r t i g e zweite (a 7—13); d a n n die d o r t i g e e r s t e ( a 4 - 7 ) ; er f ü g t d a n n eine Aporie ein, die in der d o r t i g e n A u f s t e l l u n g n i c h t e r w ä h n t w a r , a b e r in 211 b 14 ff. d e u t l i c h z u m A u s d r u c k k a m ; schließlich b e z e i c h n e t er a u c h n o c h die d o r t i g e f ü n f t e B e d e n k l i c h k e i t (a 23—25) als z e r s t r e u t (ihre A u f lösung f a n d a u s d r ü c k l i c h in 210 b 22 ff. s t a t t ) ; n i c h t m e h r e r w ä h n t w e r d e n die d r i t t e u n d v i e r t e d e r u r s p r ü n g l i c h a u f g e f ü h r t e n B e d e n k l i c h k e i t e n (209 a 13—18; 18—22); i m H i n b l i c k auf ihre N a t u r ist dies begreiflich. 9 4 , 3 4 f f . (212 b 29—213 a 10): N u n w i r d d e r e r r e i c h t e O r t s b e g r i ffdafür g e p r i e s e n , w a s er i m R a h m e n der T h e o r i e d e r n a t ü r l i c h e n W e l t ö r t e r u n d d e r n a t u r g e m ä ß e n B e w e g u n g leistet. N a c h Ar. folgen sich — i n n e r h a l b der V i e r e l e m e n t e n l e h r e — i m W e l t a u f b a u v o n i n n e n n a c h a u ß e n die E l e m e n t a r k ö r p e r in f o l g e n d e r R e i h e : E r d e . W a s s e r , L u f t , F e u e r . U n d „ s o g e h ö r e n sie a u c h innerlich z u s a m m e n " (b 31). M a n m u ß n u r a n ihre K o n s t i t u t i o n a u s j e e i n e m P a a r der vier F u n d a m e n t a l g e g e n s ä t z e (kalt; warm; trocken; feucht) denken: Erde Trocken-Kalt

Wasser Kalt—Feucht

Luft Feucht—Warm

Feuer Warm—Trocken

IV 5

549

Die avyyeveia zwischen j e zwei folgenden Elementarkörpern beruht also auf einem gemeinsamen Glied aus den Fundamentalgegensätzen. — Nun gibt es zwar in der (sublunarischen) Welt keinen einzigen reinen, d. h. nur aus einem einzigen Elementarkörper gebildeten, K ö r p e r ; in jedem Körper treten vielmehr die Elementarkörper in Mischung auf und es gibt nur ein Vorherrschen eines Elementarkörpers auf Kosten der restlichen (in einem realen Erdkörper herrscht die Erde, in einem realen Wasser das Wasser vor). Aber jeder Körper ist in der Dynamik seines Verhaltens in der Welt von diesem in ihm vorherrschenden Elementarkörper bestimmt: ein reales Erdstück z. B . verbleibt — wenn keine Gewaltkräfte einwirken — im natürlichen Erdort (Weltmitte); war es daraus vertrieben, kehrt es dahin zurück; ist es dort angelangt, hört seine Translation auf. — Nun deutet Ar. zweimal (212 b 31 f.; 213 a 9f.) eine wichtige Differenz an: zwischen ätptj und avfiipvaig. ä nag/hm); sie ist keine grundsätzliche Äußerung; ob sie für irgendeine P h a s e der arist. Entwicklung charakteristisch war ? So, daß m a n chronologische Anhaltspunkte daraus ziehen könnte, welche s i c h e r e Schlüsse erlauben würden? — Vgl. Anm. zu 58,1! 111,19 (b 2 3 f . ) : „ d e n sardischen S c h l ä f e r n " ; in welcher F o r m u n d Spielart Ar. die Legende bekannt war, wissen wir nicht. F ü r den gegenwärtigen Zusammenhang ist das aber auch völlig belanglos. Vgl. R o s s 597. 111,26—32 (218 b 29—219 a 1): Ar. schließt aus dem non cognosci posse auf das non esse posse (kein Zeitbewußtsein ohne Prozeßbewußt sein; keine Zeit ohne Prozeß). — Vgl. De gen. et corr. I I 10, 337 a 23f. 111,33—35 (219 a 2—3): Ar. schließt aus dem U m s t a n d , daß der Prozeß Bedingung der Zeit ist, daß die Zeit Moment a m Prozeß ist. D a s ist natürlich abermals ein Sprung, der auch durch den anschließenden S a t z (Unabtrennbarkeit von Prozeß- und Zeitbewußtsein voneinander) nicht beseitigt wird. 112,6 ( a 10): „ B e w e g u n g " . Zwar hat uns der T e x t (218 b 19/20) eben erst versichert, daß xivrjaig dasselbe bedeuten solle wie /IETaßoÄrj, aber nun haben wir xiveicr&ai doch wohl als Ortsbewegung aufzufassen: ein Körper geht durch ein Medium hindurch v o m Orte A zum Orte B . Wie immer so auch hier ist die Bewegung in voller physikalischer Konkretion zu denken, nicht bloß nach Art mathematischer Phoronomie. Wenn wir auch, wie gesagt, an Ortsbewegung zu denken haben, so schließt d a s nicht aus, daß wir an die übrigen Formen von xivrjmg mitdenken dürfen. Ar. lehrt j a , daß in aller Regel (d. h. die Instantanprozesse ausgenommen) die übrigen Prozeßarten mit einer Ortsbewegung v e r b u n d e n sind. Die Prozesse nämlich breiten sich nach ihm von einer Stelle aus kontinuierlich über den im Prozeß begriffenen Gegenstand hin fortschreitend aus, bis sie ihn schließlich als ganzen in den E n d z u s t a n d gebracht haben (im B u c h V I werden wir das Nähere kennenlernen). 112,6—9 ( a 11—12): Die K o n t i n u i t ä t der Bewegung ist eine F o l g e der Kontinuität der Ausdehnungsgröße, über die hinweg bzw. durch welche hindurch die Bewegung des in Bewegung Begriffenen zu erfolgen hat. E s handelt sich also u m das Medium

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Anmerkungen

der Bewegung. Wie n u n dieses Medium (da es kein Leeres in der N a t u r gibt) keineDiskretheit k e n n t , so macht die es durchlaufende Bewegung keine Sprünge: J e d e m beliebig kleinen Stück des Mediums entspricht ein Stück der Bewegung u n d beide,. Medium wie Bewegung, sind ins Unendliche teilbar. U n d f ü r die Bewegungszeit gilt dasselbe, wie der folgende Satz im Text es ausdrücklich ausspricht. — VgL VI 1, 231 b 18 ff. 112,12 f. (a 13—14): Der Sinn ist offenbar der: W e n n ein Bewegungsquantum a eine Zeit b braucht, d a n n braucht ein Bewegungsquantum eine Zeit ^ , usw. ins U n endliche. Gleichbleiben der Geschwindigkeit ist dabei vorausgesetzt; möglicherweiseist diese Voraussetzung im äoxel angedeutet. 112,14 (a 14/15): „Folgeordnung". E s ist schwierig, hier eine bessere Übersetzung f ü r 71QOTEQOV xai varsgov zu finden, weil es gleichzeitig zeitlich und räumlich zu v e r stehen ist. I m R a u m heißt es: „weiter v o r n e " — „weiter h i n t e n " , in der Zeit: „ z u e r s t " — „ d a n a c h " . — Ursprüngliche Folgeordnung soll die räumliche sein. Die Gründe sind zu erraten. N u r im R ä u m e sind die Glieder der Folgeordnung k o m präsent, alle zusammen aktuell; in der Bewegung u n d in der Zeit ist das eine notwendig stets vergangen, wenn das andere aktuell soll sein können. W e n n wir Heutige gegen die F u n d a m e n t a l i t ä t der räumlichen Folgeordnung ihre Relativität ins Feld f ü h r e n wollten, Ar. h a t gerade auch ihr Absolutheit (und zwar nach allen Dimensionen) zugeschrieben; vgl. I I I 5, 205 b 31 ff.; IV 1, 208 b 14ff. 112,21f. (a 20/21): „ d e m bloßen Substrat n a c h " (o fiiv nott ov). Der Sinn des Ausdrucks o jiote ¿V ist von A. Torstrik (Rhein. Mus. N. F. X I I [1857], 161—173) befriedigend geklärt worden. Auch bei Ar. k o m m t der Ausdruck nur selten vor (über die von Torstrik angegebenen Stellen hinaus wären wenigstens noch zu nennen: De part. anim. I I 2, 649 a 16f. und 3, 649 b 24f.). Schon die alten Erklärer haben den Ausdruck richtig v e r s t a n d e n : rö> {moxtifiiva), dem Substrat nach, im Gegensatz zu: tg> Xoyqi oder rm elvai, dem Begriff und Wesen nach (Them. 146. 13 und 25/26; J . Phil. 720. 27; Simpl. 712. 18-27). Zunächst, soll das heißen, ist die in der Bewegung vorliegende Folgeordnung (zuerst — dann — dann) mit der Bewegung ü b e r h a u p t identisch; denn auch diese ist dem Substrat nach nur ein 'Zuerst — dann — dann . . I h r e m Vollbegriff nach freilich sind sie voneinander unterschieden. Denn die Folgeordnung, als solche selbst und nur ihrem eigenen Begriff nach genommen, ist Abfolge von k o m p r ä s e n t e n Stücken der Ausdehnungsgröße (des Mediums), die Bewegung hingegen ist Abfolge von s u k z e s s i v e n Stücken des Bewegungsweges (durch die Ausdehnungsgröße hindurch). 112,23—25 (a 22—23): Ar. will mit dem Satz erklären, wie es ü b e r h a u p t zu dem Begriff einer Zeit kommen kann. E s ist wichtig, darauf zu achten, was wir unter dem arist. W o r t XQOVOS in der gegenwärtigen Textpartie zu denken haben. Die Rede geht jetzt nicht von der einen universalen Zeit, die allen zeitlichen Verhältnissen als Prinzip zugrunde liegt (und von welcher Ar. andernorts erklärt, sie müsse ohne Anfang und Ende sein). J e t z t geht es nur u m das Z e i t s t ü c k , um das bestimmte Q u a n t u m von Zeit, wie es etwa einem bestimmten Stück einer Bewegung als die d a r ü b e r verflossene Zeit entspricht. D a r u m hebt Ar. damit an, daß er in eine Bewegung

