Arbeitspflicht und Vergütungsrisiko in Zeiten der Pandemie: Eine rechtsvergleichende Betrachtung der Folgen von Infektion, Infektionsverdacht und erhöhter Gesundheitsgefahr für Arbeitspflicht und Lohnanspruch [1 ed.] 9783428588299, 9783428188291

Die Arbeit untersucht rechtsvergleichend für das deutsche und das französische Arbeitsrecht die Auswirkungen der Coronap

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Arbeitspflicht und Vergütungsrisiko in Zeiten der Pandemie: Eine rechtsvergleichende Betrachtung der Folgen von Infektion, Infektionsverdacht und erhöhter Gesundheitsgefahr für Arbeitspflicht und Lohnanspruch [1 ed.]
 9783428588299, 9783428188291

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 376

Arbeitspflicht und Vergütungsrisiko in Zeiten der Pandemie Eine rechtsvergleichende Betrachtung der Folgen von Infektion, Infektionsverdacht und erhöhter Gesundheitsgefahr für Arbeitspflicht und Lohnanspruch

Von

Lena Bleckmann

Duncker & Humblot · Berlin

LENA BLECKMANN

Arbeitspflicht und Vergütungsrisiko in Zeiten der Pandemie

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 376

Arbeitspflicht und Vergütungsrisiko in Zeiten der Pandemie Eine rechtsvergleichende Betrachtung der Folgen von Infektion, Infektionsverdacht und erhöhter Gesundheitsgefahr für Arbeitspflicht und Lohnanspruch

Von

Lena Bleckmann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany

ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-18829-1 (Print) ISBN 978-3-428-58829-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2022 von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Sach- und Rechtsstand ist der Tag der Abgabe am 27. Mai 2022. Die Arbeit hat in der Coronapandemie ihr Thema gefunden und ist in ihrer Entstehungsphase auch ganz maßgeblich durch diese Sondersituation geprägt worden. An dieser Stelle möchte ich von Herzen den Menschen danken, die mich auf dem Weg zur Promotion auf unterschiedlichste Weise unterstützt haben – sei es im persönlichen Kontakt oder in pandemiebedingter Distanz. Die Folgenden sind dabei ganz besonders hervorzuheben: Zuvorderst gilt mein Dank meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Gregor Thüsing, dessen Unterstützung ich mir in jeder Phase der Promotion sicher sein konnte. Er ließ mir größte wissenschaftliche Freiheit, zugleich stand seine Tür jedoch immer für Fragen offen. Seine wertvollen Ratschläge und Anregungen und auch die durchweg vielseitige und lehrreiche Tätigkeit an seinem Lehrstuhl haben zum Gelingen dieses Projekts in erheblichem Maße beigetragen. Weiterhin danke ich Herrn Prof. Dr. Stefan Greiner für die zügige und detaillierte Zweitbewertung der Arbeit und die überaus hilfreichen Vorschläge und Anmerkungen. Für die ideelle und finanzielle Förderung meines Promotionsstudiums danke ich der Konrad-Adenauer-Stiftung. Besonderer Dank gilt außerdem den Korrekturleserinnen dieser Arbeit, Annika Flamme, Dr. Maike Flink und Eva Bleckmann. Einen entscheidenden Beitrag zu dieser Arbeit hat insbesondere der Austausch mit den hervorragenden Juristen geleistet, die ich meine Kollegen und Freunde nennen darf. Dr. Maike Flink und Dr. Melanie Jänsch standen mir durchweg mit fachlicher Expertise, wichtigen Erfahrungswerten und persönlichem Zuspruch zur Seite – hierfür danke ich ihnen sehr. Insbesondere für den fachlichen Austausch in ausgiebigen und gewinnbringenden Diskussionen danke ich Yannick Peisker; für ihr immer offenes Ohr und die stete persönliche Unterstützung Dr. Charlotte Schippers. Für ihren wertvollen Beitrag in der Vorbereitung zur Disputation gilt mein Dank außerdem Gregor Biesenbach und Philip Musiol. Eine unersetzliche Stütze, nicht nur, aber auch in der Zeit meiner Promotion, war mir außerdem meine Familie: Meine Eltern, Susanne Haas-Bleckmann und Friedrich Bleckmann, die meine Ausbildung durch ihren vorbehaltslosen Beistand erst ermöglichten und mir immer mit Rat und Tat zur Seite stehen. Mein Bruder, Dr. Felix Bleckmann, der mir in fachlicher wie persönlicher Hinsicht immer ein Vorbild und

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Vorwort

hervorragender Berater ist. Und meine Schwester, Eva Bleckmann, meine erste Ansprechpartnerin in allen Lebenslagen, mit der ich die Herausforderungen einer Promotion gleichzeitig bewältigen durfte. Diesen Vieren ist die vorliegende Arbeit gewidmet. Schließlich gilt ein ganz besonderer Dank Jonas Overhage, der auch über Landesgrenzen hinweg zu jeder Zeit für mich da war, größtes Verständnis für Phasen geringer Freizeit aufbrachte und für mich stets ein Ruhepol in Zeiten hoher Anspannung war und ist. Bonn, im Dezember 2022

Lena Bleckmann

Inhaltsverzeichnis A. Worum es geht: Die Folgen des Arbeitsausfalls bei Infektion, Infektionsverdacht oder erhöhter Gesundheitsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Rechtliche Grundlagen: Arbeits- und Vergütungspflicht vor und während der Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Vergütungspflicht und andere Leistungsansprüche auch bei Ausbleiben der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Grundsätzlicher Fortbestand der Arbeitspflicht in Zeiten der Pandemie . . . . . 31 a) Keine Unmöglichkeit der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers bei Ausbleiben der Arbeitsleistung 37 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Der Grundsatz „pas de travail – pas de salaire“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Vergütungsrisiko im Falle höherer Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Die Rechtsfigur der suspension du contrat de travail . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 c) Das Verhältnis von force majeure und suspension du contrat . . . . . . . . . . . 45 2. Abweichende Verteilung des Vergütungsrisikos in benannten Fällen . . . . . . . 47 3. Was gilt in Zeiten der Pandemie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Die Pandemie allein als Umstand, der die Leistungspflicht entfallen lässt? 48 b) Ausnahmen bei besonderer Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Das finanzielle Risiko des pandemiebedingten Arbeitsausfalls . . . . . . . . . 51 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 III. Ein erster Vergleich der deutschen und französischen Rechtslage . . . . . . . . . . . 54 1. Die unterschiedliche Herleitung derselben Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. „Ohne Arbeit kein Lohn“ in Zeiten der Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 C. Die Pandemie am Arbeitsplatz – Arbeitsschutzrechtliche Aspekte der Fortsetzung der Tätigkeit im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Arbeitsschutzverpflichtung des Arbeitgebers in Zeiten der Pandemie . . . . . . 58 a) Privatrechtliche Grundlagen: Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers . . . . . 59

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Inhaltsverzeichnis b) Die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzrechts in Zeiten der Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 aa) Die zentralen Pflichten des Arbeitgebers auf Basis des ArbSchG . . . . 62 bb) Auswirkungen des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards und der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel auf die Schutzpflichten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 cc) Auswirkungen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (CoronaArbSchV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Auswirkungen der Infektionsschutzmaßnahmen des Bundes und der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Mitwirkungs- und Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers zur Infektionsvorbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Entfernungsrecht nach § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 c) Leistungsverweigerung nach § 275 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers in Zeiten der Pandemie . . . . . . . . . . 76 a) Verantwortung des Arbeitgebers in Fragen des Arbeitsschutzes . . . . . . . . 77 b) Weitere Rechtsgrundlagen und Akteure des Arbeitsschutzrechts . . . . . . . . 79 c) Konkretisierung der Arbeitsschutzpflichten im Lichte der Pandemie . . . . 80 2. Mitwirkungs- und Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bei Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Voraussetzungen und Folgen des droit de retrait . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Leistungsverweigerung wegen Gesundheitsgefahr in Zeiten der Pandemie 90 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 III. Fragen des Arbeitsschutzes während der Pandemie in Deutschland und Frankreich im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Vertragsrechtliche Anknüpfung des Arbeitsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Bedeutung untergesetzlicher Vorgaben für die Pflichten des Arbeitgebers . . . 94 3. Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Leistungsverweigerungsrechte des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

D. Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Die Berücksichtigung der Grundrechte im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . 99 2. Konkretisierungen für Fragerechte und Gesundheitsuntersuchungen im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Das berechtigte Informationsinteresse des Arbeitgebers in Zeiten der Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Inhaltsverzeichnis

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4. Abwägung mit den Interessen des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Informationsrechte und Pflichten bei Infektion und Infektionsverdacht . . . 108 b) Gesundheitsuntersuchungen als Infektionsschutzmaßnahme . . . . . . . . . . . 110 aa) Zugangskontrollen mit Fiebermessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 bb) Tests auf Krankheitserreger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (1) Normative Entwicklung bzgl. der Nutzung von Coronatests im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (2) Arbeitsrechtliche Möglichkeiten zur Anordnung von Coronatests 114 5. Datenschutzrechtliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Einwilligung des Arbeitnehmers als Erlaubnistatbestand, § 26 Abs. 2 S. 1 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Datenverarbeitung zur Ausübung von Rechten oder Erfüllung von Pflichten – ein Zirkelschluss? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Schutz der persönlichen Lebenssphäre im französischen Arbeitsrecht . . . . . . 125 a) Berücksichtigung der persönlichen Rechte und Freiheiten im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Schutz vor Diskriminierung wegen des Gesundheitszustands . . . . . . . . . . 128 c) Begrenzung der Informationsmöglichkeiten im Bewerbungsprozess und während des laufenden Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 d) Die Rolle des Betriebsarztes bei der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 e) Besonderheiten bei Alkohol- und Drogentests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 f) Die Grenzen des Datenschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Allgemeine Grenzen für die Verarbeitung personenbezogener Daten 135 bb) Strengere Grenzen für die Verarbeitung sensibler Daten . . . . . . . . . . . 136 2. Erkenntnismöglichkeiten in Zeiten der Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Fragerecht des Arbeitgebers nach Infektionen und Verdachtsmomenten 137 b) Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 c) Fiebermessungen am Betriebseingang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 d) Coronatests als Zugangsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 III. Die Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers in Deutschland und Frankreich im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Fragerechte des Arbeitgebers nach Infektionen und Verdachtsmomenten . . . 151 a) Abweichungen im Diskriminierungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Abweichungen bei der Bedeutung des Betriebsarztes . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 c) Datenschutzrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Offenbarungspflichten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Gesundheitsuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

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Inhaltsverzeichnis

E. Arbeitsausfall wegen Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber 158 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Rechtliche Grundlagen von Arbeits- und Vergütungspflicht bei Freistellung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Annahmeverzug trotz Berechtigung zu einseitiger Freistellung . . . . . . . . . 162 b) Weitere Voraussetzungen des Annahmeverzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Die einseitige Freistellung wegen Infektion, Infektionsverdachts oder Infektionsrisikos in Zeiten der Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Recht des Arbeitgebers zur Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Freistellung bei nachgewiesener Coronavirusinfektion des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Freistellung bei Verdacht einer Coronavirusinfektion des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 cc) Freistellung bei Verweigerung eines Coronatests im Verdachtsfall . . . 172 dd) Freistellung bei Verweigerung betrieblicher Infektionsschutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Anspruch auf Annahmeverzugslohn in Folge der Freistellung . . . . . . . . . . 174 aa) Kein Annahmeverzug bei Arbeitsunfähigkeit oder Absonderung . . . . 174 (1) Exkurs: Die Absonderung nach dem Infektionsschutzgesetz . . . . . 175 (2) Auswirkungen auf den Annahmeverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Annahmeverzug bei fortbestehender Arbeitsfähigkeit und ausbleibender Absonderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (1) Nachgewiesene Coronavirusinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (a) Auswirkungen der Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers . . 178 (b) Auswirkungen der Arbeitsschutzpflichten des Arbeitnehmers 179 (aa) Die Abgrenzung selbständiger und leistungsbezogener Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (bb) Die Arbeitsschutzpflicht des Arbeitnehmers als leistungsbezogene Nebenpflicht oder Bestandteil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (a) Keine bloße Schadensabwendungs- oder Mitwirkungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (b) Untrennbarer Bezug zur Arbeitsleistung selbst . . . . . 183 (c) Einordnung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (2) Verdacht der Coronavirusinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (a) Kein Beschäftigungsverbot im Falle des Infektionsverdachts ohne Absonderung oder Tätigkeitsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (b) Der Infektionsverdacht als Frage der Beweislast . . . . . . . . . . . 185 (c) Ausschluss des Annahmeverzugs wegen Unzumutbarkeit der Annahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (aa) Entstehung des Gedankens der Unzumutbarkeit der Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Inhaltsverzeichnis

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(bb) Übertragbarkeit auf das fortbestehende Arbeitsverhältnis? 188 (cc) Verzicht auf die Voraussetzung der schwerwiegenden Pflichtverletzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (d) Ausschluss des Annahmeverzugs wegen verweigerter Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Aufklärung des Infektionsverdachts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (e) Einordnung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (3) Vergütungspflicht bei einseitiger Freistellung gerade wegen der Verweigerung der Vorlage eines berechtigterweise verlangten Testergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (4) Vergütungspflicht bei Verweigerung unzulässiger Infektionsschutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Exkurs: Einseitige Anordnung von Urlaub oder Freizeitausgleich als Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Die Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers und ihre Rechtsfolgen . . . . . . . . 198 a) Freistellung als Sanktion für eine Vertragsverletzung des Arbeitnehmers 199 b) Freistellung als vorsorgliche Maßnahme bis zur Kündigung oder zu anderen Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Freistellung zur Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Die Freistellung wegen Infektion, Infektionsverdachts oder Infektionsrisikos in Zeiten der Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Freistellung im Falle nachgewiesener Infektion oder eines Infektionsverdachts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Schlichte Nichtbeschäftigung Betroffener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Disziplinarische oder vorsorgliche Freistellung (mise à pied) . . . . . . . 208 cc) Freistellung aus Gründen der betrieblichen Sicherheit . . . . . . . . . . . . . 209 dd) Suspendierung des Arbeitsvertrags unabhängig von der Freistellungsentscheidung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (1) Die lange währende Freiwilligkeit der Absonderung . . . . . . . . . . . 211 (2) Suspendierung aus Krankheitsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (3) Möglichkeit der Einschaltung des Betriebsarztes . . . . . . . . . . . . . . 214 (4) Exkurs: Auswirkungen der Schutzpflichten des Arbeitnehmers . . 216 (5) Exkurs: Einseitige Anordnung von Urlaub oder Freizeitausgleich 217 b) Freistellung wegen Verweigerung der Teilnahme an betrieblichen Infektionsschutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 III. Die Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers wegen Infektion, Infektionsverdachts oder Infektionsrisikos in Deutschland und Frankreich im Vergleich . . . . 220 1. Anderweitiges Entfallen der vertraglichen Hauptleistungspflichten . . . . . . . . 222 2. Ausbleiben der Arbeitsleistung infolge einer Entscheidung des Arbeitgebers 223

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Inhaltsverzeichnis IV. Ein Zwischenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

F. Die Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion . . . . . . . . . . . . . . 225 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Arbeitspflicht bei nachgewiesener Coronavirusinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Das Vergütungsrisiko bei Arbeitsverhinderung wegen Coronavirusinfektion 228 a) Der symptomlos oder nur leicht symptomatisch infizierte Arbeitnehmer 228 aa) Anspruch auf staatliche Entschädigung im Absonderungsfalle nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (1) Die Norm im System des Leistungsstörungsrechts . . . . . . . . . . . . . 229 (2) Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 229 (3) Verdienstausfall als Anspruchsvoraussetzung: Das Verhältnis zu arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . 232 (4) Ausschlussgründe nach § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (5) Ausschluss auch bei anderweitigem Verschulden? . . . . . . . . . . . . . 239 (6) Höhe des Anspruchs und Verfahren der Auszahlung . . . . . . . . . . . 242 (7) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 bb) Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (1) Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im System des Leistungsstörungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (2) Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im System des Sozialversicherungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (3) Die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG im Lichte der nachgewiesenen Coronavirusinfektion . . . . . . . . . . . . . 249 (a) Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (aa) Die symptomatische Infektion als Krankheit . . . . . . . . . . 250 (bb) Die symptomlose Infektion als Krankheit? . . . . . . . . . . . . 251 (a) Auslegung nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (b) Auslegung nach Systematik und Historie . . . . . . . . . . 252 (c) Auslegung nach dem Zweck der Norm unter Berücksichtigung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (d) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (b) Arbeitsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (aa) Arbeitsunfähigkeit bei Arbeitsverhinderung aus Rechtsgründen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (bb) Berücksichtigung einer Möglichkeit der Leistung im Homeoffice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 (cc) Berücksichtigung der Entschädigungsregelung nach § 56 IfSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (dd) Berücksichtigung des spezifisch abgesicherten Risikos

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(ee) Berücksichtigung der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie . . . . . 260

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(ff) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 cc) Anspruch auf Lohnfortzahlung nach §§ 611a Abs. 2, 616 S. 1 BGB 264 (1) Arbeitsverhinderung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (a) Die Arbeitsverhinderung wegen ansteckender Krankheit im Spiegel der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (b) Abweichende Beurteilung in Zeiten der Pandemie? . . . . . . . . . 267 (2) Arbeitsverhinderung für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit 269 (a) Belastungsbezogene Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (b) Ereignisbezogene Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (c) Übertragung der Wertungen des EFZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 (d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (aa) Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (bb) Historische und systematische Entwicklung – Übertragung der Sechswochengrenze des EFZG? . . . . . . . . . . . . 275 (cc) Orientierung am Zweck der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . 277 (3) Weitere Voraussetzungen und Abdingbarkeit der Lohnfortzahlung nach §§ 611a Abs. 2, 616 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (4) Zwischenergebnis zur Lohnfortzahlung nach § 616 BGB . . . . . . . 280 dd) Auffangen des Verdienstausfalls bei ausbleibender Lohnfortzahlung 281 b) Der durchgehend krankheitsbedingt arbeitsunfähige Arbeitnehmer . . . . . . 283 aa) Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 (1) Monokausalität der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit . . . . . 284 (a) Zusammentreffen mehrerer Verhinderungsgründe . . . . . . . . . . 285 (b) Die Verhinderungsgründe bei symptomatischer Coronavirusinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (aa) Lösung nach dem Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (bb) Lösung nach dem Prinzip des geringsten Risikos für den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (cc) Die Absonderung als vorrangiger Hinderungsgrund wegen öffentlich-rechtlicher Zwangswirkung? . . . . . . . . . 289 (dd) Bisherige Tendenzen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 (ee) Argumente für einen Vorrang der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bei gleichzeitigem Eintritt mit anderen Verhinderungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (a) Keine Verringerung des sozialen Schutzes bei gefährlichen Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (b) Berücksichtigung der gesetzlichen Risikozuweisung 293

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Inhaltsverzeichnis (c) Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertungen im Rahmen des § 56 IfSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 (d) Vorrang der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auch gegenüber der gefährdungsbedingten Leistungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (2) Fehlendes Verschulden des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (a) Missachten von Hygienevorschriften und behördlichen Anordnungen sowie Teilnahme an Corona-Partys . . . . . . . . . . . . . 297 (b) Vermeidbare Reisen in Risikogebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (c) Ausbleiben einer möglichen Schutzimpfung . . . . . . . . . . . . . . 302 (3) Zwischenergebnis zum Entgeltfortzahlungsanspruch bei anfänglich bestehender Arbeitsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 bb) Anspruch auf Krankengeld nach § 44 Abs. 1 SGB V . . . . . . . . . . . . . . 306 (1) Arbeitsunfähigkeit i. S. d. SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (2) Verhältnis zur Entgeltfortzahlung, insbesondere bei Verschulden des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 cc) Zwischenergebnis für den durchgehend krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 c) Der zunächst symptomlos oder leicht symptomatisch infizierte und später arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 aa) Anspruch auf staatliche Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG 310 bb) Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (1) Aus der Subsidiarität des § 56 IfSG folgt noch nicht des Rätsels Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 (2) Abweichende Lösung nach dem Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . 312 (3) Kritik am Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (4) Schutzlücken aufgrund der Konzeption des § 56 IfSG . . . . . . . . . . 314 (5) Abschließende und ergänzende Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 cc) Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 dd) Zwischenergebnis: Kostentragung durch den Staat nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 1. Die Arbeitspflicht im Falle der nachgewiesenen Coronavirusinfektion . . . . . 316 a) Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wegen Coronavirusinfektion in den Jahren 2021 und 2022 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 b) Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wegen Coronavirusinfektion im Jahr 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 c) Kein Leistungsverweigerungsrecht nach Art. L.4131-1 Code du travail . . 322 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

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2. Die finanzielle Entschädigung des Arbeitnehmers im Falle des Leistungsausfalls aufgrund einer Coronavirusinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 a) Indemnités journalières – Leistungen der Krankenversicherung . . . . . . . . 324 aa) Pandemiebedingte Anpassungen der Gesetzeslage im Jahr 2020 . . . . 325 bb) Pandemiebedingte Anpassungen der Gesetzeslage in den Jahren 2021 und 2022 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 b) Obligatorische Leistungen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 aa) Pandemiebedingte Anpassungen im Jahr 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 bb) Pandemiebedingte Anpassungen in den Jahren 2021 und 2022 . . . . . . 330 c) Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 3. Zwischenergebnis für den nachweislich mit dem Coronavirus infizierten Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 III. Auswirkungen der nachgewiesenen Infektion in Deutschland und Frankreich im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 1. Das Schicksal der Arbeitspflicht im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 2. Die Verteilung des Vergütungsrisikos im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 a) Eine vergleichende Betrachtung der Absicherung bei krankheits- oder personenbedingtem Arbeitsausfall in ihren Grundzügen . . . . . . . . . . . . . . 336 aa) Die unterschiedliche Zielsetzung der Arbeitgeberleistungen . . . . . . . . 337 bb) Abweichungen im Hinblick auf Zugangsvoraussetzungen und Karenzzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 cc) Abweichungen hinsichtlich der Auswirkungen eines Eigenverschuldens des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 dd) Einkommenssicherung bei persönlicher Verhinderung über den Krankheitsfall hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 ee) Unterschiedlicher Charakter der Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 b) Vergleichende Betrachtung der Verteilung des Vergütungsrisikos bei coronavirusinfektionsbedingtem Arbeitsausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 aa) Das Vergütungsrisiko bei Arbeitsausfall aufgrund symptomloser oder nur leicht symptomatischer Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 (1) Gegenüberstellung im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (2) Grundlegende Differenzen der Lösungswege . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 bb) Das Vergütungsrisiko bei Arbeitsausfall wegen symptomatischer Infektion, die zur körperlichen Arbeitsunfähigkeit führt . . . . . . . . . . . . . 344 c) Abschließende Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 G. Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 1. Arbeitspflicht bei Infektionsverdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348

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Inhaltsverzeichnis 2. Vergütungsanspruch bei entfallener Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 a) Vergütungspflicht bei nicht bestätigtem Verdacht und Ausbleiben starker Krankheitssymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 aa) Verhinderung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers . . . . . . . 352 bb) Verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit der Verhinderung und Monokausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 (1) Absonderungsdauer für Kontaktpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 (2) Absonderungsdauer für Einreisende aus Risikogebieten . . . . . . . . 354 (3) Pauschale Einordnung nicht möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 (4) Auswirkungen einer späteren Anordnung der Absonderung . . . . . 354 cc) Fehlendes Verschulden des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 b) Vergütungspflicht bei sich später bestätigendem Verdacht und Ausbleiben starker Krankheitssymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 c) Vergütungspflicht bei Zusammentreffen von Infektionsverdacht und krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 aa) Eintritt der Arbeitsunfähigkeit während bereits angeordneter Absonderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 bb) Eintritt der Arbeitsunfähigkeit während freiwilliger Isolation . . . . . . . 359 (1) Verdachtsbedingte Selbstisolation und Arbeitsunfähigkeit bei ausbleibendem oder negativem Coronatest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 (2) Verdachtsbedingte Selbstisolation und Arbeitsunfähigkeit bei Bestätigung des Verdachts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 cc) Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vor oder zeitgleich mit verdachtsbedingter (Selbst-)Isolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 dd) Verschuldensproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 d) Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 1. Auswirkungen des Infektionsverdachts auf die Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . 365 a) Die Rechtslage im Jahr 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 aa) Arrêts de travail von Kontaktpersonen oder solchen, die Symptome aufweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 (1) Modalitäten der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 (2) Dauer und Verlängerung der Isolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 bb) Arbeitsverhinderung von Einreisenden aus Risikogebieten . . . . . . . . . 369 b) Die Rechtslage in den Jahren 2021 und 2022 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

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2. Das Vergütungsrisiko bei infektionsverdachtsbedingtem Arbeitsausfall . . . . . 373 a) Die Rechtslage im Jahr 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 aa) Das Vergütungsrisiko im Fall von Kontaktpersonen . . . . . . . . . . . . . . . 374 (1) Erleichterungen im Hinblick auf Leistungen der Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 (2) Erleichterungen im Hinblick auf Arbeitgeberleistungen . . . . . . . . 375 bb) Das Vergütungsrisiko bei symptombedingtem Infektionsverdacht und die Auswirkungen nachträglich auftretender Symptome oder Bestätigung der Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 (1) Das Zusammentreffen mehrerer Verhinderungsgründe als (Arbeits-)Rechtsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 (2) Die Verlängerung der Arbeitsverhinderung bei Symptomeintritt oder Bestätigung der Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 cc) Das Vergütungsrisiko bei Arbeitsverhinderung nach Einreise aus Risikogebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 b) Die Rechtslage in den Jahren 2021 und 2022 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 aa) Anspruchsberechtigung bei negativem Test nach symptombedingtem Infektionsverdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 bb) Anspruchsberechtigung Einreisender aus Risikogebieten . . . . . . . . . . 382 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 III. Das Vergütungsrisiko im Hinblick auf den infektionsverdächtigen Arbeitnehmer in Deutschland und Frankreich im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 1. Das Schicksal der Arbeitspflicht im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 2. Die Verteilung des Vergütungsrisikos im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 a) Die Arbeitsverhinderung wegen des Verdachts als solchem . . . . . . . . . . . . 386 aa) Kontaktpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 bb) Aufgrund einschlägiger Symptome infektionsverdächtige Personen

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cc) Einreisende aus Risikogebieten ohne Nachweis der Infektion oder Symptome der Erkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 b) Spätere Bestätigung des Infektionsverdachts oder später auftretende Arbeitsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 c) Abschließende Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 H. Tätigkeit im Homeoffice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 1. Terminologie: Abgrenzung der Begriffe Homeoffice, Heimarbeit, Telearbeit und mobile Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 2. Das Recht des Arbeitgebers, die Tätigkeit im Homeoffice einseitig anzuordnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 a) Gesetzliche Ausgangslage zu Beginn der Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 b) Gesetzliche Anpassungen im Verlauf der Pandemie – § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO und § 28b Abs. 7 (später Abs. 4) IfSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

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Inhaltsverzeichnis c) Abweichende Beurteilung schon aufgrund des Pandemiezustandes selbst? 403 aa) Die Hürde der grundrechtlich geschützten Privatsphäre des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 bb) Notwendigkeit einer Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 cc) Keine Berufung auf die körperliche Unversehrtheit Dritter als kollidierendes Schutzgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 dd) § 28b Abs. 7 (Abs. 4) S. 2 IfSG als Argument gegen eine vertragliche Weisungsbefugnis für das Homeoffice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 ee) Abweichungen aufgrund bestehender Not- oder Ausnahmesituationen 409 ee) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 3. Das Recht des Arbeitnehmers, im Homeoffice tätig zu werden . . . . . . . . . . . 414 a) Gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 b) Gesetzliche Anpassungen im Verlauf der Pandemie – § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO und § 28b Abs. 7 (später Abs. 4) IfSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 c) Die Pandemie als anspruchsbegründender Ausnahmefall . . . . . . . . . . . . . . 419 aa) Jedenfalls keine eigenmächtige Verlagerung der Tätigkeit ins Homeoffice gegen den Willen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 bb) Anspruch auf Zuweisung einer Tätigkeit im Homeoffice mittels Direktionsrechtsausübung oder Vertragsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 (1) Kein Anspruch aus § 106 S. 1 GewO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 (2) Kein Anspruch aus § 618 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 (3) Das Recht auf Homeoffice als Recht auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 (a) Anspruch auf Änderung des Arbeitsortes im Wege der Direktionsrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 (b) Erweiterung des Weisungsrechts aufgrund der Disponibilität des Grundrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 (c) Anspruch auf Änderung des Arbeitsortes durch Vertragsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 (d) Finanzielle Folgen einer unberechtigten Verweigerung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 (4) Recht auf Homeoffice bei Infektionsverdacht: Das Spannungsfeld zwischen Freistellung und Homeoffice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 II. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 1. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 2. Recht des Arbeitgebers, die Tätigkeit außerhalb der Betriebsstätte einseitig anzuordnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 a) Anordnungsbefugnis in Zeiten der Pandemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 b) Auswirkungen auf das Vergütungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441

Inhaltsverzeichnis

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3. Pflicht zur Anordnung oder Gewährung von Telearbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 a) Pflicht zur Anordnung oder Gewährung von Homeoffice auf Grundlage pandemiespezifischer Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 aa) Keine unmittelbare Bindungswirkung des Protocole national . . . . . . . 443 bb) Pflicht zur Telearbeit aufgrund von Ausgangssperren . . . . . . . . . . . . . 444 b) Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 aa) Pflicht zur Anordnung oder Gestattung von Telearbeit aufgrund der Schutzpflichten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 (1) Wirkungen des Protocole national . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 (2) Ausmaß der Schutzpflichten als Frage des Einzelfalls . . . . . . . . . . 448 (3) Konsequenzen der Verletzung einer bestehenden Pflicht zur Gewährung von Homeoffice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 bb) Pflicht zur Anordnung bzw. Gestattung von Telearbeit aufgrund der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 (1) Grundsätzlich keine Beschäftigungspflicht bei suspendiertem Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 (2) Pflicht zur Zuweisung einer anderen Tätigkeit bei Unmöglichkeit der Ausübung der bisherigen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 III. Die Tätigkeit im Homeoffice in Zeiten der Pandemie in Deutschland und Frankreich im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 1. Der (nicht) bestehende Rechtsrahmen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 2. Die grundsätzliche Freiwilligkeit der Tätigkeit außerhalb des Betriebs . . . . . 455 3. Das Anordnungsrecht des Arbeitgebers in Zeiten der Pandemie . . . . . . . . . . 456 4. Die Auswirkungen auf das Vergütungsrisiko bei Weigerung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 5. Homeoffice als Recht und Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 I. Handlungsbedarf und Handlungsoptionen nach Vorbild des französischen Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 I. Die zentrale Frage der Verteilung des Vergütungsrisikos bei Arbeitsausfall . . . . 463 1. Ungleich stärkere Belastung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 2. Die Berechtigung der derzeitigen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 II. Verhinderung des Arbeitsausfalls durch Homeoffice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 J. Thesenartige Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 I. Verzeichnis der deutschen, rechtswissenschaftlichen Literatur . . . . . . . . . . . . . . 482 II. Verzeichnis der französischen, rechtswissenschaftlichen Literatur . . . . . . . . . . . 503

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Inhaltsverzeichnis III. Verzeichnis sonstiger Quellen (Pressemitteilungen, nicht-juristische Studien, andere Veröffentlichungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. a. F. Alt. Anm. AP ArbG ArbR Art. Aufl. BAG BDSG BeckRS Beschl. BetrVG BGB BGH Bull. Civ. Bull. Crim. BVerfG bzw. CA Cass. Ass. Plén. Cass. Civ. Cass. Crim. Cass. Soc. CE CNIL Comm. Com. Electr. COVuR ders./dies. d. h. Dr. Soc. DS-GVO Ed. EGMR EMRK Entsch. ErwGr. EuGH f./ff.

andere Ansicht Absatz alte Fassung Alternative Anmerkung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsgericht Arbeitsrecht Artikel Auflage Bundesarbeitsgericht Bundesdatenschutzgesetz Beck-Rechtsprechung Beschluss Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Bulletin des arrêts des chambres civiles Bulletin des arrêts de la chambre criminelle Bundesverfassungsgericht beziehungsweise Cour d’appel Cour de cassation Assemblée plénière Cour de cassation chambre civile Cour de cassation chambre criminelle Cour de cassation chambre sociale Conseil d’Etat Commission Nationale de l’Informatique et des Libertés Communication Commerce électronique COVID-19 und Recht derselbe/dieselbe das heißt Droit Social Datenschutzgrundverordnung Edition Europäischer Gerichtshof für Menschenrecht Europäische Menschenrechtskonvention Entscheidung Erwägungsgrund Europäischer Gerichtshof folgende

24 Fasc. Fn. GG ggf. GRCh HdB Hrsg. Hs. i. d. F. i. E. i. S. d./i. S. v. i. V. m. JCP KSchG LAG LAGE LG lit. m. w. N. Nr. OLG RDT RJS Rn. Rspr. S. SGB Ständ. Rspr. u. a. Urt. v. Var. vgl. z. B. z. T.

Abkürzungsverzeichnis Fascicule (Faszikel) Fußnote Grundgesetz gegebenenfalls Charta der Grundrechte der Europäischen Union Handbuch Herausgeber Halbsatz in der Fassung im Ergebnis im Sinne des/im Sinne von in Verbindung mit JurisClasseur Périodique Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Landgericht litera (Buchstabe) mit weiteren Nachweisen Nummer Oberlandesgericht Revue de Droit du Travail Revue de Jurisprudence Sociale Randnummer Rechtsprechung Satz/Seite Sozialgesetzbuch Ständige Rechtsprechung unter anderem/und andere Urteil von/vom/vor Variante vergleiche zum Beispiel zum Teil

Ergänzend wird verwiesen auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 10. Aufl., Berlin 2021.

A. Worum es geht: Die Folgen des Arbeitsausfalls bei Infektion, Infektionsverdacht oder erhöhter Gesundheitsgefahr „Il n’y a rien de plus ignoble que la maladie“, es gibt nichts Abscheulicheres, als die Krankheit, soll Albert Camus einst festgestellt haben.1 Einer der bekanntesten Romane Camus’, „Die Pest“, wurde im Jahr 2020 und damit ganze 73 Jahre nach seiner Veröffentlichung erneut zum Verkaufsschlager.2 Grund für die erneute Faszination ist die weltweite Verbreitung eben einer solchen Krankheit, ausgelöst durch das Coronavirus SARS-CoV-2. Die Pandemie zeigt ihre Auswirkungen in sämtlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens – nicht zuletzt auch im Arbeitsverhältnis. Die zentralen Leistungspflichten des Arbeitsverhältnisses lassen sich knapp zusammenfassen: Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine Arbeitsleistung zu erbringen, der Arbeitgeber dazu, den Arbeitslohn zu zahlen und ihn zu beschäftigen. Die Coronapandemie bringt nun aber Situationen mit sich, die diesen einzelnen Leistungspflichten auf unterschiedlichste Art und Weise entgegenstehen können. Das gilt zuallererst im Falle der nachgewiesenen Coronavirusinfektion des Arbeitnehmers – von ihm ist eine Selbstisolation zu erwarten, wenn er nicht sogar rechtlich zur Absonderung verpflichtet ist. Je nach geschuldeter Tätigkeit kann das ein Erbringen der Arbeitsleistung ausschließen. Angesichts der Gefahr einer Coronavirusinfektion für Leib und Leben – es drohen schwere Krankheitsverläufe bis hin zum Tod3 – und dem gesamtgesellschaftlichen Interesse, die Pandemie einzudämmen, genügt eine Reaktion auf nachgewiesene Infektionen jedoch nicht. Auch Verdachtsfälle können zu Isolationspflichten führen, seien sie rechtlicher oder moralischer Natur. Diese beiden Situationen – der infektions- und der infektionsverdachtsbedingte Arbeitsausfall – stehen im Fokus der vorliegenden Arbeit. Vorab wird darüber hinaus untersucht, ob bereits ein für den Arbeitnehmer bestehendes und erhöhtes Risiko der Infektion oder schweren Erkrankung der Arbeitsleistung entgegenstehen kann. Gemeint sind Fälle, in denen die Gesundheitsgefahr etwa aufgrund mangelhaften Infektionsschutzes im Betrieb oder einer besonderen Anfälligkeit des Arbeitnehmers

1

So etwa wiedergegeben von Oei, Albert Camus – Revolution und Revolte, 2020, S. 154. Meldung der Deutschen Presseagentur v. 13. 3. 2021, Werk von 1947: Corona-Krise macht Roman „Die Pest“ von Camus erneut zum Bestseller. 3 Robert Koch Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 26. 11. 2021, Ziffer 8: „Der Krankheitsverlauf variiert stark in Symptomatik und Schwere, es können symptomlose Infektionen bis hin zu schweren Pneumonien mit Lungenversagen und Tod auftreten.“ 2

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A. Worum es geht: Die Folgen des Arbeitsausfalls bei Infektion

für einen schweren Krankheitsverlauf derart hoch ist, dass die Arbeitsleistung nicht verlangt werden kann. Da die meisten Arbeitnehmer auf die Arbeitsvergütung als Lebensunterhalt angewiesen sind, muss über den Fortbestand oder das Entfallen der Arbeitspflicht hinaus auch und gerade das Schicksal der Vergütungspflicht untersucht werden. Zu erörtern ist, inwiefern sich die jeweilige Ursache des Arbeitsausfalls auf die Verteilung des Vergütungsrisikos auswirkt. Bedeutung kann hier auch die Frage haben, ob die Initiative zur Nichterbringung der Arbeitsleistung vom Arbeitgeber, vom Arbeitnehmer oder von staatlicher Seite ausgeht. Nicht nur die Arbeitsvertragsparteien, sondern auch der Staat oder die Sozialversicherungsträger kommen als Träger des Kostenrisikos in Betracht. Eine Pandemie, das ist im Begriff bereits angelegt, ist kein nationales Phänomen. Die offenen Fragen betreffen nicht nur Arbeitsverhältnisse in Deutschland – auch andere Staaten müssen die Herausforderungen der Pandemie durch interessengerechte Anwendung und Anpassung des Arbeits- und Sozialrechts bewältigen. Ein Blick über die eigenen Grenzen hinaus ist daher in diesem Kontext besonders aussichtsreich, wenn nicht sogar geboten. Die vorliegende Arbeit nimmt daher nicht nur das geltende Recht im Inland einschließlich pandemiebedingter Anpassungen der Rechtslage in den Blick, sondern untersucht darauf aufbauend im abwägenden Pendelblick vergleichbare oder eben auch ganz andere Regelungen zu denselben Fragen im Nachbarstaat Frankreich. Dieser rechtsvergleichende Ansatz ermöglicht ein besseres Verständnis der eigenen Rechtslage und zeigt Schutzlücken sowie Stärken auf, die sonst verborgen bleiben würden. Abschließend wird die Übertragbarkeit der im französischen Recht gewählten Lösungen auf die hiesige Rechtslage untersucht und in ihren Auswirkungen auf die Risikoverteilung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Staat bewertet.

B. Rechtliche Grundlagen: Arbeits- und Vergütungspflicht vor und während der Pandemie Ausgangspunkt der Betrachtung muss das Grundgerüst des Arbeitsverhältnisses und seiner Hauptleistungspflichten sein. In einem ersten Schritt werden daher die Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses in ihrem Verhältnis zueinander beleuchtet. Hieran anknüpfend wird bereits die Frage erörtert, ob der Bestand der Arbeitspflicht durch die Pandemielage selbst beeinflusst wird und wie sich eine pandemiebedingte Arbeitsverweigerung auf den Vergütungsanspruch auswirkt.

I. Deutschland Nach § 611a Abs. 1 S. 1 BGB wird der Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Die Erbringung der Arbeitsleistung als die den Vertrag charakterisierende Verpflichtung ist Hauptpflicht des Arbeitnehmers.1 Die Grenzen ihres Inhalts folgen zunächst aus dem Arbeitsvertrag selbst, weiterhin etwa aus normativen Bestimmungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen und allgemeinen Arbeitsbedingungen.2 Nähere Konkretisierungen hinsichtlich Ort, Zeit und Art der Durchführung der Arbeitsleistung kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts nach § 611a Abs. 1 S. 2 BGB und § 106 GewO vornehmen.3 Während in der Vergangenheit erwogen wurde, ob der Arbeitnehmer seine Leistungspflicht bereits durch Bereitstellen seiner Arbeitskraft erfüllt4, wird diese

1 HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 435; siehe auch BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 611a BGB Rn. 7 ff.; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 33, 639; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 925; Preis/Temming/Temming, 6. Aufl. 2020, § 26 Rn. 1066; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1071. 2 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 639; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 435; Preis/Temming/Temming, 6. Aufl. 2020, § 26 Rn. 1067. 3 Vgl. BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 611a BGB Rn. 354; ErfK/ Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 639; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 445; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 931; Preis/Temming/Temming, 6. Aufl. 2020, § 26 Rn. 1067; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1057. 4 von Stebut, RdA 1985, 66 (70).

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B. Arbeits- und Vergütungspflicht vor und während der Pandemie

Auffassung heute ganz mehrheitlich abgelehnt.5 Erst das Erbringen der Leistung erfüllt die Hauptpflicht des Arbeitnehmers.6 Hierfür spricht neben dem Wortlaut des § 611a BGB, der die Leistung von Arbeit vorsieht, insbesondere die Regelung des § 615 BGB, der die Frage der Nichtverwendung der zur Verfügung gestellten Arbeitskraft regelt.7 Synallagmatisches Gegenstück dieser Arbeitspflicht ist die Vergütungspflicht des Arbeitsgebers, § 611a Abs. 2 BGB.8 Vorgelagert noch ist über den Wortlaut des § 611a BGB hinaus die Pflicht des Arbeitgebers anerkannt, den Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen.9 Ursprünglich noch unmittelbar aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet10, wird die rechtliche Grundlage der Beschäftigungspflicht heute in den §§ 611a, 613 BGB in Verbindung mit der Generalklausel des § 242 BGB gesehen, letztere wiederum ausgestaltet durch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht.11 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Arbeitsleistung auch der Selbstverwirklichung, der Entfaltung der eigenen Fähigkeiten, der persönlichen Achtung und Wertschätzung und damit der Entfaltung der Persönlichkeit dient.12 Die Beschäftigung kann dem Arbeitnehmer nicht auf5 Siehe etwa ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 642; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 437; MHdbArbR/Reichold, 5. Aufl. 2021, § 40 Rn. 3; Staudinger/ Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1051. 6 Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1051. 7 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 642; ebenso MHdbArbR/Reichold, 5. Aufl. 2021, § 40 Rn. 3. 8 BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 611a BGB Rn. 185; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 389, 639; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 236; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1357. 9 Grundlegend BAG, Urt. v. 10. 11. 1955 – 2 AZR 591/54, NJW 1956, 359 (360); jüngst BAG, Urt. v. 10. 11. 2021 – 5 AZR 334/21, NJW 2022, 1119 (1121); Urt. v. 15. 6. 2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625 (1629). Als Hauptpflicht eingeordnet von ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 563; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 323; Preis/Temming/ Temming, 6. Aufl. 2020, § 31 Rn. 1420; Fischer, NZA-RR 2015, 565 (566); demgegenüber als Nebenpflicht von BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 611a BGB Rn. 268; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 887; MHdbArbR/Reichold, 5. Aufl. 2021, § 92 Rn. 1. 10 BAG, Urt. v. 10. 11. 1955 – 2 AZR 591/54, NJW 1956, 359 (360). 11 Erstmals BAG, Beschl. v. 27. 2. 1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 (703); jüngst noch BAG, Urt. v. 15. 6. 2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625 (1629); ebenso ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 563; ähnlich MHdbArbR/Reichold, 5. Aufl. 2021, § 92 Rn. 7; wohl weiter unmittelbar auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht abstellend MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 887; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 321; hinsichtlich der Begründung kritisch Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1761; Weber, RdA 2007, 344 (346 f.). 12 Siehe grundlegend BAG, Urt. v. 10. 11. 1955 – 2 AZR 591/54, NJW 1956, 359 (360); ähnlich BAG, Urt. v. 15. 6. 2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625 (1629); Urt. v. 21. 2. 2017 – 1 AZR 367/15, NZA 2017, 740 (742); Beschl. v. 27. 2. 1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 (708); HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 321.

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gezwungen werden, mithin hängt die praktische Relevanz der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers von der Geltendmachung des korrespondierenden Anspruchs durch den Arbeitnehmer ab.13 1. Der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ Hat der Arbeitgeber eine Tätigkeit zugewiesen, erbringt der Arbeitnehmer diese jedoch nicht, führt dies im klassischen Vollzeitarbeitsverhältnis, in dem die Zeit der Leistungserbringung vertraglich oder betrieblich festlegt ist, zur Unmöglichkeit der Leistung – die Arbeitspflicht ist hier absolute Fixschuld.14 Die Arbeitsleistung kann nicht mehr nachgeholt werden, wenn die dafür vorgesehene Zeit verstrichen ist, denn der Arbeitnehmer schuldet in der Folgezeit bereits die nächste Teilleistung im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses.15 Die Unmöglichkeit befreit den Arbeitnehmer nach § 275 Abs. 1 BGB ungeachtet eines Vertretenmüssens der Nichtleistung von seiner Leistungspflicht.16 Gleichermaßen wird jedoch regelmäßig auch der Arbeitgeber in Anwendung des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB von seiner Gegenleistungs-, d. h. der Vergütungspflicht, frei.17 Aus dem Zusammenspiel der § 275 Abs. 1 BGB und § 326 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt sich insoweit der das Arbeitsverhältnis bestimmende Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“.18 13 BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 611a BGB Rn. 272; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 324; in diesem Sinne wohl auch BAG, Urt. v. 15. 6. 2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625 (1629). 14 So auch BAG, Urt. v. 19. 8. 2015 – 5 AZR 975/13, NZA 2015, 1460 (1461); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 676; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022 § 611a BGB Rn. 545; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 956; Preis/Temming/Temming, 6. Aufl. 2020, § 41 Rn. 2010; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 49 Rn. 5; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1077; siehe auch Söllner, AcP 1967, 132 (138 f.). 15 Vgl. etwa BAG, Urt. v. 19. 8. 2015 – 5 AZR 975/13, NZA 2015, 1460 (1461); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 676; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 545; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 956. 16 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 678; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 545; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 951; Preis/Temming/Temming, 6. Aufl. 2020, § 42 Rn. 2014. 17 BAG, Urt. v. 19. 8. 2015 – 5 AZR 975/13, NZA 2015, 1460 (1461); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 678; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 554; MüKoBGB/ Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 955; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1130; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 49 Rn. 5. 18 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 680; Fischinger, Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2021, § 7 Rn. 463; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 554; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 7; Preis/Temming/Temming, 6. Aufl. 2020, § 42 Rn. 2031; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1130; Krause, ZfA 2018, 126 f.; Schürgers/Marski, BB 2022, 308. Mit den Worten des BAG ist der Grundsatz „für die wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Strukturelemente des Arbeitsverhältnisses kennzeichnend“, siehe Urt. v. 17. 12. 1959 – GS 2/59, NJW 1960, 738 (740). Zum Teil wird zur Begründung ergänzend auf § 614 BGB verwiesen, siehe etwa BAG, Urt. v. 16. 5. 2012 – 5 AZR 347/11, NZA 2012, 939 (941); dies mit überzeugenden Argumenten ablehnend Söllner, AcP

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B. Arbeits- und Vergütungspflicht vor und während der Pandemie

Wohlgemerkt ist es nicht in allen Fällen sachgerecht, von einem absoluten Fixschuldcharakter der Arbeitsleistung auszugehen – wo die Arbeitsleistung abweichend von dem geschilderten Grundsatz nachholbar ist, etwa bei Gleitzeitarbeit oder der Nutzung von Arbeitszeitkonten19, kann die Leistung zu einem anderen als dem ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt die (u. U. verspätete) Erfüllung der Arbeitspflicht darstellen.20 Soweit jedoch keine Regelung hinsichtlich der Flexibilität der Arbeitszeit besteht und nicht zweifelsfrei ersichtlich ist, dass eine Nichterbringung der Arbeitsleistung im dafür vorgesehenen Zeitraum lediglich zum Verzug des Arbeitnehmers führen soll, ist von der Unmöglichkeit der Arbeitsleistung durch Zeitablauf auszugehen.21 Dieser Ausgangspunkt und damit die Geltung des Grundsatzes „Ohne Arbeit kein Lohn“ entspricht dem Willen des Gesetzgebers22 und soll auch der folgenden Betrachtung zugrunde gelegt werden. Grundsätzlich gilt daher: Erscheint der Arbeitnehmer auf eigene Initiative zur vorgegebenen Arbeitszeit nicht am Arbeitsort und erfüllt er seine Arbeitspflicht nicht, muss er die geschuldete Leistung nicht nachholen – er erhält aber auch keine Vergütung. 2. Vergütungspflicht und andere Leistungsansprüche auch bei Ausbleiben der Arbeitsleistung Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel – und die Ausnahmen von dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ sind zahlreich. Sie folgen z. T. aus dem allgemeinen Zivilrecht – so sieht etwa § 326 Abs. 2 S. 1 BGB bereits zwei Fälle vor, in denen trotz Unmöglichkeit der Leistung der Gegenleistungsanspruch bestehen bleibt. Speziell für das Dienstvertragsrecht folgt aus § 615 BGB die Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs im Falle des Annahmeverzugs, aus § 616 BGB diejenige im Falle kurzfristiger Verhinderung des Dienstverpflichteten aus in seiner 1967, 132 (134), nach dem der Satz „Ohne Arbeit kein Lohn“ nur als Ausdruck des synallagmatischen Zusammenhangs im Sinne der §§ 320 ff. BGB verstanden werden kann, siehe ebenda S. 136. 19 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 677; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 545. 20 Vgl. ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 677; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 545; MHdbArbR/Reichhold, 5. Aufl. 2021, § 43 Rn. 8, 9; Preis/Temming/ Temming, 6. Aufl. 2020, § 41 Rn. 2004. Siehe auch BAG, Urt. v. 25. 3. 1992 – 5 AZR 300/91, BeckRS 1992, 30740685, das von der Nachholbarkeit einer „erfolgsorientierte(n) Arbeitsleistung“ und insoweit nicht von Unmöglichkeit, sondern vielmehr einer Verzögerung der Arbeitsleistung ausging; ebenso wurde in BAG, Urt. v. 17. 3. 1988 – 2 AZR 576/87, NZA 1989, 261 (262) bereits die Möglichkeit der im Einzelfall nachholbaren Leistung gesehen. 21 So i. E. auch ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 677; wohl auch HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 545. 22 Siehe dazu BT-Drucks. 14/6040, S. 129; so auch Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1077; vgl. auch HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 554.

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Person liegenden Gründen. Für das Arbeitsverhältnis ist die Lohnfortzahlung weiterhin etwa im Falle des Urlaubs (§ 11 BUrlG23), für den Arbeitsausfall an Feiertagen (§ 2 EFZG) und – im hiesigen Kontext besonders wichtig – im Krankheitsfalle (§ 3 EFZG) vorgesehen. Neben diese Durchbrechungen des Grundsatzes „Ohne Arbeit kein Lohn“ treten Vorschriften, die zwar den Vergütungsanspruch als solchen nicht aufrechterhalten, zugunsten des Arbeitnehmers aber gleichwohl eine finanzielle Absicherung gewährleisten. Gemeint sind sozialstaatliche Vorkehrungen wie etwa das Krankengeld nach § 44 Abs. 1 SGB V, das Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V oder das Kurzarbeitergeld nach § 95 SGB III. An dieser Stelle sind auch Entschädigungsansprüche nach § 56 Abs. 1 IfSG zu nennen, die in der Pandemie eine zuvor beispiellose Bedeutung erlangten.24 Solche Zahlungen, deren Kosten nicht den Arbeitgeber, sondern den Staat treffen, stellen keinen Lohn i. e. S., sondern vielmehr Lohnersatzleistungen dar.25 Aus Sicht des Arbeitnehmers bleiben sie gleichwohl eine Ausnahme von der Regel, dass das Ausbleiben der Arbeitsleistung den Fortfall des Einkommens zur Folge hat. 3. Grundsätzlicher Fortbestand der Arbeitspflicht in Zeiten der Pandemie Ist grundsätzlich der Arbeitnehmer zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung verpflichtet und trägt in Anwendung des Grundsatzes „Ohne Arbeit kein Lohn“ das Vergütungsrisiko, so ist vorgelagert vor der Untersuchung spezifischer Fälle der Arbeitsverhinderung im Kontext der Coronapandemie zu hinterfragen, ob sich nicht bereits der Pandemiezustand selbst auf diese anerkannten Grundsätze auswirkt. Bleibt der Arbeitnehmer auch im Lichte erhöhter Gesundheitsgefahr bei Personenkontakt zur Arbeitsleistung verpflichtet? Wer trägt das Kostenrisiko, wenn er sich der Arbeitsleistung verweigert? Kurz gefragt: Rüttelt schon der Pandemiezustand selbst am Grundgerüst des Arbeitsverhältnisses? Die Frage wurde schon vor Ausbruch der Coronapandemie im Zusammenhang mit der Vogelgrippe und auch der Schweinegrippe erörtert.26 Und auch in der auf die sehr viel weitreichendere Coronapandemie bezogenen Literatur widmete man sich dem Problem des Fortbestands der Arbeitspflicht gerade im Lichte der Sorge des 23

Hierbei handelt es sich um die fortgezahlte Arbeitsvergütung, BeckOK ArbR/Lampe, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 11 BUrlG Rn. 1. 24 Zum vorherigen Schattendasein der Norm Eufinger, DB 2020, 1121. 25 Für das Krankengeld etwa BSG, Urt. v. 16. 12. 2014 – B 1 KR 37/14 R, BeckRS 2015, 66822 (Rn. 15); Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 44 Rn. 1; KassKomm/ Schifferdecker, 117. EL (Stand: Dezember 2021), § 44 SGB V Rn. 2; für das Kurzarbeitergeld BSG, Urt. v. 25. 4. 1991 – 11 RAr 21/89, NZA 1991, 952 (953). 26 Falter, BB 2009, 1974 (1979 f.); Schmidt/Novara, DB 2009, 1817 (1820); Stück/Wein, AuA 2007, 282 (285).

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B. Arbeits- und Vergütungspflicht vor und während der Pandemie

Arbeitnehmers vor Infektionen im Betrieb oder auf dem Weg zur Arbeit.27 Mangels anderweitiger Regelung sind die allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts heranzuziehen28 – die Arbeitspflicht entfällt u. a., wenn die Leistung unmöglich oder unzumutbar ist, § 275 Abs. 1, 3 BGB.29 a) Keine Unmöglichkeit der Arbeitsleistung Eine Unmöglichkeit kann viele Ursachen haben, seien sie tatsächlicher, rechtlicher, subjektiver oder objektiver Natur.30 Die Coronapandemie als solche verwirklicht – sofern nicht besondere Umstände hinzutreten – wie etwa eine Absonderung des Arbeitnehmers nach dem Infektionsschutzgesetz oder hoheitlich angeordnete Betriebsschließungen31 – den Tatbestand aber nicht. Zwar kann eine rechtliche Unmöglichkeit der Arbeitsleistung in Zeiten einer Pandemie eintreten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften erlassen werden, deren Befolgung die Erfüllung der Arbeitspflicht verhindert.32 In Betracht kommen etwa generelle Ausgangssperren, die es unmöglich machen die Wohnung zu verlassen und damit auch den Arbeitsplatz zu erreichen.33 Solche hat es in der Coronapandemie in Deutschland allerdings nicht gegeben – selbst dort, wo gerade zu Beginn der Pandemie Ausgangsbeschränkungen galten, war der Weg zur Arbeit hiervon ausgenommen.34 Die Coronapandemie und 27 Siehe etwa ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690j; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 35; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Notund Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 69; Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161; Bonanni, ArbRB 2020, 110; Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (885 f.); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (567); Grimm, DB 2020, 1177; Müller/Becker, COVuR 2020, 126 (129); von Steinau-Steinrück/ Jöris, NZA 2020, 1368 (1369); Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1019). 28 Siehe ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690 h. 29 HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 544 ff.; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 49 Rn. 1; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1117. 30 Siehe MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 BGB Rn. 37 ff.; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1118 ff. 31 Zur Verteilung des Vergütungsrisikos hier für die Praxis maßgeblich BAG, Urt. v. 13. 10. 2021 – 5 AZR 211/21, NJW 2022, 560. 32 Zu den Folgen einer an den Arbeitnehmer gerichteten, infektionsschutzrechtlichen Absonderungsanordnung siehe Gliederungspunkt E. I. 2. b) aa) (2). 33 Dieses Szenario greifen auch ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 132e und Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (562) auf; siehe auch Stück/Wein, AuA 2007, 282 zur Einstellung des öffentlichen Nahverkehrs und Einrichtung von Sperrzonen; zu Grenzschließungen Hohenstatt/Sittard/Hohenstatt/Krois, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 1 b). 34 Die Darstellung aller landesrechtlich getroffenen Regelungen im Kontext der Coronapandemie mit den jeweiligen, zahlreichen Änderungen würde derart viel Raum in Anspruch nehmen, ohne das Untersuchungsziel der vorliegenden Arbeit maßgeblich zu fördern, dass hierauf im Folgenden verzichtet wird und stattdessen, soweit erforderlich, auf einzelne landesrechtliche Regelung beispielhaft und überblicksartig hingewiesen wird. Zu Ausgangsbeschränkungen mit Ausnahmen für den Arbeitsweg siehe etwa Ziffer 4, 5 a) Allgemeinverfügung

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hiermit einhergehende Einschränkungen des öffentlichen Lebens führen also nicht schon grundsätzlich dazu, dass die Arbeitspflicht ipso iure nach § 275 Abs. 1 BGB entfällt. b) Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung? In Betracht zu ziehen ist aber eine Unzumutbarkeit nach § 275 Abs. 3 BGB. Der Arbeitnehmer kann durch Erhebung dieser Einrede die Arbeitspflicht zum Erlöschen bringen, wenn ihm die Leistung nicht zuzumuten ist.35 Doch die Hürden sind hoch. Eine allgemeine Definition der Unzumutbarkeit existiert nicht, vielmehr ist auf Grundlage einer Interessenabwägung festzustellen, ob die Erbringung der Leistung in so hohem Maße belastend ist, dass sie auch im Lichte des Arbeitgeberinteresses an der Leistungserbringung nicht erwartet werden kann.36 Da die Unzumutbarkeit auf Rechtsfolgenseite ebenso behandelt wird wie die Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB, muss die Intensität der Beeinträchtigung einer tatsächlichen oder rechtlichen Hürde jedenfalls annähernd gleichkommen.37 Das ist insbesondere im Falle der Gesundheitsgefahr bei Ausübung der Tätigkeit möglich.38 Und so vertraten Stück und Wein schon zu Zeiten der Vogelgrippe, ein Pandemiezustand als solcher bedeute eine erhebliche objektive Gefahr oder zumindest einen ernsthaften Verdacht der Gefährdung für die Gesundheit der Arbeitnehmer und berechtige so zur Leistungsverweigerung.39 Der Einsatz der Arbeitnehmer im Pandemiefall sei grundsätzlich freiwillig; anderes soll nur für Bedes Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege v. 20. 3. 2020, BayMBl. 2020 Nr. 152; § 14 Abs. 1, Abs. 3 lit. a) SARS-CoV-2-EindmaßnV Berlin v. 22. 3. 2020, GVBl. Berlin 2020, S. 220 (222 f.); § 11 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 lit. a SARS-CoV-2-EindV Brandenburg v. 22. 3. 2020, GVBl. Brandenburg 2020, II, Nr. 11; Ziffer 1, 2, 2.2 Allgemeinverfügung Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt v. 22. 3. 2020, Az. 15-5422/10; Ziffer 3, 4 lit. a) Allgemeinverfügung des saarländischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie v. 20. 3. 2020, ABl. Saarland 2020, S. 178. 35 Vgl. Erman/Ulber, 16. Aufl. 2020, § 275 BGB Rn. 80; MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 Rn. 112; von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1369). 36 BAG, Urt. v. 22. 10. 2015 – 2 AZR 569/14, NJW 2016, 1754 (1755); vgl. auch BeckOK BGB/Lorenz, 61. Ed. (Stand: 1. 2. 2022), § 275 Rn. 64; MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 275 Abs. 112; Falter, BB 2009, 1974 (1979); von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1369). Kritisch zur fehlenden Präzision des § 275 Abs. 3 BGB Greiner, NZA 2007, 490. 37 Falter, BB 2009, 1974 (1979). 38 Vgl. BAG, Urt. v. 22. 10. 2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417 (419); ArbG Kiel, Urt. v. 11. 3. 2021 – 6 Ca 1912/ c/20, BeckRS 2021, 7859 (Rn. 51); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690j; Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 9 Rn. 80; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 26; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 69, der allerdings zusätzlich auf eine Schutzpflichtverletzung des Arbeitgebers abstellt, die im Rahmen des § 275 Abs. 3 BGB nicht zwingend erforderlich ist; Schmidt/Novara, DB 2009, 1817 (1820); Stück/Wein, AuA 2007, 282 (285). 39 Stück/Wein, AuA 2007, 282 (285).

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B. Arbeits- und Vergütungspflicht vor und während der Pandemie

rufsgruppen gelten, bei denen die Risikobereitschaft erkennbar zu den dem Arbeitsvertrag immanenten Pflichten gehört, wie etwa bei Ärzten, Krankenpflegern und Feuerwehrleuten.40 Dem kann nicht zugestimmt werden. Sollen tatsächlich alle Arbeitnehmer, unabhängig von dem Maß an Personenkontakt, den ihre Tätigkeit mit sich bringt, aufgrund einer potenziellen Infektionsgefahr berechtigt sein, ihre Arbeitsleistung zu verweigern? Gilt das auch für Beschäftigte in Supermärkten, oder zählt auch das zu den gefahrgeneigten Berufen, in denen das Risiko der Ansteckung hingenommen werden muss? Schon der Gedanke an die praktischen Folgen eines derart weitreichenden Leistungsverweigerungsrechts – sämtliche Berufs- und Wirtschaftszweige könnten faktisch lahmgelegt werden – zeigt, dass die Ansicht in ihrer Allgemeinheit nicht überzeugen kann und die Grenzen des § 275 Abs. 3 BGB weit überschreitet.41 Dem diametral entgegengesetzt ist die Argumentation von Falter: Ein erhöhtes Infektionsrisiko ordnete er im Lichte der Schweinegrippe bei jeglichen Arbeiten mit Drittkontakt als arbeitstypische Gefährdung ein.42 Es obliege ausschließlich dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer im Rahmen einer Pandemie von ihrer Arbeitspflicht zu entbinden.43 Ist der ersten These grundsätzlich und auch mit Blick auf die Coronapandemie zuzustimmen, so bedarf es im Anschluss doch einer genaueren Differenzierung. Richtig ist, dass Arbeitnehmer gewisse Gefahren, auch Infektionsgefahren, im Rahmen ihrer Tätigkeit hinzunehmen haben.44 Das gilt auch für die Gefahr der Coronavirusinfektion, führt diese doch für die allermeisten Personen nicht zu einer nicht mehr hinnehmbaren Leib- oder Lebensgefahr45; für diese Personen führt die Angst vor Ansteckung im Betrieb oder auf dem Weg dorthin nicht zu einer Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung.46 Im Einzelfall kann das jedoch anders sein: 40

Stück/Wein, AuA 2007, 282 (285). So auch schon Falter, BB 2009, 1974 (1980). 42 Falter, BB 2009, 1974 (1980). 43 Falter, BB 2009, 1974 (1980). Dass auch der Arbeitgeber hier aufgrund seiner Beschäftigungspflicht nicht zu weit gehen darf, zeigt eine Entscheidung des ArbG Düsseldorf, Urt. v. 16. 12. 2020 – 15 Ca 5113/20, BeckRS 2020, 47178, in der ein Arbeitgeber verurteilt wurde, eine Arbeitnehmerin trotz ärztlicher Bescheinigung, nach der für sie Publikumstätigkeiten jeglicher Art ausgeschlossen seien, in einem Raum mit Kollegen zu beschäftigen. 44 Vgl. VG Schleswig, Beschl. v. 18. 8. 2020 – 12 B 45/20, BeckRS 2020, 22768 (Rn. 25), wonach es einen allumfassenden Gesundheitsschutz während der Pandemie nicht geben kann. Auch das VG Düsseldorf, Beschl. v. 6. 10. 2020 – 10 L 1954/20, COVuR 2020, 887 (888) ließ im Hinblick auf Präsenzveranstaltungen von Rechtsreferendaren die Begrenzung des Infektionsrisikos auf ein „vertretbares und zumutbares Maß“ ausreichen. 45 Mit Stand vom 23. 11. 2021 beziffert das Robert Koch Institut die Sterberate im Zusammenhang mit COVID-19 auf 1,8 %, siehe Robert Koch Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 26. 11. 2021, Ziffer 8. Nach McIntosh, COVID-19: Clinical features, Stand: 14. 4. 2022 verlaufen 81 % der Infektionen mild. 46 I. E. ebenso BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 611a BGB Rn. 413; Däubler, Arbeitsrecht in Zeiten der Corona-Krise, 2020, S. 23; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690j; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 35; Kroiß/Oehme, 2. Aufl. 2021, § 1 Rn. 44; Kiesche/Kohte, Arbeits- und Gesundheitsschutz, 2. Aufl. 2020, S. 50; 41

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Insbesondere eine bereits bestehende gesundheitliche Einschränkung des Arbeitnehmers, die das Risiko, im Rahmen einer Coronavirusinfektion schwer zu erkranken oder zu sterben, erheblich erhöht, kann zu einem anderen Ergebnis führen.47 Der Schluss, Angehörigen der sog. Risikogruppe sei eine Arbeitsleistung daher stets unzumutbar, ginge aber ebenfalls zu weit.48 In die vorzunehmende Interessenabwägung sind etwa die Art der Tätigkeit, die getroffenen Schutzvorkehrungen innerhalb des Betriebs und die Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigung und anderer Risikofaktoren49 des Arbeitnehmers miteinzubeziehen.50 Anhaltspunkte kann auch eine betriebsärztliche Untersuchung des Betroffenen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Wunschvorsorge geben.51 Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 69; Bonanni, ArbRB 2020, 110; Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (886); Fischinger/ Hengstberger, JA 2020, 561 (567); Stück, CCZ 2020, 205 (210); Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1019). 47 Ausführlich Beden/Rombey, BB 2020, 2870; siehe auch ArbG Kiel, Urt. v. 11. 3. 2021 – 6 Ca 1912/ c/20, BeckRS 2021, 7859 (Rn. 51); Althoff/Bauer/Bell/Kaufmann-Jirsa/Potthoff/ Richter/Schaperdot, 26. Ed. (Stand: 10. 2. 2022), II 8; Däubler, Arbeitsrecht in Zeiten der Corona-Krise, 2020, S. 23; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690j; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 35; Kroiß/Oehme, 2. Aufl. 2021, § 1 Rn. 44; Tödtmann/ v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 69; Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (886); Fuhlrott, GWR 2020, 107 (108); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114); von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1370); Stück, CCZ 2020, 205 (210); Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1019); wohl auch Bonanni, ArbRB 2020, 110. 48 ArbG Kiel, Urt. v. 11. 3. 2021 – 6 Ca 1912/ c/20, BeckRS 2021, 7859 (Rn. 51, 69); Beden/ Rombey, BB 2020, 2870 (2872); siehe für die arbeitsmedizinische Beurteilung durch den Betriebsarzt auch Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Umgang mit aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie besonders schutzbedürftigen Beschäftigten, Arbeitsmedizinische Empfehlung, Dezember 2021, S. 7; a. A. Däubler, Arbeitsrecht in Zeiten der Corona-Krise, 2020, S. 23; wohl auch Schürgers/Marski, BB 2022, 308 (312); Stück, CCZ 2020, 205 (210). 49 Berücksichtigt werden muss auch, ob das erhöhte Risiko eines schweren Verlaufs nur abstrakt, etwa allgemein aufgrund eines fortgeschrittenen Alters besteht oder aber aufgrund konkret belegbarer, womöglich schwerwiegender Vorerkrankungen, siehe etwa VG Schleswig, Beschl. v. 18. 8. 2020 – 12 B 45/20, BeckRS 2020, 22768 (Rn. 15), das trotz grundsätzlicher Zuordnung der Klägerin zur Risikogruppe eine genaue Darlegung des Krankheitsbildes verlangt; siehe auch Beden/Rombey, BB 2020, 2870 (2874). Ob darüber hinaus eine Rolle spielen kann, ob der Arbeitnehmer die Ursache für das erhöhte Risiko selbst gesetzt hat (in diese Richtung LAG München, Urt. v. 27. 11. 1990 – 2 Sa 542/90, NZA 1991, 521 (Ls.); Molkentin, NZA 1997, 849 (855)), erscheint eher zweifelhaft. 50 Vgl. auch ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690j. Siehe auch ArbG Mainz, Beschl. v. 8. 6. 2020 – 4 Ga 10/20, COVuR 2020, 393 (394), das im Hinblick auf den Präsenzunterricht durch Lehrer die Pflicht, gesundheitliche Einschränkungen der Lehrkräfte zu berücksichtigen, zugleich aber auch den Ermessensspielraum des Entscheidungsträgers betont; aus der umgekehrten Perspektive auch die Erwägungen des ArbG Düsseldorf, Urt. v. 16. 12. 2020 – 15 Ca 5113/20, BeckRS 2020, 47178. 51 Siehe hierzu Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Umgang mit aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie besonders schutzbedürftigen Beschäftigten, Arbeitsmedizinische Empfehlung, Dezember 2021, S. 6. Eine betriebsärztliche Empfehlung zur Umsetzung begründet allerdings kein Beschäftigungsverbot, siehe ebenda sowie Gliederungspunkt E. III. 1.

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B. Arbeits- und Vergütungspflicht vor und während der Pandemie

Insgesamt ist es richtig festzustellen, die Zumutbarkeit sei für Beschäftigte in Krankenhäusern anders zu beurteilen als in großflächigen Büroräumen.52 Das sogar in zweierlei Hinsicht: Einmal ist das Infektionsrisiko bei Berufen, die wie etwa pflegerische Tätigkeiten zwingend den direkten Personenkontakt voraussetzen, deutlich erhöht, was zugunsten des Arbeitnehmers in die Interessenabwägung einfließen kann.53 Andererseits kann diesen Berufen ein gewisses Risiko immanent und den Arbeitnehmern damit grundsätzlich eher zumutbar sein.54 Im Ergebnis gilt unter Zugrundelegung der strengen Maßstäbe der Rechtsprechung für die Unzumutbarkeit55 und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Infektionsgefahr grundsätzlich der Risikosphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen ist, soweit sie nicht allein in der betrieblichen Organisation angelegt ist56, dass ein Leistungsverweigerungsrecht in Zeiten der Pandemie auch für Personen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf die Ausnahme bleiben muss.57 Für Fälle der Leistungsverweigerung zu Beginn der Coronapandemie, als noch größere Unsicherheit über zu ergreifende Schutzmaßnahmen und die Folgen einer Infektion bestand, wird man u. U. großzügigere Maßstäbe anlegen können als in ihrem weiteren Verlauf. In der Regel besteht die Arbeitspflicht in Zeiten der Pandemie mithin fort. Das gilt jedenfalls, soweit es um die abstrakte, in der Pandemie allgemein erhöhte Infektionsgefahr geht – Konstellationen konkreter Gesundheitsgefahren im Betrieb durch Infektion einzelner Arbeitnehmer, dahingehende Verdachtsmomente oder mangelhafte Hygienemaßnahmen sind damit noch nicht angesprochen.

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Beden/Rombey, BB 2020, 2870 (2874). Vgl. Beden/Rombey, BB 2020, 2870 (2874); anders Falter, BB 2009, 1974 (1980). Siehe zur Risikobewertung auch Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Umgang mit aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie besonders schutzbedürftigen Beschäftigten, Arbeitsmedizinische Empfehlung, Dezember 2021, S. 3 f. 54 Vgl. ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690j; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 953; Stück/Wein, AuA 2007, 282 (285). Auch von Lehrern kann hier u. U. eine gewisse Hinnahme von Risiken erwartet werden, wie insbesondere die Ausführungen des OVG Bautzen, Beschl. v. 10. 6. 2020 – 3 B 194/20, COVuR 2020, 316 (320 f.) zeigen, das die Interessen der Schüler und Eltern am Präsenzunterricht in die Abwägung miteinbezieht. 55 Siehe BAG, Urt. v. 22. 10. 2015 – 2 AZR 569/14, NJW 2016, 1754 (1755). 56 Soweit vermeidbare Risiken bestehen, ist eine Verletzung der Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers in Betracht zu ziehen. Siehe hierzu ausführlich Gliederungspunkt C. I. 1. 57 Ebenso Beden/Rombey, BB 2020, 2870 (2874); zustimmend Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (Fn. 6); vgl. auch Falter, BB 2009, 1974 (1980); von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1369); a. A. wohl Althoff/Bauer/Bell/Kaufmann-Jirsa/Potthoff/Richter/Schaperdot, 26. Ed. (Stand: 10. 2. 2022), II 9; Däubler, Arbeitsrecht in Zeiten der Corona-Krise, 2020, S. 23; Stück, CCZ 2020, 205 (210). 53

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c) Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers bei Ausbleiben der Arbeitsleistung Leistet der Arbeitnehmer trotz fortbestehender Arbeitspflicht aus Angst vor Ansteckung im Betrieb nicht, führt dies nach oben dargestellten Grundsätzen zum Fortfall des Vergütungsanspruchs.58 Dasselbe gilt, wenn er die Arbeitsstätte nicht erreichen kann, etwa wegen pandemiebedingter Verkehrs- oder Reisebehinderungen oder auch, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsweg aufgrund möglicher Infektionsgefahren nicht antreten will, ungeachtet der Frage, ob eine solche Leistungsverweigerung berechtigt ist – in beiden Fällen realisiert sich das vom Arbeitnehmer zu tragende Wegerisiko.59 Sofern ausnahmsweise ein Leistungsverweigerungsrecht den Arbeitnehmer dazu berechtigt, der Arbeit fernzubleiben, schützt ihn dies vor Konsequenzen wie Abmahnung oder Kündigung – nicht aber zwingend vor dem Verlust des Vergütungsanspruchs. Auch hier gilt, dass der Arbeitnehmer das allgemeine Lebensrisiko der Pandemie zu tragen hat.60 Normierte Ausnahmen von dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ passen i. d. R. nicht auf diese Konstellation: So wird ein Arbeitnehmer, der aufgrund starker gesundheitlicher Vorbelastung die Leistung während der Pandemie verweigert, regelmäßig längerfristig ausfallen und so keinen Anspruch nach § 616 BGB haben, der nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit eingreift.61 Erwägenswert ist eine Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG, sofern die Leistung aufgrund einer Vorerkrankung berechtigterweise verweigert wird. Bedeutung und Voraussetzungen dieses Anspruchs werden ausführlich im Zusammenhang mit dem an COVID-19 erkrankten Arbeitnehmer er58

Helm/Bundschuh/Wulff/Müller, 1. Aufl. 2020, § 2 Rn. 12; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 35; Tödtmann/v. Bockelmann/Tödtmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 69; Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161; Dehmel/ Hartmann, BB 2020, 885 (885 f.); Grimm, DB 2020, 1177; Müller/Becker, COVuR 2020, 126 (129); von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1369); siehe auch bereits Schmidt/ Novara, DB 2009, 1817 (1820). 59 Vgl. Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (885 f.); Grimm, DB 2020, 1177; Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114); siehe für den Fall, dass der öffentliche Nahverkehr eingestellt wird Schmidt/Novara, DB 2009, 1817 (1820); Stück, CCZ 2020, 205 (211); Stück/Wein, AuA 2007, 345; Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1019). 60 I. E. ebenso Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 35; Kroiß/Oehme, 2. Aufl. 2021, § 1 Rn. 44; Althoff/Bauer/Bell/Kaufmann-Jirsa/Potthoff/Richter/Schaperdot, 26. Ed. (Stand: 10. 2. 2022), II 10; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690k; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 69; Beden/Rombey, BB 2020, 2870 (2875); Schmidt/Novara, DB 2009, 1817 (1820); Stück/ Wein, AuA 2007, 282 (286); von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1370); wohl auch Däubler, Arbeitsrecht in Zeiten der Corona-Krise, 2020, S. 23. 61 Siehe hierzu auch ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690k; Beden/Rombey, BB 2020, 2870 (2875); Schürgers/Marski, BB 2022, 308 (312). Während das Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB zeitlich unbegrenzt ist, unterliegt der § 616 BGB insoweit einer ausdrücklichen Begrenzung, siehe Greiner, NZA 2007, 490 (491).

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B. Arbeits- und Vergütungspflicht vor und während der Pandemie

örtert62, an dieser Stelle soll daher nur soweit vorgegriffen werden, wie aufgrund des Sachzusammenhangs erforderlich. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG setzt u. a. die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit voraus. Hierbei wird auch die Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung aufgrund der drohenden Verschlimmerung einer Krankheit unter den Begriff der Arbeitsunfähigkeit gefasst.63 Nun könnte man argumentieren, bei Bestehen einer Vorerkrankung, die das Risiko eines schweren Verlaufs einer COVID19-Erkrankung erhöht, drohe aufgrund der verbreiteten Ansteckungsgefahren in Zeiten der Pandemie eine drastische Verschlechterung des Gesundheitszustands. Tatsächlich ginge eine derartige Begründung der Arbeitsunfähigkeit i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG jedoch zu weit. Denn für Angehörige der Risikogruppe ist es nicht die bestehende Erkrankung, für die eine konkrete Gefahr der Verschlimmerung besteht, sondern vielmehr besteht das Risiko des schweren Verlaufs einer anderen Krankheit, namentlich der COVID-19-Erkrankung, die der Arbeitnehmer sich noch gar nicht zugezogen hat. Dieses Risiko besteht aber grundsätzlich für alle Personen, bei Vorerkrankung ist es lediglich erhöht.64 Anders als bei der Verschlimmerung der bestehenden Krankheit durch Erbringen der Arbeitsleistung ist noch der weitere Zwischenschritt der Coronavirusinfektion erforderlich. Der Schutz der Entgeltfortzahlung würde weit – zu weit – vorverlagert, würde man die angesprochenen Fälle unter § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG fassen. Dem Arbeitgeber würde das während der Pandemie bestehende, allgemeine Lebensrisiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, auferlegt, obwohl ihn nach der gesetzlichen Ausgangslage erst das Risiko des Arbeitsausfalls infolge der Erkrankung trifft.65 Isoliert sich ein Arbeitnehmer aufgrund einer Vorerkrankung und verweigert die Arbeitsleistung, mag dies auch im Einzelfall berechtigt sein, so ist dies der Fallgruppe einer bestehenden Krankheit ohne hieraus folgender Arbeitsunfähigkeit zuzuordnen. Ansprüche nach dem EFZG können in diesen Fällen nicht bestehen.66 Ein Vergütungsanspruch kann aber gem. § 326 Abs. 2 S. 1 Var. 1 BGB bestehen, wenn der Arbeitgeber allein oder weit überwiegend für das Ausbleiben der Ar62

Siehe Gliederungspunkt F. Ständ. Rspr., vgl. etwa BAG, Urt. v. 26. 10. 2016 – 5 AZR 167/16, NZA 2017, 240 (241); Urt. v. 23. 1. 2008 – 5 AZR 393/07, NZA 2008, 595 (596); Urt. v. 7. 8. 1991 – 5 AZR 410/90, NZA 1992, 69; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 18, 20; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 49; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 Rn. 225. 64 Siehe Robert Koch Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID19, Ziffer 15, Stand: 26. 11. 2021: „Schwere Verläufe können auch bei Personen ohne bekannte Vorerkrankung und bei jüngeren Patienten auftreten.“ 65 Anders gelagert ist der Fall des LAG Köln, Urt. v. 12. 4. 2021 – 2 SaGa 1/21, COVuR 2021, 627 (628), in dem das Gericht davon ausging, ein Mitarbeiter, der aufgrund einer psychischen Erkrankung der zulässigen Anordnung einer Maskenpflicht nicht nachkommen könne, habe einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Denn hier ist es die Erkrankung selbst, die den Arbeitnehmer daran hindert, die Voraussetzungen der Tätigkeit zu erfüllen, nicht erst das darüber hinaus bestehende Risiko der hiervon abzugrenzenden COVID19-Erkrankung. 66 Siehe Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 21; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 18; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 223. 63

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beitsleistung verantwortlich ist.67 Dies betrifft insbesondere solche Fälle, in denen Schutzmaßnahmen zur Ermöglichung der Arbeitsleistung bei hinnehmbarem Risiko hätten ergriffen werden können – siehe hierzu die Ausführungen im Rahmen der Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers.68 4. Zwischenergebnis Im laufenden Arbeitsverhältnis ist der Arbeitnehmer zur Leistung der zugewiesenen Arbeit, der Arbeitgeber im Gegenzug zur Vergütung und darüber hinaus zur Beschäftigung des Arbeitnehmers verpflichtet. Die synallagmatische Verknüpfung von Arbeit und Vergütung führt zu dem simplen Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“, von dem allerdings nicht wenige Ausnahmen normiert sind, die dem Arbeitgeber das Vergütungsrisiko bei ausbleibender Arbeitsleistung auferlegen. Die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht grundsätzlich auch in Zeiten der Pandemie fort. Weder führt der Pandemiezustand für sich zur Unmöglichkeit der Leistung noch kann der Arbeitnehmer sich aufgrund der erhöhten Infektionsgefahr grundsätzlich auf eine Unzumutbarkeit der Leistung berufen. Eine Unzumutbarkeit kann allerdings aufgrund besonderer Umstände, insbesondere Vorerkrankungen des Arbeitnehmers, die das Risiko eines schweren Verlaufs drastisch erhöhen, bestehen. Auch hier sind die Grenzen indes eng zu ziehen und die Umstände des Einzelfalls hinreichend zu berücksichtigen. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung im Lichte der Ansteckungsgefahr, führt dies regelmäßig zum Fortfall des Vergütungsanspruchs – das gilt bei unberechtigter Verweigerung ebenso wie bei bestehender Einrede der Unzumutbarkeit, da es auch für diesen Fall an Ausnahmeregelungen fehlt, die den Arbeitnehmer von dem Vergütungsrisiko befreien. Abweichungen, etwa bei überwiegender Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für das Ausbleiben der Arbeitsleistung, sind denkbar.

II. Frankreich Zwar zeichnet sich das französische Arbeitsrecht durch den Bestand eines eigenen Arbeitsgesetzbuchs (Code du travail) aus, eine gesetzliche Definition des Arbeitsvertrags und seiner Hauptleistungspflichten fehlt allerdings.69 Schon die erste Norm des Code du travail, Art. L.1111-1, setzt die Begriffe Arbeitgeber (employeurs) und Arbeitnehmer (salariés) voraus, ohne sie zu definieren. Das zweite Buch ist dem Arbeitsvertrag gewidmet, definiert ihn aber ebenfalls nicht. Stattdessen wird grundlegend festgestellt, dass der Arbeitsvertrag den Regeln des allgemeinen Rechts 67

Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 69; Schmidt/Novara, DB 2009, 1817 (1820). 68 Siehe Gliederungspunkt C. I. 1. 69 Lahalle, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-1 Rn. 1; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 15.

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B. Arbeits- und Vergütungspflicht vor und während der Pandemie

unterfällt, Art. L.1221-1 Code du travail.70 Als erforderliche Elemente eines Arbeitsvertrags werden die Arbeit, der Lohn sowie eine untergeordnete Stellung des Arbeitnehmers genannt.71 Damit sind auch bereits die wesentlichen Hauptleistungspflichten angesprochen. Unzweifelhaft ist der Arbeitnehmer verpflichtet seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, der Arbeitgeber hingegen zur Zahlung der Vergütung.72 Die Vergütungspflicht ist in den Art. L.3211-1 ff. Code du travail näher ausgestaltet, ohne dass die Pflicht zur Zahlung explizit genannt wäre. Häufig wird die Lohnzahlung als synallagmatisches Gegenstück zur Arbeitsleistung definiert.73 Mit Blick auf Zahlungspflichten des Arbeitgebers trotz Ausbleibens einer Arbeitsleistung formuliert man jedoch z. T. auch weiter: Die Vergütung sei nicht nur Gegenleistung für die geleistete Arbeit, sondern vielmehr Gegenstück des Beschäftigungsverhältnisses als Ganzes.74 Gerade für Fälle, in denen der Arbeitnehmer nicht arbeitet, zur Leistung aber bereit wäre, findet sich die Einordnung der Vergütung als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft.75 Die letztgenannte Interpretation wird im Zusammenhang mit der anderen zentralen Pflicht des Arbeitgebers relevant: Der Zuweisung einer vertragsgemäßen Tätigkeit.76 Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, ist er dennoch verpflichtet, den Arbeitnehmer zu vergüten.77 Savatier weist indes darauf hin, dass es 70 Der Begriff „droit commun“, hier übersetzt mit „allgemeinem Recht“ umfasst auch, aber nicht allein das Zivilrecht, vgl. Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 28. 71 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 197; Camerlynck, Le contrat de travail, 2. Ed. 1982, Rn. 43 ff.; Lahalle, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-1 Rn. 1; Radé, Dr. Soc. 2013, 202 (203 ff.) betont gerade letzteres Element. 72 Vgl. Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 198 f.; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 187. 73 Siehe etwa Cass. Soc. v. 11. 1. 1962, Bull. Civ., IV, n. 51; Cass. Soc. v. 17. 11. 1977, n87640.966, Bull. Civ., V, n8626; Durand/Vitu, Traité de droit du travail, II, 1950, Rn. 323; Lahalle, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-1 Rn. 96; Allouache/Vacarie, Dr. Soc. 2009, 1025; Bourgeot/Frouin, RJS 2000, 3 (5); Jeansen, JCP S 2018, 1416; kritisch Gauthier, La rémunération du travail salarié, 2016, S. 36 f.; offen gelassen von Couturier, Dr. Soc. 2011, 10 (17); eine Betrachtung des Arbeitslohns aus einem juristischen sowie außerdem sozialen und ökonomischen Blickwinkel nehmen Rivero/Savatier, Droit du travail, 5. Ed. 1970, S. 427 f. vor. 74 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 982; Lahalle, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-1 Rn. 97; Martinon, in: Les notions fondamentales du droit du travail, 2009, S. 161 (162); so auch bereits Lyon-Caen, Le Salaire, 2. Ed. 1981, Rn. 253; Savatier, Dr. Soc. 1984, 710 (714). 75 Lyon-Caen, Le Salaire, 2. Ed. 1981, Rn. 5; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 187; Rivero/Savatier, Droit du travail, 5. Ed. 1970, S. 431; siehe auch Cesaro, JCP S 2008, 1466; Couturier, Dr. Soc. 2011, 10 (12); Savatier, Dr. Soc. 1984, 710 (713 f.). 76 Cass. Soc. v. 23. 10. 2013, n812-14.237, Bull. Civ., V, n8248; v. 3. 11. 2010, n809-65.254, Bull. Civ., V, n8252; Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 667; Lahalle, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-1 Rn. 88; Brissy, Dr. Soc. 2008, 434; Mazières, Le Droit Ouvrier 2017, 51; Tournaux, Dr. Soc. 2014, 11 (21). 77 Vgl. Cass Soc. v. 23. 10. 2013, n812-14.237, Bull. Civ., V, n8248; v. 10. 11. 2009, n80840.088, Bull. Civ., V, n8254; v. 3. 7. 2001, n899-43-361, Dr. Soc. 2001, 1009; v. 8. 10. 1996,

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sich mehr um eine Entschädigung als eine Vergütung handelt78 ; Couturier lässt die Einordnung in einer umfangreichen Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Gegenstück der Vergütung offen und stellt fest, die Frage sei tatsächlich von relativ geringer Bedeutung.79 Da das Ergebnis des Kostenrisikos auf Seiten des Arbeitgebers bei pflichtwidriger Nichtbeschäftigung eindeutig ist, soll dieser Frage an dieser Stelle daher auch nicht weiter nachgegangen werden. 1. Der Grundsatz „pas de travail – pas de salaire“ Der Arbeitslohn kann abgesehen von diesen Fällen der Nichtannahme durch den Arbeitgeber grundsätzlich nicht verlangt werden, wenn die geschuldete Leistung nicht erbracht wurde, sofern nicht eine gesetzliche oder vertragliche Bestimmung etwas Abweichendes festlegt.80 Auf den Punkt gebracht heißt das: „Pas de travail – pas de salaire“, ohne Arbeit kein Lohn.81 Zwar untersagt die Regelung des Art. L.1331-2 Code du travail jegliche Geldbuße oder sonstige finanzielle Sanktion im Falle vertragswidrigen Verhaltens – das Entfallen des Lohnanspruchs bei Nichtleistung wird aber nicht als Sanktion angesehen.82 Der Code du travail enthält keine eigene Regelung dazu, wie sich eine Nichtleistung auf die Vertragsdurchführung auswirkt, unter Rückgriff auf vertragsrechtliche Grundsätze wird das Ergebnis aber überwiegend aus der synallagmatischen Verknüpfung von Arbeitsleistung bzw. Zurverfügungstellen derselben und Lohn hergeleitet.83 Andere ziehen (ergänzend) die in Art. 1219 Code Civil vorgesehene exn893-44.672, Bull. Civ., V, n8317; v. 28. 2. 1962, Bull. Civ., V, n8231; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 191; Rivero/Savatier, Droit du travail, 5. Ed. 1970, S. 431; Brissy, Dr. Soc. 2008, 434 (440); Cesaro, JCP S 2008, 1466; Couturier, Dr. Soc. 2011, 10 (12); Jeansen, JCP S 2018, 1416; Tournaux, Dr. Soc. 2014, 11 (21). Das gilt allerdings nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nur zum Schein zur Verfügung stellt, sich den Weisungen des Arbeitgebers dabei aber verweigert, siehe Martinon, in: Les notions fondamentales du droit du travail, 2009, S. 161 (174). 78 Savatier, Dr. Soc. 1984, 710 (714). 79 Couturier, Dr. Soc. 2011, 10 (12, 17). 80 Cass. Soc. v. 28. 11. 2018, n817-15.379, JCP S 2018, 1416; v. 10. 6. 2008, n806-46.000, Bull. Civ., V, n8130; v. 8. 6. 2005, n803-44913, Bull. Civ., V, n8193; siehe auch Cass. Soc. v. 11. 1. 1962, Bull. Civ., IV, n851; Rivero/Savatier, Droit du travail, 5. Ed. 1970, S. 431; Gauthier, La rémunération du travail salarié, 2016, S. 136; Cesaro, JCP S 2008, 1466. 81 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 833; Cesaro, JCP S 2008, 1466 formuliert mit „ne pas travailler, ne pas être payé“ (frei übersetzt: nicht arbeiten, nicht bezahlt werden) anders, meint aber dasselbe; ebenso Martinon, in: Les notions fondamentales du droit du travail, 2009, S. 161 (174). Siehe auch Savatier, Dr. Soc. 1984, 710: „(…) tout travail mérite salaire, mais tout salaire rémunère un travail.“ (frei übersetzt: Jede Arbeit verdient Lohn, aber jeder Lohn vergütet eine Arbeit). 82 Cass. Soc. v. 30. 11. 2010, n809-43.229 (Lexis360); Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 833; Collet-Thiry, Le Droit Ouvrier 2014, 565 (570 f.). 83 Siehe Cass. Soc. v. 11. 1. 1962, Bull. Civ., IV, n851; Camerlynck, Le contrat de travail, 2. Ed. 1982, Rn. 44, 241; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 360; Marié,

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ception d’inexécution heran.84 Es handelt sich um die Einrede des nicht erfüllten Vertrags, die in Dauerschuldverhältnissen zuweilen zur vollständigen Leistungsbefreiung führen kann.85 a) Vergütungsrisiko im Falle höherer Gewalt Grundsätzlich macht es dabei für den Vergütungsanspruch keinen Unterschied, was die Ursache des Ausbleibens der Arbeitsleistung ist – solange es nicht auf einer fehlenden Beschäftigung durch den Arbeitgeber beruht, besteht der Vergütungsanspruch vorbehaltlich anderweitiger Regelung nicht.86 Das gilt auch dann, wenn die Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer aufgrund höherer Gewalt unmöglich ist.87 Die force majeure, die seit der Schuldrechtsreform 2016 in Art. 1218 i. V. m. 1351 Code Civil normiert ist, wird im Arbeitsrecht insbesondere im Kontext der Beendigung von Arbeitsverträgen erörtert.88 Allerdings kann die force majeure nicht nur das Vertragsende herbeiführen, sondern vielmehr auch einen suspendierenden Effekt

JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 97; Gauthier, La rémunération du travail salarié, 2016, S. 136; Cesaro, JCP S 2008, 1466; Collet-Thiry, Le Droit Ouvrier 2014, 565 (570); Tantaroudas, Dr. Soc. 1978, 223 (224); Savatier, Dr. Soc. 1984, 710 (713); wohl auch Rivero/ Savatier, Droit du travail, 5. Ed. 1970, S. 431, 494; Jeansen, JCP S 2018, 1416. Z. T. betont man, die Arbeitsleistung sei die Causa der Vergütungspflicht, Camerlynck, Le contrat de travail, 2. Ed. 1982, Rn. 44; Durand/Vitu, Traité de droit du travail, II, 1950, Rn. 423; Lyon-Caen, Le Salaire, 2. Ed. 1981, Rn. 252; Guericolas, in: Études de droit du travail offertes à André Brun, 1974, S. 257 (261); siehe auch Martinon, in: Les notions fondamentales du droit du travail, 2009, S. 161 (172); Savatier, Dr. Soc. 1984, 710 (713). Vor der Reform des Vertragsrechts im Jahre 2016 sah Art. 1131 Code Civil das Bestehen einer Causa als Voraussetzung für eine wirksame vertragliche Verpflichtung vor. In synallagmatischen Verträgen ist die Verpflichtung der einen Partei die Causa der Verpflichtung der anderen, vgl. Porchy-Simon, Droit des obligations, 14. Ed. 2022, Rn. 262; Guericolas, in: Études de droit du travail offertes à André Brun, 1974, S. 257 (261). 84 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 697; Cesaro, JCP S 2008, 1466; Collet-Thiry, Le Droit Ouvrier 2014, 565 (570); Gauthier, La rémunération du travail salarié, 2016, S. 136; siehe auch Behar-Touchais, JCP E 2020, 1162. Dies widerspricht dem ersten Begründungsansatz nicht notwendigerweise, da die Einrede auch und gerade Folge der synallagmatischen Verknüpfung der Leistungen ist, siehe Yamaguchi, La théorie de la suspension du contrat de travail, 1963, S. 18. 85 Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 344. Dass die Leistung im Einzelfall nicht nachgeholt werden kann, bedeutet ebenso wenig, dass Art. 1219 Code Civil auf den Arbeitsvertrag keine Anwendung finden kann, wie die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers – der Arbeitsvertrag ist hier nicht anders zu behandeln, als andere synallagmatische Verträge, vgl. Collet-Thiry, Le Droit Ouvrier 2014, 565 (570 f.). 86 Jeansen, JCP S 2018, 1416; vgl. auch Marié, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 98. 87 Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 46. 88 Duchange, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 145; vgl. etwa Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 439 ff. Zur Entwicklung der Bedeutung der force majeure im Arbeitsrecht siehe auch Tantaroudas, Dr. Soc. 1978, 223.

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haben.89 So liegt es bei nur vorübergehenden Leistungshindernissen, Art. 1218 Abs. 2 Code Civil. Die synallagmatische Verknüpfung von Arbeitsleistung und Lohn führt auch dann zum Ausfall der Vergütung.90 b) Die Rechtsfigur der suspension du contrat de travail Im Arbeitsrecht allerdings werden Fälle von Leistungshindernissen zumeist nicht unter dem Begriff der force majeure, sondern vielmehr unter dem Stichwort der suspension du contrat erörtert.91 Die suspension du contrat als Rechtsfigur ist Gegenstand umfangreicher, arbeitsrechtlicher Abhandlungen.92 Hier soll sie nur in ihren Grundzügen dargestellt werden. Geboren ist die Idee aus der Erkenntnis, dass eine Vertragsauflösung bei Bestehen eines Leistungshindernisses nicht geboten ist, wenn 89 Siehe Antonmattei, Contribution à l’étude de la force majeure, 1992, S. 207 ff.; Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 47; Bonardi, Remarques sur la nature juridique de la suspension du contrat de travail, 2013, S. 57; Radé, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 215 (217); Guericolas, in: Études de droit du travail offertes à André Brun, 1974, S. 257 (262, 272); Marié, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 31. Die force majeure hat drei maßgebliche Funktionen: Soweit vertragliche Pflichten nicht eingehalten werden können, befreit sie insoweit von dem Vertretenmüssen; soweit die Pflichten dauerhaft nicht erfüllt werden, kann sie die Beendigung des Vertrags herbeiführen und, im hiesigen Kontext relevant, soweit die Pflichten vorübergehend nicht erfüllt werden können, führt sie zur Suspendierung des Vertrags, vgl. hierzu Bousiges, in: Les orientations sociales du droit contemporain, 1. Ed. 1992, S. 79 (97). Auch Behar-Touchais, JCP E 2020, 1162 verweist darauf, Art. 1218 Code Civil hätte sinnvollerweise nicht auf die Suspendierung nur der unmöglich gewordenen Pflicht, sondern vielmehr des Vertrags hinweisen sollen. 90 Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 46 führt aus, dass diese Herleitung gegenüber einer Anwendung der exception d’inexécution auch auf die Fälle der force majeure vorzugswürdig ist, weil die Suspendierung der vertraglichen Pflichten im Falle der force majeure die Unmöglichkeit der Vertragsdurchführung voraussetzt, die exeption d’inexécution aber gerade die Durchsetzbarkeit des vertraglichen Anspruchs erfordert; i. E. ebenso Guericolas, in: Études de droit du travail offertes à André Brun, 1974, S. 257 (261 f.); siehe zur Abgrenzung auch Bonardi, Remarques sur la nature juridique de la suspension du contrat de travail, 2013, S. 60 f.; Cesaro, JCP S 2008, 1466. Demgegenüber schlägt Antonmattei, Contribution à l’étude de la force majeure, 1992, S. 225 eine „exception ,préventive‘ d’inexécution“ vor, d. h. eine vorbeugende Erhebung der Einrede des nicht erfüllten Vertrages im Falle der vorübergehenden Nichterfüllung wegen höherer Gewalt, im Gegensatz zur Ausübung der Einrede als Druckmittel. 91 Siehe etwa Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 353 ff.; Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 45; Camerlynck, Le contrat de travail, 2. Ed. 1982, Rn. 240 ff.; Durand/Vitu, Traité de droit du travail, II, 1950, Rn. 423; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 343; Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 535; Rivero/Savatier, Droit du travail, 5. Ed. 1970, S. 491 ff. 92 Siehe nur Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980; Bonardi, Remarques sur la nature juridique de la suspension du contrat de travail, 2013; Pélissier, in: Études de droit du travail, offertes à André Brun, S. 427; Yamaguchi, La théorie de la suspension du contrat de travail, 1963; in allgemeinen, arbeitrechtlichen Werken etwa Camerlynck, Le contrat de travail, 2. Ed. 1982, Rn. 238 ff.; Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 353 ff.; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 343 ff.; Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 535 ff.

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die Erfüllung ohne Schwierigkeiten nachgeholt werden kann – angewendet wurde dies insbesondere im Mietrecht und auf andere, sukzessiv ausgeführte Verträge.93 Insbesondere im Arbeitsrecht dient die Suspendierung des Arbeitsvertrags dem Bestandsschutz des Beschäftigungsverhältnisses.94 Das Bedürfnis nach einem solchen Schutz ist mit Blick auf den Arbeitsvertrag, der aufgrund seiner Bindung an die Person und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers beinahe zwangsläufig hin und wieder Leistungshindernissen ausgesetzt sein wird, besonders groß.95 Kurz gefasst lässt sich sagen, dass Voraussetzung der Suspendierung ein vorübergehender Umstand ist, welcher der Leistung entgegensteht und der den Leistungsausfall rechtfertigt.96 Die Folge ist grundsätzlich die Befreiung der Arbeitsvertragsparteien von den gegenseitigen Hauptleistungspflichten.97 Der Begriff der suspension du contrat wird zuweilen als ungenau kritisiert, da nicht der gesamte Vertrag für die Dauer der Suspendierung keine Wirkung mehr entfaltet98 – insbesondere die Loyalitätspflichten der Parteien bestehen fort99. Beinahe poetisch beschreibt Béraud diesen Zustand als einen solchen, in dem der Vertrag ist, ohne zu sein – „le contrat est, tout en n’étant pas“.100 Cesaro spricht davon, dass der Ar-

93 Guericolas, in: Études de droit du travail offertes à André Brun, 1974, S. 257 (272); vgl. auch Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 62. 94 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 352; Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 62; Camerlynck, Le contrat de travail, 2. Ed. 1982, Rn. 238; Durand/Vitu, Traité de droit du travail, II, 1950, Rn. 423; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 344; Latina, JurisClasseur Contrats – Distribution, Fasc. 171 Rn. 42; Marié, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 2; Yamaguchi, La théorie de la suspension du contrat de travail, 1963, S. 14; Bourgeot/Frouin, RJS 2000, 3 (5); Cesaro, JCP S 2008, 1466. 95 Guericolas, in: Études de droit du travail offertes à André Brun, 1974, S. 257 (272); vgl. auch Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 49; Marié, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 2. 96 In diesem Sinne Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 353; Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 45; Bonardi, Remarques sur la nature juridique de la suspension du contrat de travail, 2013, S. 32, 63; Marié, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 5; Pélissier, in: Études de droit du travail, offertes à André Brun, S. 427 (428). Die ungerechtfertigte Nichtleistung löst demgegenüber nicht die Suspendierung des Arbeitsvertrags aus, Rivero/Savatier, Droit du travail, 5. Ed. 1970, S. 492. 97 Vgl. Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 354; Camerlynck, Le contrat de travail, 2. Ed. 1982, Rn. 241; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 360; Marié, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 92; Peskine/Wolmark, Droit du travail, 14. Ed. 2021, Rn. 517; Bourgeot/Frouin, RJS 2000, 3 (6 f.); Pélissier, in: Études de droit du travail, offertes à André Brun, S. 427 (431). 98 Vgl. auch Camerlynck, Le contrat de travail, 2. Ed. 1982, Rn. 241; Marié, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 3; Pélissier, in: Études de droit du travail, offertes à André Brun, S. 427 (429). 99 Vgl. auch Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 354; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 359; Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 535. 100 Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 15.

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beitsvertrag in den Schlaf versetzt wird, über einen Zustand der beinahe vollkommenen Paralyse des Vertrags.101 Auslöser der Suspendierung kann eine Verhinderung hinsichtlich der Arbeitsleistung sein, die dann auch zur Suspendierung der Vergütungspflicht führt, allerdings können auch Gründe bestehen, die der Beschäftigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber entgegenstehen und ersteren in der Konsequenz auch von seiner Arbeitspflicht befreien.102 Die anerkannten Gründe, die eine suspension du contrat auslösen, sind zahlreich – mit Krankheit oder Schwangerschaft, Streik oder Aussperrung sowie Freistellung und Kurzarbeit sind nur einige genannt.103 c) Das Verhältnis von force majeure und suspension du contrat Nicht gänzlich geklärt ist das Verhältnis der Figuren der force majeure und der suspension du contrat zueinander.104 Klar und mittlerweile gesetzlich vorgesehen in Art. 1218 Code Civil ist der mögliche Suspensiveffekt der force majeure. Allerdings soll die Suspendierung des Arbeitsvertrags auch in Fällen eintreten, die sich unter den strengen Begriff der force majeure nicht ohne Weiteres subsumieren lassen.105 Das gilt auch für Fälle, in denen eine tatsächliche Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung vorliegt, denn nicht jede Unmöglichkeit erfüllt die Anforderungen höherer Gewalt.106 In der Rechtsprechung der Cour de cassation wird z. T. auf eine situation contraignante, wörtlich übersetzt eine zwingende bzw. einschränkende Situation, Bezug genommen, die zu einer Befreiung von der jeweiligen Leistungspflicht führen kann.107 Gemeint sind Umstände, die eine vertragliche Leistung zwar nicht tatsächlich unmöglich machen, ihr aber doch derart entgegenstehen, dass eine Nichtleistung gerechtfertigt erscheint – auch hier ist die Subsumtion unter den Begriff der 101

Cesaro, JCP S 2008, 1466. Pélissier, in: Études de droit du travail, offertes à André Brun, S. 427 (431). 103 Vgl. Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 352; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 347 ff.; Peskine/Wolmark, Droit du travail 2021, 15. Ed. 2022, Rn. 535; Pélissier, in: Études de droit du travail, offertes à André Brun, S. 427; Cesaro, JCP S 2008, 1466. 104 Einen Überblick über den Meinungsstand bietet Bonardi, Remarques sur la nature juridique de la suspension du contrat de travail, 2013, S. 61 f.; instruktiv auch Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 49 ff. 105 Vgl. allgemein Latina, JurisClasseur Contrats – Distribution, Fasc. 171 Rn. 43; hinsichtlich Streik und Aussperrung Bonardi, Remarques sur la nature juridique de la suspension du contrat de travail, 2013, S. 69; für Streik und Freistellung Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 353; Pélissier, in: Études de droit du travail, offertes à André Brun, S. 427 (428); für die Schwangerschaft Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 349. 106 Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 51; vgl. auch Latina, JurisClasseur Contrats – Distribution, Fasc. 171 Rn. 43. 107 Siehe etwa Cass Soc. v. 26. 3. 2014, n812-26.600 u. a., Bull. Civ., V, n884; Cass. Soc. v. 22. 2. 2005, n802-45.879, Bull. Civ., V, n857; Cass. Soc. v. 4. 7. 2000, n898-20.537, Bull. Civ., V, n8262. 102

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force majeure fraglich.108 Selbiges gilt für die von einzelnen Autoren bemühte Idee der „moralischen Unmöglichkeit“, die bestehen soll, wenn zwar keine Unmöglichkeit der Arbeitsleistung besteht, diese aber aufgrund einer besonderen Situation wie der eigenen Hochzeit oder der Krankheit eines nahen Angehörigen nach Treu und Glauben nicht verlangt werden kann.109 Wie nun dem Bedürfnis nach den Effekten der Suspendierung auch in Fällen unterhalb der Schwelle des Art. 1218 Code Civil Rechnung getragen werden soll, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise geht man davon aus, bei der suspension du contrat handle es sich um eine mittlerweile autonome Rechtsfigur, die in der force majeure lediglich einen Anwendungsfall finde.110 Andere gehen von einem weiteren, arbeitsrechtlich geprägten Begriff der force majeure aus, welcher der Theorie der Suspendierung des Arbeitsvertrags zugrunde liegt.111 Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit ist eine zweifelsfreie Zuordnung nicht notwendig. Festzuhalten ist das Folgende: Liegt ein Grund für die Suspendierung des Arbeitsvertrags vor, sei es nun höhere Gewalt in einem engeren oder weiteren Sinne oder ein anderer Umstand, der als Grund für die Suspendierung anerkannt ist, so führt dies grundsätzlich zur vorübergehenden Befreiung der Parteien von den arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten. Liegt kein Grund für die Suspendierung vor, und wird die Arbeitsleistung dennoch nicht erbracht, stellt dies eine Vertragsver-

108 Zur Abgrenzung zur force majeure siehe Bousiges, in: Les orientations sociales du droit contemporain, 1. Ed. 1992, S. 79 (95): „La force majeure crée un obstacle absolu, les circonstances contraignantes un obstacle d’une gravité suffisante. La situation contraigante, faute d’une véritable irrésistibilité ne saurait donc se confondre avec la force majeure (…). On pourrait donc voir dans les expressions force majeure et circonstances contraignantes des nuances d’une même impossibilité.“ (frei übersetzt: Höhere Gewalt schafft ein absolutes Hindernis, einschränkende Umstände ein Hindernis von ausreichender Schwere. Die Zwangslage darf daher mangels echter Unüberwindbarkeit nicht mit höherer Gewalt (…) verwechselt werden. Man kann daher in den Ausdrücken höhere Gewalt und zwingende Umstände Nuancen derselben Unmöglichkeit erkennen). Anders Marié, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 34, der den Unterschied darin sieht, dass die Zwangslage vorübergehend ist. 109 Siehe Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 50; zur Figur der „impossibilité morale“ Yamaguchi, La théorie de la suspension du contrat de travail, 1963, S. 73 f. 110 So wohl Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 57; Bonardi, Remarques sur la nature juridique de la suspension du contrat de travail, 2013, S. 70; Camerlynck, Le contrat de travail, 2. Ed. 1982, Rn. 240, 305; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 347 ff.; Guericolas, in: Études de droit du travail, offertes à André Brun, 1974, S. 257 (273, 280); Latina, JurisClasseur Contrats – Distribution, Fasc. 171 Rn. 43; Yamaguchi, La théorie de la suspension du contrat de travail, 1963, S. 18. 111 So wohl Bousiges, in: Les orientations sociales du droit contemporain, 1. Ed. 1992, S. 79 (97). Auch Teyssié, Vorwort zu Antomattei, Contribution à l’étude de la force majeure, 1992, wirft die Frage auf, ob die force majeure der Arbeitsrechtler noch die der Zivilrechtler und Handelsrechtler ist („D’autant qu’il n’est pas sûr que la force majeure des ,travaillistes‘ soit toujours celle des ,civilistes‘ ou des ,commercialistes‘“).

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letzung dar, die den Arbeitgeber u. a.112 berechtigt, die Zahlung der Vergütung zu verweigern. Damit steht der Grundsatz, nach dem Folge der ausbleibenden Arbeitsleistung auch das Ausbleiben der Lohnzahlungspflicht ist – pas de travail, pas de salaire, ohne Arbeit kein Lohn. 2. Abweichende Verteilung des Vergütungsrisikos in benannten Fällen Ausnahmen bestätigen bekanntermaßen die Regel. Solche gibt es auch hier: Der Arbeitgeber kann verpflichtet sein, den Arbeitnehmer zu vergüten, obwohl er keine Arbeitsleistung erhält. Ein Beispiel bietet Art. L.3142-2 Code du travail: Kurzfristige Leistungshindernisse aus familiären oder persönlichen Gründen, die in Art. L.31421 Code du travail näher präzisiert sind, dürfen hiernach keine Auswirkungen auf die Vergütung haben. In der Literatur findet sich zuweilen der Begriff des salaire d’inactivité, d. h. einer Vergütung, die während und trotz des Ausbleibens der Arbeitsleistung erfolgt.113 Begründet wird dies – oben ist es bereits angeklungen – mit einer Auflösung bzw. Lockerung der Verbindung zwischen Arbeitsleistung und Lohn und einer stattdessen erfolgenden Anknüpfung der Vergütung an das Beschäftigungsverhältnis als Ganzes.114 Neben Lohnfortzahlungen des Arbeitgebers existieren zur finanziellen Absicherung des verhinderten Arbeitnehmers weiterhin Strukturen, die Leistungsansprüche des Arbeitnehmers gegen die Sozialversicherung begründen.115 Diese sozialrechtlichen Leistungen werden vom arbeitsrechtlichen Lohn abgegrenzt.116 Zum Teil erfolgt jedoch eine Auszahlung durch den Arbeitgeber, der eine vollständige oder teilweise Erstattung der Sozialversicherungsträger erlangen kann.117 Zuweilen findet auch eine Kombination von Arbeitgeber- und Sozialversicherungsleistungen statt, so etwa im Falle der Arbeitsverhinderung wegen Krankheit.118 Welche Leistungen nun Lohnzahlungen im engeren Sinne darstellen 112 Ungerechtfertigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz kann auch Disziplinarmaßnahmen und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen, siehe Lahalle, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-1 Rn. 142. 113 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 982; Lyon-Caen, Le Salaire, 2. Ed. 1981, Rn. 253; Rivero/Savatier, Droit du travail, 5. Ed. 1970, S. 432; ausführlich Savatier, Dr. Soc. 1984, 710. 114 In diesem Sinne Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 982; Lahalle, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-1 Rn. 97; Lyon-Caen, Le Salaire, 2. Ed., Rn. 253; Rivero/Savatier, Droit du travail, 5. Ed. 1970, S. 432. Zu weiteren Begründungsansätzen für die Vergütung trotz ausbleibender Arbeitsleistung, dabei differenzierend nach dem Grund für das Ausbleiben der Leistung, Savatier, Dr. Soc. 1984, 710 (713 f.). 115 Von Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 984 eingeordnet als Ersatzleistung sozialer Natur („prestation de substitution“, „prestation sociale“); siehe auch Savatier, Dr. Soc. 1984, 710. 116 Savatier, Dr. Soc. 1984, 710 (711). 117 Marié, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 102; Savatier, Dr. Soc. 1984, 710 (711). 118 Siehe hierzu ausführlich Gliederungspunkt F. II. 2.

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und damit eine tatsächliche Durchbrechung des Prinzips „pas de travail, pas de salaire“, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden.119 Entscheidend ist: Auch bei ausbleibender Arbeitsleistung trägt der Arbeitnehmer nicht ausnahmslos das finanzielle Risiko. Je nach Verhinderungsgrund ist ihm dieses, z. T. vollständig, z. T. anteilig, durch andere Akteure, namentlich den Arbeitgeber oder die Sozialversicherung120, abgenommen. 3. Was gilt in Zeiten der Pandemie? Im Lichte dieser Regel-Ausnahme-Systematik der Verteilung des Vergütungsrisikos ist nunmehr zu hinterfragen, wie die Pandemie sich auf die arbeitsvertragliche Leistungspflicht und – bei Nichtleistung allein der Pandemie bzw. Ansteckungsgefahr wegen – auf das Vergütungsrisiko auswirkt. a) Die Pandemie allein als Umstand, der die Leistungspflicht entfallen lässt? Die Pandemie könnte einen Fall der force majeure darstellen. Auch in dieser Hinsicht wird die höhere Gewalt im Arbeitsrecht vorwiegend mit Blick auf mögliche Beendigungen des Arbeitsverhältnisses diskutiert121, nur z. T. unter Berücksichtigung des möglichen Suspensiveffekts.122 Die gesetzlichen Anforderungen sind teilweise erfüllt: Die Pandemie ist ein außerhalb der Kontrolle des Arbeitnehmers liegendes Ereignis, das bei Vertragsschluss – sofern dieser vor Ausbruch der Pandemie lag123 – so nicht vorhersehbar war und dessen Folgen nicht durch geeignete Mittel hätten abgewendet werden können.124 Zwar wurde dies zuvor in Bezug auf 119 Die Zuordnung ist in anderem Kontext durchaus wichtig, da für Leistungen, die zum Arbeitslohn zählen, spezifische Sonderregelungen etwa hinsichtlich der Mindesthöhe gelten und der Lohn maßgeblich für die zu leistenden Sozialabgaben ist, siehe Auzero/Baugard/ Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 983; Savatier, Dr. Soc. 1984, 710 (711). 120 Ansprüche aus Versicherungsverträgen, die etwa auf Unternehmensebene zugunsten der Arbeitnehmer abgeschlossen werden, bleiben hier außer Betracht. 121 Siehe etwa Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 439; Fabre, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 139 (140); Icard, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 221 (223). 122 Radé, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 215 (217). 123 Auf welchen genauen Zeitpunkt es für den Ausbruch ankommt, ist hier nicht ganz eindeutig. Guiomard, Dalloz Actualité v. 4. 3. 2020, nennt etwa den Ausbruch in China, die Ankunft des Virus in Europa oder Frankreich oder die Einstufung durch die WHO als Risiko; Grynbaum, Le club des juristes v. 25. 3. 2020 orientiert sich an letztgenanntem Zeitpunkt; Landivaux, Dalloz Actualité v. 20. 3. 2020 stellt auf die jeweiligen gesetzlichen Regelungen in Frankreich und ihre Auswirkungen auf die Vertragsdurchführung ab. 124 Vgl. Behar-Touchais, JCP E 2020, 1162; Radé, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 215 (219). Auch der Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire ordnete die Coronapandemie als Fall der höheren Gewalt ein, siehe Le Maire, Bruno, Déclaration sur

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andere Epidemien anders entschieden, dies jedoch aus Gründen, die auf die Coronapandemie nicht übertragbar sind – etwa, dass die betroffenen Krankheiten bekannt waren oder aber keine hinreichende Gefahr darstellten.125 Art. 1218 Code Civil setzt aber weiterhin auch voraus, dass dieses Ereignis der Leistungserbringung entgegensteht.126 Der Pandemiezustand als solcher verhindert die vertragliche Leistung nicht schon grundsätzlich.127 Das gilt insbesondere für das Arbeitsvertragsrecht. Zwar galten in Frankreich während der Coronapandemie zeitweise strenge Ausgangsbeschränkungen („confinement“), auch hiervon war aber der notwendige Arbeitsweg für Tätigkeiten, die nicht im Homeoffice128 erledigt werden konnten, ausgenommen.129 Mit Ausnahme der Tätigkeiten, die infolge von Betriebsschließungen nicht erbracht werden können, ist die Erbringung der Arbeitsleistung also grundsätzlich möglich.130 Der hypothetische Fall einer strikteren Ausgangssperre oder des pandemiebedingten Ausfalls von Transportmitteln wiederum könnte – vergleichbar der Versperrung des Arbeitswegs durch einen Streik der Beschäftigten des ÖPNV131 – als Fall der force majeure eingeordnet werden und so zum Entfallen der Arbeitspflicht führen bzw. ein Fernbleiben vom Arbeitsplatz rechtfertigen. Die Angst vor Infektion allein berechtigt Arbeitnehmer hingegen nicht zur Verweigerung der Arbeitsleistung – in Betracht gezogen wird hier ein Leistungsverweigerungsrecht aus dem Arbeitsschutzrecht, dessen Voraussetzungen der unmit-

l’impact économique de l’épidémie de COVID-19 et les mesures de soutien en faveur des entreprises, Paris, 28. 2. 2020. 125 Siehe CA Basse-Terre v. 17. 12. 2018, n817/00739 (Lexis360) zum Chikungunya-Virus; CA Besançon v. 8. 1. 2014, n812/0229 (Lexis360) zum Virus H1N1; CA Nancy v. 22. 11. 2010, n809/00003 (Lexis360) zum Denguefieber; CA Paris v. 25. 9. 1996, n81996/08159 (Lexis360) zur Pest. 126 Vgl. auch Behar-Touchais, JCP E 2020, 1162; Grynbaum, Le club des juristes v. 25. 3. 2020. Bezüglich der Verbreitung des Ebola-Virus betonte die Cour d’Appel de Paris, dass selbst die Einordnung der Ebola-Epidemie als Fall der force majeure nicht ausreiche, um eine Haftung für einen Leistungsausfall auszuschließen, und forderte den Nachweis, dass der Leistungsausfall Konsequenz der force majeure ist, siehe CA Paris v. 17. 3. 2016, n815/04263 (Lexis360). 127 Behar-Touchais, JCP E 2020, 1162; Moreil, Cahiers de droit de l’entreprise 2021, 35 (37). Beide Autorinnen weisen darauf hin, dass es in der Regel erst hoheitliche Maßnahmen sind, die Leistungen in Zeiten der Pandemie entgegenstehen, was unter dem Rechtsbegriff des fait du prince behandelt wird. 128 Hierzu Gliederungspunkt H. 129 Siehe etwa Art. 1 18 Décret n82020-260 in der urspr. Fassung; später Art. 3 I 18 Décret n82020-293 in der urspr. Fassung; für die zweite Welle Art. 4 I 18 a) Décret n82020-1310. 130 Vgl. auch Willmann, Dr. Soc. 2020, 285: „Les règles de confinement, en soi, ne peuvent donc être ultilisées par les salariés pour ne pas se rendre sur le lieu de travail“ (frei übersetzt: Die Regeln zu Ausgangsbeschränkungen können damit für sich genommen nicht von Arbeitnehmern genutzt werden, um der Arbeit fernzubleiben). 131 Die infolge eines Bahnstreiks bestehende Unmöglichkeit den Arbeitsplatz zu erreichen als Fall der höheren Gewalt einordnend CA Paris v. 25. 9. 2008, n806/09673 (Lexis360).

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B. Arbeits- und Vergütungspflicht vor und während der Pandemie

telbaren und schwerwiegenden Gefahr132 jedoch durch den Pandemiezustand allein noch nicht als erfüllt angesehen werden.133 b) Ausnahmen bei besonderer Gefährdung Besonderheiten gelten allerdings für Angehörige der Risikogruppe. Arbeitnehmer, die nach den Kriterien des Haut conseil de la santé publique ein hohes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf aufwiesen, konnten ab März 2020 zunächst in einem Online-Service der Krankenversicherung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beantragen.134 Zum 1. Mai 2020 wurde das Regelungsregime für diese sog. personnes vulnérables angepasst, es fanden fortan die Regelungen zur Kurzarbeit135 Anwendung, sofern das Fortführen der Arbeitsleistung unmöglich war.136 Während der Kurzarbeit ist der Arbeitsvertrag für die Zeiten der Nichtleistung suspendiert, Art. L.5122-1 II Code du travail. Kurzarbeit kam zunächst auch für Personen in Betracht, die mit einer der Risikogruppe angehörigen Person zusammenlebten, dies allerdings nur bis zum 31. 8. 2020.137 Ab November 2020 sollte die Kurzarbeit ausdrücklich nur noch möglich sein, wenn die betroffene Person nicht im Homeoffice tätig werden konnte und im Einzelnen aufgeführte Hygienemaßnahmen nicht getroffen wurden oder getroffen werden konnten.138 Hierzu zählten etwa die Zurver132

Siehe zum droit de retrait nach Art. L.4131-1 Code du travail ausführlich Gliederungspunkt C. II. 3. 133 Siehe etwa Bugada/Douchy-Oudot/Rolland, LexisNexis Procédures 2020, n85, 34 (35); Champenois, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 87 (90); Duchange, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 145 (147); Jubert-Tomasso, Le Droit Ouvrier 2021, 149 (152); Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 129; siehe auch bereits Circulaire DGT 2009/16 v. 3. 7. 2009, S. 18. 134 Ministère des solidarités et de la santé, Pressemitteilung v. 18. 3. 2020. Im Umkehrschluss aus dem letzten Absatz des Art. 1 Décret n82020-73 i. d. F. v. 1. 5. 2020 i. V. m. Art. 20 Loi n82020-473 folgt, dass diese Personen ursprünglich einen Anspruch auf Krankengeld haben sollten, siehe zu den Sonderregelungen, die insoweit aufgrund der Pandemie geschaffen wurden, ausführlich Gliederungspunkt F. II. 2. 135 Activité partielle, früher chômage partiel. Die gesetzlichen Regelungen zur Kurzarbeit wurden im Laufe der Pandemie angepasst, siehe insbes. Décret n82020-325 v. 25. 3. 2020 und Ordonnance n82020-346 v. 27. 3. 2020. Zur Entwicklung dieser Regelung vor der Pandemie und während derselben siehe ausführlich Dalmasso, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 150 (151 ff.). 136 Art. 20 Loi n82020-473 v. 25. 4. 2020 i. V. m. Art. 1 Décret n82020-521 v. 5. 5. 2020, Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 (i. d. F. v. 1. 5. 2020). 137 Art. 20 I Loi n82020-473 v. 25. 4. 2020, Art. 1 Décret n82020-1098 v. 29. 8. 2020. Die Herausnahme der Personen, die mit Angehörigen der Risikogruppe zusammenleben, aus dem Anwendungsbereich der Sondernormen hat der Conseil d’État gebilligt, siehe CE, 15. 10. 2020, n8444425 (Lexis360). 138 Art. 1 Décret n82020-1365 v. 10. 11. 2020. Ob das eine Verschärfung darstellt, ist fraglich, da auch die vorherige Regelung die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung voraussetzte, die wohl nicht bestand, wenn ausreichende Schutzmaßnahmen oder Homeoffice möglich waren.

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fügungstellung eines Einzelbüros, die Einhaltung von Abstands- und Hygienemaßnahmen, der Verzicht auf geteilte Arbeitsplätze und die Anpassung der Arbeitszeiten, um Kontakte möglichst zu reduzieren.139 Im September 2021 wurde die Möglichkeit der Kurzarbeit weiter auf Personen eingeschränkt, deren Arbeitstätigkeiten sie einer hohen Virenlast aussetzen können.140 Diese Einschränkung gilt nicht für Personen, die sich aufgrund medizinischer Kontraindikation nicht gegen COVID19 impfen lassen können.141 Die Zugehörigkeit zur Risikogruppe muss durch ärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden.142 Für den Fall, dass die Voraussetzungen für die activité partielle nicht erfüllt sind, wurde ab Januar 2021 ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, stattdessen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Arzt zu erhalten.143 Für Arbeitnehmer, deren Arbeitsleistung ihnen während der Pandemie nicht zugemutet werden sollte, weil sie selbst oder (so noch zu Beginn der Pandemie) Personen in ihrem Haushalt der Risikogruppe für schwere COVID-19-Verläufe angehören, existierten mithin feste Verfahren, die zum Fortfall der Arbeitspflicht führen konnten. c) Das finanzielle Risiko des pandemiebedingten Arbeitsausfalls Neben den Schutz von Leib und Leben, den Angehörige der Risikogruppe durch die vorgesehenen Befreiungen von der Arbeitspflicht erfahren, tritt eine Absicherung in finanzieller Hinsicht. Wer aufgrund einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von der Arbeitspflicht befreit wurde, erhält bzw. erhielt unter denselben Voraussetzungen Krankentagegeld von der gesetzlichen Krankenversicherung wie etwa Kontaktpersonen von Coronavirusinfizierten oder Eltern, die ihre sich in Isolation befindenden Kinder betreuen müssen.144 Für vulnerable Personen, die sich aufgrund der Regelung in Art. 20 Loi n82020473 in Kurzarbeit befinden, verweist diese Norm auf Art. L.5122-1 Code du travail, der im zweiten Absatz eine anteilige, durch den Arbeitgeber auszuzahlende Entschädigung zugunsten des Arbeitnehmers vorsieht.145 Insbesondere hinsichtlich der 139

Art. 1 28 Décret n82020-1365 v. 10. 11. 2020. Art. 1 I 28 Décret n82021-1162 v. 8. 9. 2021. 141 Art. 1 III Décret n82021-1162 v. 8. 9. 2021. 142 Art. 1 I Décet n82021-1162 v. 8. 9. 2021; Art. 2 Décret n82020-1365 v. 10. 11. 2020; Art. 2, 3 Décret n82020-1098 v. 29. 8. 2020. 143 Art. 1 I Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021. 144 Es fand zunächst die Regelung des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 Anwendung, die einen Anspruch auf Krankengeld vorsah. In Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021, das erstgenanntes Dekret ablöste, ist die Anspruchsberechtigung von vulnerablen Personen, die nicht von Kurzarbeit profitieren konnten, explizit vorgesehen. Zu den Konditionen der finanziellen Leistungen siehe ausführlich Gliederungspunkt F. II. 2. 145 Die Höhe der Entschädigung regelt Art. R.5122-18 Code du travail. Demnach erhält der Arbeitnehmer grundsätzlich 60 % seiner Bruttostundenvergütung für jede ausgefallene Ar140

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B. Arbeits- und Vergütungspflicht vor und während der Pandemie

Höhe des Anspruchs gelten hier Sonderkonditionen für Angehörige der Risikogruppe.146 Der Arbeitgeber wiederum kann Erstattungsansprüche gegenüber dem Staat und der Unédic147 geltend machen.148 Für Personen, die nicht der Risikogruppe angehören, stellt die Pandemie und die mit ihr einhergehende Ansteckungsgefahr jedoch wie gesehen noch keinen Grund dar, der einen Ausfall der Arbeitsleistung rechtfertigen könnte. Erfolgt dennoch eine Arbeitsweigerung, ist diese unberechtigt und aus den oben geschilderten Grundsätzen muss ein Fortfall des Vergütungsanspruchs folgen.149 Selbst bei pandemiebedingter Beeinträchtigung der notwendigen Transportmittel oder allgemeiner Ausgangssperre würde nichts anderes gelten: Die force majeure befreit zwar von der Arbeits-, im Gegenzug jedoch mangels ersichtlicher, abweichender Regelung auch von der Vergütungspflicht.150 4. Zwischenergebnis Ein Arbeitsvertrag zeichnet sich nach französischem Recht durch drei zwingende Elemente aus: Die Arbeitsleistung, die Vergütung sowie das Subordinationsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Zwei der zentralen, vertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers (die Arbeitsleistung) und des Arbeitgebers (die Vergütung) sind damit bereits angesprochen. Daneben ist eine Pflicht des Arbeitgebers anerkannt, den Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen. Kommt er dem nicht

beitsstunde. Bei der Berechnung des Anspruchs wird jedoch maximal eine Stundenvergütung zugrunde gelegt, die dem 4,5-fachen des branchenübergreifenden Mindestlohns entspricht, siehe ebenda Abs. 2. 146 Nach Art. 9 Décret n82020-1786 v. 30. 12. 2020 i. d. F. v. 29. 12. 2021 beträgt das Kurzarbeitsgeld für vulnerable Personen 70 % der Bruttostundenvergütung pro Arbeitsstunde, wiederum gedeckelt durch die maximale Berücksichtigung von einem Stundenlohn in Höhe des 4,5-fachen des branchenübergreifenden Mindestlohns. 147 Bei der Union nationale interprofessionnelle pour l’emploi dans l’industrie et le Commerce handelt es sich um die in Art. 5122-1 II Code du travail angesprochene Verwaltungsstelle des Arbeitslosenversicherungssystems. 148 Nach Art. D.5122-13 Code du travail beträgt die Höhe der Erstattung grundsätzlich lediglich 36 % des geschuldeten Anteils der Bruttostundenvergütung. Auch hier gelten jedoch Sonderkonditionen für vulnerable Personen, die aufgrund der Pandemie in Kurzarbeit sind: Nach Art. 9 II Décret n82020-1786 v. 30. 12. 2020 i. d. F. v. 29. 12. 2021 beträgt die Erstattung 70 % des Bruttostundenlohns, unter berücksichtigen der genannten Höchstgrenze, und entspricht somit dem, was der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer auszuzahlen hat. In der Ursprungsfassung des Dekrets war noch eine Erstattung in Höhe von 60 % vorgesehen, sodass ein Teil des Kostenrisikos auf den Arbeitgeber zurückfiel. 149 Siehe zum Grundsatz pas de travail, pas de salaire ausführlich Gliederungspunkt B. II. 1. Bei ungerechtfertigtem Fernbleiben vom Arbeitsplatz drohen weiterhin arbeitsrechtliche Sanktionen bis hin zur Kündigung, siehe Lahalle, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-1 Rn. 142. 150 Vgl. allgemein Marié, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 98.

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nach, muss er den Arbeitnehmer gleichwohl vergüten, obwohl er keine Arbeitsleistung erhält. Abgesehen vom Fall der Nichtbeschäftigung gilt jedoch grundsätzlich, dass bei Ausbleiben der Arbeitsleistung auch kein Anspruch auf den Arbeitslohn besteht. Herleiten lässt sich dies aus vertragsrechtlichen Grundsätzen, namentlich dem synallagmatischen Zusammenhang von Arbeit und Lohn. Für Fälle des gerechtfertigten Arbeitsausfalls stellt die arbeitsrechtliche Literatur zur Begründung jedoch in erster Linie auf die Rechtsfigur der suspension du contrat ab. Über deren genaue Einordnung in das (Arbeits-)Vertragsrecht besteht keine Einigkeit. Für die im Rahmen der vorliegenden Arbeit relevanten Fallgruppen genügt jedoch die Kenntnis des wesentlichen Effekts der Rechtsfigur: Die Suspendierung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten. Allerdings unterscheiden sich die Folgen der Suspendierung insbesondere im Hinblick auf das Vergütungsrisiko erheblich, je nachdem, welche Ursache ihr zugrunde liegt. So ist der Arbeitgeber zuweilen verpflichtet, trotz Ausbleibens der Arbeitsleistung auch über die Fälle der ihm anzulastenden Nichtbeschäftigung hinaus den Arbeitnehmer zu vergüten. In bestimmten Fällen sind auch Ansprüche des Arbeitnehmers gegen Sozialversicherungsträger zum Zwecke seiner finanziellen Absicherung vorgesehen. Während die Coronapandemie einzelne Aspekte des Begriffs höherer Gewalt erfüllt, steht sie der Arbeitsleistung nicht schon grundsätzlich entgegen, was jedoch eine Voraussetzung für die Leistungsbefreiung nach Art. 1218 Code Civil ist. Eine solche würde im Pandemiekontext in Betracht kommen, wenn Einschränkungen des öffentlichen Verkehrs oder gesetzliche Regelungen den Arbeitnehmer daran hindern würden, den Betrieb zu erreichen – derartige Umstände sind jedoch soweit ersichtlich im Rahmen der Coronapandemie nicht eingetreten. Die erhöhte Ansteckungsgefahr allein genügt auch nicht, um ein gefährdungsbedingtes Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers zu begründen. Verweigert ein Arbeitnehmer gleichwohl die Arbeitsleistung aus Sorge vor Infektion, so führt dies – neben möglichen arbeitsvertraglichen Sanktionen – zum Fortfall des Vergütungsanspruchs. Nichts anderes würde mangels abweichender Regelung für einen Fall gelten, in dem ein Vorliegen höherer Gewalt anzuerkennen wäre. Der Arbeitnehmer trägt das Vergütungsrisiko. Handelt es sich bei dem Arbeitnehmer jedoch um eine vulnerable Person, wie sie zu Beginn der Pandemie vom Haut conseil de la santé publique und später gesetzlich definiert wurde, so kann er von seiner Arbeitspflicht befreit werden. Möglich ist dies im Wege einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes und, ab Mai 2020 vorrangig, im Wege der Kurzarbeit. In beiden Fällen ist dem Arbeitnehmer das Kostenrisiko des Arbeitsausfalls jedenfalls teilweise genommen: Bei Befreiung von der Arbeitspflicht aufgrund einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann er Leistungen aus dem System der Krankenversicherung erhalten, deren Konditionen und Umfang im weiteren Verlaufe dieser Arbeit noch ausführlich beleuchtet werden. Im Falle der Kurzarbeit hat er Anspruch auf Kurzarbeitergeld zu im Vergleich zum Normalfall günstigeren Konditionen. Das Kurzarbeitergeld wird

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B. Arbeits- und Vergütungspflicht vor und während der Pandemie

durch den Arbeitgeber ausgezahlt, der seinerseits Erstattungsansprüche gegen den Staat und die Verwaltung des Arbeitslosenversicherungssystems geltend machen kann.

III. Ein erster Vergleich der deutschen und französischen Rechtslage Hinsichtlich des Verhältnisses der arbeitsvertraglichen Leistungen zueinander gelangt man in beiden Vergleichsstaaten zu demselben Ergebnis – Ohne Arbeit kein Lohn, pas de travail, pas de salaire. Die Begründungen mögen im Detail voneinander abweichen, doch der Ausgangspunkt, die Prinzipien der Gegenseitigkeit der Leistung sind dieselben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass man sich in beiden Staaten die Frage nach dem synallagmatischen Gegenstück des Arbeitslohns stellt, insbesondere im Hinblick auf Fälle, in denen der Arbeitgeber seiner Beschäftigungspflicht nicht nachkommt. Die auch dem deutschen Recht nicht unbekannte, heute aber mehrheitlich abgelehnte These, nach der bereits das Bereithalten der Arbeitsleistung die Erfüllung der Leistungspflicht darstellt, scheint im französischen Recht eine größere Zahl von Anhängern gefunden zu haben. Im Ergebnis, dem Aufrechterhalten des Vergütungsanspruchs, ist man sich jedoch auch hier einig. 1. Die unterschiedliche Herleitung derselben Regel Wo das deutsche Recht mit dem an die Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB anknüpfenden Entfallen der Gegenleistungspflicht nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB die einzelnen Schritte genau normiert, beruft man sich in Frankreich gerade im Hinblick auf das ungerechtfertigte Ausbleiben der Arbeitsleistung ganz allgemein auf die synallagmatische Verknüpfung der Leistungen oder auch die exception d’inexécution, die der Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 320 BGB vergleichbar ist151. Bei gerechtfertigter Verhinderung wird zumeist die Figur der suspension du contrat herangezogen. Diese Abweichungen im Detail liegen nicht zuletzt darin begründet, dass die Unmöglichkeit im französischen Zivil- und Arbeitsrecht keine vergleichbare Regelung erfahren hat. Seit der Schuldrechtsreform im Jahr 2016 hat sie zwar einen Platz im Code Civil, namentlich in Art. 1351 – dort geregelt ist jedoch nur die Leistungsbefreiung in Folge derjenigen Unmöglichkeit, die auf einem Ereignis höherer Gewalt beruht. Andere Arten der Unmöglichkeit, die nicht Folge unerwarteter, außerhalb der Kontrolle des Schuldners liegender Ereignisse sind, bleiben ungeregelt.152 Die suspension du contrat, die im Arbeitsrecht entweder autonome 151

Zu letzterem auch Cauvin, Das Leistungsstörungsrecht des französischen Code civil nach der Vertragsrechtsreform 2016, 2020, S. 231. 152 Ancel, in: Mélanges à l’honneur du Professeur Claude Witz, 2018, S. 25 (27) bezeichnet dies als eine Art toten Winkel, als Blackbox, die sich niemand zu öffnen traut („(…) l’im-

III. Ein erster Vergleich der deutschen und französischen Rechtslage

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Rechtsfigur oder erweiterter, arbeitsrechtlich geprägter Begriff der force majeure sein soll, ist insoweit Hilfsmittel, um auch außerhalb höherer Gewalt liegende Fälle des gerechtfertigten Arbeitsausfalls abzudecken. Im deutschen Recht verbindet man keine vergleichbare Bedeutung mit dem Begriff der Suspendierung von Leistungspflichten oder eines Vertrags.153 Während die deutsche Lösung über §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 S. 1 BGB dem französischen Juristen laut Ancel als „besonderer Zauberspruch“ und darüber hinaus zunächst als „unnötig kompliziert“ erscheinen mag, so zeigt sie sich im direkten Vergleich doch als ausgesprochen klar und stringent.154 Dass man gedanklich dennoch nah beieinander ist, zeigt nicht zuletzt ein Rückblick auf die Ausführungen Söllners aus einer Zeit, in der die Folgen der Unmöglichkeit in §§ 323, 324 BGB a. F. weniger umfassend geregelt waren, beschränkt auf die Fälle der von keiner Seite oder vom Gläubiger zu vertretenen Unmöglichkeit. Er wollte die Regel „Ohne Arbeit kein Lohn“ ganz allgemein als Ausdruck des synallagmatischen Zusammenhangs von Arbeitsleistung und Vergütung im Sinne der §§ 320 ff. BGB verstanden wissen155 – in der Begründung mithin deckungsgleich mit den französischen Autoren, die sich ebenfalls schlicht auf das vertragliche Synallagma berufen156. Insgesamt ist die Regel-Ausnahme-Systematik, nach der grundsätzlich der Lohnanspruch entfällt, wenn die Arbeitsleistung ausbleibt, außer wenn Ausnahmen eingreifen, vergleichbar und kann daher beiderseits den Ausgangspunkt für die Betrachtung der Besonderheiten in Zeiten der Pandemie bieten. 2. „Ohne Arbeit kein Lohn“ in Zeiten der Pandemie In beiden Vergleichsstaaten ändert die Pandemie als solche nichts am Fortbestand der Arbeitspflicht. Erst wenn weitere Umstände hinzuträten, die das Erbringen der Arbeitsleistung tatsächlich verhinderten – etwa Ausgangssperren oder Ausfälle im possibilité d’éxécution non constitutive de force majeure (donc imputable au débiteur) constitue une sorte d’angle mort, une boîte noire que personne ne songe apparement à ouvrier“). 153 Yamaguchi, La théorie de la suspension du contrat de travail, 1963, S. 10: „Si les termes de ,Arbeitsaussetzung (interruption du travail)‘ ou, récemment ,Suspendierung‘ ou ,Suspension‘ sont utilisés dans les ouvrages de doctrine en droit du travail, les auteurs n’entendent aucunement par là une notion juridique précise“ (frei übersetzt: Wenn die Begriffe Arbeitsaussetzung oder Suspendierung in arbeitsrechtlichen Werken verwendet werden, dann meinen die Autoren damit keinen präzisen juristischen Begriff). 154 Siehe Ancel, in: Mélanges à l’honneur du Professeur Claude Witz, 2018, S. 25 (26 f. und 35 f.), der sich schließlich für die deutsche Lösung und eine Übertragung in das französische Recht ausspricht. 155 Söllner, AcP 1967, 132 (136). 156 Siehe etwa Cass. Soc. v. 11. 1. 1962, Bull. Civ., IV, n851; Camerlynck, Le contrat de travail, 2. Ed. 1982, Rn. 44, 241; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 360; Gauthier, La rémunération du travail salarié, 2016, S. 136; Marié, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 97; Cesaro, JCP S 2008, 1466; Collet-Thiry, Le Droit Ouvrier 2014, 565 (570); Tantaroudas, Dr. Soc. 1978, 223 (224).

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B. Arbeits- und Vergütungspflicht vor und während der Pandemie

ÖPNV – könnte die Arbeitspflicht erlöschen, in Deutschland auf Grundlage des § 275 Abs. 1 BGB, in Frankreich als Folge der force majeure. Ein ungerechtfertigtes Fernbleiben aus Angst vor Infektion führt in beiden Staaten zum Verlust des Vergütungsanspruchs. Gleiches gilt bei Realisierung des Wegerisikos, welches in Frankreich zwar nicht ausdrücklich so bezeichnet wird, für das dort aber mangels abweichender Regelung der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ gilt. Deutliche Abweichungen zeigen sich beim Umgang mit Arbeitnehmern, bei denen ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung besteht. In Deutschland wurde insoweit keine besondere, gesetzliche Regelung geschaffen. Allerdings war dies im Sinne des Gesundheitsschutzes auch nicht zwingend notwendig, da eine Lösung über die Leistungsbefreiung wegen Unzumutbarkeit nach § 275 Abs. 3 BGB möglich ist. An dieser Stelle ist indes eine genaue Betrachtung des Einzelfalls erforderlich und die Unzumutbarkeit letztlich der Ausnahmefall. Und selbst, wenn die Einrede bestehen und erhoben werden sollte, entfällt regelmäßig der Vergütungsanspruch. In Frankreich hingegen hat man zu Beginn der Pandemie Sonderregelungen für Risikogruppen geschaffen. Hier wurden zunächst allein über eine Anwendung der Regelungen zur Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, später vorrangig durch diejenigen der Kurzarbeit die Möglichkeiten vorgesehen, von der Arbeitspflicht befreit zu werden und eine finanzielle Absicherung durch einen anteiligen Ausgleich des Vergütungsverlusts zu erhalten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Fortsetzung der Tätigkeit unmöglich ist. Dies wurde schon früh für Fälle ausgeschlossen, in denen ein angemessener Schutz durch Hygienevorkehrungen im Betrieb gewährleistet werden kann. Weiterhin wurde der Kreis der Betroffenen im weiteren Verlauf noch enger definiert, sodass inzwischen in erster Linie Arbeitnehmer mit Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Virenexposition zu befürchten ist, und solche, bei denen eine medizinische Kontraindikation gegen die COVID-19-Impfung besteht, von den Sonderregeln profitieren können. Während im französischen Recht zunächst auch die Zugehörigkeit von Angehörigen des Arbeitnehmers zur Risikogruppe für ein Auslösen der Sonderregelungen für die personnes vulnérables ausreichte und in der deutschen Rechtsprechung eine vergleichbare Einordnung eher abgelehnt wurde157, schieden die Personen, die nicht selbst an gesundheitlichen Einschränkungen litten, auch in Frankreich zum September 2020 aus dem Anwendungsbereich der Sonderregelungen aus. Diese Einschränkungen verringern die Diskrepanz zwischen dem Umgang mit Angehörigen der Risikogruppe nach deutschem und französischem Recht. Das gilt allerdings in erster Linie im Hinblick auf die Arbeitspflicht. Sollte die Zugehörigkeit zur Risikogruppe der Arbeitsleistung entgegenstehen, ist das Vergütungsrisiko im weiteren Sinne158 dem Arbeitnehmer in Frankreich aufgrund pandemiespezifischer 157

VG Düsseldorf, Beschl. v. 6. 10. 2020 – 10 L 1954/20, COVuR 2020, 887 (888). Auch im französischen Recht entfällt der Anspruch auf Arbeitslohn i. e. S., der Arbeitnehmer erhält vielmehr eine indemnité d’activité partielle, frei übersetzt eine Entschädigung für die Kurzarbeit. 158

III. Ein erster Vergleich der deutschen und französischen Rechtslage

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Sonderregelungen159 jedenfalls anteilig genommen, während er es in Deutschland vollständig trägt. Schon an dieser Stelle lässt sich ein grundlegender Unterschied in der Herangehensweise der Vergleichsstaaten bei der Pandemiebewältigung im Arbeitsrecht erkennen: Während der deutsche Gesetzgeber weitgehend auf bestehende Normen und Grundsätze zurückgreift, wurden in Frankreich Ausnahmefälle und Sonderregelungen gesetzlich vorgesehen, um die neuen Sachverhalte zu lösen.

159 Sowohl der Anspruch auf Krankentagegeld als auch derjenige auf Kurzarbeitergeld beruhen auf den Erweiterungen der Anspruchsberechtigung in Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020, Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 und Art. 20 Loi n82020-473.

C. Die Pandemie am Arbeitsplatz – Arbeitsschutzrechtliche Aspekte der Fortsetzung der Tätigkeit im Betrieb Auch wenn die Tätigkeit weiterhin regulär in der Betriebsstätte ausgeübt wird, muss auf die Pandemielage reagiert und die sich aus ihr ergebenden, drängenden Fragen müssen beantwortet werden. Aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr des SARS-CoV-2-Virus besteht für Arbeitnehmer in der Betriebsstätte, wo sie mit Kollegen und Kunden in Kontakt treten können, ein erhöhtes Infektionsrisiko.1 Aus diesem Grunde bestehen spezielle Schutz-, Verhaltens- und Informationspflichten beider Arbeitsvertragsparteien. Diese Pflichten wiederum haben nicht nur Auswirkungen auf das „Wie“ der Arbeitsleistung, sondern können auch das „Ob“ der Durchführung beeinflussen – namentlich dann, wenn ein hinreichendes Schutzniveau nicht gewährleistet wird oder gewährleistet werden kann. Ohne dass die im Lichte der Pandemie im Einzelnen zu ergreifenden Maßnahmen im Folgenden im Detail nachgezeichnet werden könnten – diese hängen von den Umständen des Einzelfalls ab und unterliegen mit dem Verlaufe der Pandemie außerdem einer stetigen Fortentwicklung –, sollen die Grundlagen des betrieblichen Infektionsschutzes als Frage des Arbeits(schutz)rechts im Überblick behandelt und einer vergleichenden Betrachtung unterzogen werden.

I. Deutschland 1. Arbeitsschutzverpflichtung des Arbeitgebers in Zeiten der Pandemie Schon unter gewöhnlichen Umständen trifft den Arbeitgeber die Pflicht, den Arbeitnehmer vor Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu bewahren.2 Diese findet ihre Grundlagen sowohl im öffentlichen Arbeitsschutzrecht als auch im Privatrecht des Arbeitsverhältnisses selbst.3 In Zeiten der Pandemie gewinnen diese Pflichten noch an Bedeutung und sind weit 1 Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475); siehe auch Buda/Heiden/ Altmann/Diercke/Hamouda/Rexroth, Epid Bull 38/2020, S. 3 ff., die die Zahl der Infektionen am Arbeitsplatz statistisch belegen. 2 Vgl. Sander/Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347; Schmidt/Novara, DB 2009, 1817; Weber, ARP 2020, 120. 3 Vgl. Koenen/Lehnart, BB 2020, 1525; Kollmer, ARP 2020, 242; Seiwerth/Witschen, NZA 2020, 825 (826 f.); von Steinau-Steinrück/Jöris, NJW-Spezial 2020, 370; dies., NZA 2020, 1368.

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stärker ausgeprägt.4 Ursprung und Umfang der Arbeitsschutzverpflichtung des Arbeitgebers, korrespondierende Pflichten des Arbeitnehmers sowie die Bedeutung des Arbeitsschutzrechts für die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten werden nachfolgend mit besonderem Blick auf pandemiebedingte Spezifika untersucht. a) Privatrechtliche Grundlagen: Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Bestandteil jedes Vertragsverhältnisses ist die Pflicht, die Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils zu berücksichtigen, §§ 241 Abs. 1, 242 BGB.5 Während eine Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsverhältnis schon vor der Schuldrechtsmodernisierung anerkannt war und ursprünglich auf die Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis zurückgeführt wurde6, hält man einen solchen Rückgriff auf Besonderheiten des Arbeitsvertrags heute überwiegend für überflüssig – die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist nichts anderes als die jedem Vertrag innewohnende Rücksichtnahmepflicht.7 Speziell für Dienstverhältnisse wird diese allgemeine Pflicht durch die Norm des § 618 BGB konkretisiert8: Hiernach hat der Dienstberechtigte Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Der Arbeitgeber ist allerdings nicht verpflichtet, jegliche Gesundheitsrisiken auszuschließen und einen absoluten Schutz zu schaffen, sondern er muss vielmehr das tun, was ihm zumutbar und möglich ist.9 Dies folgt bereits aus der 4

Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 20; Sander/Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347. 5 BeckOK BGB/Sutschet, 61. Ed. (Stand: 1. 2. 2022), § 241 Rn. 42; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 615; MüKoBGB/Bachmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 50; Staudinger/ Olzen, Neubearb. 2019, § 241 BGB Rn. 421; siehe im Kontext des Arbeitsschutzes auch Falter, BB 2009, 1974 (1975); Koenen/Lehnart, BB 2020, 1525; Weber, ARP 2020, 120. 6 So Hueck/Nipperdey/Hueck, I, 7. Aufl. 1963, S. 390; differenzierend Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, 1966, S. 37, 57; zur rechtshistorischen Entwicklung ausführlich Richardi, in: Tomandl, Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht, 1975, S. 41 ff. 7 In diesem Sinne BAG, Urt. v. 14. 12. 2010 – 9 AZR 631/09, NZA 2011, 569 (570); Urt. v. 24. 9. 2009 – 8 AZR 444/08, NZA 2010, 337 (338); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 616; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1752; wohl auch MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 900. 8 BAG, Urt. v. 17. 2. 1998 – 9 AZR 130/97, AP BGB § 618 Nr. 27; Urt. v. 10. 3. 1976 – 5 AZR 34/75, AP BGB § 618 Nr. 17; BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 618 BGB Rn. 2; ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 1; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 10; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 Rn. 1; Falter, BB 2009, 1974 (1976); Koenen/Lehnart, BB 2020, 1525; Kort, NZA 1996, 854; Weber, ARP 2020, 120. 9 Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Überblick Vor § 1 Rn. 144; Weber, ARP 2020, 120; vgl. auch BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 618

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

einschränkenden Formulierung des § 618 BGB, der den Arbeitgeber nur insoweit zum Schutz verpflichtet, „als die Natur der Dienstleistung es gestattet“.10 Im Hinblick auf Gefahren durch ansteckende Krankheiten bedeutet das, dass der Arbeitgeber bei Fortsetzung der Tätigkeit Vorkehrungen schaffen muss, um das Ansteckungsrisiko für die Arbeitnehmer möglichst gering zu halten.11 Der genaue Umfang dieser Verpflichtung ist – für den Pandemiefall und außerhalb dessen – privatrechtlich nicht geregelt und allgemeingültig wohl auch nicht regelbar. Insoweit erlangen jedoch die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften Bedeutung: Sie konkretisieren die Norm des § 618 BGB und geben einen Mindeststandard dessen vor, was der Dienst- bzw. Arbeitgeber privatrechtlich gegenüber seinen Verpflichteten schuldet.12 b) Die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzrechts in Zeiten der Pandemie Dieser systematische Zusammenhang mit den privatrechtlichen Schutzpflichten des Arbeitgebers begründet damit eine Doppelwirkung des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzrechts13 : Wonach der Arbeitgeber im Arbeitsschutz gegenüber dem BGB Rn. 29 f.; ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 13; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 20; Falter, BB 2009, 1974 (1978); Kleinebrink, ArbRB 2020, 377 f.; Kollmer, ARP 2020, 242 (245). 10 Vgl. zu dieser Grenze auch BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 618 BGB Rn. 29; ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 13; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 20; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 Rn. 60; Falter, BB 2009, 1974 (1978); Weber, ARP 2020, 120. 11 BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424); BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 618 BGB Rn. 24; ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 11; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 25; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 Rn. 50; Tschöpe/Ritz, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 6. Teil B Rn. 27; Falter, BB 2009, 1974 (1977); Bittner, ZESAR 2021, 18 (22); Kleinebrink, ArbRB 2020, 377; Seiwerth/Witschen, NZA 2020, 825 (825 f.); Sievers, jM 2020, 189 (200); Weber, ARP 2020, 120 (120 f.); Wilrich, NZA 2020, 634 (635). Im Hinblick auf AIDS-Erkrankungen etwa Eich, NZA-Beil. 1987, 10 (14); Lichtenberg/Schücking, NZA 1990, 41; Richardi, NZA 1988, 73 (78). 12 BAG, Urt. v. 19. 5. 2009 – 9 AZR 241/08, NZA 2009, 775 (776); BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 618 BGB Rn. 3; Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Überblick Vor § 1 Rn. 98; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 20; Falter, BB 2009, 1974 (1975); Seiwerth/ Witschen, NZA 2020, 825 (827); von Steinau-Steinrück/Jöris, NJW-Spezial 2020, 370; dies., NZA 2020, 1368; anders MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 BGB Rn. 62, der von einer Obergrenze spricht. 13 BAG, Urt. v. 19. 5. 2009 – 9 AZR 241/08, NZA 2009, 775 (776); ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 2; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 6; Kollmer/Klindt/ Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Überblick Vor § 1 Rn. 98; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 1; MHdbArbR/Reichold, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 5; MüKoBGB/ Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 Rn. 9; Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (330); Sagan/ Brockfeld, NZA-Beil. 2020, 17 (22); Seiwerth/Witschen, NZA 2020, 825 (827).

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Staat verpflichtet ist, darauf hat auch der Arbeitnehmer einen Anspruch.14 Das gilt einschränkend allerdings nur dann, wenn die öffentlich-rechtliche Norm zumindest auch den Schutz des Individuums bezweckt.15 Während die zentralen Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG), das der Umsetzung der europäischen Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie dient,16 noch weitgehend allgemein gehalten sind17, folgen konkrete Vorgaben zu Einzelfragen etwa aus den auf Grundlage der §§ 18, 19 ArbSchG erlassenen Verordnungen18 oder untergesetzlich festgelegten Standards sachverständiger Gremien19. Die über die allgemeinen Vorgaben des ArbSchG hinaus bestehenden und im Rahmen der Coronapandemie zu berücksichtigenden Regelwerke sind zahlreich: Auf das erhöhte Gesundheitsrisiko während der Coronapandemie reagierte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 20. 4. 2020 mit der Veröffentlichung des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards, der Leitlinien für angemessene Arbeitsschutzmaßnahmen enthält.20 Hieran schloss sich am 10. 8. 2020 die Bekanntmachung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel an, welche ihrerseits den genannten Arbeitsschutzstandard konkretisiert.21 Daneben kann die SARS-CoV-2Leitlinie den Arbeitgebern als Orientierung dienen.22 Da es sich bei dem Coronavirus als Mikroorganismus um einen Biostoff i. S. d. Biostoffverordnung handelt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BioStoffV), sind auch deren Vorgaben zu berücksichtigen, soweit die Arbeitnehmer durch ihre Tätigkeit mit dem Virus in Kontakt treten.23 Im Januar 2021 14 Vgl. ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 4; Hohenstatt/Sittard/Bertke/Reinbach, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, VIII 2; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 17; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 20; Landmann/Rohmer/Kollmer, 86. EL (Stand: Februar 2021), Einführung Rn. 22; Falter, BB 2009, 1974 (1976); Koenen/Lehnart, BB 2020, 1525; Kort, NZA 1996, 854; Seiwerth/Witschen, NZA 2020, 825 (827); von Steinau-Steinrück/Jöris, NJW-Spezial 2020, 370; dies., NZA 2020, 1368. 15 ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 4; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 6; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 14; Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (330). 16 BT-Drucks. 13/3540, S. 1. 17 Vgl. Sagan/Brockfeld, NZA-Beil. 2020, 17. 18 Zur Konkretisierungsfunktion der Verordnungen BeckOK ArbSchR/Kanzenbach, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 3 ArbSchG Rn. 32; Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 18 Rn. 4; von Steinau-Steinrück/Jöris, NJW-Spezial 2020, 370; zur zentralen Bedeutung der Verordnungen auch MHdbArbR/Kohte, 5. Aufl. 2021, § 174 Rn. 4. 19 Seiwerth/Witschen, NZA 2020, 825 (826). 20 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard, Bekanntmachung v. 20. 4. 2020, GMBl. 16/2020, S. 303. 21 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, Bekanntmachung v. 10. 8. 2020, GMBl. 24/2020, S. 484, dort Ziffer 1 (1). Aktuelle Fassung v. 24. 11. 2021, GMBl. 61/2021, S. 1331. 22 BeckOK ArbSchR/Winkelmüller/Gabriel, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 1 ArbSchG Rn. 96. 23 Vgl. BeckOK ArbSchR/Felten, 4. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 1 BioStoffV Rn. 9; Kiesche/ Kohte, Arbeits- und Gesundheitsschutz, 2. Aufl. 2020, S. 31 ff.; Bittner, ZESAR 2021, 18 (19,

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

trat schließlich die Coronaarbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) in Kraft.24 Ergänzt wird das staatliche Arbeitsschutzrecht weiterhin durch die Vorschriften der Unfallversicherungsträger.25 Nach § 15 Abs. 1 S. 1 SGB VII handelt es sich um autonomes Recht. Im Lichte der Pandemie haben die Unfallversicherungsträger branchenspezifische Arbeitsschutzstandards entwickelt.26 Diese bleiben in der nachfolgenden Untersuchung aufgrund ihrer Spezialität allerdings außer Betracht. Stattdessen wird der Fokus auf die alle Arbeitgeber treffenden, allgemeinen Pflichten insbesondere nach § 3 ArbSchG (i. V. m. § 618 BGB) sowie die Frage der Auswirkungen des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards, der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel sowie der Corona-ArbSchV auf eben diese Pflichten gelegt. aa) Die zentralen Pflichten des Arbeitgebers auf Basis des ArbSchG Nach der Generalklausel des § 3 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände zu treffen. Welche die erforderlichen Maßnahmen sind, ist unter Berücksichtigung der in § 4 ArbSchG genannten allgemeinen Grundsätze anhand einer Gefährdungsbeurteilung gem. § 5 ArbSchG zu ermitteln.27 Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – der Arbeitgeber ist daher nicht zu sämtlichen denkbaren Schutzmaßnahmen verpflichtet.28 Auch das öffentliche Arbeitsschutzrecht geht nicht davon aus, gesundheitliche Risiken für die Arbeitnehmer könnten vollständig ausgeschlossen werden.29 Das geht schon aus § 4 Nr. 1 ArbSchG hervor: Danach ist die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird – ausgeschlossen wird eine verbleibende Gefährdung jedoch nicht.30 Für den betrieblichen Infektionsschutz in Zeiten der Pandemie heißt das: Der Arbeitgeber mag nach § 618 BGB i. V. m. § 3 ArbSchG 22); Grüneberg, ARP 2020, 111; Jäckel/Köchling, ARP 2020, 197 (198); Sievers, jM 2020, 189 (200); von Steinau-Steinrück/Jöris, NJW-Spezial 2020, 370 (371). 24 BAnz AT v. 22. 1. 2021 V1. 25 MHdbArbR/Kohte, 5. Aufl. 2021, § 174 Rn. 7; Kleinebrink, ArbRB 2020, 377 (379). 26 Siehe etwa SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard für das Baugewerbe, abrufbar unter https://www.bgbau.de/service/angebote/medien-center-suche/medium/sars-cov-2-arbeitsschutz standard-fuer-das-baugewerbe/ (letzter Abruf: 19. 5. 2022) oder die Arbeitsschutzstandards der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, abrufbar unter https://www. bgw-online.de/bgw-online-de/corona-navigationsebene/coronavirus-arbeitsschutzstandards (letzter Abruf: 19. 5. 2022). 27 Vgl. BeckOK ArbSchR/Kanzenbach, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 3 ArbSchG Rn. 58; Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 3 Rn. 26. Hierbei ist bei fehlender Sachkenntnis des Arbeitgebers die Unterstützung des Betriebsarzts oder der Fachkräfte für Arbeitssicherheit in Anspruch zu nehmen, Aligbe, ArbRAktuell 2012, 524 (525). 28 ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 3 ArbSchG Rn. 2; Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 3 Rn. 20; von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1370). 29 MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 20. 30 Vgl. auch von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1370).

I. Deutschland

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verpflichtet sein, die Infektionsgefahr bei Ausübung der jeweiligen Tätigkeit bestmöglich einzudämmen, die Arbeitnehmer haben aber dennoch keinen Anspruch auf Gewährleistung einer Tätigkeit frei von jeglichem Ansteckungsrisiko.31 Klar ist, dass der Arbeitgeber die dynamische Pandemielage und die sich stetig fortentwickelnden wissenschaftlichen Erkenntnisse im Blick behalten und hierauf angemessen reagieren muss, siehe schon § 3 Abs. 1 S. 2 ArbSchG. Insoweit kann auch die Berücksichtigung der Empfehlungen des Robert Koch Instituts geboten sein.32 Neben der allgemeinen Arbeits- und Gesundheitsschutzpflicht treffen den Arbeitgeber insbesondere Aufklärungs- und Informationspflichten nach Maßgabe des § 12 ArbSchG. Die Aufklärung soll die Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, selbst den Anforderungen des Arbeitsschutzes genügen zu können.33 bb) Auswirkungen des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards und der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel auf die Schutzpflichten des Arbeitgebers Der zuerst veröffentlichte SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard enthielt in seiner Ursprungsfassung zahlreiche Vorgaben zum Umgang mit der Coronapandemie am Arbeitsplatz, wobei insbesondere das Erfordernis der Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 m, das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen, wo das Abstandhalten nicht möglich ist, sowie die Entfernung von Personen mit Atemwegssymptomen aus dem Betrieb im Vordergrund standen.34 Daneben sah das Regelwerk verschiedene technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen vor, um dem Infektionsrisiko zu begegnen, die in dieser Reihenfolge in Betracht zu ziehen waren (TOP-Prinzip).35 In einer überarbeiteten Fassung des Arbeitsschutzstandards mit Stand vom 22. 2. 2021 waren konkrete Angaben zu einzelnen Maßnahmen nicht mehr enthalten.36 Ungeachtet dessen ist fraglich, inwieweit aus dem Arbeitsschutzstandard Verpflichtungen des Arbeitgebers hergeleitet werden können. Einigkeit besteht dahingehend, dass es sich nicht um eine Rechtsnorm handelt; die Bundesregierung hat bei 31 So i. E. auch VG Schleswig, Beschl. v. 18. 8. 2020 – 12 B 45/20, BeckRS 2020, 22768 (Rn. 25); VG Frankfurt a. M., Beschl. v. 5. 5. 2020 – 9 L 1127/20.F, BeckRS 2020, 7892 (Rn. 25); HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 25; Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Überblick Vor § 1 Rn. 144; Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161; Weber, ARP 2020, 120; siehe auch von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1370). 32 Vgl. Tödtmann/v. Bockelmann/Tödtmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 268. 33 Kollmer/Klindt/Schucht/Klindt, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 12 Rn. 1; in Bezug auf Pandemien Falter, BB 2009, 1974 (1977); Weber, ARP 2020, 120 (121). 34 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard i. d. F. v. 20. 4. 2020, Ziffer II. 35 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard i. d. F. v. 20. 4. 2020, Ziffer II. 36 Siehe SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard, Bekanntmachung v. 29. 1. 2021, GMBl. 11/ 2021, S. 227.

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

Erlass des Regelwerks – anders als später mit der Corona-ArbSchV – nicht von der Verordnungsermächtigung des § 18 ArbSchG Gebrauch gemacht.37 Der Arbeitsschutzstandard lässt sich jedoch auch nicht eindeutig einer anderen Kategorie zuordnen und wird so zum Teil als „Soft Law“ bezeichnet, einer Kategorie „im Niemandsland zwischen verbindlichem Recht und einem rechtlichen nullum“.38 Einzelne Stimmen gehen zwar von einer zwingenden Umsetzungspflicht des Arbeitgebers aus.39 Überwiegend formuliert man jedoch zurückhaltender und betrachtet den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard nicht als unmittelbar rechtlich bindend, aber dennoch als zu berücksichtigende Maßgabe, wobei dem Arbeitgeber jedoch ein Umsetzungsspielraum verbleiben soll.40 Dem ist zuzustimmen. Nach § 4 Nr. 3 ArbSchG hat der Arbeitgeber bei den zu treffenden Arbeitsschutzmaßnahmen den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Jedenfalls als arbeitswissenschaftliche Erkenntnis lässt sich der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard einordnen.41 Der Arbeitgeber muss sich bei der Erfüllung seiner Pflicht, während der Pandemie für ein möglichst geringes Gesundheitsrisiko bei der Ausübung der Arbeitstätigkeit durch die Beschäftigten zu sorgen, daher mit den Vorgaben des Arbeitsschutzstandards auseinandersetzen, ohne jedoch zwangsläufig verpflichtet zu

37 BeckOK ArbSchR/Winkelmüller/Gabriel, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 1 ArbSchG Rn. 92; siehe auch BeckOK ArbSchR/Felz, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), CoVArbSchSt Rn. 4; Hohenstatt/Sittard/Bertke/Reinbach, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, VIII 2; Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Überblick vor § 1 Rn. 123; Schmidt/Felz, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 25 Rn. 21; Tschöpe/Ritz, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 6. Teil B Rn. 24; Bittner, ZESAR 2021, 18 (23); Hülsemann, ArbRAktuell 2020, 467 (468); Kleinebrink, ArbRB 2020, 377 (378); Koenen/Lehnart, BB 2020, 1525 (1526); MüllerBonanni/Bertke, NJW 2020, 1617; Sagan/Brockfeld, NZA-Beil. 2020, 17; Seiwerth/Witschen, NZA 2020, 825 (826); Wilrich, NZA 2020, 634; Winkelmüller, ARP 2020, 187 (189). 38 Sagan/Brockfeld, NZA-Beil. 2020, 17 (18). 39 von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368; dies., NJW-Spezial 2020, 370 (371); wohl auch Hülsemann, ArbRAktuell 2020, 476 (469). 40 So i. E. etwa BeckOK ArbSchR/Winkelmüller/Gabriel, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 1 ArbSchG Rn. 92 f.; Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Überblick vor § 1 Rn. 123; Bittner, ZESAR 2021, 18 (23); Kleinebrink, ArbRB 2020, 377 (378); Koenen/ Lehnart, BB 2020, 1525 (1526); Müller-Bonanni/Bertke, NJW 2020, 1617; Sagan/Brockfeld, NZA-Beil. 2020, 17; Seiwerth/Witschen, NZA 2020, 825 (826); Schwede, ArbRAktuell 2020, 220; Wilrich, NZA 2020, 634 (634 f.). 41 Hohenstatt/Sittard/Bertke/Reinbach, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, VIII 2; Tschöpe/Ritz, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 6. Teil B Rn. 25; Hülsemann, ArbRAktuell 2020, 467 (468); Koenen/Lehnart, BB 2020, 1525 (1526); Müller-Bonanni/Bertke, NJW 2020, 1617 (1618); Wilrich, NZA 2020, 634; kritisch Sagan/Brockfeld, NZA-Beil. 2020, 17 (17 f.), die den Arbeitsschutzstandard stattdessen als „sachverständige Äußerung“ einordnen; Seiwerth/ Witschen, NZA 2020, 825 (826). Als „Stand der Technik“ einordnend BeckOK ArbSchR/ Winkelmüller/Gabriel, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 1 ArbSchG Rn. 93; siehe auch BeckOK ArbSchR/Felz, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), CoVArbSchSt Rn. 4.

I. Deutschland

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sein, ihn in allen Einzelaspekten exakt umzusetzen; gleich geeignete, abweichende Maßnahmen sind möglich.42 Selbiges gilt im Ergebnis für die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel.43 Auch diese enthält nach dem TOP-Prinzip umzusetzende Maßnahmen zur Infektionsprävention, siehe dort Ziffer 4. Nach der Kürzung des Arbeitsschutzstandards um konkrete Einzelmaßnahmen bildet die Arbeitsschutzregel die wichtigste Leitlinie für den betrieblichen Arbeitsschutz.44 Das Instrument der Arbeitsschutzregel ist nicht neu, sondern bereits in § 18 Abs. 2 Nr. 5 ArbSchG vorgesehen – es handelt sich um durch eingesetzte Ausschüsse erarbeitete Regelwerke, welche den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene bzw. sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse oder Regeln zur Umsetzung von Rechtsverordnungen nach dem ArbSchG festlegen bzw. präzisieren. Hierdurch sind Arbeitgeber nicht strikt gebunden, müssen die Regeln aber wiederum gem. § 4 Nr. 3 ArbSchG berücksichtigen.45 Arbeitsschutzregeln bewirken eine Erleichterung für Arbeitgeber, indem sie eine Vermutungswirkung begründen: Sind die Voraussetzungen einer Arbeitsschutzregel erfüllt, begründet dies die Vermutung, dass die Anforderungen der entsprechenden, verbindlichen Rechtsnorm erfüllt sind.46 Diese Vermutungswirkung wird auch der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel zugesprochen.47

42 So i. E. auch Müller-Bonanni/Bertke, NJW 2020, 1617 (1618); Seiwerth/Witschen, NZA 2020, 825 (826); Wilrich, NZA 2020, 634. 43 Siehe BeckOK ArbSchR/Winkelmüller/Gabriel, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 1 ArbSchG Rn. 94 f.; BeckOK ArbSchR/Felz, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), CoVArbSchR Rn. 5; Kollmer/ Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Überblick vor § 1 Rn. 123a; Schmidt/Felz, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 25 Rn. 22; Tschöpe/Ritz, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 6. Teil B Rn. 26; Kleinebrink, ArbRB 2020, 377 (379); Sagan, NZA-Beil. 2021, 21 (22); Sagan/ Brockfeld, NZA-Beil. 2020, 17 (18); Winkelmüller, ARP 2020, 187 (189). 44 Vgl. Schmidt/Felz, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 25 Rn. 17; vgl. auch Sagan, NZA-Beil. 2021, 21. 45 Siehe allgemein BeckOK ArbSchR/Rapp, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 18 ArbSchG Rn. 28; Sagan/Brockfeld, NZA-Beil. 2020, 17 (18); Winkelmüller, ARP 2020, 187 (189); in Bezug auf die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel BeckOK ArbSchR/Winkelmüller/Gabriel, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 1 ArbSchG Rn. 95; Schlegel/Meßling/Bockholdt/Schlegel, 2. Aufl. 2022, § 18 Rn. 61; Düwell, jurisPR-ArbR 14/2021 Anm. 1; Sagan, NZA-Beil. 2021, 21 (22). 46 BAG, Beschl. v. 18. 7. 2017 – 1 ABR 59/15, DB 2017, 2682 (2684); BeckOK ArbSchR/ Rapp, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 18 ArbSchG Rn. 28; Düwell, jurisPR-ArbR 14/2021 Anm. 1; Hülsemann, ArbRAktuell 2020, 467; Winkelmüller, ARP 2020, 187 (190). 47 BeckOK ArbSchR/Winkelmüller/Gabriel, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 1 ArbSchG Rn. 95; BeckOK ArbSchR/Felz, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), COVArbSchR Rn. 5; Kollmer/ Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Überblick vor § 1 Rn. 123b; vom Stein/ Rothe/Schlegel/Henn, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 93; Schmidt/Felz, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 25 Rn. 22, 56; Kleinebrink, ArbRB 2020, 377 (379); Sagan, NZA-Beil. 2021, 21 (22); Felz, ARP 2020, 278 (279).

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

Rechtlich besteht mithin eine Berücksichtigungs-, nicht aber eine strikte Umsetzungspflicht.48 In tatsächlicher Hinsicht waren jedoch gerade zu Beginn der Pandemie jedenfalls einzelne der in den Regelwerken enthaltenen Maßnahmen wie Abstand halten49 oder Maskenpflichten, wo ein Abstand nicht gewährleistet werden konnte50, häufig alternativlos zur Gewährleistung eines hinreichenden Infektionsschutzes, sodass der dem Arbeitgeber verbleibende Spielraum gering war.51 cc) Auswirkungen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) Mit dem Erlass der Corona-ArbSchV machte das BMAS von einer im Dezember 2020 neu geschaffenen Verordnungsermächtigung in § 18 Abs. 3 ArbSchG52 Gebrauch, die für die Dauer einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 IfSG den Erlass von Rechtsverordnungen von befristeter Dauer gestattete. Im November 2021 wurde infolge des Auslaufens der epidemischen Lage von nationaler Tragweite trotz unstrittig fortbestehender Pandemielage eine Erweiterung der Verordnungsermächtigung notwendig – nach § 18 Abs. 3 S. 2 ArbSchG i. d. F. v. 24. 11. 202153 konnte das BMAS für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten nach Ende der epidemischen Lage die Fortgeltung bestehender Verordnungen anordnen oder neue erlassen. Der Geltungszeitraum dieser Verordnungsermächtigung wurde später bis zum 23. 9. 2022 verlängert.54 Verordnungen nach § 18 Abs. 1 ArbSchG dienen wiederum der Konkretisierung der sonst weitgefassten Bestimmungen des ArbSchG.55 Zu diesem Zweck sah die Corona-ArbSchV in ihrer Ursprungsfassung Maßnahmen zur Kontaktreduktion im Betrieb, insbesondere die wichtige „Homeoffice-Angebotspflicht“ in § 2 Abs. 456, und das Bereitstellen von Mund-Nase-Bedeckungen (§ 3) für den Fall, dass Abstände und maximale Raumbelegungsanforderungen nicht eingehalten werden konnten oder aus anderem Grunde ein erhöhter Aerosolausstoß drohte, vor. Im weiteren 48 Siehe auch BeckOK ArbSchR/Winkelmüller/Gabriel, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 1 ArbSchG Rn. 95; Winkelmüller, ARP 2020, 187 (189); Wilrich, NZA 2020, 634 (634, 637). 49 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel i. d. F. v. 24. 11. 2021, Ziffer 4.1 (2). 50 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel i. d. F. v. 24. 11. 2021, Ziffer 4.1 (3). Zur Zulässigkeit der Anweisung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung auf Basis des arbeitsvertraglichen Direktionsrechts siehe LAG Köln, Urt. v. 12. 4. 2021 – 2 SaGa 1/21, COVuR 2021, 627 (628); ArbG Berlin, Urt. v. 15. 10. 2020 – 42 Ga 13034/20, BeckRS 2020, 40671 (Rn. 19 ff.). 51 Vgl. auch Koenen/Lehnart, BB 2020, 1525 (1526). 52 BGBl. 2020, I, S. 3334. 53 BGBl. 2021, I, S. 4906. 54 BGBl. 2022, I, S. 473. 55 BeckOK ArbSchR/Rapp, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 18 ArbSchG Rn. 5; Kollmer/ Klindt/Schutz/Doerfert, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 18 Rn. 4; MHdbArbR/Kohte, 5. Aufl. 2021, § 174 Rn. 4. 56 Hierzu ausführlich Gliederungspunkt H. I. 2. b).

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Verlauf der Pandemie wurde die Verordnung mehrfach angepasst. Ab April 2021 enthielt sie etwa eine Pflicht für Betriebe, vor Ort tätigen Arbeitnehmern wöchentlich Tests auf das Coronavirus anzubieten.57 Mit dem 20. 3. 2022 trat eine Neufassung der Verordnung in Kraft58, die nur noch „Basisschutzmaßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz“ vorsieht, siehe dort § 2. Hierzu zählt eine Gefährdungsbeurteilung im Lichte der pandemischen Gefahren (§ 2 Abs. 3) und die Erarbeitung eines betrieblichen Hygienekonzepts (§ 2 Abs. 1). Weiterhin muss der Arbeitgeber es ermöglichen, sich während der Arbeitszeit impfen zu lassen und über die Schutzimpfung aufklären und informieren (§ 3). An der rechtlichen Verbindlichkeit der Verordnung bestehen – anders als in Bezug auf den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard und die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel – keine Zweifel.59 In allen Fassungen, insbesondere der letzten, blieb sie allerdings in ihrer Detailtiefe deutlich hinter der SARS-CoV-2-Arbeitschutzregel zurück, sodass insbesondere diese auch nach Erlass der Verordnung weiter Bedeutung entfaltet60 – § 2 Abs. 3 Corona-ArbSchV sieht die Berücksichtigung der Arbeitsschutzregel nunmehr auch ausdrücklich vor. c) Auswirkungen der Infektionsschutzmaßnahmen des Bundes und der Länder Die Pflichten des Arbeitgebers können in Zeiten der Pandemie weiterhin durch das öffentliche Recht außerhalb des Arbeitsschutzrechts beeinflusst werden: Die Rechtsverordnungen der Bundesländer, die auf Grundlage des § 32 IfSG erlassen wurden, können Vorgaben enthalten, die auch am Arbeitsplatz einzuhalten sind, wie etwa Abstandsgebote oder Maskenpflichten, die auch in Betriebsstätten zu beachten sind.61 Auch die bundeseinheitlichen Vorgaben zum Umgang mit der Coronapandemie in den §§ 28 ff. IfSG, die in den Jahren 2021 und 2022 mehrfach angepasst wurden, sind zu beachten. Hier mag es sich nicht um spezifisches Recht zum Schutze der Beschäftigten, sondern vielmehr um allgemeines Infektionsschutzrecht handeln, allerdings können sich die allgemeinen Vorgaben mit den arbeitsschutzrechtlichen Pflichten decken, wenn sie notwendige Schutzmaßnahmen widerspiegeln.62

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Nr. 1. 58

Zweite Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, Art. 1

BAnZ AT 18. 3. 2022 V1. Siehe Schlegel/Meßling/Bockholdt/Schlegel, 2. Aufl. 2022, § 18 Rn. 62; Düwell, jurisPR-ArbR 14/2021 Anm. 1. 60 Zur Konkretisierungswirkung BeckOK ArbSchR/Felz, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), CoVArbSchR Rn. 6. 61 Hohenstatt/Sittard/Bertke/Reinbach, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, VIII 2; Seiwerth/Witschen, NZA 2020, 825 (826). 62 Vgl. Seiwerth/Witschen, NZA 2020, 825 (826); siehe auch Kleinebrink, ArbRB 2020, 377 (378). 59

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

2. Mitwirkungs- und Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers zur Infektionsvorbeugung Zwar kann der Arbeitgeber aufgrund der Regelungen der § 618 BGB und § 3 ArbSchG als maßgeblicher Verantwortlicher für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz angesehen werden63, gleichwohl nimmt das öffentliche Arbeitsschutzrecht auch den Arbeitnehmer in die Pflicht. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 ArbSchG sind Beschäftigte verpflichtet, möglichst für ihre eigene Sicherheit zu sorgen, ebenso wie nach § 15 Abs. 1 S. 2 ArbSchG für die Sicherheit der Personen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer hierbei den Unterweisungen und Weisungen des Arbeitgebers zu folgen, § 15 Abs. 1 S. 1 ArbSchG. Doch auch darüberhinausgehend besteht eine Pflicht, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten für Eigen- und Drittschutz zu sorgen.64 In § 16 ArbSchG sind Pflichten zur Unterstützung des Arbeitgebers bei der Erfüllung von dessen Pflichten nach dem ArbSchG normiert. Wie auch die Arbeitgeberpflichten des ArbSchG setzen diese Normen die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 89/391/EWG um65 und entfalten eine Doppelwirkung, sodass der Arbeitnehmer sowohl öffentlich-rechtlich gegenüber dem Staat als auch vertraglich gegenüber seinem Arbeitgeber verpflichtet ist.66 Z. T. werden die § 15, 16 ArbSchG als Konkretisierung der allgemeinen vertraglichen Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers nach § 241 Abs. 2 BGB aufgefasst,67 z. T. erfolgt hingegen eine Differenzierung dahingehend, dass bestimmte Arbeitsschutzpflichten des Arbeitnehmers Nebenleistungspflichten bzw. Bestandteil seiner Hauptleistungspflicht, andere hingegen selbständige Nebenpflichten sind68. Die Unterscheidung wird im Hinblick auf die Freistellung des Arbeitnehmers auch im Rahmen der hiesigen Arbeit Bedeutung erlangen und daher an anderer Stelle ausführlich erörtert.69 63 Wlotzke, in: FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 723 (754); Aligbe, ArbRAktuell 2018, 544 (545); Felz, ARP 2020, 278 (279); Koenen/Lehnart, BB 2020, 1525 (1526); Kollmer, ARP 2020, 242 (244). 64 Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 15 Rn. 46; Landmann/ Rohmer/Wiebauer, GewO, 86. EL (Stand: Februar 2021), § 15 ArbSchG Rn. 8. 65 BT-Drucks. 13/3549, S. 20. 66 BeckOK ArbSchR/Hülsemann, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 16 ArbSchG Rn. 6; Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 16 Rn. 3; Schaub/Vogelsang, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 154 Rn. 13; Kleinebrink, NZA 2020, 1361 (1362); Schmidt/Novara, DB 2009, 1817 (1818). 67 Halbhuber, SPA 2020, 169; Kleinebrink, NZA 2020, 1361 (1362); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112; siehe auch Landmann/Rohmer/Wiebauer, 86. EL. (Stand: Februar 2021), Vorbem. zu § 15 ArbSchG Rn. 7, der sodann aber auch differenziert. 68 Vgl. BeckOK ArbSchR/Hülsemann, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 16 ArbSchG Rn. 6; Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 16 Rn. 3; Landmann/Rohmer/ Wiebauer, 86. EL. (Stand: Februar 2021), Vorbem. zu § 15 ArbSchG Rn. 8; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 45. Wlotzke, in: FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 723 (756) geht generell von einer Zuordnung zur Hauptleistungspflicht aus. 69 Siehe Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (1) (b) (bb).

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Welche Handlungspflichten den Arbeitnehmer in Zeiten der Pandemie konkret treffen, richtet sich vorrangig nach dem ihm durch den Arbeitgeber erteilten Weisungen und Unterweisungen insbesondere gem. § 12 ArbSchG.70 Da der Arbeitgeber im Rahmen seiner eigenen Arbeitsschutzpflichten die pandemiespezifischen Vorgaben des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards sowie der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel zu berücksichtigen hat, entfalten diese auch für den Arbeitnehmer jedenfalls mittelbare Wirkung.71 Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel verweist in Ziffer 3 (4) auch ausdrücklich auf die Mitwirkungspflicht der Beschäftigten. Die Regelungen der Corona-ArbSchV richten sich vorrangig an den Arbeitgeber, auch hier besteht allerdings die allgemeine arbeitsschutzrechtliche Mitwirkungspflicht. 3. Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers Somit wirken sich die Maßnahmen des Arbeitsschutzes in Zeiten der Pandemie ganz entscheidend auf die Durchführung des Arbeitsverhältnisses aus. Neben der Art und Weise der Tätigkeitsausübung kann der pandemiespezifische Arbeitsschutz aber auch für die Frage des „Ob“ der Arbeitsleistung Bedeutung entfalten. Das insbesondere dann, wenn die Arbeitsschutzverpflichtungen des Arbeitgebers nicht eingehalten werden – denn gerade in diesem Fall kommt eine berechtigte Leistungsverweigerung des Arbeitnehmers in Betracht. Ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers aufgrund mangelhaften Arbeitsschutzes kann seinen Ursprung in den Vorschriften des Zivil- sowie des öffentlichen Rechts haben. Im Mittelpunkt stehen hier die §§ 273, 275 Abs. 3 BGB und § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG. Soweit Herschel die Erfüllung der Arbeitsschutzpflicht durch den Arbeitgeber als Voraussetzung für die Entstehung der Arbeitspflicht ansieht72, kann dem nicht zugestimmt werden – gesetzliche Anhaltspunkte für einen solch zwingenden Zusammenhang fehlen.73 Ebenso scheidet ein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB aus – zwar trifft den Arbeitgeber die vertragliche Pflicht hinreichenden Arbeitsschutzes, diese steht aber in keinem synallagmatischen Verhältnis zur Arbeitspflicht des Arbeitnehmers.74 § 320 BGB setzt ein solches Synallagma gerade voraus.75 70 Vgl. BeckOK ArbSchR/Gallasch, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 15 ArbSchG Rn. 18 ff.; Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 15 Rn. 40 ff.; Aligbe, ArbRAktuell 2018, 544; mit dem Begriff der Unterweisung wird jedoch nicht allein auf § 12 ArbSchG verwiesen, siehe Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 15 Rn. 41. Zur Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung siehe außerdem Kleinebrink, NZA 2020, 1361 (1362). 71 Siehe auch BeckOK ArbSchR/Hülsemann, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 16 ArbSchG Rn. 101 f.; Kleinebrink, NZA 2020, 1361 (1362); siehe auch SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel i. d. F. v. 24. 11. 2021, Ziffer 3 (4), der auf die Mitwirkungspflicht der Beschäftigten hinweist. 72 Herschel, RdA 1978, 69 (73); ders., RdA 1964, 44 (45). 73 Ablehnend auch Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 260; HWK/ Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 30. 74 ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 16; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 Rn. 94; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 263; Dehmel, Das Leis-

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

a) Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB Nicht so jedoch das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB: Hier genügt die bloße Konnexität von Anspruch und Gegenanspruch, die schon vorliegt, wenn beide Ansprüche auf einem einheitlichen Lebensverhältnis beruhen, d. h. ein innerer Zusammenhang besteht, der es als treuwidrig erscheinen ließe, wenn ein Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht werden könnte.76 Ein solcher Zusammenhang liegt bei dem Anspruch auf Erbringung der Arbeitsleistung nach § 611a Abs. 1 BGB sowie dem vertraglichen Anspruch auf Schutzmaßnahmen nach § 618 und §§ 241 Abs. 2, 242 BGB vor, ein mangelhaftes Arbeitsschutzkonzept kann daher zur Leistungsverweigerung nach § 273 BGB berechtigen.77 Während der Pandemie bedeutet das, dass Arbeitnehmer u. U. die Leistung verweigern können, wenn der Arbeitgeber keine hinreichenden Infektionsschutzmaßnahmen trifft, etwa keinen Abstand zwischen Personen in Büroräumen gewährleistet, keine Maskenpflicht vorsieht, oder aber Kollegen mit starken Krankheitssymptomen vor Ort arbeiten lässt.78 Voraussetzung des Zurückbehaltungsrechts ist unter Berücksichtigung von Treu und Glauben gem. § 242 BGB allerdings, dass der Schutzpflichtenverstoß eine gewisse Erheblichkeit aufweist.79 Weiterhin kann vor der Ausübung eine Anmahnung der Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften seitens des Arbeitnehmers not-

tungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers an seiner Arbeitsleistung, 2009, S. 154; Herschel, RdA 1978, 69 (73); ders., RdA 1964, 44 (45); ähnlich Söllner, ZfA 1973, 1 (17); siehe aber MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 23 zur Anwendbarkeit bei Beschäftigungsverboten. 75 Erman/Ulber, 16. Aufl. 2020, § 320 BGB Rn. 9; MüKoBGB/Emmerich, 9. Aufl. 2022, § 320 Rn. 36; Staudinger/Schwarze, Neubearb. 2020, § 320 BGB Rn. 12. 76 BGH, Urt. v. 20. 12. 2012 – IX ZR 130/10, NJW-RR 2013, 880 (885); Urt. v. 22. 2. 1967 – IV ZR 331/65, NJW 1967, 1275 (1278); BeckOK BGB/Lorenz, 61. Ed. (Stand: 1. 2. 2022), § 273 Rn. 18; Erman/Artz, 16. Aufl. 2020, § 273 BGB Rn. 15; MüKoBGB/Krüger, 9. Aufl. 2022, § 273 Rn. 13; Staudinger/Bittner/Kolbe, Neubearb. 2019, § 273 BGB Rn. 38. 77 So i. E. auch BAG, Urt. v. 8. 5. 1996 – 5 AZR 315/95, NZA 1997, 86 (89); Urt. v. 2. 2. 1994 – 5 AZR 273/93, NZA 1994, 610 (612); ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 16; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 23; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 Rn. 92; Schaub/Ahrendt, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 106 Rn. 14; Kollmer, NJW 1997, 2015 (2018); Kort, NZA 1996, 854 (855); Molkentin, NZA 1997, 849 (852); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114); Sievers, jM 2020, 189 (200). 78 Vgl. ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 16; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 36; Sander/Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347 (355), die auf eine Einhaltung des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards abstellen; im Hinblick auf die SARSCoV-2-Arbeitsschutzregel als Orientierungshilfe für Arbeitnehmer Landmann/Rohmer/Kollmer, 86. EL (Stand: Februar 2021), Einführung Rn. 24; Sagan/Brockfeld, NZA-Beil. 2020, 17 (23); siehe auch Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (162); Beden/Rombey, BB 2020, 2870 (2873); Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1019). von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1370) wenden hier § 275 Abs. 3 BGB an. 79 BAG, Urt. v. 28. 6. 2018 – 2 AZR 436/17, NZA 2018, 1259 (1261); ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 16; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 265. Schmidt/ Felz, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 25 Rn. 73 verlangt eine Unzumutbarkeit; ebenso VGH Kassel, Beschl. v. 14. 5. 2020 – 1 B 1308/20, NVwZ-RR 2020, 787.

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wendig sein.80 Auch in Zeiten der Pandemie rechtfertigt nicht etwa jede kurzfristige Missachtung des Abstandsgebots eine Arbeitsniederlegung. Nur wenn das Hygienekonzept des Arbeitgebers offensichtliche Mängel zeigt, die behoben werden könnten, aber (auch nach entsprechendem Hinweis) nicht behoben werden und dabei mit einer nicht vollkommen unerheblichen Gesundheitsgefahr für die Beschäftigten einhergehen, ist die Leistungsverweigerung nach § 273 BGB als berechtigt anzusehen.81 Der i. d. R. bestehende absolute Fixschuldcharakter der Arbeitspflicht hat nun aber zur Folge, dass es sich nicht wie sonst im Anwendungsbereich des § 273 BGB um eine vorübergehende Zurückbehaltung handelt82, vielmehr wird die Arbeitsleistung mit Zeitablauf unmöglich.83 Dies steht der Anwendbarkeit des § 273 BGB im Arbeitsverhältnis jedoch nicht entgegen.84 Während der Eintritt der Unmöglichkeit nun nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB i. d. R. den Fortfall des Vergütungsanspruchs zur Folge hat85, greift an dieser Stelle eine Ausnahme von dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“: Bietet der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung unter den Arbeitsschutzvorgaben entsprechenden Bedingungen jedenfalls konkludent an – und hiervon ist bei Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts auszugehen86 –, gelangt man über § 295 Abs. 2 BGB87, soweit man die Vornahme der gebotenen Arbeitsschutzvorkehrungen als Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers begreift, oder über § 298 BGB88, soweit man die Pflichten nach § 618 BGB als Zug-um-Zug zu erbringende Leistung, die der Arbeitgeber verweigert, einordnet, zu einem Annahmeverzug89 des Arbeitgebers und damit nach § 615 S. 1 BGB zur Fortzahlung der Vergütung.90 80

MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 24. In diesem Sinne wohl auch Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Überblick Vor § 1 Rn. 145 f. 82 Nach dem Wortlaut des § 273 Abs. 1 BGB ist die Leistungsverweigerung grundsätzlich nur berechtigt, „bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird“. 83 Vgl. Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (568). 84 Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 266. 85 Siehe bereits Gliederungspunkt B. I. 1. 86 BGH, Urt. v. 7. 6. 1973 – 5 AZR 563/72, AP BGB § 615 Nr. 28; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 33; anders Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 276. 87 BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 618 BGB Rn. 41; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 33; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 Rn. 93; Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (568); wohl auch Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114). 88 Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 618 BGB Rn. 33; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 278. 89 Das jedenfalls, soweit die anderen Voraussetzungen des Annahmeverzugs vorliegen. Die erforderliche Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers (siehe zu dieser Voraussetzung BAG, Urt. v. 13. 7. 2005 – 5 AZR 578/04, NJW 2006, 1020 (1022)) wird durch die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nicht ausgeschlossen, Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 615 BGB Rn. 26. 81

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

b) Entfernungsrecht nach § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG Neben diesem zivilrechtlichen Zurückbehaltungsrecht ist heute über den Wortlaut des § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG hinaus anerkannt, dass diese Norm dem Arbeitnehmer ein Entfernungsrecht gewährt, sofern ihm unmittelbare, erhebliche Gefahren drohen.91 Dies geht auf Art. 8 Abs. 4 RL 89/391/EWG zurück, der bestimmt, dass Arbeitnehmern keine Nachteile daraus entstehen dürfen, wenn sie in einer qualifizierten Gefahrenlage ihren Arbeitsplatz verlassen und somit ein echtes Entfernungsrecht vorsieht.92 Aus dem Verbot negativer Konsequenzen, im deutschen Recht normiert in § 9 Abs. 3 S. 2 ArbSchG, folgt auch, dass aus der Rechtswahrnehmung kein Verlust des Vergütungsanspruchs folgen darf.93 Ob die Norm im Kontext einer Pandemie große Bedeutung erlangen kann, hängt von der Interpretation der Voraussetzung der unmittelbaren, erheblichen Gefahr ab. Zwar wird das Merkmal der erheblichen Gefahr durchaus weit verstanden, sodass lediglich die Gefahren geringfügiger Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht mehr erfasst sein sollen94, die Unmittelbarkeit verlangt indes das zeitlich präzisierte, hohe Risiko des Umschlagens der Gefahr in einen Schaden.95 Ob und wann das Unmittelbarkeitskriterium im Zusammenhang mit den Infektionsrisiken einer Pandemie gewahrt ist, ist nicht eindeutig. Denkbar ist dies im Hinblick auf das Coronavirus etwa, wenn sich ein nachweislich infizierter Arbeitnehmer in den Betriebsräumen aufhält und keine weiteren Schutzvorkehrungen bestehen. Demgegenüber genügt das allgemein erhöhte Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus den Anforderungen der Unmittelbarkeit wohl nicht. Ob Anwendungsfälle in der dazwischenliegenden Grauzone potentieller Infektionsrisiken in den Anwendungsbereich des § 9 Abs. 3 S. 2 ArbSchG fallen, ist unklar. Ein Rückgriff auf die Norm scheint aber

90 I. E. ebenso ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 16; Hohenstatt/Sittard/Bertke/ Reinbach, 2. Aufl. 2021, VIII 3.; Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Überblick Vor § 1 Rn. 146; MAH/Reinfeld, 5. Aufl. 2021, § 34 Rn. 15; Sander/Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347 (355); Sagan/Brockfeld, NZA-Beil. 2020, 17 (23); Weller/Lieberknecht/ Habrich, NJW 2020, 1017 (1019); siehe auch Söllner, ZfA 1973, 1 (17). 91 Siehe ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 16; Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 9 Rn. 77 ff.; Landmann/Rohmer/Wiebauer, 86. EL. (Stand: Februar 2021), § 9 ArbSchG Rn. 24; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 25; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 270; wohl auch Wlotzke, NZA 1996, 1017 (1021). Auch die Gesetzesbegründung legt dies nahe, siehe BT-Drucks. 3/3540 S. 18. 92 Franzen/Gallner/Oetker/Klindt/Schucht, 4. Aufl. 2022, Art. 8 RL 89/391/EWG Rn. 3. 93 HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 33; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 27; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 275. 94 HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 32; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 274; die Gesetzesbegründung hingegen setzt voraus, dass der Schaden nach Art oder Umfang besonders schwer ist, siehe BT-Drucks. 13/3540, S. 18. 95 Vgl. BT-Drucks. 13/3540, S. 18; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 273.