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573

«inen Schnitt legt, durch welchen nun diese Bewegung in eine Phase vor und eine Phase nach dem Schnitt zerlegt wird. Werden nun so mehrere Schnitte in eine Bewegung gelegt, so wird die Bewegung in eine Folge von Bewegungsstücken zerlegt, wobei jedes Stück durch zwei Einschnitte begrenzt ist. Sobald nun das E r leben des Menschen mit ins Spiel tritt, mit seiner Fähigkeit, Gegenwärtiges unmittelbar zu erleben und Vergangenes in seine eigene Gegenwart hinein zu behalten, •erhalten die verschiedenen Bewegungsstücke ein Temporalmoment: jetziges, vergangenes, noch länger vergangenes Bewegungsstück; oder auch: Bewegungsstück in der Zeit a, Bewegungsstück in der Zeit b usw. D. h . : Nun entsprechen den Bewegungsstücken, die sich im R ä u m e aneinanderschließen und durch Einschnitte gegeneinander begrenzt sind, Z e i t e n , die aufeinander folgen und durch Einschnitte ebenfalls gegeneinander begrenzt sind. U n d : w i e d i e B e w e g u n g s s t ü c k e a b z ä h l b a r s i n d , so s i n d es a u c h d i e Z e i t s t ü c k e . Dies letztere ist die Grundlage für die folgende These von der Zeit als äQift/ioi; xivrjoecoQ. 1 1 3 , 4 f . (219 b 1—2): Nun nimmt Ar. die Definition der Zeit (im Sinne von bestimmter Zeitgröße) vorweg. Wichtige Erläuterungen zur Definition bringt dann der anschließende T e x t . — Nachdem bereits geklärt ist, daß XQ°V0S nicht gleich xivrjatQ sein kann (218 b 9—18), und schon gefragt worden ist, ri Tjji; xirrjaecug icniv (219 a 3), wird jetzt geantwortet, aQi&fios xiv^ascog sei die Zeit. Weil das Wort äQi&fioQ doppeldeutig ist, muß Ar. angeben, wie wir es hier zu verstehen haben: nicht als Zählzahl, mit welcher wir die Elemente einer Menge abzählen, sondern als die Anzahl, die sich beim Abzählen mittels der Zählzahlen ergibt. D i e Z e i t i s t e i n e A r t A n z a h l , w o m i t w i r d a s Q u a n t u m e i n e r B e w e g u n g m e s s e n . Und zwar hinsichtlich der Folgeordnung ihrer Stücke, also hinsichtlich ihrer Phasenfolge im Rahmen ihrer Gesamtdauer. Gemessen soll also die Bewegung werden, und zwar durch Feststellung einer Anzahl und diese Anzahl soll die Zeit der Bewegung sein. Nun ist, ohne daß Ar. das j e t z t eigens sagt, doch eines klar: Gemessen wird die Bewegung mittels der Zeit, indem Z e i t e i n h e i t e n abgezählt werden, diejenigen nämlich, die während der Bewegung ablaufen. D. h.: Die angegebene Zeitdefinition fordert den Begriff der M a ß e i n h e i t für die Messung von Zeiten. Auf diesen Punkt wird Ar. später eingehen. — Daß man Ar. nicht bescheinigen kann, die gegebene Zeitdefinition sei eindeutig, liegt auf der Hand. Auch der W e g einer Bewegung ist ein dgi&FTOG xiv^AEMG xaia ro TIQ&CEQOV xal varegov; auch er gibt eine Größe der Bewegung an, bestimmt sie in der Folgeordnung ihrer Stücke und wird selbst durch Abzählen von Einheiten gemessen. Mit anderen Worten: Das Zeitmoment selbst ist in der gegebenen Zeitdefinition schon vorausgesetzt. 113,16—18 (b 9—10): Bewegung und Zeit haben durchwegs die nämliche Struktur; dabei ist die Struktur der Zeit von der der Bewegung abhängig, a) Zwar ist die Bewegung in ihrer prinzipiellen Struktur und als bloßes Substrat immer dasselbe: Unterschied von Phasen, die einander folgen; aber in ihrer Vollbestimmtheit ist eben darum jede Bewegung immer wieder eine andere, b) Wie die Bewegung, so ist auch die Zeit immer wieder eine andere, c) Was die Bewegung in Phasen gliedern läßt, ist der Einschnitt in sie, als Wegpunkt zwischen zwei Wegstücken der Bewegung. Wenn Satz b 16—18 textlich überhaupt in Ordnung ist, so muß mit dem Ausdruck Trj axtyfifj dieser Wegpunkt als Prinzip der Phasengliederung

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Anmerkungen

der Bewegung gemeint sein, d) Für die Zeitgliederung ist das entsprechende Prinzip das vvv, der Zeitpunkt zwischen zwei Zeitstücken, e) Dieser Zeitpunkt ist, als bloßes Substrat betrachtet, immer dasselbe (Einschnitt, Prinzip der Unterschiedenheit zweier Zeitstücke); in voller Konkretion hingegen genommen, ist er stets ein anderer — so gewiß es immer andere Zeitstücke sind, zwischen welche er tritt, die er auseinander- und zusammenhält (auf letzteres wird uns der Text noch führen): er wandert oder fließt gleichsam, derselbe bleibend und doch fortgesetzt anders und anders bestimmt, f ) Nach dem Grundsatz 'Die Zeit (als Anzahlmoment an der Bewegung) ist abhängig von der Struktur der Bewegung' wird Ar. im folgenden die Struktur des Jetztpunktes aus der Struktur dessen ableiten, was dem Jetztpunkt auf der Seite der Bewegung entspricht. Das ist zunächst der Wegpunkt. Da aber der Wegpunkt nichts anderes ist als der bewegte Gegenstand, der gerade an diesem Wegpunkt ist (der bloße Wegpunkt wäre für Ar. eine mathematische Abstraktion, gar keine physikalische Größe), wird die Struktur des Jetztpunktes aus der Bewegungsstruktur des bewegten Gegenstandes abgeleitet werden. — Nun aber eine Anmerkung, die die Gestalt des folgenden Textes betrifft: So klar der Hauptgedankengang der nächsten Partie (b 10—33) ist, so unbefriedigend ist der Textverlauf, so irritierend auch sind einzelne Wendungen im Text. Es ist nicht glaubhaft, daß der Text, wie wir ihn zu lesen bekommen, aus der Hand des Ar. stammt. Natürlich gibt es keine Möglichkeit, ihn völlig zu sanieren. Die Übersetzung folgt der Ross'schen Textgestaltung; auf A. Torstrik (Philol. XXVI [1867], 446—523) sei jedoch ausdrücklich hingewiesen. 113,18—23 (b 10—12): Die Parenthese betont: Mögen noch so viele Dinge, Verhältnisse, Prozesse j e t z t sein, das ergibt weder eine Vielzahl von Jetzten noch eine Vielzahl von Zeiten; sie alle stehen im nämlichen und einen Jetzt, in einer und derselben Zeit. Simultaneität des Vielen ist Vereintsein dieses Vielen in der nämlichen Zeit. Vielzahl von Zeiten begründet der Jetztpunkt nur im Sinn einer S u k z e s s i o n von Zeitphasen. Vgl. 14, 223 a 29-b 12! 113,31 (b 17): „dem Punkt". Wer den Text akzeptiert, muß unter any/xifj hier den Punkt im Medium, den Wegpunkt also, welcher den Gesamtweg in das zurückgelegte und das noch zurückzulegende Wegstück zerlegt, verstehen und folgendeÜberlegung des Ar. substruieren: Wie sich überhaupt die Zeitverhältnisse nach den Bewegungsverhältnissen richten, so auch die Struktur des Jetztpunktes (die Koinzidenz von Identität und fortgesetzter Verschiedenheit) nach der Struktur des Wegpunkts. Nun ist aber der Wegpunkt als solcher bloß eine mathematische Abstraktion, physikalisch entspricht ihm der bewegte Gegenstand, der ihn gerade erreicht hat. Also wird sich die physikalische Struktur des Jetztpunktes nach der Rolle, die der bewegte Gegenstand im Bewegungsgeschehen spielt, richten. — Unzweifelhaft bleibt jedenfalls die Tatsache, daß Ar. im folgenden die Struktur des Jetztpunkts aus den Verhältnissen des ipeQÖfievov ableitet. — Wer den Text hier akzeptiert, muß in Kauf nehmen, daß any/iri zwei Zeilen später (b 19) jedenfalls n i c h t Wegpunkt heißen kann. Ist nämlich der Text dort richtig, so handelt es sich um einen Punkt, der einen Weg zurücklegt, also Wegpunkte (potentieller Art) d u r c h l ä u f t (wie auch ein bewegter Stein), aber nicht selbst Wegpunkt ist.

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113,32 f. (b 17—18): A m bewegten Gegenstand (sei er ein bewegter physikalischer Punkt oder ein bewegter Körper) sehen wir die Bewegung und nur an ihm (Bewegung sehen heißt den in Bewegung befindlichen Gegenstand sehen) ; an ihm auch erfassen wir den Unterschied der Bewegungsphasen": immer liegt „ h i n t e r " ihm die vergangene, „ v o r " ihm die kommende Bewegungsphase; er s e l b s t ist die physikalische Größe, welche die Bewegung fortgesetzt in ihre Phasen zerlegt. 118,33—114,1 (b 18—22): Was dem Jetztpunkt zugedacht werden soll (gleichzeitiges Identischbleiben und Anderswerden), das zeigt u r s p r ü n g l i c h der bewegte Gegenstand als Charakteristikum. Der Stein bleibt der Stein, der er ist, trotz aller Translation. Und doch ist er andererseits fortwährend anders bestimmt (infolge des Wechsels seiner Ortsbestimmtheiten). — Ar. zitiert, und zwar z u s t i m m e n d , die Sophisten, welche erklärten (das Beispiel selbst ist allerdings wohl arist.), 'Koriskos auf dem Markt' sei etwas anderes als 'Koriskos im Lykeion'; es ist auch a r i s t o t e l i s c h e Überzeugung, daß Stega (eben rut Xàycp êreça) sind das Kogiaxov sv Avxeim elvai und das Kogiaxov êv àyogqi elvai. Zurückweisung verdienen die Sophisten ja nur, insofern sie aus dieser Prämisse auf die Nichtidentität auch des Koriskos als vtioxei/ievov schließen möchten. Erst dieser Schluß ist paralogistisch : eine Verwechslung nämlich zwischen Unterschiedenheit der Bestimmtheit (rov Xoyov, rov elvai) und Unterschiedenheit des Gegenstands als solchen selbst (rov wioxeifiévov). 114,13-18 (b 29-31): Bevor am Schluß des Absatzes (b 31-33) das Abgeleitete und das Argument der Ableitung nochmals genannt werden, steht diese Satzgruppe, die kaum einen anderen Sinn haben kann als den, z u s ä t z l i c h zu rechtfertigen, warum die Verhältnisse am fEQÔfievov als Argument verwendet worden sind. Es will anscheinend sagen — ein wenig überflüssigerweise — : Zeitverhältnisse sind aus Bewegungsverhältnissen abzuleiten; wenn wir Zeitverhältnisse (Struktur des vvv) soeben aus Verhältnissen nicht der so definiert. I n beiden Fällen ist die Definition gut verständlich: W e n n von einem Dutzend Schülern elf je 5 Mark in der Tasche haben (also den Betrag k), der zwölfte aber 7 Mark, so h a t der letztere 'mehr als den B e t r a g k ' , also 'viel' und er ' ü b e r t r i f f t ' insoweit seine Mitschüler.

VII 4

663

207,20 ff. (248 b 2 1 - 2 4 9 a 3): Nun erwägt Ar. einen anderen Grund für die Unvergleichbarkeit gewisser Prozesse. E r sucht ihn jetzt darin, daß die Vergleichungsprädikate dieser Prozesse (speziell 'gleichschnell') dann äquivok werden könnten, wenn der unmittelbare Träger derselben nicht der nämliche ist (z. B. bei allen Vergleichsgliedern nicht jedesmal die Körperoberfläche). 207,37ff. (249 a 3 ff.): Nun erwägt Ar. einen nochmals anderen Grund für die Unvergleichbarkeit gewisser Prozesse (oder positiv: nochmals andere Bedingungen für die Vergleichbarkeit von Prozessen). Und zwar fügt er jetzt für die Vergleichbarkeit zur uns schon bekannten Nichtäquivozität als weitere unerläßliche Bedingung noch hinzu, daß die Glieder unter sich keine spezifischen Differenzen mehr haben dürfen, also nicht mehr yivt}, sondern &xopa (aöiätpoQa; a 20) stör) sein müssen. Bekanntlich sind aequivoca grundsätzlich keine möglichen Titel für Gattungen (Gattungstitel sind vielmehr notwendig univoca). Darüber geht die jetzige Überlegung nun gerade hinaus; es wird erwogen, ob nicht als Bedingung für Vergleichbarkeit mehr als nur univoke G a t t u n g s t i t e l , ob nicht vielmehr geradezu die absolute Univozität der Titel der i n f i m a e species gefordert werden müsse. Begriffslogisch ist damit die SuxiQsav; des Titels 'Prozeß' bis in seine untersten EiStj gefordert (vgl. a 21; b 11). 209,3ff. (a 21—25): „folgende Tatsache"; die Gattung gilt freilich nicht im nämlichen Grade als Einheit wie die Art, aber nach unserem Satz soll sie überhaupt keine bestimmte Einheit darstellen, für Äquivokationen Raum lassen. Ein Satz aus der arist. Gattungslogik ist das nicht, er atmet mehr den Geist der Topik. — Es fällt das Wort ävaAoyia: dabei erscheint das Analogieverhältnis unmißverständlich der Äquivokation untergeordnet. 209,12—21 (a 25—29):Die Überlegungen enden mit einer offenbleibenden Alternativfrage : hängt die Unvergleichbarkeit der unvergleichbaren Bewegungen letztlich an. der Artunterschiedenheit der Bewegungen selbst oder aber an derjenigen der jeweiligen Träger? 210,21—33 (b 14—19): Auch dieser Abschnitt endet wieder mit einer offenbleibenden disjunktiven Frage. 210,33—211,12 (b 19—26): Wenn es vielleicht auch nicht möglich ist, positiv ganz genau zu klären, was Ar. hier im Auge hat, so ist es jedenfalls doch völlig klärbar, was n i c h t gemeint sein kann. Problematisch ist nur der Absatz über v e r s c h i e d e n schnelle Entstehungsprozesse. Zunächst: Da es gerade auch hier doch um v e r g l e i c h b a r e Prozesse geht, können nicht etwa Prozesse ins Auge gefaßt sein, in denen Gebilde von verschiedener Spezies oder gar Gattung entspringen; solche Entstehungsprozesse sind j a gewiß miteinander unvergleichbar. Verschieden schnell sind nun einmal Entstehungsprozesse dann, wenn Gebilde gleicher Art in verschieden langer Zeit entstehen (das eine Haus in fünf, das andere in zwölf Monaten) — doch diese Möglichkeit von Verschiedenheit der Schnelligkeit erwähnt Ar. gar nicht erst. Er erörtert vielmehr nur die Möglichkeit verschiedener Schnelligkeit bei Prozessen g l e i c h e r Dauer. Er sagt, in diesem Falle liege ein Schnelligkeitsunterschied dann vor, wenn 'unterschiedliche Gebilde' entstehen; gleichzeitig beklagt er, daß er für den hier — im

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Anmerkungen

Bereich des Entstehens und Vergehens, also der ovala — allein in Frage kommenden Unterschied in der Sprache nicht die nötigen spezifischen Ausdrücke findet, während sie im Bereich des notov und des noaov zur Verfügung stünden. Der (für die aXkoiwaiq in Frage kommende) Unterschied im Bereich des JIOIOV heiße ÄV0FI0I0TI)S und er drücke sich aus in einem fiäkkov und rftxov (z. B. Xsvxöv, degfiov); ihm würde im Bereich des Ttoaov als (für aiSl-rjOiq und (fr&iaiQ in Frage kommender) Unterschied die dviaÖTrjg entsprechen, sich ausdrückend in einem FIEtfcov und ¿ÄCITTOJV. Sicher ist: Auch in dem von Ar. beklagten EXEQOV (b 22) m u ß ein irgendwie q u a n t i t a t i v e r Unterschied den Kern der ins Auge gefaßten iTEQOTTjg ausmachen — entsprechend den Gradunterschieden im Bereich des 7iotov und den Größenunterschieden im Bereich des rnxsov —, also ein Unterschied im Grad, im Ausmaß, im Umfang oder dergleichen. So können ja tatsächlich z. B. von zwei verschiedenen Autoren, Komponisten, Architekten in gleicher Zeit Bücher, Kompositionen, Bauwerke hervorgebracht werden, die sich im Wert, im Umfang, im Leistungsgrad, im Gehalt, im Ausmaß so sehr voneinander unterscheiden, daß man sehr wohl sagen kann, unter der H a n d des einen sei in gleicher Zeit „ m e h r " zustande gekommen als unter der Hand des anderen. Auf ein 'Mehr an Buch und Haus' käme also zuletzt alles heraus, und zwar auf ein M e h r a n W e s e n ( i n n e r h a l b d e s n ä m l i c h e n eldog). — Recht viel anderes kann Ar. nun in der T a t nicht im Sinn gehabt h a b e n ; denn er f ä h r t ja fort: ja, wenn sich das Wesen — in pythagoreischer Weise — wirklich als Zahl fassen läßt, dann läßt sich auch das Gemeinte präzise ausdrücken: nämlich als G r ö ß e n u n t e r s c h i e d in der Wesenszahl; das ofioeiSrjg entspricht der Forderung, daß es sich bei vergleichbaren Entstehungsprozessen u m Gebilde gleicher A r t , das .-rAetcov und EMTTWV der Wesenszahl der Forderung, daß es sich u m einen irgendwie q u a n t i t a t i v e n Unterschied handeln muß. — K a n n man aus b 23—24 schließen, daß Ar. zur Zeit der Niederschrift dieses Satzes 'Platoniker' gewesen ist, dieser Satz also und sein (engerer oder weiterer) Kontext ein Zeugnis für den vom jungen Ar. vertretenen und später aufgegebenen Piatonismus darstellt? Jaeger jedenfalls sieht in unserer Stelle eilten „Beweis" dafür, daß Ar. zur Zeit der Niederschrift dieses Satzes „noch die Möglichkeit erwägt, die ovaia könne eine Zahl sein" (Jaeger, Aristoteles, 2 1955, 313f., Anm. 1). Wer ein fremdes Theorem benutzt, um einen Sachverhalt zu erläutern, den zu erläutern ihm eingestandenermaßen schwerfällt, zu dessen Erläuterung sich aber dieses fremde Theorem ausgesprochen gut eignet, muß dieses Theorem nicht akzeptieren oder in sich f ü r erwägenswert halten. Als verläßlich möchte ich also diesen „Beweis" wirklich n i c h t ansehen. 211,13—24 (249 b 27—250 a 4): Auch das letzte Kapitel unseres Buches handelt von Problemen, die sich mit dem Begriff der Prozessualität verbinden; in allem übrigen aber zeigt es wenig thematischen Zusammenhang mit den übrigen Kapiteln. Es geht in ihm um direkte und indirekte Proportionalitäten zwischen Größen, die in einem Prozeß notwendig a u f t r e t e n : der erste Satz des Kapitels zählt sie vorneweg auf. Wenn Ar. Zeitwert und Bewegungswert nennt, f ü g t er hinzu, daß es sich nicht u m einen Zeitpunkt und einen Bewegungspunkt, sondern nur u m eine Zeitstrecke und eine Bewegungsstrecke handeln kann, und gibt dafür als Begründung ein Argument, das völlig dem entspricht, das wir aus Buch VI c. 5 (236 b 32 ff.) kennen: d a ß nämlich jeder im Prozeß begriffene Gegenstand immer schon ein Stück Prozeß hinter sich habe. — Aus unserem Kapitel hat der lange Absatz (bis 250 a 28) mehr

VII 4 - 5

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Interesse f ü r sich als der R e s t ; d e n n er h a n d e l t v o n den Verhältnissen d e r Größen im Bereich der O r t s v e r ä n d e r u n g ; er bringt also ein S t ü c k der arist. K i n e m a t i k u n d D y n a m i k , so wie B u c h I V c. 8 u. 9 L e h r s t ü c k e dieser arist. K i n e m a t i k u n d D y n a m i k g e b r a c h t h a b e n ; dieses arist. L e h r g e b ä u d e ist v o n unserer, der neuzeitlichen, K i n e m a t i k u n d D y n a m i k so g r u n d s ä t z l i c h verschieden, d a ß es gerade dieser Differenz wegen u n s e r Interesse genießt. — W o r a n die arist. K i n e m a t i k u n d D y n a m i k a m meisten k r a n k t , ist d e r U m s t a n d , d a ß sie B e w e g u n g s p h ä n o m e n e f ü r eindeutig u n d f ü r p a r a d i g m a t i s c h h ä l t , die es nicht sein k ö n n e n ; es nicht sein k ö n n e n , weil ihnen die G r u n d v o r a u s s e t z u n g d a f ü r f e h l t : E i n f a c h h e i t , E l e m e n t a r i t ä t . E s b e d u r f t e eines h o h e n Maßes apriorischer A n a l y t i k u n d eines weiten U m f a n g s apriorischer K o n s t r u k t i o n e n , u m t r a g f ä h i g e G r u n d l a g e n f ü r ein S y s t e m der Bewegungs- u n d K r ä f t e l e h r e zu gewinnen: erst die Neuzeit b r i n g t d a s zustande. E i n zweiter F a k t o r v e r b i n d e t sich noch m i t j e n e m H a u p t f a k t o r : die E i n s c h r ä n k u n g der Mannigfaltigkeit v o n Relationen zwischen d e n analytischen Größen auf die (direkte oder indirekte) P r o p o r t i o n a l i t ä t . A u c h in u n s e r e m K a p i t e l ist sie das beherrschende Verh ä l t n i s : a) direkt v e r h a l t e n sich wirkende K r a f t u n d Geschwindigkeit; b) i n d i r e k t v e r h a l t e n sich L a s t u n d Geschwindigkeit ( m a n darf in der arist. D y n a m i k n i c h t v o n 'Masse' s p r e c h e n ; es gibt hier d e n Massenbegriff schlechthin n i c h t ) — vgl. zu diesem u m g e k e h r t e n Verhältnis a u c h D e caelo I I I 2, 301 b 1—14; c) es f o l g t : Von einem gewissen V e r h ä l t n i s zwischen K r a f t u n d L a s t a b verliert die (bewegte) L a s t j e d e Geschwindigkeit: sie legt in keiner noch so langen Zeit a u c h n u r die geringste Wegstrecke m e h r z u r ü c k (vgl. a 15—19). — E s liegt d e n L e h r s ä t z e n eine A n n a h m e z u g r u n d e , die ebenfalls v o n unseren L e h r s ä t z e n d e r Bewegungslehre prinzipiell abweicht. W i r s a g e n : W e n n auf einen K ö r p e r ü b e r eine Zeit hinweg eine k o n s t a n t e B e w e g u n g s k r a f t w i r k t , so ergibt sich d a d u r c h eine gleichförmige B e s c h l e u n i g u n g dieses K ö r p e r s ; nach A r i s t o t e l e s hingegen ergibt sich d a d u r c h gerade erst eine gleichförmige B e w e g u n g ( k o n s t a n t e G e s c h w i n d i g k e i t ) . — dvvafw; u n d la^vg werden offensichtlich m i t gleicher B e d e u t u n g a n unserer Stelle g e b r a u c h t . Vgl. ftvva/ug u n d io%vs in B u c h V I I I c. 10. 211,29 (250 a 7—8): Die T e x t p r o b l e m e v o n a 9 a b sind notorisch u n d in neuerer Zeit a b e r m a l s v e r h a n d e l t worden (vgl. Ross 684/85). A b e r sie beginnen doch wohl schon hier in a 7; d e n n der Satz a 7—8 ist da, wo er s t e h t , völlig überflüssig u n d gleichzeitig t r e n n t er d e n Satz a 8—9 v o n dem, wozu er g e h ö r t u n d was v o n i h m resümiert wird (a 4—7). J e d e n f a l l s schließt der Satz ä"8—9 d a s Vorausgehende a b : er stellt d a s direkte Verhältnis zwischen bewegender K r a f t u n d bewegter L a s t f e s t : soll gleiche Geschwindigkeit g e w a h r t sein, so e n t s p r i c h t einem Z u n e h m e n der K r a f t Z u n a h m e der L a s t u n d u m g e k e h r t , sowie einer V e r m i n d e r u n g der K r a f t Verminder u n g der L a s t u n d u m g e k e h r t . — V o n xa't el. . . a b (a 9) aber wird der Blick auf ein ganz anderes V e r h ä l t n i s gelenkt, nämlich auf d a s M i ß v e r h ä l t n i s zwischen K r a f t u n d L a s t : M i n d e r u n g der K r a f t im V e r h ä l t n i s zur zu bewegenden L a s t (bzw. Steig e r u n g der L a s t im Verhältnis zur w i r k e n d e n K r a f t ) . Ganz offensichtlich f e h l t in u n s e r e m T e x t der Satz, der diese B l i c k w e n d u n g f o r m u l i e r t ; ebenso f e h l t dasjenige, w o r a n sich der verschobene olov-Satz (a 7—8) in W a h r h e i t anschließen sollte; der Satzbeginn xa't el. . . (a 9) ist Behelf. — W a s i n h a l t l i c h nicht übersehen werden d a r f , ist der enge Z u s a m m e n h a n g des Folgenden m i t dem V o r a u s g e h e n d e n : d a s Gesetz des u m g e k e h r t e n Verhältnisses zwischen L a s t u n d Geschwindigkeit ist d o r t