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auch nur dann erforderlich, wenn keine erhebliche Arbeitsschutzpflichtverletzung des Arbeitgebers vorliegt – ansonsten ist eine Lösung über § 273 BGB möglich.96 c) Leistungsverweigerung nach § 275 Abs. 3 BGB Keine Schutzpflichtverletzung seitens des Arbeitgebers setzt auch § 275 Abs. 3 BGB voraus, sodass auch dieser neben § 273 BGB eigenständige Bedeutung entfalten kann.97 Wie bereits erörtert kann eine Gesundheitsgefahr am Arbeitsplatz zur Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung und bei Erheben der Einrede zum Erlöschen der Arbeitspflicht führen.98 Die eigenständige Relevanz der Norm im hiesigen Kontext ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass der Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des § 273 BGB das Irrtumsrisiko trägt: Liegt eine Schutzpflichtverletzung tatsächlich nicht vor, besteht kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 273 BGB.99 Für § 275 Abs. 3 BGB kann demgegenüber auch die irrtümlich angenommene Gesundheitsgefahr ausreichen, soweit keine grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers vorliegt.100 Ähnliches gilt im Verhältnis zu § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG: Letztgenannte Norm setzt eine objektive Gefahr voraus, für die Einrede der Unzumutbarkeit kann ein Gefahrenverdacht genügen.101 Abweichungen bei den Folgen des Ausbleibens der Arbeitsleistung ergeben sich allerdings im Hinblick auf den Vergütungsanspruch, und das zulasten des Arbeitnehmers – denn während bei berechtigter Ausübung des Zurückbehaltungsrechts 96 Das arbeitsschutzrechtliche Entfernungsrecht und das zivilrechtliche Zurückbehaltungsrecht stehen selbständig nebeneinander, HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 32. Im Gegensatz zu § 273 BGB setzt § 9 Abs. 3 ArbschG eine Pflichtverletzung gerade nicht voraus, siehe Landmann/Rohmer/Wiebauer, 86. EL. (Stand: Februar 2021), § 9 ArbSchG Rn. 25; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 267; zum unterschiedlichen Zweck des § 273 BGB und § 9 Abs. 3 ArbSchG auch ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 16. 97 Vgl. Henssler/Muthers, ZGS 2002, 129 (222). Vgl. zur parallelen Anwendbarkeit beider Normen auch BAG, Urt. v. 22. 10. 2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417 (420); MHdbArbR/ Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 27. 98 Siehe bereits Gliederungspunkt B. I. 3. b); instruktiv auch von-Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1369 f.). 99 Vgl. zum Irrtumsrisiko im Rahmen des § 273 BGB BAG, Urt. v. 22. 10. 2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417 (420 f.); Landmann/Rohmer/Kollmer, 86. EL. (Stand: Februar 2021), Einführung Rn. 24; Sagan/Brockfeld, NZA-Beil. 2020, 17 (23), siehe auch Kollmer/Klindt/ Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Überblick Vor § 1 Rn. 146, der hieraus den Schluss zieht, die Leistungsverweigerung sei in der Praxis ein „stumpfes Schwert“. 100 Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 9 Rn. 80; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 27; vgl. auch Landmann/Rohmer/Wiebauer, 86. EL. (Stand: Februar 2021), § 9 ArbSchG Rn. 24. 101 Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 9 Rn. 80; i. E. auch Landmann/Rohmer/Wiebauer, 86. EL. (Stand: Februar 2021), § 9 ArbSchG Rn. 29; MHdbArbR/ Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 27; siehe zum Erfordernis der objektiven Gefahr auch HWK/ Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 32; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 272.

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

nach § 273 BGB oder des Entfernungsrechts nach § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG der Lohnanspruch wie gesehen fortbesteht, entfällt er bei Erhebung der Einrede der Unzumutbarkeit regelmäßig gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB.102 Eine Ausnahme greift nach § 326 Abs. 2 S. 1 Var. 1 BGB, wenn der Arbeitgeber für das Ausbleiben der Arbeitsleistung allein oder weit überwiegend verantwortlich ist103 – dann wird aber häufig auch eine Pflichtverletzung vorliegen, die zur Leistungsverweigerung nach § 273 BGB berechtigt. Besondere Relevanz entfaltet insbesondere § 275 Abs. 3 BGB da, wo im Hinblick auf das Coronavirus besonders vulnerable Arbeitnehmer, also etwa solche mit Vorerkrankungen, einem erhöhten, bei Beachtung der Schutzvorkehrungen für gesunde Arbeitnehmer aber noch zumutbarem Risiko ausgesetzt sind.104 Zwar führt eine erhöhte Empfindlichkeit eines Arbeitnehmers auch zu verschärften Schutzpflichten des Arbeitgebers.105 Auch dann kann im Rahmen der § 618 BGB, § 3 ArbSchG aber nicht mehr vom Arbeitgeber verlangt werden, als ihm möglich und zumutbar ist.106 Einen hundertprozentigen Infektionsschutz wird der Arbeitgeber in seinem Betrieb regelmäßig nicht gewährleisten können.107 Wo das Risiko aufgrund einer Vorerkrankung trotz Abstandsregeln, Hygienevorkehrungen und Zurverfügungstellung von Masken dennoch zu hoch ist und nicht im Homeoffice gearbeitet werden kann, kann der betroffene Arbeitnehmer nicht nach § 273 BGB, aber nach § 275 Abs. 3 BGB zur Leistungsverweigerung berechtigt sein.108 Die Anforderungen des § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG dürften in diesem Fall jedenfalls bei

102

ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 16; Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte, ArbSchG, 4. Aufl. 20121, § 9 Rn. 82; Landmann/Rohmer/Wiebauer, 86. EL. (Stand: Februar 2021), § 9 ArbSchG Rn. 30; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 27; Stück, CCZ 2020, 205 (210); von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1370). 103 Vgl. Landmann/Rohmer/Wiebauer, 86. EL. (Stand: Februar 2021), § 9 ArbSchG Rn. 30; Schmidt/Novara, DB 2009, 1817 (1820); siehe auch Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte, ArbSchG, 4. Aufl. 20121, § 9 Rn. 80, der von durch § 326 BGB ermöglichten, differenzierten Rechtsfolgen spricht. 104 Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 275 BGB Rn. 83; Beden/Rombey, BB 2020, 2870 (2871); von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1370). 105 BAG, Urt. v. 8. 5. 1996 – 5 AZR 315/95, NZA 1997, 86 (91); LAG München, Urt v. 27. 11. 1990 – 2 Sa 542/90, BB 1991, 624; Molkentin, NZA 1997, 849 (854 f.); von SteinauSteinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1370); siehe auch ausdrücklich Art. 15 Richtlinie 89/391/ EWG; im Kontext der Coronapandemie auch insbesondere Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Umgang mit aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie besonders schutzbedu¨ rftigen Bescha¨ ftigten, Arbeitsmedizinische Empfehlung, Dezember 2021. 106 Vgl. BAG, Urt. v. 8. 5. 1996 – 5 AZR 315/95, NZA 1997, 86 (91) zum Anspruch auf Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes; zu den Grenzen der Pflichten des Arbeitgebers siehe bereits oben Gliederungspunkte C. I. 1. a) und b) aa). 107 Und auch nicht müssen, siehe VG Schleswig, Beschl. v. 18. 8. 2020 – 12 B 45/20, BeckRS 2020, 22768 (Rn. 25). 108 von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1370).

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engem Verständnis der Norm und der erforderlichen Unmittelbarkeit der Gefahr nicht erfüllt sein.109 4. Zwischenergebnis Die Pflicht des Arbeitgebers zum Schutz der Gesundheit seiner Belegschaft erlangt in Zeiten der Pandemie besondere Bedeutung. Ihre Grundlage findet sie in den §§ 241 Abs. 2, 242 BGB sowie konkret für Dienstverhältnisse in § 618 BGB. Die Normen begründen einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährleistung eines hinreichenden Schutzniveaus. Der genaue Inhalt der Schutzpflicht wird durch die Vorgaben des öffentlichen Rechts, insbesondere des ArbSchG sowie den zugehörigen Verordnungen konkretisiert, für die Zeiten der Pandemie insbesondere durch die Corona-ArbSchV, im Einzelfall auch der BioStoffVO. Darüber hinaus erlangten die SARS-CoV-Arbeitsschutzregel und der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard Bedeutung, auch wenn ihnen kein unmittelbar verbindlicher Charakter innewohnt, sondern sie lediglich vom Arbeitgeber zu berücksichtigen waren. Weitergehende Verpflichtungen können sich aus den infektionsschutzrechtlichen Vorgaben der Länder ergeben. Wozu der Arbeitgeber öffentlich-rechtlich verpflichtet ist, darauf haben auch die Arbeitnehmer einen privatrechtlichen Anspruch, soweit die Vorschriften den Individualschutz bezwecken. Eine Pflicht zur Gewährleistung eines hundertprozentigen Schutzes sowie ein Anspruch hierauf besteht allerdings nicht – weder unter gewöhnlichen Umständen, noch in Zeiten der Pandemie. Obwohl somit der Arbeitgeber im Mittelpunkt des Arbeitsschutzes in Pandemiezeiten steht, trägt er die Verantwortung hierfür nicht allein. Die Arbeitnehmer sind sowohl privat- als auch öffentlich-rechtlich verpflichtet, den Arbeitgeber bei seinen Arbeitsschutzbestrebungen zu unterstützen, entsprechende Weisungen zu beachten und für den Schutz ihrer eigenen Gesundheit sowie die ihrer Kollegen Sorge zu tragen. Die Vorgaben zum betrieblichen Infektionsschutz erlangen so jedenfalls mittelbar auch für die Arbeitnehmer Bedeutung. Erfüllt der Arbeitgeber seine Schutzpflichten nicht, setzt er die Arbeitnehmer während der Pandemie vermeidbaren Infektionsrisiken aus und erreicht die Pflichtverletzung eine gewisse Erheblichkeit, so kann dies den einzelnen Arbeitnehmer zur Verweigerung der Leistung nach § 273 Abs. 1 BGB berechtigen. Der Vergütungsanspruch besteht dann gleichwohl fort, der Arbeitgeber befindet sich in Annahmeverzug. Andere im Zusammenhang mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz relevante Rechtsgrundlagen für eine berechtigte Leistungsverweigerung können § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG sowie § 275 Abs. 3 BGB sein. Beide setzen eine Schutzpflichtverletzung des Arbeitgebers anders als § 273 Abs. 1 BGB nicht voraus. In den Zumutbarkeitserwägungen nach § 275 Abs. 3 BGB sind potentiell erhöhte Risiken aufgrund der gesundheitlichen Konstitution des Arbeitnehmers zu seinen 109 Eine breitere Auseinandersetzung mit der Anwendbarkeit des § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG auf diese Fälle fehlt – soweit ersichtlich – in Literatur und Rechtsprechung.

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

Gunsten zu berücksichtigen, zu seinen Lasten wiederum, wenn seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit ein erhöhtes Infektionsrisiko bereits innewohnt. Während die Voraussetzungen und Grenzen des Entfernungsrechts nach § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG, dessen Ausübung nicht mit einem Verlust des Vergütungsanspruchs einhergehen darf, im Ungewissen liegen, geht die Leistungsverweigerung nach § 275 Abs. 3 BGB regelmäßig mit dem Verlust des Vergütungsanspruchs einher – Umstände, welche die praktisch geringere Relevanz beider Rechtsgrundlagen im hiesigen Kontext begründen dürften.

II. Frankreich Zentrale Regelungen des französischen Arbeitsschutzrechts finden sich im vierten Teil des Code du Travail. Dort finden sich allgemeine Vorschriften zu den Verpflichtungen sowohl des Arbeitgebers als auch der Arbeitnehmer. Beide Aspekte werden nachfolgend in ihren Grundlagen dargestellt sowie auf Spezifika im Zusammenhang mit den Infektionsgefahren in Zeiten der Pandemie untersucht. 1. Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers in Zeiten der Pandemie Das Recht auf Gesundheit hat in Frankreich Verfassungsrang.110 Auch im Arbeitsrecht und Arbeitsverhältnis ist es zu schützen: Art. L.4121-1 Code du travail normiert die in Art. 6 RL 89/391/EWG vorgegebene Verpflichtung des Arbeitgebers, die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer sicherzustellen.111 Neben dieser ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage wurde eine entsprechende Pflicht des Arbeitgebers auch bereits aus dem Arbeitsvertrag selbst hergeleitet112, hier in Anknüpfung an die Pflicht zur Durchführung des Vertrags nach Treu und Glauben sowie die arbeitsvertragliche Loyalitätspflicht.113 In der Rechtsprechung der vergangenen Jahre erfolgt jedoch kein Rückgriff mehr auf diese vertragliche Grundlage.114

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Préambule à la Constitution du 27 octobre 1946, Nr. 11: „Elle garantit à tous, notamment à l’enfant, à la mère et aux vieux travailleurs, la protection de la santé, la sécurité matérielle, le repos et les loisirs.“ (frei übersetzt: Sie [gemeint ist die Nation, Anm. d. Verf.] garantiert allen, insbesondere Kindern, Müttern und älteren Arbeitnehmern, den Schutz der Gesundheit, materielle Sicherheit, Ruhe und Freizeit). Zum Verfassungsrang des Vorwortes zur Verfassung siehe etwa Conseil Constitutionnel v. 15. 1. 1975, n874-54 DC sowie zur Bedeutung im Arbeitsrecht unten Gliederungspunkt D. II. 1. a). 111 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 958; Boulmier, JCP S 2012, 1330; zum Einfluss des Unionsrechts auch Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 39. Die ursprüngliche Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie 89/391/EWG fand durch Loi n891-1414 v. 31. 12. 1991 statt. 112 Siehe etwa Cass. Soc. v. 28. 2. 2002, n800-11.793, Bull. Civ., V, n881. 113 Siehe hierzu Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 40; Verkindt, Cahiers de droit de l’entreprise 2011, 5; ausführlich auch Sargos, JCP G 2003, 104.

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a) Verantwortung des Arbeitgebers in Fragen des Arbeitsschutzes Zum Teil geht man davon aus, dass das Loslösen der Schutzpflicht vom Arbeitsvertrag notwendig oder jedenfalls hilfreich dazu war, die lange schwelende Ungewissheit um das Ausmaß der Schutzpflicht zu beseitigen.115 Hierbei handelt es sich um die wohl meistdiskutierte Frage im Kontext der Arbeitsschutzpflicht des Arbeitgebers.116 Ausgangspunkt ist die im französischen Vertrags- und Haftungsrecht vorgenommene Differenzierung zwischen der obligation de résultat, bei welcher der Schuldner für alle Leistungshindernisse unterhalb der Grenze höherer Gewalt haftet, und der obligation de moyens, bei welcher der Schuldner sich schon entlasten kann, wenn er die erforderlichen Mittel zur Herbeiführung des Erfolgs eingesetzt hat.117 Die Unterscheidung ist heute nicht vollständig binär, als Abstufungen sind die obligation de résultat atténuée, also die abgeschwächte „Ergebnispflicht“ oder als Gegenstück die obligation de moyens renforcée, d. h. die verstärkte Pflicht, die notwendigen Mittel einzusetzen, bekannt.118 Im Hinblick auf die Arbeitsschutzpflicht hatte die Rechtsprechung seit 2002 eine obligation de résultat angenommen119 – bei engem Verständnis führt das dazu, dass der Arbeitgeber sich bei Realisierung eines Risikos für Sicherheit oder Gesundheit nur im Falle der höheren Gewalt befreien könnte.120 Er würde damit mehr Garant als Verantwortlicher 114 Hierzu Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 957; FantoniQuinton/Verkindt, Dr. Soc. 2013, 229 (231); Verkindt, Cahiers de droit de l’entreprise 2011, 5 sieht hierin einen Grund für die immer weitere Ausdehnung der Pflichten des Arbeitgebers. Zur „décontractualisation“ auch Loiseau, JCP S 2016, 1220; die Abkehr von der vertraglichen Anknüpfung befürwortend Sargos, JCP S 2006, 1278; kritisch demgegenüber Saint-Jours, Le Droit Ouvrier 2007, 560 (562). 115 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 957; Loiseau, JCP S 2016, 1220. 116 Siehe nur Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 958; Babin, JCP S 2016, 1011; Bourgeot/Blatman, Dr. Soc. 2006, 653; Bugada, JCP S 2014, 1450; FantoniQuiton/Verkindt, Dr. Soc. 2013, 229; Gardin, RJS 2016, 99; Héas, Le Droit Ouvrier 2016, 10; Tournaux, Le Droit Ouvrier 2012, 571; so auch die Bewertung von Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (27). 117 Porchy-Simon, Droit des obligations, 14. Ed. 2022, Rn. 31; Bugada, JCP S 2014, 1450; Fantoni-Quinton/Verkindt, Dr. Soc. 2013, 229 (231); Héas, Le Droit Ouvrier 2016, 10 (11); Tournaux, Le Droit Ouvrier 2012, 571 (572). 118 Siehe hierzu kritisch Loiseau, JCP S 2016, 1220, nachdem die unwahrscheinlichen Variationen der vertraglichen Haftung sich mit der größten intellektuellen Unordnung der Vernunft entziehen. 119 Ausdrücklich so festgelegt in Cass. Soc. v. 28. 2. 2002, n800-11.793, Bull. Civ., V, n881, wobei hier allerdings ausdrücklich noch darauf abgestellt wurde, dass der Arbeitgeber nicht die erforderlichen Maßnahmen zur Prävention im Lichte eines ihm bekannten Risikos ergriffen hat, was in der späteren Rechtsprechung keine Rolle mehr spielte, siehe hierzu kritisch Bugada, JCP S 2014, 1450; Loiseau, JCP S 2016, 1220. Siehe aus der weiteren Rechtsprechung etwa Cass. Soc. v. 19. 10. 2011, n809-68.272, Bull. Civ., V, n8235; v. 4. 4. 2012, n811-10.570, Bull. Civ., V, n8116; v. 28. 2. 2006, n805-41.555, Bull. Civ., V, n887. 120 Siehe insbesondere Cass. Soc. v. 4. 4. 2012, n811-10.570, Bull. Civ., V, n8116; Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 41; Boulmier, JCP S 2012, 1330.

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für Fragen der Sicherheit des Arbeitnehmers.121 In der Literatur ist ein solches Verständnis auf Kritik gestoßen.122 Europarechtlich gefordert war die Lösung der Cour de cassation ebenfalls nicht – der EuGH stelle bereits 2007 fest, die Richtlinie 89/391/EWG gebe keine bestimmte Art der Haftung, d. h. auch nicht zwingend die verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers vor.123 Neue Töne schlug die Cour de cassation dann in einer ersten Entscheidung im Jahr 2015 an: In der Rechtssache Air France sah die Cour de cassation die Schutzpflicht des Arbeitgebers bereits erfüllt, da dieser die notwendigen, namentlich die von Art. L.4121-1 und L.4121-2 Code du travail vorgesehenen Maßnahmen getroffen hatte.124 An der Qualifikation der Schutzpflicht als obligation de résultat hielt sie gleichwohl zunächst fest. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 findet sich indes kein Verweis mehr auf diese Einordnung der Schutzpflicht als „Ergebnispflicht“.125 Diese Entwicklung wurde in Teilen der Literatur als Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung gewertet, in anderen als bloße Abschwächung oder Klarstellung.126 Sieht man den vom Arbeitgeber geschuldeten Erfolg nicht in der Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit als solcher, sondern in der hinreichenden Prävention, ist die Schlussfolgerung, die Cour de cassation habe die Einordnung der Schutzpflicht als obligation de résultat aufgeben wollen, nicht zwingend.127 Loiseau geht davon aus, dass die Unterscheidung zwischen obligation de résultat und obligation de moyens 121 So im Hinblick auf Mobbing bzw. Belästigungen Loiseau, JCP S 2016, 1220; zustimmend Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 959; in diesem Sinne auch Bugada, JCP S 2014, 1450. 122 Bugada, JCP S 2014, 1450; Fantoni-Quinton/Verkindt, Dr. Soc. 2013, 229 (230 ff.); Loiseau, JCP S 2016, 1220; für psychische Beeinträchtigungen Garand, JCP S 2011, 1281, der die Einordnung für körperliche Beeinträchtigungen allerdings für tragfähig hält; a. A. auch Sargos, JCP S 2006, 1278, nach dem die Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers seit der Richtlinie 89/391/EWG so intensiv sind, dass es sich nur um obligations de résultat handeln könne. 123 EuGH, Urt. v. 14. 6. 2007 – C-127/05, BeckRS 2007, 70398 (Rn. 42). 124 Cass. Soc. v. 25. 11. 2015, n814-24.444, Bull. Civ. 2016, V, n8840. Dies ist nicht das erste Mal, dass die Cour de cassation von diesen Prinzipien ausgeht, aber das erste Mal, dass sie sie derart eindeutig formuliert, vgl. Babin, JCP S 2016, 1011. 125 Cass. Soc. v. 1. 6. 2016, n814-19.702, JurisData n82016-010257. 126 Für eine obligation de moyens etwa Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 957 f.; Asquinazi-Bailleux, JCP S 2020, 2011; Champenois, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 87 (88); Héas, Dr. Soc. 2021, 253 (256); Lapérou-Scheneider, JCP S 2021, 1049; wohl auch Rozec, JCP G 2020, 330; a. A. Gardin, RJS 2016, 99; Héas, Le Droit Ouvrier 2016, 10 (17); Einordnung offengelassen, aber jedenfalls einen Wendepunkt annehmend Babin, JCP S 2016, 1011. 127 Hierzu Cour de cassation, Mensuel du droit du travail, n870, November 2015, S. 9: „Le ´ resultat attendu de l’employeur est pre´cise´ment la mise en œuvre de tous les moyens de pre´vention des risques professionnels, tant sur le plan collectif qu’individuel, de sorte que son comportement est place´ au centre du de´bat“ (frei übersetzt: Das vom Arbeitgeber erwartete Ergebnis ist gerade die Anwendung aller Mittel zur Vermeidung von Berufsrisiken, sowohl auf kollektiver als auch auf individueller Ebene, sodass sein Verhalten in den Mittelpunkt der Debatte gestellt wird). Siehe auch bereits vor Ergehen der genannten Entscheidung FantoniQuinton/Verkindt, Dr. Soc. 2013, 229 (232); vgl. auch Héas, Le Droit Ouvrier 2016, 10 (16).

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nun keine Bedeutung mehr hat, da es sich um eine solche des Vertragsrecht handelt und die Arbeitsschutzpflicht, nunmehr an die gesetzliche Basis des Art. L.4121-1 und 4121-2 Code du travail angeknüpft, in einem eigenen Regelungsregime existiert, in dem die Unterscheidung irrelevant ist.128 b) Weitere Rechtsgrundlagen und Akteure des Arbeitsschutzrechts Nach dem jetzigen Stand der Rechtsprechung kommt es jedenfalls darauf an, dass der Arbeitgeber die Vorgaben der Art. L.4121-1 und 4121-2 Code du travail eingehalten hat. Die Normen sind allerdings wie auch die zugrundeliegende Richtlinie 89/391/EWG allgemein gehalten. Konkretisierung tritt durch Dekrete und Erlasse, durch ministerielle Rundschreiben und ähnliche Veröffentlichungen sowie auch durch kollektivarbeitsrechtliche Vereinbarungen ein.129 Allerdings genügt es nicht zwingend, dass der Arbeitgeber bestehende Normen im Hinblick auf bestimmte Risiken einhält – vielmehr muss er einzelfallabhängig auf die bestehenden Risiken reagieren und ihrer Realisierung entgegenwirken, auch wenn dies nicht in einer Vorschrift vorgesehen ist.130 Umgekehrt geht die Rechtsprechung davon aus, dass jede Nichteinhaltung einer spezifischen Sicherheitsvorschrift eine Verletzung der Arbeitsschutzpflicht darstellt, unabhängig davon, ob dem Arbeitnehmer ein Schaden entstanden ist.131 Soweit der Arbeitgeber Vorgaben zum Arbeitsschutz macht, muss er diese in einer betrieblichen Hausordnung gem. Art. L.1321-1 Code du travail oder einem Dokument ähnlicher Formalität festhalten.132 In Betrieben mit mehr als 50 Mitarbeitern ist eine solche Hausordnung Pflicht, Art. L.1311-2 Code du travail. Eine zentrale Bedeutung in Fragen des Arbeitsschutzes kommt weiterhin dem Sozial- und Wirtschaftskomitee (comité social et économique) zu, das infolge einer Reform im Jahr 2017133 an die Stelle drei anderer Repräsentationsorgane der Arbeitnehmer getreten ist, einschließlich des zuvor vorgesehenen Komites für Hygiene, Sicherheit und Arbeitsbedingungen (comité d’hygiène, de sécurité et des conditions de travail).134 Die Einhaltung des Arbeits(schutz)rechts wird darüber hinaus durch die Arbeitsin-

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Loiseau, JCP S 2016, 1220; zustimmend Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 2010 Rn. 42. 129 Vgl. Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 953; Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 19 ff. 130 Babin, JCP S 2016, 1011. 131 Cass. Soc. v. 27. 11. 2019, n818-10.551, JCP S 2020, 1011; v. 30. 11. 2010, n808-70.390, Bull. Civ., V, n8270; v. 5. 10. 2010, n809-40.913, RJS 2010, n8941; siehe auch Auzero/Baugard/ Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 959; Cass. Soc. v. 6. 10. 2010, n809-65.103, Bull. Civ., V, n8215; kritisch hierzu Garand, JCP S 2011, 1281. 132 Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 25. 133 Siehe Ordonnance n82017-1386 v. 22. 9. 2017. 134 Vgl. Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 114.

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spektion (Art. L.8112-1 ff. Code du travail) sowie die arbeitsmedizinischen Dienste (Art. L.4621-1 ff. Code du travail) überwacht.135 Die Pflicht des Arbeitgebers umfasst neben Präventionsmaßnahmen auch die Information und Fortbildung der Arbeitnehmer.136 Welche Maßnahmen erforderlich sind, ist in Bezug auf den konkreten Arbeitsplatz im Wege einer Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln und zu dokumentieren.137 Zu dieser allgemeinen Schutzpflicht treten weitere, spezielle Handlungspflichten mit Blick auf spezifische Gefahrensituationen, die an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden sollen.138 Neben dem Schutz seiner Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber zum Schutz Dritter verpflichtet sein – dies kann sich insbesondere aus Verträgen mit eben diesen Dritten ergeben.139 c) Konkretisierung der Arbeitsschutzpflichten im Lichte der Pandemie In Zeiten der Pandemie spielen die Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers eine zentrale Rolle: Der Arbeitgeber muss Maßnahmen ergreifen, um die Arbeitnehmer (und Dritte)140 vor dem zirkulierenden Virus zu schützen, was auch eine neue Risikobewertung im Lichte der Ansteckungsgefahren notwendig macht.141 Hierbei muss der Arbeitgeber die wissenschaftlichen Erkenntnisse, insbesondere diejenigen, die durch den Haut conseil de la santé publique verbreitet werden, beachten.142 Jedes Ansteckungsrisiko vollständig ausschließen muss der Arbeitgeber dabei nicht143 – diese Feststellung fügt sich in die oben dargestellte Rechtsprechungsentwicklung zum Ausmaß der Arbeitsschutzpflicht ein.

135 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 954; Dauxerre, JurisClasseur Travail Traité, Synthèse – Conditions de travail, hygiène et sécurité. 136 Art. L.4121-1 28 Code du travail. 137 Art. L.4121-3, R.4121-1 Code du travail. 138 Siehe etwa die Art. R.4411-1 ff. Code du travail; die Normierung spezifischer Pflichten hat die allgemeine Schutzpflicht nach Art. L.4121-1 Code du travail zeitweise in den Hintergrund treten lassen, so Jeansen, Dr. Soc. 2020, 277. 139 Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (66), der darüber hinaus auch eine generelle Pflicht zum Schutz der Gesundheit anderer (devoir général de protéger la santé d’autrui) nennt. 140 Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (66). 141 CE v. 17. 12. 2020, n8446797 (Legifrance); CA Versailles v. 24. 4. 2020, n820/01993 (Lexis360); Trib. Jud. Le Havre v. 7. 5. 2020, n820/00143 (Legifrance); Trib. Jud. Paris v. 9. 4. 2020, n820/52223 (Lexis360); Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 158; Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (66); Bachelot/Coursier, JCP S 2020, 2059; Lapérou-Scheneider, JCP S 2021, 1049; Véricel, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 208. Siehe für den Fall einer Grippe-Pandemie auch bereits Circulaire DGT 2009/16 v. 3. 7. 2009, S. 12. 142 CE v. 17. 12. 2020, n8446797 (Legifrance). 143 Bachelot/Coursier, JCP S 2020, 2059.

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Um Arbeitgeber zu unterstützen und zu informieren wurden von öffentlichen Stellen, insbesondere dem Arbeitsministerium144, mehrere Dokumente veröffentlich, die Handlungsleitlinien enthielten – allen voran das Protocole national de déconfinement pour les entreprises v. 9. 5. 2020 sowie nachfolgend das Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de Covid-19, das fortlaufend aktualisiert wurde und die wesentlichen Züge seines Vorgängers beibehielt. Diese Dokumente enthielten u. a. Vorgaben zu Hygienemaßnahmen, Personenabstand, Möglichkeiten wie Tests und Fiebermessungen sowie dem Umgang mit infizierten oder infektionsverdächtigen Personen. Weiterhin wurde die Bestellung eines sog. Covid-19-Referenten vorgesehen, der die Umsetzung der beschlossenen Infektionsschutzmaßnahmen überwacht und die Arbeitnehmer hierüber informiert.145 Seit dem 14. 3. 2022 findet das Protocole national keine Anwendung mehr.146 Darüber hinaus traf das Arbeitsministerium auch im Rahmen eines Fragen-undAntworten-Katalogs auf der Ministeriumswebsite grundlegende Aussagen zu arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen Aspekten, weiterhin wurden Ratgeber für bestimmte Berufe veröffentlicht (fiches conseils).147

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Ministère du travail, de l’emploi et de l’insertion. Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de Covid-19 in allen Fassungen, S. 4. 146 Seit dem 15. 3. 2022 verweist das Arbeitsministerium stattdessen auf den Guide repère des mesures de prévention des risques de contamination au COVID-19, der seinerseits nur grobe Leitlinien zeichnet und auf die Hinweise anderer Stellen wie diejenigen des Gesundheitsministeriums und der Krankenversicherung verweist, siehe https://travail-emploi.gouv.fr/le-mini stere-en-action/coronavirus-covid-19/article/guide-repere-des-mesures-de-prevention-des-ris ques-de-contamination-au-covid-19 (letzter Abruf: 19. 5. 2022): „À compter de lundi 14 mars 2022, le Gouvernement a décidé au niveau national la levée du protocole sanitaire en entreprise et la levée de l’obligation du port du masque en intérieur, sauf dans les transports collectifs et les établissements de santé et médico-sociaux. Les règles relatives à la vie en entreprise hors situation épidémique sont de nouveau en vigueur. Pour accompagner les salariés et les employeurs, un guide repère sur les mesures de prévention des risques de contamination au Covid-19 est disponible.“ (frei übersetzt: Ab Montag, dem 14. März 2022, hat die Regierung auf nationaler Ebene beschlossen, das Protocole sanitaire en entreprise aufzuheben und die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen aufzuheben, außer in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Gesundheits- und Pflegeheimen. Die Regeln für das Leben in Unternehmen außerhalb einer epidemischen Situation sind wieder in Kraft. Zur Unterstützung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist ein Leitfaden über Maßnahmen zur Prävention von Ansteckungsrisiken mit Covid-19 verfügbar). 147 Ministère du travail, de l’emploi et de l’insertion, Coronavirus – COVID-19, Questions – réponses par thème; bzgl. der Ratgeber siehe Pressemitteilung des Ministeriums v. 29. 4. 2020, die Ratgeber selbst sind online nicht mehr verfügbar. Zur schrittweisen Entwicklung siehe auch Favennec-Héry/Teissier, JCP S 2021, 1153. 145

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

Früh drängten sich Fragen nach der Rechtsnatur und insbesondere nach der Verbindlichkeit derartiger Veröffentlichungen auf.148 Für das Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de Covid-19 in seiner Fassung v. 31. 8. 2020 und v. 13. 11. 2020 hat der Conseil d’État diese inzwischen abgelehnt: Das Konzept sei lediglich eine Sammlung von Empfehlungen zur Konkretisierung der Arbeitsschutzverpflichtung nach dem Code du travail.149 Für die auf der Ministeriumswebsite veröffentlichten Antworten und andere Ratgeber kann nichts anderes gelten.150 Derartige Vorgaben sind der Kategorie des soft law bzw. droit souple zuzuordnen, d. h. denjenigen Äußerungen öffentlicher Stellen, die eine Verhaltensänderung oder -orientierung für ihre Adressaten bezwecken, ohne dabei rechtsverbindlich zu sein, zugleich aber in Form und Struktur rechtlich bindenden Vorgaben ähneln.151 Gerade im Bereich der öffentlichen Gesundheit und auch der Gesundheit am Arbeitsplatz ist die Verwendung vergleichbarer Dokumente nicht selten.152 Aus der fehlenden normativen Wirkung folgt aber keineswegs die Irrelevanz153: Soweit die im Protocole national enthaltenen Anordnungen auf dem wissenschaftlichen Kenntnisstand beruhen, kann der Arbeitgeber seine Pflicht, das Erforderliche zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer zu tun, nur erfüllen, wenn er ihnen Folge leistet – jedenfalls, soweit es keine ebenso effektiven Handlungsalternativen gibt.154 Jedenfalls was Maskenpflicht und Personenabstände, regelmäßiges 148 Favennec-Héry/Teissier, JCP S 2021, 1153; Jubert, RDT 2020, 521; Loiseau, JCP S 2020, 450; Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25; Restino, JCP S 2021, 1033; Sachs, Le Droit Ouvrier 2021, 173 (179). 149 CE v. 19. 10. 2020, n8444809 (Lexis360); bestätigt in CE v. 17. 12. 2020, n8446797 (Lexis360); i. E. ebenso Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25; Véricel, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 208 (210); Sachs, Le Droit Ouvrier 2021, 173 (179). 150 Vgl. Favennec-Héry/Teissier, JCP S 2021, 1153; Jubert, RDT 2020, 521; Koubi, Le Droit Ouvrier 2020, 515 (518); Loiseau, JCP S 2020, 450. 151 Zur Definition des droit souple siehe Sauvé u. a., Les rapports du Conseil d’État, Le droit souple, 2013, S. 9; zur Einordnung der Veröffentlichungen im Rahmen der Pandemie siehe Clavreul, Lexbase Lettre juridique n8837 v. 24. 9. 2020; Favennec-Héry/Teissier, JCP S 2021, 1153; Jubert, RDT 2020, 521 (522); Labatut, Le Droit Ouvrier 2021, 127 (128); Restino, JCP S 2021, 1033. Abzugrenzen vom droit souple sind die sog. documents de portée générale émanant d’autorités publiques, zu denen ministerielle Rundschreiben, Anleitungen, Empfehlungen und u. ä. gehören, die sich zumeist an die im Namen der öffentlichen Hand Handelnden richten und eine rechtliche Bindungswirkung haben können, siehe Restino, JCP S 2021, 1033. 152 Jubert, RDT 2020, 521; vgl. auch Restino, JCP S 2021, 1033. 153 Zu den rechtlichen Auswirkungen von Vorgaben des droit souple im Allgemeinen Restino, JCP S 2021, 1033. 154 Vgl. CE v. 19. 10. 2020, n8444809 (Lexis360) hinsichtlich einer Maskenpflicht: „(…) dès lors qu’en l’état des connaissances scientifiques, le port du masque dans les espaces clos est justifié et constitue (…) la mesure pertinente pour assurer efficacement la sécurité des personnes, la suspension éventuelle du protocole n’aurait aucune incidence sur la mise en oeuvre pratique des obligations légales de l’employeur (…)“ (frei übersetzt: da nach wissenschaftlichem Kenntnisstand die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen gerechtfertigt ist und die sachdienliche Maßnahme zum effektiven Schutz der Sicherheit von Personen darstellt, hätte die

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Lüften und Desinfizieren sowie eine ausreichende Unterweisung der Belegschaft betrifft, verbleibt wenig Entscheidungsspielraum.155 Das gilt auch für Maßnahmen, die über die Empfehlungen hinausgehen – hier kann sich der Arbeitgeber einem Vorwurf wegen unverhältnismäßiger Beschränkung der Rechte und Freiheiten der Arbeitnehmer ausgesetzt sehen.156 Umgekehrt steht allerdings noch nicht fest, dass der Arbeitgeber seine Arbeitsschutzverpflichtung erfüllt hat, wenn er die Vorgaben des Protocole national eingehalten hat.157 Die Art der Regelung hat in der Literatur durchaus Kritik erfahren. Die Einordung der Vorgaben des Protokolls als bloße Empfehlungen führt zu einer geringeren gerichtlichen Kontrolldichte.158 Da sie den Arbeitgeber in seiner Entscheidungsfreiheit trotz ihres formal nur empfehlenden Charakters gleichwohl einschränken, ohne dass dies auf rechtlich solider Grundlage beruht, wird das vom Conseil d’État vertretene Verständnis, an der Legalität des Protokolls bestünden keine Zweifel, seinerseits in Zweifel gezogen.159 Verschärfen können sich die Pflichten des Arbeitgebers, wenn die Vorschriften über Arbeiten mit Biostoffen (Art. R.4421-1 ff. Code du travail) Anwendung finden.160 Das wird insbesondere für Pflegepersonal angenommen.161 Zusätzlich zu Suspendierung des protocole keinerlei Auswirkungen auf die Durchführung der gesetzlichen Pflichten des Arbeitgebers); i. E. ebenso Favennec-Héry/Teissier, JCP S 2021, 1153; Jubert, RDT 2020, 521 (523); Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25; Loiseau, JCP S 2020, 450; Véricel, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 208 (210); Hervieu, Village de la justice v. 28. 10. 2020; Restino, JCP S 2021, 1033; Sachs, Le Droit Ouvrier 2021, 173 (179). Siehe auch Antonmattei, JCP S 2020, 482: „(…) et peu importe si, demain, dans un éventuel litige sur l’exécution de l’obligation de sécurité, le juge ne sera pas lié par les recommandations ministérielles. Leur autorité tient, à leur contenu substantiel fondé sur la connaissance scientifique relative au covid-19.“ (frei übersetzt: Und es spielt keine Rolle, ob der Richter morgen in einem möglichen Rechtsstreit über die Erfüllung der Sicherheitspflicht nicht an die ministeriellen Empfehlungen gebunden sein wird. Ihre Autorität beruht auf ihrem substantiellen Inhalt, der auf wissenschaftlichen Erkenntnissen über Covid-19 basiert). 155 So auch Restino, JCP S 2021, 1033. 156 Restino, JCP S 2021, 1033; siehe auch Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (66 f.). 157 Jubert, RDT 2020, 521 (523). 158 Loiseau/Bloch, Dr. Soc. 2021, 484 (490); Loiseau, JCP S 2020, 450. 159 Favennec-Héry/Teissier, JCP S 2021, 1153; Loiseau/Bloch, Dr. Soc. 2021, 484 (490); Loiseau, JCP S 2020, 450. Dies erfolgt insbesondere im Hinblick auf die Rechtssache Gisti, in welcher der Conseil d’Etat eine Möglichkeit gerichtlicher Kontrolle solcher Akte annahm, die einen zwingenden Charakter haben oder den Charakter von Leitlinien aufweisen, siehe CE v. 12. 6. 2020, n8418142, Lebon. 160 TJ Lille v. 3. 4. 2020, n820/00380, JurisData 2020-005726; darüber hinaus auch für Verkäufer eines Supermarktes TJ Lille v. 14. 4. 2020, n820/00386, JurisData 2020-005727; für Pflegekräfte bejahend, demgegenüber für Arbeiten in einer Automobilfabrik ablehnend TJ Le Havre v. 7. 5. 2020, n820/00143, nv.; für eine Tätigkeit in einer Bäckerei ablehnend TJ Chalonsur-Saône v. 12. 5. 2020, n820/00076, nv.; siehe auch Asquinazi-Bailleux, JCP S 2020, 2011; Bachelot/Coursier, JCP S 2020, 2059. 161 Asquinazi-Bailleux, JCP S 2020, 2011.

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organisatorischen Maßnahmen muss der Arbeitgeber auch für eine ausreichende Information der Arbeitnehmer über die Risiken im Zusammenhang mit dem Coronavirus sorgen.162 2. Mitwirkungs- und Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers Neben den Pflichten des Arbeitgebers ist eine eigene Pflicht der Arbeitnehmer, die eigene sowie die Gesundheit jener Personen, die von den Auswirkungen des eigenen Handelns bei der Arbeit betroffen sind, zu schützen – so vorgesehen von Art. 13 der Richtlinie 89/391/EWG – in Art. L.4122-1 Code du travail enthalten. Ein vollständiger Gleichlauf mit der Pflicht des Arbeitgebers ist nicht gegeben.163 Gleichwohl sind die beiderseitigen Pflichten untrennbar verknüpft, ist doch der Arbeitgeber auf die Mitwirkung der Arbeitnehmer angewiesen, um ein hinreichendes Schutzniveau am Arbeitsplatz erreichen zu können.164 Ausgestaltet und konkretisiert wird die gesetzliche Pflicht des Arbeitnehmers durch Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts – sei es in Form von individuellen Anweisungen oder arbeitsschutzbezogenen Regelungen in der Hausordnung des Betriebs.165 Hieran ist der Arbeitnehmer gebunden, ein Verstoß kann sanktioniert werden, im äußersten Fall mit der Kündigung.166 Keine Einigkeit besteht darüber, ob über den durch die Weisungen des Arbeitgebers oder die Hausordnung vorgegebenen Rahmen hinaus, anders als der Wortlaut des Art. L.4122-1 Code du travail nahelegt, die Schutzverpflichtung des Arbeitnehmers besteht; überwiegend scheint dies allerdings befürwortet zu werden.167 Ungeachtet dessen ist die Pflicht des Arbeitnehmers, wie auch in der Richtlinie 89/391/EWG vorgesehen, begrenzt durch seine Möglichkeiten und Fähigkeiten.168 In personeller Hinsicht wird Art. L.4122-1 Code du travail so inter162

Rozec, JCP G 2020, 330. Favennec-Héry, Dr. Soc. 2007, 687 (696); siehe auch André, JCP S 2008, 1094; Radé, Le Droit Ouvrier 2012, 578 (578); Verkindt, JCP S 2007, 1584; Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (35) spricht sogar von vollkommener Asymmetrie. 164 Vgl. Gaba, Le Droit Ouvrier 2011, 114 (117); Radé, Le Droit Ouvrier 2012, 578 (578 f.). 165 Favennec-Héry, Dr. Soc. 2007, 687 (689); siehe auch Saint-Jours, Le Droit Ouvrier 2007, 560 (561, 563). 166 Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 59; Diaz/Saint Michel, Dalloz Actualité v. 28. 3. 2020; Radé, Le Droit Ouvrier 2012, 578 (580); Saint-Jours, Le Droit Ouvrier 2007, 560 (563); Véricel, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 208 (212); eine persönliche Haftung des Arbeitnehmers ist demgegenüber selten, vgl. Favennec-Héry, Dr. Soc. 2007, 687 (693). 167 Dafür Coeuret, La responsabilité du salarié en matière de sécurité et prévention des risques professionnels, Rapport annuel de la Cour de cassation 2002, I B; Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 57; Favennec-Héry, Dr. Soc. 2007, 687 (690); Gaba, Le Droit Ouvrier 2011, 114 (116); a. A. André, JCP S 2008, 1094; Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (35); wohl auch Verkindt, JCP S 2007, 1584. Die Informationen und Mittel, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Erfüllung seiner Schutzpflichten zur Verfügung gestellt hat, sind gleichwohl zu berücksichtigen, siehe Sargos, JCP G 2003, 104. 168 André, JCP S 2008, 1094 (Lexis360). 163

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pretiert, dass alle Personen umfasst sind, die kraft vertraglicher Verpflichtung der Autorität des Arbeitgebers unterstehen – d. h. alle Arbeiter, die an der Leistungserbringung beteiligt sind, unabhängig davon, ob ein Arbeitsvertrag besteht, wohl aber nicht Dritte.169 Weiterhin gelten für den Arbeitsvertrag nach Art. 1222-1 Code du travail die Grundsätze von Treu und Glauben („bonne foi“). Dies begründet Treuepflichten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber dahingehend, dass er dem Unternehmen und vermittelt hierüber auch den anderen Arbeitnehmern keinen Schaden zufügt.170 Auch dies kann ergänzend als Grundlage für Verhaltenspflichten im Bereich der Sicherheit und Gesundheit herangezogen werden.171 Für die Tätigkeit in Zeiten der Pandemie folgt daraus: Der Arbeitnehmer muss sich und andere vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen.172 Schon kraft seiner Weisungsgebundenheit, verstärkt durch die Pflicht nach Art. L.4122-1 Code du travail, Instruktionen des Arbeitgebers in Fragen der Sicherheit und Gesundheit Folge zu leisten, muss er ein Hygienekonzept des Arbeitgebers befolgen173 – jedenfalls, wenn es die Grenzen der Verhältnismäßigkeit, die Art. L.1121-1 Code du travail für Freiheitsbeschränkungen vorsieht, wahrt.174 Für den Schutz von Kollegen wie Dritter vor Infektionen lassen sich Handlungspflichten des Arbeitnehmers weiterhin aus dem Vertrag selbst herleiten – die Grenzen dieser Schutzpflichten sind indes kaum präzise zu bestimmen.175 Jedenfalls, wenn der Arbeitgeber Maßnahmen wie das Tragen von Masken anordnet und keine anderen, weniger freiheitsbeschränkenden Maßnahmen ersichtlich sind, wird der Arbeitnehmer dem Folge leisten müssen.176 Zu Informationspflichten und der Teilnahme an Gesundheitsuntersuchungen im Zusammenhang mit der Schutzpflicht des Arbeitnehmers siehe Gliederungspunkt D. II. Erkennt man darüber hinaus, wie es viele tun, eine eigenständige Pflicht des Arbeitnehmers zum Schutze seiner Kollegen aus Art. L.4122-1 Code du travail auch über die Anweisungen des Arbeitgebers hinaus an, muss er auch bei mangelhaftem oder fehlendem Hygienekonzept Infektionsrisiken durch das Tragen von Masken 169

Saint-Jours, Le Droit Ouvrier 2007, 560 (563). Diaz/Saint Michel, Dalloz Actualité v. 28. 3. 2020. 171 Favennec-Héry, Dr. Soc. 2007, 687 (690) erwägt auch, ob die allgemeine Schutzpflicht dem Arbeitsvertrag bereits inhärent ist, stellt aber fest, dass diese mögliche Grundlage jedenfalls in der Praxis keine Anwendung findet. Für eine vertragliche Grundlage der arbeitnehmerseitigen Schutzpflicht auch Saint-Jours, Le Droit Ouvrier 2007, 560 (561 f.); a. A. wohl Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 960; Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (35). 172 Bachelot/Coursier, JCP S 2020, 2059. 173 Antonmattei, JCP G 2020, 482; Véricel, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 208 (212). 174 In diesem Sinne Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (64, 67). 175 Bachelot/Coursier, JCP S 2020, 2059. 176 Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (66). 170

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oder ähnlichen Maßnahmen minimieren.177 Fehlt ein Hygienekonzept allerdings vollständig oder besteht trotz getroffener Vorkehrungen eine Gesundheitsgefahr für den Arbeitnehmer, tritt eine andere mögliche Konsequenz in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Untersuchungen – nämlich das Ausbleiben der Arbeitsleistung. 3. Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bei Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit Art. L.4131-1 Abs. 2 Code du travail berechtigt den Arbeitnehmer, sich einer Situation zu entziehen, von der er vernünftigerweise glaubt, dass sie eine schwerwiegende und unmittelbare Gefahr für seine Gesundheit oder sein Leben darstellt. Nach einer Erörterung der Grundlagen und Voraussetzungen dieses Rechts ist auf die Bedeutung in Zeiten der Pandemie einzugehen. a) Voraussetzungen und Folgen des droit de retrait Das Leistungsverweigerungsrecht (droit de retrait) entspricht den Anforderungen des Art. 8 Abs. 4 der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 89/391/EWG, existierte im französischen Recht jedoch auch bereits vor deren Inkrafttreten.178 Ursprünglich war das Leistungsverweigerungsrecht als solches im Gesetzestext nicht benannt, vielmehr regelte die Art. L.231-8-1 Code du travail i. d. F. v. 26. 12. 1982 lediglich die Rechtsfolgen einer Entfernung vom Arbeitsplatz im Lichte einer Gefahr, der nachfolgende Artikel die auch heute geltende Grenze179, dass Andere durch die Arbeitsniederlegung nicht gefährdet werden dürfen. Gleichwohl sprach man bereits von einem „Recht zum Rückzug“.180 Der heutige Code du travail sieht in Art. L.4131-1 Abs. 2 hingegen ausdrücklich ein solches Recht vor, ebenso wie bereits die Überschrift des 3. Titels, in dem sich die Norm befindet.181 Während die in derselben Norm vorgesehene Information des Arbeitgebers bei Gefahr für die Sicherheit oder Gesundheit eine Pflicht des Arbeitnehmers darstellt, handelt es sich bei 177

Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (68) stellt insoweit fest, dass eine Verletzung der Schutzpflicht seitens des Arbeitgebers den Arbeitnehmer nicht von der seinen befreit. 178 Eingeführt durch Loi n882-1097 v. 23. 12. 1982, die Regelung orientiert sich an Art. 13 Übereinkommen Nr. 155 der ILO vom 22. 6. 1983. Zur Entwicklung siehe Lachaise, JCP E 1991 I, 88. 179 Heute geregelt in Art. L.4132-1 Code du travail. Diese Pflicht muss auch im Zusammenhang mit der allgemeinen Arbeitsschutzpflicht des Arbeitnehmers gesehen werden, vgl. Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 106. 180 Siehe etwa Cass. Soc. v. 9. 12. 2003, n802-47-579, RJS 2004, n8216; Cohen-Donsimoni, JCP E 1996, 859; Lachaise, JCP E 1991 I, 88; hierzu auch Saint-Jours, Le Droit Ouvrier 2007, 560 (562). Nach Savatier, Dr. Soc. 2015, 335 (343) handelt es sich um die Ausübung eines Grundrechts auf Schutz der eigenen Person. 181 Gleichwohl kritisch hinsichtlich der Einordnung als „Recht“ Babin, RDT 2020, 724 (724 f.).

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dem Leistungsverweigerungsrecht in einer solchen Situation um ein Recht, das nicht zwingend ausgeübt werden muss.182 Ob die Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechts bestehen, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.183 Das Merkmal der schwerwiegenden und unmittelbaren Gefahr wird im Gesetz selbst nicht definiert.184 Ein ministerielles Rundschreiben aus dem Jahr 1993 zieht enge Grenzen: Schwerwiegend sei jede Gefahr, die zu einem Unfall oder einer Krankheit führen könnte, der/die den Tod zur Folge hat oder zu einer dauerhaften oder längeren vorübergehenden Behinderung zu führen geeignet scheint; unmittelbar drohend jede Gefahr, die sich in kurzer Zeit plötzlich verwirklichen kann.185 Die Definitionen werden zuweilen auch heute noch herangezogen, jedoch auch kritisch bewertet.186 Ersteres gilt jedenfalls für drohende Unfälle – im Hinblick auf Krankheiten passen die engen Anforderungen insbesondere an die Unmittelbarkeit weniger, da diese sich auch später oder langfristig entwickeln können.187 Die Gefahr von Krankheiten fällt aber gleichwohl in den Anwendungsbereich des droit de retrait: Die Rechtsprechung hat sich hier bereits früh großzügiger gezeigt als später das Arbeitsministerium in dem Rundschreiben von 1993.188 Weiterhin wird das Leistungsverweigerungsrecht in mehrfacher Hinsicht versubjektiviert: Zum einen ist der Gesundheitszustand des betroffenen Arbeitnehmers zu berücksichtigen und kann selbst Ursache für die Schwere der Gefahr sein.189 Darüber hinaus muss sich die Gefahr auf die konkrete Tätigkeit beziehen, derer sich der Arbeitnehmer entzieht.190 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Gefahren der vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeit bereits immanent sein können – 182 Cass. Soc. v. 9. 12. 2003, n802-47.579, JurisData n82003-021403; Auzero/Baugard/ Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 966; Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 2010 Rn. 94; Lachaise, JCP E 1991 I, 88; Verkindt, JCP S 2009, 1226. 183 Circulaire ministerielle 93/15 v. 25. 3. 1993, S. 16; Babin, RDT 2020, 724 (725 f.); Leduc/Massamba/Débat, Le Droit Ouvrier 2020, 349 (356). 184 Zur Schwierigkeit der Definition siehe auch Babin, RDT 2020, 724 (725 f.). 185 Circulaire ministerielle 93/15 v. 25. 3. 1993, S. 16. 186 Siehe etwa Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 97, 99; Leduc/Massamba/Débat, Le Droit Ouvrier 2020, 349 (356); kritisch Gasser, RJS 2006, 463 (468). 187 Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 99; Bousiges, Dr. Soc. 1991, 279 (285); Gasser, RJS 2006, 463 (470); Gardin, Dr. Soc. 1996, 363 (368); Lachaise, JCP E 1991 I, 88; ders., JCP E 1996 II, 850; Leduc/Massamba/Débat, Le Droit Ouvrier 2020, 349 (356); vgl. auch Bonnechère, Le Droit Ouvrier 1994, 173 (180). 188 Siehe Cass. Soc. v. 11. 12. 1986, n884-42.209, Bull. Civ., V, n8597. 189 Cass. Soc. v. 20. 3. 1996, n893-40.111, Bull. Civ., V, n8107; Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 104; Gasser, RJS 2006, 463 (467); Jubert-Tomasso, Le Droit Ouvrier 2021, 149 (154 f.); Lachaise, JCP E 1996 II, 850; Leduc/Massamba/Débat, Le Droit Ouvrier 2020, 349 (356 f.). 190 Cass. Soc. v. 23. 4. 2003, n801-44806, Bull. Civ., V, n8136; Gasser, RJS 2006, 463 (468); Jubert-Tomasso, Le Droit Ouvrier 2021, 149 (154); Leduc/Massamba/Débat, Le Droit Ouvrier 2020, 349 (365).

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diese können ihn dann nicht zur Leistungsverweigerung berechtigen.191 Schließlich kommt es nicht darauf an, ob die Gefahr objektiv besteht, sondern ob der Arbeitnehmer berechtigterweise davon ausgehen kann, dass die Voraussetzungen des Art. L.4131-1 Code du travail vorliegen.192 Ob das der Fall ist, unterliegt der richterlichen Beweiswürdigung.193 Von dem Irrtumsrisiko ist der Arbeitnehmer aufgrund der Subjektivität der Gefahranalyse weitgehend befreit, jedenfalls solange die Annahme der Gefahr vernünftig und damit berechtigt ist. Ist das nicht der Fall, greift der Schutz des droit de retrait nicht ein – der Arbeitnehmer verliert hier nicht nur seinen Vergütungsanspruch, sondern kann sich auch disziplinarischen Maßnahmen bis hin zur Kündigung ausgesetzt sehen.194 Bei Bestehen des Leistungsverweigerungsrechts hingegen darf die Niederlegung der Tätigkeit nicht sanktioniert werden, insbesondere darf auch die Vergütung nicht einbehalten werden – das folgt bereits aus Art. L.4131-3 Code du travail. Einige verweisen ergänzend darauf, dass der Arbeitsvertrag nicht suspendiert werde und die Vergütungspflicht fortbestehe, da der Arbeitnehmer sich nur einer bestimmten Tätigkeit verweigere, dem Arbeitgeber aber gleichzeitig für anderweitige Tätigkeiten zur Verfügung stehe.195 Dies fußt auf der bereits erörterten Rechtsprechung, nach der die Vergütung geschuldet ist, wenn der Arbeitgeber seine Be191 Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 98; Bousiges, Dr. Soc. 1991, 279 (284); Cohen-Donsimoni, JCP E 1996, 859; Gardin, Dr. Soc. 1996, 363 (368); Gasser, RJS 2006, 463 (468); siehe auch Champenois, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 87 (93); Jubert-Tomasso, Le Droit Ouvrier 2021, 149 (154); offen gelassen von Bonnechère, Le Droit Ouvrier 1994, 173 (180). Babin, RDT 2020, 724 (725) hält die Figur einer schwerwiegenden Gefahr für ein soziales Konstrukt, dessen Beurteilung immer von dem im Einzelfall gemeinhin akzeptierten Risiko abhängt. 192 So bereits der Wortlaut der Norm: „(…) toute situation de travail dont il a un motif raisonnable de penser qu’elle présente un danger grave et imminent pour sa vie ou sa santé (…“) (frei übersetzt: Jede Arbeitssituation, in der er [der Arbeitnehmer, Anm. d. Verf.] vernünftigerweise davon ausgehen konnte, das sie eine schwerwiegende und unmittelbare Gefahr für seine Gesundheit oder sein Leben darstellt). Siehe auch Cass. Soc. v. 20. 11. 2014, n81322.421 (Legifrance); v. 5. 7. 2011, n810-23.319 (Legifrance); v. 23. 3. 2005, n803-42412 (Legifrance); Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 966; Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 514; Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 102, 104; Babin, RDT 2020, 724 (726); Bousiges, Dr. Soc. 1991, 279 (285); Champenois, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 87 (88); Cohen-Donsimoni, JCP E 1996, 859; Gardin, RJS 2009, 599 (600); dies., Dr. Soc. 1996, 363 (368); Lachaise, JCP E 1991 I, 88; Leduc/Massamba/Débat, Le Droit Ouvrier 2020, 349 (363); Jubert-Tomasso, Le Droit Ouvrier 2021, 149 (152). 193 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 966; Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 105; Gardin, RJS 2009, 599 (600 f.); Leduc/Massamba/Débat, Le Droit Ouvrier 2020, 349 (362 f.); Verkindt, RDT 2020, 721 (723); ders., JCP S 2009, 1226. 194 Siehe Bonnechère, Le Droit Ouvrier 1994, 173 (183); Bousiges, Dr. Soc. 1991, 279 (289 f.); Gardin, RJS 2009, 599 (604); Gasser, RJS 2006, 463 (465); Lachaise, JCP E 1996 II, 850. 195 Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 93; Gasser, RJS 2006, 463 (463 f.); Leduc/Massamba/Débat, Le Droit Ouvrier 2020, 349 (358, 361); wohl auch Verkindt, RDT 2020, 721 (723).

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schäftigungspflicht verletzt und der Arbeitnehmer aus diesem Grunde nicht tätig wird.196 Im Umkehrschluss kann hieraus allerdings nicht gefolgert werden, dass bei Nichtbestehen des Leistungsverweigerungsrechts, wenn der Arbeitnehmer nicht berechtigterweise von einer hinreichenden Gefahr ausgehen durfte und gleichwohl die zugewiesene Tätigkeit verweigert, der Vergütungsanspruch fortbesteht, weil ihm andere Tätigkeiten zugewiesen werden könnten – auf die nicht berechtigte Leistungsverweigerung ist der Gedanke, dass bereits das Bereithalten zur Erbringung der Arbeitsleistung einen Vergütungsanspruch begründen kann, nicht übertragbar.197 Der Arbeitnehmer, der eine ihm zugewiesene Arbeit ablehnt, kann grundsätzlich nicht mit der Begründung, er habe für andere Arbeiten zur Verfügung gestanden, eine Zahlung der Vergütung verlangen.198 Eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers ist nicht Voraussetzung des Leistungsverweigerungsrechts.199 Zweck des Leistungsverweigerungsrechts ist nicht die Sanktion einer Pflichtverletzung des Arbeitgebers, sondern vielmehr der Schutz des Arbeitnehmers vor einer gefährlichen Situation.200 Daher genügt die Pflichtverletzung des Arbeitgebers allein auch nicht, um die Leistungsverweigerung nach Maßgabe des Art. L.4131-1 Code du travail zu rechtfertigen.201 Liegt eine Verletzung der Schutzpflichten vor, wird weiterhin erörtert, ob der Rückgriff auf das Leistungsverweigerungsrecht nach Art. L.4131-1 Code du travail überhaupt notwendig ist, da der Arbeitnehmer berechtigt sei, sich einer unzulässigen Weisung zu verweigern.202 Während die Folgen einer solchen Verweigerung im Hinblick auf Sanktionen des Arbeitgebers klar benannt werden – disziplinarische Maßnahmen sind unzulässig203 – gilt das weniger für die Auswirkungen auf das Vergütungsrisiko. Grundsätzlich soll auch die berechtigte Leistungsverweigerung, soweit nichts anderes bestimmt ist, zu einem Fortfall des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers in Folge des Ausbleibens der Arbeitsleistung führen.204 In der Rechtsprechung und Literatur finden sich indes Ansätze, mit denen sich eine Kostentragung des Ar196

Grundlegend Cass. Soc. v. 28. 2. 1962, Bull. Civ., V., n8231. Gardin, RJS 2009, 599 (604); siehe auch Cass. Crim. v. 25. 11. 2008, n807-87-650, Bull. Crim. 2008, n8239. 198 Cesaro, JCP S 2008, 1466; siehe auch allgemein Martinon, in: Les notions fondamentales du droit du travail, 2009, S. 161 (174). 199 Champenois, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 87 (88); Gasser, RJS 2006, 463 (468); Jubert-Tomasso, Le Droit Ouvrier 2021, 149 (153). 200 Bousiges, Dr. Soc. 1991, 279 (282); Gasser, RJS 2006, 463 (469); anders Collet-Thiry, Le Droit Ouvrier 2014, 565 (569). 201 Champenois, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 87 (88); Jubert-Tomasso, Le Droit Ouvrier 2021, 149 (153); vgl. auch Gasser, RJS 2006, 463 (469). 202 Gardin, RJS 2009, 599 (602); siehe auch Cass. Soc. v. 18. 12. 2007, n806-43.801, Bull. Civ., V, n8212; Collet-Thiry, Le Droit Ouvrier 2014, 565 (570 ff.); Gasser, RJS 2006, 463 (468). Ausführlich zum Recht des Arbeitnehmers, unzulässige Weisungen nicht zu befolgen, Gardin, Dr. Soc. 1996, 363 (366). 203 Lahalle, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-1 Rn. 44. 204 Cesaro, JCP S 2008, 1466. 197

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beitgebers jedenfalls im Wege einer Schadensersatzforderung begründen ließe.205 Collet-Thiry stellt ungeachtet bestehender Unsicherheiten im Hinblick auf die rechtliche Begründung fest, im Falle einer Schutzpflichtverletzung von hinreichender Schwere durch den Arbeitgeber müsse dieser zur Zahlung der Vergütung für die Zeit des hierdurch bedingten Arbeitsausfalls verpflichtet sein.206 b) Leistungsverweigerung wegen Gesundheitsgefahr in Zeiten der Pandemie Weitgehende Einigkeit besteht dahingehend, dass der Pandemiezustand als solcher nicht ausreicht, um ein Leistungsverweigerungsrecht nach Art. L.4131-1 Code du travail zu begründen.207 Dennoch können damit zusammenhängende Umstände durchaus dazu führen, dass Arbeitnehmer berechtigterweise die Arbeit niederlegen. Die Infektion mit dem Coronavirus kann eine unmittelbare und schwerwiegende Gefahr darstellen.208 Mehrere Stimmen erachten Verstöße gegen die empfohlenen Hygienestandards grundsätzlich für ausreichend, um die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts zu legitimieren.209 Auch die Gerichte sind etwa im Fall Amazon bei mangelnden Hygienemaßnahmen von einer unmittelbaren Infektionsgefahr ausgegangen, wenn auch nicht explizit im Hinblick auf Art. L.4131-1 Code du 205 Für Arbeitnehmer, die sich infolge einer Verletzung von Vertragspflichten des Arbeitgebers zu einem Streik veranlasst sahen, der grundsätzlich mit einem Verlust des Vergütungsanspruchs für die Beteiligten einhergeht, hat die Cour de cassation entschieden, dass der Arbeitgeber eine Zwangslage geschaffen habe, durch die sich die Arbeitnehmer gezwungen sahen, ihre Arbeit niederzulegen, und hat auf dieser Basis den Arbeitgeber zu Schadensersatzzahlungen in Höhe der entgangenen Vergütung verpflichtet, siehe Cass. Soc. v. 21. 5. 1997, n895-42.542, Bull. Civ., V, n8183; v. 2. 3. 1994, n892-41.134, Bull. Civ., V, n875; v. 20. 2. 1991, n889.41.148, Bull. Civ., V, n880; siehe auch Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 1524; Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 183; Bonnechère, Le Droit Ouvrier 1994, 173 (179). Dieselbe Parallele zieht Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 109. Für ein entsprechendes Vorgehen einzelner Arbeitnehmer siehe ColletThiry, Le Droit Ouvrier 2014, 565 (566 ff.). Erwogen werden könnte auch eine Lösung mittels einer Analogie zur Nichtzuweisung einer Beschäftigung durch den Arbeitgeber (siehe hierzu oben Gliederungspunkt B. II.), wenn die unter Verletzung der Sicherheitspflichten erfolgte Zuweisung als nicht erfolgt angesehen wird. 206 Collet-Thiry, Le Droit Ouvrier 2014, 565 (573). 207 Siehe etwa Bugada/Douchy-Oudot/Rolland, LexisNexis Procédures 2020, n85, 34 (35); Champenois, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 87 (90); Duchange, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 145 (147); Jubert-Tomasso, Le Droit Ouvrier 2021, 149 (152); Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 129; siehe auch bereits Circulaire DGT 2009/16 v. 3. 7. 2009, S. 18. 208 Champenois, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 87 (92). 209 Duchange, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 145 (147) erachtet z. B. das Nichteinhalten des Abstandsgebots für ausreichend; auch Véricel, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 208 (212) lässt jeden Verstoß gegen Hygienevorschriften ausreichen, ebenso Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 514; wohl auch Babin, RDT 2020, 724 (727).

II. Frankreich

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travail.210 Umgekehrt wird ein Leistungsverweigerungsrecht abgelehnt, wenn der Arbeitgeber die öffentlichen Empfehlungen für die Arbeitsorganisation umgesetzt hat.211 Andere differenzieren: Von einer berechtigten Leistungsverweigerung wird nicht ausgegangen, wenn der Arbeitsplatz das Einhalten von Sicherheitsabständen ermöglicht und der Arbeitgeber weitere Maßnahmen zur Infektionsprävention getroffen hat, wohl aber, wenn kein Desinfektionsmittel, keine Seife und kein Wasser zur Verfügung gestellt werden, kein Abstand eingehalten werden kann und ein oder mehrere Arbeitnehmer mit dem Coronavirus infiziert sind.212 Zwischen diesen beiden Extremen gebe es allerdings Graubereiche, etwa wenn der Arbeitgeber Maßnahmen getroffen hat, diese aber nicht ausreichen – hier soll es auf die subjektive Beurteilung, mithin auf den Einzelfall ankommen.213 Das entspricht den Vorgaben des Art. L.4131-1 Code du travail. Dessen Versubjektivierung sowohl im Hinblick auf die berechtigte Vorstellung des Arbeitnehmers von einer hinreichenden Gefahr, als auch hinsichtlich des Bezugs zur konkret ausgeübten Tätigkeit, machen pauschale Antworten kaum möglich. Die Art der Tätigkeit, insbesondere die Kontaktdichte und auch die konkreten Umstände wie etwa das aktuelle Infektionsgeschehen am Tätigkeitsort müssen berücksichtigt werden.214 Gleiches gilt für den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers. Erwogen wird weiterhin, ob die Unsicherheit und stetige Fortentwicklung der wissenschaftlichen Kenntnisse während der Coronapandemie zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind.215 Restriktiv ist das Leistungsverweigerungsrecht in Zeiten der Pandemie insbesondere im Gesundheitssektor zu handhaben – ein gewisses Infektionsrisiko ist den dortigen Tätigkeiten inhärent, was eine berechtigte Leistungsverweigerung im Einzelfall zwar nicht ausschließt, sie jedoch an höhere Anforderungen knüpft.216 4. Zwischenergebnis Der Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer nach französischem Arbeitsrecht vor Gesundheitsgefahren bei der Arbeit und damit auch vor den Gefahren einer Coro210 Siehe Trib. Jud. Nanterre v. 14. 4. 2020, n820/00503 (Lexis360); bestätigt von CA Versailles v. 24. 4. 2020, n820/01993 (Lexis360). 211 Dumont, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 20-10 Rn. 100; Pradel/Pradel-Boureux/ Pradel, JCP S 2020, 129; Véricel, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 208 (212). 212 Champenois, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 87 (92 f.). 213 Champenois, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 87 (93); siehe auch JubertTomasso, Le Droit Ouvrier 2021, 149 (153 f.). 214 Bugada/Douchy-Oudot/Rolland, LexisNexis Procédures 2020, n85, 34 (35); JubertTomasso, Le Droit Ouvrier 2021, 149 (153 f.). 215 Jubert-Tomasso, Le Droit Ouvrier 2021, 149 (155). 216 Champenois, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 87 (93); siehe auch die Erwägungen von Bugada/Douchy-Oudot/Rolland, LexisNexis Procédures 2020, n85, 34 (35); Jubert-Tomasso, Le Droit Ouvrier 2021, 149 (154).

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

navirusinfektion am Arbeitsplatz schützen. Das folgt aus der allgemeinen Pflicht zum Schutze der Sicherheit und Gesundheit, die in Art. L.4121-1 Code du travail gesetzlich vorgesehen ist und darüber hinaus auch schon aus dem Arbeitsvertrag hergeleitet wurde. Konkretisierungen treten durch Dekrete, Erlasse und untergesetzliche Veröffentlichungen wie ministerielle Rundschreiben ein. Auch über spezifische Vorgaben hinaus kann der Arbeitgeber zum Handeln verpflichtet sein. Während der Pandemie dienten insbesondere das Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de Covid-19 sowie Leitfäden für bestimmte Berufe und andere Veröffentlichungen des Arbeitsministeriums als Handlungsleitlinien für Arbeitgeber. Rechtlich verbindlich waren diese Veröffentlichungen nicht, sie konnten sich aber auf die Arbeitsschutzpflicht des Arbeitgebers auswirken. Insbesondere für Pflegeberufe waren aufgrund des Kontakts mit dem Coronavirus als Biostoff zusätzlich die Art. R.4421-1 ff. Code du travail zu beachten. Auch die Beschäftigten sind Akteure des Arbeitsschutzes – die Mitwirkungsund Verhaltenspflichten, die Art. 13 der Richtlinie 89/391/EWG vorsieht, sind in Art. L.4122-1 Code du travail umgesetzt worden. Überwiegend befürwortet man über die Pflicht zur Beachtung von Weisungen des Arbeitgebers eine eigenständige Arbeitsschutzpflicht im Rahmen der eigenen Möglichkeiten. Ergänzend kann eine solche Pflicht über die arbeitsvertragliche Loyalitätspflicht hergeleitet werden. In Zeiten der Pandemie muss der Arbeitnehmer daher betriebliche Hygienekonzepte befolgen und u. U. auch darüber hinaus handeln, um Kollegen wie Dritte vor Infektionen mit dem Coronavirus zu schützen. Bei mangelhaftem betrieblichen Infektionsschutz kann der Arbeitnehmer zur Leistungsverweigerung berechtigt sein. Das Recht, sich bei schwerwiegenden und unmittelbaren Gefahren vom Arbeitsplatz zu entfernen, ist in Art. L.4131-1 Abs. 2 Code du travail vorgesehen. Auch die Gefahr von Krankheiten soll in den Anwendungsbereich fallen. Maßgeblich ist, ob der Arbeitnehmer berechtigterweise von einer solchen Gefahr im Rahmen seiner konkreten Tätigkeit ausgehen durfte – es besteht mithin ein gewisser Spielraum für Irrtümer. Besteht das Recht nach Art. L.4131-1 Abs. 2 Code du travail, geht die Ausübung nicht mit einem Verlust des Vergütungsanspruchs einher. Über dieses gesetzlich normierte Recht hinaus wird erwogen, ob sich bei Verletzung der Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers ein entsprechendes Ergebnis über die allgemeinen arbeits- und vertragsrechtlichen Grundsätze herleiten lässt. In der pandemiespezifischen Literatur wird zuweilen ein Verstoß gegen die empfohlenen Hygienestandards als ausreichend erachtet, um das Recht nach Art. L.4131-1 Abs. 2 Code du travail zu begründen. Richtigerweise ist aber auch hier eine Einzelfallbetrachtung dahingehend anzustellen, ob der Arbeitnehmer von einer hinreichenden Gefahr für seine Sicherheit oder Gesundheit ausgehen durfte, was von der Art der Tätigkeit und dem konkreten Infektionsrisiko abhängt. Restriktiv wird das Leistungsverweigerungsrecht im Gesundheitssektor gehandhabt, weil dortigen Berufen ein gewisses Infektionsrisiko bereits immanent ist.

III. Fragen des Arbeitsschutzes während der Pandemie im Vergleich

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III. Fragen des Arbeitsschutzes während der Pandemie in Deutschland und Frankreich im Vergleich Dem deutschen und französischen Arbeitsschutzrecht ist der deutlich zu erkennende Einfluss der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 89/391/EWG gemeinsam. Deren Umsetzung dienten jeweils umfassende Neuregelungen des Arbeitsschutzrechts in beiden Staaten.217 Gemein ist beiden Rechtsordnungen der in der Richtlinie verankerte Gedanke der Prävention sowie die starke Betonung der Pflichten des Arbeitgebers. Dessen Pflicht, für Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu sorgen, ist als solche unbestritten218 und stellt jeweils das Fundament des Arbeitsschutzes dar. Seit der Rechtsprechungsänderung bzw. Klarstellung der Cour de cassation im Jahre 2015, wonach eine Garantiehaftung des Arbeitgebers für Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer nicht besteht, ist davon auszugehen, dass sich die Pflichten in den Vergleichsstaaten auch in ihrer Intensität entsprechen. Eine vergleichbare Diskussion hinsichtlich des Umfangs der Schutzpflicht hat in der deutschen Rechtswissenschaft soweit ersichtlich nicht stattgefunden.219 1. Vertragsrechtliche Anknüpfung des Arbeitsschutzes Eine Besonderheit des deutschen Rechts besteht in der Betonung der privatrechtlichen Verankerung eben dieser Schutzpflicht des Arbeitgebers. Aufhänger für die Diskussion der vom Arbeitgeber zu treffenden Maßnahmen sowie der Folgen von Pflichtverletzungen sind regelmäßig nicht die der Umsetzung der Richtlinie 89/391/ EWG dienenden Normen selbst, sondern vielmehr die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, verankert in § 241 Abs. 2, 242 BGB, konkretisiert durch § 618 BGB, seinerseits erst konkretisiert durch die Vorschriften des ArbSchG. Auch im französischen Recht gibt es Ansätze, welche die Schutzpflicht im Arbeitsvertrag selbst zu verankern suchen, die Rechtsprechung hat hiervon in den letzten Jahren allerdings Abstand genommen und stellt allein auf die gesetzlichen Normen ab, welche der Umsetzung der europäischen Richtlinie dienen. Auswirkungen auf das Ergebnis hat 217

BT-Drucks. 13/3540, S. 1; Loi n891-1414 v. 31. 12. 1991. Wenn auch für Deutschland nicht ausdrücklich geregelt: Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 RL 89/391/EWG wurde nicht ins deutsche Recht übernommen. Auch die dort verankerte allgemeine Pflicht, für Sicherheit und Gesundheit zu sorgen, musste jedoch ins nationale Recht umgesetzt werden und ist im Wege richtlinienkonformer Auslegung in § 3 ArbSchG hineinzulesen, siehe Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 3 Rn. 15. 219 In der Literatur spricht man zwar von der Gewährleistungspflicht des Arbeitgebers (siehe BeckOK ArbSchR/Kanzenbach, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 3 ArbSchG Rn. 40; Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 3 Rn. 15), das jedoch nicht i. S. e. Garantie für den Schutz von Leib und Leben. Vielmehr ist man sich einig, dass für eine Haftung des Arbeitgebers der Nachweis eines ordnungswidrigen Zustandes erbracht werden muss, siehe BAG, Urt. v. 27. 2. 1970 – 1 AZR 258/69, AP BGB § 618 Nr. 16; BeckOK ArbSchR/Kanzenbach, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 3 ArbSchG Rn. 115. Auch der EuGH geht nicht davon aus, dass Art. 5 Abs. 1 RL 89/391/EWG eine verschuldensunabhängige Haftung vorgebe, siehe EuGH, Urt. v. 14. 6. 2007 – C-127/05, BeckRS 2007, 70398 (Rn. 42). 218

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

das kaum: Der Arbeitgeber ist in jedem Fall zur Prävention verpflichtet. Bei Eintritt einer Beeinträchtigung von Sicherheit und Gesundheit kann er sich indes durch den Nachweis, die erforderlichen Präventionsmaßnahmen getroffen zu haben, entlasten. Die Schutzpflicht besteht sowohl in Frankreich als auch in Deutschland nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch gegenüber dem Arbeitnehmer selbst.220 2. Bedeutung untergesetzlicher Vorgaben für die Pflichten des Arbeitgebers Aus der in beiden Vergleichsstaaten gegebenen Orientierung der Arbeitsschutzvorschriften an den Vorgaben der Richtlinie 89/391/EWG folgt auch, dass sich die formalgesetzlichen Vorgaben wie dort auf allgemein gehaltene Handlungsleitlinien beschränken. Der Notwendigkeit der Konkretisierung wird durch untergesetzliche Normen und Hinweise der zuständigen Ministerien begegnet. Insbesondere letztere werfen zuweilen Fragen hinsichtlich ihrer rechtlichen Verbindlichkeit auf. So auch in der Pandemie: Ebenso wie in Deutschland Diskussionen um die Rechtsnatur des zunächst veröffentlichen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards entfachten, stritt man in Frankreich über diejenige des Protocole national de déconfinement pour les entreprises v. 9. 5. 2020 sowie das Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de Covid-19 und andere Veröffentlichungen des Arbeitsministeriums. Auch hier ist das Ergebnis ähnlich, in Frankreich bereits mehrfach festgestellt durch den Conseil d’État: Die Normen sind zunächst unverbindlich, nicht jedoch irrelevant. Als Sammlung wissenschaftlicher Empfehlungen und Erkenntnisse zum Umgang mit der Pandemie im Betrieb enthalten sie wichtige Angaben, welche Arbeitgeber beim betrieblichen Infektionsschutz zu achten gehalten sind. Denn, wie ErwGr. 14 der Richtlinie 89/391/EWG und § 4 Nr. 3 ArbSchG normieren, sind die Maßnahmen des Arbeitsschutzes auch an wissenschaftlicher Erkenntnis zu orientieren. Dies hat im französischen Recht zwar keine ausdrückliche Erwähnung im Gesetz erfahren, muss aber jedenfalls aus einer unionsrechtskonformen Auslegung folgen und ist auch in Rechtsprechung und Literatur anerkannt.221 Soweit die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Verbreitung des 220

Dies wird im deutschen Recht mit Blick auf den Doppelcharakter des Arbeitsschutzrechts stark betont, s. o. Gliederungspunkt C. I. 1. b). In Frankreich wird dieser Aspekt nicht hervorgehoben, ist jedoch auch anerkannt. Es ist eine straf- wie verwaltungsrechtliche Sanktion bei Pflichtverletzung möglich, siehe Art. L.4741-1 ff., 4757-1 ff. Code du travail. Auch gegenüber dem Arbeitnehmer ist der Arbeitgeber aber verpflichtet, siehe etwa jüngst Cass. Civ. v. 8. 10. 2020, n818-26.677 (Legifrance): „(…) l’obligation légale de sécurité et de protection de la santé à laquelle l’employeur est tenu envers le travailleur (…)“ (frei übersetzt: Die gesetzliche Verpflichtung zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit, die dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer obliegt …). 221 So stellt der Conseil d’État in seiner Entscheidung v. 19. 10. 2020, n8444809 ausdrücklich fest: „L’appréciation du respect de cette obligation par l’employeur s’effectue nécessairement, en vertu notamment du dernier alinéa de l’article L. 4121-1, en tenant compte de l’état des connaissances scientifiques en la matière, lesquelles sont publiquement diffusées, notamment par le Haut conseil de la santé publique.“ (frei übersetzt: Die Beurteilung, ob diese

III. Fragen des Arbeitsschutzes während der Pandemie im Vergleich

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Coronavirus daher in beiden Staaten in vergleichbarer Weise beurteilt werden, entsprechen sich auch die den Arbeitgeber treffenden Verpflichtungen im Bereich des Arbeitsschutzes in weiten Teilen. 3. Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers Ähnlich liegt es bei den die Arbeitnehmer treffenden Mitwirkungspflichten. Beide Staaten weichen in der Formulierung leicht von den Vorgaben des Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 89/391/EWG ab. Dies bietet Anlass dazu, das Ausmaß der arbeitnehmerseitigen Pflicht, für die eigene Sicherheit und Gesundheit sowie diejenige anderer Personen zu sorgen, zu hinterfragen. Dadurch, dass Art. L.4122-1 Code du travail den Satzteil „Conformément aux instructions qui lui sont données par l’employeur (…)“222 abweichend von Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 89/391/EWG voranstellt, kann der Eindruck entstehen, die Pflicht des Arbeitnehmers bestehe nur im Rahmen dieser An- bzw. Unterweisung. Während dies in der Literatur auch vereinzelt vertreten wird, scheint man überwiegend auch von einer gewissen selbständigen Schutzpflicht der Arbeitnehmer auszugehen. Selbiges wurde für die deutsche Rechtslage festgestellt. Hier wird wiederum der Doppelcharakter der Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers betont, folgend aus dem Zusammenspiel der §§ 241 Abs. 2, 242 BGB und §§ 15, 16 ArbSchG. Was hinsichtlich der vertragsrechtlichen Anknüpfung für die Arbeitgeberpflichten festgestellt wurde, gilt auch hier: Während die arbeitsschutzrechtlichen Normen in Deutschland als Konkretisierung der allgemeinen, vertraglichen Rücksichtnahmepflicht eingeordnet werden, geht man in Frankreich umgekehrt vor – überwiegend wird die gesetzliche Pflicht nach Art. L.4122-1 Code du travail herangezogen, nur als Ergänzung und auch nur vereinzelt die allgemeine Treuepflicht nach Art. L.1222-1 Code du travail. Fest steht für beide Staaten die – wiederum in der Richtlinie 89/391/EWG angelegte – primäre Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für Fragen des Arbeitsschutzes. In Zeiten der Pandemie hat dieser für ein hinreichendes Hygienekonzept zu sorgen, die Arbeitnehmer dieses wiederum umzusetzen und zu befolgen. Aufgrund der bereits genannten und vom Arbeitgeber zu berücksichtigenden Vorgaben bzw. Empfehlungen zum Infektionsschutz in Betrieben in beiden Vergleichsstaaten verbleibt hier wenig Spielraum für eigenständige Entscheidungen und Verpflichtungen der Arbeitnehmer. Das gilt jedenfalls, sofern der Arbeitgeber seine Arbeitsschutzverpflichtung befolgt. Sorgt er nicht für Infektionsschutz im Betrieb, berechtigt das Verpflichtung des Arbeitgebers eingehalten wurde, findet notwendigerweise, insbesondere angesichts der letzten Zeile des Art. L.4121-1, unter Berücksichtigung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes in dem Bereich statt, der öffentlich bekannt gemacht wird, insbesondere durch den Haute Conseil de la santé publique). I. E. ebenso Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25; Véricel, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 208 (210). 222 Frei übersetzt: Entsprechend den Anweisungen des Arbeitgebers (…).

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

die Arbeitnehmer wiederum nicht, einander oder Dritte zu gefährden – auch dieses Ergebnis beansprucht Geltung für beide Vergleichsstaaten. 4. Leistungsverweigerungsrechte des Arbeitnehmers Fragen der Arbeitsschutzpflichtverletzung des Arbeitgebers werden in den Vergleichsstaaten jedoch primär in einem anderen Kontext relevant – nämlich bei der Frage, ob sie den Arbeitnehmer zur Leistungsverweigerung berechtigen. Auch unabhängig von Schutzpflichtverletzungen kann eine Leistungsverweigerung zum Selbstschutz notwendig sein. In diesem Zusammenhang setzt sich die unterschiedliche Herangehensweise der Vergleichsstaaten bei der Begründung der Arbeitsschutzpflichten von Arbeitgeber wie Arbeitnehmer fort und führt auf den ersten Blick zu deutlichen Abweichungen. Die starke Betonung der vertraglichen Verpflichtung des Arbeitgebers führt im deutschen Recht zu einer dominierenden, ebenfalls vertragsrechtlichen Lösung des Konflikts von Gesundheitsgefährdung und Arbeitspflicht im Falle von Pflichtverletzungen des Arbeitgebers. Weit überwiegend zieht man hier § 273 Abs. 1 BGB als Grundlage für die Leistungsverweigerung des Arbeitnehmers heran, wobei der Vergütungsanspruch über eine Annahmeverzugskonstruktion abgesichert wird. Da der entscheidende Anknüpfungspunkt für das Leistungsverweigerungsrecht dann allerdings die Pflichtverletzung des Arbeitgebers ist, mangels Garantiehaftung für Sicherheit und Gesundheit aber auch Gefährdungen trotz Erfüllens der Schutzpflicht denkbar sind, kann § 273 Abs. 1 BGB nicht sämtliche relevanten Fälle erfassen. Lücken können hier durch § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG oder § 275 Abs. 3 BGB geschlossen werden, die keine Pflichtverletzung des Arbeitgebers voraussetzen. Das ist in Frankreich anders. Das arbeitsschutzrechtliche Entfernungsrecht nach Art. L.4131-1 Abs. 2 Code du travail ist in der rechtswissenschaftlichen Debatte vor und während der Pandemie durchaus präsent.223 Das französische Pendant zu § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG ist der bevorzugt vorgeschlagene Lösungsweg für Fragen von Arbeitsschutzpflichtverletzungen – die keine Tatbestandsvoraussetzung der Norm sind – und sonstigen Gefahren am Arbeitsplatz im Lichte der Pandemie. Die Norm geht über das hinaus, was Art. 8 Abs. 4 Richtlinie 89/391/EWG verlangt, was damit zusammenhängen mag, dass das Entfernungsrecht im französischen Recht schon vor Inkrafttreten der Richtlinie normiert war. Die Ausrichtung ist deutlich subjektiver als diejenige des Art. 8 Abs. 4 Richtlinie 89/391/EWG und auch der deutschen Regelung in § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG. Es genügt, dass der Arbeitnehmer berechtigterweise von einer unmittelbaren und erheblichen Gefahr ausgehen durfte. Der Arbeitnehmer ist damit, solange seine Bewertung der Situation noch als vernünftig eingestuft wird, von dem Irrtumsrisiko befreit. Demgegenüber steht ein Irrtum über die Gefahrenlage bzw. die Arbeitsschutzpflichtverletzung im deutschen Recht einer 223

Praxis.

Nach Einschätzung von Verkindt, RDT 2020, 721 (722) aber nicht unbedingt in der

III. Fragen des Arbeitsschutzes während der Pandemie im Vergleich

97

Anwendung des § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG und des § 273 Abs. 1 BGB entgegen. Hier kann dem Arbeitnehmer allein § 275 Abs. 3 BGB zugutekommen, wenn die irrtümliche Annahme einer Gefahr zur Unzumutbarkeit der Leistung führt – die Norm greift allerdings nur, wenn keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Die Grenzen dürften hier nicht allzu weit von dem entfernt liegen, was in Frankreich im Rahmen des Art. L.4131-1 Abs. 2 Code du travail nicht mehr als vernünftig angesehen wird. Während allerdings Art. L.4131-1 Abs. 2, L.4131-3 Code du travail auch den (noch in den Grenzen der Vernunft) irrenden Arbeitnehmer vor einem Vergütungsverlust schützen, entfällt bei Berufung auf die Einrede der Unzumutbarkeit nach § 275 Abs. 3 BGB über § 326 Abs. 1 S. 1 BGB regelmäßig der Vergütungsanspruch. Ausgehend von den für die Regelung von Leistungsverweigerungen im Lichte pandemischer Gefahren vorwiegend heranzuziehenden Normen – § 273 BGB und Art. L.4131-1 Abs. 2 Code du travail – scheint der Fokus in Frankreich im Vergleich zum Nachbarstaat mehr auf der Gefahr und weniger auf der Arbeitsschutzpflichtverletzung zu liegen. Nicht selten, insbesondere im Hinblick auf den Verstoß gegen Hygienevorschriften zum Infektionsschutz in Zeiten der Pandemie, wird jedoch von der Pflichtverletzung auf die Gefahr geschlossen, ohne dass der Zusammenhang zwingend wäre. Von der anderen Seite betrachtet würde im deutschen Recht bei isolierter Betrachtung des § 273 Abs. 1 BGB schon jeglicher Verstoß gegen Schutzpflichten gegenüber dem Arbeitnehmer zu einem Leistungsverweigerungsrecht führen, ungeachtet der hierdurch drohenden Gefahr – die Pflichtverletzung steht also ganz deutlich im Fokus. Aufgrund der Einschränkung durch eine Erheblichkeitsschwelle auf Basis des Grundsatzes von Treu und Glauben nähert sich das Ergebnis jedoch wiederum der im französischen Recht geltenden Lösung an. Letztlich gilt für beide Vergleichsstaaten vorbehaltlich der richterlichen Würdigung im Einzelfall: Verletzt der Arbeitgeber seine Pflichten zum betrieblichen Infektionsschutz während der Pandemie, und entsteht hierdurch eine nicht unerhebliche Infektionsgefahr für den Arbeitnehmer, ist dieser berechtigt, die Leistung zu verweigern und kann gleichwohl die Vergütung beanspruchen. Damit dürften viele relevante Fälle bereits abgedeckt sein. Und auch für das, was § 273 Abs. 1 BGB auf der einen und Art. L.4131-1 Code du travail auf der anderen Seite nicht abzudecken vermögen, im ersteren Fall etwa die unmittelbare und erhebliche Gefahr ohne Schutzpflichtverletzung, in letztgenanntem die Schutzpflichtverletzung ohne (vom Arbeitnehmer angenommene) unmittelbare, erhebliche Gefahr, bietet die jeweilige Rechtsordnung Lösungsansätze. In Deutschland sind dies die bereits angesprochenen § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG und § 275 Abs. 3 BGB. In Frankreich ist es ein in der Literatur vertretener, in der Rechtsprechung bislang nur für kollektive Arbeitsniederlegungen in Reaktion auf Schutzpflichtverletzungen angewandter Ansatz, welcher der deutschen Lösung über § 273 Abs. 1 BGB und § 615 Abs. 1 BGB jedenfalls nicht ganz unähnlich ist – die Einordnung der Arbeitsniederlegung als Ausübung der Einrede des nichterfüllten Vertrags (exception d’inexécution) und die Anknüpfung eines Schadensersatzanspruchs in Höhe der Vergütung an die Tatsache, dass der Arbeitgeber den Arbeitsausfall zu verantworten hat.

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C. Die Pandemie am Arbeitsplatz

Mithin führen jeweils mehrere Wege zum Ziel. Der Arbeitnehmer ist bei der Ausübung seiner Tätigkeit zu schützen, auch vor Ansteckungen in Zeiten der Pandemie. Den Selbstschutz kann er im Einzelfall durch Leistungsverweigerung erreichen, wobei er in vielen Fällen keinen Verlust des Vergütungsanspruchs befürchten muss. Die deutsche und die französische Rechtslage liegen hier trotz z. T. unterschiedlicher Ansätze und Schwerpunkte nah beieinander, Abweichungen im Ergebnis sind nur bei Einzelfragen zu beobachten, deren praktische Relevanz jedoch im hiesigen Kontext untergeordnet ist.

D. Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers Klar ist: Vor bestehenden Gefahren kann sich und andere nur effektiv schützen, wer die Gefahren kennt. Nichts anderes gilt im Hinblick auf die Infektionsgefahr im Betrieb. Auf Infektionen oder dahingehende Verdachtsmomente unter Arbeitnehmern kann der Arbeitgeber nur wirksam reagieren, wenn er hierüber im Bilde ist. Wie er an die Informationen über den Infektionsstatus der Arbeitnehmer gelangt, ist damit noch nicht gesagt. Auf der Hand liegt als weniger invasive Erkenntnismöglichkeit die schlichte Nachfrage bzw. die Anweisung der selbständigen Offenlegung durch die Arbeitnehmer. Für Arbeitgeber, die sich dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ verschrieben haben, ist darüber hinaus die Möglichkeit der Kontrolle des Gesundheitszustands zu erwägen.

I. Deutschland Ob und welche Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers insoweit bestanden, ist in der deutschen Rechtswissenschaft intensiv diskutiert worden. Das Schutzbestreben des Arbeitgebers, das zu verfolgen er nach den obigen Ausführungen grundsätzlich verpflichtet ist, kollidiert insbesondere mit dem Interesse an Privatheit auf Seiten des Arbeitnehmers. Damit weist die Fragestellung grundrechtliche wie datenschutzrechtliche Implikationen auf. 1. Die Berücksichtigung der Grundrechte im Arbeitsverhältnis Das Interesse des Arbeitgebers, seinen Schutz- und Fürsorgepflichten gerecht zu werden und zu diesem Zwecke innerbetriebliche Corona-Ausbrüche zu verhindern, kann in grundrechtlicher Hinsicht an seine unternehmerische Freiheit nach Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG angeknüpft werden.1 Dem gegenüber steht insbesondere das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1

1

Vgl. Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 24; Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (327); Müller/Becker, ArbRAktuell 2021, 201 (202); Preis/Greiner, SAE 2004, 12 (16); Stück, CCZ 2020, 205 (208); Stück/Wein, AuA 2007, 282 (284); für Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Wittek, ArbRAktuell 2021, 61; siehe auch allgemein BAG, Urt. v. 6. 11. 1997 – 2 AZR 801/96, NZA 1998, 326 (327); zum nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten, wirtschaftlichen Interesse, sich in Zeiten der Pandemie nach außen als „maßnahmenintensives“ Unternehmen zu präsentieren, ArbG Hamburg, Urt. v. 24. 11. 2021 – 27 Ca 208/21, NZA-RR 2022, 19 (22).

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D. Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers

Abs. 1 GG, das durch Auskunftspflichten2 und auch durch die Pflicht, Gesundheitsuntersuchungen zu dulden3, eingeschränkt wird. Je nach Art der Untersuchung kann eine solche außerdem die körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG betreffen.4 Diese und weitere Grundrechtspositionen erlangen auch im Arbeitsverhältnis Bedeutung. Zwar sind die Vertragsparteien als Personen des Privatrechts nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden, bindet doch Art. 1 Abs. 3 GG ausdrücklich nur die staatliche Gewalt.5 Gleichwohl geben die Grundrechte anerkanntermaßen eine objektive Werteordnung vor, die auch im Privatrechtsverhältnis Berücksichtigung finden muss.6 Die vertraglichen Pflichten sind unter Zugrundelegung dieser verfassungsrechtlichen Werteentscheidungen zu bestimmen.7 Hierzu ist im Rahmen der Auslegung zivilrechtlicher Vorschriften eine grundrechtsgeleitete Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.8 Dies erfolgt anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit9, wobei 2 Vgl. BAG, Urt. v. 16. 2. 2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555 (559); Urt. v. 7. 6. 1984 – 2 AZR 270/83, NZA 1985, 57; ErfK/Schmidt, 22. Aufl. 2022, Art. 2 GG Rn. 91; Staudinger/ Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a Rn. 1295; Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (887); Lichtenberg/Schücking, NZA 1990, 41 (44); Preis/Greiner, SAE 2004, 12 (15); Sander/ Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347 (351); Schmidt/Novara, DB 2009, 1817 (1818); Stück/Wein, AuA 2007, 282 (284). 3 BAG, Urt. v. 12. 8. 1999 – 2 AZR 55/99, NZA 1999, 1209 (1210); Urt. v. 6. 11. 1997 – 2 AZR 801/96, NZA 1998, 326 (327); Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 20; ErfK/Schmidt, 22. Aufl. 2022, Art. 2 GG Rn. 88; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 24; Notz, Ärztliche Untersuchungen von Arbeitnehmern, 1991, S. 61; Behrens, NZA 2014, 401 (403); Diller/Powietzka, NZA 2001, 1227; Fuhlrott, MDR 2020, 540; Jacobs, MedR 2002, 140 (142); Keller, NZA 1988, 561 (564); Stück, CCZ 2020, 205 (208); Stück/Wein, NZA-RR 2005, 505 (507); Werner, AuR 2017, 280 (282). 4 BAG, Urt. v. 12. 8. 1999 – 2 AZR 55/99, NZA 1999, 1209 (1210); Aligbe, Einstellungsund Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 486; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 24; Diller/Powietzka, NZA 2001, 1227; Jacobs, MedR 2002, 140 (142); Preis/Greiner, SAE 2004, 12 (15); Stück, CCZ 2020, 205 (208); Stück/Wein, NZA-RR 2005, 505 (507); Werner, AuR 2017, 280 (282). 5 Siehe Dreier/Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Vorbem. vor Art. 1 Rn. 98; Art. 1 Rn. 38; Maunz/ Dürig/Herdegen, GG, 95. EL. (Juli 2021), Art. 1 Abs. 3 Rn. 64; Sachs/Höfling, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 1 Rn. 116, 118. 6 Grundlegend BVerfG, Urt. v. 15. 1. 1958 – 1 BvR 400/57, NJW 1958, 257; Jarass/Pieroth/ Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 1 Rn. 52; Maunz/Dürig/Herdegen, GG, 95. EL. (Juli 2021), Art. 1 Abs. 3 Rn. 64; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a BGB Rn. 195. 7 Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 3 Rn. 3; vgl. auch Maunz/Dürig/Herdegen, GG, 95. EL. (Juli 2021), Art. 1 Abs. 3 Rn. 69. 8 BVerfG, Beschl. v. 23. 6. 2006 – 1 BvR 1909/06, NJW 2007, 286 (287); Jarass/Pieroth/ Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 1 Rn. 52; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a BGB Rn. 195. 9 Dieser setzt die Verfolgung eines legitimen Zwecks, die Geeignetheit der Maßnahme zur Erreichung dieses Zwecks sowie Erforderlichkeit und Angemessenheit voraus, siehe Maunz/ Dürig/Grzeszick, GG, 95. EL. (Stand: Juli 2021), Art. 20 Rn. 110.

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es allerdings im Gegensatz zur Beschränkung der Grundrechte durch staatliche Gewalt nicht stets um eine konsequente Minimierung freiheitsbeschränkender Eingriffe geht, sondern ein Interessenausgleich zwischen den gleichberechtigten Grundrechtsträgern herbeizuführen ist.10 Die Anforderungen der Rechtfertigung von Grundrechtsbeschränkungen lassen sich daher im Privatrechtsverhältnis weniger formal festlegen, sondern sind je nach Schutzbedarf im Einzelfall zu bestimmen.11 Sie können allerdings denjenigen an staatliche Eingriffe gleichkommen.12 Die Rechtfertigungslast intensiviert sich insbesondere dort, wo strukturelle Ungleichgewichte bestehen13, wie sie für das Arbeitsverhältnis vielfach angenommen werden können14. Der folgenden Untersuchung liegt die Annahme zu Grunde, dass eine kollektivoder arbeitsvertragliche Regelung hinsichtlich der jeweiligen Infektionsschutzmaßnahme fehlt. Auch für solche Regelungen wären indes die Wertungen der Grundrechte zu berücksichtigen.15 2. Konkretisierungen für Fragerechte und Gesundheitsuntersuchungen im Arbeitsverhältnis Die genannten, widerstreitenden Interessen der Arbeitsvertragsparteien sind mithin einem angemessenen Ausgleich zuzuführen. Im Zentrum steht eine Abwägung anhand der Umstände des Einzelfalls. Das gilt zum einen für Fragerechte des Arbeitgebers: Solche sind in bestimmten Konstellationen, insbesondere vor Begründung des Arbeitsverhältnisses, aber auch während seines Bestands anerkannt.16 Die damit einhergehenden Eingriffe in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des 10

BVerfG, Beschl. v. 11. 4. 2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, 267 (280). BVerfG, Beschl. v. 6. 11. 2019 – 1 BvR 16/13, NJW 2020, 300 (307). 12 BVerfG, Beschl. v. 6. 11. 2019 – 1 BvR 16/13, NJW 2020, 300 (307). 13 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 6. 11. 2019 – 1 BvR 16/13, NJW 2020, 300 (306); Beschl. v. 11. 4. 2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, 267 (280 f.); Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 1 Rn. 57. 14 Siehe etwa BVerfG, Beschl. v. 6. 6. 2018 – 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14, NZA 2018, 774 (Ls.); BAG, Urt. v. 16. 3. 1994 – 5 AZR 339/92, NZA 1994, 937 (940); Preis, NZA 2018, 817 (821); kritisch Ruffert, JuS 2020, 1 (3). 15 Die Tarifvertragsparteien sind nach aktuellem Diskussionsstand jedenfalls mittelbar an die Grundrechte gebunden, siehe Wiedemann/Jacobs, TVG, 8. Aufl. 2019, Einl. Rn. 262. Für Betriebsvereinbarungen siehe Richardi/Richardi, BetrVG, 16. Aufl. 2018, § 77 Rn. 109; Beckschulze, BB 2014, 1077. Die Grenzen werden hier z. T. weiter gezogen als im Falle einer auf die Treuepflicht des Arbeitnehmers gestützten Anweisung, vgl. zu Gesundheitsuntersuchungen ArbG Gelsenkirchen, Urt. v. 13. 11. 2018 – 5 Ca 993/18, juris (Rn. 79); Beckschulze, ARP 2021, 107 (110). 16 Siehe etwa BAG, Urt. v. 16. 2. 2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555 (556); Urt. v. 7. 9. 1995 – 8 AZR 828/93, NZA 1996, 637 (638); Urt. v. 7. 6. 1984 – 2 AZR 270/83, NZA 1985, 57; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 538, 1031; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a Rn. 543 ff., 1295; Däubler, NZA 2017, 1481. 11

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D. Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers

Arbeitnehmers können aber stets nur bei Überwiegen der arbeitgeberseitigen Interessen gerechtfertigt sein.17 Darüber hinaus können den Arbeitnehmer von Fragen des Arbeitgebers unabhängige, selbständige Offenbarungspflichten treffen.18 Als notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für Offenbarungspflichten des Arbeitnehmers wird ein bestehendes Fragerecht des Arbeitgebers genannt, sodass Offenbarungspflichten im Umfang regelmäßig hinter Fragerechten zurückbleiben.19 Und auch die Zulässigkeit von Gesundheitsuntersuchungen kann nur unter Gewichtung der beiderseitig betroffenen Interessen beurteilt werden. Ob der Arbeitnehmer zu solchen Untersuchungen im laufenden Arbeitsverhältnis verpflichtet werden kann, beschäftigt die Rechtswissenschaft nicht erst seit Ausbruch der Coronapandemie.20 Als Rechtsgrundlage einer solchen Pflicht werden etwa tarifvertragliche Vorschriften21 herangezogen, möglich sind auch Regelungen im Arbeitsvertrag selbst sowie letztlich – und das soll nachfolgend im Fokus stehen – ein Rückgriff auf die Treuepflicht des Arbeitnehmers.22 Auch das Hausrecht des Arbeitgebers ist eine mögliche Rechtsgrundlage.23 Verlangt der Arbeitgeber die Gesundheitsuntersuchung im Einzelfall, ist hierin eine Konkretisierung der Pflichten des Arbeitnehmers im Wege

17 Vgl. BAG, Urt. v. 7. 9. 1995 – 8 AZR 828/93, NZA 1996, 637 (638); Urt. v. 7. 6. 1984 – 2 AZR 270/83, NZA 1985, 57; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 1031; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 Rn. 335; Däubler, NZA 2017, 1481; Preis/Greiner, SAE 2004, 12 (15); Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (887); Löwisch, DB 1987, 936 (939). 18 Von dem Fragerecht sind solche Pflichten zu unterscheiden, vgl. Staudinger/Richardi/ Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1295; siehe auch Tilch/Vennewald, NJW-Spezial 2012, 50. 19 Vgl. Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 589 f., wonach Mindestvoraussetzung einer Offenbarungspflicht die Zulässigkeit einer entsprechenden Frage ist; ebenso Tilch/Vennewald, NJW-Spezial 2012, 50 (50 f.); Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 65; für sehr enge Grenzen auch Eich, NZA-Beil. 1987, 10 (11). 20 Siehe etwa bereits BAG, Urt. v. 12. 8. 1999 – 2 AZR 55/99, NZA 1999, 1209; Urt. v. 6. 11. 1997 – 2 AZR 801/96, NZA 1998, 326 (327); Urt v. 23. 2. 1967 – 2 AZR 124/66, AP BAT § 7 Nr. 1; Notz, Ärztliche Untersuchungen von Arbeitnehmern, 1991, S. 58 ff.; Behrens, NZA 2014, 401; Keller, NZA 1988, 561; Kleinebrink, DB 2014, 776; Stück/Wein, NZA-RR 2005, 505; Werner, AuR 2017, 280. 21 Als anschauliches Beispiel dient § 3 Abs. 4 S. 1 TVöD: „Der Arbeitgeber ist bei begründeter Veranlassung berechtigt, die/den Beschäftigte/n zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie/er zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist.“ Ähnlich § 3 Abs. 5 S. 1 TV-L. 22 BAG, Urt. v. 12. 8. 1999 – 2 AZR 55/99, NZA 1999, 1209 (1210); Beckschulze, ARP 2021, 107 (108, 111); Stück/Wein, NZA-RR 2005, 505 (507); dies., AuA 2007, 282 (284); ausführlich auch Behrens, NZA 2014, 401 (404 ff.); Keller, NZA 1988, 561 (564); Kleinebrink, DB 2014, 776 (779). 23 Bei fehlender Vorlage eines negativen Coronatests Bayer, ArbRAktuell 2021, 233 (236); vergleichbar zum Zutrittsverbot bei fehlendem Impfnachweis Naber/Schulte, NZA 2021, 81 (84); allgemein zum Hausrecht des Arbeitgebers auch gegenüber seinen Arbeitnehmern und dessen Herleitung Fuhlrott/Garden, NZA 2019, 1620 (1622).

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der Direktionsrechtsausübung zu sehen.24 Dies führt zu einer Billigkeitsprüfung (§ 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB) und damit zu der genannten Interessenabwägung.25 Im Lichte der durchaus gewichtigen Rechtsgüter, die auf Seiten des Arbeitnehmers betroffen sein können, ist die Rechtsprechung des BAG insbesondere hinsichtlich solcher Untersuchungen restriktiv, die aufgrund der Treuepflicht des Arbeitnehmers erfolgen und dabei seine körperliche Unversehrtheit beeinträchtigen.26 Weiterhin wird die Grundrechtsbeeinträchtigung im Rahmen routinemäßiger Untersuchungen gegenüber solchen aufgrund konkreter Verdachtsmomente als schwerwiegender und daher regelmäßig unzulässig betrachtet.27 Insgesamt muss ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Vornahme der Untersuchung bestehen, das dem Arbeitnehmerinteresse auch im Lichte der Grundrechtsbeeinträchtigung überwiegt.28 Das soll regelmäßig nur dann der Fall sein, wenn konkrete Anhaltspunkte zu der Annahme führen, dass ein gesundheitlicher Eignungsmangel vorliegt, der den Arbeitnehmer an der Ausübung der geschuldeten Tätigkeit hindert.29 Ein Eignungsmangel wird insbeson24 Vgl. ArbG Gelsenkirchen, Urt. v. 13. 11. 2018 – 5 Ca 993/18, BeckRS 2018, 48721 (Rn. 71 ff.); Keller, NZA 1988, 561 (564 f.); Stück/Wein, NZA-RR 2005, 505 (507); Werner, AuR 2017, 280 (282). Das Direktionsrecht allein genügt indes nicht als Grundlage für eine Pflicht zur Duldung von Gesundheitsuntersuchungen, siehe Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 491; Behrens, NZA 2014, 401 (405 f.); kritisch insoweit auch WHWS/Geiger, 2. Aufl. 2019, B V Rn. 110. A. A. Notz, Ärztliche Untersuchungen von Arbeitnehmern, 1991, S. 63, nach dem der Arbeitgeber nicht von seinem Direktionsrecht Gebrauch macht, sondern lediglich die Erfüllung einer bereits bestehenden Pflicht verlangt. 25 ArbG Gelsenkirchen, Urt. v. 13. 11. 2018 – 5 Ca 993/18, BeckRS 2018, 48721 (Rn. 83 f.); Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 487; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 24; Keller, NZA 1988, 561 (565); Stück/Wein, NZA-RR 2005, 505 (507); für eine Interessenabwägung ohne ausdrücklichen Bezug zum Weisungsrecht auch BAG, Urt. v. 12. 8. 1999 – 2 AZR 55/99, NZA 1999, 1209 (1210). 26 Grundlegend BAG, Urt. v. 12. 8. 1999 – 2 AZR 55/99, NZA 1999, 1209 (1210). 27 Siehe BAG, Urt. v. 12. 8. 1999 – 2 AZR 55/99, NZA 1999, 1209 (1210); für die Zulässigkeit auch routinemäßiger Untersuchungen bei Bestehen entsprechend gewichtiger Gründe Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 150 ff.; strenger hingegen ArbG Gelsenkirchen, Urt. v. 13. 11. 2018 – 5 Ca 993/18, BeckRS 2018, 48721 (Rn. 85); Werner, AuR 2017, 280 (282). 28 BAG, Urt. v. 12. 8. 1999 – 2 AZR 55/99, NZA 1999, 1209 (1210); Urt. v. 6. 11. 1997 – 2 AZR 801/96, NZA 1998, 326 (327); Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 146; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 746; MHdbArbR/Bücker, 5. Aufl. 2021, § 180 Rn. 60; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1299; Keller, NZA 1988, 561 (564); Stück/Wein, NZA-RR 2005, 505 (507); vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23. 3. 2010 – 3 Sa 714/09, juris (Rn. 41); auch bereits Molitor, BB 1956, 437 (439). Auch bei einer Berufung auf das Hausrecht des Arbeitgebers ist eine Abwägung der betroffenen Interessen im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, siehe BAG, Beschl. v. 29. 6. 2004 – 1 ABR 21/03, NZA 2004, 1278 (1283); Preis/Temming/Temming, 6. Aufl. 2020, § 35 Rn. 1762. 29 BAG, Urt. v. 12. 8. 1999 – 2 AZR 55/99, NZA 1999, 1209 (1210); Staudinger/Richardi/ Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1299; Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 146; Behrens, NZA 2014, 401 (404); Molitor, BB 1956, 437 (439).

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dere bei Gefährdung Dritter angenommen: Das folgt schon aus der grundlegenden Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1999, die ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers darin sah, „nur solche Arbeitnehmer zu beschäftigen, die nicht infolge Alkohol- bzw. Drogenmißbrauchs im Betrieb eine Gefahr für sich und andere darstellen“.30 Gerade die Schutz- und Fürsorgepflichten des Arbeitgebers können seiner Rechtsposition Gewicht verleihen und Anknüpfungspunkt für eine zulässige Untersuchungsanordnung sein.31 Je größer die drohende Gefahr, desto eher müssen die Interessen des Arbeitnehmers zurückstehen.32 Ist die Untersuchung zulässig, steht dem Arbeitgeber grundsätzlich die Wahl des Arztes zu.33 Eine Beauftragung des Betriebsarztes kann erfolgen, ist aber nicht zwingend.34 Der (Betriebs-)Arzt unterliegt zwar der Schweigepflicht, allerdings kann der Arbeitnehmer verpflichtet sein, ihn hiervon zu entbinden.35 3. Das berechtigte Informationsinteresse des Arbeitgebers in Zeiten der Pandemie Das Interesse des Arbeitgebers, von ansteckenden Erkrankungen seiner Arbeitnehmer zu erfahren, ist ebenfalls bereits vor der Coronapandemie erörtert worden.36 Prominentestes Beispiel für eine solche Krankheit ist AIDS – insoweit wurden 30

BAG, Urt. v. 12. 8. 1999 – 2 AZR 55/99, NZA 1999, 1209 (1210). Vgl. auch BAG, Urt. v. 6. 11. 1997 – 2 AZR 801/96, NZA 1998, 326; Urt v. 23. 2. 1967 – 2 AZR 124/66, AP BAT § 7 Nr. 1; Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 157 f., 182; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 24; Stück/Wein, AuA 2007, 282 (284). Vorwiegend auf die Fürsorgepflicht gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer abstellend BAG, Urt. v. 25. 6. 1992 – 6 AZR 279/91, NZA 1993, 81 (83); Urt. v. 21. 6. 1978 – 4 AZR 816/76, AP BAT § 25 Nr. 3. 32 Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 24. 33 Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 72; Kleinebrink, DB 2014, 776 (778). 34 Vgl. Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 75; Beckschulze, BB 2014, 1013 (1016); nach Kleinebrink, DB 2014, 776 (778) ist der Betriebsarzt vorrangig heranzuziehen. 35 BAG, Urt. v. 6. 11. 1997 – 2 AZR 801/96, NZA 1998, 326 (327); LAG Berlin, Urt. v. 27. 11. 1989 – 9 Sa 82/89, NJW 1990, 2956 (2957); Keller, NZA 1988, 561 (565); Tödtmann/ v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 13; Schmidt/Novara, DB 2009, 1818 (1819); Steinigen, ZTR 2021, 67, (71); Stück/Wein, NZA-RR 2005, 505 (507). Zu den Grenzen Preis/Greiner, SAE 2004, 12 (15). 36 Siehe etwa BAG, Urt. v. 7. 6. 1984 – 2 AZR 270/83, NZA 1985, 57; LAG Hessen, Urt. v. 13. 10. 1972 – 5 Sa 406/72, DB 1972, 2359; LAG Hamm, Urt. v. 9. 11. 2006 – 17 Sa 172/06, juris (Rn. 70); ArbG Mannheim, Urt. v. 12. 1. 2000 – 11 Ca 310/99, juris (Rn. 16); MüKoBGB/ Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 5 EFZG Rn. 8; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 335; Notz, Ärztliche Untersuchungen von Arbeitnehmern, 1991, S. 61; Eich, NZA-Beil. 1987, 10 (12); Haesen, RdA 1988, 158 (161); Jacobs, MedR 2002, 140 (140 f.); Lichtenberg/ Schücking, NZA 1990, 41 (44); Preis/Greiner, SAE 2004, 12 (16); Richardi, NZA 1988, 73 (74); Stück/Wein, NZA-RR 2005, 505 (507); Tilch/Vennewald, NJW-Spezial 2012, 50. 31

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Fragerechte des Arbeitgebers oder Gesundheitsuntersuchungen zwar nicht grundsätzlich befürwortet, wohl aber für Tätigkeiten, bei denen die Gefahr der Übertragung des HIV-Virus nicht fernliegt.37 Eine solche Differenzierung nach Art der Tätigkeit ist im Hinblick auf das Coronavirus grundsätzlich nicht in gleichem Maße erforderlich, schließlich überträgt es sich über Aerosole, sodass eine Infektionsgefahr bei jeglicher Tätigkeit besteht, die mit Personenkontakt einhergeht.38 Der Arbeitgeber hat in vielerlei Hinsicht ein Interesse daran, Infektionsausbrüche innerhalb des Betriebs in Zeiten der Pandemie bestmöglich zu vermeiden: Eine Ausbreitung von Infektionen innerhalb des Betriebs durch vermehrte Krankheitsfälle oder infektionsschutzrechtliche Maßnahmen der zuständigen Behörden könnte empfindliche wirtschaftliche Auswirkungen nach sich ziehen.39 Bei auf Kundenverkehr angewiesenen Branchen droht auch ein schwerwiegender Imageschaden.40 Weiterhin ist der Arbeitgeber all seinen Arbeitnehmern gegenüber zum möglichst umfassenden Schutz ihrer Gesundheit am Arbeitsplatz verpflichtet, was das Vorbeugen von Ansteckungsrisiken umfasst.41 Unmittelbar vom Arbeitnehmer ausgehenden Infektionsrisiken kann er effektiv indes nur begegnen, wenn er davon Kenntnis hat.42 Solche Risiken bestehen nicht erst bei Vorliegen einer bestätigten SARS-CoV-2-Infektion, sondern angesichts der hohen Übertragungsrate auch bereits bei einem begründeten Verdacht derselben.43 Von einem solchen begründeten Verdacht ist insbesondere bei Auftreten einschlägiger Symptome, bei bekanntem und engem Kontakt zu Infizierten und u. U. auch bei Rückkehr aus Risikogebieten auszugehen. Dass die Schutzpflichten des Arbeitgebers ergänzt werden durch eine eigenständige Arbeitsschutzpflicht auch der Arbeitnehmer, die über die Ne-

37 Vgl. Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 159; Haesen, RdA 1988, 158 (159); Löwisch, DB 1987, 936 (939 f.); Richardi, NZA 1988, 73 (74 f.); für die reine Infektion ablehnend Bruns, MDR 1988, 95 (97); Lichtenberg/Schücking, NZA 1990, 41 (44); wohl auch Walter, Arbeitsrechtliche Konsequenzen von AIDS, 1991, S. 61; sehr weitgehend hingegen Eich, NZA-Beil. 1987, 10 (13). 38 In diesem Sinne auch Helm/Bundschuh/Wulff/Bleck-Vogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 33; Giesen, ZfA 2021, 440 (460). 39 Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (887); Köllmann, NZA 2020, 831 (834); vgl. auch Steiner/Steinicke, NZA 2020, 1150 (1153). 40 Steiner/Steinicke, NZA 2020, 1150 (1153); zum nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten, wirtschaftlichen Interesse, sich in Zeiten der Pandemie nach außen als „maßnahmenintensives“ Unternehmen zu präsentieren, ArbG Hamburg, Urt. v. 24. 11. 2021 – 27 Ca 208/21, NZA-RR 2022, 19 (Rn. 63). 41 Siehe bereits ausführlich Gliederungspunkt C. I. 1. 42 Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 50; Grimm, ArbRB 2020, 230 (231); Köllmann, NZA 2020, 831 (834); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112; Steiner/Steinicke, NZA 2020, 1150 (1153). 43 Für Informationspflichten auch bei Infektionsverdacht Fuhlrott, GWR 2020, 107 (108 f.); vom Stein/Rothe/Schlegel/Krieger, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 9; vgl. auch von Steinau-Steinrück/ Mosch, NJW-Spezial 2009, 578 (578 f.); Sievers, jM 2020, 189 (200); vgl. auch Sagan/ Brockfeld, NJW 2020, 1112; Sander/Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347 (352).

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ben(leistungs)pflichten des Arbeitnehmers in das Arbeitsverhältnis einstrahlt, dürfte die Position des Arbeitgebers zusätzlich stärken.44 Hinterfragen ließe sich allerdings, ob der Arbeitgeber tatsächlich darauf angewiesen ist, selbst Informationen bei seinen Arbeitnehmern einzuholen. Denn eine Infektion mit dem Coronavirus ist meldepflichtig.45 Fällt ein durchgeführter Coronatest positiv aus, wird also zwingend das Gesundheitsamt informiert und ergreift (idealerweise) die notwendigen Maßnahmen.46 Hierzu gehört während der Coronapandemie insbesondere die Anordnung einer Absonderung des Betroffenen nach § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG sowie die Ermittlung von Kontaktpersonen nach § 25 Abs. 1, 2 S. 1, § 16 Abs. 1 S. 2 IfSG. Die Absonderungsanordnung kann auch kraft Rechtsverordnung, die auf Basis des § 32 IfSG erlassen wurde, eintreten.47 Rechtskonformes Verhalten der Betroffenen sowie eine funktionierende Kontaktnachverfolgung durch die zuständigen Behörden unterstellt, sind positiv getestete und begründet infektionsverdächtige Personen dann nicht im Betrieb zugegen. Auch wird der Arbeitgeber grundsätzlich durch das Gesundheitsamt informiert, wenn dieses weitere Maßnahmen im Betrieb für erforderlich hält.48 Nicht ganz fernliegend ist daher die Annahme, bei fehlender Information durch die zuständige Behörde seien weitere Schutzmaßnahmen im Betrieb nicht notwendig.49 Führt also die Meldepflicht im Falle einer Coronavirusinfektion und das sich an die Meldung anschließende Verfahren der Gesundheitsbehörden – die gerade aufgrund der Gefährlichkeit des Virus bestehen – dazu, dass genannte Rechte und Pflichten, anders als bei milderen ansteckenden Krankheiten, nicht bestehen? Hiergegen sprechen gute Argumente. Zunächst ist die Möglichkeit von Selbsttests50 zu berücksichtigen – von einem positiven Ergebnis eines solchen erfährt die zuständige Behörde nur bei verantwortungsbewusstem Handeln des Anwenders.51 Weiterhin haben Zeiten stark ansteigender Infektionszahlen gezeigt, dass die zuständigen Behörden zuweilen an ihre

44 Auch Sagan, NZA-Beil. 2021, 21 (24) weist auf die Arbeitsschutzpflicht der Arbeitnehmer hin; zur Mitwirkungspflicht der Arbeitnehmer auch Müller/Becker, ArbRAktuell 2021, 201 (202). 45 § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. t, 7 Abs. 1 Nr. 44a IfSG, § 1 Coronavirus-Meldepflichtverordnung. 46 Zu den Handlungsmöglichkeiten der zuständigen Behörde nach Maßgabe des IfSG siehe ausführlich Gliederungspunkt E. I. 2. b) aa) (1). 47 Beispielhaft sei hier auf § 8 der CoronaTestQuarantäneVO NRW v. 4. 5. 2022, GV NRW 2022, S. 581a ff. verwiesen. 48 Siehe SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel i. d. F. v. 22. 2. 2021, Ziffer 5.5 (4). 49 Vgl. Althoff/Bauer/Bell/Kaufmann-Jirsa/Potthoff/Richter/Schaperdot, 26. Ed. (Stand: 10. 2. 2022), I 4. 50 Hierbei handelt es sich um sog. Antigen-Schnelltests, zur Eigenanwendung auch durch medizinische Laien, siehe hierzu Seifried/Böttcher u. a., EpidBull 8/2021, S. 3 ff. 51 Zwar gilt auch hier zuweilen eine Melde- und Absonderungspflicht der Betroffenen, siehe etwa § 8 Abs. 1 CoronaTestQuarantäneVO NRW v. 4. 5. 2022, GV NRW 2022, S. 581a. Das Risiko der Vertuschung eines positiven Ergebnisses scheint hier jedoch besonders hoch und kaum kontrollierbar.

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Grenzen stoßen und die Kontaktnachverfolgung nicht zuverlässig funktioniert.52 Ob und wann die Behörde noch in der Lage ist, alle Fälle von Infektionen und Infektionsverdachten zuverlässig zu bearbeiten, ist für den Arbeitgeber kaum absehbar. Sich hierauf zu verlassen kann ihm daher nicht zugemutet werden. Auch ist in Zeiten der Pandemie schnelles Handeln geboten, um Infektionsketten bestmöglich zu unterbrechen. Das Verfahren im Gesundheitsamt, von der Bearbeitung des positiven Testergebnisses über die Kontaktnachverfolgung bis zur Information des Arbeitgebers, nimmt mehr Zeit in Anspruch als die Information unmittelbar durch den Arbeitnehmer.53 Auch die im Frühjahr 2021 neu gefasste Norm des § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG knüpft an Situationen an, in der eine freiwillige Isolation vor Einschreiten der Behörde erfolgt54 – der Gesetzgeber hatte die genannten Schwächen also selbst im Blick. Mithin kann allein die Möglichkeit eines behördlichen Einschreitens Informationsrechte auf Seiten des Arbeitgebers nicht ausschließen. Zweifeln lässt sich darüber hinaus an der Erforderlichkeit der individuellen Informationsabfrage: Ihr könnte entgegengehalten werden, dass der Arbeitgeber auch durch ein umfassendes Hygienekonzept das Infektionsrisiko deutlich minimieren kann.55 Auch die vollständige Umsetzung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel sowie des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards ist aber nicht gleichermaßen erfolgsversprechend wie das konsequente Fernhalten Infizierter (oder jedenfalls Infektiöser) aus dem Betrieb.56 Insbesondere lassen vermehrte Ausbrüche in Großbetrieben auch nach Erlass der pandemiebezogenen Arbeitsschutzregeln vermuten, dass Hygienevorschriften in der Praxis entweder nicht konsequent durchgehalten werden oder aber nicht gänzlich wirksam sind.57 4. Abwägung mit den Interessen des Arbeitnehmers Dass das berechtigte Arbeitgeberinteresse allerdings denjenigen des Arbeitnehmers am Schutze seiner Gesundheitsdaten und u. U. seiner körperlichen Unversehrtheit in Zeiten der Pandemie schlechterdings überwiegt, ist damit noch nicht gesagt. Im Rahmen der Interessenabwägung ist insbesondere auch die Intensität der Maßnahme zu berücksichtigen, so dass es hier gilt, zwischen reinen Fragerechten und Offenbarungspflichten sowie den intensiveren Eingriffen der Gesundheitsuntersuchungen zu unterscheiden. 52

Siehe etwa Wagner/Savaskan, ZeitOnline v. 28. 10. 2020, Seien sie schneller als Ihr Test. Vgl. auch Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (165). 54 Vgl. BT-Drucks. 19/27291, S. 65. 55 So im Hinblick auf Coronatests Grüneberg/Lenuck, ARP 2021, 140 (141); siehe auch die Erwägungen bei Sagan, NZA-Beil. 2021, 21 (24). 56 In diesem Sinne auch ArbG Hamburg, Urt. v. 24. 11. 2021 – 27 Ca 208/21, NZA-RR 2022, 19 (22). 57 Vgl. auch Freh/Daneshian, ArbRB 2021, 146 (149). Auch das ArbG Offenbach, Urt. v. 3. 2. 2021 – 4 Ga 1/21, BeckRS 2021, 5523 (Rn. 24) ließ den Einwand gegenüber dem Einsatz von Coronatests nicht gelten. 53

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a) Informationsrechte und Pflichten bei Infektion und Infektionsverdacht Was vor der Pandemie für ansteckende Erkrankungen anerkannt war, muss auch und angesichts der hohen Übertragungsrate erst recht im Hinblick auf die Coronavirusinfektion gelten: Der Arbeitgeber muss berechtigt sein, nach Infektionen und diesbezüglichen konkreten Verdachtsmomenten zu fragen, soweit dies für effektiven, betrieblichen Infektionsschutz erforderlich ist.58 Das ist letztlich in allen Bereichen der Fall, in denen der Arbeitnehmer mit anderen Personen zusammenarbeitet oder mit diesen zusammentrifft. Die Nachfrage kann den Zweck des Fernhaltens bzw. der Isolation Infizierter oder Infektionsverdächtiger ebenso wie die innerbetriebliche Kontaktnachverfolgung und Vorsorge etwa durch Desinfektion der Arbeitsplätze und -mittel verfolgen. Im Lichte der beiderseitigen Arbeitsschutzverpflichtungen nach §§ 3, 15, 16 ArbSchG sowie der Rücksichtnahmepflichten des Arbeitnehmers nach §§ 241 Abs. 2, 242 BGB scheint das Zurücktreten des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gerechtfertigt und geboten. Grenzen ergeben sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Insbesondere hat der Arbeitgeber nur soweit er die entsprechende Information auch tatsächlich benötigt ein Recht darauf, in Kenntnis gesetzt zu werden.59 Ist der Arbeitnehmer innerhalb der maximalen Inkubationszeit nicht zu anderen Personen, denen der Arbeitgeber zum Schutz verpflichtet ist, in Kontakt getreten und ist eine Gefährdung auch künftig nicht zu erwarten, muss der Schutz seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts Vorrang haben.60 Auch das Auskunftsrecht hinsichtlich des Kontakts zu infizierten Personen ist auf die Kontakte innerhalb des Inkubationszeitraums beschränkt.61 Neben einem Fragerecht des Arbeitgebers, d. h. einer Pflicht zur wahrheitsgemäßen Beantwortung auf Seiten des Arbeitnehmers, wird vielfach eine selbständige Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers für Informationen, die für den Arbeitgeber 58 So auch Helm/Bundschuh/Wulff/Bleck-Vogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 33; Kluckert/ Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 50 ff.; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 53 Rn. 12a; Fuhlrott, GWR 2020, 107 (108); Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (887); Köllmann, NZA 2020, 831 (834); Reifelsberger, COVuR 2020, 357 (360); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); für Reiserückkehrer Adam, SPA 2020, 137 (138); siehe auch vor der Coronapandemie bereits Stück/Wein, AuA 2007, 282 (284); einschränkend Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (329), die Nachfragen nach Testergebnissen nur bei Anhaltspunkten für eine Infektion zulassen; mit Einschränkungen auch Schmidt/Haschert, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 24 Rn. 87 ff. 59 Vgl. BAG, Urt. v. 7. 9. 1995 – 8 AZR 828/93, NZA 1996, 637 (638), wonach ein billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers sowie ein Bezug zum bestehenden Arbeitsverhältnis bestehen muss. 60 Vgl. Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 69; Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112; differenzierend je nach Ausprägung des Ansteckungsrisikos im Einzelfall Köllmann, NZA 2020, 831 (834); ähnlich auch Reifelsberger, COVuR 2020, 357 (360); Sander/ Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347 (352). 61 Kroiß/Oehme, 2. Aufl. 2021, § 1 Rn. 51; Sander/Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347 (352).

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relevant sind, angenommen.62 Ein dem Fragerecht nahezu gleichkommender Umfang wird mit der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter begründet.63 Im Sinne eines effektiven Infektionsschutzes ist eine solche Offenbarungspflicht zu befürworten – das gilt in jedem Fall bei nachgewiesener Infektion, soweit eine Gefährdung Dritter eingetreten ist oder bei ausbleibender Information noch eintreten könnte. Im Hinblick auf den Infektionsverdacht allerdings ist eine Grenzziehung, wann vom Arbeitnehmer eine Information erwartet werden kann, schwierig. Während einer gezielten Nachfrage des Arbeitgebers eine Einschätzung seinerseits vorausgeht, welche Informationen er für einen effektiven Infektionsschutz benötigt, wird eine solche Wertung bei Anerkennung einer selbstständigen Offenbarungspflicht vom Arbeitnehmer erwartet, dem für den betrieblichen Arbeits- und Infektionsschutz keine Entscheidungs- und Einschätzungsspielräume zustehen. Eine konkretisierende Unterrichtung durch den Arbeitgeber über den Umfang der erwarteten Offenlegung ist hier jedenfalls wünschenswert, angesichts der arbeitsschutzrechtlichen Unterweisungspflicht des Arbeitgebers nach § 12 ArbSchG auch geboten. Im Übrigen dürfte sich die Reichweite der selbständigen Offenbarungspflicht nach Art und Umständen der Tätigkeit und auch der Entwicklung des Pandemiegeschehens richten. Wer mit vulnerablen Gruppen ohne Möglichkeit der Wahrung der Abstandsregeln arbeitet, wird den Arbeitgeber früher über Infektionsverdachtsmomente unterrichten müssen als ein Arbeitnehmer, der in einem Einzelbüro ohne Außenkontakt tätig ist und bei Begegnung mit seinen Kollegen für Mund-Nase-Bedeckung, Abstand und ausreichendes Lüften sorgen kann. Insgesamt dürfte jedoch gelten: Je höher die Wahrscheinlichkeit der Infektion und je eher eine Gefahr für Dritte besteht, desto eher ist der Arbeitnehmer auch ohne vorherige Aufforderung zu Offenlegung der Informationen verpflichtet. Fraglich ist allerdings, ob der Arbeitgeber strengere Maßstäbe anlegen darf als die zuständigen Behörden: So gilt die Empfehlung der Absonderung des Robert Koch Instituts grundsätzlich nicht für jeglichen Kontakt zu Coronavirusinfizierten, sondern lediglich bei sog. engem Kontakt.64 Auch Geimpfte und Genesene müssen sich nach einem Risikokontakt oder Aufenthalten in Risikogebieten nicht zwingend 62

Vgl. BeckOK ArbSchR/Hülsemann, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 16 ArbSchG Rn. 100; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 65; MAH/Reinfeld, 5. Aufl. 2021, § 33 Rn. 37; Schmidt/Haschert, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 24 Rn. 82; Stein/Rothe/Schlegel/ Krieger, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 9; Bonanni, ArbRB 2020, 110 (114); Sievers, jM 2020, 189 (200); Wolf, in: FS Preis, 2021, S. 1531 (1537); siehe auch Schmidt/Novara, DB 2009, 1817 (1818 f.); Stück/Wein, AuA 2007, 282 (284); offen gelassen von Tödtmann/v. Bockelmann/ Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 12. 63 Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 65. 64 So noch Robert Koch Institut, Kontaktpersonen-Nachverfolgung (KP-N) bei SARS-CoV2-Infektionen, Stand 14. 1. 2022, außer Kraft seit 2. 5. 2022, Ziffer 3. Die seit dem 2. 5. 2022 geltenden Empfehlungen zu Isolierung und Quarantäne bei SARS-CoV-2-Infektion und -Exposition lassen eine solche Differenzierung zwar nicht ausdrücklich erkennen, die Angaben sind jedoch rein überblicksartig dargestellt; es ist nicht davon auszugehen, dass von der Differenzierung zwischen „engen“ und anderweitigen Kontaktpersonen Abstand genommen wurde.

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isolieren.65 Kann der Arbeitgeber nun auch nach entfernteren Kontakten zu Infizierten oder nach Kontakten und Aufenthaltsorten von geimpften und genesenen Arbeitnehmern fragen? Hier ist zu berücksichtigen, dass aus behördlicher Sicht bei der Beurteilung der erforderlichen Maßnahmen epidemiologische, nicht aber betriebstechnische Zwecke entscheidend sind – der Arbeitgeber kann aber etwa aufgrund der Eigenart des Betriebs ein berechtigtes Interesse daran haben, über das hinauszugehen, was das Gesundheitsamt anordnet (oder nicht anordnet).66 Das gilt jedenfalls für solche sensiblen Bereiche, in denen umfangreicher Personenkontakt nicht vermieden werden kann oder bei einzelnen Infektionen die Schließung des gesamten Betriebs droht. Sind die Rechtfertigungsanforderungen hier auch höher anzusetzen als für Umstände, unter denen etwa nach den Leitlinien des Robert Koch Instituts auch die zuständigen Behörden einschreiten müssten, so muss es dem Arbeitgeber im Einzelfall doch gestattet sein, auch vor Intervention des Gesundheitsamts und darüber hinaus Maßnahmen zu treffen, um seine wirtschaftlichen Interessen zu schützen. Erwartet der Arbeitgeber entsprechende Offenlegungen durch die Arbeitnehmer, muss er sie hierüber informieren. b) Gesundheitsuntersuchungen als Infektionsschutzmaßnahme Eine direktere Erkenntnismöglichkeit ist es, Arbeitnehmer auf das Vorliegen von Symptomen, die auf eine COVID-19-Erkrankung hindeuten können, zu kontrollieren.67 Auch die Anweisung, sich auf das Vorliegen von Krankheitserregern testen zu lassen oder einen Testnachweis vorzulegen, kommt in Betracht. aa) Zugangskontrollen mit Fiebermessungen Gerade zu Beginn der Pandemie wurde erwogen, ob der Arbeitgeber zur Förderung des Infektionsschutzes Zugangskontrollen mit Fiebermessungen vorsehen und dabei Personen mit erhöhter Körpertemperatur den Zugang zum Betrieb verweigern konnte.68 Ein solches Vorgehen begegnet jedenfalls in der ex-post-Betrachtung vom jetzigen Kenntnisstand aus durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Fieber kann nicht nur auf SARS-CoV-2, sondern auch auf anderweitige Infektionen oder Krankheiten hindeuten69, weiterhin verläuft die Coronavirusinfektion zuweilen 65 § 10 Abs. 1 COVID-19-Schutzmaßnahmenausnahmenverordnung sah bereits in der Ursprungsfassung v. 8. 5. 2021 (BAnz AT 8. 5. 2021 V1) eine Ausnahme geimpfter und genesener Personen von Absonderungspflichten vor. 66 Noch weitergehend Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (165). 67 Vgl. etwa Wünschelbaum, NZA 2020, 612. 68 Vgl. etwa Helm/Bundschuh/Wulff/Bleck-Vogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 34; Fuhlrott, MDR 2020, 540; Sagan/Brockfeld, NZA-Beil. 2020, 17 (20); Wünschelbaum, NZA 2020, 612. 69 BeckOK ArbSchR/Faber/Kiesche, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), Syst. D Rn. 97; Schmidt/ Haschert, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 24 Rn. 127; Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); DSK, Beschl. v. 10. 9. 2020, „Einsatz von Wa¨ rmebildkameras bzw. elektronischer Temperaturerfassung im Rahmen der Corona-Pandemie“, S. 2.

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auch symptomlos70. Damit sind Fiebermessungen bereits eine wenn überhaupt nur eingeschränkt geeignete Maßnahme zur Infektionsvorbeugung.71 Der Bedeutung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers muss an dieser Stelle derart Rechnung getragen werden, dass Daten von nur geringer Aussagekraft wie die Körpertemperatur, nicht erhoben werden, wo dies keinen entscheidenden Mehrwert bringt. Zugangskontrollen mit Fiebermessungen sind somit regelmäßig unzulässig.72 Auch eine erhöhte Ansteckungsgefahr etwa wegen stark gestiegener Infektionszahlen im und um den Betrieb dürfte jedenfalls in der bereits fortgeschrittenen Pandemie hieran nichts ändern, soweit dem Arbeitgeber andere, effektivere Mittel des Infektionsschutzes zur Verfügung stehen, insbesondere die Durchführung von Coronatests.73 Eine andere Bewertung gilt hingegen für die Anfangszeit der Pandemie, als über das Virus noch wenig bekannt war und insbesondere Tests nicht im gleichen Umfang verfügbar waren – hier waren Fiebermessungen eine der wenigen Möglichkeiten, um zusätzliche Verdachtsfälle zu identifizieren und zu isolieren.74 Bei hoher Infektionsrate konnten sie dann im Einzelfall noch verhältnismäßig sein.75

70 BeckOK ArbSchR/Faber/Kiesche, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), Syst. D Rn. 97; Schmidt/ Haschert, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 24 Rn. 127; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 26; Sander/Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347 (351); DSK, Beschl. v. 10. 9. 2020, „Einsatz von Wa¨ rmebildkameras bzw. elektronischer Temperaturerfassung im Rahmen der Corona-Pandemie“, S. 2. 71 Schmidt/Haschert, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 24 Rn. 127; Tödtmann/v. Bockelmann/ Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 26; Nemecek, SPA 2020, 93 (94 f.); Sander/Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347 (351); DSK, Beschl. v. 10. 9. 2020, „Einsatz von Wa¨ rmebildkameras bzw. elektronischer Temperaturerfassung im Rahmen der Corona-Pandemie“, S. 2; a. A. Däubler, Arbeitsrecht in Zeiten der Corona-Krise, 2020, Rn. 20; Helm/Bundschuh/Wulff/Bleck-Vogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 34. 72 Vgl. Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 29; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 25; Bonanni, ArbRB 2020, 110 (114); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); a. A. BeckOK DatenschR/Riesenhuber, 39. Ed. (Stand: 1. 11. 2021), § 26 BDSG Rn. 123.3; Däubler, Arbeitsrecht in Zeiten der Corona-Krise, 2020, Rn. 20; Lentz, ArbRB 2020, 182 (184); Fuhlrott, MDR 2020, 540; ders., GWR 2020, 107 jedenfalls bei hohen Fallzahlen; Stück, CCZ 2020, 205 (208); Wünschelbaum, NZA 2020, 612 (612 f.); wohl auch BeckOK ArbSchR/Kanzenbach, 10. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 3 ArbSchG Rn. 31; Helm/Bundschuh/Wulff/Bleck-Vogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 34. 73 Zu deren Zulässigkeit siehe nachfolgend Gliederungspunkt C. I. 4. b) bb). Im Hinblick auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers kann der Coronatest durchaus als milderes Mittel verstanden werden, da die Datenabfrage stark begrenzt ist. Allerdings geht er zugleich mit einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit einher. 74 Ähnlich, allerdings zu weitgehend Wünschelbaum, NZA 2020, 612 (612 f.). 75 Vgl. Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 29; Bonanni, ArbRB 2020, 110 (114); Fuhlrott, GWR 2020, 107; Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); zu Fiebermessungen bei konkreten Verdachtsfällen noch Kroiß/Oehme, 1. Aufl. 2020, § 1 Rn. 49 f.; Helm/Bundschuh/Wulff/Bleck-Vogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 34; siehe auch bereits Schmidt/Novara, DB 2009, 1818 (1819).

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bb) Tests auf Krankheitserreger Während Fiebermessungen insbesondere zu Beginn der Pandemie erwogen wurden, traten in ihrem weiteren Verlauf Tests auf eine SARS-CoV-2-Infektion in den Fokus. Insbesondere die Verfügbarkeit von Schnelltests, die innerhalb von 15 Minuten ein Ergebnis liefern, erschloss für Arbeitgeber eine neue Möglichkeit des Infektionsschutzes am Arbeitsplatz. Im Gegensatz zu den als sicher geltenden PCRTests sehen sich Schnell- und Selbsttests (bei beiden handelt es sich um sog. AntigenTests) wohlgemerkt Zweifeln hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit ausgesetzt.76 Dies gilt es bei den Erwägungen zur Zulässigkeit einer Testanordnung zu berücksichtigen. PCR-Tests weisen demgegenüber den Nachteil auf, dass ein Ergebnis i. d. R. frühestens nach 24 Stunden vorliegt77 und eine ad-hoc-Entscheidung über die Beschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb nicht möglich ist. Auch sind sie deutlich kostenintensiver78 und daher praktisch wohl weniger relevant, sodass sich die folgenden Ausführungen insbesondere auf Antigen-Schnell- bzw. Selbsttests beziehen. (1) Normative Entwicklung bzgl. der Nutzung von Coronatests im Arbeitsverhältnis Unproblematisch ist ein reines Testangebot von Unternehmensseite: Zunächst lediglich erwünscht79 wurde es im Rahmen der dritten Coronawelle bundesweit zur Pflicht.80 Die Testangebotspflicht bestand auch nach der Neufassung der SARS-CoV2-Arbeitsschutzverfassung v. 25. 6. 202181 fort, dort aber durch § 4 Abs. 2 dahin76 So ergab eine Studie der Universität Würzburg, dass die Sensitivität von AntigenSchnelltests deutlich unter den Herstellerangaben lag, Wagenhäuser/Knies u. a., Clinical performance evaluation of SARS-CoV-2 rapid antigen testing in point of care usage in comparison to RT-qPCR, EBioMedicine 69 (2021), 103455, S. 5. 77 Das Testverfahren selbst nimmt vier bis fünf Stunden in Anspruch, hinzu kommt die Verarbeitungszeit im Labor sowie ggf. Wartezeiten, vgl. die Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, infektionsschutz.de, PCR-Test – Goldstandard unter den Coronatests, Wie läuft der PCR-Test ab?. 78 Die Kosten für einen PCR-Test belaufen sich i. d. R. auf 60 bis 200 E, siehe Bundesministerium für Gesundheit, zusammengegencorona.de, FAQs zum Testen, Labortest/PCR-Test, Wie hoch sind die Kosten eines PCR-Tests, und in welchem Fall werden Sie übernommen? Die Kosten für Antigen-Schnelltests in Testzentren variieren je nach Anbieter, soweit nicht der kostenlose Bürgertest (siehe Bundesministerium für Gesundheit, zusammengegencorona.de, FAQs zum Testen, Antigen-Schnelltest, Wo gibt es kostenlose Antigen-Schnelltests für Bürgerinnen und Bürger?) in Anspruch genommen wird und belaufen sich i. d. R. auf 15 bis 30 E. Antigen-Selbsttests sind in der Drogerie für wenige Euro zu haben, nach Bundesministerium für Gesundheit, zusammengegencorona.de, FAQs zum Testen, Selbsttest, Wo kann ich einen Selbsttest kaufen? kostet ein 5er-Pack fünf bis 10 E. 79 Siehe Beschl. der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 3. 3. 2021, S. 5. 80 Siehe Zweite Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, Art. 1 Nr. 1, BAnZ AT 15. 4. 2021 V1; erläuternd zu den Voraussetzungen der Angebotspflicht Borho, COVuR 2021, 334 (335). 81 BAnZ AT 28. 7. 2021 V1.

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gehend abgeschwächt, dass Testangebote nicht erforderlich waren, wenn der Schutz der Beschäftigten anderweitig sichergestellt wurde. Demgegenüber blieb eine Testpflicht für Arbeitnehmer jedenfalls auf Bundesebene lange aus.82 Zum Auslaufen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite mit Ablauf des 24. 11. 2021 und befristet bis zum 19. 3. 2022 wurde mit § 28b Abs. 1 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 allerdings die sog. 3-G-Regel für betriebliche Arbeitsplätze eingeführt.83 Danach durften Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten, wenn sie geimpft, genesen oder getestet i. S. d. der § 2 Nr. 2, Nr. 4 oder Nr. 6 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung waren und einen entsprechenden Nachweis vorlegen konnten. Eine Testpflicht war dies letztlich nur für Ungeimpfte und nicht genesene Personen bzw. für solche, die ihren Impf- oder Serostatus gegenüber dem Arbeitgeber nicht offenlegen wollten. Anderes galt lediglich für Betriebe, in denen Kontakt zu vulnerablen Personen oder ein besonders hohes Infektionsrisiko bestand84 – hier mussten nach § 28b Abs. 2 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 auch geimpfte und genesene Personen einen Testnachweis vorlegen. Arbeitgeber wurden nach § 28b Abs. 3 S. 1 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 verpflichtet, die Einhaltung der 3-GRegel bzw. Testpflicht in besonderen Betrieben täglich zu überwachen und regelmäßig zu dokumentieren. Den datenschutzrechtlichen Erlaubnistatbestand enthielt § 28b Abs. 3 S. 3 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021. Während der Geltungsdauer des § 28b Abs. 1 bis 3 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 waren die wichtigsten Befugnisse des Arbeitgebers mithin bundesgesetzlich festgeschrieben. Jedenfalls von Personen, die keinen Impf- oder Genesenennachweis vorlegten, konnte ein Testnachweis verlangt werden. Die zeitliche Begrenzung der Regelung sowie ihre späte Schaffung im Gesamtpandemieverlauf machen es bereits 82 Siehe noch Aligbe, COVuR 2021, 331 (332); Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (323); Freh/Daneshian, ArbRB 2021, 146 (147); Jahn, DB 2021, 960 (961); Müller/Becker, ArbRAktuell 2021, 201. Auf Landesebene bestand eine solche aber schon vor den späteren, bundesgesetzlichen Regelungen durchaus. Einige Beispiele: In Sachsen und Berlin etwa galt eine Testpflicht für alle Arbeitnehmer mit Kundenkontakt, siehe § 3a Abs. 2 S. 1 Sächsische Corona-Schutz-Verordnung v. 29. 3. 2021 SächsGVBl. 2021, S. 334 (336), so vorläufig bestätigt von OVG Sachsen, Beschl. v. 30. 3. 2021 – 3 B 83/21, BeckRS 2021, 5903; § 6a Zweite SARSCoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung Berlin v. 4. 3. 2021 i. d. F. v. 13. 4. 2021, ursprünglich GVBl. Berlin 2021, S. 198, Änderung veröffentlicht im GVBl. Berlin 2021, S. 374. In Bremen wurde darüber hinaus eine Testpflicht für alle Beschäftigten vorgesehen, die nach der geltenden SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung ein Testangebot ihres Arbeitgebers erhielten, siehe § 3a Abs. 2 S. 1 27. Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 Bremen, GBl. Bremen 2021, S. 482 (487). Auch für Pflegepersonal bestanden schon früh landesrechtliche Testpflichten, siehe etwa § 7 Abs. 2 S. 1 CoronaTestQuarantäneVO NRW v. 8. 4. 2021, GV NRW 2021, S. 355; § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Elfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung v. 15. 12. 2020, BayMBl. 2020, Nr. 737, siehe hierzu allerdings VGH München, Beschl. v. 2. 3. 2021 – 20 NE 21.353, BeckRS 2021, 3413. 83 BGBl. 2021, I, S. 4906 (4907 ff.). 84 Vgl. Fuhlrott/Schäffer, NZA 2021, 1679 (1682).

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unerlässlich, die Befugnisse des Arbeitgebers auch außerhalb des Geltungsbereichs der gesetzlichen 3-G-Regelung für Arbeitsplätze zu betrachten. Weiterhin konnten auch über das gesetzlich vorgegebene Maß hinausgehende Untersuchungen in Betracht gezogen werden – etwa die Testung von Geimpften oder Genesenen bei bestehendem Infektionsverdacht. Ein Ausschließlichkeitswille dahingehend, dass Gesundheitskontrollen ab Schaffung des § 28b IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 nur in dessen Rahmen zulässig sein sollten oder erst mit dessen Schaffung zulässig wurden, lässt sich der Regelung nicht entnehmen.85 (2) Arbeitsrechtliche Möglichkeiten zur Anordnung von Coronatests An der Zulässigkeit der über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehenden Anweisung zur Vornahme eines Coronatests könnte nun gezweifelt werden, wenn man dies schon als ungeeignete Maßnahme zur Pandemiebekämpfung einordnen wollte. Für Schnell- und Selbsttests stellt sich die Frage nach ihrer Eignung aufgrund der gegenüber PCR-Tests deutlich verringerten Sensitivität und Spezifität der Testverfahren – es ist mit z. T. falschen Ergebnissen zu rechnen.86 Erwogen werden kann darüber hinaus, ob nicht die Tatsache, dass auch ein richtiges negatives Testergebnis nicht jeglichen Infektionsverdacht ausräumt, der Eignung der Maßnahme entgegensteht.87 Illustriert wird dies dadurch, dass Kontaktpersonen sich von einer Quarantäneverpflichtung (oder -empfehlung) nicht unmittelbar durch Vorlage eines negativen Tests befreien können, vielmehr ist ein Abwarten der Entwicklung von mehreren Tagen empfohlen.88 Für den betrieblichen Bereich ist dem Arbeitgeber im Hinblick auf die Eignung der Tests als Infektionsschutzmaßnahme allerdings eine gewisse Einschätzungsprärogative zuzubilligen.89 Der Problematik, dass erst höhere Viruslasten durch die 85

So auch die Bewertung von Fuhlrott, ArbRAktuell 2022, 20 im Anschluss an LAG München, Urt. v. 26. 10. 2021 – 9 Sa 332/21, BeckRS 2021, 35419. 86 In Seifried/Böttcher u. a., Epid Bull 17/2021, S. 14 (21) wird die Zahl falscher und richtiger Ergebnisse abhängig von der klinischen Testsensitivität graphisch dargestellt. 87 Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 30 zweifeln an der Eignung, weil der Coronatest nur eine Momentaufnahme sei. Siehe auch ArbG München, Urt. v. 24. 3. 2021 – 19 Ca 11406/20, BeckRS 2021, 35490 (Rn. 50). 88 Die Entwicklung der Quarantäneempfehlungen kann hier aufgrund ihrer Dynamik nicht komplett nachgezeichnet werden. Ab dem 24. 1. 2022 empfahl das Robert Koch Institut ein Freitesten von Kontaktpersonen frühestens am 7. Tag nach dem Kontakt, siehe Robert Koch Institut, Quarantäne- und Isolierungsdauern bei SARS-CoV-2-Expositionen und -Infektionen entsprechend dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 7. und 24. Januar 2022, außer Kraft seit 2. 5. 2022. Auch nach einer Anpassung der Empfehlungen ab dem 2. 5. 2022 ist eine fünftägige Quarantäne von Kontaktpersonen ohne unmittelbare Freitestoption vorgesehen, siehe Robert Koch Institut, Empfehlungen zu Isolierung und Quarantäne bei SARS-CoV-2Infektion und -Exposition, Stand 2. 5. 2022. 89 A. A. Müller-Seubert, DB 15/2021, M4, die die Entscheidungshoheit beim Gesundheitsamt sieht. Angesichts der abweichenden Zwecke, die Gesundheitsamt und Arbeitgeber verfolgen können, scheint diese Einschränkung jedoch nicht überzeugend, siehe hierzu bereits im Rahmen der Auskunftsrechte unter Gliederungspunkt D. I. 4. a).

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Tests erkennbar sind, kann durch Wiederholung der Tests an mehreren Tagen begegnet werden.90 Trotz der geringeren Sensitivität können Antigen-Schnelltests bei regelmäßigem Einsatz einen wichtigen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten.91 Hochansteckende Personen werden mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 100 % erkannt.92 Hiervon ging wohl auch das BMAS aus, das Arbeitgeber im Zuge der Zweiten Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung gerade zum Angebot wöchentlicher Schnelltests verpflichtete – ausdrücklich heißt es in der Begründung, um das Infektionsrisiko bestmöglich einzudämmen sei es erforderlich, möglichst viele der im Betrieb anwesenden Beschäftigten regelmäßig zu testen.93 Da insgesamt auch das staatliche Pandemiekonzept die Nutzung von Schnell- und Selbsttests als entscheidende Säule der Pandemiebekämpfung ansieht, wie nicht zuletzt die 3-G-Regelung nach § 28b Abs. 1 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 zeigt, wird man auch zugunsten des Arbeitgebers unterstellen können, dass die fehlende hundertprozentige Gewissheit über das Vorliegen einer Infektion der Eignung des Testeinsatzes im Arbeitsverhältnis nicht entgegensteht. Scheidet die Zulässigkeit einer arbeitgeberseitigen Testanordnung mithin nicht bereits aufgrund fehlender Eignung oder Erforderlichkeit einer solchen aus, kommt es für die Beurteilung der Zulässigkeit auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen an. Die arbeitnehmerseitig betroffenen, höchstpersönlichen Rechtsgüter sind von besonderem Gewicht.94 Im Vergleich zu Fiebermessungen und auch reinen Fragerechten und Offenbarungspflichten ist zu sehen, dass von einem Test auf die Infektion mit dem Coronavirus nicht nur das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nach Art. 2 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG betroffen ist, sondern zugleich auch seine körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 Var. 2 GG.95 Das gilt jedenfalls, soweit ein Nasen- oder Rachenabstrich von einem Dritten 90 Treffend hier ArbG München, Urt. v. 24. 3. 2021 – 19 Ca 11406/20, BeckRS 2021, 35490 (Rn. 48): „Natürlich wird durch regelmäßige Stichprobentestungen keine 100 %ige Sicherheit erzielt. Fakt ist aber, dass regelmäßiges Testen einen besseren Infektionsschutz und damit mehr Sicherheit für Beschäftigte und Besucher gewährleistet als keine oder nur freiwillige Tests.“ 91 Seifried/Böttcher u. a., Epid Bull 17/2021, S. 14 (22); Robert Koch Institut, Die Ausbreitung von SARS-CoV-2 kann mit Hilfe von Antigentests verlangsamt werden, wenn die Tests als ergänzende Maßnahme zur Pandemie-Eindämmung eingesetzt werden, Stand 17. 5. 2021. Siehe auch ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 33a; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 53 Rn. 12a; Freh/Daneshian, ArbRB 2021, 146 (147); Sangs, NVwZ 2021, 1481 (1483); vgl. auch zur Funktion flächendeckender Schnelltests Aligbe, COVuR 2021, 331; i. E. auch Hidalgo/Ceelen/Buziek, NJW 2021, 3151 (3154). 92 So Wagenhäuser/Knies u. a., Clinical performance evaluation of SARS-CoV-2 rapid antigen testing in point of care usage in comparison to RT-qPCR, EBioMedicine 69 (2021), 103455, S. 6. 93 Siehe Referentenentwurf der Zweiten Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung, Stand: 13. 4. 2021, S. 6. 94 Vgl. Bayer, GWR 2021, 255 (257). 95 Bayer, GWR 2021, 255 (257); Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (325); Hidalgo/ Ceelen/Buziek, NJW 2021, 3151 (3152); Müller/Becker, ArbRAktuell 2021, 201.

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durchgeführt wird.96 Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht neben anderen Gerichten und mit Zustimmung aus der Literatur den mit einer Coronatestpflicht verbundenen Grundrechtseingriff als geringfügig qualifiziert.97 Auch handelt es sich bei den erhobenen Daten zwar um sensible Gesundheitsdaten, dabei jedoch um eine sehr spezifische, begrenzte Abfrage – im Gegensatz zum Fiebermessen etwa gibt der Coronatest nur Aufschluss über den Infektionsstatus und lässt keine Rückschlüsse auf anderweitige Erkrankungen zu.98 Demgegenüber ist das Interesse des Arbeitgebers daran, von einer Infektion seiner Arbeitnehmer zu erfahren, durchaus ebenfalls gewichtig99 – und es wird noch verstärkt durch die dahinterstehenden gesamtgesellschaftlichen Interessen100. Nach den vom BAG für Gesundheitsuntersuchungen aufgestellten Grundsätzen muss weiterhin auch berücksichtigt werden, ob der Coronatest aufgrund der konkreten Besorgnis der Gefährdung Dritter oder vielmehr unabhängig von einem konkreten Verdacht erfolgt – in letzterem Fall sind die Rechtfertigungsanforderungen höher, bei fehlendem Anlass die Rechtfertigung gar regelmäßig ausgeschlossen.101 Unter die erste Fallgruppe lässt sich der individuell gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer bestehende, begründete Infektionsverdacht subsumieren. Von der Zulässigkeit einer Testanordnung geht man etwa bei Auftreten typischer COVID-19-Symptome aus.102 Weiterhin kann der enge Kontakt zu Infizierten ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers begründen.103 Auch die Rückkehr aus 96

Demgegenüber verweist Giesen, ZfA 2021, 440 (459) auf alternative Testmöglichkeiten wie Gurgel-, Spuck- oder Lutschtests und verneint hier jedenfalls einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. 97 BVerfG, Beschl. v. 25. 8. 2020 – 1 BvR 1981/20, NVwZ 2020, 1512 (1513); ebenso OVG Münster, Beschl. v. 7. 1. 2021 – 13 B 2046/20.NE, BeckRS 2021, 28 (Rn. 37); ArbG München, Urt. v. 24. 3. 2021 – 19 Ca 11406/20, BeckRS 2021, 35490 (Rn. 46); ArbG Offenbach, Urt. v. 3. 2. 2021 – 4 Ga 1/21, BeckRS 2021, 5523 (Rn. 24); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 33a; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 53 Rn. 12a; Freh/Daneshian, ArbRB 2021, 146 (147); Giesen, ZfA 2021, 440 (460); im Hinblick auf Selbsttests ArbG Hamburg, Urt. v. 24. 11. 2021 – 27 Ca 208/21, NZA-RR 2022, 19 (21 f.). 98 Vgl. auch ArbG Hamburg, Urt. v. 24. 11. 2021 – 27 Ca 208/21, NZA-RR 2022, 19 (21); Giesen, ZfA 2021, 440 (461); Hidalgo/Ceelen/Buziek, NJW 2021, 3151 (3152). Das gilt selbstredend nur, soweit die durch Nasen-Rachen-Abstrich entnommenen Proben auch ausschließlich für den Coronatest verwendet werden. Die Proben selbst ermöglichen DNA-Untersuchungen, welche unzulässig sind. Richtigerweise bezeichnen Hidalgo/Ceelen/Buziek, NJW 2021, 3151 (3152) eine dahingehende Sorge (diese äußern etwa Bayer, GWR 2021, 255 (257); Müller/Becker, ArbRAktuell 2021, 201 (202)) jedoch als abwegig. 99 Vgl. auch ArbG Hamburg, Urt. v. 24. 11. 2021 – 27 Ca 208/21, NZA-RR 2022, 19 (21); Naber/Schulte, NZA 2021, 81 (83); Freh/Daneshian, ArbRB 2021, 146 (147 f.); Müller/Becker, ArbRAktuell 2021, 201. 100 Vgl. auch Sagan/Brockfeld, NZA-Beil. 2020, 17. 101 In diesem Sinne BAG, Urt. v. 12. 8. 1999 – 2 AZR 55/99, NZA 1999, 1209 (1210). 102 So Bayer, ArbRAktuell 2021, 233 (236); ders., GWR 2021, 255 (257); Freh/Daneshian, ArbRB 2021, 146 (147); Müller-Seubert, DB 15/2021, M4. 103 Wohl ebenso Freh/Daneshian, ArbRB 2021, 146 (149); Steiner/Steinike, NZA 2020, 1150 (1154) verlangen hingegen zusätzlich das Auftreten von Symptomen.

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einem Risikogebiet kann die Anweisung zur Durchführung eines Tests rechtfertigen.104 Darüber hinaus kann die Rückkehr zur Arbeit nach Feststellung einer Coronavirusinfektion und dadurch bedingter Absonderung, wenn konkrete Umstände den Verdacht begründen, dass der Arbeitnehmer noch ansteckend sein könnte, die Forderung eines Tests als „Gesundschreibung“105 fundieren.106 Allerdings könnte der Arbeitgeber den Coronatest nicht nur gezielt einsetzen, um auf einen individuellen Infektionsverdacht zu reagieren, sondern vielmehr auch, um verdeckte Infektionen aufzuspüren. Ob er zu solchen rein präventiven Testmaßnahmen außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fälle berechtigt ist, wird unterschiedlich beurteilt: Teilweise wird schon das weltweite Pandemiegeschehen selbst als Anlass i. S. d. skizzierten Rechtsprechung und damit als Rechtfertigungsgrund für die Testanordnung gewertet.107 Andere lehnen die Zulässigkeit breitflächiger Coronatests unabhängig von individuellen Verdachtsmomenten gänzlich ab.108 Vermittelnd plädieren einige für eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, wie etwa des Infektionsgeschehens am Betriebsort109 oder der Art des Betriebs110. 104 Vgl. Schmidt/Haschert, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 24 Rn. 128 im Hinblick auf Fiebermessungen und weitergehende Maßnahmen; Bayer, ArbRAktuell 2021, 233 (236); ders., GWR 2021, 255 (257); Bonanni, ArbRB 2020, 110 (114); Freh/Daneshian, ArbRB 2021, 146 (149); einschränkend Steiner/Steinicke, NZA 2020, 1150 (1153 ff.). Die praktische Relevanz einer derartigen Forderung des Arbeitgebers wird durch bundesrechtliche Vorgaben zur Absonderung von Einreisenden aus Risikogebieten relativiert. Nach § 4 Abs. 1 CoronaEinreiseVO v. 28. 9. 2021, BAnz AT 29. 9. 2021 V1, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung v. 27. 4. 2022, BAnz AT 27. 4. 2022 V1, sind Einreisende aus Hochrisiko- und Virusvariantengebieten grundsätzlich zur Absonderung verpflichtet. Bei Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises kann die Absonderung beendet werden, siehe § 4 Abs. 2 S. 2 CoronaEinreiseVO. Vor der breiten Verfügbarkeit der SARS-CoV-2-Schutzimpfung lag der Fokus auf einer Testpflicht, siehe § 3 CoronaEinreiseVO v. 13. 1. 2021, BAnz AT 13. 1. 2021 V1. 105 Eine solche kann der Arbeitgeber zum Ende einer vorher bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht fordern, siehe LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 14. 7. 2020 – 2 Sa 52/20, BeckRS 2020, 23278 (Rn. 85); LAG Düsseldorf, Urt. v. 17. 7. 2003 – 11 Sa 183/03, NZA-RR 2004, 65 (67); LAG Berlin, Urt. v. 10. 5. 2001 – 10 Sa 2695/00, NZA-RR 2002, 23 (24); MAH ArbR/Glaser, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 284; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 33; Schaub/Linck, ArbHdb, 19. Aufl. 2021, § 95 Rn. 47; Steiner/ Steinicke, NZA 2020, 1150; vgl. auch Keller, NZA 1988, 561 (565), der nach einer ärztlichen Behandlung „besondere Gesichtspunkte“ als Anlass für eine weitere Untersuchung verlangt. 106 Bei Fortbestehen der Symptome Steiner/Steinicke, NZA 2020, 1150 (1153). 107 So ausdrücklich im Hinblick auf eine tarifvertragliche Vorschrift, die einen Untersuchungsanlass verlangt, LAG München, Urt. v. 26. 10. 2021 – 9 Sa 332/21, BeckRS 2021, 35419 (Rn. 97); i. E. auch Hidalgo/Ceelen/Buziek, NJW 2021, 3151 (3153); wohl auch ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 33a; Giesen, ZfA 2021, 440 (460); Müller/Becker, ArbRAktuell 2021, 201 (202). 108 Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (327); Müller-Seubert, DB 15/2021, M4. 109 Freh/Daneshian, ArbRB 2021, 146 (148); Jahn, DB 2021, 960 (962); siehe auch Sagan, NZA-Beil. 2021, 21 (24). Auch das ArbG Offenbach, Urt. v. 3. 2. 2021 – 4 Ga 1/21, BeckRS 2021, 5523 (Rn. 21) hielt eine entsprechende Regelung nicht für offensichtlich rechtswidrig. Für Fiebermessungen ähnlich Küttner/Kania, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Persönlichkeitsrecht Rn. 4; Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113).

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Allein der letztgenannte Ansatz überzeugt – weder dürfen die Eingriffsbefugnisse des Arbeitgebers allein der Pandemie wegen zu weit gezogen werden, noch darf sein zweifellos berechtigtes Interesse an betrieblichem Infektionsschutz schlechterdings und ohne Einzelfallprüfung zurücktreten. Insbesondere im Gesundheits- und Pflegesektor liegt ein Überwiegen der arbeitgeberseitigen Interessen nahe, sie werden verstärkt durch die gegenüber den Patienten und Pflegebedürftigen bestehenden Schutzpflichten sowie der Verpflichtung zur Vermeidung nosokomialer Infektionen nach § 23 Abs. 3 IfSG.111 Hier bestehen indes überwiegend bereits gesetzliche Testpflichten.112 5. Datenschutzrechtliche Erwägungen Neben den grundrechtlichen Implikationen der Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers sind auch diejenigen des Datenschutzrechts zu untersuchen. Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit richtet sich nicht nur nach nationalem Recht: Die 2016 erlassene Verordnung 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (folgend DS-GVO) findet unmittelbare Anwendung113 und ist zu beachten, soweit eine automatisierte Datenverarbeitung oder eine Verarbeitung von Daten erfolgt, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen, Art. 2 Abs. 1 DS-GVO. Subsidiär gilt auf nationaler Ebene mit entsprechendem Regelungsbereich das BDSG, siehe § 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 BDSG. Für den Beschäftigtendatenschutz sind insbesondere die Art. 88 DS-GVO und § 26 BDSG maßgeblich.114 Die Vorgaben des § 26 Abs. 1 bis 6 BDSG gelten über 110

Für Tätigkeiten mit Kontakt zu vulnerablen Gruppen Helm/Bundschuh/Wulff/BleckVogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 33; Bayer, ArbRAktuell 2021, 233 (236); ders., GWR 2021, 255 (257). Schmidt/Haschert, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 24 Rn. 128 hält gegenüber Fiebermessungen „weitergehende Maßnahmen“ für gerechtfertigt, wenn Arbeitnehmer in Bereichen arbeiten, „in denen eine Infektion möglicherweise zum Stillstand des Unternehmens führt“. 111 Zum besonderen Schutzinteresse des Arbeitgebers in Krankenhäusern auch Steinigen, ZTR 2012, 67. 112 Beispielhaft § 3 Abs. 1 S. 2 Sechzehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung v. 1. 4. 2022 i. d. F. v. 1. 5. 2022, BayMBl. 2022 Nr. 210, geändert durch BayMBl. 2022 Nr. 266; § 4 SARS-CoV-2-Basisschutzmaßnahmenverordnung Berlin v. 29. 3. 2022 i. d. F. v. 3. 5. 2022, GVBl. Berlin 2022, S. 139, geändert durch GVBl. Berlin 2022, S. 182; § 12 Abs. 1 Nr. 2 Hamburgische SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung v. 31. 3. 2022 i. d. F. v. 5. 5. 2022, HmbGVBl. 2022, S. 197, geändert durch HmbGVBl. 2022, S. 285; § 4 Coronaschutzverordnung NRW v. 1. 4. 2022 i. d. F. v. 4. 5. 2022, GV NRW 2022, S. 359a, geändert durch GV NRW 2022, S. 582a. Siehe auch die bundesgesetzliche Regelung in § 28b Abs. 2 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 (BGBl. 2021, I, S. 4906). In der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist auch die seit dem 15. 3. 2022 geltende Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegebereich, siehe § 20a IfSG. Die Impfung steht einem Interesse an einer zusätzlichen Testung jedoch nicht grundsätzlich entgegen, wie die zitierten, landesrechtlichen Regelungen zeigen. 113 Art. 288 Abs. 2 AEUV. 114 Art. 88 DS-GVO enthält eine Öffnungsklausel, die es den Mitgliedsstaaten gestattet, für Datenverarbeitungen im Beschäftigungskontext spezifischere Vorschriften zu erlassen, von der

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den beschriebenen Anwendungsbereich hinausgehend für jede Verarbeitung personenbezogener Daten unabhängig von ihrer Speicherung, § 26 Abs. 7 BDSG. Soweit die DS-GVO bzw. das BDSG Anwendung finden, gilt ein Verbot der Datenverarbeitung mit Erlaubnisvorbehalt.115 Bei Fragen nach dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers, Kontakten zu Infizierten oder Aufenthalten in Risikogebieten handelt es sich um eine Datenerhebung und somit um eine Datenverarbeitung i. S. d. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO.116 Selbiges gilt für die Fiebermessungen117 oder die Durchführung von Coronatests118. Informiert der Arbeitnehmer hingegen auf eigene Initiative den Arbeitgeber über seinen Gesundheitszustand oder weitere Umstände, entfaltet dies datenschutzrechtlich erst dann Bedeutung, wenn der Arbeitgeber die Information auf andere Weise i. S. d. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO verarbeitet.119 Einen verstärkten Schutz erfahren besonders sensible Daten gem. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO.120 Hierunter fallen auch Gesundheitsdaten gem. Art. 4 Nr. 15 DSGVO, zu denen Angaben zum Gesundheitszustand, also in der Pandemie auch solche zu Infektionen oder Symptomen gehören.121 Informationen zu Kontaktpersonen und Aufenthaltsorten hingegen fallen nicht unter Art. 9 Abs. 1 DS-GVO, vielmehr handelt es sich um reguläre personenbezogene Daten, für deren Verarbeitung die allgemeinen Maßstäbe nach Art. 6 DS-GVO gelten.122 Als Erlaubnistatbestände kommen vorliegend insbesondere die § 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 1 BDSG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 lit. b, Art. 6 Abs. 1 DS-GVO in Betracht. § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BDSG, Art. 9 Abs. 2 lit. h DS-GVO wird hingegen aufgrund des Vorrangs der Regelungen für die Datenverarbeitung im Be-

der deutsche Gesetzgeber mit § 26 BDSG Gebrauch gemacht hat, siehe BT-Drucks. 18/11325, S. 96. 115 Gola/Heckmann/Gola/Pötters, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2022, § 26 Rn. 3. 116 Zum Begriff der Erhebung siehe BeckOK DatenschR/Schild, 39. Ed. (Stand: 1. 11. 2021), Art. 4 DS-GVO Rn. 35; Simitis/Hornung/Spiecker/Roßnagel, DatenschR, 1. Aufl. 2019, § 4 DS-GVO Nr. 2 Rn. 15. 117 DSK, Beschl. v. 10. 9. 2020, Einsatz von Wärmebildkameras bzw. elektronischer Temperaturerfassung im Rahmen der Corona-Pandemie, S. 4; Tödtmann/v. Bockelmann/ Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 25; offen gelassen von Schmidt/Haschert, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 24 Rn. 122. 118 Vgl. zur Geltung des Datenschutzrechts LAG München, Urt. v. 26. 10. 2021 – 9 Sa 332/ 21, BeckRS 2021, 35419 (Rn. 136); Bayer, GWR 2021, 255 (257); Hidalgo/Ceelen/Buziek, NJW 2021, 3151 (3154); Müller/Becker, ArbRAktuell 2021, 201 (202); Sagan, NZA-Beil. 2021, 21 (24). 119 Siehe BeckOK DatenschR/Schild, 39. Ed. (Stand: 1. 11. 2021), Art. 4 DS-GVO Rn. 36; Simitis/Hornung/Spiecker/Roßnagel, DatenschR, 1. Aufl. 2019, § 4 DS-GVO Nr. 2 Rn. 15. 120 Gola, BB 2017, 1462 (1468). 121 Köllmann, NZA 2020, 831 (834); Lachenmann, DSB 2020, 84; Reifelsberger, COVuR 2020, 357 (360). 122 Lachenmann, DSB 2020, 84; nicht differenzierend Sander/Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347 (351).

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D. Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers

schäftigungskontext123 nicht weiter erörtert. Der Erlaubnistatbestand des Art. 9 Abs. 2 lit. i DS-GVO i. V. m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. c, der mit dem Bezug zu „grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren“ wie für den Pandemiekontext gemacht scheint, bleibt hier außer Betracht, da sich private Unternehmen hierauf grundsätzlich nicht berufen können.124 a) Einwilligung des Arbeitnehmers als Erlaubnistatbestand, § 26 Abs. 2 S. 1 BDSG Möglicher Erlaubnistatbestand für eine Datenverarbeitung durch den Arbeitgeber kann eine Einwilligung des Arbeitnehmers sein, vgl. § 26 Abs. 2 S. 1 BDSG, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DS-GVO, soweit es um Gesundheitsdaten geht i. V. m. § 26 Abs. 3 S. 2 BDSG, Art. 9 Abs. 2 lit. a DS-GVO. Diese ist indes nach Art. 7 Abs. 3 DS-GVO jederzeit widerruflich und somit im Rahmen der Pandemie nur bedingt geeignet, um nach dem Pandemiekonzept des Arbeitgebers vorgesehene Maßnahmen zu rechtfertigen.125 Weiterhin muss die Einwilligung freiwillig erfolgen, vgl. § 26 Abs. 2 S. 1 BDSG. Wenngleich heute anerkannt ist, dass die im Beschäftigungsverhältnis bestehende Abhängigkeit einer Freiwilligkeit der Einwilligung nicht bereits schlechterdings entgegensteht126, so ist sie nach dem Wortlaut des Gesetzes neben den Umständen, unter denen die Einwilligung erteilt worden ist, dennoch zu berücksichtigen. Befürwortet man – wie hier – eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Beantwortung von Fragen zu seinem Gesundheitszustand, zu Kontaktpersonen oder Aufenthaltsorten sowie auch eine von Fragen unabhängige Offenbarungspflicht, erscheint die Freiwilligkeit mehr als fraglich – der Arbeitnehmer informiert hier auf Grundlage seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflichten, nicht aus freier Entscheidung.127 Auch bei Zugangskontrollen mit Gesundheitsuntersuchungen wird

123 Auernhammer/Kramer/Oberbeck, DS-GVO/BDSG, 7. Aufl. 2020, § 22 BDSG Rn. 19; Gola/Heckmann/Heckmann/Scheurer, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2022, § 22 Rn. 21; Kort, RdA 2018, 24. 124 Siehe Kühling/Buchner/Weichert, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 9 DS-GVO Rn. 116; mit der Einschränkung „es sei denn, die Verarbeitung erfolgt aus Gründen des öffentlichen Interesses“ auch Auernhammer/Kramer/Oberbeck, DS-GVO/BDSG, 7. Aufl. 2020, Art. 9 DS-GVO Rn. 35. 125 Vgl. auch Lentz, ArbRB 2020, 182 (183); Nemecek, SPA 2020, 93. 126 BT-Drucks. 18/11325, S. 97; BeckOK DatenschR/Riesenhuber, 39. Ed. (Stand: 1. 11. 2021), § 26 BDSG Rn. 46; Preis/Temming, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, D 15 Rn. 44; Düwell, NZA 2017, 1081 (1084); so auch schon zur alten Rechtslage BAG, Urt. v. 11. 12. 2014 – 8 AZR 1010/13 m. Anm. Werkmeister/Schröder, CR 2015, 453 (455 f.). 127 Ebenso Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 65 (Fn. 150); ähnlich auch Fuhlrott, GWR 2020, 275 (276); wohl auch Wünschelbaum, NZA 2020, 612, der zwischen freiwilligen Selbstauskünften und verpflichtender Datenverarbeitung differenziert. Sander/ Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347 (352) halten eine Einwilligung in engen Grenzen für möglich.

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die Freiwilligkeit berechtigterweise bezweifelt.128 Nur wenn Mitarbeiter frei entscheiden können, ob sie an der Untersuchung teilnehmen, bevor sie den Betrieb betreten, kann die Freiwilligkeit bejaht werden.129 b) Datenverarbeitung zur Ausübung von Rechten oder Erfüllung von Pflichten – ein Zirkelschluss? Die Zulässigkeit der Datenverarbeitung kann sich für Gesundheitsdaten aber aus § 26 Abs. 3 BDSG ergeben, der Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO konkretisiert.130 Die Verarbeitung muss dann zur Ausübung von Rechten oder Erfüllung von Pflichten aus dem Arbeitsrecht erfolgen. Soweit vorliegend Auskunftsrechte und Offenbarungspflichten befürwortet werden, ist diese Anforderung erfüllt.131 Weiterhin kann hinsichtlich von Fragen und auch der Weiterverarbeitung von durch den Arbeitnehmer selbständig offengelegten Daten auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, konkretisiert durch die § 618 BGB und § 3 ArbSchG abgestellt werden, soweit die Verarbeitung gerade zur Erfüllung dieser arbeitsrechtlichen Pflichten erfolgt.132 Dem Berufen auf die Arbeitsschutzverantwortung des Arbeitgebers steht es hier auch nicht grundsätzlich entgegen, dass auch mildere, etwa nicht personenbezogene Maßnahmen zum Infektionsschutz ergriffen werden können – die Einschätzungsprärogative des Arbeitgebers hinsichtlich der zu treffenden Arbeitsschutzmaßnahmen gilt es auch im Hinblick auf die datenschutzrechtliche Zulässigkeit insoweit erforderlicher Informationsabfragen zu berücksichtigen, wobei der Datenschutz dem Gesundheits- und Arbeitsschutz nicht schlechterdings vorgehen kann.133 128 DSK, Beschl. v. 10. 9. 2020, Einsatz von Wärmebildkameras bzw. elektronischer Temperaturerfassung im Rahmen der Corona-Pandemie, S. 5; Paal/Pauly/Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Einl. Rn. 39; Reifelsberger, COVuR 2020, 357 (360). 129 So zu Fiebermessungen Schmidt/Haschert, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 24 Rn. 125; Lachenmann, DSB 2020, 84 (85). 130 ErfK/Franzen, 22. Aufl. 2022, § 26 BDSG Rn. 46. Das BAG hält die deutsche Regelung des § 26 Abs. 3 S. 1, 3 BDSG für zweifellos europarechtskonform, siehe BAG, Beschl. v. 9. 4. 2019 – 1 ABR 51/17, NZA 2019, 1055 (1058). 131 Offen gelassen von Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 57 mit Hinweis auf die umstrittene Frage, ob Fragerechte als „Recht aus dem Arbeitsrecht“ erfasst sind, siehe hierzu Gola/Heckmann/Gola, BDSG, 13. Aufl. 2019, § 26 Rn. 143. Dies wird in der Literatur mit überzeugenden Argumenten bejaht, siehe ebenda, § 26 Rn. 147; Hidalgo/Ceelen/Buziek, NJW 2021, 3151 (3155); wohl ebenso Wybitul, NZA 2017, 413 (417); zustimmend auch Sangs, NVwZ 2021, 1481 (1483); a.A. nunmehr Gola/Heckmann/Gola/Pötters, DS-GVO/BDSG, § 26 BDSG Rn. 76. 132 Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 57; Tödtmann/v. Bockelmann/ Tödtmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 279; Lachenmann, DSB 2020, 84; Sangs, NVwZ 2021, 1481 (1483); DSK, Datenschutzrechtliche Informationen zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Arbeitgeber und Dienstherren im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, 13. 3. 2020, S. 2. 133 Sagan, NZA-Beil. 2021, 21 (24); wohl auch Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 53 Rn. 12a, der betont, dass der Arbeitgeber über die geltenden Empfehlungen auch in datenschutzkonformer Weise hinausgehen kann.

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D. Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers

Aus der Regelungssystematik des Erlaubnistatbestands folgt eine unverkennbare Wechselwirkung, man sieht sich schon veranlasst, von einem Zirkelschluss zu sprechen.134 Denn die Ausübung der Informationsrechte des Arbeitgebers darf nur erfolgen, wenn sie datenschutzrechtlich zulässig ist, zugleich setzt die datenschutzrechtliche Zulässigkeit den Bestand des Rechts voraus.135 Nichts anderes gilt für die Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers als mögliche Pflicht aus dem Arbeitsrecht, da sie nur im Rahmen des Möglichen und so auch nur im Rahmen des geltenden Rechts bestehen. Dies wird nur scheinbar dadurch abgemildert, dass § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG weitere Anforderungen an die datenschutzrechtliche Zulässigkeit stellt, namentlich die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung sowie das Fehlen der Annahme, dass schutzwürdige Interessen des Arbeitnehmers dem Verarbeitungsinteresse überwiegen. Denn eine zugunsten des Arbeitgebers ausfallende Interessenabwägung ist ebenfalls Voraussetzung des Bestehens der genannten Rechte und Pflichten.136 Zwar ist im Hinblick auf das europäische Datenschutzrecht insoweit nicht auf die Grundrechte des Grundgesetzes, sondern vielmehr diejenigen der Grundrechtecharta abzustellen, namentlich Art. 8 und Art. 16 GrCh.137 An den zu berücksichtigenden Faktoren und dem Abwägungsergebnis dürfte sich hierdurch jedoch nichts ändern. Und auch die Prüfung der Erforderlichkeit bringt keine wesentlich neuen Erkenntnisse: Zwar ist dieser Begriff mit dem des nationalen Rechts nicht deckungsgleich.138 Vielmehr handelt es sich um einen im Lichte des Unionsrechts auszulegenden Begriff, der unter Berücksichtigung der Ziele der DS-GVO eng zu verstehen ist.139 Nach der Rechtsprechung des EuGH müssen sich „Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränken“.140 Nach vorherrschender Ansicht führt dies aber zu nichts anderem als einer – wenn auch strengen – Verhältnismäßigkeitsprüfung141, wie sie hier auch jeweils zur Ermittlung der Zulässigkeit der Informationsabfrage des Arbeitgebers vorgenommen wurde; wohlgemerkt wiederum unter Berücksichtigung einer gewissen Einschätzungsprärogative des Arbeitgebers dahingehend, was „notwendig“ ist. An dieser Stelle kann daher vollumfänglich nach oben verwiesen 134 So etwa Thüsing/Bleckmann/Rombey, COVuR 2021, 66 (71); zustimmend Hidalgo/ Ceelen/Buziek, NJW 2021, 3151 (3156). 135 Thüsing/Bleckmann/Rombey, COVuR 2021, 66 (71). 136 Siehe Gliederungspunkt D. I. 2. 137 In diesem Sinne Sagan, NZA-Beil. 2021, 21 (24); wohl auch Gräf, NZA 2021, 1361 (1362). 138 BeckOK DatenschR/Albers/Veit, 39. Ed. (Stand: 1. 11. 2021), § 22 BDSG Rn. 12. 139 Simitis/Hornung/Spiecker/Petri, 1. Aufl. 2019, Art. 9 DS-GVO Rn. 41; vgl. auch Düwell/Brink, NZA 2017, 1081 (1084); a. A. ErfK/Franzen, 22. Aufl. 2022, § 26 BDSG Rn. 9. 140 EuGH, Urt. v. 4. 5. 2017 – C-13/16, juris, Rn. 30. 141 BeckOK DatenschR/Riesenhuber, 39. Ed. (Stand: 1. 11. 2021), § 26 BDSG Rn. 65; Paal/ Pauly/Gräber/Nolden, 3. Aufl. 2021, § 26 BDSG Rn. 40; Simitis/Hornung/Spiecker/Seifert, 1. Aufl. 2019, Art. 88 DS-GVO Rn. 56; Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 54; Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (329).

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werden – die Auskunftsrechte des Arbeitgebers und Offenbarungspflichten des Arbeitgebers, soweit sie dort als mit den Grundrechten des Arbeitnehmers vereinbar eingeordnet wurden, entsprechen auch den Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG, Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO.142 Dieselben Erwägungen gelten für arbeitsrechtlich zulässige Gesundheitsuntersuchungen.143 Die im Hinblick auf angewiesene Coronatests bestehende, arbeits- und datenschutzrechtlich unsichere Lage144 wurde zugunsten der Arbeitgeber für die Geltungsdauer des § 28b IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 aufgelöst.145 Soweit weniger sensible, personenbezogene Daten wie Kontakte und Aufenthaltsort in Rede stehen, können § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG und Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b, c oder f DS-GVO einschlägig sein146, deren weniger strenge Voraussetzung der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses ebenso gewahrt ist, wenn die genannten arbeitsrechtlichen Maßstäbe erfüllt sind.147 Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber die erhobenen Daten nur

142 Nach Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 547 entsprechen die Grenzen des Fragerechts denen des Datenschutzrechts; so vor Geltung der DS-GVO auch bereits BAG, Urt. v. 16. 2. 2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555 (558); Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 450 geht hingegen nur von einer wesentlichen Mitbestimmung der Erforderlichkeit durch die arbeitsrechtlichen Grundsätze aus. i. E. wie hier DSK, Datenschutzrechtliche Informationen zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Arbeitgeber und Dienstherren im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, 13. 3. 2020, S. 2; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 56 ff.; vgl. auch Lachenmann, DSB 2020, 84; Reifelsberger, COVuR 2020, 357 (360); Sander/Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347 (351); Stück, CCZ 2020, 205 (208); Weber, ARP 2020, 120 (122); wohl auch Tödtmann/ v. Bockelmann/Tödtmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, Rn. 281; a. A. Riesenhuber, NZA 2012, 771 (775). 143 Für Tests ebenso Hidalgo/Ceelen/Buziek, NJW 2021, 3151 (3156); für die Zulässigkeit wohl auch Müller/Becker, ArbRAktuell 2021, 201 (202); Sagan, NZA-Beil. 2021, 21 (24); im Einzelfall Bayer, ArbRAktuell 2021, 233 (236); ders., GWR 2021, 255 (258); bei Anordnung einer Testpflicht auf Basis einer tarifvertraglichen Vorschrift, die bei gegebenem Anlass die Untersuchung u. a. auf ansteckende Krankheiten erlaubt, LAG München, Urt. v. 26. 10. 2021 – 9 Sa 332/21, BeckRS 2021, 35419 (Rn. 136). Für Fiebermessungen sehr weitgehend BeckOK DatenschR/Riesenhuber, 39. Ed. (Stand: 1. 11. 2021), § 26 BDSG Rn. 123.3; Wünschelbaum, NZA 2020, 612 f. 144 So etwa moniert in DSK, Entschließung v. 29. 3. 2021, S. 2. 145 So auch Fuhlrott/Schäffer, NZA 2021, 1679 (1682). 146 Schmidt/Haschert, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 24 Rn. 5; DSK, Datenschutzrechtliche Informationen zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Arbeitgeber und Dienstherren im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, 13. 3. 2020, S. 2. 147 Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 52; i. E. ebenso DSK, Datenschutzrechtliche Informationen zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Arbeitgeber und Dienstherren im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, 13. 3. 2020, S. 2; Schmidt/ Haschert, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 24 Rn. 16; Lachenmann, DSB 2020, 84.

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D. Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers

zweckgebunden verwenden darf und löschen muss, sobald sie nicht mehr benötigt werden.148 6. Zwischenergebnis Von der nachgewiesenen Infektion oder dem Verdacht einer solchen kann der Arbeitgeber durch Nachfrage oder eigenständige Offenbarung des Arbeitnehmers erfahren. Zwar beeinträchtigen Fragerechte und Offenbarungspflichten das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, dies kann angesichts der Ansteckungsgefahr bei einer (potentiellen) Infektion mit dem Coronavirus im Lichte der beiderseitigen Arbeitsschutzverpflichtungen nach §§ 3, 15, 16 ArbSchG sowie der Rücksichtnahmepflichten nach §§ 241 Abs. 2, 242 BGB und der je nach Folgen eines innerbetrieblichen Ausbruchs betroffenen Grundrechtspositionen des Arbeitgebers (Art. 12, 14 GG) jedoch gerechtfertigt sein. Dem steht auch die Meldepflicht der Coronavirusinfektion nicht entgegen, weil nicht immer davon ausgegangen werden kann, dass bei fehlender Intervention der Gesundheitsbehörde auch keine weiteren Maßnahmen im Betrieb notwendig sind. Weiterhin ist es dem Arbeitgeber nicht grundsätzlich verwehrt, Informationen über Verdachtsmomente erheben, die nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts noch nicht zu einer Absonderung des Betroffenen führen. In diesem Fall ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit indes in besonderem Maße zu berücksichtigen. Dieser begrenzt sämtliche Informationsrechte und -pflichten auf das erforderliche und angemessene Maß, namentlich auf diejenigen Informationen, die Aufschluss über ein im Betrieb bestehendes Infektionsrisiko geben können. Die selbständige Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers im Hinblick auf Verdachtsmomente kann bei fehlender Information durch den Arbeitgeber dahingehend, in welchem Umfang Informationen notwendig sind, hinter dem Fragerecht zurückbleiben – was hier vom Arbeitnehmer erwartet werden kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Art der Tätigkeit. Neben reinen Informationsrechten kann der Arbeitgeber berechtigt sein, Gesundheitsuntersuchungen zur Feststellung der Infektionsfreiheit vorzunehmen. Aufgrund der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und u. U. der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 Var. 2 GG sind Gesundheitsuntersuchungen im laufenden Arbeitsverhältnis allerdings nur in engen Grenzen möglich, insbesondere dann, wenn sie unabhängig von einem konkreten Anlass erfolgen. Fiebermessungen am Betriebseingang sind vom jetzigen Standpunkt aus beurteilt mangels Eignung zum Infektionsschutz regelmäßig unzulässig. Anders hingegen der Einsatz von Coronatests: Dies kann eine sinnvolle Ergänzung des betrieblichen Infektionsschutzkonzepts darstellen. Auch über zeitweise vorgesehene Testpflichten 148 Tödtmann/v. Bockelmann/Tödtmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 286; Fuhlrott, GWR 2020, 275 (276); Köllmann, NZA 2020, 831 (835); Sander/ Hilberg/Bings, COVuR 2020, 347 (351).

II. Frankreich

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hinaus ist die Zulässigkeit einer arbeitgeberseitigen Anweisung zur Durchführung von Coronatests bzw. Vorlage eines negativen Testergebnisses vor Tätigkeitsaufnahme nicht auszuschließen. Einige Stimmen sehen bereits die Pandemie selbst als rechtfertigenden Anlass für die Gesundheitsuntersuchung in Form des Coronatests. Jedenfalls bei Bestehen konkreter Verdachtsmomente für eine Infektion ist dem Arbeitgeber jedoch zuzubilligen, die Beschäftigung von der Durchführung eines Tests oder Vorlage eines Testergebnisses abhängig zu machen – das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und auch die (geringfügig) betroffene körperliche Unversehrtheit müssen hier in einer Interessenabwägung hinter den betrieblichen Schutzinteressen des Arbeitgebers zurückstehen. In den genannten Grenzen stehen auch die Vorgaben des Datenschutzrechts einer Erhebung und weiteren Verarbeitung der (Gesundheits-)Daten des Arbeitnehmers nicht entgegen. Liegt keine Einwilligung vor, aber besteht nach den Grundsätzen des nationalen Rechts ein Informationsrecht des Arbeitgebers oder aber eine Pflicht des Arbeitnehmers, die gewünschte Gesundheitsuntersuchung zu dulden, greifen die § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG, Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO soweit es um Gesundheitsdaten kennt, bei Informationsrechten hinsichtlich anderer Daten die § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b, c DS-GVO als Rechtfertigungstatbestände ein.

II. Frankreich Auch in Frankreich sind den Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers im Hinblick auf persönliche Daten des Arbeitnehmers, insbesondere Gesundheitsdaten, rechtliche Grenzen gesetzt. Einer Betrachtung des Rechtsrahmens zum Schutz der persönlichen Lebenssphäre des Arbeitnehmers schließt sich im Folgenden die Untersuchung pandemiespezifischer Auskunftsrechte, Offenbarungspflichten und Möglichkeiten der Gesundheitsuntersuchung im Arbeitsverhältnis an. 1. Schutz der persönlichen Lebenssphäre im französischen Arbeitsrecht Der Schutz der persönlichen Lebenssphäre des Arbeitnehmers sowie seiner Gesundheitsdaten im Besonderen ist im französischen Arbeitsrecht in mehrfacher Hinsicht abgesichert. Zum einen ergibt er sich aus einer Pflicht zur Beachtung der Grundrechte bzw. -freiheiten, weiterhin aus einem besonderen Diskriminierungsschutz. Abgesichert wird die persönliche Lebenssphäre spezifisch im Hinblick auf den Gesundheitszustand auch durch eine besondere Stellung des Betriebsarztes. Informationsabfragen durch den Arbeitgeber sind weiterhin explizite, einfachgesetzliche Grenzen gesetzt. Medizinische Untersuchungen im Hinblick auf Alkoholoder Drogeneinfluss waren darüber hinaus bereits mehrfach Gegenstand rechtswissenschaftlicher Auseinandersetzungen.