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Anmerkungen

wie hier das Beherrschende. D o r t : läßt man bei konstanter K r a f t die L a s t sich mindern, so erhöht sich die Geschwindigkeit derselben (vgl. nochmals 249 b 30—250 a 3); hier: läßt m a n bei k o n s t a n t e r K r a f t die Last anwachsen, so n i m m t die Geschwindigkeit derselben ab — u n d von einem (unbestimmten) M i ß v e r h ä l t n i s zwischen K r a f t und L a s t ab verschwindet die Geschwindigkeit (und die Bewegung) völlig. Falsch aber ist dieses Gesetz ebenfalls sowohl dort wie hier. 212,8—11 (a 17—19): E s ist das arist. Bedenken ganz unbegreiflich; unbegreiflich im Grunde auch, warum er die Erklärung in dieser Richtung sucht. 212,12—21 (a 20—25): Die Auseinandersetzung mit dieser (physikalisch j a völlig richtigen) B e h a u p t u n g des eleatischen Zenon schließt sich lediglich an a 17—19 a n : wie sich gemäß a 17—19 die G e s a m t k r a f t der Schleppmannschaft nicht auf die Zahl der Mannschaftsmitglieder aufteilen lasse, so hier nicht der von der Gesamtheit des Hirsehaufens ausgehende L u f t a n s t o ß auf die Zahl der Teilmengen. Einigermaßen rührend bleibt der nunmehrige Erklärungsversuch: die im H a u f e n lediglich p o t e n t i e l l enthaltene Kleinmenge habe ein anderes W i r k e n s q u a n t u m als die entsprechende v e r e i n z e l t e Kleinmenge. 212,22—26 (a25—28): „ j e d o c h " ; nach der verhältnismäßig langen Unterbrechung (a9—25), in der vom Mißverhältnis zwischen K r a f t u n d Last die Rede war u n d das umgekehrte Verhältnis zwischen Last und Geschwindigkeit im Vordergrund stand, ist nunmehr wieder v o m direkten Verhältnis zwischen K r a f t und Last die R e d e : W e n n A j und A 2 j e e i n z e l n ein B j bzw. ein B 2 in einer Zeit D über eine Strecke C hinwegbewegen, dann t u t dasselbe auch ein V e r b a n d aus A ( u n d A 2 gegenüber einem V e r b a n d aus B 1 und Bj. 218,3ff. (b 4 - 7 ) : Was Ar. dabei im Auge haben mag, wird vielleicht aus V I I I 3, 253 b 13 ff. erschließbar.

BUCH VIII 214,1 (250 b 11): „ n u n " ; die Überlieferung spricht dafür, daß im Text eine Anschlußpartikel (nämlich de.) gestanden h a t ; man sollte sie nicht streichen, gleichgültig, wie man über die kompositionelle bzw. redaktionelle Stellung des Buches VIII im Ganzen unseres Physik-Textes denken mag. 214,1 (ebd.): „die Prozessualität"; die Frage fragt nicht danach, ob es irgendwie stets irgendeinen der möglichen Prozesse gegeben hat, sondern nach dem Weltprozeß im Ganzen, nach der Prozessualität als Grundmoment unserer Welt, gleichsam als Lebensform der Welt (vgl. b 14). Und diese Problematik der Prozessualität der Welt im Ganzen ist das Thema unseres ganzen Buches. 214,9 (b 17): Die Übersetzung folgt der Lesart aller Handschriften (näoiv), Vorschlag von Ross. 214,16 (b 22): Den Textvorschlag von Ross (rj dei) Übersetzung folgt ihm.

nicht dem

halte ich für notwendig; die

214,28ff. (250 b 3 0 - 2 5 1 a 5): Das Zitat (Vors. «>31 B 26, 8 - 1 2 ) belegt nicht ganz die arist. Deutung des Empedokles; denn in ihm ist keine Rede von Zwischenphasen der Prozeßlosigkeit (vgl. 250 b 29). 2 1 5 , 3 - 6 (251 a 5—8): So steht die Thematik des Buches VIII tatsächlich teils im Bereich der Physik (Prozessualität der Welt), teils im Bereich der Metaphysik (abschließender Quell dieser Prozessualit ät der Welt) und vermittelt zwischen Physik und Metaphysik. Damit gehören Physik VIII und Metaphysik X I I thematisch aufs engste zusammen. Daß der abschließende Quell aller Weltprozessualität nicht in die Natur selbst gehört, Gegenstand nicht also der Physik, sondern der Metaphysik ist, läßt sich zunächst nicht erkennen. Erst die Gedankenfolge des Ar. führt zu diesem Ergebnis. 215,7f. (a 8—9): Nun geht Ar. an seine Beantwortung der im ersten Satz des Buches gestellten Doppelfrage. Er f ü h r t zunächst zwei Beweise für die Anfanglosigkeit der Prozessualität, einmal aus d e m Begriff des Prozesses überhaupt (251 a 9—b 10), sodann aus der notwendigen Anfanglosigkeit der Zeit (b 10—28); anschließend wird er die Endlosigkeit der Prozessualität beweisen (251 b 28 ff.). — Um seinen ersten Beweis für die Anfanglosigkeit der Prozessualität zu führen, geht Ar. von seiner Prozeßdefinition aus, die er „im Vorausgehenden in den Naturuntersuchungen" gegeben habe. Wir finden diese Prozeß definition im Buch III c. 1 und 2 (vgl. etwa 1, 201 a lOff; b 9—10; 2, 202 a 7f.) und zweifellos geht der hiesige Verweis auf dieses Buch. Wie man ^sieht. zählt Ar. dieses Buch zu den ' Naturuntersuchungen' (TÖ qwotxd), während er

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Anmerkungen

unser Buch Physik V I I I nicht dazu zu zählen scheint; andrerseits hat er die T h e m a t i k unseres Buches soeben erst (a 6) zur Thematik der Naturlehre {negi ipvaecag fteiogia) gerechnet. Die Frage führt in die allgemeine Problematik der Komposition bzw. Redaktion dessen, was wir als arist. 'Physik' vor uns haben. 2 1 5 , 9 f . (a 9 - 1 0 ) : Vgl. dazu I I I 1, 201 a 10/11 und die Anm. zu 59,23f. 215,10—217,2 (a 10—b 10): Der Beweisgang, der nun folgt, ist von ausgezeichnetem Scharfsinn. E r verläuft so: W o ein Prozeß soll stattfinden können, muß an der Prozeßquelle die M ö g l i c h k e i t , den Prozeß zu bewirken, und am Prozeßgegenstand die M ö g l i c h k e i t , den Prozeß zu erleiden, gegeben sein (sonst ist der Prozeß j a selbst vielmehr gerade unmöglich) (a 10—16). Wenn wir nun apagogisch annehmen, daß es einen ersten Prozeß in der Welt (also einen Anfang der Prozessualität) gegeben habe, so. steht fest, daß diesem angenommenen Prozeß die faktische Gegebenheit des erforderlichen M ö g l i c h k e i t s m o m e n t s sowohl an der angenommenen ersten Prozeßquelle wie am angenommenen ersten Prozeßgegenstand zugrunde gelegen habe. Aber wie hat sie zugrunde gelegen? Zwei Denkbarkeiten: a) Die erforderlichen Möglichkeitsmomente waren schon immer vorgelegen; b) sie kamen erst in einer bestimmten Zeit zustande (a 16—17). Prüfen wir die letztere Denkbarkeit zunächst, so ergibt sich, daß dem angenommenen ersten Prozeß (der Verwirklichung jener geforderten Möglichkeitsmomente) doch das Z u s t a n d e k o m m e n eben dieser Möglichkeitsmomente vorausgegangen sein müßte — und dann wäre vor dem ersten Prozeß ein ihm nochmals vorausliegender zu denken. D a das Verhältnis unbeschränkt iterierbar ist, hebt sich die Denkbarkeit eines Prozeßanfangs zugunsten einer Anf anglosigkeit auf (a 17—20). — Prüfen wir sodann die andere Denkbarkeit, so ergibt sich, daß der Prozeß — der j a stattfindet und stattfinden muß, sobald jene beiden Möglichkeitsmomente gegeben sind — so anfanglos ist wie das anfanglose Bestehen der Möglichkeitsmomente selbst,, so daß sich auch gemäß der zweiten Denkbarkeit die Vorstellung eines Prozeßanfangs zugunsten einer Anfanglosigkeit aufhebt. Will man also gleichwohl einen Anfang der Prozessualität festhalten (also dem ersten Prozeßbeginn einen prozeßl o s e n Zustand der Welt vorausgehen lassen), so muß man einen W e c h s e l (d. h. einen P r o z e ß ! ) annehmen, der aus dem Zustand, in welchem zwar die Möglichkeitsmomente bereits gegeben waren, ohne daß es doch zum Prozeßbeginn kam, in den Zustand hinüberführte, in welchem die Möglichkeitsmomente verwirklicht wurden und der angenommene erste Prozeß nun doch begann. Auch dann also ging dem ersten Prozeß — in Gestalt jenes Wechsels — ein anderer Prozeß voraus, der jenen Grund aufhob, welcher zuvor den angenommenen ersten Prozeß nicht hatte geschehen lassen, obwohl er doch infolge der von jeher vorliegenden zwei Möglichkeitsmomentevon jeher hätte geschehen müssen (a 20—28). 216,6—8 b (a 26/27): So mußte also erst etwas geschehen, was den Grund der R u h e aufhob und die Prozessualität eintreten ließ. 2 1 6 , 9 - 2 1 7 , 2 (251 a 2 8 - b 10):Der Sinn der ersten beiden Sätze (251 a 2 8 - b 1) ist nicht ganz klar; Themistios übergeht das P r o b l e m ; Simpl. (1128. 33 ff.) meint, es handlesich in den nächsten Sätzen um ein zusätzliches Argument speziell für die Verhältnisse-

VIII 1

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auf Seiten der Prozeßquelle; Thomas (ad locum) denkt an die Ausräumung eines Bedenkens gegenüber dem Vorhergehenden: des Bedenkens nämlich, es sei ein Wechsel zwischen Ruhe und Prozeß denkbar, ohne daß erst ein positiver Grund für die Buhe beseitigt werden müsse. — So viel wird sich klären lassen: Falls das yäg im Text nicht verfehlt ist, beginnt mit den beiden Sätzen ein zusätzlicher Beweisgrund für die These (der Anfanglosigkeit des .Weltprozesses) und dieser Beweisgrund setzt mit «inem Zugeständnis ein; ohne daß über dieses Zugeständnis eine endgültige Entscheidung getroffen wird, bringt der Text ab 251 b 1 (dAAa) ein neues Argument, welches einen von dem Zugeständnis unabhängigen, endgültigen Beweisgrund darstellt. Was nun das Zugeständnis betrifft, so scheint es dies zu sein: Was uns im Bereich des menschlichen Könnens und Tuns vertraut ist, daß nämlich Fähigkeiten (övvdftEiQl) vorkommen, die dem Menschen die Möglichkeit geben, das eine, aber auch das Gegenteil davon zu tun (ein Arzt braucht bloß ein Schurke zu sein, um sein Können statt zum Heilen zum Morden zu benutzen), das ist auch aus dem Bereich der Natur nicht völlig ausgeschlossen (nimm die Gasflamme weg, so wird das Teewasser wieder kalt); könnte also nicht am Anfang des Weltprozesses eine ähnliche I n d i f f e r e n z zwischen Ruhe und Prozeß gestanden haben: also eine g r u n d l o s e Ruhe, die bloß aufzuhören brauchte, damit schon der Weltprozeß im Gange war? — Der Schluß des Absatzes (b 1—10) gibt der These eine zusätzliche, und nun definitive, Begründung: Wie auch immer im übrigen die Dinge liegen mögen, soll auf Ruhe Prozessualität folgen, so kann sie jedenfalls nicht folgen, ohne daß i r g e n d w e l c h e Bedingungen, die erst nicht gegeben waren, eintraten. Der Wechsel selbst nämlich kann nicht als grundlos vorgestellt werden. Er muß seinen Grund entweder in dem haben, "was nun zur Prozeßquelle wurde, oder aber in dem, was nun in Prozessualität geriet, oder aber in jedem der beiden Glieder. — Mindestens also in e i n e m der beiden Glieder, d. h. in einer Veränderung von mindestens e i n e m der beiden Glieder: mindestens nämlich ging das eine zu einem wirklichen dvvaa&ai xiveiv oder aber das andere zu einem wirklichen dvvao&ai xivela&ai über. — Dies, daß mindestens an dem einen Glied eine Veränderung notwendig gewesen sei, damit Prozessualität eintreten konnte, begründet Ar. mit einer Zuordnung der Prozessualität zur Kategorie der Relation; xivoiiv und xivovfievov seien Typen von nq6ov; dem entspräche als Übersetzung: „ . . . so besitzt der P r o z e ß g e g e n s t a n d keine notwendige Prozessualität". — Entscheidung kann hier bestenfalls die sachliche und beweislogische Überlegung bringen. Die Disjunktion l a u t e t : Wenn jede Prozeßquelle auch selbst Prozessualität besitzt, so kann dieses Verhältnis zwischen dem xiveiv des xivovv und seinem xivet&ai ein wesentliches oder ein nichtwesentliches Verhältnis sein, d. h . : es ist denkbar, daß das xtvei&at des xtvovv unerläßliche Voraussetzung (vgl. b 2 9 : ei de /¿rj xivoixo, ovx äv xivoirj) und positiver Grund (vgl. b 6 : öiä ro xivela&ai) für sein xivelv ist, es ist aber auch das Gegenteil denkbar. Ab b 7 wird die l e t z t e r e Denkbarkeit (als die erste im T e x t ) geprüft. Satz b 7/8 formuliert im Nebensatz nochmals diese letztere Denkbarkeit und will im Hauptsatz die Folgerung angeben. Lese ich nun TO XIVOVV, so ergibt sich keine Folgerung, sondern einfach die identische Wiederholung des Inhalts des Nebensatzes. Dies ist das erste schwere Bedenken gegen den Textvorschlag von Ross. Das zweite ernste Bedenken ergibt sich aus dem anschließenden T e x t : aus der unannehmbaren Folgerung, die aus der ersten hervorgehen soll, daß nämlich dann in irgendeiner Zeit kein Prozeß in der Welt stattfinden müßte (die Unannehmbarkeit dieser Folgerung ergibt sich aus dem Beweis für die Ewigkeit der Weltprozessualität [b 8—13]). Nun folgt aber doch der Hauptsatz des Satzes (b 8/9), nämlich die Möglichkeit einer prozeßfreien Weltphase, n i c h t aus einer bloß zufälligen (also einmal möglicherweise aussetzenden) Prozessualität der P r o z e ß q u e l l e . Also ist die Ross'sche Lesart xivovv unbrauchbar. Die Möglichkeit einer prozeßfreien Weltphase folgt vielmehr nur entweder aus einem bloß zufälligen (nichtnotwendigen, also möglicherweise aussetzenden) xivelv des xivovv oder aber aus einem ebensolchen xivelo&cu des xivov ¡i evov. I m Hinblick auf den Gesamt ansatz der Überlegung kommt die erstere der beiden allein bestehenden Denkbarkeiten hier gar nicht in Frage. Also bleibt nur der traditionelle T e x t mit xivovfisvov als möglich übrig. Dann läuft der Gedanke so: Ist das Verhältnis zwischen dem

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Anmerkungen

xiveiv des xtvow und seinem xiveia&ai nicht das einer Notwendigkeit, so kann es jederzeit ein xiveiv ohne xiveia&ai, aber auch genauso ein xiveio&ai ohne xiveiv geben (denn d a n n ist das xiveia&ai des xivovv — wie gesagt — weder unerläßliche Voraussetzung noch auch Grund für ein xiveiv). Gibt es aber die Möglichkeit eines xiveio&ai dieses xivovv ohne ein xiveiv, dann gibt es auch die Möglichkeit eines fir¡ xiveiv&ai auf der Seite der P r o z e ß g e g e n s t ä n d e : ebendies sagt der Text in b 9. Weil diese Möglichkeit aber in Wahrheit eine Unmöglichkeit (b 12) ist, scheidet die geprüfte Denkbarkeit als Undenkbarkeit aus. — Unter strengem Maßstab läßt sich nicht ganz leugnen, daß die Argumentation unter einer gewissen Konfusion von zureichendem Grund und unerläßlicher Bedingung leidet. 2 3 4 , 4 - 8 (b 1 0 - 1 2 ) : Vgl. Anal. pr. 1 13, 32 a 1 8 - 2 0 . Haben Prämissen die Modalität bloßer, aber echter Möglichkeit, so hat sie auch die Konklusion; d. h.: das in der Konklusion Gesetzte kann dann sein, aber es kann freilich auch n i c h t sein; es kann also zwar faktisch falsch sein, unmöglich hingegen nicht. Ist hingegen die Konklusion absurd und unmöglich, so standen die Prämissen nicht im Modus echter Möglichkeit und es ist mindestens auf ihre faktische Falschheit zu schließen. Vgl. zur Stelle Simpl. 1225. 32ff., sowie nochmals VII 1, 243a 3 0 - 3 1 . 234,12—36 (b 1 3 - 2 7 ) : Mitten in der Prüfung der These, daß eine Prozeßquelle in jedem Falle auch selbst Prozessualität besitze, tritt in unserem Textverlauf dieser Abschnitt auf, der genau fürs Gegenteil — die p r o z e ß f r e i e Prozeßquelle — sich ausspricht. Eben vorausgegangen ist nur die Erledigung der e r s t e n Möglichkeit, sich jene These zu denken; die a n d e r e Möglichkeit wird erst anschließend (b 27ff.) erledigt. A n die Erledigung der e r s t e n Möglichkeit schließt der Abschnitt logisch nicht an: logisch anschließbar wäre er höchstens an die Erledigung der anderen Möglichkeit, weil dann überhaupt auch die These als ganze selbst erledigt sein würde. — Der Abschnitt bringt z w e i f o r m a l e M o t i v e für den Gedanken einer p r o z e ß f r e i e n Prozeßquelle. Das erste ist einfach die Unterscheidbarkeit von drei Arten von Prozeßgliedern: ein Mensch bewegt mit einem Stock einen Stein: der Stein wird bewegt, ohne zu bewegen; der Stock wird bewegt und bewegt auch selbst; der Mensch bewegt, ohne dabei selbst bewegt zu werden (b 14—20). Das zweite Motiv (b 20—24) macht dem Interpreten Schwierigkeiten, bereits textlich (vgl. Ross 699), erst recht gedanklich. Die Übersetzung gibt lediglich einem V e r s u c h von Deutung Ausdruck. 2 3 4 , 1 6 - 2 2 (b 16—20): Man möge sich an das arist. Modell erinnern (256 a 6—8)! 236,18 (257 a 23): „vorher"; nämlich in 257 a 7 - 1 2 ; da war es gesagt von den wirklichen Prozessen, jetzt wird es von den Möglichkeitsmomenten (als deren G r u n d l a g e n ) gesagt. Der gesamte Teilabschnitt a 14 ff. steht ja unter diesem Gegensatz und dieser Steigerung. Ross (700 ad a 14) scheint das entgangen zu sein. 236,25—29 (a 25—26): Von den beiden Sätzen (ovx äga . . . axr¡aexai äga) ist der erste die Formulierung der Konklusion aus dem Gesamtbeweis 256 b 4—257 a 25; sie lautet: Die These, daß eine Prozeßquelle in jedem Falle auch selbst Prozessualität besitze — oder anders formuliert: daß ein P r o z e ß g e g e n s t a n d seinen Prozeß in jedem Falle einer auch selbst im Prozeß befindlichen Prozeßquelle verdanke (256 b 4 / 5 ; 257 a 25/26), hat keine Notwendigkeit für sich (ovx äga áváyxr¡; 257 a 25), es m u ß n i c h t