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D. Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers

a) Berücksichtigung der persönlichen Rechte und Freiheiten im Arbeitsverhältnis Die Verzahnung der persönlichen Rechte und Freiheiten des Arbeitnehmers mit dem französischen Arbeitsrecht regelt Art. L.1121-1 Code du travail: Die Rechte und Freiheiten des Arbeitnehmers dürfen nicht eingeschränkt werden, wo dies nicht durch die Art der Tätigkeit gerechtfertigt und zur Erreichung des verfolgten Zwecks angemessen ist.149 Beschränkungen dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Zwecks erforderlich ist.150 Die Regelung sichert den Schutz der Freiheit des Arbeitnehmers und begrenzt sie zugleich, indem sie Einschränkungsmöglichkeiten bei Rechtfertigung und Angemessenheit anerkennt.151 Sie bezieht sich dabei nicht explizit auf Grundrechte (droits fondamenteaux), meint aber letztlich nichts anderes.152 Zu diesen Grundrechten, die von Art. L.1121-1 Code du travail geschützt werden, gehört auch das Recht auf Respekt des Privatlebens.153 Dieses findet sich zwar nicht in der französischen Verfassung wieder, wurde aber vom Conseil Constitutionnel entwickelt und an Art. 2 der Déclaration des droits de l’homme et du citoyen von 1789154 und zuvor an die individuelle Freiheit nach Art. 66 der französischen Ver-

149 „Nul ne peut apporter aux droits des personnes et aux libertés individuelles et collectives de restrictions qui ne seraient pas justifiées par la nature de la tâche à accomplir ni proportionnées au but recherché.“ (frei übersetzt: Niemand darf die Rechte von Personen und die individuellen und kollektiven Freiheiten einschränken, wenn dies nicht durch die Art der zu erfüllenden Aufgabe gerechtfertigt ist oder in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel steht.) 150 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 713; Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (33). 151 Meyrat, Le Droit Ouvrier 2002, 343 (347). 152 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 710: „Il s’agit tout simplement de viser les ,droits de l’homme‘ (…) ou encore ,les libertés fondamentales‘. Ces expressions doivent aujourd’hui être considérées comme synonymes“ (frei übersetzt: Gemeint sind die Menschenrechte oder auch die Grundfreiheiten. Diese Ausdrücke müssen heute als Synonyme verstanden werden). 153 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 716 ff.; Lahalle, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-1 Rn. 65. 154 Siehe Conseil Constitutionnel v. 23. 7. 1999, n899-416 DC: „Considérant qu’aux termes de l’article 2 de la Déclaration des droits de l’homme et du citoyen: ,Le but de toute association politique est la conservation des droits naturels et imprescriptibles de l’Homme. Ces droits sont la liberté, la propriété, la sûreté, et la résistance à l’oppression.‘; que la liberté proclamée par cet article implique le respect de la vie privée“ (frei übersetzt: In der Erwägung, dass Artikel 2 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte besagt: ,Das Ziel jeder politischen Vereinigung ist die Erhaltung der natürlichen und unverjährbaren Rechte des Menschen. Diese Rechte sind Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung.‘ Die in diesem Artikel proklamierte Freiheit beinhaltet die Achtung des Privatlebens). Als Teil des sog. bloc de constitutionnalité genießt die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte Verfassungsrang, vgl. Tchen, JurisClasseur Administratif, Synthèse – Contentieux constitutionnels Rn. 29.

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fassung155 angeknüpft.156 Einfachgesetzlich ist der Schutz der Privatsphäre inzwischen in Art. 9 Code Civil vorgesehen. Diese Vorschrift zum Schutz der privaten Lebenssphäre findet auch im Arbeitsverhältnis Anwendung.157 Der arbeitsrechtliche Schutz des persönlichen Lebens geht nach der Rechtsprechung der Sozialkammer der Cour de cassation jedoch noch weiter als der des allgemeinen Zivilrechts158 – hier wird der mit der privaten Lebenssphäre (vie privée) verwandte Begriff der persönlichen Lebenssphäre (vie personnelle) verwendet, der auch Umstände erfassen soll, die der Arbeitnehmer nicht geheim hält, die also der Öffentlichkeit grundsätzlich zugänglich sind.159 Auch dieser Aspekt, dessen Kernbereich die private Lebenssphäre (vie privée) ist, kann jedoch an die persönliche Freiheit des Einzelnen als Verfassungsgut angeknüpft werden und unterfällt damit dem Schutz des Art. L.1121-1 Code du travail.160 Die ausdrückliche Berücksichtigung der Grundrechte im Arbeitsrecht geht auf eine vergleichsweise junge Entwicklung zurück.161 Eine dahingehende gesetzliche Regelung wurde mit Art. L.122-35 Code du travail a. F. erstmals im Jahr 1982 eingeführt, dies allerdings dem Wortlaut nach nur im Hinblick auf die betriebliche Hausordnung (règlement intérieur). Zwar wurde bereits vertreten, dass die dort vorgesehenen Rechtfertigungsanforderungen für Freiheitsbeschränkungen auch für

155 Conseil Constitutionnel v. 18. 1. 1995, n894-352 DC; siehe auch Lyon-Caen, Les libertés publiques et l’emploi, 1992, Rn. 178. 156 Zur Entwicklung hin zum Verfassungsrang siehe auch Mazeaud, La constitutionnalisation du droit au respect de la vie privée, Nouveaux cahiers du conseil constitutionnel n848. 157 Savatier, Dr. Soc. 2015, 335 (344). 158 Siehe Lahalle, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-1 Rn. 65; Adam, Le Droit Ouvrier 2013, 431 (433); Casaux-Labrunée, Dr. Soc. 2012, 331 (333); Collomp, Dr. Soc. 2010, 40; Waquet, Dr. Soc. 2004, 23 (25). 159 Erstmals verwendet in Cass. Soc. v. 14. 5. 1997, n894-45.473, Bull. Civ., V, n8175; siehe unmittelbar danach auch Cass. Soc. v. 16. 12. 1997, n895-41.326, Bull. Civ., V, n8441; siehe zu dem Begriff des vie personnelle auch Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 716; Lahalle, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-1 Rn. 65; Saint-Pau, JurisClasseur Communication, Fasc. 37 Rn. 8; Adam, Le Droit Ouvrier 2013, 431 (433); Bossu, JCP S 2015, 1241; Casaux-Labrunée, Dr. Soc. 2012, 331 (333); Collomp, Dr. Soc. 2010, 40; Waquet, Dr. Soc. 2004, 23; ders., Dr. Soc. 2010, 14 (15). 160 Waquet, Dr. Soc. 2004, 23 (27), damals noch zu Art. L.120-2 Code du travail, der Vorgängernorm des Art. L.1121-1 Code du travail. 161 Der Conseil d’Etat nahm zum ersten Mal im Jahr 1980 in der Rechtssache Peinture Corona ausdrücklich Bezug auf die (Grund-)Rechte des Einzelnen im Arbeitsrecht, siehe CE v. 1. 2. 1980, n806361, Lebon. Siehe auch Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 705; Bossu, JCP S 2015, 1241; Meyrat, Le Droit Ouvrier 2002, 343 (344); Waquet, Dr. Soc. 2010, 14; einen rechtsgeschichtlichen Überblick gibt auch Savatier, Dr. Soc. 2015, 335 (336 f.). Das heißt nicht, dass die Freiheiten des Arbeitnehmers vorher keine Berücksichtigung fanden – Savatier, ebenda, S. 344 gibt etwa Beispiele dafür, wie der Schutz des Privatlebens des Arbeitnehmers vor Inkrafttreten des Art. 9 Code Civil in der Rechtsprechung gehandhabt wurde.

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Direktionsrechtsausübungen des Arbeitgebers gelten sollten162, ins Gesetz aufgenommen wurde diese Erweiterung des Anwendungsbereichs jedoch erst im Jahr 1992 in Art. 120-2 Code du travail a. F., der dem heutigen Art. 1121-1 Code du travail entspricht.163 Das Arbeitsrecht hat sich in den letzten Jahrzehnten von einem Recht der Arbeiter hin zu einem Recht der Personen bei der Arbeit entwickelt.164 Der Grund wird darin gesehen, dass sich die Eigenschaft als Bürger und die als Arbeiter nicht trennen lassen; der Arbeitnehmer bleibe auch Mensch während er seine Arbeitsleistung erbringe.165 Savatier betont, die Subordination des Arbeitnehmers beschränke sich auf die Durchführung des Arbeitsvertrags; in diesem Rahmen gebe der Arbeitnehmer seine Freiheit auf, wenn auch nicht vollständig, in seinem übrigen Lebensbereich bleibe er frei, soweit sein Verhalten dem Unternehmen keinen Schaden zufüge.166 Heute spielen die Freiheiten des Arbeitnehmers unzweifelhaft eine zentrale Rolle im Arbeitsrecht.167 Das gilt neben dem bereits erwähnten Schutz der Privatsphäre insbesondere auch für den Gesundheitsschutz168 – beide stehen während der Pandemie im Mittelpunkt. Angaben zum Gesundheitszustand fallen in den geschützten persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers, dessen Einschränkung nach Art. L.1121-1 Code du travail nur unter erhöhten Rechtfertigungsanforderungen zulässig ist.169 b) Schutz vor Diskriminierung wegen des Gesundheitszustands In diesem Zusammenhang ist auch das Diskriminierungsrecht zu berücksichtigen. In Frankreich ist der Arbeitnehmer explizit vor schlechterer Behandlung wegen des Gesundheitszustands geschützt, Art. L.1132-1 Code du travail. Das französische 162 Siehe Savatier, Dr. Soc. 2015, 335 (341) – der hier abgedruckte Aufsatz war erstmals 1990 veröffentlicht worden; ebenso Lyon-Caen, Les libertés publiques et l’emploi, 1992, Rn. 169. 163 Siehe auch Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 705; Waquet, Dr. Soc. 2010, 14 (15). Die Neuregelung geht zurück auf den Vorschlag von Lyon-Caen in Les libertés publiques et l’emploi, 1992, Rn. 169. 164 Bossu, JCP S 2015, 1241; Ray, Dr. Soc. 2010, 3; siehe auch Waquet, Dr. Soc. 2010, 14. 165 Bossu, JCP S 2015, 1241: „Le salarié reste une personne, même lorsqu’il éxécute sa prestation de travail.“ 166 Savatier, Dr. Soc. 2015, 335 (337); siehe auch Waquet, Dr. Soc. 2010, 14 (15). 167 Vgl. Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 715; Meyrat, Le Droit Ouvrier 2002, 343 (344 f.). 168 Siehe Abs. 11 Préambule de la Constitution du 27 octobre 1946; Auzero/Baugard/ Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 715; siehe auch Savatier, Dr. Soc. 2015, 335 (343). 169 Vgl. Bourgeot/Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (58); Bonnechère, Le Droit Ouvrier 2003, 453 (485); Joseph, Le Droit Ouvrier 1990, 378 (381); Savatier, Dr. Soc. 2006, 107; siehe auch ders., Dr. Soc. 2015, 335 (343). Selbiges dürfte für solche zu Kontakten und Aufenthaltsorten gelten, da auch diese Daten dem Privatleben des Arbeitnehmers zuzuordnen sind und darüber hinaus Rückschluss auf seinen potentiellen Infektionsstatus zulassen.

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Diskriminierungsrecht geht damit über das hinaus, was der europäische Diskriminierungsschutz vorschreibt.170 Die Definition der Diskriminierung orientiert sich am europäischen Recht.171 Sie setzt eine unterschiedliche Behandlung wegen eines verpönten Merkmals voraus.172 Die reine Nachfrage nach dem Vorliegen eines Diskriminierungsmerkmals fällt daher noch nicht unmittelbar unter das Verbot. Gleichwohl wird der Diskriminierungsschutz auch bei der Untersuchung der Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers mitberücksichtigt173 – das leuchtet ein, denn da, wo der Arbeitgeber mit der entsprechenden Information nichts anfangen könnte, weil er sie nicht zur Handlungsgrundlage machen darf, besteht auch kein Anlass, sie zu erheben.174 Nicht jede unterschiedliche Behandlung wegen des Gesundheitszustands ist jedoch verboten. Art. L.1133-3 Code du travail ermöglicht eine unterschiedliche Behandlung wegen des Gesundheitszustands, wenn zuvor die hierdurch bedingte Ungeeignetheit des Arbeitnehmers für den Arbeitsplatz durch den Betriebsarzt festgestellt wurde – ist die unterschiedliche Behandlung sodann objektiv notwendig und angemessen, stellt sie keine verbotene Diskriminierung dar. Die vorherige Beurteilung der fehlenden Eignung durch den Betriebsarzt ist hier allerdings notwendige Voraussetzung; ihr Fehlen führt zur Unzulässigkeit der unterschiedlichen Behandlung.175 c) Begrenzung der Informationsmöglichkeiten im Bewerbungsprozess und während des laufenden Arbeitsverhältnisses Der Umfang, in dem der Arbeitgeber Informationen über seine Arbeitnehmer sammeln darf, unterliegt einer weiteren, ausdrücklichen gesetzlichen Einschränkung: Nach Art. L.1222-2 Code du travail dürfen nur solche Informationen abgefragt werden, die einen direkten Bezug zur aptitude professionnelle, frei übersetzt der beruflichen bzw. fachlichen Eignung des Arbeitnehmers haben.176 Für den Bewer170 Art. 1 RL 2000/78/EG normiert u. a. die Behinderung als Diskriminierungsmerkmal, nicht aber Krankheit oder Gesundheitszustand. Behinderung und Krankheit sind nicht gleichzusetzen, siehe EuGH, Urt. v. 11. 4. 2013 – C-335/11, C-337-11, NZA 2013, 553 (555); Urt. v. 11. 7. 2006 – C-13/05, NZA 2006, 839 (841). Siehe auch Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (31). 171 Siehe Brissy, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 17-11 Rn. 8. 172 Siehe Brissy, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 17-11 Rn. 8. Eine an Art. 2 Richtlinie 2000/78/EG angelehnte Definition findet sich in Art. 1 Loi n82008-496. 173 Siehe etwa Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (68); Bourgeot/ Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (58); Fantoni-Quinton/Laflamme, Dr. Soc. 2016, 19 (20); KeimBargot/Moizard, RDT 2021, 25 (31 f.); Pécaut-Rivolier, Dr. Soc. 2013, 103 (105). 174 Pécaut-Rivolier, Dr. Soc. 2013, 103 (105). 175 Brissy, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 17-11 Rn. 63. 176 Eine gesetzliche Definition des Begriffs der Eignung, ob in fachlicher oder medizinischer Hinsicht, existiert nicht, vgl. in Bezug auf die „aptitude médicale“ Bonnechère, Le Droit Ouvrier 2003, 453 (463). Nach Bourgeot/Blatman, Dr. Soc. 2006, 653 (658) ist die Eignung

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bungsprozess findet sich eine nahezu entsprechende Regelung in Art. L.1221-6 Code du travail. Im Hinblick auf die Frage, welche Informationsrechte und -pflichten im laufenden Arbeitsverhältnis bestehen, erfährt die Norm des Art. L.1222-2 Code du travail indes kaum Aufmerksamkeit.177 Als allgemeine Leitlinie für Informationspflichten als Oberbegriff für die Pflicht, wahrheitsgemäß auf Fragen zu antworten und Informationen selbständig offenzulegen, lässt sich formulieren: Der Arbeitnehmer muss Informationen offenlegen, die im Zusammenhang mit der Durchführung des Arbeitsvertrags stehen, und darf solche für sich behalten, bei denen das nicht der Fall ist.178 Jedenfalls im Zusammenhang mit der Durchführung des Arbeitsvertrags stehen nun Informationen, die mit einem Nichterbringen der Arbeitsleistung zusammenhängen – das Fernbleiben vom Arbeitsplatz muss der Arbeitnehmer rechtfertigen, und er muss den Arbeitgeber je nach Grund für den Arbeitsausfall rechtzeitig in Kenntnis setzen.179 Der Arbeitsvertrag umfasst jedoch nicht nur die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, vielmehr bestehen auch Nebenpflichten, insbesondere die Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers.180 Auf Basis dieser geht man auch von einer Informationspflicht des Arbeitnehmers über Umstände aus, die zwar der Erfüllung der Arbeitspflicht nicht entgegenstehen, aber sich anderweitig schädlich für Arbeitgeber und Unternehmen auswirken können, und das auch dann, wenn die Information an sich dem geschützten Bereich des Privatlebens zuzuordnen ist.181 Eine Informationspflicht wird insbesondere dort angenommen, wo der Arbeitgeber ohne die entsprechende Information seinen Schutzpflichten innerhalb des Betriebs nicht gerecht werden kann.182

(aptitude) anders als etwa die Behinderung kein Zustand für sich, sondern kann nur mit Blick auf die Spezifika des konkreten Arbeitsplatzes beurteilt werden. Als Beispiele nennt Dauxerre, JurisClasseur Travail Traité, Synthese – Conclusion du contrat de travail Rn. 25 erworbene Diplome oder bestehende Berufserfahrung. 177 Pécaut-Rivolier, Dr. Soc. 2013, 103 (104) setzt sich zwar mit Art. L.1221-6 Code du travail auseinander, für das laufende Arbeitsverhältnis allerdings nicht mit Art. L.1222-2 Code du travail. Siehe aber Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 718. 178 Pécaut-Rivolier, Dr. Soc. 2013, 103. 179 Pécaut-Rivolier, Dr. Soc. 2013, 103 (104); siehe auch Adam, Le Droit Ouvrier 2013, 431 (437), der zeigt, dass die Arbeitspflicht Einschränkungen hinsichtlich des Schutzes der persönlichen Lebenssphäre mit sich bringen kann, wenn Umstände, die in ihr begründet sind, den Arbeitnehmer von der Erbringung der Arbeitsleistung abhalten. 180 Die Herleitung dieser Pflicht ist nicht ganz eindeutig – zuweilen, aber nicht immer, wird sie an Art. L.1222-1 Code du travail angeknüpft, siehe hierzu Everaert-Dumont, JCP S 2010, 1497; Waquet, Dr. Soc. 2015, 14 (19); Vigneau, Dr. Soc. 2004, 706 (709) betrachtet die Loyalitätspflichten als Ausdruck des Gedankens von Treu und Glauben, der in Art. L.1222-1 Code du travail niedergelegt ist. 181 Pécaut-Rivolier, Dr. Soc. 2013, 103 (108); Savatier, Dr. Soc. 2015, 335 (339). 182 Pécaut-Rivolier, Dr. Soc. 2013, 103 (109).

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d) Die Rolle des Betriebsarztes bei der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung Soweit es um Fragen des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers geht, ist allerdings die besondere Rolle des Betriebsarztes bzw. der Arbeitsmedizin zu berücksichtigen. Präzisiert wird diese in den Art. 4622-1 ff. Code du travail. Zu den Aufgaben gehört die Überwachung des Gesundheitszustands der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Risiken für ihre Gesundheit am Arbeitsplatz, ihre Sicherheit und die Sicherheit Dritter, Art. L.4622-2 Code du travail. Die Rolle der Arbeitsmedizin ist dabei ausschließlich präventiv und besteht darin, jede Beeinträchtigung der Gesundheit der Arbeitnehmer aufgrund ihrer Arbeit zu vermeiden, insbesondere durch Überwachung der Hygienebedingungen am Arbeitsplatz, der Ansteckungsgefahr und des Gesundheitszustands sowie jedes offensichtlichen Risikos einer Beeinträchtigung der Sicherheit von Dritten, die sich in der unmittelbaren Arbeitsumgebung bewegen, Art. L.4622-3 Code du travail. Zwar wird seit Januar 2017 nicht mehr grundsätzlich eine Eignungsbescheinigung zu Beginn der Tätigkeit ausgestellt, Aufgabe des Betriebsarztes ist es aber dennoch, den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers zu erfragen, siehe Art. R.4624-11 18 Code du travail. Während des laufenden Arbeitsverhältnisses profitiert jeder Arbeitnehmer gem. Art. L.4624-1 Code du travail von einer individuellen Überwachung seines Gesundheitszustands durch die Arbeitsmedizin, wobei der Betriebsarzt die Abstände der regelmäßigen Untersuchungen festlegt. Darüber hinaus folgt aus Art. R.4624-34 Code du travail, dass sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber zusätzliche Untersuchungen des Arbeitnehmers beanspruchen können, auch wenn die Norm dies gerade für den Arbeitgeber nicht ausdrücklich vorsieht.183 Inwieweit der Arbeitnehmer auf diesem Wege zu weiteren Untersuchungen verpflichtet werden kann, ist dem Gesetz nicht eindeutig zu entnehmen. Für die Verweigerung gesetzlich vorgesehener Untersuchungen wurde indes bereits entschieden, dass es sich um eine vertragliche Pflichtverletzung handelt.184 Zwar gestattet Art. L.1222-2 Code du travail dem Arbeitgeber die Abfrage von Informationen hinsichtlich der Eignung für die Tätigkeit, dies scheint jedoch nicht die Frage nach der gesundheitlichen Eignung (aptitude médicale) zu umfassen.185 Letztere zu beurteilen obliegt allein dem Betriebsarzt.186 Dieser unterliegt der 183

Ferté, JCP S 2017, 1001. Cass. Soc. v. 17. 10. 2000, n897-45.286 (Legifrance); Cass. Soc. v. 29. 5. 1986, n88345.409, Bull. Civ., V, n8262. 185 Insoweit differenzierend Bourgeot/Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (58); Fantoni-Quinton/ Laflamme, Dr. Soc. 2016, 19 (20, Fn. 7); Joseph, Le Droit Ouvrier 1990, 378 (380). 186 Vgl. Cass. Soc. v. 7. 11. 2006, n805-41.380, Bull. Civ., V, n8326: „(…) les renseignements relatifs à l’état de santé du salarié ne peuvent être confiés qu’au médecin du travail (…)“ (frei übersetzt: Auskünfte hinsichtlich des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers können nur dem Betriebsarzt anvertraut werden); ebenso für Bewerber Cass. Soc. v. 21. 9. 2005, n80344.855, Bull. Civ., V, n8262; siehe auch Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (71); Bourgeot/Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (58); Joseph, Le Droit Ouvrier 1990, 378 (382); 184

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Schweigepflicht, Diagnosen dürfen dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt werden.187 Die Kompetenzzuweisung an den Betriebsarzt für Fragen hinsichtlich des Gesundheitszustandes spricht dafür, dass diese gerade nicht unter den Begriff der aptitude professionelle in Art. L.1222-2 Code du travail fallen und dem Arbeitgeber so verwehrt sind.188 Die Unzulässigkeit von Fragen hinsichtlich des Gesundheitszustands wird – jedenfalls für Bewerber, für Arbeitnehmer greift die Überlegung indes ebenso – zuweilen unmittelbar aus dem Diskriminierungsverbot des Art. L.1132-1 Code du travail hergeleitet.189 Grundsätzlich gilt mithin: Über seinen Gesundheitszustand muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nicht informieren und dahingehende Fragen nicht beantworten.190 Einschränkungen dieses Prinzips werden zwar für Fälle erwogen, in denen die Tätigkeit des Arbeitnehmers einen bestimmten Gesundheitszustand zwingend voraussetzt.191 Dem wird wiederum entgegengehalten, die Interessen des Arbeitgebers seien hinreichend gewahrt, weil die Ungeeignetheit für die Tätigkeit durch den Betriebsarzt festgestellt werden kann.192 Das Prinzip des vertraulichen Charakters von Gesundheitsinformationen lasse keine Ausnahmen zu und gelte für alle Stadien des Arbeitsverhältnisses.193 e) Besonderheiten bei Alkohol- und Drogentests Jedoch müssen nicht sämtliche Handlungen, die Aufschluss über den körperlichen Zustand geben, von einem (Betriebs-)Arzt durchgeführt werden: Für Speicheltests zur Überprüfung, ob der Arbeitnehmer unter Drogeneinfluss steht, hat der Conseil d’Etat im Jahr 2016 entschieden, es handle sich nicht um biologische Untersuchungen, für welche in Art. L.6211-7 Code de la santé publique die Durch-

Fantoni-Quinton/Laflamme, Dr. Soc. 2016, 19 (20, Fn. 7); Savatier, Dr. Soc. 2006, 107. Für bestimmte Tätigkeiten ist der Betriebsarzt auch ausdrücklich gehalten sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer keine Gefahr für die übrige Belegschaft darstellt, siehe Art. R.4624-24 28 Code du travail. 187 Bourgeot/Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (59); Gardin, Le Droit Ouvrier 2015, 401 (403); Joseph, Le Droit Ouvrier 1990, 378 (379). 188 Vgl. Fantoni-Quinton/Laflamme, Dr. Soc. 2016, 19 (24); siehe auch Bourgeot/Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (58). 189 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 140; ebenso Mouly, JCP E 2006, 1262; Bourgeot/Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (58) leiten dies aus einer Kombination von Art. L.1221-6 und Art. L.1132-1 Code du travail her. 190 Pécaut-Rivolier, Dr. Soc. 2013, 103 (105); Bourgeot/Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (58) erkennen ein Recht zur Lüge bzw. ein Recht, nicht auf Gesundheitsfragen zu antworten an; siehe auch Verkindt, JCP S 2007, 1053; für Bewerber Fantoni-Quinton/Laflamme, Dr. Soc. 2016, 19 (20). 191 Siehe die Erwägungen bei Noël, JCP G 2004, II 10063. 192 Mouly, JCP E 2006, 1262; in diesem Sinne auch Bourgeot/Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (58). 193 Verkindt, JCP S 2007, 1053.

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führung durch medizinisches Fachpersonal gesetzlich vorgeschrieben ist.194 Weiterhin handle es sich auch nicht um Untersuchungen zur Feststellung der Eignung des Arbeitnehmers für den Arbeitsplatz, sodass sie nicht in den Aufgabenbereich des Betriebsarztes fielen.195 Vielmehr darf der Test durch den Vorgesetzten durchgeführt werden, der zwar nicht an die ärztliche Schweigepflicht gebunden, aber gleichwohl zur Geheimhaltung verpflichtet ist.196 Die Anwendung der Tests wird weiterhin nicht für jegliche Arbeitsplätze gebilligt, sondern nur für solche, bei denen die vorherige Konsumtion von Alkohol oder Drogen ein erhöhtes Risiko für den Arbeitnehmer selbst und für Dritte mit sich bringt.197 Damit erinnern die vom Conseil d’Etat aufgestellten Anforderungen für Speicheltests im Hinblick auf Drogenkonsum an diejenigen, die in mehreren Entscheidungen zuvor im Hinblick auf Alkoholkontrollen aufgestellt wurden198 : Schon der Conseil d’Etat selbst hat sich in den achtziger Jahren dahingehend geäußert, im Lichte des Eingriffs in die persönlichen Rechte der Arbeitnehmer199 könne eine solche Kontrolle nur für bestimmte, nicht aber für alle Arbeiten vorgesehen werden200, die Kontrolle könne dabei nur zum Ziel haben, gefährliche Situationen zu vermeiden oder zu beenden201. Insoweit weitgehend auf einer Linie äußerte sich die Cour de cassation202 : Diese befand Regelungen zu Alkoholkontrollen in der Haus194 CE v. 5. 12. 2016, n8394178, Lebon; zustimmend Mouly, Dr. Soc. 2017, 244 (247); Noël, JCP S 2017, 1022; ebenso bereits Gamet, Dr. Soc. 2013, 51 (55). Im Anschluss hieran hat die Cour d’appel Amiens in einer Entscheidung v. 27. 1. 2021, n819/04143 (Lexis360) entschieden, dass auch Urintests zur Drogenkontrolle keine biologischen Untersuchungen darstellen. 195 CE v. 5. 12. 2016, n8394178, Lebon; a. A. Comité consultatif national d’éthique, Avis n8114, Usage de l’alcool, des drogues et toxicomanie en milieu de travail, S. 23, das von einer alleinigen Zuständigkeit des Betriebsarztes ausgeht. 196 CE v. 5. 12. 2016, n8394178, Lebon. 197 CE v. 5. 12. 2016, n8394178, Lebon. 198 Während Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 1-40 Rn. 111 davon ausgeht, dass die Vorgaben des Conseil d’Etat gleichermaßen für Alkoholkontrollen gelten, arbeitet Duquesne, JCP E 2017, 1046 heraus, dass die Vorgaben für Speicheltests im Einzelnen strenger sind, und sieht dies in der Art der Tests und der geringeren Zuverlässigkeit begründet. 199 Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (33) weisen darauf hin, dass der Conseil d’Etat sich mit den betroffenen Rechten und Freiheiten nicht auseinandergesetzt hat und erwägen selbst eine Betroffenheit der körperlichen Unversehrtheit. Mouly, Dr. Soc. 2017, 244 (249) nennt daneben auch das Privatleben des Arbeitnehmers. 200 CE v. 1. 2. 1980, n806361, Lebon. 201 CE v. 9. 10. 1987, n872220, Lebon. 202 Die Rechtsprechung der beiden obersten Instanzen wich allerdings insoweit voneinander ab, als die Cour de cassation von der Relevanz von Alkoholuntersuchungen auch für das Disziplinarrecht ausging (Cass. Soc. v. 31. 3. 2015, n813-25.436, Bull. Civ., V, n869; in diesem Sinne auch Cass. Soc. v. 22. 5. 2002, n899-45.878, Bull. Civ., V, n8176), der Conseil d’Etat hingegen ausdrücklich verneinte, dass der Alkoholtest dazu dienen dürfte, ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers festzustellen (CE v. 9. 10. 1987, n872220, Lebon). In der zitierten Entscheidung aus dem Jahr 2016 (CE v. 5. 12. 2016, n8394178, Lebon) scheint der Conseil d’Etat von seiner Position allerdings Abstand genommen zu haben, so die Einschätzung von Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 1-40 Rn. 112.

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ordnung für zulässig, wenn sie eine Anfechtung des Ergebnisses durch den Arbeitnehmer zulassen und die Art der Tätigkeit des Arbeitnehmers dergestalt ist, dass ein Zustand der Trunkenheit Personen oder Sachen einer Gefahr aussetzen würde.203 Da die Maßnahmen zum Sicherheits- und Gesundheitsschutz in einer Hausordnung vorzusehen sind (Art. L.4122-2 Code du travail), ist eine solche Hausordnung, welche die Testmöglichkeit vorsieht, ebenfalls Voraussetzung für die Zulässigkeit der Tests – das gilt für Alkohol- wie Drogenkontrollen.204 Unter den genannten Voraussetzungen rechtfertigt sich die Kontrolle auf den Einfluss von Alkohol oder Drogen – trotz der Grundrechtsrelevanz auf Seiten des Arbeitnehmers – in Anknüpfung an die Schutzpflicht sowohl des Arbeitnehmers205 als auch des Arbeitgebers206. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung der nationalen Gerichte auf einer Linie mit derjenigen des EGMR liegt, der regelmäßige Alkohol- oder Drogenkontrollen auch im Lichte des Art. 8 der EMRK für zulässig hielt, weil sie im gegebenen Fall im Lichte der öffentlichen Sicherheit geboten waren.207 Erst die genannten Einschränkungen führen jedoch dazu, dass die Alkoholkontrolle mit den Anforderungen des Art. L.1121-1 Code du travail vereinbar ist.208 Zwar sieht der Code du travail in Art. R.4228-21 vor, dass es dem Arbeitgeber verboten ist, Personen, die sich in einem Rauschzustand befinden, den Aufenthalt in der Betriebsstätte zu gestatten, was mithin unabhängig von der Art der auszuübenden Tätigkeit oder auch des Arbeitnehmerstatus der betroffenen Person gilt; das heißt jedoch nicht, dass der Arbeitgeber bei allen Arbeitnehmern Alkoholtests durchführen darf.209 Während ein Rauschzustand anhand objektiver Ausfallerscheinungen ohne weitere Hilfsmittel festgestellt werden kann, geht die Alkoholkontrolle weiter und muss daher durch die besondere Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit gerechtfertigt sein.210 203 Erstmals Cass. Soc. v. 22. 5. 2002, n899-45.878, Bull. Civ., V, n8176; siehe auch Cass. Soc. v. 31. 3. 2015, n813-25.436, Bull. Civ., V, n869; v. 2. 7. 2014, n813-13.757 (Legifrance); v. 24. 2. 2004, n801-47.000, Bull. Civ., V, n860. Das gilt wohlgemerkt nicht für Tests, die eine Blutentnahme erfordern, siehe Sévillia, JCP S 2021, 95. 204 Roisin/Ouali Daudi, JCP S 2021, 1146. Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern müssen keine Hausordnung erlassen, hier wird aber empfohlen, einen Vermerk mit entsprechendem Inhalt zu erarbeiten, siehe ebenda. 205 Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 1-40 Rn. 59; Favennec-Héry, Dr. Soc. 2007, 687 (689); Gardin, RJS 2011, 593 (595 f.); Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (33); Mouly, Dr. Soc. 2017, 244 (249); siehe auch Corrignan-Carsin, JCP G 2017, 148. 206 Corrignan-Carsin, JCP G 2017, 148; Gardin, RJS 2011, 593 (595 f.); Ménard, Le Droit Ouvrier 2014, 858 (860); Noël, JCP S 2017, 1022; Roisin/Ouali Daudi, JCP S 2021, 1146; Rozec, JCP S 2012, 1080; siehe auch CE v. 1. 2. 1980, n806361, Lebon. 207 EGMR, Entsch. v. 9. 3. 2004 – 46210/99, BeckRS 2004, 156964; Entsch. v. 7. 11. 2002 – 58341/00, BeckRS 2002, 164724; hierauf hinweisend Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 1-40 Rn. 110; siehe auch Mouly, Dr. Soc. 2017, 244 (250); Sévillia, JCP S 2021, 95. 208 Vgl. Bossu, JCP S 2015, 1277. 209 Bossu, JCP S 2015, 1277. 210 Bossu, JCP S 2015, 1277.

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f) Die Grenzen des Datenschutzrechts Der Schutz der persönlichen Daten des Arbeitnehmers erfolgt weiterhin im Rahmen des europarechtlich geprägten Datenschutzrechts: In Frankreich gelten die Vorgaben der DS-GVO (dort RGPD211). Konkretisierend und ergänzend gelten die Vorgaben des Gesetzes über Computer, Dateien und Freiheitsrechte.212 Art. 5 Loi n878-17 sieht ähnlich Art. 6 DS-GVO ein Verbot der Verarbeitung personenbezogener Daten mit Erlaubnisvorbehalt vor. Für sensiblere Daten, insbesondere auch solcher zur Gesundheit des Betroffenen, gelten nach Art. 6 Loi n878-17 strengere Maßstäbe als für andere personenbezogene Daten. An dieser Stelle sei weiterhin darauf hingewiesen, dass es auf die Vereinbarkeit einer Datenerhebung mit der DS-GVO in Frankreich nur ankommt, wenn eine jedenfalls teilautomatisierte Datenerhebung erfolgt oder die Daten in einem Dateisystem gespeichert werden (sollen) – mangels anderweitiger Regelung bleibt es bei dem in Art. 2 Abs. 1 DS-GVO vorgegebenen Anwendungsbereich.213 Dieselbe Einschränkung gilt nach Art. 2 Abs. 1 Loi n878-17 für den Anwendungsbereich des nationalen Datenschutzgesetzes. Möglich ist grundsätzlich die Einwilligung des Arbeitnehmers in die Datenverarbeitung214, wobei indes Zweifel an der Freiwilligkeit dieser im Rahmen eines Subordinationsverhältnisses, wie es beim Arbeitsvertrag besteht, vorgebracht werden.215 aa) Allgemeine Grenzen für die Verarbeitung personenbezogener Daten Eine spezifischere Regelung i. S. d. Art. 88 DS-GVO für die Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext nach Art des § 26 BDSG wurde in Frankreich nicht getroffen, in ihrer Meldung an die Europäische Kommission verweist die Regierung aber darauf, dass etwa die Vorgaben des Art. L.1121-1 Code du travail spezieller sein können.216 Mithin gelten die in Art. 6 DS-GVO vorgesehenen Erlaubnistatbestände, die ebenso in Art. 5 Loi n878-17 vorgesehen sind. Zu beachten sind weiterhin die Grundsätze der Datenverarbeitung nach Art. 5 DS-GVO und Art. 4 Loi n878-17.

211

Règlement général sur la protection des données. Loi n878-17 du 6 janvier 1978 relative à l’informatique, aux fichiers et aux libertés. 213 Vgl. Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (30). 214 Allgemein für personenbezogene Daten vorgesehen in Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO und Art. 5 18 Loi n878-17, für sensible Daten in Art. 9 Abs. 2 lit. a DS-GVO. 215 Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (30); Metallinos, Comm. Com. Electr. 2020, Étude 9, Rn. 13. 216 Notification a` la Commission europe´enne de la le´gislation franc¸ aise en vigueur en application des articles 49, 51, 84, 85, 88, 90 du re`glement (UE) 2016/679 relatif a` la protection des personnes physiques a` l’e´gard du traitement des donne´es a` caracte`re personnel et a` la libre circulation de ces donne´es, et abrogeant la directive 95/46/C, S. 2. 212

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bb) Strengere Grenzen für die Verarbeitung sensibler Daten Von dem grundsätzlichen Verarbeitungsverbot für sensible Daten existieren mehrere Ausnahmen: Zum einen gilt das Verbot nach Art. 6 III Loi n878-17 nicht für Datenverarbeitungen, die durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt sind, wobei diese Ausnahme allerdings nur für hoheitliche Datenverarbeitungen unter den Voraussetzungen der Art. 31, 32 Loi n878-17 eingreift. Darüber hinaus findet Art. 6 Loi n878-17 gem. Art. 44 Loi n878-17 keine Anwendung, wenn die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 DS-GVO erfüllt sind oder aber die weiteren, in Art. 44 18 bis 68 Loi n878-17 vorgesehenen Ausnahmesituationen vorliegen. In Teilen überschneiden sich diese Ausnahmesituationen mit denen, die bereits die DS-GVO benennt. Nicht alle Ausnahmegründe sind jedoch übernommen worden – insbesondere derjenige nach Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO, der dem Arbeitgeber die Datenverarbeitung zur Ausübung von Rechten oder Erfüllung von Pflichten aus dem Arbeitsrecht oder Recht der sozialen Sicherheit gestattet, findet sich in Art. 44 Loi n878-17 nicht wieder.217 Der Gesetzgeber ging schon im Hinblick auf die Richtlinie 95/46/EG davon aus, dieses Erlaubnistatbestandes bedürfe es im französischen Recht nicht.218 Aufgrund der unmittelbaren Geltung der Verordnung sowie des Verweises auf Art. 9 Abs. 2 DSGVO im ersten Satz des Art. 44 Loi n878-17 ist Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO aber gleichwohl in Frankreich anwendbar.219 Ausdrücklich ermöglicht wird eine Verarbeitung sensibler Daten im öffentlichen Interesse (Art. 44 38 Loi n878-17) – hierbei handelt es sich allerdings weniger um einen eigenständigen Erlaubnistatbestand als vielmehr um einen Verweis auf die allgemeinen Regelungen für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten.220 Diese sind in Art. 64 ff. Loi n878-17 niedergelegt. Der französische Gesetzgeber hat hier von der in Art. 9 Abs. 4 DS-GVO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, zusätzliche Bedingungen bei der Verarbeitung von Gesundheitsdaten vorzusehen.221 Greifen nicht wiederum Ausnahmen ein (geregelt in Art. 65, 67 Loi n878-17) sind die For217

Vgl. Debet/Metallinos, Comm. Com. Electr. 2018, Étude 17, S. 10. Rapport Sénat n8218, 19. 3. 2003, S. 64. Der Senat orientierte sich hierbei an den Ausführungn von Braibant, Rapport au Premier Ministre sur la transposition en droit français de la directive no 95/46, 3. 3. 1998, S. 58, der ausführte: „Leur transposition n’est pas necessaire en droit français, dans la mesure où le droit du travail n’implique aucun traitement de données sensibles par les employeurs“ (frei übersetzt: Ihre Umsetzung in französisches Recht ist nicht erforderlich, da das Arbeitsrecht keine Verarbeitung sensibler Daten durch Arbeitgeber vorsieht.). Siehe auch Maisnier-Bouché, JurisClasseur Communication, Fasc. 945 Rn. 50. Schon nach Debet/Metallinos, Comm. Com. Electr. 2018, Étude 17, S. 10 ist aber mit einer Berufung auf den Erlaubnistatbestand zu rechnen, was die Schwierigkeiten zeige, die durch das Schaffen eines ausführlichen nationalen Gesetzes zusätzlich zur europäischen Rechtsgrundlage entstehen. 219 Auch die CNIL verweist in ihrer Référentiel relatif aux traitements de données personnelles mis en œuvre aux fins de gestion des ressources humaines v. 21. 11. 2019, S. 7 auf den Erlaubnistatbestand des Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO hin. 220 Maisnier-Bouché, JurisClasseur Communication, Fasc. 945 Rn. 65. 221 Vgl. Bourgeois/Moine, JCP E 2018, 1417. 218

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malitäten des Art. 66 Loi n878-17 zu wahren: Soweit die CNIL Referenzen oder Standardverordnungen nach Art. 66 II Loi n878-17 veröffentlich hat und die Datenverarbeitung diesen entspricht, bedarf es lediglich einer Meldung dieser Konformität an die CNIL, anderenfalls ist nach Art. 66 III Loi n878-17 vorab die Autorisierung der Datenverarbeitung durch die CNIL einzuholen.222 Für Datenverarbeitungen im Beschäftigungsverhältnis hat die CNIL einen Referenzrahmen bekanntgegeben, der auch, wenn auch nur in geringem Umfang, auf die Verarbeitung von Gesundheitsdaten Bezug nimmt.223 Auch im Anwendungsbereich der Art. 64 ff. Loi n878-17 – der wohl eröffnet ist, wenn der Arbeitgeber sich auf Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO berufen will224 – dürfte mithin grundsätzlich die Meldung nach Art. 66 II Loi n878-17 ausreichen. Zusätzlich folgt allerdings aus Art. 66 I Loi n878-17, dass jede Verarbeitung von Gesundheitsdaten einem öffentlichen Interesse dienen muss, wenn nicht Ausnahmen von der Anwendbarkeit der Art. 64 ff. Loi n878-17 eingreifen.225 2. Erkenntnismöglichkeiten in Zeiten der Pandemie Es gilt nun, die erarbeiteten Grundsätze auf den Pandemiekontext zu übertragen und die Frage zu beantworten, ob und wie der Arbeitgeber von einer Coronavirusinfektion oder dahingehenden Verdachtsmomenten des Arbeitnehmers erfahren kann. a) Fragerecht des Arbeitgebers nach Infektionen und Verdachtsmomenten Dem Arbeitgeber wird das Recht, die Belegschaft nach Symptomen oder anderen Verdachtsmomenten im Zusammenhang mit Coronavirusinfektionen zu fragen, abgesprochen.226 Das basiert maßgeblich auf einer Einschätzung der nationalen Datenschutzbehörde, die bereits im Frühjahr 2020 ausführte, Arbeitgeber müssten davon Abstand nehmen, systematisch und generalisierend oder auch im Rahmen individueller Abfragen Informationen hinsichtlich von Symptomen des Arbeitnehmers oder seiner Angehörigen zu sammeln227 und an dieser Einschätzung aus222

Siehe auch Debet/Metallinos, Comm. Com. Electr. 2018, Étude 17, S. 9. CNIL, Référentiel relatif aux traitements de données personnelles mis en œuvre aux fins de gestion des ressources humaines v. 21. 11. 2019, S. 7. 224 Vgl. Maisnier-Bouché, JurisClasseur Communication, Fasc. 945 Rn. 80. Ausnahmen sieht Art. 65 18 Loi n878-17 nur für Art. 9 Abs. 2 lit a und c – f DS-GVO vor. 225 Vgl. Maisnier-Bouché, JurisClasseur Communication, Fasc. 945 Rn. 72. 226 Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (69); Bachelot/Coursier, JCP S 2020, 2059; Gauriau/Teissier, JCP S 2020, 2028; Schwartz in Cahiers de droit de l’entreprise 2020, 9. 227 „Les employeurs doivent s’abstenir de collecter de manière systématique et généralisée, ou au travers d’enquêtes et demandes individuelles, des informations relatives à la recherche 223

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weislich des Frage-Antwort-Katalogs für die pandemiebedingte Datenverarbeitung im Arbeitsverhältnis festhält.228 Das französische Datenschutzrecht zeigt sich in Bezug auf Gesundheitsdaten als ausgesprochen komplex. Angesichts der Relevanz der Entscheidungen der Datenschutzbehörde CNIL in diesem Bereich – siehe Art. 66 II, III Loi n878-17 – kommt ihrer Einschätzung in Zeiten der Pandemie erhebliche Bedeutung zu. Sie ist in diesem Punkt auch überzeugend: Im Anwendungsbereich der datenschutzrechtlichen Vorgaben dürfte der Handlungsspielraum des Arbeitgebers, jedenfalls soweit es um sensible Daten wie Krankheitssymptome geht, aufgrund der aus Art. 66 I Loi n878-17 folgenden Voraussetzung des öffentlichen Interesses an der Datenverarbeitung ausgesprochen eng sein.229 Zwar wird das öffentliche Interesse an der Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Pandemiekontext für die Verarbeitung durch öffentliche Stellen bejaht, inwiefern sich auch der private Arbeitgeber auf ein solches Interesse berufen kann, ist jedoch unklar.230 Der Begriff des öffentlichen Interesses i. S. d. Loi n878-17 ist nicht definiert und geht daher mit einer gewissen Unsicherheit einher.231 Darüber hinaus fehlt es auch bereits an einem Recht aus dem Arbeitsrecht, wie es der Erlaubnistatbestand des Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO vorsieht, da dem d’éventuels symptômes présentés par un employé/agent et ses proches.“, das Originaldokument der CNIL ist aufgrund laufender Aktualisierung nicht mehr verfügbar, so allerdings zitiert von Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (69) und Gauriau/Teissier, JCP S 2020, 2028. 228 CNIL, COVID-19: questions–réponses sur la collecte de données personnelles sur le lieu de travail i. d. F. v. 14. 2. 2022: „L’employeur peut-il collecter des questionnaires médicaux auprès des salariés/agents ? Non. La CNIL rappelle que seuls les personnels de santé compétents (notamment la médecine du travail) peuvent collecter, mettre en œuvre et accéder à d’éventuels fiches ou questionnaires médicaux auprès des salariés/agents contenant des données relatives à leur état de santé ou des informations relatives notamment à leur situation familiale, leurs conditions de vie ou encore, leurs éventuels déplacements.“ (frei übersetzt: Darf der Arbeitgeber medizinische Fragebögen von Arbeitnehmern/Agenten sammeln? Nein. Die CNIL weist darauf hin, dass nur das zuständige Gesundheitspersonal (insbesondere die Arbeitsmedizin) medizinische Datenblätter oder Fragebögen von Arbeitnehmern/Angestellten, die Daten über ihren Gesundheitszustand oder Informationen über ihre Familiensituation, ihre Lebensbedingungen oder ihre Reisen sammeln, umsetzen und darauf zugreifen darf.) 229 So auch Metallinos, Comm. Com. Electr. 2020, Étude 9, Rn. 13; vgl. auch Perray/Park, Lexology v. 16. 3. 2020. 230 Vgl. Metallinos, Comm. Com. Electr. 2020, Étude 9, Rn. 11, die Frage des öffentlichen Interesses bei der Verarbeitung durch Private offen gelassen in Rn. 13. Auch Maisnier-Bouché, JurisClasseur Communication, Fasc. 945 Rn. 75 geht davon aus, der Datenverarbeitung zur Verbeugung grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren wohne stets ein öffentliches Interesse inne, lehnt sich hier aber an Art. 9 Abs. 2 lit. i DS-GVO an, auf den sich nach Ansicht deutscher Autoren (Kühling/Buchner/Weichert, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 9 DS-GVO Rn. 116; mit der Einschränkung „es sei denn, die Verarbeitung erfolgt aus Gründen des öffentlichen Interesses“ auch Auernhammer/Kramer/Oberbeck, DS-GVO/BDSG, 7. Aufl. 2020, Art. 9 DSGVO Rn. 35) Private nicht oder nur eingeschränkt berufen können. Keim-Bargot/Moizard, RDT 2021, 25 (30) gehen von einer Rechtfertigungsmöglichkeit nach Art. 9 Abs. 2 lit. i DS-GVO aus. 231 Siehe auch Maisnier-Bouché, JurisClasseur Communication, Fasc. 945 Rn. 73.

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Arbeitgeber ein Fragerecht hinsichtlich des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers im französischen Arbeitsrecht grundsätzlich nicht zukommt.232 Noch im Hinblick auf die Richtlinie 95/46/EG wurde betont, die Umsetzung eines vergleichbaren Erlaubnistatbestands in das französische Recht sei nicht erforderlich, weil dieses keinerlei Verarbeitung sensibler Daten durch Arbeitgeber vorsehe.233 Die Verarbeitung anderer personenbezogener Daten, die nicht unter den besonderen Schutz des Art. 9 DS-GVO fallen, scheint die CNIL in Grenzen für zulässig zu halten. Zur Frage, ob der Arbeitgeber personenbezogene Daten für die Erstellung eines Plans zur Aufrechterhaltung des Betriebs sammeln darf, äußert sich die Behörde positiv unter der Einschränkung, dass die Datenerhebung für die Erreichung des Ziels unbedingt erforderlich sein müsse.234 Das nimmt Bezug auf das Verbot der Datenminimierung nach Art. 5 Abs. 1 lit. c DS-GVO und Art. 4 38 Loi n878-17 sowie das Erforderlichkeitskriterium der Erlaubnistatbestände des Art. 6 DS-GVO, Art. 5 Loi n878-17. Insoweit kommen wiederum insbesondere die Art. 6 Abs. 1 lit. b, c und f DS-GVO bzw. Art. 5 28, 38 und 68 Loi n878-17 in Betracht. b) Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers Dass der Arbeitgeber mangels Fragerecht gänzlich im Dunkeln tappen soll, wenn es um Coronavirusinfektionen und dahingehende Verdachtsmomente in seiner Belegschaft geht, ist damit jedoch noch nicht gesagt. Denn: Einzelne Stimmen sehen den Arbeitnehmer in der Pflicht, relevante Informationen zu Kontakten und Gesundheitszustand selbständig zu offenbaren.235 Die Einschätzung verwundert angesichts des anerkannten Rechts des Arbeitnehmers, Informationen bzgl. seines Gesundheitszustands für sich zu behalten.236 Schon vor der Pandemie wurde indes

232 Siehe bereits Gliederungspunkt D. II. 1. d). Nach der Analyse von Perray/Park, Lexology v. 16. 3. 2020, liegt die Einschätzung der CNIL darüber hinaus auf einer Linie mit der in Frankreich traditionell vertretenen Position, dass die Verarbeitung von Gesundheitsdaten während einer Pandemie den öffentlichen Gesundheitsbehörden obliegt. 233 Braibant, Rapport au Premier Ministre sur la transposition en droit français de la directive no 95/46, 3. 3. 1998, S. 58. 234 CNIL, COVID-19: questions–réponses sur la collecte de données personnelles sur le lieu de travail i. d. F. v. 14. 2. 2022: „L’employeur peut-il collecter des données personnelles en vue de l’élaboration d’un plan de continuité de l’activité (…) ? Oui, mais seules peuvent être collectées les données strictement nécessaires à la réalisation de cet objectif.“ (frei übersetzt: Darf der Arbeitgeber personenbezogene Daten sammeln, um einen Plan zur Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit zu erstellen (…)? Ja, aber es dürfen nur die Daten erhoben werden, die für die Erreichung dieses Ziels unbedingt erforderlich sind). 235 Diaz/Saint Michel, Dalloz Actualité v. 28. 3. 2020; Rozec, JCP G 2020, 330; CNIL, COVID-19: questions–réponses sur la collecte de données personnelles sur le lieu de travail i. d. F. v. 14. 2. 2022; siehe auch Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (34); offen gelassen von Bachelot/Coursier, JCP S 2020, 2059. 236 Siehe hierzu bereits Gliederungspunkt D. II. 1. d).

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erwogen, ob dieses Prinzip dort einer Einschränkung bedarf, wo der Arbeitnehmer aufgrund seines Gesundheitszustandes Dritte in Gefahr bringt.237 Hierfür gibt es mehrere mögliche Anknüpfungspunkte: Rechtsgrundlage könnte Art. L.4131-1 Code du travail sein, der eine Informationspflicht bei Gefahren für die eigene Gesundheit vorsieht.238 Im Gegensatz zur auch in diesem Zusammenhang geregelten Leistungsverweigerung ist die Information des Arbeitgebers bei Gefahren obligatorisch.239 Diese Pflicht bezieht sich ausdrücklich nur auf für den Arbeitnehmer selbst bestehende Gefahren und Defekte in Schutzsystemen, d. h. dem Wortlaut nach nicht auf Gefahren, die für Dritte bestehen.240 Art. 13 Abs. 2 lit. d der Richtlinie 89/391/EWG, dessen Umsetzung Art. L.4131-1 Code du travail dient, ist indes weiter gefasst241, sodass eine erweiternde, richtlinienkonforme Auslegung angezeigt sein könnte. Ein weiteres Verständnis, nach dem die Informationspflicht auch bei Gefahren für Dritte besteht, legt auch das Zusammenspiel mit der Mitwirkungs- und Schutzpflicht des Arbeitnehmers auch zum Schutz Dritter nach Art. L.4122-1 Code du travail nahe.242 Ergänzend kann die Treuepflicht des Arbeitnehmers zur Begründung herangezogen werden.243 Die Offenbarungspflicht soll jedenfalls dort gelten, wo der Arbeitnehmer sich selbst in einer Situation mit Ansteckungsrisiko befunden hat.244 Als unterstützendes Argument für eine Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers könnte eine Entscheidung der Cour de cassation aus dem Jahr 2017 herangezogen werden: Dort hielt das Gericht eine Kündigung eines Arbeitnehmers für gerechtfertigt, der aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen seine Arbeitsleistung nicht einwandfrei erbringen konnte und so eine Gefahr für seine Kollegen darstellte; die 237

Fantoni-Quinton/Laflamme, Dr. Soc. 2016, 19 (24) erwägen, ob das Recht hinsichtlich des eigenen Gesundheitszustands zu schweigen oder zu lügen (wohlgemerkt gegenüber dem Betriebsarzt) durch die Arbeitsschutzpflicht des Arbeitnehmers eingeschränkt wird, sehen hier aber hohe Hürden für den Nachweis illoyalen Verhaltens. Siehe auch die Erwägungen bei Noël, JCP G 2004, II 10063. 238 Vgl. Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (35). 239 Cass. Soc. v. 21. 1. 2009, n897-41.935 (Legifrance); Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 514; Favennec-Héry, Dr. Soc. 2007, 687 (691). 240 Die Norm erfasst vom Arbeitgeber vernünftigerweise angenommene Gefahren „pour sa vie ou sa santé“, also für sein Leben und seine Gesundheit. 241 Diese Norm bezieht sich auf Gefahren „pour la se´curite´ et la sante´“, in der deutschen Sprachfassung „die Sicherheit und die Gesundheit“, ohne explizite Beschränkung auf diejenige des Arbeitnehmers selbst. 242 Siehe auch Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (35); eine Informationspflicht auf Basis dieser Norm erwägt auch Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (70 f.); ebenso Rozec, JCP G 2020, 330. Siehe vor der Pandemie bereits die Erwägungen bei FantoniQuinton/Laflamme, Dr. Soc. 2016, 19 (24), die hier allerdings hohe Hürden sehen. 243 Diaz/Saint Michel, Dalloz Actualité v. 28. 3. 2020; zu Informationspflichten auf Basis der Loyalitätspflicht siehe auch Pécaut-Rivolier, Dr. Soc. 2013, 103 (108). 244 Vgl. Rozec, JCP G 2020, 330, der aber offenlässt, ob dies auch für Personen gilt, die lediglich Kontakt zu Personen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko hatten.

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Kündigung sei nicht aufgrund des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers erfolgt, sondern weil der Arbeitnehmer wusste, dass er nicht in der Lage war, seine Arbeitsleistung zu erbringen.245 Letztlich zeigt die Entscheidung jedoch nur, dass der Arbeitnehmer in einem solchen Fall der Arbeit fernbleiben muss – dass er auch den Arbeitgeber über seinen Gesundheitszustand informieren muss, ist damit noch nicht gesagt. An der Offenbarungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber werden insoweit Zweifel geäußert: Anknüpfend an die Regel, dass Gesundheitsdaten grundsätzlich nur dem Betriebsarzt offenzulegen sind, wird erwogen, ob nicht auch eine Infektion mit dem Coronavirus nur diesem mitgeteilt werden muss.246 Der Gedanke ist nicht fernliegend. Ab dem 1. April 2020 – ausnahmsweise und nur im Hinblick auf spezifische Fälle im Zusammenhang mit der Pandemie – wurde der Betriebsarzt berechtigt, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auszustellen.247 Eine Offenbarung von Infektionen oder diesbezüglicher Verdachtsmomente dem Betriebsarzt gegenüber könnte also ausreichen, um eine Suspendierung des Arbeitsvertrags herbeizuführen und so Ansteckungsgefahren innerhalb des Betriebs zu verhindern, wobei der Privatsphäre des Arbeitnehmers aufgrund der Schweigepflicht des Betriebsarztes Rechnung getragen wird.248 Weitere Maßnahmen innerhalb des Betriebs, soweit notwendig, könnte der Betriebsarzt anregen, ohne die Identität des Betroffenen offenzulegen. Dass das Beurteilungsmonopol des Betriebsarztes für die Eignung des Arbeitnehmers auch bei ansteckenden Krankheiten gilt, die mit der Tätigkeit unvereinbar sind, legt eine Entscheidung der Cour d’appel de Lyon v. 25. 1. 2007 nahe – eine (vermutete) ansteckende Krankheit der Arbeitnehmerin sah das Gericht als unzulässigen Kündigungsgrund an und monierte in diesem Zusammenhang auch insbesondere, dass der Arbeitgeber seine eigene medizinische Einschätzung zugrunde gelegt hatte und keine Untersuchung durch den Betriebsarzt stattgefunden hatte.249 Die französische Datenschutzbehörde geht hingegen von einer Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bei Infektion oder Infektionsverdacht aus und stellt in der Begründung ausdrücklich auf die Schutzpflicht des 245

Cass. Soc. v. 12. 10. 2017, n816-18-836, Dalloz Jurisprudence; diese Entscheidung ziehen auch Diaz/Saint Michel, Dalloz Actualité v. 28. 3. 2020, in ihren Erwägungen heran. 246 Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (71). Fantoni-Quinton/Laflamme, Dr. Soc. 2016, 19 (24) weisen darauf hin, dass es keine explizite gesetzliche Regelung dahingehend ist, ob der Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsarzt zur Offenbarung gesundheitlicher Einschränkungen verpflichtet ist. 247 Art. 2 I Ordonnance n82020-386 v. 1. 4. 2020. Später Art. 2 I Ordonnance n82020-1502 v. 2. 12. 2020; Art. 1 Décret n82021-24 v. 13. 1. 2021. Nach Art. L.321-1 Code de la sécurité sociale ist hierfür gemeinhin der behandelnde Arzt zuständig, zum unterschiedlichen Aufgabenbereich von Betriebs- und behandelndem Arzt siehe auch Gardin, Le Droit Ouvrier 2015, 401 (402). 248 So Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (71). Siehe auch Bourgeot/ Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (58), die eine Offenbarungspflicht gegenüber dem Betriebsarzt annehmen und den Schutz durch die Schweigepflicht betonen. 249 CA Lyon v. 25. 1. 2007, JurisData 2007-332504.

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Arbeitnehmers nach Art. L.4122-1 Code du travail ab.250 Der datenschutzrechtliche Erlaubnistatbestand wird hier nicht weiter präzisiert, naheliegend ist, dass Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO herangezogen wird, soweit es um Gesundheitsdaten geht, sowie Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DS-GVO für anderweitige, personenbezogene Daten. Einschränkend soll die Offenbarungspflicht dann nicht bestehen, wenn kein Kontakt des Betroffenen zu Kollegen oder Dritten bestand – hier gelten die allgemeinen Regeln, nach denen der Arbeitnehmer bei krankheitsbedingtem Arbeitsausfall die Natur seiner gesundheitlichen Einschränkung nicht offenlegen muss.251 c) Fiebermessungen am Betriebseingang Kontrollen der Körpertemperatur hielt das zuständige Arbeitsministerium in seiner ersten Einschätzung für eine mögliche, betriebliche Infektionsschutzmaßnahme.252 Hiervon hat es indes Abstand genommen: Im Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés face à l’épidémie de COVID-19 wird nunmehr von einem entsprechenden Vorgehen abgeraten, jedenfalls dürften Kontrollen nicht obligatorisch sein.253 Die in Art. L.1121-1 Code du travail vorgesehene Proportionalität von Maßnahmen, welche die Rechte und Freiheit des Arbeitnehmers einschränken, setzt die Erforderlichkeit der jeweiligen Maßnahme voraus, welche im hiesigen Kontext unter Berücksichtigung des Gesundheitsrisikos an dem konkreten Arbeitsplatz bzw. in dem Betrieb und der Möglichkeit, dieses Risiko durch die entsprechende Maßnahme zu minimieren zu bestimmen ist.254 Der Haut Conseil de la santé publique sieht diese Anforderungen bei Fiebermessungen, welche die nach Art. 9 Code Civil geschützte Privatsphäre des Arbeitnehmers beschränken, nicht erfüllt: Die mit der Temperaturmessung verbundene Grundrechtseinschränkung und ihre Unzuverlässigkeit bei der Aufdeckung infektiöser Krankheiten spreche gegen die Zulässigkeit.255 Ebenso die Tatsache, dass die

250 CNIL, COVID-19: questions–réponses sur la collecte de données personnelles sur le lieu de travail i. d. F. v. 14. 2. 2022, Quelles sont les obligations des salariés/agents?. 251 CNIL, COVID-19: questions–réponses sur la collecte de données personnelles sur le lieu de travail i. d. F. v. 14. 2. 2022, Quelles sont les obligations des salariés/agents?. 252 So noch das Ministère du travail, de l’emploi et de l’insertion in einer Frage-AntwortÜbersicht auf seiner Internetseite am 10. 4. 2020, aufgegriffen von Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (69), Original nicht mehr verfügbar; wohl zustimmend Bachelot/ Coursier, JCP S 2020, 2059. 253 Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés face à l’épidémie de COVID-19 i. d. F. v. 9. 6. 2021, S. 16. 254 Vgl. Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (33). 255 Haut Conseil de la santé publique, Avis relatif à un contrôle d’accès par prise de température dans la préparation de la phase de déconfinement en lien avec l’épidémie à Covid19 v. 28. 4. 2020, S. 9; ebenso Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (70).

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Fiebermessung auf andere Krankheiten als COVID-19 hinweisen kann, was die Grundrechtsbeschränkung intensiviert.256 Obligatorische Fiebermessungen sind mithin grundsätzlich nicht zulässig.257 Das gilt nach jetzigem Kenntnisstand – insbesondere im Lichte der zunächst abweichenden Empfehlung des Arbeitsministeriums, der mangelnden Verfügbarkeit anderweitiger Erkenntnismöglichkeiten und des Informationsstandes zu Beginn der Pandemie kann die Zulässigkeit von Fiebermessungen dort für einen begrenzten Zeitraum anders zu bewerten sein.258 Weiterhin steht einem freiwilligen Angebot nichts entgegen, sofern der Arbeitnehmer unabhängig von der Inanspruchnahme berechtigt ist, die Betriebsstätte zu betreten.259 Zu dem Ergebnis grundsätzlicher Unzulässigkeit im weiteren Verlauf der Pandemie gelangt auch die CNIL im Hinblick auf die Vereinbarkeit eines entsprechenden Vorgehens mit dem Datenschutzrecht.260 Die Vorschriften des europäischen und französischen Datenschutzrechts finden allerdings dann keine Anwendung, wenn keine (teil-)automatisierte Datenerhebung oder Speicherung von Daten in einem Dateisystem erfolgt oder erfolgen soll, sodass die manuelle Temperaturmessung am Betriebseingang ohne Speicherung des Ergebnisses nicht an der DS-GVO oder den Vorschriften des Loi n878-17 zu messen ist.261 Auf individueller Ebene, bei konkretem Infektionsverdacht etwa aufgrund auffälliger COVID-19-Symptome, soll der Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmer isolieren und dazu veranlassen, eine ärztliche Untersuchung vornehmen zu lassen.262

256 Vgl. Haut Conseil de la santé publique, Avis relatif à un contrôle d’accès par prise de température dans la préparation de la phase de déconfinement en lien avec l’épidémie à Covid19 v. 28. 4. 2020, S. 8. 257 Gauriau/Teissier, JCP S 2020, 2028; Schwartz in Cahiers de droit de l’entreprise 2020, 9 (14); Véricel, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 208 (209); ablehnend auch Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (70). 258 Babin, RDT 2020, 724 (726) weist mit Blick auf das Entfernungsrecht des Arbeitnehmers darauf hin, dass die Zulässigkeit der Ausübung je nach (Informations-)Stand unterschiedlich zu beurteilen ist. Nichts anderes kann bei der Beurteilung der Rechte des Arbeitgebers gelten. 259 Vgl. Véricel, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 208 (209). Keim-Bagot/ Moizard, RDT 2021, 25 (32) sieht auch hier eine Stigmatisierungsgefahr, insbesondere aufgrund möglichen Drucks der Arbeitnehmer untereinander. Dieses nicht aus der Sphäre des Arbeitgebers stammende Risiko dürfte allerdings noch zumutbar sein. Eine unterschiedliche Behandlung derjenigen Arbeitnehmer, die das Angebot nicht wahrnehmen, wie sie die Autoren ebenso befürchten, ist selbstverständlich rechtswidrig. 260 CNIL, COVID-19: questions–réponses sur la collecte de données personnelles sur le lieu de travail i. d. F. v. 14. 2. 2022, L’employeur peut-il contrôler la température de ses salariés/ agents?. 261 Vgl. Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (30); Schwartz in Cahiers de droit de l’entreprise 2020, 9 (14). 262 Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés face à l’épidémie de COVID-19 i. d. F. v. 9. 6. 2021, S. 14 f.

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In diesem Rahmen kann auch der Betriebsarzt hinzugezogen werden.263 Eine Temperaturmessung durch eben diesen erscheint dann möglich, aber wiederum wenig sinnvoll, da sie über eine Coronavirusinfektion keinen Aufschluss gibt. Zweckmäßiger wäre hier die Durchführung eines Coronatests – soweit denn möglich und zulässig. d) Coronatests als Zugangsvoraussetzung Die Eignungsproblematik stellt sich im Hinblick auf die Durchführung eines Coronatests bzw. Vorlage eines Testergebnisses als Zugangsvoraussetzung weniger.264 Auch diese Maßnahme befindet sich jedoch, ähnlich wie die oben angesprochenen Kontrollen auf Alkohol- oder Drogeneinfluss im Spannungsbereich zwischen den Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers und dem Schutz der Rechte und Freiheiten des Arbeitnehmers, insbesondere seiner persönlichen Lebenssphäre.265 Ihre Zulässigkeit ist daher an Art. L.1121-1 Code du travail zu messen.266 Mit diesen Alkohol- und Drogentests können Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus jedoch nicht vollständig gleichgesetzt werden.267 Zum einen geben die Erstgenannten lediglich Aufschluss über darüber, ob die betroffene Person unter dem Einfluss bestimmter Substanzen steht, nicht aber über den Gesundheitszustand im engeren Sinne268 – anders der Coronatest, der das Vorhandensein von Krankheitserregern belegt. Da somit der Gesundheitszustand betroffen ist, sind die Wertungen des Diskriminierungsrechts zu berücksichtigen.269 Im Unterschied zu Alkoholatemtests270 und Speicheltests im Hinblick auf Drogenkonsum271 handelt es sich bei Coronatests weiterhin um biologische Untersuchungen (examens de biologie médicale) im Sinne des Art. L.6211-7 Code de la santé 263 Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés face à l’épidémie de COVID-19 i. d. F. v. 9. 6. 2021, S. 14. 264 Auch die Tatsache, dass insbesondere Schnelltests nicht hundertprozentig zuverlässig sind, dürfte im Lichte der Rechtsprechung des Conseil d’Etat unerheblich sein. Im Hinblick auf Drogentests hielt dieser es für unerheblich, dass die Tests nicht so präzise seien wie Alkoholtests und gewisse Fehlerrisiken bergen, siehe CE v. 5. 12. 2016, n8394178, Lebon. 265 Vgl. Sévillia, JCP S 2021, 95. 266 Roisin/Ouali Daoudi, JCP S 2021, 1146. 267 Ebenso Roisin/Ouali Daoudi, JCP S 2021, 1146. 268 Mouly, Dr. Soc. 2017, 244 (246); ausgenommen Fälle, in denen ein Zusammenhang mit einer Abhängigkeit besteht, siehe zu dieser Problematik Corrignan-Carsin, JCP G 2017, 148; Gardin, RJS 2011, 593 (597). 269 Siehe Pradel/Pradel/Pradel, JCP S 2020, 52; vgl. im Hinblick auf Alkohol- oder Drogenabhängigkeiten Gardin, RJS 2011, 593 (597); siehe auch Bossu, JCP S 2015, 1277. 270 Corrignan-Carsin, JCP G 2017, 148; Roisin/Ouali Daoudi, JCP S 2021, 1146; auch Mouly, Dr. Soc. 2017, 244 (246), geht davon aus, dass es sich bei Alkoholtests nicht um solche Untersuchungen handelt. 271 CE v. 5. 12. 2016, n8394178, Lebon.

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publique.272 Das hat ganz entscheidende Folgen: Nach Art. L.6211-7 Code de la santé publique sind solche Untersuchungen von einem medizinischen Biologen (biologiste médical) oder unter dessen Verantwortung durchzuführen. Eine Durchführung solcher Untersuchungen durch den Arbeitgeber oder anderer Vorgesetzter, wie sie für Drogenkontrollen per Speicheltest befürwortet wurde273, scheidet infolge dieser Einordnung grundsätzlich aus.274 Zwar ist der Kreis der Personen, die zur Durchführung von Coronatests berechtigt sind, im Lichte der Pandemie erweitert worden – der Arbeitgeber gehört indes auch nicht zu diesem erweiterten Personenkreis.275 Hingegen ist der Betriebsarzt grundsätzlich befugt, Coronatests durchzuführen.276 In welchem Fall dies aber tatsächlich erfolgen darf, ist nicht eindeutig – im Hinblick auf AIDS wurde etwa festgestellt, um der Verbreitung ansteckender Krankheiten vorzubeugen sei der Betriebsarzt grundsätzlich nicht befugt, die gesamte Belegschaft zu testen, sondern nur solche Arbeitnehmer, bei deren Tätigkeit eine besondere Gefahr der Weiterübertragung besteht.277 In der Anfangszeit der Pandemie wurde der Nutzung von Tests in Unternehmen zunächst eine Absage erteilt – es sei nicht Aufgabe der Unternehmen, Testkampagnen zu organisieren.278 Dabei blieb es jedoch nicht. Im November 2020 wurde ein Erlass des Gesundheitsministeriums, der u. a. auch die Anwendung von Coronatests regelte, dahingehend aktualisiert, dass auch kollektive Testaktionen auf betrieblicher Ebene vorgesehen wurden; dies allerdings nur eingeschränkt bei angespanntem Infektionsgeschehen in und um den Betrieb und nach vorheriger Anmeldung bei einer staatlichen Stelle.279 Auch das Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés face à l’épidémie de Covid-19 wurde bald dahingehend angepasst, dass der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern im Rahmen des rechtlich Zulässigen Testaktionen anbieten durfte.280 Später wurde ein Verweis auf die Möglichkeit des Zurverfügungstellens von Selbsttests aufgenommen.281 Der Arbeits- sowie der Gesundheitsminister und der Staatssekretär für Renten und Gesundheit am Arbeitsplatz veröffentlichten 272 Siehe nur Art. 22 ff. Arrêté v. 10. 7. 2020; Art. 22 ff. Arrêté v. 1. 6. 2021; Roisin/Ouali Daoudi, JCP S 2021, 1146. 273 CE v. 5. 12. 2016, n8394178, Lebon. 274 Siehe Noël, JCP S 2017, 1022. 275 Roisin/Ouali Daoudi, JCP S 2021, 1146. 276 Art. 2 II Ordonnance n82020-386 v. 1. 4. 2020; Art. 2 II Ordonnance n82020-1502 v. 2. 12. 2020 i. d. F. v. 12. 2. 2021; Art. 1 Décret n82021-24 v. 13. 1. 2021. 277 Joseph, Le Droit Ouvrier 1990, 378 (382). 278 Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés face à l’épidémie de Covid-19 i. d. F. v. 31. 8. 2020, S. 12. 279 Erstmals so vorgesehen in Art. 26-1 II 28 Arrêté v. 10. 7. 2020 i. d. F. v. 18. 11. 2020. 280 Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés face à l’épidémie de Covid-19 i. d. F. v. 13. 11. 2020, S. 12. 281 Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés face à l’épidémie de COVID-19 i. d. F. 18. 5. 2021, S. 13.

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weiterhin im Dezember 2014 ein interministerielles Rundschreiben hinsichtlich der Anwendung von Antigentests in privaten und öffentlichen Unternehmen, in dem die Voraussetzungen und Umstände der Durchführung der vom Protocole national angesprochenen Testaktionen präzisiert wurden.282 Neben kollektiven Aktionen sollten individuelle Tests für Personen mit Symptomen, für Kontaktpersonen und darüber hinaus nur, falls dies von medizinischem Fachpersonal für notwendig erachtet wurde, angeboten werden.283 Beide Dokumente, das Rundschreiben wie das Protocole national betonen dabei die Freiwilligkeit der Tests für die Arbeitnehmer.284 Die Dokumente sind für sich genommen zwar nicht verbindlich, geben aber durchaus Aufschluss über die Rechtsausfassung der zuständigen öffentlichen Stellen und damit auch über die Auslegung des genannten Erlasses des Gesundheitsministeriums.285 Obligatorische Tests wurden mithin zunächst nicht vorgesehen.286 Selbst für medizinisches Personal riet der Haut Conseil de la santé publique von periodischen Tests ab.287 Neben der Freiwilligkeit wird die Wichtigkeit der ärztlichen Schweigepflicht betont – sofern ein Arbeitnehmer das Testangebot annimmt, soll der Arbeitgeber keinesfalls Kenntnis von dem Ergebnis des Tests erlangen.288 Es zeigte sich der deutliche Wille, dem Arbeitgeber mit den verfügbaren Tests kein Werkzeug zur Kontrolle der Arbeitnehmer in die Hand zu geben. Die Tests am Arbeitsplatz waren als Ergänzung zu staatlich betriebenen Teststellen gedacht, nicht hingegen als Instrument des Arbeitsschutzes.289

282

Circulaire interministerielle n8Cabinet/2020/229 relative au déploiement des tests antigéniques au sein des entreprises publiques et privées v. 14. 12. 2020. 283 Circulaire interministerielle n8Cabinet/2020/229 relative au déploiement des tests antigéniques au sein des entreprises publiques et privées v. 14. 12. 2020, S. 2 f. Dies entsprach den Vorgaben des Erlasses vom 10. 7. 2020 i. d. F. v. 18. 11. 2020, siehe dort Art. 26-1 II 18. 284 Circulaire interministerielle n8Cabinet/2020/229 relative au déploiement des tests antigéniques au sein des entreprises publiques et privées v. 14. 12. 2020, S. 4; Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés face à l’épidémie de COVID-19 i. d. F. v. 9. 6. 2021, S. 13. 285 Vgl. auch Jubert, RDT 2020, 521, nach der die Formulierungen des Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés face à l’épidémie de COVID-19 auf die Wichtigkeit, die das zuständige Ministerium diesem beimisst, schließen lässt. Für das ministerielle Rundschreiben gelten dieselben Überlegungen. 286 Siehe auch Roisin/Ouali Daoudi, JCP S 2021, 1146. 287 Haut Conseil de la santé publique, Avis relatif aux stratégies de dépistage du Covid-19 dans les établissements de santé et les établissements médico-sociaux v. 10. 10. 2020. 288 Circulaire interministerielle n8Cabinet/2020/229 relative au déploiement des tests antigéniques au sein des entreprises publiques et privées v. 14. 12. 2020, S. 4; Roisin/Ouali Daoudi, JCP S 2021, 1146; Sévillia, JCP S 2021, 95. 289 Vgl. Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés face à l’épidémie de COVID-19 i. d. F. v. 9. 6. 2021, S. 13.

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Im Jahr 2021 wurden Tests für Arbeitnehmer dennoch obligatorisch – jedenfalls für bestimmte Berufsgruppen290, soweit nicht alternativ ein Impf- oder Genesenennachweis vorgelegt werden konnte. Mit Gesetz vom 5. August 2021 (Loi n820211040) wurde der Premierminister ermächtigt, per Dekret festzulegen, dass der Zugang zu bestimmten Orten, Einrichtungen, Leistungen oder Veranstaltungen an die Vorlage eines Test-, Impf-, oder Genesenenachweis (passe sanitaire) geknüpft ist.291 Eine solche Festlegung erfolgte sogleich mit Dekret vom 7. August 2021.292 Die Vorgabe galt auch für die dort beschäftigten Personen, wenn sie ihre Arbeit an Orten und zu Zeiten verrichten, an denen Publikumsverkehr besteht, mit Ausnahme von bloßen Lieferungen und Notfallarbeiten.293 Mit Dekret vom 12. 3. 2022 erfolgte eine Neuausrichtung der Vorgaben – die Pflicht zur Vorlage des passe sanitaire wurde auf Gesundheitseinrichtungen beschränkt.294 In der Entwicklung außerhalb dieser gesetzlich vorgesehenen Pflicht zur Vorlage eines Test- bzw. 3-G-Nachweises zeigt sich, dass für Tests auf Betriebsebene ab dem Frühjahr 2022 nur noch der Einsatz von Selbsttests vorgesehen war – sowohl in einem rechtsverbindlichen Erlass des Gesundheitsministeriums295 als auch in der letzten gültigen Fassung des Protocole national296 wurde der Arbeitgeber allein auf diese verwiesen. An der Freiwilligkeit der Nutzung hat sich hierbei nichts geändert.297 Ist die fehlende Möglichkeit des Arbeitgebers, Testpflichten einseitig anzuordnen, weitgehend unbestritten298, so scheint dies auf den ersten Blick nur schwer mit der Annahme in Einklang zu bringen, der Arbeitnehmer sei im Falle einer Coronavirusinfektion verpflichtet, den Arbeitgeber hierüber in Kenntnis zu setzen, wenn die Gefahr besteht, dass Dritte einem Infektionsrisiko ausgesetzt wurden.299 Die Datenschutzbehörde CNIL stellt in ein und demselben Fragen-und-Antworten-Do290 Von dem Vorhaben, die 3-G-Nachweispflicht auf alle Berufe auszuweiten, wurde Abstand genommen, siehe Ficek/Ruello, Les Echos, Bericht v. 21. 12. 2021, Covid: le passe sanitaire en entreprise ne sera pas dans le projet de loi. 291 Siehe Art. 1 18 b) Loi n82021-1040. Weitergehend wurde in Art. 12 desselben Gesetzes eine Impfpflicht für enger begrenzte Berufsgruppen insbesondere im Gesundheitsbereich vorgesehen. 292 Siehe Décret n82021-1059 v. 7. 8. 2021, mit dem Décret n82021-699 v. 1. 6. 2021 geändert wurde. 293 So die durch Décret n82021-1059 v. 7. 8. 2021 erfolgte Neufassung des Art. 47-1 Décret n82021-699 v. 1. 6. 2021, dort Abs. IV. 294 Siehe die durch Décret n82022-352 v. 12. 3. 2022 erfolgte Neufassung des Art. 47-1 Décret n82021-699 v. 1. 6. 2021, dort Abs. II und IV. 295 Art. 29 II bis 28 Arrêté v. 1. 6. 2021 i. d. F. v. 15. 3. 2022. 296 Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés face à l’épidémie de COVID-19 i. d. F. v. 28. 2. 2022, S. 13. 297 Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés face à l’épidémie de COVID-19 i. d. F. v. 28. 2. 2022, S. 13. 298 Siehe Gliederungspunkt D. II. 2. d). 299 Siehe bereits Gliederungspunkt D. II. 2. b).

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kument die Informationspflicht des Arbeitnehmers ebenso wie die Tatsache fest, der Arbeitgeber dürfe von einem Testergebnis keine Kenntnis erlangen oder die Rückkehr an den Arbeitsplatz von der Vorlage eines negativen Testergebnisses abhängig machen.300 Letztlich gilt es wohl, die unterschiedlichen Schutzrichtungen des einen und anderen Aspekts zu berücksichtigen – grundsätzlich darf der Arbeitgeber von Krankheiten des Arbeitnehmers über die Tatsache des krankheitsbedingten Arbeitsausfalls hinaus nichts erfahren; ist aber nicht nur der Arbeitnehmer selbst durch die Krankheit betroffen, sondern bedarf es eines Aktivwerdens zum Schutze Dritter, etwa durch innerbetriebliche Kontaktnachverfolgung, dann muss der Arbeitnehmer zwar nicht das Untersuchungsergebnis im engeren Sinne vorlegen, wohl aber die inhaltliche Information über die Krankheit und Ansteckungsgefahr an den Arbeitgeber weitergeben.301 Eine Möglichkeit, die dem Arbeitgeber im konkreten Verdachtsfall bleibt, ist das Ersuchen des Betriebsarztes um Untersuchung des Betroffenen nach Art. R.4624-34 Code du travail. Da der Betriebsarzt befugt ist, Coronatests durchzuführen302, können Coronatests über Umwege dennoch Bedeutung im Arbeitsverhältnis erlangen. Im Zusammenhang mit Speicheltests zur Kontrolle des Drogenkonsums wurde indes als praktisches Argument gegen den Weg über den Betriebsarzt vorgebracht, dass ein kurzfristiges Heranziehen desselben, wie es in der konkreten Gefahrensituation notwendig wäre, wohl i. d. R. nicht möglich sein soll, auf einen Termin müsse man oft mehrere Wochen warten.303 Sofern der Betriebsarzt nicht kurzfristig erreichbar ist, kann er auch im Umgang mit potentiell infizierten Arbeitnehmern nicht weiterhelfen. Das Protocole national schien demgegenüber von einer kurzfristigen Verfügbarkeit des Betriebsarztes auszugehen.304

3. Zwischenergebnis Der Schutz der persönlichen Lebenssphäre des Arbeitnehmers wird im französischen Arbeitsrecht durch die Grundfreiheiten des Arbeitnehmers gewährleistet, die der Arbeitgeber nach Art. L.1121-1 Code du travail zu achten verpflichtet ist. Grundsätzlich dürfen nur Informationen mit Bezug zur fachlichen Eignung abgefragt werden. Der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers unterliegt darüber hinaus einem besonderen Diskriminierungsschutz (Art. L.1132-1 Code du travail). Ihn im Hin300

CNIL, COVID-19: questions–réponses sur la collecte de données personnelles sur le lieu de travail i. d. F. v. 14. 2. 2022. 301 So jedenfalls, wenn man sich der These von einer dahingehenden Loyalitäts- und/oder Schutzpflicht des Arbeitnehmers anschließt, siehe hierzu bereits Gliederungspunkt D. II. 2. b). 302 Art. 2 II Ordonnance n82020-386 v. 1. 4. 2020; Art. 2 II Ordonnance n82020-1502 v. 2. 12. 2020 i. d. F. v. 12. 2. 2021; Art. 1 Décret n82021-24 v. 13. 1. 2021. 303 Noël, JCP S 2017, 1022. 304 Noch in der letzten gültigen Fassung v. 28. 2. 2022 wurde für den Umgang mit symptomatischen Personen und Kontaktpersonen die Kontaktaufnahme mit dem Betriebsarzt vorgesehen, siehe dort S. 17.

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blick auf die Eignung für den Arbeitsplatz zu beurteilen ist allein Aufgabe des Betriebsarztes. Hieraus wird gefolgert, dass weder der Arbeitgeber Fragen zum Gesundheitszustand stellen darf, noch der Arbeitnehmer verpflichtet ist, entsprechende Informationen von sich aus offenzulegen. Ein zusätzlicher Schutz von Gesundheitsdaten tritt durch die Datenschutzvorgaben des französischen Rechts ein: Richtet sich der Datenschutz auch überwiegend nach der DS-GVO, so hat der französische Gesetzgeber im Bereich der Gesundheitsdaten von der Öffnungsklausel des Art. 9 Abs. 4 DS-GVO Gebrauch gemacht und strengere Maßstäbe vorgesehen, insbesondere insoweit, als jede Erhebung von Gesundheitsdaten einem öffentlichen Interesse dienen muss und u. U. eine Gestattung der Datenverarbeitung durch die nationale Datenschutzbehörde CNIL erforderlich ist. Die Vorschriften sowohl der DS-GVO als auch das nationalen Datenschutzrechts finden indes nicht bei jeglicher Informationsabfrage, sondern nur bei (teil-)automatischer Datenerhebung oder Speicherung von Daten Anwendung. Ein Fragerecht des Arbeitgebers hinsichtlich einer Coronavirusinfektion oder eines dahingehenden Verdachts wird überwiegend abgelehnt. Das erfolgt insbesondere in Anknüpfung an die Einschätzungen der Datenschutzbehörde CNIL. Diese überzeugt, wenn man berücksichtigt, dass Fragerechte des Arbeitgebers hinsichtlich des Gesundheitszustandes grundsätzlich abgelehnt werden, wodurch es bereits an einem Recht aus dem Arbeitsrecht als Basis des Erlaubnistatbestands des Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO fehlt. Weiterhin ist fraglich, ob das im französischen Recht zusätzlich aufgestellte Erfordernis des öffentlichen Interesses erfüllt wäre. Hinsichtlich von Daten, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand stehen, zeigt sich die CNIL großzügiger, ohne näher zu präzisieren, um welche Daten es sich handelt. Während der Arbeitnehmer grundsätzlich auch nicht verpflichtet ist, seinen Gesundheitszustand offenzulegen, wird im Kontext der Coronapandemie eine Ausnahme von diesem Prinzip befürwortet. Jedenfalls wenn im Inkubationszeitraum Kontakt zu anderen Betriebsangehörigen bestand, soll der Arbeitnehmer verpflichtet sein, dem Arbeitgeber seine Infektion oder auch Verdachtsmomente mitzuteilen. Das entspricht auch der Position der Datenschutzbehörde CNIL. Rechtliche Anknüpfungspunkte bestehen insbesondere in der Arbeitsschutzverpflichtung des Arbeitnehmers hinsichtlich seiner Kollegen und Dritter sowie in der arbeitsvertraglichen Treuepflicht. Uneingeschränkt wird diese Position jedoch nicht befürwortet – Gegenstimmen plädieren angesichts des Beurteilungsmonopols des Betriebsarztes für Fragen des Gesundheitszustandes für eine Offenbarungspflicht allein diesem gegenüber. Im Lichte der insgesamt engen Begrenzungen für Informationsabfragen hinsichtlich des Gesundheitszustandes ist es auf den ersten Blick überraschend, dass sich die Rechtsprechung vergleichsweise großzügig im Hinblick auf Alkohol- und Drogentests im Arbeitsverhältnis zeigt – solche können in der betrieblichen Hausordnung etwa für Arbeitsplätze vorgesehen werden, bei denen ein Rauschzustand

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eine besondere Gefahr für Dritte darstellen würde, wobei dem Arbeitnehmer die Möglichkeit der Anfechtung und Kontrolle des Ergebnisses eingeräumt werden muss. Begründet wird dies insbesondere mit der Arbeitsschutzpflicht des Arbeitgebers, in der Literatur ergänzend mit derjenigen des Arbeitnehmers. Die Testungen müssen nicht durch einen Arzt, auch nicht durch den Betriebsarzt vorgenommen werden. Für den Pandemiekontext, d. h. für die Frage der Zulässigkeit von Gesundheitsuntersuchungen zur Infektionsprävention im Betrieb, kann diese Rechtsprechung jedoch letztlich nicht fruchtbar gemacht werden. Alkohol- und Drogentests geben Auskunft über einen möglicherweise bestehenden Einfluss berauschender Substanzen und damit nicht unmittelbar über den Gesundheitszustand im engeren Sinne – anderes gilt insbesondere für Coronatests. Die Freiwilligkeit ihrer Durchführung im Arbeitskontext wird daher ebenso stetig betont wie die Tatsache, der Arbeitgeber dürfe von dem Ergebnis des Tests nichts erfahren. Eingeschränkt wird der so gewährleistete Schutz der Privatsphäre wohlgemerkt, wenn man mit der CNIL und Stimmen aus der Literatur eine Offenbarungspflicht im Falle der potentiellen Ansteckung von Kollegen bejaht. Weiterhin bestand für einzelne Berufe in der Zeit von August 2021 bis März 2022 die Pflicht, einen sog. passe santiaire vorzulegen – wer nicht geimpft oder genesen war, war mithin dennoch zur Vorlage eines negativen Coronatests verpflichtet. Zu Beginn der Pandemie noch viel diskutiert und sogar von öffentlicher Stelle empfohlen wurden auch Fiebermessungen als Zugangsvoraussetzungen zum Betrieb später einhellig als unzulässig angesehen. Insgesamt zeigt sich, dass die Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers im Hinblick auf Infektionen oder dahingehende Verdachtsmomente stark begrenzt sind. Er ist weitgehend von der Kooperation des Arbeitnehmers abhängig. Das gilt für die Offenlegung von Informationen, nach denen der Arbeitgeber nicht systematisch fragen darf, ebenso wie für die Durchführung von Coronatests, zu denen mit Ausnahme des Geltungsbereichs des passe sanitaire die Einwilligung des Arbeitnehmers und auch im Anschluss die Offenlegung des Ergebnisses durch eben diesen erforderlich ist.

III. Die Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers in Deutschland und Frankreich im Vergleich Die Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers im Hinblick auf Infektionen oder dahingehende Verdachtsmomente sind im deutschen und französischen Arbeitsrecht unterschiedlich stark ausgeprägt. Insgesamt zeigt sich das französische Recht deutlich restriktiver. Die Ursachen hierfür sind vielfältig.

III. Die Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers

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1. Fragerechte des Arbeitgebers nach Infektionen und Verdachtsmomenten Schon hinsichtlich der Fragerechte des Arbeitgebers nach Coronavirusinfektionen, Symptomen, Kontakten oder ähnlich relevanten Umständen gelangt man zu unterschiedlichen Ergebnissen. Maßgebliches Kriterium nach deutschem Recht ist ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers, das sich auf Grundlage seiner Arbeitsschutzverpflichtung sowie seiner betrieblichen Interessen jedenfalls für nachgewiesene Infektionen und solche Umstände ergibt, die nach den Empfehlungen des Robert Koch Instituts zu einem Infektionsverdacht und einer Absonderung führen würden. Darüber hinaus kann es im Einzelfall auch für weitere Umstände, die mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu einer Infektion führen könnten, bejaht werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nach Art. 2 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG tritt in diesen Fällen zurück. Auch im französischen Arbeitsrecht hat der Schutz der Privatsphäre Verfassungsrang und ist vom Arbeitgeber nach Art. L.1121-1 Code du travail zu berücksichtigen. Hinzu tritt neben einem spezifischen Diskriminierungsschutz für den Gesundheitszustand die einfachgesetzliche Regelung des Art. L.1222-2 Code du travail, die Informationsabfragen nur hinsichtlich der professionellen Eignung erlaubt. Insbesondere Fragen hinsichtlich des Gesundheitszustandes werden regelmäßig als grundsätzlich unzulässig erachtet. Gesundheitsinformationen sind nur dem Betriebsarzt offenzulegen. Und so wird dem Arbeitgeber auch ein Fragerecht hinsichtlich von Infektionen mit dem Coronavirus oder diesbezüglichen Verdachtsmomenten von den weit überwiegenden Stimmen abgesprochen. Mögliche Gründe für den insoweit festgestellten Unterschied zwischen dem deutschen und französischen Recht sind damit auch bereits angesprochen: Abweichungen im Diskriminierungsschutz sowie eine unterschiedliche Stellung des Betriebsarztes. a) Abweichungen im Diskriminierungsschutz Mit dem Schutz vor Diskriminierung wegen des Gesundheitszustands geht das französische Recht über das hinaus, was die europarechtlichen Richtlinien an Diskriminierungsschutz vorschreiben.305 In letzteren findet sich thematisch verwandt – ebenso wie im deutschen Recht – allein das Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung.306 Behinderung und Krankheit sind allerdings nicht gleichzusetzen.307 305 Genannt seien hier die EU-Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2002/73/EG und 2004/113/EG. 306 Siehe Art. 1 RL 2000/78/EG. 307 EuGH, Urt. v. 11. 4. 2013 – C-335/11, C-337-11, NZA 2013, 553 (555); Urt. v. 11. 7. 2006 – C-13/05, NZA 2006, 839 (841); BAG, Urt. v. 19. 12. 2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 (379); kürzlich im Rahmen der Coronapandemie AG Bremen, Urt. v. 26. 3. 2021 – 9 C 493/ 20, BeckRS 2021, 5720 (Rn. 18). Zu weitgehend daher etwa Gola/Heckmann/Gola, BDSG,

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D. Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers

Mit Behinderung ist vielmehr die Einschränkung gemeint, die auf langfristige physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die den Betreffenden in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können.308 Zwar obliegt es den Gerichten zu beurteilen, ob die Einschränkung langfristig ist309 – bei der COVID-19-Erkrankung dürfte dies jedoch i. a. R. nicht der Fall sein, ist doch regelmäßig ein Ende der Arbeitsunfähigkeit sowie der Infektiosität absehbar310. Erwägenswert ist, ob die Coronavirusinfektion im deutschen Recht aufgrund äußerer Umstände als Behinderung zu qualifizieren ist – so hat das BAG für die symptomlos HIV-Infektion entschieden, aufgrund der damit einhergehenden Stigmatisierung und Einschränkung der gesellschaftlichen Teilhabe könne es sich um eine Behinderung handeln.311 Auf die Coronavirusinfektion ist das indes nicht uneingeschränkt übertragbar. Zwar ist auch der mit dem Coronavirus Infizierte einem sozialen Vermeidungsverhalten ausgesetzt – das Erfordernis einer Absonderung ist an sozialer Vermeidung kaum zu übertreffen – und so in seiner gesellschaftlichen Teilhabe eingeschränkt. Dies stellt aufgrund des allgemeinen Pandemiezustandes sowie der vergleichsweise kurzen Dauer der erforderlichen Absonderung jedoch keine der HIV-Infektion vergleichbare Beeinträchtigung dar. Die Coronavirusinfektion kann daher grundsätzlich nicht als Behinderung verstanden werden und fällt somit nicht in den Anwendungsbereich des deutschen Diskriminierungsrechts i. e. S., das heißt des AGG. Selbstverständlich kann eine unangemessene Benachteiligung aufgrund einer Krankheit – und auch einer Coronavirusinfektion – auch nach deutschem Recht unzulässig sein, das gebietet schon die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte über die Generalklauseln des BGB. Diese mittelbare Drittwirkung lässt den Arbeitgeber auch nicht unbegrenzt Daten zum Gesundheitszustand des Arbeitnehmers erheben. Dennoch ist die Wertung, wie das Fragerecht hinsichtlich von Coronavirusinfektionen oder Verdachtsmomenten zeigt, im französischen Recht eine andere. Der Diskriminierungsschutz wird hier regelmäßig und ausdrücklich als 13. Aufl. 2019, § 26 Rn. 160, der den Anwendungsbereich des AGG offenbar bei jeglichen Gesundheitsdaten als eröffnet ansieht. 308 Siehe etwa EuGH, Urt. v. 11. 9. 2019 – C-397/18, NZA 2019, 1634 (1635 f.); Urt. v. 1. 12. 2016 – C-395/15, EuZW 2017, 263 (265); BAG, Urt. v. 19. 12. 2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 (379). 309 EuGH, Urt. v. 1. 12. 2016 – C-395/15, EuZW 2017, 263 (266). 310 Die Dauer der Erkrankung hängt entscheidend davon ab, ob es sich um einen milden oder schwereren Verlauf der COVID-19-Erkrankung handelt. Selbst bei schwerem Verlauf sind die Zeitspannen der einzelnen Behandlungsphasen jedoch vergleichsweise kurz, siehe Robert Koch Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 26. 11. 2021, Zeitintervalle der Behandlung. Selbiges gilt für die Infektiosität, siehe ebenda unter Dauer der Ansteckungsfähigkeit. Anhaltspunkt für eine fehlende Langfristigkeit ist auch eine Entscheidung, in der die Dauer der während der Pandemie geltenden Maskenpflicht nicht als ausreichend erachtet wurde, siehe AG Bremen, Urt. v. 26. 3. 2021 – 9 C 493/20, LMuR 2021, 348. 311 BAG, Urt. v. 19. 12. 2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 (380); siehe auch Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 801.

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zu berücksichtigender Umstand und Grenze der Informationsrechte des Arbeitgebers hinsichtlich des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers angeführt.312 b) Abweichungen bei der Bedeutung des Betriebsarztes Auch die Stellung des Betriebsarztes spielt für das unterschiedliche Ergebnis in den Vergleichsstaaten eine Rolle. In Frankreich existiert ein solcher in jedem privaten Betrieb, unabhängig von dessen Größe.313 Auch ist ein Termin beim Betriebsarzt unabhängig von der Art der Tätigkeit für alle Arbeitnehmer vorgesehen, siehe Art. R.4624-10 Code du travail. Nach der Rechtsprechung der Cour de cassation ist allein der Betriebsarzt für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des Arbeitnehmers zuständig, Gesundheitsinformationen müssen allein ihm gegenüber offengelegt werden.314 Diese hervorgehobene Stellung des Betriebsarztes wurde bereits in anderem Kontext als Ursache für die nur begrenzten Informationsrechte des Arbeitgebers hinsichtlich des Gesundheitszustands identifiziert.315 In Deutschland ist ein Betriebsarzt nach den formalgesetzlichen Regelungen schon nicht zwingend zu bestellen – die Frage, ob der Arbeitgeber zur Bestellung verpflichtet ist, richtet sich nach den in § 2 Abs. 1 ASiG genannten Kriterien.316 Zwar sehen die Unfallverhütungsvorschriften, die nach § 15 Abs. 1 S. 1 SGB VII autonomes Recht sind, prinzipiell einen Betreuungsbedarf in jedem Betrieb unabhängig von der Mitarbeiterzahl vor.317 Die Pflicht zur Bestellung wird jedoch bei weitem nicht überall erfüllt.318 Auch an anderer Stelle geht man nicht zwingend davon aus, dass ein Betriebsarzt vorhanden ist – so sieht § 2 Abs. 2 S. 2 ArbMedVV die vorrangige Zuständigkeit des 312

Siehe etwa Bourgeot/Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (58); Fantoni-Quinton/Laflamme, Dr. Soc. 2016, 19 (20); Keim-Bargot/Moizard, RDT 2021, 25 (31 f.); Pécaut-Rivolier, Dr. Soc. 2013, 103 (105). 313 Nach Art. L.4621-1 Code du travail gelten die Vorschriften zu den services de santé au travail (frei übersetzt den arbeitsmedizinischen Diensten) für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber des Privatrechts. 314 Cass. Soc. v. 7. 11. 2006, n805-41.380, Bull. Civ., V, n8326. 315 Quinton/Laflamme, Dr. Soc. 2016, 19 (25): „Ce droit au silence est sans nul doute lié au fait que le système français a prévu que ce soit le médecin du travail, seul juge de l’aptitude médicale du travailleur, qui examine la question de la compatibilité entre un état de santé et les exigences d’un poste de travail.“ (frei übersetzt: Dieses Recht zu Schweigen ist ohne Zweifel mit der Tatsache verknüpft, dass das französische System vorgesehen hat, dass es der Betriebsarzt ist, der allein die gesundheitliche Eignung des Arbeitnehmers sowie die Frage der Kompatibilität des Gesundheitszustandes mit den Anforderungen eines Arbeitsplatzes beurteilt). 316 Vgl. auch Schaub/Vogelsang, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 154 Rn. 43; Aligbe, ArbRAktuell 2012, 524; ebenso OVG Hamburg, Beschl. v. 19. 2. 2004 – 1 Bf 484/03, BeckRS 2004, 22070 in Bezug auf § 5 Abs. 1 ASiG, der im Wortlaut an der entscheidenden Stelle jedoch identisch ist. 317 Siehe § 2 Abs. 1 DGUV Vorschrift 2, die einen Mustertext für die jeweiligen Unfallversicherungsträger enthält, siehe auch Aligbe, ArbRAktuell 2012, 524 (525). 318 Vgl. Aligbe, ArbRAktuell 2012, 524.

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Betriebsarztes für die arbeitsmedizinische Vorsorge vor, soweit ein solcher bestellt ist. Obligatorische Betriebsarzttermine unabhängig von der Art der Tätigkeit existieren anders als im französischen Recht nicht, vielmehr benennt der Anhang der ArbMedVV die Tätigkeiten, bei denen eine Pflichtvorsorge nach § 4 ArbMedVV erfolgt. Das System der arbeitsmedizinischen Vorsorge im deutschen und französischen Recht ist mithin ein anderes, ebenso wie die Stellung des Betriebsarztes eine andere ist. c) Datenschutzrechtliche Aspekte Angesichts der Geltung der DS-GVO in beiden Vergleichsstaaten mögen die höchst unterschiedlichen Ergebnisse dennoch überraschen. Soweit es um Gesundheitsdaten geht, ist allerdings zu sehen, dass das französische Datenschutzrecht hier die Möglichkeit der Öffnungsklausel in Art. 9 Abs. 4 DS-GVO nutzt und dadurch deutlich strengere Vorgaben macht. Ungeachtet dessen ist zu sehen, dass die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Verarbeitung von Gesundheitsdaten im hiesigen Kontext maßgeblich auf Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO, im deutschen Recht i. V. m. § 26 Abs. 3 BDSG, beruht, der ein Recht oder eine Pflicht aus dem Arbeitsrecht voraussetzt. Wird dem Arbeitgeber in rein arbeitsrechtlicher Betrachtung unter Ausblendung des europarechtlichen Datenschutzrechts ein Fragerecht hinsichtlich des Gesundheitszustands bereits abgesprochen, fehlt es insoweit bereits an einer Tatbestandsvoraussetzung für diesen Erlaubnistatbestand. Gerade das ist im französischen Recht wie gesehen der Fall. Nun wurde für das deutsche Recht zur Herleitung auch der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von Informationsabfragen hinsichtlich von Coronavirusinfektionen oder dahingehenden Verdachtsmomenten auch die Arbeitsschutzpflicht des Arbeitgebers als Pflicht aus dem Arbeitsrecht herangezogen. Einer solchen unterliegt auch der französische Arbeitgeber, sodass sich die Frage aufdrängt, ob hier nicht eine entsprechende Begründung möglich ist – oder aber umgekehrt die Beurteilung für das deutsche Recht in diesem Punkt zu weit geht. Letzten Endes ist beides zu verneinen. Die Einschätzungsprärogative des Arbeitgebers hinsichtlich des Arbeitsschutzes, die für das deutsche Recht, in dem auch Fragen nach dem Gesundheitszustand in Zeiten der Pandemie im Einzelfall als zulässig anzusehen sind, auch auf die datenschutzrechtliche Wertung übertragen wurde, besteht im französischen Recht gerade nicht. Dort ist anerkannt, dass der Arbeitgeber den Gesundheitszustand nicht berücksichtigen darf – grundsätzlich auch nicht in Fragen des Arbeitsschutzes. Dass dies zuweilen zu einem schwierigen Balanceakt zwischen Gesundheits- und Privatsphäre und Diskriminierungsschutz führt, ist bereits mehrfach angemerkt worden.319 An dem hier gefundenen Ergebnis ändert dies jedoch nichts. Die datenschutzrechtliche Wertung hinsichtlich der Verarbeitung von Gesundheitsdaten 319 Bourgeot/Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (57); Fantoni-Quinton/Laflamme, Dr. Soc. 2016, 19 (25).

III. Die Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers

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deckt sich mithin für beide Staaten mit den nach arbeitsrechtlichen Maßstäben gefundenen Ergebnissen. Für andere, nicht sensible Daten, die für die Pandemiebekämpfung relevant werden können, gelten in beiden Vergleichsstaaten die weniger strengen Maßstäbe des Art. 6 DS-GVO, jeweils in Verbindung mit den nationalen Rechtsnormen. 2. Offenbarungspflichten des Arbeitnehmers Während selbständige Offenbarungspflichten im deutschen Recht im Kontext der Pandemie weitgehend parallel zu den Fragerechten des Arbeitgebers beurteilt werden, wobei nach hier vertretener Ansicht u. U. eine konkretisierende Information des Arbeitgebers dahingehend erforderlich ist, welche Informationen er erwartet und benötigt, finden sich in der französischen Literatur unterschiedliche Ansätze. Hier überwiegt die Annahme solcher Pflichten, bei einer Begründung, die derjenigen der Offenbarungspflichten im deutschen Recht nicht unähnlich sind – so stellt man auf die Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers gem. Art. L.1222-1 Code du travail sowie seine Pflichten aus dem Arbeitsschutzrecht nach Art. L.4131-1 Code du travail ab und bejaht so eine Offenbarungspflicht. Die deutschen Pendants sind in diesem Fall §§ 241 Abs. 2, 242 BGB sowie § 16 Abs. 1 ArbSchG. Das französische Recht bietet also Möglichkeiten für eine entsprechende Beurteilung, jedoch folgern aus ihr nicht alle eine Offenbarungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Die geschilderte, starke Stellung des Betriebsarztes berücksichtigend wird vereinzelt eine Offenbarungspflicht allein diesem gegenüber erwogen. Die überwiegende Ansicht, insbesondere auch die Datenschutzbehörde CNIL, geht hingegen von einer Offenbarungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber aus, indes unter der Einschränkung, dass eine Gefahr der Infektion anderer Betriebsangehöriger oder Dritter im Arbeitskontext besteht. Dieselbe Einschränkung nimmt man im deutschen Recht vor. Folgt man der vorherrschenden Ansicht für das französische Recht, entsprechen sich die Ergebnisse mithin, was angesichts der Vergleichbarkeit der arbeitsschutzrechtlichen Grundlagen und ihrer Wirkung im Arbeitsverhältnis über Treue-, Rücksichtnahme- und Schutzpflichten nicht verwunderlich ist. 3. Gesundheitsuntersuchungen In Deutschland wie in Frankreich hat die Pandemie in ihrem späteren Verlauf die Gesetzgeber veranlasst, sog. 3-G-Regelungen (in Frankreich passe sanitaire) vorzusehen, aufgrund derer feststand, dass Arbeitnehmer – in Frankreich war dies begrenzt auf bestimmte Bereiche –, die weder gegen COVID-19 geimpft, noch hiervon genesen waren, zur Arbeitsaufnahme einen negativen Coronatest vorlegen mussten. Die Regelungen waren jedoch u. a. zeitlich begrenzt, sodass sich gerade außerhalb ihres Anwendungsbereichs die Frage nach der Zulässigkeit von Gesundheitsuntersuchungen in Form von Coronatests oder auch Temperaturmessungen stellte.

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D. Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers

Gesundheitsuntersuchungen im laufenden Arbeitsverhältnis sind in beiden Vergleichsstaaten gesetzlich geregelt – dies allerdings in erster Linie im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge, d. h. zum Schutz des Arbeitnehmers vor arbeitsbedingten Erkrankungen. Daneben ist jedoch anerkannt, dass bestimmte Untersuchungen notwendig sein können, etwa zur Gewährleistung der betrieblichen Sicherheit: In Deutschland wie in Frankreich findet sich insoweit Rechtsprechung zur Pflicht des Arbeitnehmers, an Alkohol- und Drogenkontrollen teilzunehmen. Die vom BAG und dem Conseil d’Etat sowie der Cour de cassation angestellten Erwägungen weisen hier durchaus Ähnlichkeiten auf, etwa in der Berücksichtigung der Art der Tätigkeit dahingehend, ob bei Rauschzuständen Dritte oder Sachen gefährdet werden können, was letztlich Ausdruck des in beiden Staaten zu wahrenden Verhältnismäßigkeitsprinzips ist. Während das BAG allerdings neben Tarifvertrags- und gesetzlichen Regelungen ausdrücklich auch die Treuepflicht des Arbeitnehmers als Rechtsgrundlage genügen lässt, wird im französischen Recht eine entsprechende Regelung in der betrieblichen Hausordnung verlangt. Insgesamt zeichnet die Rechtsprechung des BAG, insbesondere die grundlegende Entscheidung320 zur Zulässigkeit von Blutuntersuchungen zur Feststellung eines Alkohol- oder Drogenmissbrauchs321 eine Linie zu Gesundheitsuntersuchungen, die auf Coronatests weitgehend übertragbar ist und in der Literatur auch übertragen wird. Anders im französischen Recht: Die von der Rechtsprechung bislang im Einzelfall für zulässig erachteten Alkohol- oder Drogenkontrollen bezogen sich auf die Feststellung eines akuten Rauschzustands322 und wurden so nicht als Gesundheitskontrollen im engeren Sinne gewertet. Dass es sich bei Coronatests jedoch unzweifelhaft um solche handelt und darüber hinaus ein wie gesehen ausgesprochen strenger Schutz von Gesundheitsdaten besteht, steht einer Übertragung der bisherigen Entscheidungen auf diesen Anwendungsfall entgegen. Die Äußerungen aus der französischen Politik waren in diesem Punkt auch besonders deutlich: Tests im Arbeitsverhältnis nur auf freiwilliger Basis und unter Wahrung der Schweigepflicht. Auch hier wird wieder die besondere Rolle des Betriebsarztes im französischen Arbeitsrecht deutlich – dieser wurde neben anderen Personen ausdrücklich gesetzlich berechtigt, Coronatests durchzuführen. Testergebnisse dürfen dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt werden – eine Pflicht des Arbeitnehmers zur Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht, wie sie zuweilen für das deutsche Recht angenommen wird, besteht hier nicht. 320

BAG, Urt. v. 12. 8. 1999 – 2 AZR 55/99, NZA 1999, 1209. Im Gegensatz zur Kontrolle zur Feststellung eines aktuellen Rauschzustandes. 322 Eine Einschränkung ist hier für die Speicheltests zu machen, die Gegenstand der Entscheidung CE v. 5. 12. 2016, n8394178, Lebon waren. Der Conseil d’Etat stellte hier selbst fest, dass die Kontrolle lediglich Aufschluss darüber geben könnte, ob kürzlich berauschende Substanzen konsumiert wurden, nicht ob aktuell ein die Arbeitsfähigkeit einschränkender Rauschzustand besteht. Dies wurde jedoch eher als notwendiges Übel denn als tatsächlich verfolgtes Ziel eingeordnet, da aus Sicht des Conseil d’Etat schlichtweg keine präziseren Möglichkeiten der Feststellung einer Gefahr durch Konsum berauschender Mittel bestehen. 321

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Derartige eindeutige Festlegungen gab es in Deutschland weder in informeller, noch gesetzlicher Hinsicht. Auch die zeitweise bestehende, gesetzliche 3-G-Regelung lässt keinen zwingenden Umkehrschluss dahingehend zu, dass vor ihrem Inkrafttreten oder nach ihrem Auslaufen eine Testanordnung auf direktionsrechtlicher Basis unzulässig wäre. Vielmehr lässt sich die Frage unter Berücksichtigung der BAG-Rechtsprechung lösen und die Zulässigkeit des Testverlangens im Einzelfall und unter strenger Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bejahen – berücksichtigt werden müssen hierbei die Art der Tätigkeit, der Grad der drohenden Gefahr, das aktuelle Infektionsgeschehen und die zur Verfügung stehenden, milderen Mittel. Insbesondere bei konkretem und individualisiertem Infektionsverdacht ist ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers und die Zulässigkeit des Testverlangens jedoch nicht ausgeschlossen. In diesem Punkt gehen die Befugnisse des Arbeitgebers in Deutschland mithin wiederum weiter als nach französischem Recht. Die Begründung für die Diskrepanz fällt hingegen nicht bedeutend anders aus als bereits im Hinblick auf arbeitgeberseitige Fragerechte nach Infektionen und Verdachtsmomenten: Die Betonung der Rolle des Betriebsarztes im französischen Arbeitsrecht spiegelt sich auch in dieser Frage wider, ebenso wie der hiermit zusammenhängende, bestmögliche Ausschluss der Kenntnis des Arbeitgebers von Gesundheitsdaten seiner Arbeitnehmer. Da das Gesundheits- und Infektionsschutzinteresse in deutschen Betrieben dasselbe ist, eine vergleichbar starke Rolle der Arbeitsmedizin jedoch nicht besteht, gehen die Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers – in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit – über diejenigen des französischen Rechts hinaus. Im Hinblick auf Fiebermessungen als betriebliche Infektionsschutzmaßnahme während der Pandemie hat sich in Deutschland und Frankreich eine ähnliche Entwicklung vollzogen. Als Zugangskontrolle wurden sie zunächst – wenn auch nicht rechtsverbindlich – von Seiten öffentlicher Stellen gebilligt: So erwähnte sie der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard als mögliche Maßnahme und das französische Ministerium für Arbeit sprach eine dahingehende Empfehlung aus. Mit fortschreitender Pandemie und weiteren Erkenntnissen über den Infektionsverlauf nahm man hiervon jedoch Abstand. Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich werden Fiebermessungen heute insbesondere mangels Eignung als unzulässige Maßnahme erachtet, da sie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bzw. dem Grundsatz der Proportionalität der Grundrechtseinschränkung nach Art. L.1121-1 Code du travail nicht genügen können.

E. Arbeitsausfall wegen Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber Von zentraler Bedeutung ist das Ausbleiben der Arbeitsleistung infolge einer Entscheidung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zu beschäftigen. Das gilt insbesondere dort, wo eine Tätigkeit im Homeoffice aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist.1 Eine einseitige Arbeitsfreistellung durch den Arbeitgeber konterkariert allerdings den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers. Ihre Zulässigkeit ist daher in Deutschland wie in Frankreich begrenzt.

I. Deutschland Zulässigkeit, Folgen und rechtliche Einordnung der Freistellung des Arbeitnehmers sind in Literatur und Rechtsprechung z. T. umstritten und zeigen sich insgesamt wenig übersichtlich – nachfolgend daher zunächst ein Versuch der Systematisierung in der gebotenen Kürze. Hieran schließt sich die Untersuchung der Bedeutung und Folgen der einseitigen Freistellung des Arbeitnehmers in Zeiten der Pandemie an. 1. Rechtliche Grundlagen von Arbeits- und Vergütungspflicht bei Freistellung des Arbeitnehmers Eine allgemeine gesetzliche Regelung der Freistellung auf Initiative des Arbeitgebers existiert nicht.2 Weitgehende Einigkeit besteht insoweit, als zwischen vereinbarter und einseitiger, vom Arbeitgeber angeordneter Freistellung zu unterscheiden ist.3 Die einvernehmliche Freistellung durch im Einzelfall ausgehandelte Vereinbarung ist aufgrund der Dispositivität des Beschäftigungsanspruchs grund-

1

Zur Möglichkeit der Tätigkeit im Homeoffice siehe Gliederungspunkt H. Richter, ArbRAktuell 2021, 179; für die einseitige Freistellung auch BAG, Urt. v. 23. 9. 2020 – 5 AZR 367/19, NZA-RR 2021, 5 (9); Urt. v. 17. 12. 2015 – 6 AZR 186/14, NZA 2016, 508 (510). 3 Siehe etwa BAG, Urt. v. 23. 2. 2021 – 5 AZR 314/20, NZA 2021, 778 (779); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 566 ff.; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 325 ff.; Preis/Temming/Temming, 6. Aufl. 2020, § 31 Rn. 1421; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 611a BGB Rn. 1767 f.; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 892 f.; Bauer/Baeck, NZA 1989, 784; Meyer, NZA 2011, 1249; Luckey, NZA 1992, 873 (874); Nägele, NZA 2008, 1039; Richter, ArbRAktuell 2021, 179. 2

I. Deutschland

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sätzlich unproblematisch.4 Sie wird als Erlass- oder Änderungsvertrag gewertet, der die Arbeitspflicht entfallen lässt.5 Grenzen ergeben sich aus § 138 BGB.6 Strengere Maßstäbe sind hingegen anzulegen, wenn die Parteien im vorformulierten Arbeitsvertrag vereinbaren, dass der Arbeitgeber in bestimmten Fällen einseitig von der Beschäftigung absehen darf – hier gilt § 307 BGB.7 Zu fordern ist in diesem Fall ein sachlicher Grund für den Freistellungsvorbehalt, eine pauschale und unbegrenzte Freistellungsbefugnis des Arbeitgebers kann daher keinen Bestand haben.8 Das vorbehaltende Freistellungsrecht muss im ungekündigten Arbeitsverhältnis auf schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers gestützt werden, die dem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers überwiegen; das ähnelt den noch zu erörternden Anforderungen an einseitige Suspendierungen ohne vereinbarten Vorbehalt, bleibt aber in der Kontrollstrenge aufgrund der in der Vereinbarung des Vorbehalts zum Ausdruck kommenden, privatautonomen Entscheidung hinter den dortigen Anforderungen zurück.9 Der einseitige Verzicht des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung ohne vereinbarten Freistellungsvorbehalt, um den es im Folgenden im Kern gehen soll, ist hingegen nur in engen Grenzen möglich – das Gesetz sieht es nicht ausdrücklich vor, dass der Arbeitgeber sich selbständig seiner Beschäftigungspflicht entledigt.10 Möglich sein soll dies nur bei berechtigtem Interesse des Arbeitgebers an der Suspendierung der Arbeitspflicht, das den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers zurücktreten lässt.11 Als gesetzlicher Anknüpfungspunkt kann nach heutigem 4 BAG, Urt. v. 17. 12. 2015 – 6 AZR 186/14, NZA 2016, 508 (510); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 568; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 328; Preis/ Greiner, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, II F 10 Rn. 7; Preis/Temming/Temming, 6. Aufl. 2020, § 31 Rn. 1421; Laber/Stanka, ArbRB 2021, 61; Luckey, NZA 1992, 873 (874); Richter, ArbRAktuell 2021, 179. 5 BAG, Urt. v. 19. 3. 2002 – 9 AZR 16/01, NJOZ 2003, 1319 (1321); Urt. v. 9. 11. 1999 – 9 AZR 922/98, BeckRS 2008, 56102; Meyer, NZA 2011, 1249 (1250); Luckey, NZA 1992, 873 (874); Bauer/Baeck, NZA 1989, 784 unterscheiden je nach Widerruflichkeit der Freistellung zwischen Erlassvertrag und Suspendierung. 6 Preis/Greiner, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, F 10 Rn. 7. 7 Siehe LAG München, Urt. v. 7. 5. 2003 – 5 Sa 297/03, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2 (Ls.); HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 329; Preis/Greiner, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, F 10 Rn. 8 f.; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1769; Bauer, NZA 2007, 409 (412); Fuhlrott/Balupuri-Beckmann, ArbRAktuell 2011, 393 (394); Laber/Stanka, ArbRB 2021, 61 (61 f.). 8 Preis/Greiner, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, F 10 Rn. 9; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563 (1569). 9 Preis/Greiner, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, F 10 Rn. 9. 10 Vgl. BAG, Urt. v. 17. 12. 2015 – 6 AZR 186/14, NZA 2016, 508 (511); Urt. v. 9. 4. 2014 – 10 AZR 637/13, NZA 2014, 719 (720); Urt. v. 21. 9. 1993 – 9 AZR 335/91, NZA 1994, 267; Urt. v. 19. 8. 1976 – 3 AZR 173/75, NJW 1977, 215; Urt. v. 10. 11. 1955 – 2 AZR 591/54, NJW 1956, 359 (360); LAG Hessen, Urt. v. 11. 9. 2020 – 14 Sa 349/20, BeckRS 2020, 30977; Luckey, NZA 1992, 873 (874); Meyer, NZA 2011, 1249. 11 BAG, Urt. v. 17. 12. 2015 – 6 AZR 186/14, NZA 2016, 508 (511); Urt. v. 9. 4. 2014 – 10 AZR 637/13, NZA 2014, 719 (720); Beschl. v. 27. 2. 1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 (703);

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

Schuldrecht für viele Fälle § 275 Abs. 3 BGB ausgemacht werden – ist dem Arbeitgeber die Beschäftigung nach einer Abwägung der beidseitigen Interessen unzumutbar, entfällt die Pflicht hierzu, sofern der Arbeitgeber sich hierauf beruft.12 Notwendig ist dieser Rückgriff freilich nur, wenn der Arbeitsleistung – und damit auch der Beschäftigung – nicht bereits andere Gründe wie etwa eine Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit entgegenstehen. Schon die scheinbar eindeutige Abgrenzung von einvernehmlicher und einseitiger Freistellung wirft indes Fragen auf, da z. T. angenommen wird, die Nichtleistung des Arbeitnehmers in Reaktion auf eine einseitige Freistellungserklärung des Arbeitgebers stelle die Annahme eines ihm angebotenen Erlassvertrages gem. § 151 BGB dar, sodass man sich wieder im Bereich der einvernehmlichen Freistellung befinden würde.13 Das kann allerdings nicht überzeugen – die einseitige Freistellung ist weniger ein Angebot einer Freistellungsvereinbarung als die schlichte Nichtannahme der Leistung unabhängig von der Reaktion des Arbeitnehmers.14 Nicht zu vernachlässigen ist – soweit es um die einseitige Freistellung geht – auch der Unterschied zwischen berechtigter und unberechtigter Freistellung.15 Im Falle unberechtigter Freistellung kann der Arbeitnehmer seinen Beschäftigungsanspruch

Urt. v. 10. 11. 1955 – 2 AZR 591/54, NJW 1956, 359; MüKoBGB/Hesse, 8. Aufl. 2020, Vor § 620 Rn. 50; Preis/Greiner, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, II F 10 Rn. 4; Schaub/Koch/ Koch, Arbeitsrecht von A – Z, 26. Aufl. 2022, Freistellung des Arbeitnehmers; Staudinger/ Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 611a BGB Rn. 1768; Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (162); Bauer/Baeck, NZA 1989, 784 (785); Fuhlrott/Balupuri-Beckmann, ArbRAktuell 2011, 393 (394); Hoß/Lohr, BB 1998, 2575 (2576); Laber/Stanka, ArbRB 2021, 61 (62); Luckey, NZA 1992, 873 (874); Richter, ArbRAktuell 2021, 179 (180). 12 Vgl. Richter, ArbRAktuell 2021, 179 (180); siehe auch HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 323; die Unzumutbarkeit anführend, aber ohne Bezug zu § 275 BGB Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 611a BGB Rn. 1768; Luckey, NZA 1992, 873 (874). Anders als hier wohl Bauer/Baeck, NZA 1989, 784 (786), die nicht von einer rechtsgestaltenden Wirkung einer Erklärung des Arbeitgebers ausgehen. Siehe zum Begriff der (ideellen) Unzumutbarkeit und der ihm innewohnenden Interessenabwägung ausführlich Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit, 2004, S. 55 f., 320 ff. Von der Notwendigkeit einer Gestaltungserklärung, allerdings einem „Extremfall einer Direktionsrechtsausübung“, geht hingegen auch Greiner aus, der die erforderliche, einzelfallbezogene Interessenabwägung daher im Rahmen des § 106 GewO vornimmt, siehe Preis/Greiner, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, F 10 Rn. 4. 13 BAG, Urt. v. 19. 3. 2002 – 9 AZR 16/01, NJOZ 2003, 1319 (1322); zustimmend Meyer, NZA 2011, 1249 (1250); Lüderitz/Pawlak, NZA 2011, 313 (314); Nägele, NZA 2008, 1039 (1041); ders., DB 1998, 518 (519). 14 So Bayreuther, AP BGB § 615 Nr. 118; kritisch auch MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 80; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 95 Rn. 11; Castendiek, ZIP 2002, 2189; in diesem Sinne auch BAG, Urt. v. 23. 2. 2021 – 5 AZR 314/20, NZA 2021, 778 (779). 15 Siehe etwa Bayreuther, AP BGB § 615 Nr. 118; Luckey, NZA 1992, 873 (874).

I. Deutschland

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im Wege einstweiliger Verfügung geltend machen16, nicht so jedoch im Falle eines berechtigten Handelns des Arbeitgebers17. Macht der Arbeitnehmer den bei unberechtigter Freistellung fortbestehenden Beschäftigungsanspruch nicht geltend, entfällt die Arbeitspflicht mit Zeitablauf aufgrund der Unmöglichkeit der Leistung.18 Auch auf Ebene des Vergütungsanspruchs ist zwischen der einvernehmlichen Freistellung einschließlich derjenigen aufgrund eines wirkamen Freistellungsvorbehalts auf der einen und der einseitigen Freistellung ohne vorheriger vertraglicher Vereinbarung auf der anderen Seite zu differenzieren. Im Grundsatz unproblematisch ist auch hier die Freistellung infolge vertraglicher Vereinbarung: Die Vereinbarung ist für das Schicksal des Vergütungsanspruchs maßgeblich19, die Parteien können sowohl eine unbezahlte Freistellung vereinbaren20 als auch eine bezahlte.21 Bei der bezahlten, vereinbarten Freistellung hat die Vergütung nicht den Charakter eines Annahmeverzugslohns i. S. d. §§ 611a Abs. 2, 615 BGB; die Annahmeverzugsregeln sind auf diesen Fall nicht anwendbar.22 Auch für die Ausübung des vorab vereinbarten Freistellungsvorbehalts können die Parteien einen Fortbestand oder ein Fortfallen des Vergütungsanspruchs vorsehen, soweit die Grenzen des AGB-Rechts, d. h. bei Fortfall des Vergütungsanspruchs insbesondere auch § 308 Nr. 4 BGB beachtet werden.23

16 Bauer/Baeck, NZA 1989, 784 (786); Hoß/Lohr, BB 1998, 2575 (2576); siehe etwa LAG Hamm, Urt. v. 5. 2. 2021 – 12 SaGa 1/21, BeckRS 2021, 3155; vgl. zum Beschäftigungsanspruch auch HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 327. 17 Bauer/Baeck, NZA 1989, 784 (786). 18 Zum absoluten Fixschuld-Charakter der Arbeitsleistung siehe bereits oben Gliederungspunkt B. I. 1. 19 Vgl. Küttner/Kreitner, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Freistellung von der Arbeit Rn. 23; Luckey, NZA 1992, 873 (875). 20 Siehe LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 20. 2. 1997 – 4 Sa 567/96, NZA-RR 1997, 286; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 328; Preis/Temming/Temming, 6. Aufl. 2020, § 31 Rn. 1423; Fuhlrott/Balupuri-Beckmann, ArbRAktuell 2011, 393; Hoß/Lohr, BB 1998, 2575 (2777); Richter, ArbRAktuell 2021, 179. 21 Nach HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 328 ist im Zweifel hiervon auszugehen; ebenso Hoß/Lohr, BB 1998, 2575 (2777); Ziemann, jurisPR-ArbR 22/2008 Anm. 4; a. A. BAG, Urt. v. 23. 1. 2008 – 5 AZR 393/07, NZA 2008, 595; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 20. 2. 1997 – 4 Sa 567/96, NZA-RR 1997, 286. 22 Siehe zur Anwendbarkeit des § 615 BGB BAG, Urt. v. 19. 3. 2002 – 9 AZR 16/01, NJOZ 2003, 1319 (1321); LAG Hamm, Urt. v. 11. 10. 1996 – 10 Sa 104/96, NZA-RR 1997, 287 (288); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 571; Küttner/Kreitner, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Freistellung von der Arbeit Rn. 23; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 95 Rn. 11; Lüderitz/Pawlak, NZA 2011, 313 (314); Ziemann, jurisPR-ArbR 22/2008 Anm. 4. Hinsichtlich des hieraus folgenden Problems der Anrechenbarkeit anderweitiger Leistungen nach § 615 S. 2 BGB siehe etwa BAG, Urt. v. 23. 2. 2021 – 5 AZR 314/20, NZA 2021, 778 (779); Urt. v. 17. 10. 2012 – 10 AZR 809/11, NZA 2013, 207 (210); Bauer/Baeck, NZA 1989, 784; Bayreuther, AP BGB § 615 Nr. 118; Blomeyer, AP BGB § 615 Nr. 25; Hoß/Lohr, BB 1998, 2575 (2778); Klar, NZA 2004, 576 (578); Nägele, DB 1998, 518 (519); ders., NZA 2008, 1039 (1040 f.). 23 Preis/Greiner, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, F 10 Rn. 12.

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

Im Folgenden steht demgegenüber allein die einseitige Freistellungserklärung, die nicht die Ausübung eines vorab vereinbarten Freistellungsvorbehalts darstellt, im Fokus. a) Annahmeverzug trotz Berechtigung zu einseitiger Freistellung Die Auswirkungen einer solchen einseitigen Erklärung werden unterschiedlich beurteilt. Zum Teil wird die einseitige Freistellung grundsätzlich als Fall des Annahmeverzugs nach § 615 S. 1 BGB angesehen.24 (Nur) soweit die weiteren Voraussetzungen des Annahmeverzugs gegeben sind, besteht dann ein Lohnfortzahlungsanspruch nach §§ 611a Abs. 2, 615 S. 1 BGB. Andere differenzieren zwischen berechtigter und unberechtigter Freistellung: Bei berechtigter Freistellung bestehe keine Annahmeobliegenheit des Arbeitgebers mehr, sodass dieser auch nicht in Annahmeverzug geraten könne – insoweit wird eine Parallele zur einvernehmlichen Freistellung gezogen.25 Bei unberechtigter Freistellung soll hingegen § 615 S. 1 BGB greifen.26 Für das Vergütungsrisiko an sich macht die Differenzierung zunächst keinen Unterschied – relevant ist die Zuordnung jedoch insbesondere für die Anwendbarkeit des § 615 S. 2 BGB und die Prüfung der §§ 293 ff. BGB.27 Die zuletzt genannte, gespaltene Betrachtung kann nicht überzeugen. Die einseitige Freistellungserklärung des Arbeitgebers ohne vorherige Vereinbarung, sei die 24

Siehe etwa BAG, Urt. v. 23. 2. 2021 – 5 AZR 314/20, NZA 2021, 778 (779); Urt. v. 6. 9. 2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36 (38); Küttner/Kreitner, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Freistellung von der Arbeit Rn. 23; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 893; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 95 Rn. 10; Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (164); Bauer, NZA 2007, 409 (410); Bauer/Baeck, NZA 1989, 784 (787); Bonanni, ArbRB 2020, 110 (111); Castendieck, ZIP 2002, 2189; Hoß/Lohr, BB 1998, 2575 (2778); Luckey, NZA 1992, 873 (876); Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (37); wohl auch Preis/Greiner, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, II F 10 Rn. 5; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1768; ebenso Meyer, NZA 2011, 1249 (1251), der aber bei fehlendem Widerspruch des Arbeitnehmers vom Bestehen eines Freistellungsvertrags ausgeht. 25 Ausführlich Bayreuther, AP BGB § 615 Nr. 118. Dabei soll die berechtigte Freistellung allerdings nicht zum Fortfall des Vergütungsanspruchs führen, vielmehr behalte der Arbeitnehmer seinen ursprünglichen Lohnanspruch, siehe ebenda. I. E. wohl auch HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 327; unklar, aber wohl ebenso LAG Hamm, Urt. v. 11. 10. 1996 – 10 Sa 104/96, NZA-RR 1997, 287 (287 f.) und ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 60, die die Geltung des § 615 BGB auf Fälle der unwirksamen Arbeitsfreistellung einschränken; siehe auch Nägele, DB 1998, 518 (519), der allerdings bei Hinnahme der Freistellung durch den Arbeitnehmer vom Abschluss eines Erlassvertrags ausgeht; ebenso die von Bayreuther in Bezug genommene Entscheidung BAG, Urt. v. 19. 3. 2002 – 9 AZR 16/01, NJOZ 2003, 1320 (1321). 26 LAG Hamm, Urt. v. 11. 10. 1996 – 10 Sa 104/96, NZA-RR 1997, 287 (287 f.); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 60; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 327; Bayreuther, AP BGB § 615 Nr. 118. 27 Siehe zum ersten Aspekt etwa Bauer/Baeck, NZA 1989, 784; Bayreuther, AP BGB § 615 Nr. 118; Hoß/Lohr, BB 1998, 2575 (2577 f.); Nägele, NZA 2008, 1039 (1040 f.). Zur Berücksichtigung der §§ 293 ff. BGB auch Blomeyer, AP BGB § 615 Nr. 25.

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Suspendierung nun berechtigt oder nicht, ist nichts anderes als die Erklärung, die Leistung des Arbeitnehmers nicht anzunehmen.28 Das eröffnet den Anwendungsbereich des § 615 BGB. Die Norm differenziert nicht nach dem Grund für die Nichtannahme der Leistung.29 Auch die Berechtigung zur Freistellung kann daher keine Rolle spielen. Die Annahmeobliegenheit des Arbeitgebers im Rahmen des § 615 BGB und das Schicksal seiner Beschäftigungspflicht laufen nicht zwingend parallel. Das zeigt sich, wenn man vergleichend Fälle der Unmöglichkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers betrachtet: Ist etwa der Betrieb aufgrund von Umwelteinflüssen geschlossen und scheidet eine Beschäftigung daher aus, entfällt die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers klar wegen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB – er könnte den Arbeitnehmer nicht beschäftigen, wenn er wollte. Während insbesondere die Rechtsprechung dies erst aufgrund der Regelung des § 615 S. 3 BGB als Fall des Annahmeverzugs einordnen würde, fasst die überzeugendere Theorie von der Annahmeunmöglichkeit, die § 615 S. 1 BGB nicht nur dann als einschlägig ansieht, wenn der Arbeitgeber zur Annahme der Leistung nicht willens ist, sondern auch dann, wenn er hierzu außer Stande ist, dies bereits unter § 615 S. 1 BGB.30 Der Arbeitgeber trägt die Gefahr der Unmöglichkeit der Be28 Vgl. BAG, Urt. v. 23. 2. 2021 – 5 AZR 314/20, NZA 2021, 778 (779); Urt. v. 6. 9. 2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36 (38); Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 95 Rn. 10; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a BGB Rn. 893. 29 MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 8. 30 Eine ausführliche Darstellung der Diskussion um die Reichweite des § 615 S. 1 BGB würde den hier gegebenen Rahmen sprengen. An dieser Stelle daher nur so viel: Das eingeschränkte Verständnis des § 615 S. 1 BGB, das die Rechtsprechung dazu bewogen hat, die Betriebsrisikolehre in ihrem gegebenen Umfang zu entwickeln (siehe insbesondere RG v. 6. 2. 1923, RGZ 106, 272 ff.; RAG v. 20. 6. 1928, ARS 3, 116 ff. und auch BAG v. 8. 2. 1957, BAGE 3, 346) und den Gesetzgeber wiederum dazu, die Regelung des § 615 S. 3 BGB in das Gesetz aufzunehmen, ist verfehlt. Diese Einsicht lässt auch das BAG in Urt. v. 13. 10. 2021 – 5 AZR 211/21, NJW 2022, 560 (562) jedenfalls ansatzweise erkennen, beruft sich dann aber auf die inzwischen erfolgte Normierung des § 615 S. 3 BGB und sieht damit keinen weiteren Anlass gegeben, den Streit um den Regelungsgehalt des § 615 S. 1 BGB fortzuführen. Dass der Wille des Gesetzgebers nicht missachtet werden kann, ist zweifellos richtig (in diesem Sinne auch Klawitter, in: Besonderheiten des Arbeitsrechts?, 2022, S. 35 (58); Greiner, NZA 2022, 665 (667); Wank, in: Liber amicorum Düwell, 2021, S. 69 (84)). Die Willensstärke desselben muss man in diesem Punkt jedoch nicht überbewerten (vgl. auch MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 5). Die Einführung des § 615 S. 3 BGB bezweckte sicherzustellen, „dass der Arbeitgeber auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts weiterhin zur Zahlung des Arbeitsentgelts verpflichtet ist, wenn er das Risiko des Arbeitsausfalls tra¨ gt“ (BT-Drucks. 14/6857, S. 48). Alles Weitere sollte die Rechtsprechung konkretisieren. Eine eindeutige Positionierung des Gesetzgebers hinsichtlich des Verhältnisses von § 615 S. 1 und S. 3 BGB ist dem zweifelsfrei kaum zu entnehmen. Darüber hinaus, und das ist entscheidend, ist der Spielraum, den der Gesetzgeber der Rechtsprechung hier lässt, denkbar weit. Es besteht damit grundsätzlich Raum dafür, zu der vom historischen Gesetzgeber zugrunde gelegten Interpretation zurückzukehren, nach der es für den Annahmeverzug allein auf die „nackte Thatsache der Nichtannahme der Leistung“ (Mugdan, II, S. 38) ankommt, es sich mithin um eine Regelung der Substratsgefahr handelt (diese grundsätzliche Konzeption erkennt

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

schäftigung des Arbeitnehmers.31 Die Annahmeobliegenheit als Voraussetzung des Annahmeverzugs besteht grundsätzlich fort – auch wenn die Beschäftigung dem Arbeitgeber letztlich gar nicht möglich wäre. Diese Interpretation trägt dem Charakter des „arbeitsvertraglichen Leistungsaustauschs als mehraktiges Geschehen“ Rechnung.32 Bietet der Arbeitnehmer die Leistung ordnungsgemäß an und ist zu ihrer Erbringung auch willens und imstande, kann der Arbeitgeber aber im nächsten Schritt seiner Beschäftigungspflicht nicht nachkommen, die angebotene Leistung mithin nicht annehmen, dann ist die Nichtannahme, ungeachtet der Möglichkeit die Leistung anzunehmen, die Ursache für das Ausbleiben der Leistung und es handelt sich um einen Fall, den § 615 S. 1 BGB zu regeln sucht.33 Ein weniger kontroverses Beispiel liefert das BAG: In seinen Ausführungen zum Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers hat es klargestellt, dass dieser zurücktreten kann, sofern die Interessen des Arbeitgebers überwiegen und dabei u. a. explizit den Fall des Auftragsmangels als Beispiel angeführt.34 Die Freistellung des Arbeitnehmers kann mithin wegen überwiegender Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein, weil er an dem Erhalt der Leistung zeitweise kein Interesse hat – der Arbeitnehmer könnte den Beschäftigungsanspruch nicht durchsetzen. Diese Berechtigung zur Nichtannahme der Arbeitsleistung wirkt sich auf die Vergütungspflicht jedoch nicht aus. Zweifellos fällt das Beispiel unter den Begriff des Wirtschaftsrisikos, das gemeinhin bei § 615 S. 1 BGB angesiedelt wird.35 Während die Nichtbeschäftigung bzw. Freistellung infolge des Auftragsmangels gerechtfertigt sein mag – und so ist das BAG eindeutig zu verstehen –, ändert sich am Bestand der Annahmeobliegenheit im Rahmen des § 615 S. 1 BGB nichts. Hieraus lässt sich das auch das BAG in der genannten Entscheidung an). Die in der Literatur vertretene Lehre von der Annahmeunmöglichkeit wird daher befürwortet, für eine ausführliche Darstellung der weiteren Argumente sei auf das einschlägige Schrifttum verwiesen, siehe ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 7; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 4; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 4 ff.; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 615 BGB Rn. 19 ff.; Picker, JZ 1988, 62 (65); ders., JZ 1985, 693 (697 ff.). Die wichtige Frage der Verteilung des Arbeitskampfrisikos, die zu lösen der eigentliche Zweck der Entwicklung der Betriebsrisikolehre war (vgl. Klawitter, in: Besonderheiten des Arbeitsrechts?, 2022, S. 35 (55)) wird mangels Relevanz im hiesigen Kontext ausgeblendet. 31 Trautmann, in: Guchot, Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, Jg. 59, 1915, S. 434 (452); zustimmend Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 21. 32 Klawitter, in: Besonderheiten des Arbeitsrechts?, 2022, S. 35 (53). 33 In diesem Sinne wohl auch Klawitter, in: Besonderheiten des Arbeitsrechts?, 2022, S. 35 (53 f.). 34 Grundlegend BAG, Beschl. v. 27. 2. 1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 (703 f.); siehe auch BAG, Urt. v. 15. 6. 2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625 (1630), wo das Gericht allerdings in der Formulierung unpräzise davon spricht, dass die Beschäftigung wegen Auftragsmangels nicht möglich ist. 35 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 121; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 85; siehe Staudinger/Fischinger, Neubearb. 2022, § 615 Rn. 196 ff.; wohl wie hier MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 98.

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Ergebnis ableiten, dass es für die Frage des Annahmeverzugs auf die Berechtigung der Freistellung nicht ankommen kann. Richtig ist es daher, hinsichtlich der Vergütungspflicht nicht zwischen unberechtigter und berechtigter Freistellung zu differenzieren, sondern bei einseitiger Freistellung grundsätzlich die Normen über den Annahmeverzug des Arbeitgebers anzuwenden.36 Nur scheinbar in eine andere Richtung weist eine Rechtsprechungslinie des BAG, nach der Annahmeverzug nicht eintritt, sofern dem Arbeitgeber ein vom Recht anerkannter Grund für die Ablehnung der Arbeitsleistung zusteht.37 Diese noch ausführlich zu erörternde Rechtsprechung38, die unter dem Begriff der Unzumutbarkeit der Annahme diskutiert wird39, ist in ihrem Anwendungsbereich auf Extremfälle beschränkt.40 Ein Gleichlauf der Berechtigung zur Freistellung mit dem Ausbleiben der Lohnfortzahlung folgt auch hieraus aber nicht.41 Im Gegenteil – die Suspendierung unter Lohnfortzahlung wird zuweilen als milderes Mittel angeführt.42 36 Bauer/Baeck, NZA 1989, 784 (787); wohl ebenso ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 567; Küttner/Kreiter, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Freistellung von der Arbeit Rn. 23; MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 893; Preis/Greiner, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, II F 10 Rn. 5; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 95 Rn. 10; Staudinger/ Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 611a BGB Rn. 1768; Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (164); Bauer, NZA 2007, 409 (410); Bonanni, ArbRB 2020, 110 (111); Castendieck, ZIP 2002, 2189; Hoß/Lohr, BB 1998, 2575 (2578); Luckey, NZA 1992, 873 (876); Meyer, NZA 2011, 1249 (1251); Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (37). Dass die Rechtsprechung trotz Ausklammerung der Fälle der Annahmeunmöglichkeit aus dem Anwendungsbereich des § 615 S. 1 BGB wohl ebenso urteilt (siehe erst kürzlich BAG, Urt. v. 23. 2. 2021 – 5 AZR 314/ 20, NZA 2021, 778 (779) ohne Differenzierung zwischen berechtigter und unberechtigter Freistellung) dürfte nicht zuletzt der Tatsache geschuldet sein, dass für die Herleitung der Berechtigung zur Freistellung zwar auf eine Interessenabwägung, nicht aber explizit auf § 275 Abs. 3 BGB abgestellt wird. Dies ist nach hiesiger Ansicht für eine saubere, dogmatische Lösung jedoch geboten. Konsequent wäre die Anwendung des § 615 S. 3 BGB, wie dies etwa in ArbG Dortmund, Urt. v. 24. 11. 2020 – 5 Ca 2057/20, BeckRS 2020, 43244 (Rn. 17) erfolgt ist. 37 Siehe BAG, Urt. v. 16. 4. 2014 – 5 AZR 739/11, NZA 2014, 1082; Urt. v. 1. 7. 1993 – 2 AZR 88/93, BeckRS 1993, 30745677; Urt. v. 14. 9. 1988 – 5 AZR 616/87, BeckRS 1988, 30727831; Urt. v. 29. 10. 1987 – 2 AZR 144/87, NZA 1988, 465; Urt. v. 11. 11. 1976 – 2 AZR 457/75, NJW 1978, 72 (75); Beschl. v. 26. 4. 1956 – GS 1/56, NJW 1956, 1454 (1455); LAG Berlin, Urt. v. 27. 11. 1995 – 9 Sa 85/95, NZA-RR 1996, 283 (284); siehe auch ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 62; Stähler, NZA-RR 2012, 117; kritisch HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 66; Konzen/Weber, AP BGB § 615 Nr. 42. 38 Siehe Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (2) (c). 39 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 62; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 44. 40 Vgl. BAG, Urt. v. 29. 10. 1987 – 2 AZR 144/87, NZA 1988, 465 (466); ebenso LAG Hamm, Urt. v. 12. 4. 2011 – 19 Sa 258/11, BeckRS 2011, 76807. 41 So auch LAG Hessen, Urt. v. 24. 1. 2011 – 16 Sa 1041/10, BeckRS 2011, 68913: „Selbst im Falle einer berechtigten einseitigen Suspendierung behält der Arbeitnehmer in aller Regel den Vergütungsanspruch. Lediglich in seltenen Ausnahmefällen, in denen das vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers so schwerwiegend ist, dass dem Arbeitgeber die Annahme der

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

Festzuhalten ist damit: Dass die einseitige Freistellung, die nicht die Ausübung eines wirksamen Freistellungsvorbehalts darstellt, berechtigt ist, den Arbeitgeber also keine Beschäftigungspflicht trifft, reicht nicht aus, um den Annahmeverzug auszuschließen.43 Die Frage der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers und des Anspruchs auf Annahmeverzugslohn im Falle der Nichtbeschäftigung sind somit voneinander zu trennen, sie laufen nicht parallel. b) Weitere Voraussetzungen des Annahmeverzugs Für den Annahmeverzug müssen die weiteren Voraussetzungen der §§ 615 S. 1, 293 ff. BGB vorliegen. Hierzu gehören ein wirksames, erfüllbares Arbeitsverhältnis, daneben das Angebot der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bzw. die Entbehrlichkeit dieses Angebots sowie die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Arbeitnehmers.44 Nach § 294 BGB muss die Leistung dem Gläubiger, so wie sie tatsächlich zu bewirken ist, angeboten werden. Die §§ 295, 296 BGB schaffen Ausnahmen von dieser Regel, indem sie Situationen normieren, in denen ein wörtliches Angebot ausreicht (§ 295 BGB) oder das Erfordernis des Angebots vollständig entfällt (§ 296 BGB). Erklärt der Arbeitgeber, er werde die Arbeitsleistung nicht annehmen, genügt ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung; ist darüber hinaus offenkundig, dass der Arbeitgeber auf der Annahmeverweigerung beharrt, insbesondere bei einseitiger Freistellung, soll das Angebot entbehrlich sein.45 Während das BAG die Entbehrlichkeit des Angebots im Falle einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung über § 296 BGB herleitet46, nimmt es im Falle einseitiger Freistellung einen Verzicht auf das Angebot der Arbeitsleistung an.47 Ob diese Differenzierung richtig ist, daran mag Arbeitsleistung schlechthin unzumutbar ist, handelt es sich nicht mehr um ein ordnungsgemäßes Angebot.“ 42 Vgl. LAG Hamm, Urt. v. 18. 7. 1991 – 17 Sa 827/91, BB 1991, 1940; LAG München, Urt. v. 5. 12. 1986 – 2 (3) Sa 617/86 – juris; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 63; Konzen/ Weber, AP BGB § 615 Nr. 42; Sievers, jurisPR-ArbR 13/2021 Anm. 4. 43 Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 98. 44 Vgl. BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 615 BGB Rn. 11; MüKoBGB/ Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 12; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2020, § 615 BGB Rn. 45. 45 BAG, Urt. v. 18. 11. 2015 – 5 AZR 491/14, NZA 2016, 565 (567); Urt. v. 18. 11. 2015 – 5 AZR 814/14, NJW 2016, 2359 (2362); ähnlich auch Urt. v. 15. 5. 2013 – 5 AZR 130/12, NZA 2013, 1076 (1078); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 41; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 120; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 95 Rn. 10. 46 Siehe etwa BAG, Urt. v. 18. 11. 2015 – 5 AZR 491/14, NZA 2016, 565 (567); Urt. v. 18. 11. 2015 – 5 AZR 814/14, NJW 2016, 2359 (2362); Urt. v. 19. 9. 2012 – 5 AZR 627/11, NZA 2013, 101 (103); Urt. v. 22. 2. 2012 – 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858 (859); Urt. v. 17. 11. 2011 – 5 AZR 564/10, NZA 2012, 260. 47 BAG, Urt. v. 18. 11. 2015 – 5 AZR 491/14, NZA 2016, 565 (567); Urt. v. 18. 11. 2015 – 5 AZR 814/14, NJW 2016, 2359 (2362); Urt. v. 15. 5. 2013 – 5 AZR 130/12, NZA 2013, 1076

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man zweifeln.48 Das Ergebnis der Entbehrlichkeit des Angebots im Falle einseitiger Freistellung überzeugt jedoch – das Festhalten am Erfordernis eines Angebots scheint dann tatsächlich als überflüssige Förmelei.49 Die Freistellung muss allerdings bereits erfolgt sein. Die bloße Ankündigung, eine Leistung unter bestimmten Umständen nicht annehmen zu wollen, führt lediglich zur Regelung des § 295 BGB, d. h. zum Erfordernis eines wörtlichen Angebots.50 Auch während des Freistellungszeitraums ist am Erfordernis der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft nach § 297 BGB festzuhalten.51 2. Die einseitige Freistellung wegen Infektion, Infektionsverdachts oder Infektionsrisikos in Zeiten der Pandemie Um Infektionsrisiken innerhalb des Betriebs möglichst gering zu halten, kann der Arbeitgeber gewillt sein, bestimmte Arbeitnehmer von ihrer Arbeitsleistung freizustellen. Soweit die Freistellung im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer oder auf Basis eines wirksam vereinbarten Freistellungsvorbehalts erfolgt, richten sich ihre Folgen nach der getroffenen Vereinbarung. Geht es hingegen um eine einseitige Freistellung ohne vereinbarten Freistellungsvorbehalt, bedürfen Freistellungsrecht und Schicksal des Vergütungsanspruchs einer näheren Betrachtung. Allein hierum soll es im Folgenden gehen. Die Befugnisse des Arbeitgebers und das Schicksal des Vergütungsanspruchs können unterschiedlich zu beurteilen sein, je nachdem, ob der Arbeitnehmer (1078); zu letzterem Aspekt Urt. v. 26. 6. 2013 – 5 AZR 432/12, NJOZ 2013, 2054 (2056); Urt. v. 23. 1. 2008 – 5 AZR 393/07, NJW 2008, 1550 (1551). 48 Siehe etwa zur Einordnung der Arbeitsanweisung als Mitwirkungshandlung i. S. d. § 296 BGB kritisch MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 29; Betz, NZA 2017, 151 (153); Boemke, RdA 2017, 192 (198 f.); Schäfer, JuS 1988, 265 (266). Krause, ZfA 2018, 126 (137 ff.) unterscheidet zwischen dem „Ablehnungsmodell“ und dem „Mitwirkungsmodell“ und stellt fest, es erschließe sich nicht, warum in bestimmten Fällen dem einen oder anderen der Vorzug gegeben werde. 49 Vgl. Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 615 BGB Rn. 24; Schäfer, JuS 1988, 265 (266). Die Argumentation knüpft an die Begründung des Verzichts auf eine Anzeige der Leistungsfähigkeit nach einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigungen an, siehe dazu BAG, Urt. v. 9. 8. 1984 – 2 AZR 374/83, NZA 1985, 119 (121). Auch MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 29 spricht sich jedenfalls aus „pragmatischen Überlegungen gleichwohl für die Beibehaltung der inzwischen verfestigten Grundsätze“ aus. 50 In diesem Sinne auch BAG, Urt. v. 18. 11. 2015 – 5 AZR 491/14, NZA 2016, 565 (567); Urt. v. 18. 11. 2015 – 5 AZR 814/14, NJW 2016, 2359 (2362). 51 BAG, Urt. v. 15. 5. 2013 – 5 AZR 130/12, NZA 2013, 1076 (1078); Urt. v. 23. 1. 2008 – 5 AZR 393/07, NJW 2008, 1550 (1551); Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 79. Instruktiv zum Zusammenspiel von § 615 S. 1 und § 297 BGB auch Greiner, NZA 2022, 665 (667), der von einer „gesetzessystematisch angelegten ,Sphärentheorie‘“ spricht und grundsätzlich danach fragt, ob es die Leistungs- oder die Annahmeunmöglichkeit ist, die zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führt.

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

nachweislich infiziert oder lediglich infektionsverdächtig ist oder aber deswegen freigestellt werden soll, weil er an Maßnahmen wie betrieblichen Gesundheitskontrollen nicht teilnimmt. Für den Anspruch auf Annahmeverzugslohn ist darüber hinaus insbesondere relevant, ob der Arbeitnehmer sich in hoheitlich angeordneter Absonderung befindet oder nicht. a) Recht des Arbeitgebers zur Freistellung Ob der Arbeitgeber zur einseitigen Freistellung berechtigt ist, hängt wie gesehen von einer Abwägung des Freistellungs- und Beschäftigungsinteresses ab. Dieses Freistellungsrecht soll zunächst isoliert betrachtet werden, ungeachtet der Frage, ob die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers bereits aus anderen Gründen entfallen ist.52 aa) Freistellung bei nachgewiesener Coronavirusinfektion des Arbeitnehmers Im Falle einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion besteht in aller Regel kein durchsetzbarer Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im Hinblick auf eine Tätigkeit im Betrieb.53 Die Beschäftigung ginge regelmäßig mit einer Verletzung der Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers nach § 618 BGB und § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG einher.54 Das gilt jedenfalls für sämtliche Tätigkeiten, in denen ein Kontakt zu anderen Beschäftigten besteht. Anders als etwa bei HIV-Infektionen55 besteht eine Ansteckungsgefahr nicht nur bei bestimmten Tätigkeiten, sondern überall dort, wo Menschen aufeinandertreffen – durch die Nutzung gemeinsamer Flure, Aufzüge, Teeküchen und Sanitärräume56 dürfte dies in den meisten Betrieben mit mehreren Mitarbeitern den Gegebenheiten entsprechen, ganz zu schweigen von Arbeitsplätzen, an denen mehrere Beschäftigte gemeinsam in einem und auf engem Raum tätig werden. 52 Dies kommt etwa bei Arbeitsunfähigkeit oder einer hoheitlich angeordneten Absonderung in Betracht. Diese Aspekte werden im nachfolgenden Abschnitt bei der Untersuchung des Anspruchs auf Annahmeverzugslohn unter dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erörtert. 53 I. E. ebenso ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690b; Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (37). 54 Zur Arbeitsschutzpflicht zählt auch die Verpflichtung, Ansteckungsgefahren im Betrieb zu vermeiden, vgl. BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 618 BGB Rn. 24; Falter, BB 2009, 1974 (1977); Müller-Bonanni/Bertke, NJW 2020, 1617 (1618); Seiwerth/ Witschen, NZA 2020, 825; Sievers, jM 2020, 189 (200); Weber, ARP 2020, 120 (120 f.); Wilrich, NZA 2020, 634 (635). 55 Hier differenziert man im Hinblick auf die Schutzinteressen des Arbeitgebers regelmäßig nach Art der Tätigkeit, siehe Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 190; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 Rn. 50; Lichtenberg/Schücking, NZA 1990, 42; vgl. auch BeckOKArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 618 BGB Rn. 24. 56 Dies führen auch Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475) und HerfsRöttgen, NZA 2021, 388 (389) als potentiell infektionsgefährdende Orte an.

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Zwar ist bei isoliertem Blick auf die Pflichten des Arbeitgebers noch nicht von einer rechtlichen Unmöglichkeit der Beschäftigung – zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung sogleich57 – auszugehen.58 Dem Arbeitgeber dürfte die Beschäftigung in der Regel jedoch nicht zuzumuten sein. Im Rahmen einer Interessenabwägung lassen die Arbeitsschutzpflichten sowie die nach Art. 12, 14 GG geschützten Interessen des Arbeitgebers, die bei betriebsinternen Infektionsausbrüchen beeinträchtigt werden können, das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers zurücktreten.59 Angemerkt sei an dieser Stelle, dass sich diese Beurteilung je nach weiterem Verlauf der Pandemie und insbesondere nach deren Ende verändern kann – sollte die Coronavirusinfektion zu einem sozialadäquaten Risiko werden, ist sodann auch die Unzumutbarkeit der Beschäftigung des Infizierten schwieriger zu begründen. bb) Freistellung bei Verdacht einer Coronavirusinfektion des Arbeitnehmers Aufgrund der Meldepflicht bei einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion werden sich Infizierte zumeist in hoheitlich angeordneter Absonderung befinden und den betrieblichen Arbeitsplatz schon gar nicht erreichen können.60 Relevanter noch ist daher die Möglichkeit der Freistellung von lediglich infektionsverdächtigen Arbeitnehmern. Zum Teil sieht man den Arbeitgeber als verpflichtet an, auch diese zu suspendieren.61 In diesem Sinne ist auch Ziffer 4.2.11 S. 2 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel i. d. F. v. 24. 11. 2021 formuliert – hiernach sind Arbeitnehmer mit Verdacht auf Infektion durch den Arbeitgeber aufzufordern, die Betriebsstätte unverzüglich zu

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E. I. 2. b) bb) (1) (b). Eine solche würde hingegen im Falle eines Beschäftigungsverbots gelten, die Beschäftigung wäre dann rechtlich unmöglich. Nach Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (37) kommt die Infektion dem zwar faktisch gleich, eine saubere Subsumtion unter § 275 Abs. 1 BGB kann hier allerdings nicht gelingen. Auch die arbeitsvertraglichen Schutzpflichten gegenüber den anderen Arbeitnehmern führen noch nicht zu einer Unmöglichkeit der Beschäftigung, vgl. insoweit Boemke, RdA 2017, 192 (195). A. A. Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (565). 59 I. E. ebenso Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (37); Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (328); Weber, ARP 2020, 120 (122); vgl. auch BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424), wo eine Pflicht des Arbeitgebers angenommen wird, gegen die Beschäftigung von Ausscheidern, Ausscheidungsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen einzuschreiten; Kuhn, SPA 2017, 61 (62); Goepfert/Rottmeier, BB 2015, 1912 (1914) sehen eine Freistellungsmöglichkeit da gegeben, wo der Arbeitnehmer eine Gefahr für Dritte darstellt. 60 Hierzu sogleich Gliederungspunkt E. I. 2. b) aa) (1). 61 Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (328); Wolf, in: FS Preis, 2021, S. 1531 (1538). In diesem Sinne auch BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424). 58

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

verlassen. Nun ist diese Norm nicht unmittelbar rechtsverbindlich62 und in ihrer Formulierung darüber hinaus wenig konkret. Festgelegt wird nur, ein Verdacht könne sich insbesondere durch Fieber, Husten oder Atemnot ergeben. Auf Kontakte zu Infizierten, Reisen in Risikogebiete oder anderweitige Verdachtsmomente wird nicht eingegangen, ebenso wenig auf die Dauer des notwendigen Fernbleibens oder die erforderliche Intensität der Symptome. Auch wird die Möglichkeit regelmäßiger Coronatests nicht berücksichtigt – auch wenn diese nur eine Momentaufnahme darstellen und eine Infektion nicht ausschließen63, wird man dem Arbeitgeber im Rahmen seines unternehmerischen Entscheidungsspielraums wohl zubilligen müssen, infektionsverdächtige Personen bei negativem Testnachweis weiter zu beschäftigen.64 Eine Rechtspflicht zur Freistellung im Falle des Infektionsverdachts kann aus der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel daher nicht schlechterdings hergeleitet werden.65 Für die Interessenabwägung im Rahmen der Unzumutbarkeit der Beschäftigung sind ihre Vorgaben dennoch ein entscheidendes Argument. Ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Freistellung dürfte allerdings nur dann bestehen, wenn keine im Hinblick auf das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers milderen Mittel zur Eindämmung des Risikos in Betracht kommen. Auch insoweit ist die Möglichkeit zur Anweisung, einen Test durchführen zu lassen, zu berücksichtigen. Fraglich ist, ob der Arbeitgeber nicht nur berechtigt ist, die Durchführung eines Tests bzw. Vorlage eines Testergebnisses zu verlangen, sondern aufgrund seiner Beschäftigungspflicht dem Arbeitnehmer vielmehr die Möglichkeit geben muss, ein negatives Ergebnis vorzulegen und so seine Beschäftigung zu erreichen. Allerdings ist ein negatives Testergebnis nicht zwingend geeignet, den Infektionsverdacht vollständig auszuräumen.66 Das zeigt sich auch insbesondere daran, dass ein „Freitesten“ von Kontaktpersonen, d. h. eine Beendi-

62

bb). 63

Vgl. Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (163) sowie bereits Gliederungspunkt C. I. 1. b)

Vgl. auch Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 30; Bretschneider/Peter, NVwZ 2020, 1462 (1467); Wolf, in: FS Preis, 2021, S. 1531 (1539). 64 So wohl i. E. auch Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 32; Steiner/Steinicke, NZA 2020, 1150 (1154) sowie all diejenigen Stimmen, die eine Testmöglichkeit des Arbeitgebers bei Infektionsverdacht im Sinne des betrieblichen Infektionsschutzes bejahen, siehe hierzu bereits Gliederungspunkt D. I. 4. b) bb). 65 I. E. ebenso HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 26; Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (163). 66 Siehe für PCR-Tests Woloshin/Patel/Kesselheim, False Negative Tests for SARS-CoV-2 Infection – Challenges and Implications, NEJM v. 5. 6. 2020. Für Schnelltests Robert Koch Institut, Die Ausbreitung von SARS-CoV-2 kann mit Hilfe von Antigentests verlangsamt werden, wenn die Tests als ergänzende Maßnahme zur Pandemie-Eindämmung eingesetzt werden, Stand 17. 5. 2021, S. 1; vgl. auch Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 30; Bretschneider/Peter, NVwZ 2020, 1462 (1467).

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gung einer Quarantäne durch negativen Test lange Zeit gar nicht67 und auch später erst nach mehreren Tagen vorgesehen wurde68. Es kann auch insoweit ein Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers dahingehend verbleiben, trotz Vorlage eines negativen Testergebnisses von der Beschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb abzusehen.69 Da der Arbeitgeber nicht unmittelbar an die Vorgaben des Robert Koch Instituts gebunden ist und innerhalb seines Betriebs die Verantwortung für den Infektionsschutz steht, kann die Interessenabwägung auch dann zugunsten seines Interesses, den Infektionsverdächtigen Arbeitnehmer aus dem Betrieb fernzuhalten, ausfallen, wenn das Risiko der Infektion geringer ist als dasjenige, was die zuständigen Behörden zu einem Einschreiten veranlassen würde.70 Ein Freistellungsrecht wegen Infektionsverdachts ist insgesamt grundsätzlich möglich.71 Auch hier sind allerdings das dynamische Infektionsgeschehen, der sich fortentwickelnde Kenntnisstand72 und der sich wandelnde Umgang mit dem Virus, das aller Voraussicht nach nicht mehr verschwinden wird, zu beachten. Auch der Impfstatus sowohl des infektionsverdächtigen Arbeitnehmers als auch der Personen, die mit ihm in Kontakt treten, kann in der Abwägung eine Rolle spielen. Wo die 67

Aus der Änderungsübersicht im Anhang zu Robert Koch Institut, KontaktpersonenNachverfolgung (KP-N) bei SARS-CoV-2-Infektionen, Stand 14. 1. 2022, außer Kraft seit 2. 5. 2022, geht hervor, dass die Option der Beendigung der Quarantäne von Kontaktpersonen (durch Test) erst mit Änderung zum 9. 9. 2021 vorgesehen wurde. 68 Nach dem Beschluss der Videoschaltkonferenz des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 24. Januar 2022, S. 5, etwa nach sieben Tagen. Auch nach den ab dem 2. 5. 2022 geltenden Empfehlungen ist ein Beenden der Quarantäne von Kontaktpersonen vor Ablauf von fünf Tagen nicht vorgesehen, siehe Robert Koch Institut, Empfehlungen zu Isolierung und Quarantäne bei SARS-CoV-2-Infektion und -Exposition, Stand 2. 5. 2022. 69 Selbstredend kann der Arbeitgeber, der ohnehin nicht bereit ist, den infektionsverdächtigen Arbeitnehmer zu beschäftigen, nicht mit Blick auf den betrieblichen Infektionsschutz einen Testnachweis verlangen. 70 Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (163 f.); wohl auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (39). 71 I. E. ebenso Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 15; MAH ArbR/Reinfeld, 5. Aufl. 2021, § 34 Rn. 86; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 24; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 14; vom Stein/Rothe/Schlegel/Schubert, 2. Aufl. 2021, § 26 Rn. 30; Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (162 ff.); Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (328); Bonanni, ArbRB 2020, 110 (111); Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (888); Grimm, DB 2020, 1177; Fischinger/ Hengstberger, JA 2020, 561 (567); Fuhlrott, GWR 2020, 275 (277); Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (38); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114); Sievers, jM 2020, 189 (200); Weber, ARP 2020, 120 (122); von Steinau-Steinrück/Mosch, NJW-Spezial 2009, 578. Im Hinblick auf Reiserückkehrer aus Risikogebieten ArbG Dortmund, Urt. v. 24. 11. 2020 – 5 Ca 2057/20, BeckRS 2020, 43244 (Rn. 15) – die Entscheidung lässt zwar offen, ob tatsächlich ein Recht zur Freistellung bestand, nach Sicht der Kammer spricht aber vieles dafür. So wohl auch Sievers, jurisPR-ArbR 13/2021 Anm. 4. 72 Auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (39) weisen auf die Bedeutung der Frage hin, in welche Phase der Pandemie ein Infektionsverdacht fällt, weil in frühen Phasen weniger Informationen über das Virus und den Infektionsschutz vorlagen.

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

Gefahr der Ansteckung nicht mehr als so erheblich angesehen werden kann, dass eine Beschäftigung des Infektionsverdächtigen dem Arbeitgeber im Lichte seiner Schutzpflichten nicht zugemutet werden kann, muss das Ergebnis anders ausfallen und die Freistellung ausbleiben. Zwar kann der Arbeitgeber rein faktisch auch bei fehlendem berechtigtem Interesse von der Beschäftigung des Arbeitnehmers absehen – dieser kann seinen Beschäftigungsanspruch dann jedoch gerichtlich geltend machen.73 cc) Freistellung bei Verweigerung eines Coronatests im Verdachtsfall Ist der Arbeitgeber auch im konkreten Verdachtsfall bereit, den Arbeitnehmer bei Vorlage eines negativen Testnachweises zu beschäftigen, kann er einen solchen verlangen.74 Da der Arbeitnehmer zu einer Gesundheitsuntersuchung wie dem Coronatest im Zusammenhang mit der Durchführung seiner Arbeitsleistung nicht gezwungen werden kann, § 888 Abs. 3 ZPO, der Arbeitgeber sie zugleich aber berechtigterweise zur Voraussetzung der Tätigkeit machen kann, läuft die Verweigerung auf ein Ausbleiben der Arbeitsleistung hinaus. Soweit ein Freistellungsrecht bei der Verweigerung anlassbezogener Eignungsuntersuchungen mit der Begründung abgelehnt wird, die Fürsorgepflicht gegenüber diesem Arbeitnehmer berechtige den Arbeitgeber nicht, die Arbeitsleistung abzulehnen75, steht das der berechtigten Freistellung im hiesigen Kontext nicht entgegen. Denn auch und gerade die Fürsorgepflicht gegenüber den übrigen Beschäftigten, die der Gefahr einer Infektion ausgesetzt werden könnten, ist zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber muss hier als zur Freistellung berechtigt angesehen werden, sein Schutzinteresse überwiegt den Interessen des Arbeitnehmers.76 Da von dem Arbeitnehmer hier ein bestimmtes Verhalten gefordert wird und die Freistellung nicht unmittelbar an seinen Zustand anknüpft, scheint auch ein ergänzender Begründungsansatz denkbar: Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers nach § 273 Abs. 1 BGB. Ein solches hat das BAG bereits als die Beschäftigungspflicht suspendierend anerkannt, für den Fall, dass der Arbeitnehmer vertragliche

73 Ob allerdings rechtzeitig, also vor Ablauf der Inkubationszeit eine Entscheidung ergeht, ist derzeit offen. Das ArbG Offenbach lehnte den Antrag eines Arbeitnehmers auf vorläufige Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs im Wege einstweiligen Rechtsschutzes ab, da es die Eilbedürftigkeit nicht gegeben sah, siehe Beschl. v. 4. 2. 2021 – 4 Ga 1/21, BeckRS 2021, 5523. Dies allerdings insbesondere deswegen, weil der Arbeitnehmer bei Durchführung eines Tests hätte beschäftigt werden können. Bei schlichter Nichtbeschäftigung wird in der Regel keine Eilbedürftigkeit verlangt, siehe hierzu LAG Hamm, Urt. v. 5. 2. 2021 – 12 SaGa 1/21, BeckRS 2021, 3155. 74 Siehe bereits Gliederungspunkt D. I. 4. b) bb). 75 Kleinebrink, DB 2021, 776 (780). 76 So auch Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 32; Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (328); wohl ebenso Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (39).

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Verpflichtungen nicht erfüllt.77 Auf die Verweigerung eines zulässigerweise geforderten Coronatests scheint diese Überlegung übertragbar. dd) Freistellung bei Verweigerung betrieblicher Infektionsschutzmaßnahmen Besteht kein konkreter Verdacht einer Coronavirusinfektion, kann der Arbeitgeber sich dennoch veranlasst sehen, Arbeitnehmer freizustellen, die ihre Teilnahme an betrieblichen Infektionsschutzmaßnahmen wie etwa Fiebermessungen oder präventiven Tests verweigern. Eine berechtigte Freistellung kommt indes nur in Betracht, wenn die Anweisung selbst rechtmäßig ist.78 Da dies für Zugangskontrollen mit Fiebermessungen jedenfalls für den weiteren Verlauf der Pandemie abgelehnt wurde, steht die Frage im Vordergrund, ob der Arbeitgeber die Beschäftigung verweigern darf, wenn der Arbeitnehmer keinen verdachtsunabhängigen Coronatest vornehmen lässt bzw. kein negatives Testergebnis vorlegt. Das ist nicht ausgeschlossen: Sind die Interessen des Arbeitgebers an der Durchführung von Tests bzw. an der Vorlage von Testergebnissen ausnahmsweise so gewichtig, dass sie dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers überwiegen79, überwiegen sie auch dem Beschäftigungsinteresse desjenigen Arbeitnehmers, der sich der Maßnahme verweigert.80 Die Grenzen der Zulässigkeit verpflichtender Tests müssen selbstredend eng genug gezogen werden, um dieses Ergebnis zu rechtfertigen.81 Eine Freistellung ist hingegen nicht schon dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer ein Testangebot des Arbeitgebers nicht annimmt.82

77 BAG, Urt. v. 18. 3. 2009 – 5 AZR 192/08, NZA 2009, 611 (612); siehe auch unten Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (3). 78 Vgl. hinsichtlich der Durchführung von Coronatests auch Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (328), die ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers nur anerkennen, wenn Anhaltspunkte für eine Infektion vorliegen, was nach ihrer Einschätzung stets Voraussetzung für eine zulässige Testanweisung ist. In diesem Sinne wohl auch LAG München, Urt. v. 26. 10. 2021 – 9 Sa 332/21, COVuR 2022, 56 (63). Nicht um Zugangskontrollen, sondern um das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes während der Arbeit ging es in einer Entscheidung des LAG Köln, Urt. v. 12. 4. 2021 – 2 SaGa 1/21, BeckRS 2021, 9645. Zur Feststellung des Zurücktretens des Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers prüfte das Gericht zunächst die Rechtmäßigkeit der Weisung, eine Maske zu tragen, siehe Rn. 21 f. der Entscheidung. Der Gedanke kann auf weitere Arbeitsschutzmaßnahmen übertragen werden. 79 Zur Interessenabwägung siehe Gliederungspunkt D. I. 4. b) bb) (2). 80 I. E. wohl auch LAG München, Urt. v. 26. 10. 2021 – 9 Sa 332/21, COVuR 2022, 56 (63); Freh/Daneshian, ArbRB 2021, 146 (149); Fuhlrott, ArbRAktuell 2021, 279; Jahn, DB 2021, 960 (962); Stück, MDR 2021, 585 (588); wohl auch ArbG Offenbach, Urt. v. 3. 2. 2021 – 4 Ga 1/ 21, BeckRS 2021, 5523 (Rn. 14, 17 ff.); Müller-Seubert, DB 2021, M4; a. A. wohl Grüneberg/ Lenuck, ARP 2021, 140 (141). 81 Siehe hierzu Gliederungspunkt D. I. 4. b) bb) (2). 82 Boecken/Bantele, COVuR 2021, 322 (328).

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

b) Anspruch auf Annahmeverzugslohn in Folge der Freistellung Für einseitige Freistellungen im Zusammenhang mit der Coronapandemie wird vielfach angenommen, sie führten zum Annahmeverzug des Arbeitgebers.83 Zu diesem Ergebnis gelangt man jedoch nur, wenn die Voraussetzungen der §§ 615 S. 1, 293 ff. BGB vorliegen. Dies kann insbesondere aus Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, ausgeschlossen sein, wenn dieser nicht in der Lage ist, die geschuldete Leistung zu erbringen bzw. anzubieten84. Sind die Voraussetzungen des Annahmeverzugs nicht erfüllt, führt dies nicht zwingend dazu, dass der Arbeitnehmer keine finanzielle Absicherung erfährt – andere Ausnahmen von dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ können eingreifen. Neben § 3 EFZG und § 616 BGB kommt im Falle behördlicher oder gesetzlicher Absonderung weiterhin die infektionsschutzrechtliche Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG in Betracht. Die Ansprüche werden an anderer Stelle erörtert.85 aa) Kein Annahmeverzug bei Arbeitsunfähigkeit oder Absonderung Die unproblematischen Konstellationen vorweg: Ist der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig i. e. S., d. h. leidet er an so starken Symptomen, dass er die geschuldete Leistung nicht erbringen könnte, ist er nicht leistungsfähig i. S. d. § 297 BGB und der Annahmeverzug damit ausgeschlossen.86 Es ist unerheblich, ob der Arbeitnehmer sich selbst für leistungsfähig hält – ist er nach objektiven Gesichts-

83 Etwa Dahl/Göpfert/Helm/Giese/Schotter, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 5 Rn. 13 f.; Däubler, Arbeitsrecht in Zeiten der Corona-Krise, 2020, S. 23; Tödtmann/ v. Bockelmann//Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 60; Bonanni, ArbRB 2020, 110 (111); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114); Stück, CCZ 2020, 205 (209); wohl auch Grimm, DB 2020, 1177; Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (417); Weber, ARP 2020, 120 (122); differenzierend Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 15. 84 Ein Angebot der Arbeitsleistung ist in diesem Kontext nicht schlechterdings entbehrlich, und das auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber allgemein erklärt hat, Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen wie Infektion oder Infektionsverdacht nicht zu beschäftigen. Nach den obigen Ausführungen (siehe Gliederungspunkt E. I. 1. b)) führt das zur Anwendung des § 295 BGB, mithin zum Erfordernis eines wörtlichen Angebots. Auf ein Beharren des Arbeitgebers, die Leistung keinesfalls anzunehmen, welches ein Leistungsangebot entbehrlich macht, kann richtigerweise erst nach individueller Erklärung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer geschlossen werden. Wird in der Freistellungserklärung deutlich, wie lange der Arbeitgeber von einer Beschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb absehen will, ist ein tägliches Angebot jedoch sodann für den jeweiligen Zeitraum nicht mehr erforderlich, um Annahmeverzug zu begründen. 85 Siehe Gliederungspunkt F. I. 86 Vgl. Erman/Hager, 16. Aufl. 2020, § 297 BGB Rn. 3; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 95 Rn. 46; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 84; Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (164); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (566).

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punkten arbeitsunfähig87, greift § 297 BGB.88 Keine Rolle spielt mit Blick auf § 615 BGB auch die zeitliche Reihenfolge von Freistellung und Arbeits- bzw. Leistungsunfähigkeit – mit Eintritt Letzterer fällt eine Voraussetzung des Annahmeverzugs weg, sodass eine Konkurrenz zwischen Entgeltfortzahlung und Annahmeverzugslohn nicht entsteht.89 Wurde vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit freigestellt, gelten für den betroffenen Zeitraum die für die Freistellung bei fortbestehender Arbeitsfähigkeit noch zu erörternden Grundsätze. Weiterhin ist der Annahmeverzug ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer sich in hoheitlich angeordneter Absonderung befindet, soweit diese der Arbeitsleistung entgegensteht.90 (1) Exkurs: Die Absonderung nach dem Infektionsschutzgesetz Die maßgeblichen Vorgaben zu Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand im Falle von Ansteckungsgefahren mit gefährlichen Krankheiten finden sich im Infektionsschutzgesetz (IfSG). Das IfSG ist dem Recht der Gefahrenabwehr zuzu87

Zu Begriff und Beurteilung der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit siehe ausführlich Gliederungspunkt F. I. 2. a) bb) (3). 88 BAG, Urt. v. 29. 10. 1998 – 2 AZR 666/97, NJW 1999, 3432 (3434); MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, § 297 Rn. 2; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 84. 89 Im Hinblick auf die Lohnfortzahlungsansprüche, die an Arbeits- oder Leistungsunfähigkeit aus persönlichen Gründen anknüpfen (§ 3 EFZG und § 616 BGB), stellt sich wohlgemerkt die Frage der Monokausalität des jeweiligen Hinderungsgrundes, wenn zugleich oder zuvor eine Freistellung des Arbeitgebers ausgesprochen wurde. Siehe zum Problem der Monokausalität und dem Prioritätsprinzip beim Zusammentreffen mehrerer Verhinderungsgründe grundlegend Gliederungspunkt F. I. 2. b) aa) (1). Allerdings wäre es im Falle des Annahmeverzugs des Arbeitgebers, der sich weigert bzw. geweigert hat, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers anzunehmen, wertungswidersprüchlich, letzterem den Anspruch nach § 615 S. 1 BGB zu verweigern, weil er nicht leistungsfähig ist, ihm sodann aber auch die Lohnfortzahlungsansprüche, die an andere Ursachen anknüpfen, zu verweigern, obwohl er für den Arbeitsausfall wegen Annahmeverzugs keine Verantwortung trägt. Dies stellte eine unbillige Entlastung des Arbeitgebers dar, der bei getrenntem Auftreten der Verhinderungsgründe jeweils das Vergütungsrisiko zu tragen hätte. Ein Außerachtlassen des grds. zu befürwortenden Prioritätsprinzips ist hier geboten, da § 297 BGB mit dem Eintritt der Leistungsunfähigkeit zwangsläufig zu einem Ausscheiden des Lohnfortzahlungsanspruchs nach Maßgabe des § 615 S. 1 BGB führt – ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge des Eintritts der Verhinderungsgründe muss der an die Leistungsunfähigkeit anknüpfende Lohnfortzahlungsanspruch hier eingreifen. Auch Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (567), sehen bei infektions(verdachts)bedingter Freistellung und Leistungsunfähigkeit die Möglichkeit des Eingreifens der §§ 616 BGB, 3 EFZG. Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (164), erörtern die Kausalitätsfrage ohne Betrachtung des späteren Übergangs der verdachtsbedingten Freistellung in eine Leistungsunfähigkeit. Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114), gehen anders als hier auch bei verdachtsbedingter Freistellung von einem Anspruch nach § 616 BGB aus. I. E. wie hier die allgemeine Literatur hinsichtlich des Zusammentreffens von Annahmeverzug und Arbeitsunfähigkeit, siehe ErfK/ Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 21; HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 14; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge/Dunkl, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 3 Rn. 61; MüKoBGB/ Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 19; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 22. 90 MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 35.

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

ordnen.91 Wie auch das allgemeine Gefahrenabwehrrecht enthält es in seinem Abschnitt zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten eine Generalklausel, welche die zuständige Behörde zur Vornahme der notwendigen Schutzmaßnahmen ermächtigt und für spezielle Anwendungsfälle durch Standardmaßnahmen ergänzt wird.92 Die in § 28 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 IfSG genannten Tatbestandsmerkmale sind dabei Voraussetzungen für sämtliche Maßnahmen nach dem IfSG.93 Danach müssen Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es muss sich ergeben, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war. Die wohl bedeutsamste Standardmaßnahme im Rahmen der Coronapandemie ist die Absonderung, die in § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG geregelt ist.94 Eine Absonderung liegt vor, wenn sich eine bestimmte Person eine bestimmte Zeit an einem bestimmten Ort aufhalten muss und sich in der Zeit nicht frei bewegen darf.95 Entgegen zweifelnder Stimmen in der Literatur fällt auch die Absonderung in der eigenen Wohnung unter § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG.96 Gesetzliche Tätigkeitsverbote nach §§ 34, 42 IfSG bestehen für die Coronavirusinfektion nicht. Die zuständige Behörde kann aber – sofern erforderlich und verhältnismäßig – ein Tätigkeitsverbot nach § 31 IfSG anordnen. Solche spielen indes im Rahmen der Coronapandemie, jedenfalls soweit es um die infektions- oder infektionsverdachtsbedingte Arbeitsverhinderung geht, eine deutlich untergeordnete Rolle.97 Insbesondere sind auf bestimmte Betriebsarten bezogene Öffnungsverbote keine Tätigkeitsverbote i. S. d. § 31 IfSG.98 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird daher allein die Absonderung als vorrangig relevante Maßnahme während der Coronapandemie erörtert.

91 BeckOK InfSchR/Eckart, 11. Ed. (Stand: 15. 1. 2022), § 1 IfSG Rn. 4; Kießling/Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, Einf. Rn. 23; kritisch hierzu Rixen, in: Pandemien als Herausforderung für die Rechtsordnung, 2011, S. 74 ff. 92 Kießling/Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 28 Rn. 1; siehe auch Rixen, in: Pandemien als Herausforderung für die Rechtsordnung, 2011, S. 73 f. 93 BeckOK InfSchR/Johann/Gabriel, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 28 IfSG Rn. 3; vgl. auch Rixen, in: Pandemien als Herausforderung für die Rechtsordnung, 2011, S. 73. 94 Eufinger, DB 2020, 1121; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (Fn. 3). 95 Schlegel/Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 7. 96 Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 5. 6. 2020 – 13 B 776/20.NE, BeckRS 2020, 11272 (Rn. 19); BeckOK InfSchR/Johann/Gabriel, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 30 IfSG Rn. 21; Kießling/Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 30 Rn. 14; Schlegel/Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 7; Geulen/Sothmann, ArbRAktuell 2020, 217; Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1466); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (Fn. 3); a. A. Schmidt/Lindner, COVID19, 3. Aufl. 2021, § 18 Rn. 79; Rixen, NJW 2020, 1097 (1098). 97 Vgl. Geulen/Sothmann, ArbRAktuell 2020, 217; Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1466); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (Fn. 3). Zur Möglichkeit eines Tätigkeitsverbots im Kontext der einrichtungsbezogenen Impfpflicht siehe allerdings § 20a Abs. 3 S. 4, Abs. 5 S. 3 IfSG; zu den Folgen ausführlich Beden, NZA 2022, 611. 98 Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1466).

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(2) Auswirkungen auf den Annahmeverzug Im Falle der nachgewiesenen Coronavirusinfektion wird aufgrund der diesbezüglichen Meldepflicht i. d. R. eine Absonderungspflicht bestehen, entweder infolge einer einschlägigen Anordnung der zuständigen Behörde oder bereits von Gesetzes wegen.99 Auch bei konkretem Infektionsverdacht kann der Arbeitnehmer als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtiger abgesondert werden. Da der Arbeitnehmer seine Wohnung nicht verlassen darf, ist ihm das Erreichen der Betriebsstätte und damit die dortige Arbeitsleistung rechtlich unmöglich.100 Auch eine rechtliche Unmöglichkeit schließt die Leistungsfähigkeit nach § 297 BGB und somit den Annahmeverzug aus.101 bb) Annahmeverzug bei fortbestehender Arbeitsfähigkeit und ausbleibender Absonderung? Idealerweise wären vom zuvor Gesagten alle Fälle erheblicher Infektionsgefahr erfasst. Aufgrund der Meldepflicht bei positivem Testergebnis ist insbesondere bei nachgewiesener Infektion auch in den meisten Fällen hiervon auszugehen. Ausnahmen sind jedoch angesichts der zeitweisen Überlastung der Gesundheitsbehörden nicht ausgeschlossen.102 Der im Frühjahr 2021 neu gefasste § 56 S. 3 IfSG hat ebenfalls die Situation im Blick, dass eine freiwillige Isolation vor Anordnung der Absonderung erfolgt.103 Der Fall fortbestehender Arbeitsfähigkeit und ausbleibender Absonderung trotz (möglicherweise) vom Arbeitnehmer ausgehender Infektions-

99 Vgl. zu Absonderungspflichten in Landesverordnungen Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (36, 37 f.). Siehe beispielhaft § 8 CoronaTestQuarantäneVO NRW v. 4. 5. 2022, GV NRW 2022, S. 581a ff. 100 MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 20; Hohenstatt/Sittard/Hohenstatt/ Krois, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 2 a; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (751); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (566); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (414); Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (36); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113). Denkbar wäre hier auch die Annahme einer Unzumutbarkeit anstelle einer rechtlichen Unmöglichkeit, siehe zur Abgrenzung Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit, 2004, S. 369, dort auch insbesondere Fn. 33. Die dort zitierte Gesetzesbegründung zu Schuldrechtsmodernisierungsgesetz BT-Drucks. 14/6040, S. 129, in der bei einem Arbeitsverbot von einem Fall rechtlicher Unmöglichkeit ausgegangen wird, legt jedoch die in der Literatur überwiegende Einordnung dieser und vergleichbarer Fälle als solche rechtlicher Unmöglichkeit nahe. Zu Leistungen im Homeoffice siehe Gliederungspunkt H. 101 Vgl. BAG, Urt. v. 21. 10. 2015 – 5 AZR 843/14, NZA 2016, 688 (690); LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 14. 7. 2020 – 2 Sa 52/20, BeckRS 2020, 278 (Rn. 116); MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 31, 35; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 37; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 95 Rn. 40; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 83. 102 Siehe Gliederungspunkt D. I. 3. 103 Vgl. BT-Drucks. 19/27291, S. 65.

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

gefahr bedarf mithin der Erörterung.104 Bleibt eine Absonderung vorübergehend oder gänzlich aus und isoliert sich der Arbeitnehmer nicht freiwillig, kommt die Freistellung durch den Arbeitgeber zum Tragen. Ob diese zum Annahmeverzug führt, ist je nach Anlass der Freistellung unterschiedlich zu beurteilen. (1) Nachgewiesene Coronavirusinfektion Steht fest, dass der Arbeitnehmer mit dem Coronavirus infiziert ist, ginge mit seiner Beschäftigung im Betrieb eine erhebliche Gefahr für andere Arbeitnehmer, die mit ihm in Kontakt treten, einher. Dies würde dem Arbeitgeber in den allermeisten Fällen ein Freistellungsrecht geben, denn Tätigkeiten, in denen jeglicher Personenkontakt ausgeschlossen ist, sind selten.105 Den Annahmeverzug schließt das wie gesehen nicht grundsätzlich aus. Doch wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Betrieb nicht beschäftigen kann, weil von ihm eine Gefahr für Dritte ausgeht, und auch keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht, kann dann der Arbeitnehmer überhaupt die geschuldete Leistung anbieten bzw. erbringen? Für den Annahmeverzug und damit für den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ist das entscheidend. (a) Auswirkungen der Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers Vereinzelt wird aus den Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers nach § 618 BGB, § 3 ArbSchG – denen der Arbeitgeber bei Beschäftigung eines nachweislich Infizierten im Betrieb in aller Regel nicht gerecht werden könnte – eine Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers nach § 297 BGB hergeleitet.106 Das ist wenig überzeugend. Die Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers mögen sein Freistellungsrecht begründen. Sieht er sich im Lichte dieser Pflichten gezwungen, eine ihm angebotene Leistung abzulehnen, und mag das auch berechtigt sein, so ändert das allein aber bei hiesigem Verständnis des § 615 S. 1 BGB nichts an der Möglichkeit des Annahmeverzugs.107 Trotz dieser Bedenken ist zu konstatieren, dass die Annahme der Leistungsunfähigkeit nach § 297 BGB bei Verstoß gegen die Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers dem Grundgedanken nach auf einer Linie mit Entscheidungen des BAG liegt, nach denen ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverbot die Leistungsfähigkeit gem. § 297 BGB ausschließt.108 Dem wird – obwohl sich das Beschäftigungsverbot an den Arbeitgeber, nicht an den Arbeitnehmer richtet – z. T. mit Blick 104 Siehe auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (36 ff.); Wolf, in: FS Preis, 2021, S. 1531 (1536). 105 Siehe bereits Gliederungspunkt E. I. 2. a) aa). 106 Fischinger/Hengstberger, JA 2021, 561 (565, 567). 107 Die Norm differenziert nicht nach dem Grund für die Nichtannahme der Leistung, siehe bereits ausführlich Gliederungspunkt E. I. 1. a). 108 BAG, Urt. v. 15. 6. 2004 – 9 AZR 483/03, NZA 2005, 462 (463); Urt. v. 24. 6. 1960 – 1 AZR 96/58, AP MuSchG § 13 Nr. 5.

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auf die Einheit der Rechtsordnung zugestimmt.109 Ungeachtet der Zweifel an dieser Argumentation liegt ein entsprechendes Beschäftigungsverbot im hier diskutierten Fall nicht vor: Eine die Rechtsfolge des § 297 BGB herbeiführende Untersagung der Beschäftigung setzt eine eindeutige und verbindliche hoheitliche Anordnung voraus.110 Die allgemeine Arbeitsschutzpflicht des Arbeitgebers genügt diesen Anforderungen nicht. Aus ihr kann ein Ausschluss des Annahmeverzugs daher nicht hergeleitet werden. (b) Auswirkungen der Arbeitsschutzpflichten des Arbeitnehmers Allerdings ist auch der Arbeitnehmer nach § 15 Abs. 1 S. 2 ArbSchG verpflichtet, für die Sicherheit und Gesundheit derjenigen Personen Sorge zu tragen, die von seinen Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind. Bei Tätigkeit im Betrieb trotz nachgewiesener Infektion würde diese Pflicht in aller Regel verletzt, denn schon durch die Anwesenheit des Arbeitnehmers würden Dritte gefährdet.111 Auch diese öffentlich-rechtliche Verpflichtung erfüllt jedoch nicht die genannten Anforderungen an ein die Leistungsfähigkeit ausschließendes Beschäftigungsverbot. Anders als im Falle der Absonderung, bei der es dem Arbeitnehmer eindeutig untersagt ist, den vorgegebenen Ort zu verlassen, ergeben sich aus § 15 Abs. 1 S. 2 ArbSchG unmittelbar keine eindeutigen Handlungs- oder Unterlassungspflichten. Die Gefährdung Dritter bei der Arbeit bedeutet aber nicht „nur“ eine Kollision der Arbeitspflicht mit den öffentlich-rechtlichen Pflichten des Arbeitnehmers gegenüber dem Staat. Vielmehr konkretisieren diese auch die vertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber – arbeitsschutzwidriges Verhalten bedeutet daher zugleich eine Verletzung des Arbeitsvertrags.112 (aa) Die Abgrenzung selbständiger und leistungsbezogener Nebenpflichten Nicht jedes Leistungsangebot unter Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten führt nun zum Ausschluss des Annahmeverzugs – so hat das BAG etwa in der unterbliebenen Fortbildung eines Rettungssanitäters die Verletzung einer vertraglichen (Neben-)Pflicht gesehen, den Annahmeverzug aber dennoch bejaht.113 Entscheidend ist, ob die Pflichtverletzung mit einer Beeinträchtigung der Arbeitsleistung selbst einhergeht. Denn für den Annahmeverzug kommt es darauf an, dass der Arbeitnehmer die Leistung so anbietet, wie sie zu bewirken ist, § 294 BGB. Auch im Rahmen des § 297 BGB ist entscheidend, ob der Arbeitnehmer in der Lage ist, die Leistung zu bewirken. Daraus folgt: Nur ein Angebot, das nicht der ge109

Boemke, RdA 2017, 192 (194). Vgl. BAG, Urt. v. 21. 10. 2015 – 5 AZR 843/14, NJW 2016, 1977 (1979); Urt. v. 18. 3. 2009 – 5 AZR 192/08, NZA 2009, 611 (612). 111 Vgl. Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (37). Auch Weller/Lieberknecht/ Habrich, NJW 2020, 1017 (1018) gehen von einer Fernbleibepflicht des Arbeitnehmers aus. 112 Siehe bereits Gliederungspunkt C. I. 2. 113 BAG, Urt. v. 18. 3. 2009 – 5 AZR 192/08, NZA 2009, 611 (612). 110

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

schuldeten Hauptleistung selbst entspricht oder aber die Verletzung leistungsbezogener Nebenpflichten nach §§ 241 Abs. 1, 242 BGB114 umfasst, schließt den Annahmeverzug aus. Der Schuldner, der nicht in der Lage ist, die Hauptleistungspflicht wie geschuldet zu erbringen, d. h. unter Einschluss der leistungsbezogenen Nebenpflichten, ist leistungsunfähig nach § 297 BGB. Die Verletzung einer selbständigen, nicht-leistungsbezogenen Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB steht dem Annahmeverzug demgegenüber nicht schlechterdings entgegen.115 Dieses enge Verständnis des Leistungsbegriffs macht eine Abgrenzung zwischen selbständigen Nebenpflichten sowie leistungsbezogenen Nebenpflichten und der Hauptleistungspflicht unentbehrlich. Schon die Terminologie ist in der deutschen Rechtswissenschaft uneinheitlich.116 Nach hiesigem Verständnis sind Hauptpflichten solche, mit denen das Schuldverhältnis zur Entstehung gelangt und die den Vertragstypus charakterisieren117; leistungsbezogene Nebenpflichten sind solche, die zur Hauptleistung akzessorisch sind und ihrer Förderung, Vorbereitung, ordnungsgemäßen Durchführung und Sicherung dienen118 ; Nebenpflichten solche, die Schäden von den Rechtsgütern des Vertragspartners abwenden sollen119. Wie diese Pflichten, namentlich selbständige Nebenpflichten und leistungsbezogene Nebenpflichten, voneinander abzugrenzen sind, ist umstritten. Als Abgrenzungskriterium 114 Schon die hier vorgenommene Differenzierung, nach der die leistungsbezogenen Nebenpflichten unter § 241 Abs. 1, 242 BGB fallen, ist nicht unumstritten, kritisch etwa MüKoBGB/Bachmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 61. Ähnlich wie hier Schulze/Schulze, BGB, 11. Aufl. 2021, § 242 Rn. 2; Staudinger/Olzen, Neubearb. 2019, § 241 BGB Rn. 514; Madaus, Jura 2004, 289 (290). Eine solche Differenzierung klingt auch in BT-Drucks. 14/6040, S. 141 an. 115 In diesem Sinne wohl auch BAG, Urt. v. 24. 9. 2014 – 5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407 (1411), das die Einordnung der Verhaltenspflicht als Bestandteil der Hauptleistungspflicht oder arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht offenlässt, aber eine Abgrenzung zu § 241 Abs. 2 BGB vornimmt. Für ein solch enges Verständnis des Leistungsbegriffs spricht auch die noch zu erörternde Rechtsprechung des BAG zur Zurückweisung eines Angebots, das dem Arbeitgeber wegen Gefährdung seiner selbst, seiner Angehörigen oder anderer Betriebsangehöriger unzumutbar ist, da das Zurückweisungsrecht hier auf Extremfälle begrenzt wird (siehe ausführlich Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (2) (c)). Auch die Entscheidung BAG, Urt. v. 18. 3. 2009 – 5 AZR 192/08, NZA 2009, 611 (612) legt einen solchen Schluss nahe. A. A. wohl Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (37). 116 Einen Überblick über die verwendeten Begrifflichkeiten geben Staudinger/Richardi/ Fischinger, Neubearb. 2019, § 241 BGB Rn. 147 ff., 154. Von verwirrender Terminologie spricht auch Madaus, Jura 2004, 289 (290). 117 Vgl. BeckOK BGB/Sutschet, 61. Ed. (Stand. 1. 2. 2022), § 241 Rn. 13; Erman/Martens, 16. Aufl. 2020, § 241 BGB Rn. 10; MüKoBGB/Bachmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 29; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 241 BGB Rn. 146; Weller, Vertragstreue, 2009, S. 239; Madaus, Jura 2004, 289 (290). 118 Vgl. BeckOK BGB/Sutschet, 61. Ed. (Stand. 1. 2. 2022), § 241 Rn. 14; MüKoBGB/ Bachmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 29; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 241 BGB Rn. 151. 119 BeckOK BGB/Sutschet, 61. Ed. (Stand. 1. 2. 2022), § 241 Rn. 15; Staudinger/Richardi/ Fischinger, Neubearb. 2019, § 241 BGB Rn. 156.