Vili 5

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so sein. — E s ist evident, daß daraus n i c h t geschlossen -werden kann, was nun im zweiten Satz (axrjaeTai äga) tatsächlich geschlossen wird: es i s t n i c h t so. Dem Wortlaut nach erscheint also dieser Schluß keinesfalls gültig. E s scheint aber doch sicher, daß Ar. mit seinem Gesamtbeweis in Wahrheit mehr erreicht zu haben meint (in voller Übereinstimmung mit dem Wesen und der Funktion eines solchen apagogischen Beweises): Daß die These nicht etwa bloß „nicht notwendig gültig", daß sie vielmehr „notwendig ungültig" sei. — Die logischen Bedenken werden wenigstens g e m i l d e r t , falls man so interpretiert und übersetzt: E s ist also nicht wahr, daß ein Prozeßgegenstand seinen Prozeß stets einer von ihm verschiedenen, selbst wieder prozessualen, Prozeßquelle verdanken müsse. — Aber jedenfalls zieht Ar. die für seine Philosophie so wichtige und so bezeichnende Folgerung: es gibt einen Prozeßgegenstand, der seinen Prozeß n i c h t einer von ihm verschiedenen Prozeßquelle verdankt, die selbst auch wiederum Prozessualität besäße. 236,29 (a 2 6 ) : „ U n d das h e i ß t " ; dies leitet die nun abschließende Folgerung ein: derjenige Prozeßgegenstand, der in einer Reihe von aufeinanderwirkenden Prozeßgegenständen die Anfangsstelle einnimmt, verdankt seine Prozessualität entweder sich selbst (und kann das, falls er von jenem Gegenstandstypus ist, der in sich selbst eine 'iQXV xivijoea>s besitzt, — etwa also ein Mensch oder ein Tier) oder aber er verdankt sie einer Prozeßquelle, die zwar Prozesse b e w i r k t , aber selbst p r o z e ß f r e i bleibt (a 26—27). Oder ein bißchen anders formuliert: Eine Prozeßreihe wird eröffnet entweder von einem p r o z e s s u a l e n Glied, das dann aber a u s s i c h s e l b s t diese Prozessualität besitzt, oder aber von einem überhaupt p r o z e ß f r e i e n Glied (das trotz eigener Prozeßlosigkeit Prozeßquelle für Anderes sein kann). — Selbstverständlich gilt diese Folgerung nur für Reihen, die wirklich ein Anfangsglied haben, also nur für e n d l i c h e Reihen. Aber Ar. hat sich schon dafür entschieden, daß jede solche Reihe von prozessualen Gegenständen notwendig endlich sein und also ein echtes Anfangsglied haben müsse. ( U m jede Verwechslung auszuschließen: So gewiß nach Ar. der Weltprozeß sowohl a parte ante wie a parte post von unendlicher Dauer ist, so gewiß kann es nach ihm keine Reihe unendlich vieler aufeinander einwirkender P r o z e ß g e g e n s t ä n d e geben.) 287,1—4 (a 31—33): Da der bisherige Gedankengang mit einer offenen Alternative abgeschlossen hat (b 26—27), ist im folgenden die Entscheidung derselben erforderlich. Wenn nun Ar. stattdessen eine andere Frage anzugreifen scheint, so ist das eben, wie wir sehen, nur ein erster Anschein: Gerade aus der Frage nach dem Wie eines «uro iavxo xtveiv wird die Entscheidung zugunsten des TZMÜTOV axivrßov erwachsen. 2 3 7 , 6 f . (a 3 4 / 3 5 ) : „im R a h m e n d e r allgemeinen Naturlehre"; der Verweis geht doch wohl sicher auf V I 4, 234 b 10 ff. — Ist dem so, dann ist bemerkenswert, daß hier eines der Bücher, das n i c h t zur Gruppe der Bücher I—IV zählt, welch letztere gerne unter dem Titel r a tpvoixä laufen (vgl. z. B . V I I I 1, 251 a 8 / 9 ; 3, 253 b 8), während j a die Bücher V—VII gerne als rd negl xinioetog zitiert werden, einmal zu einer weiter nicht bestimmbaren Gruppe rä xa&äXov rd 7iegi (pvacoiQ gezählt ist. 237,9—18 (b 2—6): Ar. leugnet also keineswegs, daß etwas sich aus sich selbst bewegen, verändern usw. könne. Nur fordert er gemäß dem Grundsatz, daß nichts gleichzeitig und in der nämlichen Hinsicht sowohl prozeßverursachend wie prozeßerleidend sein

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Anmerkungen

könne, eine V e r t e i l u n g dieser beiden Funktionen auf verschiedene Bestandstücke eines solchen Gegenstands. W a s dabei auffällt, ist der dezidierte Physikalismus: allen solchen Gegenständen wird der Charakter physischer Ausdehnung zugedacht und die jeweiligen zwei F u n k t i o n e n erscheinen auf verschiedene physische Bestandstücke verteilt (selbst das öiöaaxov und fiav&avov?). Auch einen H a k e n h a t die ganze Sache: Mögen es meine Beine sein, die mich (den Rest von mir) bewegen, wenn ich mich vorwärtsbewege, u n d m a g der Rest von mir lediglich bewegt werden; es ist gleichwohl nicht bloß dieser Rest, dessen Ort verändert wird; die den Rest von mir bewegenden Beine bleiben keineswegs hinter mir zurück, auch sie verändern ihren Ort (xivovai xal xivovvrai). 287,18—35 (b 6—12): Das zweite Gegenargument arbeitet mit der Modalbetrachtung und fordert nun die Verteilung der beiden M o d a l m o m e n t e auf verschiedene Bestandstücke des Gegenstands; es k n ü p f t an 1, 251 a 9—16 an. 237,22-24 (b 8/9): Vgl. I I I 2, 201 b 31/32. 237,30—32 (b 10—11): Sollte ein Ganzes als Ganzes sich erwärmen können, so m ü ß t e es als dieses Ganze einerseits warm sein (nur wirklich Warmes k a n n erwärmen), andrerseits und gleichzeitig auch wieder als Ganzes n i c h t warm (nur solches k a n n warm werden): es h ä t t e den vollendeten analytischen Widerspruch an sich. 237,33f. (b 12): „die Bestimmtheit, die sie verleihen soll" (owwwfiov); eigentlich: „die Bestimmtheit gleichen Namens und gleicher A r t u n g " ; vgl. VI 3, 234 a 9 und Anm. zu 156,8. 288,2—12 (b 15—20): Was mit diesen k n a p p e n Sätzen eigentlich gemeint sein soll, i s t , wohl nur aufzuklären, wenn m a n überlegt, was mit ihnen logischerweise gemeint sein m u ß . Wenn die Stücke (A und B) eines Gegenstands w a h r h a f t wechselseitig füreinander als Prozeßquellen fungieren sollen (A f ü r B, B f ü r A), so erhalten wir folgende Kausalreihen gleichzeitig: a ) A - » B - * A ; b ) B - » A - » B (A und B haben j a keinerlei Prävalenz gegeneinander). Schon sehen wir, daß es da „keine ursprüngliche Prozeßquelle" geben k a n n (b 15/16) und daß dabei j e d e s der Stücke A u n d B letztlich Quelle seiner eigenen Prozessualität wird (a) A f ü r A ü b e r B ; b) B f ü r B über A) (b 16), wobei im Aspekt (a) A selbst in höherem Grad Quelle seiner Prozessualität ist als B, in Aspekt (b) hingegen B in höherem Grad Quelle seiner Prozessualität als A (b 16—17). Dabei erinnert Ar. an die zwei Weisen von xiveiv: ursprüngliches xiveiv aus eigener K r a f t und vermitteltes xiveiv aus eigenem xiveioftau: I m Aspekt (a) liegt jenes xiveiv in A vor, dieses in B ; im Aspekt (b) ist es umgekehrt. — Das ganze Argument besagt d e m n a c h : Die Wechselseitigkeitsthese würde alle Forderungen auf Prävalenzen, wie sie in einem Kausalverhältnis gefordert werden müssen, unerfüllt lassen: es gäbe da gar keine w a h r h a f t e causa mehr. 288,12—21 (b 20—23): Es ist durchaus in einem Verhältnis zwischen A und Bein A denkbar, das weder von einem ihm vorausgehenden Gliede einen Prozeß noch von B einen Rückwirkungsprozeß erfährt, also, f a l l s es ü b e r h a u p t prozeßhaft sein sollte, es aus sich selbst sein würde (b 20—21). D a n a c h ist also das Rückwirken des B auf das A ein bloß zufälliges, äußerliches Moment am Verhältnis zwischen A und B und es kann wegbleiben. Alsdann aber bleibt übrig, d a ß nur A Prozeßquelle und A nur Prozeß-

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q u e l l e ist, w ä h r e n d B nur P r o z e ß g e g e n s t a n d ist. D a m i t aber ist die Wechselseitigkeit, wie die T h e s e sie v e r t r a t , völlig aufgehoben. 238^21—27 (b 23—25): D a s A r g u m e n t richtet sich offenbar gegen ein Theorem, wonach es für die Möglichkeit unbegrenzten Stattfindens von Prozessen notwendig sei, d a ß j e d e r Prozeß zwischen A und B durch einen entgegengesetzten (und so unbegrenzt fort) abgelöst werde. 238,32—239,21 (257 b 26—258 a 5 ) : I n m i t t e n des so wichtigen Gedankengangs ein so unbefriedigender A b s c h n i t t ! D a s T h e m a ist k l a r : So gewiß von einem Ganzen (einem E i n heitsgefüge) gesagt werden k a n n , es besitze cigenbegründete Prozessualität, so gewiß ist es doch niemals in u n m i t t e l b a r e m Sinne möglich; wir wissen, w a r u m : es m u ß zu einem S t ü c k Quell für diese Prozessualität, zum anderen deren Gegenstand sein und den betreffenden Prozeß erleiden (vgl. nochmals b 12—13). Auch wissen wir bereits, d a ß dasjenige S t ü c k , welches P r o z e ß q u e l l für den R e s t sein soll, den Prozeß, den es a m R e s t bewirkt, nicht a u c h wiederum selbst — durch R ü c k w i r k u n g vonseiten des R e s t e s — erleiden d a r f ; vielmehr m u ß es entweder ü b e r h a u p t prozeßlose Prozeßquelle sein oder aber, falls es nicht überhaupt prozeßfrei ist, nur in eigenbegründeter Prozessualität stehen (vgl. nochmals b 20—25). — Nunmehr geht es offensichtlich darum, von j e d w e d e m , was eigenbegründete Prozessualität h a b e n soll, — sei es ein Ganzes, ein S t ü c k , ein S t ü c k v o n einem S t ü c k — zu beweisen, d a ß es in sich selbst ein T e i l s t ü c k enthalten müsse, das nicht nur keinen Prozeß e r l e i d e t (durch ein Anderes), sondern von a l l e r Prozessualität (auch von e i g e n begründeter) frei ist. — Zu diesem Beweis wird angesetzt, zweifellos wird er auch bis zu 2 5 8 a I (. . . v

eivrjra äidia) ist das, was hier a l l e i n erwogen wird! — Vgl. auch nächsten Absatz! 248,3—14 (a 13—20): Wenn Ar. in diesem Absatz nun die N o t w e n d i g k e i t beweist, daß die letztendliche Prozeßquelle ein einziger und ewiger Gegenstand ist (a 13—15), so ist genau zu beachten, was diese Notwendigkeit in Wahrheit allein betrifft: nicht eine F o l g e von (jeweils nur z e i t w e i s e als solche fungierenden) letztendlichen Prozeßquellcn kann diesen schlechthin k o n t i n u i e r l i c h e n Weltprozeß begründen, sondern nur eine e b e n s o e w i g e letztendliche Prozeßquelle, wie der Weltprozeß ewig und kontinuierlich ist. Eine P l u r a l i t ä t g l e i c h e w i g e r letztendlicher Prozeßquellen ist also keineswegs durch das gegenwärtige Argument ausgeschlossen; gegen eine s o l c h e Pluralität haben wir hier — gegenüber dem in a 6—13 Gesagten — nichts Neues vor uns. 248,17 (a21/22): „unsereAusgangspunkte"(inl T a s d o r f ; ) ; sicher ist, wie Ross es tut,. rüyv mvomrcmv zu athetieren; die „Ausgangspunkte" sind die Disjunktionen des c. 3 (253 a 2 2 - 3 2 ; 254 a 15-22); sie heißen tatsächlich ägxn und dg/at (3, 253 a 22; 254 a 1 6 - 1 8 ; 6, 260 a 11). 243,28 (a 28): „der beiden weiteren Dinggruppen"; über das immer und schlechthin Prozeßfreie (der pluralische Ausdruck in a 29 darf nicht stören; auch verrät er gar nichts weiter) wird nochmals der Abschnitt 259 b 20—28, über das immer und notwendig Prozeßhafte wird der Abschnitt 259 b 32—260 a 19 handeln. — Um nun nochmals auf jenes immer und notwendig P r o z e ß f r e i e zu kommen, wovon wir j a nur wissen, weil wir es als unerläßliche Quelle des Weltprozesses e r s c h l i e ß e n müssen, betrachtet Ar. zunächst noch einmal — die ganze bisherige Beweisentwicklung überblickend (a 30—32) — das Feld der in den lebendigen Wesen wirksamen prozeßb e h a f t e t e n Prozeßquellen (b 1—20). 248,30f. (a 30): „anhand der Grundsätze"; sie sind im vorausgehenden Teil des Buches nacheinander bewiesen worden.