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werden etwa die Klagbarkeit120 sowie der Zeitpunkt der Entstehung der Leistungspflicht121 genannt. Weitgehend durchgesetzt hat sich der Ansatz, der die Abgrenzung nach der Frage vornimmt, welches Interesse durch eine Verletzung der vertraglichen Pflicht betroffen ist – geht es um das Leistungsinteresse, handelt es sich um eine leistungsbezogene Nebenpflicht, geht es um das Integritätsinteresse, handelt es sich um eine selbständige Nebenpflicht.122 So überzeugend dieser Ansatz auch ist, ermöglicht auch er keine eindeutige und allgemeingültige Abgrenzung – die Grenzen sind vielmehr fließend, eine Entscheidung kann nur in wertender Einzelfallbetrachtung erfolgen.123 Das gilt insbesondere dann, wenn eine Pflicht in ihrer Zweckrichtung sowohl Integritäts- als auch Leistungsinteressen betrifft.124 (bb) Die Arbeitsschutzpflicht des Arbeitnehmers als leistungsbezogene Nebenpflicht oder Bestandteil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht Ob die vertragliche Pflicht zu arbeits- und gesundheitsschutzgerechtem Verhalten Bestandteil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht bzw. leistungsbezogene Nebenpflicht gem. § 242 BGB oder aber selbständige Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB ist, wird unterschiedlich beurteilt.125 Die Einordnung als reine Nebenpflicht liegt nicht fern: Sieht man den Zweck der Arbeitsschutzverpflichtung des Arbeitnehmers maßgeblich darin, den Arbeitgeber vor Bußgeldern und Schadensersatzansprüchen zu bewahren126, so würde sie sich 120 Siehe etwa MüKoBGB/Kramer, 4. Aufl. 2001, § 241 Rn. 17; kritisch etwa Madaus, Jura 2004, 289 (290). 121 Weller, Vertragstreue, 2009, S. 256 f. 122 BeckOK BGB/Sutschet, 61. Ed. (Stand. 1. 2. 2022), § 241 Rn. 42; Erman/Martens, 16. Aufl. 2020, § 241 BGB Rn. 14; Jauernig/Mansel, 18. Aufl. 2021, § 241 BGB Rn. 10; MüKoBGB/Bachmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 60; Schulze/Schulze, BGB, 11. Aufl. 2021, § 241 Rn. 4; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 241 BGB Rn. 161; Madaus, Jura 2004, 289 (291); vgl. auch BT-Drucks. 14/6040, S. 125. 123 Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 241 BGB Rn. 162; vgl. auch Erman/ Martens, 16. Aufl. 2020, § 241 BGB Rn. 23; MüKoBGB/Bachmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 60. 124 Erman/Martens, 16. Aufl. 2020, § 241 BGB Rn. 23; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 241 BGB Rn. 162; Madaus, Jura 2004, 289 (291). 125 Als Teil der Hauptleistungspflicht bzw. unselbständige Nebenleistungspflicht eingeordnet von MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 45; ebenso Landmann/Rohmer/Wiebauer, GewO, 86. EL. (Stand: Februar 2021), Vorbem. zu § 15 ArbSchG, Rn. 8; Wiebauer, ZfA 2014, 29 (76); wohl auch Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 16 Rn. 87; weiter noch für sämtliche Arbeitsschutzpflichten Wlotzke, in: FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 723 (756). Demgegenüber als Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB eingeordnet von Preis/ Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (37); Halbhuber, SPA 2020, 169; Fischinger/ Hengstberger, NZA 2021, 392; Kleinebrink, NZA 2020, 1361 (1362); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112. Keine eindeutige Zuordnung bei Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 4; Aligbe, ArbRAktuell 2018, 544; Schmidt/Novara, DB 2009, 1817 (1818); Sievers, jM 2020, 189 (201). Offen bei HK-ArbSchR/ Feldhoff, 1. Aufl. 2014, § 15 – 17 Rn. 38. 126 Vgl. Aligbe, ArbRAktuell 2018, 544.

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

maßgeblich als Schadensabwendungspflicht darstellen, die gemeinhin § 241 Abs. 2 BGB zugeordnet wird127. Die Pflichten nach § 15 Abs. 1 ArbSchG werden zuweilen auch als reine Mitwirkungspflicht verstanden, als bloße Unterstützung des Arbeitgebers bei dessen Arbeitsschutzmaßnahmen. Auch das Stichwort der Mitwirkungspflicht wird eher im Regelungsbereich des § 241 Abs. 2 BGB gebraucht.128 (a) Keine bloße Schadensabwendungs- oder Mitwirkungspflicht Doch erschöpft sich der Zweck der Arbeitsschutzpflicht des Arbeitnehmers tatsächlich in der Abwendung finanzieller Belastungen für den Arbeitgeber oder in der reinen Mitwirkung? Eine solche Sichtweise griffe zu kurz. Zweifellos ist die Schadensabwendung ein Gedanke, welcher der Regelung zugrunde liegt – aber eben nur einer von mehreren. Im Vordergrund steht hingegen die Gewährleistung eines sicheren Arbeitsumfelds, der Erhalt der Gesundheits- und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers selbst sowie Dritter, die von seiner Tätigkeit betroffen sind. Das zeigt schon der Wortlaut der Norm: Beschäftigte haben für ihre Sicherheit und Gesundheit Sorge zu tragen, ebenso wie für diejenige der Personen, die von ihren Handlungen und Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind. Es geht vorrangig um Gesundheitsschutz, nicht um den Schutz des Arbeitgebers vor Sanktionen. Auch aus der Gesetzesbegründung geht dies hervor, dort heißt es: „Die besten Schutzvorkehrungen nutzen nichts, wenn sich die Beschäftigten nicht sicherheitsgerecht verhalten (…). Absatz 1 enthält daher in Übereinstimmung mit Artikel 13 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie die generelle Pflicht der Beschäftigten, zum eigenen wie auch zum Schutz derjenigen, die von den eigenen Handlungen betroffen sein können (…) beizutragen“.129 Die eigenständige Verpflichtung der Beschäftigten soll also die Effektivität der Schutzmaßnahmen sicherstellen. Dass diese allgemeine Gesundheitsschutzpflicht über den Charakter einer bloßen Mitwirkungs- und Unterstützungspflicht hinausgeht, lässt sich mittels systematischer Auslegung belegen. Denn Unterstützungspflichten der Beschäftigten sind gesondert in § 16 ArbSchG geregelt. Die Norm trägt zwar die Überschrift „Besondere Unterstützungspflichten“, was dazu einladen könnte, die Pflicht nach § 15 Abs. 1 ArbSchG als „allgemeine“ Unterstützungspflicht einzuordnen. Die allgemeine Unterstützungspflicht ist jedoch in § 16 Abs. 2 S. 1 ArbSchG enthalten. Die dort enthaltene Vorgabe, dass Beschäftige den Arbeitgeber darin zu unterstützen haben, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz zu gewährleisten und seine Pflichten entsprechend den behördlichen Aufgaben zu erfüllen, legt nahe, dass Zielrichtung und Regelungsgehalt des § 15 Abs. 1 ArbSchG darüber hinausgehen. Mithin steht nicht der Schadensabwendungs- und Unterstützungsgedanke, sondern vielmehr eine eigenständige Verpflichtung der Beschäftigten zum Schutz ihrer selbst und ihrer Kollegen im Vordergrund. Dem entspricht es, dass der Arbeitnehmer auch 127 128 129

Siehe etwa MAH ArbR/Reinfeld, 5. Aufl. 2021, § 33 Rn. 36. MüKoBGB/Machmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 91. BT-Drucks. 13/3540, S. 20.

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über die Weisung und Unterweisung des Arbeitgebers hinaus verpflichtet ist, für die Sicherheit und Gesundheit anderer Sorge zu tragen.130 (b) Untrennbarer Bezug zur Arbeitsleistung selbst Nun geht es gleichwohl um den Schutz der Rechtsgüter Leib und Leben – zwar nicht zwingend des Arbeitgebers, sondern vorrangig der Arbeitnehmer und Dritter –, mithin um einen Regelungsbereich, der gängiger weise § 241 Abs. 2 BGB zugeordnet wird.131 Hieraus allein kann jedoch nicht geschlossen werden, dass es sich bei der Gesundheitsschutzpflicht des Arbeitnehmers um eine reine Nebenpflicht handelt. Wie fließend die Grenzen hier sind, zeigt auch eine Entscheidung des BAG zu Bekleidungsvorschriften, die auf der Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers beruhen: Werden Loyalitätspflichten üblicherweise als Nebenpflichten i. S. d. § 241 Abs. 2 BGB verstanden132, ging das Gericht im Hinblick auf hierauf gestützte Bekleidungsvorschriften von einer besonderen Verknüpfung mit der Arbeitspflicht und somit auch von einer Relevanz der Pflichtverletzung für den Annahmeverzug aus.133 Die besondere Verknüpfung leitete das BAG dort aus einer entsprechenden Weisung des Arbeitgebers ab. Im Hinblick auf die Pflichten nach § 15 Abs. 1 ArbSchG ergibt sie sich aus der Natur der Sache – die Pflicht, sich selbst und Dritte bei der und durch die Tätigkeit nicht zu gefährden, kann von der Arbeitspflicht selbst kaum sinnvoll getrennt werden. Das Gesetz macht hier abstrakte Vorgaben zur Art und Weise, wie die Arbeitsleistung zu erbringen ist, und damit Vorgaben hinsichtlich der ordnungsgemäßen Erbringung der Leistung i. S. d. § 242 BGB.134 Die allgemeine Gesundheitsschutzpflicht des Arbeitnehmers ist damit als leistungsbezogene Nebenpflicht, wenn nicht bereits als Modalität der Hauptleistungspflicht selbst zu verstehen.135 (c) Einordnung der Ergebnisse Aufgrund der untrennbaren Verknüpfung der Erbringung der Arbeitsleistung mit der Pflicht, so zu leisten, dass andere nicht gefährdet werden, kann eine Einordnung als selbständige Nebenpflicht i. S. d. § 241 Abs. 2 BGB insgesamt nicht überzeugen. Da der nachweislich mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer regelmäßig nicht 130

Siehe bereits Gliederungspunkt C. I. 2. Siehe etwa BeckOK BGB/Sutschet, 61. Ed. (Stand: 1. 2. 2022), § 241 Rn. 89; MüKoBGB/Bachmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 50. 132 Siehe Staudinger/Olzen, Neubearb. 2019, § 241 BGB Rn. 515. 133 BAG, Urt. v. 24. 9. 2014 – 5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407 (1411). 134 So auch MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 45; in diesem Sinne wohl auch Landmann/Rohmer/Wiebauer, 86. EL. (Stand: Februar 2021), Vorbem. zu § 15 ArbSchG Rn. 8; Wiebauer, ZfA 2014, 29 (76); Wlotzke, in: FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 723 (756). 135 Die Bedeutung der Abgrenzung zwischen Haupt- und leistungsbezogenen Nebenpflichten ist gering, vgl. MüKoBGB/Bachmann, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 30; wohl auch Erman/ Martens, 16. Aufl. 2020, § 241 BGB Rn. 9; auch offen gelassen in BAG, Urt. v. 24. 9. 2014 – 5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407 (1411). 131

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

in der Lage ist, seine Arbeitsleistung ohne Gefährdung anderer zu erbringen, und so mit seiner Tätigkeit zwingend eine Pflichtverletzung einhergehen würde, ist es ihm nicht möglich, die Leistung in der geschuldeten Art und Weise zu erbringen – diese Leistungsunfähigkeit steht dem Annahmeverzug aufgrund der Regelung des § 297 BGB entgegen.136 Das gilt jedenfalls solange, wie es sich bei der Coronavirusinfektion nicht um ein sozialadäquates Risiko handelt – der weitere Verlauf der Pandemie und insbesondere die Verbreitung und Wirkung der COVID-19-Impfstoffe auch gegen neue Varianten des Virus dürften hier eine entscheidende Rolle spielen. (2) Verdacht der Coronavirusinfektion Bei Freistellung schon aufgrund eines Infektionsverdachts geht der überwiegende Teil der Literatur von einem Anspruch auf Lohnfortzahlung nach §§ 611a Abs. 2, 615 S. 1 BGB aus.137 Ob das zutrifft, entscheidet sich wiederum maßgeblich danach, ob der infektionsverdächtige Arbeitnehmer in der Lage ist, die geschuldete Leistung anzubieten bzw. zu erbringen. (a) Kein Beschäftigungsverbot im Falle des Infektionsverdachts ohne Absonderung oder Tätigkeitsverbot Berücksichtigt man die bereits zitierte Rechtsprechung des BAG, nach der ein hoheitliches Beschäftigungsverbot ausdrücklich und deutlich vorgesehen sein muss, um dem Annahmeverzug entgegenzustehen138, so spricht dies auch hier gegen einen Ausschluss des Annahmeverzugs, sofern keine Absonderungsanordnung oder ein Tätigkeitsverbot vorliegen. 136 I. E. ebenso, allerdings bei Einordnung als Nebenpflicht, Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (37). Für ansteckende Krankheiten ebenso Staudinger/Feldmann, Neubearb. 2019, § 297 Rn. 13, der dies allerdings mit der Unzumutbarkeit der Annahme für den Arbeitgeber begründet. Ein Rückgriff auf die Rechtsprechung zur Unzumutbarkeit der Annahme (siehe Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (2) (c)) ist nach hier vertretener Ansicht nicht notwendig. Im Begründungsansatz wie hier, allerdings im Hinblick auf den Infektionsverdacht Wolf, in: FS Preis, 2021, S. 1531 (1538). In eine andere Richtung weist zwar eine ältere Entscheidung des BAG, die sich mit den Fragerechten des Arbeitgebers auseinandersetzt, siehe Urt. v. 7. 6. 1984 – 2 AZR 270/83, NZA 1985, 57: Ein Fragerecht nahm das Gericht hinsichtlich ansteckender Erkrankungen an, welche die Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigen. Nimmt man die Entscheidung beim Wort, gehen Ansteckungsgefahr und Leistungsunfähigkeit nicht Hand in Hand. Der Aussagegehalt dieser Entscheidung sollte in diesem Punkt jedoch nicht überbewertet werden, da sie sich nicht mit Fragen des Annahmeverzugs und der Leistungsfähigkeit in diesem Sinne oder den Auswirkungen gefährlicher Krankheiten im Spezifischen auseinandersetzte. 137 Vgl. Dahl/Göpfert/Helm/Giese/Schotter, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 5 Rn. 15; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 60; Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 15; Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (162); Bonanni, ArbRB 2020, 110 (111); Dehmel/ Hartmann, BB 2020, 885 (888); Fuhlrott, GWR 2020, 107 (109); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114); Stück, CCZ 2020, 205 (209); wohl auch von Steinau-Steinrück/Mosch, NJWSpezial 2009, 578; Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1019). 138 BAG, Urt. v. 21. 10. 2015 – 5 AZR 843/14, NJW 2016, 1977 (1979); Urt. v. 18. 3. 2009 – 5 AZR 192/08, NZA 2009, 611 (612).

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Zwar gibt Ziffer 4.2.11 S. 2 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel i. d. F. v. 24. 11. 2021 dem Arbeitgeber auf, Infektionsverdächtige zum Verlassen des Betriebs aufzufordern. Satz 1 derselben Norm sieht vor, dass Arbeitnehmer bei Symptomen einer Atemwegserkrankung mit Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion der Arbeitsstätte fernzubleiben haben. Den Vorgaben fehlt es allerdings an einer rechtlichen Verbindlichkeit.139 Die Norm erfüllt nicht die bereits genannten, vom BAG aufgestellten Anforderungen für den Ausschluss des Annahmeverzugs durch hoheitliche Vorgaben. Weder Voraussetzungen noch Rechtsfolgen lassen sich ihr hinreichend eindeutig entnehmen. Ob nur Verdachtsmomente, die auch eine Absonderung rechtfertigen würden, oder schon jeglicher auch entfernte Kontakt zu Infizierten, oder aber die Symptome allein ausreichen, wird nicht deutlich. Wichtiger noch lässt die Norm nicht erkennen, wie lange ein entsprechender Verdacht der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers entgegenstehen soll. (b) Der Infektionsverdacht als Frage der Beweislast Nun kommt ein Ausschluss des Annahmeverzugs bei Freistellung selbstredend nicht ausschließlich im Falle eines gesetzlichen oder behördlichen Beschäftigungsverbots in Betracht – das zeigen schon die obigen Ausführungen zur nachgewiesenen Infektion, bei der eine Gefahr für Dritte der vertragsgemäßen Leistung entgegenstehen kann. Dass eine solche Gefahr vorliegt, steht im Verdachtsfalle aber gerade noch nicht fest. Führt eine Coronavirusinfektion aufgrund der Gefahr für Dritte zur Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers, während er im nicht infizierten Zustand grundsätzlich in der Lage ist, die Leistung zu erbringen, dann muss die Ungewissheit über den Infektionsstatus des Arbeitnehmers am Ende zu Lasten der einen oder anderen Partei gehen. Der Problemkomplex lässt sich mithin als Frage der Beweisbarkeit der Möglichkeit der Leistungserbringung begreifen.140 Allerdings ist nicht auf den ersten Blick eindeutig, wer in dieser Frage beweisbelastet ist. Denn der Ausschluss des Annahmeverzugs bei einem Leistungsangebot, das zur Gefährdung Dritter führen würde, ließe sich einerseits aus dem Fehlen eines vertragsgemäßen Angebots herleiten, andererseits aus der fehlenden Fähigkeit des Arbeitnehmers, die vertragsgemäße Leistung zu erbringen. Für ein ordnungsgemäßes Angebot ist der Arbeitnehmer beweisbelastet, für die fehlende Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber.141 Es ist im hiesigen Kontext überzeugender, dem Arbeitgeber die Beweislast für die positive Tatsache der Coronavirusinfektion aufzubürden, als dem Arbeitnehmer diejenige des negativen Umstandes, dass eine solche nicht 139

Siehe schon Gliederungspunkt C. I. 1. b) bb). So in Ansätzen, i. E. jedoch anders als hier Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (567), die die Anwendung des § 297 BGB von der nachträglichen Feststellung der Infektion abhängig machen. A. A. Wolf, in: FS Preis, 2021, S. 1531 (1538), der auch im Verdachtsfall von einer Leistungsunfähigkeit i. S. d. § 297 BGB ausgeht. 141 BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 615 BGB Rn. 85 f.; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 107, 109; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 131 f.; Kleinebrink, DB 2022, 392 (398). 140

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

vorlag.142 Die Tatsache, dass die Leistung bei Infektion ausbleiben muss, folgt aus dem unveränderlichen, körperlichen Zustand des Arbeitnehmers – selbst wenn er wollte, könnte er keine Leistung in Präsenz ohne damit einhergehende Infektionsgefahr anbieten.143 Er ist hierzu außerstande – das entspricht gerade der Regelungsmaterie des § 297 BGB. Auch das Günstigkeitsprinzip bei der Beweislastverteilung144 spricht für dieses Ergebnis, denn mit Blick auf das Vergütungsrisiko ist eine Coronavirusinfektion des Arbeitnehmers bei verdachtsbedingter Freistellung eine aus Sicht des Arbeitgebers günstige Tatsache. Vergleichbar dürfte aufgrund der Gefährdung Dritter die Fallgestaltung eines alkoholisierten Maschinenführers sein – auch dieser ist leistungsunfähig, die Alkoholisierung hat der Arbeitgeber zu beweisen.145 Ist die Frage der Coronavirusinfektion mithin als eine solche der Leistungsfähigkeit einzuordnen, und kann ein bestehender Verdacht etwa mangels Durchführung eines Tests nicht bestätigt werden, geht dies zulasten des freistellenden Arbeitgebers, der die Leistungsunfähigkeit als Ausschluss des Annahmeverzugs nicht nachweisen kann.146 Weiterhin ist die Leistungsfähigkeit dann zu bejahen, wenn der Infektionsverdacht durch ein negatives Testergebnis widerlegt wird.147 Das ist u. U. allerdings erst nach einigen Tagen und erst nach wiederholt negativem Ergebnis möglich. Wird hingegen die Infektion durch ein positives Testergebnis bestätigt, steht sodann i. d. R., soweit nicht eine mit der Tätigkeit einhergehende, unzumutbare Gefährdung Dritter ausgeschlossen ist, die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers fest und der Annahmeverzug scheidet aus.148 Ob bereits für eine Zeitspanne der Freistellung vor Durchführung des schließlich positiven Coronatests von einer Leistungsunfähigkeit ausgegangen werden kann, hängt davon ab, ob der Arbeitnehmer bereits vorher ansteckungsfähig war und der Arbeitgeber dies hinreichend darlegen und beweisen kann. Dies dürfte beim vorherigen Auftreten von Symptomen leichter fallen als in anderen Fällen. Die Ausführungen führen zu folgendem Zwischenergebnis: Kann eine infektionsbedingte Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers für den Zeitraum der Freistellung oder auch nur für einen Teil desselben nicht nachgewiesen werden, ist grundsätzlich von der Leistungsfähigkeit auszugehen. Soweit der Arbeitnehmer die 142

So i. E. auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (37); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (567). 143 Vgl. auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (37). 144 Siehe etwa BGH, Urt. v. 6. 10. 2010 – VII ZR 185/13, NJW 2017, 386 (387); Urt. v. 10. 3. 2010 – VI ZR 264/08, NJW-RR 2010, 1378 (1379); BeckOK ZPO, 44. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 284 Rn. 72. 145 LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 28. 11. 1988 – 4 Sa 382/88, NZA 1989, 472. 146 Ähnlich Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (38); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (567). 147 Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (567); wohl auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (38). 148 Siehe oben Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (1).

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Arbeitsleistung angeboten hat oder ein Angebot entbehrlich war, führt dies zum Annahmeverzug des Arbeitgebers, mithin zu einem Lohnfortzahlungsanspruch nach § 611a Abs. 2, 615 S. 1 BGB, soweit nicht weitere Ausnahmen eingreifen, die dem entgegenstehen. (c) Ausschluss des Annahmeverzugs wegen Unzumutbarkeit der Annahme? Ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn kann ausgeschlossen sein, wenn die Annahme der Leistung dem Arbeitgeber aufgrund besonderer Umstände unzumutbar ist.149 Die Begrifflichkeit der Unzumutbarkeit der Annahme ist leicht missverständlich und nicht mit der Unzumutbarkeit der Beschäftigung, wie sie oben diskutiert wurde, gleichzusetzen. Mit den Worten des BAG geht es um ein Überwiegen der Interessen des Arbeitgebers gegenüber dem Vergütungsinteresse des Arbeitnehmers, nicht – wie oben – gegenüber dessen Beschäftigungsanspruch.150 (aa) Entstehung des Gedankens der Unzumutbarkeit der Annahme Ihren Ursprung hat die Überlegung der Unzumutbarkeit der Annahme der Leistung dort, wo die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers vorlägen, diese wegen eines Kündigungsverbots jedoch ausgeschlossen ist.151 Weitere Anwendungsfälle umfassen die Verzögerung der außerordentlichen Kündigung wegen notwendiger Sachverhaltsaufklärung bei Verdachtskündigungen sowie die Unwirksamkeit der Kündigung wegen Missachtung des Kündigungsverfahrens.152 Deutlich wird: Die Unzumutbarkeit der Annahme der Leistung wurde bislang jeweils im Kontext außerordentlicher Kündigungen relevant. So wird als Anwendungsvoraussetzung regelmäßig eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers genannt, die schwerer wiegt als der Grund für eine außerordentliche Kündigung, etwa deswegen, weil sie zu einer Gefährdung der Rechtsgüter des Arbeitgebers, seiner Angehörigen oder anderer Betriebsangehöriger führt.153 Eine Gefährdung absolut geschützter Rechtsgüter des Arbeitgebers und der Betriebsangehörigen droht auch bei Beschäftigung eines potenziell mit dem Coronavirus Infizierten.

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BAG, Beschl. v. 26. 4. 1956 – GS 1/56, NJW 1956, 1454 (1456). Vgl. BAG, Beschl. v. 26. 4. 1956 – GS 1/56, NJW 1956, 1454 (1456). 151 In BAG, Beschl. v. 26. 4. 1956 – GS 1/56, NJW 1956, 1454 bestand ein mutterschutzrechtliches Kündigungsverbot zugunsten der betroffenen Arbeitnehmerin. 152 Siehe etwa BAG, Urt. v. 16. 4. 2014 – 5 AZR 739/11, NZA 2014, 1082 (1082 f.); Urt. v. 1. 7. 1993 – 2 AZR 88/93, BeckRS 1993, 30745677; Urt. v. 29. 10. 1987 – 2 AZR 144/87, NZA 1988, 465; Urt. v. 11. 11. 1976 – 2 AZR 457/75, NJW 1978, 72 (75); LAG Berlin, Urt. v. 27. 11. 1995 – 9 Sa 85/95, NZA-RR 1996, 283 (284). 153 BAG, Urt. v. 16. 4. 2014 – 5 AZR 739/11, NZA 2014, 1082 (1082 f.); Urt. v. 29. 10. 1987 – 2 AZR 144/87, NZA 1988, 465; Beschl. v. 26. 4. 1956 – GS 1/56, NJW 1956, 1454 (1455); Konzen/Weber, AP BGB § 615 Nr. 42. 150

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

(bb) Übertragbarkeit auf das fortbestehende Arbeitsverhältnis? Es ist allerdings bereits fraglich, ob diese Rechtsprechungslinie überhaupt auf Suspendierungen im laufenden und nicht zu beendenden Arbeitsverhältnis übertragen werden kann. Der Arbeitnehmer, der wegen Infektionsverdachts von der Arbeitsleistung freigestellt wird, soll nach Ablauf der empfohlenen Absonderungsdauer in der Regel an den Arbeitsplatz zurückkehren.154 Schon die Voraussetzung einer schwerwiegenden Pflichtverletzung will an dieser Stelle nicht so recht passen. Kommt der Betroffene seiner Informationspflicht nach und führt keine unmittelbare Gefährdung anderer Arbeitnehmer oder Dritter im Betrieb herbei, könnte eine solche nur in der Herbeiführung des Infektionsverdachts selbst liegen. Das führt unweigerlich zu der Frage, inwiefern den Arbeitnehmer eine schuldrechtliche Sorgfaltspflicht hinsichtlich seiner eigenen Gesundheit gegenüber seinem Arbeitgeber trifft. Anerkannt ist, dass der Arbeitnehmer auch in seiner privaten Lebensführung insoweit eingeschränkt ist, als er sich nicht mittels berauschender Mittel in einen Zustand der Leistungsunfähigkeit zum geschuldeten Leistungszeitpunkt versetzen darf.155 Auf Infektionen und Krankheiten ist dies aufgrund deren eingeschränkter Kontrollierbarkeit wenn überhaupt nur sehr begrenzt übertragbar. Außerhalb des Anwendungsbereichs des EFZG – der Arbeitnehmer muss während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit ein genesungswidriges Verhalten unterlassen156 – besteht keine allgemeingültige Pflicht des Arbeitnehmers, sich in seinem Privatleben so zu verhalten, dass seine Arbeitsfähigkeit und Leistungskraft erhalten werden.157 (cc) Verzicht auf die Voraussetzung der schwerwiegenden Pflichtverletzung? Zu erwägen ist, ob auf die Voraussetzung einer schwerwiegenden Pflichtverletzung verzichtet werden und der Infektionsverdacht selbst ein Überwiegen der Arbeitgeberinteressen gegenüber dem Vergütungsanspruch begründen kann.158 In diese Richtung weist eine Entscheidung des LAG Baden-Württemberg, in der eine Unzumutbarkeit der Annahme der Arbeitsleistung einer Kindergärtnerin angenommen wurde, die aufgrund unerwarteter Sturzattacken für die Tätigkeit nicht mehr geeignet 154 Ansteckende Krankheiten können zwar auch zur außerordentlichen Kündigung berechtigen, siehe ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 626 BGB Rn. 110, man wird hier jedoch eine gewisse Dauerhaftigkeit der Erkrankung fordern müssen. 155 BAG, Urt. v. 26. 1. 1995 – 2 AZR 649/94, NZA 1995, 517 (519); Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 127 Rn. 65; Müller, NJOZ 2019, 1105 (1107). 156 LAG Köln, Urt. v. 19. 4. 2012 – 7 Sa 1399/11, BeckRS 2013, 69791; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 39. 157 Siehe BAG, Urt. v. 23. 6. 1994 – 2 AZR 617/93, NJW 1995, 275 (277); Sievers, jM 2020, 189 (201); Sievers/Kruppa, jM 2022, 22 (27); ausdrücklich eine Pflicht zu gesundheitsförderndem Verhalten ablehnend ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 731; MHdbArbR/ Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 47; HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 70; Schäfer, NZA 1992, 529 (530); a. A. Houben, NZA 2000, 128 (131). Ausnahmen sind im Lichte der §§ 241 Abs. 2, 242 BGB denkbar. 158 Eine Neujustierung erwägen auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (39).

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war.159 Nicht nur Gründe in dem Verhalten des Arbeitnehmers, sondern auch solche, die in seiner Person begründet liegen und auf die er keinen Einfluss hat, seien ausreichend, um die Unzumutbarkeit zu begründen.160 Die fehlende Anknüpfung an ein bereits erfolgtes, vorwerfbar pflichtverletzendes Verhalten des Arbeitnehmers kann jedoch nicht überzeugen. Die Figur der Unzumutbarkeit der Annahme basiert auf den Grundsätzen von Treu und Glauben161, spezifischer noch der missbräuchlichen Rechtsausübung.162 Wer sich so verhält, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar wird und zusätzlich schutzwürdige Rechtsgüter gefährdet, soll hierfür nicht „belohnt“ werden, indem er trotz ausbleibender Arbeitsleistung seine Vergütung erhält.163 Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist erkennbar auf verwerfliche Verhaltensweisen des Arbeitnehmers ausgerichtet.164 Gründe allein in der Person des Arbeitnehmers reichen demnach nicht aus, die Unzumutbarkeit der Annahme zu begründen. Zwar ist dem LAG Baden-Württemberg in seiner Einschätzung, dass die Beschäftigung des Arbeitnehmers bei Gefährdung Dritter nicht zumutbar ist, zuzustimmen. Das begründet jedoch erst das Freistellungsinteresse des Arbeitgebers – die betroffenen Interessen wiegen schwerer als der Beschäftigungs-, nicht jedoch zwingend auch als der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers. Da eine unbezahlte Freistellung den Arbeitnehmer außerdem ungleich stärker belastet als eine bezahlte, müssen die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit in diesem Kontext enger gefasst werden als diejenigen der Unzumutbarkeit der Beschäftigung, die zur Freistellung berechtigt.165 Bei einem Gleichlauf müsste die Interessenabwägung im Rahmen der Befreiung des Arbeitgebers von der Beschäftigungspflicht u. U. anders ausfallen, da die Interessen des Arbeitnehmers stärker zu gewichten wären. Interessengerechte Lösungen können darüber hinaus in der Regel anhand der Prüfungspunkte des ordnungsgemäßen Leistungsangebots sowie der Leistungsfähigkeit herbeigeführt werden, wenn die Pflicht zu arbeitsschutzgerechtem Verhalten wie hier als Modalität der Hauptleistungspflicht bzw. leistungsbezogene Nebenpflicht aufgefasst wird.166

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LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 1. 9. 2005 – 11 Sa 18/05, BeckRS 2005, 31047721. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 1. 9. 2005 – 11 Sa 18/05, BeckRS 2005, 31047721. 161 Grundlegend BAG, Beschl. v. 26. 4. 1956 – GS 1/56, NJW 1956, 1454 (1455 f.); siehe auch ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 62; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 44; Konzen/Weber, AP BGB § 615 Nr. 42. 162 Vgl. Bauer/Baeck, NZA 1989, 784 (786). 163 Vgl. BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 615 BGB Rn. 43. 164 Siehe nur BAG, Urt. v. 16. 4. 2014 – 5 AZR 739/11, NZA 2014, 1082; Urt. v. 29. 10. 1987 – 2 AZR 144/87, NZA 1988, 465 (Ls.); Beschl. v. 26. 4. 1956 – GS 1/56, NJW 1956, 1454 (Ls. 2). 165 So auch Bauer/Baeck, NZA 1989, 784 (787); Sievers, jurisPR-ArbR 13/2021 Anm. 4. 166 Auch das LAG Baden-Württemberg geht in der Entscheidung v. 1. 9. 2005 – 11 Sa 18/05, BeckRS 2005, 31047721 von einer Leistungsunfähigkeit der Arbeitnehmerin aus und erörtert die Unzumutbarkeit der Annahme lediglich in einem ergänzenden, zweiten Schritt. 160

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

Im Fall der Freistellung wegen Infektionsverdachts lässt sich die Rechtsprechung zur Unzumutbarkeit der Annahme mithin mangels Pflichtverletzung i. d. R. nicht übertragen, sie steht dem Annahmeverzug nicht entgegen.167 (d) Ausschluss des Annahmeverzugs wegen verweigerter Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Aufklärung des Infektionsverdachts Nach dem bisher Gesagten trägt der Arbeitgeber das Vergütungsrisiko für Zeiträume der Freistellung, in denen eine der Arbeitsleistung entgegenstehende Infektionsgefahr nicht hinreichend belegt werden kann. Dies folgt maßgeblich aus der den Arbeitgeber treffenden Beweislast für die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Nun ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers regelmäßig keine nähere Kenntnis hat; hinsichtlich des Beweises der Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers im Krankheitsfall hat die Rechtsprechung daher eine Erleichterung zugunsten des Arbeitgebers entwickelt, nach der es genügt, wenn der Arbeitgeber Indizien für die Leistungsunfähigkeit aufgrund des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers vorträgt, deren Wirkung der Arbeitnehmer nicht erschüttert.168 Weist der Arbeitnehmer nun etwa nach Rückkehr aus einem Risikogebiet oder bekanntem, engem Kontakt zu einer infizierten Person deutliche Symptome der COVID-19-Erkrankung auf, kommt eine Anwendung dieser Beweislasterleichterung durchaus in Betracht. Übertragbar erscheint darüber hinaus ein Gedanke aus dem Entgeltfortzahlungsrecht: Hinsichtlich des dort relevanten Eigenverschuldens des Arbeitnehmers wird eine Mitwirkungspflicht desselben zur Aufklärung des Sachverhaltes anerkannt; die Verweigerung der Mitwirkung führt dazu, dass von einem Verschulden

167 Ebenso Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (165); Sievers, jurisPR-ArbR 13/2021 Anm. 4; a. A. Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (567); Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (39 f.); Sievers, jM 2020, 189 (198). Die Autoren erwägen alternativ insbesondere die Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs nach § 616 BGB. Im Falle der Freistellung des an sich leistungsfähigen Arbeitnehmers beruht der Ausfall der Arbeitsleistung aber nur mittelbar auf Gründen in der Person des Arbeitnehmers, vorrangig aber auf der Entscheidung des Arbeitgebers, die Leistung nicht anzunehmen – § 616 BGB ist daher nicht einschlägig, vgl. wiederum Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (164). Übertragbar könnte der Gedanke hingegen dann sein, wenn der Arbeitnehmer seine Offenbarungspflicht verletzt und ohne Wissen des Arbeitgebers trotz erheblichen Infektionsverdachts im Betrieb erscheint und arbeitet. Im Einzelfall, insbesondere bei diesbezüglich sensiblen Tätigkeiten und Gefährdung Dritter, könnte hierin eine hinreichend schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zu sehen sein. Sofern die Freistellung aber aufgrund des Infektionsverdachts – von dem der Arbeitgeber dann auf anderem Wege erfahren müsste – und nicht aufgrund der Informationspflichtverletzung erfolgt, scheint ein hinreichender Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Freistellung in diesem Fall allerdings nicht gegeben. 168 Siehe BAG, Urt. v. 21. 7. 2021 – 5 AZR 543/20, NZA 2021, 1710 (1711); Urt. v. 22. 8. 2018 – 5 AZR 592/17, NJW 2019, 171 (173); Urt. v. 5. 11. 2003 – 5 AZR 562/02, BeckRS 2004, 40157; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23. 3. 2010 – 3 Sa 714/09, BeckRS 2010, 71455; LAG Düsseldorf, Urt. v. 23. 3. 2007 – 9 Sa 292/07, NZA-RR 2007, 457 (458).

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ausgegangen werden kann.169 Verlangt der Arbeitgeber, nachdem er von dem Infektionsverdacht erfahren und den Arbeitnehmer freigestellt hat, die Durchführung eines Coronatests zur Bestätigung oder Widerlegung des Verdachts und verweigert der Arbeitnehmer einen solchen, scheint es in vergleichbarer Weise geboten, die Leistungsunfähigkeit zu unterstellen – alles andere würde dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, das Vergütungsrisiko in diesem Kontext stets dem Arbeitgeber anzulasten. Weder das Arbeits- noch das Datenschutzrecht dürften der Forderung des Testnachweises hier entgegenstehen: Die vertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers, an der Aufklärung des Verdachts mitzuwirken, folgt aus seiner Treuepflicht.170 Der Arbeitgeber hat ein schutzwürdiges Interesse daran, die Frage der Leistungsfähigkeit aufzuklären – das Interesse des Arbeitnehmers, seinen Infektionsstatus im bereits bestehenden Verdachtsfall geheim zu halten, ist zwar Bestandteil seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, tritt hier aber hinter die nach Art. 12, 14 GG geschützte Position des Arbeitgebers zurück.171 Datenschutzrechtlich dürfte das Recht des Arbeitgebers, die Vergütung zu verweigern, sofern eine Infektion vorliegt, ausreichen, um eine Verarbeitungsbefugnis nach § 26 Abs. 3 BDSG zu begründen.172 (e) Einordnung der Ergebnisse Demnach ergibt sich folgendes Bild: Der Arbeitgeber trägt grundsätzlich das Vergütungsrisiko für den Zeitraum des Arbeitsausfalls wegen einseitiger Freistellung aufgrund eines nicht bestätigten oder widerlegten Infektionsverdachts. Ihm ist aber die Möglichkeit zu gewähren, den Verdacht aufklären zu lassen – wird er bestätigt, entfallen spätestens ab dem Zeitpunkt der Probenentnahme die Voraussetzungen des Annahmeverzugs, sofern die nachgewiesene Infektion wegen Ansteckungsgefahr zur Leistungsunfähigkeit führt. Verweigert der Arbeitnehmer die Vornahme eines Tests zur Aufklärung des Verdachts, muss sich dies auf das Vergütungsrisiko auswirken – unter Übertragung der zur Mitwirkungspflicht zur Aufklärung eines Verschuldens i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG entwickelten Grundsätze ist von einem Fortfall der Voraussetzungen des Annahmeverzugs auszugehen. Voraussetzung muss 169 ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 32; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 85; Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (566). 170 Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 197. 171 In diesem Sinne Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 198. 172 Vgl. Gräf, NZA 2021, 1361 (1366), der im Hinblick auf die Impfstatusabfrage argumentiert, sofern eine fehlende Impfung zu einem Ausschluss des Entschädigungsanspruchs nach § 56 Abs. 1 IfSG führt, Pflicht aus dem Arbeitsrecht könnte die Vorleistungspflicht des Arbeitgebers sein, Recht aus dem Arbeitsrecht der Erstattungsanspruch gegen die Behörde, wobei es dem Arbeitgeber unzumutbar sei, ohne realisierbaren Erstattungsanspruch in Vorleistung zu gehen. Der Gedanke ist auf den hiesigen Fall übertragbar – auch hier geht es darum, dem Arbeitgeber Kenntnis über eine in treffende Zahlungsverpflichtung zu verschaffen.

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

indes sein, dass der Arbeitgeber das Bestehen eines Infektionsverdachts hinreichend begründet hat. (3) Vergütungspflicht bei einseitiger Freistellung gerade wegen der Verweigerung der Vorlage eines berechtigterweise verlangten Testergebnisses Verlangt der Arbeitgeber einen Testnachweis nicht, um die Verteilung des Vergütungsrisikos aufzuklären, sondern vielmehr als Tätigkeitsvoraussetzung, ist die Sachlage eine andere. Anlass kann ein Infektionsverdacht, eine angespannte Infektionslage, soweit diese zur Anforderung des Testnachweises berechtigt, oder auch die von November 2021 bis März 2022 geltende 3-G-Nachweis-Pflicht am Arbeitsplatz173 sein. Eine solche Forderung ist mit einer sog. Gesundschreibung vergleichbar, bei welcher der Arbeitgeber nach dem Ende einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit den Nachweis der Arbeitsfähigkeit fordert.174 Da eine Gesundschreibung regelmäßig nicht geschuldet und der Arbeitgeber sie zu fordern nicht berechtigt ist, führt die Nichtbeschäftigung bei entsprechender Verweigerung des Arbeitnehmers zum Annahmeverzug.175 Doch wie ist die Lage zu beurteilen, wenn der Arbeitgeber den Nachweis der Infektionsfreiheit berechtigterweise fordert? Das Vorliegen der Voraussetzungen des Annahmeverzugs wegen verweigerter Untersuchungen wurde in der Rechtsprechung bereits mehrfach verneint – dies jedoch explizit in Bezug auf sog. G-25-Untersuchungen, die für Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten aufgrund des berufsgenossenschaftlichen Grundsatzes 904, Ziffer 25 Eignungs- und damit Tätigkeitsvoraussetzung sind.176 Dasselbe Ergebnis greift für Verstöße gegen die zeitweise in § 28b IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 vorgesehene 3-G-Nachweis-Pflicht am Arbeitsplatz – hier war der Arbeitnehmer, wenn er weder Genesenen-, Impf- noch Testnachweis vorlegen konnte, nicht berechtigt, die Betriebsstätte zu betreten. Da es in seinen Verantwortungsbereich fällt, die Arbeitsstätte zu erreichen, kann dieser Fall jedenfalls in die Nähe des Wegerisikos gerückt werden; das Risiko des Arbeitsausfalls trägt der Arbeitnehmer, der Annahmeverzug ist ausgeschlossen.177 Und auch, wenn der Arbeitgeber den Testnachweis mittels Direktionsrechtsausübung wirksam anordnet, scheint eine entsprechende Bewertung nicht fernliegend. Der Fall ist anders gelagert als derjenige, in dem der Arbeitgeber unabhängig von der Vorlage eines negativen Testergebnisses nicht bereit ist, den infektions173

Siehe BGBl. 2021, I, S. 4906 (4907 ff.). So auch Steiner/Steinicke, NZA 2020, 1150 (1152). 175 LAG Düsseldorf, Urt. v. 17. 7. 2003 – 11 Sa 183/03, NZA-RR 2004, 65 (67); Steiner/ Steinicke, NZA 2020, 1150 (1152). 176 LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 14. 7. 2020 – 2 Sa 52/20, BeckRS 2020, 23278 (Rn. 123); LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23. 3. 2010 – 3 Sa 714/09, BeckRS 2010, 71455 (Rn. 48); ArbG Frankfurt, Urt. v. 12. 10. 2011 – 7 Ca 1552/11, juris (Rn. 64). 177 So i. E. auch Harländer/Otte, NZA 2022, 160; dies., DB 2021, 3093 (3096); Felz, ARP 2021, 258 (359); Fuhlrott/Schäffer, NZA 2021, 1679 (1680); Kleinebrink, DB 2022, 392 (394). 174

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verdächtigen Arbeitnehmer zu beschäftigen, etwa weil er den Infektionsverdacht durch die Momentaufnahme des Coronatests nicht als ausgeräumt betrachtet. Dann knüpft die Freistellung an einen unveränderlichen Zustand des Arbeitnehmers an. Die Forderung, der Infektionsverdächtige möge dem Betrieb fernbleiben, ist weniger eine Konkretisierung der Handlungspflichten des Arbeitnehmers als vielmehr die Erklärung, die Arbeitsleistung nicht annehmen zu wollen. Hier gilt oben Gesagtes, die Verteilung des Vergütungsrisikos ist in erster Linie eine Beweislastfrage.178 Fordert der Arbeitgeber aber auf Basis seines Direktionsrechts berechtigterweise einen Coronatest, sei es aufgrund eines Infektionsverdachts oder aus anderen, diese Forderung rechtfertigenden Umständen, gerade weil er den Arbeitnehmer mit negativem Ergebnis beschäftigen will, so ist die Vorlage des Tests eine – auch für den infektionsverdächtigen Arbeitnehmer – erfüllbare Tätigkeitsvoraussetzung. Verweigert sich der Arbeitnehmer in diesem Fall, lässt sich der Ausschluss des Annahmeverzugs auf mehreren Wegen herleiten: Bei Einordnung der Tätigkeit im getesteten Zustand als Aspekt der Art und Weise der Arbeitsleistung i. S. d. § 242 BGB oder der Testvorlage als Voraussetzung für das Erreichen des Arbeitsplatzes stünde die Verweigerung des Tests der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers entgegen.179 Das LAG München lehnte die Leistungswilligkeit des Arbeitnehmers, die ebenfalls im Rahmen des § 297 BGB Berücksichtigung finden muss, bei Verweigerung eines zulässigerweise geforderten Coronatests ab.180 Versteht man die Anweisung zur Testvorlage oder -durchführung hingegen weniger als Konkretisierung der Art und Weise der Arbeitsleistung, sondern vielmehr als Auferlegung einer zusätzlichen, selbständigen Nebenpflicht, gilt das nicht.181 Auch diese Einordnung würde an der Verteilung des Vergütungsrisikos jedoch letztlich nichts ändern: Der Arbeitgeber kann dem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers auch bei bestehender Leistungsfähigkeit ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB entgegenhalten, wenn dieser seinerseits arbeitsvertragliche Nebenpflichten nicht erfüllt.182 An das Bestehen und Ausüben des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB im Hinblick auf die Beschäftigung knüpft das BAG auch die Befugnis, die Vergütungszahlung zu verweigern.183 Anders als bei einer Freistellung, die an einen unveränderlichen Zustand der Infektion oder des Infektionsverdachts auf Seiten des Arbeitnehmers anknüpft, besteht ein fälliger, durchsetzbarer Anspruch auf Erfüllung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, sodass das Zurückbehaltungsrecht Anwen178

Siehe Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (2) (b). So im Ergebnis Freh/Daneshian, ArbRB 2021, 146 (149); Müller-Seubert, DB 15/2021, M4 (M5); Reich, ArbRB 2021, 66; Stück, MDR 2021, 585 (588). 180 LAG München, Urt. v. 26. 10. 2021 – 9 Sa 332/21, COVuR 2022, 56 (57 f.). 181 Die Verletzung einer selbständigen Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB schließt den Annahmeverzug nicht schlechterdings aus, siehe hierzu bereits Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (1) (b) (aa). 182 Zur Auswirkung der Verletzung von Nebenpflichten auf den Annahmeverzug siehe BAG, Urt. v. 18. 3. 2009 – 5 AZR 192/08, NZA 2009, 611 (612). 183 BAG, Urt. v. 18. 3. 2009 – 5 AZR 192/08, NZA 2009, 611 (612). 179

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

dung finden kann.184 Der Arbeitgeber muss sich hierauf ausdrücklich oder stillschweigend berufen.185 Macht er deutlich, den Arbeitnehmer so lange nicht beschäftigen zu wollen, bis dieser einen negativen Coronatest vorliegt, dürfte dies als konkludentes Berufen auf das Zurückbehaltungsrecht jedoch ausreichen. In der Folge entfällt in Übertragung der vom BAG186 entwickelten Grundsätze der Vergütungsanspruch. Es gibt mithin mehrere Wege, um schließlich zum selben Ergebnis zu gelangen – das Vergütungsrisiko im Falle der Verweigerung eines berechtigterweise verlangten Coronatests trifft den Arbeitnehmer. (4) Vergütungspflicht bei Verweigerung unzulässiger Infektionsschutzmaßnahmen Dieses Ergebnis, das Ausbleiben des Annahmeverzugs des Arbeitgebers bei Nichtbeschäftigung aufgrund der Verweigerung eines Coronatests, kann jedoch nur Bestand haben, wenn die Forderung nach einem Test auch berechtigt ist. Überschreitet der Arbeitgeber die Grenzen seines Weisungsrechts und verweigert dem Arbeitnehmer, der die unzulässige Anweisung nicht befolgt, die Beschäftigung, muss der Arbeitgeber hierfür die finanziellen Folgen tragen. Vereinzelt wird dies bei der unberechtigten Forderung nach einem Coronatest unter Verweis auf § 615 S. 2 Var. 3 BGB anders gesehen.187 Hiernach muss der Arbeitnehmer sich den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er durch anderweitige Verwendung seiner Dienste zu erwerben böswillig unterlässt. Ein böswilliges Unterlassen liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich und ohne ausreichende Begründung eine Tätigkeit ablehnt oder verhindert, dass ihm eine solche angeboten wird.188 Schädigungsvorsatz gegenüber dem Arbeitgeber ist nicht erforderlich.189 184 Diese Lösung wurde in den zuvor diskutierten Fallgruppen, in denen die Freistellung an den Zustand des Arbeitnehmers selbst anknüpfte, bewusst ausgespart – die Erbringung der Leistung in einem anderen Zustand ist ihm dort unmöglich, sodass es an einem entsprechenden, durchsetzbaren Anspruch fehlt. Zur Voraussetzung der Fälligkeit und Durchsetzbarkeit des Gegenanspruchs im Rahmen des § 273 BGB siehe MüKoBGB/Krüger, 8. Aufl. 2019, § 273 Rn. 30 f. 185 BAG, Urt. v. 18. 3. 2009 – 5 AZR 192/08, NZA 2009, 611 (612). 186 BAG, Urt. v. 18. 3. 2009 – 5 AZR 192/08, NZA 2009, 611 (612). 187 Nach Müller/Becker, ArbRAktuell 2021, 201 (203) sprechen hierfür gute Argumente. 188 Ständ. Rspr., siehe nur BAG, Urt. v. 23. 2. 2021 – 5 AZR 213/20, NZA 2021, 938 (939); Urt. v. 22. 3. 2017 – 5 AZR 337/16, NZA 2017, 988 (989); Urt. v. 7. 2. 2007 – 5 AZR 422/06, NJW 2007, 2062 (2063); Urt. v. 11. 1. 2006 – 5 AZR 98/05, NZA 2006, 314 (315); Urt. v. 19. 3. 1998 – 8 AZR 139/97, NZA 1998, 750 (752); Urt. v. 18. 10. 1958 – 2 AZR 291/58, NJW 1958, 2084; BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 615 BGB Rn. 73; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 95; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 81; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 169. 189 BAG, Urt. v. 22. 3. 2017 – 5 AZR 337/16, NZA 2017, 988 (989); Urt. v. 11. 1. 2006 – 5 AZR 98/05, NZA 2006, 314 (315); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 95; MHdbARbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 73; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 81; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 169.

I. Deutschland

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Entscheidendes Kriterium im Rahmen des § 615 S. 2 Var. 3 BGB ist jedoch dasjenige der Zumutbarkeit – anders als in der inhaltsgleichen Norm des § 11 Nr. 2 KSchG ist es zwar nicht ausdrücklich genannt, wird aber einhellig in die Norm hineingelesen.190 Bei der Zumutbarkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff.191 Was zumutbar ist, muss anhand der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers anhand des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB ermittelt werden.192 Anerkannt ist, dass auch die Durchführung vertragsfremder Tätigkeiten dem Arbeitnehmer im Einzelfall zumutbar sein und bei Verweigerung die Anwendung der Anrechnungsregel auslösen kann.193 Nun ist zu sehen, dass die Zulässigkeit einer Anweisung zu Coronatests dort, wo sie abgelehnt wurde, an den Grundrechten des Arbeitnehmers scheitert, namentlich an seiner körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 Var. 2 GG sowie seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Diese grundrechtliche Wertung würde leerlaufen, würde man die Beschäftigung unter Vornahme eines Tests nun im Rahmen des § 615 S. 2 Var. 3 BGB als zumutbare und böswillig unterlassene Alternativtätigkeit einordnen, denn die Geltendmachung seiner grundrechtlich geschützten Position würde den Arbeitnehmer gleichwohl um seinen Vergütungsanspruch bringen.194 Zwar ist die nicht vertragsgemäße Arbeit nicht ohne weiteres mit unzumutbarer Arbeit gleichzusetzen195, in dem hier diskutierten Anwendungsfall muss sich die grundrechtliche Wertung jedoch durchsetzen196. Ist das Verlangen eines Tests hingegen bereits zulässig und vom Direkti-

190 Vgl. BAG, Urt. v. 7. 2. 2007 – 5 AZR 422/06, NJW 2007, 2062 (2063); Urt. v. 7. 11. 2002 – 2 AZR 650/00, AP BGB § 615 Nr. 98; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 96; MHdbARbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 73; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 170; Fritz/Erren, NZA 2009, 1242 (1243). 191 Fritz/Erren, NZA 2009, 1242 (1243). 192 Vgl. BAG, Urt. v. 17. 11. 2011 – 5 AZR 564/10, NZA 2012, 260 (261), wonach die Vorschriften inhaltsgleich sind; siehe auch Urt. v. 7. 2. 2007 – 5 AZR 422/06, NJW 2007, 2062 (2063); Urt. v. 11. 1. 2006 – 5 AZR 98/05, NZA 2006, 314 (315); BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 615 BGB Rn. 74; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 615 BGB Rn. 96; MHdbARbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 73; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 161; Fritz/Erren, NZA 2009, 1242 (1243). 193 BAG, Urt. v. 7. 2. 2007 – 5 AZR 422/06, NJW 2007, 2062 (2063); BeckOK ArbR/ Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 615 BGB Rn. 76; MHdbARbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 74; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 83; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 175; Fritz/Erren, NZA 2009, 1242 (1245); anders noch BAG, Urt. v. 5. 3. 1987 – 2 AZR 261/86, BeckRS 2009, 68849; Urt. v. 3. 12. 1980 – 5 AZR 477/78, AP BGB § 615 Böswilligkeit Nr. 4. 194 Richtigerweise warnen Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 175 davor, dass der Arbeitnehmer faktisch genötigt werden könne, vertragswidrige Arbeit anzunehmen; siehe auch MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 83. 195 BAG, Urt. v. 17. 11. 2011 – 5 AZR 564/10, NZA 2012, 260 (261), Urt. v. 7. 2. 2007 – 5 AZR 422/06, NJW 2007, 2062 (2063). 196 A. A. Müller/Becker, ArbRAktuell 2021, 201 (203).

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

onsrecht des Arbeitgebers gedeckt, bleibt für die Anwendung des § 615 S. 2 BGB kein Raum.197 c) Exkurs: Einseitige Anordnung von Urlaub oder Freizeitausgleich als Alternative Will der Arbeitgeber eine Freistellung vermeiden, etwa weil Unsicherheit hinsichtlich der Folgen für den Vergütungsanspruch bestehen oder deutlich wird, dass Annahmeverzugslohn zu zahlen wäre, könnte er alternative Handlungsmöglichkeiten in Betracht ziehen, um den infizierten oder infektionsverdächtigen, aber physisch arbeitsfähigen Arbeitnehmer aus dem Betrieb fernzuhalten. Die einseitige Urlaubsgewährung oder der Abbau bestehender Überstunden wurde im Zusammenhang mit der Coronapandemie vermehrt diskutiert.198 Soweit keine vertragliche Abrede dahingehend besteht, dass Überstunden finanziell abgegolten werden müssen, kann ein Freizeitausgleich auf Grundlage des Weisungsrechts angeordnet werden – die Weisung muss indes billigem Ermessen entsprechen.199 Ob das im Falle des Freizeitausgleichs während einer Freistellung aufgrund eines Infektionsverdachts der Fall ist, ist offen.200 Engere Grenzen noch sind der einseitigen Urlaubsgewährung gesetzt. Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Wünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG. Ein Antrag auf Urlaubsgewährung durch den Arbeitnehmer ist nicht erforderlich, bei seinem Fehlen und einseitiger Anordnung des Arbeitgebers steht dem Arbeitnehmer allerdings ein Annahmeverweigerungsrecht zu.201 Will der Arbeitgeber also im Freistellungszeitraum Urlaubsansprüche abbauen, ist er auf das Einverständnis des Arbeitnehmers angewiesen, bzw. jedenfalls darauf, dass dieser keinen entgegenstehenden Willen äußert.202

197 A. A. Stück, MDR 2021, 585 (588); zur Unterscheidung zwischen fehlendem Annahmeverzug und dem Anwendungsbereich des § 615 S. 2 BGB siehe MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 74. 198 Vgl. Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (165); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (568); Grimm, DB 2020, 1177 (1182); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (418); Sagan/ Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1115); Schmidt/Novara, DB 2009, 1817 (1821). 199 BAG, Urt. v. 19. 5. 2009 – 9 AZR 433/08, NZA 2009, 1211 (1213); LAG Hamm, Urt. v. 18. 5. 2017 – 18 Sa 1143/16, BeckRS 2017, 127620; Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (165); Grimm, DB 2020, 1177 (1182). 200 Dafür Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (165). 201 BAG, Urt. v. 6. 9. 2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36 (38); Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (165); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (568); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (418). Zur schwierigen dogmatischen Herleitung dieses Annahmeverweigerungsrechts Bayreuther, NZA 2020, 1057 (1058). 202 I. E. ebenso Adjan/Lettmeier, NZA 2021, 161 (165); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (568); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (418); wohl auch Bayreuther, NZA 2020, 1057 (1059).

I. Deutschland

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d) Zwischenergebnis Ein einseitiges Freistellungsrecht des Arbeitgebers in Zeiten der Pandemie, das nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung beruht, kommt sowohl im Falle der nachgewiesenen Coronavirusinfektion als auch bei bloßem Infektionsverdacht und bei der Verweigerung zulässigerweise angeordneter Untersuchungen des Arbeitgebers, namentlich Coronatests, in Betracht. Gerade hinsichtlich der Zulässigkeit von Untersuchungen und der Freistellung schon des Verdachts wegen ist allerdings eine besondere Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Interessenabwägung geboten. Ist die einseitige Freistellung unberechtigt und der Arbeitnehmer leistungsfähig und -willig, führt dies den Annahmeverzug des Arbeitgebers herbei. Da allerdings der Bestand des einseitigen Freistellungsrechts und der Annahmeverzug nicht zwingend parallel laufen, ist bei berechtigter Freistellung zu differenzieren. Die nachgewiesene Coronavirusinfektion führt regelmäßig dazu, dass der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung nicht in der richtigen Art und Weise erbringen kann, sodass der Annahmeverzug schon wegen fehlenden Angebots der geschuldeten Leistung bzw. fehlender Leistungsfähigkeit ausscheidet. Dies beruht auf der Pflicht des Arbeitnehmers, Gefährdungen für Dritte im Rahmen seiner Tätigkeit zu vermeiden. Da eine solche Gefährdung im bloßen Verdachtsfalle noch nicht feststeht, stellt sich die Frage des Vergütungsrisikos hier als eine solche der Beweislast – kann der Arbeitgeber nicht belegen, dass vom Arbeitnehmer eine Gefahr ausgeht, trägt der das Vergütungsrisiko im Rahmen der §§ 611a Abs. 2, 615 S. 1 BGB. Der Annahmeverzug ist auch in diesem Fall nicht wegen Unzumutbarkeit der Annahme ausgeschlossen. Dem Arbeitgeber kommt allerdings eine Beweislasterleichterung zugute – verweigert der Arbeitnehmer die Mitwirkung an der Aufklärung des Gefährdungszustands, führt dies zur Vermutung der Leistungsunfähigkeit wegen Gefährdung Dritter. Dient die (berechtigte) Forderung eines Coronatests nicht nur der Klärung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers im Hinblick auf die Verteilung des Vergütungsrisikos, sondern ist der Arbeitgeber bei negativem Ergebnis bereit, den Arbeitnehmer zu beschäftigen, trägt der Arbeitnehmer bei Verweigerung das Vergütungsrisiko. Herleiten lässt sich dieses Ergebnis je nach Einordnung der Testpflicht über eine fehlende Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers oder aber über die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts des Arbeitgebers nach § 273 BGB. Ist die Forderung eines Coronatests hingegen unberechtigt, führt die sich hieran anschließende Freistellung zum Annahmeverzug. Die einseitige Anordnung von Urlaub durch den Arbeitgeber zeigt sich neben der Freistellung nicht als taugliche Alternative zur Gewährleistung des betrieblichen Infektionsschutzes. Ihr sind durch § 7 Abs. 1 BUrlG und ein Annahmeverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bei einseitiger Vorgabe zu enge Grenzen gesetzt, als dass sie hier relevant werden könnte.

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

II. Frankreich Auch für das französische Arbeitsrecht wirft die (pandemiebedingte) Freistellung des Arbeitnehmers zahlreiche Rechtsfragen auf. Die Rechtsfolgen einer Entscheidung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen, hängen vor allem von dem Grund für diese Entscheidung ab. 1. Die Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers und ihre Rechtsfolgen Zentrale Verpflichtung des Arbeitgebers ist, dem Arbeitnehmer eine vertragsgemäße Beschäftigung zuzuweisen, die bei Ausführung entsprechend zu vergüten ist.203 Die Verletzung der Beschäftigungspflicht führt nicht nur zu einem Zahlungsanspruch trotz ausbleibender Arbeitsleistung204, sondern kann den Arbeitnehmer auch berechtigten, den Arbeitsvertrag einseitig zu beenden (prise d’acte de rupture).205 Dies führt die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Kündigung des Arbeitgebers (licenciement sans cause réelle et serieuse) herbei und damit insbesondere eine Pflicht zur finanziellen Entschädigung des Arbeitnehmers.206 Dies gilt allerdings nur, sofern dem Arbeitgeber eine hinreichend schwere Verfehlung vorwerfbar ist.207 Unter den Voraussetzungen der Art. R.1455-5 ff. Code du travail kann der Arbeitnehmer seinen Beschäftigungsanspruch außerdem im Eilverfahren gerichtlich geltend machen.208 Diese Rechtsfolgen gelten nicht, wenn die Nichtbeschäftigung auf einer Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber beruht – so steht es ihnen etwa frei, eine Arbeitsbefreiung auch ohne Vergütung (congé sans solde) zu vereinba203 Cass. Soc. v. 4. 2. 2015, n813-25.627, Bull. Civ., V, n819; v. 3. 11. 2010, n809-65.254, Dr. Soc. 2011, 95; Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 667, 675; Mazières, Le Droit Ouvrier 2017, 51. Siehe auch bereits Gliederungspunkt B. II. 204 Siehe bereits Gliederungspunkt B. II. 205 Siehe etwa Cass. Soc. v. 15. 4. 2016, n815-11.041 (Lexis360); v. 3. 11. 2010, n80965.254, Bull. Civ., V, n8252; v. 11. 10. 2005, n803-42.105 (Lexis360); Brissy, Dr. Soc. 2008, 434 (441). Diese Möglichkeit der einseitigen Vertragsbeendigung ist nicht unumstritten, kritisch etwa Waquet, Dr. Soc. 2014, 97; demgegenüber Mouly, Dr. Soc. 2014, 821; für eine begrenzte Anwendung Ray, Dr. Soc. 2014, 397. Weiterhin kann der Arbeitnehmer auch eine gerichtliche Auflösung des Vertrags beantragen, siehe Cass. Soc. v. 4. 12. 2019, n818-15.947 (Lexis360); v. 14. 1. 2004, n801-40.489, Bull. Civ., V, n88; Brissy, Dr. Soc. 2008, 434 (440). 206 Cass. Soc. v. 15. 4. 2016, n815-11.041 (Lexis360); v. 28. 9. 2011, n809-67.510, Bull. Civ., V, n8199; Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 409; Brissy, Dr. Soc. 2008, 434 (441); Tournaux, Dr. Soc. 2015, 206 (214). 207 Ist die Verfehlung des Arbeitgebers nicht hinreichend schwerwiegend, führt die einseitige Vertragsbeendigung des Arbeitnehmers die Folgen einer arbeitnehmerseitigen Kündigung herbei, siehe Cass. Soc. v. 26. 3. 2014, n812-23.634, Bull. Civ., V, n885; v. 25. 6. 2003, n801-42.679, Bull. Civ., V, n8209; Mouly, Dr. Soc. 2014, 821 (822); Waquet, Dr. Soc. 2014, 97. 208 Zum Eilverfahren siehe auch Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 129.

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ren.209 Auch über eine solche Vereinbarung hinaus sind jedoch Situationen denkbar, in denen der Arbeitgeber in der Nichtbeschäftigung berechtigt ist und die Rechtsfolgen daher abweichen.210 a) Freistellung als Sanktion für eine Vertragsverletzung des Arbeitnehmers Eine berechtigte und unbezahlte Freistellung kann der Arbeitgeber u. U. dann aussprechen, wenn er hiermit ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers sanktioniert.211 Die Art. L.1331-1 ff. Code du travail regeln das Sanktionsrecht des Arbeitgebers.212 Die Anwendbarkeit dieses Regelungsregimes steht und fällt mit dem Begriff der Sanktion.213 Eine Sanktion ist jede Maßnahme des Arbeitgebers in Reaktion auf ein Verhalten des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber für vertragswidrig hält214, unabhängig davon, ob sich die Maßnahme unmittelbar auf die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb, seine Tätigkeit, seine Karriere oder seine Vergütung auswirkt215, vgl. Art. L.1331-1 Code du travail.216 Natur und Ausmaß der Sanktionen, die 209 Marié, JurisClasseur Travail Traité, Synthèse – Suspensions du contrat de travail Rn. 14. So etwa geschehen in dem Cass. Soc. v. 21. 5. 2008, n806-41-498, Bull. Civ., V, n8111 zugrundliegenden Fall. 210 Die Nichtbeschäftigung kann aufgrund besonderer Umstände im Kontext des Arbeitskampfs berechtigt sein, siehe etwa Cass. Soc. v. 26. 3. 2014, n812-26.600, Bull. Civ., V, n884. Für die Dauer der Kündigungsfrist sieht Art. L.1234-5 Code du travail implizit die Möglichkeit einer bezahlten Freistellung vor. Auf diese Freistellungsmöglichkeiten wird im Folgenden mangels Relevanz nicht vertieft eingegangen. 211 Mess, Le Droit Ouvrier 2011, 181 (182). 212 Bis 1982 unterlag dieses Recht des Arbeitgebers (pouvoir disciplinaire) keinen spezifischen gesetzlichen Grenzen. Mit dem ersten der sog. Lois Aroux, Loi n882-689 v. 4. 8. 1982 wurden diese Grenzen allerdings gesetzt. Siehe Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 248; Durand, Le Droit Ouvrier 2012, 362 (364); Frossard, RDT 2012, 685; Waquet, Dr. Soc. 2009, 1177 (1178). 213 Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 10. 214 Ob ein vertragswidriges Verhalten tatsächlich vorliegt, ist für die Frage, ob es sich um eine Sanktion handelt und damit das Disziplinarrecht anwendbar ist, unerheblich, vgl. CohenDonsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 12; Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 255; Adam, RDT 2015, 590 (592); Waquet, Dr. Soc. 2009, 1177 (1178); zum Umkehrschluss der Unanwendbarkeit der Art. L.1331-1 ff. Code du travail, wenn der Arbeitgeber ein Verhalten nicht als pflichtwidrig einordnet, Frossard, RDT 2012, 685 (687). Kritisch Lokiec, RDT 2012, 145 (146). 215 Ob diese Formulierung so zu verstehen ist, dass jede Maßnahme, die sich auf die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb, seine Tätigkeit, seine Karriere oder seine Vergütung auswirkt, egal ob unmittelbar oder nicht, oder aber ob jede Maßnahme in Reaktion auf ein für fehlerhaft gehaltenes Verhalten genügt, egal, ob sie sich auf die genannten Faktoren auswirkt, ist nicht abschließend geklärt. Die Rechtsprechung scheint erstere Auslegung zu befürworten, siehe Cass. Soc. v. 13. 7. 2007, n806-41.368 (Lexis360); v. 27. 2. 1985, n883-44.955, 83-44.956, Bull. Civ., V, n8122. In der Literatur wird dies kritisch gesehen, siehe Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 824; Frossard, RDT 2012, 685 (686); Waquet, Dr. Soc. 2009, 1177 (1178).

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

der Arbeitgeber ergreifen darf, sind in der betrieblichen Hausordnung festzuhalten, Art. L.1321-1 38 Code du travail, soweit die Pflicht besteht, eine solche Hausordnung vorzusehen.217 Dies beruht auf dem aus dem Strafrecht bekannten Prinzip nullum crimen, nulla poena sine lege.218 Als „traditionelle“ Sanktionsmaßnahme wird neben der Verwarnung, Degradierung, Versetzung oder Kündigung insbesondere auch die Freistellung (mise à pied) genannt.219 Die mise à pied ist die Suspendierung des Arbeitsvertrags durch vorübergehende Entfernung des Arbeitnehmers aus dem Betrieb.220 Sieht die Hausordnung eine Freistellung als Sanktionsmaßnahme vor, muss sie auch die maximale Dauer der Maßnahme festlegen.221 Die Dauer der Freistellung im Einzelfall muss dem Arbeitnehmer bei Ausspruch mitgeteilt werden.222 Eine Voraussetzung223 der Rechtmäßigkeit ist – wie für alle Sanktionen – ein hinreichend schwerer Vertragsverstoß des Arbeitnehmers.224 Weiterhin sieht das Gesetz ein spezielles Disziplinarverfahren vor, insbesondere ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer und das Einhalten einer Frist von mindestens zwei Tagen und maximal einem Monat, 216 Ausgeschlossen werden in der Definition des Art. L.1331-1 Code du travail rein verbale Feststellungen des Arbeitgebers, um eine zu starke Einschränkung im betrieblichen Ablauf zu verhindern, siehe Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 821; Peskine/ Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 250. 217 Erst ab einer Betriebsgröße von 50 Mitarbeitern ist eine solche Hausordnung Pflicht, Art. L.1311-2 Code du travail. 218 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 811. 219 Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 20; vgl. auch Gaudu/ Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 198; Waquet, Dr. Soc. 2009, 1177 (1179). 220 Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 21. 221 Cass. Soc. v. 26. 10. 2010, n809-42.740, Bull. Civ., V, n8243; CE v. 21. 9. 1990, n8105247, 105317, Lebon; Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 22; Mess, Le Droit Ouvrier 2011, 181 (182); siehe auch Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 198; anders noch Cass. Soc. v. 25. 6. 1987, n884-42.314, Bull. Civ., V, n8423 – hier ging das Gericht noch davon aus, die Maßnahme sei dem Sanktionsrecht des Arbeitgebers inhärent und bedürfe keiner Regelung in der Hausordnung. Der Fall betraf allerdings die Rechtslage vor 1982. 222 Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 22. 223 Darüber hinaus bestehen weitere, etwa muss der Arbeitgeber beachten, dass dieselbe Verfehlung des Arbeitnehmers nur einmal sanktioniert werden darf und dass Sanktion und Fehlverhalten in einem angemessenen Verhältnis stehen, siehe Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 266, 277; Waquet, Dr. Soc. 2009, 1177 (1179 f.). 224 Erforderlich ist eine faute disciplinaire, d. h. eine Verletzung der beruflichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber, Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 271; vgl. auch Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 812; Adam, RDT 2015, 590 (591); Durand, Le Droit Ouvrier 2012, 362 (364); Frossard, RDT 2012, 685 (688). Demgegenüber differenzieren Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 197 zwischen Vertragsverletzungen und faute disciplinaire; nach Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 57 hat die Art der Pflichtverletzung hingegen kaum eine Bedeutung. Zu den Abstufungen der Pflichtverletzung siehe Waquet, Dr. Soc. 2009, 1177 (1179).

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Art. L.1332-2 Code du travail. Unrechtmäßige Sanktionen können gem. Art. L.1333-2 Code du travail von den Arbeitsgerichten annulliert, grundsätzlich aber nicht verändert werden.225 Bei der Freistellung besteht indes die Möglichkeit der Verringerung ihrer Dauer, sofern sie die Vorgaben der Hausordnung überschreitet.226 Während die Rechtsprechung für andere Sanktionsmaßnahmen, welche arbeitsvertragliche Hauptleistungspflichten betreffen, ein Ablehnungsrecht des Arbeitnehmers anerkennt227, gilt dies für die Freistellung nicht.228 Die rechtmäßige, disziplinarische Freistellung führt zur Suspendierung des Arbeitsvertrags.229 Da der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt und keine Ausnahmeregelungen für diesen Suspendierungsgrund vorgesehen sind, verliert er nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ auch seinen Vergütungsanspruch.230 Für den Zeitraum unberechtigter Freistellung schuldet der Arbeitgeber hingegen die regelmäßige Vergütung.231 b) Freistellung als vorsorgliche Maßnahme bis zur Kündigung oder zu anderen Sanktionen Von der Freistellung als Sanktion zu unterscheiden ist die Freistellung als reine Überbrückungsmaßnahme bis zum Ausspruch der tatsächlich gewollten Sanktion.232 225 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 845. Die Gerichte sind hierzu nicht verpflichtet, alternativ kann die Maßnahme aufrechterhalten und Schadensersatz zugesprochen werden, siehe Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 283. Das gilt insgesamt nicht für Kündigungen als Sanktionsmaßnahmen, siehe Art. L.1333-3 Code du travail, hierzu Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 845; Waquet, Dr. Soc. 2009, 1177. 226 Cass. Soc. v. 27. 2. 1985, n883-44.955, 83-44.956, Bull. Civ., V, n8122. 227 Grundlegend Cass. Soc. v. 16. 6. 1998, n895-45.033, Bull. Civ., V, n8320; Mouly, Dr. Soc. 2008, 537. 228 Mouly, Dr. Soc. 2014, 1068 (1069); ders., Dr. Soc. 2008, 537 (541 f.) unter Verweis auf Cass. Soc. v. 25. 5. 2004, n802-41.900, Bull. Civ., V, n8136. 229 Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 1; siehe auch CE v. 21. 9. 1990, n8105247, 105317, Lebon. 230 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 833; Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 23; Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 279; Mess, Le Droit Ouvrier 2011, 181 (182); Mouly, Dr. Soc. 2008, 537 (542); Waquet, Dr. Soc. 2006, 931. Siehe auch Cass. Soc. v. 19. 7. 1994, n890-53.785 (Lexis360), wonach die Abwesenheit aufgrund einer Freistellung auch die Verringerung einer Anwesenheitsprämie rechtfertigt. 231 Cass. Soc. v. 27. 2. 1985, n883-44.955, 83-44.956, Bull. Civ., V, n8122; Auzero/Baugard/ Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 847. 232 Zur Differenzierung siehe etwa Cass. Soc. v. 30. 10. 2013, n812-22.962, Bull. Civ., V, n8256; v. 18. 3. 2009, n807-44.185, Bull. Civ., V, n881; v. 20. 12. 2006, n804-46.051, Bull. Civ., V, n8391; v. 6. 11. 2001, n899-43.012, Bull. Civ, V, n8338; v. 18. 2. 1998, n896-40.219, 9640.557, Bull. Civ., V, n889; Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 837; Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 24; Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 266; Corrignan-Carsin, JCP S 2009, 1199; Frossard, RDT 2012, 685

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

Diese mise à pied conservatoire setzt voraus, dass das dem Arbeitnehmer Vorgeworfene seine sofortige Freistellung unentbehrlich macht, siehe Art. L.1332-3 Code du travail. Das soll nach überwiegender Ansicht nur bei besonders schwerer Pflichtverletzung in Betracht kommen.233 Weiterhin muss der Arbeitgeber grundsätzlich zeitgleich das Disziplinarverfahren einleiten, um die endgültige Sanktion des Arbeitnehmerverhaltens festzulegen.234 Tut er dies nicht, wird die Freistellung unabhängig vom Willen des Arbeitgebers in eine solche mit Sanktionscharakter umgedeutet.235 Dies hindert den Arbeitgeber an weiteren Sanktionen – es gilt der Grundsatz ne bis in idem.236 Da die vorsorgliche Freistellung keine Sanktion i. S. d. Art. L.1331-1 Code du travail darstellt, ist auch das in Art. L.1331-2 ff. Code du travail vorgesehene Verfahren nicht zu beachten.237 Liegen die genannten Voraussetzungen vor, führt die Freistellung zum Verlust des Vergütungsanspruchs.238 Fehlt es hingegen an einer hinreichend schwerwiegenden Pflichtverletzung, führt das zwar nicht zu einer Umdeutung der Maßnahme in eine solche mit Sanktionscharakter, der Arbeitnehmer

(691); Mouly, Dr. Soc. 2014, 1068 (1069); ders., Dr. Soc. 2014, 83 (84); Waquet, Dr. Soc. 2006, 931. 233 Siehe Cass. Soc. v. 27. 9. 2007, n806-43.867, Bull. Civ., V, n8146; v. 6. 11. 2001, n89943.012, Bull. Civ, V, n8338; Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 25; Dumont, JCP E 2014, 1138; Tournaux, Dr. Soc. 2015, 206 (216). Namentlich wird eine sog. faute grave gefordert, die im Hinblick auf Kündigungen definiert wird als Pflichtverletzung, die den Fortbestand der Gegenwart des Arbeitnehmers im Betrieb während der Kündigungsfrist unmöglich macht, vgl. Cass. Soc. v. 2. 2. 2005, n802-45.748, Bull. Civ., V, n842; Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 698; eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff findet sich bei Waquet, Dr. Soc. 2009, 1177 (1180). A. A. Blaise, Dr. Soc. 1986, 220 (225), der auch leichtere Pflichtverletzungen genügen lässt. Drai, JCP S 2010, 1140 wirft die Frage auf, ob die Voraussetzungen nach mehreren Rechtsprechungsänderungen noch greifen, beantwortet sie indes nicht abschließend. 234 Cass. Soc. v. 30. 10. 2013, n812-22.962, Bull. Civ., V, n8256; v. 18. 2. 1998, n896-40.219, 96-40.557, Bull. Civ., V, n889; Blaise, Dr. Soc. 1986, 220 (222); Dumont, JCP E 2014, 1138; zu Ausnahmen von diesem Prinzip siehe auch Mouly, Dr. Soc. 2014, 83 (84); ders., Dr. Soc. 2013, 181 (182). 235 Siehe etwa Cass. Soc. v. 30. 10. 2013, n812-22.962, Bull. Civ., V, n8256; CohenDonsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 28; Blaise, Dr. Soc. 1986, 220 (222); Dumont, JCP E 2014, 1138; Mouly, Dr. Soc. 2014, 83. Allein die Feststellung, dass eine hinreichend schwerwiegende Pflichtverletzung fehlt, reicht hingegen nicht für eine solche Umdeutung, Cass. Soc. v. 16. 5. 2018, n817-11.202, JCP E 2018, 437. 236 Cass. Soc. v. 30. 10. 2013, n812-22.962, Bull. Civ., V, n8256; v. 6. 11. 2001, n899-43.012, Bull. Civ., V, n8338; Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 266; Blaise, Dr. Soc. 1986, 220 (221); Dumont, JCP E 2014, 1138; Durand, Le Droit Ouvrier 2012, 362 (365); Frossard, RDT 2012, 685 (Fn. 38); Lokiec, RDT 2012, 145; Waquet, Dr. Soc. 2006, 931. 237 In diesem Sinne Cass. Soc. v. 26. 11. 1987, n885-40.367, Bull. Civ., V, n8686; CohenDonsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 24; Blaise, Dr. Soc. 1986, 220 (221). 238 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 837; Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 25.

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behält aber seinen Vergütungsanspruch.239 Und auch wenn im Anschluss an die vorsorgliche Freistellung keine Kündigung wegen schwerer Pflichtverletzung ausgesprochen wird – der Zusammenhang ist nicht zwingend, kann doch die Kündigung einen anderen Grund haben, eine gänzlich andere Sanktion ausgesprochen werden oder jegliche Sanktion unterbleiben240 –, soll die Rechtsfolge des Vergütungsverlusts nicht gerechtfertigt sein und der Anspruch daher fortbestehen.241 Sind die Folgen für den Vergütungsanspruch damit recht eindeutig, wird die Berechtigung der Freistellungsmaßnahme selbst unterschiedlich beurteilt. Zum Teil sieht man vorsorgliche Freistellung und Verlust des Vergütungsanspruchs als Einheit, sodass die Voraussetzungen parallel beurteilt werden.242 Die Freistellung selbst wird bei fehlender schwerwiegender Pflichtverletzung oder sich hieran anschließender Kündigung als unberechtigt angesehen.243 Vereinzelt beschränkt man jedoch diese Verknüpfung auf den Vergütungsanspruch: Während nur die anschließende Kündigung wegen schwerer Pflichtverletzung zum Verlust des Vergütungsanspruchs führen soll, wird die (berechtigte) vorsorgliche Freistellung auch bei leichteren Pflichtverletzungen für möglich gehalten.244 Erhebliche praktische Konsequenzen ergeben sich aus dieser unterschiedlichen Herangehensweise indes nicht.

239 Cass. Soc. v. 16. 5. 2018, n817-11.202, JCP E 2018, 437; siehe auch Cass. Soc. v. 18. 12. 2012, n811-22.607 (Lexis360); v. 17. 11. 1998, n896-44.335 (Lexis360); Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 26; vgl. auch Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 837; Waquet, Dr. Soc. 2006, 931. 240 Aus dem Ausspruch einer vorsorglichen Freistellung folgt nicht, dass die spätere Kündigung einen disziplinarischen Charakter hat, siehe Cass. Soc. v. 3. 2. 2010, n807-44.491, Bull. Civ., V, n832; zur anschließenden Kündigung aus tatsächlichen und ernsthaften Gründen statt aufgrund einer schwerwiegenden Pflichtverletzung Cass. Soc. v. 16. 5. 2018, n817-11.202, JCP E 2018, 437; v. 26. 11. 1987, n885-40.367, Bull. Civ., V, n8686. Siehe auch CohenDonsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 26; Adam, RDT 2010, 299 (300). Zur fehlenden Pflicht des Arbeitgebers, Fehlverhalten zu sanktionieren, siehe Adam, RDT 2015, 590. 241 Siehe Cass. Soc. v. 26. 11. 1987, n885-40.367, Bull. Civ., V, n8686; Auzero/Baugard/ Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 837; Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 26; Adam, RDT 2010, 299 (301); Tournaux, Dr. Soc. 2015, 206 (216); Waquet, Dr. Soc. 2006, 931. Verweigert der Arbeitgeber für die Zeit der Freistellung dennoch die Vergütung, wird dies als Sanktionsmaßnahme gewertet, siehe Cass. Soc. v. 18. 12. 2013, n812-18.548 (Lexis360); v. 5. 11. 1987, n884-44.971, Bull. Civ., V, n8617. 242 In diesem Sinne Adam, RDT 2015, 590 (595): „Cette mesure (…) ne peut être détachée de la procédure de licenciement (pour faute grave) qu’elle accompagne (…)“ (frei übersetzt: Diese Maßnahme [die vorsorgliche Freistellung, Anm. d. Verf.] (…) kann nicht von dem Kündigungsverfahren aufgrund einer schweren Pflichtverletzung, die sie begleitet, getrennt betrachtet werden (…)). I. E. auch Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 837; Adam, RDT 2010, 299 (301); Mouly, Dr. Soc. 2013, 181; Tournaux, Dr. Soc. 2015, 206 (216). 243 Siehe etwa Cass. Soc. v. 27. 9. 2007, n806-43.867, Bull. Civ., V, n8146; Auzero/Baugard/ Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 837; Tournaux, Dr. Soc. 2015, 206 (216). 244 Blaise, Dr. Soc. 1986, 220 (225).

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

c) Freistellung zur Gefahrenabwehr Ungeachtet dessen handelt es sich bei beiden genannten Freistellungsoptionen um solche, die sich im Zusammenhang mit Fehlverhalten des Arbeitnehmers und einer sich hieran anschließenden Sanktionierung abspielen – entweder, die Freistellung selbst ist die Sanktion, oder sie geht einer solchen voraus.245 Ohne Fehlverhalten des Arbeitnehmers kommen beide Arten der Freistellung – vorsorglich oder sanktionierend – nicht in Betracht.246 Auch unabhängig von einem solchen Fehlverhalten kann jedoch das Bedürfnis bestehen, den Arbeitnehmer vom Arbeitsplatz fernzuhalten und nicht zu beschäftigen; das gilt im Lichte der Schutzpflicht des Arbeitgebers insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer eine Gefahr für andere darstellt.247 Wohlgemerkt würde der Arbeitnehmer bei Tätigwerden in einem solchen Zustand seine eigene Schutzpflicht und damit den Arbeitsvertrag verletzen.248 Das Sanktionsregime kann jedoch nicht präventiv eingreifen249 – wäre es die einzige Option, den Arbeitnehmer berechtigterweise nicht zu beschäftigen, wäre der Arbeitgeber u. U. trotz vorheriger Kenntnis gezwungen, eine Pflichtverletzung abzuwarten. Dem ist jedoch nicht so. Als Ausfluss seiner Schutzpflichten kann der Arbeitgeber berechtigt sein, Arbeitnehmer von ihrem Arbeitsplatz fernzuhalten – in diesem Fall knüpft die Freistellungsentscheidung nicht an ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers an, sondern geht dem Fehlverhalten voraus und beugt ihm und einer drohenden Gefahr vor.250 In dieselbe Richtung weisen Entscheidungen der Cour de cassation, in denen das Gericht Maßnahmen, die üblicherweise als Sanktionen für Fehlverhalten des Arbeitnehmers eingesetzt werden, nicht als Sanktionen einordnete; die Anfor-

245 Vgl. Corrignan-Carsin, JCP S 2009, 1199; siehe auch Adam, RDT 2015, 590 (595); Waquet, Dr. Soc. 2006, 931; wohl ebenso Blaise, Dr. Soc. 1986, 220 (225), der zwar von der Voraussetzung einer schwerwiegenden Pflichtverletzung, nicht jedoch der Pflichtverletzung als solcher absieht. Die Anknüpfung auch der vorsorglichen Freistellung an das Disziplinarrecht folgt auch schon aus der Nennung in Art. L.1132-3 Code du travail – die Norm befindet sich in Teil 1, Buch 3, Titel 3 des Code du travail, der Titel ist überschrieben mit „droit disciplinaire“. 246 Babin, RDT 2020, 724 (727). 247 Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 15. 248 Siehe Cass. Soc. v. 12. 10. 2017, n816-18-836, Dalloz Jurisprudence. 249 Cass. Soc. v. 18. 2. 2004, n802-41.622, Bull. Civ., V, n854; Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 55. 250 Adam, RDT 2015, 590 (595). Ebenfalls für ein Freistellungsrecht bei Gefahr für Dritte Adam, RDT 2010, 299 (301, Fn. 14); siehe auch Bourgeot/Frouin, RJS 2000, 3 (4, Fn. 6). Auch wenn ein Rauschzustand des Arbeitnehmers infolge eines Alkohol- oder Drogenkonsums festgestellt wird, geht man von einer Möglichkeit aus, ihn von seinem Arbeitsplatz zu entfernen, siehe Mouly, Dr. Soc. 2017, 244 (251); Roisin/Ouali Daoudi, JCP S 2021, 1146. Wohlgemerkt kann dem Arbeitnehmer der Konsum des Rauschmittels häufig vorgeworfen werden, sodass hier jedenfalls nach Aufnahme der Tätigkeit im Rauschzustand auch Sanktionen in Betracht kommen.

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derungen der Art. L.1331-2 Code du travail waren in der Folge nicht zu beachten.251 Maßgeblich hierfür ist das alleinige Ziel der Gewährleistung der Sicherheit innerhalb des Betriebs.252 Es geht mithin darum, zu entscheiden, ob eine Entscheidung des Arbeitgebers auf Grundlage seines Weisungs- oder seines Sanktionsrechts getroffen wird.253 Entscheidend ist die Zielsetzung des Arbeitgebers.254 Die genannten Entscheidungen, die in der Literatur kritisch bewertet wurden255, bezogen sich allerdings nicht auf Freistellung des Arbeitnehmers, sondern lediglich auf vorübergehende Versetzungen der Betroffenen. Im Hinblick auf die vorsorgliche Freistellung lassen sie damit Fragen offen. Einmal, ob die Entscheidungslinie auf die Freistellung, deren Voraussetzungen im Falle des Einsatzes als vorsorgliche Schutzmaßnahme in der Rechtsprechung bereits definiert wurden, überhaupt übertragbar sind.256 Und selbst wenn man dies unterstellt oder auch, wenn man unabhängig von der genannten Rechtsprechung eine gerechtfertigte Nichtbeschäftigung bei Gefahr annimmt und dies streng von der mise à pied conservatoire unterscheidet257, bleibt die Frage nach dem Schicksal des Vergütungsanspruchs. Die Cour de cassation brauchte sich hiermit in den entschiedenen Fällen aufgrund der Weiterbeschäftigung der betroffenen Arbeitnehmer auf anderen Arbeitsplätzen nicht zu beschäftigen. Die strengen Anforderungen, die an den Vergütungsausfall im Rahmen einer vorsorglichen Freistellung als Reaktion auf ein Fehlverhalten des Arbeitneh-

251 Cass. Soc. v. 12. 10. 2017, n816-18-836, Dalloz Jurisprudence; v. 8. 10. 2014, n81313.673, Bull. Civ., V, n8226; Cass. Ass. Plén., v. 6. 1. 2012, n810-14.688, Bull. Ass. Plén., n81. 252 Cass. Soc. v. 8. 10. 2014, n813-13.673, Bull. Civ., V, n8226; Cass. Ass. Plén., v. 6. 1. 2012, n810-14.688, Bull. Ass. Plén., n81; Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 825; Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 257; Durand, Le Droit Ouvrier 2012, 362; Frossard, RDT 2012, 685; Lokiec, RDT 2012, 145 (146); Mouly, Dr. Soc. 2014, 1068; Tournaux, Dr. Soc. 2015, 206 (215). 253 Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 12 ff.; Lokiec, RDT 2012, 145. Auch eine ältere Entscheidung der Cour de cassation, die allerdings nur schwer mit dem Wortlaut des Art. L.1331-1 Code du travail vereinbar ist, differenzierte bereits zwischen einer Freistellung auf Grundlage des Sanktionsrechts und anderweitigen Freistellungen, siehe Cass. Soc. v. 27. 2. 1985, n883-44.955, 83-44.956, Bull. Civ., V, n8122. 254 Mouly, Dr. Soc. 2014, 1068 (1069); kritisch Adam, RDT 2015, 590 (594); Durand, Le Droit Ouvrier 2012, 362 (365); Lokiec, RDT 2012, 145 (146). 255 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 825; Adam, RDT 2015, 590 (594); Durand, Le Droit Ouvrier 2012, 362 (363, 365); Lokiec, RDT 2012, 145 (147). 256 In eine andere Richtung weisen Stimmen, welche die von der Rechtsprechung aufgezeigten Möglichkeiten als milderes Mittel gegenüber der mise à pied conservatoire begreifen, wie etwa Mouly, Dr. Soc. 2014, 1068; Tournaux, Dr. Soc. 2015, 206 (215). 257 So Adam, RDT 2010, 299 (301, Fn. 14): „Il faut, pensons-nous, clairement distinguer ,mise à pied conservatoire‘ et ,mise à l’écart preventive‘. Pouvant être proches dans leurs effets, ces deux mesures relèvent néanmoins de registres différents (disciplinie/protection de santé)“ (frei übersetzt: Man muss, so glauben wir, deutlich zwischen der vorsorglichen Freistellung und der präventiven Entfernung des Arbeitnehmers aus dem Betrieb differenzieren. Die Maßnahmen können zwar in ihren Wirkungen ähnlich sein, gehören aber gänzlich unterschiedlichen Regelungsregimen an (disziplinarisch/Gesundheitsschutz); ebenso ders., RDT 2015, 590 (595).

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

mers gestellt werden, legen jedoch nahe, dass der Vergütungsanspruch im Falle einer Freistellung aus Sicherheitsgründen fortbesteht.258 2. Die Freistellung wegen Infektion, Infektionsverdachts oder Infektionsrisikos in Zeiten der Pandemie Was gilt nun, wenn von einem Arbeitnehmer in Zeiten der Pandemie (möglicherweise) eine Infektionsgefahr ausgeht? In Frankreich wurden umfangreiche Sonderregeln für den pandemiebedingten Arbeitsausfall geschaffen, die im Folgenden noch zu untersuchen sein werden. Sie beruhen allerdings auf der Prämisse, dass betroffene Arbeitnehmer die öffentlichen Empfehlungen259 zur Isolation im Falle einer Coronavirusinfektion oder deren Verdacht befolgen und den Betrieb schon gar nicht aufsuchen wollen. a) Freistellung im Falle nachgewiesener Infektion oder eines Infektionsverdachts Mit der Frage der Verweigerung der Selbstisolation durch den Arbeitnehmer setzen sich nur wenige auseinander.260 Praktisch relevant ist sie dabei aber durchaus.261 Daher ist zu untersuchen, ob und mit welchen Folgen insbesondere für das Vergütungsrisiko dem Arbeitgeber ein Fernhalten Infizierter oder Infektionsverdächtiger möglich ist.

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So auch Bourgeot/Frouin, RJS 2000, 3 (4, Fn. 6): „(…), rien n’empêche l’employeur tenu d’une obligation de sécurité à l’égard de ses salariés d’interdire à un salarié l’occupation de son poste de travailen présence d’un avis d’inaptitude émis par le médecin du travail, mais il doit alors continuer à lui payer son salaire. Réciproquement, il nous semble que le salarié ne pourrait se voir imputer à faute de s’abstenir d’exécuter sa prestation de travail dans la même hypothèse, sauf à ne pouvoir prétendre au paiement de son salaire si c’est lui qui a pris l’initiative de ne pas venir au travail“ (frei übersetzt: Nichts hält den Arbeitgeber, der eine Schutzpflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern hat, davon ab, einem Arbeitnehmer die Tätigkeit zu verbieten, wenn eine Unfähigkeitsbescheinigung des Betriebsarztes vorliegt, aber er musst in diesem Fall die Vergütung fortzahlen. Umgekehrt kann es dem Arbeitnehmer wohl auch nicht vorgeworfen werden, dass er im selben Fall nicht zur Arbeit erscheint, allerdings kann er die Vergütung nicht verlangen, wenn er die Arbeitsleistung selbst verweigert). Ebenso Adam, RDT 2010, 299 (301, Fn. 14). 259 Das Wort „Empfehlungen“ ist hier bewusst gewählt, handelte es sich doch oft nicht um mehr als das. Siehe sogleich Gliederungspunkt E. II. 2. a) dd) (1). 260 Babin, RDT 2020, 724 (727); Petit, Le club des juristes v. 25. 3. 2020. 261 Insoweit ist auf einen Fall von SNCF-Kontrolleuren zu verweisen, die ihre Infektion verschwiegen und trotz dieser zur Arbeit erschienen, siehe Vérier, Le Parisien, Covid-19: des contrôleurs SNCF ont caché qu’ils étaient contaminés, Bericht v. 28. 9. 2020.

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aa) Schlichte Nichtbeschäftigung Betroffener Wenn es um die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers geht, sitzt der Arbeitgeber wohlgemerkt am längeren Hebel. Will er Betroffene aus dem Betrieb fernhalten, wird ihm dies wohl faktisch gelingen.262 Ausgehend von der Regel, dass der Arbeitgeber zur vertragsgemäßen Beschäftigung verpflichtet ist, birgt die schlichte Nichtbeschäftigung jedoch nicht unerhebliche Risiken. Das gilt einmal in finanzieller Hinsicht, besteht doch der Vergütungsanspruch fort, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zur Verfügung stellt.263 Darüber hinaus kann die vertragswidrige Nichtbeschäftigung den Arbeitnehmer wie gesehen zur Beendigung des Arbeitsvertrags berechtigen, wobei zu seinen Gunsten ein Entschädigungsanspruch begründet wird.264 Hinzu tritt die theoretische Möglichkeit der Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs in einem gerichtlichen Eilverfahren nach Art. R.1455-5 ff. Code du travail. Hinsichtlich der letztgenannten Punkte ist jedoch denkbar, dass die Pandemie und die mit ihr einhergehenden Umstände sich zugunsten des Arbeitgebers auswirken. Der genannte Entschädigungsanspruch setzt eine schwere Pflichtverletzung des Arbeitgebers voraus.265 Unterstellt, seine Beschäftigungspflicht besteht, erscheint es dennoch aufgrund der Tatsache, dass der Arbeitgeber den Schutz der Gesundheit Vieler bezweckt, nicht ausgeschlossen, dass die Gerichte die Schwere der Pflichtverletzung ablehnen. Sicher ist das jedoch nicht, wird doch die Verletzung der Beschäftigungspflicht z. T. ganz grundsätzlich als schwerwiegende Pflichtverletzung eingeordnet.266 Im Hinblick auf gerichtliche Eilverfahren ist zu sehen, dass die Erfüllung von Verpflichtungen nur im Wege einstweiliger Verfügung angeordnet werden kann, wenn das Bestehen der Verpflichtung nicht ernsthaft bestritten wird, Art. R.1455-7 Code du travail. Im Lichte der beiderseitigen Schutzpflichten ist es nicht fernliegend, das Bestreiten der Pflicht, einen mit dem Coronavirus infizierten oder dessen verdächtigen Arbeitnehmer zu beschäftigen, als ernsthaft einzuordnen. Aufgrund der insoweit bestehenden Unsicherheiten ist jedoch zu untersuchen, ob denn eine Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers, deren Verletzung die genannten Folgen herbeiführt, überhaupt besteht. Die Beantwortung dieser Frage kann sich auch auf die Verteilung des Vergütungsrisikos auswirken. 262

In diesem Sinne auch Babin, RDT 2020, 724 (727). Siehe bereits Gliederungspunkt B. II. 264 Siehe etwa Cass. Soc. v. 15. 4. 2016, n815-11.041 (Lexis360); v. 3. 11. 2010, n80965.254, Bull. Civ., V, n8252; v. 11. 10. 2005, n803-42.105 (Lexis360); Brissy, Dr. Soc. 2008, 434 (441). 265 Fehlt es an einer hinreichend schweren Pflichtverletzung des Arbeitgebers, führt die einseitige Beendigung die Folgen einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers (démission) herbei, Cass. Soc. v. 26. 3. 2014, n812-23.634, Bull. Civ., V, n885; v. 25. 6. 2003, n801-42.679, Bull. Civ., V, n8209; Mouly, Dr. Soc. 2014, 821 (822); Waquet, Dr. Soc. 2014, 97. 266 Siehe Lahalle, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-1 Rn. 88. Frouin, JCP S 2011, 1006 scheint jedoch nicht davon auszugehen, dass bestimmte Vertragsverstöße stets und ohne Abwägung hinreichend schwerwiegend sein können, um genannte Rechtsfolgen auszulösen. 263

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

bb) Disziplinarische oder vorsorgliche Freistellung (mise à pied) So etwa, wenn die Freistellung des Arbeitnehmers im Rahmen der Ausübung des Sanktionsrechts bzw. als einer Sanktion vorgelagerte Maßnahme in Betracht kommt. Ist der Arbeitgeber zu einer mise à pied berechtigt, schuldet er für den Zeitraum des Arbeitsausfalls weder Beschäftigung noch Vergütung.267 Eine solche Freistellung wird im Hinblick auf Arbeitnehmer, die sich einer empfohlenen Isolation aufgrund einer von ihnen (möglicherweise) ausgehenden Infektionsgefahr verweigern, durchaus in Betracht gezogen.268 Dies scheint mit Blick auf das einzuhaltende Verfahren für disziplinarische Maßnahmen, insbesondere die in Art. L.1332-2 Code du travail vorgesehene, zweitägige Wartefrist nach einem Gespräch mit dem Arbeitnehmer, zunächst eher impraktikabel, muss der Infizierte oder begründet Infektionsverdächtige dem Betrieb doch unmittelbar ferngehalten werden. Dieses Problem lässt sich allerdings lösen: Der Arbeitgeber könnte eine vorsorgliche Freistellung (mise à pied conservatoire) aussprechen, für welche die Verfahrensvorschriften nicht gelten. Zwar steht diese grundsätzlich im Zusammenhang mit einer Kündigung wegen schwerer Pflichtverletzung, zu einer solchen ist der Arbeitgeber aber auch nach Ausspruch der vorsorglichen Freistellung nicht gezwungen.269 Vielmehr kann er sich statt für die Kündigung auch – nach Durchführung des gesetzlich vorgegebenen Verfahrens – für eine Freistellung als Sanktionsmaßnahme entscheiden und deren Dauer mit der bereits erfolgten vorsorglichen Freistellung verrechnen.270 Auf diesem Wege würde der Arbeitgeber von seiner Beschäftigungsund Vergütungspflicht befreit. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Sanktion ein Fehlverhalten voraussetzt und nicht präventiv eingreifen kann.271 Dem infizierten oder infektionsverdächtigen Arbeitnehmer ist ein Fehlverhalten grundsätzlich erst vorzuwerfen, wenn es tatsächlich zu einer Arbeitsaufnahme und in diesem Zuge zu einer Gefährdung Dritter kommt – der Arbeitnehmer verletzte dann seine Schutzpflichten nach Art. L.4122-1 Code du travail.272 Das abzuwarten ist wohl nicht im Sinne des Arbeitgebers und mit seiner eigenen Schutzpflicht auch nur schwer zu vereinbaren.273 267

Siehe Gliederungspunkt E. II. 1. a). Petit, Le club des juristes v. 25. 3. 2020 für Kontaktpersonen, die sich einer Absonderung verweigern. 269 Siehe etwa Adam, RDT 2010, 299 (300). 270 Vgl. Cass. Soc. v. 29. 3. 1995, n893-41.863, Bull. Civ., V, n8111; Auzero/Baugard/ Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 837 (Fn. 5 auf S. 1046); Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 26; Blaise, Dr. Soc. 1986, 220 (227). 271 Cass. Soc. v. 18. 2. 2004, n802-41.622, Bull. Civ., V, n854; Cohen-Donsimoni, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 18-40 Rn. 55. 272 Siehe hierzu auch Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (70); Roisin/ Ouali Daoudi, JCP S 2021, 1146; weiter hingegen Petit, Le club des juristes v. 25. 3. 2020. 273 In diesem Sinne auch Babin, RDT 2020, 724 (727). 268

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cc) Freistellung aus Gründen der betrieblichen Sicherheit Im Falle der Freistellung wegen Infektionsgefahr geht es jedoch nicht zwingend um die Sanktion einer Pflichtverletzung, sondern vielmehr um die betriebliche Sicherheit. Die unstreitig bestehende Gefahr, die bei Beschäftigung eines Infizierten für andere Betriebsangehörige oder Dritte besteht und die auch schon im Falle des Infektionsverdachts droht, spricht gegen eine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer im Betrieb zu beschäftigen.274 Das legen die Entscheidungen der Cour de cassation nahe, die dem Arbeitgeber Handlungsspielräume außerhalb des Regimes arbeitsrechtlicher Sanktionen gewähren, wenn er hiermit das Ziel der Gewährleistung der innerbetrieblichen Sicherheit verfolgt.275 Gleiches gilt für die Stimmen, die ungeachtet dieser Entscheidungslinie, welche sich bislang lediglich auf Versetzungen und nicht auf Freistellungen des Arbeitnehmers bezog, zwischen der Freistellung im Kontext eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers und der Entfernung des Arbeitnehmers aus dem Betrieb zur Gefahrenabwehr differenzieren.276 Und auch der bestehende Konsens dahingehend, dass Arbeitnehmer, die aufgrund eines Rauschzustands nicht einsatzfähig sind, aus dem Betrieb entfernt werden können277, weist jedenfalls in eine vergleichbare Richtung.278 Für den Fall des Infektionsverdachts aufgrund auftretender COVID-19-Symptome oder des Kontakts zu Infizierten unterstreicht das mittlerweile nicht mehr geltende Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en 274 Vgl. Babin, RDT 2020, 724 (727). In diesem Sinne wohl auch in Bezug auf die Grippepandemie im Jahr 2009 das Arbeitsministerium, das bei bestimmten Verdachtsfällen die Suspendierung der Tätigkeit durch den Arbeitgeber empfahl, siehe Circulaire DGT 2009/16 v. 3. 7. 2009, S. 17. 275 Cass. Soc. v. 12. 10. 2017, n816-18-836, Dalloz Jurisprudence; v. 8. 10. 2014, n81313.673, Bull. Civ., V, n8226; Cass. Ass. Plén., v. 6. 1. 2012, n810-14.688, Bull. Ass. Plén., n81. 276 Adam, RDT 2015, 590 (595); ders., RDT 2010, 299 (301, Fn. 14); siehe auch Bourgeot/ Frouin, RJS 2000, 3 (4, Fn. 6). 277 In diesem Sinne etwa Corrignan-Carsin, JCP G 2017, 148; Mouly, Dr. Soc. 2017, 244 (251); Roisin/Ouali Daoudi, JCP S 2021, 1146. 278 Ganz vergleichbar sind die Fälle nicht, kann doch das Versetzen in einen Rauschzustand vor Aufnahme der Tätigkeit eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellen (siehe Cass. Soc. v. 27. 3. 2012, n810-19.915, Bull. Civ., V, n8106), sodass dem Arbeitgeber auch das Sanktionsregime offensteht (zu dem insoweit bestehenden Unterschied zu Coronatests siehe auch Roisin/Ouali Daoudi, JCP S 2021, 1146; Sevillia, JCP S 2021, 95). Für das Recht, den Arbeitnehmer infolge eines positiven Alkoholtests aus dem Betrieb zu entfernen, scheint man hierauf jedoch nicht zurückzugreifen. Der Conseil d’Etat betonte vielmehr die rein präventive Funktion von Alkoholtests (CE v. 9. 10. 1987, n872220, Lebon). Weiterhin existiert für den Fall der Trunkenheit eine spezielle gesetzliche Regelung, die es dem Arbeitgeber verbietet, Betroffenen den Aufenthalt innerhalb des Betriebs zu gestatten, Art. R.4228-21 Code du travail, was diese Konstellation zu einem Sonderfall macht. Im Gegensatz zur Kontrolle des Arbeitnehmers auf eventuelle Rauschzustände besteht beim Test auf Krankheitserreger auch ein unmittelbarer Zusammenhang zu einem verpönten Diskriminierungsmerkmal – zu den diskriminierungsrechtlichen Fragen sogleich unter Gliederungspunkt E. II. 2. a) dd) (3).

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

entreprise face à l’épidémie de COVID-19 das Bedürfnis des Arbeitgebers, den Betroffenen aus dem Betrieb fernzuhalten: Dort hieß es, Betroffene seien durch den Arbeitgeber aufzufordern, den Arbeitsplatz nicht aufzusuchen bzw. nach Hause zu fahren.279 Für nachweislich Infizierte muss das erst recht gelten. Der Wortlaut (invitée/inviter) legt hier allerdings mehr eine Bitte als eine Anweisung nahe.280 Im Kontext der Grippepandemie im Jahr 2009 schien das Arbeitsministerium hingegen von der Möglichkeit einseitiger Anordnung von Sonderurlaub bzw. der einseitigen Suspendierung des Arbeitnehmers auszugehen.281 Im Hinblick auf das Vergütungsrisiko legen die genannten Leitlinien in Rechtsprechung und Literatur nahe, dass der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers im Falle einer Nichtbeschäftigung, auch einer solchen mit gutem Grund, in aller Regel fortbesteht, wenn dem Arbeitnehmer nicht eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, die entweder mit der Freistellung selbst sanktioniert wird oder unmittelbar zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt.282 Dem entspricht es, dass das Gesundheitsministerium zu Beginn der Coronapandemie von einer Lohnfortzahlung infolge einer Freistellungsentscheidung des Arbeitgebers ausging.283 Auch in Bezug auf die Grippepandemie im Jahr 2009 ging das Arbeitsministerium davon aus, die Möglichkeit des Arbeitgebers, Betroffene aus dem Betrieb fernzuhalten, beschränke sich auf die Anordnung bezahlten Sonderurlaubs.284 Selbst wenn man dem Arbeitgeber daher zugesteht, infizierte oder infektionsverdächtige Arbeitnehmer aus Gründen der betrieblichen Sicherheit nicht zu beschäftigen, seine Beschäftigungspflicht mithin nicht fortbesteht, verbleibt das Vergütungsrisiko wohl bei ihm.

279 Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de COVID-19 i. d. F. v. 28. 2. 2022, S. 12, 16. 280 Auch Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 52 nehmen bei Fehlen einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für Personen, die aus Risikogebieten zurückkehren, an, eine Suspendierung der Tätigkeit könne nur mit dem Einverständnis des Arbeitnehmers erfolgen. 281 Siehe Circulaire DGT 2009/16 v. 3. 7. 2009, S. 17, 19. 282 Ausführlich Gliederungspunkt E. II. 1. c). 283 Ministère des solidarités et de la santé, Pressemitteilung vom 4. 3. 2020: „Les employeurs qui décideraient, à leur propre initiative, de demander à certains salariés de rester à leur domicile devront, conformément au Code du travail, leur assurer un maintien de salaire sur la période concernée.“ (frei übersetzt: Arbeitgeber, die aus eigener Initiative beschließen, dass bestimmte Arbeitnehmer zu Hause bleiben, müssen gemäß dem Arbeitsgesetzbuch dafür sorgen, dass sie für den betreffenden Zeitraum eine Lohnfortzahlung erhalten). 284 Circulaire DGT 2009/16 v. 3. 7. 2009, S. 19: „Par ailleurs, sauf à octroyer au salarié un congé exceptionnel rémunéré, l’employeur ne peut le contraindre à rester chez lui“ (frei übersetzt: Außerdem darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht zwingen, zu Hause zu bleiben, es sei denn, er gewährt ihm bezahlten Sonderurlaub).

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dd) Suspendierung des Arbeitsvertrags unabhängig von der Freistellungsentscheidung des Arbeitgebers Unabhängig von einer Entscheidung des Arbeitgebers zur Nichtbeschäftigung drohen die genannten Konsequenzen der Verletzung der Beschäftigungspflicht nicht, wenn der Arbeitsvertrag bereits aus anderen Gründen suspendiert ist.285 Denn: Die Suspendierung des Arbeitsvertrags führt zur Befreiung des Arbeitgebers von seiner Beschäftigungspflicht.286 (1) Die lange währende Freiwilligkeit der Absonderung Denkbarer Anknüpfungspunkt ist ein aus der Infektion resultierendes Leistungshindernis in Form einer Absonderung.287 So wurde öffentlich kommuniziert, Infizierte müssten sich für eine vorgegebene Dauer isolieren.288 Dennoch war der mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer lange Zeit nicht aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung zur Absonderung daran gehindert, seinen Arbeitsplatz zu erreichen und seine Arbeitsleistung auszuüben. Denn: In den Jahren 2020 und 2021 war die rechtlich bindende Absonderung nachweislich Infizierter, mit Ausnahme solcher, die aus dem Ausland eingereist waren, nicht gesetzlich geregelt. Art. L.3131-15 II Code de la santé publique gestattete sowohl die Anordnung einer Quarantäne als auch einer Isolation auf Grundlage eines Dekrets des Premierministers (siehe Art. L.3131-15 I Code de la santé publique) lediglich gegenüber Personen, die sich zuvor in einem ausländischen Risikogebiet aufgehalten hatten und nach Frankreich oder französische Überseegebiete einreisten.289 Hinsichtlich der für andere Infizierte oder 285 Treffen die Freistellung und ein anderer Suspendierungsgrund zusammen, was praktisch wohl insbesondere bei bereits ausgesprochener Freistellung und späterer, krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit in Betracht kommt, stellt sich die Frage nach dem Vorrang des einen oder anderen Verhinderungsgrundes. Dieses Rechtsproblem wird in Frankreich unter dem Begriff der concours de suspensions diskutiert. Einigkeit dahingehend, wie eine Konkurrenz von Verhinderungsgründen aufzulösen ist, besteht aktuell nicht. Siehe zu dieser Frage ausführlich Gliederungspunkt G. II. 2. a) bb) (1). 286 Siehe für die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit Bourgeot/Frouin, RJS 2000, 3 (4); Bourgeot/Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (59). 287 Für eine Suspendierung des Arbeitsvertrags infolge einer rechtsverbindlichen Absonderung wohl Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 52. 288 Siehe etwa Service-Public.fr, Travail et Covid-19: quelles sont les règles ?, Vous êtes positif à la Covid-19: „Si vous avez réalisé un test positif à la covid-19, vous devez vous isoler et réaliser, pendant cette période d’isolement, un test antigénique ou RT-PCR.“ (frei übersetzt: Wenn Sie positiv auf Covid-19 getestet wurden, müssen Sie sich isolieren und während dieser Isolationszeit einen Antigentest oder RT-PCR durchführen). 289 Art. L.3131-15 II Code de la santé publique i. d. F. etwa v. 2. 6. 2021: „Les mesures prévues aux 38 et 48 du I du présent article ayant pour objet la mise en quarantaine, le placement et le maintien en isolement ne peuvent viser que les personnes qui, ayant séjourné au cours du mois précédent dans une zone de circulation de l’infection, entrent sur le territoire hexagonal, arrivent en Corse ou dans l’une des collectivités mentionnées à l’article 72-3 de la Constitution.“ (Frei übersetzt: Die Maßnahmen, die in 38 und 48 des ersten Absatzes dieses Artikels vorgesehen sind und die Anordnung einer Quarantäne oder des Versetzen in eine bzw. Behalten

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

Infektionsverdächtige geltenden bzw. empfohlenen Maßnahmen betonte der Gesundheitsminister, diese beruhten maßgeblich auf dem Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein der Bürger.290 Von diesem Ansatz wollte der Gesetzgeber offenbar im Sommer 2021 Abstand nehmen, als die obligatorische Isolation mit dem Coronavirus Infizierter Gegenstand eines Gesetzgebungsvorhabens war.291 Die Regelung wurde jedoch vom Conseil Constitutionnel für nicht notwendig und daher verfassungswidrig erklärt und daher nicht umgesetzt.292 Bei den kommunizierten Isolationsregeln handelt es sich mithin grundsätzlich um Empfehlungen, nicht um Rechtspflichten. Die bloße Empfehlung der Absonderung kann eine Suspendierung des Arbeitsvertrags allerdings nicht herbeiführen.293 Ungeachtet der ablehnenden Haltung des Conseil Constitutionnel gegenüber einer allgemeinen Isolationspflicht jeglicher nachgewiesen infizierter Personen trat am 7. 8. 2021 eine Änderung des Art. L.3131-15 II Code de la santé publique in Kraft, nach der zwar weiterhin die Quarantäne lediglich gegenüber Einreisenden verhängt werden kann, die Isolation hingegen gegenüber Personen, bei denen ein virologischer Test oder eine medizinische Untersuchung eine Infektion nachweisen in einem Dekret des Premierministers vorgesehen werden kann.294 Die begriffliche Diffein einer Isolation betreffen können nur gegenüber Personen ergehen, die sich im vorherigen Monat in einem Gebiet, in dem die Infektion zirkuliert, aufgehalten haben und das Hexagon (d. h. Frankreich, Anm. d. Verf.) betreten oder in Korsika oder einer anderen Kollektivität, die in Art. 72-3 der Verfassung genannt wird, ankommen). 290 Siehe Bericht der Nachrichtenagentur Reuters v. 2. 5. 2020, Le gouvernement français a adopté un projet de loi prolongeant l’état d’urgence sanitaire de deux mois, unter Bezug auf Aussagen des Gesundheitsminsters Olivier Véran: „En revanche, pour les malades infectés par le Covid-19 en France, ,nous faisons le choix de la responsabilité des Français‘, a-t-il dit, soulignant que la possibilité d’un isolement obligatoire n’avait pas été retenu.“ (frei übersetzt: In Bezug auf mit dem Coronavirus Infizierte in Frankreich „entscheiden wir uns für das Verantwortungsbewusstsein der Franzosen“, sagte er [Olivier Véran, derzeitiger Gesundheitsminister Frankreichs, Anm. d. Verf.] unter Betonung, dass die Möglichkeit einer obligatorischen Isolation nicht umgesetzt wurde). 291 Siehe die Stellungnahme des Conseil d’Etat, Avis sur un projet de loi relatif à la gestion de la crise sanitaire v. 19. 7. 2021, n8403.629. 292 Conseil Constitutionnel, Décision n82021-824 DC v. 5. 8. 2021. 293 In diesem Sinne im Hinblick auf die Grippepandemie im Jahr 2009 Circulaire DGT 2009/16 v. 3. 7. 2009, S. 20: „La recommandation des autorités sanitaires d’une mise en quarantaine pendant sept jours en cas de retour du Mexique ne constitue pas un cas d’absence autorisée par le code du travail.“ (frei übersetzt: Die Empfehlung der Gesundheitsbehörden, eine siebentägige Quarantäne im Falle einer Rückkehr aus Mexiko stellt keinen Fall einer nach dem Arbeitsgesetz zulässigen Abwesenheit dar). 294 Art. L.3131-15 II Code de la santé publique i. d. F. v. 7. 8. 2021: „Les mesures prévues au 38 du I du présent article ayant pour objet la mise en quarantaine des personnes susceptibles d’être affectées ne peuvent viser que les personnes qui, ayant séjourné au cours du mois précédent dans une zone de circulation de l’infection, entrent sur le territoire hexagonal, arrivent en Corse ou dans l’une des collectivités mentionnées à l’article 72-3 de la Constitution. (…) Les mesures prévues au 48 du I du présent article ayant pour objet le placement et le maintien en isolement des personnes affectées ne peuvent s’appliquer qu’à des personnes ayant fait l’objet d’un examen de dépistage virologique ou de tout examen médical concluant à une

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renzierung zwischen Quarantäne und Isolation geht ausweislich Art. L.3131-15 I 38, 48 auf eine Richtlinie der World Health Organization (WHO) aus dem Jahr 2005 zurück, die in ihrem Abs. 1 zwischen der Quarantäne Infektions- bzw. Krankheitsverdächtiger und der Isolation Kranker bzw. Kontaminierter unterscheidet.295 Mithin besteht seit August 2021 jedenfalls die Möglichkeit, dass in Frankreich eine rechtlich verbindliche Pflicht zur Absonderung für nachweislich Infizierte in einer Exekutivregelung vorgesehen wird. Am letzten Tag des Jahres 2021 hat die Regelung dann, mit Blick auf das kommende Jahr, Anwendung gefunden: Durch Art. 1 68 b) Décret n82021-1957 v. 31. 12. 2021 ist Art. 24 II Décret n82021-699 v. 1. 6. 2021, der die Maßnahmen der Quarantäne und der Isolation im Hinblick auf die Coronapandemie regelt, dergestalt geändert worden, dass nunmehr der örtlich zuständige Präfekt befugt ist, die Isolation nachweislich Infizierter anzuordnen.296 Erfolgt dies, besteht mithin auch in Frankreich eine rechtliche (und nicht nur moralische) Pflicht zur Absonderung im Falle einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion. Naheliegend ist es, die hieraus folgende Arbeitsverhinderung als Auslöser einer Suspendierung des Arbeitsvertrags einzuordnen297 – eine Parallele kann insoweit etwa zum Fall der Inhaftierung des Arbeitnehmers gezogen werden.298 contamination.“ (frei übersetzt: Die in 38 I dieses Artikels vorgesehenen Maßnahmen, deren Zweck darin besteht, möglicherweise betroffene Personen unter Quarantäne zu stellen, können nur auf Personen abzielen, die sich im vorangegangenen Monat in einem Infektionsgebiet aufgehalten haben, französisches Hoheitsgebiet betreten, auf Korsika oder in einer der in Artikel 72-3 der Verfassung genannten Kollektivitäten ankommen. (…) Die in 48 I dieses Artikels vorgesehenen Maßnahmen, deren Zweck es ist, betroffene Personen in Isolation zu bringen und zu halten, können nur für Personen gelten, die sich einer virologischen ScreeningUntersuchung oder einem untersuchungsmedizinischen Kontaminationsbefund unterzogen haben). 295 WHO, Règlement sanitaire international, 2005, Art. 1 zu „isolement“ und „quarantaine“. 296 Art. 24 II Décret n82021-699 v. 1. 6. 2021 (i. d. F. v. 31. 12. 2021): „(…) le préfet territorialement compétent est habilité à prescrire: (…) 28 Le placement et le maintien en isolement des personnes ayant fait l’objet d’un test ou examen de dépistage concluant à une contamination par la covid-19.“ (Frei übersetzt: Der örtlich zuständige Präfekt ist befugt anzuordnen: (…) 28 Die Versetzung in eine Isolation und die Beibehaltung dieser für Personen, bei denen ein Test oder eine Untersuchung eine Infektion mit COVID-19 beweisen). 297 So i. E. auch Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 52. 298 Auch die Inhaftierung des Arbeitnehmers kann zur Suspendierung des Arbeitsvertrags führen. Anerkannt ist dies in der Rechtsprechung jedenfalls für Fälle der Untersuchungshaft, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat, siehe etwa Cass. Soc. v. 21. 11. 2000, n898-41.788, Bull. Civ., V, n8383. Dies basiert ausweislich der genannten Entscheidung nicht zuletzt auf der Unschuldsvermutung, vgl. auch Latina, JurisClasseur Contrats – Distribution, Fasc. 171 Rn. 45; Marié, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 10. Die Einschränkung auf Fälle, in denen die Inhaftierung dem Arbeitnehmer nicht vorwerfbar ist, wird in der Literatur jedoch mit überzeugenden Argumenten abgelehnt, siehe Roger, Dr. Soc. 1980, 173 (182 f.); i. E. ebenso Latina, JurisClasseur Contrats – Distribution, Fasc. 171 Rn. 46. Vielmehr soll wie auch im Krankheitsfall die Dauer der Arbeitsverhinderung und eine hieraus resultierende Beeinträchtigung des Betriebsablaufs entscheidend dafür sein, ob der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag beenden kann. Jegliche Inhaftierung führt demnach zur Suspendierung des Arbeitsvertrags und damit auch der Arbeitspflicht, vgl. Latina, JurisClasseur Contrats – Distribution, Fasc. 171

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

(2) Suspendierung aus Krankheitsgründen Klassischer Fall der Suspendierung des Arbeitsvertrags ist demgegenüber die Krankheit des Arbeitnehmers.299 Während nun die stark symptomatische COVID19-Erkrankung zweifellos als Krankheit einzuordnen ist und auch die symptomlose Coronavirusinfektion als solche eingeordnet wird, scheint dies für den bloßen Infektionsverdacht nicht der Fall zu sein.300 Ungeachtet dessen ist es präziser gesagt nicht bereits der Krankheitszustand, sondern erst die Feststellung der Krankheit durch einen Arzt, die den krankheitsbedingten Arbeitsausfall rechtfertigt und die Suspendierung des Arbeitsvertrags herbeiführt.301 Zwar können solche Bescheinigungen während der Coronapandemie sowohl im Falle der Infektion als auch bei einem Infektionsverdacht ausgestellt werden302 ; wenn der Arbeitnehmer sich der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aber verweigert, bleibt die Frage nach der Reaktionsmöglichkeit des Arbeitgebers und den Folgen der Nichtbeschäftigung weiter offen.303 (3) Möglichkeit der Einschaltung des Betriebsarztes Die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit und damit die Suspendierung auch seiner Beschäftigungspflicht könnte der Arbeitgeber allerdings durch Einschalten des Betriebsarztes herbeiführen. Unter gewöhnlichen Umständen hätte dies in Reaktion auf eine vorübergehende, kurzfristige Erkrankung des Arbeitnehmers keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Beschäftigungs-, Arbeits- und Vergütungspflicht, da es nicht Aufgabe des Betriebsarztes ist, die Arbeitsunfähigkeit festzustellen.304 Anders jedoch während der Coronapandemie: Hier wurde dem Betriebsarzt die Möglichkeit eröffnet, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auszustel-

Rn. 46; Roger, Dr. Soc. 1980, 173 (184); wohl auch Marié, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-10 Rn. 10. 299 Siehe etwa Auzero/Baugrad/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 362. 300 Anderenfalls wären die Sonderregelungen, die Personen in pandemiebedingter Isolation schon zu Beginn der Pandemie (siehe Art. 1 Décret n82020-73 in der ursprünglichen Fassung) einen Zugang zu Leistungen der Krankenversicherung und des Arbeitgebers verschafften, nicht notwendig gewesen. Siehe zum Krankheitsbegriff und der Subsumtion insbesondere der symptomlosen Coronavirusinfektion hierunter ausführlich Gliederungspunkt F. II. 1. 301 So Jeansen, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-20 Rn. 1; Bourgeot/Frouin, RJS 2000, 3 (4); wohl ebenso Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 540. 302 Ausführlich Gliederungspunkte F. II. 1. und G. II. 1. 303 Siehe auch Babin, RDT 2020, 724 (727). 304 Abgesehen von der endgültigen Feststellung der Ungeeignetheit für den Arbeitsplatz führt die Einschätzung des Betriebsarztes nicht zur Suspendierung des Arbeitsvertrags, siehe Bourgeot/Frouin, RJS 2000, 3 (4). Nach Art. L.321-1 Code de la sécurité sociale ist für die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gemeinhin der behandelnde Arzt zuständig, zum unterschiedlichen Aufgabenbereich von Betriebs- und behandelndem Arzt siehe auch Gardin, Le Droit Ouvrier 2015, 401 (402).

II. Frankreich

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len und so die Suspendierung des Arbeitsvertrages herbeizuführen.305 Da auch der Arbeitgeber eine betriebsärztliche Untersuchung erbitten kann, siehe Art. R.4624-34 Code du travail, könnte ihm hiermit ein Weg offenstehen, seinen Pflichten gegenüber den übrigen Arbeitnehmern zu genügen, ohne selbst über die Anwesenheit des infizierten Arbeitnehmers zu entscheiden. Wie oben bereits festgestellt306 ist dem Gesetz allerdings nicht eindeutig zu entnehmen, ob der Arbeitnehmer zur Wahrnehmung dieser erbetenen Untersuchungen auch verpflichtet ist. Verweigert der Arbeitnehmer die Untersuchung und erblickt man hierin eine Pflichtverletzung307, kommt wiederum eine Freistellung im Rahmen des Sanktionsrechts des Arbeitgebers in Betracht. Mit Blick auf die obigen Erwägungen zu Fragerechten des Arbeitgebers hinsichtlich des Gesundheitszustands308 ist allerdings zu hinterfragen, ob nicht die Option des Hinzuziehens des Betriebsarztes die eigenständigen Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers einschränkt. Da allein der Betriebsarzt für die Beurteilung des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers zuständig ist309 und ihm darüber hinaus eine besondere Rolle bei der Bekämpfung von Pandemien im Arbeitskontext zukommt310, ist denkbar, dass der Arbeitgeber nicht nur berechtigt, sondern zur Entfernung des Arbeitnehmers aus dem Betrieb auch verpflichtet ist, den Betriebsarzt heranzuziehen.311 Dem Schutz der Privatsphäre des Arbeitnehmers wäre so besser Rechnung getragen. Selbiges gilt für die Wertungen des Diskriminierungsrechts: Nach Art. L.1132-1 Code du travail darf niemand wegen seines Gesundheitszustands benachteiligt werden. Nur bei Beteiligung des Betriebsarztes und von diesem festgestellter Ungeeignetheit für die Tätigkeit soll die unterschiedliche Behandlung wegen des Gesundheitszustands möglich sein, Art. L.1133-3 Code du travail. Werden nun erkrankte oder krankheitsverdächtige Arbeitnehmer freigestellt, andere aber nicht, liegt zweifellos eine Ungleichbehandlung vor. Überträgt man die Argumentation der Cour de cassation, das eine Kündigung eines Arbeitnehmers billigte, der erkrankt und unter Gefährdung anderer seine Tätigkeit ausübte, die Kündigung sei nicht wegen des Gesundheitszustands, sondern vielmehr wegen der 305 Siehe Art. 2 I Ordonnance n82020-386 v. 1. 4. 2020. Später Art. 2 I Ordonnance n820201502 v. 2. 12. 2020; Art. 1 Décret n82021-24 v. 13. 1. 2021. 306 Siehe Gliederungspunkt D. II. 1. d). 307 So Cass. Soc. v. 17. 10. 2000, n897-45.286 (Legifrance); Cass. Soc. v. 29. 5. 1986, n88345.409, Bull. Civ., V, n8262 für gesetzlich vorgesehene Untersuchungen. 308 Siehe Gliederungspunkt D. II. 2. a). 309 Siehe bereits ausführlich Gliederungspunkt D. II. 1. d). 310 So bereits Circulaire DGT 2007/18, S. 2, 38 ff. 311 So wohl Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 52. Ähnlich der Gedankengang von Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (71) im Hinblick auf Informationspflichten des Arbeitgebers und die Frage, ob er an seinem Arbeitsplatz bleiben kann oder nicht. Auch das Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de COVID-19 sieht für die Behandlung von Verdachtsfällen das Hinzuziehen des Betriebsarztes vor, siehe die Fassung v. 28. 2. 2022, S. 17.

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

Pflichtverletzung erfolgt312, ließe sich die unmittelbare Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots wohl dennoch verneinen; bei Verdacht der Coronavirusinfektion oder Nachweis einer solchen erfolgt die Freistellung des Arbeitnehmers nicht allein aufgrund des Gesundheitszustands, sondern primär zum Schutze Dritter. Gleichwohl dürften die in Art. L.1132-1 und Art. L.1133-3 Code du travail getroffenen Wertungen zu berücksichtigen sein – bei Einschalten des Betriebsarztes würde dem Genüge getan. Darüber hinaus ist dieser Lösungsweg für den Arbeitgeber auch in finanzieller Hinsicht günstiger als etwa die Freistellung aus Gründen der betrieblichen Sicherheit, bei welcher der Arbeitgeber das Vergütungsrisiko trägt. Während die Suspendierung des Arbeitsvertrags grundsätzlich zum Verlust des Vergütungsanspruchs führt, greifen für den infektions- oder infektionsverdachtsbedingten Arbeitsausfall bei entsprechender Bescheinigung Sonderregeln ein, die in den nachfolgenden Kapiteln ausführlich untersucht werden.313 An dieser Stelle sei jedoch bereits festgehalten, dass der Arbeitgeber das Vergütungsrisiko nur anteilig im Rahmen des Art. L.1226-1 Code du travail trägt. (4) Exkurs: Auswirkungen der Schutzpflichten des Arbeitnehmers Erwägenswert ist darüber hinaus, ob nicht die Pflicht des Arbeitnehmers zum Schutze der Gesundheit derjenigen Personen, die vom Handeln des Arbeitnehmers bei der Arbeit betroffen sind, im Falle der nachgewiesenen Coronavirusinfektion oder ihres Verdachts unmittelbare Auswirkungen auf den Bestand der vertraglichen Hauptleistungspflichten hat. Stellt die Leistung in einem Zustand, der Dritte gefährdet, wie dies jedenfalls bei der nachgewiesenen Coronavirusinfektion der Fall ist314, eine Vertragsverletzung dar315, dann kann der Infizierte seine Arbeitsleistung nicht ohne gleichzeitige Pflichtverletzung erbringen. Ob die unmittelbare juristische Folge dieses Umstands auch die Suspendierung des Arbeitsvertrags ist, ist allerdings nicht eindeutig.316

312

Cass. Soc. v. 12. 10. 2017, n816-18-836, Dalloz Jurisprudence. Siehe Gliederungspunkte F. II. und G. II. 314 Vgl. Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (70). 315 Siehe zur Verletzung der Schutzpflichten bei Tätigkeit in einem Zustand, der andere gefährdet, Cass. Soc. v. 12. 10. 2017, n816-18.836, Dalloz jurisprudence. 316 Nach Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (70) findet die Freiheit des Arbeitnehmers zu Arbeiten ihre Grenze unzweifelhaft in seiner Schutzpflicht („La liberté du salarié de travailler trouve incontestable limite dans cette charge de sécurité qui pèse sur lui“). In anderem Kontext auch Kahn dit Cohen, Dr. Soc. 2022, 113 (116), der die Suspendierung bei Nichterfüllung der Pflicht zur Vorlage eines passe sanitaire als Folge der Verletzung von Pflichten aus Art. L.4122-1 Code du travail ansieht. 313

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(5) Exkurs: Einseitige Anordnung von Urlaub oder Freizeitausgleich In Grenzen ist weiterhin die einseitige Festlegung des Urlaubs oder Freizeitausgleichs von Arbeitnehmern möglich: Nach der gesetzlichen Konzeption wird die Zeitspanne, in der Urlaub genommen werden kann sowie die Reihenfolge des Urlaubs der Arbeitnehmer in einer Betriebs- oder Niederlassungsvereinbarung oder durch den Arbeitgeber festgelegt, Art. L.3141-15, 3141-16 Code du travail. Die Urlaubsperiode muss dem Arbeitnehmer zwei Monate vor ihrem Beginn, der konkrete Urlaubszeitraum einen Monat vor dessen Beginn mitgeteilt werden, Art. D.3141-5, 3141-6 Code du travail. Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde die Möglichkeit der einseitigen Urlaubsanordnung zeitweise erweitert – sofern eine Betriebs- oder Branchenvereinbarung dies vorsah, konnte der Arbeitgeber die Nutzung von Urlaubstagen anordnen oder bereits geplanten Urlaub verschieben, wobei eine Benachrichtigungsfrist von mindestens einem Tag notwendig war.317 Dies konnte zunächst maximal sechs, später maximal acht Urlaubstage betreffen.318 Neben dem Jahresurlaub existieren zahlreiche andere Formen der bezahlten arbeitsfreien Zeit im französischen Recht, die der Erholung des Arbeitnehmers dienen.319 Erweiterte Rechte des Arbeitgebers wurden auch für bis zu zehn Tage vorgesehen, die dem Arbeitnehmer aufgrund verschiedener Rechtsgrundlagen als Freizeitausgleich zustehen.320 Diesbezüglich galt das Erfordernis einer vorherigen Branchen- oder Betriebsvereinbarung nicht.321 Die Erweiterung der Möglichkeiten des Arbeitgebers zur unilateralen Bestimmung freier Tage sollte indes kein Instrument zum Umgang mit infizierten oder infektionsverdächtigen Arbeitnehmern sein, sondern vielmehr wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens ausgleichen, die etwa durch eine veränderte Auftragslage während der Pandemie entstehen konnten.322 Soweit ersichtlich er317 Art. 1 Ordonnance n82020-323 v. 25. 3. 2020. Die Regelung galt zunächst bis zum 31. 12. 2020, wurde dann zunächst bis zum 30. 6. 2021 (Art. 1 Ordonnance n82020-1597 v. 16. 12. 2020) und sodann bis zum 30. 9. 2021 (Art. 8 XI 28 Loi n82021-689 v. 31. 5. 2021) verlängert. Leroy, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 33 (35) äußern sich positiv zur Einschränkung, dass zuvor eine Kollektivvereinbarung erforderlich ist. 318 Siehe jeweils Art. 1 Ordonnance n82020-323 v. 25. 3. 2020 in der ursprünglichen Fassung und i. d. F. v. 2. 6. 2021. 319 Siehe Aufzählung bei Cortot/Pignarre, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 189 (190). 320 Art. 2, 3, 4 und 5 Ordonnance n82020-323 v. 25. 3. 2020. Gemeint sind sog. jour de réduction de temps de travail (Art. 2), d. h. freie Tage, die als Ausgleich für Arbeitszeiten, die über die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 35 Stunden hinausgehen, gewährt werden; Urlaubstage aufgrund sog. conventions de forfait (Art. 3), frei übersetzt Pauschalvereinbarungen; sowie Guthaben des Arbeitnehmers, das er aufgrund nicht genommenen Urlaubs oder bestimmter Geldansprüche in einem Guthabenkonto (compte épargne-temps) angesammelt hat (Art. 4). 321 Diese Voraussetzung ist nur in Art. 1 Ordonnance n82020-323 v. 25. 3. 2020 vorgesehen. 322 Die in Art. 2 bis 4 Ordonnance n82020-323 v. 25. 3. 2020 vorgesehenen Möglichkeiten der Nutzung des Freizeitausgleichs stehen unter dem Vorbehalt, dass dies durch die Interessen

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

langte diese Handlungsoption daher keine Bedeutung als Alternative zur Freistellung im Falle der Infektion oder des Infektionsverdachts. b) Freistellung wegen Verweigerung der Teilnahme an betrieblichen Infektionsschutzmaßnahmen Verweigert der Arbeitnehmer die Teilnahme an Infektionsschutzmaßnahmen, kann dies eine Verletzung seiner Arbeitsschutzpflichten darstellen, denn er ist zur Mitwirkung am betrieblichen Infektionsschutz verpflichtet.323 Denkbar ist daher eine Freistellung mit Sanktionscharakter.324 Darüber hinaus kommt eine Freistellung zur Wahrung der betrieblichen Sicherheit in Betracht, die für den Arbeitgeber in finanzieller Hinsicht jedoch ungünstiger ist.325 Das kann indes nur gelten, wenn der Arbeitgeber zur Teilnahme an der konkreten Maßnahme verpflichtet ist.326 Bei der Forderung der Durchführung eines Coronatests oder der Teilnahme an Fiebermessungen ist das in der Regel nicht der Fall.327 Der Arbeitnehmer, der sich einer solchen Maßnahme verweigert, darf nicht daran gehindert werden, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen.328 Die Nichtbeschäftigung wäre pflichtwidrig, der Arbeitgeber bliebe dann zur Vergütung verpflichtet.329 Soweit die Pflicht zur Vorlage eines 3-G-Nachweises auf gesetzlicher Basis besteht und ein solcher Nachweis nicht vorgelegt werden kann, bedarf es keiner Freistellung durch den Arbeitgeber – der Arbeitsvertrag ist in diesem Fall kraft des Betriebs aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der COVID-19Pandemie gerechtfertigt ist („Lorsque l’intérêt de l’entreprise le justifie eu égard aux difficultés économiques liées à la propagation du covid-19 (…)“). Die in Art. 1 Ordonnance n82020-323 v. 25. 3. 2020 vorgesehenen Vereinbarungen hinsichtlich der einseitigen Anordnung des Urlaubs sollen erfolgen, um den wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Konsequenzen der Pandemie zu begegnen („Afin de faire face aux conséquences économiques, financières et sociales de la propagation du covid-19“). 323 Siehe bereits Gliederungspunkt C. II. 2. 324 Für eine unmittelbare Entfernung aus dem Betrieb wäre wohlgemerkt die geschilderte Kombination mit einer mise à pied conservatoire erforderlich, siehe Gliederungspunkt E. II. 2. a) bb). 325 Adam, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 61 (69 f.) erwägt das Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer, der sich zulässigen Fiebermessungen verweigert, den Zutritt zum Betrieb zu verweigern, zweifelt aber an der Berechtigung, in der Folge auch die Vergütung zurückzuhalten. 326 Das Befolgen unzulässiger Anweisungen darf der Arbeitnehmer verweigern, siehe Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 813. 327 Siehe Gliederungspunkte D. II. 2. c), d). 328 Roisin/Ouali Daoudi, JCP S 2021, 1146; Sevillia, JCP S 2021, 95; Véricel, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 208 (209). 329 Soweit die Freistellung als Sanktionsmaßnahme erfolgt, führt die gerichtliche Annullierung der unzulässigen Sanktion zur Zahlungspflicht des Arbeitgebers, siehe Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 847. Zur Vergütungspflicht bei pflichtwidriger Nichtbeschäftigung siehe bereits Gliederungspunkt B. II.

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Gesetzes suspendiert, es bestehen weder Arbeits-, noch Beschäftigungs- oder Vergütungspflicht.330 c) Zwischenergebnis Der Arbeitgeber ist zur Beschäftigung des Arbeitnehmers verpflichtet. Kommt er dem pflichtwidrig nicht nach, besteht der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich fort. Der Arbeitgeber sieht sich u. U. einer Kündigung des Arbeitnehmers ausgesetzt, die diesen zu einer Entschädigungszahlung berechtigt. Der Arbeitgeber kann zur Nichtbeschäftigung jedoch auch berechtigt sein. Das kommt insbesondere bei einer Freistellung mit Sanktionscharakter oder einer vorsorglichen Freistellung, die einer Kündigung wegen schwerwiegenden Fehlverhaltens vorgeschaltet ist, in Betracht. Beide führen nach herrschender Ansicht zum Fortfall des Vergütungsanspruchs, sofern ihre Voraussetzungen vorliegen. Diese Arten der Freistellung sind jedoch nur infolge einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers möglich – präventiv können sie nicht erfolgen. Auch bei Fehlen einer Pflichtverletzung kann der Arbeitgeber jedoch zur Gewährleistung der betrieblichen Sicherheit zu einer Freistellung des Arbeitnehmers berechtigt sein. Diese Art der Freistellung ist bislang vergleichsweise schlecht ausgeleuchtet, insbesondere die Folgen für den Vergütungsanspruch sind nicht abschließend geklärt. Überwiegend und überzeugend geht man indes von seinem Fortbestand aus. Es ist insbesondere diese letztgenannte Lösung, die zur Anwendung gelangen könnte, wenn der Arbeitgeber infizierte oder infektionsverdächtige Arbeitnehmer trotz fehlender Pflichtverletzung nicht beschäftigen will, denn auch hier verfolgt er die Gewährleistung der betrieblichen Sicherheit. Hier ist vieles ungewiss, eine Befreiung von der Beschäftigungspflicht lässt sich aber rechtlich durchaus begründen. Die bestehenden Leitlinien sowie die wenigen Stimmen, die sich mit der Freistellung im Kontext der Coronapandemie oder anderen Pandemien auseinandergesetzt haben, weisen jedoch auf einen Fortbestand des Vergütungsanspruchs hin. Hat der Arbeitnehmer hingegen eine Pflichtverletzung begangen, etwa weil er Dritte durch Tätigwerden trotz Infektion oder Infektionsverdacht gefährdet hat oder sich zulässigen, betrieblichen Infektionsschutzmaßnahmen verweigert hat, kommt eine Freistellung als Sanktion in Betracht. Das hier zu beachtende Verfahren, namentlich die gesetzlich vorgesehene Wartefrist von zwei Tagen, wird dem Interesse an sofortigem Schutz vor Infektionen nicht gerecht. Eine Kombination der disziplinarischen Freistellung mit einer Freistellung als vorsorglicher Maßnahme ermöglicht hier allerdings eine Befreiung von Beschäftigungs- und Vergütungspflicht. Die Verweigerung freiwilliger Infektionsschutzmaßnahmen berechtigt den Arbeitgeber indes nicht zur Freistellung. Beschäftigt er den Arbeitnehmer gleichwohl nicht, trägt er das Vergütungsrisiko. 330 Siehe Art. 1 I 18 b) Loi n82021-1040, dort die vorgesehene Änderung von Art. 1 II C Loi n82021-689.

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

Auf eine Freistellungsentscheidung des Arbeitgebers kommt es nicht entscheidend an, wenn der Vertrag bereits aus anderen Gründen suspendiert ist. Während Infektion oder Infektionsverdacht als solche wohl noch keine solche Suspendierung herbeiführen, tritt eine solche ein, sobald die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ärztlich bescheinigt wird, was sowohl bei einer Coronavirusinfektion als auch ihrem Verdacht möglich ist. Auch der Betriebsarzt wurde im Zuge der Coronapandemie berechtigt, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auszustellen. Die Weigerung des Arbeitnehmers, an einer vom Arbeitgeber erbetenen Untersuchung teilzunehmen, kann, sofern er hierzu kraft seines Arbeitsvertrags verpflichtet ist, wiederum die Möglichkeit der Freistellung als Sanktion eröffnen. Ob eine solche Pflicht für vom Arbeitgeber erbetene Untersuchungen besteht, ist nach dem jetzigen Stand der Rechtsprechung indes nicht eindeutig. Sollte dem so sein, ist zu erwägen, ob die Möglichkeit der Einschaltung des Betriebsarztes die eigenständigen Freistellungsbefugnisse des Arbeitgebers beschränkt. Die praktische Relevanz der Frage dürfte sich indes dadurch verringern, dass die Suspendierung des Arbeitsvertrags im Falle der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit für den Arbeitgeber finanziell günstiger ist als eine Freistellung nach eigenständiger Entscheidung. Die einseitige Anordnung von Urlaub oder Freizeitausgleich ist demgegenüber wohl keine relevante Handlungsalternative – zwar wurden die unilateralen Entscheidungsbefugnisse des Arbeitgebers während der Pandemie zeitweise gesetzlich erweitert, dies diente allerdings dem Ausgleich im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Unternehmens. Dass die Erweiterung zum Umgang mit infizierten oder infektionsverdächtigen Arbeitnehmern genutzt wurde, ist nicht ersichtlich. Eine Suspendierung des Arbeitsvertrags und damit auch eine Befreiung des Arbeitsgebers von Beschäftigungs- und Vergütungspflicht tritt im Falle der Verletzung einer den Arbeitnehmer treffenden Pflicht zur Vorlage eines 3-G-Nachweises ipso iure ein.

III. Die Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers wegen Infektion, Infektionsverdachts oder Infektionsrisikos in Deutschland und Frankreich im Vergleich Bei der Betrachtung einseitiger Freistellungen durch den Arbeitgeber teilen sich das deutsche und französische Arbeitsrecht einen gemeinsamen Ausgangspunkt: Der Arbeitgeber ist grundsätzlich zur Beschäftigung verpflichtet und handelt dementsprechend vertragswidrig, wenn er sich weigert, dem Arbeitnehmer vertragsgemäße Tätigkeiten zuzuweisen. Ähnlich ist in beiden Rechtssystemen auch, dass die einseitige Freistellung nicht oder nur in Ansätzen gesetzlich geregelt ist. Im deutschen Recht fehlt eine Normierung, in Frankreich findet sich lediglich ein indirekter Hinweis auf die mise à pied conservatoire in Art. L.1332-3 Code du travail und auf die dispense d’activité rémunérée in Art. L.1234-5 Code du travail. Freistellungen

III. Die Nichtbeschäftigung im Vergleich

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im laufenden Arbeitsverhältnis, unabhängig von Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, haben in beiden Staaten bislang weit weniger Aufmerksamkeit erfahren als solche im Kontext von Kündigungen. Während der Pandemie können sie aber von entscheidender Bedeutung sein. Die Frage nach dem Recht zur Freistellung spielt dabei insbesondere im Hinblick auf die Verteilung des Vergütungsrisikos eine Rolle. Zwar führt die unberechtigte Freistellung in beiden Staaten auch dazu, dass der Arbeitnehmer seinen Beschäftigungsanspruch im Eilverfahren gerichtlich geltend machen kann, in Frankreich darüber hinaus zu einer Möglichkeit der für den Arbeitgeber finanziell belastenden Vertragsbeendigung; im Fokus steht jedoch zumeist die Frage, ob der Arbeitnehmer trotz Nichterbringung der Leistung einen Vergütungsanspruch hat oder nicht. Bei unberechtigter Freistellung, d. h. Verletzung der Beschäftigungspflicht, ist das der Fall: In Deutschland folgt dies bei einseitiger Freistellung aus § 615 S. 1 BGB, und auch in Frankreich ist bei ungerechtfertigter Nichtbeschäftigung des zur Verfügung stehenden Arbeitnehmers anerkannt, dass der Arbeitgeber das Vergütungsrisiko trägt, obwohl eine eindeutige gesetzliche Regelung nicht besteht. Ist das Ausbleiben der Beschäftigung hingegen gerechtfertigt, gehen die Rechtsfolgen im Einzelnen auseinander. Nach deutschem Recht bleibt es im Grundsatz bei der Anwendung des § 615 S. 1 BGB, sofern der Arbeitgeber nicht einen wirksamen Freistellungsvorbehalt ausübt oder die Freistellung vereinbart wurde – der Arbeitgeber trägt das Vergütungsrisiko, solange der Arbeitnehmer leistungsfähig ist und die Arbeitsleistung anbietet. Eine Ausnahme besteht nur bei schwerwiegender Pflichtverletzung, welche den Anspruch auf Annahmeverzugslohn nach Treu und Glauben ausschließt. Diese gerade im Kontext von außerordentlichen, aber nicht sofort wirksamen Kündigungen erörterte Ausnahme erinnert an die im französischen Recht anerkannte mise à pied conservatoire, die den Arbeitgeber bei schwerwiegender Pflichtverletzung und anschließender Kündigung aus diesem Grund von der Vergütungspflicht befreit. Im französischen Arbeitsrecht ist insgesamt entscheidend, aus welchem Grund der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht beschäftigt. Die Lösung ist deutlich weniger vom allgemeinen Vertragsrecht geprägt als die des deutschen Rechts. Sanktioniert der Arbeitgeber mit der Freistellung berechtigterweise und unter Einhaltung des vorgesehenen Verfahrens ein Fehlverhalten, ist er zur Vergütung nicht verpflichtet. Stellt er hingegen aus Gründen der betrieblichen Sicherheit frei, trägt er wohl das Vergütungsrisiko. In beiden Staaten ist jedoch auch von Bedeutung, ob die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers bereits aus anderem Grunde entfallen ist. In Frankreich kann ein anderer Grund für die Suspendierung des Arbeitsvertrags der Freistellung vorrangig sein, wenn er vor dieser eingetreten ist oder für den Arbeitnehmer günstigere Folgen hat.331 In Deutschland folgt aus § 297 BGB, dass der Annahmeverzug des Arbeitgebers und damit auch die Vergütungspflicht nach §§ 611a Abs. 2, 615 S. 1 BGB 331 Zur umstrittenen Frage der Auflösung einer Konkurrenz mehrerer Suspendierungsgründe siehe unten Gliederungspunkt G. II. 2. a) bb) (1).

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E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

ausbleibt, wenn der Arbeitnehmer nicht leistungsfähig ist. Auch hier kommt jedoch die Anwendung anderweitiger Rechtsgrundlagen in Betracht, die den Vergütungsanspruch aufrechterhalten oder Ersatzansprüche begründen.332 1. Anderweitiges Entfallen der vertraglichen Hauptleistungspflichten Das ist in Deutschland insbesondere im Falle der hoheitlich angeordneten Absonderung der Fall, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers nur im Betrieb erbracht werden kann. Eine solche Absonderung spielte in Frankreich demgegenüber eine untergeordnete Rolle, war sie doch zunächst nur gegenüber Einreisenden aus Risikogebieten möglich, erst ab dem Jahr 2022 auch gegenüber nachweislich Infizierten. In Deutschland kommt es auf die Freistellungsentscheidung des Arbeitgebers auch dann nicht an, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist, was jedenfalls bei starken Symptomen der COVID-19-Erkrankung der Fall ist. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit führt auch in Frankreich zum Entfallen der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten, das allerdings erst bei entsprechender Bescheinigung durch eine zuständige Stelle, i. d. R. durch einen Arzt. Ist eine solche Bescheinigung sowohl im Falle der Coronavirusinfektion als auch bei ihrem Verdacht möglich, so bleiben die vertraglichen Pflichten doch zunächst bestehen, solange eine Bescheinigung ausbleibt. Für das deutsche Recht ist eine Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers und damit ein Fortfall der vertraglichen Hauptleistungspflichten auch für den Fall der nachgewiesenen Coronavirusinfektion zu bejahen, sofern die Beschäftigung hierdurch mit einer Gefährdung Dritter einherginge. Eine ähnliche Lösung ließe sich angesichts der vergleichbaren Arbeitsschutzpflichten auf Arbeitnehmerseite auch für das französische Recht herleiten, findet sich in der dortigen Literatur aber nur in Ansätzen wieder. Eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit und damit die Suspendierung des Arbeitsvertrags kann der Arbeitgeber in Frankreich womöglich durch Einschalten des Betriebsarztes herbeiführen. In der Stärkung der Kompetenzen des Betriebsarztes, der im Zuge der Pandemie zum Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen berechtigt wurde, zeigt sich erneut die hervorgehobene Stellung dieser Funktion im französischen Arbeitsrecht. Verbunden mit den eingeschränkten Informationsrechten des Arbeitgebers mag auch das ein Grund dafür sein, dass die Freistellung Infizierter oder Infektionsverdächtiger auf Initiative des Arbeitgebers in der arbeitsrechtlichen Diskussion in Frankreich kaum eine Rolle spielt. Auch in Deutschland ist das Hinzuziehen (betriebs-)ärztlichen Rates denkbar. Zweifel an der Leistungsfähigkeit können den Arbeitgeber schließlich zur Anordnung einer ärztlichen Untersuchung berechtigen. Die Feststellung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers im hiesigen Kontext erfolgt allerdings mittels Durchführung eines Coronatests oder Vorlage eines Testergebnisses – die Beteiligung eines Arztes ist 332

Siehe nachfolgend Gliederungspunkte F. I. und G. I.

III. Die Nichtbeschäftigung im Vergleich

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dabei nicht zwingend erforderlich. Nach hier vertretener Ansicht steht dem Arbeitgeber das Recht zu, im Verdachtsfalle die Vorlage eines Coronatestergebnisses vor Aufnahme der Tätigkeit zu fordern – wer diesen Test durchführt, ob es der Betriebsarzt ist oder nicht, ist in diesem Kontext nachrangig. Auch ohne Durchführung einer Untersuchung könnte der (Betriebs-)Arzt womöglich im Sinne der betrieblichen Sicherheit ein Fernhalten des Arbeitnehmers aus dem Betrieb empfehlen. Eine derartige Empfehlung allein begründet aber noch nicht die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers333 und wirkt sich auf die Frage der Freistellung und des Vergütungsrisikos daher nicht entscheidend aus. Die Beschäftigungs- und Arbeitspflichten der Arbeitsvertragsparteien ruhen auch während des Erholungsurlaubs. Einen solchen einseitig anzuordnen ist dem Arbeitgeber allerdings nur in engsten Grenzen möglich, was die Relevanz im hiesigen Kontext beschränkt: Nach deutschem Urlaubsrecht ist der Arbeitgeber bei einseitiger Anordnung auf das Einverständnis des Arbeitnehmers hinsichtlich der Lage des Urlaubs angewiesen. Im französischen Recht sind die Möglichkeiten der einseitigen Urlaubsanordnung zwar pandemiebedingt zeitweise erweitert worden, dies allerdings zum Ausgleich wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Unternehmens – für die Freistellung infizierter oder infektionsverdächtiger Arbeitnehmer erlangte diese Option soweit ersichtlich keine Bedeutung. 2. Ausbleiben der Arbeitsleistung infolge einer Entscheidung des Arbeitgebers Sind die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten hingegen nicht schon aus anderem Grund suspendiert, kommt es maßgeblich auf ein Recht des Arbeitgebers, von der Beschäftigung des Arbeitnehmers abzusehen, und das an die berechtigte Freistellung anknüpfende Vergütungsrisiko an. Aufgrund der bei nachgewiesener Infektion bejahten Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers verbleiben im deutschen Recht hier zunächst die Fälle, in denen eine Infektion für den Freistellungszeitraum nicht nachgewiesen werden kann. Ist der Arbeitnehmer weder durch Absonderung noch durch Arbeitsunfähigkeit an seiner Leistung verhindert und bietet sie dem Arbeitgeber an, besteht Annahmeverzug. In Frankreich kommen für den infektionsverdächtigen ebenso wie für den infizierten Arbeitnehmer mehrere Arten der Freistellung in Betracht. Hat der Arbeitnehmer bereits vertragliche Pflichten verletzt, indem er Dritte gefährdet hat, scheint eine Freistellung als Sanktion möglich, die in Kombination mit einer vorgeschalteten vorsorglichen Freistellung (mise à pied conservatoire) auch unmittelbar zum Fortfall des Vergütungsanspruchs führen kann. Schon präventiv kommt eine Freistellung zur Gewährleistung der betrieblichen Sicherheit in Betracht, bei welcher wohl allerdings 333 Vgl. BAG, Urt. v. 17. 2. 1998 – 9 AZR 130/97, NZA 1999, 33. Vgl. im Hinblick auf vulnerable Arbeitnehmer im Kontext der Coronapandemie auch Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Umgang mit aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie besonders schutzbedu¨ rftigen Bescha¨ ftigten, Arbeitsmedizinische Empfehlung, Dezember 2021, S. 6.

224

E. Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber

der Arbeitgeber das Vergütungsrisiko trägt. Aufgrund des Zusammenhangs mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers kann die dem Betriebsarzt zugesprochene Kompetenz, infektions- oder infektionsverdachtsbedingte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auszustellen, einem Freistellungsrecht des Arbeitgebers jedoch entgegenstehen. Da das Hinzuziehen des Betriebsarztes auch bereits präventiv möglich ist und den Arbeitgeber darüber hinaus finanziell entlastet, steht zu vermuten, dass diese Möglichkeit jedenfalls die praktische Relevanz der Freistellung in den Hintergrund treten lässt. Beruht die Freistellungsentscheidung nicht auf einem Zustand des Arbeitnehmers, sondern vielmehr auf der Tatsache, dass er sich betrieblichen Infektionsschutzmaßnahmen wie insbesondere der Durchführung von Coronatests verweigert, führt dies – soweit die geforderte Maßnahme zulässig ist – nach deutschem Recht im Falle der Freistellung zum Verlust des Vergütungsanspruchs. Dieses Ergebnis lässt sich über § 615 S. 1 BGB oder § 273 Abs. 1 BGB begründen. In Frankreich kommt auch hier eine disziplinarische Freistellung oder eine solche zur Gewährleistung der betrieblichen Sicherheit jeweils mit den beschriebenen Folgen in Betracht. Da insbesondere die Forderung von Coronatests durch den Arbeitgeber hier jedoch außerhalb gesetzlicher Vorgaben als unzulässig angesehen wird, spielt dies eine vergleichsweise geringe Rolle. An die Verweigerung unzulässiger Maßnahmen kann weder in Deutschland noch in Frankreich berechtigterweise eine Freistellung geknüpft werden – sollte die Beschäftigung gleichwohl verweigert werden, besteht der Vergütungsanspruch fort. Ebenso entspricht sich das Ergebnis im Falle des Verstoßes gegen gesetzlich vorgesehene Nachweispflichten – kann der Arbeitnehmer trotz gesetzlicher Anordnung bei Aufnahme der Tätigkeit keinen negativen Coronatest (oder vergleichbaren Nachweis) vorlegen, darf er nicht tätig werden und verliert in der Folge seinen Vergütungsanspruch.

IV. Ein Zwischenstand Fälle, in denen Arbeitnehmer sich trotz einer von ihnen (möglicherweise) ausgehenden Infektionsgefahr und entgegen öffentlicher Empfehlung oder Anordnung nicht isolieren, sind – so hofft man – die Ausnahme. Fehlende Kontrollen, mögliche Nachteile der Isolation wie etwa ein (anteiliger) Vergütungsverlust oder schlichtweg der fehlende Glaube an die Gefährlichkeit der Coronavirusinfektion können dennoch zu solchen Situationen führen. Während nun einige Fälle, in denen es die Freistellungsentscheidung des Arbeitgebers ist, die den Arbeitsausfall herbeiführt, mit den obigen Ausführungen abgehandelt sind, bleiben weitere Fragen offen. Das gilt insbesondere für die Situationen, in denen die Arbeits- bzw. Beschäftigungspflicht bereits entfallen ist, weil der Arbeitnehmer schlichtweg nicht in der Lage ist, die geschuldete Leistung zu erbringen. Weiterhin bleiben die Sachverhalte zu erörtern, in denen die grundsätzlich mögliche Arbeitsleistung nicht auf Initiative des Arbeitgebers, sondern auf derjenigen des Arbeitnehmers ausbleibt.

F. Die Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion Ist der Arbeitnehmer nachweislich mit dem Coronavirus infiziert, kann dies der Arbeitsleistung entgegenstehen – so viel wurde bereits festgestellt. Als konkreter Anknüpfungspunkt für die Arbeitsverhinderung kommen eine infolge ausgebrochener Erkrankung bestehende Arbeitsunfähigkeit, rechtliche Hindernisse oder auch der Unwillen des Arbeitnehmers, andere zu gefährden, in Betracht. Auf eine rechtliche Einordnung dieser Verhinderungsgründe mit ihren Auswirkungen auf die Arbeitspflicht folgt eine vertiefte Untersuchung der Verteilung des Vergütungsrisikos in den Vergleichsstaaten Deutschland und Frankreich.

I. Deutschland Für das deutsche Recht wurde bereits festgestellt, dass die nachgewiesene Coronavirusinfektion im Lichte der Pflicht zu gesundheitsschutzgerechten Verhalten schon für sich genommen zu einer Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers führen kann.1 Gerade für die Verteilung des Vergütungsrisikos ist jedoch der konkrete Auslöser des Arbeitsausfalls nicht unerheblich – zu differenzieren ist insbesondere zwischen den Fällen der hoheitlich angeordneten Absonderung des Arbeitnehmers, der aufgrund starker Symptome eintretenden, krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sowie der trotz ausbleibender Absonderung und Symptomlosigkeit bestehenden Arbeitsverhinderung. 1. Arbeitspflicht bei nachgewiesener Coronavirusinfektion Die Infektion bedeutet in aller Regel, dass der Arbeitnehmer nicht in der Lage und damit auch nicht verpflichtet ist, die Arbeitsleistung in der geschuldeten Art und Weise zu erbringen. Eindeutig ist dieses Ergebnis in zwei Fällen: Zum einen wird der infizierte Arbeitnehmer sich zumeist in hoheitlich angeordneter Absonderung befinden, die, soweit zur Erbringung der Arbeitsleistung ein Verlassen des aktuellen Aufenthaltsortes erforderlich ist, schon zu einer rechtlichen Unmöglichkeit der Arbeitsleistung nach § 275 Abs. 1 BGB führt.2 Zum anderen kann auch die kör1

Siehe Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (1) (b). Erman/Ulber, 16. Aufl. 2020, § 275 BGB Rn. 40; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 14; Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (414); Kleinebrink, NZA 2020, 1361 (1364); Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623 (624); Krieger/Rudnik/Povedano/Pera2

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

perliche Kondition des Arbeitnehmers eine Unmöglichkeit der Leistung begründen: Ist er nicht lediglich infiziert, sondern leidet zusätzlich an starken Symptomen der COVID-19-Erkrankung, die seinem Tätigwerden entgegenstehen oder die jedenfalls Verschlimmerung erwarten lassen, handelt es sich im Hinblick auf die Arbeitspflicht um nichts anderes als den klassischen Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Zwar ist seit der Schuldrechtsreform im Jahre 2002 umstritten, mit welcher rechtlichen Begründung die Arbeitsunfähigkeit im Einzelfall zum Entfallen der Arbeitspflicht führt.3 Überwiegend und grundsätzlich überzeugend wird hier aber wie folgt differenziert: Bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers, die ihn so stark in Mitleidenschaft zieht, dass er tatsächlich nicht in der Lage ist, seiner Tätigkeit nachzugehen, ist ihm die Arbeitsleitung tatsächlich subjektiv unmöglich nach § 275 Abs. 1 BGB – die Arbeitspflicht entfällt ipso iure; besteht hingegen allein die Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung, ist dem Arbeitnehmer die Leistung zwar möglich, nicht aber zumutbar, sodass er die Einrede nach § 275 Abs. 3 BGB erheben und so die Arbeitspflicht zum Erlöschen bringen kann.4 Bricht mithin die COVID19-Erkrankung aus und leidet der Arbeitnehmer an so starken Symptomen, dass er die Arbeitsleistung schon aufgrund dieser nicht ordnungsgemäß erbringen könnte, liegt Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB vor. Schwieriger einzuordnen ist hingegen der Fall der nachgewiesenen Coronavirusinfektion, wenn keine oder nur leichte Symptome der COVID-19-Erkrankung auftreten. Nach der genannten Differenzierung würde ein Leistungsverweigerungsrecht bestehen, wenn eine Verschlimmerung des eigenen Gesundheitszustands bei Tätigwerden zu befürchten ist.5 Insbesondere bei Symptomlosigkeit wäre das jedoch nicht der Fall. Gleichwohl leiten mehrere Stimmen für den Fall der eigenen Infektion mit ansteckenden Krankheitserregern ein Leistungsverweigerungsrecht mato, NZA 2020, 473 (476); Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (751); Preis/Schmid, in: JbARbR 2020, Band 58, S. 21 (28, 36); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137; Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); Weller/Lieberknecht/Habricht, NJW 2020, 1017 (1018); hingegen für eine praktische Unmöglichkeit Fischinger/Hengstberger, JA 2021, 561 (566). Zur Abgrenzung, ob eine durch einen Profifußballer im Homeoffice bzw. Hometraining erbrachte Leistung die Arbeitsleistung darstellt oder ob aufgrund der Absonderung Unmöglichkeit besteht, siehe ausführlich Schmid, NZA 2021, 846 (846 f.). 3 Siehe Überblick zum Streitstand bei Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit, 2004, S. 289; Gotthardt/Greiner, DB 2002, 2106 (2106 f.); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 685; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 548. 4 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 685; HWK/Thüsing, 10. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 548; Falter, BB 2009, 1974 (1979); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (565); Gotthardt/Greiner, DB 2002, 2106 (2108); Henssler/Muthers, ZGS 2002, 219 (223); siehe auch Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit, 2004, S. 294 ff.; a. A. Löwisch, NZA 2001, 465 (465 f.); Lindemann, AuR 2002, 81 (82); nicht differenzierend und immer für einen Ausschluss nach § 275 Abs. 1 BGB Berkowsky, AuA 2002, 11 (11 f.); Canaris, JZ 2001, 499 (501, Fn. 33); Däubler, NZA 2001, 1329 (1332); Joussen, NZA 2001, 745 (747); die Krankheit immer § 275 Abs. 3 BGB zuordnend Löwisch, NZA 2001, 465. 5 Wohl an der Differenzierung zwischen § 275 Abs. 1 BGB und § 275 Abs. 3 BGB auch für die Coronavirusinfektion festhaltend Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); uneindeutig insoweit Grimm, DB 2020, 1177; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1138).

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des Arbeitnehmers aus § 275 Abs. 3 BGB her, weil dem Arbeitnehmer die Gefährdung seiner Kollegen unzumutbar sei.6 Konsequenter Weise kann dem hier insoweit nicht gefolgt werden, als auch die symptomlos oder leicht symptomatische Coronavirusinfektion bereits zur Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers führt, weil er nicht in der Lage ist, seine Arbeitsschutzpflichten, die als Bestandteil seiner Hauptleistungspflicht, jedenfalls jedoch als leistungsbezogene Nebenpflicht zu erachten sind, zu erfüllen.7 Soweit eine Tätigkeit ohne Gefährdung anderer Personen nicht möglich ist, ist der Arbeitnehmer nach hier vertretener Ansicht regelmäßig nicht leistungsfähig, die Arbeitsleistung in einer vertragsgemäßen Art und Weise ist ihm dann unmöglich.8 Diese Einordnung wirft wohlgemerkt die Frage auf, wie es insbesondere im Hinblick auf den Vergütungsanspruch zu beurteilen ist, wenn der Arbeitnehmer dennoch, trotz der Coronavirusinfektion, tätig wird. Diese Fragestellung ist in ihrem Kern jedoch nicht neu – das Tätigwerden des an sich krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Arbeitnehmers war bereits Gegenstand zahlreicher rechtswissenschaftlicher Auseinandersetzungen.9 Sie wirft auch keine unlösbaren Probleme auf. Erbringt der Arbeitnehmer eine Leistung und nimmt der Arbeitgeber sie an, ist die Leistung zu vergüten – das lässt sich jedenfalls aus § 242 BGB herleiten10, denkbar scheint auch eine Lösung über den Gedanken der Annahme an Erfüllungs statt nach § 364 Abs. 1 BGB. Dass der Arbeitnehmer theoretisch, wohlgemerkt unter Inkaufnahme der Gefährdung Dritter, tätig werden könnte und somit Konstellationen nicht ausgeschlossen sind, in denen eine Leistung trotz nachgewiesener Coronavirusinfektion erfolgt, steht dem hiesigen Verständnis, nach dem die Arbeitsleistung in der geschuldeten Art und Weise aufgrund der Infektion regelmäßig nicht möglich ist, daher nicht entgegen. Eine Gewichtung der denkbaren Auslöser für den Fortfall der Arbeitspflicht, sofern etwa Absondeurng und symptombedingte Unmöglichkeit der Arbeitsleistung gleichzeitig bestehen, ist an dieser Stelle noch nicht erforderlich – denn dass die Arbeitspflicht entfällt, das steht erst einmal fest. Auf einen „Vorrang“ des einen oder 6 Siehe etwa ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 10; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 21; NK-GA/Sievers, 1. Aufl. 2016, § 3 EFZG Rn. 36; Vogelsang, Entgeltfortzahlung, 2003, Rn. 81; wohl auch Lindemann, AuR 2002, 81 (82). 7 Siehe oben Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (1) (b). 8 I. E. ebenso Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (37); ähnlich auch Fischinger/ Hengstberger, JA 2020, 561 (565). 9 Siehe etwa Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit, 2004, S. 290; Joussen, NZA 2001, 745 (747); Löwisch, NZA 2001, 465; Staudinger/Caspers, Neubearb. 2019, § 275 BGB Rn. 113; aktuell im Hinblick auf bestehende Tätigkeits- oder Beschäftigungsverbote bei fehlender Coronaschutzimpfung auch Beden, NZA 2022, 611 (612 f.); siehe weiterhin zum Tätigwerden trotz fehlender Arbeitserlaubnis LAG Berlin, Urt. v. 26. 11. 2002 – 3 Sa 1530/02, BeckRS 2003, 40385 (Rn. 23). 10 Joussen, NZA 2001, 745 (747); a. A. Staudinger/Caspers, Neubearb. 2019, § 275 BGB Rn. 113; wohl auch Löwisch, NZA 2001, 465.

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

anderen Verhinderungsgrundes kommt es erst auf Ebene des Vergütungsrisikos an, sodass diese Frage auch erst im weiteren Verlauf erörtert wird.11 2. Das Vergütungsrisiko bei Arbeitsverhinderung wegen Coronavirusinfektion Bleibt die Arbeitsleistung infektionsbedingt aus, gilt im Grundsatz die Regel „Ohne Arbeit kein Lohn“ – bei Unmöglichkeit vertragsgerechter Leistung nach § 275 Abs. 1 BGB folgt der Fortfall des Vergütungsanspruchs aus § 326 Abs. 1 S. 1 BGB. Nun ist die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ein klassischer Fall der Durchbrechung dieses Prinzips, da der Arbeitnehmer u. U. einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG hat. Bei kurzfristiger Verhinderung aus persönlichen Gründen kommt ein Aufrechterhalten des Vergütungsanspruchs durch § 616 BGB in Betracht. Neben diesen Durchbrechungen des arbeitsvertraglichen Synallagmas ist auch der Bestand von Lohnersatzansprüchen denkbar, etwa ein Anspruch auf Krankengeld nach §§ 44 Abs. 1, 46 S. 1 Nr. 2 SGB V. Darüber hinaus ist zu sehen, dass der mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer sich in vielen Fällen aufgrund hoheitlicher Anordnung in Absonderung nach § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG befinden wird. Mit § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG existiert insoweit eine Spezialnorm, deren Auswirkungen auf die Verteilung des Vergütungsrisikos nachfolgend als Erstes betrachtet werden soll. All diese Anspruchsgrundlagen sind im Lichte der Pandemie und der Situation des infizierten Arbeitnehmers zu untersuchen. Hierbei kommt es insbesondere darauf an, ob der Arbeitnehmer bereits symptombedingt an der Arbeitsleistung gehindert ist, und zu welchem Zeitpunkt eine solche Arbeitsverhinderung eintritt. Neben den Voraussetzungen, die für jede der genannten Normen zu untersuchen sind, ist es außerdem zum Verständnis des Verhältnisses der Normen untereinander und auf dem Weg hin zu einer interessengerechten Lösung bzgl. der Verteilung des Vergütungsrisikos unerlässlich, die jeweiligen Normen und ihre Rolle im System des Leistungsstörungsrechts zu betrachten. a) Der symptomlos oder nur leicht symptomatisch infizierte Arbeitnehmer Zuvorderst soll der Fall der Coronavirusinfektion betrachtet werden, bei welcher der Arbeitnehmer an keinen oder nur leichten Symptomen der COVID-19-Erkrankung leidet, die Arbeitsleistung aufgrund der Gefährdung Dritter und/oder aufgrund einer hoheitlichen Absonderung aber dennoch nicht erbringen kann.

11

Mit anderer Herangehensweise Greiner, NZA 2022, 665 (670 ff.).

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aa) Anspruch auf staatliche Entschädigung im Absonderungsfalle nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG Der infizierte und daher nicht leistungsfähige Arbeitnehmer könnte nach Maßgabe des § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG einen Anspruch auf staatliche Entschädigung für einen aus dem Arbeitsausfall resultierenden Vergütungsausfall haben. (1) Die Norm im System des Leistungsstörungsrechts Bei § 56 Abs. 1 IfSG handelt es sich nicht um eine Norm des Leistungsstörungsrechts. Sie regelt auch nicht das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sondern bezieht sich vielmehr auf das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Staat, das dadurch entsteht, dass der Arbeitnehmer durch eine infektionsschutzrechtliche Maßnahme betroffen und an der Ausübung seiner Arbeitstätigkeit gehindert ist.12 Eine vergleichbare Regelung enthielten vormals § 28 RSeuchG13 und später § 49 BSeuchG14, bis sie im Jahr 2000 schließlich in das neue Infektionsschutzgesetz übernommen wurde15. Dem Charakter nach handelt es sich um eine Billigkeitsentschädigung, die sowohl staatshaftungsrechtliche Aspekte aufweist – dabei aber kein Aufopferungsanspruch im klassischen Sinne ist und eine Ausnahme von dem Grundsatz darstellt, dass gefahrenabwehrrechtliche Störer etwaige Nachteile selbst zu tragen haben16 – als auch eine Lohnersatzfunktion erfüllt.17 Im Arbeitsrecht in Zeiten der Pandemie spielt sie eine entscheidende Rolle. Betrachtet man die Frage der Verteilung des Vergütungsrisikos bei pandemiebedingtem Arbeitsausfall nicht nur im Zwei-Personen-Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern vielmehr in der Dreieckskonstellation Arbeitnehmer – Arbeitgeber – Staat, kann der Norm immense Bedeutung zukommen. Greift sie ein, wird die Leistungsgefahr aus dem Vertragsverhältnis herausgelöst und dem Staat aufgebürdet. Dieser Effekt kann jedoch nur eintreten, wenn die Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs erfüllt sind. (2) Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs Der anspruchsstellende Arbeitnehmer muss zunächst zum geschützten Personenkreis gehören. Auf Grundlage der aktuellen Fassung des § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG können alle Personen, die nach § 30 IfSG, auch in Verbindung mit § 32 IfSG ab12

Vgl. auch Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 16. RGBl. 1900, S. 306 (312). 14 BGBl. 1961, I, S. 1012 (1021 f.). 15 BGBl. 2000, I, S. 1045 (1064); siehe auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/2530, S. 88: „§ 56 entspricht im Wesentlichen dem § 49 BSeuchG.“ 16 Vgl. ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (472). 17 BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 10 f.; vgl. auch Huster/Kingreen/Becker, Hdb InfSchR, 1. Aufl. 2021, Kapitel 9 Rn. 61; Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 3; Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623 (625). 13

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

gesondert werden oder sich aufgrund einer nach § 36 Abs. 8 S. 1 Nr. 1 IfSG erlassenen Rechtsverordnung absondern, einen Entschädigungsanspruch haben. Entscheidender Anknüpfungspunkt ist mithin die auf hoheitlicher Anordnung basierende Absonderung – ohne eine solche scheidet der Entschädigungsanspruch grundsätzlich aus.18 Nach § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG treten allerdings Personen zum Kreis der Anspruchsberechtigten hinzu, die sich vorsorglich absondern, wenn eine Anordnung einer Absonderung zu diesem Zeitpunkt bereits hätte erlassen werden können. Auffallend ist, dass es sich hier um eine „Kann-Vorschrift“ handelt – anders als § 56 Abs. 1 S. 1, 2 IfSG räumt S. 3 der zuständigen Behörde Ermessen hinsichtlich der Gewährung der Entschädigung ein.19 Ein Anspruch besteht hier mithin vorrangig auf pflichtgemäße Ausübung dieses Ermessens, soweit es nicht bereits auf Null reduziert ist.20 Zu Beginn der Coronapandemie war der Kreis der Anspruchsberechtigten enger gefasst. Nicht nur, dass eine dem jetzigen § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG vergleichbare Regelung noch nicht existierte und sich freiwillig absondernde Personen damit keine Aussicht auf staatliche Entschädigung hatten.21 Darüber hinaus enthielt § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG bis zum 31. 3. 2021 ebenso wie heute noch S. 1 der Norm eine Einschränkung auf Ausscheider, Ansteckungsverdächtige und Krankheitsverdächtige. Diese Begriffe sind in § 2 IfSG legaldefiniert: Krankheitsverdächtigter ist eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen (§ 2 Nr. 5 IfSG), Ausscheider ist eine Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit sein kann, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein (§ 2 Nr. 6 IfSG), Ansteckungsverdächtiger ist eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein (§ 2 Nr. 7 IfSG). Ausgenommen von dem Anspruch auf Entschädigung war damit der Kranke: Auch Personen, die an einer übertragbaren Krankheit erkrankt sind (siehe Legaldefinition des Kranken in § 2 Nr. 4 IfSG), können nach § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG abgesondert werden, vom anspruchsberechtigten Personenkreis des § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG a. F. waren sie indes nicht umfasst.22 Die 18 Vgl. auch Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 15; Bonanni, ArbRB 2020, 110 (111); Kruse, ARP 2021, 116 (117); Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1466). 19 BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 26a. 20 Nach BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 26a ist eine Entschädigung regelmäßig zu gewähren, wenn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. 21 Siehe hierzu Schlegel/Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 10. Eingeführt wurde der aktuelle dritte Satz durch Art. 1 Ziffer 4 lit. a), aa) des Gesetzes zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen v. 29. 3. 2021, BGBl. 2021, I, S. 370 (373). Siehe zur Begründung BT-Drucks. 19/27291, S. 61. 22 Kruse, ARP 2021, 116 (118); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139); Stöß/ Putzer, NJW 2020, 1465 (1466); so weiterhin auch zur aktuellen Rechtslage VG Bayreuth, Urt. v. 21. 6. 2021 – B 7 K 21.110, BeckRS 2021, 18067 (Rn. 26); BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 27 f. Entgegen dieser Auffassung gehört der Kranke nunmehr jedoch durchaus zum Kreis der potentiell Anspruchsberechtigten – ob der Anspruch

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Anpassung durch das Gesetz zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen v. 29. 3. 202123 war keine bloße Klarstellung dahingehend, dass auch Kranke entschädigungsberechtigt sind,24 der bisherige Ausschluss der Kranken kein gesetzgeberisches Versehen.25 Vielmehr sah der Gesetzgeber den Kranken bereits ausreichend durch die arbeitsrechtliche Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bzw. die Leistungen der Krankenversicherungen abgesichert – dies geht aus der Gesetzesbegründung zur Vorgängernorm eindeutig hervor.26 Mit der Neufassung ist dieser Ausschluss weggefallen.27 Maßgeblich ist jeweils die Fassung des § 56 Abs. 1 IfSG zum Zeitpunkt der anspruchsbegründenden oder -ausschließenden Verhaltenspflicht oder -obliegenheit.28 Der nachweislich mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer, dessen Arbeitsleistung ausbleibt, gehört grundsätzlich zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG. COVID-19 ist eine übertragbare Krankheit nach § 2 Nr. 3 IfSG, das Coronavirus ein Krankheitserreger nach § 2 Nr. 1 IfSG.29 Der Infizierte kann je nach Symptomatik somit Kranker oder Ausscheider sein – beide fallen nunmehr in den Anwendungsbereich des § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG30. Anderes gilt für die Rechtslage bis zum 31. 3. 2021: Hier konnte der Kranke, mithin eine Person, die nachweislich mit dem Coronavirus infiziert war und die zusätzlich Symptome der COVID-19-Erkrankung zeigte, keine Entschädigung verlangen.31

an der Voraussetzung des Verdienstausfalls scheitert, ist eine hiervon zu trennende Frage. Siehe auch zu § 49 BSeuchG BGH, Urt. v. 31. 1. 1972 – III ZR 209/67, NJW 1972, 632. 23 BGBl. 2021, I, S. 370 (373). 24 Siehe BT-Drucks. 19/27291, S. 61: „Das gilt auch dann, wenn sie sich als Erkrankte abzusondern haben, jedoch ist wie bisher ein Verdienstausfall Voraussetzung (…)“. Dass die Voraussetzung eines Verdienstausfalls „wie bisher“ gelte, legt nahe, dass es sich bei dem vorderen Satzteil gerade um eine Neuerung handelt. 25 Vgl. ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (472); Kruse, ARP 2021, 116 (118); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139). 26 Siehe BT-Drucks. 3/1888, S. 27. 27 A. A. wohl BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 27. Auf Grundlage der vorherigen Fassung wurde befürchtet, leicht symptomatisch Erkrankte könnten weder Entschädigung noch Entgeltfortzahlung verlangen, siehe Gerhardt, IfSG, 5. Aufl. 2021, § 56 Rn. 5; Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 10; Kruse, ARP 2021, 116 (119). Dieser Gefahr wird durch die Neufassung vorgebeugt. 28 BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 20a; vgl. auch VG Bayreuth, Urt. v. 21. 6. 2021 – B 7 K 21.110, BeckRS 2021, 18067 (Rn. 18 ff.); VG Karlsruhe, Urt. v. 10. 5. 2021 – 9 K 67/21, BeckRS 2021, 18269 (Rn. 38). 29 Vgl. auch LG Hannover, Urt. v. 11. 12. 2020 – 8 O 4/20, BeckRS 2020, 34842 (Rn. 90); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139). 30 Vgl. BT-Drucks. 19/27291, S. 61. 31 ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (472); Kluckert/ Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 24; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 14; Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1466); vgl. auch Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139).

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

(3) Verdienstausfall als Anspruchsvoraussetzung: Das Verhältnis zu arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlungsansprüchen Die wohl am meisten umstrittene Frage im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG betrifft sein Verhältnis zu den arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlungsansprüchen. Sie entscheidet sich letztlich am Tatbestandsmerkmal des Verdienstausfalls.32 Dieses folgt zwar nicht unmittelbar aus § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG, ergibt sich aber aus S. 1 derselben Norm, auf den durch die Worte „Das Gleiche gilt“ verwiesen wird. Entschädigung kann der Betroffene mithin nur verlangen, wenn er aufgrund der Absonderung einen Verdienstausfall erleidet – bestehen indes Lohnfortzahlungsansprüche, bleibt der Verdienst also gerade nicht aus, ist auch kein Raum für die Entschädigung.33 Dies wird allenthalben anders beurteilt – mehrere Stimmen in der Literatur sprechen § 56 Abs. 1 IfSG einen Vorrang jedenfalls vor dem Entgeltfortzahlungsanspruch des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG zu.34 Zur Begründung wird die „öffentlich32 Vgl. BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 37; Gerhardt, IfSG, 5. Aufl. 2021, § 56 Rn. 10; Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 25; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 16; Noack, NZA 2021, 251 (252); Sievers/ Kruppa, jM 2021, 446 (451); siehe auch zu § 49 BSeuchG BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/ 77, NJW 1979, 422 (424); Schumacher/Meyn, BSeuchG, 4. Aufl. 1992, S. 133. 33 Vgl. VG Bayreuth, Urt. v. 13. 9. 2021 – B 7 K 21.428, BeckRS 2021, 31136 (Rn. 20); Gerichtsbescheid v. 7. 7. 2021 – B 7 K 21.222, BeckRS 2021, 18069 (Rn. 19); Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 25); VG Frankfurt a. M., Urt. v. 20. 7. 2021 – 5 K 578/21.F, BeckRS 2021, 21252 (Rn. 17); VG Koblenz, Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 107/ 21.KO, BeckRS 2021, 13968 (Rn. 21); Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 108/21.KO, BeckRS 2021, 13969 (Rn. 21); LG Münster, Urt. v. 15. 4. 2021 – 8 O 345/20, COVuR 2021, 430 (431); LG Hannover, Urt. v. 5. 5. 1976 – 11 S 370/75, NJW 1976, 2306; LG Tübingen, Urt. v. 6. 7. 1966 – 1 S 31/66, NJW 1966, 1865 (1866); LG Düsseldorf, Urt. v. 18. 5. 1966 – 11 b S. 43/66, DB 1966, 1053; ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (472); ArbG Hamburg, Urt. v. 23. 6. 1966 – 1 Ca 199/66, BB 1966, 1227 (1228); AG Köln, Urt. v. 18. 2. 1975 – 112 C 2130/74, NJW 1976, 378; BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 20a; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690c ff.; Gerhardt, IfSG, 5. Aufl. 2021, § 56 Rn. 10; Hohenstatt/Sittard/Hohenstatt/Krois, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II a); Huster/Kingreen/Becker, Hdb IfSchR, 1. Aufl. 2021, Kapitel 9 Rn. 117; MAH ArbR/Glaser, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 230; Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 25; Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 9, 17; Römermann/Menken/Matheja, 1. Aufl. 2020, Teil 8 Rn. 24; Schmidt/Winter/Thürk, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 22 Rn. 17; Schlegel/Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 26; Tholl, Staatshaftung und Corona, 1. Aufl. 2021, § 1 Rn. 26; Wank, in: Liber amicorum Düwell, 2021, S. 69 (73); Benkert, NJW-Spezial 2020, 306; Bonanni, ArbRB 2020, 110 (113); Eufinger, BB 2021, 504 (507); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (416); Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623 (625); Kruse, ARP 2021, 116 (118); Noack, NZA 2021, 251; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139); Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1467); in diesem Sinne auch Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (748); Düwell, BB 2020, 891 (893), der jedoch für Änderungen plädiert. 34 MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 41; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 10; Tschöpe/Grimm, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 2. Teil B Rn. 118c; Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (891); Grimm, DB 2020, 1177 (1178); Müller/Becker, COVuR 2020, 126 (128); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); Sievers, jM 2020, 189

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rechtliche Zwangswirkung“ der Absonderung angeführt.35 Das kann schon aufgrund des Wortlauts, der gerade an einen Verdienstausfall anknüpft, insbesondere aber im Hinblick auf Historie und Telos der Norm nicht überzeugen. Man betrachte den anfänglichen Ausschluss Kranker und ursprünglich auch Krankheitsverdächtiger aus dem Anwendungsbereich der Norm: Der Gesetzgeber des BSeuchG führte in der Begründung zu § 48 BSeuchG-E, später § 49 BSeuchG aus, eine weitere Ausdehnung des entschädigungsberechtigten Personenkreises, etwa auf Krankheitsverdächtige und Tuberkulosekranke, sei nicht sachgerecht; Krankheitsverdächtige seien krank, sie seien durchweg arbeitsunfähig, sodass sie Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung erhielten.36 Zwar wurde die Einschätzung, nach der Krankheitsverdächtige stets arbeitsunfähig seien, später mit Schaffung des IfSG aufgrund einer Anpassung der Begrifflichkeiten in § 2 IfSG revidiert und auch der Krankheitsverdächtige in den Anwendungsbereich der Entschädigungsregelung aufgenommen.37 Die ursprüngliche Gesetzesbegründung zum BSeuchG zeigt dennoch ganz deutlich: Wer anderweitige Leistungen erhält, bedarf keiner Entschädigung und soll hierauf auch keinen Anspruch haben.38 Dies hat der Gesetzgeber in der Begründung zum Gesetz zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen v. 29. 3. 2021 noch einmal bestätigt – dort heißt es, ein Verdienstausfall trete etwa dann nicht ein, soweit eine Entgeltersatzleistung gewährt werde.39 In teleologischer Hinsicht handelt es sich bei § 56 Abs. 1 IfSG um eine Billigkeitsregelung, welche die Gleichstellung der durch eine Absonderung oder ein Tätigkeitsverbot Betroffenen mit denjenigen Personen bezweckt, die schon auf Grund ihrer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Lohnfortzahlungs- bzw. Aus-

(198); Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018); offen gelassen von Geulen/ Sothmann, ArbRAktuell 2020, 217 (217 f.), die aber § 616 BGB als vorrangig ansehen; für einen Vorrang des § 56 IfSG vor § 3 EFZG, nicht aber § 616 BGB, Bonanni, ArbRB 2020, 110 (114). 35 MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 41; Tschöpe/Grimm, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 2. Teil B Rn. 118c; Greiner, NZA 2022, 665 (672); Grimm, DB 2020, 1177 (1178); Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018, Fn. 14). 36 BT-Drucks. 3/1888, S. 27. 37 BT-Drucks. 14/2530, S. 88. 38 So heißt es auch hinsichtlich der damals in § 48 Abs. 2 BSeuchG-E vorgesehenen Regelung: „Dem Absatz 4 liegt der Gedanke zugrunde, daß für die Billigkeitsentschädigung kein Raum ist, wenn und solange nicht das Berufsverbot, sondern Arbeitsunfähigkeit, etwa infolge Krankheit, die Ursache dafür ist, daß der Betroffene einen Verdienstausfall erleidet“, BTDrucks. 3/1888, S. 28. 39 BT-Drucks. 19/27291, S. 61. Zutreffend weist Greiner, NZA 2022, 665 (671) darauf hin, dass bei Arbeitern im Krankheitsfalle zur Zeit der Schaffung des BSeuchG stets ein Verdienstausfall i. e. S. eintrat, weil sie keine Lohnfortzahlung erhielten, sondern vielmehr Krankengeld sowie einen Arbeitgeberzuschuss. Der Gesetzgeber scheint den Begriff des Verdienstausfalls jedoch weiter zu verstehen, denn auch bei „Entgeltersatzleistungen“ soll ein solcher nicht bestehen, wie es in BT-Drucks. 19/27291, S. 61 ausdrücklich heißt.

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gleichsansprüche haben.40 Sie soll weder Arbeitgeber noch Versicherungen entlasten.41 Dies spricht entscheidend für ein Zurücktreten der Regelung bei zeitgleichem Eingreifen anderer Sicherungssysteme.42 Ein systematisches Argument für die Subsidiarität des § 56 Abs. 1 IfSG liefert darüber hinaus Abs. 7 S. 1 der Norm, nachdem der Entschädigungsanspruch bestehen bleibt, wenn nachträglich Arbeitsunfähigkeit eintritt – diese Regelung ist nur notwendig, wenn der Entschädigungsanspruch bei ihrem Fehlen wegfallen würde, was nur bei einem Vorrang der Entgeltfortzahlung der Fall ist.43 Das Ergebnis ist mithin eindeutig: Der nachweislich mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer kann keinen infektionsschutzrechtlichen Entschädigungsanspruch haben, wenn ihm zugleich für den Zeitraum der Absonderung Lohn- oder Lohnersatzansprüche zustehen.44 Voraussetzung dafür, dass der Entschädigungsan40

Vgl. BT-Drucks. 3/1888, S. 27. Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 3; vgl. auch hinsichtlich der Arbeitgeber LG Tübingen, Urt. v. 6. 7. 1966 – 1 S 31/66, NJW 1966, 1865 (1866); LG Düsseldorf, Urt. v. 18. 5. 1966 – 11 b S. 43/66, DB 1966, 1053; ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (474); AG Köln, Urt. v. 18. 2. 1975 – 112 C 2130/74, NJW 1976, 378; BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 37; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 21; Eufinger, DB 2020, 1121; siehe zu § 49 BSeuchG BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424); Schumacher/Meyn, BSeuchG, 4. Aufl. 1992, S. 133. 42 In diesem Sinne auch ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (472 f.); ArbG Hamburg, Urt. v. 23. 6. 1966 – 1 Ca 199/66, BB 1966, 1227 (1228); AG Köln, Urt. v. 18. 2. 1975 – 112 C 2130/74, NJW 1976, 378; BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 37; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690d; Hohenstatt/Sittard/Hohenstatt/Krois, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 3. a); vom Stein/Rothe/Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 12; Eufinger, BB 2021, 504 (507); Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623 (625); Sievers/Kruppa, jM 2021, 446 (451). 43 ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (473). Nach Greiner, NZA 2022, 665 (672) scheint es jedoch gleichermaßen vertretbar, aus dieser Regelung „einen Umkehrschluss zu ziehen oder der punktuellen Kollisionsregel ein verallgemeinerungsfähiges Leitbild zu entnehmen“. 44 I. E. ebenso VG Bayreuth, Urt. v. 13. 9. 2021 – B 7 K 21.428, BeckRS 2021, 31136 (Rn. 20); Gerichtsbescheid v. 7. 7. 2021 – B 7 K 21.222, BeckRS 2021, 18069 (Rn. 19); Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 25); VG Koblenz, Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 107/21.KO, BeckRS 2021, 13968 (Rn. 21); Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 108/ 21.KO, BeckRS 2021, 13969 (Rn. 21); LG Münster, Urt. v. 15. 4. 2021 – 8 O 345/20, COVuR 2021, 430 (431); ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (472); BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 20a; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690d; Gerhardt, IfSG, 5. Aufl. 2021, § 56 Rn. 10; Hohenstatt/ Sittard/Hohenstatt/Krois, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 3. a); Huster/ Kingreen/Becker, Hdb IfSchR, 1. Aufl. 2021, Kapitel 9 Rn. 117; MAH ArbR/Glaser, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 230; Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 25; Küttner/Röller/ Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 9, 17; Römermann/Menken/Matheja, 1. Aufl. 2020, Teil 8 Rn. 24; Schmidt/Winter/Thürk, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 22 Rn. 17; Schlegel/Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 26; Tholl, Staatshaftung und Corona, 1. Aufl. 2021, § 1 Rn. 26; Benkert, NJW-Spezial 2020, 306; Bonanni, ArbRB 2020, 110 (113); Eufinger, BB 2021, 504 (507); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (416); Kraay41

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spruch ausgeschlossen ist, ist wohlgemerkt, dass die einen Verdienstausfall verhindernden Ansprüche tatsächlich bestehen. Das ist insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Monokausalität nicht unproblematisch – hierzu sogleich im Kontext des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG unter Gliederungspunkt F. I. 2. b) aa) (1). (4) Ausschlussgründe nach § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG Weitere Einschränkungen folgen aus § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG. Hiernach erhält keine Entschädigung, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, oder durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können. § 56 Abs. 1 S. 5 IfSG präzisiert, eine Reise sei im Sinne des Satzes 4 vermeidbar, wenn zum Zeitpunkt der Abreise keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für die Reise vorlagen. Beide Ausschlussgründe gehen auf jüngere Gesetzesänderungen zurück: Der Ausschluss des Entschädigungsanspruchs wegen fehlender Schutzimpfung fand mit dem Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention Einzug ins IfSG45, derjenige für vermeidbare Reisen im Verlaufe der Pandemie46 in Reaktion auf eine anhaltende Debatte hinsichtlich von Reiserückkehrern aus Risikogebieten47, die sich aufgrund von Bundes- oder Landesregelungen in Absonderung begeben mussten. Die Missachtung anderer Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe nach § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 2 IfSG dürfte im Kontext der Coronapandemie weniger relevant werden – so sind etwa die im Rahmen der Coronapandemie empfohlenen Hygienestandards keine spezifischen Maßnahmen, wie § 56 Abs. 1 S. 3 Var. 2 IfSG sie meint.48 Näherer Betrachtung bedarf an dieser Stelle hingegen der Anspruchsausschluss nach § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 1 IfSG für den Fall des Unterbleibens einer empfohlenen Schutzimpfung. In den ersten Monaten der Coronapandemie spielte diese Norm mangels Impfstoffverfügbarkeit noch keine Rolle.49 Die COVID-19-Impfung wurde vanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623 (625); Kruse, ARP 2021, 116 (118); Noack, NZA 2021, 251; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139); Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1467). 45 BGBl. 2020, I, S. 148 (154), siehe dort Art. 1 Nr. 12c. 46 Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite v. 18. 11. 2020, BGBl. 2020, I, S. 2397 (2404), siehe dort Art. 1 Nr. 20 lit. a. 47 Siehe etwa bereits die Diskussion bei Adam, SPA 2020, 137 (138); Benkert, NJW-Spezial 2020, 306; Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (347); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112. 48 Der Begriff ist in § 2 Nr. 10 IfSG legaldefiniert als „die Gabe von Antikörpern (passive Immunprophylaxe) oder die Gabe von Medikamenten (Chemoprophylaxe) zum Schutz vor Weiterverbreitung bestimmter übertragbarer Krankheiten“; vgl. auch Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 29. 49 Siehe noch MAH ArbR/Glaser, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 231; Eufinger, DB 2020, 1121 (1122); Geulen/Sothmann, ArbRAktuell 2020, 217 zur zunächst fehlenden Relevanz.