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244,1 (b 2 ) : „Derartiges n u n " ; d . h . Gegenstände, die selbst die Quelle ihrer Prozesse sind — also prozeßbehaftete Prozeßquellen; von der p r o z e ß f r e i e n Prozeßquelle wird dann im Abschnitt b 20—28 wieder die Rede sein. — Von dem Problem, das hinsichtlich der Frage nach der Prozeßquelle die lebendigen Wesen stellen, war schon früher — ähnlich wie j e t z t — die R e d e : 2, 252 b 17—28; 253 a 7—21; darum ist auch in 259 b 3 (mit Ross) TiaoelyE zu lesen. — I n b 16—20 folgt die A u f l ö s u n g des Problems: Soweit es für die an den Tieren sichtbaren Prozesse in den Tieren s e l b s t liegende Prozeßquellen gibt, handelt es sich um Prozeßquellen, die nicht völlig prozeßfrei heißen können. Freilich auch nicht schlechthin prozeßbehaftet. Denn der Prozeß, den man diesen den Tieren immanenten Prozeßquellen (ihren „ S e e l e n " ) zuschreiben muß — es ist der Prozeß der Ortsveränderung —, widerfährt diesen Prozeßquellen doch nur in vermittelter Weise: nur weil der Körper des Tieres, dem sie einwohnen, seinen Ort wechselt — aus den angegebenen physiologischen Gründen —, wechseln in vermittelter Weise auch sie selbst ihn. Daneben benützt die immanente Prozeßquelle für ihre abgeleitete Ortsveränderung den Körper als „Hebelwerk"; sie s e l b s t also bringt sich letztlich an den neuen Ort, aber eben m i t t e l s der Körperbewegung des Tieres. 246,8—14 (b 28—31): Dieser Abschnitt ist entweder ein Einschub oder eine gelehrte Glosse; motiviert ist er jedenfalls durch das xata ovfißeßrpcdt; xivelo&ai vj OfpaiQa); daß von dieser die Rede ist und ihrer Rotation, sowie von den Kugelschalen, die sie enthält, und deren Rotation — und nicht einfach von einer Kugel überhaupt —, ist wohl sicher. Vgl. auch I V 14, 223 b 21—23. 262,28—32 (b 2—4): Diese Theorie von den Funktionen des Mittelpunkts trägt Ar. wie etwas Wohlvertrautes vor; warum, weiß ich nicht. Them. (233. 1—3), Phil. (849. 8—12) und Simpl. (1316. 13—16) sind um eine Erläuterung nicht verlegen, aber berichten sie wirklich eine arist. Theorie? Und die Erläuterung ist doch recht gekünstelt. 262,33 f. (b 5 ) : „der bewegte Gegenstand" (ro q)E(>ofievov); gemeint ist doch wohl nicht die Kugel, bzw. Kugelschale, selbst, sondern das, was auf ihr angesiedelt ist — z. B . der Fixstern (vgl. nochmals Anm. zu 245,16). 268,1 (b 8 ) : „Wechselseitigkeitsverhältnis"; vgl. nochmals IV 14, 223 b 1 2 - 2 2 4 a 2. 263,6f. (b 11): „durch konstante Geschwindigkeit charakterisiert" (¿fiahjg); nochmals Anm. zu 121,35; 123,22; 141,8ff.

vgl.

263,lOf. (b 13—14): Die von mir eingefügte Parenthese ist sachlich notwendig; denn nur dann ist die arist. Lehre voll angegeben: Erfolgt auf einer Geraden eine naturg e m ä ß e Bewegung (also eine solche, in der der Körper aus seinem naturfremden Ort sich auf seinen naturgemäßen Ort zubewegt), so nimmt die Geschwindigkeit dabei laufend zu; erfolgt hingegen eine n a t u r w i d r i g e Bewegung, so nimmt die Geschwindigkeit laufend ab (vgl. z. B . V 6, 230 b 24/25 und Anm. zu 1 4 7 , 1 8 - 3 2 ) . - Über die Gleichförmigkeit der Himmelsbewegung vgl. bes. De caelo I I c. 6. .263,11—14 (b 14—16): Und eben darum ist sie (wenigstens als natürliche!) gleichförmig. 2 6 3 , 1 5 - 2 6 4 , 5 (265 b 1 7 - 2 6 6 a 1): Zurückerinnert sei an 7, 260 b 7 - 1 5 ! 2 6 3 , 1 9 f . (265 b 1 9 - 2 2 ) : E s handelt sich natürlich um Empedokles. Vgl. etwa Vors. 1« 31 B 26, 3ff. oder 8, 3 - 4 ; dazu De gen. et corr. I 1, 314 b 5 - 8 ! 2 6 3 , 2 4 f . (b 2 2 f . ) : Vgl. dessen Fragmente Vors.t" 59 B 12 und 13.

VIII 8 - 1 0

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268,25—35 (b 23—29): Die Rede ist von den Atomisten, bes. von Demokritos. Wie heftig Ar. deren Theorem vom Leeren (als Bedingung möglicher Bewegung) kritisiert, wissen wir aus Buch IV c. 6—9. — to? EV TOTIOJ (b 26): Das V a k u u m der Atomisten fungiert in gewissem Sinne j a als physikalischer R a u m f ü r die Bewegung der Atome (vgl. I V 6, 213 a 15 ff.). 2 6 8 , 3 5 - 3 8 (b 3 0 - 3 2 ) : Vgl. I 4, 187 a 12-16 (Anm. zu 13,29-34), De gen. et corr. I I 3, 330 b 9 ff. 263,38-264,5 (265 b 3 2 - 2 6 6 a 1): Das ist natürlich Piaton (mit seiner Schule). - Vgl. dessen P h a e d r u s 245 C ff. 264,12—16 (266 a 6—9): W e n n wir zurückblicken, so haben wir folgende Hauptergebnisse erhalten: So ewig wie die Welt ist die Prozessualität in ihr. Auf der E r d e bedeutet diese ewige Prozessualität ewiges E n t s t e h e n und Vergehen der Weltstücke; d a f ü r fungiert als Grund die ewige Rotation der konzentrischen Kugelschalen der Ätherwelt, speziell der äußersten Kugelschale (des 7IQÜ>TOQ ovgavög, in welchem die Fixsterne angesiedelt sind). Der Urquell aller Prozessualität aber ist selbst prozeßf r e i . — Von ihm ist im letzten Kapitel des Buches erneut und abschließend die Rede. 264,19 These diesen b) 266

(a 11): „die Voraussetzungen"; der Beweis f ü r die unser Buch abschließende erfolgt erst in 267 b 17—26; zunächst werden mehrere Voraussetzungen f ü r Beweis bereitgestellt bzw. durch Klärungen gesichert: a) 266 a 12—23; a 24—b 6; c) 266 b 6 - 2 4 ; d) 266 b 27-267 a 20; e) 267 a 2 1 - b 17.

'264,22—39 (a 13—23): Dieser Beweis h a t von jeher Schwierigkeiten g e m a c h t ; T h e m . (233. 17 ff.) zog es vor, zu einer sehr freien P a r a p h r a s e überzugehen, Simpl. (1321. 2 6 ff.) f ü h r t e zu seiner Erläuterung einen Begriff (nämlich den der K r a f t ; övva/ii;) ein, von dem erst im folgenden Abschnitt die Rede sein wird (a 25ff.); vgl. die umfangreichen E r w ä g u n g e n von Ross 721—723! — Machen wir uns zunächst einmal das Grundsätzliche klar, das Ar. zwar nicht ausspricht, das aber zweifellos seine Überzeugung ist! Jeder Prozeß, der an einem endlich großen Gegenstand (und selbst die Welt ist n u r endlich groß!) in einer endlich langen Zeit eine Veränderung von endlichem U m f a n g bewirkt, findet innerhalb e n d l i c h langer Zeit auch seinen Abschluß (wie groß im übrigen auch jener Gegenstand und der Umfang der abschließend an i h m erzielten Veränderung sein mag). (Auf die endliche Größe der P r o z e ß q u e l l e , von der in These — a 12/13 — und Beweisabschluß — a 22 — die Rede ist, k o m m t es eigentlich und dem Grundsatz nach gar nicht an!) — H ä t t e der Gesamtweltprozeß einen bestimmten Abschluß (in einem bestimmten E n d z u s t a n d der Welt), so wäre a u c h er nur v o n e n d l i c h e r D a u e r ; es gäbe dann weiterhin auch gar keinen zureichenden Grund, dem Urquell dieses Gesamtweltprozesses e n d l i c h e Größe (und also Größe ü b e r h a u p t ) abzusprechen. — Gibt es aber f ü r den Gesamtweltprozeß keinen b e s t i m m t e n Abschluß, so ist er von unendlicher Dauer — u n d umgekehrt. E r i s t von unendlicher Dauer und h a t niemals einen bestimmten Abschluß. Seine G r u n d f o r m ist die ununterbrochene, immer wiederholte, abschlußlose R o t a t i o n der Weltschalen (speziell der äußersten, d. h. des JIQWTO; ovoavog). D a r u m auch kann der Urquell dieses Gesamtweltprozesses von endlicher Größe n i c h t sein. — E s entsprechen sich also nunmehr und abschließend: Unendlichkeit der Dauer der Prozes-