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in Deutschland erstmals am 17. 12. 2020 durch die Ständige Impfkommission empfohlen50, erst im Herbst 2021 konnte man indes davon ausgehen, dass alle impfberechtigten Personen die Möglichkeit hatten, sich vollständig impfen zu lassen.51 Erst im Anschluss an diese Entwicklung beschloss Baden-Württemberg als erstes Bundesland, die infektionsschutzrechtliche Entschädigung zu verwehren, wenn eine eintretende Absonderung durch Schutzimpfung hätte vermieden werden können.52 Die Gesundheitsministerkonferenz einigte sich schließlich am 22. 9. 2021, dies in allen Bundesländern bis zum 1. 11. 2021 umzusetzen.53 Indes ist zu beachten, dass der Anspruch auf Entschädigung nur dann ausgeschlossen ist, wenn die Absonderung durch Vornahme der empfohlenen Schutzimpfung vermeidbar war. In der ursprünglichen Begründung zum Entwurf eines Masernschutzgesetzes durch die Bundesregierung bezog sich der Ausschluss des Entschädigungsanspruchs noch ausschließlich auf Fälle, in denen ein Tätigkeitsverbot wegen fehlender Masernimpfung galt.54 In derartigen Fällen steht natürlich eindeutig fest, dass die Impfung das Tätigkeitsverbot verhindert hätte, wird dieses doch nicht durch Krankheit, sondern schon durch fehlende Impfung ausgelöst. Die Entwurfsbegründung ließ jedoch außer Acht, dass in einem solchen Fall § 56 Abs. 1 IfSG gar nicht einschlägig ist, weil der Betroffene nicht zum geschützten Personenkreis gehört – das wurde im Gesetzgebungsverfahren erkannt, die Begründung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit weist hierauf ausdrücklich hin.55 Gleichwohl wurde die Ausschlussregelung beibehalten und inhaltlich erweitert, sodass sie nicht nur gesetzlich vorgesehene, sondern auch öffentlich empfohlene Schutzimpfungen erfasst, mithin auch für Personen relevant ist, die keiner berufsbedingten Impfpflicht unterliegen. Die Regelung wurde mit einem Erst-Recht-Schluss begründet: Wenn schon derjenige, der wegen fehlenden Impfschutzes eine Tätigkeit nicht ausüben dürfe, keine Entschädigung erhielte, weil § 56 Abs. 1 IfSG nicht einschlägig sei, dürfe derjenige, der sogar an einer solchen Krankheit erkranke, ebenso keine Entschädigung nach § 56 Abs. 1 erhalten.56 Mit dieser Wertung – deren Berechtigung sei an dieser Stelle dahingestellt57 – sind die 50

Vygen-Bonnet/Koch u. a., EpidBull 2/2021, S. 3 ff. Hierzu auch Lorenzen, COVuR 2021, 722 (723). 52 Siehe Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg, Pressemitteilung v. 2. 9. 2021. 53 Siehe Gesundheitsministerkonferenz, Beschl. v. 22. 9. 2021. 54 BT-Drucks. 19/13452, S. 50: „Personen, die gemäß § 20 Absatz 8 Satz 1 Nummer 3 IfSG einen ausreichenden Masernschutz aufweisen müssen, eine Masernschutzimpfung aber abgelehnt haben, ohne dass dafür eine medizinische Kontraindikation besteht, haben das Tätigkeitsverbot selbst verschuldet und haben daher keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Absatz 1 Satz 1 und 2 IfSG.“ 55 Siehe BT-Drucks. 19/15164, S. 60. 56 BT-Drucks. 19/15164, S. 59 f. 57 Es ist durchaus zweifelhaft, ob derjenige, der einem Tätigkeitsverbot schon wegen fehlender Impfung unterliegt, bei tatsächlicher Infektion oder Erkrankung anspruchsberechtigt nach § 56 Abs. 1 IfSG sein kann. Ein an den Infektionszustand anknüpfendes Tätigkeitsverbot 51

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Anforderungen an die Unmittelbarkeit der Auswirkungen einer unterbleibenden Schutzimpfung und damit an die Vermeidbarkeit von Absonderung oder Tätigkeitsverbot abgesenkt worden. Der Gesetzgeber geht von einem bestehenden Zusammenhang, von der Vermeidbarkeit nicht nur eines unmittelbar an die fehlende Impfung geknüpften Tätigkeitsverbots, sondern vielmehr auch der Vermeidbarkeit einer bei fehlender Impfung eintretenden Infektion bzw. Erkrankung aus. Wohlgemerkt ist dieser Sprung im Falle der Masernimpfung nicht allzu groß – die Schutzwirkung dieser Impfung beträgt nach Angaben des Robert Koch Instituts 98 – 99 %.58 Jedenfalls bei einer derartig hohen Schutzwirkung ist mithin nach dem Willen des Gesetzgebers von einer Vermeidbarkeit einer Erkrankung durch eine Schutzimpfung auszugehen.59 Diese Wertung überzeugt, entspricht sie doch den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, nach denen lediglich ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen60 zu fordern ist – dies muss auch für die Annahme der Vermeidbarkeit einer Infektion bzw. Erkrankung durch Impfung gelten.61 Jedes andere Verständnis würde den Ausschlussgrund des § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 1 IfSG auch jeglichen Anwendungsbereichs berauben, ist doch keine Impfung zu 100 % wirksam.62 Was heißt dies nun für die Vermeidbarkeit einer Coronavirusinfektion bzw. COVID-19-Erkrankung durch Schutzimpfung? Unproblematisch sind Fälle, in denen eine Absonderung und der daraus folgende Verdienstausfall allein durch die fehlende Impfung bedingt sind, weil sich in der konkreten Situation allein Ungeimpfte absondern müssen, Geimpfte und Genesene hingegen nicht. § 6 Abs. 1 SchAusnahmV i. d. F. v. 18. 3. 202263 sieht vor, dass Geimpfte und Genesene lanoder eine Absonderung verursacht dann nicht den Verdienstausfall, der ja schon ohnehin bestanden hätte, weil wegen der fehlenden Impfung nicht hätte gearbeitet werden können. Zum Kausalitätskriterium des § 56 Abs. 1 IfSG siehe BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 38; Gerhardt, IfSG, 5. Aufl. 2021, § 56 Rn. 11; Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 25. 58 Robert Koch Institut, Masernimpfung: Wirksamkeit, Sicherheit und Kontraindikationen, Wie wirksam sind Impfstoffe gegen Masern?, Stand: 4. 6. 2020, Wie wirksam sind Impfstoffe gegen Masern?. 59 So auch die Schlussfolgerung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, WD 33000-164/21 und WD-9-3000-081/21, S. 11. 60 Grundlegend BGH, Urt. v. 17. 2. 1970 – III ZR 139/67, NJW 1970, 946 (948). 61 So im Hinblick auf die Verschuldensfrage bei § 3 EFZG Krainbring, NZA 2021, 247 (248); vgl. auch Kluckert/Bachmann/Rung, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 15 Rn. 33. 62 Siehe hierzu Robert Koch Institut, Masernimpfung: Wirksamkeit, Sicherheit und Kontraindikationen Warum können 2-fach gegen Masern Geimpfte in seltenen Fällen trotzdem an Masern erkranken?, Stand: 4. 6. 2020: „Wie alle medizinischen Maßnahmen sind auch Impfungen nicht zu 100 % wirksam.“; vgl. Kluckert/Bachmann/Rung, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 15 Rn. 33; auch Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, WD 3-3000-164/21 und WD-93000-081/21, S. 11. 63 Ursprünglich eingeführt durch BAnZ AT 8. 5. 2021 V1, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 18. 3. 2022 (BGBl. 2022, I, S. 478).

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desrechtlichen Absonderungspflichten grundsätzlich nicht unterliegen. Allein auf diese Sachverhalte feststehender Vermeidbarkeit der Absonderung bezog sich auch der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz vom 22. 9. 2021, der den Ausschluss der Entschädigungszahlung für diejenigen vorsieht, die als Kontaktpersonen oder als Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet bei einem wegen COVID-19 behördlich angeordneten Tätigkeitsverbot oder behördlich angeordneter Absonderung keinen vollständigen Impfschutz vorweisen können.64 Daneben bleiben jedoch Sachverhalte denkbar, in denen auch geimpfte oder genesene Personen von einer Absonderungsanordnung betroffen sein können, wie sich schon aus § 2 Nr. 2, 4 SchAusnahmV i. d. F. v. 18. 3. 2022 ergibt, denn nur asymptomatische Personen gelten als genesen oder geimpft im Sinne der Verordnung. § 1 Abs. 3 der Verordnung sieht außerdem vor, dass die Ausnahmen nicht für Personen mit typischen Symptomen einer COVID-19-Erkrankung oder für solche, bei denen aktuell eine Coronavirusinfektion nachgewiesen ist, bestehen. Wird mittels Testung eine Infektion festgestellt, müssen sich Geimpfte, Genesene und Ungeimpfte i. d. R. gleichermaßen in Absonderung begeben – mithin ist die infektionsbedingte Absonderung durch COVID-19-Impfung nicht mit Sicherheit vermeidbar.65 Ausweislich der vorstehenden Erörterungen zum Vermeidbarkeitsmaßstab im Rahmen des § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 1 IfSG ist das nicht grundsätzlich ein Problem. Ob indes die Wahrscheinlichkeit, dass aufgrund der COVID-19-Impfung Infektion und Erkrankung ausbleiben, tatsächlich ausreicht, um eine Vermeidbarkeit annehmen zu können, ist eine Wertungsfrage. Dass die Wertungen des Gesetzesgebers, die im Hinblick auf die Masernschutzimpfung getroffen wurden, hier blind übertragen werden können, ist zweifelhaft. Zum einen ist zu sehen, dass der genannte ErstRecht-Schluss überall dort nicht greift, wo keine Pflicht zur Impfung gegen COVID19 besteht und die fehlende Impfung für sich genommen keine Auswirkungen zeitigt.66 Zum anderen, und das dürfte an dieser Stelle entscheidend sein, kann die Wirksamkeit der COVID-19-Impfstoffe für die Frage der Vermeidbarkeit im Rahmen des § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 1 IfSG nicht außer Acht gelassen werden.67 Diese liegt deutlich unter derjenigen der Masernimpfstoffe: Zwar lassen sich kaum absolute Zahlen nennen, das Robert Koch Institut geht jedoch davon aus, dass die zugelassenen Impfstoffe einen schweren Krankheitsverlauf mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 90 % verhindern, eine symptomatische Infektion mit der Delta-Variante mit

64

Siehe Gesundheitsministerkonferenz, Beschl. v. 22. 9. 2021. Vgl. auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3-3000-164/21 und WD-9-3000-081/21, S. 11. 66 Das Vorhaben einer allgemeinen Impfpflicht scheiterte am 7. 4. 2022 im Bundestag, siehe Plenarprotokoll 20/28. Allein im Gesundheitswesen gilt auf Grundlage des § 20a IfSG eine Impfpflicht, siehe BGBl. 2021, I, S. 5162. 67 Vgl. auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3-3000-164/21 und WD-9-3000-081/21, S. 11 f.; vgl. auch im Hinblick auf § 3 EFZG Krainbring, NZA 2021, 247 (248). 65

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bis zu 75 %.68 Gegenüber der Omikron-Variante scheint die Wirksamkeit weiter verringert zu sein.69 Demnach kann die Impfung im Hinblick auf die Delta-Variante jede vierte Infektion nicht verhindern. Die Gefahr eines Impfdurchbruchs ist damit bereits deutlich zu hoch, um noch von einer hinreichenden Sicherheit der Vermeidbarkeit der Erkrankung durch Impfung sprechen zu können. Das dürfte erst recht für die symptomlose Infektion gelten, die nicht als Impfdurchbruch gewertet wird.70 Da ein nicht unerheblicher Anteil der Coronavirusinfektionen symptomlos verläuft71, liegt es nahe, dass die Wahrscheinlichkeit einer solchen noch höher ist als diejenige einer symptomatischen Infektion. Nach aktuellem Kenntnisstand kann daher bei Absonderung wegen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion nicht davon ausgegangen werden, dass diese durch eine Impfung verhindert worden wäre – der Anspruchsausschluss nach § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 1 IfSG kommt hier nicht zum Tragen.72 (5) Ausschluss auch bei anderweitigem Verschulden? Fraglich ist indes, ob auch anderweitiges Verhalten des Arbeitnehmers, das als Verschulden gegen sich selbst i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG oder als Mitverschulden i. S. d. § 254 BGB zu charakterisieren ist, zu einem Ausschluss des Entschädi-

68 Siehe Robert Koch Institut, Wirksamkeit (Stand: 27. 4. 2022), Wie wirksam sind die COVID-19-Impfstoffe?. 69 Robert Koch Institut, Wirksamkeit (Stand: 27. 4. 2022), Was ist bisher über die Impfstoffwirksamkeit gegen die Omikron-Variante bekannt?. 70 Robert Koch Institut, Wirksamkeit (Stand: 27. 4. 2022), Wie wird ein Impfdurchbruch definiert?: „Ein Impfdurchbruch liegt vor, wenn bei einer vollständig geimpften Person eine PCR-bestätigte SARS-CoV-2 Infektion mit Symptomatik festgestellt wird. (…) Davon abzugrenzen sind asymptomatische Verläufe unter vollständig Geimpften, d. h. die Personen sind PCR-positiv, zeigen aber keinerlei Symptome; diese gelten nicht als Impfdurchbrüche.“ 71 Byambauren/Cardona/Bell/Clark/McLaws/Glasziou, Estimating the extent of asymptomatic COVID-19 and its potential for community transmission: systematic review and metaanalysis, 13. 9. 2020, gehen von einem Anteil von 17 % aus. 72 So auch Bundesministerium für Gesundheit, Ansprüche auf Ersatz des Verdienstausfalls für Arbeitnehmer und Selbständige, 25. 3. 2022, S. 6: „Erfolgt die Absonderung wegen einer nachgewiesenen SARS-CoV-2-Infektion, kann ggf. nicht angenommen werden, dass eine Schutzimpfung die Infektion verhindert hätte.“; ebenso Aligbe, Infektionsschutzrecht, 1. Aufl. 2021, 9. Kap. Ziff. 4; BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 39.1; offengelassen von den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages, WD 3-3000-164/21 und WD-9-3000-081/21, S. 12: „Die Beurteilung, ob die Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe den Anforderungen an die Vermeidbarkeit im Sinne des § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG genügt, bleibt insbesondere der Rechtsprechung vorbehalten.“. A. A. Sievers/Kruppa, jM 2022, 22 (24), für die es genügt, wenn eine Maßnahme gegen einen nicht Geimpften ergeht – die im Gesetz ausdrücklich genannte Vermeidbarkeit findet bei dieser Sichtweise allerdings keine hinreichende Berücksichtigung, vgl. auch Kluckert/Bachmann/Rung, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 15 Rn. 33. A. A. wohl auch Lorenzen, COVuR 2021, 722 (723). Zur verwandten Problematik des Verschuldens im Rahmen des § 3 EFZG siehe Gliederungspunkt F. I. 2. b) aa) (2) (c).

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gungsanspruchs nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG führen kann.73 Dies wird zum Teil bezweifelt, weil die Regelung dem Recht der sozialen Entschädigung zugeordnet wird, auf das die zugunsten des Arbeitgebers geltende Einschränkung in § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG nicht ohne weiteres übertragen werden kann.74 Tatsächlich lassen sich gegen eine Übertragung des Verschuldensgedankens mehrere Argumente anführen: Vergleicht man etwa die Anspruchslage hinsichtlich des Bezugs von Krankengeld, fällt auf, dass sich auch dort kein § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG vergleichbarer Verschuldensgedanke findet – der Erkrankte kann vielmehr nur dann an den Kosten beteiligt oder ihm das Krankengeld versagt werden, wenn die Krankheit vorsätzlich herbeigeführt wurde oder der Betroffene sie sich bei einem Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen zugezogen hat, § 52 Abs. 1 SGB V. Diese Regelung spricht auch in einer weiteren Hinsicht gegen einen Anspruchsausschluss bei Eigenverschulden im Falle des § 56 Abs. 1 IfSG: Zwar mag der Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber bei Verschulden gegen sich selbst entfallen, der Betroffene erhält dann jedoch – soweit nicht die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 SGB V erfüllt sind – Krankengeld, d. h. einen Ausgleich seines Verdienstausfalls in Höhe von i. d. R. 70 %. § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG sieht aber keine Reduzierung der Entschädigung – die Höhe ist allein in § 56 Abs. 2 IfSG geregelt –, sondern einen vollständigen Ausschluss vor. Von einer Absonderung Betroffene stünden im Falle des Eigenverschuldens somit schlechter als arbeitsunfähig Erkrankte. Die Argumentation kann letztlich jedoch nicht überzeugen. In § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG findet der Gedanke, dass der von einer Absonderung Betroffene im Falle der vorwerfbaren Verursachung dieser Absonderung keinen Ausgleich auf Kosten des Staates erhalten soll, bereits Anklang.75 Dass die Aufzählung in § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG abschließenden Charakter haben soll, lässt sich der Norm auch durch Auslegung nicht hinreichend eindeutig entnehmen.76 Der Wortlaut ist insoweit nicht ergiebig. Systematisch mag man aus der Nennung konkreter Sachverhalte darauf schließen, dass andere gerade nicht erfasst sein sollen. Auch könnte gegen eine Berücksichtigung eines Eigenverschuldens des Betroffenen sprechen, dass § 65 Abs. 1 IfSG, der ebenfalls einen Entschädigungsanspruch regelt, in Satz 2 ausdrücklich auf entsprechende Anwendung des § 254 BGB verweist, § 56 Abs. 1 BGB jedoch nicht.77 Indes ist diese Regelung deklaratorischer Natur, soll sie doch dem 73

Eufinger, DB 2020, 1121 (1122) und Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018) stellen auf die analoge Anwendung des Verschuldensgedankens aus § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ab, BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 41 hingegen auf § 254 BGB. 74 Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 29; siehe auch Huster/Kingreen/Becker, Hdb InfSchR, 1. Aufl. 2021, Kapitel 9 Rn. 68. 75 Vgl. auch VG Karlsruhe, Urt. v. 10. 5. 2021 – 9 K 67/21, BeckRS 2021, 18269 (Rn. 73). 76 Ebenso VG Karlsruhe, Urt. v. 10. 5. 2021 – 9 K 67/21, BeckRS 2021, 18269 (Rn. 73); kritisch insoweit Huster/Kingreen/Becker, Hdb IfSchR, 1. Aufl. 2021, Kapitel 9 Rn. 117. 77 So Huster/Kingreen/Becker, Hdb InfSchR, 1. Aufl. 2021, Kapitel 9 Rn. 68.

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allgemein geltenden Grundsatz Rechnung tragen, dass durch etwaiges Mitverschulden bei der Entstehung oder der Entwicklung des Schadens der Entschädigungsanspruch entsprechend dem jeweiligen Mitverschulden beschränkt wird.78 Ein Wille des Gesetzgebers, Eigenverschulden im Rahmen des § 56 Abs. 1 IfSG unberücksichtigt zu lassen, lässt sich hieraus nicht entnehmen. Dass das Gegenteil der Fall ist, zeigen Gesetzeshistorie und Telos der Norm: Auch die Ausschlussgründe bei fehlender Inanspruchnahme einer empfohlenen Schutzimpfung oder der Nichtbeachtung anderer Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe wurden erst spät in das Gesetz aufgenommen, namentlich im Zuge der Einführung einer Masernimpfpflicht für bestimmte Berufsgruppen im Jahr 2020.79 Dort formulierte der Gesetzgeber in der Begründung jedoch einen allgemeinen Grundsatz: „Wer das schädigende Ereignis (Tätigkeitsverbot/Absonderung) in vorwerfbarer Weise verursacht hat, sollte nicht auf Kosten der Allgemeinheit Entschädigung erhalten, wenn sie oder er Verboten in der Ausübung seiner oder ihrer bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird.“80 Als die Ausschlusstatbestände in § 56 Abs. 1 S. 4 (damals noch S. 3) IfSG um den Fall des Antritts vermeidbarer Reisen in Risikogebiete ergänzt wurde, ging der Gesetzgeber weiterhin ausdrücklich davon aus, dass es sich um eine Klarstellung ohnehin geltender Grundsätze handle.81 Handelt es sich bei dieser Klarstellung aber um eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben, der auch im öffentlichen Recht Anwendung findet82, dann muss auf Basis dieses Grundsatzes auch über die Aufzählung in § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG hinaus ein Anspruchsausschluss möglich sein. Auch im Rahmen anderweitiger Entschädigungsansprüche gegen Hoheitsträger kommt der Gedanke des Mitverschuldens zum Tragen – genannt sei hier etwa der allgemeine Aufopferungsanspruch.83 Eine weite Interpretation hin zu einem Anspruchsausschluss bei Verschulden gegen sich selbst mag eine Schlechterstellung gegenüber den Beziehern von Krankengeld bedeuten – die gegenteilige Annahme, dass allein die in § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG genannten Tatbestände zu einem Anspruchsausschluss führen und Eigenverschulden darüber hinaus unbeachtlich ist, führte aber gerade zu einer Bes78 BT-Drucks. 14/2530, S. 89; vgl. auch VG Karlsruhe, Urt. v. 10. 5. 2021 – 9 K 67/21, BeckRS 2021, 18269 (Rn. 75). 79 Art. 1 Nr. 12c Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention v. 10. 2. 2020, BGBl. 2020, I, S. 148 (154). 80 BT-Drucks. 19/15164, S. 58. 81 BT-Drucks. 19/23944, S. 37: „Erga¨ nzend zum bisherigen Entscha¨ digungsausschluss nach § 56 Absatz 1 Satz 3 wird klargestellt, dass Personen, die durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein im Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet nach § 2 Nummer 17 ein Ta¨ tigkeitsverbot oder eine Absonderung ha¨ tten vermeiden ko¨ nnen, keine Entscha¨ digung nach den Sa¨ tzen 1 und 2 beanspruchen ko¨ nnen.“ (Hervorhebung d. Verf.). 82 So ausdrücklich BT-Drucks. 19/23944, S. 37; vgl. auch BGH, Urt. v. 6. 6. 1966 – III ZR 167/64, NJW 1966, 1859 (1862). 83 Vgl. auch BGH, Urt. v. 6. 6. 1966 – III ZR 167/64, NJW 1966, 1859 (1861 f.); BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 41.

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serstellung des Abgesonderten. Für die ersten sechs Wochen einer Absonderung erhielte er vollen Entgeltausgleich, § 56 Abs. 2 S. 2 IfSG, während der Erkrankte nur Krankengeld in geringerer Höhe beanspruchen könnte.84 Ein solcher Vorteil der Absonderung lässt sich mit dem Charakter des § 56 Abs. 1 IfSG als Billigkeitsausgleich, der die Last für Betroffene abmildern soll, aber nicht zwingend vollen Schadensausgleich, sondern lediglich eine gewisse Sicherung vor materieller Not herbeiführen soll,85 nicht vereinbaren. Mithin ist ein Ausschluss des Entschädigungsanspruchs bei vorwerfbarer Verursachung der Absonderung anzuerkennen.86 Angesichts der verfolgten Annäherung der Situation des Abgesonderten an diejenige des arbeitsunfähig Erkrankten scheint ein Übertragen der Maßstäbe des Eigenverschuldens i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG angezeigt.87 Wohlgemerkt hat sich mit der Aufnahme des Ausschlusses bei Antritt vermeidbarer Reisen in Risikogebiete in § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG der praktisch relevanteste Anwendungsfall dieses ungeschriebenen Grundsatzes erledigt.88 Zwar sind andere Fälle vorwerfbarer Verursachung einer Absonderung denkbar – etwa gezielter Kontakt zu infizierten oder infektionsverdächtigen Personen oder die Teilnahme an sog. Corona-Partys – hier werden sich jedoch häufig Beweisprobleme stellen, sodass die praktische Relevanz verringert ist.89 (6) Höhe des Anspruchs und Verfahren der Auszahlung Besteht nach alledem ein Entschädigungsanspruch, bemisst sich dessen Höhe nach dem Verdienstausfall, § 56 Abs. 2 S. 1 IfSG. In den ersten sechs Wochen einer Absonderung wird der gesamte Verdienstausfall ersetzt, § 56 Abs. 2 S. 2 IfSG, ab der siebten Woche reduziert sich die Höhe auf 67 % des Verdienstausfalls, wobei der Anspruch sodann insgesamt auf 2.016 E pro Monat gedeckelt ist, § 56 Abs. 2 S. 3 IfSG. Sowohl der 67 %-Wert als auch die Deckelung auf 2.016 E pro Monat 84 Zur Höhe des Anspruchs siehe § 56 Abs. 2, 3 IfSG sowie den folgenden Gliederungspunkt. 85 BT-Drucks. 3/1888, S. 27. 86 So auch BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 41; Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 13; Schmidt/Winter/ Thürk, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 18 Rn. 20; Adam, SPA 2020, 137 (138); Eufinger, DB 2020, 1121 (1122); Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018); wohl auch Tholl, Staatshaftung und Corona, 1. Aufl. 2021, § 1 Rn. 29; a. A. Huster/Kingreen/Becker, Hdb InfSchR, 1. Aufl. 2021, Kapitel 9 Rn. 68; zweifelnd Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 29. 87 Eufinger, DB 2020, 1121 (1122); Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018); vgl. auch VG Karlsruhe, Urt. v. 10. 5. 2021 – 9 K 67/21, BeckRS 2021, 18269 (Rn. 76). 88 Für Sachverhalte vor Inkrafttreten der Regelung dient diese als Orientierungshilfe, vgl. BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 42. 89 Siehe hierzu auch Gliederungspunkt F. I. 2. b) aa) (2); vgl. zu anderen Anwendungsfällen auch Tholl, Staatshaftung und Corona, 1. Aufl. 2021, § 1 Rn. 29; Eufinger, DB 2020, 1121 (1122). Huster/Kingreen/Becker, Hdb IfSchR, 1. Aufl. 2021, Kapitel 9 Rn. 117 merkt an, die Regelung hätte allgemeiner formuliert werden sollen.

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galten vormals nur für die Entschädigung im Falle des Verdienstausfalls aufgrund von Kinderbetreuung nach § 56 Abs. 1a IfSG, während für Absonderungsfälle nach § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG ab der siebten Woche die Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 SGB V maßgeblich war.90 Eine Legaldefinition des Verdienstausfalls – gemeint ist das Netto-Arbeitsentgelt – und weitere Vorgaben zu dessen Berechnung enthält § 56 Abs. 3 IfSG. Krankheitsverläufe der COVID-19-Erkrankung variieren stark, sodass sich kaum belastbare Aussagen hinsichtlich der durchschnittlichen Dauer der symptomatischen Erkrankung nennen lassen.91 Häufig wird die Sechswochengrenze jedoch nicht erreicht werden.92 In diesen Fällen kann der Betroffene eine Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls erhalten. Die Zahlung erfolgt regelmäßig nicht vom Staat an den Arbeitnehmer, vielmehr fungiert der Arbeitgeber als Zahlstelle der zuständigen Behörde.93 Er zahlt den Lohn des Arbeitnehmers für die ersten sechs Wochen der Absonderung weiter und kann den Betrag später erstattet erhalten, § 56 Abs. 5 S. 1, 3 IfSG. Der Anspruch richtet sich gegen das Land, in dem das Absonderungsgebot angeordnet oder erlassen wurde oder in dem die Absonderung auf Grund einer nach § 36 Abs. 8 S. 1 Nr. 1 IfSG erlassenen Rechtsverordnung vorgenommen wurde, siehe § 66 Abs. 1 Nr. 2 IfSG. (7) Zwischenergebnis § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG gewährt dem durch eine infektionsschutzrechtliche Absonderung Betroffenen, der aus diesem Grund einen Verdienstausfall erleidet, einen Anspruch auf Entschädigung desselben durch den Staat. Es handelt sich um eine Billigkeitsregelung, die eine Annäherung dieser Situation an diejenige der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bezweckt. Die Norm des § 56 IfSG unterlag im Verlauf der Coronapandemie zahlreichen Anpassungen, der Kern bleibt jedoch: Wer aus Gründen des Infektionsschutzes seiner beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen kann, soll hierdurch keine unbilligen Nachteile erleiden. Die personelle Beschränkung des Anspruchs auf Personen, die nicht krank sind, ist inzwischen weggefallen, sodass es nunmehr nicht darauf ankommt, ob der mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer Symptome der COVID-19-Erkrankung zeigt oder nicht. Aus dem Zweck der Norm und ihrem Charakter als Billigkeitsregelung sowie dem Tatbestandsmerkmal des Verdienstausfalls muss folgen, dass Ansprüche gegen 90 So noch § 56 Abs. 2 S. 3, 4 IfSG i. d. F. v. 16. 12. 2020, geändert durch Art. 1 Nr. 4 lit. c des Gesetzes zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen v. 29. 3. 2021, BGBl. 2021, I, S. 370 (374). 91 Vgl. Robert Koch Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID19, Ziffer 8, Stand: 26. 11. 2021. 92 So auch Noack, NZA 2021, 251 (254). 93 Vgl. BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 73; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 47; Eufinger, DB 2020, 1121 (1123); Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623 (624); Noack, NZA 2021, 251 (254); Weller/ Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018).

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Arbeitgeber und Versicherungen demjenigen auf Entschädigung vorgehen. Der mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer kann den Entschädigungsanspruch mithin nur geltend machen, wenn er keine Lohnfortzahlungsansprüche gegen seinen Arbeitgeber oder Lohnersatzansprüche gegen die Sozialversicherung hat. Eine Einschränkung gilt darüber hinaus, wenn der Arbeitnehmer die Absonderung i. S. e. Verschuldens gegen sich selbst vorwerfbar verursacht hat – normiert ist dies insbesondere für die Fälle, dass empfohlene Schutzimpfungen nicht durchgeführt oder vermeidbare Reisen in Risikogebiete vorgenommen werden. Der Anspruchsausschluss wegen unterbliebener Schutzimpfung greift indes nicht bei nachgewiesener Infektion, da anders als bei rein verdachtsbedingter Absonderung nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass die Infektion durch Impfung hätte verhindert werden können. Darüber hinaus ist jedoch auf Grundlage des Gedankens von Treu und Glauben die Möglichkeit des Anspruchsausschlusses bei sonstigem Verschulden gegen sich selbst anzuerkennen. Wer die Coronavirusinfektion und damit die Absonderung in vorwerfbarer Weise herbeiführt – die Grenzen dürfen hier indes nicht zu weit gezogen werden – erhält demnach keine Entschädigung nach § 56 Abs. 2, 3 IfSG. Sind die Voraussetzungen des Anspruchs hingegen erfüllt, erhält der Betroffene zunächst vollständigen Ersatz seines Verdienstausfalls, später nur noch anteiligen Ersatz i. H. v. 67 % des Verdienstausfalls, maximal jedoch 2.016 E pro Monat. bb) Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG Ist der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG gegenüber arbeits- und sozialrechtlichen Lohn- und Lohnersatzansprüchen subsidiär, kommt es für die Verteilung des Vergütungsrisikos zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Staat mithin entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer aufgrund seiner Infektion und dem daraus resultierenden Arbeitsausfall Leistungen des Arbeitsgebers oder der Krankenversicherung beanspruchen kann. Zentrale Rechtsgrundlage für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. Auch diese Norm ist zunächst in das System des Leistungsstörungs- und auch des Sozialversicherungsrechts einzuordnen, bevor auf das Vorliegen ihrer Voraussetzungen im Falle der Coronavirusinfektion einzugehen ist. (1) Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im System des Leistungsstörungsrechts Sind die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 EFZG erfüllt, schuldet der Arbeitgeber zunächst vollständige Entgeltfortzahlung nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 EFZG. Es gilt das modifizierte Entgeltausfallprinzip94 : Der Arbeitnehmer ist so zu stellen, als 94 BAG, Urt. v. 8. 11. 2017 – 5 AZR 11/17, NZA 2018, 528 (532); BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 4 EFZG Rn. 1; Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 4 EFZG Rn. 3; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 4 EFZG Rn. 1; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 71; Schmitt/Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 4 Rn. 28.

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hätte er gearbeitet.95 Die regelmäßige, individuelle Arbeitszeit wird als Zeitfaktor mit dem Bruttoentgelt als Geldfaktor multipliziert.96 Modifiziert ist das Prinzip, weil auf die regelmäßige Arbeitszeit abgestellt wird97 und Einschränkungen nach Maßgabe des § 4 Abs. 1a EFZG greifen.98 Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall führt also dazu, dass der Arbeitnehmer anders als bei Anwendung der Vorschriften des BGB seinen Lohnanspruch nicht verliert, wenn er aus krankheitsbedingten Gründen nicht arbeiten kann.99 Der Gedanke war zur Zeit der Schaffung des EFZG nicht neu100 – er fand sich etwa bereits in § 133c Abs. 2 S. 1 GewO v. 1891101, § 63 HGB v. 1898102, § 48 SeemO v. 1902103 sowie § 616 BGB, der im Jahre 1931 durch eine spezifische Regelung für Krankheiten in Abs. 2 ergänzt wurde104. Die bis zur Schaffung des EFZG bestehenden Normen waren in ihrem Geltungsbereich allerdings jeweils beschränkt.105 Insbesondere bestand bis zur Schaffung des Entgeltfortzahlungsgesetzes im Jahr 1994 eine Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten, die verfassungsrechtlichen Zweifeln begegnete und aus diesem Grund auch nach der Wiedervereinigung nicht auf die neuen Bundesländer erstreckt wurde.106 Maßgebliches Ziel war damit die

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BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 4 EFZG Rn. 1; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 71; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 438. 96 Vgl. BAG, Urt. v. 8. 11. 2017 – 5 AZR 11/17, NZA 2018, 528 (532); ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 4 EFZG Rn. 2 ff.; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 4 EFZG Rn. 3 ff.; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 74 ff.; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 443 ff. 97 Schmitt/Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 4 Rn. 29. 98 BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 4 EFZG Rn. 1; Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 4 EFZG Rn. 3; in diesem Sinne auch MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 4 EFZG Rn. 1. 99 Nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB folgt aus der Unmöglichkeit der Leistung der Verlust des Anspruchs auf die Gegenleistung. Die Ausnahme nach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB greift nicht ein, sofern nicht der Arbeitgeber die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu vertreten hat, was selten der Fall sein wird, vgl. Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, Einl. Rn. 3. Eine Aufrechterhaltung des Lohnanspruchs aus § 616 BGB kommt nur bei kurzfristiger Verhinderung, nicht also bei längerer Arbeitsunfähigkeit in Betracht, siehe hierzu ausführlich Gliederungspunkt F. I. 2. a) cc) (2). 100 Siehe ausführlich zur geschichtlichen Entwicklung Schmitt/Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, Einl. Rn. 19 ff.; Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2021, Einführung. 101 RGBl. 1891, S. 261. 102 RGBl. 1897, S. 219. 103 RGBl. 1902, S. 175. 104 RGBl. 1931, S. 279 (281). 105 Siehe zu den Anwendungsbereichen der verschiedenen Normen Schmitt/Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, Einl. Rn. 23 ff.; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge/Kleinsorge, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 1 Rn. 2. 106 Vgl. BT-Drucks. 12/5263, S. 9.

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Vereinheitlichung der Rechtslage in personeller wie örtlicher Hinsicht107, die im Hinblick auf die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit mit der Einführung der für alle Arbeitnehmer geltenden Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG gelang108. Die Rechtsnatur des Anspruchs ist nicht unumstritten: Zum Teil geht man von einem eigenständigen, durch § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG begründeten Anspruch aus.109 Nach überwiegendem Verständnis stellt § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG hingegen eine Abweichung von dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn dar“ – entgegen § 326 Abs. 1 S. 1 BGB werde der ursprüngliche Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers aufrechterhalten.110 Für diese letztgenannte Ansicht sprechen sicherlich bereits der Titel des Gesetzes sowie der Wille des Gesetzgebers des LFZG und der ursprünglichen Fassung des EFZG, der in dem Wortlaut „verliert dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitsentgelt“ des § 1 Abs. 1 S. 1 LFZG und § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG i. d. F. v. 1. 6. 1994 zum Ausdruck kam und sich heute noch in § 4 Abs. 1 EFZG findet, nachdem das Arbeitsentgelt „fortzuzahlen“ ist.111 Letztlich hält sich die Relevanz der Auseinandersetzung in Grenzen, wenn ein eigenständiger Anspruch genauso zu behandeln ist wie ein aufrechterhaltener Vergütungsanspruch.112 107 BT-Drucks. 12/5263, S. 9: „Das bisher gesetzlich zersplitterte und nach einzelnen Arbeitnehmergruppen differenzierende System soll durch die Neuregelung auf eine neue, einheitliche Basis gestellt werden.“ 108 Vgl. Feichtinger/Malkmus/Feichtinger, EFZG, 2. Aufl. 2010, § 3 Rn. 2; Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand 2022, § 1 EFZG Rn. 1; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 176. 109 Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht Band 1, 7. Aufl. 2018, § 8 Rn. 64; Kamanabrou, Arbeitsrecht, 2017, Rn. 1109; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, Einl. Rn. 6 und ebenda/Schmitt, § 3 Rn. 245; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 190; Gutzeit, Lohnfortzahlung, 2000, S. 87 f.; Stückmann, DB 1998, 1662 (1664). Diese Sichtweise beruht auf der Gesetzeshistorie sowie dem Wortlaut des aktuellen § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG (vgl. Schmitt/ Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 245; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 190). Bis zum 1. 10. 1996 hieß es in § 3 Abs. 1 EFZG, dass der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch nicht verliert, siehe BGBl. 1994, I, S. 1014 (1065). In der Folgezeit wurde die Anspruchshöhe indes auf 80 % des üblichen Entgelts gesenkt, sodass § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ebenfalls angepasst wurde – seither formuliert die Norm, der Arbeitnehmer habe einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, siehe BGBl. 1996, I, S. 1476 (1477). Hieran wurde auch in der aktuellen Fassung trotz der Rückkehr der vollständigen Entgeltfortzahlung zu Beginn des Jahres 1999 (siehe BGBl. 1998, I, S. 3843 (3849)) festgehalten, wie die aktuelle Fassung der Norm zeigt. 110 In diesem Sinne BAG, Urt. v. 11. 9. 2003 – 6 AZR 374/02, AP BGB § 611 Gleitzeit Nr. 1; Urt. v. 16. 1. 2001 – 5 AZR 430/00, NZA 2002, 746 (747); ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 45; Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 99; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 79 Rn. 12; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 3; MüllerGlöge, RdA 2006, 105; vgl. auch BSG, Urt. v. 27. 9. 2011 – B 4 AS 180/10 R, BeckRS 2011, 77597 (Rn. 24); BAG, Urt. v. 11. 9. 2003 – 6 AZR 374/02, NZA 2004, 738 (740). 111 So auch MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 79 Rn. 12. 112 Hiervon gehen BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 2; HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 6; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 246; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 191 aus.

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Der Entgeltfortzahlungsanspruch besteht ausweislich des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG für die maximale Dauer von sechs Wochen. Beginn und Dauer des Zeitraums werden anhand der §§ 187 ff. BGB bestimmt.113 Der Anspruch endet entweder mit dem Ende der Arbeitsunfähigkeit114 oder aber mit Ablauf des Sechswochenzeitraums, unabhängig vom Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit115. (2) Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im System des Sozialversicherungsrechts Auch bei länger andauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitnehmer jedoch nicht schutzlos: Ihm steht bei gesetzlicher Krankenversicherung regelmäßig ein Anspruch auf Krankengeld nach § 44 Abs. 1 SGB V zu.116 Der Zusammenhang der beiden Sicherungssysteme – des Krankengeldes sowie der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber – illustriert den Gesetzeszweck der Letztgenannten: Die Einkommenssicherung im Krankheitsfall ist insgesamt Ausfluss des Sozialstaatsprinzips.117 Insoweit liegt es nahe, dass die Kosten vom Staat bzw. der Sozialversicherung getragen werden, wobei letzteres nach Maßgabe der § 44 ff. SGB V auch grundsätzlich der Fall ist. Der Anspruch auf Krankengeld ruht jedoch nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, solange der Arbeitnehmer beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erhält. Die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG stellt ein solches Arbeitsentgelt dar, sodass bei Vorliegen der Voraussetzungen für deren Dauer von sechs Wochen ausschließlich der Arbeitgeber, nicht aber die Krankenkasse in Anspruch genommen werden kann.118 Der sozialstaatlich geprägte Anspruch wird somit zunächst auf Kosten der Arbeitgeber gewährt.119 Damit folgt die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall einer sog. arbeitsrechtlichen 113

BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 49a; Feichtinger/ Malkmus/Feichtinger, EFZR, 2. Aufl. 2010, § 3 EFZG Rn. 200; Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand 2022, § 3 EFZG Rn. 167; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 52; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 392. 114 BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 55; Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand 2022, § 3 EFZG Rn. 189; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 232; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 412. 115 ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 35; Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand 2022, § 3 EFZG Rn. 188; Feichtinger/Malkmus/Feichtinger, EFZR, 2. Aufl. 2010, § 3 EFZG Rn. 215; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 59. 116 Siehe hierzu Gliederungspunkt F. I. 2. b) bb). 117 MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 1; Hohenstatt/Sittard/Hohenstatt/Krois, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 2 b). 118 Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 49 Rn. 3; Knickrehm/Kreikebohm/ Waltermann/Waltermann, 7. Aufl. 2021, § 49 SGB V Rn. 2; Küttner/Ruppelt, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Krankengeld Rn. 25. 119 Vgl. ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 1; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 1, 2; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 180 f.; Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (416); Salowsky/Seffen, Einkommenssicherung bei Krankheit im internationalen Vergleich, S. 5.

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Lösung, bei welcher der Arbeitgeber der primäre Kostenschuldner ist.120 In dieser Art war das Verhältnis von Krankengeld und Entgeltfortzahlung nicht immer geregelt: Bis zum Jahre 1930 etwa erfolgte im Falle des Arbeitsausfalls wegen Krankheit eine Anrechnung der Leistungen der Krankenversicherung auf Lohnfortzahlungsansprüche gewerblicher Angestellter nach § 133c GewO und anderer Angestellter nach § 616 BGB jeweils in der damaligen Fassung, nicht aber umgekehrt – Vorrang hatten mithin die Versicherungsleistungen.121 Ein Ruhenstatbestand für Leistungen der Krankenversicherung, der den Vorrang der Lohnfortzahlung sichern sollte, wurde erst 1930 in § 189 Abs. 1 RVO geschaffen.122 Für Arbeiter galt ab dem Jahre 1957 eine sog. gespaltene Lösung, bei der fortlaufend Krankengeld gezahlt wurde und der Arbeitgeber lediglich zu einem Zuschuss verpflichtet war.123 Diese Lösung wurde indes mit der Schaffung des LFZG124 zugunsten einer insoweit der heutigen Regelung entsprechenden, arbeitsrechtlichen Lösung aufgegeben.125 Ein Grund hierfür war auch der Anreiz, gesunde Arbeitsbedingungen zu schaffen und so Krankheitsrisiken im Unternehmen – und dadurch das eigene Kostenrisiko – zu minimieren.126 Lediglich Arbeitgeber kleinerer Betriebe, die regelmäßig weniger als 30 Arbeitnehmer beschäftigen, erhalten nach den Regelungen des AAG einen Erstattungsanspruch gegen die Krankenkasse des erkrankten Arbeitnehmers in Höhe von 80 % des im Krankheitsfall an den Arbeitnehmer geleisteten Entgelts.127 Es griffe insgesamt zu kurz, in der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall allein eine Regelung zur finanziellen Absicherung des Arbeitnehmers zu sehen – maßgeblich dient sie vielmehr dazu, die Sozialversicherungsträger und damit die Versicherungsgemeinschaft zu entlasten.128 120 In Abgrenzung zur gespaltenen Lösung Schmitt/Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, Einl. Rn. 40; Heinze, NZA 1996, 785. 121 Siehe § 133c Abs. 2 S. 2 GewO 1891; § 616 S. 2 BGB enthält eine derartige Regelung noch heute und entspricht insoweit der Ursprungfassung. 122 RGBl. 1930, I, S. 311 (322). 123 § 1 Abs. 1 S. 1 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle, BGBl. 1957, I, S. 649. 124 BGBl. 1969, I, S. 946. 125 Zur Entwicklung von der gespaltenen zur arbeitsrechtlichen Lösung siehe Knorr/ Krasney, EFZ, Werkstand: 2021, Einführung; Schmitt/Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, Einl. Rn. 40 ff.; Heinze, NZA 1996, 785 (785 f.). 126 Greiner, NZA 2022, 665 (669). 127 Kamanabrou, Arbeitsrecht, 2017, Rn. 1130; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 83 Rn. 1; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 100 Rn. 3. 128 BAG, Urt. v. 18. 3. 2015 – 10 AZR 99/14, NZA 2015, 801 (803); Urt. v. 12. 12. 2001 – 5 AZR 255/00, NZA 2002, 734 (738); BGH, Urt. v. 19. 6. 1952 – III ZR 295/51, 1249 (1250) zu § 616 Abs. 2 BGB a. F.; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 1; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 79 Rn. 5; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG 2; Preis/ Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139); Salowsky/Seffen, Einkommenssicherung bei Krankheit im internationalen Vergleich, S. 5; v. Hoyningen-Huene, FS Adomeit, 2008, S. 291 (300).

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(3) Die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG im Lichte der nachgewiesenen Coronavirusinfektion Der mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer kann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG haben, wenn er krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist, die Krankheit die alleinige Ursache für die Arbeitsunfähigkeit ist und der Arbeitnehmer diese nicht zu verschulden hat. Weiterhin muss die in § 3 Abs. 3 EFZG vorgesehene Voraussetzung eines vierwöchigen Bestands des Arbeitsverhältnisses erfüllt sein – diese Voraussetzung wird im Folgenden als gegeben unterstellt. Die Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs. 1 EFZG bedürfen hingegen der vertieften Auseinandersetzung – dass sie bei nachgewiesener Coronavirusinfektion in jedem Fall vorliegen, ist keinesfalls offensichtlich. (a) Krankheit Der Begriff der Krankheit ist gesetzlich nicht definiert.129 Überwiegende Einigkeit besteht heute dahingehend, dass ein medizinischer Krankheitsbegriff zugrunde zu legen ist.130 Die Begriffsbestimmungen in Literatur und Rechtsprechung sind dabei im Kern ähnlich: Allenthalben wird ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand gefordert.131 Das ist ein Zustand, der von der durch das Leitbild des gesunden Menschen geprägten Norm abweicht, so also nicht bei jedem anderen Menschen gleichen Alters und Geschlechts zu erwarten ist.132 Soweit zusätzlich die Behandlungsbedürftigkeit des Zustands genannt wird133, ist dem nicht zuzustimmen; diese 129 ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 5; HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 34; Kamanabrou, Arbeitsrecht, 2017, Rn. 1112; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 13; Reinecke, DB 1998, 130. 130 Vgl. BAG, Urt. v. 9. 4. 2014 – 10 AZR 637/13, NZA 2014, 719 (720); zur Vorgängernorm des § 1 LohnFG Urt. v. 7. 8. 1991 – 5 AZR 410/90, NZA 1992, 69; Urt. v. 26. 7. 1989 – 5 AZR 301/88, NZA 1990, 140; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 5; Feichtinger/Malkmus/Feichtinger, EFZR, 2. Aufl. 2010, § 3 EFZG Rn. 22; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge/ Dunkl, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 3 Rn. 27; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 13; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 210, 213. 131 Ständ. Rspr., siehe etwa BAG, Urt. v. 26. 10. 2016 – 5 AZR 167/16, NZA 2017, 240 (241); Urt. v. 9. 4. 2014 – 10 AZR 637/13, NZA 2014, 719 (720); zur Vorgängernorm des § 1 LohnFG Urt. v. 7. 8. 1991 – 5 AZR 410/90, NZA 1992, 69; Urt. v. 26. 7. 1989 – 5 AZR 301/88, NZA 1990, 140; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 5; Feichtinger/Malkmus/ Feichtinger, EFZR, 2. Aufl. 2010, § 3 EFZG Rn. 22; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge/Dunkl, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 3 Rn. 27; Kamanabrou, Arbeitsrecht, 2017, Rn. 1112; MHdbArbR/ Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 13; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 54; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 210. 132 BAG, Urt. v. 26. 10. 2016 – 5 AZR 167/16, NZA 2017, 240 (241); Urt. v. 7. 12. 2005 – 5 AZR 228/05, NJOZ 2006, 2632 (2638); Feichtinger/Malkmus/Feichtinger, EFZR, 2. Aufl. 2010, § 3 EFZG Rn. 22; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge/Dunkl, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 3 Rn. 27; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 13; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 4; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 211. 133 Vgl. etwa BAG, Urt. v. 1. 6. 1983 – 5 AZR 536/80, NJW 1983, 2659 (2660); Urt. v. 5. 4. 1976 – 5 AZR 397/75, AP LohnFG § 1 Nr. 40; Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand 2022, § 3 EFZG

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spielt im Entgeltfortzahlungsrecht keine Rolle.134 Ob eine Krankheit vorliegt, ist eine von den Folgen – insbesondere der Behandlungsbedürftigkeit, aber auch der Arbeitsunfähigkeit – abstrakt zu beurteilende Frage.135 (aa) Die symptomatische Infektion als Krankheit Die nachgewiesene Coronavirusinfektion wird im Schrifttum wohl ganz überwiegend als Krankheit eingeordnet, denn eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung erfolgt zumeist erst mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal der Arbeitsunfähigkeit, der Monokausalität oder des Verschuldens.136 Tatsächlich kann das Vorliegen einer Krankheit kurzumwunden bejaht werden, wenn die COVID-19-Erkrankung ausgebrochen ist, d. h. wenn der Arbeitnehmer einschlägige Symptome wie etwa Husten oder Fieber zeigt – unabhängig von Rn. 17; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 4; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 9; Lepke, NZA-RR 1999, 57. 134 Die Berücksichtigung der Behandlungsbedürftigkeit geht auf den sozialversicherungsrechtlichen Krankheitsbegriff zurück (Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 51). Dieser verlangt einen regelwidrigen, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (ständ. Rspr. siehe nur BSG, Urt. v. 11. 5. 2017 – B 3 KR 30/15 R, NZS 2018, 772 (774); Urt. v. 28. 2. 2008 – B 1 KR 19/07 R, NZS 2009, 95; Urt. v. 19. 10. 2004 – B 1 KR 3/03 R, BeckRS 2005, 41108 (Rn. 10); Urt. v. 28. 10. 1960 – 3 RK 29/59, NJW 1961, 986; Becker/ Kingreen/Lang, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 27 Rn. 14; KassKomm/Nolte, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 27 SGB V Rn. 9; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Waltermann, 7. Aufl. 2021, § 27 SGB V Rn. 2). Dieser zweigliedrige Begriff ist auf das Entgeltfortzahlungsrecht nicht übertragbar: Zum einen nennt § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG allein die Arbeitsunfähigkeit als Anwendungsfall der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber, nicht aber die Behandlungsbedürftigkeit (vgl. Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge/Dunkl, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 3 Rn. 27; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 14; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 52; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 212). Zum anderen ist auch für die Arbeitsunfähigkeit heute anerkannt, dass es sich um ein eigenständiges, von der Krankheit getrennt zu betrachtendes Tatbestandsmerkmal handelt (siehe etwa ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 9; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge/Dunkl, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 3 Rn. 28; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 12; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 4). Behandlungsbedürftigkeit respektive Arbeitsunfähigkeit werden im Sozialversicherungsrecht als Relevanzindikatoren dafür angesehen, dass der körperliche Zustand tatsächlich für Krankenbehandlung und Krankengeld bedeutsam ist (KassKomm/Nolte, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 27 SGB V Rn. 9a). Diese Funktion übt für § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG schon die Arbeitsunfähigkeit als eigenständiges Tatbestandsmerkmal aus. 135 Vgl. etwa ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 9; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 18; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 6 – nicht jede Krankheit führt zu Arbeitsunfähigkeit. 136 Zur Arbeitsunfähigkeit etwa ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690b; Düwell, BB 2020, 891 (893); Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (751); Müller/Becker, COVuR 2020, 126 (128); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1138); Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (23); Sievers/Kruppa, jM 2021, 446 (451); Wank, in: Liber Amicorum Düwell, 2021, S. 71 f.; zur Kausalität Grimm, DB 2020, 1177 (1178); erst das Verschulden des Arbeitnehmers problematisierend MAH ArbR/Glaser, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 223; Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (347); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); Weller/Lieberknecht/ Habricht, NJW 2020, 1017 (1018).

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der Stärke der Symptome, die für die Arbeitsunfähigkeit entscheidend sein wird, liegt hier ein körperlicher Zustand vor, der von dem Leitbild des gesunden Menschen abweicht und damit regelwidrig ist.137 (bb) Die symptomlose Infektion als Krankheit? So simpel ist es jedoch nicht immer. Denn: Ob schon die bloße Infektion mit dem Coronavirus als Krankheit i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG angesehen werden kann, kann durchaus hinterfragt werden.138 Zwar könnte man bereits das Tragen des Krankheitserregers SARS-CoV-2 als regelwidrigen Zustand ansehen, mit der Argumentation, ein Mensch, der dem Leitbild der Gesundheit entspreche, sei frei von ansteckenden Erregern.139 In eine andere Richtung weisen jedoch Forderungen, die Regelwidrigkeit des Zustandes müsse eine gewisse Erheblichkeit aufweisen140, die Abweichung von der gesunden Norm müsse in irgendeiner Weise subjektiv empfunden oder objektiv bemerkbar sein141. Der Krankheitsbegriff ist daher auslegungsbedürftig. (a) Auslegung nach dem Wortlaut Ausgangspunkt ist der Wortlaut des Gesetzes.142 Hier ist neben dem rechtlichen Sprachgebrauch auch der allgemeine zu berücksichtigen.143 Der Duden nennt als Definition für den Begriff der Krankheit eine „körperliche, geistige oder psychische Störung, die an bestimmten Symptomen erkennbar ist“.144 Das Auftreten einschlägiger Symptome ist demnach Voraussetzung für eine Krankheit. Dieses Verständnis entspricht dem medizinischen Sprachgebrauch – hier wird grundsätzlich zwischen der Infektion mit einem Krankheitserreger und der ausgebrochenen Erkrankung differenziert, wie sich schon an den jeweiligen Fachbegriffen zeigt: So spricht man 137 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690b; Schaub/Koch/Koch, Arbeitsrecht von A – Z, 26. Aufl. 2022, Corona; Noack, NZA 2021, 251 (252); diese Einschätzung teilen offenbar auch Tschöpe/Grimm, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 2. Teil B Rn. 118b; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (751); Lorenzen, COVuR 2021, 722 (724); Müller/Becker, COVuR 2020, 126 (128); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1138 f.); Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (23). 138 Ablehnend etwa Lorenzen, COVuR 2021, 722 (724); wohl auch vom Stein/Rothe/ Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 12, nach dem die Arbeitsunfähigkeit bei symptomfreien Infektionen nicht krankheitsbedingt ist. 139 So auch LAG Köln, Urt. v. 13. 12. 2021 – 2 Sa 488/21, BeckRS 2021, 40062 (Rn. 12); Noack, NZA 2021, 251 (252). 140 Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 58; HK-ArbR/Spengler, 4. Aufl. 2017, § 3 EFZG Rn. 9. 141 Feichtinger/Malkmus/Feichtinger, EFZR, 2. Aufl. 2010, § 3 EFZG Rn. 22. 142 MüKoBGB/Säcker, 8. Aufl. 2019, Einl. BGB Rn. 137; Schäfers, JuS 2015, 875 (877). 143 Creifelds/Groh, Rechtswörterbuch, 26. Ed. 2021, Auslegung (Interpretation); Schäfers, JuS 2015, 875 (877). 144 Siehe Duden, Krankheit, online abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/ Krankheit (letzter Abruf: 19. 5. 2022).

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von einer Coronavirus- bzw. SARS-CoV-2-Infektion auf der einen und einer COVID-19-Erkrankung145 auf der anderen Seite. Ein ähnlich prominentes Beispiel ist die HIV-Infektion146, die in ihrem Verlauf die Erkrankung AIDS147 auslöst. Demnach ist die symptomlose Infektion noch keine Krankheit. Dass im alltäglichen Sprachgebrauch allerdings stets so streng differenziert wird, darf bezweifelt werden.148 Der rechtliche Sprachgebrauch im Anwendungsbereich des EFZG ist hier aufgrund fehlender Einheitlichkeit wie gesehen wenig aufschlussreich. Der Krankheitsbegriff wird auch in anderem rechtlichen Kontext genutzt, genannt sei hier insbesondere das Infektionsschutzrecht. Dieses differenziert in § 2 Nr. 2 und 3 IfSG zwischen Infektion und Krankheit, in § 2 Nr. 4 und 6 IfSG zwischen Krankem und Ausscheider und legt so das dargestellte, medizinische Verständnis zugrunde. Die Definitionen gelten indes nur im Anwendungsbereich des IfSG – im Hinblick auf das Sozialversicherungsrecht haben BSG und BGH übereinstimmend festgestellt, dass das Verständnis nicht übertragbar ist.149 Für das EFZG muss dasselbe gelten. (b) Auslegung nach Systematik und Historie In systematisch-historischer Hinsicht könnte das Verhältnis der Entgeltfortzahlung zur infektionsschutzrechtlichen Entschädigung Aufschluss über den Krankheitsbegriff geben. Die Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG soll nur subsidiär zur Entgeltfortzahlung eingreifen und wurde ursprünglich für Kranke i. S. d. § 2 Nr. 4 IfSG schon gar nicht vorgesehen, da davon ausgegangen wurde, diese hätten einen Anspruch auf Leistungen wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gegen die Krankenversicherung.150 Zur Zeit der Schaffung der Entschädigungsnorm in § 49 BSeuchG existierte noch kein einheitliches Recht der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber im Krankheitsfall, für Arbeiter darüber hinaus eine sog. gespaltene Lösung, nach welcher der Arbeitgeber lediglich Zuschüsse zum von der Krankenversicherung geleisteten Krankengeld zahlte151 – dies erklärt, warum in der Geset145 Der Zusatz „Erkrankung“ führt genau genommen zu einer Doppelung, steht „COVID“ doch bereits für Corona Virus Disease. 146 HIV steht für Human Immundeficiency Virus. 147 AIDS steht für acquired immune deficiency syndrome, d. h. erworbenes Immunschwächesyndrom. 148 Das zeigen auch die rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzungen zu Beginn der Pandemie, etwa Benkert, NJW-Spezial 2020, 306; Eufinger, DB 2020, 1121; Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (347); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113) oder Weller/Lieberknecht/ Habrich, NJW 2020, 1017 (1018), die nicht eindeutig zwischen Infektion und Krankheit unterscheiden. 149 BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (423); BSG, Urt. v. 27. 5. 1971 – 3 RK 28/68, NJW 1971, 1908; siehe auch LG Tübingen, Urt. v. 6. 7. 1966 – 1 S 31/66, NJW 1966, 1865. 150 Siehe bereits Gliederungspunkt F. I. 2. a) aa) (3). 151 § 1 Abs. 1 S. 1 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle, BGBl. 1957, I, S. 649.

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zesbegründung ausdrücklich auf Versicherungsleistungen, nicht aber auf die Entgeltfortzahlung abgestellt wird. Ausscheider hingegen, zu denen der symptomlos mit dem Coronavirus Infizierte zu zählen ist152, wurden in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufgenommen.153 Der Gesetzgeber ging hier also von einer fehlenden Absicherung aus. Den Schluss, der Ausscheider sei nach Ansicht des Gesetzgebers des BSeuchG nicht krank, lässt dies allein jedoch nicht zu – der Anspruch des Betroffenen auf Versicherungsleistungen (oder Lohnfortzahlung) kann insbesondere auch am Merkmal fehlender Behandlungsbedürftigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit scheitern. Die finanzielle Absicherung des symptomlos Infizierten durch die Möglichkeit infektionsschutzrechtlicher Entschädigung gibt daher keinen Aufschluss darüber, ob die Infektion selbst bereits ein regelwidriger Zustand und damit Krankheit i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ist. Dass der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG auf zweiter Stufe durch das Merkmal der Arbeitsunfähigkeit beschränkt wird, könnte im Gegenteil ein weites Verständnis des Krankheitsbegriffs rechtfertigen – bei fehlender Erheblichkeit der Einschränkung wird häufig schon die Arbeitsunfähigkeit fehlen, sodass es einer engen Auslegung dessen, welcher Zustand als regelwidrig anzusehen ist, nicht bedarf.154 (c) Auslegung nach dem Zweck der Norm unter Berücksichtigung der Rechtsprechung Bei § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG handelt es sich insbesondere um eine Regelung zur Entlastung der Sozialversicherungsgemeinschaft.155 Entscheidend für das Verständnis der Tatbestandsmerkmale muss mithin auch sein, ob die Sozialversicherung für die Kosten des Arbeitsausfalls im konkreten Fall überhaupt einzustehen hätte. Aufschlussreich ist insoweit eine bereits angesprochene Entscheidung des BSG: Demnach kann eine Person, die dauerhaft ansteckende Erreger ausscheidet, ohne selbst Krankheitssymptome zu zeigen, krank im Sinne des Sozialversicherungsrechts (damals namentlich § 182 RVO) sein.156 Schon das Ausscheiden von Krankheitserregern ordnet das BSG als vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden

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Kießling/Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 2 Rn. 25; Schaub/Koch/Koch, Arbeitsrecht von A – Z, 26. Aufl. 2022, Corona. 153 Siehe ursprüngliche Fassung des § 49 BSeuchG, BGBl. 1961, I, S. 1012 (1021). 154 So MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 14. 155 BAG, Urt. v. 18. 3. 2015 – 10 AZR 99/14, NZA 2015, 801 (803); Urt. v. 12. 12. 2001 – 5 AZR 255/00, NZA 2002, 734 (738); BGH, Urt. v. 19. 6. 1952 – III ZR 295/51, NJW 1952, 1249 (1250) zu § 616 Abs. 2 BGB a. F.; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 1; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 79 Rn. 5; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 2; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139); Salowsky/Seffen, Einkommenssicherung bei Krankheit im internationalen Vergleich, S. 5; v. Hoyningen-Huene, FS Adomeit, 2008, S. 291 (300). 156 BSG, Urt. v. 27. 5. 1971 – 3 RK 28/68, NJW 1971, 1908.

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und damit regelwidrigen Zustand ein.157 Anders urteilte jedoch der BGH: Bezüglich zweier Metzgergesellen, die Ausscheider von Salmonellen waren, lehnte dieser das Vorliegen einer Krankheit im medizinischen Sinne ab.158 Dabei ging es nicht um Lohnfortzahlungsansprüche, sondern vielmehr um die Anrechnung von Urlaubstagen wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nach § 9 BUrlG. Der BGH nahm ausdrücklich Bezug auf das genannte Urteil des BSG und befürwortete die Einordnung, dass im Falle eines Dauerausscheiders von Salmonellen eine Krankheit vorliegen könne.159 Der Gerichtshof ging davon aus, der Krankheitsbegriff in § 9 BUrlG sei identisch mit demjenigen des § 182 RVO, d. h. mit dem sozialversicherungsrechtlichen Krankheitsbegriff.160 Eine Erklärung dafür, warum die beiden Metzgergesellen in diesem Fall gleichwohl nicht krank i. S. d. § 182 RVO und des BUrlG sein sollten, bleibt die Entscheidung schuldig. Begründen ließe sich das Ergebnis, wenn für das Vorliegen einer Krankheit Behandlungsbedürftigkeit respektive Arbeitsunfähigkeit gefordert würde, denn gerade mit der Behandlungsbedürftigkeit hat das BSG seinerzeit die Anspruchsberechtigung des Salmonellenausscheiders nach § 182 RVO begründet161. Wie gesehen spielt die Behandlungsbedürftigkeit im Rahmen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG jedoch keine Rolle. Dafür, dass auch ein bloßer Zustand, der nur bei Untersuchung erkennbar ist und im alltäglichen Leben zu keinen Einschränkungen aufgrund auftretender Symptome führt, eine Krankheit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes sein kann, spricht, dass etwa die Zeugungsunfähigkeit erwachsener Menschen im fortpflanzungsfähigen Alter als Krankheit angesehen wird162 – auch diese führt nicht zu im Alltag spürbaren Symptomen, ist aber dennoch ein regelwidriger Zustand. (d) Schlussfolgerungen Insgesamt ergibt sich ein durchwachsenes Bild: Die grammatikalische Auslegung mag ein strenges Verständnis des Krankheitsbegriffs, nach dem Symptome irgendeiner Art erforderlich sind, nahelegen. Da außerhalb medizinischer Fachkreise und vor Sensibilisierung durch die Pandemie im Alltag jedoch nicht strikt zwischen Infektion und Krankheit getrennt wurde, hat dieses Argument nur geringe Tragkraft. Das Verhältnis der infektionsschutzrechtlichen Entschädigung zur Entgeltfortzahlung, besser gesagt noch das historische Verständnis des Gesetzgebers des BSeuchG, dass der Ausscheider zusätzlicher sozialer Absicherung bedürfe, gibt nicht unmit157

BSG, Urt. v. 27. 5. 1971 – 3 RK 28/68, NJW 1971, 1908. BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (423); auch gegen eine Krankheit im medizinischen Sinne, den arbeitsrechtlichen Begriff aber weiter fassend LG Tübingen, Urt. v. 6. 7. 1966 – 1 S 31/66, NJW 1966, 1865. 159 BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (423). 160 BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (423): „Zwar ist der Krankheitsbegriff des Bundesseuchengesetzes nicht identisch mit dem des § 182 RVO, der seinerseits dem Krankheitsbegriff des § 9 BUrlG entspricht (…)“. 161 BSG, Urt. v. 27. 5. 1971 – 3 RK 28/68, NJW 1971, 1908. 162 Siehe BAG, Urt. v. 26. 10. 2016 – 5 AZR 167/16, NZA 2017, 240 (241). 158

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telbar Aufschluss über den Krankheitsbegriff, da Entgeltfortzahlungs- und Krankengeldansprüche auch an anderen Voraussetzungen scheitern können, namentlich fehlender Arbeitsunfähigkeit. Die weitere Einschränkung des Entgeltfortzahlungsanspruchs durch das Kriterium der Arbeitsunfähigkeit ist hingegen ein starkes, systematisches Argument für ein weites Verständnis des Krankheitsbegriffs. Dies deckt sich mit einer Entscheidung des BSG, welches das Ausscheiden von Krankheitserregern als regelwidrigen Zustand einordnete und wegen Behandlungsbedürftigkeit einen Krankengeldanspruch bejahte. Da die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall insbesondere der Entlastung der Sozialversicherung im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit dient, muss die Entscheidung im Lichte des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG so interpretiert werden, dass ein Entgeltfortzahlungsanspruch möglich ist, wenn das Ausscheiden von Krankheitserregern zur Arbeitsunfähigkeit führt – vorgelagert setzt dies indes die Einordnung schon des Tragens von Krankheitserregern als Krankheit i. S. d. Norm voraus. Für den symptomlos mit dem Coronavirus infizierten Arbeitnehmer kann dann nichts anderes gelten als für den Salmonellenausscheider: Eine Krankheit i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG liegt trotz ausbleibender Symptome schon aufgrund der Infektion selbst vor.163 (b) Arbeitsunfähigkeit Die Krankheit des Arbeitnehmers ist notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG.164 Liegt im Falle nachgewiesener Coronavirusinfektion ungeachtet der Symptomatik eine Krankheit im entgeltfortzahlungsrechtlichen Sinne vor, stellt sich die aufgrund der weiten Auslegung des Krankheitsbegriffs weitaus wichtigere Frage, ob der Betroffene darüber hinaus auch arbeitsunfähig ist.165 Auch für den Begriff der Arbeitsunfähigkeit fehlt eine Legaldefinition.166 Überwiegend wird vorausgesetzt, dass dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar ist, weil er seiner Tätigkeit nicht oder nur bei Gefahr der Verschlimmerung des Zustandes nachgehen kann.167 163 Ebenso LAG Köln, Urt. v. 13. 12. 2021 – 2 Sa 488/21, BeckRS 2021, 40062 (Rn. 12); Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 19; Greiner, NZA 2022, 665 (671); Linck, in: FS Preis, 2021, S.743 (745); Noack, NZA 2021, 251 (252); im Anschluss hieran auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3-3000164/21 und WD-9-3000-081/21, S. 6. Siehe im Ergebnis ebenso für die HIV-Infektion Münkel, Das Verschulden im System der Entgeltfortzahlungsregeln, 1989, S. 35; Starke, HIV-Infektion und AIDS-Erkrankung im Arbeitsverhältnis, 1998, S. 168; mit Blick auf Paratyphusausscheider LG Tübingen, Urt. v. 6. 7. 1966 – 1 S 31/66, NJW 1966, 1865. A. A. Lorenzen, COVuR 2021, 722 (724); wohl auch vom Stein/Rothe/Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 12. 164 Beden, NZA 2021, 917; Düwell, BB 2020, 891 (892). 165 Auch Reinecke, DB 1998, 130 (132) sieht hierin den zentralen Begriff der Entgeltfortzahlung. 166 HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 43; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 20; Reinecke, DB 1998, 130. 167 Ständ. Rspr., vgl. etwa BAG, Urt. v. 26. 10. 2016 – 5 AZR 167/16, NZA 2017, 240 (241); Urt. v. 23. 1. 2008 – 5 AZR 393/07, NZA 2008, 595 (596); Urt. v. 7. 8. 1991 – 5 AZR 410/90, NZA 1992, 69; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 9; Feichtinger/Malkmus/

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Sofern die COVID-19-Erkrankung bzw. symptomlose Coronavirusinfektion den Arbeitnehmer nicht schon aufgrund der Stärke der Symptome an der Arbeitsleistung hindert, ist dies durchaus fraglich. Grundsätzlich muss das auf Stufe der Krankheit nicht vorausgesetzte Erheblichkeitskriterium auf Ebene der Arbeitsunfähigkeit Berücksichtigung finden, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden. Nicht jeder Schnupfen führt dazu, dass der Arbeitnehmer seiner Tätigkeit nicht mehr nachgehen und Entgeltfortzahlung beanspruchen kann.168 Nun ist die Infektion mit dem Coronavirus auch bei ausbleibender oder leichter Symptomatik keineswegs mit einem Schnupfen gleichzusetzen. Wer an einer leichten Erkältung leidet, kann i. d. R. weiter im Betrieb arbeiten, das Ansteckungsrisiko stellt eine sozialadäquate Gefährdung Dritter dar. Anders im Falle der Coronavirusinfektion – sofern eine Tätigkeit im Homeoffice oder anderweitig in völliger Isolation nicht möglich ist, kann der Betroffene seiner Arbeit in der Regel nicht nachgehen.169 Doch ist er damit auch arbeitsunfähig i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG? (aa) Arbeitsunfähigkeit bei Arbeitsverhinderung aus Rechtsgründen? Manche bejahen das.170 Ganz allgemein wird das Risiko, das der Arbeitnehmer im Falle einer ansteckenden Erkrankung für seine Kollegen und Dritte darstellt, zuweilen als Ursache für eine Unzumutbarkeit der Leistung nach § 275 Abs. 3 BGB, diese wiederum als Ursache für die Arbeitsunfähigkeit herangezogen.171 Nach hier vertretener Ansicht ist aufgrund der Arbeitsschutzpflichten des Arbeitnehmers nicht nur von einer Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung auszugehen, vielmehr führt die Coronavirusinfektion i. d. R. zur Unmöglichkeit der ordnungsgemäßen Erfüllung der Feichtinger, EFZR, 2. Aufl. 2010, § 3 EFZG Rn. 25; Kamanabrou, Arbeitsrecht, 2017, Rn. 1113; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge/Dunkl, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 3 Rn. 34; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 18, 20; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 6; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 49; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 225; Reinecke, DB 1998, 130 (132). 168 Feichtinger/Malkmus/Feichtinger, EFZR, 2. Aufl. 2010, § 3 EFZG Rn. 28; siehe auch Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit, 2004, S. 292. 169 Siehe bereits Gliederungspunkte E. I. 2. b) bb) (1) (b). 170 BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 20; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 14; Noack, NZA 2021, 251 (252); wohl auch Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, 2. Aufl. 2021, Rn. 120; HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 43. Eine ähnliche Einschätzung klingt in ArbG Bonn, Urt. v. 7. 7. 2021 – 2 Ca 504/21, BeckRS 2021, 19661 (Rn. 35) an. Zu demselben Ergebnis führen auch die Erwägungen von MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 22, der bei ausschließlich ortsgebunden zu erbringender Tätigkeit und Unmöglichkeit des Aufsuchens der Arbeitsstätte, also einer sog. Wegeunfähigkeit, von einer Arbeitsunfähigkeit i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ausgeht. 171 ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 10; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 21; NK-GA/Sievers, 1. Aufl. 2016, § 3 EFZG Rn. 36; Vogelsang, Entgeltfortzahlung, 2003, Rn. 81; Noack, NZA 2021, 251 (252); wohl auch MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 10; i. E. ähnlich BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 20; siehe auch LG Tübingen, Urt. v. 6. 7. 1966 – 1 S 31/66, NJW 1966, 1865.

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Arbeitspflicht.172 Nach der genannten Argumentation müsste dies erst Recht zu einer Arbeitsunfähigkeit des Betroffenen führen. Vom Wortlaut des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ist ein solches Verständnis auch durchaus gedeckt – dem Arbeitnehmer fehlt die Möglichkeit, seine geschuldete Arbeitsleistung in der richtigen Art und Weise zu erbringen, er ist zur vertragsgemäßen Arbeit nicht fähig. Seine Einschränkung ist bei ausbleibender Symptomatik indes eher eine rechtliche als eine tatsächliche – das gilt bei angeordneter Absonderung und auch bei unmittelbar aus der Verletzung der Gesundheitsschutzpflicht folgender Leistungsunfähigkeit.173 Man mag nun argumentieren, die rechtliche Unmöglichkeit stehe der tatsächlichen gleich – und läge damit unter leistungsstörungsrechtlichen Gesichtspunkten zweifellos richtig.174 So führt sowohl die tatsächliche Einschränkung des Arbeitnehmers bei starker Symptomatik, als auch die Unmöglichkeit, seinen Arbeitsschutzpflichten gerecht zu werden, zur Leistungsunfähigkeit i. S. d. § 297 BGB.175 Der allgemeine zivilrechtliche Begriff der Leistungsunfähigkeit ist indes nicht mit dem arbeits- und sozialrechtlichen Begriff der Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen. Das zeigt sich auch daran, dass grundsätzlich zwischen Arbeitsunfähigkeit und Arbeitsverhinderung differenziert wird, wobei nicht jede Arbeitsverhinderung gleichzeitig Arbeitsunfähigkeit bedeutet.176 So ist etwa der krankheitsbedingt notwendige Arztbesuch selbst nicht Auslöser des Entgeltfortzahlungsanspruchs – nur wenn die Krankheit auch zur Arbeitsunfähigkeit führt, greift § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG.177 Auch die Erkrankung der eigenen Kinder führt nicht zu einem Anspruch nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG.178 Mit ähnlicher Argumentation kann auch die Leistungsunfähigkeit, die allein daraus folgt, dass der Arbeitnehmer bei seiner Tätigkeit andere gefährden würde, als der Arbeitsleistung entgegenstehender Umstand eingeordnet werden, der aber nicht zugleich Arbeitsunfähigkeit begründet.179 Auch das BAG stellte bereits fest, ein Arbeitnehmer, der an einer ansteckenden oder ekelerregenden Erkrankung leide, könne arbeitsfähig oder arbeitsunfähig sein.180 172

Siehe bereits Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (1) (b). So auch Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 14. 174 So BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 20; wohl auch Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 14. 175 Siehe hierzu ausführlich Gliederungspunkt E. I. 2. b). 176 Siehe etwa MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 18; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 222 f. 177 BAG, Urt. v. 9. 1. 1985 – 5 AZR 415/82, AP LohnFG § 1 Nr. 62; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 10; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 18; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 12. 178 Greiner, NZA 2007, 490 (494 f.); a. A. Kießling/Jünemann, DB 2005, 1684 (1688 f.). 179 Vgl. Schaub/Koch/Koch, Arbeitsrecht von A – Z, 26. Aufl. 2022, Corona; auch Preis/ Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1138), die dies indes mit der vertraglichen Schutzpflicht des Arbeitgebers gegenüber anderen Arbeitnehmern begründen; ebenso Schürgers/Marski, BB 2022, 308. Mit vergleichbaren Erwägungen hinsichtlich einer angeordneten Absonderung auch LAG Köln, Urt. v. 13. 12. 2021 – 2 Sa 488/21, BeckRS 2021, 40062 (Rn. 14). 180 BAG, Urt. v. 25. 6. 1992 – 6 AZR 279/91, NZA 1993, 81 (83). 173

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(bb) Berücksichtigung einer Möglichkeit der Leistung im Homeoffice Soweit argumentiert wird, Arbeitsunfähigkeit bestehe im Falle einer symptomlosen Infektion nicht, weil die Arbeitsleistung noch im Homeoffice erbracht werden kann, überzeugt das allein nicht.181 Zwar ist richtig, dass eine symptomlose Infektion der Leistung im Homeoffice nicht entgegensteht. Allerdings ist die Arbeitsfähigkeit mit Blick auf die konkret geschuldete Arbeitsleistung zu beurteilen.182 Was geschuldet ist, hängt nicht zuletzt von dem nach den Konkretisierungen des Arbeitsvertrags verbleibenden Weisungsspielräumen des Arbeitgebers ab, sowie von der Frage, ob und inwiefern er diese genutzt hat.183 Ist die geschuldete Tätigkeit im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben und besteht keine wirksame Konkretisierung durch Weisung des Arbeitgebers, führt die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers hinsichtlich eines Teils des vertraglichen Leistungsspektrums nichts zur Arbeitsunfähigkeit i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG, solange noch eine dem Vertrag entsprechende Arbeitsleistung erbracht werden kann.184 Lehnt der Arbeitgeber das Angebot einer solchen ab, führt das nicht zur Entgeltfortzahlung, sondern zum Annahmeverzug.185 Ist hingegen die Arbeitsleistung – sei es bereits durch den Vertrag, sei es durch Weisung – wirksam so konkretisiert, dass der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers dieser Leistung entgegensteht, dann ist der Annahmeverzug ausgeschlossen.186 Arbeitsunfähigkeit ist dann denkbar.187 Das gilt auch dann, wenn dem Arbeitgeber die Zuweisung einer anderen Leistung möglich wäre – hier geht es um den Themenkomplex des Anspruchs auf eine leidensgerechte Beschäftigung.188 Was heißt das für das Homeoffice im Lichte der Coronapandemie? Soweit die Leistung im Homeoffice bereits vertraglich geschuldet ist, weil sie im Arbeitsvertrag vorgesehen und/oder per Weisung wirksam zugewiesen wurde, dann führt die infektionsbedingte Isolation nicht zur Arbeitsunfähigkeit und auch schon nicht zur 181

So aber Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1138). Vgl. BAG, Urt. v. 9. 4. 2014 – 10 AZR 637/13, NZA 2014, 719 (720); Urt. v. 23. 1. 2008 – 5 AZR 393/07, NZA 2008, 595 (596); Urt. v. 26. 6. 1981 – 6 AZR 940/78, AP BGB § 616 Nr. 52; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 11; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 7; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 EFZG Rn. 71; Reinecke, DB 1998, 130 (132). In diesem Kontext ist auch zu berücksichtigen, dass die Möglichkeit vertragsfremder Beschäftigung keine Bedeutung für die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers hat, siehe zum Anspruch auf leidensgerechte Beschäftigung ausführlich Gliederungspunkt H. I. 3. c) bb) (3). 183 Vom Stein/Rothe/Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 43. 184 So der Fall in BAG, Urt. v. 9. 4. 2014 – 10 AZR 637/13, NZA 2014, 719 (Rn. 21 ff.). Die Besonderheit dieses Falles gegenüber denjenigen, die unter Gliederungspunkt H. I. 3. c) bb) (3) unter dem Stichwort des leidensgerechten Arbeitsvertrags diskutiert werden, besteht darin, dass die Leistungszeit der nachtdienstunfähigen Krankenschwester laufend neu bestimmt wurde. Siehe auch vom Stein/Rothe/Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 54. 185 BAG, Urt. v. 9. 4. 2014 – 10 AZR 637/13, NZA 2014, 719 (Rn. 35 ff.). 186 vom Stein/Rothe/Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 24 Rn. 14. 187 So auch MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 8; wohl auch vom Stein/Rothe/Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 49; a. A. ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 11. 188 Siehe hierzu ausführlich Gliederungspunkt H. I. 3. c) bb) (3). 182

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Befreiung von der Arbeitspflicht, weil es an Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit fehlt. Wenn die geschuldete Leistung aber durch Vertrag oder Weisung auf die Ausübung im Betrieb beschränkt ist, hat die theoretische Möglichkeit der Zuweisung einer Homeofficetätigkeit auf die Frage der Arbeitsunfähigkeit keine Auswirkungen.189 Darüber hinaus ist die Zulässigkeit der Zuweisung einer Homeofficetätigkeit jedenfalls gegen den Willen des Arbeitnehmers fraglich.190 Zudem sind zahlreiche Tätigkeiten schon faktisch nicht im Homeoffice durchführbar. Für die hiesige Problematik soll der Aspekt des Homeoffice daher zunächst außer Betracht bleiben.191 (cc) Berücksichtigung der Entschädigungsregelung nach § 56 IfSG Gegen eine Einordnung schon der Ansteckungsgefahr als Auslöser der Arbeitsunfähigkeit i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG spricht in systematischer Hinsicht, dass für die zugunsten des Ausscheiders i. S. d. § 2 Nr. 6 IfSG bestehende Entschädigungsregelung in § 56 Abs. 1 IfSG in diesem Fall kaum noch ein Anwendungsbereich verbliebe. Dieses Argument mag verwundern, wurde doch oben die Subsidiarität der als Billigkeitsregelung konzipierten Entschädigung betont.192 Die historische Betrachtung des § 56 IfSG bzw. der Vorgängernorm des § 49 BSeuchG zeigt jedoch, dass der Gesetzgeber gerade von einer fehlenden Absicherung auch des Ausscheiders ausging. Wäre dieser stets krankheitsbedingt arbeitsunfähig, wären Versicherte auch nach damals geltendem Recht zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung berechtigt gewesen. Der Zweck der Entschädigungsregelung, insbesondere auch den Ausscheider den krankheitsbedingt Arbeitsunfähigen gleichzustellen, könnte nicht erreicht werden – der Ausscheider würde selbst hierzu gehören, die Regelung wäre in dieser Hinsicht überflüssig. (dd) Berücksichtigung des spezifisch abgesicherten Risikos Die Verlagerung des Kostenrisikos auf den Arbeitgeber darf nicht uferlos sein; das Erfordernis der Arbeitsunfähigkeit ist dabei als einschränkendes, das abgesicherte Risiko umreißendes Kriterium aufzufassen.193 Bei der Auslegung ist insoweit nicht nur zu berücksichtigen, welches Risiko dem Arbeitnehmer zuzumuten ist, sondern 189 Anders argumentiert MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 22, der die Annahme der Wegeunfähigkeit als Fall der Arbeitsunfähigkeit auch damit begründet, dass ansonsten ein Anreiz zur Zuweisung leidensgerechter Heimarbeit genommen wurde. Die Annahme der Arbeitsunfähigkeit ist für eine Anreizwirkung aber nicht notwendig, wenn dem Arbeitnehmer bei Ablehnung der Tätigkeit im Homeoffice Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber zustehen, siehe hierzu Gliederungspunkt H. I. 3. c) bb) (3) (d). 190 Siehe hierzu ausführlich Gliederungspunkt H. I. 2. 191 Siehe aber insgesamt unten Gliederungspunkt H. I. 192 Siehe Gliederungspunkt F. I. 2. a) aa) (3). 193 Vgl. hinsichtlich der begrenzenden Funktion des Arbeitsunfähigkeitsmerkmals auch MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 14, der als Argument gegen einen engen Krankheitsbegriff, der Bagatellfälle ausklammern würde, anführt, dass zur Krankheit noch das Merkmal der Arbeitsunfähigkeit hinzutritt.

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auch, welches Risiko der Arbeitgeber nach dem Sinne des Gesetzes tragen soll.194 Gegen ein weites Verständnis spricht der Vergleich mit § 616 BGB – während dieser als Auffangtatbestand nicht auf bestimmte Gründe der persönlichen Verhinderung beschränkt ist, sichert § 3 EFZG spezifisch das Risiko krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ab. Dass damit lediglich das Risiko der eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigung erfasst ist, d. h. die Gefahr, die Tätigkeit tatsächlich nicht mehr oder nur unter Gefährdung der eigenen Gesundheit ausüben zu können, folgt insbesondere aus Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen. (ee) Berücksichtigung der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie Diese Richtlinie macht nähere Vorgaben dahingehend, wann Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auszustellen sind. Im Rahmen der Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ist sie von zwar mittelbarer, aber doch hervorgehobener Bedeutung.195 Die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist zwar nicht Voraussetzung im engeren Sinne für die Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs, bei Nichtvorlage ist der Anspruch indes vorrübergehend nicht durchsetzbar.196 Ob Arbeitsunfähigkeit i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG besteht, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Wertung des Betroffenen, sondern ist nach objektiver Bewertung durch einen Arzt festzustellen.197 Der ausstellende Arzt wiederum ist an die Vorgaben der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie gebunden.198 Dieser hat die Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung der Art der vom Arbeitnehmer auszuführenden Tätigkeiten an dem jeweiligen Arbeitsplatz zu beurteilen.199 Für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit kommt es nach § 4 Abs. 1 S. 1, 2 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie auf den körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheitszustand des Arbeitnehmers an, der im Wege ärztlicher Untersuchung zu überprüfen ist. Die

194

Wank, in: Liber amicorum Düwell, 2021, S. 69. Vgl. ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 9; Düwell, BB 2020, 891 (892). Auch das BAG orientiert sich hieran, siehe etwa BAG, Urt. v. 21. 11. 2018 – 7 AZR 394/17, NZA 2019, 309 (313). 196 Vgl. BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (1. 3. 2022), § 7 EFZG Rn. 8; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 7 EFZG Rn. 9; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 82 Rn. 40; Schmitt/ Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 7 Rn. 29. 197 BAG, Urt. v. 26. 7. 1989 – 5 AZR 301/88, NZA 1990, 140; BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 15; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 9; Feichtinger/Malkmus/Feichtinger, EFZR, 2. Aufl. 2010, § 3 EFZG Rn. 55. 198 ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 5 EFZG Rn. 13; Düwell, BB 2020, 891 (892); Schulte/ Tisch, NZA 2020, 761 (762). 199 BAG, Urt. v. 25. 6. 1981 – 6 AZR 940/78, AP BGB § 616 Nr. 52; BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 16; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 11; Feichtinger/Malkmus/Feichtinger, EFZR, 2. Aufl. 2010, § 3 EFZG Rn. 55; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 71; Nebeling/Liedtke, ARP 2020, 129. 195

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Auswirkungen auf Dritte können bei diesem zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit festgelegten Verfahren nicht ausschlaggebend sein.200 Ob die in § 4 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie vorgesehene Untersuchung stets ein persönliches Erscheinen des Patienten erfordert, ist nicht definiert.201 Der Beweiswert telefonischer oder elektronisch ausgestellter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wurde vor der Pandemie grundsätzlich bezweifelt.202 Im Zusammenhang mit der Coronapandemie ermöglicht die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie jedoch explizit das Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach telefonischer Anamnese bei Erkrankungen der oberen Atemwege, die keine schwere Symptomatik vorweisen, siehe dort § 8 Abs. 1203. Ob hiermit indes eine inhaltliche Erweiterung dahingehend verbunden ist, dass der Betroffene bei jeglicher Atemwegserkrankung als arbeitsunfähig anzusehen ist, ist zweifelhaft. Zweck der Regelung ist es insbesondere, in Zeiten ausgelasteter Arztpraxen und hoher Infektionsrisiken das persönliche Erscheinen jedes Erkrankten in der Praxis zu verhindern.204 Darüber, ob bei ausbleibender oder leichter Symptomatik im Verlaufe einer Coronavirusinfektion Arbeitsunfähigkeit besteht, trifft die Regelung keine Aussage. Dass übertragbare Krankheiten i. S. d. IfSG im Hinblick auf die Arbeitsunfähigkeit indes nicht anders zu behandeln sind als andere Krankheiten, legt § 3 Abs. 2 Spiegelstrich 6 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie nahe: Danach liegt Arbeitsunfähigkeit bei Bestehen eines Beschäftigungsverbots nach dem Infektionsschutzgesetz nicht vor. Hieraus lässt sich schließen, dass allein die Infektionsgefahr für Dritte eine Arbeitsunfähigkeit des Betroffenen nicht begründet.205

200 Siehe auch Tschöpe/Grimm, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 2. Teil B Rn. 118b; Düwell, BB 2020, 891 (892); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (565); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1138); zweifelnd auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (24); vgl. auch Schlegel/Meßling/Bockholdt/Bockholdt, 2. Aufl. 2022, § 11 Rn. 60, nach dem bei fehlenden Krankheitssymptomen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausgestellt werden darf. 201 Zu den Anforderungen einer ärztlichen Untersuchung Schulte/Tisch, NZA 2020, 761 (763); Heider, NZA 2019, 288 (289 f.); Müller, BB 2019, 2292 (2294); siehe auch BSG, Urt. v. 16. 12. 2014 – B 1 KR 25/14 R, BeckRS 2015, 66097; LAG München, Urt. v. 18. 6. 2009 – 3 Sa 1059/08, BeckRS 2009, 44920; für das Erfordernis einer körperlichen Untersuchung wohl auch der Gemeinsame Bundesausschuss, Pressemitteilung v. 14. 5. 2020. 202 BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (1. 3. 2022), § 5 EFZG Rn. 27.1; Eckert, DStR 2020, 987; Kleinebrink, ArbRB 2019, 147 (149); Müller, BB 2019, 2292 (2294); Müller/Becker, COVuR 2020, 126 (128 f.); Möller/Flöter, ArbRAktuell 2010, 501 (502 f.); siehe auch BSG, Urt. v. 16. 12. 2014 – B 1 KR 25/14 R, BeckRS 2015, 66097. 203 I. d. F. v. 14. 11. 2013, zuletzt geändert am 19. 11. 2021. 204 Vgl. Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (346); Nebeling/Liedtke, ARP 2020, 129 (130). 205 Düwell, BB 2020, 891 (892); siehe auch Schlegel/Meßling/Bockholdt/Bockholdt, 2. Aufl. 2022, § 11 Rn. 60; Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (565); Preis/Mazurek/ Schmid, NZA 2020, 1137 (1138, Fn. 14); Schürgers/Marski, BB 2022, 308.

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(ff) Schlussfolgerungen Für die Praxis ist davon auszugehen, dass in vielen Fällen jedenfalls nicht oder leicht symptomatisch verlaufender COVID-19-Erkrankungen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt werden.206 Deren Beweiswert ist grundsätzlich hoch207, sodass in diesen Fällen häufig eine Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG erfolgen wird. Dem Grundgedanken des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG entspricht dies jedoch nicht.208 Arbeitsunfähigkeit, und das legt insbesondere das systematische Verhältnis zu § 56 IfSG sowie der Ausschluss der Arbeitsunfähigkeit bei infektionsschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten in § 3 Abs. 2 Spiegelstrich 6 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie nahe, meint die aufgrund eigener gesundheitlicher Einschränkung oder Gefährdung der eigenen Gesundheit bestehende Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit, die Arbeitsleistung zu erbringen.209 Die rechtliche Unmöglichkeit, die daraus folgt, dass der symptomlos oder leicht symptomatisch infizierte Arbeitnehmer sich in Absonderung befindet oder bei Tätigwerden zwingend seine Arbeitsschutzpflichten verletzen würde, genügt indes zur Begründung der Arbeitsunfähigkeit nicht.210

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Dies empfiehlt auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, Coronavirus: Hinweise und Erläuterungen zur Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit (Stand: 24. 1. 2022). Siehe auch Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (416) sowie die Erwägungen von Eufinger, ArbRAktuell 2021, 622 (624) bzgl. Arbeitnehmern in Quarantäne, die ein Eingreifen des § 9 BUrlG erreichen wollen. 207 Siehe BAG, Urt. v. 26. 10. 2016 – 5 AZR 167/16, NZA 2017, 240 (241); Schmitt/Schmitt/ Küfner-Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 5 Rn. 108; ausführlich auch Schulte/Tisch, NZA 2020, 761. 208 In diesem Sinne auch Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID19 Rn. 19; Schürgers/Marski, BB 2022, 308; wohl auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (24); Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 10; Kruse, ARP 2021, 116 (119). 209 In diesem Sinne auch Düwell, BB 2020, 891 (892); i. E. ebenso Tschöpe/Grimm, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 2. Teil B Rn. 118b; Müller/Becker, COVuR 2020, 126 (128). 210 Ebenso gegen eine Arbeitsunfähigkeit jedenfalls des symptomlos Infizierten LAG Köln, Urt. v. 13. 12. 2021 – 2 Sa 488/21, BeckRS 2021, 40062 (Rn. 12); LAG Düsseldorf, Urt. v. 15. 10. 2021 – 7 Sa 857/21, BeckRS 2021, 30707 (Rn. 26); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690b; Küttner/Griese, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Entgeltfortzahlung Rn. 4; Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 19; Schaub/Koch/ Koch, Arbeitsrecht von A – Z, 26. Aufl. 2022, Corona; Schlegel/Meßling/Bockholdt/Bockholdt, 2. Aufl. 2022, § 11 Rn. 60; Tschöpe/Grimm, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 2. Teil B Rn. 118b; Wank, in: Liber amicorum Düwell, 2021, S. 69 (72); Adam, SPA 2020, 137; Düwell, BB 2020, 891 (892); Eufinger, BB 2021, 504 (506); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (565); Kruse, ARP 2021 116 (119); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1138 f.); wohl auch Kießling/ Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 10; Kluckert/Bachmann/Rung, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 15 Rn. 20; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 69; Schlegel/Meßling/Bockholdt/ Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 29; Beden, NZA 2021, 917; Schürgers/Marski, BB 2022, 308; vom Stein/Rothe/Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 12; Kruse, ARP 2021 116 (119); a. A. BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand. 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 20; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 14; Noack, NZA 2021, 251 (252); wohl auch MAH ArbR/Glaser,

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(c) Zwischenergebnis Die Ausführungen zeigen: Nicht jeder, der mit dem Coronavirus infiziert ist, kann Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen. Die Verortung der Norm im Leistungsstörungs- und Sozialversicherungsrecht zeigt, dass sie zum einen der wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers dient, indem sie den aus § 326 Abs. 1 S. 1 BGB folgenden Vergütungsausfall bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit verhindert, zum anderen aber auch der Entlastung der Sozialversicherungsgemeinschaft, da bei ihrem Eingreifen der Anspruch des Arbeitnehmers auf Krankengeld ruht. Schon die erste Anspruchsvoraussetzung, diejenige der Krankheit, wirft bei strenger Betrachtung Fragen dahingehend auf, ob denn auch die reine Infektion, die ohne jegliche Symptome verläuft, die Anforderungen an einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand erfüllt. Insbesondere der medizinische Sprachgebrauch, der auch dem IfSG zugrunde liegt, spricht hiergegen, ebenso wie eine vielzitierte Entscheidung des BGH, die das Vorliegen einer Krankheit im medizinischen Sinne bei Salmonellenausscheidern verneinte, und die in § 56 Abs. 1 IfSG zum Ausdruck kommende Prämisse, der Ausscheider bedürfe zusätzlicher sozialer Absicherung. Abweichend entschied hingegen das BSG, das in einem ähnlichen Sachverhalt von einem regelwidrigen, körperlichen Zustand ausging. Dies überzeugt insbesondere mit Blick auf das systematische Argument, dass der Anwendungsbereich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall maßgeblich durch das Kriterium der Arbeitsunfähigkeit eingeschränkt wird, was eine weite Interpretation des Krankheitsbegriffs erlaubt. Daher ist sowohl bei symptomatischer als auch bei symptomloser Coronavirusinfektion von einer Krankheit i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG auszugehen. Nicht zu überwinden ist bei ausbleibenden Symptomen indes die Hürde, die durch das Merkmal der Arbeitsunfähigkeit aufgestellt wird. Zwar wird bei ansteckenden Krankheiten die Arbeitsunfähigkeit zuweilen mit dem rechtlichen Hindernis, das aus einer Unmöglichkeit der Einhaltung der Arbeitsschutzpflichten des Arbeitnehmers folgt, respektive der Unzumutbarkeit der Gefährdung Dritter eine Arbeitsunfähigkeit begründet. Dies kann jedoch nicht überzeugen. Hierfür spricht zum einen, dass die Entschädigungsregelung für Ausscheider in § 56 Abs. 1 IfSG ansonsten jeglichen Anwendungsbereichs beraubt und damit überflüssig wäre. Weiterhin lässt sich der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie – die aufgrund des Erfordernisses, am dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung hierüber vorzulegen, mittelbar arbeitsrechtliche Wirkung entfaltet – entnehmen, dass für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit allein der körperliche Zustand des Arbeitnehmers selbst entscheidend ist, nicht seine Wirkung auf Andere. Insbesondere sollen Beschäftigungsverbote nach dem IfSG keine Arbeitsunfähigkeit begründen – eine Infektionsgefahr für Dritte ist mithin für sich genommen kein Umstand, der zur Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG berechtigen soll. Daraus folgt, dass, wie bei anderen Infek5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 222; offen gelassen von ArbG Bonn, Urt. v. 7. 7. 2021 – 2 Ca 504/21, BeckRS 2021, 19661 (Rn. 32 ff.).

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tionen auch, weder die Infektion für sich, noch eine leichte Symptomatik, die die tatsächliche Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt, zu einer Arbeitsunfähigkeit im entgeltfortzahlungsrechtlichen Sinne führen können. Der symptomlos oder nur an leichten Symptomen leidende und mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer erhält daher keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. cc) Anspruch auf Lohnfortzahlung nach §§ 611a Abs. 2, 616 S. 1 BGB Stattdessen kommt zur finanziellen Sicherung des Betroffenen eine Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs nach Maßgabe des § 616 BGB in Betracht. Im Gegensatz zur Rechtsnatur der Leistungen nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG bedarf diejenige der Lohnfortzahlung nach § 616 BGB an dieser Stelle keine vertieften Ausführungen – aus dem Wortlaut „Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig“ geht eindeutig hervor, dass es sich um eine Aufrechterhaltung des ursprünglichen Vergütungsanspruchs, mithin um eine Ausnahme von §§ 275 Abs. 1 i. V. m. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB handelt.211 Die Norm setzt eine Arbeitsverhinderung voraus, die aus einem in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund resultiert, unverschuldet ist und nur eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit andauert. Dass eine Arbeitsverhinderung besteht, ist unzweifelhaft, sofern der nachweislich infizierte Arbeitnehmer seine vertragsgemäße Leistung aufgrund der Gefährdung Dritter nicht erbringen kann.212 Näherer Untersuchung bedürfen aber insbesondere die Tatbestandsmerkmale des in der Person des Arbeitnehmers liegenden Verhinderungsgrundes sowie der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit der Verhinderung. (1) Arbeitsverhinderung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen Erfasst werden subjektive, persönliche Leistungshindernisse, das heißt solche, die sich zwar nicht notwendigerweise aus den persönlichen Eigenschaften, wohl aber aus den persönlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers ergeben.213 Objektive Verhin211 BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 4; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 1; Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 11; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 3; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 5; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 19, 21 f. 212 Siehe bereits Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (1) (b). Der Wegfall der Leistungspflicht folgt nach überwiegender und überzeugender Ansicht aus § 275 BGB, nicht aus § 616 BGB selbst, siehe Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 2; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 2; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 3; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 19; a. A. MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 10; Greiner, Ideelle Unzumutbarkeit, 2004, S. 147 ff. 213 BAG, Urt. v. 8. 12. 1982 – 4 AZR 134/80, AP BGB § 616 Nr. 58; Urt. v. 8. 9. 1982 – 5 AZR 283/80, NJW 1983, 1078 (1078 f.); BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022),

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derungsgründe, die ihren Ursprung nicht in der Person des Arbeitnehmers haben, fallen hingegen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift heraus.214 Als objektive Leistungshindernisse werden insbesondere solche verstanden, die zur gleichen Zeit für mehrere Arbeitnehmer vorliegen, wie etwa Verkehrsstörungen aufgrund eines Hochwassers oder Glatteis.215 Während krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vormals den Hauptanwendungsbereich der Norm bildete, ist diese nun im spezielleren EFZG geregelt.216 Das heißt jedoch nicht, dass die Anwendung des § 616 BGB schon ausscheidet, wenn eine Krankheit vorliegt – für den Fall des notwendigen Arztbesuchs während der Arbeitszeit, bei dem keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, ist beispielsweise trotz u. U. bestehender Krankheit die Möglichkeit des Eingreifens des § 616 BGB anerkannt.217 Auch der symptomlos oder nur leicht symptomatisch mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer ist nach hiesiger Ansicht krank, nicht aber arbeitsunfähig.218 Sofern es sich bei der Coronavirusinfektion bzw. der hiermit einhergehenden Ansteckungsgefahr oder der Absonderung nach dem IfSG um einen subjektiven Verhinderungsgrund handelt, kommt die Anwendung des § 616 BGB mithin in Betracht.219 Das ist jedoch nicht unumstritten. (a) Die Arbeitsverhinderung wegen ansteckender Krankheit im Spiegel der Rechtsprechung Die Rechtsprechung ordnete die Arbeitsverhinderung von Ausscheidern und Ansteckungsverdächtigen, die ihre Leistung aufgrund infektionsschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote nicht erbringen können, bislang als eine solche aus persönlichen Gründen in der Person des Arbeitnehmers i. S. d. § 616 BGB ein.220 Zwar seien sie durch die behördliche Maßnahme und damit von außen her an der Arbeit ge§ 616 BGB Rn. 18; Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 21; MüKoBGB/ Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 19; Staudinger/Oekter, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 54. 214 BAG, Urt. v. 8. 12. 1982 – 4 AZR 134/80, AP BGB § 616 Nr. 58; Urt. v. 8. 9. 1982 – 5 AZR 283/80, NJW 1983, 1078 (1079); BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 19; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 19; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 20; Staudinger/Oekter, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 78; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (750 f.); a. A. Moll, RdA 1980, 138 (154). 215 BAG, Urt. v. 8. 12. 1982 – 4 AZR 134/80, AP BGB § 616 Nr. 58; BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 19; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 3; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1140). 216 BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 10, 27; MüKoBGB/ Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 6, 22; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 55. 217 Siehe etwa BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 28; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 1; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 18. 218 Siehe Gliederungspunkt F. I. 2. a) bb) (3). 219 Siehe auch Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (751). 220 BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424); LG Düsseldorf, Urt. v. 18. 5. 1966 – 11 b S. 43/66, DB 1966, 1053.

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hindert; auch verfolge das behördliche Verbot mit der Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten allgemein öffentliche Interessen.221 Die infektionsschutzrechtliche Maßnahme sei dabei aber „lediglich die staatliche Reaktion auf den in der Person des Betroffenen entstandenen und festgestellten Tatbestand einer konkreten (bei Ausscheidern) oder potentiellen (bei Ausscheidungs- oder Ansteckungsverdächtigen) Gefahr.“222 Eigentliches Arbeitshindernis sei die vom Betroffenen ausgehende Gefahr.223 Missverständlich sind indes die weiteren Ausführungen des BGH, die Tatsache, dass ein persönliches Leistungshindernis vorliege, zeige sich schon daran, dass der Arbeitgeber den Betroffenen aufgrund seiner Pflichten nach § 618 und § 823 BGB schon gar nicht im Betrieb beschäftigen könnte224 – denn das belegt zunächst eher ein auf Seiten des Arbeitgebers liegendes Leistungshindernis. Wichtiger scheint, dass der Arbeitnehmer die geschuldete Leistung aufgrund der Gefährdung Dritter schon gar nicht ordnungsgemäß anbieten könnte.225 Dennoch überzeugen die Ausführungen der Rechtsprechung im Ergebnis – an den Arbeitnehmer gerichtete, infektionsschutzrechtliche Tätigkeitsverbote stellen subjektive Leistungshindernisse dar.226 Nichts anderes kann für die Absonderung nach § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG gelten.227 Und auch über derartige Maßnahmen hinaus – dies ist insbesondere für Sachverhalte von Bedeutung, in denen eine Absonderung bzw. ein Tätigkeitsverbot nicht ausgesprochen wurden – ist die vom Arbeitnehmer ausgehende Ansteckungsgefahr, die ihn an seiner Tätigkeit hindert, als ein in seiner Person liegender Verhinderungsgrund zu charakterisieren.228

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BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424). BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424); ebenso Urt. v. 1. 2. 1979 – III ZR 88/77, NJW 1979, 1460 (1461) zu § 63 HGB, § 133c GewO; i. E. ebenso LG Düsseldorf, Urt. v. 18. 5. 1966 – 11 b S. 43/66, DB 1966, 1053. 223 BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424); ebenso Urt. v. 1. 2. 1979 – III ZR 88/77, NJW 1979, 1460 (1461) zu § 63 HGB, § 133c GewO. 224 BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424); ebenso Urt. v. 1. 2. 1979 – III ZR 88/77, NJW 1979, 1460 (1461) zu § 63 HGB, § 133c GewO; im Anschluss hieran auch VG Karlsruhe, Urt. v. 10. 5. 2021 – 9 K 67/21, BeckRS 2021, 18269 (Rn. 63). 225 Siehe hierzu Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (1) (b). 226 Zustimmende Stimmen aus der allgemeinen, arbeitsrechtlichen Literatur: HWK/ Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 22; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 25; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 20; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 Rn. 75; in diesem Sinne auch Diekhoff, DB 1967, 382 (383). Spezifisch zur Coronapandemie siehe den nachfolgenden Gliederungspunkt. 227 BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 33a; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 22; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 25; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 20. 228 Ebenso Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (36); a. A. offenbar Diekhoff, DB 1967, 382 (383). 222

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(b) Abweichende Beurteilung in Zeiten der Pandemie? Zum Teil wird indes bezweifelt, dass diese Einordnung, die zunächst für vereinzelte, individuelle Tätigkeitsverbote getroffen wurde, auf Sachverhalte während einer globalen Pandemie übertragbar sind – so ordnen vereinzelte Stimmen in der Literatur die pandemiebedingte, d. h. infektions- oder infektionsverdachtsbedingte Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers mit Blick auf das allgemein hohe Infektionsrisiko als objektives Leistungshindernis ein.229 Eine dahingehende Überlegung scheint auf den ersten Blick nicht fernliegend: Im Rahmen der weltweiten Pandemie geht es bei der Isolation der nachweislich Infizierten nicht nur darum, die Ansteckungsgefahr im einzelnen Betrieb zu reduzieren, sondern auch darum, das Pandemiegeschehen insgesamt einzudämmen – das öffentliche Interesse tritt hierbei ungleich stärker in den Vordergrund.230 Zudem ist das Risiko, selbst mit dem Coronavirus infiziert zu werden und sich – unabhängig von behördlicher Anordnung – häuslich isolieren zu müssen, deutlich höher als bei sonstigen, vereinzelt auftretenden Infektionskrankheiten. Die Einordnung als objektives Leistungshindernis knüpft dabei an das vielfach zur Abgrenzung objektiver und subjektiver Leistungshindernisse verwendete Kriterium an, ob von dem die Arbeitsverhinderung auslösenden Umstand nur einzelne oder eine Mehrzahl von Arbeitnehmern betroffen sind.231 Überzeugen kann dies indes nicht: Zunächst ist die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer keineswegs ein Ausschlusskriterium für persönliche Verhinderungsgründe, sondern lediglich ein Indiz, das zur Abgrenzung herangezogen werden kann.232 Ausgeschlossen werden sollen hierdurch vor allem solche Leistungshindernisse, die von außen her mehrere Arbeitnehmer gleichzeitig an der Arbeit hindern.233 Selbst wenn aber in einem Betrieb zahlreiche Arbeitnehmer mit dem Coronavirus infiziert sind und daher ihrer Tätigkeit nicht nachgehen können, handelt es sich hierbei nicht um ein einheitliches Leistungshindernis, das all diese Arbeitnehmer beeinflusst; Grund für den Wegfall der Arbeitspflicht des symptomlos mit dem Coronavirus infizierten Arbeitnehmers ist nicht die Pandemie als solche, son229

Wank, in: Liber Amicorum Düwell, 2021, S. 69 (75); für ein bestehendes Beschäftigungsverbot Sievers, jM 2020, 189 (191); Wolf, in: FS Preis, 2021, S. 1531 (1536); für Verdachtsfälle Grimm, ArbRB 2020, 230 (231); Klein, NJ 2020, 377 (378); Köllmann, NZA 2020, 831 (834); Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623 (626); Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1019). 230 In diesem Sinne auch Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623 (626); siehe im Hinblick auf Kontaktpersonen auch Greiner, NZA 2022, 665 (673). 231 Klein, NJ 2020, 377 (378); Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623 (626); Weller/ Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1019). 232 BAG, Urt. v. 8. 9. 1982 – 5 AZR 283/80, NJW 1983, 1078 (1079); HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 18; Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (415); Preis/Mazurek/ Schmid, NZA 2020, 1137 (1140). 233 So etwa Verkehrsstörungen, siehe BAG, Urt. v. 8. 12. 1982 – 4 AZR 134/80, AP BGB § 616 Nr. 58; BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 19; ErfK/ Preis, 22. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 3; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1140).

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dern vielmehr die vom Einzelnen ausgehende Ansteckungsgefahr.234 Diese betrifft die Beziehung des Arbeitnehmers zu seiner Umwelt und kann so zweifelsohne seinen persönlichen Verhältnissen zugeordnet werden. Hieran kann auch das gesteigerte öffentliche Interesse an der Eindämmung des Infektionsgeschehens nichts ändern.235 Dass das Ansteckungsrisiko im Unterschied zu anderen Krankheiten, wie etwa einer gewöhnlichen Erkältung, trotz fortbestehender Arbeitsfähigkeit zu einem Wegfall der Arbeitspflicht nach § 275 Abs. 3 BGB führt, steht zwar in direktem Zusammenhang mit dem die Allgemeinheit betreffenden Pandemiegeschehen und der allgemein hohen Ansteckungsrate. Ausschlaggebend bleibt aber dennoch die von dem Einzelnen ausgehende Gefahr der Infektion Dritter.236 Alles andere würde auch zu tiefgreifender Rechtsunsicherheit führen – denn wer würde bestimmen, wann ein Ansteckungsrisiko groß genug ist, um das Leistungshindernis von einem subjektiven in ein objektives zu wandeln?237 Mithin ändert auch die Pandemielage nichts an der vorstehenden Einordnung der Infektionsgefahr als subjektives Leistungshindernis. Kann der symptomlos oder leicht symptomatisch mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer seiner Arbeit aufgrund der Ansteckungsgefahr für Dritte nicht nachgehen, handelt es sich um ein subjektives Leistungshindernis.238 234 Vgl. Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 14; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1140); siehe auch bereits die Argumentation in BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424); ebenso Urt. v. 1. 2. 1979 – III ZR 88/77, NJW 1979, 1460 (1461) zu § 63 HGB, § 133c GewO. 235 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 6a; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 14. 236 Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 14; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1140); vgl. auch zum Verdacht VG Freiburg, Urt. v. 2. 7. 2021 – 10 K 547/21, BeckRS 2021, 19975 (Rn. 16); VG Karlsruhe, Urt. v. 10. 5. 2021 – 9 K 67/21, BeckRS 2021, 18269 (Rn. 64); VG Koblenz, Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 107/21.KO, BeckRS 2021, 13968 (Rn. 24); VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 19. 5. 2021 – B 7 K 21.80, BeckRS 2021, 31154 (Rn. 21); Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 28); VG Oldenburg, Urt. v. 26. 4. 2021 – 7 A 1497/21, BeckRS 2021, 18014 (Rn. 14); BeckOK InfSchR/ Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 37.1; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 25; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (751); Noack, NZA 2021, 251 (253). 237 So auch die Argumentation bei VG Karlsruhe, Urt. v. 10. 5. 2021 – 9 K 67/21, BeckRS 2021, 18269 (Rn. 63); VG Koblenz, Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 107/21.KO, BeckRS 2021, 13968 (Rn. 24); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1140). 238 So auch Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1140); für den Fall einer Absonderung bzw. Tätigkeitsverbote OVG Lüneburg, Beschl. v. 2. 7. 2021 – 13 LA 258/21, BeckRS 2021, 18013 (Rn. 10); VG Freiburg, Urt. v. 2. 7. 2021 – 10 K 547/21, BeckRS 2021, 19975 (Rn. 16); VG Karlsruhe, Urt. v. 10. 5. 2021 – 9 K 67/21, BeckRS 2021, 18269 (Rn. 63 f.); VG Koblenz, Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 107/21.KO, BeckRS 2021, 13968 (Rn. 24); VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 19. 5. 2021 – B 7 K 21.80, BeckRS 2021, 31154 (Rn. 21); Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 28); VG Oldenburg, Urt. v. 26. 4. 2021 – 7 A 1497/21, BeckRS 2021, 18014 (Rn. 14); BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 33a; BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 37.1; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 6a; Kluckert/Temming, InfSchR,

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(2) Arbeitsverhinderung für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 616 BGB ist, dass die Arbeitsverhinderung lediglich für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit besteht.239 Ist diese Zeitspanne überschritten, kommt eine Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs nach § 616 BGB insgesamt nicht in Betracht; der Lohn wird nicht für die Zeit gezahlt, in der die Dauer der Verhinderung noch unerheblich war, sondern der Vergütungsanspruch erlischt nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB von Anfang an.240 Der Gesetzgeber hat bewusst offengelassen, welche Zeitspanne von diesem Tatbestandsmerkmal noch erfasst sein soll.241 Wie lange der nachweislich mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer seine Leistung nicht erbringen kann, kann pauschal kaum beantwortet werden. Bei asymptomatischen Infektionen empfahl das Robert Koch Institut noch bis Anfang des Jahres 2022 eine Entlassung aus der Isolation frühestens 14 Tage nach Erstnachweis des Erregers, sofern ein Antigentest zu diesem Zeitpunkt negativ ausfiel, bei vollständig geimpften Personen nach fünf Tagen bei negativem PCR-Test.242 Verlief die Infektion leicht symptomatisch – bei starker Symptomatik liegt schon Arbeitsunfähigkeit i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG vor, sodass dies hier nicht behandelt werden muss – war zusätzlich eine 48-stündige Symptomfreiheit oder jedenfalls eine nachhaltige Besserung der akuten Symptomatik nach ärztlicher Beurteilung erforderlich.243 Nach einem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 24. 1. 2022 wurden die Absonderungszeiten angepasst: Für alle in Deutschland zirkulierenden 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 14; Römermann/Menke/Matheja, 1. Aufl. 2020, Teil 8 B II Rn. 16; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 24; Schaub/Koch/Koch, Arbeitsrecht von A – Z, 26. Aufl. 2022, Corona; Schlegel/Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 31; Eufinger, DB 2020, 1121 (1123); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (566); Grimm, DB 2020, 1177 (1179), allerdings nicht, wenn mehrere Personen betroffen sind; Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (415); Noack, NZA 2021, 251 (253); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1140); Schürgers/Marski, BB 2022, 308 (310); für Kontaktpersonen Stöß/ Putzer, NJW 2020, 1465 (1468); offen gelassen von BeckOK BGB/Baumgärtner, 61. Ed. (Stand: 1. 2. 2022), § 616 Rn. 7; Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 10. 239 BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 45; MHdbArbR/ Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 30; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 69; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 95. 240 BAG, Beschl. v. 18. 12. 1959 – GS 8/58, BAGE 8, 314 (322); BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 45; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 37; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 33; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 69; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 96; kritisch HKArbR/Waas/Palonka, 4. Aufl. 2017, § 616 BGB Rn. 15. 241 Mugdan, II, S. 258: „Die Zeit, welche als nicht erheblich zu gelten hat, näher zu bestimmen, ist wegen der Manigfaltigkeit der in Betracht kommenden Dienstverhältnisse unausführbar (…)“. 242 Robert Koch Institut, COVID-19: Entisolierung von Patient/-innen im stationa¨ ren Bereich sowie Bewohner/-innen in Alten- und Pflegeheimen, Stand: 14. 1. 2021. 243 Robert Koch Institut, COVID-19: Entisolierung von Patient/-innen im stationa¨ ren Bereich sowie Bewohner/-innen in Alten- und Pflegeheimen, Stand: 14. 1. 2021.

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Virusvarianten war seitdem bei nachgewiesener Infektion ab dem Datum des Auftretens von Symptomen oder ab Abnahme des positiven Tests eine Isolationsdauer von 10 Tagen vorgesehen, die auf sieben Tage verkürzt werden konnte, wenn 48 Stunden lang Symptomfreiheit bestand und ein am siebten Tag durchgeführter Coronatest negativ ausfiel.244 Seit dem 2. 5. 2022 ist für die „Allgemeine Bevölkerung“ eine Isolationsdauer von fünf Tagen vorgesehen, mit dringender Empfehlung zur wiederholten Testung ab dem fünften Tag und Selbstisolation bis zu einem negativen Testergebnis; für Beschäftigte im Gesundheitswesen gelten strengere Maßstäbe, gefordert wird eine 48-stündige Symptomfreiheit und ein negativer Test am fünften Tag der Isolation.245 Die Bundesländer haben z. T. strengere Maßnahmen vorgesehen.246 Eine 14-tägige Isolation führt dabei im Rahmen eines klassischen Vollzeitarbeitsverhältnisses zu einer Arbeitsverhinderung von sieben bis zehn Tagen.247 Auch bei zehntägiger Absonderung geht der Zeitraum der Arbeitsverhinderung über eine Vollzeitarbeitswoche hinaus und beträgt mindestens sechs Tage. Besteht die Möglichkeit des Freitestens am siebten Tag und wird diese wahrgenommen, ist der Arbeitnehmer bei einer Fünf-Tage-Woche nur für eine solche Woche an der Leistung verhindert. Entscheidend ist, ob diese Zeitspannen noch als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit i. S. d. § 616 BGB eingeordnet werden können. (a) Belastungsbezogene Betrachtung Von einigen Stimmen in der Literatur und teilweise auch in der Rechtsprechung wird eine belastungsbezogene Betrachtung befürwortet, bei der die Verhältnismäßigkeit der Verhinderungszeit nach dem Verhältnis der Verhinderungsdauer zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses bestimmt wird.248 Die Überlegung spiegelt 244

Videoschaltkonferenz des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 24. Januar 2022, Beschluss, Ziffer 6; als Beispiel für die landesrechtliche Umsetzung siehe § 14 Abs. 5 CoronaTestQuarantäneVO NRW v. 24. 11. 2021 i. d. F. v. 9. 4. 2022; siehe auch Robert Koch Institut, Quarantäne- und Isolierungsdauern bei SARSCoV-2-Expositionen und -Infektionen; entsprechend Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 7. und 24. Januar 2022. Einzelne Bundesländer wichen hiervon jedoch ab, siehe etwa AV Isolation Bayern v. 12. 4. 2022 mit einer Möglichkeit des Freitestens nach fünf Tagen in Ziffer 4.1. 245 Robert Koch Institut, Empfehlungen zu Isolierung und Quarantäne bei SARS-CoV-2Infektion und -Exposition, Stand 2. 5. 2022. 246 Siehe etwa § 8 Abs. 3 CoronaTestQuarantäneVO NRW v. 4. 5. 2022, GV NRW 2022, S. 581a ff. mit einer grundsätzlichen Quarantänedauer von zehn Tagen, in Abs. 4 ist eine Möglichkeit des Freitestens nach fünf Tagen vorgesehen. 247 Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (33). 248 So BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (425); BAG, Urt. v. 13. 11. 1969 – 4 AZR 35/69, DB 1970, 211 (212); VG Koblenz, Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 107/21.KO, BeckRS 2021, 13968 (Rn. 28); Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 50; Hueck/ Nipperdey, Band I, § 44 III 1 a) dd); Hromadka/Maschmann, ArbR Band 1, 7. Aufl. 2018, § 8 Rn. 119; NK-GA/Boecken, 1. Aufl. 2016, § 616 BGB Rn. 19; Grüneberg/Weidenkaff, 81. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 8; Gutzeit, Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung, 2000,

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sich auch in den Protokollen zum BGB wider.249 Zur Konkretisierung wird hier eine Faustregel vorgeschlagen, nach der bei einer Beschäftigungsdauer von bis zu drei Monaten nur ein Tag als unerheblich angesehen werden kann, bei drei bis sechs Monaten eine Verhinderung von drei Tagen, bei sechs bis 12 Monaten eine Verhinderung von bis zu einer Woche – wobei hier wohl die Arbeitswoche, d. h. regelmäßig fünf oder sechs Werktage gemeint sein muss – und darüber hinausgehend eine Verhinderung von maximal zwei Wochen.250 Dennoch soll die Bestimmung des noch verhältnismäßigen Zeitraums stets einzelfallbezogen erfolgen.251 Legte man die vorgeschlagenen Werte zugrunde, ergäbe sich folgendes Bild: Soweit nachweislich mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer aufgrund der geltenden Absonderungsempfehlungen für mindestens sieben Tage an der Arbeit verhindert waren, könnte dies bei Arbeitsverhältnissen, die länger als ein Jahr bestanden und unter Vorbehalt von Abweichungen im Einzelfall grundsätzlich noch unter § 616 BGB fallen.252 Bei kürzerer Absonderungsdauer, etwa bei Nutzung einer Möglichkeit des Freitestens nach sieben Tagen, würde auch eine Bestandsdauer von sechs bis 12 Monaten ausreichen. Ist lediglich eine Isolation von fünf Tagen vorgesehen, könnte die Arbeitsverhinderung je nach Lage arbeitsfreier Tage auch bei einem lediglich drei bis sechs Monate bestehenden Arbeitsverhältnis als verhältnismäßig nicht erheblich anzusehen sein. (b) Ereignisbezogene Betrachtung Demgegenüber ziehen andere als maßgebliches Kriterium nicht die Dauer des Arbeitsverhältnisses, sondern den Grund für die Arbeitsverhinderung heran.253 Innerhalb dieser ereignisbezogenen Betrachtung werden wiederum keine einheitlichen zeitlichen Grenzen gezogen: So wird der maßgebliche Zeitraum zum Teil in Anlehnung an anderweitige Normen bestimmt, die den jeweiligen Verhinderungstatbestand zum Gegenstand haben – zu nennen seien hier § 2 PflegeZG und § 45 Abs. 2

S. 30; Löwisch, DB 1979, 209 (210); Schaub, AuA 1996, 82 (83); Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1468). 249 Mugdan, II, S. 899. 250 Schaub, AuA 1996, 82 (83); zustimmend Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 51. 251 Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 50. 252 Vgl. für eine zweiwöchige Quarantäne VG Koblenz, Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 107/21.KO, BeckRS 2021, 13968 (Rn. 29); Schlegel/Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 35. 253 HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 41; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 30 f.; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 68; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 14; Schmitt/Schmitt, EFZG, 18. Aufl. 2019, § 616 BGB Rn. 40; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 101. Ausdrücklich auf die Berücksichtigung der Dauer des Arbeitsverhältnisses verzichtete auch BAG, Urt. v. 19. 4. 1978 – 5 AZR 834/ 76, AP BGB § 616 Nr. 48.

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

S. 1 SGB V mit einer Festlegung von jeweils zehn Tagen.254 Andere ziehen insbesondere für die Angehörigenpflege eine Grenze von fünf Tagen heran.255 Zu Recht wird jedoch betont, eine Festlegung auf eine konkrete Anzahl von Tagen sei nicht möglich.256 Es sei stets der Einzelfall zu würdigen, regelmäßig sei aber nur ein Zeitraum von wenigen Tagen erfasst.257 Dahingehend äußerte sich auch das BAG im bereits angesprochenen Salmonellen-Ausscheider-Fall, stellte aber zugleich fest, jedenfalls eine mehr als sechswöchige Verhinderung sei nicht mehr unerheblich.258 Von „wenigen Tagen“ kann bei einem Zeitraum von sechs Wochen indes wohl kaum die Rede sein. Der Begriff lässt zwar Spielräume, die Angabe von fünf Arbeitstagen als noch nicht erheblich scheint jedoch jedenfalls eine Orientierung, wenn auch nicht eine starre Grenze zu geben.259 Bei einer Isolationsdauer von 14 Tagen infolge einer Coronavirusinfektion werden die genannten fünf Tage, selbst wenn man sie nur als Orientierung heranzieht,

254 In diese Richtung ErfK/Gallner, 22. Aufl. 2022, § 2 PflegeZG Rn. 4; HK-ArbR/Klein, 4. Aufl. 2017, § 2 PflegeZG Rn. 8; NK-GA/Boecken, 1. Aufl. 2016, § 616 BGB Rn. 20 f.; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 18; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (757); Joussen, NZA 2009, 69 (71); Sievers, jM 2020, 189 (191); äußerst fraglich findet dies BeckOK BGB/Baumgärtner, 61. Ed. (Stand: 1. 2. 2022), § 616 Rn. 9; kritisch auch MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 68. 255 So etwa BAG, Urt. v. 19. 4. 1978 – 5 AZR 834/76, AP BGB § 616 Nr. 48; BeckOK ArbR/ Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 48; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 Rn. 42; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 104; in der Regel fünf Tage nach Preis/Nehring, NZA 2008, 729 (732). 256 BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 48; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 10a; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 68; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 30; Schmitt/Schmitt, EFZG, 18. Aufl. 2019, § 616 BGB Rn. 40; Preis/Nehring, NZA 2008, 729 (732). Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, siehe Mugdan, II, S. 258. 257 BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 48; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 41; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 68; Schmitt/ Schmitt, EFZG, 18. Aufl. 2019, § 616 BGB Rn. 40; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 102; Geulen/Sothmann, ArbRAktuell 2020, 217 (218); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (416); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1140). 258 BAG, Urt. v. 20. 7. 1977 – 5 AZR 325/76, AP BGB § 616 Nr. 47; dieselbe Wertung findet sich in BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (425). 259 Vgl. BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 48; Schmitt/ Schmitt, EFZG, 18. Aufl. 2019, § 616 BGB Rn. 43; Herschel, AP BGB § 616 Nr. 48; diese Zeitspanne eher als Obergrenze interpretierend HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 42; Kleinebrink, ArbRB 2006, 303 (306); siehe auch BAG, Urt. v. 19. 4. 1978 – 5 AZR 834/ 76, NJW 1978, 2316 (2317); wenig eindeutig Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 104, der von einer Obergrenze von fünf Tagen bei der Pflege naher Angehöriger spricht, zugleich aber hinsichtlich § 45 SGB V betont, dieser sei keine zwingende Konkretisierung. Für eine Begrenzung auf regelmäßig zwei bis fünf Tage auch Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1141); für eine Woche oder fünf Tage Grimm, ArbRB 2020, 230 (231); siehe auch Benkert, NJW-Spezial 2020, 306 (307); von Steinau-Steinrück/Jöris, NZA 2020, 1368 (1370).

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regelmäßig überschritten sein.260 Muss der Arbeitnehmer sich lediglich zehn Tage isolieren, kommt es für die Dauer der tatsächlichen Arbeitsverhinderung und die Frage, in welchem Maße sie diese fünf Tage übersteigt, verstärkt auf die Lage der arbeitsfreien Tage und den Beginn der Isolation an.261 Hier ist mithin der Einzelfall in besonderem Maße entscheidend. Kann der Arbeitnehmer sich nach siebentägiger Isolation freitesten und arbeitet gewöhnlicher Weise an fünf Tagen in der Woche, werden die vorgeschlagenen Grenzen der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit hingegen eingehalten werden können. Selbiges gilt bei der Vorgabe einer fünftägigen Isolation. (c) Übertragung der Wertungen des EFZG Betrachtet man den Grund für die Arbeitsverhinderung – was ja gerade dem Grundgedanken der ereignisbezogenen Betrachtung entspricht –, könnte dies zu einer großzügigeren Interpretation des erfassten Zeitraums veranlassen: Der mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer ist an der Arbeitsleistung gehindert, zwar nicht, weil er arbeitsunfähig ist, wohl aber, weil er krank ist.262 Aufgrund der Verwandtschaft zur Materie des EFZG könnte eine Übertragung des dort in § 3 Abs. 1 S. 1 vorgesehenen Sechswochenzeitraums angezeigt sein.263 Dies wurde auch im Kontext der Coronapandemie vertreten – demnach würden Zeiträume bis zu sechs Wochen und damit regelmäßig auch der Zeitraum der Ansteckungsfähigkeit des nicht oder nur leicht symptomatisch infizierten Arbeitnehmers erfasst.264

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So i. E. auch VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 34); LG Münster, Urt. v. 15. 4. 2021 – 8 O 345/20, BeckRS 2021, 8615 (Rn. 24); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 10b; Hohenstatt/Sittard/Hohenstatt/Krois, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 2 b); HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 41; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 14; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 16; Tschöpe/Grimm, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 2. Teil B Rn. 91c; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (757); Benkert, NJW-Spezial 2020, 306 (307); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (416); Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623 (627); Noack, NZA 2021, 251 (253); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1141); Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (33); Schmid, NZA 2021, 846 (847); Sievers, jM 2020, 189 (191). 261 Insoweit nicht differenzierend HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 41. 262 Siehe zum Krankheitsbegriff Gliederungspunkt F. I. 2. a) bb) (3) (a). 263 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 10a; Schaub/Linck, ArbRHdb, 17. Aufl. 2017, § 97 Rn. 18 (anders die aktuelle Auflage; in diesem Sinne auch BAG, Urt. v. 20. 7. 1977 – 5 AZR 325/76, AP BGB § 616 Nr. 47; dieselbe Wertung findet sich in BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (425). 264 Dafür Eufinger, DB 2021, 1121 (1123); Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1468); Strach, NJW 2021, 10 (16); offen gelassen von VG Karlsruhe, Urt. v. 10. 5. 2021 – 9 K 67/21, BeckRS 2021, 18269 (Rn. 68).

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

(d) Stellungnahme Die unterschiedlichen Ansatzpunkte kommen je nach Dauer der Absonderung und Arbeitsverhinderung mithin zu abweichenden Ergebnissen. Aufschluss über den vorzugswürdigen Lösungsansatz muss eine Auslegung des § 616 BGB geben. (aa) Wortlaut und Systematik Der Wortlaut erlaubt eine Argumentation in zwei Richtungen. Zum einen wird die bisherige oder zu erwartende Dauer des Arbeitsverhältnisses als Anhaltspunkt nicht erwähnt, was für deren Unerheblichkeit sprechen könnte.265 Andererseits könnte sich das mit dem Stichwort der „verhältnismäßig“ nicht erheblichen Zeit angesprochene Verhältnis gerade auf dasjenige von Verhinderungsdauer und Dauer des Arbeitsverhältnisses beziehen.266 Zwingend ist das nicht: Ebenso könnte das Merkmal der Verhältnismäßigkeit auf die Notwendigkeit einer Abwägung der widerstreitenden Interessen hinweisen, unter Berücksichtigung von Art, Dauer und Schwere des Verhinderungsgrundes267, wie sie bei ereignisbezogener Betrachtung erfolgt.268 Systematisch könnte der Charakter des § 616 BGB als Ausnahme von dem aus §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 S. 1 BGB folgenden Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ eng zu interpretieren sein.269 Dies spräche für die zuweilen geforderte Begrenzung der Lohnfortzahlung auf wenige Tage andauernde Verhinderungen. Dem Schluss vom Ausnahmecharakter auf die enge Auslegung werden indes methodische Zweifel entgegengehalten.270 Das BAG ging – nach zuvor entgegenstehender Entscheidungspraxis – in einer älteren Entscheidung sogar ausdrücklich von einer durch Sinn und Zweck der Vorschrift gebotenen, extensiven Auslegung aus.271 Für ein Verständnis, das jedenfalls keine mehrwöchigen Arbeitsverhinderungen umfasst, spricht im Hinblick auf Infektionskrankheiten, dass § 56 Abs. 1 IfSG ansonsten jedenfalls im Bereich der Dienstverpflichteten kaum mehr Bedeutung zukäme.272

265 Siehe auch HWK/Krause, 10. Aufl. 2021, § 616 BGB Rn. 41; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 14; Sievers, jM 2020, 189 (191). 266 Dies legen gerade auch die Protokolle zu § 616 BGB nahe, siehe Mugdan, II, S. 899. 267 BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand. 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 47. 268 In diesem Sinne HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 41; MüKoBGB/ Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 68; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 14; Schmitt/Schmitt, EFZG, 18. Aufl. 2019, § 616 BGB Rn. 40; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 102. 269 VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 33); Noack, NZA 2021, 251 (253). 270 Moll, RdA 1980, 138 (151); Söllner, AcP 1967, 132 (145). 271 BAG, Urt. v. 8. 12. 1982 – 4 AZR 134/80, AP BGB § 616 Nr. 58. 272 Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1141); a. A. VG Koblenz, Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 107/21.KO, BeckRS 2021, 13968 (Rn. 31), das dies nicht für ein überzeugendes Argument hält.

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(bb) Historische und systematische Entwicklung – Übertragung der Sechswochengrenze des EFZG? Für ein mögliches, weites Verständnis und insbesondere für die Übertragung der Sechswochengrenze der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall könnte, gewissermaßen als gemischt systematisch-historisches Argument, eine ältere Fassung des § 616 BGB v. 5. 6. 1931, die rückwirkend zum 3. 12. 1930 galt,273 sprechen, in deren Abs. 2 die Lohnfortzahlung für krankheitsbedingt arbeitsunfähige Angestellte geregelt war und die ausdrücklich vorsah, dass hierbei eine Zeit von sechs Wochen als verhältnismäßig nicht erheblich gelte, wenn durch Tarifvertrag nicht eine andere Dauer bestimmt sei.274 Man mag hieraus schließen, dass § 616 BGB seiner Natur nach auch derart lange Zeiträume erfassen kann. Das ließe jedoch wiederum Wortlaut, Systematik, Historie und Telos der damaligen Fassung außer Betracht: Zum einen sah § 616 Abs. 2 S. 2 BGB a. F. vor, dass „hierbei“, also im Krankheitsfalle, eine Zeit von sechs Wochen als unerheblich „gelte“ – die Formulierung spricht für die Fiktion der Unerheblichkeit, obwohl die zeitlichen Grenzen des § 616 Abs. 1 BGB a. F. eigentlich überschritten sind.275 Auch systematisch zeigt die Regelung in S. 2 des zweiten Absatzes der Norm, dass sie sich nur auf den in S. 1 desselben Absatzes angesprochenen Spezialfall der Krankheit bezog. Wie die historische und teleologische Betrachtung zeigt, sollte die Erweiterung der zeitlichen Grenzen des § 616 BGB der Angleichung an anderweitige Lohnfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall, namentlich die damaligen § 63 HGB und § 133c GewO, und insbesondere einer einheitlichen finanziellen Entlastung der Krankenkassen dienen, die seit 1930 schrittweise zu erreichen versucht wurde.276 Alles spricht mithin dafür, dass aus der zeitweiligen Regelung zur sechswöchigen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in § 616 Abs. 2 a. F. nicht der Schluss gezogen werden kann, § 616 BGB könne generell Zeiträume von bis zu sechs Wochen erfassen. Im Gegenteil: Die ausdrücklich angeordnete Fiktion in § 616 Abs. 2 S. 2 BGB a. F. spricht dafür, dass der vom Grundtatbestand des § 616 BGB erfasste Zeitraum bei sechswöchiger Arbeitsverhinderung überschritten ist.277

273

RGBl. 1931, I, S. 279 (281). Eingefügt durch RGBl. 1931, I, S. 279 (281). 275 So auch die Interpretation bei BAG, Beschl. v. 18. 12. 1959 – GS 8/58, BAGE 8, 314 (331); Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 103; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 15; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (756). 276 Zur historischen Entwicklung siehe BAG, Beschl. v. 18. 12. 1959 – GS 8/58, BAGE 8, 314 (327 ff.). 277 Vgl. auch BAG, Beschl. v. 18. 12. 1959 – GS 8/58, BAGE 8, 314 (331 f.): „(…) daß ein unter § 616 BGB fallender Angestellter seit dem 3. Dezember 1930 für den Fall unverschuldeter Krankheit auch bei Dienstleistungsverhinderung von erheblicher Dauer von seinem Arbeitgeber Entgelt für die ersten sechs Wochen verlangen kann (…). Der Gr. Sen. nimmt nach dem Gesagten innerhalb des § 616 BGB eine Differenzierung vor, je nachdem ob es sich um den Fall der unverschuldeten Erkrankung von Angestellten oder um Fälle unverschuldeter Dienstleistungsverhinderung von Arbeitnehmern überhaupt handelt, die auf anderen Ursachen 274

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Und auch für Krankheits- und krankheitsähnliche Fälle kann auf Grundlage der heutigen Fassung des § 616 BGB nicht mehr davon ausgegangen werden, Lohnfortzahlung sei für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen geschuldet – mit dem Moment, in dem die Norm ihre ursprüngliche Fassung wiedererlangt hat, die Spezialregelung des Abs. 2 für Krankheitsfälle mithin weggefallen ist und die finanzielle Sicherung krankheitsbedingt Arbeitsunfähiger anderweitig gesetzlich geregelt wurde, ist auch jegliche Grundlage für die genannte Fiktion weggefallen.278 Weiterhin handelt es sich bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall um Leistungen durch den Arbeitgeber zur Entlastung des Sozialstaats279, für die kleineren Arbeitgebern nach § 1 AAG ein Ausgleich gewährt wird – vergleichbare, die Interessen der Arbeitgeberseite sichernde Verfahren fehlen bei § 616 BGB.280 Gegen eine Übertragung der heute für § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG geltenden Sechswochenfrist spricht schließlich auch die systematische Verschiedenheit dieser Zeitspanne von derjenigen der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit in § 616 BGB – es handelt sich um eine Begrenzung auf Rechtsfolgenseite, während die Unerheblichkeit der Dauer der Arbeitsverhinderung in § 616 BGB Tatbestandsmerkmal ist und ein Überschreiten schon den gesamten Anspruch ausschließt.281 Mithin kann der Überlegung, für Krankheitsfälle könne § 616 BGB für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen eingreifen, insgesamt eine eindeutige Absage erteilt werden.282 beruhen.“ I. E. ebenso Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 15; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (756). 278 Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 15; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (756); wohl auch Lorenzen, COVuR 2021, 722 (724); vgl. auch VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 33), das betont, der Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG liege eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung zugrunde; ebenso Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (32); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1140). 279 Siehe hierzu bereits Gliederungspunkt F. I. 2. a) bb) (2). 280 Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (32); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (416). 281 So auch Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 103. 282 Ablehnend auch VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 33); Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 53; Hohenstatt/ Sittard/Hohenstatt/Krois, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 2 b); Römermann/Menke/Matheja, 1. Aufl. 2020, Teil 8 B II Rn. 18; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 15; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 103; Tschöpe/Grimm, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 2. Teil B Rn. 91a; Haase, GmbHR 2005, 1260 (1266); Hohenstatt/ Krois, NZA 2020, 413 (416); Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (756); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1140); Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (32); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); Wolf, in: FS Preis, 2021, S. 1531 (1536); zweifelnd auch Schaub/ Koch/Koch, Arbeitsrecht von A – Z, 26. Aufl. 2022, Corona; vgl. auch Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 14, der eine Nivellierung des Unterschieds zwischen § 616 BGB und § 3 Abs. 1 EFZG anmahnt; vom Stein/Rothe/Schlegel/Krieger, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 14; a. A. ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 10a; vom Stein/Rothe/Schlegel/

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(cc) Orientierung am Zweck der Regelung Doch wenn es nicht sechs Wochen der Arbeitsverhinderung sind, die § 616 BGB erfasst, welche Zeitspanne ist es dann? Kann eine zehn oder 14 Tage andauernde Absonderung des leicht oder nicht symptomatisch mit dem Coronavirus Infizierten und der dadurch ausgelöste Arbeitsausfall noch erfasst werden? Die Weite des Verständnisses der erfassten Zeitspanne hängt insbesondere davon ab, welcher Normzweck § 616 BGB zugeschrieben wird, respektive mit welchem rechtlichen Grundgedanken die Abweichung vom Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ gerechtfertigt wird.283 Traditionell wird die Lohnfortzahlung bei kurzfristiger, persönlicher Arbeitsverhinderung mit der Fürsorgepflicht des Dienstberechtigten begründet – diese Herleitung findet sich schon in den Motiven zum BGB284 und liegt der oben erläuterten, belastungsbezogenen Betrachtung zugrunde285. Zahlreiche Stimmen in der Literatur haben hiervon indes inzwischen Abstand genommen: Da der Fürsorgegedanke eine Besonderheit des Arbeitsrechts sei, § 616 BGB hingegen für alle Dienstverhältnisse gelte, handle es sich nicht um einen zutreffenden Erklärungsansatz, weiterhin sei es mit dem Fürsorgegedanken nur schwer vereinbar, dass § 616 BGB im Gegensatz zu den §§ 617, 618 BGB vertraglich abdingbar sei.286 Stattdessen wird das dogmatische Fundament der Regelung in der Regel minima non curat praetor gesehen – unerhebliche Leistungsmängel sollen bei der Bestimmung der Vergütung außer Betracht bleiben.287 Hierfür wird angeführt, personengebundenen Tätigkeiten sei das Risiko eines personenbedingten Leistungsausfalls immanent, weshalb unerhebliche Verhinderungen bereits bei der Vergütung einkal-

Schubert, 2. Aufl. 2021, § 26 Rn. 30; Eufinger, DB 2020, 1121 (1123); Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1468); Strach, NJW 2021, 10 (16). 283 Vgl. auch VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 32). 284 Siehe Mugdan, II, S. 258: „Die eine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen (…) enthaltende Bestimmung beruht auf sozialpolitischen Rücksichten und Gründen der Humanität.“ 285 Siehe Mugdan, II, S. 899; vgl. auch Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 100; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 14. 286 HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 1; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 12 f.; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (749); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (415); für erstgenanntes Argument auch BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 3; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 2; Schmitt/Schmitt, EFZG, 18. Aufl. 2019, § 616 BGB Rn. 40. 287 Vgl. VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 32); BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 3; Hohenstatt/ Sittard/Hohenstatt/Krois, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 2 b); MüKoBGB/ Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 2; Römermann/Menke/Matheja, 1. Aufl. 2020, Teil 8 B II Rn. 19; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 2, 14; Schmitt/Schmitt, EFZG, 18. Aufl. 2019, § 616 BGB Rn. 40; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 15; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (749); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (415).

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

kuliert werden könnten.288 Auch diese Argumentation spiegelt sich bereits in den Protokollen zu § 616 BGB.289 Letztlich ist es nicht notwendig und auch nicht geboten, den Fürsorgegedanken gänzlich zu verwerfen.290 Dass er vom Gesetzgeber des BGB zugrunde gelegt wurde, lässt sich angesichts der genannten Ausführungen in Motiven und Protokollen zum BGB kaum leugnen, ebenso wenig, dass der Gesetzgeber von der Berücksichtigung der Dauer des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit ausging.291 Mit dem Gedanken, dass nur unerhebliche Mängel unberücksichtigt bleiben sollen, lässt sich das jedoch durchaus verbinden.292 In einer wertenden Gesamtbetrachtung lässt sich das Schutzinteresse des Arbeitnehmers, welches bei länger andauerndem Arbeitsverhältnis durchaus verstärkt sein kann, ebenso berücksichtigen, wie die Interessen des Arbeitgebers, die vor dem Hintergrund zu sehen sind, dass er mit gewissen, allerdings auch nur kurzfristigen und unerheblichen Störungen zu rechnen hat.293 Angesichts der Abdingbarkeit des § 616 BGB muss jedoch klar sein, dass die soziale Schutzfunktion der Norm eingeschränkt ist – der Fürsorgegedanke sollte daher auch nicht übergewichtet werden.294 Insbesondere darf der Charakter des Arbeitsvertrags als Austauschvertrag hierhinter nicht vollständig zurücktreten. Ohne nun allgemeingültige Grenzen für die zeitliche Reichweite des § 616 BGB festlegen zu wollen, ist doch anzuerkennen, dass eine 14-tägige Absonderung und Arbeitsverhinderung eines Arbeitnehmers im Rahmen eines Vollzeitarbeitsverhältnisses bei einer Fünf- oder auch Sechs-Tage-Woche eine erhebliche Beeinträchti288

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 32); BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 3; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 1; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 2; Schaub/ Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 2; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (749); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (416); vgl. auch Schmitt/Schmitt, EFZG, 18. Aufl. 2019, § 616 BGB Rn. 40. 289 Mugdan, II, S. 899: „Man ging davon aus, daß der Dienstgeber bei jedem Dienstverhältnisse mit der Möglichkeit verhältnißmäßig geringfügiger Verhinderungen des Verpflichteten rechnen müsse.“ 290 So auch MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 4. 291 Mugdan, II, S. 899: „(…) ,verhältnißmäßig‘, d. h. im Verhältnisse zur vertragsmäßigen Dauer des Dienstverhältnisses nicht erheblicher Dauer (…)“. 292 So auch MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 4; BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 48 geht davon aus, dass die genannten Ansätze im Ergebnis nicht weit voneinander abweichen. 293 Vgl. auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (33), die grundsätzlich für eine Begrenzung der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit auf wenige Tage plädieren, allerdings Ausnahmen für lang andauernde Arbeitsverhältnisse vorsehen und eine Orientierung an der zeitlichen Staffelung des § 622 Abs. 2 S. 1 BGB vorschlagen. 294 Vgl. auch VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 33); siehe auch die Kritik bei Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 13.

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gung der betrieblichen Abläufe bedeuten kann.295 Der Arbeitnehmer fiele je nachdem, wie viele Tage der Absonderung ohnehin arbeitsfrei wären, fast für die Hälfte des Bemessungszeitraums der monatlichen Vergütung aus.296 Dies noch unter das Merkmal der Unerheblichkeit zu subsumieren, fällt wahrlich schwer. Vom Arbeitgeber ist kaum zu erwarten, einen Arbeitsausfall von beinahe zwei Arbeitswochen in seine Vergütungskalkulation oder Betriebsorganisation miteinzubeziehen.297 Mithin stellt der Zeitraum infektionsbedingten Arbeitsausfalls bei 14-tägiger Absonderung regelmäßig eine erhebliche Arbeitsverhinderung dar, sodass die Voraussetzungen des § 616 BGB nicht erfüllt sind.298 Gebotene Abweichungen im Einzelfall sind nicht auszuschließen.299 Eine abweichende Interpretation ist aber nicht schon deswegen geboten, weil das Überschreiten der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit zu einem Verdienstausfall und damit zur Anwendbarkeit des § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG führt300, der als Billigkeitsregelung subsidiär ist – es wäre vielmehr unbillig, das Eingreifen der infektionsschutzrechtlichen Entschädigung durch weite Auslegung des § 616 BGB zulasten des Arbeitgebers auszuhebeln.301 Bei kürzerer Absonderungsdauer kommt es noch stärker auf den Einzelfall an. Das gilt insbesondere bei einer Absonderungsdauer von 10 Tagen – auch hier wird die Orientierungsgrenze einer fünftägigen Arbeitsverhinderung häufig überschritten sein. Da es sich nicht um eine harte Grenze handelt, wird man in einer Gesamtbetrachtung auch unter Berücksichtigung des Fürsorgegedankens bestimmen müssen, ob dies dazu führt, dass § 616 BGB noch eingreifen kann oder nicht. Hiermit geht 295

(253). 296

Vgl. auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (33); Noack, NZA 2021, 251

Vgl. Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (33). Vgl. Benkert, NJW-Spezial 2020, 306 (307). 298 I. E. ebenso VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 34); LG Münster, Urt. v. 15. 4. 2021 – 8 O 345/20, BeckRS 2021, 8615 (Rn. 24); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 10b; Hohenstatt/Sittard/Hohenstatt/Krois, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 2 b); Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 14; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 16; Tschöpe/Grimm, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 2. Teil B Rn. 91c; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (757); Preis/ Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (33); Adam, SPA 2020, 137 (138); Benkert, NJWSpezial 2020, 306 (307); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (416); Noack, NZA 2021, 251 (253); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1141); wohl auch Geulen/Sothmann, ArbRAktuell 2020, 217 (218); Wolf, in: FS Preis, 2021, S. 1531 (1536); a. A. VG Koblenz, Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 107/21.KO, BeckRS 2021, 13968 (Rn. 28); Schlegel/Meßling/Bockholdt/ Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 35. 299 Siehe etwa die Einzelfallentscheidung VG Karlsruhe, Urt. v. 10. 5. 2021 – 9 K 67/21, BeckRS 2021, 18269 (Rn. 69), die eine zweiwöchige Verhinderung als unerheblich wertet, weil der Arbeitgeber wegen unbilliger Weisung zur Dienstreise in ein Coronarisikogebiet mit dieser Verhinderung rechnen musste; siehe auch ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 10b; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1141). 300 Hierzu sogleich Gliederungspunkt F. I. 2. a) dd). 301 LG Münster, Urt. v. 15. 4. 2021 – 8 O 345/20, BeckRS 2021, 8615 (Rn. 24). 297

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

zweifelsohne eine erhebliche Rechtsunsicherheit einher, die in der Konzeption des § 616 BGB allerdings bereits angelegt ist. Demgegenüber kann diejenige Isolation, die nach sieben Tagen mit einem negativen Test beendet werden kann, oder von vorneherein nur für fünf Tage vorgesehen ist, wohl zumeist noch als verhältnismäßig nicht erheblich eingeordnet werden, da sie jedenfalls bei einer fünftägigen Arbeitswoche auch nur zu einem maximal ebenso langen Arbeitsausfall führt.302 (3) Weitere Voraussetzungen und Abdingbarkeit der Lohnfortzahlung nach §§ 611a Abs. 2, 616 BGB Der Lohnfortzahlungsanspruch nach §§ 611a Abs. 2, 616 BGB setzt weiterhin voraus, dass das personenbedingte Leistungshindernis der einzige Umstand ist, der den Arbeitnehmer an der Arbeitsleistung hindert, sowie dass der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung nicht zu verschulden hat. Insoweit sei auf die nachfolgend ausführlich diskutierte Monokausalitäts- und Verschuldensproblematik im Rahmen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG verwiesen – die dortigen Erwägungen sind übertragbar.303 Entscheidende Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs ist darüber hinaus, dass § 616 BGB nicht abbedungen wurde.304 Eine Abbedingung ist ausweislich des § 619 BGB möglich – dieser nennt explizit nur §§ 617, 618 BGB als einseitig zwingend, nicht aber § 616 BGB.305 (4) Zwischenergebnis zur Lohnfortzahlung nach § 616 BGB Welche Rolle § 616 BGB im Falle der nachgewiesenen Coronavirusinfektion, die nicht zur Arbeitsunfähigkeit führt, spielen kann, ist mehr als ungewiss. Zwar handelt es sich bei der eigenen Infektion entgegen zum Teil abweichender Ansicht auch in Zeiten der Pandemie um ein persönliches Leistungshindernis. Die Voraussetzung der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit der Arbeitsverhinderung führt im hiesigen Kontext jedoch zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Starre Grenzen existieren hier nicht, was schon grundsätzlich dazu verpflichtet, die Umstände des Einzelfalls zu 302

Siehe auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (33). Zu einem Zeitraum von zwei Tagen VG Freiburg, Urt. v. 2. 7. 2021 – 10 K 547/21, BeckRS 2021, 19975 (Rn. 18); von vier Tagen auch OVG Lüneburg, Urt. v. 2. 7. 2021 – 13 LA 258/21, BeckRS 2021, 18013; ebenso die Vorinstanz VG Oldenburg, 26. 4. 2021 – 7 A 1497/21, BeckRS 2021, 18014 (Rn. 15). 303 Siehe Gliederungspunkt F. I. 2. b) aa). 304 Im Kontext der Coronapandemie Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 12; Römermann/Menke/Matheja, 1. Aufl. 2020, Teil 8 B Rn. 20; Schlegel/Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 30; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (757); Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (34); Bonanni, ArbRB 2020, 110 (113); Geulen/Sothmann, ArbRAktuell 2020, 217 (218); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (416); Noack, NZA 2021, 251 (253); Lorenzen, COVuR 2021, 722 (724); Preis/Mazurek/ Schmid, NZA 2020, 1137 (1141); Sievers, jM 2020, 189 (199); Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1468). 305 BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 6; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 13; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 74; Schmitt/ Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 616 BGB Rn. 51.

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berücksichtigen; darüber hinaus wirken sich die aktuellen Empfehlungen hinsichtlich der Isolationsdauer ganz entscheidend aus. Die zuweilen auch von der Rechtsprechung befürwortete Übertragung des Sechswochenzeitraums der Entgeltfortzahlung auf § 616 BGB kann nicht überzeugen. Hiergegen spricht neben systematischen und historischen Erwägungen insbesondere der Normzweck: Auch wenn § 616 BGB zweifelsohne eine Fürsorge-Komponente zukommt, so ist es für eine interessengerechte Lösung doch jedenfalls notwendig, den Gedanken des minima non curat praetor in das Verständnis des Tatbestandsmerkmals der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit einfließen zu lassen. Der Arbeitgeber soll das Risiko tragen, welches personengebundenen Tätigkeiten stets immanent ist. Das verbietet jedoch eine allzu weite Auslegung des Anwendungsbereichs, vielmehr ist der erfasste Zeitraum auf i. d. R. wenige Tage zu begrenzen, wobei im Einzelfall Raum für abweichende Erwägungen besteht. Die lange vorgesehene Isolation von 14 Tagen führt regelmäßig zu einem Vergütungsausfall, die Zeitspanne des Arbeitsausfalls kann nicht als verhältnismäßig nicht erheblich angesehen werden. Bei einer empfohlenen Isolationsdauer von 10 Tagen kommt es auch auf die Lage der arbeitsfreien Tage des Arbeitnehmers an, eine allgemeine Einordnung ist hier nicht mit hinreichender Sicherheit möglich. Lediglich die Wahrnehmung einer Möglichkeit des Freitestens nach sieben Tagen oder die nur fünftägige Isolation führt regelmäßig dazu, dass die Zeitspanne des Arbeitsausfalls noch als verhältnismäßig nicht erheblich angesehen werden kann. Sind die zeitlichen Grenzen des § 616 BGB nicht überschritten, kommt es für den Lohnfortzahlungsanspruch nach §§ 611a Abs. 2, 616 BGB zusätzlich darauf an, dass die Infektion den einzigen Verhinderungsgrund darstellt und der Arbeitnehmer sie nicht zu verschulden hat – hier gelten dieselben Wertungen wie im Rahmen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. Weiterhin darf § 616 BGB nicht abbedungen sein. dd) Auffangen des Verdienstausfalls bei ausbleibender Lohnfortzahlung Ein Zwischenstand: Nach den bisherigen Erwägungen kann der symptomlos infizierte oder nur leicht symptomatisch erkrankte Arbeitnehmer keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhalten und je nach erforderlicher Absonderungsdauer auch keine Lohnfortzahlung nach §§ 611a Abs. 2, 616 BGB. So entsteht ein Verdienstausfall, der wiederum den Anwendungsbereich des § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG eröffnet, sofern der Arbeitnehmer einer hoheitlichen Absonderungsanordnung unterliegt. Bis zu einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes zum April 2021 blieb es hingegen bei dem Verdienstausfall, sofern der Arbeitnehmer sich freiwillig absonderte. Die infektionsschutzrechtliche Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG setzt grundsätzlich eine infektionsschutzrechtliche Maßnahme voraus, an die sie an-

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

knüpft.306 Ein Tätigwerden der zuständigen Gesundheitsbehörde bedarf es dort nicht, wo die Absonderungspflicht schon aus einer Verordnung nach § 32 oder § 36 Abs. 8 S. 1 Nr. 1 IfSG folgt.307 Ein weiterer Anteil der verbleibenden, nicht von individuellen Absonderungsanordnungen erfassten Einzelfälle wird durch den im Frühjahr 2021 neu eingefügten § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG abgedeckt, nach dem auch diejenigen Personen entschädigungsberechtigt sind, die sich vor der Anordnung einer Absonderung vorsorglich abgesondert haben, wenn eine Anordnung der Absonderung bereits zum Zeitpunkt der vorsorglichen Absonderung hätte erlassen werden können.308 Die Formulierung legt indes nahe, dass auch nach § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG eine Entschädigung nur dann geschuldet ist, wenn im Nachgang tatsächlich eine Absonderung angeordnet wird.309 Weiterhin „kann“ die Entschädigung gewährt werden, es besteht mithin ein Ermessensspielraum der Behörde – dieser dürfte hier indes stark beschränkt sein.310 Die Erweiterung des § 56 Abs. 1 IfSG auf Fälle vorsorglicher Selbstisolation greift nicht rückwirkend ein.311 Zu einer Schutzlücke konnte es weiterhin für den leicht symptomatisch infizierten Arbeitnehmer kommen – krank im infektionsschutzrechtlichen Sinne war, fiel er auf der einen Seite aus dem Anwendungsbereich des § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG a. F. heraus, erfüllte aber mangels Arbeitsunfähigkeit gleichwohl nicht die Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.312 Durch Erweiterung des personellen Anwendungsbereichs des § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG, der nun auch Kranke erfasst, ist diese Lücke jedoch geschlossen worden. Auch diese Gesetzesänderung wirkt indes nicht

306

Gerhardt, IfSG, 5. Aufl. 2021, § 56 Rn. 3a; Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 15; Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1466). 307 Dass sich der Entschädigungsanspruch auch auf Fälle der Absonderung auf Grund einer Rechtsverordnung bezieht, wurde durch das Gesetz zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Vorschriften v. 29. 3. 2021 (BGBl. 2021, I, S. 370 (373)) klargestellt, siehe hierzu auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 19/27291, S. 61; Preis/ Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (36). 308 Siehe hierzu auch BT-Drucks. 19/27291, S. 61; BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 26a; Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 24; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690 f. 309 VG Bayreuth, Urt. v. 21. 6. 2021 – B 7 K 21.110, BeckRS 2021, 18067 (Rn. 24); BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 26a; a. A. Sievers/Kruppa, jM 2021, 446 (451). Weiterhin genügt es nicht, dass nach vorsorglicher Absonderung eine Rechtsverordnung erlassen wird, welche die Absonderung anordnet, siehe VG Frankfurt, Urt. v. 13. 4. 2021 – 5 K 109/21.F, BeckRS 2021, 9568 (Rn. 17). 310 So auch BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 26a. 311 Dies folgt schon aus BT-Drucks. 19/27291, S. 61, da neu begründete Ansprüche erst mit Inkrafttreten des Gesetzes gelten sollen. Siehe auch VG Bayreuth, Urt. v. 21. 6. 2021 – B 7 K 21.110, BeckRS 2021, 18067 (Rn. 18). 312 Zum diesem Problem siehe Gerhardt, IfSG, 5. Aufl. 2021, § 56 Rn. 5; Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 10; Kluckert/Bachmann/Rung, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 15 Rn. 21; Kruse, ARP 2021, 116 (119).

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rückwirkend313 – für Fälle vor dem Inkrafttreten der Änderungen am 1. 4. 2021 bleibt es damit bei der misslichen Situation mangelnder sozialer Absicherung. Nach derzeitigem Recht fallen jedoch die Fälle, in denen die Arbeitsverhinderung auf einer nachgewiesenen, aber symptomlos oder nur leicht symptomatisch verlaufenden Infektion beruhen, in den Anwendungsbereich des § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG – das Kostenrisiko der Arbeitsverhinderung trifft dann die Allgemeinheit, wenn der Anspruch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Anderes gilt dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer verhältnismäßig nicht erheblichen Dauer der Arbeitsverhinderung bereits einen Anspruch auf Lohnfortzahlung gegen seinen Arbeitgeber nach §§ 611a Abs. 2, 616 BGB hat. b) Der durchgehend krankheitsbedingt arbeitsunfähige Arbeitnehmer Anders zu beurteilen ist hingegen der Fall des Arbeitnehmers, der bereits zu Beginn seiner Arbeitsverhinderung arbeitsunfähig an COVID-19 oder anderweitig erkrankt ist. Denkbar ist etwa, dass der Arbeitnehmer am Wochenende erkrankt und eine Infektion feststellt, er evtl. auch abgesondert wird, aber erst montags die nächste Arbeitsleistung schuldet – die Verhinderungsgründe Arbeitsunfähigkeit, Ansteckungsgefahr und Absonderung realisieren sich hier zeitgleich. Möglich ist auch eine bereits bestehende Arbeitsunfähigkeit zu dem Zeitpunkt, als eine Coronavirusinfektion festgestellt wird – sei es, weil bereits eine andere Krankheit den Arbeitnehmer an der Arbeitsleistung hindert, oder die bestehenden COVID-19-Symtpome zunächst nicht als solche identifiziert wurden. Der Fall des bereits bestehenden Infektionsverdachts mit späterem Krankheitseintritt wird demgegenüber unter Gliederungspunkt G. I. 2. c) erläutert. In beiden hier zu erörternden Konstellationen ist fraglich, ob arbeits- oder sozialrechtliche Lohnfortzahlungsansprüche bestehen, die einer Entschädigungsleistung des Staates nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG vorgehen. aa) Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG Im Gegensatz zum Falle der symptomlosen oder nur leicht symptomatisch verlaufenden Infektion kann im Hinblick auf § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG neben der Krankheit auch die Arbeitsunfähigkeit unproblematisch bejaht werden, wenn die COVID-19Erkrankung ausgebrochen ist und die Symptome so ausgeprägt sind, dass sie den Arbeitnehmer an der Erbringung seiner Arbeitsleistung tatsächlich hindern oder diese jedenfalls die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands mit sich bringen würde.314 Die COVID-19-Erkrankung ist insoweit nicht anders zu behandeln 313

Siehe BT-Drucks. 19/27291, S. 61. So im Ergebnis auch ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690b; Küttner/Griese, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Entgeltfortzahlung Rn. 3; Schaub/Koch/Koch, Arbeitsrecht von 314

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

als jede andere Erkrankung auch. Problematisch sind allerdings die Merkmale der Alleinursächlichkeit sowie des fehlenden Verschuldens des Arbeitnehmers. (1) Monokausalität der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss auch alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung sein.315 Diese Monokausalität besteht i. d. R. nicht, wenn der Arbeitnehmer bereits aus anderem Grunde nicht arbeiten konnte bzw. musste.316 Für den Ausschluss des Entgeltfortzahlungsanspruchs nach dem EFZG genügt es allerdings nicht, dass ein rein hypothetischer Geschehensablauf den Ausfall der Arbeitsleistung bedeutet hätte.317 Zu berücksichtigen sind nur Ursachen, die im konkreten Fall für den Ausfall der Arbeit auch wirksam geworden sind.318 Zu prüfen ist daher, ob der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet bzw. einen Vergütungsanspruch gehabt hätte, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht vorgelegen hätte.319

A – Z, 26. Aufl. 2022, Corona; vom Stein/Rothe/Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 12; Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (23); Düwell, BB 2020, 891 (893); Fuhlrott/ Fischer, NZA 2020, 345 (347); Grimm, DB 2020, 1177; Kruse, ARP 2021 116 (117); Müller/ Becker, COVuR 2020, 126 (128); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1138); Sagan/ Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); Sievers, jM 2020, 189 (197); Weller/Lieberknecht/Habricht, NJW 2020, 1017 (1018); in diesem Sinne auch LG Tübingen, Urt. v. 6. 7. 1966 – 1 S 31/ 66, NJW 1966, 1865; ähnlich auch MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 10, der dann indes für einen Vorrang des § 56 IfSG plädiert. 315 Ständ. Rspr., vgl. etwa BAG, Urt. v. 13. 12. 2011 – 1 AZR 495/10, NZA 2012, 995 (996); Urt. v. 28. 1. 2004 – 5 AZR 58/03, NJOZ 2005, 2340 (2344); Urt. v. 22. 8. 2001 – 5 AZR 699/99, NZA 2002, 610 (611); Urt. v. 19. 1. 2000 – 5 AZR 637/98, NZA 2000, 771 (773); BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 21; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 14; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 31; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 14; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 81; Gutzeit, NZA 2003, 81 (82). 316 MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 31; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 14; Gutzeit, NZA 2003, 81 (82). 317 BAG, Urt. v. 24. 3. 2004 – 5 AZR 355/03, NZA 2004, 872 (Ls.); Urt. v. 4. 12. 2002 – 5 AZR 494/01, NJOZ 2003, 1154 (1155); Urt. v. 1. 10. 1991 – 1 AZR 147/91, NZA 1992, 163 (164); ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471; BeckOK ArbR/ Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 21; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 31; Feichtinger/Malkmus/Feichtinger, EFZR, 2. Aufl. 2010, § 3 EFZG Rn. 60; ausführlich Belling/Hartmann, ZFA 1994, 519 (534). 318 BAG, Urt. v. 24. 3. 2004 – 5 AZR 355/03, NZA 2004, 872 (Ls.); Urt. v. 4. 12. 2002 – 5 AZR 494/01, NJOZ 2003, 1154 (1155); ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471; BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 21; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 31; Feichtinger/Malkmus/Feichtinger, EFZR, 2. Aufl. 2010, § 3 EFZG Rn. 60. 319 ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471; BeckOK ArbR/ Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 21; vom Stein/Rothe/Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 12; Boecken, NZA 1999, 673 (676); Gutzeit, NZA 2003, 81 (82).

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(a) Zusammentreffen mehrerer Verhinderungsgründe In Literatur und Rechtsprechung wurde bereits eine Vielzahl von Fallgruppen des Zusammentreffens mehrerer Verhinderungsgründe problematisiert, deren Erörterung an dieser Stelle zu weit führen würde.320 Als Leitlinie lässt sich formulieren, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch regelmäßig nicht bestehen soll, wenn andere konkrete Ursachen für den Arbeitsausfall zur Arbeitsunfähigkeit hinzutreten, insbesondere solche, die den Arbeitgeber nicht zu einer Lohnfortzahlung verpflichten würden.321 Eine allzu strenge Handhabe des Monokausalitätskriteriums führt indes nicht zu sachgerechten Ergebnissen.322 Problematisch sind insbesondere die Fälle, in denen mehrere Verhinderungsgründe den Arbeitgeber jeweils nach einem eigenen Regelungssystem zur Lohnfortzahlung verpflichten, beide Systeme aber die Monokausalität des Grundes voraussetzen – da diese nicht vorliegt, müssten streng genommen beide Ansprüche entfallen.323 Dass das nicht dem jeweiligen Gesetzeszweck entspricht, drängt sich auf – in einem solchen Fall dürfen die kumulierten Ursachen weder zu einer doppelten Zahlung des Entgelts324 noch zu einem Ausfall der Lohnfortzahlung325 bzw. Lohnersatzleistung führen. Verbreitet ist das Prioritätsprinzip, bei dem der zuerst eintretende Verhinderungsgrund als maßgeblich erachtet wird und das anwendbare Lohnfortzahlungsregime bestimmt.326 Erst, wenn dieser 320

Siehe Überblick bei ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 15 ff.; MüKoBGB/ Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 15 ff.; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 245; ausführlich auch Gutzeit, Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung, 2000, S. 96 ff. 321 BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 21; HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 13; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 83; Gutzeit, NZA 2003, 81 (82); vgl. auch Reinecke, DB 1991, 1168 (1174). 322 Linck, FS Preis, 2021, S. 743 (752); grundsätzlich kritisch hinsichtlich des Kriteriums der Monokausalität Boecken, NZA 1999, 673 (676); Gutzeit, NZA 2003, 81; Lembke, NZA 1998, 349 (352); Weyand, BB 1994, 1852 (1855). 323 Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 26; ders., FS Preis, 2021, S. 743 (754); Gutzeit, NZA 2003, 81 (82); siehe auch Reinecke, DB 1991, 1168, der dies zwar als weniger problematisch einordnet, jedoch die Relevanz der Entscheidung für den Umfang des Anspruchs anerkennt; insbesondere problematisiert bei Zusammentreffen mit Beschäftigungsverboten nach dem MuSchG Lembke, NZA 1998, 349 (352); Weyand, BB 1994, 1852 (1855). 324 Gutzeit, Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung, 2000, S. 100; Reinecke, DB 1991, 1168; Schneider, Entgeltfortzahlung und Konkurrenzen, 2014, S. 377; so auch für ein Zusammentreffen mit einem mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot Schliemann/ König, NZA 1998, 1030 (1034). 325 HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 13; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge/ Dunkl, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 3 Rn. 58; Gutzeit, Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung, 2000, S. 104; Belling/Hartmann, ZFA 1994, 519 (522); Boecken, NZA 1999, 673 (676); Gräf/Rögele, NZA 2013, 1120 (1124); Gutzeit, NZA 2003, 81 (82); Lembke, NZA 1998, 349 (352); Reinecke, DB 1991, 1168; Weyand, BB 1994, 1852 (1855). 326 Zu § 616 BGB BeckOGK/Bieder, Stand: 1. 2. 2020, § 616 BGB Rn. 34; BeckOK ArbR/ Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 40; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

erste Verhinderungsgrund wegfällt, können später hinzutretende für die Frage des Vergütungsrisikos Bedeutung entfalten.327 Der Ansatz verspricht für viele Sachverhalte eine eindeutige Abgrenzung und daher rechtssichere Lösungen; es überzeugt daher, ihn für alle Fälle des sukzedanen Eintritts mehrerer Verhinderungsgründe zugrunde zulegen.328 Das Für und Wider des daher grundsätzlich zu befürwortenden Prioritätsansatzes wird ausführlich im Hinblick auf die Sachverhalte erörtert, in denen eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit erst zu einer (selbst-) absonderungsbedingten Arbeitsverhinderung hinzutritt.329 Bei zeitgleich auftretenden Verhinderungsgründen stößt der Prioritätsansatz jedoch an Grenzen.330 Gutzeit schlägt demgegenüber vor, die Abgrenzung stets nach dem vom Arbeitgeber zu tragenden Risiko vorzunehmen – es soll sich die Norm durchsetzen, die dem Arbeitgeber das geringste Vergütungsrisiko zuweist.331 Andere wiederum bestimmen den Vorrang der einen oder anderen Norm nach Wertungsgesichtspunkten.332 (b) Die Verhinderungsgründe bei symptomatischer Coronavirusinfektion Dass im Falle einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion mehrere Gründe bestehen, die den Arbeitnehmer an seiner Arbeitsleistung hindern, ist insbesondere offensichtlich, sofern neben einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eine infektionsschutzrechtliche Maßnahme besteht, welche die geschuldete Arbeitsleistung verhindert.333 Doch auch, wenn eine solche ausbleibt, aber bereits die Infektion BGB Rn. 36; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 62; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 12; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 616 BGB Rn. 37; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 93; in der Tendenz auch BAG, Urt. v. 17. 10. 1990 – 5 AZR 10/90, NZA 1991, 320 (322). 327 Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 93. 328 BeckOGK/Bieder, Stand: 1. 2. 2020, § 616 BGB Rn. 34; BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 40; vgl. auch Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 93. 329 Siehe Gliederungspunkt F. I. 2. c) bb). 330 BeckOGK/Bieder, Stand: 1. 2. 2020, § 616 BGB Rn. 34; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 94. 331 Gutzeit, Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung, 2000, S. 105; ders., NZA 2003, 81 (84). 332 MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 28; Schneider, Entgeltfortzahlung und Konkurrenzen, 2014, S. 377; vgl. auch Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 40. 333 Zu dieser Problematik mit jeweils unterschiedlichen Lösungen etwa ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (472); ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 19a; Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 58; vom Stein/Rothe/ Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 12; Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (27); Beden, NZA 2021, 917 (917 f.); Bonanni, ArbRB 2020, 110 (114); Greiner, NZA 2022, 665 (670 ff.); Grimm, DB 2020, 1177 (1178); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (418); Noack, NZA 2021, 251 (252 f.); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1138 f.); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); Sievers, jM 2020, 189 (197); Sievers/Kruppa, jM 2021, 446 (450); siehe auch Gutzeit, Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung, 2000, S. 107.

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ungeachtet der verursachten Symptome der Arbeitsleistung entgegensteht, ist die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht alleinige Ursache der Arbeitsverhinderung. Häufig wird die Problematik als eine Konkurrenzfrage zwischen § 56 Abs. 1 IfSG und § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG erörtert.334 Die oben erörterte Subsidiarität des Entschädigungsanspruchs ist aber nur scheinbar des Rätsels Lösung: Zwar setzt der Entschädigungsanspruch des Abgesonderten nach § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG voraus, dass dieser auf Grund der Absonderung einen Verdienstausfall erleidet, was nicht der Fall ist, wenn ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht.335 Der Entgeltfortzahlungsanspruch besteht indes seinerseits nur dann, wenn die alleinige Ursache der Arbeitsverhinderung in der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit liegt.336 Hierfür ist nicht entscheidend, ob anderweitige Vergütungs- oder Entschädigungsanspruche bestehen, sondern ob anderweitige, vorrangige Verhinderungsgründe vorliegen.337 Ungeachtet der Frage, ob an eine infektionsschutzrechtliche Maßnahme ein Entschädigungsanspruch geknüpft ist, könnte sie eine zusätzliche, die Monokausalität ausschließende Ursache der Arbeitsverhinderung darstellen. Selbiges gilt für die vom Arbeitnehmer ausgehende Infektionsgefahr, die ihm eine Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten unmöglich macht. Genau genommen sind im Ausgangspunkt weiterhin nicht die Anwendungsbereiche des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG und § 56 Abs. 1 IfSG abzugrenzen, sondern vorrangig diejenigen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und des § 616 BGB.338 Denn: Absonderung und infektionsbedingte Arbeitsverhinderung sind persönliche Verhinderungsgründe, die in den Anwendungsbereich des § 616 BGB fallen.339 334 ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (Ls.); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690d; Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 58; Tschöpe/Grimm, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 2. Teil B Rn. 118c; vom Stein/Rothe/ Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 12; Bonanni, ArbRB 2020, 110 (114); Grimm, DB 2020, 1177 (1178); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); Sievers/Kruppa, jM 2021, 446 (450). 335 Siehe etwa ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (472); Aligbe, Infektionsschutzrecht, 1. Aufl. 2021, 9. Kap. Ziff. 5; BeckOK InfSG/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 37; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690d; Hohenstatt/Sittard/Hohenstatt/Krois, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 3 a); Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 9; Schlegel/Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 26; Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (416); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139). 336 Vgl. Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 58: „Jedoch folgt die Geltung des § 3 EFZG nicht allein aus einer angeblichen Vorrangigkeit der Norm, sondern nur, wenn auch deren Voraussetzungen vorliegen. Fehlt also die für § 3 EFZG konstitutive Monokausalität, so kommt § 3 EFZG nicht zur Anwendung.“ 337 In diesem Sinne auch Greiner, NZA 2022, 665 (670 ff.); demgegenüber im Kontext des § 616 BGB allein auf das Bestehen des finanziellen Anspruchs abstellend Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 27; ders., FS Preis, 2021, S. 743 (754). 338 So i. E. auch Lorenzen, COVuR 2021, 722 (723). 339 Siehe bereits Gliederungspunkt F. I. 2. a) cc) (1).

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

Erachtet man diese persönlichen Verhinderungsgründe bei gleichzeitigem Eintritt mit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als dieser vorrangig, sodass sich die Lohnfortzahlung nach § 616 BGB richtet, würde das je nach Dauer der notwendigen Isolation bei nachgewiesener Infektion zu einem Verdienstausfall führen – ist die verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit überschritten, würde der Vergütungsanspruch nicht aufrechterhalten.340 Dieser Verdienstausfall würde dann wiederum Raum für die Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG lassen, sofern deren weitere Voraussetzungen vorliegen – in diesen Fällen handelt es sich daher faktisch, aber erst über den „Umweg“ über § 616 BGB tatsächlich um eine Frage des Eingreifens von § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG oder § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG.341 Die entscheidende Frage ist: Was ist der vorrangige Verhinderungsgrund, nach dem sich die Lohnfortzahlung bzw. Entschädigungsleistung bestimmt, sofern für die gesamte Dauer einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers besteht? (aa) Lösung nach dem Prioritätsprinzip Schnell abgehandelt ist die Lösung für den Fall, dass sich nachgewiesene Infektion oder hoheitliche Absonderung erst als Verhinderungsgrund realisieren konnten, wenn zuvor bereits eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit den Arbeitnehmer von der Leistungserbringung abgehalten hat. Beispielhaft stelle man sich vor, der in Vollzeit beschäftigte und von montags bis freitags arbeitende Arbeitnehmer sei bereits montags arbeitsunfähig erkrankt – ohne dass eine Coronavirusinfektion vermutet wird, siehe zu diesem Fall Gliederungspunkt G. I. 2. c) – und erfahre mittwochs von einer COVID-19-Infektion und werde abgesondert. Nach dem zu befürwortenden Prioritätsprinzip ist die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, unabhängig davon, ob sie auf zunächst unerkannter COVID-19-Erkrankung beruht oder einen anderen Auslöser hat, als zuerst eintretender Verhinderungsgrund solange maßgeblich für die Lohnfortzahlung, wie sie anhält.342 Die nachrangig eintretenden Verhinderungsgründe der Infektion/Absonderung wirken sich auf die Tatsache, dass die Arbeitsleistung ausbleibt, nicht mehr entscheidend aus. Der Arbeitnehmer kann daher – vorausgesetzt die übrigen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG liegen vor – Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhalten.

340

Siehe oben Gliederungspunkt F. I. 2. a) cc) (2). In diesem Sinne – allerdings aufgrund der vorherigen Rechtslage nur auf Krankheitsverdächtige bezogen – auch Noack, NZA 2021, 251 (253). 342 So i. E. auch Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 58, allerdings mit der nicht gebotenen Begrenzung auf Fälle, in denen der Arbeitnehmer nicht wegen einer Virusinfektion arbeitsunfähig erkrankt ist; Schlegel/Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 28; wohl auch ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 19a. Grundsätzlich ebenfalls für eine zeitlich priorisierende Betrachtung, allerdings mit Blick auf einen zuvor bestehenden Krankheitsverdacht Beden, NZA 2021, 917 (918); Noack, NZA 2021, 251 (252 f.); ablehnend Greiner, NZA 2022, 665 (672). 341

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Der Prioritätsansatz verspricht jedoch keine Ergebnisse bei gleichzeitiger Realisierung der Leistungshindernisse – hier muss die Lösung anhand anderweitiger Wertungen gefunden werden.343 (bb) Lösung nach dem Prinzip des geringsten Risikos für den Arbeitgeber Im Verhältnis von § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG zur Lohnfortzahlung nach § 616 BGB gelangt der Ansatz des geringsten Risikos für den Arbeitgeber zu einem Vorrang des § 616 BGB: Aufgrund der zeitlichen Eingrenzung der Lohnfortzahlung nach § 616 BGB wäre der Arbeitgeber bei Vorrang dieser Norm weniger belastet.344 Das führt, wie dargestellt, im hiesigen Kontext zu einem faktischen Vorrang der infektionsschutzrechtlichen Entschädigung, da die Grenzen des § 616 BGB bei nachgewiesener Infektion regelmäßig überschritten sein werden. Der Ansatz des geringsten Arbeitgeberrisikos wird jedoch zu Recht kritisiert: Mit der sozialen Schutzfunktion, die zahlreichen Lohnfortzahlungsnormen zukommt, so insbesondere auch § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG, lässt er sich kaum vereinbaren.345 Mithin müssen anderweitige Wertungen herangezogen werden, um den Vorrang einer Lohnfortzahlungs- oder der Entschädigungsnorm des § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG zu bestimmen. (cc) Die Absonderung als vorrangiger Hinderungsgrund wegen öffentlich-rechtlicher Zwangswirkung? Nicht wenige gelangen bei wertender Betrachtung zu einem Vorrang der hoheitlichen Absonderung als Verhinderungsgrund – die öffentlich-rechtliche Zwangswirkung der Absonderung soll der Monokausalität der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit entgegenstehen.346 Dies bedeutet einen faktischen Vorrang der staatlichen Entschädigung, da die Absonderung als personenbedingter Verhinderungsgrund zur Anwendung des § 616 BGB, die verhältnismäßig erhebliche Verhinderungsdauer zum Verdienstausfall und dieser zur Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG führt. Dieser Vorrang der staatlichen Entschädigung wird für 343

Vgl. auch Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 94. Siehe mit Blick auf Beschäftigungsverbote nach § 17 BSeuchG Gutzeit, Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung, 2000, S. 107 (Fn. 106). 345 BeckOGK/Bieder, Stand: 1. 2. 2020, § 616 BGB Rn. 34; kritisch auch Staudinger/ Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 94. 346 MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 41; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 10; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 14; Tschöpe/ Grimm, ArbRHdb, 12. Aufl. 2021, 2. Teil B Rn. 118b; Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (891); Grimm, DB 2020, 1177 (1178); Müller/Becker, COVuR 2020, 126 (128); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); Sievers, jM 2020, 189 (198); Weller/Lieberknecht//Habrich, NJW 2020, 1017 (1018); offen gelassen von Geulen/Sothmann, ArbRAktuell 2020, 217. Differenzierend Greiner, NZA 2022, 665 (672 f.), der nach dem dominierenden Verhinderungsgrund fragt und daher etwa bei stationärer Krankenbehandlung von einem Vorrang der Entgeltfortzahlung ausgeht, bei Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Tätigkeitsverbots hingegen von einem Eingreifen des § 56 IfSG, wobei er dies aufgrund der Einordnung der Gefahr für Dritte als Fall des § 275 Abs. 3 BGB bei fehlender Einredeerhebung nicht als Konkurrenzsituation auffasst. 344

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richtig erachtet – hierfür soll sprechen, dass die Absonderung des Infizierten im gesamtgesellschaftlichen Interesse erfolgt und die Kosten daher auch von der Gemeinschaft, nicht aber vom Arbeitgeber zu tragen seien.347 (dd) Bisherige Tendenzen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Scheinbar diametral hierzu argumentierte in einer älteren Entscheidung das BAG, indem es einen Lohnfortzahlungsanspruch auf Basis des § 1 Abs. 1 S. 1 LFZG trotz eines bestehenden Tätigkeitsverbots nach § 17 BSeuchG bejahte.348 § 17 BSeuchG enthielt ein gesetzliches Tätigkeitsverbot bei ausgebrochener Tuberkuloseerkrankung.349 Das BAG ging davon aus, dass dem Tätigkeitsverbot in einem solchen Fall schlichtweg keine eigenständige Bedeutung zukommen könne, da es stets nur Folge der Erkrankung sei und damit keinen Umstand darstelle, der für sich genommen Grund für eine Arbeitsverhinderung sein könne.350 Weiterhin erkannte das Gericht jedoch die Möglichkeit eigenständiger Bedeutung eines Beschäftigungsverbots an, sofern es nicht Folge einer Erkrankung sei, sondern unabhängig von einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bestünde oder angeordnet würde.351 Dies sei in den in § 49 BSeuchG – der Vorgängernorm des heutigen § 56 IfSG – geregelten Tatbeständen der Fall.352 Vielfach wird diese Entscheidung herangezogen, um einen Vorrang der Entgeltfortzahlung vor einem Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG zu begründen.353 Tatsächlich darf ihr Aussagegehalt insoweit jedoch nicht überschätzt werden. Zu berücksichtigen ist zum einen die spezifische Situation, die § 17 BSeuchG seinerzeit regelte, verbunden mit der Prämisse, bei Vorliegen einer Krankheit bestehe Arbeitsunfähigkeit: Da die Norm an eine ausgebrochene Erkrankung ipso iure ein Beschäftigungsverbot knüpfte, gingen, sofern Krankheit und Arbeitsunfähigkeit gleichgesetzt werden, Beschäftigungsverbot und krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit stets miteinander einher. Da tatsächlich jedoch eine Krankheit auch im infektionsschutzrechtlichen Sinne bestehen kann, ohne dass Arbeitsunfähigkeit besteht – was inzwischen wohl auch der Gesetzgeber erkannt

347 MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 41; zustimmend Grimm, DB 2020, 1177 (1178); Weller/Lieberknecht//Habrich, NJW 2020, 1017 (1018, Fn. 14); mit ähnlicher Argumentation für Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG Boecken, NZA 1999, 673 (676). 348 BAG, Urt. v. 26. 4. 1978 – 5 AZR 7/77, AP LohnFG § 6 Nr. 6. 349 Siehe die ursprüngliche Fassung in BGBl. 1961, I, S. 1012 (1016). 350 BAG, Urt. v. 26. 4. 1978 – 5 AZR 7/77, AP LohnFG § 6 Nr. 6. 351 BAG, Urt. v. 26. 4. 1978 – 5 AZR 7/77, AP LohnFG § 6 Nr. 6. 352 BAG, Urt. v. 26. 4. 1978 – 5 AZR 7/77, AP LohnFG § 6 Nr. 6. 353 So etwa von ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (474); BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 26; Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 58; vom Stein/Rothe/Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 12; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (753); mit Blick auf § 616 BGB, der ebenso Monokausalität voraussetzt, Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 26.

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hat354 – steht die Argumentation, das Beschäftigungsverbot könnte für sich genommen gar kein Grund für eine Arbeitsverhinderung sein, aus heutiger Perspektive auf wackligen Beinen. Eine Absonderung nach § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG, wie sie im Falle der nachgewiesenen Coronavirusinfektion regelmäßig erfolgt, setzt anders als seinerzeit § 17 BSeuchG die ausgebrochene Erkrankung schon gar nicht voraus – der Betroffene würde abgesondert, ganz gleich, ob er Symptome der COVID-19-Erkrankung aufweist oder nicht. Darüber hinaus könnte nach hiesigem Verständnis auch ein Beschäftigungsverbot, wie es § 17 BSeuchG vorsah, unabhängig von einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bestehen, sofern der Betroffene nur an leichten Symptomen der ausgebrochenen Erkrankung leidet.355 Dann würde das Beschäftigungsverbot zwar aus einer Krankheit, nicht aber einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit folgen. Aufgrund dieser Abweichungen zwischen dem hier und seinerzeit vom BAG zugrunde gelegten Arbeitsunfähigkeitsbegriff kann die Entscheidung nicht als maßgebliche Argumentationsgrundlage für die Frage dienen, welchem Verhinderungsgrund im Falle des Zusammentreffens von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und infektionsschutzrechtlicher Maßnahme der Vorrang zukommt. Auch die Aussage des BAG, in den Fällen des § 49 BSeuchG bestehe eine eigenständige Bedeutung eines Beschäftigungsverbots, ist für die Frage der Monokausalität i. R. d. heutigen § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG nicht überzubewerten. § 49 BSeuchG war zwar Vorgängernorm des heutigen § 56 IfSG, erfasste allerdings, wie auch Letztere bis vor Kurzem, nicht die tatsächlich Erkrankten, sodass die vom Anwendungsbereich der Norm erfassten Personen i. d. R. bereits nicht arbeitsunfähig waren und sich so kein Konkurrenzproblem stellte.356 (ee) Argumente für einen Vorrang der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bei gleichzeitigem Eintritt mit anderen Verhinderungsgründen Gleichwohl ist der genannten Entscheidung in dem Ergebnis zuzustimmen, dass die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall trotz des in der Anspruchsgrundlage angelegten Monokausalitätskriteriums auch bei Bestehen infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen und auch neben einer ansteckenden Erkrankung, die der Arbeitsleistung entgegensteht, eingreifen kann. Hierfür sprechen mehrere Gesichtspunkte.

354 Jedenfalls ist erkannt worden, dass auch Kranke einen Verdienstausfall erleiden können, wie aus BT-Drucks. 19/27291, S. 61 hervorgeht. 355 Zum Problem der leichten Symptomatik Gerhardt, IfSG, 5. Aufl. 2021, § 56 Rn. 5; Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 10; Kluckert/Bachmann/Rung, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 15 Rn. 21; Kruse, ARP 2021, 116 (119). 356 So zur vorherigen Fassung des § 56 IfSG Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139). Ausgenommen der Fall, dass der Arbeitnehmer an einer anderweitigen als der gefährlichen Erkrankung litt, siehe hierzu auch Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 58.