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Anmerkungen

sualität der (endlich großen) Welt und Nicht-Endlichkeit des Urquells dieser P r o zessualität. — J e t z t begreifen wir also, w a r u m unser Beweis beweisen will, d a ß sich Unendlichkeit einer Prozeßdauer und Endlichkeit der Größe der zugehörigen Prozeßquelle n i c h t entsprechen können (dies also der Sinn von a 12—13 und a 22—23). Denn wenn die Welt endlich groß und wenn auch der Urquell der Weltprozessualität e n d lich groß ist, dann k a n n dem eine n i c h t - e n d l i c h e Prozeßdauer nicht entsprechen. — So f ü h r t denn Ar. auch ein eine endlich große Prozeßquelle (A), einen endlich großen Prozeßgegenstand (B) und eine als unendlich angenommene Zeit (C; als Prozeßdauer). Sodann läßt er Stücke Stücken entsprechen (D, E , F). Mittels des Gesetzes, daß jedem bestimmten (und also endlichen) S t ü c k aus einer Veränderung (sei es am Prozeßgegenstand, sei es an der Prozeßquelle) auch ein S t ü c k nur aus der (zunächst als unendlich angenommenen) Gesamtprozeßzeit C entsprechen könne, k o m m t es zur U n g l e i c h u n g zwischen C und F und somit zur E n d l i c h k e i t von F (a 17—19). Und weil den restlichen, immer wieder endlichen und bestimmten, Stücken von A und B entsprechende, ebenfalls wiederum bestimmte u n d also e n d l i c h große Stücke der Gesamtprozeßzeit C entsprechen müssen, k a n n sich nur eine e n d l i c h e Größe (unter Aufhebung also der Annahme) f ü r C ergeben. R e s u l t a t : a) Ist sowohl Prozeßgegenstand wie Prozeßquell von endlicher Größe, so ist auch die Prozeßdauer endlich — und umgekehrt, b) Ist eine Prozeßdauer unendlich, so ist mindestens e n t w e d e r der Prozeßgegenstand oder aber die Prozeßquelle nicht-endlich. — Abschließend sehen wir: Gedanklich ist der Beweis in Ordnung; verwirrend ist aber einerseits seineKnappheit, andrerseits die Verhülltheit der f u n d a m e n t a l e n Überlegung. 264,23 (a 14): „die Prozeßdimension"; hier bedeutet rd ev $ wieder einmal die Zeit (d. h. die Zeitdimension, die Dauer, des Prozesses). — Vgl. zuletzt Anm. zu 251,30 f. '265,3—27 (a 25—b 6): Diese Beweisüberlegung — apagogischer Form — h a t gleichzeitigdeutlich die Gestalt eines Dilemmas. Ein (zwar endlich großer, aber) mit unendlicher Prozeßkraft ausgestatteter Gegenstand soll eine bestimmte Wirkung ausüben (eine endliche; „unendliche W i r k u n g " , also „unendliche V e r ä n d e r u n g " wird gar nicht erst erwogen, da sie offenbar als ganz indiskutabel erkannt wird). Nun ist einmal d e n k b a r , d a ß er (dank seiner u n e n d l i c h großen Prozeßkraft) f ü r diese bestimmte W i r k u n g überhaupt keine Zeit b r a u c h t (nicht etwa eine unendlich kleine, d. h. gegen Null gehende Zeit, sondern wirklich gar keine Zeit!) (a 31). Ohne jede Begründung wird diese erstere Denkbarkeit als absurd betrachtet. Betrachtet m a n sie aber als absurd, so bleibt nur noch eine einzige weitere Denkbarkeit (die sich ebenfalls sofort als absurd erweisen wird — vgl. b 5 ! ) : daß jener Gegenstand von unendlich großer Prozeßkraft f ü r seine (endlich große) Wirkung eine (bestimmte und endlich große)Z e i t braucht (b 31 ff.). Da es aber möglich ist, jede beliebige e n d l i c h große Wirkung auch mittels e n d l i c h e r , nur entsprechend gesteigerter, Prozeßkraft in der n ä m lichen endlichen Zeit zu erzielen, erscheint Ar. der Ansatz einer (eine endliche W i r kung in endlicher Zeit bewirkenden) unendlichen Prozeßkraft als absurd. U n d seineThese (a 24—25; b 5—6) erscheint ihm ebendamit als bewiesen. — Interessant m a g hier ein Rückblick auf Buch V I I c. 5 (249 b 30 ff.) sein. — D a ß der Nerv des Beweiseseigentlich nur darin liegt, daß nur eine e n d l i c h große Veränderungswirkung ins. Auge gefaßt wird, und d a ß hier der Gedanke einer instantanen Veränderung ohneDiskussion ausgeschaltet wird, liegt auf der H a n d .

V I I I 10

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•265,12 (a 30): „von einem anderen Gegenstand" {in äXXov); d. h. von einem, der bloß - e n d l i c h große Prozeßkraft besitzt. 366,4—24 (b 8—20): Für die neue These, daß die in einem unendlich großen Gegenstand wohnende Prozeßkraft nicht von endlicher Größe sein könne, gibt Ar. zwei Beweise •(b 8—20; b 20—24); der erstere ist klar und eindeutig ausgeführt. Er setzt probeweise einen unendlich großen Gegenstand an und fragt sodann, ob ihm eine endlich oder unendlich große Prozeßkraft zukommen müsse. Er verfährt dabei so: E r greift ein bestimmtes und endliches Stück aus dem (unendlich großen) Gegenstand heraus ^B— C aus A—B); es besitzt zweifellos ein bestimmtes und endliches Quantum an Prozeßkraft; mittels dieser soll das Stück B—C an einem zweiten Gegenstand (D) in der bestimmten und endlich großen Zeit E—F eine ganz bestimmte (natürlich -endlich große) Veränderung herbeiführen. Ar. nimmt sodann als sicher an, daß ein E—F Stück = 2 • (B—C) (genannt B—G) die nämliche Veränderung an D in —-— (genannt E—H) herbeiführen werde — was gleichzeitig besagt, daß dem Stück B—G •das d o p p e l t e Quantum an Prozeßkraft (gegenüber B—C) einwohnen muß. Sodaß sich folgendes Verhältnis ergibt: Mit steigendem Quantum des aus dem (als unendlich groß angenommenen) Gegenstand herausgegriffen werdenden Stücks wird die -erforderliche Prozeßzeit im nämlichen Verhältnis immer kürzer, die Prozeßkraft des Gegenstandsstücks immer größer. Da der Gegenstand unendlich groß sein soll, wird die Prozeßzeit ins Unendliche kleiner, die Prozeßkraft ins Unendliche größer. Folgerung: In einem als unendlich groß angenommenen Prozeßquell kann die Prozeßkraft nicht als endlich groß gedacht werden. Gegenstand der Einwirkung

^



o

v

o }

//

. y

Einwirkender, unendlich groß gedachter Gegenstand Zeit

Die Übersetzung folgt dem Ross'schen Textvorschlag, der immerhin das Bestmögliche bietet. Der Beweis erscheint danach als annehmbar. — Ein Wort dürfte nötig sein zu a 19—20. Über den Sinn des Satzes ist doch wohl kein Zweifel: er will die allein mögliche Bedeutung des im Vorausgehenden verwendeten Ausdrucks 'unendlich große Prozeßkraft' (äneiooq dvvafitg; a 14) festlegen; nur in dem Sinne kann von einer unendlichen Prozeßkraft gesprochen werden wie von einer unendlich großen Menge und von einem unendlich großen Ausdehnungsgebilde, nämlich in dem: 'immer nochmals größer als jeder gewählte oder erreichte (bestimmte und endlich große) Betrag'. — Es sei verwiesen auf die v7ienßä)J.eiv- Stellen in I I I 6, 206 b 18 ff. und 7, 207 a 34 ff. •266,24—32 (b 20—24): Hält man sich die Argumentationsweise in den vorangegangenen Beweisen vor Augen, so fällt es nicht schwer, sich den nur angedeuteten Beweis ausgeführt vorzustellen. E t w a so: Nehmen wir an, in einem unendlich großen Gegenstand sei nur ein endlich großes Q u a n t u m an Prozeßkraft. Dann findet sich sicher ein e n d l i c h großer Körper, in welchem genau so viel Prozeßkraft enthalten ist wie in

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Anmerkungen

einem Teilstück T jenes unendlich großen Gegenstands (nennen wir jenes Prozeßkraftquantum im ganzen Gegenstand P, das Prozeßkraftquantum im Teilstück T des. unendlich großen Gegenstands, welches gleich groß dem Prozeßkraftquantum im dazugenommenen e n d l i c h großen Körper sein soll, aber P t ) ; durch eine e n d l i c h e Vervielfachung der Größe des dazugenommenen endlich großen Körpers wird dieser vervielfachte, aber endlich groß bleibende Körper durch funktional abhängige, e b e n f a l l s endliche Vervielfachung von P t das Prozeßkraftquantum P erreichen. Damit wäre aber das in einem u n e n d l i c h großen Gegenstand wohnende Prozeßkraftquantum nicht größer als das in einem e n d l i c h großen wohnende. Weil diese Folgerung unannehmbar ist, ist die These ad absurdum geführt. 266,38—267,4 (b 28—30): Fälschlicherweise bezieht Prantl (neuerdings auch Gaye) den Satzteil oaa ftrj avxä iavzä xivel auf den vorausgehenden ei-Satz. Dies ist unmöglich, weil uns doch nachhaltig klargelegt worden ist, daß ein imo nvog xiveio&at geradeauch bei avrä iavra. xivovvra vorliege und vorliegen müsse (c. 4 und 5 ; vgl. auch Buch V I I c. 1). Im £i-Satz haben wir vielmehr das berühmte Lehrstück wieder vor uns; der oaa-Satz hingegen bildet mit evta zusammen das Subjekt des Fragesatzes. — Richtig übersetzt hat Carteron. 267,5 (b 30): „geworfene Gegenstände"; bezüglich der Wurftheorie vgl. nochmalsAnm. zu 101,13—24 (zu IV 8, 215 a 15—19); jetzt wird die Wurftheorie präzisiert. 267,17 (267 a 2): „beim Magneten"; zu denken ist an die m a g n e t i s i e r e n d e W i r kung des Magneten auf ein geeignetes Metallstück (welches dann ebenfalls Anziehungskraft erhält). 267,27—31 (a 6/7): E s selbst kommt zum Stehen, gibt aber — anstoßend — noch B e wegung (an das Angestoßene) weiter. 268,8 (a 14): „eine R e i h e " ; ¿yefj/g und äjiro/jEvov wie in V c. 3. 268,14 (a 16/17): „örteraustausch"; vgl. IV 8, 215 a 15. 2 6 8 , 1 9 - 2 2 (a 1 9 - 2 0 ) : Nunmehr wird klar, warum Ar. dieses ganze Problem (266 b 27— 267 a 19) überhaupt hier behandelt hat. Das Problem betraf die — nur s c h e i n b a r e (267 a 13/14) — Ununterbrochenheit und Einheit gewisser Bewegungstypen (z. B . des Wurfes). Davon mußte die w a h r h a f t e Ununterbrochenheit und Einheit der Himmelsrotation abgehoben werden. Abgesehen davon, daß jene Bewegungstypen nur bei Gegenständen vorkommen, die den Wechsel von Bewegungs- und Ruhezuständen kennen (a 12—13), unterscheiden sie sich von der Himmelsrotation dadurch, daß sie in Wahrheit nur F o l g e n mehrerer unterschiedener Bewegungen sind, wie j a auch auf Seiten ihrer Prozeßquelle eine R e i h e sich folgender Ursachen vorliegt (a 14—15), während die kontinuierliche und ewig einzige Himmelsrotation n u r eine e i n z i g e Prozeßquelle und einen e i n z i g e n Bewegungsgegenstand besitzt. 268,22—24 (a 20): Der Ausdruck ov yäg vnö rov avrov ist nur eine neue Formulierung des berühmten Lehrstücks vom imo TIVOQ xiveia&ai, das auch am Anfang des Absatzes;

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b e s c h w o r e n w o r d e n ist ( 2 6 6 b 28—29). E s ist f ü r d a s ev OVVEX&Q xivovftevov d a s ev owex&S xivoiiv zu suchen. 2 6 8 , 3 2 (a 2 4 ) : „ s o s t e h t a l s o " ; die Ü b e r s e t z u n g f o l g t d e m T e x t v o r s c h l a g v o n R o s s (rd