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(a) Keine Verringerung des sozialen Schutzes bei gefährlichen Krankheiten Einen wichtigen Gedanken enthält bereits die Entscheidung des BAG selbst: Es sei sachlich nicht zu rechtfertigen und mit dem Sinn und Zweck des LFZG nicht zu vereinbaren, den Schutz desselben bei besonders schweren, i. S. v. besonders gefährlichen, Erkrankungen einzuschränken.357 Das BAG führte aus, der Arbeiter sei auch in den Fällen, in denen er nicht nur wegen seiner Erkrankung, sondern auch wegen eines Beschäftigungsverbotes nicht arbeiten dürfe, auf die wirtschaftliche Sicherung in seinem Krankheitsfall angewiesen.358 Diese Überlegungen sind auf das heutige EFZG und IfSG übertragbar, oder waren dies jedenfalls bis zur Erstreckung des personellen Anwendungsbereichs des § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG auf Kranke im März 2021359. Eine Ablehnung der Monokausalität bei angeordneter Absonderung (oder Tätigkeitsverbot) hätte bis zu dieser Änderung zu einer erheblichen Schlechterstellung des symptomatisch Infizierten geführt: § 616 BGB hätte den Vergütungsanspruch aufgrund der zeitlichen Grenzen der Norm oft nicht aufrechterhalten können, auf eine infektionsschutzrechtliche Entschädigung für den Verdienstausfall hatte der Kranke i. S. d. § 2 Nr. 4 IfSG nach der vorherigen Fassung des § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG indes keinen Anspruch.360 Zwar muss hieraus nicht zwingend folgen, dass dem Betroffenen keinerlei soziale Absicherung zugekommen wäre, denn ein Krankengeldanspruch nach § 44 Abs. 1 SGB V wäre aufgrund des dortigen, weiter gefassten Kausalitätskriteriums jedenfalls denkbar.361 Da das Krankengeld in der Höhe jedoch hinter der Entgeltfortzahlung und insbesondere auch hinter dem infektionsschutzrechtlichen Entschädigungsanspruch während der ersten sechs Wochen zurückbleibt, bliebe es bei einer Schlechterstellung des Kranken – ein paradoxes Ergebnis, soll doch die Entschädigungszahlung gerade die anderweitig Betroffenen den Kranken gleichstellen.362 Für Abgesonderte orientiert sich die Höhe des Entschädigungsanspruchs an derjenigen der Entgeltfortzahlung, der Gesetzgeber ging also offenbar davon aus, die in den Anwendungsbereich zunächst nicht aufgenommenen Kranken würden eben diese erhalten.363 357

BAG, Urt. v. 26. 4. 1978 – 5 AZR 7/77, AP LohnFG § 6 Nr. 6. BAG, Urt. v. 26. 4. 1978 – 5 AZR 7/77, AP LohnFG § 6 Nr. 6. 359 Siehe BGBl. 2021, I, S. 370 (373). 360 ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (472); Kießling/ Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 9; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 14; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139). 361 Siehe zum Krankengeldanspruch Gliederungspunkt F. I. 2. b) bb). 362 So zu § 48 BSeuchG-E BT-Drucks. 3/1888, S. 27; vgl. auch die Argumentation bei ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (472). 363 Vgl. ursprünglich mit Bezug zu Leistungen der Krankenversicherung BT-Drucks. 3/ 1888, S. 27: „Da sie vom Schicksal in a¨ hnlicher Weise betroffen sind wie Kranke, erscheint es angezeigt, ihnen Leistungen zu gewa¨ hren, wie sie sie als Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung im Krankheitsfalle erhalten wu¨ rden. Eine weitere Ausdehnung des entscha¨ digungsberechtigten Personenkreises, etwa auf Krankheitsverda¨ chtige oder Tuberkulosekranke, wa¨ re nicht sachgerecht. Krankheitsverda¨ chtige im Sinne des Entwurfs sind krank, wie sich aus der Begriffsbestimmung nach § 2 ergibt. Sie sind durchweg auch mit Ru¨ cksicht auf 358

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(b) Berücksichtigung der gesetzlichen Risikozuweisung Weiterhin ist zu sehen, dass – unter der Prämisse, dass ein Anspruch auf Krankengeld besteht – die Ablehnung der Monokausalität eine Belastung der Sozialversicherungsgemeinschaft bedeuten würde, die § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG gerade zu vermeiden sucht.364 Dem Arbeitgeber ist das Vergütungsrisiko der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von sechs Wochen explizit zugewiesen.365 Es handelt sich hierbei um eine allgemeine, sozialpolitische Wertungsentscheidung des Gesetzgebers.366 Liegt nun eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vor, ohne dass sich zuvor ein anderer Verhinderungsgrund realisiert hat, musste der Arbeitgeber mit den Kosten des dadurch bedingten Lohnausfalls rechnen.367 Aus den Erwägungen, die der Gesetzgeber seinerzeit zu § 48 BSeuchG-E anstellte368, ist insoweit zu schließen, dass die Absonderung des Arbeitnehmers an der grundsätzlichen Verteilung des Vergütungsrisikos nichts ändern sollte.369 Ein hinreichender die Krankheitserscheinungen, die den speziellen Krankheitsverdacht begru¨ nden, arbeitsunfa¨ hig, so daß die Leistungen der Krankenversicherung eintreten, wenn es sich um Versicherte handelt.“ Die Entschädigung sollte nach dem Entwurf 65 % des Verdienstausfalls betragen, siehe ebenda S. 10. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde dies unter Berücksichtigung der zu dem Zeitpunkt für Arbeiter geschuldeten Zusatzleistungen auf 90 % des Verdienstausfalls angehoben, um die Gleichstellung der infektionsschutzrechtlichen Störer mit Kranken zu gewährleisten, siehe ebenda S. 43. Vor der Änderung des BSeuchG im Jahr 1971 (BGBl. 1971, I, S. 1401) trat mit dem Inkrafttreten des Lohnfortzahlungsgesetzes im Jahr 1969 (BGBl. 1969, I, S. 946) eine entscheidende Änderung für die wirtschaftliche Absicherung von Arbeitern im Krankheitsfalle ein. An der nunmehr geltenden arbeitsrechtlichen Lösung, bei welcher der Arbeitgeber den Lohn für sechs Wochen fortzahlt, orientierte sich seit 1971 auch die Entschädigung nach dem BSeuchG (siehe BT-Drucks. VI/2176, S. 2). Auch heute entspricht die zeitliche Staffelung des § 56 Abs. 2 IfSG dem System der sechswöchigen, vollständigen Entgeltfortzahlung und anschließendem Krankengeld, welches den Verdienstausfall anteilig ausgleicht, wobei § 56 Abs. 2 S. 3 IfSG seit der Änderung durch Art. 1 Nr. 4 lit. c des Gesetzes zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen v. 29. 3. 2021, BGBl. 2021, I, S. 370 (374) nicht mehr auf die Höhe des Krankengeldes verweist, sondern selbst eine Entschädigung i. H. v. 67 % des Verdienstausfalls festschreibt. 364 Zur Entlastungsfunktion der Entgeltfortzahlung zugunsten der Sozialversicherung siehe bereits Gliederungspunkt F. I. 2. a) bb) (2). 365 BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand. 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 26; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 21; grundlegend für eine Berücksichtigung der gesetzlichen Risikoverteilung Gutzeit, Das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung, 2000, S. 105. 366 Vgl. auch Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 21; Preis/Mazurek/ Schmid, NZA 2020, 1137 (1139). 367 Vgl. auch die Argumentation in BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424); LG Tübingen, Urt. v. 6. 7. 1966 – 1 S 31/66, NJW 1966, 1865 (1868); LG Düsseldorf, Urt. v. 18. 5. 1966 – 11 b S. 43/66, DB 1966, 1053; BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 26. 368 Siehe BT-Drucks. 3/1888, S. 27. 369 Ähnlich argumentiert BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand. 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 26; vgl. zur fehlenden Entlastungsfunktion des § 56 Abs. 1 IfSG für Arbeitgeber LG Tübingen, Urt. v. 6. 7. 1966 – 1 S 31/66, NJW 1966, 1865 (1866); LG Düsseldorf, Urt. v. 18. 5. 1966 – 11 b S. 43/66, DB 1966, 1053; AG Köln, Urt. v. 18. 2. 1975 – 112 C 2130/74, NJW 1976, 378; BeckOK InfSG/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 37; Kießling/

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Schutz der Interessen des Arbeitgebers dürfte außerdem bereits daraus folgen, dass das Merkmal der Arbeitsunfähigkeit – wie hier – eng ausgelegt wird, sodass tatsächlich nur eigene gesundheitliche Einschränkungen erfasst werden, nicht aber potentielle Gefahren für Dritte.370 Sofern derartige gesundheitliche Einschränkungen als spezifisch dem Arbeitgeber zugewiesenes Risiko dann aber zu Beginn der Arbeitsverhinderung tatsächlich vorliegen, vermag es nicht zu überzeugen, die darüber hinaus bestehenden, infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen, die an eben diese gesundheitliche Einschränkung und ihre Gefahr für Dritte anknüpfen, wiederum als einschränkendes und den Entgeltfortzahlungsanspruch ausschließendes Kriterium aufzufassen. Das gilt jedenfalls, sofern die Arbeitsunfähigkeit nicht zu einer Absonderung oder einem Tätigkeitsverbot als anderweitiger Ursache, die sich bereits zuvor in einer tatsächlichen Arbeitsverhinderung realisiert hat, hinzutritt.371 (c) Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertungen im Rahmen des § 56 IfSG Ein wichtiges historisches wie teleologisches Argument für einen wertungsmäßigen Vorrang der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als Verhinderungsgrund jedenfalls gegenüber der infektionsschutzrechtlichen Absonderung ist schließlich der Charakter des § 56 IfSG als Billigkeitsregelung und die diesem zugrundeliegende Erwägung zum Vorrang von Arbeitgeber- und Versicherungsleistungen.372 Das Zurücktreten des Entschädigungsanspruchs, welches der Gesetzgeber wie oben skizziert ursprünglich beabsichtigte und bei Aufnahme der Kranken in den Anwendungsbereich erneut bekräftigte373, könnte selbst bei gleichzeitigem Eintritt krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit mit den Wirkungen infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen nicht eintreten, würde man die Monokausalität im Rahmen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ablehnen.374

Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 IfSG Rn. 3; vgl. auch ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (474); Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 21; Eufinger, DB 2020, 1121; siehe zu § 49 BSeuchG BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424); Schumacher/Meyn, BSeuchG, 4. Aufl. 1992, S. 133. 370 Siehe Gliederungspunkt F. I. 2. a) bb) (3) (b). 371 Siehe hierzu Gliederungspunkt F. I. 2. c) bb). 372 Vgl. auch bereits zu § 49 BSeuchG BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424); aktuell zudem ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (472); BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 37; Kluckert/ Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 21; Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (28); Eufinger, BB 2021, 504 (507); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (418); Preis/Mazurek/ Schmid, NZA 2020, 1137 (1139). 373 BT-Drucks. 19/27291, S. 61. 374 Bei späterem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit kann diese Wertung das anhand des Prioritätsprinzips zu bestimmende Ergebnis indes nicht ausräumen, siehe hierzu Gliederungspunkt F. I. 2. c) bb).

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(d) Vorrang der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auch gegenüber der gefährdungsbedingten Leistungsunfähigkeit Und auch gegenüber der Infektion selbst, soweit sie der Arbeitsleistung entgegensteht, ist die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, die sich gleichzeitig als Leistungshindernis realisiert, als vorrangiger Verhinderungsgrund zu betrachten. Während § 616 BGB eine allgemeine Norm des Dienstvertragsrechts darstellt, hat der Gesetzgeber im Rahmen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG spezifische Wertungen für den Krankheitsfall getroffen. Soweit es um denselben Hinderungsgrund geht, ist § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG lex specialis.375 Hier liegen nun mehrere Verhinderungsgründe vor – der innere Zusammenhang zwischen diesen Verhinderungsgründen sowie die Tatsache, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gewissermaßen ein gesteigertes Stadium der unter § 616 BGB fallenden, noch nicht zur Arbeitsunfähigkeit führenden Infektion darstellt, kann jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Im Rahmen des Monokausalitätskriteriums ist weiterhin anerkannt, dass solche Ersatzursachen außer Betracht bleiben, die sich nicht verwirklicht haben – sofern bei Beginn der Arbeitsverhinderung bereits eine COVID-19-bedingte Arbeitsunfähigkeit vorlag, lässt sich vertreten, dass die Vorstufe der symptomlosen oder leicht symptomatischen Infektion, die schon allein und für sich zu einer Arbeitsverhinderung geführt hätte, einen nur hypothetischen und insoweit unbeachtlichen Umstand darstellt. Weiterhin gilt auch hier die Erwägung, dass gerade gefährliche Krankheiten, die schon aufgrund der mit ihnen einhergehenden Ansteckungsgefahr zu einer Leistungsunfähigkeit führen, nicht aus dem Anwendungsbereich der Entgeltfortzahlung ausgenommen sein sollen – und das wäre die Folge, würde man schon die Infektion als vorrangigen Verhinderungsgrund betrachten. Alles andere wäre wertungswidersprüchlich und kann daher nicht das richtige Ergebnis sein. (c) Zwischenergebnis Mithin ist die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit als vorrangiger Verhinderungsgrund zu betrachten, wenn zeitgleich – nicht aber bereits zuvor – bereits die Infektion mit den Krankheitserregern oder eine infektionsschutzrechtliche Maßnahme der Arbeitsleistung entgegenstehen. Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall scheitert daher in diesem Fall nicht unter dem Gesichtspunkt der Kausalität.376 375 Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 5; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 27. 376 Insoweit im Ergebnis auch, allerdings ohne Beschränkung auf die Fälle der gleichzeitigen Realisierung der Verhinderungsgründe: ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (471 ff.); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690d; BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 26; BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 37; Kluckert/Temming, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 21, 24; Schlegel/Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 28; vom Stein/Rothe/Schlegel/ Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 12; Düwell, BB 2020, 891 (893); Eufinger, BB 2021, 504 (507); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (418); Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (753); Preis/ Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139); Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (28); Schürgers/Marski, BB 2022, 308 (309); Sievers/Kruppa, jM 2021, 446 (450 f.).

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Von Alleinursächlichkeit kann man vielleicht nicht sprechen, eine hinreichende Ursächlichkeit wird man aber doch annehmen können und müssen. (2) Fehlendes Verschulden des Arbeitnehmers Auch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und hinreichender Kausalität derselben für die Arbeitsverhinderung besteht der Anspruch nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG nur, sofern der Arbeitnehmer die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht zu verschulden hat. Das Gesetz legt den Bezugspunkt – Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit – nicht fest, es ist aber davon auszugehen, dass es sich um alternative Bezugspunkte handelt.377 Zur Bestimmung des Verschuldensbegriffs kann nicht auf § 276 BGB zurückgegriffen werden.378 Bei Schaffung des LFZG als Vorgänger des heutigen EFZG wurde das bis dato in der Rechtsprechung vorherrschende Verständnis des Begriffs zugrunde gelegt379: Nach bis dahin und auch seither ständiger Rechtsprechung des BAG muss dem Arbeitnehmer ein Verschulden gegen sich selbst vorwerfbar sein, er muss also in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen zu erwartenden Verhaltensweisen verstoßen haben.380 Hierbei gelte anders als im Rahmen der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten nach § 277 BGB ein objektiver Maßstab.381 Teile der Literatur stellen darauf ab, ob dem Arbeitnehmer Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fallen,382 hierbei handelt es sich jedoch in erster Linie um eine begriffliche Abweichung, die angesetzten Maßstäbe weichen im 377

HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 52; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 46. 378 BAG, Urt. v. 26. 10. 2016 – 5 AZR 167/16, NZA 2017, 240 (242); Urt. v. 18. 3. 2015 – 10 AZR 99/14, NZA 2015, 801 (802); BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand. 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 34; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 23; HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 51; Küttner/Griese, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Entgeltfortzahlung Rn. 6; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 47; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 36; vom Stein/Rothe/Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 13; Beden, NZA 2021, 917 (918); Krainbring, NZA 2021, 247 (248). 379 Im Entwurf der SPD-Fraktion eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle, BT-Drucks. IV/817, S. 8, heißt es: „Auf eine Definition des Verschuldens wird, wie bisher auch schon, verzichtet werden können. Die Rechtsprechung hat diesen Begriff in maßvoller Weise im Wesentlichen dahin ausgelegt, daß es sich um einen gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten handeln müsse (vgl. Bundesarbeitsgericht AP Nr. 13 zu § 1 Arbeiterkrankheitsgesetz, bestätigt durch Urteil vom 5. 4. 1962 – 2 AZR 182/61).“ 380 Ständ. Rspr., vgl. etwa BAG, Urt. v. 26. 10. 2016 – 5 AZR 167/16, NZA 2017, 240 (242); Urt. v. 18. 3. 2015 – 10 AZR 99/14, NZA 2015, 801 (802); Urt. v. 7. 8. 1991 – 5 AZR 410/90, NZA 1992, 69; Urt. v. 30. 3. 1988 – 5 AZR 42/87, NJW 1988, 2323 (2324); Urt. v. 1. 6. 1983 – 5 AZR 536/80, NJW 1983, 2659 (2660). 381 BAG, Urt. v. 18. 3. 2015 – 10 AZR 99/14, NZA 2015, 801 (802); BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand. 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 34; vom Stein/Rothe/Schlegel/Weber, 2. Aufl. 2021, § 23 Rn. 13; Beden, NZA 2021, 917 (918). 382 MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 48; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 30; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 Rn. 125; Künzl, BB 1989, 62 (66); siehe auch MAH ArbR/Glaser, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 224.

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Ergebnis regelmäßig nicht voneinander ab.383 Die Rechtsprechung zu Fragen des Verschuldens des Arbeitnehmers gegen sich selbst ist umfangreich.384 Insbesondere die Nichtbeachtung von Vorschriften zum Gesundheitsschutz oder sonstiger Verhaltensregeln, etwa im Straßenverkehr oder beim Sport, kann einen Verschuldensvorwurf im Rahmen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG rechtfertigen.385 Insgesamt ist der Begriff des Verschuldens mit Blick auf die Freiheit des Arbeitnehmers, sein Verhalten außerhalb der Arbeitszeit nach seinem Belieben zu gestalten, allerdings restriktiv zu handhaben.386 Nur bei Vorliegen besonderer Umstände soll das Verschulden zu bejahen sein.387 Hat sich der Arbeitnehmer mit dem Coronavirus infiziert und ist in der Folge arbeitsunfähig erkrankt, kommen mehrere Umstände in Betracht, die als Verschulden gegen sich selbst eingeordnet werden könnten – so etwa das Missachten von Hygienevorschriften, die Teilnahme an sog. Corona-Partys, die Vornahme vermeidbarer Reisen in Risikogebiete sowie seit der freien Verfügbarkeit der Coronaschutzimpfung auch der Umstand, dass der Arbeitnehmer eine solche nicht hat vornehmen lassen. (a) Missachten von Hygienevorschriften und behördlichen Anordnungen sowie Teilnahme an Corona-Partys Ein den Entgeltfortzahlungsanspruch ausschließendes Verschulden wird erwogen, wenn der Arbeitnehmer sich im Alltag nicht an die allgemeinen Hinweise zur Infektionsverhinderung – etwa regelmäßig Händewaschen, Abstand halten und das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes in öffentlichen Räumen – gehalten hat.388 Die Grenzen dürfen hier jedoch nicht zu weit gezogen werden. Zwar liegt die Befolgung 383

BAG, Urt. v. 18. 3. 2015 – 10 AZR 99/14, NZA 2015, 801 (802); Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 261; siehe auch BAG, Urt. v. 11. 11. 1987 – 5 AZR 497/86, NJW 1988, 1546. 384 Siehe die zusammenfassende Darstellung der Einzelfälle bei ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 25 ff.; HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 55 ff.; MHdbArbR/ Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 52 ff.; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 39 ff.; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 271 f. 385 Vgl. etwa BAG, Urt. v. 21. 4. 1982 – 5 AZR 1019/79, NJW 1983, 2900; Urt. v. 7. 10. 1981 – 5 AZR 338/79, NJW 1982, 1014; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 26; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 39 f.; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 263. 386 MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 47; vgl. auch Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 262; Beden, NZA 2021, 917 (918); Sievers, jM 2020, 189 (201). 387 So die Rechtsprechung bewertend Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 262; vgl. auch Beden, NZA 2021, 917 (918), der in Anlehnung an MAH ArbR/Glaser, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 36 ein fast schon unverständliches oder mutwilliges Verhalten fordert; Greiner, NZA 2022, 665 (674) spricht von „ganz seltenen Ausnahmekonstellationen“. 388 In diese Richtung Stück, GmbHR 2020, 631 (637); für grobe Verstöße gegen innerbetriebliche Schutzmaßnahmen auch MAH ArbR/Glaser, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 224; ErfK/ Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 26; Benkert, NJW-Spezial 2020, 306; Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); siehe auch Stück/Wein, AuA 2007, 345.

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der Hygienebestimmungen im eigenen Interesse. Es handelt sich um Verhaltensweisen, die für den Großteil der Betroffenen höchst ungewohnt sind – so jedenfalls zu Beginn der Pandemie –, sodass eine Missachtung der Hygieneempfehlungen gerade in Momenten der Unachtsamkeit nicht unwahrscheinlich und auch nicht vorwerfbar ist. Es ist nicht sachgerecht, jedem Arbeitnehmer, der den Mindestabstand nicht immer eingehalten hat oder in bestimmten Situationen vergessen hat, eine MundNase-Bedeckung aufzusetzen, den Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu versagen.389 Regelmäßig wird man daher – auch im Hinblick auf die gebotene restriktive Auslegung des Verschuldensbegriffs – bei Nichtbefolgung dieser Empfehlungen noch keinen groben Verstoß gegen die von einem verständigen Menschen zu erwartenden Verhaltensweisen feststellen können.390 Dahingegen kann die Teilnahme an sogenannten Corona-Partys den Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausschließen.391 Hierbei handelt es sich um Feiern, die unter Umgehung der Pandemiebekämpfungsmaßnahmen veranstaltet werden.392 Den Teilnehmern geht es hier nicht zwingend darum, eine Infektion herbeizuführen, das erhöhte Infektionsrisiko wird aber bewusst in Kauf genommen.393 Nimmt der Arbeitnehmer an einer solchen Party teil, setzt er sich nicht nur aus Unachtsamkeit einem erhöhten Gesundheitsrisiko aus, sondern setzt sich bewusst über die sowohl im eigenen als auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse geltenden Pandemiebekämpfungsmaßnahmen hinweg. Die Teilnahme verstößt in Zeiten der Coronapandemie so grob gegen die eigenen gesundheitlichen Interessen, dass ein Verschulden i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG bei Eintritt einer Infektion bejaht werden muss.394 Gleiches kann für Fälle gelten, in denen sich der Arbeitnehmer bewusst über konkrete, hoheitliche Anordnungen hinwegsetzt.395 Als Beispiel kann hier der Besuch eines sich in Absonderung befindlichen Bekannten genannt werden.396 389

A. A. wohl Bauschke, öAT 2021, 70 (72). Siehe auch Dahl/Göpfert/Helm/Giese/Schotter, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 5 Rn. 18, die ein Verschulden bei Besuch von Großveranstaltungen verneinen. Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (754) geht auch im Kontext der Coronapandemie davon aus, dass ein Verschulden nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Siehe aber auch die Erwägungen bei Greiner, NZA 2022, 665 (675), der mit Blick auf die von STIKO und RKI definierten Verhaltensempfehlungen eine Verobjektivierung des Verschuldensmaßstabs in Betracht zieht. 391 Dahl/Göpfert/Helm/Giese/Schotter, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 5 Rn. 18; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 40; Schaub/Koch/Koch, Arbeitsrecht von A – Z, 26. Aufl. 2022, Corona; vom Stein/Rothe/Schlegel/Krieger, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 12; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (754); Bauschke, öAT 2021, 70 (72); Düwell, BB 2020, 891 (893); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (565). 392 Vgl. Begriffsdefinition im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, Coronaparty, abrufbar unter https://www.dwds.de/wb/Coronaparty (letzter Abruf: 19. 5. 2020). 393 Vgl. hierzu Düwell, BB 2020, 891 (893); Hotz, NStZ 2020, 320 (323). 394 So im Ergebnis auch vom Stein/Rothe/Schlegel/Krieger, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 12; Düwell, BB 2020, 891 (893); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (565); für die bewusste Herbeiführung der Infektion Klein, NJ 2020, 377 (379). 395 Sievers, jM 2020, 189 (201); vgl. auch Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 18. 390

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Für den Arbeitgeber wird sich in vielen Fällen allerdings das Problem der Beweisbarkeit stellen: Das Verschulden des Arbeitnehmers ist als anspruchsvernichtende Einwendung durch den Arbeitgeber geltend zu machen, den so auch die Darlegungs- und Beweislast trifft.397 Hat sich der Arbeitnehmer bei alltäglichen Tätigkeiten infiziert, wird oft nicht feststehen, wo und wann die Infektion stattgefunden hat – hier wird es dem Arbeitgeber häufig nicht möglich sein, das Verschulden zu beweisen.398 Kann er allerdings Tatsachen vortragen, die auf ein Verschulden schließen lassen, und verweigert der Arbeitnehmer die Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts, kann von einem Verschulden ausgegangen werden.399 (b) Vermeidbare Reisen in Risikogebiete Zwar bat der Bundesinnenminister die Bürgerinnen und Bürger schon zu Beginn der Pandemie, alle nicht zwingend notwendigen Reisen zeitweise zu unterlassen400 und auch das Auswärtige Amt sprach zeitweise eine weltweite Reisewarnung für touristische Reisen aus401. Die Reisefreiheit wurde im Verlaufe der Pandemie mehrfach faktisch durch Grenzkontrollen, Einreisebeschränkungen, den Ausschluss touristischer Übernachtungen im In- wie Ausland sowie eingeschränkten Flugverkehr beschränkt, ein Reiseverbot bestand jedoch grundsätzlich nicht. Auch Urlaubsreisen des Arbeitnehmers können jedoch in Zeiten der Pandemie einen Verschuldensvorwurf begründen.402 Im Hinblick auf die gebotene restriktive 396

Vgl. Dahl/Göpfert/Helm/Giese/Schotter, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 5 Rn. 18; Eufinger, BB 2021, 504 (505); ders., GesR 2021, 69 (74); ders., DB 2020, 1121 (1122). 397 Vgl. BAG, Urt. v. 18. 3. 2015 – 10 AZR 99/14, NZA 2015, 801 (803); Urt. v. 7. 8. 1991 – 5 AZR 410/90, NZA 1992, 69; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 32; HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 72; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 85; in Zweifel gezogen von Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 Rn. 551. 398 In diese Richtung auch Schaub/Koch/Koch, Arbeitsrecht von A – Z, 26. Aufl. 2022, Corona; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (754); Düwell, BB 2020, 891 (893). 399 ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 32; Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (566). 400 Siehe Bundesministeriums des Innern und für Heimat, Pressemitteilung v. 15. 3. 2020: „Der Bundesinnenminister bittet alle Bürgerinnen und Bürger, nicht zwingend notwendige Reisen unbedingt zu unterlassen.“ 401 Auswärtiges Amt, Pressemitteilung v. 17. 3. 2020. 402 Siehe etwa BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 37; Knorr/ Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 91c; MAH ArbR/Glaser, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 224; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 63; Schaub/Linck, ArbRHdB, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 40; vom Stein/Rothe/ Schlegel/Krieger, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 12; Linck, in: FS Preis, 2021, S.743 (745); Preis/ Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (41); Adam, SPA 2020, 137 (138); Benkert, NJWSpezial 2020, 306; Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (565); Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (347); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); Sievers, jM 2020, 189 (201); Weller/ Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018). Zu Dienstreisen siehe demgegenüber VG Karlsruhe, Urt. v. 10. 5. 2021 – 9 K 67/21, BeckRS 2021, 18269.

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Auslegung des Verschuldensbegriffs kann dies allerdings nicht schon für jede Reise des Arbeitnehmers gelten. In der Literatur wurden verschiedene Vorschläge und Einschränkungen dahingehend gemacht, wann Reisen an bestimme Destinationen ein Verschulden i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG begründen können: Häufig wird darauf abgestellt, ob das Reiseziel ausgewiesenes Risikogebiet ist oder nicht.403 Teilweise wird angenommen, ein Verschulden könne nur vorliegen, wenn eine offizielle Reisewarnung vorliege, eine reine Sicherheitswarnung – d. h. wohl auch ein „Abraten“ durch das Auswärtige Amt oder die reine Einordnung als Risikogebiet – soll nicht genügen.404 In aller Regel wird sich das Vorliegen einer Reisewarnung allerdings mit der Einordnung als Risikogebiet decken.405 Sollte dem einmal nicht so sein, ist eine einzelfallbezogene Betrachtung dahingehend angezeigt, ob für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass ein erhöhtes Infektionsrisiko am Zielort besteht – ist dies der Fall, kann die Form der Warnung letztlich nicht entscheidend sein. Das gilt insbesondere aus dem Grund, dass Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes nicht zwingend mit der Infektionsgefahr vor Ort zusammenhängen, sondern auch etwa mit der Gefahr, von dem betreffenden Ort nicht mehr zurückreisen zu können.406 Die Ausweisung der Risikogebiete hingegen erfolgt spezifisch mit Blick auf das Infektionsrisiko.407 Wenig überzeugend ist es, die Möglichkeit des Verschuldensvorwurfs schon der Reise wegen auf Fälle zu beschränken, in denen Arbeitnehmer mit Vorerkrankung entgegen ärztlichen Rats verreisen.408 Auch ohne Vorliegen einer Vorerkrankung ist der Verlauf der Coronavirusinfektion unberechenbar und kann zu schweren Ge403 MAH ArbR/Glaser, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 224; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 63; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 40; Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (41); Benkert, NJW-Spezial 2020, 306; Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (888); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (565, „Krisengebiet“); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113, „Gefahrengebiet“); Sievers, jM 2020, 189 (201); Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018). 404 BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand. 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 37; von SteinauSteinrück/Mosch, NJW Spezial 2009, 578; wohl auch ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 26; Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 91c; MAH ArbR/Glaser, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 224; Schaub/Koch/Koch, Arbeitsrecht von A – Z, 26. Aufl. 2022, Corona; vom Stein/Rothe/Schlegel/Schubert, 2. Aufl. 2021, § 26 Rn. 30; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (754); Bauschke, öAT 2021, 70 (72); vgl. auch Bonanni, ArbRB 2020, 110 (113): „jedenfalls für den Fall einer offiziellen Warnung des Auswärtigen Amtes“. 405 Siehe Auswärtiges Amt, Covid-19-Reisewarnung: FAQ, 4. 11. 2021, Welche Bedeutung hat eine Reisewarnung?: „Anlässlich der COVID-19-Pandemie gelten Reisewarnungen für nicht notwendige, touristische Reisen grundsätzlich für alle Länder, die von der Bundesregierung als Hochrisikogebiet oder als Virusvariantengebiet eingestuft wurden“. 406 Vergleichbare Erwägungen lagen etwa der weltweiten Reisewarnung vom 17. 3. 2020 zugrunde, siehe hierzu Auswärtiges Amt, Pressemitteilung v. 17. 3. 2020. 407 Siehe hierzu Robert Koch Institut, Informationen zur Ausweisung internationaler Risikogebiete durch das Auswärtige Amt, BMG und BMI, Stand: 1. 3. 2022. 408 So aber HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 70; vom Stein/Rothe/Schlegel/ Schubert, 2. Aufl. 2021, § 26 Rn. 30; Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (347); Strach, NJW 2021, 10 (15).

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sundheitsbeeinträchtigungen führen.409 Daher können auch Personen, die nicht der Risikogruppe angehören, gegen die im eigenen Interesse gebotenen Verhaltensweisen verstoßen, wenn sie sich durch eine Reise in ein gefährdetes Gebiet bewusst einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen.410 Zum Teil wird danach differenziert, ob die Infektionsgefahr am Zielort höher ist als am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitnehmers.411 Ein Verschulden aufgrund einer Reise nur dann anzunehmen, wenn die Reise auch ein erhöhtes Infektionsrisiko mit sich bringt, scheint durchaus sinnvoll.412 Indes ist darauf hinweisen, dass inzwischen auch der Vergleich der inländischen Pandemiesituation mit derjenigen in ausländischen Gebieten jedenfalls bei der Ausweisung der Risikogebiete berücksichtigt wird, sodass die Einschränkung häufig nicht relevant sein wird.413 Auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkung scheint jedoch die Frage berechtigt, ob nicht die Annahme eines Verschuldens schon der Reise wegen eine zu starke Einschränkung zulasten des Arbeitnehmers bedeutet.414 Schließlich sind auch Aufenthalte in als Risikogebiet ausgewiesenen Staaten möglich, bei denen das Infektionsrisiko gleichwohl gering ist, etwa wenn der Arbeitnehmer mit dem Auto anreist und sich während seines Aufenthalts nur im eigenen Ferienhaus aufhält. Der Regelfall dürfte dies gleichwohl nicht sein. Vielmehr bringt eine Reise häufig die Nutzung von Nah- oder Fernverkehrsmitteln sowie die Teilnahme an touristischen Aktivitäten mit sich, bei denen eine erhöhte Infektionsgefahr besteht. Es scheint daher gerechtfertigt, jedenfalls zu vermuten, dass der Arbeitnehmer, der sich entgegen der Empfehlungen der zuständigen Stellen in Gebiete mit erhöhter Infektionsgefahr begibt und dabei mit dem Coronavirus infiziert wird, gegen die im eigenen Interesse gebotene Sorgfalt verstoßen hat.415 Das gilt indes nur, wenn die Gefahr

409 Siehe Robert Koch Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID19, Stand: 26. 11. 2021, Ziffer 15. 410 So wohl auch BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 37; Bonanni, ArbRB 2020, 110 (113); Grimm, ArbRB 2020, 230 (231); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1113); Sievers, jM 2020, 189 (201); Stück, GmbHR 2020, 631 (637); von SteinauSteinrück/Mosch, NJW Spezial 2009, 578; Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018); a. A. Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (347). 411 BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand. 1. 4. 2022), § 3 EFZG Rn. 37; Benkert, NJWSpezial 2020, 306; Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (347). 412 So auch Beden, NZA 2021, 917 (918). Schürgers/Marski, BB 2022, 308 (309) lehnen dies ab, soweit allein auf die Inzidenzzahlen abgestellt werde. 413 Vgl. Robert Koch Institut, Informationen zur Ausweisung internationaler Risikogebiete durch das Auswärtige Amt, BMG und BMI, Stand: 1. 3. 2022. 414 In diesem Sinne wohl Strach, NJW 2021, 10 (15). 415 Wohl auch Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 91c; Schaub/Linck, ArbRHdB, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 40, nach dem jede Form der Urlaubsreise als verschuldet anzusehen ist, i. E. ebenso Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (41); Beden, NZA 2021, 917 (919).

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bereits zum Zeitpunkt des Reiseantritts erkennbar war.416 In diesem Fall dürfte der Arbeitgeber seiner Beweislast hinsichtlich des Verschuldens des Arbeitnehmers genügen, wenn er die Reise in das gefährdete Gebiet und die dortige Ansteckung nachweist.417 Zum dahingehend bestehenden Auskunftsrecht des Arbeitgebers siehe Gliederungspunkt D. I. 4. Dem Arbeitnehmer ist indes die Möglichkeit zuzugestehen, ihn entlastende Umstände geltend zu machen, so etwa eine trotz Aufenthalts in einem Risikogebiet nicht erhöhte Infektionsgefahr oder aber – in Anlehnung an die Regelung des § 56 Abs. 1 S. 4, 5 IfSG418 – das Bestehen eines zwingenden, unaufschiebbaren Grundes für die Reise419. (c) Ausbleiben einer möglichen Schutzimpfung Eine erst im späteren Verlauf der Coronapandemie relevant gewordene Frage ist diejenige nach einem Verschulden des ungeimpften Arbeitnehmers, der sich mit dem Coronavirus infiziert und arbeitsunfähig erkrankt. Das Ziel im Hinterkopf, die Impfquote so gut wie möglich voranzubringen, möchte man sie bejahen – die Perspektive, den Vergütungsanspruch im Falle des coronabedingten Arbeitsausfalls zu verlieren, sofern eine Impfung verweigert wurde, dürfte entscheidender Impfanreiz für Viele sein420. Fernliegend scheint eine Subsumtion unter den Verschuldensbegriff auf den ersten Blick auch nicht: Experten empfehlen die Coronaschutzimpfung für fast alle Altersgruppen, das Risiko für schwere Verläufe und den Tod wird drastisch gesenkt – wer die Impfung in Kenntnis dieser Tatsachen verweigert, muss doch gegen die von einem verständigen Menschen zu erwartenden Verhaltensweisen versto416 Vgl. Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 91c; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 63; Adam, SPA 2020, 137 (138) für Risikogebiete; wohl auch Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018). 417 Schürgers/Marski, BB 2022, 308 (309); wohl auch Beden, NZA 2021, 917 (919); Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 40 erwägt, ob bei einer Reise in ein Risikogebiet ohne zwingenden und unaufschiebbaren Grund von einer tatsächlichen Vermutung der Infektion bei dieser Gelegenheit auszugehen ist; ebenso ders., in: FS Preis, 2021, S. 743 (753). 418 Für die Berücksichtigung der Maßstäbe des § 56 Abs. 1 S. 4, 5 IfSG auch Linck, in: FS Preis, 2021, S.743 (745); Beden, NZA 2021, 917 (919 f.); Schürgers/Marski, BB 2022, 308 (309); Sievers/Kruppa, jM 2022, 22 (26 f.); siehe auch die Erwägungen bei Greiner, NZA 2022, 665 (674), der das bei fehlender Parallelwertung entstehende, seltsam anmutende Ergebnis herausstellt, „dass der Arbeitgeber bei der ihm gesetzlich im fremden Interesse auferlegten Pflicht zur Entgeltfortzahlung auch dann leistungspflichtig bliebe, wenn der Staat mit Blick auf die vernachlässigte Eigenverantwortung des Einzelnen seine eigene infektionsschutzrechtliche Einstehenspflicht nach § 56 IfSG gerade ausschließt“. 419 So auch Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 40; ebenfalls auf die Vermeidbarkeit abstellend Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (41); zu schwach ist hingegen die Forderung nach einem „triftigen“ Grund, so aber MAH ArbR/Glaser, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 224; Schmidt/Winter/Thürk, COVID-19, 2. Aufl. 2020, § 18 Rn. 18a; Adam, SPA 2020, 137 (138); Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018). 420 So der ursprüngliche Gedanke hinter der Ausschlussregelung des § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 1 IfSG, siehe BT-Drucks. 19/13452, S. 50.

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ßen.421 Zu sehen ist allerdings, dass ein Verschulden des Arbeitnehmers nur angenommen werden kann, wenn seine Verhaltensweisen die Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit in zurechenbarer Weise verursacht haben, d. h. in diesem Kontext, wenn die Impfung Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte.422 Damit weist die Problemstellung Parallelen zum Ausschluss des infektionsschutzrechtlichen Entschädigungsanspruchs nach § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 1 IfSG auf.423 Symptomatische Infektionen mit der zum Zeitpunkt der Abgabe dieser Arbeit noch vorherrschenden Deltavariante werden nach derzeitigem Kenntnisstand mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 %, schwere Verläufe mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 90 % verhindert.424 Ob ein Eigenverschulden des ungeimpften und infiziert arbeitsunfähigen Arbeitnehmers besteht, wird damit zur Wertungsfrage dahingehend, mit welchem Grad an Gewissheit eine Ursächlichkeit der unterlassenen Impfung angenommen werden kann.425 Als möglicher Anhaltspunkt für den anzulegenden Maßstab der Wahrscheinlichkeit wird die „große Wahrscheinlichkeit“, die im Falle der Verdachtskündigung für deren Zulässigkeit gefordert wird, genannt.426 Das kann nicht überzeugen, ist hier doch erstens kein bestimmter, mathematischer Grad an Wahrscheinlichkeit festgelegt427 und der Verweis damit wenig aufschlussreich, zweitens die Situation der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Verdachts einer Pflichtverletzung oder Straftat kaum mit derjenigen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbar. Sinnvoller erscheint demgegenüber das Heranziehen der oben schon genannten Grundsätze der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, jedenfalls insofern, als diese zeigen, dass hundertprozentige Sicherheit darüber, dass die Impfung eine Infektion verhindert hätte, nicht erforderlich ist.428 Hinsichtlich des Verschuldens der Coronavirusinfektion als solcher können die Wertungen, die bereits zu § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 1 IfSG erarbeitet wurden, übertragen werden – die Wahrscheinlichkeit der Verhinderung schon einer Infektion durch die Impfung von nach derzeitigem Kenntnisstand ca. 75 % oder weniger kann nicht als 421

So die Wertung bei Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 91a; Adam, SPA 2021, 65 (66); Gutzeit, DB 2021, 955 (959); Krainbring, NZA 2021, 247 (248 f.). 422 BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 37; Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 91a; Krainbring, NZA 2021, 247 (247 f.); vgl. auch Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 40. 423 Siehe hierzu bereits Gliederungspunkt F. I. 2. a) aa) (4). 424 Siehe Robert Koch Institut, Wirksamkeit (Stand: 27. 4. 2022), Wie wirksam sind die COVID-19-Impfstoffe?. 425 Vgl. auch Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 91a; Krainbring, NZA 2021, 247 (248). A. A. Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (43), nach denen die unterlassene Schutzimpfung nicht vorwerfbar sein kann, weil sie nicht zu einer Risikosteigerung führe, sondern lediglich ein bereits vorhandendes Ausfallrisiko nicht gesenkt werde. 426 Krainbring, NZA 2021, 247 (248). 427 Siehe BAG, Urt. v. 6. 9. 2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219 (223); ErfK/Niemann, 22. Aufl. 2022, § 626 BGB Rn. 177a. 428 Krainbring, NZA 2021, 247 (248).

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

ausreichend erachtet werden, um eine Kausalität zwischen unterlassener Impfung und Infektion zu begründen.429 Zwar ist die Chance, dass aufgrund der Impfung eine Arbeitsunfähigkeit ausbleibt, besser – sie dürfte bei Zugrundelegung der genannten Daten zwischen 75 % und 90 % liegen, da nicht jede Symptomatik Arbeitsunfähigkeit begründet, zugleich aber auch nicht erst Arbeitsunfähigkeit eintritt, wenn die COVID-19-Erkrankung einen schweren Verlauf annimmt. Gleichwohl ist angesichts der restriktiven Handhabung des Verschuldensbegriffs zweifelhaft, ob das bereits für einen Ausschluss der Entgeltfortzahlung ausreichen kann.430 Hiergegen spricht auch die gebotene parallele Wertung431 zu § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 1 IfSG – auch der Entschädigungsanspruch wäre bei infektionsbedingter Absonderung nicht ausgeschlossen, dieser soll jedoch gerade die Gleichstellung der nicht krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Abgesonderten mit denjenigen, die Entgeltfortzahlung erhalten, bewirken432. Eine strengere Wertung im Rahmen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG gegenüber derjenigen des § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 1 IfSG wäre daher wertungswidersprüchlich.433 Mithin kann nach jetzigem Kenntnisstand nicht davon ausgegangen werden, dass die COVID-19-bedingte Arbeitsunfähigkeit wegen fehlender Schutzimpfung selbst verschuldet ist.434 429 In diesem Sinne auch Naber/Schulte, NZA 2021, 81 (85 f.); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690n und Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (43) sprechen sich zwar gegen die Übertragbarkeit der Wertungen des § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG auf den Verschuldensbegriff des EFZG aus, kommen hier aber zu demselben Ergebnis. 430 Zweifelnd auch Eufinger, BB 2021, 504 (507); offen gelassen von den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages, WD 3-3000-164/21 und WD-9-3000-081/21, S. 12; BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 37; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 40; Jahn, DB 2021, 2430. 431 Für eine parallele Wertung auch Krainbring, NZA 2021, 247 (248); Eufinger, GesR 2021, 69 (74); Lorenzen, COVuR 2021, 722 (724); Schürgers/Marski, BB 2022, 308 (310); Sievers/Kruppa, jM 2022, 22 (28); wohl auch Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 40; in anderem Kontext auch Beden, NZA 2021, 917 (919); a. A. ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690n; Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (43 f.). 432 Vgl. zur Vorgängernorm im BSeuchG BT-Drucks. 3/1888, S. 27. 433 In die entgegengesetzte Richtung argumentiert Krainbring, NZA 2021, 247 (249), der allerdings anders als hier von einem Ausschluss des Entschädigungsanspruchs nach § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG bei Infektion nach unterbliebener Impfung ausgeht und insoweit eine parallele Wertung in § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG fordert; ebenso Lorenzen, COVuR 2021, 722 (724 f.); Schürgers/Marski, BB 2022, 308 (310); Sievers/Kruppa, jM 2022, 22 (28); a. A. ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690n; Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (43 f.), die im Rahmen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG indes zu demselben Ergebnis gelangen. 434 I. E. ebenso HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 70; Eufinger, BB 2021, 504 (507); Moderegger, ArbRB 2021, 273 (276, allerdings mit abweichender und nicht überzeugender Begründung); Naber/Schulte, NZA 2021, 81 (85); für die symptomatische Infektion wohl auch Grimm, ArbRB 2021, 293 (294); offen gelassen von den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages, WD 3-3000-164/21 und WD-9-3000-081/21, S. 12; BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 37; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 98 Rn. 40; Jahn, DB 2021, 2430; a. A. Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022,

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(3) Zwischenergebnis zum Entgeltfortzahlungsanspruch bei anfänglich bestehender Arbeitsunfähigkeit Ist der Arbeitnehmer aufgrund einer ausgebrochenen und mit stärkeren Symptomen einhergehenden COVID-19-Erkrankung arbeitsunfähig, kann er einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall haben. Das gilt auch bei streng genommen fehlender Alleinursächlichkeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, soweit letztere sich vor oder gleichzeitig mit den Verhinderungsgründen der hoheitlich angeordneten Absonderung oder der Leistungsunfähigkeit wegen Gefährdung Dritter realisiert. Bei vorheriger Realisierung der Arbeitsunfähigkeit als Verhinderungsgrund folgt dies schon aus dem zu befürwortenden Prioritätsprinzip, bei gleichzeitiger Realisierung aus einer wertenden Betrachtung, welche die sozialpolitischen Wertungen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG, die allgemeine gesetzliche Risikozuweisung sowie insbesondere auch das Verhältnis der Norm zu den § 56 IfSG und § 616 BGB berücksichtigt. Anderenfalls könnte § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG bei gefährlichen, ansteckenden Krankheiten regelmäßig nicht eingreifen. Der Anspruch ist allerdings ausgeschlossen, sofern der Arbeitnehmer die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu verschulden hat. Ein Verschulden der COVID-19-bedingten Arbeitsunfähigkeit kommt zunächst bei Missachten von Hygienevorschriften in Betracht, wobei angesichts der restriktiven Handhabung des Verschuldensmerkmals nicht davon ausgegangen werden kann, dass jedweder Verstoß genügt. Jedenfalls die Teilnahme an sog. Corona-Partys muss jedoch ausreichen, um den Anspruchsausschluss wegen Eigenverschuldens zu begründen. Gleiches gilt im Einzelfall bei bewusstem Hinwegsetzen über konkrete, hoheitliche Anordnungen. Auch Reisen in ausgewiesene Risikogebiete bzw. Gebiete, für die eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes besteht, können den Verschuldensvorwurf begründen, wenn das erhöhte Infektionsrisiko dem Arbeitnehmer bei Reiseantritt erkennbar war und keine zwingenden, unaufschiebbaren Gründe für die Reise bestanden. Einschränkend ist zu berücksichtigen, ob die Infektionsgefahr am Reiseziel tatsächlich höher ist als am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitnehmers. Schließlich kann ein Eigenverschulden nicht damit begründet werden, dass der Arbeitnehmer trotz entsprechender Möglichkeit nicht gegen COVID-19 geimpft ist. Eine hinreichende Kausalität zwischen Infektion bzw. Arbeitsunfähigkeit und unterbliebener Impfung kann auf Basis der bisherigen Kenntnisse zur Wirksamkeit der Impfstoffe nicht begründet werden. Ist dem bei Beginn der Arbeitsverhinderung an COVID-19 erkrankten und arbeitsunfähigen Arbeitnehmer kein Verschuldensvorwurf zu machen und ist die vierwöchige Wartezeit nach § 3 Abs. 3 EFZG abgelaufen, hat er einen Anspruch auf vollständige Entgeltfortzahlung nach Maßgabe des § 4 EFZG für die Dauer von maximal sechs Wochen.

§ 3 EFZG Rn. 91a; Adam, SPA 2021, 65 (66); Gutzeit, DB 2021, 955 (959); Krainbring, NZA 2021, 247 (248 f.); Lorenzen, COVuR 2021, 722 (724 f.).

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bb) Anspruch auf Krankengeld nach § 44 Abs. 1 SGB V435 Nicht nur die Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG geht dem Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG vor, sondern ebenso das Krankengeld nach § 44 Abs. 1 SGB V. Damit ist auch diese Lohnersatzleistung für die Verteilung des Kostenrisikos beim Ausfall des mit dem Coronavirus infizierten Arbeitnehmers von Relevanz. Der Anspruch auf Krankengeld steht allen Versicherten zu, d. h. allen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit nicht § 44 Abs. 2 SGB V etwas anderes bestimmt.436 Einzige weitere Voraussetzung ist, dass ein Versicherungsfall vorliegt.437 Versichert sind die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit sowie die krankheitsbedingte stationäre Behandlung in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung, § 44 Abs. 1 SGB V. (1) Arbeitsunfähigkeit i. S. d. SGB V Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit wird hierbei grundsätzlich eng verstanden und entspricht im Wesentlichen dem Begriff des EFZG – erforderlich ist, dass der Versicherte seine Arbeit nicht mehr oder nur auf Gefahr der Verschlimmerung des Zustands ausüben kann.438 Ob für den Begriff der Krankheit der zweigliedrige, sozialversicherungsrechtliche Begriff gilt, der Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit schon selbst voraussetzt, wobei dann jedoch allein die Behandlungsbedürftigkeit nicht ausreicht, um den Krankengeldanspruch zu begründen, oder ob es insoweit allein auf das Vorliegen eines regelwidrigen, körperlichen Zustands ankommt, kann an dieser Stelle dahinstehen.439 Es ist auf obige Ausführungen zu verweisen440 : Leidet der mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer an so erheblichen Symptomen der COVID-19-Erkrankung, dass er die Tätigkeit tatsächlich nicht mehr ausüben kann oder die Gefahr der Verschlimmerung des Zustands besteht, liegt Arbeitsunfähigkeit vor.441 Hauptanwendungsfall des Krankengeldanspruchs dürfte im Kontext des mit dem Coronavirus infizierten Arbeitnehmers derjenige eines schweren Krankheitsverlaufs sein, der den Arbeitnehmer für mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig macht. Bei notwendiger Krankenhausbehandlung kann auch 435 Im Folgenden wird von einer Versicherung des betroffenen Arbeitnehmers in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgegangen. 436 Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 44 Rn. 3 f.; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Waltermann, 7. Aufl. 2021, § 44 SGB V Rn. 2. 437 Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 44 Rn. 10. 438 Vgl. BSG, Urt. v. 31. 1. 1995 – 1 RK 1/94, BeckRS 1995, 30753159; BeckOK SozR/ Tischler, 64. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 44 SGB V Rn. 18; KassKomm/Schifferdecker, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 44 SGB V Rn. 41; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Waltermann, 7. Aufl. 2021, § 44 SGB V Rn. 3; Küttner/Ruppelt, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Krankengeld Rn. 19. 439 Siehe zur Problematik des zweigliedrigen Begriffs in diesem Kontext KassKomm/ Schifferdecker, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 44 SGB V Rn. 39. 440 Siehe Gliederungspunkt F. I. 2. a) bb) (3) (b). 441 In diesem Sinne auch Küttner/Griese, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Krankengeld Rn. 1.

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§ 44 Abs. 1 Alt. 2 SGB V als eigenständiger Versicherungsfall der (vermuteten) Arbeitsunfähigkeit442 einschlägig sein. (2) Verhältnis zur Entgeltfortzahlung, insbesondere bei Verschulden des Arbeitnehmers Der Anspruch auf Krankengeld entsteht bereits mit der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, ruht allerdings gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, wenn und soweit der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung leistet.443 Der Ruhenstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V greift indes nur, sofern das beitragspflichtige Arbeitsentgelt – hier in Form der Entgeltfortzahlung – tatsächlich ausbezahlt wird.444 Daraus folgt zunächst, dass ein Krankengeldanspruch auch bereits dann durchsetzbar ist, wenn der Arbeitgeber (u. U. pflichtwidrig) keine Entgeltfortzahlung leistet.445 Darüberhinausgehend führt die Regelung auch dazu, dass Krankengeld zu leisten ist, wenn ein durchsetzbarer Entgeltfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber gar nicht besteht.446 Dies wiederum führt zum zweiten wichtigen Anwendungsfall der Regelungen des SGB V im Rahmen der Coronapandemie: Hat der Arbeitnehmer seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet und ist aus diesem Grund der Anspruch nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ausgeschlossen, bezieht er auch in den ersten sechs Wochen seiner Arbeitsunfähigkeit kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, der Ruhenstatbestand des § 49

442 Die stationäre Behandlung begründet die unwiderlegbare Vermutung, dass aufgrund der Behandlung Arbeitsunfähigkeit besteht, Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 49 Rn. 18; BeckOK SoZ/Tischler, 64. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 44 SGB V Rn. 31; verneinend KassKomm/Schifferdecker, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 44 SGB V Rn. 64. 443 Vgl. bereits zu § 189 RVO und § 1 LFZG BSG, Urt. v. 13. 5. 1992 – 1/3 RK 10/90, NZA 1993, 142 (144) – der Ruhenstatbestand führt nicht dazu, dass der Anspruch nicht entsteht; ebenso Urt. v. 29. 6. 1994 – 1 RK 45/93, NZS 1995, 267 (268); Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 49 Rn. 2; BeckOK SozR/Tischler, 64. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 49 SGB V Rn. 5; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Waltermann, 7. Aufl. 2021, § 49 SGB V Rn. 1, 2. 444 Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 49 Rn. 3; BeckOK SozR/Tischler, 64. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 49 SGB V Rn. 8; KassKomm/Schifferdecker, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 49 SGB V Rn. 15; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Waltermann, 7. Aufl. 2021, § 49 SGB V Rn. 3; Küttner/Ruppelt, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Krankengeld Rn. 25. 445 Vgl. BeckOK SozR/Tischler, 64. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 49 SGB V Rn. 10 f.; KassKomm/Schifferdecker, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 49 SGB V Rn. 17; Knickrehm/ Kreikebohm/Waltermann/Waltermann, 7. Aufl. 2021, § 49 SGB V Rn. 3; Küttner/Ruppelt, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Krankengeld Rn. 25. 446 KassKomm/Schifferdecker, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 49 SGB V Rn. 15; Küttner/Griese, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Krankengeld Rn. 1; vgl. auch Knickrehm/ Kreikebohm/Waltermann/Waltermann, 7. Aufl. 2021, § 49 SGB V Rn. 3; für den Fall des § 7 Abs. 1 Nr. 2 EFZG auch BeckOK SozR/Tischler, 64. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 49 SGB V Rn. 10.

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

Abs. 1 Nr. 1 SGB V greift nicht ein.447 Der Anspruch auf Krankengeld ist nicht an das Erfordernis fehlenden Verschuldens geknüpft.448 Zwar besteht nach § 52 Abs. 1 SGB V die Möglichkeit, den Versicherten an den entstandenen Kosten zu beteiligen und das Krankengeld ganz oder teilweise zu versagen – dies jedoch nur bei vorsätzlicher Herbeiführung der Krankheit oder sofern sie bei einem Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen zugezogen wurde. Zwar genügt zur Erfüllung des Vorsatzerfordernisses auch ein dolus eventualis, mithin die billigende Inkaufnahme der Erkrankung.449 Das auch hierfür erforderliche voluntative Element450 wird jedoch häufig nicht bestehen oder dem Versicherten jedenfalls nicht nachweisbar sein451 – den Krankenversicherungsträger trifft insoweit die Beweislast, sodass von der Möglichkeit der Versagung oder Rückforderung des Krankengeldes in der Praxis nur selten Gebrauch gemacht wird.452 Grobe bzw. bewusste Fahrlässigkeit, die den Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG bereits ausschließen kann, genügt im Rahmen des § 52 Abs. 1 SGB V nicht.453 Auch in Zeiten der Coronapandemie wird die Norm aus eben diesem Grund keine entscheidende Bedeutung erhalten: Selbst bei vorwerfbaren Verhaltensweisen wie der Teilnahme an Corona-Partys oder einer Reise in ein Risikogebiet, das als solches bekannt ist, wird dem Versicherten i. d. R. nicht nachweisbar sein, dass er die Coronavirusinfektion und die daraus folgende Erkrankung billigend in Kauf genommen und nicht vielmehr auf ihr Ausbleiben gehofft hat.454 Ist der Betroffene Verschwö447

KassKomm/Schifferdecker, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 49 SGB V Rn. 15; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Waltermann, 7. Aufl. 2021, § 49 SGB V Rn. 3; Küttner/ Griese, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Krankengeld Rn. 1. 448 Vgl. zum grundsätzlichen Vorrang des Solidarprinzips in der Krankenversicherung vor der Selbstverantwortung Mihm, NZS 1995, 7; siehe auch BeckOK SozR/Heberlein, 64. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 52 SGB V Rn. 2; Prehn, NZS 2010, 260 (263). 449 BSG, Urt. v. 14. 1. 1987 – 8 RK 35/85, NJW 1988, 1551 (1552); Becker/Kingreen/Lang, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 52 Rn. 2; BeckOK SozR/Heberlein, 64. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 52 SGB V Rn. 13 f.; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Waltermann, 7. Aufl. 2021, § 52 SGB V Rn. 2; Kemmler, NZS 2014, 521 (526); Rompf, SGb 1997, 105 (106). 450 Ausschlaggebend für die Rechtsfolge des § 52 SGB V soll nicht die Intensität der Gefährdung, sondern der verwerfliche Wille des Versicherten sein, siehe Mihm, NZS 1995, 7 (8). 451 Vgl. auch KassKomm/Schifferdecker, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 52 SGB V Rn. 8; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Waltermann, 7. Aufl. 2021, § 52 SGB V Rn. 2; Krauskopf/Knittel, 113. EL. (Stand: Dezember 2021), § 52 SGB V Rn. 5; Kemmler, NZS 2014, 521 (526); Rompf, SGb 1997, 105 (106 f.). 452 Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Waltermann, 7. Aufl. 2021, § 52 SGB V Rn. 2; vgl. auch Krauskopf/Knittel, 113. EL. (Stand: Dezember 2021), § 52 SGB V Rn. 5. 453 KassKomm/Schifferdecker, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 49 SGB V Rn. 15; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Waltermann, 7. Aufl. 2021, § 52 SGB V Rn. 2; Rompf, SGb 1997, 105 (106). 454 Vgl. KassKomm/Schifferdecker, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 52 SGB V Rn. 8 zu Reisen in gefährdete Gebiete und Teilnahme an Masernpartys oder HIV-Partys; ebenso BeckOK SozR/Heberlein, 64. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 52 SGB V Rn. 15. Anderer, nicht überzeugender Ansicht, Köhler/Hitzig, COVuR 2020, 409 (413), die für die pandemische

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rungstheorien verfallen, wird er im Gegenteil häufig davon ausgehen, die Möglichkeit einer Ansteckung habe nicht bestanden. Vereinzelte Stimmen sprechen sich indes für eine Weiterentwicklung des § 52 SGB V etwa dahingehend aus, dass Ungeimpfte an den Kosten einer Krankenbehandlung bei COVID-19-Erkrankung beteiligt werden und auch eine Kürzung des Krankengeldes in Kauf nehmen müssen455 – eine derartige Weiterentwicklung durch den Gesetzgeber ist indes bislang nicht erfolgt. Auch die Bedeutung des § 52 Abs. 1 S. 2 SGB V, der Leistungsbeschränkungen für das Zuziehen der Krankheit bei Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen vorsieht, ist für COVID-19-Erkrankungen des Versicherten zu vernachlässigen. Zwar kann der Verstoß gegen Absonderungsanordnungen oder gegen die zeitweise in der sog. Bundesnotbremse des § 28b IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 vorgesehenen Maßnahmen gem. § 74 Abs. 1 IfSG strafrechtlich relevant werden, dies indes nur bei Verbreitung des Krankheitserregers, d. h. Ansteckung anderer.456 Dass ein Verhalten, welches nur zur eigenen Ansteckung führt, die Voraussetzungen eines Straftatbestands erfüllt, ist nach geltendem Recht nicht ersichtlich.457 Ein Eigenverschulden des Arbeitnehmers bei der Herbeiführung der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion führt daher zu einer finanziellen Entlastung des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer selbst muss indes nur anteilig für sein schuldhaftes Handeln einstehen – den größten Anteil der Kosten458 wird in den meisten Fällen die Krankenversicherung, d. h. letztlich die Versicherungsgemeinschaft tragen, da der Krankengeldanspruch nach § 44 Abs. 1 SGB V auch bei verschuldeter Krankheit und Arbeitsunfähigkeit fortbesteht. cc) Zwischenergebnis für den durchgehend krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Arbeitnehmer Maßgeblicher gesetzlicher Tatbestand im Falle der Arbeitsverhinderung (auch) wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit in Folge einer Coronavirusinfektion Ansteckungsgefahr andere Maßstäbe anlegen wollen und selbst bei einem Verstoß gegen Hygienemaßnahmen ein Verschulden annehmen. Mit dem bisherigen, berechtigterweise restriktiven Verständnis des § 52 SGB V ist dies nicht vereinbar. 455 Schlegel, NJW 2021, 2782 (2787). 456 Zur eingeschränkten praktischen Relevanz der Vorschrift mangels Nachweisbarkeit des Verbreitungserfolgs Esser/Tsambikakis/Tsambikakis/Kessler, Pandemiestrafrecht, 1. Aufl. 2020, § 1 Rn. 80; Schmidt/Rau, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 23 Rn. 17. 457 Vielmehr handelt es sich bei Verstößen gegen Kontaktreduzierungsmaßnahem oder Hygienevorschriften, die in den auf Grundlage des § 32 S. 1 IfSG erlassenen Rechtsverordnungen der Länder gem. § 74 Abs. 1a Nr. 24 IfSG um Ordnungswidrigkeiten, ebenso bei während der Geltungsdauer des § 28b IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 diesem zuwiderlaufenden Verhaltensweisen nach Maßgabe des § 73 Abs. 1a Nr. 11b bis 11m IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021. 458 Gem. § 47 Abs. 1 S. 1 SGB V beträgt das Krankengeld in der Regel 70 % des regelmäßigen Arbeitsentgelts.

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oder einer anderweitigen Erkrankung, bei der die Arbeitsunfähigkeit bereits bei Beginn der Arbeitsverhinderung vorliegt, ist damit § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. Bei vorheriger oder gleichzeitiger Realisierung der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit mit den von § 616 BGB und § 56 IfSG erfassten Verhinderungsgründen geht § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG diesen Normen vor. Dabei sichert die Regelung dem Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch für bis zu sechs Wochen, sofern kein Fall des Eigenverschuldens vorliegt. Bei Überschreiten der Sechswochengrenze und auch bei Verschulden des Arbeitnehmers kommt hingegen ein Anspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung auf Zahlung von Krankengeld nach § 44 Abs. 1 SGB V in Betracht. c) Der zunächst symptomlos oder leicht symptomatisch infizierte und später arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer Der Grundstein ist damit gelegt – bei symptomloser oder nur leicht symptomatischer Infektion, die nicht zur Arbeitsunfähigkeit, wegen Absonderung oder Gefährdung Dritter aber wohl zu einem Leistungshindernis führt, greift grundsätzlich § 616 BGB, bei Überschreiten der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit hingegen § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG, sofern eine Absonderung nach dem IfSG besteht oder deren Voraussetzungen vorlagen. Bei anfänglicher Arbeitsunfähigkeit hingegen greift in erster Linie § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. Doch was gilt, wenn beide Fallgestaltungen derart zusammentreffen, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht zuvor oder gleichzeitig, sondern erst nach bereits infektions- bzw. absonderungsbedingter Arbeitsverhinderung eintritt? Gemeint ist folgender Fall: Der Arbeitnehmer ist mit dem Coronavirus infiziert und kann schon aus diesem Grunde oder auch aufgrund einer hieran anknüpfenden hoheitlichen Absonderung seine Arbeitsleistung nicht erbringen. Im Verlaufe seiner Isolation und Arbeitsverhinderung treten stärkere Symptome der COVID-19-Erkrankung auf, die zur Arbeitsunfähigkeit führen. Insbesondere mit Blick auf die Kausalität des jeweiligen Verhinderungsgrundes ist die Verteilung des Vergütungsrisikos zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Staat für diese Konstellation erneut zu untersuchen. aa) Anspruch auf staatliche Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG Im Gegensatz zur vorherigen oder gleichzeitig eintretenden Arbeitsunfähigkeit hat dieser Sachverhalt eine gesetzliche Regelung erfahren: § 56 Abs. 7 S. 1 IfSG sieht vor, dass der Anspruch auf Entschädigung fortbesteht, wenn der Arbeitnehmer nachträglich arbeitsunfähig wird. Das muss jedoch nicht zwingend heißen, dass das Vergütungsrisiko den Staat trifft – nach S. 2 derselben Norm, gehen aufgrund der Arbeitsunfähigkeit bestehende Ansprüche, die dem Betroffenen aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder privater Versicherungsverhältnisse zustehen, auf das entschädigungspflichtige Land über. § 56 Abs. 7 IfSG wird als Ausdruck der Subsi-

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diarität des Entschädigungsanspruchs verstanden459 sowie als Regelung zu Verhinderung einer Anspruchsdoppelung zugunsten des Arbeitnehmers460. Aufgrund der Regressregelung ist für das Vergütungsrisiko gleichwohl maßgeblich, ob anderweitige Ansprüche gegen Arbeitgeber oder Versicherungen bestehen. bb) Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG Eine Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG kommt nur für den späteren Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit in Betracht – vor ihrem Eintritt liegen die Voraussetzungen der Norm nicht vor. Auch dann ist jedoch fraglich, ob die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit noch hinreichend ursächlich für die Arbeitsverhinderung wird, um ein Eingreifen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG zu begründen. Bei gleichzeitiger Realisierung von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und Infektion bzw. Absonderung als Verhinderungsgründe wurde oben eine hinreichende Ursächlichkeit der Erkrankung anhand von Wertungsgesichtspunkten bejaht. Die Argumentation könnte auch auf den zeitlich gestaffelten Eintritt der Verhinderungsgründe übertragen werden: Da das Zurücktreten des Entgeltfortzahlungsanspruchs und die Anwendbarkeit des § 616 BGB aufgrund der regelmäßig erheblichen Dauer des Arbeitsausfalls bei nachgewiesener Infektion zu einem Ausfall der Lohnfortzahlung und im Absonderungsfalle zur Anwendung des § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG führen würde, könnten auch hier die oben genannten Erwägungen zur Subsidiarität des Entschädigungsanspruchs angeführt werden und einen Vorrang der Entgeltfortzahlung nahelegen.461 Hierfür könnte auch der in § 56 Abs. 7 S. 2 IfSG vorgesehene Regressanspruch im Falle der Arbeitsunfähigkeit sprechen.462 Es wäre jedoch zirkelschlüssig, aus der Regelung eines Regressanspruchs herzuleiten, dass der möglicherweise übergehende Anspruch auch besteht. Eine direkte Aussage zum Bestand des Entgeltfortzahlungsanspruchs hat der Gesetzgeber im Rahmen des § 56 Abs. 7 IfSG nicht getroffen.463

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Vgl. BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 91; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 22; zustimmend ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690d; siehe auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (28, Fn. 36). 460 Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 52. 461 So argumentieren etwa Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (28), die von einem EFZG-Anspruch unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit ausgehen. I. E. auch Schlegel/Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 28; wohl auch Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (753). 462 Kruse, ARP 2021, 116 (119); vgl. auch Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 22; Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (753 f.). 463 Ebenso Sievers/Kruppa, jM 2021, 446 (450).

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(1) Aus der Subsidiarität des § 56 IfSG folgt noch nicht des Rätsels Lösung Zwar wird die Subsidiarität des Entschädigungsanspruchs nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG hier keineswegs bezweifelt, zurücktreten kann der Anspruch jedoch nur gegenüber tatsächlich bestehenden, anderweitigen Ansprüchen. Für den Bestand eines Anspruchs nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG oder auch § 616 BGB ist demgegenüber nicht die finanzielle Ebene entscheidend, d. h. die Frage, ob anderweitige Lohnfortzahlungs- oder Ausgleichsansprüche bestehen, sondern vielmehr, ob konkurrierende Verhinderungsgründe vorliegen. Über die Auflösung einer solchen Konkurrenz trifft § 56 IfSG keine Aussage. Die Entschädigungszahlung nach dem IfSG soll im System der Lohnfortzahlung und anderweitiger Ausgleichsansprüche vorliegende Lücken schließen; dass sie aber in das System selbst eingreifen sollte, ist nicht ersichtlich. Man mag im Lichte der Regressregelung des § 56 Abs. 7 S. 2 IfSG erwägen, dass der Gesetzgeber davon ausging, im Falle der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bestünden unabhängig vom Zeitpunkt ihres Eintritts Ansprüche auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber – wenngleich die Gesetzgebungsmaterialien insoweit keine eindeutigen Anhaltspunkte enthalten.464 Sollte dem so sein, handelt es sich jedoch allenfalls um einen gesetzgeberischen Motivirrtum, der die geltende Rechtslage, d. h. insbesondere auch die Geltung des Grundsatzes „Ohne Arbeit kein Lohn“, soweit nicht etwas anderes geregelt ist, nicht einseitig zulasten des Arbeitgebers verschieben kann.465 Die Lösung des Kausalitätsproblems ist daher zunächst auf arbeitsrechtlicher Ebene zu suchen und die infektionsschutzrechtliche Entschädigung sodann – subsidiär, wie angelegt – zu berücksichtigen.466 (2) Abweichende Lösung nach dem Prioritätsprinzip Dass die gewollte Subsidiarität der Entschädigung nach § 56 IfSG bei gleichzeitigem Eintritt der Absonderung mit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein ausschlaggebendes Argument darstellen kann467, liegt daran, dass es bei Simultanität keinen anderen überzeugenden Weg gibt, den Vorrang der einen oder anderen Lohnfortzahlungs- oder Entschädigungsnorm zu bestimmen als anhand von 464 Aus dem Bericht des zuständigen Bundestagsausschusses zur Änderung des § 49 BSeuchG, mit der die Regressregelung erstmals in das BSeuchG aufgenommen wurde, geht nicht zweifelsfrei hervor, dass der Gesetzgeber hier zwingend vom Bestand des Entgelt- bzw. damals Lohnfortzahlungsanspruchs im Krankheitsfall ausging, siehe die Begründung zur Änderung in BT-Drucks. VI/2176, S. 2. Die Gesetzesentwürfe, zu denen der Ausschuss Stellung nahm (BT-Drucks. VI/387, VI/1562 und VI/1568), enthielten die Regressregelung noch nicht. 465 In diesem Sinne auch Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 58. 466 A. A. insoweit Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (28), die aufgrund der Wertung im Rahmen des § 56 IfSG annehmen, dass Maßnahmen nach den IfSG stets unbeachtlich für den Entgeltfortzahlungsanspruch sein sollen; Schlegel/Meßling/Bockholdt/Bockholdt, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 28. 467 Siehe oben Gliederungspunkt F. I. 2. b) aa) (1) (b) (ee) (c).

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Wertungen und Abwägungen. Ein Rückgriff auf Wertungsgesichtspunkte ist indes dann nicht erforderlich und aufgrund der Gefahr wenig stringenter Ergebnisse nicht zu befürworten, wenn die Verhinderungsgründe zeitlich gestaffelt auftreten.468 Rechtsunsicherheiten werden durch das Prioritätsprinzip, soweit es denn aufgrund sukzedaner Verhinderungsgründe anwendbar ist, vermieden.469 Das führt hier zu einem Vorrang des § 616 BGB: Haben sich Infektion bzw. Absonderung als persönliche Verhinderungsgründe bereits zuvor realisiert, scheidet der die Arbeitsunfähigkeit als nachrangigen Verhinderungsgrund betreffende Entgeltfortzahlungsanspruch so lange aus, bis der zuerst eingetretene Verhinderungsgrund weggefallen ist.470 Da Infektion bzw. Absonderung als persönliche Hinderungsgründe unter § 616 BGB fallen, ist zunächst allein diese Norm maßgeblich. (3) Kritik am Prioritätsprinzip Befürworter der Betrachtung nach dem geringsten Risiko für den Arbeitgeber halten dem Prioritätsprinzip zwar entgegen, es führe zu zufälligen Ergebnissen471, dürften hier aber zu demselben Ergebnis gelangen – § 616 BGB belastet den Arbeitgeber aufgrund seiner zeitlichen Begrenzung auf wenige Tage weit weniger als die sechswöchige Entgeltfortzahlung.472 Tatsächlich kann nicht verkannt werden, dass es beim Zusammentreffen mehrerer Verhinderungsgründe vom Zufall abhängt, welcher zuerst eintritt. Das ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass der (zufällig) später eintretende Verhinderungsgrund sich auf das Ausbleiben der Arbeitsleistung nicht mehr auswirkt, da die Arbeitsleistung ohnehin ausgeblieben wäre. Soweit eingewandt wird, für die zeitliche Betrachtung fehle eine normative Grundlage473, muss dem widersprochen werden: Normativer Anknüpfungspunkt ist das (Mono-)Kausalitätserfordernis. Im Rahmen des § 616 BGB ist die zeitlich priorisierende Betrachtung dabei mehr als gängig.474 Aufgrund des Zusammenspiels der Normen (§ 3 EFZG, § 616 BGB) im Gesamtsystem der Lohnfortzahlung ist es geboten, das Monokausalitätskriterium jeweils gleich zu verstehen. Weiterhin geht es im hier betrachteten Fall auch gerade um die Kollision von unter § 616 BGB 468

Kritisch insbesondere BeckOGK/Bieder, Stand: 1. 2. 2020, § 616 BGB Rn. 34. Ebenso BeckOGK/Bieder, Stand: 1. 2. 2020, § 616 BGB Rn. 34; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 93. 470 Vgl. grundlegend Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 93; i. E. wie hier Noack, NZA 2021, 251 (252 f.). 471 Gutzeit, Lohnfortzahlung, 2000, S. 104. 472 Zum Zusammentreffen von Fällen, die unter § 616 BGB fallen und solchen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit siehe Gutzeit, Lohnfortzahlung, 2000, S. 105. 473 BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 26. 474 Siehe BeckOGK/Bieder, Stand: 1. 2. 2020, § 616 BGB Rn. 34; BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 40; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 36; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 62; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 12; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 616 BGB Rn. 37; Staudinger/ Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 93. 469

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fallenden Verhinderungsgründen mit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Das alles spricht für den Rückgriff auf das im Rahmen des § 616 BGB anerkannte Prioritätsprinzip. (4) Schutzlücken aufgrund der Konzeption des § 56 IfSG Aufgrund der Fortzahlung der Entschädigung auch bei späterer Erkrankung nach § 56 Abs. 7 S. 1 IfSG drohte auch dem Kranken, der bis vor Kurzem nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG gehörte, keine finanzielle Not, sofern er sich in Absonderung befand. Nach aktueller Rechtslage gilt dies auch für die in § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG genannten Personen, die sich bei Vorliegen der Absonderungsvoraussetzungen zunächst selbst isolieren. Allein für nachweislich Infizierte, die sich vor Einführung des § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG freiwillig isolierten und später erkrankten, bedeutete der Vorrang des § 616 BGB und der damit verbundene Verdienstausfall wegen verhältnismäßig erheblicher Dauer der Verhinderung eine Schutzlücke. Mit der Einführung des § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG dürfte diese indes weitgehend geschlossen sein475 – bei nachgewiesener Coronavirusinfektion liegen die Absonderungsvoraussetzungen vor, der Ermessenspielraum der Behörde hinsichtlich der Gewährung einer Entschädigung dürfte hier auf Null reduziert sein.476 (5) Abschließende und ergänzende Erwägungen Da die Frage der Ursächlichkeit hier – anders als bei anfänglich bestehender Arbeitsunfähigkeit – auf Basis des zeitlichen Ansatzes einer eindeutigen und rechtssicheren Lösung zugeführt werden kann und es an eindeutigen Anhaltspunkten für eine abweichende Wertung fehlt, ist die Monokausalität der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit für die Arbeitsverhinderung abzulehnen, weil sie sich nur nachrangig zu den Verhinderungsgründen der Infektion bzw. der Absonderung auswirkt. Damit scheidet ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit aus, die erst nach bereits realisierter Arbeitsverhinderung wegen Infektion oder Absonderung auftritt.477 In Betracht kommt für den Zeitraum der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, soweit der Lohnausfall nicht durch § 616 BGB aufgefangen wird, auch ein Anspruch auf Krankengeld gegen die gesetzliche Krankenversicherung nach § 44 475

Siehe zur Intention des Gesetzgebers BT-Drucks. 19/27291, S. 61; vgl. auch ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690 f. 476 Zur Bedeutung der Formulierung des § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG als Ermessensvorschrift BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 Rn. 26a. 477 Ebenso Noack, NZA 2021, 251 (252 f.); offen gelassen von Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 24. A. A. Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (28); Schlegel/ Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 28; wohl auch BeckOK InfSchR/Eckart/ Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 91a; Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 52; vom Stein/Rothe/Schlegel/Schubert, 2. Aufl. 2021, § 26 Rn. 30; Kruse, ARP 2021, 116 (119); Linck, in: FS Preis, 2021, S. 743 (753); Sievers/Kruppa, jM 2021, 446 (450).

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Abs. 1 SGB V. Das Kausalitätskriterium ist hier weiter gefasst, die Krankheit muss nicht alleinige oder unmittelbare, wohl aber wesentliche Ursache des Arbeitsausfalls sein.478 Dem soll im Rahmen der vorliegenden Betrachtung indes nicht weiter nachgegangen werden – erhält der Arbeitnehmer aufgrund der Regelung des § 56 Abs. 7 S. 1 IfSG ohnehin zunächst weiter Entschädigungsleistungen, ist es für die Risikoverteilung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Allgemeinheit – unter die hier unmittelbar staatliche Akteure ebenso wie die Sozialversicherung gefasst werden – unerheblich, wie das Regressverhältnis i. R. d. § 56 Abs. 7 S. 2 IfSG zwischen entschädigungspflichtigem Land und Krankenversicherung ausgestaltet ist. cc) Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB Im Hinblick auf die nach dieser Betrachtung vorrangige Lohnfortzahlung nach § 616 BGB bleibt an dieser Stelle nicht mehr viel zu sagen – ist der Arbeitnehmer nachweislich mit dem Coronavirus infiziert und erkrankt später zusätzlich an COVID-19, wird seine Leistungsverhinderung wohl in aller Regel länger als eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit andauern, sodass der Vergütungsanspruch nicht durch § 616 BGB aufrechterhalten werden kann. dd) Zwischenergebnis: Kostentragung durch den Staat nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG Dies führt im Ergebnis zumeist zu einer Kostentragung der durch den infektionsbedingten Arbeitsausfall verursachten Lohnkosten durch den Staat, sofern der Arbeitnehmer zunächst symptomlos infiziert ist und erst zu einem späteren Zeitpunkt krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eintritt. Unter den Voraussetzungen der § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG entsteht zunächst ein Entschädigungsanspruch, der ausweislich des § 56 Abs. 7 S. 1 IfSG auch während der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers fortbesteht. Regressansprüche gegen den Arbeitgeber, wie sie § 56 Abs. 7 S. 2 IfSG vorsieht, bestehen mangels Monokausalität der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG und i. d. R. mangels verhältnismäßig nicht erheblicher Dauer der Arbeitsverhinderung nicht nach § 616 BGB. Das Nachsehen hatten demnach allein Arbeitnehmer, die sich vor Einführung des § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG freiwillig isolierten und daher keinen Anspruch auf staatliche Entschädigung hatten – da die Lohnfortzahlung nach § 616 BGB zu beurteilen ist, solange der ursprüngliche Verhinderungsgrund in Form der nachgewiesenen Infektion fortbesteht, und dessen Grenzen regelmäßig überschritten waren, blieb es hier bei einem Verdienstausfall. Für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit konnte 478 BeckOK SozR/Tischler, 64. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 44 SGB V Rn. 29; KassKomm/ Schifferdecker, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 44 SGB V Rn. 40; Sodan/Peick, Hdb KrankenversR, 3. Aufl. 2018, § 10 Rn. 132.

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dieser womöglich anteilig durch einen Anspruch auf Krankengeld ausgeglichen werden, soweit dieser aufgrund des weiter gefassten Kausalitätskriteriums im Sozialversicherungsrecht besteht.

II. Frankreich Fragestellungen, die durch Arbeitsausfall aufgrund nachgewiesener Coronavirusinfektionen auftreten, werden im französischen Recht dem System der sozialen Sicherung im Krankheitsfall zugeordnet. Dieses ist im Lichte der Coronapandemie vielfach angepasst und erweitert worden. Im Folgenden werden die Grundlagen der finanziellen Absicherung im Krankheitsfall nebst pandemiebedingter Gesetzesänderungen dargestellt und analysiert. Die Anwendbarkeit des Lohnfortzahlungssystems setzt indes zunächst einen Arbeitsausfall voraus – das rechtliche Fundament eines solchen infolge einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion bildet den Ausgangspunkt der Betrachtung. 1. Die Arbeitspflicht im Falle der nachgewiesenen Coronavirusinfektion Während eine rechtliche Pflicht zur Absonderung auch im Falle der Coronavirusinfektion in Frankreich lange Zeit nicht angeordnet werden konnte und ungewiss ist, ob schon die Verletzung der Schutzpflichten, die mit einer Tätigkeit im Betrieb im Falle der Infektion einhergeht, zu einer Suspendierung des Arbeitsvertrags führt,479 kann die Krankheit des Arbeitnehmers unzweifelhaft Grund für eine Suspendierung des Arbeitsvertrags sein – diese Feststellung findet sich mit gleicher Selbstverständlichkeit in Literatur und Rechtsprechung.480 Das Gesetz sagt nicht ausdrücklich, dass Krankheiten, die nicht Berufskrankheiten sind, zu einer solchen Suspendierung führen.481 Dies wird gleichwohl implizit vorausgesetzt482: Art. L.1226-1-2 Code du 479

Siehe bereits Gliederungspunkte E. II. 2. a) dd) (1) und (4). Grundlegend Cass. Soc. v. 16. 7. 1987, n885-40.178, Bull. Civ., V, 1987 n8521: „(…) arrêt de maladie, cause de suspension et non pas de rupture du contrat de travail (…)“ (frei übersetzt: (Bescheinigung) des Arbeitsausfalls wegen Krankheit, Auslöser der Suspendierung, nicht der Beendigung des Vertrags); zur Rechtsprechungsentwicklung Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, 1. Ed. 2001, Rn. 348; siehe auch Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 352; Camerlynck, Le contrat de travail, 2. Ed. 1982, Rn. 250; Jeansen, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-20 Rn. 1; Rivero/Savatier, Droit du travail, 5. Ed. 1970, S. 492, 496; Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 538 ff.; Bourgeot/Frouin, RJS 2000, 3; Bousiges, in: Les orientations sociales du droit contemporain, 1. Ed. 1992, S. 79 (98); Guericolas, in: Etudes de droit du travail offertes à André Brun, 1974, S. 257 (267, 273); Tantaroudas, Dr. Soc. 1978, 223 (224); implizit auch Bourgeot/Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 (57); Bourgeot, Dr. Soc. 1998, 872. 481 Anders hingegen für Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle, siehe Art. L.1226-7 Code du travail. 482 Vgl. auch Latina, JurisClasseur Contrats – Distribution, Fasc. 171 Rn. 44; Bourgeot/ Frouin, RJS 2000, 3. 480

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travail sieht vor, dass der Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen suspendiert bleibt – mithin zuvor bereits suspendiert ist –, auch wenn der Arbeitnehmer an Fortbildungsmaßnahmen oder anderen in Art. L.323-3-1 Code de la sécurité sociale vorgesehenen Vorkommnissen teilnimmt. Auch die Regelung des Art. L.1226-1-3 Code du travail geht von einer Suspendierung des Vertrags im Krankheitsfall aus. Maßgeblicher Effekt der Suspendierung ist die Befreiung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitspflicht.483 Der Suspensiveffekt der Krankheit wird zum Teil damit begründet, die Krankheit stelle für den Arbeitnehmer einen Fall höherer Gewalt dar.484 Einige Stimmen weisen, ohne die Rechtsfolge der Suspendierung des Arbeitsvertrags zu leugnen, darauf hin, dass die Krankheit nicht unbedingt unter den klassischen Begriff der force majeure subsumiert werden kann.485 Die Qualifikation hängt letztlich von der oben beschriebenen, noch offenen Frage ab, ob die suspension du contrat eine gegenüber der höheren Gewalt autonome Rechtsfigur ist, oder sie vielmehr nur im Falle der force majeure eintritt, letztere im Arbeitsrecht aber weiter zu fassen ist als in anderen Rechtsgebieten.486 Die Frage bedarf hier keiner Entscheidung, kommt es doch maßgeblich auf den Suspensiveffekt der Krankheit als solchen an, der nicht bestritten wird. Eine arbeits- oder sozialrechtliche Definition des Krankheitsbegriffs existiert soweit ersichtlich nicht.487 Klar ist dennoch, dass nicht jede gesundheitliche Ein483

Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 354; Jeansen, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-20 Rn. 35; Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 535; Bourgeot/Frouin, RJS 2000, 3 (6). 484 So etwa Rivero/Savatier, Droit du travail, 5. Ed. 1970, S. 492; Bousiges, in: Les orientations sociales du droit contemporain, 1. Ed. 1992, S. 79 (98); Tantaroudas, Dr. Soc. 1978, 223 (229). 485 Guericolas, in: Etudes de droit du travail offertes à André Brun, 1974, S. 257 (273): „La maladie du salarié, bien qu’elle constitue un obstacle légitime à l’exécution de la prestations de travail, n’a que peu de ressemblance avec la force majeure traditionnelle.“ (frei übersetzt: Die Krankheit des Arbeitnehmers, mag sie auch ein legitimes Hindernis für die Arbeitsleistung darstellen, hat nur wenig Ähnlichkeit mit der klassischen höheren Gewalt); siehe auch Antonmattei, Contribution à l’étude de la force majeure, 1992, S. 32; Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 51. 486 Siehe Gliederungspunkt B. II. 1. c). 487 So auch Auby, in: Les orientations sociales du droit contemporain, 1992, S. 45, der dann aber zur Person des Kranken feststellt „que le malade est la personne atteinte ou supposée (par elle-même ou par un tiers) atteinte d’une maladie“, frei übersetzt, dass der Kranke eine Person ist, die an einer Krankheit erkrankt ist oder dessen von sich selbst oder von einem Dritten verdächtigt wird. Bourgeot/Verkindt, Dr. Soc. 2010, 56 weisen auf die Schwierigkeit hin, den Begriff der Krankheit zu definieren, versuchen sich aber an einer Beschreibung dessen, wie sich Krankheiten manifestieren: „Elle se présente en effet comme un ensemble de signes cliniquement perceptibles à développement aigu ou chronique ou encore, si l’on exclut le paramètre de l’évolution, comme un ensemble de phénomènes morbides rassemblés sous le vocable de ,synrome‘.“ (frei übersetzt: Sie zeigt sich in der Tat als eine Reihe klinisch wahrnehmbarer Anzeichen mit akuter oder chronischer Entwicklung oder, wenn wir den Parameter

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schränkung die Suspendierung des Arbeitsvertrags auslösen kann – vielmehr ist erforderlich, dass die Krankheit zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führt.488 Weiterhin soll nicht bereits die Krankheit selbst, sondern erst die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt die Suspendierung des Vertrags auslösen.489 Diese erfolgt im Rahmen eines avis d’arrêt de travail (siehe Art. L.321-2 Code de la sécurité sociale), frei übersetzt eine Bescheinigung bzw. Verschreibung der Unterbrechung der Arbeit, die gängiger Weise verkürzt als arrêt de travail490, oder arrêt maladie491 bezeichnet wird. a) Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wegen Coronavirusinfektion in den Jahren 2021 und 2022 Ist nun auch jede nachgewiesene Infektion mit dem Coronavirus als Krankheit einzuordnen, die zum Fortfall der Arbeitspflicht führt? Seit Beginn des Jahres 2021 bedarf diese Frage keiner Antwort mehr. Zu diesem Zeitpunkt wurde in Anwendung des Art. L.16-10-1 Code de la sécurité sociale, der für Zeiten der Epidemie u. ä. Notsituationen eine Verstärkung und Verbesserung des sozialversicherungsrechtlichen Schutzes erlaubt492, ausdrücklich die Möglichkeit des Erhalts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abweichend von den üblicherweise geltenden Vorgaben normiert: Aus Art. 3 i. V. m. Art. 1 I Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der ursprünglichen Fassung folgt, dass abweichend von Art. L.321-2 Code de la sécurité sociale eine entsprechende Bescheinigung online beantragt und durch die Krankenversicherung (anstatt durch den behandelnden Arzt) ausgestellt wird.493 Die der Evolution ausklammern, als eine Reihe von morbiden Phänomenen, die unter dem Begriff „Syndrom“ zusammengefasst werden). 488 Bourgeot/Frouin, RJS 2000, 3 (4). 489 Jeansen, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-20 Rn. 1; Bourgeot/Frouin, RJS 2000, 3 (4); wohl ebenso Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 540; Pradel/PradelBoureux/Pradel, JCP S 2020, 163. 490 So etwa Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 540; Bourgeot/Frouin, RJS 2000, 3 (4); Marié, Dr. Soc. 2020, 683 (685). 491 Siehe Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 540. 492 Art. 16-10-1 Code de la sécurité sociale: „Lorsque la protection de la santé publique le justifie, en cas de risque sanitaire grave et exceptionnel, notamment d’épidémie, nécessitant l’adoption en urgence de règles de prise en charge renforcée des frais de santé ainsi que des règles relatives à l’amélioration des conditions pour le bénéfice des prestations en espèce, dérogatoires au droit commun, celles-ci peuvent être prévues par décret, pour une durée limitée qui ne peut excéder une année.“ (Etwa: „Sofern der Schutz der öffentlichen Gesundheit dies rechtfertigt, im Falle gewichtiger und außergewöhnlicher gesundheitlicher Risiken, insbesondere im Fall der Epidemie, die eine dringende Verabschiedung von Regeln zur verstärkten Kostenübernahme für Gesundheitsausgaben sowie von Regeln zur Verbesserung der Voraussetzungen für den Erhalt von Geldleistungen erforderlich macht, die vom gemeinen Recht abweichen, so können diese Regeln per Dekret für eine begrenzte Zeit von maximal einem Jahr vorgesehen werden.“). 493 Die Änderungen des Dekrets im Laufe des Jahres 2021 haben an dieser grundsätzlichen Regelung nichts geändert.

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Regelung hat auch Geltung für das Jahr 2022.494 Voraussetzung dieser pandemiespezifischen Bestimmung ist, dass eine Unmöglichkeit der Arbeitsleistung, einschließlich der Telearbeit, besteht.495 Liegen diese Voraussetzungen vor, steht zweifelsfrei fest, dass bei nachgewiesener Coronavirusinfektion eine Suspendierung des Arbeitsvertrags eintreten kann. b) Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wegen Coronavirusinfektion im Jahr 2020 Auch im Jahr 2020 bestanden pandemiespezifische Sonderregelungen, die den Kreis derjenigen Personen, die einen arrêt de travail erhalten konnten (und auf dessen Grundlage Ansprüche auf Leistungen der Krankenversicherung hatten), erweiterten.496 Gegenüber der klassischen, infolge einer Krankheit ausgestellten Bescheinigung wurde die hier geregelte Verschreibung als arrêt de travail dérogatoire bezeichnet, d. h. frei übersetzt als Ausnahmebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit.497 Nach Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in der ursprünglichen Fassung konnten Personen, die von einer Maßnahme der Isolation o. ä. betroffen waren, Leistungen der Krankenversicherung in Anspruch nehmen.498 Auf die für gewöhnliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen geforderte Feststellung der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit, die den Arbeitnehmer an jeglicher Arbeitstätigkeit hindert, wurde insoweit verzichtet.499 Mit den genannten Maßnahmen der Isolation war mangels allgemeiner rechtlicher Absonderungsverpflichtung bei Nachweis einer Coronavirusinfektion wohl 494 Art. 93 II 18 Loi n82021-1754 v. 23. 12. 2021: „(…) les dispositions prises par décret entre le 1er janvier 2021 et le 31 décembre 2021 en application de l’article L. 16-10-1 du code de la sécurité sociale demeurent applicables jusqu’à une date fixée par décret, et au plus tard jusqu’au 31 décembre 2022 (…)“ (frei übersetzt: Bestimmungen, die zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 31. Dezember 2021 gem. Art. L.16-10-1 Code de la sécurité sociale per Dekret erlassen wurden, bleiben bis zu einem per Dekret festgelegten Datum, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2022, anwendbar). 495 Art. 1 I Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in allen Fassungen bezieht sich nur auf solche Versicherten der Krankenversicherung, die sich in einer Situation befinden, in der die Fortsetzung der Arbeitsleistung, einschließlich einer solchen außerhalb des Betriebs, unmöglich ist (les assurés qui se trouvent dans l’impossibilité de continuer à travailler, y compris à distance). Siehe hierzu auch Duchange, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 145 (148). 496 Art. 1, 2 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020, die im Laufe des Jahres mehrfach angepasst wurden. 497 Siehe etwa Millet-Ursine, Lexbase Lettre juridique n8821 v. 23. 4. 2020; Pagnerre, Dr. Soc. 2020, 672 (677). 498 Siehe Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in der ursprünglichen Fassung: „(…) les assurés qui font l’objet d’une mesure d’isolement, d’éviction ou de maintien à domicile et qui se trouvent, pour l’un de ces motifs, dans l’impossibilité de continuer à travailler peuvent bénéficier, au titre de cet arrêt de travail, des indemnités journalières prévues aux articles L. 321-1 (…)“. Die Regelung blieb in diesem Punkt bis zur Neufassung des Art. 1 Décret n8202073 v. 31. 1. 2020 durch Art. 1 Décret n82020-1386 v. 14. 11. 2020 inhaltlich unverändert. 499 Carty, JurisClasseur Protection sociale Traité, Fasc. 431 Rn. 2.

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

nicht eine hoheitlich angeordnete Maßnahme, sondern vielmehr das Befolgen der Empfehlungen zur Selbstisolation gemeint. Empfohlen war die Isolation selbstredend auch für den nachweislich Infizierten.500 Sofern er aufgrund dieser Isolation nicht in der Lage war, seine Arbeitsleistung zu erbringen, ließe sich die Situation daher unter die Voraussetzungen des arrêt de travail dérogatoire, wie sie seinerzeit vorgesehen waren, subsumieren.501 Allerdings ging insbesondere das Gesundheitsministerium davon aus, dass im Falle der nachgewiesenen Coronavirusinfektion stets, d. h. auch ungeachtet der Symptomatik, die klassische Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit ausgestellt würde.502 Ein ähnliches Verständnis klingt in einer Pressemitteilung des Ministeriums und der Krankenversicherung an: Nach Erläuterung einer Erweiterung des Zugangs zu den arrêts de travail dérogatoire auch für Eltern betreuungsbedürftiger Kinder im Zusammenhang mit der Pandemie ist dort der Hinweis enthalten, nur Kontaktpersonen nachweislich Infizierter müssten sich isolieren und könnten auch bei fehlender Krankheit eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit erhalten; in allen anderen Fällen würde bei fehlender Krankheit keine (besonderen) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt.503 Auch hier liegt offenbar das Verständnis zugrunde, Infizierte könnten schon nach den allgemeinen Regeln eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit erhalten. Die fehlende Differenzierung nach dem Symptomverlauf verwundert, ist es doch üblicherweise die körperliche Unfähigkeit, irgendeine Tätigkeit auszuüben, die der 500 Siehe etwa die Empfehlungen für die Isolation Infizierter des Haut Conseil de la santé publique, Avis relatif aux critères cliniques de sortie d’isolement des patients ayant été infectés par le SARS-CoV-2, 16. 3. 2020. 501 Dementsprechend geht etwa Duchange, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 145 (147) davon aus, dass alle Arbeitsunterbrechungen, die mit dem Coronavirus zusammenhängen, von den Sonderkonditionen profitieren; wohl ebenso Marié, Dr. Soc. 2020, 683 (684). 502 Ministère des solidarités et de la santé, Délivrance et indemnisation des avis d’arrêt de travail dans le cadre du COVID-19, 20. 4. 2020, S. 4. 503 Minstère des solidarités et de la santé/Assurane Maladie, Pressemitteilung v. 4. 3. 2020: „Pour les habitants de ces zones, seules les personnes identifiées comme ayant été en contact rapproché et prolongé avec une personne diagnostiquée porteuse du virus doivent respecter une période d’isolement. (…) En dehors de ces cas de figure, aucun arrêt de travail ne sera délivré aux personnes non malades restant à domicile. Il est rappelé que la délivrance d’arrêts de travail pour maintien à domicile de personnes non diagnostiquées dans le cadre de la gestion de l’épidémie relève d’une procédure dérogatoire exceptionnelle et que les médecins généralistes n’ont pas, à ce jour, compétence pour les délivrer.“ (frei übersetzt: Unter den Bewohnern dieser Zonen [gemeint sind solche, in denen das Coronavirus kursiert, Anm. d. Verf.] müssen sich allein solche isolieren, die als Personen identifiziert wurden, die näheren und längeren Kontakt mit einer mit dem Virus infizierten Person hatten. (…) Außerhalb dieser Fälle wird keine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit an Personen ausgestellt, die nicht krank sind. Es wird daran erinnert, dass die Ausstellung der Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Isolation von Personen, die nicht diagnostiziert wurden, im Rahmen eines besonderen Verfahrens erfolgt, welches im Zuge der Pandemiebekämpfung vorgesehen wurde, und dass Allgemeinmediziner derzeit nicht befugt sind, derartige Bescheinigungen auszustellen).

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Arzt im Rahmen der klassischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung feststellt.504 Ein Blick auf die gesetzliche Entwicklung im Jahr 2020 zeigt, dass erhebliche Wertungswidersprüche aufträten, würden symptomlos Infizierte nicht unter die Regelungen des klassischen arrêt de travail maladie gefasst. Eine Neufassung des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 im November 2020 beschränkte die pandemiebedingte Erweiterung des Anspruchs auf Leistungen der Krankenversicherung ausdrücklich dahingehend, dass (neben Angehörigen der Risikogruppe und durch Kinderbetreuung an der Arbeit gehinderten Eltern) nur Kontaktpersonen von Infizierten erfasst und einen arrêt de travail dérogatoire erhalten sollten.505 Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt kam für nachweislich Infizierte allenfalls der klassische arrêt de travail maladie in Betracht; davon, dass sie keine Möglichkeit der Suspendierung ihrer Arbeitspflicht erhalten sollten, ist demgegenüber nicht auszugehen. Das gilt insbesondere auch mit Blick auf die finanziellen Ausgleichsmöglichkeiten – die Gefahr, dass Arbeitnehmer ihre Infektion verschwiegen hätten, um nicht ihren Lebensunterhalt zu verlieren, ist offensichtlich.506 Die im Jahr 2021 erfolgte, ausdrückliche Aufnahme der positiv Getesteten in den Kreis der Personen, die Leistungen der Krankenversicherung unter pandemiespezifischen Sonderkonditionen erhalten konnten, kann als weiterer Anhaltspunkt dafür dienen, dass sie im Jahr 2020 gerade noch nicht von den derzeitigen Sonderregelungen profitierten. Dass es sich hierbei um eine Erweiterung gegenüber dem Vorjahr handelt, wird dadurch nahelegt, dass die positiv Getesteten sowie Personen, die Symptome der COVID-19-Erkrankung aufwiesen, anders behandelt wurden, als die anderen von Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der ursprünglichen Fassung erfassten Gruppen, die ganz überwiegend schon von der Regelung aus dem Vorjahr (Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 i. d. F. v. 16. 11. 2020) erfasst waren: Nur für symptomatische oder positiv getestete Personen sollten die im Dekret getroffenen Sonderregelungen erst gelten, sofern die diesbezügliche Bescheinigung eine Berechtigung des Arbeitsausfalls ab dem 10. 1. 2021 auswies; für die übrigen Personengruppen beanspruchte die Regelung bereits ab dem 1. 1. 2021 Geltung, unabhängig von dem Startdatum des Arbeitsausfalls.507 Erneut liegt die Annahme fern, dass der Regelungsgeber für den Zwischenzeitraum vom 1. 1. 2021 bis zum 10. 1. 2021 den Betroffenen die Möglichkeit der Suspendierung ihres Arbeitsvertrags mit den damit verknüpften, finanziellen Unterstützungsleistungen versagen wollte. Vielmehr sollten zugunsten der positiv getesteten oder symptomatischen Personen Erleichterungen gegenüber den Konditionen eintreten, die für die Leistungen bei

504

Vgl. Carty, JurisClasseur Protection sociale Traité, Fasc. 431 Rn. 2. Siehe Art. 1 18 Décret n82020-1386 v. 16. 11. 2020. Zu Kontaktpersonen siehe auch Gliederungspunkt G. II. 1. a) aa). 506 Insoweit ist auf den bereits genannten Fall der SNCF-Kontrolleuren zu verweisen, die ihre Infektion verschwiegen und trotz dieser zur Arbeit erschienen, siehe Vérier, Le Parisien, Covid-19: des contrôleurs SNCF ont caché qu’ils étaient contaminés, Bericht v. 28. 9. 2020. 507 Art. 12 I Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der ursprünglichen Fassung. 505

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

klassischer Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit beansprucht werden könnten.508 Nach einer Pressemitteilung der Krankenversicherung hinsichtlich des neuen Teleservice für positiv getestete und symptomatische Personen findet sich weiterhin der Hinweis, Ärzte sollten zukünftig keine (klassischen) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr für diese Personen ausstellen, da sonst die Gefahr bestünde, dass für diese Patienten eine Karenzzeit gelte509 – auch das kann nur heißen, dass eine „gewöhnliche“ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durchaus für zulässig gehalten wurde, die betroffenen Personen aber nunmehr ebenfalls von den Sonderregelungen profitieren sollten, aber auch, dass die Sonderregelungen zuvor keine Anwendung fanden. Daher ist die eingangs gestellte Frage wohl mit „Ja“ zu beantworten – die nachgewiesene Coronavirusinfektion wird als Krankheit und damit nach entsprechender Bescheinigung als Grund für die Suspendierung des Arbeitsvertrags eingeordnet.510 c) Kein Leistungsverweigerungsrecht nach Art. L.4131-1 Code du travail Eine Ausübung des arbeitsschutzrechtlichen Leistungsverweigerungsrechts nach Art. L.4131-1 Code du travail zum Schutz der Kollegen scheint demgegenüber eher fernliegend – dieses dient, wie insbesondere auch aus der zugrundeliegenden Richtlinie 89/391/EWG folgt, dem Selbstschutz in Ausnahmesituationen, nicht dem Schutz Dritter.511 Ist der Arbeitsvertrag bereits aus anderen Gründen suspendiert, kann das Leistungsverweigerungsrecht darüber hinaus ohnehin nicht ausgeübt werden.512

508

Dies legt auch eine Pressemitteilung der Krankenversicherung v. 8. 1. 2021 nahe, in der betont wird, dass diese Personen, wenn sie nicht von zu Hause aus arbeiten können, von nun an ab dem ersten Tag Krankengeld erhalten konnten, um die Isolation zu vereinfachen („C’est pourquoi, afin de faciliter un isolement précoce, ces personnes pourront désormais bénéficier, si elles ne peuvent pas télétravailler, d’une prise en charge par l’Assurance Maladie des indemnités journalières dès le premier jour.“). 509 Pressemitteilung der Krankenversicherung v. 8. 1. 2021. Zu den geltenden Karenzzeiten und den pandemiebedingten Ausnahmen siehe Gliederungspunkt F. II. 2. a), b). 510 Ebenso Aumeran, Lexbase, Lexbase Lettre juridique n8819 v. 2. 3. 2020; Lebreton/Atlan, Éditions législatives v. 17. 7. 2020; Millet-Ursine, Lexbase Lettre juridique n8821 v. 23. 4. 2020; wohl auch Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 163. 511 Für die Informationspflicht des Arbeitnehmers, die ebenfalls in Art. L.4131-1 Code du travail geregelt ist, wurde oben zwar entgegen dem Wortlaut der Norm anderes erwogen. Allerdings ist diese in der Richtlinie 89/391/EWG auch im Zusammenhang mit der Schutzpflicht des Arbeitnehmers zugunsten Dritter in Art. 13 geregelt, während des Rückzugsrecht des Arbeitnehmers in Art. 8 vorgesehen ist und erkennbar an eine Gefahr für den Arbeitnehmer selbst anknüpft. 512 Cass. Soc. v. 9. 10. 2013, n812-22.288, JCP S 2014, 1060. Daher ein Leistungsverweigerungsrecht desjenigen Arbeitnehmers, der sich wegen einer Coronavirusinfektion in Absonderung befindet, ablehnend Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 52, die von einer

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d) Zwischenergebnis Eindeutig ist mithin eines: Der mit dem Coronavirus infizierter Arbeitnehmer soll nicht im Betrieb erscheinen. Soweit Telearbeit nicht möglich ist, kann der Arbeitnehmer ungeachtet seiner Symptomatik eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit erhalten. Während dies seit Beginn des Jahres 2021 ausdrücklich in pandemiespezifischen Sonderregelungen vorgesehen ist, ließe sich das Ergebnis für das Jahr 2020 zeitweise sowohl aus solchen Sonderregeln, als auch aus den allgemeinen Regeln für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Krankheitsfall herleiten, da schon die Coronavirusinfektion an sich als Krankheit verstanden wird. Jedenfalls nach Erhalt einer solchen Bescheinigung ist die Arbeitspflicht des infizierten Arbeitnehmers entfallen. 2. Die finanzielle Entschädigung des Arbeitnehmers im Falle des Leistungsausfalls aufgrund einer Coronavirusinfektion Die Suspendierung des Arbeitsvertrags bedeutet darüber hinaus grundsätzlich auch den Fortfall des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers.513 Im Krankheitsfall erfolgt jedoch eine finanzielle Absicherung durch eine Kombination von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie solcher des Arbeitgebers: Die Leistungen der Krankenversicherung (indemnités journalières) bilden hierbei die Grundlage zur Sicherung eines lebensnotwendigen Minimums514, während die (obligatorischen oder freiwilligen) Leistungen des Arbeitgebers dazu dienen, die finanzielle Situation des Betroffenen weiter zu verbessern.515 Es erfolgt mithin keine Lohnfortzahlung im wörtlichen Sinne, sondern vielmehr erhält der Arbeitnehmer finanzielle Unterstützung zum Ausgleich des Verlusts des Vergütungsanspruchs.516 Voraussetzungen und Umfang der indemnités journalières, d. h. des Krankengeldes, welches tageweise berechnet wird, sind dem Code de la sécurité sociale zu entnehmen.517 Die ergänzenden Leistungen des Arbeitgebers sind in Art. L.1226-1 Code du travail vorgesehen und können sich zusätzlich aus Vereinbarungen oder Suspendierung des Arbeitsvertrags schon wegen eines zwingenden Charakters der Behandlung und Absonderung ausgehen. 513 Siehe bereits Gliederungspunkt B. II. 1. b). 514 Vgl. zum Zweck der Sozialversicherung in Frankreich Art. 1 Ordonnance n845-2250 v. 4. 10. 1945. 515 Vgl. Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 541; Pagnerre, Droit Social 2020, 672; Pollak, L’effet du délai de carence sur le recours aux arrêts maladie des salariés du secteur privé, 2015, S. 5 f. 516 „Revenu de remplacement“ (frei übersetzt: Ersatzeinkommen) nach Peskine/Wolmark, Droit du travail, 15. Ed. 2022, Rn. 541; siehe für die indemnités journalières Tauran, Dr. Soc. 2009, 592 (592 f.). Ausführlich zum Charakter der Arbeitgeberleistungen im Falle des krankheitsbedingten Arbeitsausfalls Lyon-Caen, Le Salaire, 2. Ed., Rn. 259 ff. 517 Grundlegend Art. L.321-1 Code de la sécurité sociale.

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

Festlegung auf Unternehmensebene ergeben.518 Das Krankentagegeld und die ergänzenden Leistungen des Arbeitgebers stellen die Basis der finanziellen Absicherung auch des nachweislich mit dem Coronavirus infizierten Arbeitnehmers dar. Aufgrund spezifischer Regelungen, die im Verlaufe der Coronapandemie mit Blick auf den pandemiebedingten Arbeitsausfall getroffen wurden, kann die Darstellung der einschlägigen Normen selbst und ihrer Voraussetzungen kurz gehalten werden – der Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf den überwiegend durch Exekutivakt erfolgten, pandemiebezogenen Lösungen. a) Indemnités journalières – Leistungen der Krankenversicherung Die allgemeinen Zugangsvoraussetzungen zu Leistungen der Krankenversicherung im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sind in Art. L.321-1 Code de la sécurité sociale niedergelegt. Die Norm knüpft nicht ausdrücklich an eine Krankheit an, sondern vielmehr an die incapacité physique constatée par le médecin traitant, d. h. die vom behandelnden Arzt festgestellte, physische Unfähigkeit des Versicherten, de continuer ou de reprendre le travail, die Arbeit fortzusetzen oder wiederaufzunehmen. Darüber hinaus setzt ein Recht auf Krankengeld grundsätzlich voraus, dass der Arbeitnehmer in den der Arbeitsunfähigkeit vorausgehenden drei Monaten oder 90 Tagen mindestens 150 Stunden gearbeitet hat, oder aber in den sechs vorangegangenen Monaten Beitragsleistungen an die Krankenversicherung auf Grundlage eines Gesamteinkommens in Höhe des 1.015-fachen des stündlichen Mindestlohns geleistet hat.519 Sind die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, erhält der Arbeitnehmer die indemnités journalières ab dem vierten Tag seiner Arbeitsunfähigkeit.520 Diese sogenannte délai de carence (Karenzfrist) dient der Bekämpfung erhöhter Krankenstände, indem der Arbeitnehmer das finanzielle Risiko der Arbeitsversäumnis zunächst selbst trägt.521 In vielen Fällen werden die Kosten des Arbeitsausfalls während dieser ersten drei Tage jedoch durch ergänzende Leistungen des Arbeitgebers aufgefangen.522 Ein hundertprozentiger Ausgleich des Lohnverlusts durch die Krankenversicherung erfolgt auch nach Ablauf der Karenzzeit nicht: Die Höhe der Zahlungen bestimmt sich nach dem durchschnittlichen täglichen Verdienst des Arbeitnehmers, der nach Maßgabe des Art. R.323-4 Code de la sécurité sociale berechnet wird, und 518

Pagnerre, Droit Social 2020, 672 (676). Art. L.313-1 28, 38, R.313-3 18 Code de la sécurité sociale; diese Voraussetzungen gelten bei einer Arbeitsunfähigkeit bis zu einer Dauer von sechs Monaten. Die danach geltenden Voraussetzungen ergeben sich aus Art. R.313-3 28 Code de la sécurité sociale. 520 Art. L.321-1, R.323-1 Code de la sécurité sociale. 521 Pollak, L’effet du délai de carence sur le recours aux arrêts maladie des salariés du secteur privé, 2015, S. 5. 522 Pollak, L’effet du délai de carence sur le recours aux arrêts maladie des salariés du secteur privé, 2015, S. 5; siehe dazu sogleich Gliederungspunkt F. II. 2. c). 519

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beträgt im Regelfall 50 % dieses Verdienstes.523 Einen Höchstbetrag von derzeit 47,03 E kann das tägliche Krankengeld indes nicht überschreiten.524 Es wird für jeden Tag des Arbeitsausfalls gezahlt, hierbei jedoch grundsätzlich maximal für 360 Tage über einen maximalen Zeitraum von drei Jahren.525 aa) Pandemiebedingte Anpassungen der Gesetzeslage im Jahr 2020 Im Rahmen der Coronapandemie ist der Zugang zu den Leistungen der Krankenversicherung vereinfacht und erweitert worden: Insbesondere wurde 2020 für alle arrêt de travail maladie zeitweise die Karenzzeit ausgesetzt, sodass das Krankengeld bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit bezogen werden konnte.526 Die Regelung diente der Gleichbehandlung aller Versicherten der Krankenversicherung, die während der Dauer des ersten gesundheitlichen Notstandes im Frühjahr und Sommer 2020 gesundheitsbedingte Arbeitsausfälle erlitten.527 Erforderlich wurde sie dadurch, dass für arrêts de travail dérogatoire, d. h. solche Bescheinigungen, die aufgrund pandemiespezifischer Sonderregelungen ausgestellt wurden, bereits zuvor eine Aussetzung der Karenzzeit vorgesehen wurde.528 Für diese galten darüber hinaus die Zugangsvoraussetzungen der Art. R.313-3 Code de la sécurité sociale nicht, für die „klassische“ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist eine derartige Erleichterung hingegen nicht vorgesehen worden.529 Die Gleichbehandlung aller Versicherten im Hinblick auf die Karenzzeit war jedoch nur eine vorübergehende. Für die allgemeine Arbeitsunfähigkeit infolge von 523 Art. L.323-4, R.323-5 Code de la sécurité sociale; Abweichungen können sich entsprechend dieser Normen für Personen, die mindestens drei Kinder versorgen, ergeben. 524 Dies folgt aus der Begrenzung der Berechnungsgrundlage nach Art. R.323-4 Code de la sécurité sociale. 525 Art. L.323-1, R.323-1 28, 48 Code de la sécurité sociale. 526 Art. 8 Loi n82020-290 v. 23. 3. 2020; Marie, Droit Social 2020, 683 (684). 527 Siehe die Begründung zur später in Art. 8 Loi n82020-290 v. 23. 3. 2020 übernommenen, im Rahmen der ersten Lesung in der Nationalversammlung vorgeschlagenen Regelung in Amendement n8204 v. 21. 3. 2020: „Dans le cadre de la gestion de l’épidémie et afin d’assurer une égalité de traitement de l’ensemble des assurés (mis en isolement, contraints de garder leurs enfants ou malades) du point de vue de l’application d’un délai de carence pour le bénéfice de l’indemnisation des arrêts de travail, il est proposé de supprimer, pendant la période d’état d’urgence sanitaire, l’application de cette carence (…)“ (frei übersetzt: Im Rahmen der Verwaltung der Epidemie und um eine Gleichbehandlung aller Versicherten (Isolierter, zu Kinderbetreuung Verpflichteter und Kranker) im Hinblick auf die Anwendung einer Karenzfrist für den Anspruch auf Entschädigung von Arbeitsunterbrechungen sicherzustellen wird vorgeschlagen, während der Dauer des gesundheitlichen Notstandes, die Anwendung dieser Karenzfrist auszusetzen“, Begründung abrufbar unter https://www.assemblee-nationale.fr/dyn/15/ amendements/2764/AN/204.pdf (letzter Abruf: 19. 5. 2022). 528 Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in der ursprünglichen Fassung. Zur zeitlichen Entwicklung und für einen Vergleich zwischen den verschiedenen Arten der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung siehe Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 163. 529 Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 163.

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

Krankheit galt die Aussetzung der Karenzzeit nur für die Dauer des ersten gesundheitlichen Notstandes im Frühjahr und Sommer 2020.530 Für arrêts de travail dérogatoire auf Grundlage des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in der jeweiligen Fassung galt sie hingegen bereits seit dem 31. 1. 2020 für das ganze restliche Jahr 2020.531 Für sämtliche arrêts de travail, die zu Leistungen der Krankenversicherung berechtigten, wurde darüber hinaus für die Zeit zwischen dem 12. 3. 2020 bis zum Ende des Notstandes am 10. 7. 2020 vorgesehen, dass die Inanspruchnahme von Krankengeld in dieser Periode nicht in die Berechnung der Maximaldauer des Bezugs von Krankengeld nach Art. L.323-1 18, 28 Code de la sécurité sociale einfließen sollte.532 Spezifisch für arrêts de travail dérogatoire auf der Grundlage des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in der jeweiligen Fassung wurde dies nach Ende des Notstandes fortgesetzt.533 Die Gegenüberstellung zeigt, dass die Zuordnung der Arbeitsunterbrechung aufgrund einer Coronavirusinfektion zum Regelungsbereich des arrêt de travail classique, d. h. der „normalen“ Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, oder des arrêt de travail dérogatoire, d. h. der Bescheinigung der pandemiebezogenen Leistungsverhinderung, von erheblicher Bedeutung ist. Wie oben geschildert, wurde der nachweislich mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer im Jahr 2020 dem erstgenannten Regelungsregime zugeordnet.534 Das bedeutete für nachweislich infizierte Arbeitnehmer, symptomatisch oder nicht, die ihre Leistung aufgrund der Coronavirusinfektion nicht erbringen konnten, dass sie zwar zeitweise von einer Erleichterung durch Aussetzung der dreitägigen Karenzzeit profitierten, in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2020 jedoch „nur“ 530 Art. 8 Loi n82020-290 v. 23. 3. 2020; Einführung des gesundheitlichen Notstandes durch Art. 4 Loi n82020-290 v. 23. 3. 2020, verlängert durch Art. 1 Loi n82020-546 v. 11. 5. 2020 bis zum 10. 7. 2020. Zwar wurde der gesundheitliche Notstand durch Art. 1 Décret n82020-1257 v. 14. 10. 2020 ab dem 17. 10. 2020 wieder eingeführt, hierauf bezieht sich Art. 8 Loi n82020-290 v. 23. 3. 2020 indes nicht, sodass während dieses zweiten Notstandes die dreitägige Karenzzeit für allgemeine arrêts de travail maladie Anwendung findet. 531 Die Aussetzung der Karenzzeit ergab sich aus der jeweiligen Fassung des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020, der zunächst laut Art. 3 der Ursprungsfassung des Dekrets nur für zwei Monate gelten sollte, schließlich aber zunächst bis zum 30. 4. 2020 (siehe Fassung v. 10. 3. 2020), dann bis zum 31. 5. 2020 (siehe Fassung v. 20. 3. 2020), und sodann bis zu einem Zeitpunkt drei Monate nach Ende des ersten Notstandes (siehe Fassung vom 29. 5. 2020), d. h. bis zum 10. 10. 2020 (der erste Notstand endete am 10. 7. 2020, siehe Art. 1 I Loi n82020-546 v. 11. 5. 2020) verlängert wurde. Nach dem 10. 10. 2020 wendete die Krankenversicherung die Karenzzeit ohne gesetzliche Grundlage weiterhin nicht an, siehe hierzu etwa Editions Legislatives, Cas contact: l’Assurance maladie continue de ne pas appliquer de délai de carence, Bericht v. 8. 11. 2020. Ab dem 16. 11. 2020 war die Geltung der Sonderregelung wiederum bis zum 31. 12. 2020 vorgesehen (siehe Art. 3 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 i. d. F. v. 16. 11. 2020). 532 Art. 3 II 18 Ordonnance n82020-428 v. 15. 4. 2020. 533 Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 i. d. F. v. 11. 7. 2020. 534 Siehe Gliederungspunkt F. II. 1. b).

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unter den gewöhnlichen, schon vor der Pandemie geltenden Umständen Krankengeld von der Krankenversicherung erhalten konnten. Das heißt insbesondere, dass das Krankengeld erst ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit beansprucht werden konnte.535 Weiterhin musste der betroffene Arbeitnehmer die Mindestvoraussetzungen des Art. R.313-3 Code de la sécurité sociale hinsichtlich Arbeitszeit oder Beitragsleistung erfüllen, um überhaupt einen Anspruch auf Krankengeld zu haben. bb) Pandemiebedingte Anpassungen der Gesetzeslage in den Jahren 2021 und 2022 Im Jahr 2021 hat die Rechtslage an Klarheit gewonnen und sich zugunsten des nachweislich Infizierten entwickelt. Die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten für Leistungen der Krankenversicherungen aus Gründen im Zusammenhang mit der Coronapandemie wurde in Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 fortgesetzt. Die Regelung galt zunächst befristet, wurde aber im Laufe des Jahres mit dem Fortschreiten der Pandemie mehrfach verlängert und galt schließlich, nach mehrmaliger Anpassung, bis zum 31. 12. 2021.536 Per Gesetz wurde darüber hinaus die Fortgeltung auch für das Jahr 2022 angeordnet.537 In dem Dekret wurde die Regelungstechnik fortgesetzt, die sich bereits in der letzten Fassung des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 i. d. F. v. 16. 11. 2020 fand: Genannt wurden spezifische Gründe, aus denen die Arbeitsleistung ausblieb, die sodann bei Beantragung eines arrêt de travail dérogatoire mittels eines OnlineService der Krankenversicherung (siehe Art. 3 desselben Dekrets538) zum Erhalt des Krankengeldes berechtigten. Zu diesen Gründen zählte nunmehr neben dem Auftreten von COVID-19-Symptomen ausdrücklich die Vorlage eines positiven Coronatestergebnisses.539 Eine diesbezügliche Pressemitteilung des Arbeitsministeriums betonte die Geltung für symptomatische, positiv getestete Personen.540 Mangels 535 Mit dem Ende des ersten gesundheitlichen Notstandes am 10. 7. 2020 war die Aussetzung der Karenzzeit für klassische arrêt de travail maladie außer Kraft getreten, Art. 8 Loi n82020-290 v. 23. 3. 2020. 536 Letzte Verlängerung durch Art. 1 48 Décret n82021-1412 v. 29. 10. 2021. 537 Art. 93 II 18 Loi n82021-1754 v. 23. 12. 2021. 538 Keine Möglichkeit zur Beantragung des arrêt de travail dérogatoire über den OnlineService hatten Personen, die sich nach Einreise in französische Überseegebiete in Isolation oder Quarantäne befanden, siehe Art. 3, Art. 1 I Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der ursprünglichen Fassung. 539 Art. 1 I Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der ursprünglichen Fassung: „l’assuré présente le résultat d’un test de détection du SARS-CoV-2 (…) concluant à une contamination par le covid-19“ (frei übersetzt: Der Versicherte legt ein Ergebnis eines Tests zum Nachweis von SARS-CoV-2 vor, dass eine Infektion mit COVID-19 beweist). 540 Siehe Ministère du travail, de l’emploi et de l’insertion, Pressemitteilung v. 8. 1. 2021: „Afin d’inciter au maximum les personnes présentant des symptômes à rester isolées à leur domicile, elles pourront bénéficier d’indemnités journalières et du complément employeur, sans délai de carence ou de conditions d’ouverture du droit, lorsqu’elles sont testées positives à la

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dahingehender Einschränkung im Dekret selbst konnte jedoch jede positiv getestete Person eine Suspendierung ihres Arbeitsvertrags mit hinsichtlich des Krankengeldes günstigeren Konditionen als üblich und als noch im Jahr 2020 herbeiführen541: Weder waren die Zugangsvoraussetzungen insbesondere nach Art. R.313-1 Code de la sécurité sociale einzuhalten, noch fand die dreitägige Karenzzeit Anwendung, noch wurde die Dauer der pandemiebedingten Inanspruchnahme des Krankentagegeldes bei der Berechnung der in Art. L.323-1 18, 28 Code de la sécurité sociale vorgesehenen Höchstgrenze der möglichen Tage, an denen die Leistung in Anspruch genommen werden kann, berücksichtigt.542 Mithin verbesserte sich die Situation Betroffener gegenüber der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2020, in der ab dem 11. 7. 2020 alle üblichen, auch außerhalb der Pandemie geltenden Voraussetzungen erfüllt sein mussten. Weiterhin gewann die Rechtslage an Übersichtlichkeit. Soweit im Jahr 2022 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, nachweislich infizierte Personen rechtsverbindlich abzusondern, hat dies auf die Verteilung des Vergütungsrisikos keinen Einfluss – denn ungeachtet der Absonderung galt zugunsten positiv getesteter Personen die Regelung des Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 i. d. F. v. 29. 10. 2021 fort.543 b) Obligatorische Leistungen des Arbeitgebers Zusätzlich zu dem von der Krankenversicherung ausgezahlten Krankengeld kann der Arbeitgeber bei Erkrankung des Arbeitnehmers verpflichtet sein, die Leistungen der Krankenversicherung während der ersten 30 Tage der Arbeitsunfähigkeit auf bis zu 90 % des Gehalts, während der folgenden 30 Tage auf zwei Drittel des Gehalts aufzustocken.544 Auf diese Zeitspannen sind jeweils die vorangegangen Perioden der Covid-19 ou dès lors qu’elles sont symptomatiques, dans l’attente du résultat de leur test.“ (frei übersetzt: Um möglichst viele Personen, die Symptome zeigen, dazu zu veranlassen, sich zu Hause zu isolieren, können sie von Krankengeld und ergänzenden Leistungen des Arbeitgebers ohne Karenzfrist oder Einhalten der Zugangsvoraussetzungen profitieren, sofern sie positiv auf Covid-19 getestet sind oder, wenn sie symptomatisch sind, während sie auf das Ergebnis ihres Tests warten). 541 Auch im Titel der eben zitierten Pressemitteilung heißt es darüber hinaus „suppression du jour de carence pour les salarié(e)s testés positifs à la Covid-19 ou symptomatiques à la Covid-19 dans l’attente du résultat de leur test“ (frei übersetzt: Aussetzung der Karenzfrist für Arbeitnehmer, die positiv auf COVID-19 getestet sind oder (Hervorhebung d. Verf.) Symptome von COVID-19 zeigen und auf ihr Testergebnis warten). 542 Siehe Art. 1 II Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in allen Fassungen. 543 Zur Fortgeltung siehe Art. 93 II 18 Loi n82021-1754 v. 23. 12. 2021. 544 Art. L.1226-1, D.1226-1, D.1226-5 Code du travail; mit zunehmender Betriebszugehörigkeit verlängert sich der jeweilige Zahlungszeitraum, vgl. Art. D-1226-2 Code du travail. Die besonderen Regelungen allein für die Regionen Moselle, Bas-Rhin und Haut-Rhin, die in den Regelungen Art. L.1226-23 und L.1226-24 Code du travail vorgesehen sind, sollen für die vorliegende Untersuchung außer Betracht bleiben.

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Arbeitsunfähigkeit der vergangenen 12 Monate anzurechnen.545 Leistungen der Krankenversicherung sowie freiwillige Leistungen des Arbeitgebers werden von dem zu zahlenden Betrag abgezogen.546 Dies gilt insgesamt nur, wenn der Arbeitnehmer die persönlichen Voraussetzungen des Art. L.1226-1 Code du travail aufweist: Das umfasst zum einen die Voraussetzungen des Krankengeldes nach Art. L.321-1 Code de la sécurité sociale, denn auf diesen verweist Art. L.1226-1 Code du travail und bezeichnet die Entschädigungsleistung des Arbeitgebers ausdrücklich als „complémentaire“, d. h. ergänzend, zum Krankengeld.547 Zu den Voraussetzungen zählt insbesondere die Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Krankheit.548 Zum anderen ist u. a. eine mindestens einjährige Betriebszugehörigkeit erforderlich sowie der innerhalb von 48 Stunden erfolgende Nachweis der Krankheit durch ärztliche Bescheinigung.549 Wird die Arbeitsunfähigkeit nicht durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit ausgelöst, gilt eine Karenzzeit von sieben Tagen.550 aa) Pandemiebedingte Anpassungen im Jahr 2020 Im Zuge der Erweiterung der finanziellen Absicherung der Arbeitnehmer während der Coronapandemie wurde auch das Recht auf Leistungen des Arbeitgebers angepasst. Für die Dauer des ersten Notstandes vom 24. 3. 2020 bis zum 10. 7. 2020 wurde die siebentägige Karenzzeit für den klassischen arrêt de travail maladie ausgesetzt.551 Weiterhin wurde insgesamt bis zum 31. 12. 2020 auf die Voraussetzung der einjährigen Betriebszugehörigkeit verzichtet und der Kreis anspruchsberechtigter Arbeitnehmer ausgeweitet.552 An der Höhe der Arbeitgeberleistungen sowie der 48-Stunden-Frist zum Nachweis der Erkrankung durch ärztliche Bescheinigung änderte sich für klassische Bescheinigungen der krankheitsbedingten Arbeitsunfä545

Art. D.1226-4 Code du travail. Art. D.1226-5 Code du travail. 547 In diesem Sinne auch Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 163. 548 So folgt etwa aus einer Thermalkur, die nicht aufgrund einer die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Beeinträchtigung erfolgt, kein Anspruch auf Leistungen des Arbeitgebers, siehe für solche Leistungen aufgrund einer Kollektivvereinbarung Cass. Soc. v. 29. 1. 1997, n89342.794, RJS 1997, 283; Cass. Ass. Plén v. 1. 4. 1993, n889-41.756, Bull. A.P. 1993, n88. 549 Art. L.1226-1 Code du travail. 550 Art. D.1226-3 Code du travail. 551 Art. 1 18, Art. 3 Décret n82020-434 v. 16. 4. 2020; für arrêts de travail maladie in der Zeit vom 12. 3. 2020 bis zum 23. 3. 2020 galt hingegen nach Art. 1 18 desselben Dekrets eine Karenzzeit von drei Tagen. Für die pandemiespezifischen arrêts de travail dérogatoires galt dies hingegen bis zum 31. 12. 2020, siehe Art. 1 Décret n82020-193 v. 4. 3. 2020 (außer Kraft gesetzt am 17. 4. 2020); Art. 1 18, Art. 3 Décret n82020-434 v. 16. 4. 2020; Pagnerre, Droit Social 2020, 672 (677). 552 Siehe Art. 1 28 Ordonnance n82020-322 v. 25. 3. 2020 (i. d. F. v. 17. 4. 2020). Neben dem Verzicht auf die einjährige Betriebszugehörigkeit wurde die Anwendung des Anspruchsausschlusses nach Art. L.1226-1 Code du travail für Heimarbeiter, Saisonarbeiter und zeitweise bzw. vorübergehend Beschäftigte ausgesetzt. 546

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higkeit – anders als für den pandemiebedingten arrêt de travail dérogatoire553 – nichts. Hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung der Anspruchshöhe von 90 % auf die ersten 30 Tage des Arbeitsausfalls sollten indes die in den vorangegangenen 12 Monaten in Anspruch genommen Leistungen vorübergehend außer Betracht bleiben.554 Der nachweislich infizierte Arbeitnehmer konnte daher auch bei Erhalt eines klassischen arrêt de travail maladie zeitweise ab dem ersten Tag seiner Leistungsunfähigkeit und ohne Rücksicht auf seine Betriebszugehörigkeit die ergänzenden Leistungen des Arbeitgebers in Höhe von 90 % des Gehalts für die Dauer von 30 Tagen in Anspruch nehmen. Ab einer Dauer des Arbeitsausfalls von mehr als 30 Tagen, der nur bei schwerem COVID-19-Verlauf zu erwarten sein dürfte, reduzierte sich der Anspruch auf zwei Drittel des Gehalts, wobei die Leistungen der Krankenversicherung jeweils anzurechnen waren. Ende des Jahres 2020, mit Gesetz vom 14. 12. 2020, wurde eine neue gesetzliche Grundlage für Abweichungen von Art. L.1226-1 Code du travail geschaffen555 : In Art. L.1226-1-1 Code du travail ist seither festgeschrieben, inwiefern insbesondere während einer Epidemie von Voraussetzungen wie beispielsweise der einjährigen Betriebsangehörigkeit, dem Grund für die Abwesenheit oder der Karenzfrist per Dekret abgewichen werden kann. bb) Pandemiebedingte Anpassungen in den Jahren 2021 und 2022 Von dieser neuen Regelung wurde im neuen Jahr 2021 Gebrauch gemacht: So wurde insbesondere auf die einjährige Betriebszugehörigkeit sowie die siebentägige Karenzfrist verzichtet.556 Weiterhin sollten auch hier die Arbeitsunfähigkeiten der vorhergehenden 12 Monate sowie der in Rede stehende, pandemiebedingte Ar553

Für diese wurde in Art. 2 Décret n82020-434 v. 16. 4. 2020 vorgesehen, dass abweichend von Art. D.1226-1 Code du travail zwischen dem 12.3. und dem 30. 4. 2020 unabhängig von der Gesamtdauer der Entschädigung die Höhe der ergänzenden Zahlung nach Art. L.1226-1 Code du travail 90 % des Bruttolohns, den der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er gearbeitet hätte, abzüglich des Krankengeldes erreichen sollte („Par dérogation aux dispositions de l’article D.1226-1 du code du travail, à compter du 12 mars et jusqu’au 30 avril 2020, quelle que soit la durée totale d’indemnisation, le montant de l’indemnité complémentaire visée à l’article L.1226-1 du même code est égal, si le salarié bénéficie d’un arrêt de travail prévu à l’article 1er du décret du 31 janvier 2020 susvisé, en tenant compte du montant des indemnités journalières de la sécurité sociale, à 90 % de la rémunération brute qu’il aurait perçue s’il avait continué à travailler“). So konnten auch Ausfallzeiten von mehr als 30 Tagen vorübergehend mit Zahlungen i. H. v. 90 % des Gehalts entschädigt werden. Siehe hierzu auch Marié, Dr. Soc. 2020, 683 (685). 554 Art. 1 28 Décret n82020-434 v. 16. 4. 2020, wonach weiterhin die Leistungen während der Geltungsdauer der Sonderregelung auch für die folgenden 12 Monate nicht miteinberechnet werden. 555 Änderung durch Art. 76 II Loi n82020-1576 v. 14. 12. 2020. 556 Art. 2 18, 28 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der ursprünglichen Fassung. Die Norm blieb im weiteren Verlauf des Jahres unverändert.

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beitsausfall bei der Berechnung der Gesamtdauer der Entschädigung in dem von Art. D.1226-4 Code du travail vorgesehenen Sechsmonatszeitraum außer Betracht bleiben.557 Da der nachweislich infizierte Arbeitnehmer dem Wortlaut nach eindeutig zu den Berechtigten eines arrêt de travail dérogatoire nach Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in all seinen Fassungen gehörte, galten für ihn auch die in Abs. 2 desselben Dekrets vorgesehenen Erleichterungen hinsichtlich der Leistungen des Arbeitgebers – ohne Geltung einer Karenzzeit und ohne Rücksicht auf die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit und vorangegangene Arbeitsunfähigkeiten konnte er für die Dauer seiner infektionsbedingten Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2021 eine Entschädigung in Höhe von zunächst 90 % seines Gehalts in Anspruch nehmen. Die Fortgeltung dieser Regelung zunächst bis längstens zum 31. 7. 2022 wurde in Art. 13 18 Loi n82021-1465 v. 10. 11. 2021 vorgesehen.558 c) Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers Eine darüberhinausgehende, unter Umständen einer vollständigen Lohnfortzahlung entsprechende Leistung konnte der Arbeitnehmer aufgrund der dritten Säule des Systems zur Einkommenssicherung erhalten: In zahlreichen Unternehmen existieren Regelungen zu Leistungen im Krankheitsfall, die für den Arbeitnehmer im Vergleich zur gesetzlichen Ausgangslage günstiger sind.559 Ungünstigere Regelungen können nicht vorgesehen werden.560 Nicht abschließend geklärt ist, ob die im Laufe der Coronapandemie vorgesehenen Erleichterungen hinsichtlich des Zugangs zu Leistungen des Arbeitgebers sowie der Karenzfrist auch für die auf Ebene des Unternehmens vorgesehenen Leistungen gelten.561 Offen ist weiterhin, wie der Günstigkeitsvergleich zwischen den unternehmensinternen Regelungen und den pandemiebedingten Gesetzesänderungen zu erfolgen hat.562 Ungeachtet dessen hängt es von der jeweiligen, im Unternehmen getroffenen Regelung ab, ob und inwieweit der Arbeitnehmer im Falle der COVID-19-Erkrankung Leistungen erhält, die über die gesetzlich vorgesehenen hinausgehen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher nicht auf freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, sondern allein auf die gesetzliche Ausgangslage. Auch 557

Art. 2 38 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der ursprünglichen Fassung. Teile der Regelung wurden vom Conseil Constitutionnel für verfassungswidrig erklärt, siehe die Entscheidung v. 9. 11. 2021, n82021-828 DC Rn. 43 ff., diese Fortgeltungsanordnung hat jedoch Bestand. 559 Pagnerre, Dr. Soc. 2020, 672; Pollak, L’effet du délai de carence sur le recours aux arrêts maladie des salariés du secteur privé, 2015, S. 5; siehe beispielsweise auch zu einer solchen Regelung in der Metallindustrie Cass. Soc. v. 4. 7. 2002, n801-00.708, Bull. Civ., V, n8233. 560 Art. L.2251-1 Code du travail. 561 Dagegen Marie, Dr. Soc. 2020, 683 (684); Millet-Ursine, Lexbase Lettre juridique n8821 du 23 avril 2020; Pagnerre, Dr. Soc. 2020, 672 (677). 562 Pagnerre, Dr. Soc. 2020, 672 (677). 558

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anderweitige private Zusatzversicherungen des Arbeitnehmers sollen für die vorliegende Betrachtung außer Acht bleiben.563 3. Zwischenergebnis für den nachweislich mit dem Coronavirus infizierten Arbeitnehmer Die Arbeitsleistung des mit dem Coronavirus infizierten Arbeitnehmers soll, sofern er nicht Telearbeit leisten kann, in Frankreich regelmäßig ausbleiben. Die Befreiung von der Arbeitspflicht erfolgt aufgrund einer Suspendierung des Arbeitsvertrags. Zwar bestand in Frankreich in den Jahren 2020 und 2021 – mit Ausnahme des Falles der Einreise aus einem Risikogebiet – keine Möglichkeit der Anordnung einer rechtlich verbindlichen Absonderung, die der Arbeitsleistung hätte entgegenstehen können. Die Coronavirusinfektion wurde jedoch, ungeachtet der Symptomatik im konkreten Fall, als Krankheit und damit bei entsprechender Bescheinigung als Grund für eine Suspendierung des Vertrags, d. h. insbesondere auch der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers behandelt. Während der infizierte Arbeitnehmer im Jahr 2020 eine klassische Bescheinigung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit erhalten sollte, war für das Jahr 2021 in einer Sonderbestimmung zu seinen Gunsten die Möglichkeit des Erhalts einer besonderen Bescheinigung pandemiebedingten Arbeitsausfalls vorgesehen. Im Jahr 2022 gilt letztgenannte Sonderregelung fort. Die Differenzierung ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Geldleistungen, die der Arbeitnehmer infolge des Arbeitsausfalls beanspruchen kann. Die finanzielle Absicherung des mit dem Coronavirus infizierten Arbeitnehmers erfolgt im System der Leistungen für krankheitsbedingte Arbeitsausfälle. Dieses besteht aus einem tageweise zu berechnenden Krankengeld, das durch die Krankenversicherung gezahlt wird, sowie ergänzenden Leistungen des Arbeitgebers. Während für die aufgrund pandemiespezifischer Sonderregelungen ausgestellten Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit ab Beginn der Pandemie für das übrige Jahr 2020 Vergünstigungen insbesondere hinsichtlich der geltenden Karenzzeit und der allgemeinen Zugangsvoraussetzungen zu Leistungen der Krankenversicherung vorgesehen waren, galten derartige Erleichterungen für klassische Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit lediglich für die Dauer des ersten gesundheitlichen Notstandes, d. h. bis zum Sommer 2020. Ähnlich stellt sich die Situation hinsichtlich des Anspruchs auf ergänzende Leistungen des Arbeitgebers dar: Auch die insoweit geltende, siebentägige Karenzzeit wurde für klassische arrêts de travail maladie nur zeitweise ausgesetzt, für die aufgrund pandemiebezogener Sonderregelungen ausgestellten Bescheinigungen hingegen bis zum Ende des Jahres. Der daneben vorgesehene Verzicht auf eine einjährige Betriebszugehörigkeit sowie die Aussetzung einer Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises galt 563 Diese betreffen vorwiegend die Kosten bestimmter medizinischer Behandlungen, siehe zum Thema ausführlich Kessler, FS Igl, 2017, S. 675 (680).

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hingegen ebenfalls für krankheitsbedingt arbeitsunfähige Arbeitnehmer bis zum 31. 12. 2020. Auch Anpassungen hinsichtlich der Berechnung der Gesamtdauer der Anspruchsberechtigung für Krankengeld und Arbeitgeberleistung und der dabei erfolgenden Berücksichtigung pandemiebedingter Ausfallzeiten erfolgten für beide Arten der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, z. T. jedoch mit abweichender Geltungsdauer. Die pandemiespezifischen Bestimmungen der Jahre 2021 und 2022 sehen demgegenüber vor, dass Personen mit einem positiven Testergebnis in ihren Anwendungsbereich fallen und somit bei Arbeitsausfall Leistungen der Krankenversicherung sowie des Arbeitgebers zu günstigeren Konditionen als üblich, d. h. insbesondere ohne Karenzzeit und Geltung der üblichen Zugangsvoraussetzungen, erhalten können.

III. Auswirkungen der nachgewiesenen Infektion in Deutschland und Frankreich im Vergleich Stellt man die arbeitsrechtliche Situation des mit dem Coronavirus infizierten Arbeitnehmers sowie die im Falle des Arbeitsausfalls bestehende Verteilung des Vergütungsrisikos in den Vergleichsstaaten Deutschland und Frankreich einander gegenüber, so zeigen sich auf den ersten Blick einige ähnliche Ansätze, allerdings im Ergebnis auch deutliche Unterschiede in der Herangehensweise und Lösung dieses so wichtigen Rechtsproblems. 1. Das Schicksal der Arbeitspflicht im Vergleich Betrachtet man zunächst die Arbeitspflicht des nachweislich mit dem Coronavirus infizierten Arbeitnehmers in den Vergleichsstaaten, so lässt sich der parallele politische wie gesetzgeberische Wille doch sehr deutlich erkennen: Wer mit dem Coronavirus infiziert ist, soll zu Hause bleiben, also jedenfalls nicht im Betrieb, wo er mit anderen Menschen zusammentrifft, seiner Arbeit nachgehen. Der rechtliche Weg dorthin ist allerdings durchaus unterschiedlich. Während in Deutschland eine nachgewiesene Coronavirusinfektion in aller Regel zu eine Absonderung auf Basis des § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG durch die zuständige Behörde bzw. in Verbindung mit § 32 IfSG durch eine landesrechtliche Verordnung führt und dies hinsichtlich der Tätigkeit im Betrieb eine rechtliche Unmöglichkeit auslöst, die den Arbeitnehmer nach § 275 Abs. 1 BGB von seiner Arbeitsleistung befreit, war die hoheitliche Anordnung einer Absonderung auch bei nachgewiesener Coronavirusinfektion jedenfalls in den Jahren 2020 und 2021 die Ausnahme.564 Eine einheitlich geregelte, kraft Gesetzes angeordnete und obligatorische Isolation aller 564 Möglich war sie nur gegenüber Personen, die aus einem Risikogebiet in das französische Staatsgebiet einreisten, siehe Gliederungspunkt G. II. 1. a) bb).

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nachweislich Infizierten wurde verfassungsgerichtlich ausdrücklich für nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig befunden.565 Die seit Beginn des Jahres 2022 bestehende Möglichkeit der Anordnung der Absonderung nachweislich Infizierter auf lokaler Ebene durch den örtlich zuständigen Präfekten566 führt demgegenüber zu einer Suspendierung des Arbeitsvertrags und damit auch der Arbeitspflicht, soweit man die Möglichkeit einer Tätigkeit von zu Hause aus außer Betracht lässt – dies entspricht weitgehend der Situation des nach dem IfSG abgesonderten Arbeitnehmers in Deutschland. Im Übrigen lässt sich feststellen, dass das gewünschte Ergebnis – das Fernbleiben Infizierter vom Arbeitsplatz – in Frankreich weniger durch spezifisches Infektionsschutzrecht, als vielmehr auf arbeits- bzw. sozialrechtlichem Wege zu erreichen versucht wird. Infizierte können und konnten stets eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit erhalten, welche in einem ersten Schritt die Suspendierung des Arbeitsvertrags und damit auch der Arbeitspflicht auslöst. Die Art der Bescheinigung mag in den Jahren 2021 und 2022 eine andere sein als noch im Jahr 2020. Im ersten Pandemiejahr sollte allein eine klassische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen Krankheit in Betracht kommen, denn man geht für jede Coronavirusinfektion davon aus, dass sie die Voraussetzungen für die krankheitsbedingte Suspendierung des Arbeitsvertrags erfüllt. Seit Beginn des Jahres 2021 findet das pandemiespezifische Sonderregime des Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 Anwendung. Im Hinblick auf die Arbeitspflicht ist diese Differenzierung jedoch unerheblich. Jedenfalls soll eine Bescheinigung, wie sie üblicherweise im Krankheitsfalle durch einen Arzt ausgestellt wird, den Arbeitsausfall herbeiführen bzw. rechtfertigen. Untersuchungen des Schicksals der Arbeitspflicht setzen im deutschen Recht am allgemeinen zivilrechtlichen Mechanismus der Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit nach § 275 Abs. 1, Abs. 3 BGB an. Das gilt wie gesehen im Falle hoheitlich angeordneter Absonderung und ebenso im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Letztere besteht allerdings nur bei tatsächlicher Verhinderung oder drohender Verschlechterung des Gesundheitszustands und kann im Hinblick auf die Coronavirusinfektion daher nur bei entsprechender Schwere der auftretenden Symptome angenommen werden. Eine Einordnung jedweder Coronavirusinfektion, unabhängig von der Symptomstärke, als Fall krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ist – anders als es für das französische Recht angenommen wird – abzulehnen. Bei symptomloser oder nur leicht symptomatischer Infektion, die nicht mit einer hoheitlichen Absonderung einhergeht, ist die Begründung des Fortfalls der Arbeitspflicht eine andere. Anzuknüpfen ist nicht an die körperliche Konstitution des Arbeitnehmers selbst, die einer Arbeitsleistung ja nicht entgegenstehen würde, sondern vielmehr an die aus der Infektion folgende Gefahr für Personen, die ihm bei der Ausübung seiner Arbeitsleistung begegnen würden. Auch diese Gefahr führt nach hier vertretener Ansicht i. d. R. jedoch zur Unmöglichkeit der ordnungsgemäßen Erbrin565 566

Conseil Constitutionnel v. 5. 8. 2021, n82021-824 DC. Art. 24 II Décret n82021-699 v. 1. 6. 2021 (i. d. F. v. 31. 12. 2021).

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gung der Arbeitsleistung und damit zum Fortfall der Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB.567 Im französischen Recht werden die zivilrechtlichen Anknüpfungspunkte für dieselben Fragen demgegenüber kaum diskutiert. Hierfür besteht bei Einordnung jeglicher Coronavirusinfektion – ungeachtet der Symptomatik – als Anwendungsfall des Regimes der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit wohl auch kein echter Bedarf – die Folgen der Krankheit des Arbeitnehmers für das Arbeitsverhältnis sind bekannt und unbestritten. Auch die seit 2021 einschlägigen Sonderregelungen für positive Coronafälle, die zum Erhalt einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung berechtigten, machten allgemeine vertragsrechtliche Ausführungen entbehrlich. Diese Bescheinigung ist im französischen Recht von zentraler Bedeutung und erscheint insgesamt als Aufhänger für Fragen nach dem Schicksal der Arbeitspflicht bei nachgewiesener Coronavirusinfektion. Im deutschen Recht spielt die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit demgegenüber erst mit Blick auf das Vergütungsrisiko, dort auch allein im Kontext der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und des Krankengeldes eine Rolle, siehe § 5 EFZG und § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V. Im Übrigen erlangen Nachweise einer Absonderung oder Infektion erst für Beweisfragen Bedeutung – die Untersuchung der rechtlichen Auswirkungen dieser Umstände setzt allerdings am jeweiligen Umstand selbst, nicht an seinem Nachweis an. 2. Die Verteilung des Vergütungsrisikos im Vergleich So eindeutig und auch jedenfalls im Ergebnis kongruent noch das Schicksal der Arbeitspflicht in den Vergleichsstaaten zu beurteilen ist, so zeigen sich die Diskrepanzen doch ganz deutlich, wenn man sich der Verteilung des Vergütungsrisikos bei infektionsbedingtem Arbeitsausfall zuwendet. Schon die Zahl der potentiell einschlägigen Normen bzw. Lohnfortzahlungs- oder Entschädigungsregime fällt auseinander: In Frankreich ist eindeutig, dass alle Fälle infektionsbedingten Arbeitsausfalls letztlich über das System der finanziellen Absicherung des Arbeitnehmers im Krankheitsfall gelöst werden, denn auch die pandemiespezifischen Sonderregelungen verweisen auf eben dieses System. In Deutschland hingegen kommen Entschädigungsleistungen des Staates, anknüpfend an eine hoheitlich angeordnete Absonderung nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG in Betracht, daneben jedoch auch Ansprüche gegen Arbeitgeber oder Sozialversicherung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG und § 44 SGB V bei längerfristiger Erkrankung, schließlich auch eine arbeitgeberseitige Lohnfortzahlung auf Basis des § 616 BGB. Auch hier ist jedoch die arbeits- und sozialrechtliche Lösung jedenfalls vorrangig, was aus der zwar umstrittenen, aber doch anzuerkennenden Subsidiarität der staatlichen Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG folgt. 567 Dass eine vergleichbare Lösung auch für das französische Recht denkbar wäre, sich dort jedoch nur in Ansätzen findet, ist bereits erörtert worden, siehe Gliederungspunkt E. II. 2. a) dd) (4).

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a) Eine vergleichende Betrachtung der Absicherung bei krankheits- oder personenbedingtem Arbeitsausfall in ihren Grundzügen Dies rechtfertigt es, zunächst einen vergleichenden Blick auf die Absicherung des Arbeitnehmers bei krankheits- oder anderweitig personenbedingtem Arbeitsausfall in beiden Staaten zu werfen. Die tragenden Säulen der sozialen Sicherung des Arbeitnehmers im Krankheitsfalle sind jeweils andere. In Frankreich erhält der krankheitsbedingt an der Arbeitsleistung verhinderte Arbeitnehmer als Grundsicherung ein Krankentagegeld von der Krankenversicherung, soweit er die Zugangsvoraussetzungen erfüllt, welches sodann ebenfalls unter dem Vorbehalt des Erfüllens der Zugangsvoraussetzungen durch Leistungen des Arbeitgebers auf bis zu 90 % des ansonsten erhaltenen Bruttogehalts aufgestockt wird. Demgegenüber trägt nach deutschem Recht für die ersten sechs Wochen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich, unter den Voraussetzungen der §§ 3 ff. EFZG, der Arbeitgeber das Kostenrisiko des Arbeitsausfalls allein. Erst nach Ablauf dieser sechs Wochen oder für den Fall, dass kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, erfolgt eine Zahlung von Krankengeld durch die gesetzliche Krankenversicherung nach § 44 SGB V. Die Absicherung erfolgt also grundsätzlich zuvorderst durch den Arbeitgeber, erst nachrangig durch die Sozialversicherung. Dies steht im Kontrast zu den jeweils anteiligen Leistungen, wie sie das französische Recht vorsieht. Allerdings ist auch eine solche Lösung dem deutschen Arbeits- und Sozialrecht nicht vollständig fremd: Für Arbeiter sah § 1 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle seit 1957 und bis zur Schaffung des Lohnfortzahlungsgesetzes im Jahr 1969 eine ähnliche, gespaltene Lösung mit durchgehenden Leistungen der Krankenversicherung und bloßen Zuschüssen durch den Arbeitgeber vor. Demgegenüber, und auch gegenüber dem französischen Recht568, ist die Arbeitgeberseite durch das EFZG mit Ausnahme derjenigen, die unter das AAG fallen, heute stärker be-, die Sozialversicherung dafür entlastet, soweit es um kurzzeitige Erkrankungen geht. Im französischen Recht lässt sich demgegenüber bei kurzzeitigen Erkrankungen eine tendenziell stärkere Belastung des Arbeitnehmers erkennen, erfolgt doch auch die Ergänzung des Krankengeldes durch den Arbeitgeber nur bis zu einer Höhe von 90 % des Bruttogehalts und die Zahlung sowohl des Krankengeldes als auch der Arbeitgeberleistungen erst nach Ablauf mehrtägiger Karenzzeiten. Nur bei von der gesetzlichen Ausgangslage abweichenden Individual-

568

Welchen Anteil der finanziellen Leistungen zugunsten des Arbeitnehmers der Arbeitgeber im Krankheitsfalle zu tragen hat, hängt von der Höhe des üblicherweise geschuldeten Gehalts ab – die Krankenversicherung übernimmt grundsätzlich bis zu 50 % des Gehalts, allerdings nur bis zu einem Höchstsatz von derzeit 47,03 E pro Tag. Der Arbeitgeber ist demgegenüber verpflichtet, das Gehalt auf zunächst 90 % aufzustocken, Art. D.1226-1 Code du travail, und kann mithin je nach Gehalt auch einen höheren Anteil als die Krankenversicherung zu tragen haben. Dennoch ist eine vollständige Lohnfortzahlung allein durch den Arbeitgeber auch nicht für einen begrenzten Zeitraum gesetzlich vorgesehen.

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oder Kollektivvereinbarungen ist der Arbeitnehmer hier vollständig von dem Vergütungsrisiko befreit. aa) Die unterschiedliche Zielsetzung der Arbeitgeberleistungen Während das grundlegende Ziel der Existenzsicherung in beiden Staaten sowohl den Leistungen der Krankenversicherungen als auch denen des Arbeitgebers zu Grunde liegt569, kommen den arbeitgeberseitigen Leistungen bei näherer Betrachtung unterschiedliche Funktionen zu. Die Entlastungsfunktion zugunsten der Sozialversicherung, welche Leistungen nach § 3 EFZG verfolgen570, können die Zahlungen nach Art. L.1226-1 Code du travail nicht erfüllen. Sie haben aufgrund ihres ergänzenden Charakters571 keine Auswirkung auf die Höhe des Anspruchs gegen die gesetzliche Krankenversicherung. Finanzielle Entlastung tritt hier allein zugunsten des Arbeitnehmers ein. bb) Abweichungen im Hinblick auf Zugangsvoraussetzungen und Karenzzeiten Zugangsvoraussetzungen, wie sie in Form von Mindestbeitragszahlungen oder geleisteten Arbeitsstunden für die Leistungen der französischen Krankenversicherung vorgesehen sind, sind dem deutschen Sozialversicherungsrecht fremd – hier genügt die Versicherteneigenschaft bei Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit, soweit sich aus § 44 Abs. 2 SGB V nichts Abweichendes ergibt.572 Auch eine Karenzzeit, die in Frankreich sowohl für die indemnités journalières der Krankenversicherung als auch für arbeitgeberseitige Leistungen vorgesehen ist573, existiert in dieser Form im deutschen Recht nicht. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht mit der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt, § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V, der Entgeltfortzahlungsanspruch mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit574. Einzig die in 569 Für Deutschland siehe hinsichtlich der Entgeltfortzahlung MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 79 Rn. 5; hinsichtlich des Krankengeldes KassKomm/Schifferdecker, 117. EL. (Stand: Dezember 2021), § 44 SGB V Rn. 2; für Frankreich siehe grundlegend hinsichtlich des Zwecks der Sozialversicherungsleistungen Art. 1 Ordonnance 45-2250 v. 4. 10. 1945; für die Leistungen des Arbeitgebers ergibt sich dies sinngemäß aus ihrer Ergänzungsfunktion. 570 BAG, Urt. v. 12. 12. 2001 – 5 AZR 255/00, NZA 2002, 734 (738); ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 1; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 79 Rn. 5; MüKoBGB/ Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG 2; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139); Salowsky/Seffen, Einkommenssicherung bei Krankheit im internationalen Vergleich, S. 5; v. Hoyningen-Huene, FS Adomeit, 2008, S. 291 (300). 571 Dieser ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes: Art. L.1226-1 Code du travail sieht eine „indemnité complémentaire à l’allocation journalière prévue à l’article 321-1 du code de la sécurité sociale“ vor, frei übersetzt eine Zulage zum Krankengeld nach Art. 321-1 Code de la sécurité sociale. 572 Vgl. Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 44 Rn. 3. 573 Siehe Gliederungspunkte F. II. 2. a), b). 574 MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 81 Rn. 31.

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§ 3 Abs. 3 EFZG vorgesehene, vierwöchige Wartezeit hat eine ähnlich anspruchsbeschränkende Wirkung. In ihrer Zweckrichtung ist diese Regelung jedoch nicht mit der délai de carence im französischen Recht vergleichbar: Letztere dient der Verringerung der Krankenstände575, während § 3 Abs. 3 EFZG eine Entlastung der Arbeitgeberseite bezweckt576. Einen Anreiz zu geringeren Fehlzeiten kann die deutsche Regelung schon deswegen nur eingeschränkt geben, weil während der Wartezeit ein Krankengeldanspruch besteht577 – das Kostenrisiko für den entsprechenden Zeitraum trifft daher nur anteilig den Arbeitnehmer. Demgegenüber kann der Arbeitnehmer in Frankreich für die Dauer der délai de carence lediglich dann auf ergänzende Leistungen seines Arbeitgebers hoffen, wenn diese kollektiv- oder individualvertraglich vorgesehen sind.578 cc) Abweichungen hinsichtlich der Auswirkungen eines Eigenverschuldens des Arbeitnehmers Aus deutscher Sicht auffällig ist weiterhin die Abweichung hinsichtlich der Auswirkungen eines Eigenverschuldens des Arbeitnehmers auf die Einkommenssicherung im Krankheitsfall. Während das Verschulden einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber – und im Übrigen auch den weiteren hier relevanten Ansprüchen nach § 616 BGB und § 56 IfSG – im deutschen Recht entgegensteht, finden sich vergleichbare Regelungen in den französischen Gesetzestexten nicht.579 Anerkannt ist ein Ausschluss des Anspruchs nach Art. L.1226-1 Code du travail aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers für den Fall, dass der Arbeitnehmer sich einer Gesundheitskontrolle durch einen vom Arbeitgeber beauftragten Arzt verweigert.580 Dies folgt allerdings nicht aus einem Verschuldenserfordernis, sondern aus den Tatbestandsvoraussetzungen des Art. L.1226-1 Code du travail, denn zu einer solchen wird die Kontrolluntersuchung, wenn der Arbeitgeber 575 Pollak, L’effet du délai de carence sur le recours aux arrêts maladie des salariés du secteur privé, 2015, S. 5. 576 BT-Drucks. 13/4612, S. 11; MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 65. 577 BT-Drucks. 13/4612, S. 11; ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 33; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020, § 3 EFZG Rn. 50. 578 Die arbeitgeberseitige Abdeckung der dreitägigen Karenzzeit durch vollständige oder anteilige Lohnfortzahlung ist indes keine Seltenheit, wie eine Umfrage aus dem Jahr 2009 zeigte, siehe zur Auswertung Perronnin/Pierre/Rocherau, L’enquête Protection sociale complémentaire d’entreprise 2009, 2012, S. 108; Pollak, L’effet du délai de carence sur le recours aux arrêts maladie des salariés du secteur privé, 2015, S. 5; ähnlich auch Pagnerre, Droit Social 2020, 672 (676). 579 Weder Art. L.1226-1 Code du travail noch Art. L.321-1 Code de la sécurité sociale sehen Vergleichbares vor, auch im Übrigen sind entsprechende Regelungen nicht ersichtlich. Demgegenüber sind für andere Ersatzansprüche, insbesondere im Falle der Kündigung aufgrund dauerhafter Arbeitsunfähigkeit, Anspruchsauschlüsse für bestimmtes Arbeitnehmerverhalten geregelt, vgl. etwa Art. L.1226-14 Code du travail. 580 Siehe etwa ausführlich hierzu Bourgeot, Le contrôle médical patronal des arrêts de travail du salarié malade, Rapport annuel de la Cour de cassation 1998, II B.

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sie verlangt.581 Relevanz könnte ein schuldhaftes Herbeiführen der Krankheit dann erlangen, wenn man die Krankheit als Fall der höheren Gewalt einordnet und nur aus diesem Grund bzw. bei deren Vorliegen die Suspendierung des Arbeitsvertrags annehmen würde – die Zurechenbarkeit und Unvorhersehbarkeit sind für die Annahme höherer Gewalt relevante Kriterien.582 Man geht jedoch heute nicht mehr davon aus, dass die Krankheit stets die Voraussetzungen der höheren Gewalt (jedenfalls im klassischen zivilrechtlichen Sinne) erfüllt oder erfüllen müsste.583 Es kommt daher allein auf die aus der Krankheit folgende Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung an.584 Eine Einschränkung der Leistungsberechtigung des erkrankten Arbeitnehmers, die einem Ausschluss wegen Verschuldens nahekommt, folgt im französischen Recht allein aus der Verknüpfung der Arbeitgeberleistungen mit denjenigen der Krankenversicherung nach Maßgabe des Art. L.321-1 Code de la sécurité sociale. Eine Leistungsverpflichtung der Krankenversicherung besteht nicht, sofern der Versicherte die Krankheit vorsätzlich herbeigeführt hat.585 Dies ist mit der im deutschen Recht in § 52 Abs. 1 SGB V vorgesehenen, im Ermessen der Krankenkasse stehenden Möglichkeit der Kürzung oder Versagung des Krankengeldes bei vorsätzlicher Herbeiführung der Krankheit vergleichbar, bleibt aber hinter der Voraussetzung fehlenden Verschuldens, die auch bei Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers zu einem Anspruchsausschluss hinsichtlich der Arbeitgeberleistungen nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG führt, zurück. Ist dem Arbeitnehmer auch ohne entsprechenden Vorsatz ein besonders grober Verstoß gegen die von einem verständigen Menschen zu erwartenden Verhaltensweisen vorwerfbar, kann er in Deutschland keine Entgeltfortzahlung erhalten und trägt in der Folge sein Vergütungsrisiko in Höhe von i. d. R. 30 %586 selbst; der Arbeitgeber steht nicht in der Pflicht. Auch diese Diskrepanz zwischen den Anforderungen an die Berechtigung zum Erhalt von Leistungen des Arbeitgebers im Krankheitsfall dürfte Folge der grundlegend unterschiedlichen Funktion dieser Arbeitgeberleistungen in beiden Staaten sein. Dass ein Verschulden im Sozialversicherungsrecht nicht zu einem Anspruchsausschluss führt, folgt aus einem Vorrang des Solidarprinzips vor der Selbstverantwortung587 und entspricht dem Ziel der Sozialversicherung, der Absi581 Jeansen, JurisClasseur Travail Traité, Fasc. 28-20 Rn. 21. Zur Einordnung als Tatbestandsmerkmal auch Peter, Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als europäisches Rechtsproblem, 1999, S. 193. 582 Latina, JurisClasseur Contrats – Distribution, Fasc. 171 Rn. 44. 583 Latina, JurisClasseur Contrats – Distribution, Fasc. 171 Rn. 44. 584 Latina, JurisClasseur Contrats – Distribution, Fasc. 171 Rn. 44. 585 Art. L.375-1 Code de la sécurité sociale; siehe hierzu Carty, JurisClasseur Protection sociale Traité, Fasc. 431 Rn. 4. 586 Der Krankengeldanspruch in Höhe von regelmäßig 70 % des Gehalts bleibt bei bloßer Fahrlässigkeit erhalten, siehe bereits Gliederungspunkt F. I. 2. b) bb) (2). 587 Vgl. Mihm, NZS 1995, 7.

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cherung der Versicherten588. Ein fehlendes Verschulden ist weder in Frankreich noch in Deutschland Voraussetzung für die bei krankheitsbedingtem Arbeitsausfall in Betracht kommenden Versicherungsleistungen. Die Arbeitgeberleistungen nach Art. L.1226-1 Code du travail sind im französischen Recht nun in erster Linie Ergänzungen eben dieser Versicherungsleistungen und unterliegen so denselben und weiteren Voraussetzungen.589 Dass die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG demgegenüber durch das fehlende Eigenverschulden bedingt ist, folgt daraus, dass sie neben dem sozialversicherungsrechtlichen Zweck, den sie verfolgt, zumindest auch privatrechtliche Züge aufweist590 und so mit dem negativen Verschuldenserfordernis an den Rechtsgedanken des § 254 BGB anknüpft591. Der Entgeltfortzahlungsanspruch ist mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland nicht in vergleichbarer Weise verknüpft, wie dies bei den Ersatzleistungen von Arbeitgeber und Krankenversicherung in Frankreich der Fall ist.592 Dies kann die insoweit abweichenden Voraussetzungen für Arbeitgeberleistungen erklären. dd) Einkommenssicherung bei persönlicher Verhinderung über den Krankheitsfall hinaus Über den Krankheitsfall hinaus können deutsche Arbeitnehmer nach § 616 BGB bei kurzfristiger Arbeitsverhinderung und fehlendem Verschulden ebenfalls Lohnfortzahlung erhalten. Auch der Code du travail enthält eine inhaltlich vergleichbare Regelung in Art. L.1226-23. Diese gilt allerdings ausweislich des Titels der Sektion, in der sie sich befindet, allein für die Regionen Moselle, Bas-Rhin und Haut-Rhin – im Sinne der Übersichtlichkeit bleiben sie daher im Rahmen der vorliegenden Untersuchung außer Betracht. Das französische Recht sieht allerdings, geknüpft an bestimmte Verhinderungsgründe, die Möglichkeit von Arbeitsausfällen vor, die nicht zu einer Verminderung der Vergütung führen dürfen, siehe etwa Art. L.3142-2 Code du travail.

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Vgl. Prehn, NZS 2010, 260 (263). Siehe Art. L.1226-1 28 Code du travail, wo die Voraussetzung genannt ist, dass der Krankheitsfall von der Sozialversicherung abgedeckt wird („d’être pris en charge par la sécurité sociale“). 590 Siehe ausführlich Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 185. 591 Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 112, 259. 592 Er tritt zeitweise an die Stelle des Krankengeldes, die Ansprüche bleiben hiervon abgesehen aber voneinander unabhängig, vgl. nur die Regelung des § 44 Abs. 3 SGB V: Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach arbeitsrechtlichen Vorschriften. 589

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ee) Unterschiedlicher Charakter der Leistungen Hervorzuheben ist weiterhin der Umstand, dass der krankheitsbedingt arbeitsunfähige Arbeitnehmer in Deutschland, soweit § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG einschlägig ist, Lohnfortzahlung erhält, ebenso wie im Falle des § 616 BGB. Mithin ist der Mechanismus „Ohne Arbeit kein Lohn“ ausgesetzt. In Frankreich mag das Ergebnis ähnlich sein, allerdings erhält der Arbeitnehmer insbesondere im Krankheitsfall Entschädigungen, die sich an der bei Ausbleiben des Arbeitsausfalls erhaltenen Vergütung orientieren, aber keine Lohnfortzahlung i. e. S.593 Insgesamt offenbaren sich somit bereits bei Betrachtung der Grundlagen der Einkommenssicherung im Krankheitsfall in Frankreich und Deutschland erhebliche Unterschiede: Obwohl beide Staaten ein System anwenden, das auf die Kombination von Arbeitgeber- und Sozialversicherungsleistungen baut, weichen die jeweiligen Ansprüche in Zielsetzung, Voraussetzungen und Umfang voneinander ab. b) Vergleichende Betrachtung der Verteilung des Vergütungsrisikos bei coronavirusinfektionsbedingtem Arbeitsausfall Grundlegend unterschiedlich ist darüberhinausgehend auch der Umgang mit infektionsbedingtem Arbeitsausfall im Zusammenhang mit der Coronapandemie. Die oben mit Blick auf die Einzelstaaten gefundenen Ergebnisse sollen im Folgenden zueinander in Bezug gesetzt werden. aa) Das Vergütungsrisiko bei Arbeitsausfall aufgrund symptomloser oder nur leicht symptomatischer Infektion Rechtsprobleme zeigen sich in beiden Vergleichsstaaten, wenn auch in unterschiedlicher Hinsicht, insbesondere bei der Betrachtung der Verteilung des Vergütungsrisikos bei Arbeitsausfall infolge symptomloser oder auch nur leicht symptomatischer Coronavirusinfektion. In Deutschland geht es nicht nur darum, das einschlägige Regelungsregime zu bestimmen, vielmehr hängt hiervon auch die Frage ab, welchen Kostenschuldner die Kosten des Arbeitsausfalls treffen. In Betracht kommt neben Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Allgemeinheit in Form des Staates bzw. der Sozialversicherung. In Frankreich hingegen stehen die Kostenschuldner weitgehend fest: Da grundsätzlich das Regime, welches für krankheitsbedingten Arbeitsausfall vorgesehen ist, zur Anwendung gelangt, verteilen sich die Kosten anteilig auf Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Krankenversicherung, es sei denn, es existieren Vereinbarungen, die über das gesetzliche Schutzniveau hinausgehen und den Arbeitnehmer vollständig entlasten. Zu bestimmen sind hier allerdings die einschlägigen Modalitäten und Voraussetzungen der Entschädigungsansprüche, die sich auf den Umfang des jeweils zu tragenden Kostenrisikos auswirken können. 593 Siehe hinsichtlich des Charakters von Leistungen, die bei ausbleibender Arbeitsleistung gezahlt werden, Gliederungspunkt B. II. 2.

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(1) Gegenüberstellung im Überblick In Deutschland ist zunächst eine Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG in Betracht zu ziehen, die letztlich zwar nicht am Vorliegen einer Krankheit, wohl aber an der fehlenden Arbeitsunfähigkeit des Betroffenen scheitert. Aus demselben Grund besteht auch kein Anspruch auf Krankengeld gegen die Krankenversicherung nach § 44 Abs. 1 SGB V. Dauert der Arbeitsausfall nur eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an, wobei ein Richtwert von fünf Tagen heranzuziehen ist, führt § 616 BGB zu einer vollständigen Lohnfortzahlung – der Arbeitgeber trägt das Vergütungsrisiko. Doch auch § 616 BGB greift nicht immer ein, da die Grenzen der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit im Falle der nachgewiesenen Coronavirusinfektion je nach Dauer der angeordneten bzw. empfohlenen Isolation überschritten sind, was zum vollständigen Ausbleiben des Anspruchs führt. Arbeits- und sozialrechtlich betrachtet führt die symptomlose oder auch nur leicht symptomatische Infektion, die entweder bereits aufgrund einer Absonderungsanordnung oder aber aufgrund der Unmöglichkeit der vertragsgerechten Leistungserbringung wegen Gefährdung anderer zu einem Leistungsausfall führt, in diesen Fällen zu einem Verdienstausfall. Dieser kann nun nach Maßgabe des § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG aufgefangen werden, wenn eine hoheitliche Absonderung (jedenfalls im Nachhinein) angeordnet wurde.594 Je nach Dauer des isolationsbedingten Arbeitsausfalls erhält der Arbeitnehmer mithin Lohnfortzahlung nach §§ 611a Abs. 2, 616 BGB durch den Arbeitgeber oder eine Entschädigung in entsprechender Höhe durch den Staat. Begrenzt ist die Anspruchsberechtigung in beiden Fällen durch den Ausschluss bei Eigenverschulden des Arbeitnehmers. In Frankreich geht es demgegenüber für das Jahr 2020 allein darum, zu bestimmen, welche Zugangsvoraussetzungen und Konditionen für Leistungen der Krankenversicherung und des Arbeitgebers im Falle des infektionsbedingten Arbeitsausfalls gelten sollten: Für Arbeitsausfallzeiten, die durch eine Bescheinigung gerechtfertigt wurden, welche auf Basis pandemiespezifischer Sonderregelungen erlassen wurde, waren diese z. T. günstiger als für solche nach dem allgemeinen Arbeits- und Sozialrecht, insbesondere hinsichtlich der Geltung von Karenzzeiten und persönlichen Anspruchsvoraussetzungen wie vorherigen Beitragszahlungen und Dauer der Betriebszugehörigkeit. Während der Wortlaut der Sonderregelungen nach Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in allen Fassungen bis zum 16. 11. 2020 eine Subsumtion auch des nachweislich Infizierten durchaus zuließ, ging die Tendenz dahin, im Falle nachgewiesener Infektion von einem klassischen Fall des krankheitsbedingten Arbeitsausfalls auszugehen. Für diesen galten ebenso Erleichterungen hinsichtlich der Karenzzeiten und Zugangsvoraussetzungen, dies jedoch mit Ausnahme der Aussetzung der Zugangsvoraussetzung einjähriger Betriebszugehörigkeit für Leistungen des Arbeitgebers lediglich vorübergehend. Seit Beginn des 594 Die vorübergehend bestehende Schutzlücke für sich freiwillig isolierende sowie für leicht symptomatisch Infizierte, die zunächst keinen infektionsschutzrechtlichen Entschädigungsanspruch geltend machen konnten, wurde mittlerweile durch Anpassung des § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG weitgehend geschlossen.

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Jahres 2021 fällt hingegen jeder Fall nachgewiesener Coronavirusinfektion in den Anwendungsbereich pandemiespezifischer Sonderregelungen, die sowohl den Zugang zum Krankentagegeld als auch zu den ergänzenden Arbeitgeberleistungen erleichterten und die geltenden Karenzzeiten aussetzten. Die Kostentragung erfolgte mithin – branchen- und betriebsbezogene sowie einzelvertragliche Regelungen außer Acht lassend – stets anteilig durch Krankenversicherung und Arbeitgeber. Aufgrund der Aufstockung des Krankengeldes auf lediglich 90 % des Bruttogehalts und soweit Karenzzeiten nicht ausgesetzt waren verblieb jedoch, wie stets im Krankheitsfall auf Basis der gesetzlichen Ausgangslage, ein Restkostenrisiko beim Arbeitnehmer. Die Aussetzung der Karenzzeiten sowie die jeweils erleichterten Zugangsvoraussetzungen zu den Entschädigungsleistungen führen zu einer Verschiebung des Arbeitnehmer-Restrisikos hin zur Krankenversicherung und der Arbeitgeberseite. (2) Grundlegende Differenzen der Lösungswege In dieser ersten Gegenüberstellung der Verteilung des Vergütungsrisikos bei Arbeitsausfall im Kontext der Coronapandemie zeigen sich bereits grundlegend unterschiedliche Lösungsansätze der Vergleichsstaaten. Während in Frankreich die arbeits- und sozialrechtlichen Normen zum Schutze krankheitsbedingt Arbeitsunfähiger erweitert wurden, ließ man diese in Deutschland unberührt, wodurch die Lösung für verbleibende Schutzlücken hier vorwiegend auf infektionsschutzrechtlicher Ebene zu suchen ist. Die jeweilige Herangehensweise war beiderseits schon vor Ausbruch der Coronapandemie gesetzlich so angelegt: § 56 IfSG sah bereits eine Entschädigung durch den Staat vor, sofern infolge infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen ein Leistungsausfall stattfand, Art. L.3131-15 II Abs. 1 Code de la santé publique begrenzte (seinerzeit noch stärker als jetzt595) noch die Möglichkeiten der individuell angeordneten Absonderungsmaßnahmen, während Art. L.16-10-1 Code de la sécurité sociale die Möglichkeit der Erweiterung des sozialversicherungsrechtlichen Schutzes im Epidemiefall vorsah596. Die Verteilung der durch die Pandemie zusätzlich entstehenden, finanziellen Belastung, ist eine andere. Zwar sieht auch das deutsche Recht Arbeitgeber und (Sozial-)Versicherung als die vorrangigen Kostenschuldner im Falle des Arbeitsausfalls, denn § 56 IfSG soll nur subsidiär gelten und die genannten Akteure nicht entlasten. Der Infektionsschutz soll für diese indes auch nicht grundsätzlich eine zusätzliche Belastung bedeuten – wo die arbeits- und sozialrechtlich vorgesehenen Absicherungen nicht greifen, zahlt der Staat. In Frankreich hingegen werden Arbeitgeber und Versicherung stärker als zuvor herangezogen. Dies einmal aufgrund der pandemiespezifischen Sondernormen wie Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 und Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021, die den Kreis der Berechtigten zu Leis595

D. h. in den Fassungen vor derjenigen v. 7. 8. 2021. Siehe bereits die Ursprungsfassung der Norm v. 22. 12. 2018, die zu Beginn der Coronapandemie in Kraft war. 596

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tungen der Sozialversicherung erweitern, darüber hinaus jedoch auch durch Maßnahmen wie die Aussetzung der Karenzzeiten und einzelner Zugangsvoraussetzungen auch für klassische Fälle der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, worunter auch jede Coronavirusinfektion subsumiert wurde. Hierdurch wird der anteilige Vergütungsausfall, der üblicherweise im Krankheitsfall vom Arbeitnehmer selbst zu tragen gewesen wäre, vermindert und auf Arbeitgeber und Versicherung verteilt. Der Staat als solcher tritt als Akteur in diesem System nicht unmittelbar auf.597 Eine für den Arbeitnehmer günstigere Lage ergibt sich im französischen Recht unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens – wie oben erörtert werden die Ansprüche auf Krankentagegeld und ergänzende Leistungen des Arbeitgebers nur bei vorsätzlicher Herbeiführung der Erkrankung ausgeschlossen. Die Schwelle des Anspruchsausschlusses liegt für die Entschädigung nach § 56 IfSG im deutschen Recht niedriger: Neben den ausdrücklich in § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG aufgeführten Fällen der fehlenden Inanspruchnahme einer empfohlenen Schutzimpfung oder anderer Maßnahmen spezifischer Prophylaxe sowie vermeidbarer Reisen in ausgewiesene Risikogebiete kann ein allgemeines Erfordernis fehlenden Eigenverschuldens in die Norm hineingelesen werden. Eine solche Voraussetzung gilt auch – und das ist für Fälle der verhältnismäßig nicht erheblichen Arbeitsverhinderung relevant – im Rahmen des § 616 BGB. Der Nachweis des Verschuldens führt in diesen Fällen zu einem unkompensierten Vergütungsausfall.598 Mit Blick auf die nachgewiesene Coronavirusinfektion wird die Relevanz dieser unterschiedlichen Anforderungen in den Vergleichsstaaten jedoch durch den wohl häufig nicht möglichen Nachweis der Vorwerfbarkeit des Arbeitnehmerverhaltens eingeschränkt; insbesondere im Falle der unterbliebenen Schutzimpfung kann die Vermeidbarkeit der Erkrankung nach aktuellem Kenntnisstand nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. bb) Das Vergütungsrisiko bei Arbeitsausfall wegen symptomatischer Infektion, die zur körperlichen Arbeitsunfähigkeit führt Ein z. T. gänzlich anderes Ergebnis zeigt die Betrachtung nun für das deutsche Recht im Falle des infizierten Arbeitnehmers, der an stärkeren Symptomen der COVID-19-Erkrankung leidet und daher arbeitsunfähig ist. Dies eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. Als problematisch erweist sich insoweit allerdings das Kriterium der Monokausalität, insbesondere bei zugleich angeordneter Absonderung, aber auch, weil schon die symptomlose Infektion den Arbeitsausfall begründet hätte. Bei gleichzeitiger Realisierung aller Verhinderungsgründe wurde 597

Allerdings wurden staatliche Maßnahmen zur Unterstützung besonders stark von der Pandemie betroffener Unternehmen getroffen, hierzu zählen die Einrichtung eines Solidaritätsfonds, siehe etwa Ordonnance n82020-317 v. 25. 3. 2020, sowie die erweiterte Möglichkeit des Einsatzes von Kurzarbeit, siehe etwa Ordonnance n82020-346 v. 27. 3. 2020. 598 Anders bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, da hier abgesehen von den Fällen des § 52 SGB V ein Anspruch auf Krankengeld besteht.

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hier eine Lösung anhand von Wertungsgesichtspunkten vorgeschlagen, die zu einem Vorrang der Entgeltfortzahlung und damit einer Kostentragung durch den Arbeitgeber führt. Anders hingegen für den Fall, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit erst zu einem Zeitpunkt auftritt, an dem sich bereits ein anderer Grund für den Arbeitsausfall (Infektion oder Absonderung) realisiert hatte – nach dem zu befürwortenden Prioritätsprinzip ist insoweit arbeitsrechtlich derjenige Lohnfortzahlungsanspruch maßgeblich, der den zuerst eintretenden Verhinderungsgrund betrifft, mithin derjenige nach § 616 BGB. Soweit dieser wegen verhältnismäßig erheblicher Zeit des Arbeitsausfalls jedoch nicht greift, verlagert sich das Kostenrisiko wiederum nach Maßgabe des § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG auf den Staat.599 Denkbar sind allerdings Regressansprüche gegen die Krankenversicherung, was an der Kostentragung durch die Allgemeinheit nach dem hiesigen Begriffsverständnis allerdings nichts ändert. Das Zusammentreffen mehrerer Verhinderungsgründe ist grundsätzlich auch im französischen Arbeitsrecht ein bekanntes Rechtsproblem.600 Im hiesigen Kontext wurde es allerdings soweit ersichtlich nicht diskutiert601, was der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass es zum einen lange Zeit keine rechtlich bindende Absonderung für Infizierte gab, wenn diese nicht aus dem Ausland eingereist waren, zum anderen auch die symptomlose Infektion schlichtweg als Krankheit behandelt wird und damit klar ist, dass der maßgebliche Verhinderungsgrund derjenige der Krankheit ist. Auf eine Monokausalität kommt es hier nicht entscheidend an. Für den Fall der Anwendung des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG im deutschen Recht, mithin bei durchgehend symptomatischer, zur Arbeitsunfähigkeit führender Erkrankung ohne vorherigen, anderweitig bedingten Arbeitsausfall, stellt sich wiederum die Problematik des Verschuldens des Arbeitnehmers, welches den Anspruch ausschließen kann, wobei sich auch hier das Problem der Beweisbarkeit stellt, insbesondere hinsichtlich der Kausalität des Arbeitnehmerverhaltens für die Erkrankung. Sollte die Entgeltfortzahlung insoweit ausgeschlossen sein, kommt gleichwohl ein Anspruch auf Krankengeld in Betracht, der keinem Erfordernis fehlenden Verschuldens unterliegt und unter diesem Gesichtspunkt nur in den eng begrenzten Fällen des § 52 SGB V ausgeschlossen ist. 599 Schutzlücken fanden sich dort, wo der Anspruch auf infektionsschutzrechtliche Entschädigung nicht bestand, etwa vor Änderung des § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG durch das Gesetz zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen v. 29. 3. 2021 im Hinblick auf zunächst nur leicht symptomatisch Infizierte (damit dennoch Kranke, die nicht anspruchsberechtigt waren) und sich freiwillig isolierende Personen, siehe hierzu auch bereits Gliederungspunkt F. I. 2. a) dd). 600 Diskutiert unter dem Titel concours de suspensions, siehe Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 359 ff. Siehe hierzu auch ausführlicher Gliederungspunkt G. II. 2. a) bb) (1). 601 Im Pandemiekontext allgemein tauchte das Rechtsproblem allerdings durchaus auf, siehe etwa hinsichtlich des Zusammentreffens der Kurzarbeit mit anderen Verhinderungsgründen Fabre, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 139 (141).

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F. Auswirkungen einer nachgewiesenen Coronavirusinfektion

Wie eingangs bereits erörtert, findet sich ein vergleichbarer Anspruchsausschluss bei Eigenverschulden, der im deutschen Recht nicht nur im Rahmen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG, sondern auch bei § 616 BGB und § 56 IfSG relevant wird, im französischen Recht nicht. Die insoweit wichtige Fallgruppe der Reiserückkehrer fiel zwar vorübergehend nicht in den Anwendungsbereich der pandemiespezifischen Sondernormen – da man allerdings den nachweislich infizierten Arbeitnehmer bereits als anspruchsberechtigt nach dem allgemeinen Regime des Krankentagegeldes und der ergänzenden Leistungen des Arbeitgebers ansieht, wirkt sich diese Einschränkung bei auf einer Reise zugezogener, nachgewiesener Infektion nicht aus. Die deutsche Rechtslage zeigt sich insgesamt als vergleichsweise komplex. Dies folgt maßgeblich aus dem für die potentiell einschlägigen Normen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG, § 616 BGB und § 56 IfSG anerkannten Monokausalitätskriterium, dass auf Basis des Prioritätsprinzips in Kombination mit der zeitlichen Begrenzung in § 616 BGB dazu führt, dass die Kostentragung durch den Arbeitgeber ganz entscheidend vom Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit abhängt. Im französischen Recht spielt der Verlauf der Coronavirusinfektion aufgrund der einheitlichen Behandlung aller Fälle nachgewiesener Infektion demgegenüber keine Rolle. Ein vergleichbares Ergebnis ließe sich für das deutsche Recht durch eine erweiternde Interpretation der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlungsansprüche begründen, etwa des Arbeitsunfähigkeitskriteriums in § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG oder aber der zeitlichen Grenzen des § 616 BGB. Überzeugen können derartige Auslegungen der Tatbestände jedoch nach obiger Untersuchung nicht. c) Abschließende Erwägungen Was zeigt nun diese Gegenüberstellung in einer Gesamtbetrachtung? Der maßgebliche Unterschied liegt in der Art der Verteilung des Vergütungsrisikos in den Vergleichsstaaten. In Frankreich erfolgt diese anteilig, wie dies bereits grundlegend im System der sozialen Sicherung des krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Arbeitnehmers angelegt ist, das auch für den infizierten Arbeitnehmer zur Anwendung gelangen soll – Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Krankenversicherung stehen jeweils für einen Teil des Risikos ein. An den jeweiligen Anteilen mögen die pandemiespezifischen Regelungen etwas geändert haben, etwa durch Aussetzungen von Karenzzeiten, weiterhin mögen Personen in den Genuss der Absicherung kommen, die eine solche sonst nicht erfahren hätten, dadurch, dass die Zugangsvoraussetzungen abgesenkt wurden; an den Grundzügen des Systems hat sich jedoch nichts geändert. Selbiges lässt sich für das deutsche Recht sagen, das zur Bewältigung des Rechtsproblems des pandemie- bzw. infektionsbedingten Arbeitsausfalls auf den bestehenden Normenkanon der § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG, § 616 BGB und § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG zurückgreift. Neben der anteiligen Risikoverteilung des französischen Rechts zeigt sich diejenige in Deutschland hingegen überwiegend als eine solche anhand des „Alles oder nichts“-Prinzips. Entweder die Kosten des Arbeitsausfalls

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treffen auf Basis des § 56 IfSG das entschädigungspflichtige Land602, weil keine vorrangigen Zahlungsansprüche gegen Arbeitgeber oder Versicherung eingreifen. Oder aber der Arbeitgeber hat vollständig für die Kosten einzustehen, entweder auf Basis des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG für nicht verschuldete und weniger als sechs Wochen andauernde Krankheiten, soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen, oder aber bei nur kurzfristigem Arbeitsausfall nach § 616 BGB. Denkbar ist auch, dass der Arbeitnehmer weder Lohnfortzahlung noch Entschädigung erhält und das Vergütungsrisiko alleine trägt, so wie es vor Erweiterung des § 56 Abs. 1 IfSG im Falle der vorsorglichen Absonderung bei symptomloser Infektion und freiwilliger Absonderung war, bei welcher der Arbeitsausfall länger andauerte, als § 616 BGB erfasst. Eine anteilige Kostentragung ergibt sich nur, sofern Krankengeld oder eine wegen der Dauer der Arbeitsverhinderung verminderte Entschädigung nach § 56 Abs. 2 S. 2 IfSG gezahlt wird, da der Vergütungsausfall dann nicht vollständig ersetzt wird. Die Frage nach dem Vergütungsrisiko ist daher sehr viel grundlegender – sie betrifft i. d. R. die Kostentragung, besser gesagt den Kostenträger als solchen, nicht nur die Höhe der zu tragenden Kosten. Die Antwort auf diese Frage bestimmt sich maßgeblich nach dem Symptomverlauf. Insbesondere macht nur die symptomatische und zur Arbeitsunfähigkeit führende Infektion den Weg in den Anwendungsbereich des § 3 EFZG frei. Dies führt zu einer im Vergleich zum französischen Ansatz deutlich geringeren Bedeutung der Regelungen, die klassischerweise bei krankheitsbedingtem Arbeitsausfall zum Tragen kommen. Darüber hinaus ist die Dauer der infektionsbedingten Isolation, die auch von der Entwicklung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes während der Pandemie abhängt, entscheidend für die Frage, ob der Arbeitgeber nach § 616 BGB das Kostenrisiko trägt oder stattdessen der Staat nach § 56 IfSG. Das führt insgesamt zu einem deutlich komplexeren Gesamtsystem der sozialen Sicherung im Falle des Arbeitsausfalls aufgrund ansteckender Krankheiten.

602 Es sei denn, der Arbeitsausfall dauert länger an als sechs Wochen, dann gilt die Beschränkung der Anspruchshöhe nach § 56 Abs. 2 S. 3 IfSG.

G. Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts Zahlreicher noch als die Fälle nachgewiesener Coronavirusinfektionen sind diejenigen, in denen entsprechende Verdachtsmomente auftreten. Bevor das Ergebnis eines Coronatests vorliegt bzw. falls ein solcher nicht vorgenommen wird, kann bereits der bloße Verdacht den Ausfall der Arbeitsleistung bedingen. Entstehen kann ein konkreter Infektionsverdacht insbesondere durch das Auftreten einschlägiger Symptome, durch den Kontakt zu Infizierten sowie durch Aufenthalte in einem Risikogebiet.

I. Deutschland An den relevanten Rechtsgrundlagen ändert sich gegenüber der nachgewiesenen Infektion nicht viel – wiederum ist zu erörtern, ob und wann der Anspruch auf Arbeitsvergütung durch § 616 BGB oder § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG aufrechterhalten werden kann oder ein Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG besteht (hierzu 2.). Neben dem bereits erörterten Fall, in dem der Arbeitgeber nicht zur Beschäftigung bereit ist oder demjenigen, in dem der Arbeitnehmer zur Tätigkeit nicht in der Lage ist, kommen Fallgestaltungen in Betracht, in denen der Arbeitnehmer arbeiten könnte und dürfte, es aber aufgrund des bestehenden Infektionsverdachts nicht möchte. Gerade dann stellt sich auch die Frage nach dem Schicksal der Arbeitspflicht (hierzu 1.). 1. Arbeitspflicht bei Infektionsverdacht Wie bereits angedeutet sind zwei Fälle unproblematisch, wenn es um den Bestand der Arbeitspflicht geht: Derjenige, in dem krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit etwa aufgrund starker COVID-19-Symptome besteht, sowie derjenige der hoheitlichen Absonderung, soweit hierdurch die Ausübung der Arbeitstätigkeit unmöglich wird. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die oben hinsichtlich der nachgewiesenen Infektion gemachten Ausführungen verwiesen werden – die Arbeitspflicht entfällt nach § 275 Abs. 1 BGB.1 Keine Arbeitspflicht besteht auch nach Ausspruch der Freistellung durch den Arbeitgeber.2 Doch was gilt, wenn weder der Staat noch der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zum Fernbleiben vom Arbeitsplatz verpflichten? Mit Blick auf die Annahmeverzugsvoraussetzung der Leistungsfähigkeit des Ar1 2

Siehe Gliederungspunkt F. I. 1. Siehe zur Freistellung bereits Gliederungspunkt E. I.

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beitnehmers wurde der Infektionsverdacht oben als Frage des Irrtumsrisikos bzw. der Darlegungs- und Beweislast behandelt.3 Geht es aber nicht um die Verteilung des Vergütungsrisikos, sondern zunächst um den Bestand der Arbeitspflicht, so ist die Situation aus einer ex ante Perspektive zu beurteilen. Für die nachgewiesene Coronavirusinfektion wurde oben – unter dem Vorbehalt eines abweichenden Ergebnisses je nach Entwicklung und auch für die Zeit nach der Coronapandemie – eine Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers und in der Folge eine Unmöglichkeit der Arbeitsleistung bejaht. Das basiert auf dem Gedanken, dass im Falle der Infektion grundsätzlich eine Isolation geboten ist und der Arbeitnehmer bei Tätigkeit im Betrieb eine Gefahr für andere darstellen würde, sodass er gegen seine Pflicht zu gesundheitsschutzkonformem Verhalten verstoßen würde.4 Dass der infektionsverdächtige Arbeitnehmer Andere im Zuge seiner Anwesenheit gefährden würde, steht aber (noch) nicht fest. Rückblickend mag sich herausstellen, dass die Tätigkeit ohne Gefahr der Übertragung des Krankheitserregers möglich gewesen wäre. Das Risiko in Kauf zu nehmen, dass es anders sein könnte, kann dem Arbeitnehmer jedoch ebenso unzumutbar sein wie dem Arbeitgeber.5 Hierfür spricht auch der neu eingefügte § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG, der die Möglichkeit einer infektionsschutzrechtlichen Entschädigung an den Verdienstausfall wegen freiwilliger Selbstisolation knüpft – der Gesetzgeber ging hier offenbar davon aus, der Arbeitnehmer könne auch bereits vor bzw. unabhängig von einem Tätigwerden der zuständigen Behörde berechtigterweise die Initiative ergreifen und der Arbeit fernbleiben. Erforderlich ist, wie so oft, eine Interessenabwägung im Einzelfall. Soweit die vom Robert Koch Institut aufgestellten Kriterien für eine Absonderung vorliegen – diese aber nicht durch einen Hoheitsträger erfolgt und dadurch eine rechtliche Unmöglichkeit der Arbeitsleistung vorläge – spricht viel für eine Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung. Zu berücksichtigen sind allerdings auch die Art der Tätigkeit und der Organisation des Betriebs, soweit sich daraus ein höheres oder weniger hohes Risiko für Dritte ergibt, insbesondere Maßnahmen, die der Arbeitgeber zur innerbetrieblichen Isolation eines trotz Infektionsverdachts tätig werdenden Arbeitnehmers vornimmt.

3

Siehe Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (2) (b). Siehe Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (1) (b). 5 Auch für das Freistellungsrecht des Arbeitgebers spielt die Ungewissheit über den Infektionsstatus keine Rolle, schon aufgrund eines hinreichend konkreten Infektionsverdachts ist er als berechtigt anzusehen, den Arbeitnehmer freizustellen, siehe Gliederungspunkt E. I. 2. a) bb). Insoweit mit übertragbaren Gedanken für eine Unzumutbarkeit im Falle nachgewiesener, ansteckender Erkrankung MHdbArbR/Greiner, 5. Aufl. 2021, § 80 Rn. 21; NK-GA/Sievers, 1. Aufl. 2016, § 3 EFZG Rn. 36. Siehe auch ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 10, der die Aussage zwar ausdrücklich auf Ansteckungs- und nicht auf Verdachtsfälle begrenzt, die Einschränkung dürfte sich indes weniger auf die Frage der Unzumutbarkeit als auf diejenige der Arbeitsunfähigkeit als Anwendungsvoraussetzung des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG beziehen. 4

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G. Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts

Da dem Arbeitnehmer nicht die Organisationshoheit des Arbeitgebers zukommt, wird sein Recht zur Leistungsverweigerung im Umfang hinter demjenigen des Arbeitgebers zur Verweigerung der Beschäftigung zurückbleiben – das betrifft insbesondere Fälle, in denen die Voraussetzungen für eine Absonderung nach Empfehlung des Robert Koch Instituts nicht vorliegen.6 Es ihm vollständig abzusprechen überzeugt jedoch nicht.7 Denn es sind durchaus Fälle denkbar, in denen der Arbeitgeber den Gesundheitsschutz der im Betrieb Tätigen aus wirtschaftlichen oder sonstigen Motiven hintenanstellt und vom Arbeitnehmer trotz konkreten Infektionsverdachts, der eine Absonderung rechtfertigen würde, eine Leistung verlangt.8 Der im Sinne des Schutzes seiner Kollegen und Dritter handelnde Arbeitnehmer darf in einem solchen Fall nicht mit den Folgen einer vertragswidrigen Arbeitsverweigerung belastet werden – der Konflikt zwischen Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten auf der einen Seite und der sittlich-moralisch gebotenen Verhaltensweise auf der anderen ist anhand des § 275 Abs. 3 BGB aufzulösen.9 Ist die Leistung dem Arbeitnehmer unzumutbar und beruft er sich hierauf, entfällt seine Arbeitspflicht. Fällt die Interessenabwägung zu seinen Lasten aus, wäre eine gleichwohl erfolgende Arbeitsverweigerung pflichtwidrig.10 2. Vergütungsanspruch bei entfallener Arbeitspflicht Ist die Arbeitspflicht verdachtsbedingt entfallen, stellt sich wiederum die zentrale Frage, ob der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch behält oder ihm Entschädigung zusteht. Soweit die Entscheidung über die Nichterbringung der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber getroffen wurde, gelten die oben erörterten Grundsätze bzgl. des Annahmeverzugs des Arbeitgebers.11 Neben Zeiträumen der nach6 Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (41) lehnen ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers vollständig ab. 7 A. A. Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (41); wohl auch Dahl/Göpfert/Helm/ Giese/Schotter, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 5 Rn. 33. 8 Die praktische Relevanz legt eine Entscheidung des ArbG Köln nahe, in der ein Arbeitgeber von seinem Arbeitnehmer sogar die Arbeitsleistung trotz behördlich angeordneter Quarantäne forderte, siehe ArbG Köln, Urt. v. 15. 4. 2021 – 8 Ca 7334/20, NZA-RR 2021, 306. 9 Wolf, in: FS Preis, 2021, S. 1531 (1538) geht demgegenüber auch hier von einer Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB aus. 10 Hier würde es dann beim Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ bleiben, möglicherweise drohen weitere Konsequenzen wie Abmahnung und Kündigung, siehe Dahl/Göpfert/Helm/ Giese/Schotter, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 5 Rn. 33; Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (41). 11 Bei nicht bestätigtem oder widerlegtem Verdacht trägt der Arbeitgeber regelmäßig das Vergütungsrisiko, weil er sich in Annahmeverzug befindet, es sei denn, der Arbeitnehmer verweigert die Mitwirkung an der Aufklärung des Verdachts; mit Bestätigung des Verdachts entfallen indes die Voraussetzungen der §§ 615 S. 1, 293 ff. BGB, sofern die Coronavirusinfektion aufgrund der Gefährdung anderer Personen ein Leistungshindernis darstellt. Siehe ausführlich Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (2).

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gewiesenen Infektion, die einer Tätigkeit entgegensteht, ist der Annahmeverzug ausgeschlossen, wenn eine hoheitlich angeordnete Absonderung vorliegt und den Arbeitnehmer an der Tätigkeit hindert, der Arbeitnehmer arbeitsunfähig i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ist oder die Leistung berechtigterweise verweigert. In diesen Fällen kommt jedoch eine Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG, § 616 BGB oder aber eine Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG in Betracht. Von entscheidender Bedeutung ist insbesondere die Dauer der Verhinderung sowie bei Zusammentreffen mehrerer Verhinderungsgründe die zeitliche Reihenfolge ihrer Realisierung. Die Grundlagen der jeweiligen Lohnfortzahlungs- bzw. Entschädigungsansprüche wurden bereits oben im Rahmen der Arbeitsverhinderung wegen nachgewiesener Infektion untersucht, sodass die Ausführungen hier knapper ausfallen können. Aufgrund der Subsidiarität des Entschädigungsanspruchs nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG werden im Folgenden zunächst die arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlungsansprüche und die Entschädigung im Anschluss hieran erörtert. a) Vergütungspflicht bei nicht bestätigtem Verdacht und Ausbleiben starker Krankheitssymptome Bleibt es bei einem Infektionsverdacht, wird dieser also nicht bestätigt oder widerlegt, und leidet der Arbeitnehmer nicht an Krankheitssymptomen, die ihn unabhängig von der Ansteckungsfähigkeit des Coronavirus an der Arbeitsleistung hindern können, kommt in arbeitsrechtlicher Hinsicht nur ein Lohnfortzahlungsanspruch nach §§ 611a Abs. 2, 616 BGB in Betracht.12 Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG muss demgegenüber ausscheiden – bereits das Vorliegen einer Krankheit kann bezweifelt werden.13 Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung wurde ein Krankheitsverdacht zwar zuweilen als einer Krankheit gleichgestellt und daher einen Anspruch auf Krankenbehandlung begründend angesehen14; ob dies auf das EFZG übertragbar ist, ist indes fraglich. Jedenfalls liegt beim Ausbleiben einer Symptomatik, die den Arbeitnehmer unabhängig von der Ansteckungsfähigkeit der Infektion an der Leistung hindern würde oder eine Verschlimmerung des Gesundheitszustands befürchten lässt, keine Arbeitsunfähigkeit vor.15 Aus demsel12 Vgl. auch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (28); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139). 13 Ablehnend auch Greiner, NZA 2022, 665 (673); Noack, NZA 2021, 251 (252); wohl auch ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 5. Siehe auch ArbG Halle, Urt. v. 23. 6. 2021 – 4 Ca 285/21, BeckRS 2021, 20254 (Rn. 19); ArbG Bremerhaven, Urt. v. 8. 6. 2021 – 6 Ca 6035/ 21, BeckRS 2021, 21151 (Rn. 14). 14 Siehe ausführlich Hauck, NJW 2016, 2695 (2698). 15 Siehe bereits oben Gliederungspunkt F. I. 2. a) bb) (3) (b); ebenso ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690b; Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (28); Fuhlrott, GWR 2020, 275 (276); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139); Weller/Lieberknecht/ Habrich, NJW 2020, 1017 (1018). In diesem Sinne auch LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 15. 2. 2022 – 1 Sa 208/21, BeckRS 2022, 3584 (Rn. 26); ArbG Neumünster, Urt. v. 3. 8. 2021 – 3 Ca 362 b/21, BeckRS 2021, 23719 (Rn. 14); ArbG Ulm, Urt. v. 9. 7. 2021 – 6 Ca 597/20, BeckRS

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G. Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts

ben Grund scheidet ein sozialversicherungsrechtlicher Krankengeldanspruch nach § 44 Abs. 1 SGB V aus.16 Für eine Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber müssten daher die durch § 616 BGB gesetzten Grenzen, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, eingehalten sein. aa) Verhinderung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers Was die Einordnung des Infektionsverdachts als personenbedingten Verhinderungsgrund betrifft, gibt es keinen Anlass, diesen anders zu beurteilen als die nachgewiesene Infektion – die nunmehr nur potentielle Gefahr geht vom Arbeitnehmer selbst aus, verweigert er die Arbeitsleistung, ist es seine persönliche Unzumutbarkeit, die zur Leistungsbefreiung führt17, im Falle der Absonderung die auf der individuellen Infektionsgefahr beruhende Anordnung durch die Behörde oder eine einschlägige Rechtsverordnung.18

2021, 49274 (Rn. 20); Eufinger, ArbRAktuell 2021, 622; wohl auch LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 16. 2. 2022 – 10 Sa 62/21, BeckRS 2022, 6098 (Rn. 22); LAG Hamm, Urt. v. 27. 1. 2022 – 5 Sa 1030/21, BeckRS 2022, 1866 (Rn. 47 ff.), das lediglich von einer analogen Anwendbarkeit des § 9 BUrlG im Falle einer Absonderung ausgeht. 16 Auch dieser setzt Arbeitsunfähigkeit voraus, siehe bereits Gliederungspunkt F. I. 2. b) bb). 17 Auch eine Unzumutbarkeit kann eine persönliche Leistungsverhinderung i. S. d. § 616 BGB darstellen, Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 25; Kraayvanger/ Schrader, NZA-RR 2020, 623. 18 Allgemein zum Krankheitsverdacht als persönlichem Verhinderungsgrund Preis/ Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1140); zur Einordnung der Absonderung als persönlichen Hinderungsgrund für den Fall einer Absonderung bzw. Tätigkeitsverbote OVG Lüneburg, Beschl. v. 2. 7. 2021 – 13 LA 258/21, BeckRS 2021, 18013 (Rn. 10); VG Freiburg, Urt. v. 2. 7. 2021 – 10 K 547/21, BeckRS 2021, 19975 (Rn. 16); VG Karlsruhe, Urt. v. 10. 5. 2021 – 9 K 67/ 21, BeckRS 2021, 18269 (Rn. 63 f.); VG Koblenz, Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 107/21.KO, BeckRS 2021, 13968 (Rn. 24); VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 19. 5. 2021 – B 7 K 21.80, BeckRS 2021, 31154 (Rn. 21); Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 28); VG Oldenburg, Urt. v. 26. 4. 2021 – 7 A 1497/21, BeckRS 2021, 18014 (Rn. 14); BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 33a; BeckOK InfSchR/ Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 37.1; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 6a; Kluckert/Temming, InfSchR, 2. Aufl. 2021, § 16 Rn. 14; Römermann/Menke/ Matheja, 1. Aufl. 2020, Teil 8 B II Rn. 16; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 24; Schaub/Koch/Koch, Arbeitsrecht von A – Z, 26. Aufl. 2022, Corona; Schlegel/Meßling/ Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 31; Eufinger, DB 2020, 1121 (1123); Fischinger/ Hengstberger, JA 2020, 561 (566); Grimm, DB 2020, 1177 (1179), allerdings nicht, wenn mehrere Personen betroffen sind; Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (415); Noack, NZA 2021, 251 (253); Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1140); für Kontaktpersonen Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1468); offen gelassen von BeckOK BGB/Baumgärtner, 61. Ed. (Stand: 1. 2. 2022), § 616 Rn. 7; Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 10; zweifelnd, aber letztlich auch offen lassend Greiner, NZA 2022, 665 (673). Die Unzumutbarkeit der Leistung und damit auch die Anwendbarkeit des § 616 BGB ablehnend Preis/ Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (40 f.).

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bb) Verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit der Verhinderung und Monokausalität Punctum saliens ist wieder die Voraussetzung der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit des Arbeitsausfalls. Wie lange die Arbeitsverhinderung insgesamt andauert, hängt von der Dauer der (Selbst-)Isolation des Arbeitnehmers ab, soweit diese der Arbeitsleistung entgegensteht. Die im Verdachtsfall empfohlene oder landesrechtlich vorgesehene Absonderungsdauer änderte sich im Verlaufe der Coronapandemie mehrfach und hängt auch von dem Auslöser des Infektionsverdachts ab. Einige Eckpunkte: (1) Absonderungsdauer für Kontaktpersonen Bis September 2021 empfahl das Robert Koch Institut für ungeimpfte Kontaktpersonen eine Absonderung von 14 Tagen; eine Möglichkeit des Freitestens sollte insoweit nicht bestehen.19 Nach einem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz vom 5. 1. 2022 sollte die Quarantänedauer von symptomfreien, engen Kontaktpersonen, die weder geimpft noch genesen waren, einheitlich sieben Tage betragen, wobei nach sieben Tagen eine Beendigung mittels negativem Test erfolgen sollte; für geimpfte und genesene Kontaktpersonen war eine Quarantäne nicht vorgesehen.20 Seit einem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 24. 1. 2022 empfahl das Robert Koch Institut für Kontaktpersonen eine Quarantänedauer von 10 Tagen bzw. sieben Tagen mit anschließendem, negativen Test.21 Diese Vorgaben wurden zum 2. 5. 2022 abgelöst, nunmehr sind fünf Tage der Quarantäne für Kontaktpersonen vorgesehen, mit dringender Empfehlung zur selbständigen Reduzierung von Kontakten und täglicher Selbsttestung; für Beschäftigte im Gesundheitswesen soll ein Schnelltest obligatorisch sein.22 Im Hinblick auf die landesrechtliche Umsetzung dieser Vorgaben folgt aus § 6 SchAusnahmV, dass symptomfreie, geimpfte und genesene Kontaktpersonen zu einer Absonderung i. d. R. nicht verpflichtet sind.

19 Siehe die Änderungsübersicht in Robert Koch Institut, Kontaktpersonen-Nachverfolgung (KP-N) bei SARS-CoV-2-Infektionen, Stand 14. 1. 2022, außer Kraft seit 2. 5. 2022, frühere Aktualisierungen 9. 9. 2021. Auf dieser Basis auch noch VG Regensburg, Beschl. v. 18. 9. 2020 – RO 14 S 20.2260, BeckRS 2020, 24056 (Rn. 48); VG Augsburg, Beschl. v. 15. 9. 2020 – Au 9 S 20.1620, BeckRS 2020 24279 (Rn. 32). Zur Begründung der Dauer siehe insbesondere von Kleist/Ruehe/Oh/Nitsche/Haas/Stoliaroff-Pépin/Eckmanns/Abu Sin/van der Toorn/Jenny/ Mielke/Herzog/Wieler, Epid Bull 39/2020, 3 (6). 20 Gesundheitsministerkonferenz, Beschl. v. 5. 1. 2022. 21 Robert Koch Institut, Quarantäne- und Isolierungsdauern bei SARS-CoV-2-Expositionen und -Infektionen entsprechend dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 7. und 24. Januar 2022, außer Kraft seit 2. 5. 2022. 22 Robert Koch Institut, Empfehlungen zu Isolierung und Quarantäne bei SARS-CoV-2Infektion und -Exposition, Stand 2. 5. 2022.

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G. Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts

(2) Absonderungsdauer für Einreisende aus Risikogebieten Für andere Verdachtsfälle gelten andere Regeln. Für Personen, die aus Hochrisikogebieten in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, gilt Stand Mai 2022 eine Absonderungspflicht von 10 Tagen mit Möglichkeit des Freitestens nach 5 Tagen; für Einreisende aus Virusvariantengebieten beträgt die Absonderungsdauer 14 Tage, siehe § 4 Abs. 2 CoronaEinreiseV.23 Für Infektionsverdächtige, die sich aufgrund von Erkältungssymptomen oder eines positiven Schnelltests einer PCR-Testung unterzogen haben, ist landesrechtlich z. T. eine Absonderung bis zum Erhalt des Testergebnisses mit unmittelbarem Ende bei negativem Ergebnis vorgesehen.24 (3) Pauschale Einordnung nicht möglich Es zeigt sich: Pauschale Aussagen über die Dauer der Quarantäne im Verdachtsfall lassen sich kaum treffen. Soweit die Möglichkeit des Freitestens nicht besteht und eine Isolation von 14 Tagen empfohlen oder vorgegeben wird, wie dies etwa für Kontaktpersonen bis September 2021 der Fall war und auch heute noch für die Einreise aus Virusvariantengebieten der Fall ist, gelten die obigen Erwägungen, die Grenze der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit ist dann regelmäßig überschritten. Selbiges dürfte gelten, wenn eine bestehende Möglichkeit des Freitestens nicht genutzt wird und eine Isolation von 10 Tagen erforderlich ist. Kann der Arbeitnehmer sich nach fünf oder sieben Tagen durch Vorlage eines negativen Coronatests aus der Absonderung befreien oder ist diese ohnehin nur für fünf Tage vorgesehen, werden die Grenzen der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit hingegen zumeist eingehalten sein, wobei Abweichungen im Einzelfall denkbar sind.25 (4) Auswirkungen einer späteren Anordnung der Absonderung Fraglich ist, wie die Zeiträume der Arbeitsverhinderung zu betrachten sind, wenn der infektionsverdächtigte Arbeitnehmer sich zunächst selbst isoliert hat, dadurch an seiner Arbeitsleistung verhindert war und im Anschluss eine Absonderung angeordnet wird. Es könnte sich um zwei getrennt zu betrachtende Zeiträume der Arbeitsverhinderung handeln – einmal wegen Unzumutbarkeit der Leistungserbringung, einmal wegen rechtlicher Unmöglichkeit derselben. Das vermag jedoch nicht zu überzeugen. In beiden Fällen ist es die vom Arbeitnehmer möglicherweise ausgehende Infektionsgefahr, die ihn an der Arbeitsleistung hindert.26 Die konkreten rechtlichen Auswirkungen mögen unterschiedliche sein, der Auslöser bleibt jedoch derselbe. Daneben gebietet der neu eingefügte § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG, der den Entschädigungsanspruch auf die vorsorgliche Selbstisolation erstreckt und damit auf den Gesamtzeitraum anwendbar macht, eine entsprechende Betrachtung auch bei 23 BAnz AT 29. 9. 2021 V1, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 27. 4. 2022 (BAnz AT 27. 4. 2022 V1). 24 Siehe § 8 Abs. 1 CoronaTestQuarantäne VO NRW v. 4. 5. 2022, GV NRW 2022, S. 581a. 25 Siehe zum Ganzen auch bereits Gliederungspunkt F. I. 2. a) cc) (2). 26 In diesem Sinne auch BGH, Urt. v. 30. 11. 1978 – III ZR 43/77, NJW 1979, 422 (424).

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§ 616 BGB zugrunde zu legen. Mithin ist der verdachtsbedingte Arbeitsausfall unabhängig von einer verspäteten Absonderungsanordnung einheitlich zu betrachten. Tritt keine Arbeitsunfähigkeit ein und wird die Infektion nicht bestätigt, ist der Verdacht derselben bei dieser Betrachtung regelmäßig auch der einzige Umstand, der den Arbeitnehmer an der Arbeitsleistung hindert, sodass die Voraussetzung der Monokausalität keine weiteren, pandemiespezifischen Fragen aufwirft. cc) Fehlendes Verschulden des Arbeitnehmers Auch wenn eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit vorliegt, kann der Lohnfortzahlungsanspruch nach §§ 611a Abs. 2, 616 BGB dennoch an einem Eigenverschulden des Arbeitnehmers scheitern. Hier kann insbesondere eine fehlende, dem Betroffenen aber zumutbare Schutzimpfung gegen COVID-19 relevant werden: Bei verdachtsbedingter Absonderung fällt die Begründung des Anspruchsausschlusses je nach Grund für den Verdacht leichter als im Falle der Absonderung wegen nachgewiesener Infektion.27 So etwa bei Kontaktpersonen: Während nicht mit hinreichender Sicherheit gesagt werden kann, dass die Schutzimpfung eine Infektion oder symptomatische Erkrankung verhindert hätte28, so steht bei einer Absonderung als Kontaktperson zumeist fest, dass diese Absonderung allein deswegen notwendig wird, weil die Immunisierung fehlt; Geimpfte oder Genesene hätten sich nicht in Isolation begeben müssen.29 Kausalitätsprobleme stellen sich daher nicht. Soweit der ungeimpfte Infektionsverdächtige sich zu einer freiwilligen Isolation veranlasst sieht, sind diese Erwägungen ebenso übertragbar – die Leistungsverweigerung mag hier gerechtfertigt sein, dass die Voraussetzungen einer Unzumutbarkeit der Leistung vorliegen, ist dem Betroffenen aber anzulasten. Soweit der Arbeitnehmer aufgrund eines reinen Infektionsverdachts an der Tätigkeit gehindert ist, und die Verhinderung bei vorheriger Schutzimpfung hätte vermieden werden können, ist daher von einem anspruchsausschließenden Verschulden auszugehen.30 Ähnliches gilt bei Rückkehrern aus Risikogebieten i. S. d. § 2 Nr. 17 IfSG: Sofern es sich bei dem Reiseziel des Arbeitnehmers nicht um ein sog. Virusvariantengebiet handelt, trifft die Absonderungspflicht faktisch nunmehr allein Personen, die weder

27 Ähnlich Lorenzen, COVuR 2021, 722 (724 f.), der allerdings zwischen symptomloser und symptomatischer Infektion differenziert. Wie hier die Erwägungen des Bundesministeriums für Gesundheit, Ansprüche auf Ersatz des Verdienstausfalls für Arbeitnehmer und Selbständige, S. 6. 28 Siehe Gliederungspunkte F. I. 2. a) aa) (4) und b) aa) (2) (c). 29 Dies folgt aus § 6 Abs. 1 SchAusnahmV. 30 In diesem Sinne Grimm, ArbRB 2021, 293; Lorenzen, COVuR 2021, 722 (724); wohl auch Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 13a; a. A. ErfK/ Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690n; Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (43).

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G. Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts

geimpft noch genesen sind.31 Auch der hierdurch bedingte Arbeitsausfall hätte daher durch Vornahme einer Schutzimpfung verhindert werden können. Entsprechend der Wertung des § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 1 IfSG muss daher von einem den Lohnfortzahlungsanspruch ausschließenden Verschulden ausgegangen werden.32 War die Reise in das Risikogebiet vermeidbar, stellt – wiederum entsprechend der Wertung des § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 4 IfSG – auch die Reise selbst ein vorwerfbares Verhalten dar, das den Lohnfortzahlungsanspruch wegen Eigenverschuldens ausschließt33 – dies ist insbesondere auch für geimpfte oder genesene Personen relevant, die aus Virusvariantengebieten zurückkehren. Soweit der Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte, die Absonderungsdauer durch „Freitesten“ zu verkürzen, diese aber nicht nutzt, ist hierin für die Zeitspanne, durch die der infektionsverdachtsbedingte Arbeitsausfall somit verlängert wird, ebenfalls ein Verschulden zu erblicken. In einer Gesamtbetrachtung ist dies als grob unbilliges Verhalten zu werten, weil der Arbeitnehmer den Ausfall hätte verhindern können.34 Bei freiwilliger Selbstisolation ist darüber hinaus zu erwägen, ob nicht der Verzicht auf das Wiederherstellen der Zumutbarkeit in die Abwägung im Rahmen des § 275 Abs. 3 BGB miteinzubeziehen ist und die verdachtsbedingte Arbeitsverweigerung damit schon ihre Berechtigung verliert – die Verteilung des Vergütungsrisikos ist dieselbe, der Arbeitnehmer verliert seinen Vergütungsanspruch. Relevant wird dies insgesamt nur dort, wo der Verzicht auf ein Freitesten nicht bereits dazu führt, dass die Dauer der Arbeitsverhinderung verhältnismäßig erheblich ist. Es verbleiben mithin wenige Fälle, in denen der Arbeitsausfall allein auf einem Infektionsverdacht beruht und gleichwohl vom Arbeitnehmer nicht zu verschulden ist. Hierzu gehört die Absonderung nach einer unvermeidbaren Reise in ein Virusvariantengebiet und u. U. auch die Absonderung wegen eines Verdachts, der durch das unerwartete Auftreten einschlägiger Krankheitssymptome, die noch nicht zur 31

Nach § 4 Abs. 1, 2 S. 2 CoronaEinreiseV v. 28. 9. 2021 (BAnz AT 29. 9. 2021 V1) i. d. F. v. 27. 4. 2022 trifft die Absonderungspflicht zwar grundsätzlich auch Geimpfte und Genesene, sie endet aber mit der Übermittlung des Geimpften- oder Genesenennachweises an die zuständige Behörde. Nach § 4 Abs. 2 S. 5 CoronaEinreiseV gilt die Befreiung von der Absonderungspflicht bei Vorlage eines Impfnachweises jedoch i. d. R. nicht bei Einreise aus einem Virusvariantengebiet. 32 Zur gebotenen Parallelwertung zu § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 1 IfSG Eufinger, BB 2021, 504 (506); Lorenzen, COVuR 2021, 722 (724); siehe auch Krainbring, NZA 2021, 247 (249); a. A. ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690n; Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (43 f.); offen gelassen im Hinblick auf § 3 EFZG von vom Stein/Rothe/Schlegel/Schubert, 2. Aufl. 2021, § 26 Rn. 30; Eufinger, GesR 2021, 69 (74). 33 Zu gebotenen Parallelwertung zu § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 4 IfSG Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 97 Rn. 28; mit Bezug auf den – identischen – Begriff im Rahmen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG BeckOK ArbR/Ricken, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 3 EFZG Rn. 37; Beden, NZA 2021, 917 (919). I. E. ebenso Schaub/Koch/Koch, Arbeitsrecht von A – Z, 26. Aufl. 2022, Corona; Tödtmann/v. Bockelmann/Hartmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 64; Adam, SPA 2020, 137 (138). 34 Siehe zu diesem Verschuldensmaßstab BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 616 BGB Rn. 44.

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Arbeitsunfähigkeit führen, bedingt ist. Häufig wird in diesen Fällen jedoch eine Absonderungsdauer erforderlich sein, welche die Grenze der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit überschreitet35 – dann muss die Aufrechterhaltung des Lohnanspruchs durch § 616 BGB gleichwohl scheitern. b) Vergütungspflicht bei sich später bestätigendem Verdacht und Ausbleiben starker Krankheitssymptome Wird im verdachtsbedingten Isolationszeitraum, der zum Arbeitsausfall führt, indes ein Coronatest durchgeführt, dessen Ergebnis positiv ist, ist zu differenzieren. Ab dem Zeitpunkt der Bestätigung des Infektionsverdachts36 fällt dieser als Verhinderungsgrund weg und es gilt das oben zur nachgewiesenen Infektion Gesagte – besteht zu dem Zeitpunkt, indem die nachgewiesene Infektion sich als persönlicher Verhinderungsgrund realisiert, keine Arbeitsunfähigkeit, richtet sich die Lohnfortzahlung allein nach § 616 BGB.37 Damit ist allerdings noch nicht beantwortet, wie der Zeitraum vor Bestätigung des Infektionsverdachts, in dem die Arbeitsleistung gleichwohl ausgeblieben ist, zu beurteilen ist. Ob diesbezüglich das Vergütungsrisiko den Arbeitgeber trifft, hängt insbesondere von der Dauer der verdachtsbedingten Arbeitsverhinderung ab – ob diese die Grenzen des § 616 BGB überschreitet, ist wiederum einerseits Frage des Einzelfalles, andererseits auch davon abhängig, ob der Zeitraum der verdachtsbedingten Verhinderung mit derjenigen der infektionsbedingten Verhinderung zusammenzurechnen ist. Die Zeiträume der Arbeitsverhinderung aufgrund unterschiedlicher Verhinderungsgründe sind grundsätzlich nicht zusammenzurechnen.38 Allerdings ist anerkannt, dass die Absehbarkeit mehrfacher oder längerfristiger Arbeitsverhinderung aufgrund eines personenbedingten Ereignisses die Zusammenrechnung der entsprechenden Zeiträume im Rahmen des § 616 BGB rechtfer-

35 Im Falle der Einreise aus einem Virusvariantengebiet beträgt die Absonderungdauer 14 Tage, siehe § 4 Abs. 2 S. 5 CoronaEinreiseV i. d. F. v. 27. 4. 2022. 36 Anders als oben im Rahmen des § 615 S. 1 bzw. § 297 BGB dürfte es hier nicht auf den Zeitpunkt der Probenentnahme, sondern denjenigen des Erhalts des Testergebnisses ankommen. Für die Feststellung der Leistungsfähigkeit als Voraussetzung des Annahmeverzugs wird eine ex-post-Betrachtung zugrunde gelegt (siehe etwa kürzlich BAG, Urt. v. 21. 7. 2021 – 5 AZR 543/20, NJW 2022, 103 (104); ebenso bereits Urt. v. 5. 11. 2003 – 5 AZR 562/02, AP BGB § 615 Nr. 106). Die Perspektive ist vorliegend eine andere: Es geht nicht darum, rückblickend festzustellen, ob der Arbeitnehmer objektiv leistungsfähig war, sondern darum festzustellen, welcher Umstand im fraglichen Zeitpunkt ursächlich für das Ausbleiben der Leistung des Arbeitnehmers war – dies kann nur ex ante beurteilt werden. 37 Siehe Gliederungspunkt F. I. 2. c). 38 Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 56; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 43; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 33; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 616 BGB Rn. 107.

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tigen kann.39 Beispielhaft genannt seien hier mehrfache Arztbesuche aufgrund desselben Unfalls sowie mehrere Ladungen zum Erscheinen vor Gericht in demselben Verfahren.40 Im Falle hoheitlicher Absonderung schon wegen des Infektionsverdachts, die einer Arbeitsleistung entgegensteht, ist jedenfalls eine einheitliche Betrachtung des Gesamtzeitraums geboten: Das rechtliche Hindernis, welches aus der Absonderung folgt, besteht auch nach Bestätigung der Infektion fort. Es verklammert gewissermaßen die Zeiträume der Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts und nachgewiesener Infektion. Für die Frage der verhältnismäßig nicht erheblichen Dauer der Arbeitsverhinderung kommt es daher darauf an, wie lange der Arbeitnehmer insgesamt ausfällt. Dasselbe muss gelten, wenn der Arbeitnehmer sich aufgrund seines Infektionsverdachts zunächst freiwillig isoliert. Zwar kann man die Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts und nachgewiesener Infektion durchaus als zwei zu unterscheidende Verhinderungsgründe betrachten, dennoch lässt sich ein enger inhaltlicher Zusammenhang nicht leugnen. Bereits bei Beginn der verdachtsbedingten Arbeitsverhinderung ist – je nach geltender Vorgabe für die Isolationsdauer – absehbar, dass diese länger andauern wird, sofern der Verdacht bestätigt wird. Ausschlaggebender Grund für das Ausbleiben der Leistung ist auch in beiden Fällen der Schutz Dritter vor Ansteckung – die nachträglich erfolgende Bestätigung eines ohnehin bestehenden Gefahrenverdachts bewirkt insoweit keine entscheidende Zäsur. Der Zeitraum der Arbeitsverhinderung wegen des Infektionsverdachts und der später bestätigten Infektion ist daher als Gesamtzeitraum zu betrachten. Wird hierdurch die Grenze der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit überschritten, bleibt die Lohnfortzahlung nach §§ 611a Abs. 2, 616 BGB aus. c) Vergütungspflicht bei Zusammentreffen von Infektionsverdacht und krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit Vielschichtiger wird das Problem, sofern zusätzlich eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit besteht. Der Infektionsverdacht selbst mag keine Krankheit, jedenfalls keine Arbeitsunfähigkeit begründen41, das hindert jedoch nicht das parallele Bestehen einer solchen. Neben § 616 BGB besteht sodann die Möglichkeit, dass der Vergütungsanspruch nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG aufrechterhalten wird. Problematisch ist hier insbesondere das Kriterium der Monokausalität: Insoweit 39 HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 616 BGB Rn. 43; vgl. auch LG Frankfurt, Urt. v. 2. 12. 1999 – 2/1 S 163/99 – juris; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 69; a. A. MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 77 Rn. 33; für eine teilweise Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 56. 40 Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 616 BGB Rn. 56. Zu ersterem Fall siehe LG Frankfurt, Urt. v. 2. 12. 1999 – 2/1 S 163/99, juris; zu letzterem ArbG Hagen, Urt. v. 10. 5. 2011 – 5 Ca 146/10, BeckRS 2013, 67332. 41 Siehe bereits Gliederungspunkt G. I. 2. a).

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stellen sich ähnliche Fragen, wie sie schon oben im Rahmen der nachgewiesenen Infektion diskutiert wurden. Zu differenzieren ist insbesondere nach dem Zeitpunkt des Eintritts der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. aa) Eintritt der Arbeitsunfähigkeit während bereits angeordneter Absonderung Befand sich der betroffene Arbeitnehmer bereits verdachtsbedingt in hoheitlich angeordneter Absonderung, war hierdurch an der Arbeitsleistung verhindert und tritt die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit als späterer Verhinderungsgrund hinzu, bleibt sie nach der hier bevorzugten Betrachtung anhand des Prioritätsprinzips unbeachtlich und ist nicht als hinreichend kausal für die Arbeitsverhinderung zu erachten; § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG scheidet aus.42 Maßgeblich ist in arbeitsrechtlicher Hinsicht § 616 BGB43, der jedoch nur bei verhältnismäßig nicht erheblicher Dauer der Arbeitsverhinderung eingreift. An dieser Betrachtung ändert sich auch nichts, wenn im Laufe des Absonderungszeitraums die Infektion bestätigt wird – die Absonderung als rechtliches Hindernis besteht fort und ist daher als zuerst eingetretener Hinderungsgrund maßgeblich für die Lohnfortzahlung. bb) Eintritt der Arbeitsunfähigkeit während freiwilliger Isolation Isoliert sich der Arbeitnehmer hingegen zunächst freiwillig, übt er also ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Unzumutbarkeit der Gefährdung Dritter aus, ist zu differenzieren. Von Bedeutung ist hier insbesondere, ob ein oder mehrere Coronatest durchgeführt werden und der Infektionsverdacht hierdurch bestätigt oder widerlegt werden kann. (1) Verdachtsbedingte Selbstisolation und Arbeitsunfähigkeit bei ausbleibendem oder negativem Coronatest Zum Teil geht man von einem Vorrang der Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG aus, egal, zu welchem Zeitpunkt die Arbeitsunfähigkeit eintritt.44 Das überzeugt jedoch nicht. Auch ohne Krankheitsausbruch hätte der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung für eine gewisse Zeitspanne nicht erbracht. Hat der Arbeitnehmer vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die Leistung verweigert und trägt der Arbeitgeber Entsprechendes vor, liegt es weiterhin am Arbeitnehmer, darzulegen und zu beweisen, dass er während der Arbeitsunfähigkeit wieder zur Leistung bereit war.45 Im 42

Ebenso ErfK/Reinhard, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 19a; Beden, NZA 2021, 917 (918); Noack, NZA 2021, 251 (253); Lorenzen, COVuR 2021, 722 (723). 43 So auch Lorenzen, COVuR 2021, 722 (723). 44 So Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (28). 45 Vgl. für den Schuldnerverzug BAG, Urt. v. 30. 3. 1985 – 5 AZR 229/83, NZA 1986, 193 (194); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 3 EFZG Rn. 21; MüKoBGB/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2020,

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hiesigen Kontext müsste der Arbeitnehmer darlegen, wie lange er die Leistung verdachtsbedingt verweigert hätte, wäre nicht die Arbeitsunfähigkeit eingetreten. Dies dürfte nicht allzu schwerfallen, wird der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber in der Regel doch mitteilen, wie lange er voraussichtlich ausfällt und sich an den geltenden Isolationsempfehlungen orientieren. Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn der Arbeitnehmer zwar einen oder mehrere Coronatests durchführt, der Verdacht jedoch aufgrund fortbestehender Symptome hierdurch nicht als ausgeräumt angesehen werden kann und die verdachtsbedingte Selbstisolation daher andauert. Erst, wenn der Infektionsverdacht tatsächlich nicht mehr zu einer Arbeitsverhinderung geführt hätte – so etwa am Ende der empfohlenen Quarantänezeit bei wiederholt negativem Testergebnis – fällt er als Verhinderungsgrund weg und lässt Raum für die Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. (2) Verdachtsbedingte Selbstisolation und Arbeitsunfähigkeit bei Bestätigung des Verdachts Infolge eines Coronatests kann die verdachtsbedingte Leistungsverweigerung als Verhinderungsgrund nicht nur entfallen, weil der Verdacht widerlegt wird, sondern auch, weil er sich bestätigt. Sofern der Verdacht im Stadium der Arbeitsfähigkeit bestätigt wird, fällt die verdachtsbedingte Leistungsverweigerung als Verhinderungsgrund weg, es gelten die unter b) dargelegten Grundsätze. Tritt im Anschluss krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ein, handelt es sich schon um eine solche im Rahmen einer nachgewiesenen Infektion, die bereits unter Gliederungspunkt F. erörtert wurde – § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG greift nicht ein, wenn bereits der Nachweis der Infektion zur Leistungsunfähigkeit geführt hat. Tritt die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit allerdings zu einem Zeitpunkt ein, in dem der Arbeitnehmer sich bereits verdachtsbedingt isoliert, und wird der Verdacht erst später bestätigt – Beispiel zur Veranschaulichung: Der Arbeitnehmer erfährt montags morgens von einem Risikokontakt, isoliert sich daher am Montag und Dienstag und arbeitet nicht, wird mittwochs morgens symptombedingt arbeitsunfähig und erhält freitags morgens die Bestätigung, dass er an COVID-19 erkrankt ist – kann bei Anwendung des hier befürworteten Prioritätsprinzips ab dem Zeitpunkt der Bestätigung des Verdachts § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG Anwendung finden. Denn: Solange der Verdacht als zuerst bestehender Verhinderungsgrund andauert, richtet sich die Frage der Lohnfortzahlung nach § 616 BGB – im Beispiel also bis freitags morgens, denn ab da entfällt der Verdacht und an seine Stelle tritt die bestätigte Infektion. Bei Realisierung der Infektion als Verhinderungsgrund bestand indes schon die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit – im Beispiel seit Mittwoch. Unabhängig davon, ob man hier darauf abstellt, dass die Arbeitsunfähigkeit zeitlich zuerst eingetreten ist, oder darauf, dass sie sich zeitgleich mit der Absonderung § 3 EFZG Rn. 18; Schmitt/Schmitt, EFZG, 8. Aufl. 2018, § 3 EFZG Rn. 108; Müller-Glöge, RdA 2006, 105 (106).

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realisiert, sobald der zunächst vorrangige Verhinderungsgrund des Infektionsverdachts weggefallen ist, führt dies zu einem Vorrang des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG.46 Im Beispiel erhielte der Arbeitnehmer ab freitags und für die Folgezeit Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. cc) Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vor oder zeitgleich mit verdachtsbedingter (Selbst-)Isolation Denkbar bleibt schließlich die Situation, dass der Arbeitnehmer bereits aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit an seiner Leistung verhindert ist, als ein Infektionsverdacht hinzutritt, der ihn zu einer Selbstisolation veranlasst oder zu einer hoheitlich angeordneten Absonderung führt – in diesem Fall ist bei zeitlicher Betrachtung die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit der erste und damit relevante Verhinderungsgrund, sodass der Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG erhält, solange die Arbeitsunfähigkeit anhält.47 Sofern der Arbeitnehmer hierbei typische Symptome der COVID-19-Erkrankung aufweist, können diese auch Auslöser eines Infektionsverdachts sein. Realisieren sich krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und verdachtsbedingte Absonderung oder Selbstisolation zeitgleich, sodass eine priorisierende Betrachtung nach dem Eintrittszeitpunkt der Verhinderungsgründe nicht zielführend ist, muss die Lösung anhand von Wertungsgesichtspunkten gefunden werden – diese sprechen wie oben im Rahmen der nachgewiesenen Infektion erörtert insgesamt für einen Vorrang der Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG.48 dd) Verschuldensproblematik Auch im Zusammenspiel mit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gilt: Solange der Infektionsverdacht der ausschlaggebende Verhinderungsgrund ist und sich die Lohnfortzahlung nach § 616 BGB richtet, ist entscheidend, ob eben dieser Verdacht vorwerfbar ist; es gelten die unter 2. a) cc) angestellten Erwägungen. Besteht hingegen eine Infektion und/oder krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und sind diese maßgeblich für die Lohnfortzahlung, kommt es auf die Vorwerfbarkeit eben dieser an – insbesondere im Hinblick auf das Fehlen einer Schutzimpfung ist diese mangels hinreichender Sicherheit der Verhinderung einer Infektion bzw. COVID-19-Erkrankung strenger zu beurteilen, siehe Gliederungspunkt F. I. 2. b) aa) (2). 46 Vgl. oben zur nachgewiesenen Infektion bei gleichzeitiger oder vorheriger Realisierung der Arbeitsunfähigkeit Gliederungspunkt F. I. 2. b). 47 So auch Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 58, allerdings mit der nicht gebotenen Begrenzung auf Fälle, in denen der Arbeitnehmer nicht wegen einer Virusinfektion arbeitsunfähig erkrankt ist; insoweit wie hier Kruse, ARP 2021, 116 (118, 119), allerdings auf Grundlage anderer Erwägungen. 48 Siehe hierzu bereits Gliederungspunkt F. I. 2. b) aa) (1).

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d) Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG In dieses arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung trotz ausbleibender Arbeitsleistung fügt sich nun wiederum die Entschädigungsnorm des § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG ein. Für den infektionsschutzrechtlichen Entschädigungsanspruch ist indes nur Raum, wenn ein Verdienstausfall, d. h. gerade kein arbeitsrechtlicher Lohnfortzahlungsanspruch besteht.49 Das ist im Falle des infektionsverdachtsbedingten Arbeitsausfalls für die Zeiträume der Fall, in denen der Infektionsverdacht bzw. die hieran anknüpfende Leistungsverweigerung des Arbeitnehmers oder Absonderung der ausschlaggebende Verhinderungsgrund ist, § 616 BGB wegen verhältnismäßig erheblicher Dauer der Verhinderung aber den Vergütungsanspruch nicht aufrecht erhält. Auch bei später eintretender Arbeitsunfähigkeit bleibt der Entschädigungsanspruch nach Maßgabe des § 56 Abs. 7 S. 1 IfSG bestehen. In praktischer Hinsicht erfolgt gem. § 56 Abs. 7 S. 1 IfSG für den Gesamtzeitraum die Auszahlung der infektionsschutzrechtlichen Entschädigung durch den Arbeitgeber, der die Kosten aber – sofern kein Regressanspruch nach § 56 Abs. 7 S. 2 IfSG besteht50 – vom Staat erstattet bekommt, § 56 Abs. 5 S. 3 IfSG. In der Anfangszeit der Pandemie und bis zur Einführung des heutigen § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG konnte dieser Verdienstausfall allerdings nur für diejenigen Infektions49 Vgl. VG Bayreuth, Urt. v. 13. 9. 2021 – B 7 K 21.428, BeckRS 2021, 31136 (Rn. 20); Gerichtsbescheid v. 7. 7. 2021 – B 7 K 21.222, BeckRS 2021, 18069 (Rn. 19); Gerichtsbescheid v. 5. 5. 2021 – B 7 K 21.210, BeckRS 2021, 13055 (Rn. 25); VG Frankfurt a. M., Urt. v. 20. 7. 2021 – 5 K 578/21.F, BeckRS 2021, 21252 (Rn. 17); VG Koblenz, Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 107/ 21.KO, BeckRS 2021, 13968 (Rn. 21); Urt. v. 10. 5. 2021 – 3 K 108/21.KO, BeckRS 2021, 13969 (Rn. 21); LG Münster, Urt. v. 15. 4. 2021 – 8 O 345/20, COVuR 2021, 430 (431); LG Hannover, Urt. v. 5. 5. 1976 – 11 S 370/75, NJW 1976, 2306; LG Tübingen, Urt. v. 6. 7. 1966 – 1 S 31/66, NJW 1966, 1865 (1866); LG Düsseldorf, Urt. v. 18. 5. 1966 – 11 b S. 43/66, DB 1966, 1053; ArbG Aachen, Urt. v. 11. 3. 2021 – 1 Ca 3196/20, NZA-RR 2021, 471 (472); ArbG Hamburg, Urt. v. 23. 6. 1966 – 1 Ca 199/66, BB 1966, 1227 (1228); AG Köln, Urt. v. 18. 2. 1975 – 112 C 2130/74, NJW 1976, 378; BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse, 11. Ed. (Stand: 1. 4. 2022), § 56 IfSG Rn. 20a; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690d; Gerhardt, IfSG, 5. Aufl. 2021, § 56 Rn. 10; Hohenstatt/Sittard/Hohenstatt/Krois, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 3 a); Huster/Kingreen/Becker, Hdb IfSchR, 1. Aufl. 2021, Kapitel 9 Rn. 117; MAH ArbR/Glaser, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 230; Kießling/Kümper, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 25; Küttner/Röller/Köllmann, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, COVID-19 Rn. 9, 17; Römermann/Menken/Matheja, 1. Aufl. 2020, Teil 8 Rn. 24; Schmidt/Winter/Thürk, COVID-19, 3. Aufl. 2021, § 22 Rn. 17; Schlegel/Meßling/Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 26; Tholl, Staatshaftung und Corona, 1. Aufl. 2021, § 1 Rn. 26; Wank, in: Liber amicorum Düwell, 2021, S. 69 (73); Benkert, NJW-Spezial 2020, 306; Bonanni, ArbRB 2020, 110 (113); Eufinger, BB 2021, 504 (507); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (416); Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623 (625); Kruse, ARP 2021, 116 (118); Noack, NZA 2021, 251; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137 (1139); Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465 (1467); in diesem Sinne auch Düwell, BB 2020, 891 (893), der jedoch für Änderungen plädiert. 50 Ein Regressanspruch käme in Betracht, wenn die Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG für einen Zeitraum vorsorglicher Selbstisolation gezahlt wird, in dem der Arbeitnehmer später arbeitsunfähig erkrankt und einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhält (siehe zur Kausalitätsproblematik Gliederungspunkt G. I. 2. c) bb) (1)).

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verdächtigen kompensiert werden, die einer hoheitlichen Absonderungsanordnung unterlagen.51 Bei freiwilliger Selbstisolation trug mithin der Arbeitnehmer das Vergütungsrisiko, wenn kein arbeitsrechtlicher Lohnfortzahlungsanspruch eingriff. Nun kann auch die berechtigte Leistungsverweigerung nach § 275 Abs. 3 BGB zu einem Entschädigungsanspruch führen, sofern die Voraussetzungen für eine Absonderungsanordnung im Zeitraum der vorsorglichen Selbstisolation bereits vorlagen. Die Schnittmenge zwischen berechtigter Leistungsverweigerung und Voraussetzungen der Absonderung dürften hier groß sein, denn wenn der Infektionsverdacht derart geringfügig ist, dass eine Absonderungsanordnung nicht in Betracht kommt, dann dürfte in der Regel auch keine Unzumutbarkeit der Leistungserbringung durch den Arbeitnehmer vorliegen.52 Sofern ein Verdienstausfall allerdings deswegen besteht, weil dem Arbeitnehmer etwa wegen vermeidbarer Reise in ein Risikogebiet oder fehlender Schutzimpfung Eigenverschulden i. S. d. § 616 BGB vorzuwerfen ist, hilft auch § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG nicht weiter – die oben für das Verschulden angelegten Maßstäbe folgen insoweit aus einer Parallelwertung zu § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG, auch der Entschädigungsanspruch ist daher in diesen Fällen ausgeschlossen.53 Beruht ein Eigenverschulden des Arbeitnehmers auf anderen als den in § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG genannten Umständen, wie etwa dem Verzicht auf eine Möglichkeit des „Freitestens“, schließt das den Entschädigungsanspruch ebenso aus wie die arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlungsansprüche, wenn man – wie hier – die Aufzählung des § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG nicht als abschließend versteht, sondern vielmehr als exemplarische Aufzählung und Beleg dafür, dass der Gedanke des Anspruchsausschlusses bei vorwerfbarer Herbeiführung des Leistungsausfalls auch im Rahmen der infektionsschutzrechtlichen Entschädigung zu berücksichtigen ist.54 e) Zwischenergebnis Entfällt die Arbeitspflicht wegen eines Infektionsverdachts, entweder, weil der Arbeitnehmer berechtigterweise die Leistung verweigert, weil er bereits krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist oder weil ihn eine hoheitliche Absonderung an der Arbeitsleistung hindert, hängt das Schicksal des Vergütungsanspruchs maßgeblich davon ab, ob und wenn ja, wann der Infektionsverdacht sich bestätigt, sowie davon, ob und wenn ja, wann den Arbeitnehmer eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ereilt. 51 So etwa noch Knorr/Krasney, EFZ, Werkstand: 2022, § 3 EFZG Rn. 58; ebenso Stöß/ Putzer, NJW 2020, 1465 (1466). Nach ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 690 f. handelt es sich insoweit um arbeitsrechtliche Graubereiche. 52 Weitergehend noch Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (40 f.), die ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers insoweit generell ablehnen. 53 Siehe bereits ausführlich Gliederungspunkt F. I. 2. a) aa) (4). 54 Siehe Gliederungspunkt F. I. 2. a) aa) (5).

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G. Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts

Sofern es zunächst der Infektionsverdacht selbst, bzw. eine hieran anknüpfende hoheitliche Absonderung oder Selbstisolation ist, und nicht eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, die den Arbeitnehmer an der Arbeitsleistung hindert, richtet sich die Lohnfortzahlung in arbeitsrechtlicher Hinsicht nach § 616 BGB. Entscheidend ist daher die Dauer der Arbeitsverhinderung, die von den geltenden Vorgaben für die verdachtsbedingte Absonderung abhängt. Bestätigt sich der Verdacht im Verlaufe des (Selbst-)Absonderungszeitraums, wird der Arbeitnehmer aber nicht arbeitsunfähig im entgeltfortzahlungsrechtlichen Sinne, sind die Zeiträume der verdachtsbedingten Arbeitsverhinderung und der infektionsbedingten Arbeitsverhinderung zusammenzurechnen – für das Eingreifen des § 616 BGB kann das entscheidende Bedeutung haben. Der Eintritt krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bringt die Möglichkeit einer Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG durch den Arbeitgeber mit sich. Tatsächlich stellt die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in den hier zu betrachtenden Konstellationen jedoch nur in manchen Fallkonstellationen den ausschlaggebenden Verhinderungsgrund dar. Tritt sie während eines Infektionsverdachts ein, der bereits zur Arbeitsverhinderung führt, aber nicht bestätigt wird, ist die Arbeitsunfähigkeit nur dann als hinreichend kausal zu betrachten, wenn der Arbeitnehmer darlegen kann, dass er ohne ihren Eintritt wieder zur Arbeitsleistung bereit gewesen wäre – ansonsten richtet sich die Lohnfortzahlung nach § 616 BGB. Wird der Infektionsverdacht bestätigt und tritt erst in der Folge die Arbeitsunfähigkeit ein, handelt es sich um den Fall der nachgewiesenen Infektion mit Arbeitsunfähigkeit, der oben bereits erörtert wurde und in dem ebenfalls § 616 BGB Anwendung findet. Folgt allerdings die Arbeitsunfähigkeit auf die verdachtsbedingte Arbeitsverhinderung, wobei die Bestätigung der Coronavirusinfektion erst im Anschluss erfolgt, kann § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ab dem Zeitpunkt der Bestätigung der Infektion zur Anwendung gelangen. Die Arbeitsunfähigkeit realisiert sich hier vor bzw. zeitgleich mit der nachgewiesenen Infektion als Verhinderungsgrund, der Infektionsverdacht fällt als Verhinderungsgrund mit seiner Bestätigung weg. Bei zeitgleichem Auftreten von infektionsverdachtsbedingter Arbeitsverhinderung und krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit scheitert das Prioritätsprinzip, Wertungsgesichtspunkte führen auch hier zu einem Vorrang der Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. In allen genannten Fällen ist zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung schuldhaft herbeigeführt hat, wobei insbesondere im Hinblick auf die Vermeidbarkeit durch Impfung zu berücksichtigen ist, ob die Arbeitsverhinderung maßgeblich verdachtsbedingt (hier kommt eine Vermeidbarkeit durch Schutzimpfung in Betracht) oder infektionsbedingt war bzw. aus der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit folgte (dann ist mangels hinreichender Sicherheit der Vermeidbarkeit durch Impfung nicht von einem Verschulden auszugehen). Sofern arbeitsrechtliche Lohnfortzahlungsansprüche nicht eingreifen, ist Raum für einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG. Anders als bis zum

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Frühjahr 2021 kommt ein solcher nun auch bei einem Infektionsverdacht in Betracht, der nicht zu einer Absonderung, aber zu einer berechtigten Selbstisolation führte. Bei Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls insbesondere durch Impfung oder Unterlassen von Reisen in Risiko- oder Virusvariantengebiete scheitert jedoch auch der Entschädigungsanspruch am Eigenverschulden des Arbeitnehmers. Das Vergütungsrisiko trägt der Arbeitnehmer mithin in erster Linie dann selbst, wenn er den Arbeitsausfall zu verschulden hat. In anderen Fällen ist er finanziell in aller Regel abgesichert – das jedenfalls, seit § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG auch eine Entschädigung für die vorsorgliche Selbstisolation vorsieht. Den Arbeitgeber trifft das Vergütungsrisiko jedenfalls in den Fällen, in denen eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit als maßgeblicher Verhinderungsgrund anzusehen ist und kein Verschulden des Arbeitnehmers vorliegt. Ist hingegen § 616 BGB einschlägig, kann der Arbeitgeber in einigen Fällen durch die verhältnismäßig erhebliche Dauer der Arbeitsverhinderung von dem Risiko befreit sein.

II. Frankreich Die Antwort auf die Frage nach den Auswirkungen eines Verdachts einer Coronavirusinfektion auf Arbeits- und Vergütungspflicht unterlag in Frankreich in den Jahren 2020 und 2021 einer steten Weiterentwicklung. Aufgrund erheblicher Anpassungen zum Jahresbeginn 2021 bietet sich auch in diesem Punkt eine chronologische Betrachtung an. Für das Jahr 2022 wurde, wie oben bereits erörtert, die Fortgeltung der relevanten Sonderbestimmungen angeordnet.55 Wiederum wird zunächst das Schicksal der Arbeitspflicht, hieran anknüpfend sodann die Verteilung des Vergütungsrisikos untersucht. 1. Auswirkungen des Infektionsverdachts auf die Arbeitspflicht Die in Frankreich verfolgte Strategie Tester – Alerter – Protéger56 (Testen – Warnen – Schützen) baut zur Eindämmung der Pandemie insbesondere auf den verstärkten Einsatz von Coronatests und Kontaktnachverfolgung. In diesem Rahmen wurde die Krankenversicherung beauftragt, die Kontakte von Infizierten zu ermitteln und Betroffene zu kontaktieren.57 Kontaktpersonen stellen eine wichtige Gruppe der hier unter dem Oberbegriff der Infektionsverdächtigen zusammengefassten Personen dar. Ein Infektionsverdacht kann weiterhin insbesondere auf dem Auftreten 55

Art. 93 II 18 Loi n82021-1754 v. 23. 12. 2021; Art. 13 18 Loi n82021-1465 v. 10. 11. 2021. Siehe etwa Ministère des solidarités et de la santé, Pressemitteilung v. 8. 1. 2021; siehe auch Gouvernement français, Info Coronavirus Covid-19 – Tester – Alerter – Proteger, Stand: 10. 1. 2022. 57 Art. 1 Décret n82020-551 v. 12. 5. 2020 in der ursprünglichen Fassung; Art. 11 Loi n82020-546 v. 11. 5. 2020 in der ursprünglichen Fassung. 56

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einschlägiger Symptome sowie der Einreise aus Risikogebieten basieren. Wie schon im Hinblick auf die nachgewiesene Infektion festgestellt, existiert in Frankreich überwiegend keine Rechtspflicht zu Absonderung – dies gilt auch für den Fall des Infektionsverdachts. Eine Ausnahme stellt hierbei die Gruppe der Einreisenden aus Risikogebieten dar. a) Die Rechtslage im Jahr 2020 Auch infektionsverdächtige Arbeitnehmer, die den öffentlichen Empfehlungen zur Selbstisolation folgten, hatten im Jahr 2020 die Möglichkeit, ihre verdachtsbedingte Abwesenheit vom Arbeitsplatz gegenüber dem Arbeitgeber durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu rechtfertigen. Besonderheiten galten für Einreisende, die einer tatsächlichen Rechtspflicht zur Absonderung unterworfen wurden. aa) Arrêts de travail von Kontaktpersonen oder solchen, die Symptome aufweisen Im Hinblick auf Kontaktpersonen und solche, die Symptome der COVID-19Erkrankung aufweisen ist wiederum zwischen den sog. arrêts de travail dérogatoire, die auf Grundlage pandemiespezifischer Sonderregelungen ausgestellt wurden, und arrêts de travail maladie, die nach dem klassischen Regelungsregime für krankheitsbedingte Arbeitsausfälle ausgestellt wurden, zu differenzieren.58 Das Gesundheitsministerium unterschied zu Beginn der Pandemie zwischen kranken Personen, die mit COVID-19 infiziert oder dessen verdächtig sind (malade (infecté par le COVID-19 ou suspecté de l’être)) und asymptomatischen Kontaktpersonen von Infizierten (asymptomatique mais est considéré comme étant „cas contact étroit“).59 Die Gegenüberstellung der Merkmale „malade“ und „asymptomatique“ lässt vermuten, dass alle Personen mit Symptomen, wohl ungeachtet ihrer Stärke, als krank und aufgrund der Krankheit arbeitsunfähig angesehen wurden. Zugunsten dieser Personen sollte ein arrêt de travail maladie, d. h. dieselbe Bescheinigung, die Betroffene in anderen Krankheitsfällen auch erhalten würden, ausgestellt werden.60 Für Kontaktpersonen hingegen galten die Konditionen, die seinerzeit in Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 vorgesehen waren, mithin diejenigen des arrêt de travail

58

Siehe auch die Übersicht bei Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 163. Ministère des solidarités et de la santé, Délivrance et indemnisation des avis d’arrêt de travail dans le cadre du COVID-19, 20. 4. 2020, S. 4. 60 Ministère des solidarités et de la santé, Délivrance et indemnisation des avis d’arrêt de travail dans le cadre du COVID-19, 20. 4. 2020, S. 4 sieht vor, dass die Bescheinigung vom behandelnden Arzt ausgestellt werden sollte und ein Anspruch auf Krankengeld nach den üblichen Konditionen bestand. 59

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dérogatoire.61 Bestätigt wird diese Zuordnung wiederum durch eine später erfolgte Einschränkung des Anwendungsbereichs dieser Norm: Während Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in allen Fassungen bis zu derjenigen vom 16. 11. 2020 so formuliert war, dass jegliche Personen, die sich einer Maßnahme der Isolation ausgesetzt sahen – wozu, wenn Kontaktfälle erfasst sein sollten, auch die grundsätzlich freiwillige Isolation zählen muss – hierunter subsumiert werden konnten, erfasste die Norm in ihrer letzten gültigen Fassung neben zwei weiteren, hier nicht relevanten Fallgruppen lediglich isolierte Personen, die im Rahmen des contact tracing von der Krankenversicherung als Kontaktpersonen identifiziert wurden.62 Nur, wenn man eine lückenlose Kontaktnachverfolgung durch die Krankenversicherung unterstellt, sodass sämtliche Kontaktpersonen eine Bescheinigung über einen arrêt de travail dérogatoire erhalten konnten, und man zugleich der Linie des Gesundheitsministeriums folgt, nach der verdachtsbedingte Arbeitsausfälle aufgrund einschlägiger Symptome durch eine klassische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen Krankheit durch den Arzt abgedeckt werden konnten, führt die Einschränkung vom 16. 11. 2020 nicht zu Lücken im Infektionsschutz. Denn: Die Möglichkeit, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten, dürfte maßgeblich dafür gewesen sein, dass betroffene Arbeitnehmer den Isolationsempfehlungen Folge leisteten. (1) Modalitäten der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Die Ausstellung des arrêt de travail dérogatoire war in Art. 2 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in der jeweiligen Fassung geregelt: Nach der ursprünglichen Fassung wurde die Bescheinigung durch den Arzt der lokalen Gesundheitsbehörde ausge61 Ministère des solidarités et de la santé, Délivrance et indemnisation des avis d’arrêt de travail dans le cadre du COVID-19, 20. 4. 2020, S. 4 f.; hierzu sogleich Gliederungspunkt G. II. 2. a) aa). 62 Art. 1 II Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 i. d. F. v. 16. 11. 2020 schränkt die in vorherigen Fassungen verwendete Formulierung „l’assuré fait l’objet d’une mesure d’isolement“ (der Versicherte ist wird einer Isolationsmaßnahme unterzogen) durch den Zusatz „en tant que ,contact à risque de contamination‘ au sens du décret n82020-551 du 12 mai“ (als „kontaminationsgefährdeter Kontakt“ im Sinne des Décret n82020-551 vom 12. Mai 2020) ein. In Art. 1 II 28 des genannten Dekrets wird der Begriff der Kontaktperson definiert, nach II 38 derselben Norm bestimmt sich die Einordnung als Kontaktperson nach den Empfehlungen des Gesundheitsministeriums. Nach Art. 2 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 i. d. F. v. 16. 11. 2020 erhielten Kontaktpersonen ihre Bescheinigung der Isolation mittels eines Teleservice der Krankenversicherung. Dieser setzte allerdings den Nachweis voraus, dass der Betroffene durch die Krankenversicherung als Kontaktperson ermittelt wurde, siehe hierzu Assurance Maladie, Pressemitteilung v. 2. 10. 2020: „Avant de procéder au versement des indemnités journalières, l’Assurance Maladie vérifiera que l’assuré est bien connu en tant que cas contact à risque. En cas d’accord, une attestation d’isolement valant arrêt de travail dérogatoire lui sera adressée, qui pourra être présentée à l’employeur.“ (frei übersetzt: Vor der Überweisung des Krankentagegeldes überprüft die Krankenversicherung, dass der Versicherte als Kontaktperson bekannt ist. Ist das der Fall, wird eine Bescheinigung der Isolation ausgestellt, die eine Bescheinigung der Berechtigung des Arbeitsausfalls darstellt und dem Arbeitgeber vorgelegt werden kann).

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stellt; in der Fassung der Norm v. 10. 3. 2020 war vorgesehen, dass die Ausstellung durch die jeweilige Krankenkasse oder die beratenden Ärzte der nationalen Krankenkasse und des zentralen landwirtschaftlichen Sozialfonds erfolgte; in der Fassung v. 23. 4. 2020 wurde die Formulierung dahingehend abgeschwächt, dass die bereits zuvor genannten Stellen diese Bescheinigung ausstellen konnten; in der Fassung v. 16. 11. 2020 war vorgesehen, dass die Bescheinigung für die Betroffenen durch die Krankenversicherung nach Meldung in einem von der nationalen Krankenkasse oder dem landwirtschaftlichen Sozialfonds eingerichteten Teleservice ausgestellt wurde. Der Teleservice für Kontaktfälle wurde bereits am 3. 10. 2020 in Betrieb genommen.63 Insbesondere dieser Teleservice stand allerdings – und das zeigt, dass die Linie des Gesundheitsministeriums, nach der Personen, die Symptome zeigten oder nachweislich infiziert waren, die klassische Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit erhalten sollten, in der Praxis umgesetzt wurde – allein Kontaktpersonen offen, ausdrücklich aber nicht Personen, die Symptome zeigten oder nachweislich infiziert waren; diese sollten vielmehr eine Bescheinigung ihres Arztes erhalten.64 Sowohl für Infizierte als auch für Infektionsverdächtige und sonst von Isolationsmaßnahmen betroffene Arbeitnehmer konnte weiterhin der zuständige Betriebsarzt Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen.65 (2) Dauer und Verlängerung der Isolation Wie lange die Betroffenen sich isolieren sollten und – bei fehlender HomeofficeMöglichkeit – in der Folge ihre Arbeitsleistung ausblieb, variierte im Laufe des Jahres 2020. Zunächst waren sie gebeten – wenn auch nicht verpflichtet – sich für 14 Tage in Isolation zu begeben (sog. quatorzaine), im September 2020 wurde die Dauer indes infolge von Empfehlungen des Conseil Scientifique COVID-19 auf sieben Tage verkürzt.66 Für Kontaktpersonen wurde die Durchführung eines Coronatests am siebten Tag nach dem Kontakt zu einer infizierten Person empfohlen, bei positivem Ergebnis sollte die Isolation verlängert werden.67 Für die Bescheinigung der Berechtigung des Arbeitsausfalls während dieser Verlängerung scheint sodann wiederum der behandelnde Arzt oder aber der Be63

Assurance Maladie, Pressemitteilung v. 2. 10. 2020. Siehe etwa Caisse régionale Île-de-France, Mitteilung v. 12. 10. 2020: „Ce téléservice n’est pas ouvert: aux personnes présentant des symptômes du Covid-19 ou infectées par cette maladie, ces dernières relevant d’un arrêt de travail prescrit par un médecin (…)“ (frei übersetzt: Dieser Teleservice steht nicht für Personen offen, die Symptome von COVID-19 zeigen oder mit dieser Krankheit infiziert sind, diese benötigen eine Bescheinigung eines Arztes). 65 So geregelt in Art. 1 Décret n82020-549 v. 11. 5. 2020; Art. 2 Ordonnance n82020-386 v. 1. 4. 2020; auf Infizierte und Infektionsverdächtige beschränkt hingegen Art. 2 Ordonnance n82020-1502 v. 2. 12. 2020 in der ursprünglichen Fassung. 66 Siehe Conseil scientifique COVID-19, Avis n89, Strategie et modalités d’isolement, 3. 9. 2020, S. 2. 67 Conseil scientifique COVID-19, Avis n89, Strategie et modalités d’isolement, 3. 9. 2020, S. 2. 64

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triebsarzt68 zuständig gewesen zu sein. Jedenfalls der ab dem 3. 10. 2020 genutzte Teleservice für Kontaktpersonen, bei dem eine Bescheinigung zunächst für eine Arbeitsunterbrechung von sieben Tagen ausgestellt wurde, sah eine Verlängerung für bis zu sieben weitere Tage nur für den Fall vor, dass bei Ablauf des Isolationszeitraums noch kein Testergebnis vorlag; eine Verlängerung bei positivem Testergebnis war hingegen nicht vorgesehen.69 Grundsätzlich scheint es auch konsequent, bei späterer Verlängerung der Isolation wegen sodann nachgewiesener Coronavirusinfektion eine Zuständigkeit eines Arztes oder Betriebsarztes anzunehmen, schließlich ist der Verhinderungsgrund während der Verlängerung (die nachgewiesene Infektion) ein solcher, der unter das klassische Regime des arrêt de travail maladie gefasst wurde70. Hatte die Kontaktperson sich bereits vor der Information durch die Krankenversicherung selbständig isoliert, konnte auch die Rechtfertigung eines hierdurch bedingten Arbeitsausfalls für bis zu vier Tage rückwirkend bescheinigt werden.71 bb) Arbeitsverhinderung von Einreisenden aus Risikogebieten Gesondert zu betrachten ist die Personengruppe der Einreisenden aus Risikogebieten. Während für sonstige Verdachts- oder Krankheitsfälle keine rechtlich verbindliche Absonderungspflicht geregelt war – und nach den seinerzeitigen Vorgaben des Code de la santé publique auch nicht geregelt werden konnte –, konnte sie für Personen angeordnet werden, die in das französische Staatsgebiet einreisten und sich im vorangehenden Monat in einem Risikogebiet aufgehalten hatten.72 Dies erfolgte 68 Nach Art. 2 Ordonnance n82020-386 v. 1. 4. 2020 kann der Betriebsarzt die Verschreibung des Arbeitsausfalls nicht nur ausstellen, sondern auch verlängern, ebenso Art. 2 Ordonnance n82020-1502 v. 2. 12. 2020 in der ursprünglichen Fassung 69 Assurance Maladie, Pressemitteilung v. 2. 10. 2020: „Après avoir effectué sa demande sur declare.ameli.fr, l’assuré pourra bénéficier d’un arrêt de 7 jours débutant à la date à laquelle l’Assurance Maladie l’a contacté pour l’inviter à s’isoler et à réaliser un test, après un contact à risque avec une personne testée positive au coronavirus. (…) Dans l’hypothèse où les résultats de test ne seraient pas encore connus à la fin de l’arrêt initial, l’assuré pourra demander une prolongation de celui-ci dans la limite de 7 jours supplémentaires.“ (frei übersetzt: Nachdem eine Anfrage über declare-ameli.fr getätigt wurde, profitiert der Versicherte von einer Bescheinigung der Leistungsunfähigkeit für sieben Tage, beginnend ab dem Tag, an dem die Krankenversicherung ihn wegen eines Risikokontakts zu einer positiv auf das Coronavirus getesteten Person kontaktiert und zur Isolation sowie zur Durchführung eines Test aufgefordert hat. (…) In dem Fall, dass die Testergebnisse bei Ablauf des ursprünglichen Zeitraums der Arbeitsverhinderung nicht vorliegen, kann der Versicherte eine Verlängerung der Bescheinigung für maximal sieben zusätzliche Tage beantragen). 70 Siehe bereits Gliederungspunkt F. II. 1. b). 71 Siehe Assurance Maladie, Pressemitteilung v. 2. 10. 2020. 72 Art. 3131-15 II Code de la santé publique: „Les mesures (…) ayant pour objet la mise en quarantaine, le placement et le maintien en isolement ne peuvent viser que les personnes qui, ayant séjourné au cours du mois précédent dans une zone de circulation de l’infection, entrent sur le territoire hexagonal, arrivent en Corse ou dans l’une des collectivités mentionnées à l’article 72-3 de la Constitution.“ (Etwa: Die Maßnahmen (…), die die Anordnung einer

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durch den örtlich zuständigen Präfekten, zunächst nach dessen Ermessen für Personen, die in ein französisches Überseegebiet einreisten oder Symptome einer COVID-19-Erkrankung aufwiesen.73 Später wurde die Regelung präzisiert: Die Anordnung einer Isolation erfolgte dann für Einreisende, sofern sie Symptome einer COVID-19-Erkrankung aufwiesen und konnte erfolgen, wenn kein negatives Ergebnis eines Coronatests, der höchstens 72 Stunden vor der Abreise durchgeführt wurde, vorgelegt werden konnte; weiterhin für Personen, die aus Frankreich in die französischen Überseegebiete einreisten.74 Die Möglichkeit der Anordnung einer Absonderung bei Nichtvorlage eines Testergebnisses knüpfte an die Vorgabe einer Testpflicht für Schiffs- und Flugreisende aus näher bestimmten Staaten an.75 In Reaktion auf das Auftreten neuer, hochansteckender Virusmutationen im Dezember 2020 verschärfte die Regierung die entsprechenden Vorschriften, insbesondere indem die Anforderungen an die zu verwendenden Tests erhöht wurden.76 Sofern eine Absonderung aufgrund entsprechender Symptomatik oder fehlenden negativen Coronatests für erforderlich gehalten und rechtlich verbindlich angeordnet wurde, führte dies – vorbehaltlich einer Beschäftigungsmöglichkeit im Homeoffice – zur Suspendierung des Arbeitsvertrags und damit zum Fortfall der Arbeitspflicht.77 Eine besondere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, wie sie Kontaktpersonen und aufgrund ihrer Symptomatik Infektionsverdächtige erhalten konnten, war für Einreisende aus Risikogebieten jedenfalls ab dem 16. 11. 2020 nicht mehr vorgesehen – mit der Einschränkung auf Kontaktpersonen fielen sie mit diesem Zeitpunkt aus dem Anwendungsbereich des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 heraus.78 Unter die Quarantäne oder Isolierung zum Gegenstand haben, können sich nur an Personen richten, die sich im vorangehenden Monat in einem Risikogebiet aufgehalten haben und in das Staatsgebiet einreisen). 73 Art. 24 Décret n82020-663 v. 31. 5. 2020. 74 Art. 24 Décret n82020-1262 v. 16. 10. 2020; Art. 24 Décret n82020-1310 v. 29. 10. 2020 in allen Fassungen, in der Fassung v. 20. 12. 2020 traten weiterhin Einschränkungen für Personen, die aus Skigebieten einreisten, hinzu. Nach einer früheren Regelung stand die Anordnung auch bei fehlendem Test nicht im Ermessen des Präfekten, siehe Art. 24 II 18 b) Décret n82020-860 v. 10. 7. 2020, bereits in der Version, die ab dem 18. 7. 2020 galt, war jedoch die Ermessenregelung vorgesehen. 75 Siehe Art. 6 V, 11 II Décret n82020-1310 v. 29. 10. 2020 in allen im Jahr 2020 geltenden Fassungen. 76 Siehe Art. 2 Décret n82020-1668 v. 23. 12. 2020. 77 Oben wurde bereits eine Parallele zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung bei Inhaftierung des Arbeitnehmers gezogen, die auch hier greift, siehe Gliederungspunkt E. II. 2. a) dd) (1). 78 Zu sehen ist zwar, dass die Sonderregelungen über den arrêt de travail dérogatoire in Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2021 mit Blick auf die Anspruchsberechtigung zu Leistungen der Krankenversicherung formuliert sind, d. h. aus der Perspektive des Vergütungsrisikos, nicht der Arbeitspflicht. Soweit allerdings die dort vorgesehenen, erweiterten Möglichkeiten der Verschreibung von Arbeitsniederlegungen nicht greifen, sind solche nur für den Fall der Krankheit vorgesehen, die aber, die oben zitierte Linie des Gesundheitsministeriums zugrunde legend, nicht vorliegt, wenn der Arbeitnehmer weder Symptome der COVID-19-Erkrankung zeigt noch nachweislich infiziert ist.

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vorherigen Fassungen der Norm, die allein an die Isolation bzw. Quarantäne anknüpften, hätten Personen, die einer Isolationsanordnung oder -empfehlung folgten, noch subsumiert werden können.79 b) Die Rechtslage in den Jahren 2021 und 2022 Kompakter lässt sich die Rechtslage in den Jahren 2021 und 2022 darstellen. Kontaktpersonen sowie Symptome der COVID-19-Erkrankung aufweisende Personen fallen ebenso wie nachweislich Infizierte in den Anwendungsbereich des Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in allen Fassungen und können daher nach Art. 2 desselben Dekrets eine Bescheinigung ihrer Arbeitsunfähigkeit erhalten – insoweit kann vollumfänglich nach oben verwiesen werden.80 Für Personen, die Symptome der COVID-19-Erkrankung aufweisen, gilt dies allerdings nur unter der Kondition, dass sie innerhalb von zwei Tagen nach Beginn des Arbeitsausfalls einen Coronatest durchführen lassen und nur bis zum Erhalt des Testergebnisses.81 Ist dieses positiv, fallen Betroffene aber gleichwohl in den Anwendungsbereich derselben Norm, siehe hierzu bereits Gliederungspunkt F. II. 1. a). Bei negativem Test trotz einschlägiger Symptome wurde hingegen empfohlen, den behandelnden Arzt zu kontaktieren82 – dieser kann sodann wohl eine klassische Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit ausstellen. Die Gruppe der Einreisenden aus Risikogebieten weist demgegenüber wiederum Besonderheiten auf. Die Vorgaben für Einreisende wurden im Laufe des Jahres 2021 mehrfach angepasst, hier sollen der Übersichtlichkeit halber nur die wichtigsten Eckpunkte im Hinblick auf das französische Festland ohne die Überseegebiete dargestellt werden. An der Möglichkeit der Anordnung einer Quarantäne von Einreisenden durch den örtlich zuständigen Präfekten, wie sie oben geschildert wurde, wurde auch im Jahr 2021 festgehalten.83 Ende April 2021 wurde auch die Anordnung der Quarantäne oder Isolation von Einreisenden aus Risikogebieten oder Virusvariantengebieten, die durch Erlass des Gesundheitsministers festgelegt werden konnten, vorgesehen.84 Weiterhin waren insbesondere Schiffs- und Flugreisende aus näher bestimmten Risikogebieten ab dem 18. 1. 2021 vorübergehend verpflichtet, 79

So auch Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 52. Siehe Gliederungspunkt F. II. 1. a). 81 Art. 1 I Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in allen Fassungen. 82 Siehe Informationen des Ministère des solidarités et de la santé, J’ai les signes de la maladie du COVID-19 (frei übersetzt: Ich habe Symptome der COVID-19-Erkrankung), Ziffer 2: „Si mon test est négatif, j’appelle mon médecin et je respecte ses consignes.“ (frei übersetzt: Wenn mein Test negativ ist, rufe ich meinen Arzt an und befolge seinen Rat). 83 Siehe jeweils Art. 24 II Décret n82020.1310 v. 29. 10. 2020 und Art. 24 II Décret n82021.699 v. 1. 6. 2021 in allen im Jahr 2021 geltenden Fassungen. 84 Art. 24 II 28 b) Décret n82020.1310 v. 29. 10. 2020 i. d. F. v. 24. 4. 2021; ebenso fortgesetzt in Art. 24 II 28 b) Décret n82021.699 v. 1. 6. 2021 in der ursprünglichen Fassung und der Fassung vom 9. 6. 2021. 80

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unter anderem eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, sich für sieben Tage in prophylaktische Absonderung zu begeben.85 Im Juni 2021 wurde ein System eingeführt, das Reiseregionen innerhalb eines Ampelsystems klassifizierte und je nach Zuordnung Maßnahmen für Reisende vorsah: Während Einreisende nach Frankreich aus einer ausländischen, grünen Zone lediglich ein negatives Testergebnis oder einen Impfnachweis vorlegen mussten, hatten Einreisende aus orangen Zonen sowohl Test- als auch Impfnachweis vorzulegen.86 Sofern Personen, die aus orangen Zonen einreisen wollten, ungeimpft waren, war die Einreise nur bei zwingenden persönlichen, dringenden gesundheitlichen oder unaufschiebbaren beruflichen Gründen zulässig, in diesem Fall musste indes zusätzlich u. a. eine eidesstattliche Versicherung der siebentägigen Selbstisolation mit anschließendem Test vorgelegt werden.87 Einreisende aus roten Zonen unterlagen strengeren Voraussetzungen, auch sie mussten aber u. a. sofern sie geimpft waren, eine entsprechende eidesstattliche Versicherung vorlegen können, bei fehlender Impfung war die Anordnung einer Quarantäne oder Isolation durch den zuständigen Präfekten vorgesehen.88 Diese Vorgaben wurden im weiteren Laufe des Jahres mehrfach angepasst.89 Die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Selbstisolation war etwa in der letzten im Jahr 2021 geltenden Fassung des Art. 23-1 II, III Décret n82021-699 v. 1. 6. 2021 nur noch für Einreisende aus orangen Zonen vorgesehen, die nicht geimpft waren. Nach der Fassung der Norm vom 11. 2. 2022 ist auch für diese Personen keine vorsorgliche Isolation mehr vorgesehen. Zuwiderhandlungen gegen eidesstattliche Versicherungen können strafrechtliche Konsequenzen haben90, sodass die hieraus folgende Pflicht zur Selbstisolation in den Auswirkungen auf die Arbeitspflicht wohl derjenigen Isolation, die hoheitlich angeordnet wird, gleichgesetzt werden kann – die Arbeitspflicht entfällt, soweit nicht eine Tätigkeit im Homeoffice in Betracht kommt. c) Zwischenergebnis Personen, die aufgrund eines Kontakts zu Infizierten einem Infektionsverdacht unterliegen, fallen in den Anwendungsbereich der pandemiebedingten Sonderregelungen, welche die Ausstellung besonderer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen 85

Siehe Art. 6 VI 48, 11 III 48 Décret n82020-1310 v. 29. 10. 2020 i. d. F. v. 15. 1. 2021. Art. 23-1 I, II Décret n82021-699 v. 1. 6. 2021 i. d. F. v. 7. 6. 2021. 87 Art. 23-1 II 28 Décret n82021-699 v. 1. 6. 2021 i. d. F. v. 7. 6. 2021. 88 Art. 23-1 III Décret n82021-699 v. 1. 6. 2021 i. d. F. v. 7. 6. 2021. 89 Die Darstellung sämtlicher Änderungen würde den hier gegebenen Rahmen überschreiten. Eine Änderungsübersicht zur zentralen Regelung des Art. 23-1 Décret n82021-699 v. 1. 6. 2021 findet sich unter https://www.legifrance.gouv.fr/loda/id/LEGIARTI000044508883/2 021-12-18/#LEGIARTI000044508883 (letzter Abruf: 19. 5.2022) unter dem Reiter „Versions“. 90 Siehe Art. 441-7 Code pénal. 86

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erlaubt. Diese führen zur Suspendierung des Arbeitsvertrags und damit der Arbeitspflicht. Personen, die wegen einschlägiger Symptome infektionsverdächtig sind, sich in Quarantäne begeben und so ihrer Tätigkeit nicht nachgehen können, unterfallen hingegen erst seit dem 10. 1. 2021 diesen Sonderregelungen, in der vorangehenden Zeit wurden sie – wohl ungeachtet der Symptomstärke – als wegen Krankheit arbeitsunfähig behandelt. Auch sie konnten gleichwohl durchgehend eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten, zunächst eine solche im klassischen Sinne, seit Anfang 2021 dann ebenso wie Kontaktpersonen eine solche auf Basis des Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der jeweiligen Fassung. Letzteres gilt unter der Einschränkung, dass innerhalb von zwei Tagen nach Beginn des Arbeitsausfalls ein Coronatest durchgeführt wird und nur bis zum Erhalt des Testergebnisses. Bei negativem Test trotz entsprechender Symptomatik soll ein Arzt hinzugezogen werden – dieser kann dann wohl wiederum eine klassische Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen. Gegenüber diesen Personen, deren absonderungsbedingter Arbeitsausfall auf der freiwilligen Befolgung der dahingehenden, öffentlichen Empfehlungen beruht, können sich Personen, die aufgrund einer Einreise aus einem Risikogebiet infektionsverdächtig sind, einer hoheitlichen Anordnung der Absonderung durch den örtlich zuständigen Präfekten ausgesetzt sehen. Im Jahr 2021 wurde darüber hinaus z. T. eine Verpflichtung vorgesehen, eidesstattlich zu versichern, eine siebentätige Selbstabsonderung nach der Einreise einzuhalten. In beiden Fällen ist die Arbeitspflicht des betroffenen Arbeitnehmers suspendiert, wenn nicht eine Leistung im Homeoffice möglich ist. 2. Das Vergütungsrisiko bei infektionsverdachtsbedingtem Arbeitsausfall Angesichts der bereits im Hinblick auf den infizierten Arbeitnehmer gemachten Ausführungen, können diejenigen zur Verteilung des Vergütungsrisikos bei infektionsverdachtsbedingtem Arbeitsausfall vergleichsweise kurz gehalten werden. Zu erörtern bleiben hier insbesondere die Details der pandemiespezifischen Sonderkonditionen für den Fall des arrêt de travail dérogatoire im Jahr 2020. Weiterhin sind die Folgen einer späteren Bestätigung des Infektionsverdachts oder eines späteren Auftretens von Symptomen zu untersuchen. Gesondert zu betrachten ist darüber hinaus das Vergütungsrisiko von Personen, die sich aufgrund der Einreise aus einem Risikogebiet isolieren und ihrer Tätigkeit vorübergehend nicht nachgehen. a) Die Rechtslage im Jahr 2020 Aufgrund der unterschiedlichen Zuordnung der einzelnen Fallgruppen zum Anwendungsbereich des Sonderregimes nach Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in der jeweiligen Fassung auf der einen und den klassischen Regelungen für den krankheitsbedingten Arbeitsausfall auf der anderen Seite, ist für das Jahr 2020 eine getrennte Betrachtung der Situation von Kontaktpersonen, symptomatisch Infekti-

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onsverdächtigen sowie später nachweislich Infizierten und Einreisenden aus Risikogebieten geboten. aa) Das Vergütungsrisiko im Fall von Kontaktpersonen Kontaktpersonen eines nachweislich Infizierten bildeten wohl mit den Hauptanwendungsfall des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in der jeweiligen Fassung91, ab dem 16. 11. 2020 war der Anwendungsbereich dieser Sonderregel wie gesehen auf diese Kontaktpersonen, soweit sie von der Krankenversicherung im Rahmen des contact tracing als solche identifiziert wurden, und zwei weitere, hier nicht weiter zu erörternde Fallgruppen beschränkt. (1) Erleichterungen im Hinblick auf Leistungen der Krankenversicherung Soweit Personen ein arrêt de travail dérogatoire verschrieben wurde, sollten sie insbesondere durch das üblicherweise im Krankheitsfall gezahlte Krankentagegeld der Krankenversicherung finanziell abgesichert sein – die Anspruchsberechtigung hierzu war in Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in der jeweiligen Fassung geregelt. Schon seit der ersten Fassung der Norm galten Erleichterungen für die Betroffenen hinsichtlich der Karenzzeit nach Art. L.323-1 Code de la sécurité sociale – diese war ausgesetzt – und der Zugangsvoraussetzungen insbesondere nach Art. L.313-1 Code de la sécurité sociale, die nicht erfüllt sein mussten; der Anspruch auf Krankengeld war dabei auf eine Gesamtdauer von 20 Tagen begrenzt.92 Diese Konditionen galten bis zu einer Änderung der Norm im April 2020, fortan bestand der Anspruch für die Dauer der jeweiligen Isolationsmaßnahme.93 Im Juli 2020 wurde zusätzlich vorgesehen, dass die Dauer der Inanspruchnahme des Krankentagegeldes infolge der pandemiebedingten Arbeitsverhinderung nicht bei der Berechnung der Höchstdauer nach Art. L.323-1 18, 28 Code de la sécurité sociale zu berücksichtigen war.94 Weiterhin wurde die Geltungsdauer dieser Sonderkonditionen auf einen Zeitraum bis drei Monate nach Ende des gesundheitlichen Notstandes festgelegt95 – ihre Geltung endete damit am 10. 10. 202096. Erst am 16. 11. 2020 trat 91 Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 163 nennen sie neben Einreisenden aus Risikogebieten; ebenso Morvan, JCP E 2020, 1168, der zusätzlich noch Personen nennt, die aufgrund von Kinderbetreuung an der Arbeit gehindert sind. 92 Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in der ursprünglichen Fassung. 93 Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 i. d. F. v. 23. 4. 2021. 94 Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 i. d. F. v. 11. 7. 2021. 95 Art. 3 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 i. d. F. v. 11. 7. 2021. Zunächst sollten die Sonderkonditionen für den Erhalt des Krankentagegeldes nur für zwei Monate gelten, siehe Art. 3 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in der ursprünglichen Fassung, die Geltungsdauer wurde dann schrittweise erst bis zum 30. 4. 2020 (siehe Fassung v. 10. 3. 2020), dann bis zum 31. 5. 2020 (siehe Fassung v. 20. 3. 2020) und sodann bis zu einem Zeitpunkt drei Monate nach Ende des ersten Notstandes (bereits in der Fassung v. 29. 5. 2020 und auch v. 11. 7. 2020) verlängert. 96 Der erste Notstand endete mit Ablauf des 10. 7. 2020, siehe Art. 1 I Loi n82020-546 v. 11. 5. 2020, der sich hieran anschließende Dreimonatszeitraum mithin am 10. 10. 2020.

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eine Neufassung des Décrets n82020-73 v. 31. 1. 2020 in Kraft, die dann dieselben Erleichterungen hinsichtlich Karenzzeit, Zugangsvoraussetzungen und Berücksichtigung der Ausfallzeiten mit einer Geltungsdauer bis zum 31. 12. 2020 vorsah, allerdings mit der genannten Begrenzung auf bestimmte Gründe für den Arbeitsausfall, einschließlich der Isolation wegen Ermittlung als Kontaktperson durch die Krankenversicherung.97 In der Zeit zwischen dem Ende der Gültigkeit der Regelung am 10. 10. 2020 und ihrem erneuten Inkrafttreten am 16. 11. 2020 wendete die Krankenversicherung jedenfalls die Karenzzeit des Art. L.323-1 Code de la sécurité sociale ohne gesetzliche Grundlage weiterhin nicht an.98 Personen, die sich ohne Kontaktierung durch die Krankenversicherung isolierten, waren nach dem Wortlaut der Norm vom 16. 11. 2020 nicht mehr anspruchsberechtigt – da sie bei ausbleibenden Symptomen auch nicht krank waren, drohte hier eine Schutzlücke in der finanziellen Absicherung, wenn nicht eine lückenlose Kontaktnachverfolgung seitens der Krankenversicherung stattfand. Eine Ausnahme galt in der Praxis für den Fall der nachträglichen Ermittlung durch die Krankenversicherung: Wer sich bereits vor einer entsprechenden Benachrichtigung isolierte, konnte eine für maximal vier Tage rückwirkende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten.99 (2) Erleichterungen im Hinblick auf Arbeitgeberleistungen Der Zugang zu den ergänzenden Leistungen des Arbeitgebers wurde ebenfalls vereinfacht100: So wurde ab März und für den Rest des Jahres die insoweit geltende siebentägige Karenzzeit ausgesetzt101 und auf die Voraussetzung der einjährigen Betriebszugehörigkeit verzichtet102. Weder die 48-Stunden-Frist zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit nach Art. L.1226-1 18 Code du travail musste eingehalten werden, noch galt die Beschränkung hinsichtlich des Behandlungsortes nach Art. L.1226-1 38 Code du travail.103 Wie auch für tatsächlich Erkrankte wurde der persönliche Anwendungsbereich der Arbeitgeberleistungen erweitert.104 Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit aus den vergangenen 12 Monaten konnten sich außerdem auf die Höhe der Zahlungen nicht auswirken, der Zeitraum der pandemiebedingten 97

Art. 1, 3 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 i. d. F. v. 16. 11. 2020. Siehe hierzu etwa Editions Legislatives, Cas contact: l’Assurance maladie continue de ne pas appliquer de délai de carence, Bericht v. 8. 11. 2020. 99 Siehe Assurance Maladie, Pressemitteilung v. 2. 10. 2020. 100 Siehe auch hier die Übersicht bei Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 163. 101 Zunächst durch Art. 1 Décret n82020-193 v. 4. 3. 2020 (außer Kraft gesetzt am 17. 4. 2020); später durch Art. 1 18 Décret n82020-434 v. 16. 4. 2020; siehe auch Pagnerre, Droit Social 2020, 672 (677). 102 Art. 1 18 Ordonannce n82020-322 v. 25. 3. 2020 i. d. F. v. 17. 4. 2020 (ursprünglich nur vorgesehen bis zum 31. 8. 2020, siehe Fassung v. 26. 3. 2020); Marié, Droit Social 2020, 683 (684). 103 Art. 1 18 Ordonannce n82020-322 v. 25. 3. 2020 in allen Fassungen. 104 Art. 1 18 Ordonannce n82020-322 v. 25. 3. 2020 in allen Fassungen. 98

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Arbeitsunfähigkeit wurde bei der Berechnung des Gesamtzeitraums der Anspruchsberechtigung nach Art. D.1226-4 Code du travail außer Betracht gelassen.105 Weiterhin profitierten die Personen, die einen arrêt de travail dérogatoire erhielten, für den Zeitraum vom 12. 3. 2020 bis zum 30. 4. 2020 davon, dass die gesetzlichen Arbeitgeberleistungen für den gesamten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit auf 90 % des Gehalts, abzüglich der Leistungen der Krankenversicherung, festgeschrieben wurde.106 Dies wirkte sich allerdings insbesondere auf längerfristige, pandemiebedingte Arbeitsausfälle aus, da die Leistungen des Arbeitgebers auch unter gewöhnlichen Umständen erst ab einer Verhinderungsdauer von mindestens 30 bis maximal 90 Tagen auf zwei Drittel des Bruttogehalts gekürzt werden.107 Die Vorschrift zielte damit insbesondere auf Personen ab, die seit Beginn des damaligen Lockdowns an der Arbeitsleistung verhindert waren108, etwa die seinerzeit noch unter Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 fallenden Eltern betreuungspflichtiger Kinder oder Risikopersonen. Für Kontaktpersonen dürfte sich ihre Bedeutung in Grenzen halten. Zweifellos lässt sich feststellen: Im Laufe des Jahres 2020 galten nicht unerhebliche Erleichterungen zugunsten von Kontaktpersonen im Hinblick auf die Leistungen der Krankenversicherung und des Arbeitgebers, die üblicherweise krankheitsbedingt Arbeitsunfähigen zugutekommen, im Lichte der Pandemie allerdings auch für diese Personengruppe geöffnet wurden. Angesichts der Freiwilligkeit der Isolation im Falle eines Infektionsverdachts im Jahr 2020 dürfte dies nicht zuletzt als Anreiz zur Befolgung der öffentlichen Infektionsschutzempfehlungen gedient haben. bb) Das Vergütungsrisiko bei symptombedingtem Infektionsverdacht und die Auswirkungen nachträglich auftretender Symptome oder Bestätigung der Infektion Demgegenüber erhielten Personen, die aufgrund einschlägiger Symptome infektionsverdächtig waren, eine klassische Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit und damit Leistungen von Krankenversicherung und Arbeitgeber zu den Konditionen, die bereits im Hinblick auf den nachweislich Infizierten geschildert wurden109. Diese unterschiedliche Behandlung von Kontaktpersonen sowie wegen ihrer Symptome Infektionsverdächtigen und Infizierten wirft Fragen auf – insbesondere dahingehend, wie sich eine Veränderung der Umstände, namentlich ein späteres Auftreten von Symptomen oder eine nachträgliche Bestätigung der Infektion bei Kontaktpersonen auswirkt. Problematisch ist dies sogar in mehrfacher Hinsicht, zum 105 106 107 108 109

Art. 1 28 Décret n82020-434 v. 16. 4. 2020. Art. 2 Décret n82020-434 v. 16. 4. 2020. Siehe Art. D.1226-1, D.1226-2 Code du travail. Vgl. Marié, Droit Social 2020, 683 (684 f.). Siehe Gliederungspunkt F. II. 2. a) aa) und b) aa).

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einen unter dem Gesichtspunkt der Konkurrenz mehrerer Verhinderungsgründe, zum anderen mit Blick auf eine mögliche Verlängerung der Arbeitsverhinderung. Soweit ersichtlich ist dies in Literatur und Rechtsprechung allerdings nicht untersucht worden.110 Gerade für den hiesigen Rechtsvergleich ist es die Problematik jedoch wert, erörtert zu werden – hier daher ein Versuch der Einordung. (1) Das Zusammentreffen mehrerer Verhinderungsgründe als (Arbeits-)Rechtsproblem Wie oben bereits angedeutet ist das Zusammentreffen mehrerer Verhinderungsgründe, die jeweils eine Suspendierung des Arbeitsvertrags bewirken, im französischen Arbeitsrecht durchaus ein bekanntes Rechtsproblem. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass unterschiedliche Suspendierungsgründe zu unterschiedlichen Folgen insbesondere für das Vergütungsrisiko führen. Welche Regeln bei einem Zusammentreffen nun gelten sollen, ist umstritten: Während die Rechtsprechung zu einer chronologischen Betrachtungsweise, nach welcher der zuerst eingetretene Verhinderungsgrund maßgeblich ist, tendiert111, hiervon aber zuweilen auch bereits abgewichen ist112, erfährt dies in der Literatur Kritik113. Alternativ wird vorgeschlagen, die Rechtsfolgen beider Suspendierungsgründe parallel anzuwenden oder, soweit dies nicht möglich ist, diejenigen, die für den Arbeitnehmer am günstigsten sind.114 Da der Fokus bei der Auflösung der Konkurrenz darauf liegt, das anwendbare Regelungsregime zu bestimmen, hat die Frage keine Relevanz, wenn zwar mehrere Verhinderungsgründe bestehen, diese aber in den Anwendungsbereich derselben Norm fallen und so dieselben Rechtsfolgen nach sich ziehen.115 Im Hinblick auf eine wegen eines Risikokontakts infektionsverdächtige Person, bei der nachträglich Symptome der COVID-19-Erkrankung auftreten, ist das aber für die Rechtslage im Jahr 2020 aufgrund der divergierenden Zuordnung zu den Regelungen des arrêt de 110 Den Fall des Zusammentreffens mehrerer Verhinderungsgründe im Kontext der Coronapandemie und die Möglichkeit einer Auflösung anhand einer chronologischen Betrachtung diskutiert zwar Fabre, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 139 (141 f.), allerdings insbesondere im Hinblick auf Kurzarbeit und Urlaubstage. 111 Siehe etwa Cass. Soc. v. 17. 6. 1982, n880-40.973, Bull. Civ., V, n8405; v. 1. 3. 1972, n871-40.257, Bull. Civ., V, n8162; v. 7. 10. 1970, n869-40.439, Dr. Soc. 1971, 138. 112 So etwa in Cass. Soc. v. 21. 5. 2008, n806-41.498, Bull. Civ., V, n8111; v. 11. 2. 2004, n801-43.574, Bull. Civ., V, n847. 113 Siehe etwa Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 359; Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 221 f.; Pélissier, in: Études de droit du travail, offertes à André Brun, S. 427 (447). 114 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 359; Pélissier, in: Études de droit du travail, offertes à André Brun, S. 427 (447); dies nur als letzte Möglichkeit, sofern nicht ohnehin ein Grund den anderen ausschließt, befürwortend Béraud, La suspension du contrat de travail, 1980, S. 230. 115 So liegt es etwa nach der Rechtslage im Jahr 2021 bei Kontaktpersonen, die später positiv getestet werden, siehe hierzu sogleich Gliederungspunkt G. II. 2. b).

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travail maladie bzw. dérogatoire nicht der Fall.116 Allerdings führt hier sowohl die chronologische Betrachtungsweise, als auch diejenige nach dem Günstigkeitsprinzip zugunsten des Arbeitnehmers dazu, dass die Regelungen des arrêt de travail dérogatoire für dessen Dauer Anwendung finden.117 Für das Günstigkeitsprinzip dürfte in diesem Kontext allerdings zusätzlich sprechen, dass das Sonderregime des Art. 1 Décret n82020-83 v. 31. 1. 2020 in Anwendung des Art. L.16-10-1 Code de la sécurité sociale erlassen wurde, der im Falle der Epidemie gerade eine Verstärkung des sozialen Schutzes vorsieht.118 (2) Die Verlängerung der Arbeitsverhinderung bei Symptomeintritt oder Bestätigung der Infektion Der ursprüngliche arrêt de travail dérogatoire aufgrund des Status als Kontaktperson wird jedoch – abhängig von den derzeitigen Empfehlungen zur Isolationsdauer – regelmäßig nur für einige Tage verschrieben worden sein. Mit seinem Ende stellt sich die Frage nach den anwendbaren Regelungen, wenn die Arbeit wegen einschlägiger Symptome oder nachträglich bestätigter Infektion nicht wieder aufgenommen werden kann. Wie oben bereits ausgeführt bestehen Anhaltspunkte für die Annahme, dass es sich bei der Verlängerung einer zugunsten einer Kontaktperson verschriebenen Arbeitsniederlegung aufgrund eines positiven Coronatests nach der Rechtslage im Jahr 2020 sodann um einen klassischen arrêt de travail maladie handelte.119 Selbiges müsste dann gelten, wenn die Absonderung aufgrund einschlägiger Symptome nicht beendet werden sollte. Allerdings waren für die klassische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen Krankheit insbesondere die Karenzzeiten im Jahr 2020 sowohl für das Krankenta116

Bei späterem Nachweis der Infektion fällt hingegen grundsätzlich der Infektionsverdacht als erster Verhinderungsgrund mit seiner Bestätigung weg. 117 Anders hingegen, wenn eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit schon vor der Identifikation als Kontaktperson bestand – die chronologische Betrachtungsweise würde hier anders als die für den Arbeitnehmer günstigste Betrachtung zur Fortgeltung der Konditionen für die klassische Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit führen. 118 Siehe Art. L.16-10-1 Code de la sécurité sociale: „Lorsque la protection de la santé publique le justifie, en cas de risque sanitaire grave et exceptionnel, notamment d’épidémie, nécessitant l’adoption en urgence de règles de prise en charge renforcée des frais de santé ainsi que des règles relatives à l’amélioration des conditions pour le bénéfice des prestations en espèce, dérogatoires au droit commun, celles-ci peuvent être prévues par décret, pour une durée limitée qui ne peut excéder une année.“ (frei übersetzt: Wenn der Schutz der öffentlichen Gesundheit es rechtfertigt, können im Falle einer schwerwiegenden und außergewöhnlichen Gesundheitsgefahr, insbesondere einer Epidemie, die die dringende Verabschiedung von Regeln für eine verstärkte Übernahme der Gesundheitskosten sowie von Regeln zur Verbesserung der Bedingungen für den Bezug von Geldleistungen erfordert, die vom allgemeinen Recht abweichen, diese per Dekret für einen begrenzten Zeitraum, der ein Jahr nicht überschreiten darf, vorgesehen werden). 119 Siehe bereits Gliederungspunkt G. II. 2. a) bb) (2).

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gegeld als auch für die Arbeitgeberleistungen – anders als für die Bescheinigungen aufgrund der pandemiespezifischen Sonderregelungen – nur zeitweise ausgesetzt; weiterhin galten höhere Anforderungen an die Anspruchsberechtigung. Fraglich ist schon im Hinblick auf die Karenzzeiten, ob die Verlängerung der Absonderung im Wege der Verschreibung eines arrêt de travail maladie sodann dazu führen musste, dass der Betroffene zunächst für drei Karenztage keine Leistungen der Krankenversicherung, für sieben Tage keine ergänzenden Leistungen des Arbeitgebers erhielt. Das ist wohl nicht der Fall. Zwar führen sukzessive, krankheitsbedingte Arbeitsverhinderungen grundsätzlich jeweils zur Anwendung der Karenzzeit.120 Hiervon abweichend können die Krankenkassen von der Anwendung der Karenzzeit jedoch absehen, wenn die Arbeitsunfähigkeit sich verlängert und die Arbeit zwischen zwei Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit für weniger als 48 Stunden wieder aufgenommen wird.121 Im Falle der unmittelbaren Verlängerung der Arbeitsunterbrechung wegen Krankheit, d. h. ohne zwischenzeitliche Wiederaufnahme der Arbeit, erfolgen die Leistungen an den Arbeitnehmer ohne Unterbrechung.122 Ob dieselben Regeln auch für die siebentägige Wartezeit für Leistungen des Arbeitgebers gelten, kann an dieser Stelle nur vermutet werden – spezifische Vorgaben hierzu sind nicht ersichtlich. Im Hinblick auf Personen, die außerhalb des Anwendungsbereichs der Regelungen, die spezifisch für pandemiebedingte Arbeitsausfälle gelten, nicht zu Leistungen der Krankenversicherung oder des Arbeitgebers berechtigt sind, etwa weil sie die Zugangsvoraussetzungen des Art. L.313-1 Code de la sécurité sociale nicht erfüllen, ist das Problem allerdings nicht so leicht zu lösen. Mangels einschlägiger, gesetzlicher Regulierung drohten hier u. U. Schutzlücken, die eine Schwächung des Infektionsschutzes bedeuten würden, wenn die Betroffenen sich angesichts des zeitweisen Verlusts ihres Lebensunterhalts veranlasst sähen, trotz bestätigter Coronavirusinfektion oder einschlägiger Symptome ihren Arbeitsplatz aufzusuchen. Das Ziel des Infektionsschutzes im Blick ist diese Lösung kaum haltbar. Die fehlende wissenschaftliche Aufarbeitung der Frage lässt den vorsichtigen Schluss zu, dass jedenfalls die praktische Umsetzung eine weniger komplexe war. Denkbar ist, dass die Konditionen, die für den arrêt de travail dérogatoire galten, auch nach Bestätigung der Infektion aufrechterhalten wurden. cc) Das Vergütungsrisiko bei Arbeitsverhinderung nach Einreise aus Risikogebieten Lücken in der finanziellen Absicherung lassen sich auch im Hinblick auf Einreisende aus Risikogebieten erblicken. Während diese für den überwiegenden Teil 120

Carty, JurisClasseur Protection sociale Traité, Fasc. 431 Rn. 51. Circulaire interministerielle n8DSS/SD2/2015/179 v. 26. 5. 2015, S. 15; siehe auch Carty, JurisClasseur Protection sociale Traité, Fasc. 431 Rn. 51. 122 Circulaire interministerielle n8DSS/SD2/2015/179 v. 26. 5. 2015, S. 14. 121

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des Jahres wohl noch in den Anwendungsbereich des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 in der jeweiligen Fassung fielen, sofern ihr Arbeitsausfall auf der Befolgung einer angeordneten oder empfohlenen Absonderung beruhte, konnten sie unter die Fassung vom 16. 11. 2020 nicht mehr subsumiert werden. Solange eine Coronavirusinfektion nicht bestätigt war oder einschlägige Symptome auftraten, was den Anwendungsbereich der Art. L.321-1 Code de la sécurité sociale, Art. L.1226-1 Code du travail eröffnet hätte, musste die freiwillige oder angeordnete Isolation daher den Lohnausfall, mithin ein Tragen des Vergütungsrisikos durch den Arbeitnehmer zur Folge haben.123 Traten demgegenüber während einer solchen Isolation infolge der Einreise aus einem Risikogebiet Symptome der COVID-19-Erkrankung auf oder erhielt der einreisende Arbeitnehmer ein positives Testergebnis, erfüllte er nach den bisherigen Ergebnissen grundsätzlich die Voraussetzungen sowohl für das Krankentagegeld als auch für die ergänzenden Leistungen des Arbeitgebers.124 Auch hier ist allerdings zumindest fraglich, ob nicht die einreisebedingte Isolation, die ja ab dem 16. 11. 2020 nach dem Wortlaut des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 nicht mehr zu einem Vergütungsanspruch führte, als konkurrierender Grund für die Suspendierung des Arbeitsvertrags einer Anwendung des Regelungsregimes, das für die Arbeitsverhinderung wegen Krankheit greift, entgegenstand.125 Je nach Lösungsansatz für die Konkurrenz von Suspendierungsgründen gelangt man hier zu unterschiedlichen Ergebnissen: Die Anwendung der für den Arbeitnehmer günstigsten Regelung hätte für den erkrankten Einreisenden eine finanzielle Absicherung unter den oben geschilderten Konditionen bedeutet; bei chronologischer Betrachtungsweise käme es demgegenüber darauf an, welcher Verhinderungsgrund zuerst eintrat – befand sich der Einreisende bei Eintritt der Symptome oder Erhalt eines positiven Coronatests bereits in einreisebedingter Absonderung, hätte dies wohl nach der Fassung des Art. 1 Décret n82020-73 v. 16. 11. 2020 den Vergütungsausfall bedeutet, lagen demgegenüber Symptome oder Infektion zuerst vor, wären die klassischen Regelungen für die Arbeitsunfähigkeit bei Krankheit anwendbar gewesen, solange der jeweilige Zustand anhielt.

123 Denn wenn keine gesetzliche oder (kollektiv-)vertragliche Vorschrift den Arbeitgeber zur Zahlung der Vergütung trotz ausbleibender Arbeitsleistung verpflichtet, bleibt der Lohnanspruch aus, siehe etwa Cass. Soc. v. 28. 11. 2018, n817-15.379, JCP S 2018, 1416 sowie ausführlich Gliederungspunkt B. II. 1. 124 Dies gilt, sofern man das weite Verständnis des Ministère des solidarités et de la santé zugrundelegt, nachdem eine Krankheit stets vorliegt, wenn Symptome bestehen bzw. eine Coronavirusinfektion bestätigt oder vermutet wird, siehe Délivrance et indemnisation des avis d’arrêt de travail dans le cadre du COVID-19, 20. 4. 2020, S. 4. 125 Anders als im Falle der freiwilligen Isolation stellt sich das Problem hier auch beim Nachweis der Infektion, sofern zuvor eine Quarantäne des Betroffenen durch den zuständigen Präfekten angeordnet wurde, denn diese besteht dann als Hinderungsgrund auch neben der Infektion fort.

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Auch andere Ansätze sind möglich: Abweichend von bisherigen Lösungen wurde etwa für den Suspendierungsgrund der Inhaftierung ein spezifischer Lösungsweg vorgeschlagen, nach dem die Haft grundsätzlich als „dominierender“ Verhinderungsgrund angesehen wurde und bereits eingetretene, andere Verhinderungsgründe ihre Bedeutung verlieren sollten.126 Begründet wurde dies mit der Besonderheit der hoheitlichen Anordnung der Haft.127 Für Fälle, in denen der andere Suspendierungsgrund allerdings während bereits bestehender Haft auftritt, soll dieser Lösungsansatz jedoch nicht uneingeschränkt geeignet sein, weiterhin wird die Nachteiligkeit für den Arbeitnehmer bemängelt und stattdessen auf eine gerichtliche Lösung zu dessen Gunsten gehofft.128 Hoheitlich angeordnet wurde im Falle der Einreise aus einem Risikogebiet u. U. auch eine Absonderung.129 Zieht man hier eine Parallele und betrachtet die Absonderung zum Zwecke des Infektionsschutzes als dominierenden Verhinderungsgrund, bedeutete dies zum Ende des Jahres 2020 für den Zeitraum, in dem die Absonderung nicht mehr zur Anspruchsberechtigung führte, wiederum einen Vergütungsausfall.130 b) Die Rechtslage in den Jahren 2021 und 2022 Mit dem Beginn des Jahres 2021 trat, ebenso wie dies bereits im Hinblick auf nachweislich Infizierte festgestellt wurde, eine bedeutende Vereinfachung der Rechtslage ein. Da Kontaktpersonen und Infektionsverdächtige, die Symptome der COVID-19-Erkrankung aufweisen und sich aus diesem Grund isolieren, seither in den Anwendungsbereich derselben Norm131 fallen wie nachweislich Infizierte, kann auch insoweit auf die obigen Ausführungen verwiesen werden – die Betroffenen erhalten ab dem ersten Tag des Arbeitsausfalls sowohl Leistungen der Krankenversicherung als auch des Arbeitgebers zu vergünstigten Konditionen.132 Aufgrund des Fortgeltens der Regelung gilt dies auch im Jahr 2022.133 aa) Anspruchsberechtigung bei negativem Test nach symptombedingtem Infektionsverdacht Die Einschränkung für Personen mit Symptomen der COVID-19-Erkrankung, dass diese nur zum Erhalt des Krankentagegeldes aufgrund der Sonderkonditionen 126

Roger, Dr. Soc. 1980, 173 (185). Roger, Dr. Soc. 1980, 173 (186). 128 Roger, Dr. Soc. 1980, 173 (186). 129 Siehe ausführlich Gliederungspunkt G. II. 1. a) bb). 130 Wobei dies nach den Ausführungen von Roger, Dr. Soc. 1980, 173 (186) wohl nicht gelten würde, wenn die Krankheit erst zu der hoheitlich herbeiführten Arbeitsverhinderung hinzutritt, der Autor hofft hier auf eine Lösung zugunsten des Arbeitnehmers. 131 Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der jeweiligen Fassung. 132 Siehe die Ausführungen unter Gliederungspunkt F. II. 2. a) bb) und b) bb). 133 Art. 93 II 18 Loi n82021-1754 v. 23. 12. 2021; Art. 13 18 Loi n82021-1465 v. 10. 11. 2021. 127

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nach Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der jeweiligen Fassung berechtigt sein sollen, wenn sie innerhalb von zwei Tagen nach Beginn des Arbeitsausfalls einen Coronatest durchführen lassen und dies nur bis zum Erhalt des Testergebnisses zu den Leistungen berechtigt, führt allerdings zu offenen Fragen, namentlich dann, wenn der Test negativ ausfällt. Soweit der Betroffene nicht zugleich Kontaktperson ist und bereits aus diesem Grund in den Anwendungsbereich des Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der jeweiligen Fassung fällt, ist der Zugang zu dem Erhalt von Arbeitgeber- und Krankenversicherungsleistung zu pandemiebedingten Sonderkonditionen dem Wortlaut der Norm nach nicht eröffnet. Eine nach Beratung durch den behandelnden Arzt ausgestellte Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit berechtigt dann nur zum Erhalt von Leistungen zu den gewöhnlichen Konditionen bei Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit – es stellen sich die unter Gliederungspunkt G. II. 2. a) bb) erörterten Probleme. Bei positivem Test hingegen besteht die Anspruchsberechtigung nach Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der jeweiligen Fassung fort. bb) Anspruchsberechtigung Einreisender aus Risikogebieten Aufgrund der Neuregelung entfällt überwiegend die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen Kontaktfällen und jenen Personen, die aufgrund ihrer Symptomatik infektionsverdächtig sind. Weiterhin davon abzugrenzen ist jedoch der Fall des einreisenden Arbeitnehmers, der aufgrund von Isolationspflichten oder der freiwilligen Isolation nicht tätig werden kann. In den Kreis der Anspruchsberechtigten nach Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 wurden zunächst nur Reisende aufgenommen, die nach Einreise in bestimmte Überseegebiete in Isolation bzw. Quarantäne geschickt wurden.134 Einreisende aus Risikogebieten, die in Frankreich selbst ankamen und an der Arbeitsleistung verhindert waren, fielen nicht hierunter. Für sie gelten die schon im Hinblick auf die Rechtslage im Jahr 2020 formulierten Erwägungen. Ab dem 13. 3. 2021 wurde jedoch die Anspruchsberechtigung nach Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 auch auf andere Einreisende erweitert: Wer sich einer prophylaktischen Isolationsmaßnahme unterziehen muss, kann das Krankentagegeld seither für die Dauer der Absonderung sowie ergänzend für zwei zusätzliche Tage bis zum Erhalt des Ergebnisses eines Coronatests erhalten.135 Korrespondierend gelten nach Art. 2 desselben Dekrets auch die günstigeren Konditionen für den Erhalt der ergänzenden Arbeitgeberleistungen, insbesondere die Aussetzung der Karenzzeit. Die Regelung wurde in den weiteren Fassungen des Dekrets v. 28. 3. 2021 und 31. 10. 2021 beibehalten und gilt auch im Jahr 2022 fort. Zu sehen ist allerdings, dass die Anspruchsberechtigung jeweils nur für Fälle vorgesehen ist, in denen eine Absonderung angeordnet wurde oder man sich zur Selbstisolation rechtlich verpflichtet hat. 134 135

Art. 1 I Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der ursprünglichen Fassung. Art. 1 I Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 i. d. F. v. 13. 3. 2021.

II. Frankreich

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Nicht sämtliche Aufenthalte in ausländischen Risikogebieten führen aber zu solchen rechtlichen Absonderungspflichten – so galt etwa die Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zur Selbstisolation zeitweise vorrangig für Flug- und Schiffsreisende, nicht aber für Personen, die per PKW oder Zug nach Frankreich einreisten.136 Wer sich infolge seiner Einreise freiwillig isoliert, kann von der finanziellen Absicherung, wie sie Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der jeweiligen Fassung vorsieht, nicht profitieren, wenn nicht ein anderer, dort erfasster Grund (insbesondere das Auftreten von Symptomen) erfüllt ist.137 Gleichwohl trat durch die Aufnahme eines Großteils der absonderungspflichtigen Einreisenden in den Anwendungsbereich des Art. 1, 2 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in den Fassungen ab dem 13. 3. 2021 eine Vereinheitlichung der Behandlung des überwiegenden Anteils der Fälle infektionsverdachtsbedingten Arbeitsausfalls im Hinblick auf das Vergütungsrisiko ein. Die erfassten Personen erhalten Krankentagegeld und Arbeitgeberleistungen ab dem ersten Tag des infektions(verdachts)bedingten Arbeitsausfalls. c) Zwischenergebnis Im Hinblick auf das Vergütungsrisiko bei infektionsverdachtsbedingtem Arbeitsausfall zeigt sich ein ähnliches Bild wie schon im Falle der nachgewiesenen Infektion. Rechtliche Unsicherheiten bestehen insbesondere für die Rechtslage im Jahr 2020. Sie folgen insbesondere daraus, dass je nach konkretem Grund für den Infektionsverdacht und den hierdurch bedingten Arbeitsausfall unterschiedliche Konditionen für Leistungen der Krankenversicherung und des Arbeitgebers gelten. Während Kontaktpersonen hier seit Beginn der Pandemie bis Ende des Jahres 2020 von vergünstigten Konditionen wie ausgesetzten Zugangsbegrenzungen und Karenzzeiten profitierten, galt der weit überwiegende Teil der Erleichterungen für symptomatische ebenso wie für infizierte Personen nur für einen begrenzten Zeitraum. Sie waren nach Auslaufen der für sie geltenden, pandemiebedingten Sonderregelungen so gestellt, wie sie es im Falle eines Arbeitsausfalls aufgrund anderweitiger Erkrankungen auch gewesen wären und damit auch ebenso wie der nachweislich mit dem Coronavirus Infizierte. Nicht abschließend beantwortet sind dabei Fragen hinsichtlich des Übergangs vom Status der Kontaktperson zu demjenigen einer infizierten und/oder symptomatischen Person sowie hinsichtlich des Zusammentreffens mehrerer Verhinderungsgründe. Letzteres gilt auch und insbesondere für den Fall einreisebedingter Absonderung und späterer Erkrankung.

136 Hier galt lediglich zeitweise eine Testpflicht, siehe Art. 14-1 Décret n829. 10. 2020 i. d. F. v. 31. 1. 2021 und Art. 14-1 Décret n82021-699 v. 1. 6. 2021. Mit der Neufassung des letztgenannten Dekrets zum 9. 6. 2021 fiel die Differenzierung nach der Art des Transports weg, siehe sodann die Regelung in Art. 23-1 des Dekrets. 137 Zum Konkurrenzproblem siehe bereits Gliederungspunkt F. II. 2. a) cc).

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G. Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts

Klarheit ist in vielen Punkten mit einer Neuordnung der Rechtslage im Jahr 2021 eingetreten. Viele der praktisch relevanten Fälle lassen sich seitdem unter die Norm des Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der jeweiligen Fassung subsumieren, sodass die dort sowie in Art. 2 desselben Dekrets geregelten Sonderkonditionen, insbesondere die Aussetzung der Karenzzeit und der Verzicht auf bestimmte Zugangsvoraussetzungen zu den Leistungen des Arbeitgebers und der Krankenversicherung, einheitlich Anwendung finden. Das gilt für Kontaktpersonen ebenso wie für solche, die Symptome der COVID-19-Erkrankung zeigen, sowie seit März 2021 auch für Einreisende, die einer rechtlich bindenden Pflicht zur Isolation unterliegen. Problematisch bleibt der Fall des Auftretens von Symptomen, wenn ein Coronatest gleichwohl negativ ist – hier wird empfohlen, einen Arzt zu kontaktieren, der dann wohl eine klassische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen kann, für die auch die üblichen Konditionen für die Lohnersatzleistungen bei krankheitsbedingtem Arbeitsausfall gelten. Abweichendes gilt hingegen dann, wenn die betroffene Person zugleich Kontaktperson eines Infizierten ist – denn schon dies führt, ungeachtet etwaiger Symptome, zur Anwendung der günstigeren Sonderkonditionen. Soweit Isolationsempfehlungen für Einreisende freiwillig befolgt werden und keine andere Fallgruppe, in der ein arrêt de travail dérogatoire verschrieben werden kann, einschlägig ist, bleibt es weiterhin bei einem Vergütungsausfall. Diese letztgenannte Personengruppe außer Acht lassend führen die Bestimmungen des Jahres 2021, die auch im Jahr 2022 weiter anwendbar sind, zu einer weitgehenden finanziellen Absicherung von Arbeitnehmern, die einen infektionsverdachtsbedingten Arbeitsausfall erleiden – dadurch, dass sie ab dem ersten Tag Leistungen der Krankenversicherung und des Arbeitgebers in Höhe von insgesamt 90 % des Bruttogehalts erhalten, verbleibt nur ein geringer Anteil des Kostenanteils bei ihnen selbst. Das Risiko verteilt sich im Übrigen in der im Hinblick auf den nachweislich Infizierten bereits erörterten Art und Weise auf Arbeitgeber und Krankenversicherung.

III. Das Vergütungsrisiko im Hinblick auf den infektionsverdächtigen Arbeitnehmer in Deutschland und Frankreich im Vergleich Anknüpfend an den obigen Vergleich der arbeitsrechtlichen Situation des mit dem Coronavirus infizierten Arbeitnehmers soll nun auch diejenige des Infektionsverdächtigen in Deutschland und Frankreich zueinander in Bezug gesetzt werden. Auch hier sind erhebliche Unterschiede zu bekunden. Zum Teil ergeben sich diese aus den bereits erörterten Kontrasten der Einkommenssicherungssysteme im Krankheitsfall, zum Teil jedoch auch aus einer anderen Herangehensweise in der Pandemievorsorge und -bekämpfung.

III. Vergütungsrisiko im Hinblick auf infektionsverdächtigen Arbeitnehmer

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1. Das Schicksal der Arbeitspflicht im Vergleich Im Ergebnis keine erheblichen Unterschiede ergeben sich im Hinblick auf die Arbeitspflicht: In beiden Vergleichsstaaten kann ein begründeter Infektionsverdacht ebenso wie eine nachgewiesene Infektion dazu führen, dass die Arbeitspflicht entfällt. Bei Bestehen starker Symptome ergibt sich das bereits aus der krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung, bei hoheitlich angeordneter Absonderung, jedenfalls soweit keine Möglichkeit der Tätigkeit im Homeoffice besteht, aus dem hieraus folgenden, rechtlichen Arbeitshindernis. Soweit allerdings weder der körperliche Zustand noch eine rechtsverbindliche Anordnung zur Absonderung – die in Frankreich auch bis zum Jahr 2022 nur gegenüber Einreisenden aus Risikogebieten möglich war – den infektionsverdächtigen Arbeitnehmer an seiner Tätigkeit hindern, sind die gefundenen Lösungswege für die Vergleichsstaaten doch recht divergent. Für das deutsche Recht lässt sich eine Befreiung von der Arbeitspflicht über die Einrede der Unzumutbarkeit, bezogen auf das Risiko der Gefährdung Dritter, nach § 275 Abs. 3 BGB herleiten. Dies ist allerdings nicht unbestritten und geht damit für den Arbeitnehmer, der andere nicht gefährden möchte, aber keiner Absonderungsanordnung unterliegt, mit einem gewissen Risiko einher. In Frankreich wurde hingegen bereits im Jahr 2020 die Möglichkeit des Erhalts einer (besonderen oder klassischen) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Falle der (selbst-)isolationsbedingten Arbeitsverhinderung vorgesehen. Zwar bestanden zunächst Unsicherheiten hinsichtlich der Zuordnung bestimmter Fallgruppen (namentlich der Personen, die Symptome der COVID-19-Erkrankung zeigten) zum Anwendungsbereich des pandemiespezifischen Sonderregimes oder der „klassischen“ Regeln für die Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, weniger jedoch hinsichtlich der grundsätzlichen Tatsache der Berechtigung des Arbeitsausfalls. Mit einer Neuordnung der Rechtslage im Jahr 2021 wurden weitere – wenn auch nicht alle138 – Fragen ausgeräumt, die überwiegenden Fälle des Infektionsverdachts fallen seither, ebenso wie derjenige der nachgewiesenen Infektion, in den Anwendungsbereich des Sonderregimes nach Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in der jeweils geltenden Fassung. Hinsichtlich der bedeutenden Fallgruppe der Kontaktpersonen von nachweislich Infizierten ist allerdings zu beachten, dass seit dem 16. 11. 2020 eine besondere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausdrücklich nur noch für diejenigen vorgesehen ist, die von der Krankenversicherung als Kontaktpersonen ermittelt wurden. Der wirksame Infektionsschutz hängt hier mithin von einem möglichst einwandfrei funktionierenden System der Kontaktnachverfolgung ab. Erkennt man die Möglichkeit der Leistungsverweigerung wegen Infektionsverdachts nach § 275 Abs. 3 BGB an, stellt sich das Problem für das deutsche Recht nicht in vergleichbarer Weise. Ohne offizielle Bestätigung eines Kontaktpersonenstatus können sich auch hier allerdings Beweisprobleme stellen. Das rechtliche Hindernis der Absonderung i. S. d. IfSG ist außerdem ebenso von einem Tätigwerden der zuständigen Gesund138 Zur Frage der Einordnung symptomatischer, aber negativ getesteter Personen siehe Gliederungspunkt G. II. 2. b) aa).

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G. Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts

heitsbehörden abhängig, soweit die Absonderungspflicht nicht bereits gem. § 32 IfSG landesrechtlich vorgesehen ist.139 2. Die Verteilung des Vergütungsrisikos im Vergleich Hinsichtlich der Verteilung des Vergütungsrisikos setzen sich einige oben bereits festgestellte, grundlegende Divergenzen, die nicht zuletzt in den Abweichungen der Grundstrukturen der finanziellen Absicherung des Arbeitnehmers im Krankheitsfall begründet sind, fort. Das gilt insbesondere insoweit, als in Deutschland die Kostentragung im Ganzen häufig davon abhängig ist, welche Norm zur Anwendung gelangt, d. h. davon, ob Arbeitsunfähigkeit besteht oder eine Absonderung angeordnet wurde, wann der maßgebliche Verhinderungsgrund eingetreten ist und wie lange er andauert. In Frankreich steht das anzuwendende Regime mit seinen anteiligen Kostenschuldnern demgegenüber weitgehend fest – eine Ausnahme bildet hier die Fallgruppe der Personen, die auf Basis der „allgemeinen“, nicht pandemiebezogenen Regelungen, keinen Leistungsanspruch im Falle des Arbeitsausfalls hätten. Die relevanten Fragen drehen sich im Übrigen, wie schon im Falle des nachweislich Infizierten, vorwiegend um die Anwendbarkeit von Sonderkonditionen, insbesondere der Aussetzung von Karenzzeiten und Zugangserfordernissen. Dennoch ist eine tiefergehende, vergleichende Betrachtung geboten. a) Die Arbeitsverhinderung wegen des Verdachts als solchem Diese soll bei dem Infektionsverdacht selbst ansetzen, wenn er den Arbeitnehmer an der Arbeitsleistung hindert, ohne dass weitere Umstände wie eine symptombedingte Arbeitsunfähigkeit oder eine Bestätigung der Infektion hinzutreten. Zu dif139

Für Kontaktpersonen ist die Absonderung jedoch nicht stets unmittelbar oder unabhängig von einer Information der zuständigen Gesundheitsbehörde landesrechtlich vorgesehen. Einige Beispiele: § 15 Abs. 2 CoronaTestQuarantäneVO NRW v. 24. 11. 2021 i. d. F. v. 9. 4. 2022, GV. NRW 2021, S. 1199c ff., zuletzt geändert durch GV. NRW 2022, S. 359b ff., wonach die örtliche Ordnungsbehörde für Kontaktpersonen, die nicht Haushaltsangehörige sind, über die Notwendigkeit einer Quarantäne entscheidet. Auch die Neufassung der CoronaTestQuarantäneVO NRW v. 4. 5. 2022, GV. NRW 2022, S. 581a, enthält in § 11 nur eine Empfehlung zur Isolation von Kontaktpersonen, auf ein Handeln des Gesundheitsamtes kommt es hierbei jedoch nicht an. Aus Ziffer 2.1.1.1 AV Isolation Bayern v. 31. 8. 2021 i. d. F. v. 30. 3. 2022, BayMbl. 2021, Nr. 602, zuletzt geändert durch BayMBl. 2022, Nr. 208, wonach sich enge Kontaktpersonen „unverzüglich nach Mitteilung des Gesundheitsamts (…) in Quarantäne begeben“ mussten, folgte zwar eine Absonderungspflicht, diese setzte jedoch ebenfalls ein Tätigwerden des Gesundheitsamtes voraus. In der aktuellen Fassung der AV Isolation Bayern v. 12. 4. 2022, BayMBl. 2022, Nr. 225, ist nur noch die Isolation von positiv getesteten Personen vorgesehen. Auch nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 Hamburgische SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung v. 31. 3. 2022 i. d. F. v. 29. 4. 2022, HmbGVBl. 2022, S. 197 ff., geändert durch HmbGVBl. 2022, S. 272 ff., galt eine Absonderungspflicht nur für enge Kontaktpersonen, die entsprechend vom Gesundheitsamt informiert wurden, in der aktuellen Fassung v. 4. 5. 2022, Änderung durch HmbGVBl. 2022, S. 285, ist die Absonderung von engen Kontaktpersonen, die durch das Gesundheitsamt informiert wurden, nur noch empfohlen, siehe § 21 Abs. 3.

III. Vergütungsrisiko im Hinblick auf infektionsverdächtigen Arbeitnehmer

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ferenzieren ist hier zwischen Kontaktpersonen, aufgrund einschlägiger (dann nur leichter) Symptome infektionsverdächtigen Personen und Einreisenden aus Risikogebieten. aa) Kontaktpersonen Die finanzielle Absicherung von Arbeitnehmern, die aufgrund eines Risikokontakts ihrer Arbeitsleistung nicht nachgehen können, und die Frage, durch wen diese Absicherung erfolgt, hängt nach deutschem Recht maßgeblich von der Dauer der erforderlichen Isolation ab. Der grundsätzlich vorrangige, arbeitsrechtliche Anspruch nach §§ 611a Abs. 2, 616 BGB scheidet bei verhältnismäßig erheblicher Dauer der Verhinderung aus. Mangels Anwendbarkeit des § 3 EFZG kommt dann nur eine Entschädigung durch den Staat nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG in Betracht, soweit diese Norm denn einschlägig ist. Das setzte zunächst die bestehende Anordnung einer Absonderung voraus, seit der Neufassung der Norm im März 2021 wird auch die freiwillige Absonderung erfasst, jedenfalls soweit ihre Notwendigkeit zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt wird. Die Dauer der Arbeitsverhinderung spielt demgegenüber in Frankreich kaum eine Rolle.140 Sofern der Betroffene von der hierfür zuständigen Krankenversicherung als Kontaktperson ermittelt wurde, unterfällt und unterfiel er während der Gesamtdauer der Coronapandemie den für ihn günstigen Sonderregeln für pandemiebedingten Arbeitsausfall und kann nach aktuellem Rechtsstand ab dem ersten Tag Leistungen der Krankenversicherung und auch des Arbeitgebers erhalten. Die finanzielle Absicherung von Kontaktpersonen hängt in beiden Staaten in erheblichem Maße von einer Ermittlung oder Anerkennung des Risikokontakts durch die zuständige Stelle ab. Ohne hoheitliche Absonderung oder jedenfalls die spätere Feststellung des Vorliegens ihrer Voraussetzungen scheidet in Deutschland grundsätzlich der infektionsschutzrechtliche Entschädigungsanspruch aus. Ohne Ermittlung des Kontaktpersonenstatus durch die Krankenversicherung gilt selbiges in Frankreich für den Anspruch auf Krankengeld und Arbeitgeberleistungen, soweit nicht andere Umstände die Anspruchsberechtigung auslösen.141 Eine derartige Einschränkung auf Verdachtsfälle, die in irgendeiner Weise nachweisbar sind, ist wohl notwendig und sinnvoll, um Missbrauch vorzubeugen. Eine lückenlose Absicherung Betroffener – die auch für den Infektionsschutz von nicht unerheblicher Bedeutung sein dürfte, um Verdächtige zur Isolation zu veranlassen – setzt dann aber auch ein weitgehend einwandfreies Funktionieren der Kontaktnachverfolgung voraus, das zu gewährleisten Aufgabe des Staates ist. 140 Zwar war die Anwendung des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 zunächst auf 20 Tage beschränkt, dies dürfte jedoch den Fall der Arbeitsverhinderung wegen Risikokontakts i. d. R. abgedeckt haben. 141 So jedenfalls seit der Neufassung des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 zum 16. 11. 2020.

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G. Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts

Eine wichtige Einschränkung der Anspruchsberechtigung besteht in Deutschland für ungeimpfte Kontaktpersonen, soweit sie sich nicht hätten in Absonderung begeben müssen, wenn sie gegen SARS-CoV-2 geimpft wären – sowohl der arbeitsrechtliche Anspruch nach §§ 611a Abs. 2, 616 BGB als auch der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG scheiden in diesem Fall aus. In Frankreich spielt eine fehlende Impfung demgegenüber auf dieser Ebene keine Rolle – sie kann zwar u. U. eine Absonderung entbehrlich machen und damit schon zum Ausbleiben einer Arbeitsverhinderung führen142 oder im Gesundheitssektor bereits selbst zu einer Suspendierung des Arbeitsvertrags ohne Vergütungsanspruch führen143; soweit aber eine Absonderung wegen Infektionsverdachts erforderlich ist, schließt die Vermeidbarkeit durch Impfung den Anspruch auf finanzielle Ausgleichsleistungen nicht aus. Insoweit ist auf die unterschiedliche Bedeutung eines Verschuldens des Arbeitnehmers zu verweisen, die oben bereits erläutert wurde.144 bb) Aufgrund einschlägiger Symptome infektionsverdächtige Personen Für Personen, die aufgrund leichter Symptome, die noch nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit führen, infektionsverdächtig und an ihrer Arbeitsleistung verhindert sind, gilt in Deutschland dasselbe wie für Kontaktpersonen. In Frankreich existierten demgegenüber im Jahr 2020 nicht unerhebliche Unterschiede, da im Falle von Symptomen für Leistungen der Krankenversicherung und des Arbeitgebers die Konditionen für eine klassische Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit galten. Anders ist dies seit Beginn des Jahres 2021, da nunmehr auch symptomatische Personen grundsätzlich denselben Regeln unterfallen wie Kontaktpersonen, dies allerdings geknüpft an die Kondition, dass innerhalb von zwei Tagen ein Coronatest durchgeführt wird. Dies unterstreicht nicht zuletzt die Bedeutung von Coronatests für die Pandemiebekämpfungsstrategie in Frankreich. Eine vergleichbare Bedeutung der Durchführung von Coronatests für das Vergütungsrisiko lässt sich in Deutschland über das Verschuldenskriterium, welches in § 616 BGB vorgesehen ist und nach überzeugender Ansicht auch in § 56 IfSG hineinzulesen ist, begründen, sofern die Durchführung eines Tests bei negativem Ergebnis die Dauer der Absonderung verkürzen kann. 142 Für das Jahr 2022 war etwa für vollständig geimpfte Kontaktpersonen keine Quarantäne mehr vorgesehen, siehe Ministère des solidarités et de la santé, Pressemitteilung v. 2. 1. 2022, S. 3. 143 Nach Art. 14 I B Loi n82021-1040 v. 8. 8. 2021 dürfen Personen, die in Gesundheitsberufen tätig sind (nähere Präzisierungen ergeben sich aus Art. 12 desselben Gesetzes), ab dem 15. 9. 2021 ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben, wenn sie keine Impfung vorweisen können oder von der Impfpflicht befreit sind. Dies geht nach Art. 14 II desselben Gesetzes mit einem Verlust des Vergütungsanspruchs einher. Ein Fortfall der Arbeitspflicht und auch des Vergütungsanspruchs tritt auch in Deutschland bei Verstoß gegen die in § 20a IfSG vorgesehene, einrichtungsbezogene Impfpflicht ein, soweit ein Tätigkeits- und/oder Beschäftigungsverbot angeordnet wird oder kraft Gesetzes besteht. Siehe hierzu Beden, NZA 2022, 611 (612). 144 Siehe Gliederungspunkt F. III. 2. a) cc).

III. Vergütungsrisiko im Hinblick auf infektionsverdächtigen Arbeitnehmer

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Die Gruppe der aufgrund leichter Symptome Infektionsverdächtigen ist in Frankreich nach der Rechtslage im Jahr 2020 eher der Gruppe der krankheitsbedingt Arbeitsunfähigen zugeordnet worden, in Deutschland hingegen derjenigen der Nicht-Arbeitsunfähigen, die aus anderen, personenbedingten Gründen an der Arbeitsleistung gehindert sind. Aufgrund der Begrenzung des § 616 BGB in zeitlicher Hinsicht kann dies in Deutschland je nach Absonderungsdauer zu einer Lösung über die infektionsschutzrechtliche Entschädigung führen – zwischenzeitlich bestehende Lücken für leicht symptomatische Personen, die als Kranke i. S. d. § 2 Nr. 4 IfSG zunächst nicht anspruchsberechtigt waren, wurden inzwischen geschlossen. Für beide Vergleichsstaaten handelt es sich hierbei um eine Fallgruppe, die mit erheblichen Ungewissheiten behaftet ist und in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen keine oder nur geringe Aufmerksamkeit erfahren hat. Das muss nicht heißen, dass sie praktisch keine Bedeutung hat, lässt aber wohl vermuten, dass in der Praxis pragmatische Lösungen gefunden wurden, wie etwa die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wegen Krankheit (wie sie ja in Frankreich offensichtlich auch vorgesehen war), auch wenn die Symptomatik diese Einordnung grundsätzlich noch nicht rechtfertigen würde. cc) Einreisende aus Risikogebieten ohne Nachweis der Infektion oder Symptome der Erkrankung Besonderheiten sind in beiden Vergleichsstaaten für Personen zu beobachten, die aufgrund einer Einreise aus einem Risikogebiet infektionsverdächtig und in der Folge an ihrer Arbeitsleistung verhindert sind. In Deutschland folgt dies aus dem für alle relevanten Ansprüche geltenden Erfordernis fehlenden Verschuldens – bei bewusster Entscheidung, das Risiko einer Infektion, jedenfalls aber das einer Absonderung in Kauf zu nehmen, ohne dass hierfür ein zwingender Grund besteht, führt dies zum Anspruchsausschluss. Auch in Frankreich waren Einreisende aus Risikogebieten zeitweise nicht zu Ausgleichsleistungen berechtigt, obwohl sie als lange Zeit einzige Zielgruppe obligatorischer Isolationsmaßnahmen an der Arbeitsleistung gehindert sein konnten. Dies folgte allerdings nicht aus einem Verschuldenskriterium, sondern vielmehr aus einer Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs der Sondernormen für Ausgleichsansprüche bei pandemiebedingten Arbeitsausfällen. Der Ausschluss ist hier auch weitreichender als derjenige nach deutschem Recht: Während im letzteren eine Exkulpation bei Nachweis eines zwingenden Grundes für die Reise möglich ist und es darüber hinaus auch darauf ankommt, dass der Betroffene bei Antritt der Reise Kenntnis von der Einstufung als Risikogebiet hatte, bedeutete in Frankreich zeitweise die Reise als solche, sofern sie (und sie allein) zu einem Arbeitsausfall führte, dass der Arbeitnehmer das Vergütungsrisiko tragen musste. Der Blickwinkel ist in beiden Staaten allerdings auch ein anderer: Im deutschen Recht geht es um den Ausschluss eines an sich denkbaren Anspruchs, wenn auch bereits auf Tatbestandsebene. Die Anspruchsberechtigung knüpft hier zunächst an die personenbedingte Verhinderung (§ 616 BGB) bzw.

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G. Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts

Absonderung (§ 56 IfSG) als solche an. Im französischen Recht hingegen war die Eigenschaft als Einreisender anders als etwa diejenige als Kontaktperson zeitweise keine, die überhaupt eine Anspruchsberechtigung begründen konnte. Das Ergebnis des Ausfalls der Vergütung bzw. anderweitiger Ausgleichsleistungen ist jedoch dasselbe. In Frankreich allerdings sind die Einreisenden aus Risikogebieten später wieder in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufgenommen worden und stehen damit u. U. besser als ihre Pendants in Deutschland. b) Spätere Bestätigung des Infektionsverdachts oder später auftretende Arbeitsunfähigkeit Rechtlich problematisch kann in beiden Vergleichsstaaten auch die Veränderung der Situation des Arbeitnehmers sein. Eine solche kann zum einen durch Bestätigung der bereits vermuteten Infektion durch einen positiven Coronatest eintreten, zum anderen auch durch das spätere Eintreten von Symptomen, die eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit i. e. S. begründeten. Hiermit gehen regelmäßig ein längerer Absonderungszeitraum und auch ein längerer Zeitraum des Arbeitsausfalls einher. Problematisch ist hier zuweilen der rechtliche Umgang mit der Verlängerung aufgrund der veränderten Umstände sowie auch die Bestimmung der einschlägigen Rechtsnormen für die Lohnfortzahlung bzw. Entschädigung. Eine spätere Bestätigung des Infektionsverdachts stellt bei freiwilliger Absonderung zwar kein Konkurrenzproblem mehrerer Verhinderungsgründe dar, da derjenige des Verdachts mit seiner Bestätigung demjenigen der Infektion weicht. Für das deutsche Recht stellt sich insoweit allerdings die Frage, ob die Zeiträume des Verdachts und der nachgewiesenen Infektion als Einheit zu betrachten sind, was sich darauf auswirken kann, ob ein Teil des Arbeitsausfalls über § 616 BGB kompensiert werden kann – hier wird eine Gesamtbetrachtung befürwortet, die je nach insgesamt erforderlicher Absonderungsdauer zum Ausscheiden des § 616 BGB führt. Eine finanzielle Absicherung des Arbeitnehmers kommt dann in Betracht, wenn nachträglich eine Absonderung angeordnet bzw. ihre Notwendigkeit festgestellt wird, dies allerdings auch erst seit der Neufassung des § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG, der nun auch die vorsorgliche, freiwillige Absonderung erfasst. In Frankreich warf für die Rechtslage im Jahr 2020 die Verlängerung des an den Infektionsverdacht anknüpfenden arrêt de travail dérogatoire durch einen klassischen, für den Fall der nachgewiesenen Infektion zu verschreibenden arrêt de travail maladie Fragen hinsichtlich der während der Verlängerung geltenden Konditionen für die Ausgleichsleistungen auf, die allerdings soweit ersichtlich keine wissenschaftliche Diskussion erfahren haben. Seit Beginn des Jahres 2021 ist dieses Problem durch die einheitliche Geltung der pandemiebedingten Sonderkonditionen im Verdachts- und Infektionsfall gelöst, ein vergleichbares stellt sich aber für aufgrund ihrer Symptome infektionsverdächtige Arbeitnehmer, die trotz anhaltender Symptome ein negatives Testergebnis erhalten. Die Ursache der durch die Verlängerung des zunächst infektionsverdachtsbedingten Arbeitsausfalls entstehenden Rechtsfragen ist in den

III. Vergütungsrisiko im Hinblick auf infektionsverdächtigen Arbeitnehmer

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Vergleichsstaaten jedoch eine ganz andere. Während die Bedeutung in Deutschland aus dem Tatbestandsmerkmal der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit in § 616 BGB folgt, ist sie in Frankreich Folge der begrenzten Anwendbarkeit der Sonderregelungen für den pandemiebedingten Arbeitsausfall mit ihren günstigeren Leistungskonditionen. Soweit außerdem mehrere Verhinderungsgründe parallel bestehen – so etwa bei angeordneter, hoheitlicher Absonderung145 wegen eines Infektionsverdachts und in deren Verlauf eintretender Arbeitsunfähigkeit146 – führt dies in Deutschland zu Problemen im Rahmen der Monokausalität, für Frankreich zur Frage, welche Rechtsfolgen eintreten sollten, soweit für beide Suspendierungsgründe unterschiedliche vorgesehen sind. Für das deutsche Recht wird hier – wie bereits im Hinblick auf die nachgewiesene Infektion ausgeführt – eine Lösung anhand des Prioritätsprinzips vorgeschlagen und befürwortet, bei Gleichzeitigkeit der Realisierung der Verhinderungsgründe eine Lösung anhand von Wertungsgesichtspunkten. Das führt dazu, dass eine an die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit anknüpfende Kostentragung des Arbeitgebers über § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG nur dann in Betracht kommt, wenn diese krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit sich als Verhinderungsgrund vor oder gleichzeitig mit einem anderen Grund realisiert. Ist dem nicht so und die erforderliche Kausalität daher nicht gegeben, kommen wiederum nur die § 616 BGB, § 56 IfSG zur Lösung in Betracht, deren Anwendbarkeit mit der Erheblichkeit der Dauer der Arbeitsverhinderung steht und fällt. Der Prioritätsansatz findet sich für das ähnlich gelagerte Rechtsproblem der Konkurrenz mehrerer Suspendierungsgründe im französischen Recht auch in der dortigen Rechtsprechung wieder. Im hiesigen Kontext stellt sich das Problem insbesondere für die Rechtslage im Jahr 2020 bei Symptomen der COVID-19-Erkrankung, die im Verlaufe eines Infektionsverdachts nach Kontakt zu Infizierten auftreten, und darüber hinaus für Einreisende aus Risikogebieten, die zusätzlich zu einer angeordneten Absonderung erkranken bzw. Symptome zeigen. Ob die Lösung hier in einer chronologischen Betrachtungsweise, wie sie grundsätzlich für das deutsche Recht befürwortet wurde, zu suchen ist, ist allerdings nicht sicher. Das gilt zum einen wegen nicht unerheblicher Kritik an der chronologischen Betrachtung in der rechtswissenschaftlichen Literatur147, zum anderen vor dem Hintergrund, und das dürfte hier das Entschei145 Diese kam in Frankreich in den Jahren 2020 und 2021 wohlgemerkt nur im Falle von Einreisenden aus Risikogebieten in Betracht. Das Zuordnungsproblem stellt sich hier im Jahr 2020 jedoch auch für die freiwilliger Isolation infolge eines Risikokontakts bei späterem Symptomeintritt. 146 In Frankreich reichte hier mangels Differenzierung nach Symptomstärke im Jahr 2020 das Auftreten jeglicher Symptome, da schon dies zur Verschreibung eines arrêt de travail maladie führen sollte. 147 Auffallend ist hier, dass der meistzitierte, alternative Ansatz von Pélissier, der eine Auflösung anhand der für den Arbeitnehmer günstigsten Lösung befürwortet, demjenigen, den Gutzeit für das deutsche Recht vorschlägt, diametral entgegensteht. Während Pélissier seine Auffassung mit dem Schutzcharakter des Arbeitsrechts begründet (siehe ebendieser, in: Études de droit du travail, offertes à André Brun, S. 449) geht Gutzeit von der Grundregel Ohne Arbeit

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G. Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts

dende sein, dass die pandemiebedingten Sonderregelungen in den Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 und Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in Anwendung des Art. L.16-10-1 Code de la sécurité sociale geschaffen wurden und daher der Erweiterung und Verbesserung der sozialen Absicherung im Lichte der Pandemie dienen – dies könnte für eine Lösung nach dem Günstigkeitsprinzip sprechen.148 Vieles ist hier ungewiss. Ohne Zweifel lässt sich für beide Vergleichsstaaten lediglich feststellen: Das Zusammentreffen oder Aufeinanderfolgen mehrerer Verhinderungsgründe wirft erhebliche rechtliche Fragen auf, deren Lösung bis heute noch nicht in abschließender Weise gefunden wurde. c) Abschließende Erwägungen Ganz grundsätzlich setzen sich die oben bereits festgestellten Unterschiede in den beiden Vergleichsstaaten im Hinblick auf die Verteilung des Vergütungsrisikos bei pandemiebedingtem Arbeitsausfall auch im Hinblick auf den Infektionsverdacht fort. Während in Frankreich insgesamt das Regime der Ausgleichsleistungen wegen krankheitsbedingten Arbeitsausfalls, allerdings mit unterschiedlichen Konditionen je nach einschlägiger Fallgruppe, zur Anwendung gelangt, ist die Lösung für das deutsche Recht je nach Umständen des Einzelfalls in dem Dreiklang der § 3 EFZG, § 616 BGB und § 56 IfSG zu suchen. Die Verteilung der Kostenlast auf mehrere Akteure in Frankreich (Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Krankenversicherung) steht auch hier der grundsätzlich vollständigen Risikolast einer Partei (Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Staat)149 in Deutschland gegenüber. Die Berücksichtigung eines Eigenverschuldens des Arbeitnehmers, das in Deutschland zum Anspruchsausschluss führt, in Frankreich jedoch in der Form keine Rolle spielt, entfaltet im Kontext des infektionsverdachtsbedingten Arbeitsausfalles erhebliche Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf ungeimpfte Arbeitnehmer oder Einreisende aus Risikogebieten, für welche die Leistungsverhinderung vermeidbar war. Insofern ist eine stärkere Belastung der Arbeitnehmer nach deutschem Recht zu erblicken, die ihre Rechtfertigung allerdings im Gedanken der Eigenverantwortung findet. Nach der hier für das deutsche Recht erarbeiteten Lösung spielt die Reihenfolge des Eintritts der Verhinderungsgründe eine entscheidende Rolle, insbesondere im kein Lohn aus (siehe ebendieser, Lohnfortzahlung, 2000, S. 105). Auch Schneider, Entgeltfortzahlung und Konkurrenzen, 2014, S. 371 f. lehnt eine Lösung anhand des für den Arbeitnehmer günstigsten Tatbestands in Anknüpfung an das Arbeitnehmerschutzprinzip und auch das Günstigkeitsprinzip in § 4 Abs. 3 Var. 2 TVG entschieden ab. 148 Wohlgemerkt würde dieses Argument für den überwiegenden Teil des Jahres 2020 auch dafür sprechen, für alle COVID-19-bedingten Arbeitsausfälle das Sonderregime des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 anzuwenden. Wie bereits ausgeführt sprechen allerdings mehrere Indizien dagegen, dass die Regelung derart gehandhabt wurde. 149 Eine Ausnahme gilt hier insbesondere, wenn es zu einem Bezug von Krankengeld kommt, da dieses nicht den vollständigen Vergütungsausfall des Arbeitnehmers kompensiert.

III. Vergütungsrisiko im Hinblick auf infektionsverdächtigen Arbeitnehmer

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Hinblick auf die Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit. Vergleichbare Rechtsfragen, die sich für das französische Recht aufwerfen lassen, wurden mit der Neustrukturierung der pandemiebedingten Sonderregelung und der Erfassung der praktisch relevantesten Fälle in Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 weitgehend, wenn auch nicht vollständig gelöst. Im Kontext der Pandemie fällt darüber hinaus auf, dass die Fallgruppen-basierte Herangehensweise, wie sie in Frankreich in Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in allen Fassungen derart angewendet wird, dass zugunsten bestimmter Personengruppen (Kontaktpersonen, symptomatischen Personen, Personen mit positivem Coronatest) Leistungsansprüche geschaffen oder erweitert werden, in Deutschland kein Pendant findet. Das mag nicht zuletzt an der Weite der Lohnfortzahlungsregelung des § 616 BGB liegen, die als Auffangregelung alle Fälle personenbedingten Arbeitsausfalls erfasst, soweit die weiteren Konditionen vorliegen. Dass es eine vergleichbare Regelung in Frankreich wiederum nicht flächendeckend150 gibt, sondern auch dort Verhinderungsgründe fallgruppenbezogen normiert sind, wurde oben bereits erörtert. Gleichwohl ist der konkrete Grund für den Arbeitsausfall auch für das deutsche Recht nicht unbedeutend – das schon deswegen, weil eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG eröffnen kann, darüber hinaus aber auch, weil je nach Grund für den Arbeitsausfall dieser unterschiedlich lang andauert, was die Anwendbarkeit des § 616 BGB gegenüber § 56 IfSG bestimmt und damit die Frage, ob der Arbeitgeber oder der Staat das Vergütungsrisiko trägt. Beiden Staaten ist gemein, dass eine auf den ersten Blick simple Antwort auf das Problem der Verteilung des Vergütungsrisikos bei infektionsverdachtsbedingtem Arbeitsausfall bei näherer Betrachtung doch nicht unerheblichen Fragen und Ungewissheiten begegnet. Sie alle sind anhand des geltenden Rechts aufzulösen. Dort, wo es mehrere Lösungswege gibt, müssen letztlich die Gerichte entscheiden, wenn es nicht der Gesetzgeber tut.

150 Eine Ausnahme bilden hier die Regionen Moselle, Bas-Rhin und Haut-Rhin, siehe Art. L.1226-23 Code du travail.

H. Tätigkeit im Homeoffice In den voranstehenden Kapiteln stand der Arbeitsausfall im Fokus. Diesen führen Infektion und Infektionsverdacht während der Pandemie nicht selten herbei, denn den Interessen des Arbeitgebers und der Belegschaft an betrieblichem Gesundheitsschutz wird am besten Rechnung getragen, wenn infizierte und dringend infektionsverdächtige Arbeitnehmer der Betriebsstätte fernbleiben. Nicht immer muss das jedoch ein Ausbleiben der Arbeitsleistung bedeuten: Die Tätigkeit im Homeoffice erfreute sich in den Jahren 2020 und 2021 einer nie dagewesenen Beliebtheit.1 Das wirft neben den hier erörterten individualarbeitsrechtlichen Aspekten auch kollektivarbeitsrechtliche Fragen auf, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit allerdings außer Betracht bleiben.2 Inwiefern das Homeoffice als Alternative zum Arbeitsausfall in Betracht kommt, kann nur unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen beantwortet werden. Zu erörtern ist insbesondere, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer einseitig eine Verlagerung der Tätigkeit ins Homeoffice herbeiführen können bzw. hierauf einen Anspruch haben.

1

Während vor der Coronapandemie lediglich 4 % der Beschäftigten ausschließlich oder überwiegend von zu Hause aus arbeiteten, waren es zur Zeit des ersten Lockdowns im April 2020 27 %. Auch in der Folgezeit blieb der Anteil erhöht, im Januar 2021 lag er bei 24 %. Der Anteil der Beschäftigten mit wechselnden Arbeitsorten veränderte sich indes weniger stark. Die Daten gehen aus einer Studie des Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituts der HansBöckler-Stiftung hervor, siehe Ahlers/Mierich/Zucco, Homeoffice, WSI-Report Nr. 65, April 2021, S. 4. In Frankreich waren nach einer Umfrage aus dem Jahr 2019 lediglich 4 % der Arbeitnehmer in Telearbeit tätig, demgegenüber 27 % im Januar 2021, siehe Dares, Télétravail durant la crise sanitaire, S. 1. 2 Siehe zu Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats etwa LAG Köln, Beschl. v. 14. 8. 2020 – 9 TaBV 11/20, BeckRS 2020, 27011; LAG Hessen, Beschl. v. 18. 6. 2020 – 5 TaBVGa 74/20, NZA 2021, 291; Beschl. v. 14. 1. 2020 – 4 TaBV 5/19, NZA-RR 2020, 427; Krieger/ Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (476 ff.); Fuhlrott/Oltmanns, ArbRAktuell 2021, 64 (68). Durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz (BGBl. 2021, I, S. 1762) wurde mit § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ein neuer Mitbestimmungstatbestand hinsichtlich der Ausgestaltung mobiler Arbeit geschaffen, siehe hierzu Grambow, NJW 2021, 2074 (2076); Reinartz, NZA-RR 2021, 457 (468). In Frankreich spielen die Kollektivvereinbarungen zur Telearbeit aus den Jahren 2005 und 2020 eine erhebliche Rolle, siehe hierzu unten Gliederungspunkt H. II. Darüber hinaus sieht auch der Rechtsrahmen in Art. 1222-9 Code du travail kollektivrechtliche Lösungen vor, die allerdings aufgrund des Art. L.1222-11 Code du travail an Bedeutung verlieren (zu den Regelungen siehe unten Gliederungspunkt H. II. 2.).

I. Deutschland

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I. Deutschland Ein Rechtsrahmen für die mobile Arbeit, die auch die Tätigkeit im Homeoffice umfasst, fehlt in Deutschland weitgehend. Zwar sollte ein solcher laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD in der 19. Legislaturperiode geschaffen werden3, der mehrfach überarbeitete Referentenentwurf des BMAS für ein MobileArbeit-Gesetz4 schaffte es bis zum Ende der Legislaturperiode jedoch nicht, geltendes Recht zu werden.5 Im Laufe der Pandemie erfolgten lediglich vorübergehende gesetzliche Anpassungen, zunächst in der Corona-ArbSchV6, später in § 28b Abs. 7 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 20217. Mit dem Auslaufen dieser vorübergehenden Anpassungen gilt wieder die gesetzliche Ausgangslage. Sowohl diese Ausgangslage als auch die pandemiebedingten Sonderregeln sind nachfolgend in den Blick zu nehmen. Gesetzlich vorgesehen ist hingegen die Tele- und Heimarbeit. Die Begrifflichkeiten werden in der aktuellen Diskussion nicht immer einheitlich verwendet – sogar der Begriff der babylonischen Sprachverwirrung wurde in den Raum geworfen.8 Es ist daher unverzichtbar, sich zuallererst mit der Terminologie rund um das Arbeiten außerhalb der Betriebsstätte auseinanderzusetzen. 1. Terminologie: Abgrenzung der Begriffe Homeoffice, Heimarbeit, Telearbeit und mobile Arbeit Der Begriff Homeoffice ist dem Gesetz fremd.9 Insbesondere beschreibt der in § 2 Abs. 1 S. 1 HAG definierte Begriff der Heimarbeit, der wohl einer wörtlichen Übersetzung des „Homeoffice“ am nächsten kommt, einen von der hier behandelten Problematik unabhängigen Themenbereich.10 Zum Teil werden die Begriffe Tele3

Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 2018, Z. 1822 ff. Siehe Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eines Gesetzes zur mobilen Arbeit v. 5. 10. 2020, v. 26. 11. 2020 und v. 14. 1. 2021. Während der erste Entwurf noch einen Rechtsanspruch auf Homeoffice für 24 Tage im Jahr vorsah, enthielt schon die zweite Fassung lediglich eine Verhandlungslösung, siehe zur Entwicklung Fuhlrott/Oltmanns, ArbRAktuell 2021, 64; Siebert/Pletke, öAT 2021, 96. 5 Kritisch zur letzten Fassung des Referentenentwurfs v. 14. 1. 2021 auch etwa Dohrmann, NZA 2021, 691 (696); Schiefer, DB 2021, 114 (123); Visser, ZRP 2021, 112 (115). 6 Erste Fassung veröffentlicht in BAnz AT 22. 1. 2021 V1. 7 Eingeführt durch das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, BGBl. 2021, I, S. 802. 8 Schiefer, DB 2021, 114; ders., DB 2021, 1334. 9 Bertram/Walk/Falder, Arbeiten im Homeoffice in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, I 2 f); Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Vor § 1 Rn. 80; Brune, in: Coronakrise, 2021, S. 75 (89); Hahn, COVuR 2022, 66; Müller, öAT 2021, 45 (46); Picker, NZABeil. 2021, 4. 10 Heimarbeiter ist demnach, wer in selbstgewählter Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder selbstgewählter Betriebsstätte) allein oder mit seinen Familienangehörigen im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern erwerbsmäßig arbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden über4

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H. Tätigkeit im Homeoffice

arbeit und Homeoffice als Synonyme verstanden.11 Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass der Begriff der Telearbeit in der Vergangenheit tendenziell weit verstanden wurde.12 Mit der Novellierung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) wurde jedoch der Begriff des Telearbeitsplatzes legaldefiniert.13 Nach § 2 Abs. 7 S. 1 ArbStättVO sind Telearbeitsplätze nun „vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit dem Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat“. § 2 Abs. 7 S. 2 ArbStättVO stellt zudem das Erfordernis auf, dass die Arbeitsvertragsparteien die Bedingungen der Telearbeit vertraglich festgelegt haben und der Arbeitgeber für die notwendige Ausstattung des Arbeitsplatzes sorgt. Die Legaldefinition dient allerdings lediglich der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Verordnung, eine Aussage über die Anforderungen an das Arbeiten außerhalb der Betriebsstätte im Allgemeinen wird hierdurch nicht getroffen – erfolgt die Arbeit zu Hause ohne Ausstattung eines Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber oder ohne vorherige, ausdrückliche Vereinbarung, handelt es sich nicht mehr um Telearbeit, dem gemeingebräuchlichen Begriff des Homeoffice entspricht die Situation gleichwohl.14 Umgangssprachlich wird der Begriff der Telearbeit weiterhin als Oberbegriff für jegliches Arbeiten außerhalb der Betriebsstätte verwendet.15 Der Begriff des Homeoffice bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch demgegenüber jegliche Gestaltung, bei der ein Arbeitnehmer jedenfalls einen Teil seiner Arbeitsleistung aus seiner privaten Wohnung erbringt.16 Je nachdem, ob die Tätigkeit ausschließlich aus lässt. Es handelt sich um arbeitnehmerähnliche Personen (ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 85), die schon nicht in den Betriebsablauf des Arbeitgebers eingebunden sind. Mit dem Begriff des Homeoffice bestehen hier keine Überschneidungen. 11 So etwa Benkert, NJW-Spezial 2019, 306; Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (886); Dohrmann, NZA 2021, 691; Schöllmann, NZA-Beil. 2019, 81; vgl. hierzu auch Creifelds/ Kallos, 26. Ed. 2021, Telearbeitsplatz; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (473 f.). 12 Etwa als „Tätigkeiten, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit und unter Nutzung von elektronischen Diensten und Netzen sowie von Computern außerhalb der Betriebsstätte eines Arbeitgebers erfolgen“ (Wedde, NJW 1999, 527). Einen ähnlichen Begriff legen auch Kilian/ Borsum/Hoffmeister, NZA 1987, 401 (403) zugrunde. 13 BGBl. 2016, I, S. 2681 (2682). 14 Siehe auch Bertram/Walk/Falder, Arbeiten im Homeoffice in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, I 2 f); Oberthür, MDR 2021, 969. 15 Bertram/Walk/Falder, Arbeiten im Homeoffice in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, I 2 e); Schaub/Vogelsang, ArbRHdB, 19. Aufl. 2021, § 164 Rn. 2; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (473 f.). 16 Bertram/Walk/Falder, Arbeiten im Homeoffice in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, I 2 f); vgl. auch Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Vor § 1 Rn. 80; Brune, in: Coronakrise, 2021, S. 75 (90); Hahn, COVuR 2022, 66; Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (5). Auch der Duden-Eintrag zu „Homeoffice“ nennt zwei dementsprechende Bedeutungen: „[mit Kommunikationstechnik ausgestatteter] Arbeitsplatz im privaten Wohnraum“ und „Form der Arbeit von zu Hause aus“, online abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/ Homeoffice (letzter Abruf: 19. 5. 2022).

I. Deutschland

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der privaten Wohnung heraus oder auch teilweise im Betrieb erbracht wird, werden die Begriffe „Teleheimarbeit“, „häusliche Telearbeit“ oder „alternierende Telearbeit“ verwendet.17 Abzugrenzen ist das Homeoffice auch vom sog. Mobile Office bzw. Mobile Working/der mobilen Arbeit. Auch hier arbeitet der Arbeitnehmer nicht in der Betriebsstätte, jedoch auch nicht zwingend in seiner Wohnung – er kann vielmehr in den meisten Fällen frei entscheiden, von welchem Ort aus er seine Arbeitsleistung erbringt.18 Nach der Definition des (nicht Gesetz gewordenen) Referentenentwurfs für ein Mobile-Arbeit-Gesetz des BMAS sollte mobile Arbeit jegliches Arbeiten außerhalb des Betriebssitzes unter Einsatz von Informationstechnologie sein19 – hierunter wäre auch das Homeoffice gefallen.20 Auch die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel benennt in Ziffer 2.2 Homeoffice als Form der mobilen Arbeit.21 In Zeiten der Pandemie ist die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers hinsichtlich des Arbeitsortes in der Regel beschränkt, stehen doch öffentliche Arbeitsplätze wie Co-Working-Spaces nur eingeschränkt zur Verfügung.22 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus daher auf der Arbeitstätigkeit in der Privatwohnung des Arbeitnehmers, für die im Rahmen des deutschen Rechts nachfolgend der Begriff „Homeoffice“ verwendet wird. 2. Das Recht des Arbeitgebers, die Tätigkeit im Homeoffice einseitig anzuordnen Die Tätigkeit im Homeoffice könnte für den Arbeitgeber in Zeiten der Pandemie eine Alternative zur Freistellung des Arbeitnehmers darstellen, darüber hinaus auch eine Möglichkeit bieten, die Arbeitsleistung trotz infektions- oder infektionsver17 Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, WD 6-3000-149/16, S. 4; Küttner/Röller, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Homeoffice Rn. 1; Schaub/Vogelsang, ArbRHdB, 19. Aufl. 2021, § 164 Rn. 4; Brune, in: Coronakrise, 2021, S. 75 (90); Dohrmann, NZA 2021, 691; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (473 f.); Steffan, NZA 2015, 1409 (1414); ähnlich auch Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Vor § 1 Rn. 80. 18 Siehe auch Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, WD 6-3000-149/16, S. 5; Brune, in: Coronakrise, 2021, S. 75 (90); Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (886); Krieger/Rudnik/ Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (474); Köhler/Schürgers, BB 2020, 2613; Müller, öAT 2021, 45 (46); Oberthür, MDR 2021, 969; Schiefer, DB 2021, 1334; Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119; Schöllmann, NZA-Beil. 2019, 81. 19 Siehe Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeits und Soziales eines Gesetzes zur mobilen Arbeit v. 14. 1. 2021, S. 4, § 111 S. 2 GewO-E. Kritisch bzgl. der Einschränkung auf die Verwendung von Informationstechnologie Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (5). 20 Müller, öAT 2021, 45 (46); Schiefer, DB 2020, 114. 21 Mobiles Arbeiten wird dabei als „eine Arbeitsform, die nicht in einer Arbeitsstätte gemäß § 2 Absatz 1 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) oder an einem fest eingerichteten Telearbeitsplatz gemäß § 2 Absatz 7 ArbStättV im Privatbereich des Beschäftigten ausgeübt wird, sondern bei dem die Beschäftigten an beliebigen anderen Orten (zum Beispiel beim Kunden, in Verkehrsmitteln, in einer Wohnung) tätig werden“ definiert, siehe Ziffer 2.2. (1). 22 In diesem Sinne auch Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475).

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H. Tätigkeit im Homeoffice

dachtsbedingter (Selbst-)Absonderung zu erhalten. Die Einführung des Homeoffice bedarf allerdings einer rechtlichen Grundlage.23 Diese kann im Arbeitsvertrag selbst bestehen, wenn er die Tätigkeit im Homeoffice als Option bzw. als geschuldet vorsieht, darüber hinaus kommen kollektivvertragliche Regelungen in Betracht.24 Fehlt eine solche Regelung, steht es den Parteien selbstredend frei, sich über eine Änderung des Arbeitsortes zu einigen, wobei auch eine konkludente Einigung genügt.25 Kommt eine Einigung hingegen nicht zustande, will der Arbeitgeber aber trotzdem nicht, dass der Arbeitnehmer im Betrieb, wohl aber in der eigenen Wohnung tätig wird, kommt es maßgeblich auf die Zulässigkeit einer entsprechenden Weisung an.26 Denn: Dass der Arbeitgeber dort, wo der Arbeitsvertrag ihm entsprechende Räume lässt, den Arbeitsort mittels Weisung bestimmen kann, steht außer Frage.27 Welche Orte er hierfür als Arbeitsort bestimmen kann, ist damit jedoch nicht gesagt. Die Weisung muss stets nach billigem Ermessen erfolgen, §§ 106 S. 1 GewO, 315 Abs. 1 BGB. Die Interessen beider Arbeitsvertragsparteien sind hinreichend zu berücksichtigen.28 Die Billigkeitskontrolle ist auch hier Einfallstor für die Berücksichtigung der Grundrechte beider Parteien.29 a) Gesetzliche Ausgangslage zu Beginn der Pandemie Außerhalb des Pandemiezustands wird dem Arbeitgeber ein Recht, die Tätigkeit einseitig ins Homeoffice zu verlagern, abgesprochen.30 Als Grund hierfür wird – 23 Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 663; Günther/ Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (474); vgl. auch Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 46. 24 Helm/Bundschuh/Wulff/Bleck-Vogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 16; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 46; Günther/Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186; Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (349). 25 Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 663; Krieger/ Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (474). Zur Frage der betrieblichen Mitbestimmung siehe LAG Hessen, Beschl. v. 18. 6. 2020 – 5 TaBVGa 74/20, NZA 2021, 291. 26 Vgl. Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (474); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114). 27 Dahl/Göpfert/Helm/Reinhard/Hoffmann-Remy, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 3 Rn. 12; Peters, Weisungsrecht, 2. Aufl. 2021, Rn. 520; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 43; Bayreuther, NZA 2021, 1593; Brune, in: Coronakrise, 2021, S. 75 (92). 28 Dahl/Göpfert/Helm/Reinhard/Hoffmann-Remy, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 3 Rn. 17; Tödtmann/v. Bockelmann/Tödtmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 127; Bayer, ArbRAktuell 2020, 433 (434); Husemann, jM 2021, 274 (278); Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (474); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114); Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119. 29 BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 611a BGB Rn. 367; Visser/Voigt/ Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 87; Husemann, jM 2021, 274 (278). 30 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14. 11. 2018 – 17 Sa 562/18, BeckRS 2018, 34001; LAG Düsseldorf, Urt. v. 10. 9. 2014 – 12 Sa 505/14, BeckRS 2014, 73155; BeckOK ArbR/ Tillmanns, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 106 GewO Rn. 21; Dahl/Göpfert/Helm/Reinhard/

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neben dem Verlust des Kontakts zu Kollegen und der fehlenden Erreichbarkeit für Arbeitnehmervertretungen, die jedenfalls einer dauerhaften Tätigkeit außerhalb des Betriebs entgegenstehen31 – insbesondere der Schutz der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG angeführt.32 Auch die Gefahr des Verschwimmens von Arbeitszeit und Freizeit wird als Argument gegen ein Recht zur einseitigen Anordnung einer Tätigkeit im Homeoffice genannt.33 Die Argumente überzeugen – die Zuordnung zum Schutzbereich des Grundrechts nach Art. 13 GG überrascht jedoch. Art. 13 GG schützt vor staatlichen Eingriffen – in der mittelbaren Drittwirkung auch gegenüber solchen von Privaten – in den räumlichen Bereich der Privatheit, der dem Einzelnen zur Entfaltung seiner Persönlichkeit gewährleistet ist.34 Als klassische Eingriffe werden insbesondere das Betreten und Verweilen gegen den Willen des Grundrechtsinhabers genannt.35 Zwar können nach der Rechtsprechung des BVerfG auch andere Einschränkungen, etwa solche der Verfügung und Benutzung, den Schutzgehalt des Art. 13 GG beeinträchtigen; dies allerdings unter der Eingrenzung, dass hierdurch die Privatheit der Wohnung ganz

Hoffmann-Remy, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 3 Rn. 19; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 28a; MAH ArbR/Gragert/Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 11; Helm/Bundschuh/Wulff/Wulff, 1. Aufl. 2020, § 8 Rn. 11; Küttner/Röller, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Homeoffice Rn. 5; Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 117; Schaub/Vogelsang, ArbRHdB, 19. Aufl. 2021, § 164 Rn. 22; Visser/ Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 81; Bayreuther, NZA 2021, 1593 (1594); Kilian/ Borsum/Hoffmeister, NZA 1987, 401 (406); Kramer, DB 2000, 1329; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475); Müller, öAT 2021, 45 (46); Müller, DB 2019, 1624 (1626); Oberthür, MDR 2021, 969 (970); dies., MDR 2015, 1269; Peter, DB 1998, 573 (574); Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (13); ders., ZfA 2019, 269 (279); Schiefer, DB 2021, 114 (115); Schliemann, FA 2020, 90 (91); Schöllmann, NZA-Beil. 2019, 81 (82); Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119; Siebert/Pletke, öAT 2021, 96; Wedde, NJW 1999, 527 (530). 31 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14. 11. 2018 – 17 Sa 562/18, BeckRS 2018, 34001 (Rn. 21); vgl. auch Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 41; MAH ArbR/Gragert/ Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 11; Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119. 32 Bertram/Walk/Falder, 2. Aufl. 2021, III 1 e); ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 28a; Helm/Bundschuh/Wulff/Wulff, 1. Aufl. 2020, § 8 Rn. 11; MAH ArbR/Gragert/Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 11; Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 117; Schaub/Vogelsang, ArbRHdB, 19. Aufl. 2021, § 164 Rn. 22; Visser/ Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 81; Husemann, jM 2021, 274 (278); Kramer, DB 2000, 1329; Köhler/Schürgers, BB 2020, 2613; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475); Oberthür, MDR 2021, 969 (970); Richter, ArbRAktuell 2019, 142 (143); Schliemann, FA 2020, 90 (91); Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119. 33 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14. 11. 2018 – 17 Sa 562/18, BeckRS 2018, 34001 (Rn. 21); Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 41; MAH ArbR/Gragert/Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 11; Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (120); siehe zum „Work-Life-Blending“ auch Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (5 f.). 34 Vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 26. 5. 1993 – 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1 (12); Dreier/ Hermes, 3. Aufl. 2013, Art. 13 GG Rn. 12; von Mangoldt/Klein/Starck/Goring, 7. Aufl. 2018, Art. 13 GG Rn. 42. 35 Sachs/Kühne, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 13 Rn. 21.

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H. Tätigkeit im Homeoffice

oder teilweise aufgehoben wird.36 Im Volkszählungsurteil betonte das BVerfG, Wohnung i. S. d. Art. 13 GG sei die räumliche Privatsphäre, lehnte einen Eingriff durch das Abfragen von Informationen über die Wohnung aber mangels Eindringens oder Verweilens ab.37 Vor dem Hintergrund des spezifischen Schutzzwecks des Art. 13 GG muss die Einordnung, eine Pflicht zur Arbeitstätigkeit in der eigenen Wohnung beeinträchtige die Unverletzlichkeit der Wohnung, ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Ein „Eindringen“ in die Wohnung durch Dritte findet hierdurch noch nicht statt.38 Eine abschließende Bewertung dieser spezifisch grundrechtlichen Fragestellung würde an dieser Stelle allerdings zu weit führen. Sie ist im Rahmen der hiesigen Arbeit auch nicht erforderlich, denn an der Stichhaltigkeit der vorgebrachten Argumente ändert sich nichts. Dass der Arbeitnehmer in seiner privaten Lebenssphäre geschützt ist, ist unbestritten. Dass diese durch eine Verpflichtung, die Arbeitsleistung in der eigenen Wohnung zu erbringen, d. h. in der engsten räumlichen Privat-, wenn nicht schon Intimsphäre, sich nicht nach Belieben verhalten zu können, sondern vielmehr dem Direktionsrecht eines anderen unterworfen zu sein, beeinträchtigt wird, lässt sich ebenso wenig leugnen. Ordnet man dies mangels tatsächlicher Verletzung der räumlichen Sphäre nicht dem spezifischen Schutzbereich des Art. 13 GG zu, so ist stattdessen auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, in seinem Schutzgehalt verstärkt durch die Wertungen der Art. 13 GG und darüber hinaus auch des Art. 14 GG, zurückzugreifen. Das anzulegende Maß für die Rechtfertigung der Freiheitsbeeinträchtigung dürfte sich hierdurch nicht maßgeblich verringern. Unbestritten gilt: Der private Lebensraum des Arbeitnehmers soll dem Zugriff des Arbeitgebers entzogen sein und somit auch nicht auf dessen Veranlassung zur Stätte der Erfüllung des Arbeitsvertrags gemacht werden können.39 Nach der gesetzlichen Ausgangslage vor der Pandemie konnte der Arbeitgeber damit grundsätzlich keine, jedenfalls keine dauerhafte Tätigkeit im Homeoffice auf Grundlage seines Weisungsrechts anordnen.

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BVerfG, Beschl. v. 26. 5. 1993 – 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1 (12). BVerfG, Urt. v. 15. 12. 1983 – 1 BvR 209/83 u. a., BVerfGE 65, 1 (40). 38 Siehe allerdings Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 36, die auf eine Beeinträchtigung durch Betretungs- und Besichtigungsrechte aufgrund arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften hinweisen. 39 Vgl. etwa ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 28a; Helm/Bundschuh/Wulff/ Wulff, 1. Aufl. 2020, § 8 Rn. 11; Kramer, DB 2000, 1329; Husemann, jM 2021, 274 (278); Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119; Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (13). Z. T. wird indes darauf hingewiesen, dass der Eingriff weniger schwer wiegt, wenn der Arbeitnehmer zuvor bereits einer Tätigkeit im Homeoffice zugestimmt hat, siehe ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 28a; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 37; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475). 37

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b) Gesetzliche Anpassungen im Verlauf der Pandemie – § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO und § 28b Abs. 7 (später Abs. 4) IfSG Da das Homeoffice als besonders effektive Infektionsbekämpfungsmaßnahme anzusehen ist, seine Nutzung nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 jedoch trotz eindringlichen Appells40 abnahm41, sah sich der Gesetzgeber zum Handeln veranlasst. So wurde dem Arbeitgeber in § 2 Abs. 4 der CoronaArbSchVO vom 21. 1. 202142 erstmals eine Homeoffice-Angebotspflicht für Büroarbeit oder vergleichbare Tätigkeiten43 auferlegt. Dass sich hierdurch an den Weisungsbefugnissen des Arbeitgebers nichts änderte, drängt sich auf – die Pflicht, etwas anzubieten, ist nicht gleichzusetzen mit dem Recht, etwas anzuordnen.44 Nach dem Willen des Verordnungsgebers sollte sich aus der Regelung gerade keine Pflicht der Beschäftigten zur Annahme und Umsetzung des Homeofficeangebots ergeben.45 Dies änderte sich mit Einführung des § 28b IfSG: In Abs. 7 S. 2 enthielt die Norm in ihrer Fassung v. 23. 4. 2021, die nach ihrem Abs. 10 S. 1 bis zum 30. 6. 2021 gültig war, die Vorgabe an Beschäftigte, das Angebot des Arbeitgebers zur Tätigkeit im Homeoffice anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Die jeweilige Verpflichtung zu Angebot und Annahme legt nahe, dass § 28b Abs. 7 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 eine obligatorische Änderung des Arbeitsvertrags vorsah.46 Ausgehend vom Zweck der Regelung – dem Infektionsschutz – wird jedoch darauf hingewiesen, allein die Änderung des Arbeitsvertrages verhindere keine Infektion, da die Parteien keiner Pflicht unterlägen, sich an den vereinbarten Arbeitsort zu halten.47 Daher sei § 28b Abs. 7 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 zivilrechtlich „self-executing“: Die Norm wirke sich unmittelbar privatrechtsgestaltend dahingehend aus, dass sie den Arbeitsort festlege, und verdränge entgegenstehende Vereinbarungen in Individual- und Kollektivverträgen.48 Den Verfassern ist zuzustimmen, dass dieses Verständnis des § 28b Abs. 7 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 ein Erreichen des verfolgten, infektionsschutzrechtlichen Zwecks ebenso wie eine vertragsrechtlich stimmige 40 So etwa der Bundespräsident Steinmeier, Appell zur stärkeren Nutzung des Homeoffice, Statement v. 15. 1. 2021. 41 Der Anteil der Beschäftigten die ausschließlich oder überwiegend im Homeoffice arbeiteten sank von 27 % zur Zeit des ersten Lockdowns auf 14 % im November 2020, stieg indes im Januar 2021 wieder auf 24 % an, siehe Ahlers/Mierich/Zucco, Homeoffice, WSI-Report Nr. 65, April 2021, S. 4. 42 BAnz AT 22. 1. 2021 V1. 43 Zum Begriff der Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeit siehe Hahn, COVuR 2022, 66 (67). 44 Vgl. auch Bauschke, öAT 2021, 70 (71), nach dem die Verordnung schon „implizit das Recht der Beschäftigten bestätigt, Home-Office auch nicht zu nutzen“. 45 Referentenentwurf CoronaArbSchVO v. 20. 1. 2021, S. 9. 46 Vgl. Sagan/Witschen, NZA 2021, 593 (594). 47 Sagan/Witschen, NZA 2021, 593 (594); zustimmend wohl Bayreuther, NZA 2021, 1593 (1594). 48 Sagan/Witschen, NZA 2021, 593 (594); zustimmend Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (11).

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H. Tätigkeit im Homeoffice

Lösung ermöglicht. Allerdings lässt sich dieses Verständnis mit der Gesetzeshistorie nicht gänzlich in Einklang bringen. § 28b Abs. 7 S. 1 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021, der die Angebotsverpflichtung des Arbeitgebers enthält und daher insbesondere im Folgenden noch für ein potentielles Recht auf Homeoffice des Arbeitnehmers relevant wird, entspricht inhaltlich der vorherigen Regelung des § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO i. d. F. v. 14. 4. 2021.49 Diese Regelung sollte jedoch ausdrücklich kein subjektives Recht für die Beschäftigten begründen.50 Für § 28b Abs. 7 S. 1 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 muss entsprechendes gelten.51 Begründete § 28b Abs. 7 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 aber eine Vorgabe des Arbeitsortes, die entgegenstehende, vertragliche Vereinbarungen verdrängt, würde dies letztlich auch einen einklagbaren Anspruch des Arbeitnehmers auf dortige, vertragsgerechte Beschäftigung begründen.52 Darüber hinaus wäre auch die im Gesetz vorgesehene, zweischrittige Lösung von Angebots- und Annahmepflicht nicht erforderlich gewesen, wenn die Folge der Verlagerung des Arbeitsortes ohnehin selbständig eintreten würde. Unklar ist weiterhin, ob die im Gesetz vorgesehene Vereinbarung durch Angebot und Annahme eine konkrete, mittels Weisung erfolgende Zuweisung des Homeoffice sodann entbehrlich machen sollte.53 Mit Blick auf die Praxis ist all dies jedoch letztlich nicht entscheidend, da sich die Auswirkungen der Norm mit Blick auf eine Anordnungsbefugnis des Arbeitsgebers für eine Tätigkeit im Homeoffice am Ende ohnehin in Grenzen gehalten haben dürften.54 Die Ursache hierfür liegt in dem Ausschlussgrund nach § 28b Abs. 7 S. 2, 2. Satzteil IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021: Beschäftigte hatten das Angebot nur anzunehmen „soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen“. Die Hürde für Arbeitnehmer, die sich gegen eine Tätigkeit im Homeoffice sperren wollten, war hierdurch nicht allzu hoch – zur Darlegung entgegenstehender Gründe sollte eine Mitteilung des Beschäftigten, dass die Arbeit von zu Hause aus nicht möglich sei, bereits ausreichen.55 Der Arbeitgeber war weder berechtigt noch verpflichtet, das Vorliegen der Gründe zu prüfen.56 Praktische Konsequenzen aus einer Weigerung des Arbeitnehmers dürften mithin kaum zu ziehen gewesen sein.57 49

Ausdrücklich BT-Drucks. 19/28732, S. 21. Referentenentwurf CoronaArbSchVO v. 20. 1. 2021, S. 9. Zur Frage, ob ein entsprechender Anspruch der Beschäftigten anderweitig herleitbar ist, siehe Gliederungspunkt H. I. 2. c). 51 Schaub/Vogelsang, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 164 Rn. 23; Husemann, jM 2021, 274 (276); Siebert/Pletke, öAT 2021, 96 (98). 52 Zur Klagbarkeit des Beschäftigungsanspruchs siehe bereits Gliederungspunkt E. I. 1. 53 Bayreuther, NZA 2021, 1593 (1594). 54 Kritisch zu den Auswirkungen der Regelung Kießling/Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 28b Rn. 79; Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (11). 55 BT-Drucks. 19/28732, S. 21. 56 Sagan/Witschen, NZA 2021, 593 (595). 57 Vgl. auch Sagan/Witschen, NZA 2021, 593 (596) mit Blick auf Abmahnung und Kündigung; siehe auch Kießling/Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 28b Rn. 79; Hahn, COVuR 2022, 66 (68); Kiesche, ARP 2021, 210 (211); Thüsing, NJW 2021, 2789. 50

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Eine dem § 28b Abs. 7 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 inhaltlich entsprechende Regelung wurde später erneut in § 28b Abs. 4 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 vorgesehen und trat nach Abs. 7 derselben Norm mit dem Ablauf des 19. 3. 2022 wieder außer Kraft.58 Diese eingeschränkte Wirkung sowie der eingeschränkte Geltungszeitraum des § 28b Abs. 7 bzw. Abs. 4 IfSG in den Fassungen jeweils vom 23. 4. 2021 und 24. 11. 2021 machen es unverzichtbar, zu erörtern, ob sich ein Recht zur Anordnung der Homeofficetätigkeit während des Pandemiezustands bereits aus dem Arbeitsvertrag selbst ergeben kann. c) Abweichende Beurteilung schon aufgrund des Pandemiezustandes selbst? Dies wird auf Grund des Pandemiezustands selbst und des Gebots von social distancing von einem nicht unerheblichen Teil der rechtswissenschaftlichen Literatur bejaht.59 Zwar erfolgt regelmäßig dort, wo die Erbringung der Tätigkeit im Betrieb nicht möglich ist, keine automatische Verlagerung des Arbeitsortes ins Homeoffice – auch mittels ergänzender Vertragsauslegung lässt sich dies aufgrund der hiermit einhergehenden, grundlegenden Veränderung des Vertragsverhältnisses nicht herleiten.60 Erwogen wird indes, anders als im Normalfall, eine einseitige Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers. Die Übertragbarkeit der bisherigen Gegenargumente wird bezweifelt: Individuelle Nachteile für einzelne Arbeitnehmer aufgrund des fehlenden Kontakts zur Belegschaft seien nicht zu erwarten, weil die Homeoffice-Anordnung die gesamte Belegschaft betreffe.61 Auch handle es sich nur um eine temporäre Maßnahme.62 Die Überzeugungskraft des letztgenannten Arguments ist wohlgemerkt rückblickend angesichts der ausgedehnten Dauer des Pan-

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BGBl. 2021, I, S. 4906 (4908 f.). Peters, WeisungsR, 2. Aufl. 2021, IV 8., Rn. 561; Preis/Temming, 6. Aufl. 2021, T 20 Rn. 30; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 91; Baeck/Winzer/Schaaf, NZG 2021, 14 (15); Bayer, ArbRAktuell 2020, 433 (434); Dohrmann, NZA 2021, 691 (692); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (562); Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (349); Grimm, DB 2020, 1177 (1180); Günther/Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114); Schiefer, DB 2021, 114 (115); Stück, CCZ 2020, 205 (207); wohl auch Bertram/Walk/Falder, 2. Aufl. 2021, III 1 e); siehe auch zu Beamten VG Berlin, Urt. v. 14. 4. 2020 – VG 28 L 119/20, NVwZRR 2020, 696, das eine Verletzung des Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung ablehnt. 60 So überzeugend Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 48 ff. 61 Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 91; vom Stein/Rothe/Schlegel/Krieger, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 35; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475); siehe auch Bertram/Walk/Falder, 2. Aufl. 2021, III 1 e); Grimm, DB 2020, 1177 (1180); Günther/Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186. 62 Vgl. Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Vor § 1 Rn. 148; Visser/ Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 91; vom Stein/Rothe/Schlegel/Krieger, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 35; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475); siehe auch Bertram/Walk/Falder, 2. Aufl. 2021, III 1 e); Grimm, DB 2020, 1177 (1180); Günther/Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186. 59

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demiezustands eher schwach.63 Alternative Lösungsvorschläge erwägen einen Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB64 sowie einen Anspruch auf Zustimmung zur Vertragsänderung auf Grundlage der Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB bzw. Treu und Glauben gem. § 242 BGB65. Die großzügigere Beurteilung der Rechte des Arbeitgebers blieb indes nicht ohne Gegenstimmen: Diese bleiben bei dem vor Ausbruch der Pandemie anerkannten Ergebnis, der fehlenden Berechtigung des Arbeitgebers, eine Tätigkeit im Homeoffice einseitig anzuordnen.66 Nun dreht sich die bisherige wissenschaftliche Diskussion vorrangig um eine allgemeine, infektions- oder infektionsverdachtsunabhängige Homeoffice-Pflicht für die Dauer des Pandemiezustandes.67 Auch die vorübergehenden, gesetzlichen Regelungen zum Homeoffice aus dem Jahr 2021 betreffen die Pandemiesituation als solche.68 Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit betrachtete Situation einer nachgewiesenen Infektion oder eines Infektionsverdachts, bei der eine Beschäftigung im Betrieb für eine oder beide Arbeitsvertragsparteien keine Option ist, weist 63 Siehe auch MAH ArbR/Gragert/Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 11, die auf die Unvorhersehbarkeit der Dauer der Pandemie hinweisen. 64 Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018). 65 Vgl. Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 668 (Fn. 1015); Müller, öAT 2021, 45 (46); ähnlich auch Dahl/Göpfert/Helm/Reinhard/HoffmannRemy, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 3 Rn. 23; Hohenstatt/Sittard/ Granetzny/Markworth, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, X 1. 66 Helm/Bundschuh/Wulff/Wulff, 1. Aufl. 2020, § 8 Rn. 14; MAH ArbR/Gragert/Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 11; Tödtmann/v. Bockelmann/Tödtmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 130; Bonanni, ArbRB 2020, 110; Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (886); Fuhlrott, GWR 2020, 107 (108); Oberthür, MDR 2021, 969 (971, 975); Heider, NZA 2021, 1149 (1150); Husemann, jM 2021, 274 (278); Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (120); Sievers, jM 2020, 189 (193); grundsätzlich auch Hohenstatt/Sittard/Granetzny/Markworth, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, X 1; wohl auch Schliemann, FA 2020, 90 (91), der am Erfordernis eines Einverständnisses des Arbeitnehmers festhält; Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (13 f.), der allerdings von einer Pflicht des Arbeitnehmers zur Zustimmung bei ansonsten fehlender Möglichkeit der Beschäftigung ausgeht, siehe ebenda, S. 15. 67 So etwa bei Bertram/Walk/Falder, 2. Aufl. 2021, III 1 e); Hohenstatt/Sittard/Granetzny/ Markworth, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, X 1; MAH ArbR/Gragert/Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 11; Peters, WeisungsR, 2. Aufl. 2021, IV 8., Rn. 561; Tödtmann/v. Bockelmann/Tödtmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 130; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 91; Baeck/Winzer/Schaaf, NZG 2021, 14 (15); Bayer, ArbRAktuell 2020, 433 (434); Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (886); Dohrmann, NZA 2021, 691 (692); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114); Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (120); Schliemann, FA 2020, 90 (91); hingegen mit Blick auf Infektionsverdächtige Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (562); Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (349); Grimm, DB 2020, 1177 (1178); Günther/Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186 (187); Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (476). 68 Zu § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO i. d. F. v. 21. 1. 2021 und § 28b Abs. 7 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 bzw. § 28b Abs. 4 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 siehe sogleich unter Gliederungspunkt H. I. 3. b).

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allerdings Besonderheiten auf. Im Mittelpunkt steht weniger die Frage, ob der Arbeitnehmer aus dem Betrieb ferngehalten werden oder diesem fernbleiben darf (das wurde bereits bejaht)69, sondern ob der Arbeitgeber zugleich eine Tätigkeit an einem anderen Ort verlangen kann. Die zur Wahl stehenden Alternativen sind nicht Tätigkeit im Betrieb oder Tätigkeit zu Hause, sondern vielmehr eine Tätigkeit zu Hause oder ein Ausbleiben der Arbeitsleistung. Aus praktischen Gesichtspunkten kommt als alternativer Arbeitsort in den überwiegenden Fällen allein der Wohnort des Arbeitnehmers in Betracht, da jedenfalls in Zeiten des strengen Lockdowns öffentliche Arbeitsstätten wie Co-Working-Spaces nicht verfügbar waren oder der Arbeitnehmer sie aufgrund geltender Corona-Auflagen nicht aufsuchen durfte.70 Auch im Falle der Infektion oder des Infektionsverdachts stehen der einseitigen Anordnung einer Homeofficetätigkeit jedoch mehrere der bereits genannten Aspekte entgegen, insbesondere das Verschwimmen der Grenzen von Arbeits- und Freizeit sowie der Schutz der privaten Lebenssphäre des Arbeitnehmers. Ersterem kann noch entgegengehalten werden, dass es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme von i. d. R. nicht mehr als 14 Tagen handelt und der Einschnitt somit weniger schwer wiegt.71 Die bisherige Argumentation aus der prä-pandemischen Rechtsprechung hinsichtlich des Kontaktverlusts zu Kollegen und Interessenvertretungen72 kann insoweit nicht fruchtbar gemacht werden. aa) Die Hürde der grundrechtlich geschützten Privatsphäre des Arbeitnehmers Die grundrechtlich geschützte Privatsphäre des Arbeitnehmers stellt jedoch eine Hürde dar, die wohl nicht überwunden werden kann. Das gilt für eine Einführung des Homeoffice aufgrund der Pandemiesituation allgemein und gleichermaßen im Falle der Infektion oder des Infektionsverdachts.73 Zwar erfolgt durch die Verpflichtung zum Homeoffice kein Betreten oder Durchsuchen der privaten Wohnung durch den Arbeitgeber, er erhält aber doch Einblicke in einen höchst schützenswerten, privaten Bereich, die ihm sonst verwehrt wären. Schon die Frage, ob die Wohnung des Arbeitnehmers für eine Homeofficetätigkeit geeignet ist, gibt Aufschluss über seine Wohnsituation. Durch moderne Formate wie Videotelefonie wird der Eingriff u. U. noch verstärkt.74 Der Rückzugsort des Arbeitnehmers wird eingeschränkt bzw. 69

Siehe Gliederungspunkte E. I. 1. und F. I. 1. Vgl. Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 97; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475). Auf die Anordnung mobiler Arbeit als mildere Alternative gegenüber der Homeoffice-Tätigkeit verweisen auch Müller/Becker, COVuR 2020, 126 (130). 71 In diesem Sinne vom Stein/Rothe/Schlegel/Krieger, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 35. 72 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14. 11. 2018 – 17 Sa 562/18, BeckRS 2018, 34001 (Rn. 21); vgl. auch Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 41; MAH ArbR/Gragert/ Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 11; Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119. 73 So auch vom Stein/Rothe/Schlegel/Schubert, 2. Aufl. 2021, § 26 Rn. 30. 74 A. A. Heider, NZA 2021, 1149 (1152). 70

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H. Tätigkeit im Homeoffice

umgewidmet – die begrenzte Dauer der vorgesehenen Homeofficetätigkeit ändert hieran nichts und schließt die Grundrechtsbetroffenheit nicht aus.75 bb) Notwendigkeit einer Interessenabwägung Gewiss ist der Arbeitgeber an die Grundrechte des Arbeitnehmers nur mittelbar gebunden, entscheidend ist letztlich eine Abwägung und Gewichtung der widerstreitenden Interessen.76 Ein vertragliches Interesse des Arbeitgebers am Erhalt der Arbeitsleistung besteht zweifellos.77 Die freie Bestimmung des Arbeitsortes durch den Arbeitgeber erfährt außerdem grundrechtlichen Schutz nach Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG.78 Demgegenüber scheint die Frage berechtigt, ob denn ein Interesse des Arbeitnehmers, während der Zeit der Infektion/des Infektionsverdachts bei fortbestehender Arbeitsfähigkeit nicht zu arbeiten, tatsächlich schutzwürdig ist, oder ob nicht vielmehr eine Neben(leistungs)pflicht gem. § 242 BGB bzw. § 241 Abs. 2 BGB dahingehend besteht, die Erfüllung des Vertrags zu ermöglichen und auch zu Hause tätig zu werden.79 Eine dahingehende Argumentation wäre jedoch fehlgeleitet. Selbstredend ist das Interesse, Nichts zu tun, nicht schutzwürdig.80 Der private Lebensraum des Arbeitnehmers ist es hingegen wohl. Es trifft ihn keine vertragliche Pflicht – auch nicht eine solche nach §§ 242, 241 Abs. 2 BGB – seinen privaten Rückzugsort für dienstliche Zwecke zur Verfügung zu stellen.81 Im Gegenteil: Treffend wird in der Literatur festgestellt, der Schutzbereich der Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers ende an der Wohnungstür des Arbeitnehmers.82 Diese „harte Grenze“83 für die 75

Für eine Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 13 GG Helm/Bundschuh/Wulff/ Bleck-Vogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 13; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 35 f.; siehe auch MAH ArbR/Gragert/Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 11; Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (120); einen unerheblichen Eingriff (aber dennoch einen Eingriff) sehen etwa Grimm, DB 2020, 1177 (1180); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114); wohl auch Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Vor § 1 Rn. 148 f.; Krieger/Rudnik/ Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475). Zur wohl überzeugenderen, abweichenden Zuordnung der Frage zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht siehe bereits oben Gliederungspunkt H. I. 2. a). 76 Vgl. Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 87. 77 Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 47. 78 Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 45; Benkert, NJW-Spezial 2019, 306; vgl. auch Müller, DB 2019, 1624 (1626); Oberthür, MDR 2015, 1269 (1270). 79 Vgl. vom Stein/Rothe/Schlegel/Krieger, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 34, 36; Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (14); siehe auch Grimm, DB 2020, 1177 (1180); Günther/Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475). 80 Ebenso vom Stein/Rothe/Schlegel/Krieger, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 36. 81 Helm/Bundschuh/Wulff/Wulff, 1. Aufl. 2020, § 8 Rn. 12. 82 Müller, DB 2019, 1624 (1626). Dies wird mit dem Schutz des Art. 13 GG begründet – sieht man stattdessen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, verstärkt durch die Wertungen der Art. 13, 14 GG, als einschlägiges Grundrecht an, ändert dies an dem Ergebnis jedoch nichts. 83 Seinerseits auf Art. 13 GG abstellend Benkert, NJW-Spezial 2019, 306.

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Reichweite der Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers hindert eine einseitige Zuweisung einer Tätigkeit im Homeoffice – der Pandemiezustand hat hieran nicht grundsätzlich etwas geändert.84 Insbesondere ist in dieser Frage eine stärkere Gewichtung der Rechte des Arbeitnehmers im Vergleich zu der oben erörterten Problematik der Zulässigkeit von Coronatests vor Betretung des Betriebsgeländers erforderlich. Das zeigen schon die vor der Pandemie vertretenen Positionen zu diesen und verwandten Fragen: Die Anerkennung einer Befugnis, Gesundheitsuntersuchungen in Form von Tests anzuordnen, fügt sich in eine bestehende Rechtsprechungslinie zu Gesundheitsuntersuchungen im laufenden Arbeitsverhältnis ein.85 Ein Weisungsrecht zur Homeofficetätigkeit wurde demgegenüber vor der Pandemie einhellig abgelehnt.86 Darüber hinaus erfolgt die Grundrechtsbeeinträchtigung bei Durchführung eines Coronatests innerhalb der betrieblichen Sphäre, zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes im Hoheitsbereich des Arbeitgebers. Seine Befugnisse sind hier anders zu bewerten als diejenigen zur Beeinflussung der Nutzung des privaten Wohnraums des Arbeitnehmers. Auch besteht eine erkennbare Differenz in der Eingriffsintensität: Dass die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit durch einen Coronatest nur geringfügig ist, ist bereits verfassungsgerichtlich festgestellt worden.87 Die Beeinträchtigung dauert auch nur wenige Sekunden an, die Datenabfrage ist stark begrenzt.88 Demgegenüber würde die Beeinträchtigung der privaten Lebenssphäre des

84

I. E. ebenso Helm/Bundschuh/Wulff/Wulff, 1. Aufl. 2020, § 8 Rn. 14; MAH ArbR/ Gragert/Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 11; Tödtmann/v. Bockelmann/Tödtmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 130; Bonanni, ArbRB 2020, 110; Dehmel/Hartmann, BB 2020, 885 (886); Fuhlrott, GWR 2020, 107 (108); Oberthür, MDR 2021, 969 (971, 975); Heider, NZA 2021, 1149 (1150); Husemann, jM 2021, 274 (278); Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (120); Sievers, jM 2020, 189 (193); grundsätzlich auch Hohenstatt/Sittard/Granetzny/Markworth, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, X 1; wohl auch Schliemann, FA 2020, 90 (91), der am Erfordernis eines Einverständnisses des Arbeitnehmers festhält. 85 Siehe bereits Gliederungspunkt D. I. 2. 86 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14. 11. 2018 – 17 Sa 562/18, BeckRS 2018, 34001; LAG Düsseldorf, Urt. v. 10. 9. 2014 – 12 Sa 505/14, BeckRS 2014, 73155; BeckOK ArbR/ Tillmanns, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 106 GewO Rn. 21; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 28a; MAH ArbR/Gragert/Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 11; Helm/Bundschuh/Wulff/Wulff, 1. Aufl. 2020, § 8 Rn. 11; Küttner/Röller, Personalbuch, 29. Aufl. 2022, Homeoffice Rn. 5; Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 117; Kilian/Borsum/Hoffmeister, NZA 1987, 401 (406); Kramer, DB 2000, 1329; Krieger/Rudnik/ Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475); Müller, öAT 2021, 45 (46); Oberthür, MDR 2021, 969 (970); Peter, DB 1998, 573 (574); Siebert/Pletke, öAT 2021, 96; Schöllmann, NZA-Beil. 2019, 81 (82); Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119; Wedde, NJW 1999, 527 (530). 87 BVerfG, Beschl. v. 25. 8. 2020 – 1 BvR 1981/20, NVwZ 2020, 1512 (1513); siehe außerdem OVG Münster, Beschl. v. 7. 1. 2021 – 13 B 2046/20.NE, BeckRS 2021, 28 (Rn. 37); ArbG Offenbach, Urt. v. 3. 2. 2021 – 4 Ga 1/21, BeckRS 2021, 5523 (Rn. 24); Freh/Daneshian, ArbRB 2021, 146 (147). 88 Siehe bereits Gliederungspunkt D. I. 4. b) bb) (2).

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H. Tätigkeit im Homeoffice

Arbeitnehmers durch die Homeofficetätigkeit den gesamten Zeitraum der im Einzelfall erforderlichen Isolation andauern. Der Wohnraum stellt den „Mittelpunkt menschlicher Existenz“89 dar, in den der Einzelne „sich zurückziehen kann, zu dem die Umwelt keinen Zutritt hat, in dem man in Ruhe gelassen wird und ein Recht auf Einsamkeit genießt“.90 Mag auch fraglich sein, ob Art. 13 GG hier unmittelbar einschlägig ist oder seine Wertung lediglich als Verstärkung der Gewährleistungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts herangezogen werden kann, so ist doch unzweifelhaft, dass es sich bei einer Homeofficeverpflichtung insgesamt um eine nicht nur geringfügige Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Interessen handelt.91 Die Wohnung des Arbeitnehmers muss vom Zugriff des Arbeitgebers daher frei bleiben, soweit der Arbeitnehmer nicht seine Zustimmung zur Nutzung seiner Wohnung als Arbeitsort gegeben hat.92 Wohlgemerkt ist im Rahmen der Interessenabwägung im Einzelfall zu berücksichtigen, dass sich das Gewicht der Interessen des Arbeitnehmers verringert, wenn er bereits zuvor mit einer Tätigkeit im Homeoffice einverstanden war bzw. eine solche bereits vermehrt stattgefunden hat.93 cc) Keine Berufung auf die körperliche Unversehrtheit Dritter als kollidierendes Schutzgut Auch der zuweilen angeführte Schutz der körperlichen Unversehrtheit der anderen Beschäftigten kann den Eingriff in den privaten Lebensraum des Arbeitnehmers nicht rechtfertigen.94 Denn: Dass ein Ansteckungsrisiko dadurch vermieden werden muss, dass der Betroffene dem Betrieb fernbleibt, um Personenkontakt zu vermeiden, steht außer Frage. Das Fernbleiben wird aber nicht zuletzt durch das Freistellungsrecht des Arbeitgebers gewährleistet. Zwar steht das Freistellungsrecht des Arbeitgebers in einem Spannungsfeld zur Möglichkeit der Tätigkeit im Homeoffice – kann der Arbeitgeber eine Beschäftigung im Homeoffice zuweisen, weil der Arbeitnehmer damit einverstanden ist, seinen grundrechtlich geschützten Wohnraum und privaten Lebensbereich zur Verfügung zu stellen, kann sich dies auf ein Recht des Arbeitnehmers auf Beschäftigung im Homeoffice und auf das Frei89

BVerfG, Beschl. v. 1. 7. 1964 – 1 BvR 375/62, BVerfGE 18, 121 (132). BVerfG, Beschl. v. 16. 7. 1969 – 1 BvL 19/63, BVerfGE 27, 1 (5). 91 Vgl. auch Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 88, sodann jedoch relativierend auf S. 91. 92 Vgl. auch Helm/Bundschuh/Wulff/Wulff, 1. Aufl. 2020, § 8 Rn. 11; Husemann, jM 2021, 274 (278); Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119; ohne konkreten Bezug zur Pandemie auch ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 28a; Kramer, DB 2000, 1329. 93 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 28a; siehe auch Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (14). 94 Diesen führen etwa vom Stein/Rothe/Schlegel/Krieger, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 34; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1114) an. 90

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stellungsrecht des Arbeitgebers auswirken.95 Hieraus jedoch die Möglichkeit der einseitigen Anordnung einer entsprechenden Tätigkeit durch den Arbeitgeber selbst, unabhängig von der Zustimmung des Arbeitnehmers herzuleiten, überzeugt nicht. Verweigert der Arbeitnehmer seine Zustimmung, sperrt der grundrechtliche Schutz der privaten Lebenssphäre die Wohnung als möglichen Arbeitsort, sodass der Arbeitgeber i. d. R. zur Freistellung greifen muss, um den Gesundheitsschutz im Betrieb zu gewährleisten – das Freistellungsrecht bleibt dann unberührt. dd) § 28b Abs. 7 (Abs. 4) S. 2 IfSG als Argument gegen eine vertragliche Weisungsbefugnis für das Homeoffice Schließlich deutet auch die pandemiespezifische Gesetzgebung des Jahres 2021 daraufhin, dass ein einseitiges Anordnungsrecht des Arbeitgebers nicht anerkannt wird: Eine Annahmepflicht des Arbeitnehmers für ein Angebot des Arbeitgebers, im Homeoffice tätig zu werden, war wie gesehen nur vorübergehend in § 28b Abs. 7 S. 2 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 und später in § 28b Abs. 4 S. 2 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 vorgesehen. Der Umkehrschluss, dass eine Homeofficepflicht der Beschäftigten ohne gesetzliche (oder vertragliche) Regelung gerade nicht besteht, liegt nahe96 – in der Verordnungsbegründung zur CoronaArbSchVO wurde dies auch bekräftigt.97 Und selbst die getroffene gesetzliche Regelung berücksichtigte die Bedeutung des Schutzes der privaten Lebenssphäre durch eine weitgefasste Berechtigung des Arbeitnehmers, sich gegen die Verlagerung der Tätigkeit zu sperren, ohne dass dem Arbeitgeber eine Prüfung der entgegenstehenden Gründe gestattet und damit ein Einblick in die privaten Verhältnisse des Arbeitnehmers gewährt worden wäre.98 Die getroffene Regelung kann daher insgesamt als deutliches Indiz für ein außerhalb ihres Anwendungsbereichs fehlendes, einseitiges Anordnungsrecht des Arbeitgebers für eine Tätigkeit im Homeoffice gewertet werden. ee) Abweichungen aufgrund bestehender Not- oder Ausnahmesituationen Zu sehen ist allerdings, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers in Not- und Ausnahmesituationen erweitert sein und ihn auch befugen kann, vom Arbeitsvertrag ansonsten nicht gedeckte Tätigkeiten einseitig anzuordnen.99 Dies wird aus der 95

Zu diesem Spannungsfeld siehe Gliederungspunkt H. I. 3. c) bb) (4). Vgl. auch Bayreuther, NZA 2021, 1593 (1594). 97 Referentenentwurf CoronaArbSchVO v. 20. 1. 2021, S. 9. 98 Siehe hierzu bereits Gliederungspunkt H. I. 2. b). 99 BAG, Urt. v. 16. 10. 2013 – 10 AZR 9/13, NZA 2014, 264 (266); Urt. v. 3. 12. 1980 – 5 AZR 477/78, AP BGB § 615 Böswilligkeit Nr. 4; Urt. v. 8. 10. 1962 – 2 AZR 550/71, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 18; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 31. 3. 2006 – 2 Sa 117/05, BeckRS 2006, 31053138; BeckOK ArbR/Tillmanns, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 106 GewO Rn. 20; Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 668; Visser/ Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 84; Bauer/Opolony, NJW 2002, 3503 (3506); Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (349); Brune, in: Coronakrise, 2021, S. 75 (92); Krieger/ 96

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H. Tätigkeit im Homeoffice

vertraglichen Nebenpflicht des Arbeitnehmers nach § 241 Abs. 2 BGB, Schaden vom Arbeitgeber abzuwenden, sowie aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB hergeleitet.100 Hier könnte ein Ansatz liegen, um ausnahmsweise doch zu einer Zulässigkeit der einseitigen Anordnung einer Tätigkeit im Homeoffice zu gelangen. Die Erweiterung des Direktionsrechts bezog sich ursprünglich auf die Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten101, kann jedoch auf die Frage des Arbeitsortes durchaus übertragen werden.102 Allerdings ist eine einzelfallbezogene Betrachtung geboten.103 Nicht jede im Betrieb bestehende Schwierigkeit führt zu einer Erweiterung des Direktionsrechts.104 Ob eine Not- oder Ausnahmesituation als Tatbestandsvoraussetzung der Erweiterung des Direktionsrechts vorliegt, ist rein objektiv zu bestimmen.105 Die Begriffe der Not- und Ausnahmesituation sind dabei eng zu verstehen – überzeugend wird in der Literatur eine existenzielle Gefährdung betrieblicher Interessen gefordert.106 Diese Einschränkung folgt nicht zuletzt aus § 14 Abs. 1 ArbZG, auf den zur Begriffsbestimmung zurückgegriffen werden kann.107 Notfälle sind danach nachteilige, ungewöhnliche, unvorhergesehene und plötzlich eintretende Ereignisse, die die Gefahr eines unverhältnismäßigen Schadens

Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475 f.); Müller/Becker, COVuR 2020, 126 (129 f.). 100 Bertram/Walk/Falder, Arbeiten im Homeoffice in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, III 1 e); Helm/Bundschuh/Wulff/Wulff, 1. Aufl. 2020, § 8 Rn. 12; Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 668; Brune, in: Coronakrise, 2021, S. 75 (92); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (562); Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (476); vgl. auch LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 31. 3. 2006 – 2 Sa 117/05, BeckRS 2006, 31053138; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 84, 88; Günther/Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186. 101 Vgl. BAG, Urt. v. 3. 12. 1980 – 5 AZR 477/78, AP BGB § 615 Böswilligkeit Nr. 4; Urt. v. 8. 10. 1962 – 2 AZR 550/71, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 18. 102 Helm/Bundschuh/Wulff/Bleck-Vogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 14; Preis/Temming, 6. Aufl. 2021, T 20 Rn. 30; wohl auch Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 668; Brune, in: Coronakrise, 2021, S. 75 (92); Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (349); Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475 f.); Müller/Becker, COVuR 2020, 126 (129); a. A. wohl Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (14). 103 Helm/Bundschuh/Wulff/Bleck-Vogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 15; Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 670. 104 LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 31. 3. 2006 – 2 Sa 117/05, BeckRS 2006, 31053138; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 45 Rn. 37. 105 Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 84. 106 Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 668; Fuhlrott/ Fischer, NZA 2020, 345 (349); Müller/Becker, COVuR 2020, 126 (129); ähnlich auch Bauer/ Opolony, NJW 2002, 3503 (3506); mit weiterem Verständnis lediglich eine außergewöhnliche Situation fordernd LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 31. 3. 2006 – 2 Sa 117/05, BeckRS 2006, 31053138. 107 Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 85; vgl. auch HWK/Lembke, 10. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 21; Schaub/Vogelsang, ArbRHdB, 19. Aufl. 2021, § 164 Rn. 28.

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mit sich bringen.108 Für andere Ausnahmesituationen (in § 14 Abs. 1 ArbZG „außergewöhnliche Fälle“) sind die Hürden niedriger, auch hier muss jedoch eine besondere Situation vorliegen, die weder regelmäßig eintritt noch vorhersehbar ist und aufgrund derer ein Schaden für den Betrieb droht.109 Dass solche Situationen im Zusammenhang mit der Coronapandemie auftreten können, ist nicht auszuschließen.110 Insbesondere in den ersten Wochen nach Ausbruch der Pandemie in Deutschland wird man hier einen großzügigeren Maßstab anlegen können, da über die Verbreitung des Virus noch nicht viel bekannt war und betriebliche Schutzkonzepte erst entwickelt werden mussten.111 Mit zunehmender Dauer der Pandemie ist von Arbeitgebern hingegen eher zu erwarten, auf die jeweiligen Situationen, insbesondere auch auf Arbeitsausfall wegen einer Infektion oder eines Infektionsverdachts vorbereitet zu sein. Üblicherweise dürfte der zweiwöchige Ausfall einzelner Mitarbeiter für den Arbeitgeber auch in diesem Kontext zwar eine erhebliche Interessenbeeinträchtigung, nicht aber eine Existenzgefährdung begründen.112 Anderes kann hier nur im Einzelfall gelten – kann der Betrieb ohne die Homeofficetätigkeit des konkreten Mitarbeiters nicht aufrechterhalten werden, etwa weil zahlreiche oder hochspezialisierte Kräfte ausfallen, kann die Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausfallen.113 Darüber hinaus kann 108 Baeck/Deutsch/Winzer, ArbZG, 4. Aufl. 2020, § 14 Rn. 7; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 84 f.; vgl. auch BeckOK ArbR/Kock, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 14 ArbZG Rn. 2; ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 14 ArbZG Rn. 2. 109 Baeck/Deutsch/Winzer, ArbZG, 4. Aufl. 2020, § 14 Rn. 8; BeckOK ArbR/Kock, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 14 ArbZG Rn. 2; siehe auch Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 86 f. Beispiele aus der Rechtsprechung umfassen die Beseitigung von Eis und Schnee durch einen Schulhausmeister (BAG, Urt. v. 17. 9. 1986 – 5 AZR 369/85, BeckRS 1986, 30718337 zu § 14 Abs. 1 AZO) oder das Drohen des Abbruchs einer Geschäftsbeziehung, die zu einer Existenzgefährdung des Betriebs führen würde (OLG Celle, Beschl. v. 8. 10. 1986 – 2 Ss (OWi) 53/86, NZA 1987, 283 zu § 14 Abs. 1 AZO). Zu weitgehend BAG, Urt. v. 8. 10. 1962 – 2 AZR 550/61, juris (Rn. 16), da nicht jede Erkrankung oder Beurlaubung anderer Arbeitnehmer zu einer Ausweitung des Direktionsrechts führen kann – die Rechte des Arbeitnehmers würden dann nicht hinreichend berücksichtigt. 110 Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Vor § 1 Rn. 148; Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 2. Aufl. 2020, Rn. 658; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 86 f.; Müller/Becker, COVuR 2020, 126 (129); mit weitem Verständnis, ohne Einschränkung auf existenzgefährdende Situationen Bertram/Walk/Falder, 2. Aufl. 2021, III 1. e); vom Stein/Rothe/Schlegel/Krieger, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 36; Krieger/ Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (476); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (562). Siehe auch Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345 (346); wohl auch Brune, in: Coronakrise, 2021, S. 75 (92). 111 Vgl. auch Hohenstatt/Sittard/Granetzny/Markwoth, 2. Aufl. 2021, X 1. 112 Für den gleichzeitigen Ausfall mehrerer Beschäftigter Helm/Bundschuh/Wulff/BleckVogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 15; a. A. wohl noch Kroiß/Oehme, 1. Aufl. 2020, § 1 Rn. 38; Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (562). 113 Vgl. auch Helm/Bundschuh/Wulff/Bleck-Vogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 15. Dahl/Göpfert/Helm/Reinhard/Hoffmann-Remy, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 3 Rn. 23 erwägen dann einen Anspruch auf Zustimmung zur Vertragsanpassung.

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H. Tätigkeit im Homeoffice

aus der Wertung des § 14 Abs. 1 ArbZG keine Dispositionsbefugnis des Arbeitgebers über den Wohnraum des Arbeitnehmers hergeleitet werden.114 Jedenfalls die fortgeschrittene Pandemie als solche und auch der Arbeitsausfall des Einzelnen sind mithin in der Regel nicht geeignet, eine Erweiterung des Direktionsrechts herbeizuführen und zu einer einseitigen Anordnung der Homeofficetätigkeit zu berechtigen.115 ee) Schlussfolgerungen Festzuhalten ist somit: Der Arbeitgeber kann die Tätigkeit im Homeoffice in aller Regel nicht einseitig auf Grundlage seines Weisungsrechts anordnen.116 Das galt vor der Pandemie, es hat sich auf Grund des Pandemiezustands selbst nicht geändert und es gilt auch im Falle des Fernbleibens aus dem Betrieb wegen Infektion oder Infektionsverdacht. Eine Differenzierung zwischen Fällen, in denen der Arbeitsort vertraglich bestimmt ist oder nicht, ist mit dieser Einordnung entbehrlich.117 Die grundrechtlichen Erwägungen sprechen weiterhin auch gegen einen Anspruch auf Vertragsanpassung, gleich ob dieser aus § 313 Abs. 1 BGB oder § 241 Abs. 2 BGB hergeleitet wird.118 Weiterhin wird der Vertragsanpassungsanspruch nach § 313 Abs. 1 BGB durch die Möglichkeit des Arbeitgebers zur Änderungskündigung als lex specialis verdrängt.119 Ob die für die soziale Rechtfertigung der Kündigung erforderliche, negative Zukunftsprognose vorgenommen werden kann, ist indes sowohl mit Blick auf den infizierten oder infektionsverdächtigen Arbeitnehmer als auch auf den Einsatz im Homeoffice aufgrund des allgemeinen Pandemiezustandes 114 Strenger noch Helm/Bundschuh/Wulff/Wulff, 1. Aufl. 2020, § 8 Rn. 13; a. A. Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 669. 115 I. E. ebenso Helm/Bundschuh/Wulff/Bleck-Vogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 15; generell ablehnend Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (14), der aber von einer Zustimmungspflicht des Arbeitnehmers ausgeht, siehe ebenda S. 15. 116 So i. E. auch Helm/Bundschuh/Wulff/Wulff, 1. Aufl. 2020, § 8 Rn. 14; MAH ArbR/ Gragert/Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 11; Tödtmann/v. Bockelmann/Tödtmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 130; Fuhlrott, GWR 2020, 107 (108); Oberthür, MDR 2021, 969 (971, 975); Heider, NZA 2021, 1149 (1150); Husemann, jM 2021, 274 (278); Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (120); Sievers, jM 2020, 189 (193); grundsätzlich auch Hohenstatt/Sittard/Granetzny/Markworth, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, X 1. 117 Siehe zu dieser Frage etwa Tödtmann/v. Bockelmann/Tödtmann, Arbeitsrecht in Notund Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 126; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475 f.). 118 A. A. Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (15); wohl auch Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018); Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 668 (Fn. 1015); Müller, öAT 2021, 45 (46); Hohenstatt/Sittard/Granetzny/Markworth, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, X 1. 119 BAG, Urt. v. 5. 6. 2014 – 2 AZR 615/13, NZA 2015, 40 (42); Urt. v. 8. 10. 2009 – 2 AZR 235/08, 465 (467); ErfK/Oetker, 22. Aufl. 2022, § 2 KSchG Rn. 1a; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 98; Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (69); a. A. Latzel, in: Vielfalt oder Chaos, 2013, S. 77 (80 f.).

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fraglich.120 Die Zulässigkeit der Einführung der Homeofficetätigkeit in den Arbeitsvertrag mittels Änderungskündigung wurde zudem vor der Pandemie bereits verneint.121 Dem Arbeitgeber verbleibt die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung mit dem Arbeitnehmer.122 Inwiefern daneben eine Einführung der Homeofficetätigkeit durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung möglich ist, ist nicht abschließend geklärt.123 Findet eine Tätigkeit im Homeoffice nicht statt und nimmt der Arbeitgeber die Leistung auch im Betrieb nicht an bzw. ist diese unmöglich oder wird verweigert, bleibt es bei der bislang festgestellten Verteilung des Vergütungsrisikos. Im Falle der Freistellung des Arbeitgebers und einem hieraus resultierenden Annahmeverzug ergibt sich Abweichendes auch nicht aus einer Anrechnung böswillig unterlassenen Zwischenverdienstes124 – zwar kann das Angebot vertragsfremder Tätigkeit durch den Arbeitgeber im Einzelfall die Rechtsfolge des § 615 S. 2 BGB auslösen125, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt muss die grundrechtliche Wertung bei der zentralen Voraussetzung der Zumutbarkeit der alternativen Tätigkeit jedoch berücksichtigt werden, da sie sonst droht, unterlaufen zu werden.126 120

Die für eine (betriebsbedingt) Änderungskündigung erforderliche Dauerhaftigkeit des Pandemiezustandes verneinen Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 99. Siehe auch Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 674. 121 Preis/Temming, 6. Aufl. 2020, T 20 Rn. 30; Killian/Borsum/Hoffmeister, NZA 1987, 401 (406); Peter, DB 1998, 573 (574). 122 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 28; Helm/Bundschuh/Wulff/Bleck-Vogdt, 1. Aufl. 2020, § 3 Rn. 16; Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 663; Fuhlrott, GWR 2020, 107 (108); Richter, ArbRAktuell 2019, 142 (143); Schulze/ Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (120). 123 Siehe ausführlich Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 677 ff., der auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung des Grundrechts nach Art. 13 GG in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen hinweist (Rn. 668, 671), was auch gelten dürfte, wenn stattdessen auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht abgestellt wird. Im Hinblick auf Betriebsvereinbarungen ablehnend Helm/Bundschuh/Wulff/Wulff, 1. Aufl. 2020, § 8 Rn. 20; Hülsemann, ArbRAktuell 2017, 483 (484); befürwortend Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (477), die allerdings auch ein entsprechendes Weisungsrecht des Arbeitgebers befürworten. 124 Ebenso Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (120); a. A. Bertram/Walk/Falder, 2. Aufl. 2021, III 1. e); Kroiß/Oehme, 2. Aufl. 2021, § 1 Rn. 40; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (476); Fischinger/Hengstberger, JA 2020, 561 (562); Sievers, jM 2020, 189 (193); wohl auch Dahl/Göpfert/Helm/Reinhard/Hoffmann-Remy, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 3 Rn. 23; MAH ArbR/Gragert/Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 11; Schaub/Vogelsang, ArbRHdB, 19. Aufl. 2021, § 164 Rn. 28. 125 BAG, Urt. v. 7. 2. 2007 – 5 AZR 422/06, NJW 2007, 2062 (2063); BeckOK ArbR/ Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 615 BGB Rn. 76; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 74; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 83; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 175; Fritz/Erren, NZA 2009, 1242 (1245); anders noch BAG, Urt. v. 5. 3. 1987 – 2 AZR 261/86, BeckRS 2009, 68849; Urt. v. 3. 12. 1980 – 5 AZR 477/78, AP BGB § 615 Böswilligkeit Nr. 4. 126 Siehe oben Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (4).

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H. Tätigkeit im Homeoffice

In den genannten Ausnahmefällen, wenn der Betrieb ansonsten nicht fortgeführt werden könnte, kann die Bewertung anders ausfallen. Ordnet der Arbeitgeber in einem solchen Fall die Homeofficetätigkeit an, erfolgt dies aufgrund eines erweiterten Direktionsrechts – die Ablehnung durch den Arbeitnehmer wäre die Ablehnung der (ausnahmsweise) vertraglich geschuldeten Tätigkeit. Selbiges kann gelten, wenn die Gewichtung der Interessen des Arbeitnehmers geringer sein muss, weil bereits zuvor eine Tätigkeit im Homeoffice stattgefunden hat bzw. der Arbeitnehmer sich zu einem früheren Zeitpunkt hiermit einverstanden erklärt hat. Im Falle einer Weigerung des Arbeitnehmers bei berechtigter Anweisung zur Tätigkeit im Homeoffice greift der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ – weder kann Annahmeverzug eintreten127, noch ist der Arbeitnehmer als aus persönlichen Gründen oder absonderungsbedingt an der Arbeit verhindert anzusehen, sodass auch die Anwendung der § 616 BGB, § 56 IfSG ausscheiden muss. 3. Das Recht des Arbeitnehmers, im Homeoffice tätig zu werden Auch aus der entgegengesetzten Perspektive ist die Tätigkeit im Homeoffice diskussionswürdig: Kann der Arbeitnehmer die Beschäftigung im Homeoffice verlangen, besteht also ein Recht auf Homeoffice? Dieser Punkt steht üblicherweise weit mehr im Fokus der Diskussion als die Anordnungsmöglichkeit des Arbeitgebers.128 Auch in der Coronapandemie wurde das Homeoffice nicht selten aus dieser Perspektive hinterfragt und beurteilt. Dabei war die Diskussion auch in diesem Punkt vorwiegend auf einen Anspruch auf Homeoffice schon aufgrund des Pandemiezustandes gemünzt. Doch auch für den Fall der Infektion oder des Infektionsverdachts, welche der Tätigkeit im Betrieb entgegenstehen, ist eine Betrachtung des Rechtsrahmens geboten. Das gilt angesichts des Beschäftigungsinteresses des Arbeitnehmers grundsätzlich auch unabhängig von einem Lohnfortzahlungsanspruch bei Ausbleiben der Tätigkeit.129 Wie bereits ausgeführt weist diese Konstellation die Besonderheit auf, dass die Ablehnung des Homeoffice zu einem Ausbleiben der Arbeitsleistung führt. Das dürfte angesichts des Interesses des Arbeitgebers am Erhalt der Arbeitsleistung die praktische Relevanz der Fragestellung verringern. Da ein „Recht auf Homeoffice“ jedoch gerade auch im Hinblick auf Freistellungsmöglichkeiten und auch auf Lohn(fortzahlungs)- und Entschädigungsansprüche Bedeutung entfalten kann, soll die Konstellation der Ablehnung einer Homeofficetätigkeit durch den Arbeitgeber bei drohendem, isolationsbedingtem Arbeitsausfall hier gleichwohl beleuchtet werden.

127 128 129

Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (476). Bayreuther, NZA 2021, 1593 (1595). Vgl. Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 72.

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a) Gesetzliche Ausgangslage Ebenso wie der Begriff des Homeoffice dem Gesetz fremd ist, ist es auch ein diesbezüglicher Anspruch des Arbeitnehmers – vor der Pandemie war unstreitig, dass der Arbeitnehmer eine Beschäftigung im Homeoffice i. d. R. nicht verlangen konnte.130 Weder aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers131, noch aus den §§ 242, 241 Abs. 2 BGB kann ein solcher Anspruch allgemein hergeleitet werden.132 Dieser Grundsatz wurde durch die Arbeitsgerichtsbarkeit mehrfach bestätigt.133 Erst kürzlich betonte das LAG Berlin Brandenburg die Organisationshoheit des Arbeitgebers134, indem es feststellte, die Weiterbeschäftigung im Homeoffice stelle im Rahmen einer Änderungskündigung kein milderes Mittel gegenüber einem Änderungsangebot für eine Versetzung an einen entfernten Arbeitsort dar, wenn der Arbeitgeber im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung den Arbeitsort anderweitig festgelegt habe.135 Raum für Ausnahmen besteht gleichwohl – wenn auch kein allgemeines Recht auf Homeoffice besteht, soll aus den §§ 242, 241 Abs. 2 BGB durchaus im Einzelfall ein entsprechender Anspruch hergeleitet werden können.136 Das soll dann der Fall sein, 130

Siehe hierzu Bertram/Walk/Falder, Arbeiten im Homeoffice in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 1; Dahl/Göpfert/Helm/Reinhard/Hoffmann-Remy, Praxisleitfaden CoronaKrise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 3 Rn. 36; MAH ArbR/Gragert/Katerndahl, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 9; Preis/Temming, 6. Aufl. 2020, T 20 Rn. 30; Schaub/Vogelsang, ArbRHdB, 19. Aufl. 2021, § 164 Rn. 23; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 74; Bayreuther, NZA 2021, 1593 (1594); Günther/Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186 (187); Isenhardt, DB 2016, 1499; Husemann, jM 2021, 274 (276); Köhler/Schürgers, BB 2020, 2613; Krieger/Rudnik/ Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (478); Müller, öAT 2021, 45 (45 f.); Oberthür, MDR 2015, 1269; Richter, ArbRAktuell 2019, 142 (143); Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (10); ders., ZfA 2019, 269 (275); Siebert/Pletke, öAT 2021, 96. 131 Zur Herleitung von Ansprüchen aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers siehe unten Gliederungspunkt H. I. 3. c) bb) (1). 132 Preis/Temming, 6. Aufl. 2020, T 20 Rn. 30. Auch aus § 16 BGleiG folgt kein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers, Müller, öAT 2021, 45 (46); Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (10 f.); ders., ZfA 2019, 269 (275 f.). 133 LAG München, Urt. v. 26. 8. 2021 – 3 SaGa 13/21, BeckRS 2021, 24217 (Rn. 56); LAG Köln, Urt. v. 12. 4. 2021 – 2 SaGa 1/21, COVuR 2021, 627 (628); Urt. v. 6. 7. 2015 – 5 SaGa 6/15, BeckRS 2016, 67700 (Rn. 5); LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18. 12. 2014 – 5 Sa 378/14, BeckRS 2015, 66249; ArbG Siegburg, Urt. v. 18. 8. 2021 – 4 Ca 2301/20, COVuR 2021, 631 (633); Urt. v. 16. 12. 2020 – 4 Ga 18/20, NZA-RR 2021, 129 (130); ArbG Augsburg, Urt. v. 7. 5. 2020 – 3 Ga 9/ 20, NZA-RR 2020, 417 (418). 134 So die Analyse von Arnold/Peschos, DB 2021, 2022. 135 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24. 3. 2021 – 4 Sa 1243/20, BeckRS 2021, 11259 (Rn. 45); dies befürwortend Arnold/Peschos, DB 2021, 2022; kritisch zur anderslautenden Entscheidung der Vorinstanz bereits Fuhlrott, GWR 2021, 108, der ein Recht auf Homeoffice durch die Hintertür moniert. Siehe indes in Bezug auf schwerbehinderte Arbeitnehmer LAG Niedersachsen, Urt. v. 6. 12. 2010 – 12 Sa 860/10, BeckRS 2011, 68917. 136 Preis/Temming, 6. Aufl. 2020, T 20 Rn. 30; Husemann, jM 2021, 274 (277); Krieger/ Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (478); Müller, DB 2019, 1624 (1625); Oberthür, MDR 2015, 1269; Picker, ZfA 2019, 269 (281); wohl auch Isenhardt, DB 2016, 1499.

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wenn das Ermessen des Arbeitgebers, das ihm bei der Festlegung des Arbeitsortes gem. § 106 GewO zukommt, durch seine vertraglichen Nebenpflichten begrenzt oder auf null reduziert wird, sodass die Anweisung zur Tätigkeit im Homeoffice die einzige Weisung ist, die der Billigkeit gem. § 315 BGB entspricht.137 Die Grenzen werden jedoch eng gezogen.138 So soll etwa auch das nach Art. 6 GG grundsätzlich geschützte Interesse an verbesserter Erziehung und Betreuung der eigenen Kinder einen Homeoffice-Anspruch des Arbeitnehmers nicht begründen können.139 Als Grund hierfür werden die grundrechtlich geschützten Interessen des Arbeitgebers angeführt: Wesentlicher Inhalt der unternehmerischen Freiheit nach Art. 12, 14 und 2 Abs. 1 GG sei die Gestaltungsfreiheit bezüglich der betrieblichen Organisation, die auch die Festlegung umfasse, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Zwecke verfolgt werden – dem widerspreche eine Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Homeoffice-Arbeitsplatz einzurichten.140 Insoweit wird das Recht des Arbeitgebers an einer seinen Interessen entsprechenden Organisation des Betriebs stärker gewichtet als die möglicherweise bestehenden Interessen des einzelnen Arbeitnehmers an einer Verlagerung der Tätigkeit ins Homeoffice.141 Großzügiger sind Literatur und Rechtsprechung hingegen dann, wenn das Direktionsrecht des Arbeitgebers sich auch auf eine Tätigkeit im Homeoffice erstreckt, etwa weil dies vertraglich vorgesehen ist oder sich aus der bisherigen Vertragsdurchführung ergibt.142 Mehrfach wurde mit Blick auf einen Rechtsanspruch auf Homeoffice bereits gesetzlich Reformbedarf bekundet. Neben einem Vorstoß der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen aus dem Jahr 2019143 bekundete etwa bereits der 71. Deutsche Juristentag im Jahr 2016144 die Notwendigkeit eines gesetzlichen Anspruchs auf Homeoffice.145 Auch der Referentenentwurf des BMAS für ein Mobile-Arbeit-

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Vgl. Preis/Temming, 6. Aufl. 2020, T 20 Rn. 30; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (478); Oberthür, MDR 2015, 1269. Das setzt wohlgemerkt voraus, dass die Anweisung der Tätigkeit im Homeoffice überhaupt möglich ist, siehe hierzu sogleich H. I. 3. c) bb) (3) (b). 138 Vgl. Husemann, jM 2021, 274 (277); Müller, DB 2019, 1624 (1625); Oberthür, MDR 2015, 1269; siehe auch Isenhardt, DB 2016, 1499. 139 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18. 12. 2014 – 5 Sa 378/14, BeckRS 2015, 66249. 140 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18. 12. 2014 – 5 Sa 378/14, BeckRS 2015, 66249; LAG Köln, Urt. v. 24. 5. 2016 – 12 Sa 677/13, BeckRS 2016, 69901 (Rn. 56 ff.); Urt. v. 6. 7. 2015 – 5 SaGa 6/15, BeckRS 2016, 67700 (Rn. 5). 141 Picker, ZfA 2019, 269 (281). 142 Siehe LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17. 12. 2014 – 4 Sa 404/14, BeckRS 2015, 68467; Picker, ZfA 2019, 269 (280). 143 BT-Drucks. 19/13077. 144 71. Deutscher Juristentag, Essen 2016, Abteilung Arbeits- und Sozialrecht, Beschlüsse L 187; siehe insbesondere Thüsing, dort L 33 (L 39 f.). 145 Siehe auch Preis/Wieg, AuR 2016, 313 (324).

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Gesetz vom 5. 10. 2020 sah einen solchen Anspruch für 24 Tage im Jahr vor, der Vorstoß wurde jedoch bereits in der Überarbeitung vom 26. 11. 2020 aufgegeben.146 Festzuhalten ist damit: Nach der gesetzlichen Ausgangslage besteht grundsätzlich, bis auf Ausnahmefälle, kein Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice. b) Gesetzliche Anpassungen im Verlauf der Pandemie – § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO und § 28b Abs. 7 (später Abs. 4) IfSG Wie oben bereits erläutert war die Gesetzeslage zum Thema Homeoffice im Laufe der Pandemie jedoch dynamisch. § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO147 verpflichtete Arbeitgeber zu einem Angebot der Tätigkeit im Homeoffice bei Büroarbeit oder vergleichbarer Tätigkeit. Für den Folgezeitraum ab dem 23. 4. 2021 bis zum 30. 6. 2021148 fand sich die Regelung in § 28b Abs. 7 S. 1 IfSG, vom 24. 11. 2021 bis zum 19. 3. 2021149 in § 28b Abs. 4 S. 1 IfSG. Die Verpflichtung bestand unabhängig von den im Betrieb geltenden Infektionsschutzstandards.150 Begrenzt wurde sie durch das Entgegenstehen zwingender betrieblicher Gründe.151 Ein subjektives Klagerecht sollte hieraus ausdrücklich nicht folgen.152 Bei näherer Begutachtung des Wortlauts der Verordnungsbegründung fällt auf, dass hier allem Anschein nach nicht ein subjektives Klagerecht, das normalerweise bestehen würde, ausgeschlossen werden soll153, sondern vielmehr scheint der Verordnungsgeber darauf zu verweisen, das Fehlen eines subjektiven Klagerechts sei im Arbeitsschutzrecht ohnehin üblich.154 Diese Prämisse ist jedoch nicht richtig. Zwar ist die Durchsetzung des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzrechts primär Aufgabe der 146 Siehe jeweils Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eines Gesetzes zur mobilen Arbeit v. 5. 10. 2020, v. 26. 11. 2020; zur Entwicklung auch Fuhlrott/ Oltmanns, ArbRAktuell 2021, 64. 147 I. d. F. v. 21. 1. 2021, galt unverändert bis zum 22. 4. 2021, siehe Art. 1 Nr. 1 Dritte ¨ nderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung v. 21. 4. 2021, BAnz AT Verordnung zur A 22. 4. 2021 V1. 148 Die Befristung der Regelung ergab sich aus § 28b Abs. 10 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021. 149 Die Befristung der Regelung ergab sich aus § 28b Abs. 7 S. 1 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021. 150 Herfs-Röttgen, NZA 2021, 388 (389). 151 Solche führte etwa das LAG Köln, Urt. v. 12. 4. 2021 – 2 SaGa 1/21, BeckRS 2021, 9645 (Rn. 26) in dem konkreten Fall gegen ein Recht auf Homeoffice aus § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO an. Zu den entgegenstehenden Gründen siehe auch Hahn, COVuR 2022, 66 (67 f.); Fuhlrott/Schäffer, NZA 2021, 1679 (1683); Oltmanns/Harländer, DB 2021, 3093 (3093 f.). 152 So für § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO der Referentenentwurf v. 20. 1. 2021, S. 9. Für die inhaltsgleichen Regelungen in § 28b Abs. 7 bzw. Abs. 4 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 und 24. 11. 2021 dürfte entsprechendes gelten, vgl. Schaub/Vogelsang, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 164 Rn. 23; Husemann, jM 2021, 274 (276); Siebert/Pletke, öAT 2021, 96 (98). 153 So aber Siebert/Pletke, öAT 2021, 96 (98). 154 Referentenentwurf CoronaArbSchVO v. 20. 1. 2021, S. 9: „Ein subjektives Klagerecht von Beschäftigten ist, wie im Arbeitsschutzrecht üblich, damit nicht verbunden.“ (Hervorhebung d. Verf.).

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Arbeitsschutzbehörden sowie ergänzend des Betriebsrats.155 Gleichwohl entfaltet das Arbeitsschutzrecht auch Bedeutung für das Vertragsverhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber – seine Doppelwirkung sowie die aus einer Verletzung von § 618 BGB folgenden Rechte, insbesondere das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers, wurden bereits erörtert.156 Dem Arbeitnehmer wird ein vertraglicher (und klagbarer) Erfüllungsanspruch hinsichtlich der Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers zugesprochen – zwar nicht unmittelbar auf Grundlage der öffentlichrechtlichen Normen, aber eben auf derer des § 618 BGB.157 Fraglich ist nun, ob die Verordnungsbegründung mit dem Ausschluss des subjektiven Klagerechts tatsächlich auf der unrichtigen Prämisse beruht, der Arbeitnehmer könne die Arbeitsschutzvorschriften nicht durchsetzen, und die Begründung daher lediglich klarstellenden Charakter hat, ob sich der Ausschluss lediglich auf die unmittelbare Klagebefugnis auf Grundlage der öffentlich-rechtlichen Norm selbst bezieht, oder ob es sich vielmehr um eine ungenaue Formulierung handelt und die Klagbarkeit auch des vertraglichen Anspruchs nach § 618 BGB ausgeschlossen werden soll. In der einschlägigen Literatur wird eine Einwirkung der Homeofficeangebotspflicht auf § 618 BGB z. T. bejaht.158 Demnach würde aus § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO i. d. F. v. 21. 1. 2021159 bzw. § 28b Abs. 7 S. 1 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 und § 28b Abs. 4 S. 1 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 zwar kein unmittelbar einklagbarer Anspruch folgen, die Normen stellten aber gleichwohl arbeitsschutzrechtliche Verpflichtungen auf, deren Beachtung der Arbeitnehmer einfordern könnte – notfalls mittels Leistungsverweigerung.160 Ist diese berechtigt – zu berücksichtigen sind die allgemeinen Grenzen des Leistungsverweigerungsrechts sowie der Ausschluss bei Entgegenstehen betrieblicher Gründe, den § 2 Abs. 4 CoronaArbSchV und § 28b Abs. 7 (Abs. 4) S. 1 IfSG in den genannten Fassungen jeweils enthalten – behielte der Arbeitnehmer trotz Nichtleistung seinen Vergütungsanspruch, der Arbeitgeber befände sich in Annah-

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Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, § 3 Rn. 82. Siehe Gliederungspunkt C. I. 3. a). 157 Vgl. BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 618 BGB Rn. 35; ErfK/ Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 5, 15; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 28; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 17; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 Rn. 87; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 251; Söllner, ZfA 1973, 11 (17). 158 ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 5; Siebert/Pletke, öAT 2021, 96 (98); wohl auch Schaub/Vogelsang, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 164 Rn. 23; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 132; Fuhlrott/Kulbach, NZA-RR 2021, 129 (132); Fuhlrott/ Oltmanns, ArbRAktuell 2021, 64 (67); Müller, BB 2021, 372 (375); Kohte, jurisPR-ArbR 18/ 2021, Anm. 9; nur bei konkreter Infektionsgefahr Oberthür, ArbRB 2021, 130; offen gelassen von Henkel, öAT 2021, 67 (70); a. A. wohl Herfs-Röttgen, NZA 2021, 388; Husemann, jM 2021, 274 (276); Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (122). 159 ¨ nderung Galt unverändert bis zum 22. 4. 2021, siehe Art. 1 Nr. 1 Dritte Verordnung zur A der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung v. 21. 4. 2021, BAnz AT 22. 4. 2021 V1. 160 Vgl. Siebert/Pletke, öAT 2021, 96 (98). 156

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meverzug.161 Ein „Recht auf Homeoffice“ im engeren Sinne folgte hieraus jedoch nicht, denn die Arbeitsleistung bliebe gleichwohl aus. Weiterhin gingen andere Stimmen scheinbar gänzlich von einer fehlenden anspruchsbegründenden Wirkung der pandemiebedingt vorgesehenen Homeoffice-Angebots-Pflicht aus.162 Im Hinblick auf den infizierten oder infektionsverdächtigen Arbeitnehmer spielt eine arbeitsschutzrechtlich angeknüpfte Homeofficeangebotspflicht allerdings jedenfalls dann keine Rolle, wenn der Arbeitgeber ihn im Betrieb nicht beschäftigen muss und dies auch nicht tut. Denn der Erfüllungsanspruch nach § 618 BGB ist an den Beschäftigungsanspruch gekoppelt – besteht dieser nicht und erfolgt auch keine Beschäftigung, kann der Arbeitnehmer auch nicht Erfüllung der Arbeitsschutzpflichten verlangen.163 Schon aus diesem Grund ist es erforderlich, einen potentiellen Anspruch auf Homeofficetätigkeit unabhängig von den § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO und § 28b Abs. 7 (Abs. 4) S. 1 IfSG in den genannten Fassungen und spezifisch mit Blick auf den ansonsten drohenden infektions- oder infektionsverdachtsbedingten Arbeitsausfall zu erörtern. Darüber hinaus folgt die Notwendigkeit auch aus dem begrenzten Geltungszeitraum beider Normen. c) Die Pandemie als anspruchsbegründender Ausnahmefall Die Coronapandemie könnte Umstände mit sich bringen, die als Ausnahmefall eine Abweichung von dem Grundsatz rechtfertigen, nach dem der Arbeitnehmer eine Beschäftigung im Homeoffice nicht verlangen kann. Neben der Zugehörigkeit zur Risikogruppe und der Notwendigkeit der Betreuung der eigenen Kinder164, die hier aus Platzgründen nicht weiter erörtert werden sollen, könnte auch der infektionsoder infektionsverdachtsbedingte Ausschluss des Arbeitnehmers von einer Tätigkeit im Betrieb einen solchen Ausnahmefall darstellen.

161 Siehe zur Herleitung des Annahmeverzugs bei Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts bereits ausführlich Gliederungspunkt C. I. 3. a). I. E. ebenso Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 109, 132; Sagan/Witschen, NZA 2021, 593 (596). 162 So wohl Husemann, jM 2021, 274 (276); in Bezug allein auf § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO LAG München, Urt. v. 26. 8. 2021 – 3 SaGa 13/21, BeckRS 2021, 24217 (Rn. 38); Herfs-Röttgen, NZA 2021, 388; Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (122). 163 MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 17; Staudinger/Oetker, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 251, 253; wohl auch BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 618 BGB Rn. 35; ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 15; HWK/Krause, 10. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 28; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 Rn. 87. 164 Als Beispielsfälle führen Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (478) etwa die körperliche Konstitution des Arbeitnehmers und Betreuungsverpflichtungen gegenüber nahen Angehörigen als Auslöser für ein Recht auf Homeoffice an; ebenso Visser/Voigt/ Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 111; Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (121). In eine andere Richtung weist eine Entscheidung des VG Düsseldorf, Beschl. v. 6. 10. 2020 – 10 L 1954/20, COVuR 2020, 887 (888), in der ein Recht einer Rechtsreferendarin auf Befreiung von der Präsenzpflicht aufgrund der Zugehörigkeit ihrer Eltern zur Risikogruppe abgelehnt wurde.

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aa) Jedenfalls keine eigenmächtige Verlagerung der Tätigkeit ins Homeoffice gegen den Willen des Arbeitgebers Vorweg lässt sich bereits festhalten: Bei dem diskutierten „Recht auf Homeoffice“ kann es sich lediglich um ein Recht auf Zustimmung des Arbeitgebers zur entsprechenden Verlagerung des Tätigkeitsortes handeln. Eine eigenmächtige Verlagerung durch den Arbeitnehmer in dem Sinne, dass er selbständig entscheidet, dass die Tätigkeit im Homeoffice fortan die vertragsgemäße Leistung darstellt, scheidet aus.165 Dies liefe der Systematik des Arbeitsvertrags zuwider: Eine einseitige Leistungsbestimmung ist in § 106 GewO nur durch den Arbeitgeber vorgesehen. Eine unilaterale Vertragsänderung ist dem Vertragsrecht, das auf dem Gedanken des Konsenses der Parteien beruht, im Übrigen fremd.166 Soweit im Arbeitsvertrag selbst nichts Abweichendes festgelegt ist, kann der Arbeitnehmer nicht selbst über den Arbeitsort entscheiden. Auch aus einer Verletzung der arbeitgeberseitigen Beschäftigungspflicht oder der Arbeitsschutzpflicht nach § 618 BGB kann nichts anderes folgen.167 Wird der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nicht erfüllt, muss er vielmehr Leistungsklage erheben und seinen Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO oder § 940 ZPO durchsetzen.168 Bei Verletzung der Arbeitsschutzpflicht kann der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend machen und Fortzahlung der Vergütung verlangen, bis ein arbeitsschutzkonformer Zustand hergestellt wird.169 Kann der Arbeitnehmer die Tätigkeit, die der Arbeitgeber ihm wirksam mittels Weisung zugeteilt hat, nicht mehr

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So auch Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 109; auch Krieger/Rudnik/ Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (478) prüfen allein einen Anspruch auf Zustimmung; a. A. Baeck/Winzer/Schaaf, NZG 2021, 14 (16); Günther/Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186 (187); Müller, COVuR 2020, 332 (333). 166 Siehe § 311 Abs. 1 BGB: „Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.“; zum Erfordernis des Konsenses siehe Creifelds/Schmidt, Rechtswörterbuch, 26. Ed. 2021, Vertrag. Zur einseitigen Vertragsänderung durch den Arbeitgeber siehe auch Latzel, in: Vielfalt oder Chaos, 2013, 75 (77 ff.). 167 Auch nicht im Lichte des § 28b Abs. 7 S. 1 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021, siehe Visser/Voigt/ Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 109; im Hinblick auf § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO in der ursprünglichen Fassung Fuhlrott/Oltmanns, ArbRAktuell 2021, 64 (66); im Hinblick auf die 3-G-Nachweis-Pflicht am Arbeitsplatz in § 28b Abs. 1 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 Harländer/ Otte, NZA 2022, 160. 168 Vgl. zur Durchsetzung von Beschäftigungsansprüchen Germelmann/Matthes/Prütting/ Schleusener, ArbGG, § 62 Rn. 105; MHdbArbR/Reichold, 5. Aufl. 2021, § 92 Rn. 13; Kempter/Steinat, NZA 2016, 913 (914); siehe auch zum Klageantrag bei Begehren leidensgerechter Beschäftigung Notzon, öAT 2019, 180 (180 f.). 169 Siehe bereits Gliederungspunkt C. I. 3. a).

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ausüben, führt auch das nicht zu einer automatischen Änderung der Tätigkeit, auch hier ist eine neue, anderweitige Weisung des Arbeitgebers notwendig.170 Wenn in diesem Kapitel also von einem Recht auf Homeoffice die Rede ist, dann handelt es sich hierbei um ein Recht auf Zustimmung zur Verlagerung des Arbeitsortes an den heimischen Schreibtisch. Dieser Anspruch auf Zustimmung wiederum kommt in zwei Gestalten in Betracht: Es kann sich um einen Anspruch auf entsprechende Direktionsrechtsausübung oder aber um einen Vertragsanpassungsanspruch handeln. bb) Anspruch auf Zuweisung einer Tätigkeit im Homeoffice mittels Direktionsrechtsausübung oder Vertragsanpassung Der infizierte oder infektionsverdächtige Arbeitnehmer, der im Betrieb nicht tätig werden kann oder soll, könnte gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch darauf haben, dass ihm ein Arbeitsplatz im Homeoffice im Wege der Direktionsrechtsausübung zugewiesen wird. Soweit die Änderung des Arbeitsortes mittels Weisung nicht möglich ist, kommt ein Anspruch auf Vertragsanpassung in Betracht.171 (1) Kein Anspruch aus § 106 S. 1 GewO Zum Teil wird ein solcher Anspruch unmittelbar aus § 106 S. 1 GewO erwogen.172 Das überzeugt nicht: Schon seinem Wortlaut nach handelt es sich bei § 106 S. 1 GewO nicht um eine Anspruchsgrundlage, vielmehr begründet die Norm ein subjektives Gestaltungsrecht zugunsten des Arbeitgebers.173 Unmittelbar hieraus können keine Ansprüche des Arbeitnehmers hergeleitet werden.174 Zwar ist richtig, 170

MüKoBGB/Spinner, 8. Aufl. 2020, § 611a Rn. 931. Die Vertragsänderung ist dabei subsidiär gegenüber der Möglichkeit der Konkretisierung der Leistungspflichten mittels Weisung, vgl. Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 79. Denkbar ist ein solcher Anspruch auch auf Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, siehe Dahl/Göpfert/Helm/Reinhard/Hoffmann-Remy, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 3 Rn. 40; Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 3. Aufl. 2022, Rn. 107; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 105; Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (121). Ob dieser eingreift, hängt jedoch vom Umgang des Arbeitgebers mit anderen Arbeitnehmern ab, sodass der Anspruch vorliegend außer Acht bleiben soll. 172 Letztlich ablehnend Tödtmann/v. Bockelmann/Tödtmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 132. 173 So auch Tödtmann/v. Bockelmann/Tödtmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 132; siehe auch Dahl/Göpfert/Helm/Reinhard/Hoffmann-Remy, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 3 Rn. 38; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 103; Bauer/Opolony, BB 2002, 1590 (1591). 174 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18. 12. 2014 – 5 Sa 378/14, BeckRS 2015, 66249; Dahl/ Göpfert/Helm/Reinhard/Hoffmann-Remy, Praxisleitfaden Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, Kapitel 3 Rn. 38; noch weitergehend als hier auch Ansprüche aus § 241 Ab. 2 BGB verneinend Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 103. 171

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dass das Ermessen des Arbeitgebers dahingehend, welche Tätigkeit er zuweisen darf, auf null begrenzt sein kann.175 Gleichwohl bedarf es auch in diesen Fällen neben § 106 S. 1 GewO einer anspruchsbegründenden Norm, i. V. m. mit dem Arbeitsvertrag, auf die der Arbeitnehmer sich berufen kann. (2) Kein Anspruch aus § 618 Abs. 1 BGB Ein allgemeiner, pandemiebedingter Homeofficeanspruch unabhängig vom Bestehen einer Infektion oder eines Infektionsverdachts wird zuweilen aus § 618 Abs. 1 BGB hergeleitet.176 Dass diese Norm einen eigenständigen Erfüllungsanspruch begründet, ist weitgehend anerkannt.177 Praktisch relevanter noch ist das hieran anknüpfende Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers.178 Der Arbeitnehmer soll nach teilweise vertretener Ansicht auch bei Verweigerung einer Tätigkeit im Homeoffice ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB ausüben können, bis der Arbeitgeber durch Ermöglichung mobiler Arbeit einen arbeitsschutzkonformen Zustand herstellt.179 Für § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO i. d. F. v. 21. 1. 2021 sowie § 28b Abs. 7 S. 1 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 und § 28b Abs. 4 S. 1 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 wurde wie bereits erörtert vertreten, dass die Normen für ihren jeweiligen Geltungszeitraum und in ihrem Anwendungsbereich die Arbeitsschutzpflicht des Arbeitgebers dergestalt konkretisierten, dass nur eine Beschäftigung im Homeoffice arbeitsschutzkonform sein konnte, sodass auch ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB für möglich gehalten wurde.180 Schon vor Normierung dieser ausdrücklichen Angebotspflichten für den Arbeitgeber sah der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard i. d. F. v. 16. 4. 2020 vor, Büroarbeit sei nach Möglichkeit im Homeoffice auszuführen.181 Ob dies allerdings bereits dazu führte, dass ein arbeitsschutzkonformer Zustand nur bei Gewährung der Tätigkeit im Homeoffice 175 Siehe etwa Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 103; Bayer, ArbRAktuell 2020, 433 (434); Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (478); Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 (1115). 176 Günther/Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186 (187); Siebert/Pletke, öAT 2021, 96 (99); siehe auch die Erwägungen von Bertram/Walk/Falder, Arbeiten im Homeoffice in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 2. 177 Siehe hierzu bereits Gliederungspunkt C. I. 1. a). Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 251 weisen zwar darauf hin, dass die Norm „bei einer streng am Gesetzeswortlaut orientierten Betrachtung lediglich eine Pflicht des Dienstberechtigten und keinen Anspruch des Dienstverpflichteten“ begründe, schließen sich aufgrund der untrennbaren Verbindung zwischen Erfüllung der Pflichten nach § 618 Abs. 1 und 2 BGB und der Tätigkeit des Dienstverpflichteten gleichwohl der h. M. an. 178 Zur geringen praktischen Relevanz BeckOK ArbR/Joussen, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 618 BGB Rn. 35; ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rn. 16; MHdbArbR/Nebe, 5. Aufl. 2021, § 175 Rn. 18; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 Rn. 87; Staudinger/Richardi/ Fischinger, Neubearb. 2019, § 618 BGB Rn. 249. 179 Siebert/Pletke, öAT 2021, 96 (99). 180 Siehe oben Gliederungspunkt H. I. 3. b). 181 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard, II 1.

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erreicht werden konnte, ist angesichts des nicht unmittelbar verbindlichen Charakters der Norm fraglich.182 Nicht ganz fernliegend ist außerdem der Umkehrschluss aus der zeitlich begrenzten ausdrücklichen Normierung der Arbeitgeberpflicht zum Angebot der Homeofficetätigkeit in § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO und § 28b Abs. 7 (Abs. 4) S. 1 IfSG in den genannten Fassungen, dass eine solche Pflicht im Übrigen gerade nicht besteht.183 Auch betonte das ArbG Augsburg das freie Ermessen des Arbeitgebers dahingehend, wie er seine Arbeitsschutzpflichten erfüllt, und lehnte so einen Rechtsanspruch auf Homeoffice aus § 618 BGB auch in Zeiten der Pandemie ab.184 Auch das ArbG Kiel vermochte aus dem Zusammenspiel von SARS-CoV-2Arbeitsschutzstandard, SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel und den Pflichten des Arbeitgebers nach § 618 BGB keinen Zwang zum Homeoffice abzuleiten.185 Jedenfalls trägt die Argumentation anhand der Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers nicht im Falle des infizierten oder infektionsverdächtigen Arbeitnehmers: Die gesundheitliche Gefahr geht gerade von ihm aus, seine Schutzpflicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern – die der Betroffene als vertragsfremde Pflicht nicht über § 273 Abs. 1 BGB geltend machen könnte – erfüllt der Arbeitgeber durch Gewährleistung, dass der Betroffene aus dem Betrieb fernbleibt. Ob der betroffene Arbeitnehmer darüber hinaus im Homeoffice beschäftigt wird, ist eine vom Arbeitsschutzgedanken zu trennende Frage. (3) Das Recht auf Homeoffice als Recht auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz Anknüpfungspunkt für ein Recht auf Homeoffice des Arbeitnehmers, der aufgrund einer Infektion oder (Selbst-)Absonderung leistungsverhindert ist, könnte jedoch ein anderer sein: Der heimische Schreibtisch könnte, wenn eine Tätigkeit im Betrieb nicht möglich oder zumutbar ist, einen sog. leidensgerechten Arbeitsplatz darstellen, auf dessen Zuweisung der Arbeitnehmer einen Anspruch hat.186 In Be182 Ebenso Bertram/Walk/Falder, Arbeiten im Homeoffice in Zeiten von Corona, 2. Aufl. 2021, II 2; siehe auch ArbG Kiel, Urt. v. 11. 3. 2021 – 6 Ca 1912 c/20, BeckRS 2021, 7859 (Rn. 49). 183 So betont etwa das ArbG Siegburg, Urt. v. 18. 8. 2021 – 4 Ca 2301/20, COVuR 2021, 631 (633), dass die Regelung nach § 2 Abs. 4 CoronaArbSchVO nur vorübergehend bestand. 184 ArbG Augsburg, Urt. v. 7. 5. 2020 – 3 Ga 9/20, NZA-RR 2020, 417 (418). 185 ArbG Kiel, Urt. v. 11. 3. 2021 – 6 Ca 1912 c/20, BeckRS 2021, 7859 (Rn. 49). Nach Fuhlrott, NZA-RR 2021, 335 hätte die Entscheidung auch im Lichte der Homeofficepflicht, die zeitweise in § 28b Abs. 7 S. 1 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 normiert war, Bestand. 186 Auch Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 111; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (478); Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (121); Sievers, jM 2020, 189 (194) ziehen die enstprechende Entscheidungslinie zur Herleitung eines Rechts auf Homeoffice heran. Das LAG Hamburg hatte in Urt. v. 13. 10. 2021 – 7 Sa 23/21, BeckRS 2021, 35364 über einen etwaigen Schadensersatzanspruch nicht zu entscheiden, siehe dort Rn. 54, sodass die Entscheidung keine Rückschlüsse hinsichtlich eines Rechts auf Homeoffice als Recht auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz zulässt, zu weitgehend daher die Interpretation von Weigert, NZA-RR 2022, 53. Eher ablehnend LAG München, Urt. v. 26. 8. 2021 – 3 SaGa 13/ 21, BeckRS 2021, 24217 (Rn. 57 f.).

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tracht kommt dies selbstredend nur, wenn die Art der Arbeitsleistung auch eine Ausübung aus der Distanz gestattet.187 (a) Anspruch auf Änderung des Arbeitsortes im Wege der Direktionsrechtsausübung Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung leitet in Fällen, in denen der Arbeitnehmer aus in seiner Person liegenden, insbesondere gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, aus der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB eine Pflicht des Arbeitgebers her, von seinem Direktionsrecht erneut Gebrauch zu machen und die geschuldete Arbeitsleistung derart zu konkretisieren, dass dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung wieder möglich wird.188 Die Grenzen dieser Pflicht liegen in der Zumutbarkeit sowie der (rechtlichen) Unmöglichkeit.189 Voraussetzung soll neben dem Leistungshindernis sein, dass der Arbeitnehmer eine leidensgerechte Beschäftigung verlangt und dem Arbeitgeber mitteilt, wie er sich diese vorstellt.190 In der Literatur ist dies kritisch aufgenommen worden: Bereits die Herleitung einer Pflicht zur Neuausübung des Direktionsrechts aus § 241 Abs. 2 BGB wird bemängelt, vielmehr handle es sich um eine Nebenleistungspflicht aus § 241 Abs. 1 BGB.191 Teilweise geht man von einer vorgelagerten Hauptleistungspflicht aus.192 Auch wird bezweifelt, dass ein Verlangen des Arbeitnehmers hinsichtlich einer erneuten Weisung mit Angabe seiner Vorstellung zur leidensgerechten Tä187

Vgl. LAG München, Urt. v. 26. 8. 2021 – 3 SaGa 13/21, BeckRS 2021, 24217 (Rn. 57 f.). Ständ. Rspr., siehe etwa BAG, Urt. v. 3. 12. 2019 – 9 AZR 78/19, NZA 2020, 578 (580); Urt. v. 27. 5. 2015 – 5 AZR 88/14, NZA 2015, 1053 (1054 f.); Urt. v. 19. 5. 2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1121); Beschl. v. 15. 10. 2013 – 1 ABR 25/12, NZA 2014, 214 (216); LAG Köln, Urt. v. 18. 6. 2020 – 8 Sa 27/18, BeckRS 2020, 20125; LAG Nürnberg, Urt. v. 18. 4. 2018 – 2 Sa 408/17, BeckRS 2019, 13481; vgl. auch BAG, Urt. v. 22. 8. 2018 – 5 AZR 592/17, NZA 2019, 30 (32); zustimmend BeckOK BGB/Baumgärtner, 61. Ed. (Stand: 1. 2. 2022), § 615 Rn. 14; MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 22; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 34; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 85. Für Menschen mit Behinderung folgt ein entsprechendes Recht aus Art. 5 Richtlinie 2000/78/EG, vgl. EuGH, Urt. v. 10. 2. 2022 – C-485/20, NZA 2022, 335 (337); für Schwerbehinderte lässt es sich im deutschen Recht aus § 164 Abs. 4 Nr. 4 und 5 SGB IX herleiten, vgl. BAG, Urt. v. 14. 3. 2006 – 9 AZR 411/05, NZA 2006, 1214 (Ls. 1); Notzon, öAT 2019, 180. 189 BAG, Urt. v. 3. 12. 2019 – 9 AZR 78/19, NZA 2020, 578 (580); Urt. v. 27. 5. 2015 – 5 AZR 88/14, NZA 2015, 1053 (1054 f.); Urt. v. 19. 5. 2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1121); Beschl. v. 15. 10. 2013 – 1 ABR 25/12, NZA 2014, 214 (216); LAG Köln, Urt. v. 18. 6. 2020 – 8 Sa 27/18, BeckRS 2020, 20125; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 95 Rn. 29. 190 BAG, Urt. v. 27. 5. 2015 – 5 AZR 88/14, NZA 2015, 1053 (1054 f.); Urt. v. 19. 5. 2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1121); LAG Köln, Urt. v. 18. 6. 2020 – 8 Sa 27/18, BeckRS 2020, 20125; LAG Nürnberg, Urt. v. 18. 4. 2018 – 2 Sa 408/17, BeckRS 2019, 13481; MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 34; Schaub/Linck, ArbRHdb, 19. Aufl. 2021, § 95 Rn. 29. 191 So Greiner, NZA 2022, 665 (672); ders., RdA 2013, 9 (11); Kaiser, RdA 2015, 76 (79); Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (67). 192 Staudinger/Rieble, Neubearb. 2020, § 315 BGB Rn. 562. 188

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tigkeit tatsächlich Anspruchsvoraussetzung ist.193 Um den Anspruch auf leidensgerechte Beschäftigung entstehen zu lassen, sei ein solches nicht notwendig, lediglich in praktischer Hinsicht sei eine Mitteilung des Arbeitnehmers hinsichtlich seines Leidens geboten, um den Arbeitgeber in die Lage zu versetzen, eine dem gerecht werdende, neue Tätigkeit zuzuweisen.194 Insbesondere bei tatsächlicher Unmöglichkeit der Arbeitsleistung entstehe der Anspruch bereits mit deren Eintritt, bei Bestehen eines Leistungsverweigerungsrechts hingegen erst mit dessen Ausübung.195 Allerdings sei es dem Arbeitgeber nicht zumutbar, „dem Arbeitnehmer ins Blaue hinein Tätigkeiten zuzuweisen, von denen völlig unklar ist“, ob der Arbeitnehmer sie ausüben könne.196 (b) Erweiterung des Weisungsrechts aufgrund der Disponibilität des Grundrechtsschutzes Auch die Verlagerung der Tätigkeit ins Homeoffice kann sich als Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes darstellen – zwar wird nicht zwingend der Inhalt der Tätigkeit an den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers angepasst, wohl aber der Arbeitsort.197 Fraglich ist allerdings, ob überhaupt die Möglichkeit einer entsprechenden Neuausübung des Direktionsrechts besteht. Denn: Wie gesehen erstreckt sich das Direktionsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich und nach hier vertretener Ansicht auch im Pandemiefall nicht auf die Privatwohnung des Arbeitnehmers.198 Das Verlangen des Arbeitnehmers würde sich damit u. U. auf eine dem Arbeitgeber gar nicht mögliche Weisung richten.199 Allerdings scheitert das Direktionsrecht des Arbeitgebers maßgeblich am grundrechtlichen Schutz der Privatsphäre des Arbeitnehmers, sofern der Arbeitsvertrag keine Einschränkungen hinsichtlich des Leistungsortes enthält. Dieser Schutz ist für den Arbeitnehmer disponibel.200 Verlangt der Arbeitnehmer ausdrücklich Beschäftigung im Homeoffice, verzichtet er bewusst auf 193

Kaiser, RdA 2015, 76 (80 f.); Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (73). Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (73). Nach Kaiser, RdA 2015, 76 (80 f.) ist die Voraussetzung eines solchen Verlangens in der Lösung der Rechtsprechung über § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB nicht angelegt, folgt aber daraus, dass der befürwortete Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, 2, 286 eine Mahnung erfordert. 195 Kaiser, RdA 2015, 76 (80); Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (73). 196 Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (73). 197 Siehe LAG München, Urt. v. 26. 8. 2021 – 3 SaGa 13/21, BeckRS 2021, 24217 (Rn. 57); im Hinblick auf schwerbehinderte Arbeitnehmer LAG Niedersachsen, Urt. v. 6. 12. 2010 – 12 Sa 860/10, BeckRS 2011, 68917 (Ls. 1); siehe auch Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 110; Müller, COVuR 2020, 332 (333); Picker, ZfA 2019, 269 (281 f.); wohl auch Krieger/Rudnik/Povedano Peramoto, NZA 2020, 473 (478); Oberthür, MDR 2015, 1269; Sievers, jM 2020, 189 (194). 198 Siehe Gliederungspunkt H. I. 2. 199 Vgl. Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (14); ders., ZfA 2019, 269 (280). 200 Die Möglichkeit des Verzichts auf grundrechtlichen Schutz im Einzelfall ist im öffentlichen Recht heute grundsätzlich anerkannt, vgl. ErfK/Schmidt, 22. Aufl. 2022, GG Einl. Rn. 60; Sachs/Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Vorbem. zu Abschnitt I Rn. 53, 57; Fischinger, JuS 2007, 808 (809). 194

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den insoweit einschlägigen Grundrechtsschutz. Das Verlangen führt bei fehlender Eingrenzung des Arbeitsortes nicht zu einer Vertragsänderung, sondern vielmehr zu einer Erweiterung der Direktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers durch Erklärung des Arbeitnehmers. Dem Arbeitnehmer zuzubilligen, die Weisungsmöglichkeiten des Arbeitgebers durch einseitige Erklärung zu erweitern, mag auf den ersten Blick überraschen. Es ist jedoch zu sehen, dass sich die Erklärung des Arbeitnehmers nicht auf die inhaltliche Reichweite des Weisungsrechts auswirkt, sondern ihre Auswirkungen sich vielmehr erst auf Ebene der Billigkeit zeigen.201 Welche Orte als potentielle Leistungsorte vom Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst sind, ist durch Auslegung des Arbeitsvertrags zu ermitteln.202 Das BAG fasst die Möglichkeiten des Arbeitgebers hier regelmäßig weit.203 Grundsätzlich gilt bei fehlender Einschränkung eine bundesweite Versetzungsmöglichkeit an unterschiedliche Orte.204 Demnach wäre auch die Wohnung des Arbeitnehmers als den Parteien grundsätzlich zugänglicher Ort von der Reichweite des Direktionsrechts umfasst, soweit sich aus dem Arbeitsvertrag und dessen Auslegung nichts anderes ergibt. Die Weisung ist ohne Zustimmung des Arbeitnehmers allerdings aufgrund des Schutzes der privaten Lebenssphäre des Arbeitnehmers unbillig.205 Disponiert der Arbeitnehmer jedoch über diesen Schutz, ist die entsprechende Zuweisung nicht unbillig und die Wohnung damit möglicher Arbeitsort. Somit kann in diesem Kontext dahinstehen, ob ein Verlangen leidensgerechter Beschäftigung durch den Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruchsvoraussetzung ist oder nicht.206 Hier ist eine dahingehende Willensäußerung des Arbeitnehmers jedenfalls erforderlich, um die Privatwohnung erst in den Kreis der möglichen Tätigkeitsorte aufzunehmen.

201 Vgl. hinsichtlich dieser Differenzierung auch ArbG Berlin, Urt. v. 28. 6. 2006 – 30 Ca 23055/05, BeckRS 2008, 52775 (Rn. 44); Fliss, NZA-RR 2008, 225 (228); ähnlich auch Bayreuther, NZA 2021, 1593 (1594). 202 BeckOK ArbR/Tillmanns, 63. Ed. (Stand: 1. 3. 2022), § 106 GewO Rn. 22; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 27. 203 Selbst die Festlegung eines Arbeitsortes im Arbeitsvertrag soll nicht zwingend eine Beschränkung des Weisungsrechts des Arbeitgebers herbeiführen, siehe BAG, Urt. v. 18. 10. 2017 – 10 AZR 330/16, NZA 2017, 1452 (1454); auch bei der AGB-Kontrolle ist das BAG großzügig, siehe etwa Urt. v. 13. 4. 2010 – 9 AZR 36/09, NZA 2011, 64 (Ls.); siehe auch Bayreuther, NZA 2021, 1593 (1593). 204 ArbG Berlin, Urt. v. 28. 6. 2006 – 30 Ca 23055/05, BeckRS 2008, 52775 (Rn. 44); ErfK/ Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 27; Fliss, NZA-RR 2008, 225 (228); vgl. auch Bayreuther, NZA 2021, 1593 (sodann aber zweifelnd auf S. 1595); Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (971); sogar für die Zulässigkeit einer Versetzung in ganz Europa, was allerdings den Umständen des Einzelfalls geschuldet war, LAG Nürnberg, Urt. v. 12. 5. 2021 – 2 Sa 29/21, NZARR 2021, 344 (349); strenger Hromadka, NZA 2012, 233 (238 f.). 205 Siehe oben Gliederungspunkt H. I. 2. 206 Kritisch Kaiser, RdA 2015, 76 (80 f.); Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (73).

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Selbstredend dürfen die Interessen des Arbeitgebers nicht unberücksichtigt bleiben – eine Möglichkeit der einseitigen Erweiterung des Direktionsrechts durch Erklärung des Arbeitnehmers anzuerkennen und hieraus im Falle eines Leistungshindernisses in Bezug auf die bisherige Tätigkeit schlechterdings auch eine Direktionspflicht des Arbeitgebers herzuleiten, würde der Systematik des Arbeitsvertrages widersprechen. Die Möglichkeit einer Interessenabwägung eröffnet jedoch das von der Rechtsprechung genannte Tatbestandsmerkmal der Zumutbarkeit der leidensgerechten Beschäftigung für den Arbeitgeber.207 Auf dessen Seite sind hier insbesondere organisatorische und wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen.208 Die Einrichtung eines Homeofficearbeitsplatzes für den begrenzten Zeitraum von 10 – 14 Tagen, den die Leistungsunfähigkeit des infizierten oder abgesonderten Arbeitnehmers i. d. R. andauern wird, kann mit erheblichen Kosten und Anstrengungen verbunden sein, insbesondere wenn zuvor nicht im Homeoffice gearbeitet wurde. Sofern betriebliche Gründe der Tätigkeit nicht entgegenstehen – insbesondere, wenn bereits zuvor eine Tätigkeit im Homeoffice ermöglicht wurde, ohne dass dies zu einer Vertragsänderung geführt hätte – ist indes nicht ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer auf Grundlage des § 241 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB eine Beschäftigung im Homeoffice verlangen kann.209 Erwägenswert ist auch, ein Verschulden des Arbeitnehmers an der Verhinderung der üblicherweise geschuldeten Tätigkeit im Rahmen der Zumutbarkeit zu berücksichtigen. So wird etwa vorgeschlagen, den Homeofficeanspruch dann auszuschließen, wenn der Arbeitnehmer eine der Arbeitsleistung im Betrieb entgegenstehende Absonderung durch Impfung hätte verhindern können, allerdings ohne medizinische Kontraindikation von einer Impfung abgesehen hat.210 (c) Anspruch auf Änderung des Arbeitsortes durch Vertragsanpassung Ist der Arbeitsort hingegen vertraglich festgelegt, kommt eine entsprechende Direktionsrechtsausübung grundsätzlich nicht in Betracht – unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer über den zu seinen Gunsten greifenden Grundrechtsschutz disponiert. Erforderlich ist in diesem Fall eine Vertragsänderung.211 Auch hierauf kann zwar nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ein Anspruch bestehen: Aus 207 Zur Unzumutbarkeit als Anspruchsgrenze siehe Mückel/Hiebert, NZA 2010, 1259 (1260). 208 Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (74). 209 Befürwortend auch Brune, in: Coronakrise, 2021, S. 75 (95); Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (478); Müller, COVuR 2020, 332 (333); Schulze/Simon, ArbRAktuell 2021, 119 (121); siehe auch Günther/Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186 (187); ein Recht auf Homeoffice generell ablehnend Tödtmann/v. Bockelmann/Tödtmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021, B Rn. 135; Bonanni, ArbRB 2020, 110 (111); zurückhaltend auch Husemann, jM 2021, 274 (277); allein einen Vertragsanpassungsanspruch bejahend Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 102 f., 111 f. 210 Grimm, ArbRB 2021, 293 (294). 211 ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 106 GewO Rn. 28a; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (475); Picker, NZA-Beil. 2021, 4 (15).

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§ 241 Abs. 2 BGB folge keine Pflicht zu vertragsfremder Beschäftigung, allerdings könne es geboten sein, einem Wunsch des Arbeitnehmers nach Vertragsanpassung nachzukommen, insbesondere wenn anderenfalls das dauernde Leistungsunvermögen des Arbeitnehmers drohe.212 Während in der Literatur Einzelne unter Berücksichtigung einer Einstrahlungswirkung der kündigungsrechtlichen Weiterbeschäftigungspflicht nach § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG eine vertragliche Nebenleistungspflicht zur Vertragsanpassung aus § 241 Abs. 1 BGB herleiten213, lehnen andere eine solche Pflicht entschieden ab214. Die Pflicht zur Neuausübung des Direktionsrechts sei Kehrseite des § 106 GewO, sodass auch eine Anpassungslast nur in den Grenzen des Direktionsrechts bestehen könne.215 § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG sei eine bloße Obliegenheit des Arbeitgebers, die seine Gestaltungsmacht einschränke, aber aus der keine Pflicht zum Neuabschluss eines Vertrags folge.216 Die Anerkennung einer solchen Pflicht führe zu einem der deutschen Privatrechtsordnung grundsätzlich fremden Kontrahierungszwang.217 Dem ist zuzustimmen. Es kann nicht richtig sein, aus einem bestehenden Arbeitsvertrag die Nebenpflicht zum Abschluss eines anderen herzuleiten.218 Die Anmerkung, das BAG wolle „münchhausisch den Vertrag sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen lassen“219, bringt es auf den Punkt. Insbesondere überzeugt der Verweis auf die Regeln der Störung der Geschäftsgrundlage: § 313 Abs. 1 BGB ermöglicht die Berücksichtigung veränderter Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind und sieht auch einen Anpassungsanspruch vor – die Grenzen der Norm sind indes zu achten.220 Die Wertung des Kündigungsschutzrechts, nach der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei Unmöglichkeit der Leistungserbringung wahrzunehmen sind, findet auch in diesem Rahmen Berücksichtigung, da sie es – neben anderen Regelungen wie § 3 Abs. 1 EFZG – er-

212 BAG, Urt. v. 3. 12. 2019 – 9 AZR 78/19, NZA 2020, 578 (581); vgl. auch BAG, Urt. v. 19. 5. 2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1121); Urt. v. 13. 8. 2009 – 6 AZR 330/08, NZARR 2010, 420 (423). 213 Greiner, RdA 2013, 9 (14); unkritisch auch Picker, ZfA 2019, 269 (281). 214 Siehe Staudinger/Rieble, Neubearb. 2020, § 315 BGB Rn. 556; Boecken, RdA 2012, 210 (213); Kaiser, RdA 2015, 76 (81 f.); Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (68); Verstege, AP BGB § 241 Nr. 4; kritisch auch Arnold, ArbRAktuell 2010, 41; Latzel, in: Vielfalt oder Chaos, 2013, S. 75 (110 ff.); offen gelassen von Mückel/Hiebert, NZA 2010, 1259. 215 Kaiser, RdA 2015, 76 (82). 216 Kaiser, RdA 2015, 76 (82); ebenso Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (68 f.); vgl. auch Latzel, in: Vielfalt oder Chaos, 2013, S. 75 (114). 217 Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (69). 218 So auch Greiner, RdA 2013, 9 (14), der sich dann aber gleichwohl der Ansicht des BAG anschließt. 219 Staudinger/Rieble, Neubearb. 2020, § 315 BGB Rn. 556. 220 So i. E. Staudinger/Rieble, Neubearb. 2020, § 315 BGB Rn. 556; Kaiser, RdA 2015, 76 (82); Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (69); vgl. auch Latzel, in: Vielfalt oder Chaos, 2013, S. 75 (114 f.).

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möglicht, die gesundheitsbedingte Leistungsunfähigkeit nicht als Umstand anzusehen, der allein in die Risikosphäre des Arbeitgebers fällt.221 Die bisherige Diskussion bezieht sich darüber hinaus erkennbar auf Fälle, in denen eine andauernde Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers besteht. Die unterstellte Einstrahlungswirkung des Kündigungsschutzrechts auf § 241 Abs. 1 BGB kommt nur dort zum Tragen, wo eine Kündigung tatsächlich im Raume steht, und auch die Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB zielt darauf ab, die drohende Beendigung des Vertrages zu verhindern. Besteht allerdings Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus oder eines dahingehenden Infektionsverdachts, so erstreckt sie sich lediglich auf einen überschaubaren Zeitraum und wird i. d. R. nicht zum Erwägen einer Vertragsbeendigung führen. Ob die Gedanken hinsichtlich eines leidensbedingten Anspruchs auf Vertragsanpassung auf diese Situation übertragbar sind, ist fraglich. Zwar nennt das BAG die Dauerhaftigkeit des Unvermögens des Arbeitnehmers nicht konsequent, und darüber hinaus lediglich beispielhaft als Auslöser eines solchen Anpassungsanspruchs.222 Eine gewisse Dauer, jedenfalls eine gewisse Erheblichkeit der arbeitnehmerseitigen Beeinträchtigung ist aber unbedingt zu fordern, um abweichend vom Grundsatz pacta sunt servanda einen Vertragsanpassungsanspruch zu begründen. In § 313 Abs. 1 BGB ist dies im Merkmal der schwerwiegenden Veränderung bereits angelegt. Dass das vorübergehende, bei Ausbleiben schwerer Verläufe i. d. R. nicht länger als zwei Wochen andauernde Leistungshindernis eine solch schwerwiegende Veränderung darstellt, darf bezweifelt werden. Vorübergehende Leistungshindernisse bei der Durchführung des Arbeitsvertrags sind vom Gesetzgeber berücksichtigt worden und daher i. d. R. unter Berücksichtigung der gesetzlichen Verteilung des Vergütungsrisikos hinzunehmen. Das grundrechtlich geschützte Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers ändert an dieser Wertung nichts, ist seine Beeinträchtigung aufgrund des begrenzten Zeitraums doch gering und besteht der Schutz weiterhin grundsätzlich nur in den Grenzen des geschlossenen Vertrags. Ein Anpassungsbedarf und -anspruch ist mithin bei nur vorübergehendem Leistungshindernis und somit auch im Falle der Coronavirusinfektion oder deren Verdacht in aller Regel abzulehnen.223 221

Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (70). Dauerhaftes Unvermögen genannt in BAG, Urt. v. 3. 12. 2019 – 9 AZR 78/19, NZA 2020, 578 (581); lediglich von Unvermögen ist hingegen auch in BAG, Urt. v. 19. 5. 2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1121); Urt. v. 13. 8. 2009 – 6 AZR 330/08, NZA-RR 2010, 420 (423) die Rede. 223 Demgegenüber befürworten mehrere Stimmen in der Literatur einen Vertragsanpassungsanspruch etwa aufgrund von Vorerkrankungen oder Betreuungspflichten, wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich hierbei aufgrund der Dauer der Pandemie um längerfristige Einschränkungen handelt, siehe etwa Kollmer/Klindt/Schucht/Kollmer, ArbSchG, 4. Aufl. 2021, Vor § 1 Rn. 150; Visser/Voigt/Vraetz, Homeoffice, 1. Aufl. 2021, S. 111 f.; Krieger/ Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473 (478); Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017 (1018). 222

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(d) Finanzielle Folgen einer unberechtigten Verweigerung des Arbeitgebers Sofern im Einzelfall ein Recht auf Homeoffice i. S. e. Rechts auf Neuausübung des Direktionsrechts besteht, wirkt sich das auch auf die Verteilung des Vergütungsrisikos bei Leistungsausfall aus. In der Vergangenheit nahm das BAG an, die Nichtzuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes führe zum Annahmeverzug des Arbeitgebers.224 Hieran wird heute nicht mehr festgehalten: Das Angebot einer anderen als vom (ggf. durch Weisungen konkretisierten) Arbeitsvertrag umfassten Leistung sei ohne Belang.225 Die Aufgabe der Annahmeverzugsrechtsprechung ist zu begrüßen, insbesondere ist in der Aufforderung zur Neukonkretisierung der Tätigkeit bei auf Seiten des Arbeitnehmers eintretender Leistungsunfähigkeit kein Angebot i. S. d. § 295 S. 2 BGB zu sehen.226 Die erforderliche Handlung des Gläubigers nach § 295 S. 2 BGB ist eine solche, die zur Bewirkung der Leistung erforderlich ist, siehe § 295 S. 1 BGB. Die Leistung ist aber nur diejenige, die nach Ausübung des Direktionsrechts geschuldet ist, nicht jede Leistung, die rahmenmäßig vom Arbeitsvertrag umschrieben ist. Jede andere Beurteilung würde die Bedeutung des Weisungsrechts verkennen und letztlich darauf hinauslaufen, dass der Arbeitnehmer selbst die geschuldete Arbeitsleistung bestimmen könnte.227 Auch eine Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs nach § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB ist abzulehnen.228 Denn für den Umstand, der den Arbeitnehmer an der geschuldeten Leistung hindert – in diesem Kontext die Coronavirusinfektion oder verdachtsbedingte Absonderung des Arbeitnehmers – ist der Arbeitgeber in aller Regel nicht verantwortlich. Stattdessen befürwortet die Rechtsprechung einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.229 In der Literatur werden andere Lösungen vorgeschlagen: Dass die Pflicht zur Neuausübung des Direktionsrechts als Leistungspflicht i. S. d. § 241 Abs. 1 BGB verstanden wird, wirkt sich auf die schadenser224 BAG, Urt. v. 27. 8. 2008 – 5 AZR 16/08, NZA 2008, 1410 (1411); Urt. v. 18. 12. 1986 – 2 AZR 34/86, AP BGB § 297 Nr. 2; wohl auch Urt. v. 4. 10. 2005 – 9 AZR 632/04, NJW 2006, 1691 (1692), allerdings im Hinblick auf einen Arbeitnehmer mit Behinderung; Urt. v. 24. 9. 2003 – 5 AZR 282/02, NZA 2003, 1332 (1334); LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23. 5. 2007 – 6 Sa 362/06, BeckRS 2007, 45550. 225 Siehe BAG, Urt. v. 27. 5. 2015 – 5 AZR 88/14, NZA 2015, 1053 (1054); Urt. v. 19. 5. 2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1120 f.); LAG Köln, Urt. v. 18. 6. 2020 – 8 Sa 27/18, BeckRS 2020, 20125 (Rn. 69). 226 A. A. Kaiser, RdA 2015, 76 (83, 87). 227 BAG, Urt. v. 19. 5. 2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1120). 228 A. A. Betz, NZA 2017, 151 (154) 229 BAG, Urt. v. 14. 10. 2020 – 5 AZR 649/19, NZA 2021, 406 (409); Urt. v. 27. 5. 2015 – 5 AZR 88/14, NZA 2015, 1053 (1054 f.); Urt. v. 19. 5. 2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1121); Urt. v. 13. 8. 2009 – 6 AZR 330/08, NZA-RR 2010, 420 (423); LAG Köln, Urt. v. 18. 6. 2020 – 8 Sa 27/18, BeckRS 2020, 20125; BeckOK BGB/Baumgärtner, 61. Ed. (Stand: 1. 2. 2022), § 615 Rn. 14; siehe auch MHdbArbR/Tillmanns, 5. Aufl. 2021, § 76 Rn. 22; Schaub/ Linck, ArbR-Hdb, 18. Aufl. 2019, § 95 Rn. 29; Staudinger/Richardi/Fischinger, Neubearb. 2019, § 615 BGB Rn. 85; vgl. auch MüKoBGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 615 Rn. 34.

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satzanspruchsbegründenden Normen aus230. Vorgeschlagen werden ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB231, aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB232 sowie aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB233. Die Einordnung hängt nicht zuletzt vom Verständnis des Charakters der hier durch den Arbeitgeber geschuldeten Leistung ab.234 Da im fortlaufenden Arbeitsverhältnis nicht täglich eine aktive Direktionsrechtsausübung geschuldet ist235 und die ursprüngliche Zuweisung einer Tätigkeit, zu welcher der Arbeitnehmer nunmehr nicht mehr in der Lage ist, ihre Gültigkeit und Billigkeit nicht nachträglich verliert236, liegt es nahe, den Pflichtenverstoß nicht in einer Nichtleistung, sondern vielmehr einer Verzögerung der geschuldeten Leistung zu sehen und dem Arbeitnehmer daher einen Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB zu gewähren.237 Ordnet man die Leistungsbestimmungspflicht (ebenso wie die Arbeitsleistungspflicht des Arbeitnehmers) demgegenüber als Dauerpflicht des Arbeitgebers und als absolute Fixschuld ein, wird sie mit Ablauf des jeweiligen Zeitabschnitts unmöglich – richtige Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch ist dann §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB.238 Jedenfalls besteht der Anspruch, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, in Höhe des durch Nichtzuweisung der Tätigkeit entgangenen Entgelts.239 Ein Schadensersatzanspruch

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Greiner, RdA 2013, 9 (11); Kreutzberg-Kowalczyk, RdA 2021, 65 (67). Kaiser, RdA 2015, 76 (79). 232 Greiner, RdA 2013, 9 (12). 233 Staudinger/Rieble, Neubearb. 2020, § 315 BGB Rn. 564. 234 Zur Abgrenzung der Schadensersatznormen voneinander wird vorliegend der von der h. M. vertretene Ansatz herangezogen, nachdem der Schadensersatz statt der Leistung nur denjenigen Schaden umfasst, der auf dem endgültigen Ausbleiben der Leistung beruht, derjenige neben der Leistung hingegen den Schaden, der unabhängig von dem endgültigen Ausbleiben der Leistung eingetreten ist, vgl. etwa BeckOK BGB/Lorenz, 61. Ed. (Stand: 1. 2. 2022), § 280 Rn. 28; Erman/Ulber, 16. Aufl. 2020, § 280 BGB Rn. 14; Schulze/Schulze, BGB, 11. Aufl. 2021, § 280 Rn. 4; Lorenz, NJW 2002, 2497 (2500). 235 In diese Richtung äußern sich Staudinger/Feldmann, Neubearb. 2019, § 296 Rn. 4; Boemke, RdA 2017, 192 (198 f.) im Hinblick auf die Einordnung der Direktionsausübung durch den Arbeitgeber als Mitwirkungshandlung i. S. d. § 296 BGB. 236 Greiner, RdA 2013, 9 (13). 237 Kaiser, RdA 2015, 76 (79); siehe auch BAG, Urt. v. 27. 8. 2008 – 5 AZR 16/08, NZA 2008, 1410 (1411). 238 Staudinger/Rieble, Neubearb. 2020, § 315 BGB Rn. 564. In diese Richtung scheint sich auch das BAG bewegt zu haben, wie eine aktuelle Entscheidung – in welcher der Schadensersatzanspruch jedoch letztlich ohnehin nicht bestand – zeigt: BAG, Urt. v. 15. 6. 2021 – 9 AZR 217/20, NZA 2021, 1625 (1632). 239 Kaiser, RdA 2015, 76 (79, 87); für §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ebenfalls BAG, Urt. v. 27. 5. 2015 – 5 AZR 88/14, NZA 2015, 1053 (1054); Urt. v. 19. 5. 2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1121); Urt. v. 13. 8. 2009 – 6 AZR 330/08, NZA-RR 2010, 420 (423). Demgegenüber für Wertersatz über § 251 BGB für die Zeit vor Rechtskraft des Urteils Greiner, RdA 2013, 9 (15). Zur Problematik der Bemessung des Anspruchs Staudinger/Rieble, Neubearb. 2020, § 315 BGB Rn. 566, die sich vorliegend indes nicht stellt, wenn für die Tätigkeit im Homeoffice dasselbe Entgelt geschuldet ist wie für die Tätigkeit im Betrieb. 231

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in entsprechender Höhe wäre auch im Falle eines Vertragsanpassungsanspruchs denkbar, der hier indes in der Regel nicht bestehen wird.240 Im Kontext des wegen einer Coronavirusinfektion oder ihres Verdachts ausfallenden Arbeitnehmers ist die Relevanz dieses Anspruchs allerdings insoweit eingeschränkt, als dort kein Schaden entsteht, weil der Arbeitnehmer Lohnfortzahlung oder eine Verdienstausfallentschädigung erhält – nur, wo dies nicht der Fall ist, kann der Schadensersatzanspruch zum Tragen kommen. Eine mögliche Konstellation ist diejenige des infektionsverdächtigen Arbeitnehmers, der berechtigterweise die Leistung im Betrieb verweigert, ohne dabei von einer hoheitlichen Absonderungsanordnung betroffen zu sein. Jedenfalls vor Neufassung des § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG, der nun auch die vorsorgliche Selbstisolation erfasst, konnte dies zum Vergütungsausfall und damit zu einem Schaden für den Arbeitnehmer führen. Unklar ist darüber hinaus auch das Verhältnis des Entschädigungsanspruchs nach § 56 IfSG zu dem Schadensersatzanspruch wegen Nichtzuweisung einer Tätigkeit im Homeoffice. Einen Verdienstausfall erleidet der betroffene Arbeitnehmer streng genommen schon, schließlich handelt es sich bei dem aus der Nichtzuweisung des leidensgerechten Arbeitsplatzes im Homeoffice folgenden Anspruch nicht um Arbeitsverdienst, sondern um Schadensersatz. Angesichts des Regelungszwecks des § 56 IfSG, der nur subsidiär zur finanziellen Absicherung Betroffener eingreifen soll241, könnte hier allerdings eine erweiterte Interpretation des Verdienstbegriffs angezeigt sein. Ob über den Schadensersatz hinaus auch eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs auf leidensgerechte Beschäftigung derart möglich ist, dass das Gericht in Anwendung des § 315 Abs. 2 S. 2 BGB eine Entscheidung anstelle des Arbeitgebers treffen kann, ist angesichts der insoweit strengen Rechtsprechung des BAG ungewiss.242 (4) Recht auf Homeoffice bei Infektionsverdacht: Das Spannungsfeld zwischen Freistellung und Homeoffice Die Rechtsprechung sowie die sich hieran anschließende Diskussion in der rechtswissenschaftlichen Literatur hinsichtlich des leidensgerechten Arbeitsplatzes 240 Das BAG leitet auch in diesem Falle den Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB her, siehe BAG, Urt. v. 19. 5. 2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 (1121); Urt. v. 13. 8. 2009 – 6 AZR 330/08, NZA-RR 2010, 420 (423). A. A. Kaiser, RdA 2015, 76 (81 f.), die auf die Gefahr der Umgehung des § 313 Abs. 1 BGB hinweist. Auch die Verletzung einer Vertragsanpassungspflicht nach § 313 Abs. 1 BGB kann indes schadensersatzbewehrt sein, siehe BGH, Urt. v. 30. 9. 2011 – V ZR 17/11, NJW 2012, 373 (376); Riesenhuber, BB 2004, 2697 (2699); Erman/Ulber, 16. Aufl. 2020, § 280 BGB Rn. 59; nur in engen Grenzen Erman/ Böttcher, 16. Aufl. 2020, § 313 BGB Rn. 41a; einschränkend auch MüKoBGB/Finkenauer, 8. Aufl. 2019, § 313 Rn. 123; zweifelnd Dauner-Lieb/Dötsch, NJW 2003, 921 (926). 241 Siehe Gliederungspunkt F. I. 2. a) aa) (3). 242 In BAG, Urt. v. 18. 10. 2017 – 10 AZR 330/16, NZA 2017, 1452 (1461) hat das Gericht eine gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung für unzulässig erklärt. Allerdings werden gewichtige Argumente für eine andere Beurteilung im Falle der Ermessensreduzierung auf Null vorgebracht, siehe Schwarz, NZA-RR 2021, 633 (634).

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bezieht sich auf Fälle, in denen die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers für die bisherige Tätigkeit weggefallen ist. Das entspricht der Situation des hoheitlich abgesonderten Arbeitnehmers und nach hier vertretener Ansicht i. d. R. auch des ohne Absonderung nachweislich infizierten Arbeitnehmers, sofern der Tätigkeitsort die Betriebsstätte ist.243 Weiterhin sind die Grundsätze ohne weiteres auf den Fall erstreckbar, dass der Arbeitnehmer seine Leistung bedingt durch den Infektionsverdacht berechtigterweise verweigert, denn die Unzumutbarkeit der bisherigen Leistung steht der Unmöglichkeit insoweit gleich. Fraglich ist indes, ob diese Grundsätze auch im Falle des leistungsfähigen Arbeitnehmers bzw. desjenigen, dessen Leistungsfähigkeit (noch) ungeklärt ist, zum Tragen kommen können, wenn der Arbeitsausfall auf einer Entscheidung des Arbeitgebers beruht. Es geht insbesondere um einen möglichen Anspruch infektionsverdächtiger, aber nicht abgesonderter und weiterhin leistungsbereiter Arbeitnehmer darauf, im Homeoffice beschäftigt zu werden, bis der Arbeitgeber wieder bereit ist, sie im Betrieb einzusetzen. Die Thematik bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen der Möglichkeit zur Beschäftigung im Homeoffice – die durch Zustimmung des Arbeitnehmers eröffnet werden muss – und dem Recht des Arbeitgebers, aufgrund der Infektionsgefahr vorübergehend von einer Beschäftigung des Arbeitnehmers abzusehen. Oben wurde ein Freistellungsrecht des Arbeitgebers bei konkretem Infektionsverdacht grundsätzlich bejaht, mithin ein durchsetzbarer Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers abgelehnt.244 Fraglich ist, inwiefern diese Beurteilung bei Bestehen der Möglichkeit einer Beschäftigung im Homeoffice anzupassen ist. Die Zuweisung einer Homeofficetätigkeit könnte sich als milderes Mittel gegenüber der Freistellung darstellen und das Freistellungsrecht somit eingrenzen. Letztlich ist zu differenzieren: In den oben diskutierten Fällen der Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers, etwa wegen Infektion oder Absonderung, führt die Unmöglichkeit der Erbringung der bislang geschuldeten Tätigkeit zu deren Ausbleiben; auf ein Freistellungsrecht des Arbeitgebers kommt es hier nicht an.245 Da kein Entzug der bisherigen Tätigkeit vorliegt, sondern deren Ausführung vielmehr aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers unmöglich ist, hat der Arbeitgeber seine Pflicht zum Angebot einer vertragsgemäßen Beschäftigung erfüllt.246 Ein Anspruch auf anderweitige Beschäftigung kann nur über den geschilderten Umweg, d. h. über §§ 241 Abs. 1 respektive Abs. 2 BGB, bei notwendiger Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB bestehen, sekundär ist Schadensersatz möglich. Ist es indes die Freistellungserklärung des Arbeitgebers, die zum Ausbleiben der Leistung führt, weil der Arbeitnehmer nicht (nachgewiesenermaßen) leistungsunfähig ist, ist die Lage anders zu beurteilen. In diesem Fall entzieht der Arbeitgeber die 243 244 245 246

Zur Leistungsunfähigkeit in diesen Fällen siehe Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (1). Siehe Gliederungspunkt E. I. 2. a) bb). Siehe E. I. 2. b) aa), bb) (1). Vgl. Greiner, RdA 2013, 9 (14).

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bisher zugewiesene Beschäftigung. Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers besteht dann grundsätzlich wieder.247 Ist allein eine Tätigkeit im Betrieb möglich, ist er i. d. R. aufgrund überwiegender Interessen des Arbeitgebers nicht durchsetzbar.248 Tritt hingegen die Möglichkeit der Beschäftigung im Homeoffice hinzu, etwa weil diese schon im Arbeitsvertrag ausdrücklich vorgesehen ist, oder aber der Arbeitsort nicht präzisiert ist und der Arbeitnehmer seine Zustimmung erteilt, ist dies in der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Stehen der Verlagerung der Tätigkeit ins Homeoffice keine überwiegenden Interessen des Arbeitgebers entgegen – auch hier dürften organisatorische und wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein – besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf entsprechende Beschäftigung. Dieser kann im einstweiligen Rechtsschutz geltend gemacht werden.249 Auf der Ebene des Vergütungsanspruchs ändert dies nichts gegenüber den Feststellungen, die im Kontext der Freistellung getroffen wurden: Da das Freistellungsrecht des Arbeitgebers und der Annahmeverzug richtigerweise nicht gleichlaufen250, wurde oben ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn nach §§ 611a Abs. 2, 615 S. 1 BGB auch bei fehlender Beschäftigungsmöglichkeit im Homeoffice bejaht.251 Bietet der Arbeitnehmer die Tätigkeit im Homeoffice an, ist dies – anders als im Falle des leidensgerechten Arbeitsplatzes, wo die geschuldete Tätigkeit gerade anderweitig konkretisiert war – ein Angebot einer vertragsgemäßen Leistung, das mithin auch den Annahmeverzug begründen kann.252 Für Schadensersatz in Geld ist hierneben kein Raum: Zum einen kann über die Verletzung des Beschäftigungsanspruch keine entgangene Vergütung als Schaden geltend gemacht werden.253 Zum anderen besteht ein solcher Schaden nicht, wenn Annahmever247

Auch Greiner, RdA 2013, 9 (14) differenziert zwischen Fällen, in denen „der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Verletzung seines Geltungsanspruchs nicht beschäftigen will“ und Fällen in denen „der Arbeitnehmer die ihm zugewiesene vertragsgemäße Aufgabe nicht ausüben kann.“ 248 Siehe zum Verweigerungs- bzw. Freistellungsrecht des Arbeitgebers Gliederungspunkt E. I. 2. a) bb). 249 Bauer/Baeck, NZA 1989, 784 (786); Hoß/Lohr, BB 1998, 2575 (2576); siehe etwa LAG Hamm, Urt. v. 5. 2. 2021 – 12 SaGa 1/21, BeckRS 2021, 3155. 250 Vgl. LAG Hessen, Urt. v. 24. 1. 2011 – 16 Sa 1041/10, BeckRS 2011, 68913. 251 Siehe Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (2). 252 Auch das ArbG Hamburg, Urt. v. 23. 3. 2021 – 15 Ca 566/20, BeckRS 2021, 16770 (Rn. 26) bejaht bei vorherigem Entzug der Tätigkeit durch den Arbeitgeber und anschließendem Angebot einer Tätigkeit im Homeoffice durch den Arbeitnehmer den Annahmeverzug. Im konkreten Fall ist indes durchaus zu erwägen, ob nicht eine Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers gegeben und die Lösung daher in der Rechtsprechung zum leidensgerechten Arbeitsplatz zu suchen war, in diese Richtung etwa in einem ähnlich gelagerten Fall in ArbG Siegburg, Urt. v. 18. 8. 2021 – 4 Ca 2301/20, COVuR 2021, 631 (633). Siehe auch Fischinger/ Hengstberger, JA 2020, 561 (566), die allerdings anders als hier auch bei in Bezug auf die bisherige Tätigkeit im Betrieb eintretender Leistungsunfähigkeit von Annahmeverzug ausgehen. 253 BAG, Urt. v. 24. 6. 2015 – 5 AZR 462/14, NZA 2016, 108 (109); Kaiser, RdA 2015, 76 (78).

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zugslohn geschuldet ist. Auch ein über den entgangenen Verdienst hinausgehender, immaterieller Schaden ist mangels Schwere der Verletzung des dem Beschäftigungsanspruchs zugrundeliegenden Allgemeinen Persönlichkeitsrechts254 abzulehnen.255 Wieder anders ist es indes zu beurteilen, wenn der infektionsverdächtige Arbeitnehmer, der leistungsfähig oder jedenfalls nicht nachgewiesenermaßen leistungsunfähig ist, im Homeoffice tätig werden will, eine solche Tätigkeit aber nicht den Vorgaben des Arbeitsvertrags entspricht. Einen Beschäftigungsanspruch könnte der Arbeitnehmer nur nach Vertragsanpassung haben. Ein Anspruch hierauf nach § 313 Abs. 1 BGB wird jedoch wie gesehen in der Regel nicht bestehen.256 Das gilt umso mehr als der Betroffene regelmäßig Lohnfortzahlung nach § 611a Abs. 2, 615 S. 1 BGB erhält.257 4. Zwischenergebnis Nach der gesetzlichen Ausgangslage vor Beginn der Pandemie hatte weder der Arbeitgeber ein Recht, eine Tätigkeit im Homeoffice ohne entsprechende Vereinbarung einseitig auf Grundlage seines Weisungsrechts anzuordnen, noch hatte der Arbeitnehmer grundsätzlich ein sog. Recht auf Homeoffice. Gesetzliche Anpassungen im Verlauf der Pandemie galten nur vorübergehend – namentlich sahen § 2 Abs. 4 der CoronaArbSchV in der ursprünglichen Fassung und § 28b Abs. 7 S. 1 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 bzw. § 28b Abs. 4 S. 1 IfSG i. d. F. v. 22. 11. 2021 eine Angebotspflicht des Arbeitsgebers vor, § 28b Abs. 7 (bzw. Abs. 4) S. 2 IfSG in den genannten Fassungen darüber hinaus eine Pflicht des Beschäftigten, dieses Angebot auch anzunehmen. Auf beiden Seiten konnten entgegenstehende Gründe vorgebracht werden, die Hürden zur Ablehnung für den Arbeitnehmer waren gering. Auch außerhalb des Geltungsbereichs dieser Normen wurde die Möglichkeit der einseitigen 254 Eine schwerwiegende Verletzung ist Voraussetzung für einen hierauf gestützten Schadensersatzanspruch, siehe ständ. Rspr. hinsichtlich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Allgemeinen, BGH, Urt. v. 17. 12. 2013 – VI ZR 211/12, MMR 2015, 137 (138); Urt. v. 5. 10. 2004 – VI ZR 255/03, GRUR 2005, 179 (181); Urt. v. 15. 11. 1994 – VI ZR 56/94, NJW 1995, 861 (864); Urt. v. 15. 12. 1987 – VI ZR 35/87, NJW-RR 1988, 733; siehe hierzu auch BVerfG, Beschl. v. 11. 11. 2009 – 1 BvR 2853/08, NJW 2010, 433 (434); in Bezug auf den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers auch LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 1. 9. 2020 – 6 Sa 431/19, BeckRS 2020, 27328 (Rn. 56); LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 17. 6. 2011 – 12 Sa 1/10, juris (Rn. 184). 255 Der Gedanke hinter dem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers ist derjenige, die Achtung und Anerkennung des Arbeitnehmers als Mensch beruhe weitgehend darauf, dass er die ihm obliegenden Aufgaben erfülle, BAG, Beschl. v. 27. 2. 1985 – GS 1/84, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14; Urt. v. 10. 11. 1955 – 2 AZR 591/54, NJW 1956, 359 (360). Bei nur vorübergehender, kurzfristiger Nichtbeschäftigung sind diese Schutzgüter indes noch nicht gravierend beeinträchtigt, BAG, Beschl. v. 27. 2. 1985 – GS 1/84, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14. 256 Siehe Gliederungspunkt H. I. 3. c) bb) (3) (c). 257 Siehe zur Freistellung des Infektionsverdächtigen Gliederungspunkt E. I. 2. b) bb) (2).

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H. Tätigkeit im Homeoffice

Einführung von Homeoffice durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer diskutiert. Ein dahingehendes Weisungsrecht des Arbeitgebers ist aufgrund des grundrechtlichen Schutzes der persönlichen Lebenssphäre jedoch grundsätzlich abzulehnen. Das gilt auch in Zeiten der Pandemie. Weder die zeitliche Begrenzung der Maßnahme noch die Notwendigkeit des Fernbleibens des Arbeitnehmers aus dem Betrieb rechtfertigen eine andere Bewertung. Abweichendes kann nur in echten Notund Ausnahmesituationen gelten, wenn die Möglichkeit der Fortführung des Betriebs bei Verweigerung der Tätigkeit im Homeoffice gefährdet ist. Im Hinblick auf ein Recht auf Homeoffice auf Seiten des Arbeitnehmers ist zu differenzieren: Zwar kann ein solches weder unmittelbar aus § 106 S. 1 GewO, noch aus § 618 Abs. 1 BGB hergeleitet werden, denkbar ist aber durchaus ein Anspruch auf Tätigkeit im Homeoffice als Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz nach § 241 Abs. 1 respektive Abs. 2 BGB, sofern der Arbeitsort vertraglich nicht konkretisiert und der Arbeitnehmer tatsächlich leistungsverhindert ist. Das gilt indes nur, wenn der Arbeitnehmer eine entsprechende Zuweisung verlangt und somit seine persönliche Lebenssphäre freiwillig zur Verfügung stellt. Auch dann sind die Interessen des Arbeitgebers im Rahmen einer Zumutbarkeitsprüfung zu berücksichtigen und können einem entsprechenden Anspruch entgegenstehen. Wird ein Recht auf Beschäftigung im Homeoffice in diesem Fall bejaht und verletzt, steht dem Arbeitnehmer Schadensersatz in Höhe des entgangenen Verdienstes zu, soweit denn mangels anderweitig eingreifender Ansprüche ein materieller Schaden entsteht. Basiert das Ausbleiben der Beschäftigung im Betrieb nicht auf einer infektionsoder infektionsverdachtsbedingten Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers, sondern vielmehr auf einem Entzug der bisherigen Tätigkeit durch den Arbeitgeber, lebt hingegen der allgemeine, vertragliche Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers auf und die Ablehnung einer Tätigkeit im Homeoffice kann den Annahmeverzug des Arbeitgebers begründen. Anders ist die Sachlage, wenn der Arbeitsort vertraglich festgelegt ist. Für eine Verlagerung der Tätigkeit ins Homeoffice bedarf es dann der Vertragsänderung, auf die der Arbeitnehmer nur nach Maßgabe des § 313 Abs. 1 BGB einen Anspruch haben kann. Dessen Voraussetzungen werden im Falle des Leistungsausfalls wegen Infektion oder Infektionsverdacht i. d. R. nicht gegeben sein.

II. Frankreich Von einem „Randphänomen“258 hat sich die Telearbeit während der Coronapandemie vorübergehend hin zu einer gängigen Arbeitsweise entwickelt.259 Diese 258 Als „marginal“ bezeichnet Fabre in Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 139 (143) die Telearbeit vor der Pandemie. Denselben Begriff verwendete 2001 Ray, Dr. Soc. 2001,

II. Frankreich

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Option ist selbstredend beschränkt auf Beschäftigte bestimmter Branchen, deren Tätigkeit die Arbeit außerhalb des Betriebs zulässt.260 Die Entwicklung eines Rechtsrahmens für das Homeoffice bzw. für die Telearbeit, französisch télétravail, ist im französischen Recht schrittweise erfolgt. Nach dem Aufflammen der Idee der Telearbeit in den 1970er Jahren, die aber schon mangels technischer und finanzieller Möglichkeiten nicht auf breite Umsetzung in der Praxis stieß, erlangte sie mit der Verbreitung von Computern mehr und mehr Bedeutung.261 Ein entscheidender Schritt zur Gestaltung eines rechtlichen Rahmens für die Telearbeit war eine diesbezügliche Vereinbarung der Sozialpartner in Frankreich im Jahr 2005, dem accord national interprofessionnelle du 19 juillet 2005 relatif au télétravail. Diese Vereinbarung diente der Umsetzung einer schon auf europäischer Ebene im Jahr 2002 geschaffenen Rahmenvereinbarung für Telearbeit.262 In geltendes Recht umgesetzt wurde die Sozialpartnervereinbarung aus dem Jahr 2005 sodann durch Gesetz v. 22. 3. 2012 – hierdurch wurde ein eigener Abschnitt bzgl. der Telearbeit in den Code du travail eingefügt, siehe Art. L.1222-9 ff. Code du travail.263 Die Vereinbarung von 2005 wurde weiterhin im Jahr 2020, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Coronapandemie, durch ein weiteres Übereinkommen, dem accord national interprofessionnelle du 26 novembre 2020 pour une mise en œuvre re´ussie du te´le´travail264, ergänzt und überarbeitet.265 Durch Erlass vom 2. 4. 2021 wurde dieses Übereinkommen für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die in seinen Anwendungsbereich fielen, für verbindlich erklärt.266

1039 im Hinblick auf die Telearbeit zu Hause, damals dürfte er noch viel passender gewesen sein als im Hinblick auf das Jahr 2020. 259 Nach Dares, Télétravail durant la crise sanitaire, S. 1 arbeiteten im Januar 2021 27 % der Arbeitnehmer in Telearbeit, im Jahr 2019 waren es lediglich 4 %. 260 Die insoweit mit der Telearbeit einhergehende Ungleichheit anmahnend Gauriau, Revue pratique de la prospective et de l’innovation 2020, n819; Lampert, JCP S 2020, 360; Lederlin, Le Droit Ouvrier 2021, 109 (110); Moizard, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 79 (79 f.); Peyronnet, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 72 (75 f.); auch Sachs, Le Droit Ouvrier 2021, 173 (174) weist auf die soziale Ungleichheit der Telearbeit hin; ebenso Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (610). 261 Vgl. Pralong/Peretti-N’Diaye, Le Droit Ouvrier 2021, 142 (143). 262 Accord national interprofessionnelle du 19 juillet 2005 relatif au télétravail, Préambule. 263 Art. 46 Loi n82012-387 v. 22. 3. 2012. 264 Im Folgenden ANI Télétravail v. 26. 11. 2020. 265 Hierfür hat man sich entschieden, anstatt eine völlig neue, eigenständige Vereinbarung zu schaffen – diejenige aus dem Jahre 2005 hat mithin weiterhin Bestand, vgl. hierzu Ray, Dr. Soc. 2021, 236 (238 f.). Die neue Vereinbarung ist in der Literatur durchaus kritisch bewertet worden, siehe ebenda sowie Véricel, RDT 2021, 59 (63). 266 Art. 1 Arrêté du 2 avril 2021 portant extension de l’accord national interprofessionnel pour une mise en œuvre réussie du télétravail.

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H. Tätigkeit im Homeoffice

1. Terminologie Die gesetzlichen Regelungen des Code du travail dienen als Ausgangspunkt der Betrachtung. Das gilt auch für die in diesem Kontext verwendete Terminologie, denn der Begriff der Telearbeit wird in Art. L.1222-9 Code du travail definiert. Nach der ursprünglichen Fassung der Norm bezeichnet Telearbeit jede Form der Arbeitsorganisation, bei der eine Arbeit, die auch in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers hätte ausgeführt werden können, von einem Arbeitnehmer außerhalb dieser Räumlichkeiten regelmäßig und freiwillig unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien im Rahmen eines Arbeitsvertrags oder einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag ausgeführt wird.267 Im Anschluss hieran ordnete ein Autor die Tätigkeit im zu Hause des Arbeitnehmers in drei Kategorien ein: Erstens der Heimarbeit, Gegenstand eigener Regelungen in den Art. L.7412-1 ff. Code du travail, die immer und uneingeschränkt bei dem Arbeitnehmer zu Hause ausgeübt wird; zweitens die Telearbeit, die sich durch Nutzung von Informationstechnologien auszeichnet und dabei regelmäßig, aber nicht permanent außerhalb der Betriebsstätte ausgeübt wird; sowie drittens die Tätigkeit in der eigenen Wohnung auf gelegentlicher, d. h. weder regelmäßiger noch permanenter Basis.268 Letztere Kategorie war mangels gesetzlicher Normierung zunächst rechtlich schwer zu fassen269 – in den Anwendungsbereich der Art L.1222-9 ff. Code du travail fiel diese Form der Arbeit außerhalb der Betriebsstätte nicht, da die Definition der Telearbeit gerade die Regelmäßigkeit voraussetzte. Dieses Problem stellt sich heute nicht mehr. Durch die „Ordonnance Macron“ v. 22. 9. 2017270 wurde der Begriff der Telearbeit erweitert: Der Satzteil, der die Regelmäßigkeit der Arbeit außerhalb der Betriebsstätte betraf, wurde gestrichen; somit fällt nun auch die gelegentliche Arbeit von zu Hause (oder von einem anderen Ort) unter den gesetzlich normierten Begriff der Telearbeit.271 Darüber hinaus wurde auf den Zusatz „im Rahmen eines Arbeitsvertrags oder einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag“ (dans le cadre d’un contrat de travail ou d’un avenant à celui-ci) verzichtet, sodass mit der Telearbeit nun nicht mehr notwendigerweise eine Veränderung des Arbeitsvertrags einhergehen muss, sondern diese vielmehr eine reine Organisationsform darstellt.272 Obwohl Art. L.1222-9 Code du travail auch heute noch neben der Definition der Telearbeit 267 Art. L.1222-9 Code du travail i. d. F. v. 22. 3. 2012: „(…) le télétravail désigne toute forme d’organisation du travail dans laquelle un travail qui aurait également pu être exécuté dans les locaux de l’employeur est effectué par un salarié hors de ces locaux de façon régulière et volontaire en utilisant les technologies de l’information et de la communication dans le cadre d’un contrat de travail ou d’un avenant à celui-ci.“ 268 Tournaux, Dr. Soc. 2013, 353 (353 f.). Überschneiden sich Telearbeit und Heimarbeit, was nicht zwingend ist, finden die Regelungsregime beider Arbeitsformen Anwendung, siehe Gauriau, Revue pratique de la prospective et de l’innovation 2020, n819. 269 Tournaux, Dr. Soc. 2013, 353 (354). 270 Siehe Art. 21 Ordonnance n82017-1387 v. 22. 9. 2017. 271 Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (608); Ray, Dr. Soc. 2018, 52 (56). 272 Ray, Dr. Soc. 2018, 52 (56).

II. Frankreich

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eine Definition des Telearbeitnehmers bzw. Telearbeiters enthält, wird die Telearbeit insbesondere seit der Änderung der Definition im Jahr 2017 weniger als Status denn als eine Situation angesehen, in der man sich zeitweise befinden kann.273 Eine eigene Definition der Arbeit, die nicht nur außerhalb der Betriebsstätte, sondern eben auch zu Hause, d. h. im Homeoffice erbracht wird, existiert demgegenüber nicht – die Wohnung des Arbeitnehmers fällt aber eben als Ort außerhalb der Betriebsstätte zweifellos in den Anwendungsbereich des Art. L.1222-9 Code du travail, sodass hier wohl auch keine Notwendigkeit besteht. 2. Recht des Arbeitgebers, die Tätigkeit außerhalb der Betriebsstätte einseitig anzuordnen Nachdem nun der hier maßgebliche Begriff der Telearbeit näher konturiert ist, ist es an der Zeit, sich den Modalitäten ihrer Einführung zu widmen. Nach der Ursprungsfassung des Art. L.1222-9 Code du travail aus dem Jahr 2012 war klar: Die Einführung von Telearbeit musste auf dem Arbeitsvertrag oder einer Zusatzvereinbarung zu diesem beruhen, so schon die oben genannte Definition. Nach der Kürzung der Definition im Jahr 2017 setzt Telearbeit begrifflich nicht mehr eine vertragliche Abrede voraus, geblieben ist allerdings der Verweis auf ihre Freiwilligkeit.274 Seit 2017 legt Art. L.1222-9 Code du travail fest, dass Telearbeit grundsätzlich durch Kollektivvereinbarung eingeführt wird. Besteht eine solche Vereinbarung nicht, erfolgt die Einführung durch Charta des Arbeitgebers, die einer Stellungnahme des comité social et économique unterliegt, sofern ein solches besteht.275 Auch bei Bestehen einer kollektivarbeitsrechtlichen Regelung behalten die Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit, den Einsatz von Telearbeit in ihrem Arbeitsverhältnis abzulehnen.276 Sofern weder eine kollektivrechtliche Regelung noch eine Charta des Arbeitgebers existieren, kann die Telearbeit durch Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in beliebiger Art und Weise erfolgen.277 Eine Vereinbarung bleibt jedoch Voraussetzung – dies knüpft an das in der Definition der Telearbeit enthaltene Freiwilligkeitskriterium an.278 Weiterhin folgt das Zustimmungserfordernis daraus, dass es sich bei der Verlagerung des Arbeitsortes um eine Änderung des Arbeitsvertrags handelt, die nur in gegenseitigem Einvernehmen

273

Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (608); Ray, Dr. Soc. 2018, 52 (55). Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (608). 275 In der aktuellen Fassung Art. L.1222-9 I Code du travail. 276 Vgl. Duchange, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 145 (147). 277 In der aktuellen Fassung Art. L.1222-9 I Code du travail. In der Fassung der Norm vom 22. 9. 2017 enthielt sie noch eine Einschränkung auf Fälle, in denen gelegentlich auf die Telearbeit zurückgegriffen werden sollte, diese ist allerdings bereits in der Fassung v. 29. 4. 2018 nicht mehr enthalten. Kritisch hierzu Ray, Dr. Soc. 2018, 52 (56 f.). 278 Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (608). 274

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H. Tätigkeit im Homeoffice

möglich ist.279 Handelt es sich nicht nur um Telearbeit, sondern darüber hinaus um Telearbeit in der Wohnung des Arbeitnehmers, sind auch dessen persönliche Freiheiten, namentlich sein Privat- und Familienleben betroffen.280 Insgesamt gilt: Eine einseitige Anordnung der Telearbeit durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht vorgesehen.281 Hieran anknüpfend sieht Art. L.1222-9 Code du travail vor, dass die Ablehnung eines Arbeitsplatzes in Telearbeit keinen Kündigungsgrund darstellt.282 a) Anordnungsbefugnis in Zeiten der Pandemie Im Kontext der Pandemie kann die Betrachtung an dieser Stelle jedoch nicht stehen bleiben. Von dem Erfordernis der kollektivrechtlichen oder einzelvertraglichen Einführung der Telearbeit sowie von der Freiwilligkeit sieht das Gesetz eine bedeutende Ausnahme vor: Nach Art. 1222-11 Code du travail ist die Einführung von Telearbeit im Falle außergewöhnlicher Umstände, insbesondere einer drohenden Epidemie oder bei höherer Gewalt, als Anpassung des Arbeitsplatzes anzusehen, die notwendig ist, um die Kontinuität der Unternehmenstätigkeit zu ermöglichen und den Schutz der Arbeitnehmer zu gewährleisten.283 Die Anpassung des Arbeitsplatzes obliegt dem Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts.284 Dessen Ausübung, mithin bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. L.1222-11 Code du travail auch

279 Siehe Cass. Soc. v. 2. 10. 2001, n899-42.927, Bull. Civ., V, n8292; Probst, RDT 2020, 517 (518); Ray, Dr. Soc. 2001, 1039 (1041). Demgegenüber wirft Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (609) die Frage auf, ob das Erfordernis der Zustimmung des Arbeitnehmers nicht vielmehr nur eine Einschränkung des Weisungsrechts des Arbeitgebers darstellt, legt sich aber nicht abschließend fest. 280 Ray, Dr. Soc. 2001, 1039 (1041). Gerade im Hinblick auf die Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers, die auch bei Tätigkeiten im Homeoffice fortbestehen, kann darüber hinaus ein Konflikt mit dem Prinzip der Unverletzlichkeit der Wohnung entstehen, vgl. Sourbès, RDT 2020, 514 (517). Dieses Prinzip ist von der französischen Verfassung nicht explizit geschützt, sein Verfassungsrang jedoch anerkannt, siehe hierzu Gravelais, La protection juridictionnelle de l’inviolabilité du domicile, 2013, S. 211 ff. 281 Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (608); Ray, Dr. Soc. 2018, 52 (55 f.); vgl. auch Desbarats, Dr. Soc. 2020, 725 (732); Duchange, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 145 (147); Guyot, JCP S 2020, 135; Probst, RDT 2021, 517 (518). 282 Gauriau, Revue pratique de la prospective et de l’innovation 2020, n819; Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (609). 283 Art. 1222-11 Code du travail: „En cas de circonstances exceptionnelles, notamment de menace d’épidémie, ou en cas de force majeure, la mise en œuvre du télétravail peut être considérée comme un aménagement du poste de travail rendu nécessaire pour permettre la continuité de l’activité de l’entreprise et garantir la protection des salariés.“ 284 Ziffer 7 des ANI Télétravail v. 26. 11. 2020; Gauriau, Revue pratique de la prospective et de l’innovation 2020, n819; Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (609); Humbert, Le Droit Ouvrier 2021, 139 (140); Labatut, Le Droit Ouvrier 2021, 127 (129); Mraouahi, Le Droit Ouvrier 2021, 444 (446); Véricel, RDT 2021, 59 (60).

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die Anordnung der Telearbeit, ist von einer Zustimmung des Arbeitnehmers nicht abhängig.285 Ob die Voraussetzungen der Ausnahme vom Freiwilligkeitserfordernis gegeben sind, ist nicht immer leicht zu beurteilen. Es fehlen Festlegungen dahingehend, wie zu bestimmen ist, wann eine hinreichend schwerwiegende Gefahr gegeben ist, die zur Anwendbarkeit dieser Ausnahmeregelung führt.286 Zweifellos gilt allerdings: Eine Pandemie stellt eine hinreichend gravierende Gefahr dar, denn sie (bzw. die Epidemie) ist explizit als Anwendungsfall des Art. L.1222-11 Code du travail vorgesehen. So aktuell die Norm damit auch scheint, Bestand hat sie tatsächlich bereits seit 2012. In der Coronapandemie dürfte sie gleichwohl ihren bislang wichtigsten Anwendungsfall gefunden haben.287 Während die Grenzen insbesondere zu Beginn und Ende einer Pandemie unscharf bleiben288, lässt sich doch grundsätzlich festhalten: Während der durch die Coronapandemie ausgelösten Sondersituation ist der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts befugt, die Arbeitsleistung einseitig, d. h. ohne Zustimmung des Arbeitnehmers, in das Homeoffice zu verlegen.289 Das kommt nicht nur aufgrund des Pandemiezustands selbst in Betracht, sondern auch im Falle der nachgewiesenen Infektion oder des Infektionsverdachts.290 Der Arbeitnehmer, der sich einer solchen Anordnung der Telearbeit verweigert, begeht eine Vertragsverletzung.291 b) Auswirkungen auf das Vergütungsrisiko Wenn der Arbeitgeber in Anwendung des Art. L.1222-11 Code du travail den Arbeitsplatz wirksam an einen Ort außerhalb des Betriebes verlegt und der Arbeitnehmer diese Telearbeitsleistung verweigert, handelt es sich um einen Fall der unberechtigten Verweigerung der geschuldeten Arbeitsleistung, der aufgrund des 285 Ziffer 7.3.2 ANI Télétravail v. 26. 11. 2020; Bossu, Le club des juristes v. 9. 4. 2021; Duchange, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 145 (147); Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (609); vgl. auch Humbert, Le Droit Ouvrier 2021, 139 (140); Guyot, JCP S 2020, 135; Probst, RDT 2021, 517 (518). 286 Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (609); siehe auch Probst, RDT 2021, 517 (518); Ray, Dr. Soc. 2021, 236 (240). 287 Vgl. auch Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (609); Probst, RDT 2021, 517 (518). In Reaktion hierauf enthält der ANI Télétravail v. 26. 11. 2021 in Ziffer 7 einen Handlungsleitfaden für Arbeitgeber für den Anwendungsfall des Art. L.1222-11 Code du travail. Humbert, Le Droit Ouvrier 2021, 139 (140) konstatiert weiterhin, die Art. L.1222-9 ff. Code du travail seien (ungeachtet der Norm des Art. L.1222-11 Code du travail) nicht auf die extensive Nutzung der Telearbeit, wie sie während der Coronapandemie stattfand, ausgelegt. 288 Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (609); siehe auch Ray, Dr. Soc. 2021, 236 (240). 289 Bossu, Le club des juristes v. 9. 4. 2021; Guyot, JCP S 2020, 135. 290 Babin, JCP S 2020, 3018. 291 Fabre, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 139 (143); Mraouahi, Le Droit Ouvrier 2021, 444 (446); siehe auch Gauriau, Revue pratique de la prospective et de l’innovation 2020, n819.

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synallagmatischen Charakters des Arbeitsvertrags zum Fortfall des Vergütungsanspruchs führt – pas de travail, pas de salaire.292 Fraglich ist, ob das auch gilt, wenn der Arbeitnehmer mit dem Coronavirus infiziert oder infektionsverdächtig ist. Spätestens seit Beginn des Jahres 2021 lässt sich die Antwort diesbezüglich kurzfassen: Der Anspruch auf Krankentagegeld nach Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 in allen Fassungen ist an die fehlende Möglichkeit der Tätigkeit im Homeoffice geknüpft – lehnt der Arbeitnehmer eine solche ab, erfüllt er mithin die Anspruchsvoraussetzungen nicht.293 Auch für das Jahr 2020 dürfte dies für Kontaktpersonen gelten, denn auch der für diese geltende Art. 1 Décret n82020-73 v. 8. 1. 2020 in den Fassungen bis zum 16. 11. 2020 setzte die Unmöglichkeit der Fortsetzung der Arbeit voraus (impossibilité de continuer à travailler), ab dem 16. 11. 2020 war darüber hinaus explizit der Zusatz „einschließlich aus der Distanz“ (y compris à distance) enthalten, wobei es sich wohl um nicht mehr als eine Klarstellung handeln dürfte. Soweit allerdings im Jahr 2020 leichte Symptome oder eine nachgewiesene Infektion die Tätigkeit im Betrieb ausschlossen, hing das Vergütungsrisiko letztlich davon ab, ob der Betroffene eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch seinen Arzt erhielt.294 Da der Arzt grundsätzlich medizinisch rechtfertigen muss, warum eine Arbeitsunterbrechung notwendig ist, Art. L.162-4-1 18 Code de la sécurité sociale, dürfte das Ausstellen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei bestehender Homeoffice-Möglichkeit nicht angezeigt sein, was eine gegenläufige Praxis allerdings nicht ausschließt. 3. Pflicht zur Anordnung oder Gewährung von Telearbeit Somit steht aufgrund eindeutiger gesetzlicher Regelung fest, dass der Arbeitgeber in Zeiten der Pandemie berechtigt ist, die Tätigkeit im Homeoffice einseitig anzuordnen. Im Anschluss hieran stellt sich die Frage, ob er nicht gerade aufgrund dieser Pandemie hierzu auch verpflichtet sein kann. In Betracht kommt eine solche Pflicht unter zwei Gesichtspunkten: Einmal als öffentlich-rechtliche Pflicht basierend auf pandemiespezifischen Regelungen zum Zwecke des Gesundheitsschutzes, andererseits als Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis.

292

Siehe hierzu bereits oben Gliederungspunkt B. II. 1. Angesprochen sind dort jeweils „les assurés qui se trouvent dans l’impossibilité de continuer à travailler, y compris à distance“ (frei übersetzt: die Versicherten, denen es unmöglich ist, ihre Arbeit fortzusetzen, einschließlich der Arbeit aus der Distanz) angesprochen. 294 Für Verdachtsfälle aufgrund einschlägiger Symptome und für nachgewiesene Infektionen fand das klassische Regime für die Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit Anwendung, siehe Gliederungspunkte F. II. 1. b) und G. II. 1. a) aa). 293

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a) Pflicht zur Anordnung oder Gewährung von Homeoffice auf Grundlage pandemiespezifischer Regelungen Dass die Telearbeit als Form des social distancing geeignet ist, Infektionen zu verhindern, wurde auch in Frankreich bereits zu Beginn der Coronapandemie erkannt. So führte das Ministerium für Arbeit in einer Pressemitteilung vom 16. 3. 2020 aus, das effektivste Mittel um der Verbreitung des Coronavirus Einhalt zu gebieten, sei die Minimierung physischer Kontakte; es sei imperativ, dass alle Arbeitnehmer soweit möglich bis auf Weiteres auf die Telearbeit zurückgriffen.295 Auch das Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de Covid-19 in seiner Fassung vom 29. 10. 2020 gibt vor, der Anteil der Arbeitszeit, der in Telearbeit geleistet werde, solle für diejenigen Arbeitnehmer, die alle ihre Aufgaben aus der Distanz erledigen können, bei 100 % liegen.296 Die Arbeitsministerin betonte in einer Pressekonferenz, Telearbeit sei keine Option und sprach stattdessen von einer Pflicht.297 aa) Keine unmittelbare Bindungswirkung des Protocole national Ob die Telearbeit öffentlich als obligatorisch kommuniziert wurde, variierte je nach aktueller Pandemielage.298 Nun genügt die öffentliche Kommunikation zur Begründung rechtlicher Pflichten noch nicht. Wie oben bereits geschildert, ist die rechtliche Bindungswirkung des Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de Covid-19 lediglich eine mittelbare; erst über den Umweg der Schutzpflichten des Arbeitgebers gegenüber 295 Ministère du travail, de l’emploi et de l’insertion, Pressemitteilung v. 16. 3. 2020: „Le moyen le plus efficace pour lutter contre la diffusion du coronavirus est de limiter les contacts physiques. (…) Il est impératif que tous les salariés qui peuvent télétravailler recourent au télétravail jusqu’à nouvel ordre.“ 296 Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de Covid-19 i. d. F. v. 29. 10. 2020, S. 5: „(…) le temps de travail effectué en télétravail est porté à 100 % pour les salariés qui peuvent effectuer l’ensemble de leurs tâches à distance.“ 297 Élisabeth Borne, Pressekonferenz v. 29. 10. 2020: „Le télétravail n’est pas une option. Cette obligation sera inscrite dans la nouvelle version du protocole national en entreprise“ (frei übersetzt: Telearbeit ist keine Option. Diese Verpflichtung wird in der neuen Version des nationalen Protokolls in Unternehmen verankert werden). 298 In der Fassung des Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de Covid-19 v. 31. 8. 2020, S. 5 (noch abrufbar unter https://auver gne-rhone-alpes.dreets.gouv.fr/sites/auvergne-rhone-alpes.dreets.gouv.fr/IMG/pdf/protocole-na tional-sante-securite-en-entreprise__31_aout_2020.pdf (letzter Abruf: 19. 5. 2022) wurde etwa lediglich deutlich, dass Arbeitgeber ermutigt werden sollten, auf die Telearbeit zurückzugreifen: „En fonction des indicateurs sanitaires, les autorités sanitaires peuvent convenir avec les partenaires sociaux d’encourager les employeurs à recourir plus fortement au télétravail.“ (frei übersetzt: Je nach Pandemielage können die Gesundheitsbehörden mit den Sozialpartnern vereinbaren, die Arbeitgeber zu ermutigen, stärker auf Telearbeit zurückzugreifen). Ausführlich zur Kommunikation des Arbeitsministeriums Favennec-Héry/Teissier, JCP S 2021, 1153.

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seinem Arbeitnehmer kann eine tatsächliche Rechtspflicht begründet werden.299 Auch spezifisch mit Blick auf die formulierte Verpflichtung zur Nutzung von Homeoffice hat der Conseil d’Etat sich in einer Entscheidung v. 17. 12. 2020 geäußert und unmissverständlich festgestellt, das Protocole national enthalte lediglich Empfehlungen, die den Arbeitgeber an auf Basis des Code du travail bestehende Schutzpflichten erinnern.300 Auch die teilweise enthaltenen, imperativen Formulierungen, insbesondere diejenigen im Hinblick auf die Nutzung der Telearbeit, ändern nach Ansicht des Conseil d’Etat nichts an dem bloßen Zweck des Protokolls, Arbeitgeber bei ihrer Schutzpflicht gegenüber Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu begleiten; es ziele nicht darauf ab, dem Arbeitgeber die Beurteilung der Risiken und der einzusetzenden Präventionsmaßnahmen abzunehmen.301 bb) Pflicht zur Telearbeit aufgrund von Ausgangssperren Über die Empfehlungen des Protocole national hinaus, die sich spezifisch auf die Arbeitswelt beziehen, könnte sich eine Rechtspflicht zur Nutzung von Telearbeit allerdings aus den allgemeinen rechtlichen Einschränkungen im Kontext der Pandemie ergeben. Während der Coronapandemie gab es in Frankreich mehrere Zeiträume sogenannten confinements, während derer die Bewegungsfreiheit der Bürger stark eingeschränkt war.302 Während des ersten confinement vom 17. 3. 2020 bis zum 11. 5. 2020 war Personen grundsätzlich jede Bewegung außerhalb der eigenen Wohnung untersagt, mit der Ausnahme abschließend aufgezählter Beweggründe.303 Unter anderem waren Bewegungen zwischen dem Wohnort und der Arbeitsstätte sowie Geschäftsreisen gestattet, dies allerdings unter der Einschränkung, dass sie nicht aufgeschoben werden konnten.304 Inhaltlich entsprechende Regelungen galten 299

Siehe oben Gliederungspunkt C. II. 1. c). CE v. 17. 12. 2020, n8446797 (Legifrance, Rn. 7). 301 CE v. 17. 12. 2020, n8446797 (Legifrance, Rn. 7): „Si certains termes du protocole sont formulés en termes impératifs, en particulier en ce qu’il est indiqué que ,Dans les circonstances exceptionnelles actuelles, liées à la menace de l’épidémie, le télétravail doit être la règle pour l’ensemble des salariés qui le permettent. Dans ce cadre, le temps de travail effectué en télétravail est porté à 100 % pour les salariés qui peuvent effectuer l’ensemble de leurs tâches à distance‘, le protocole a pour seul objet d’accompagner les employeurs dans leurs obligations d’assurer la sécurité et la santé de leurs salariés au vue des connaissances scientifiques sur les modes de transmission du SARS-CoV-2 et n’a pas vocation à se substituer à l’employeur dans l’évaluation des risques et la mise en place des mesures de prévention adéquate dans l’entreprise.“ 302 Vgl. Guyot, JCP S 2020, 135. 303 Siehe zunächst Art. 1 Décret n82020-260 v. 16. 3. 2020; später Art. 3 Décret n82020-293 v. 23. 3. 2020, der in unterschiedlichen Fassungen schließlich bis zum 11. 5. 2020 galt (siehe letzte Fassung v. 26. 4. 2020). 304 Art. 1 18 Décret n82020-260 v. 16. 3. 2020 in allen Fassungen: „Trajets entre le domicile et le ou les lieux d’exercice de l’activité professionnelle et déplacements professionnels insusceptibles d’être différés“; wortgleich Art. 3 I 18 Décret n82020-293 v. 23. 3. 2020 in allen Fassungen. 300

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auch für das zweite confinement vom 30. 10. 2020 bis zum 15. 12. 2020305 sowie das dritte vom 4. 4. 2021 bis zum 3. 5. 2021306. Es zeigt sich: Telearbeit war während dieser Zeiträume mehr als nur erwünscht.307 Die rechtliche Verpflichtung hierzu betrifft allerdings eher den Arbeitnehmer als den Arbeitgeber, denn sie knüpft an das grundsätzliche Verbot, die eigene Wohnung zu verlassen, an.308 Wer von dem Beweggrund der professionellen Aktivitäten Gebrauch machen wollte, musste jedoch eine rechtfertigende Bescheinigung vorlegen, die vom Arbeitgeber ausgestellt wurde und in der dieser versicherte, dass die Arbeit nicht mittels Telearbeit durchgeführt werden könnte.309 Dies wahrheitsgemäß zu bescheinigen, war der Arbeitgeber bei Möglichkeit der Telearbeit nicht in der Lage.310 Hieran anknüpfend dürfte sich aus der Verhinderung der Arbeitnehmer, die ihre Wohnung grundsätzlich nicht verlassen durften, eine Art Zwang zur Telearbeit in wirtschaftlicher Hinsicht aus Perspektive des Arbeitgebers ergeben haben, da er nur so die Aktivität des Betriebs fortführen konnte.311 Dennoch gilt: Eine unmittelbare, öffentlich-rechtliche Basis für eine Rechtspflicht des Arbeitgebers, die Arbeit ins Homeoffice zu verlagern, findet sich auch vor dem Hintergrund der Coronapandemie letztlich nicht.312

305 Art. 4 I 18 a) Décret n82020-1310 v. 29. 10. 2020 in der ursprünglichen Fassung sowie denjenigen v. 7. 11. 2020 und 28. 11. 2020. Nach der Fassung vom 15. 12. 2020 galt die Einschränkung nur zwischen 20 Uhr und 6 Uhr. 306 Art. 4 I Décret n82020-1310 v. 29. 10. 2020 i. d. F. v. 4. 4. 2020, der in 18 a) ebenso unaufschiebbare berufliche Reisen bzw. Bewegungen gestattet, bezieht sich zwar nur auf die Zeit zwischen 19 Uhr und 6 Uhr, in II der Norm wird aber darüber hinaus jedes andere Verlassen der eigenen Wohnung zwischen 6 Uhr und 19 Uhr außerhalb der dort oder in I genannten Gründe untersagt. 307 Vgl. auch Guyot, JCP S 2020, 135. 308 Vgl. auch Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (611). 309 Die attestation de déplacement professionnel für das erste confinement ist abrufbar unter https://www.interieur.gouv.fr/content/download/121830/978133/version/1/file/justificatif-depla cement-professionnel-fr.docx (letzter Abruf: 19. 5. 2022); für das zweite und dritte confinement unter https://www.interieur.gouv.fr/content/download/124827/999536/file/30-10-2020-justifica tif-de-deplacement-professionnel.pdf?#xtor=AD-324 (letzter Abruf: 19. 5. 2022); siehe auch Ruckebusch, JCP S 2020, 128. 310 Den straf- und ordnungsrechtlichen Folgen einer nicht wahrheitsgemäßen Bescheinigung können in dem hier gegebenen Rahmen nicht vertieft untersucht werden. Dem Wortlaut nach kann allerdings Art. L.441-1 Code pénal einschlägig sein, der die Herstellung und Nutzung von Fälschungen unter Strafe stellt, wobei Fälschung jede betrügerische Veränderung der Wahrheit ist, die geeignet ist, einen Schaden zu verursachen. 311 Vgl. Ray, Dr. Soc. 2021, 236 (239); Rozec, JCP G 2020, 330; auch Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (611) bevorzugt es, hier von Zwang anstatt von einer Rechtspflicht zu sprechen. 312 So i. E. auch Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (611); Ray, Dr. Soc. 2021, 236 (239).

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b) Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis Eine solche Pflicht könnte sich allerdings aus dem Vertragsverhältnis mit dem Arbeitnehmer und den Normen des Code du travail ergeben. Aus anderer Perspektive betrachtet geht es hier um die Frage eines Rechts des Arbeitnehmers auf Telearbeit. Die Reform der Art. 1222-9 ff. Code du travail im Jahr 2017 wurde zwar als Neuregelung, die gerade ein solches Recht gewährleistet, beworben313, die nähere Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass ein tatsächliches Recht i. S. e. Anspruchs auf eine Tätigkeit in Telearbeit auf Basis dieser Normen weiterhin nicht besteht.314 Die Freiwilligkeit, von der die Telearbeit in der Regel getragen ist, geht in beide Richtungen – auch der Arbeitgeber ist zur Gewährung grundsätzlich nicht verpflichtet.315 Eingeschränkt wird seine Freiheit nur insoweit, als dass er die Ablehnung eines Verlangens des Arbeitnehmers nach Telearbeit begründen muss, wenn aus einer bestehenden Kollektivvereinbarung oder Charta des Arbeitgebers hervorgeht, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers für die Telearbeit geeignet ist.316 Als gängigerweise anführbarer und nur schwer überprüfbarer Grund wird insoweit die fehlende persönliche Eignung des Arbeitnehmers genannt, die Begründung soll für den Arbeitgeber demnach in praktischer Hinsicht keine erhebliche Hürde darstellen.317 Andere gehen davon aus, der Arbeitgeber könne regelmäßig keine tragfähigen Gründe für ein Verweigern der Telearbeit während der Pandemie vortragen.318 Ein Ansatz zur Herleitung eines Rechts des Arbeitnehmers auf Telearbeit, mithin einer Pflicht des Arbeitgebers, diese zu gestatten, stützt sich auf die persönlichen Freiheiten des Arbeitnehmers.319 Diese zu respektieren ist der Arbeitgeber verpflichtet, Einschränkungen müssen durch die Art der zu erfüllenden Aufgabe gerechtfertigt und dem verfolgten Ziel angemessen sein, Art. L.1121-1 Code du travail. So wird erwogen, ob die Verpflichtung des Arbeitnehmers, seine Tätigkeit in der Betriebsstätte zu verrichten, eine unangemessene Einschränkung etwa des Privatund Familienlebens des Arbeitnehmers darstellt, wenn dies nicht zwingend erfor313 Siehe Rapport au Président de la République relatif à l’ordonnance n82017-1387 du 22 septembre 2017: „Est instauré un droit au télétravail sécurisé, souple, permettant une meilleure conciliation de la vie professionnelle et de la vie personnelle.“ (frei übersetzt: Es wird ein Recht auf sichere und flexible Telearbeit eingeführt, das eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben ermöglicht). 314 Zustimmend Fabre, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 139 (143); Ray, Dr. Soc. 2018, 52 (55, 57); Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (610). 315 Man spricht hier vom „double volontariat“, der doppelten Freiwilligkeit, siehe etwa Bossu, Le club des juristes v. 9. 4. 2021; Desbarats, Dr. Soc. 2020, 725 (732); Mraouahi, Le Droit Ouvrier 2021, 444 (446); Véricel, RDT 2021, 59 (60); von triple volontariat spricht darüber hinaus Ray, Dr. Soc. 2018, 52 (56); i. E. ebenso Gauriau, Revue pratique de la prospective et de l’innovation 2020, n819; Guyot, JCP S 2020, 135. 316 Desbarats, Dr. Soc. 2020, 725 (732). 317 Vgl. etwa Bossu, Le club des juristes v. 9. 4. 2021. 318 Guyot, JCP S 2020, 135. 319 Ray, Dr. Soc. 2021, 236 (241).

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derlich ist.320 Ob dieser Ansatz sich allerdings durchsetzt, ist zum jetzigen Zeitpunkt ungewiss. Könnte nun aber die Pandemie selbst zu einem anderen Ergebnis, also zu einem Recht auf Homeoffice führen? Der Code du travail sieht eine solche Pflicht auch im Pandemiefall nicht vor: Art. L.1222-11 Code du travail enthält weder ausdrücklich ein Recht für die Arbeitnehmer auf Telearbeit noch eine entsprechende Pflicht des Arbeitgebers, sie anzuordnen.321 Die Arbeitgeberpflicht wird aber unter dem Gesichtspunkt der Schutzpflicht für Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer diskutiert (hierzu aa)). Gerade im hier betrachteten Kontext könnte stattdessen jedoch eine Herleitung aus der Beschäftigungs- und Loyalitätspflicht des Arbeitgebers naheliegen (hierzu bb)). aa) Pflicht zur Anordnung oder Gestattung von Telearbeit aufgrund der Schutzpflichten des Arbeitgebers Nach Art. L.4121-1 Code du travail muss der Arbeitgeber die notwendigen Maßnahmen treffen, um Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer bei der Ausübung der Tätigkeit zu gewährleisten.322 Da es sich bei der Vermeidung sozialer Kontakte durch Verlagerung der Tätigkeit an einen Ort außerhalb der Betriebsstätte um eine besonders wirksame Maßnahme zum Schutz vor Infektionen handelt, ist durchaus erwägenswert, ob der Arbeitgeber nicht auch verpflichtet ist, auf diese Maßnahme zurückzugreifen – gerade wenn öffentliche „Empfehlungen“ wie das Protocole national, die in einem imperativen Ton formuliert sind323, sie als Notwendigkeit für einen ausreichenden Infektionsschutz darstellen.324 (1) Wirkungen des Protocole national Der Zusammenhang der öffentlichen Empfehlungen, insbesondere derjenigen im Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de Covid-19, mit der Schutzpflicht des Arbeitgebers ist unverkennbar und wird auch in der bereits genannten Entscheidung des Conseil d’Etat zur Verbindlichkeit eben dieser Vorgabe der Telearbeit besonders deutlich. Der Conseil 320

Ray, Dr. Soc. 2021, 236 (241). Vgl. Favennec-Héry/Teissier, JCP S 2021, 1153. 322 Siehe hierzu bereits oben Gliederungspunkt C. II. 1. 323 So die Formulierung bei Loiseau/Bloch, Dr. Soc. 2021, 484 (490). 324 Dies erwägend auch Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (611); siehe auch Babin, Le club des juristes v. 25. 3. 2020; Bossu, Le club des juristes v. 9. 4. 2021; Gauriau, Revue pratique de la prospective et de l’innovation 2020, n819; Guyot, JCP S 2020, 135; Keim-Bagot/Moizard, RDT 2021, 25 (28); Labatut, Le Droit Ouvrier 2021, 127 (129); Loiseau/Bloch, Dr. Soc. 2021, 484 (490); Mraouahi, Le Droit Ouvrier 2021, 444 (446); wohl auch Fabre, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 139 (144), der einen Ersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber im Falle einer Coronavirusinfektion bei vorheriger Ablehnung der Telearbeit erwägt; zurückhaltend Babin, JCP S 2020, 3018; Favennec-Héry/Teissier, JCP S 2021, 1153. 321

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d’Etat schildert dort Ausmaß und Wirkungen besagter Schutzpflicht und stellt fest, das Protocole national solle dem Arbeitgeber bei deren Erfüllung dieser Pflicht unterstützen, ohne jedoch rechtsverbindlich zu sein.325 Zugleich geht aus der Entscheidung jedoch hervor, dass das Gericht durchaus von einem verbleibenden Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers ausgeht.326 Das ist im Vergleich zu einer früheren Entscheidung des Conseil d’Etat auffällig, bei der sich der Rat ebenso mit der Verbindlichkeit des Protocole national zu befassen hatte, dort aber insbesondere im Hinblick auf Maskenpflichten am Arbeitsplatz.327 Seinerzeit stellte der Rat heraus, die Notwendigkeit der Maskenpflicht basiere auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und folgerte daraus, dass sie vorzusehen auch unabhängig von dem Protokoll Pflicht des Arbeitgebers sei.328 Solche Ausführungen finden sich mit Blick auf die Telearbeit nicht.329 Stimmen in der Literatur sehen den Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers hingegen stark eingeschränkt, wenngleich dies auch kritisch bewertet wird: Es wird ausgeführt, das Arbeitsministerium mache sich im Protocole national eine Entscheidungsbefugnis zu eigen, die nicht in seinen Zuständigkeitsbereich falle, in dem es sich an die Stelle des Arbeitgebers setze, um ihm unter dem Vorwand der Umsetzung seiner eigenen Sicherheitspflicht den Einsatz von Telearbeit vorzuschreiben.330 (2) Ausmaß der Schutzpflichten als Frage des Einzelfalls Letztlich ist die Frage, ob der Arbeitgeber seinen Schutzpflichten genügt hat, eine solche des Einzelfalls. Sie ist von den Gerichten zu klären – dies gilt auch im Hinblick auf die Einführung von Telearbeit und ungeachtet der Vorgaben des Protocole national.331 Insbesondere für die Zeit der Ausgangsbeschränkungen, bei denen den Arbeitnehmern das Beschreiten des Arbeitswegs untersagt war, sofern Telearbeit möglich war, wird eine geringere praktische Relevanz der Frage vermutet, da es dann nicht im Interesse des Arbeitgebers gewesen sein dürfte, durch den Verzicht auf Telearbeit gänzlich auf die Arbeitsleistung zu verzichten.332 Außerhalb dieser Zeiten 325

CE v. 17. 12. 2020, n8446797 (Legifrance, Rn. 6 ff.). CE v. 17. 12. 2020, n8446797 (Legifrance, Rn. 7). 327 CE v. 19. 10. 2020, n8444809 (Legifrance). 328 CE v. 19. 10. 2020, n8444809 (Legifrance, Rn. 6). 329 Hinsichtlich der Verbindlichkeit der Vorgaben und in der Folge auch einer im Rahmen der Schutzpflicht bestehenden Pflicht zur Telearbeit zweifelnd Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (611). 330 Loiseau/Bloch, Dr. Soc. 2021, 484 (490): „Aussi, en se substituant à l’employeur pour lui imposer, sous couvert de mise en oeuvre de sa propre obligation de sécurité, le recours au télétravail, quand celui-ci est possible, le ministère du travail usurpe un pouvoir décisionnaire qui ne relève pas de ses compétences.“ 331 Vgl. Antonmattei, Le club des juristes v. 6. 4. 2020. 332 Vgl. Duchange, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 145 (147): „(…) lorsque le télétravail est envisageable, l’on ne voit guère pour quelle raison l’employeur ne le mettrait pas en place, puis’qu’il peut par-là concilier le maintien de l’activité économique et la sécurité dont il est, de manière générale, débiteur à l’égard de ses salariés“ (frei übersetzt: Wenn 326

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war das Protocole national zumeist schwächer formuliert, Telearbeit aber gleichwohl empfohlen333, sodass auch hier keine abschließende, abstrakte Bewertung der Pflichten des Arbeitgebers erfolgen kann. Unter Verweis darauf, dass Telearbeit auch außerhalb der Pandemie geeignet ist, diverse Risiken wie etwa Wegeunfälle zu vermeiden, der Arbeitgeber zu ihrer Einführung dennoch nicht verpflichtet ist, macht Babin deutlich, dass eine solche Pflicht des Arbeitgebers auch in Zeiten der Pandemie nicht schon daraus folgen kann, dass Telearbeit grundsätzlich möglich ist.334 Der Arbeitgeber kann von Empfehlungen für Arbeitsschutzmaßnahmen abweichen, muss dies aber begründen – das ist keine für die Telearbeit spezifische Feststellung, gilt aber auch hier.335 Die aus einer Pflicht zur Telearbeit folgende Einschränkung der unternehmerischen Freiheit könne nur durch das Gesetz eintreten und müsse ein Gleichgewicht zwischen dieser Freiheit und dem Recht auf Gesundheit respektieren.336 (3) Konsequenzen der Verletzung einer bestehenden Pflicht zur Gewährung von Homeoffice Erkennt man jedoch insbesondere auch für Zeiten der Pandemie eine Schutzpflicht des Arbeitgebers an, die hin zu einer Pflicht zur Einführung von Telearbeit konkretisiert ist337, ist zu klären, welche praktischen Konsequenzen diese Annahme hat.338 Selbst eine solche Schutzpflicht führt nicht zu einer automatischen Flexibilisierung des Tätigkeitsortes.339 Vielmehr bleibt dies weiterhin in der Hand des Arbeitgebers.340 Eine Möglichkeit, die dem Arbeitnehmer zur Rechtsdurchsetzung zustehen könnte, ist das Leistungsverweigerungsrecht bei Gefahr für die eigene Sicherheit

Telearbeit möglich ist, gibt es kaum einen Grund, warum der Arbeitgeber sie nicht einführen sollte, da er auf diese Weise die Aufrechterhaltung der Wirtschaftstätigkeit und die Sicherheit, die er seinen Arbeitnehmern im Allgemeinen schuldet, miteinander in Einklang bringen kann.). 333 Siehe etwa die Fassung v. 16. 2. 2022, S. 5 („Depuis le 2 février 2022, le recours au télétravail est recommandé“, frei übersetzt: Seit dem 2. 2. 2022 wird die Telearbeit empfohlen) oder die Ursprungsfassung v. 31. 8. 2020, S. 4 („Le télétravail est une solution à privilégier, lorsque cela est possible“, frei übersetzt: Die Telearbeit ist eine vorzugswürdige Lösung, sofern sie möglich ist). 334 Babin, JCP S 2020, 3018. 335 Vgl. Babin, JCP S 2020, 3018; ebenso Favennec-Héry/Teissier, JCP S 2021, 1153. 336 Babin, JCP S 2020, 3018. 337 In der Tendenz wohl Antonmattei, Le club des juristes v. 6. 4. 2020; Babin, Le club des juristes v. 25. 3. 2020; Bossu, Le club des juristes v. 9. 4. 2021; Fabre, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 139 (144); Guyot, JCP S 2020, 135. 338 Auf die Schwierigkeiten der Rechtsdurchsetzung in diesem Kontext weist Labatut, Le Droit Ouvrier 2021, 127 (129 f.) hin. 339 Antonmattei, Le club des juristes v. 6. 4. 2020; ders., JCP S 2020, 482 (S. 1 f.). 340 Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (610).

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oder Gesundheit.341 Dessen Voraussetzungen können jedoch nicht vorschnell angenommen werden. Nicht jede Schutzpflichtverletzung des Arbeitgebers berechtigt zur Ausübung des droit de retrait nach Art. L.4131-1 Code du travail.342 Darüber hinaus führt auch dessen Ausübung nicht zur Verlagerung der Tätigkeit ins Homeoffice – vielmehr bleibt die Arbeitsleistung dann gänzlich aus.343 Ein Recht auf Homeoffice kann dies nur im weiteren Sinne sein. Letztlich ist auch zu sehen, dass der Rückgriff auf das Leistungsverweigerungsrecht zur Durchsetzung einer allgemeinen Verlagerung der Tätigkeit ins Homeoffice während der Pandemie zwar eine Option darstellen mag, im Fall des wegen einer Infektion oder eines Infektionsverdachts an der Leistung im Betrieb verhinderten Arbeitnehmers aber wenig zielführend ist. Denn steht die Tätigkeit im Betrieb schon gar nicht in Rede, ist ihre Verweigerung letztlich kein effektives Druckmittel. Mehr noch: Ist der Vertrag im Falle der Infektion oder des Infektionsverdachts bereit suspendiert, kann das Leistungsverweigerungsrecht nicht bestehen.344 bb) Pflicht zur Anordnung bzw. Gestattung von Telearbeit aufgrund der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers Kann, will, oder darf der Betroffene im Betrieb nicht tätig werden, geht es im Hinblick auf die Telearbeit nicht um die Gewährleistung des Gesundheitsschutzes im Betrieb, sondern vielmehr um das Interesse des Arbeitnehmers, anderweitig beschäftigt zu werden. Ein Weg zur Vermeidung eines Arbeitsausfalls im Falle einer Infektion oder eines Infektionsverdachts könnte eine Herleitung der Arbeitgeberpflicht, Telearbeit anzuordnen oder zuzulassen, über seine arbeitsvertragliche Beschäftigungspflicht sein.345 Diese kann wie oben erörtert im Eilverfahren durchgesetzt werden.346 In finanzieller Hinsicht führt eine Verletzung der Beschäftigungspflicht zum Fortbestand des Vergütungsanspruchs.347

341 So etwa Chhum/Ollivier, Village de la justice v. 4. 4. 2020; siehe auch Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (610, Fn. 21); Guyot, JCP S 2020, 135. Auch das Arbeitsministerium hat wohl zu Beginn der Pandemie auf eine solche Möglichkeit verwiesen – der damalige Fragen-undAntworten-Katalog ist online nicht mehr verfügbar, allerdings verweisen Cottin/Mir, Le club des juristes v. 21. 3. 2020 auf die dortigen Ausführungen. Anders bereits Antonmattei, JCP S 2020, 482. 342 Champenois, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 87 (88); Jubert-Tomasso, Le Droit Ouvrier 2021, 149 (153); für den Fall der Verweigerung des Übergangs zur Telearbeit ablehnend auch Antonmattei, Le club des juristes v. 6. 4. 2020. 343 Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (610, Fn. 21). 344 Pradel/Pradel-Boureux/Pradel, JCP S 2020, 52. 345 So für Zeiten des confinement Géniaut, Dr. Soc. 2020, 607 (611). 346 Siehe Gliederungspunkt E. II. 1. 347 Siehe bereits Gliederungspunkt B. II.

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(1) Grundsätzlich keine Beschäftigungspflicht bei suspendiertem Arbeitsvertrag Die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers besteht allerdings grundsätzlich nicht, wenn der Arbeitsvertrag suspendiert ist.348 Das ist der Fall, wenn der infizierte oder infektionsverdächtige Arbeitnehmer eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit erhalten hat.349 Allerdings ist insbesondere die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgrund der pandemiespezifischen Sonderregelung des Art. 1 Décret n8202113 v. 8. 1. 2021 in allen Fassungen an die Voraussetzung der fehlenden Möglichkeit zur Erbringung der Arbeitsleistung aus der Distanz geknüpft. Es ist unklar, ob eine Unmöglichkeit der Arbeitsleistung auch dann besteht, wenn der Arbeitgeber die Beschäftigung in Telearbeit verweigert.350 Sofern es hierbei allein auf die tatsächliche Möglichkeit der Telearbeit ankommt, würde eine Weigerung des Arbeitgebers, diese zuzulassen, zu einer erheblichen finanziellen Belastung des Arbeitnehmers führen.351 Aus der Perspektive des Arbeitnehmers lässt sich eine Unmöglichkeit der Arbeitsleistung jedoch durchaus annehmen. Ein solches Verständnis hätte allerdings zur Folge, dass der Arbeitgeber einseitig eine finanzielle Belastung der Krankenversicherung herbeiführen könnte. Dass im Falle der isolationsbedingten Arbeitsverhinderung neben der Krankenversicherung jedoch auch der Arbeitgeber in der Pflicht ist, Ausgleichsleistungen zu erbringen352, könnte Anreiz genug sein, Telearbeit zuzulassen.353

348

Siehe bereits Gliederungspunkt E. II. 2. a) dd). Siehe Gliederungspunkt E. II. 2. a) dd) (2). 350 Auf Schwierigkeiten bei der Interpretation weist auch Duchange, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 145 (148) hin: „Être confiné ou avoir un enfant au domicile ne donne pas droit à un arrêt de travail automatique. Est en effet rappelée l’exigence, même si dans des circonstances particulières, d’une ,impossibilité de continuer à travailler‘. Qu’est-ce à dire? (…) Et quid de celui qui peut benéficier d’un passage en télétravail?“ (frei übersetzt: Die Tatsache, dass man abgesondert ist oder ein Kind zu Hause hat, führt nicht automatisch zu einer Arbeitsunterbrechung. Es wird daran erinnert, dass es unter bestimmten Umständen unmöglich sein muss, die Arbeit fortzusetzen. Was bedeutet das? (…) Und was ist mit demjenigen, der in den Genuss von Telearbeit kommen kann?). 351 So scheinbar das Verständnis bei Marié, Dr. Soc. 2020, 683 (684): „Son déclenchement suppose également l’absence d’aménagement sous forme de télétravail. Un salarié dont l’emploi serait éligible au télétravail mais qui serait confronté à un refus de son employeur n’aurait pas d’autre alternative que de prendre de jours de congés payés ou éventuellement d’exercer son droit de retrait en l’absence de mise en oeuvre des gestes barrières et des mesures de protection.“ (frei übersetzt: Seine [gemeint ist das Krankentagegeld nach den pandemiespezifischen Sonderbestimmungen, Anm. d. Verf.] Auslösung setzt auch voraus, dass keine Vorkehrungen in Form von Telearbeit getroffen wurden. Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz für Telearbeit geeignet wäre, der aber von seinem Arbeitgeber abgelehnt wird, hat keine andere Alternative, als bezahlte Urlaubstage zu nehmen oder eventuell von seinem Rückzugsrecht Gebrauch zu machen, wenn keine Barrieren und Schutzmaßnahmen eingesetzt werden). 352 Siehe Gliederungspunkt F. II. 2. b). 353 Duchange, in: Covid-19 et droit du travail, 1. Ed. 2020, S. 145 (146 f.) geht allgemein davon aus, dass sich die Frage aufgrund des Interesses des Arbeitgebers am Erhalt der Arbeitsleistung in praktischer Hinsicht in Grenzen hält. 349

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(2) Pflicht zur Zuweisung einer anderen Tätigkeit bei Unmöglichkeit der Ausübung der bisherigen Tätigkeit Auch wenn der Arbeitnehmer an der Leistung gehindert und der Vertrag grundsätzlich suspendiert ist, kann im Einzelfall eine Pflicht des Arbeitgebers zur Zuweisung einer (anderen) Tätigkeit bestehen. Pflichten zur Anpassung der geschuldeten Arbeitsleistung sind dem französischen Arbeitsrecht nicht fremd, die zentralen Pflichten sind gesetzlich normiert: Im Falle der Feststellung der gesundheitlichen Untauglichkeit für die geschuldete Arbeitsleistung sieht Art. L.1226-2 Code du travail etwa vor, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine andere Beschäftigung anbietet, die seinen Fähigkeiten angemessen ist. Dies kann auch die Berücksichtigung eines Homeofficearbeitsplatzes erfordern.354 Vor einer Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen müssen ebenfalls andere verfügbare Arbeitsplätze angeboten werden, Art. L.1233-4 Code du travail. Auch für Schwangere sieht das Gesetz Pflichten zur Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes vor, Art L.1225-12 Code du travail. Rückschlüsse für die hier betrachtete Situation eines drohenden infektions- oder infektionsverdachtsbedingten Arbeitsausfalls können daraus aber nur sehr zurückhaltend gezogen werden. Das zum einen, weil für diesen Fall eine gesetzliche Normierung einer entsprechenden Pflicht gerade fehlt. Ein allgemeines Recht auf Umsetzung existiert nicht.355 Hierüber kann man hinwegsehen, wenn man in den normierten Pflichten zur Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes den Ausdruck eines allgemein geltenden Prinzips sieht356 – sie werden z. T. an den Gedanken des guten Glaubens und der Loyalität angeknüpft, zu deren Wahrung die Arbeitsvertragsparteien nach Art. L.1222-1 Code du travail verpflichtet sind.357 Doch die normierten Situationen unterscheiden sich auch ganz grundsätzlich von dem drohenden Arbeitsausfall aufgrund einer ansteckenden Infektion oder eines dahingehenden Verdachts. Im Falle der Versetzungspflicht wegen fehlender gesundheitlicher Eignung nach Art. L.1226-2 Code du travail handelt es sich um eine Maßnahme, die den dauerhaft arbeitsunfähigen Arbeitnehmer vor der Beendigung

354

Cass. Soc. v. 15. 1. 2014, n811-28-898 (Legifrance). Jeansen, JCP S 2018, 1416. 356 Der Conseil d’Etat hat in der obligation de reclassement bei gesundheitsbedingter Ungeeignetheit einen allgemeinen Rechtsgrundsatz gesehen, siehe die Entscheidung v. 26. 2. 2007, n8276863, Dr. Soc. 2007, 965. Die entsprechende Pflicht vor Ausspruch einer Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen wurde weiterhin erst in der Rechtsprechung entwickelt, bevor sie Gesetz wurde, siehe Cass. Soc. v. 1. 4. 1992, n889-43.393, Bull. Civ., V, n8228. 357 Vgl. Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 506; Ancel, Revue juridique Thémis 45-1, S. 87 (100 f.); Guislain, Jurisprudence Sociale Lamy n8358 v. 27. 1. 2014; demgegenüber knüpft Savatier, Dr. Soc. 2010, 80 (81) im Hinblick auf Art. L.12262 Code du travail an die Schutzpflicht des Arbeitgebers zum Schutze der Sicherheit und Gesundheit an. 355

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seines Arbeitsverhältnisses bewahren soll.358 Für den Fall der Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen gilt dasselbe.359 Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht bei einer pandemiebedingten Arbeitsverhinderung i. a. R. wohl nicht im Raum. Der Zustand der Schwangerschaft ist demgegenüber zwar ein vorübergehender, aber doch lang andauernd und unterliegt darüber hinaus einem besonderen rechtlichen Schutz360, der es schwierig macht, aus dahingehenden Regelungen einen Analogieschluss zu ziehen. Daher bleibt ungewiss, ob eine Pflicht des Arbeitgebers zur Umsetzung desjenigen Arbeitnehmers besteht, der aufgrund einer Coronavirusinfektion oder ihres Verdachts für eine kurze Zeit nicht im Betrieb tätig werden kann bzw. soll.

4. Zwischenergebnis Der Code du travail liefert eine gesetzliche Definition der Telearbeit sowie Vorgaben dahingehend, wie sie in das Arbeitsverhältnis eingeführt werden kann. Die Entscheidung obliegt grundsätzlich dem Arbeitgeber, der dabei aber auf die Zustimmung des Arbeitnehmers angewiesen ist – Telearbeit gegen den Willen einer der Vertragsparteien gibt es grundsätzlich nicht. Allerdings ist das Rechtssystem auf den Eintritt einer Pandemie erstaunlich gut vorbereitet und sieht bereits seit 2012 in Art. L.1222-11 Code du travail vor, dass Telearbeit im Falle einer solchen (nach dem Wortlaut Epidemie) und anderen Umständen höherer Gewalt einseitig durch den Arbeitgeber eingeführt werden kann. Die Norm räumt nicht alle Fragen aus. Insbesondere ist unklar, wonach sich bestimmt, ob eine hinreichende Bedrohung für die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vorliegt, um die Rechtsfolgen des Art. L.1222-11 Code du travail auszulösen. Jedenfalls für die Hochphase der Coronapandemie ist jedoch unstreitig, dass der Artikel Anwendung findet. Der Arbeitgeber ist mithin berechtigt, im Rahmen seines Direktionsrechts die Telearbeit anzuordnen. Eine Verweigerung des Arbeitnehmers stellt eine Verletzung des Arbeitsvertrags dar und dürfte in aller Regel, wenn nicht der Arbeitnehmer dennoch eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit durch seinen Arzt erhält, zu einem unausgeglichenen Vergütungsausfall führen. Ob der Arbeitgeber zur Gewährung der Telearbeit aber auch verpflichtet ist, ist damit noch nicht gesagt. Aus den pandemiespezifischen rechtlichen Sonderregelungen ergibt sich eine solche Pflicht nicht unmittelbar. Auch wenn das Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à 358 Vgl. Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 371; Lokiec/Adam, Dr. Soc. 2021, 78 (80); Fantoni-Quinton, Étendue et limites de l’obligation de reclassement à l’égard des personnes présentant une inaptitude en France, S. 2. 359 Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 506. Der Conseil Constitutionnel hat dies an das Recht eines jeden Einzelnen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, angeknüpft, siehe die Entscheidung v. 13. 1. 2005, n82004-509 DC. 360 Zum Schutz der Mutterschaft siehe Auzero/Baugard/Dockès, Droit du travail, 35. Ed. 2022, Rn. 933.

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l’épidémie de Covid-19 zeitweise Telearbeit als bei bestehender Möglichkeit verpflichtend einzusetzende Organisationsform vorgab, folgt allein hieraus keine Rechtspflicht des Arbeitgebers, da höchstgerichtlich unmissverständlich festgestellt worden ist, dass diesem Protokoll allein Empfehlungscharakter zukommt. Ausgangsbeschränkungen führten darüber hinaus zu einer Einschränkung in der Sphäre des Arbeitnehmers, der die Betriebsstätte (ohne entsprechende Bescheinigung des Arbeitgebers, die bei Möglichkeit der Tätigkeit im Homeoffice nur wahrheitswidrig hätte ausgestellt werden können) nicht erreichen konnte. Zu erwägen sind allerdings Pflichten des Arbeitgebers zur Einführung bzw. Gestattung einer Tätigkeit in Telearbeit, die aus dem Arbeitsverhältnis selbst folgen könnten. Der am häufigsten vertretene Ansatz in der Literatur versucht eine Begründung einer solchen Pflicht anhand der Schutzpflicht gem. Art. L.4121-1 Code du travail. Unklar sind insoweit die Auswirkungen der Vorgaben des genannten Protocole national, das zwar selbst nur empfehlenden Charakter haben soll, dabei aber öffentliche Empfehlungen und wissenschaftliche Erkenntnisse wiedergibt, die der Arbeitgeber im Rahmen seiner Risikoermittlung und Organisation der betrieblichen Tätigkeit beachten muss. Letztlich ist es eine Frage des Einzelfalls, ob die arbeitgeberseitigen Schutzpflichten auch ohne die Einführung von Telearbeit als erfüllt angesehen werden können. Nimmt man eine solche Schutzpflicht an, führt die Verletzung allerdings nicht zu einer automatischen Einführung von Telearbeit. Vielmehr ist – wiederum im Einzelfall – zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines gefahrenbedingten Leistungsverweigerungsrechts des Arbeitnehmers gegeben sind, was nicht schon bei jeder Schutzpflichtverletzung des Arbeitgebers der Fall ist. Das Leistungsverweigerungsrecht kann allerdings auch nur zum (zu vergütenden) Ausfall der Arbeitsleistung führen, nicht aber zur Berechtigung, die Leistung in Telearbeit zu erbringen. Gerade im Falle eines wegen Infektion oder Infektionsverdachts ohnehin drohenden Arbeitsausfalls scheint der Ansatz über die Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers nicht zielführend. Es geht nicht um den Gesundheitsschutz, sondern vielmehr um das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers, der dem Betrieb ohnehin fernbleiben muss. Ist der Vertrag bereits suspendiert, besteht das Leistungsverweigerungsrecht ohnehin nicht. Soweit dem Arbeitnehmer allein eine Tätigkeit in Telearbeit möglich ist, könnte ein Recht auf Telearbeit bzw. eine Pflicht des Arbeitgebers, diese Homeofficetätigkeit zuzulassen, aus der arbeitgeberseitigen Beschäftigungspflicht folgen. Erwogen wird dies allerdings nur vereinzelt. Pflichten zur Umsetzung des Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz, wenn ihm seine Leistung (langfristig) unmöglich ist, sind zwar für bestimmte Fälle gesetzlich vorgesehen, für den hier betrachteten Fall lassen sich daraus allerdings keine belastbaren Rückschlüsse ziehen. Ob eine Rechtspflicht des Arbeitgebers zur Zuweisung bzw. Gestattung einer Tätigkeit im Homeoffice im Falle des ansonsten drohenden Arbeitsausfalls bei einer Coronavirusinfektion oder einem Infektionsverdacht besteht, ist daher nicht abschließend geklärt.

III. Die Tätigkeit im Homeoffice in Zeiten der Pandemie

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III. Die Tätigkeit im Homeoffice in Zeiten der Pandemie in Deutschland und Frankreich im Vergleich In beiden Vergleichsstaaten wurde rückblickend gerade in den ersten Monaten der Pandemie ein starker Anstieg der Arbeit von zu Hause aus im Vergleich zu der Zeit „prä-Corona“ festgestellt. Ähnlich war auch der immer wieder bekräftigte Wunsch der zuständigen öffentlichen Stellen, Arbeiten wo immer es möglich ist, ins Homeoffice zu verlegen, um so Kontakte und damit Infektionsrisiken zu vermeiden. Der Ausgangspunkt, von dem beide Staaten in (arbeits-)rechtlicher Hinsicht hierbei ausgehen, ist allerdings grundverschieden. 1. Der (nicht) bestehende Rechtsrahmen im Vergleich Diese Verschiedenheit zeigt sich schon im Hinblick auf den rechtlichen Rahmen für die Arbeit außerhalb des Betriebs im Allgemeinen. Während sich im deutschen Recht lediglich eine Definition des Telearbeitsplatzes findet, die aber allein dazu dient, den Anwendungsbereich der ArbStättVO zu bestimmen, existiert in Frankreich bereits seit geraumer Zeit ein tatsächlicher Rechtsrahmen für die Telearbeit, einschließlich Definition sowie Regelung der Umstände ihrer Einführung in den Arbeitsvertrag – zunächst geregelt in einer Kollektivvereinbarung aus dem Jahre 2005, seit 2012 darüber hinaus in einem eigenen Abschnitt des Code du travail. Das Homeoffice im engeren Sinne, d. h. die Arbeitstätigkeit aus der eigenen Wohnung heraus, ist zwar ebenfalls nicht selbständig normiert, lässt sich aber unzweifelhaft unter die Definition der Telearbeit nach Art. L.1222-9 Code du travail subsumieren. Das vermeidet die begriffliche Verwirrung, die deutsche Arbeitsrechtler gerade zu Beginn der Pandemie konstatierten und ausräumen mussten, soweit es um die Begriffe Telearbeit, Heimarbeit, Homeoffice und Mobile Office, z. T. noch versehen mit Unter- und Mischkategorien wie alternierender Telearbeit oder Teleheimarbeit ging. 2. Die grundsätzliche Freiwilligkeit der Tätigkeit außerhalb des Betriebs Das unterschiedliche Maß gesetzlicher Regulierung setzt sich auch bei der Frage fort, ob der Arbeitgeber eine Tätigkeit in der Wohnung des Arbeitnehmers grundsätzlich – außerhalb des Pandemiezustands – einseitig anordnen kann. Im deutschen Recht wurde diese Frage in der arbeitsrechtlichen Literatur und in einzelnen, arbeitsgerichtlichen Entscheidungen diskutiert und grundsätzlich abgelehnt. Als Argumente werden das drohende Verschwimmen von Arbeit und Freizeit, der Verlust des Kontakts zu Kollegen und Interessenvertretungen und nicht zuletzt der grundrechtliche Schutz der Wohnung genannt, wobei es nach hier vertretener Ansicht eher um den Schutz der privaten Lebenssphäre des Arbeitnehmers geht. Während auch in Frankreich warnende Stimmen zu vernehmen sind, welche die negativen Aspekte

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einer Verlagerung der Tätigkeit ins Heim des Arbeitnehmers betonen361, bedarf es einer grundsätzlichen Diskussion um die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers nicht. Dass eine solche nicht besteht, folgt schon aus der gesetzlichen Regelung des Art. L.1222-9 Code du travail, namentlich aus dem Merkmal der Freiwilligkeit als Teil der Definition der Telearbeit sowie aus den Vorgaben hinsichtlich ihrer Einführung, die nur durch Kollektivvereinbarung, betriebliche Regelung mit Anhörung des comité social et économique oder Einigung mit dem Arbeitnehmer erfolgen kann und deren Ablehnung durch den Arbeitnehmer keinen Kündigungsgrund darstellt. Die einseitige Anordnung von Telearbeit stellt eine erzwungene Änderung des Arbeitsvertrags dar, die den Arbeitnehmer zur Beendigung des Arbeitsvertrags mit Entschädigungsverpflichtung des Arbeitgebers berechtigt.362 3. Das Anordnungsrecht des Arbeitgebers in Zeiten der Pandemie Schließlich ist auch der Rechtsrahmen eines Anordnungsrechts des Arbeitgebers für eine Homeofficetätigkeit in Zeiten der Pandemie ein anderer. Auch hier erfolgte in der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur eine intensive Diskussion, erste Gerichte reagierten ablehnend. Demgegenüber sah das französische Recht bereits zu Beginn der Pandemie, spezifischer noch bereits seit 2012, eine erstaunlich passende Regelung vor, die das Aufkommen grundlegender Fragen verhinderte. Nach Art. L.1222-11 Code du travail ist der Arbeitgeber unter besonderen Umständen, insbesondere bei einer Bedrohung durch eine Epidemie, zur Fortsetzung des Betriebs und zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer berechtigt, die Tätigkeit in Telearbeit einseitig anzuordnen. Es soll sich dann um eine schlichte Festlegung des Arbeitsortes mittels Weisung handeln, für welche die Zustimmung des Arbeitnehmers nicht erforderlich ist. Solange eine hinreichende Bedrohung außer Frage steht, und so war es lange Zeit während der Coronapandemie, solange ist auch das Recht des Arbeitgebers zur unilateralen Entsendung des Arbeitnehmers an eine Arbeitsstätte außerhalb des Betriebs unzweifelhaft. Eine französische Autorin stellte insoweit fest, das französische Arbeitsrecht sei auch gerade gegenüber dem deutschen auf die Pandemie und den damit einhergehenden Anstieg der Telearbeitsnutzung besser vorbereitet gewesen.363 Und das mit Recht. Nicht nur, dass es vor der Pandemie keinen Rechtsrahmen für die Telearbeit bzw. Teleheimarbeit oder Homeoffice im deutschen Recht gab, ein solcher wurde 361 Siehe schon früh Ray, Dr. Soc. 2001, 1039 (1049); in der Coronakrise auch Gauriau, Revue pratique de la prospective et de l’innovation 2020, n819; Lampert, JCP S 2020, 360. 362 Zum prise d’acte de rupture siehe bereits oben Gliederungspunkt E. II. 1. 363 Sachs, Le Droit Ouvrier 2021, 173 (174): „(…) le droit français, par contraste avec les droits allemand ou italien, par exemple, était préparé pour affronter la vague du télétravail.“ (frei übersetzt: das französische Recht war im Kontrast mit dem deutschen oder italienischen Recht vorbereitet, um der Welle der Telearbeit zu begegnen), wobei sich hieran allerdings unmittelbar die Kritik anschließt, die Beschränkungen und Grenzen der Telearbeit seien nicht ausreichend berücksichtigt worden.

III. Die Tätigkeit im Homeoffice in Zeiten der Pandemie

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auch während ihrer Dauer nicht in nennenswerter Weise geschaffen. Erst im Jahr 2021 erfolgten vorübergehende Regelungen, die zunächst nur den Arbeitgeber zu einem Angebot der Telearbeit verpflichteten, später auch den Arbeitnehmer zur Annahme, wohlgemerkt unter der bedeutenden Einschränkung, dass der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber nicht nachprüfbare Gründe vorbringen konnte, die ihn von seiner Annahmepflicht befreiten. Ob es darüber hinaus Rechte des Arbeitgebers zur einseitigen Anordnung der Tätigkeit im Homeoffice geben kann, wurde intensiv diskutiert, ist aber nach hier vertretener Ansicht letztlich abzulehnen, soweit es nicht um echte Not- und Ausnahmesituationen geht, in denen der Fortbestand des Betriebs von einem Tätigwerden des Arbeitnehmers abhängt. Das gilt auch und insbesondere, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb nicht tätig werden kann, weil er mit dem Coronavirus infiziert oder dessen verdächtig ist. Not- und Ausnahmesituationen – der Begriff ist eng zu verstehen – können hingegen zu einer Erweiterung des Weisungsrechts führen. Der Mechanismus ist hier ähnlich wie derjenige, den Art. L.1222-11 Code du travail für das französische Recht vorgibt. Dort wird fingiert, dass es sich bei der Anordnung der Telearbeit anders als üblich um eine vom Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasste Verlagerung des Arbeitsortes handelt. Dabei erfasst Art. L.1222-11 Code du travail mit dem Begriff der besonderen Umstände (circonstances exceptionnelles) allerdings weit mehr Fälle als unter den Begriff der Not- und Ausnahmesituation im deutschen Recht subsumiert werden können. 4. Die Auswirkungen auf das Vergütungsrisiko bei Weigerung des Arbeitnehmers Diese ganz unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Ergebnisse hinsichtlich des Anordnungsrechts des Arbeitgebers zeigen ihre Folgen auch bei der Betrachtung des Vergütungsrisikos im Lichte einer Möglichkeit der Homeofficetätigkeit. Sofern dem Arbeitgeber nach deutschem Recht ein Anordnungsrecht nicht zusteht, hat die Ablehnung der Tätigkeit im Homeoffice durch den Arbeitnehmer keine Auswirkungen auf das Vergütungsrisiko, es gelten mithin im Falle des infektions- oder infektionsverdachtsbedingten Arbeitsausfalls die oben bereits erarbeiteten Grundsätze. Sollte ausnahmsweise aufgrund einer Not- oder Ausnahmesituation ein Anordnungsrecht bestehen, so besteht es in Form eines erweiterten Direktionsrechts – die Ablehnung durch den Arbeitnehmer führt daher wegen wirksamer Verlegung des Arbeitsortes zur Anwendung des Grundsatzes ohne Arbeit kein Lohn. In Frankreich dürfte dieses Ergebnis bei Weigerung des Arbeitnehmers die Regel sein, da eben auch das Anordnungsrecht des Arbeitgebers für die Telearbeit im Pandemiefall die Regel ist – nach allgemeinen Grundsätzen führt die Verweigerung der geschuldeten Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer auch hier zum Vergütungsausfall. Weiterhin hängen auch die für pandemiebedingten Arbeitsausfall in Spezialvorschriften vorgesehenen Ausgleichsansprüche gegen Krankenversicherung und

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Arbeitgeber von der fehlenden Möglichkeit der Fortsetzung der Arbeitstätigkeit ab, nach der letzten Fassung des Art. 1 Décret n82020-73 v. 31. 1. 2020 sowie sämtlichen Fassungen des Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021 explizit auch einer solchen aus der Distanz. Widersetzt sich der Arbeitnehmer daher einer nach Art. L.1222-9 Code du travail zulässigen Weisung, trägt er für den Arbeitsausfall auch bei einer bestehenden Infektion oder einem Infektionsverdacht das Vergütungsrisiko. Wohlgemerkt lässt sich dieses Ergebnis für beide Vergleichsstaaten umgehen (für Deutschland ist dies nur bei ausnahmsweise bestehendem Anordnungsrecht relevant), sofern es dem Arbeitnehmer gelingt, eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit durch einen Arzt zu erlangen. Zwar lässt sich sowohl für Deutschland als auch für Frankreich rechtlich begründen, dass eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt werden dürfte, wenn eine Arbeitsleistung im Homeoffice möglich ist und vertraglich geschuldet ist.364 Es lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass dies in der Praxis nicht immer streng gehandhabt wurde. 5. Homeoffice als Recht und Pflicht Löst man sich von der Frage, welche Anordnungsmöglichkeiten der Arbeitgeber hat, und wendet sich derjenigen zu, was er tun muss, um seine rechtlichen Pflichten zu erfüllen, so sind im Hinblick auf die Homeofficetätigkeit bzw. Telearbeit jeweils zwei Themenkomplexe zu unterscheiden: Einmal die Frage nach einer öffentlichrechtlichen Pflicht des Arbeitgebers, zum Zwecke des Infektionsschutzes die Tätigkeit außerhalb des Betriebs anzuordnen bzw. zuzulassen, sowie andererseits die Möglichkeit einer entsprechenden Verpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer, womit das vieldiskutierte „Recht auf Homeoffice“ angesprochen ist. Aufgrund der Verknüpfung insbesondere des Arbeitsschutzrechts mit den Rechten und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien lassen sich die Themenkomplexe allerdings nicht ganz strikt trennen. Hinsichtlich eines Rechts auf Homeoffice des Arbeitnehmers ist die prä-pandemische Gesetzeslage für beide Vergleichsstaaten schnell abgehandelt – es existierte grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme nach deutschem Recht kann eine Reduzierung des arbeitgeberseitigen Ermessens bei der Festlegung des Arbeitsortes auf Null sein, die allerdings nur in engsten Grenzen in Betracht kommen dürfte. In Frankreich ist die Einführung der Telearbeit für den Arbeitgeber freiwillig. Ist ein Arbeitsplatz nach kollektiv- oder betriebsinternen Regelungen für die Telearbeit geeignet, muss er eine Ablehnung derselben begründen, was jedoch im Einzelfall keine hohe Hürde darstellt.

364 Für Frankreich folgt dies aus Art. L.162-4-1 18 Code de la sécurité sociale, für Deutschland daraus, dass bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit die konkrete, arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu berücksichtigen ist, siehe hierzu bereits Gliederungspunkt F. I. 2. a) bb) (3) (b) (bb).

III. Die Tätigkeit im Homeoffice in Zeiten der Pandemie

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Die Pandemie brachte nun allerdings Bewegung in diese Situation. Während in Frankreich hieran anknüpfend bereits ein Anordnungsrecht des Arbeitgebers vorgesehen ist, erfolgte auf gesetzlicher Ebene keine explizite Vorgabe einer Pflicht zum Homeoffice. In Deutschland hingegen wurde erst in der Corona-ArbSchV, später in § 28b Abs. 7 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 und § 28b Abs. 4 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 die Pflicht des Arbeitgebers vorgesehen, eine Tätigkeit im Homeoffice anzubieten. Ein subjektives Klagerecht des Arbeitnehmers sollte hier zwar ausgeschlossen sein, dennoch offenbart sich hier ein grundlegend unterschiedlicher Ansatz in den Vergleichsstaaten: Während in Deutschland nicht die Rechte, wohl aber die Pflichten des Arbeitgebers erweitert wurden und die Entscheidung über die Verlagerung der Tätigkeit zunächst in die Hand des Arbeitnehmers gelegt wurde, der das Angebot annehmen oder ablehnen konnte, lief das französische Arbeitsrecht gewissermaßen in die Gegenrichtung und überantwortete die Entscheidung über die Notwendigkeit des Homeoffice dem Arbeitgeber. Zwar nahm der deutsche Gesetzgeber mit der Vorgabe der Annahme des Angebots des Arbeitgebers in § 28b Abs. 7 S. 2 IfSG i. d. F. v. 23. 4. 2021 bzw. § 28b Abs. 4 S. 2 IfSG i. d. F. v. 24. 11. 2021 auch die Arbeitnehmer in die Pflicht, jedoch relativierte die weit gefasste Ausnahme, nach welcher der Arbeitnehmer Gründe für ein Absehen hiervon vorbringen konnte, die für den Arbeitgeber nicht überprüfbar waren, die Tragweite dieses Schrittes deutlich. Neben den gesetzlichen Anpassungen erlangen außergesetzliche Leitlinien und Vorgaben Bedeutung – dies allerdings mehr noch in Frankreich als in Deutschland. In Deutschland sah zwar der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard in der Ursprungsfassung die Ausführung von Bürotätigkeiten nach Möglichkeit im Homeoffice vor, die fehlende unmittelbare Verbindlichkeit dieser Norm wurde jedoch bereits früh und im Ergebnis fast einhellig festgestellt. In Frankreich stand das Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de Covid-19, das in seiner Regelungsform dem Arbeitsschutzstandard vergleichbar ist, weit mehr im Fokus der Diskussion um Rechte und Pflichten zur Telearbeit. Das mag insbesondere der zeitweisen Formulierung dieser Handlungsleitlinie geschuldet sein, die einen imperativen Charakter angenommen hatte und dem Leser den Eindruck von fehlendem Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers vermittelte. Hiermit räumte der Conseil d’Etat jedoch auf und stellte unzweifelhaft den reinen Empfehlungscharakter des Protokolls heraus, wie er in Deutschland auch für den SARS-CoV-2Arbeitsschutzstandard angenommen wird. Ganz ohne Einfluss auf die Pflichten des Arbeitgebers bleiben jedoch weder der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard noch das Protocole national pour assurer la santé et la sécurité des salariés en entreprise face à l’épidémie de Covid-19. Zu erwägen ist beiderseits, ob die dortigen Vorgaben nicht, soweit sie wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, die allgemeine Arbeitsschutzpflicht des Arbeitgebers konkretisieren und seinen Entscheidungsspielraum im Lichte der Infektionsgefahr auf eine Anordnung der Tätigkeit im Homeoffice reduzieren, wo eine solche möglich ist. Die Diskussionen laufen hier weitgehend parallel, was nicht zuletzt dem europarechtlich geprägten und daher vergleichbaren Arbeitsschutzrecht der Staaten geschuldet ist. Abschließend ist die

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Frage nicht beantwortet worden, weder in Frankreich noch in Deutschland. Für die hier zu betrachtenden Rechtsfragen ist dies jedoch nicht entscheidend – sowohl für Frankreich als auch für Deutschland konnte festgestellt werden, dass die Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers bei Bestehen einer Infektion oder eines Infektionsverdachts und hierdurch bedingter Verhinderung des Arbeitnehmers an einer Tätigkeit im Betrieb eine untergeordnete Rolle spielen. Denn die praktische Konsequenz der Arbeitsschutzpflichtverletzung ist i. d. R. (wenn überhaupt) das Fernbleiben des Arbeitnehmers von seinem Arbeitsplatz – dieses Fernbleiben tritt bei erforderlicher (Selbst-)Isolation aber ohnehin ein. Steht das Fernbleiben des Arbeitnehmers aus dem Betrieb fest, geht es bei der Frage nach einem Recht auf Homeoffice nicht um den Gesundheitsschutz, sondern um das Beschäftigungsinteresse des betroffenen Arbeitnehmers. Dass den Arbeitgeber eine Beschäftigungspflicht trifft, ist für beide Vergleichsstaaten bereits festgestellt worden. Inwiefern diese jedoch fortbesteht, wenn der Arbeitnehmer die ihm ursprünglich zugewiesene Tätigkeit – hier diejenige im Betrieb – nicht mehr ausüben kann, aber andere Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen – hier eine solche im Homeoffice – ist damit nicht gesagt. In Deutschland scheint es insoweit möglich, an die bekannte Pflicht zur Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes anzuknüpfen. Hierbei ist zu differenzieren, ob eine solche bei vorherigem Verlangen des Arbeitnehmers mittels Weisung möglich wäre oder ob eine Vertragsänderung erforderlich würde. Nur in ersterem Fall wird hier ein Recht auf Homeoffice in der Form eines Rechts auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz befürwortet. In der französischen Literatur ist der Anspruch auf Beschäftigung im Homeoffice als Teil der Beschäftigungspflicht demgegenüber nur sehr vereinzelt angedacht worden. Eine der hier für das deutsche Recht vorgeschlagenen Lösung nicht unähnliche Anknüpfung an eben diese Beschäftigungspflicht scheint nicht ausgeschlossen, kann an dieser Stelle mangels vertiefter wissenschaftlicher und gerichtlicher Auseinandersetzung aber nur vermutet werden. Letztlich ist der Frage eines Rechts auf Homeoffice im Falle der Infektion oder des Infektionsverdachts wohl geringe praktische Bedeutung zuzumessen – das gilt für beide Vergleichsstaaten und ist auch dem zu unterstellenden Interesse des Arbeitgebers am Erhalt der Arbeitsleistung geschuldet. Für den Fall, das diese spezifische Konstellation doch einmal relevant wird, erscheint es als unbilliges Ergebnis, dem Arbeitnehmer, der zwar nicht im Betrieb tätig werden kann, aber eine Tätigkeit aus seiner Wohnung heraus anbietet, das Vergütungsrisiko für den hieraus resultierenden Arbeitsausfall aufzubürden. Das gilt jedenfalls dann, wenn keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Ein solches unbilliges Ergebnis lässt sich jedoch in beiden Vergleichsstaaten mit rechtlich fundierter Argumentation vermeiden. In Deutschland kann dies bei Unmöglichkeit oder Geltendmachung der Unzumutbarkeit der Leistung im Betrieb über den Schadensersatzanspruch wegen Nichtzuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes hergeleitet werden, jedenfalls

III. Die Tätigkeit im Homeoffice in Zeiten der Pandemie

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dort, wo nicht ohnehin ein Lohnfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber besteht. In Frankreich kommt ein arrêt de travail mit sich hieran anschließendem Ausgleich eines Teils des Vergütungsausfalls anteilig durch Krankenversicherung und Arbeitgeber in Betracht, wenn man auch die durch den entgegenstehenden Willen des Arbeitgebers verhinderte Telearbeit als unmöglich ansieht. Bei dieser Lösung würde der Arbeitnehmer allerdings nicht vollständig ent- und zusätzlich die Krankenversicherung belastet. Die Frage, ob der Arbeitgeber durch Verhinderung der Homeofficetätigkeit eine finanzielle Belastung anderer Akteure herbeiführen kann, stellt sich auch im deutschen Recht, hier im Hinblick auf § 56 IfSG im Verhältnis zum Staat. Besteht kein Lohnfortzahlungsanspruch nach Maßgabe des § 616 BGB – etwa wegen zu langer Dauer der Arbeitsverhinderung – und entsteht daher ein Verdienstausfall, der durch § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG aufgefangen wird, fehlt es bei dem Arbeitnehmer an einem ersatzfähigen Schaden infolge der Nichtzuweisung der Homeofficetätigkeit, den er von seinem Arbeitgeber ersetzt verlangen könnte. Diesem Problem lässt sich im deutschen Recht durch erweiterte Auslegung des für § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG maßgeblichen Begriffs des Verdienstausfalls begegnen, sodass ein solcher auch bei einem der Vergütung entsprechenden Schadensersatzanspruch nicht besteht, § 56 IfSG also auch gegenüber einem solchen subsidiär ist. In Frankreich könnte von einer fehlenden Unmöglichkeit der Leistung ausgegangen werden, wenn Telearbeit tatsächlich möglich ist und nur am entgegenstehenden Willen des Arbeitgebers scheitert, soweit man für diesen Fall einen Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers wegen Verletzung der Beschäftigungspflicht annimmt. Ein Anspruch auf Krankentagegeld und ergänzende Arbeitgeberleistungen schiede dann aus. Wohlgemerkt führt diese zwar im Hinblick auf das Vergütungsrisiko interessengerechte Lösung in beiden Staaten zu einer Belastung des Arbeitnehmers mit dem Prozessrisiko. Ein Sonderproblem zeigt sich, jedenfalls im deutschen Recht, wenn das Ausbleiben der Arbeitsleistung im Betrieb nicht auf einer Unmöglichkeit oder Leistungsverweigerung des Arbeitnehmers, sondern einer Freistellungsentscheidung des Arbeitgebers beruht. Ist dem Arbeitgeber anstatt der Freistellung aufgrund einer entsprechenden Bereitschaft des Arbeitnehmers die Zuweisung einer Homeofficetätigkeit möglich, ist die Freistellung unberechtigt – dies führt nicht zu einem Schadensersatzanspruch, sondern vielmehr zu einem Anspruch auf Lohnfortzahlung nach Maßgabe des § 615 S. 1 BGB. Das Spannungsfeld von Freistellung und Telearbeit ist für das französische Recht soweit ersichtlich nicht diskutiert worden. Die Freistellung dürfte hier jedoch in praktischer Hinsicht auch eine geringere Rolle spielen als in Deutschland, da die Möglichkeit der einseitigen Zuweisung einer Tätigkeit im Homeoffice über Art. L.1222-11 Code du travail gesetzlich abgesichert ist. Die Freistellung außerhalb des Regimes der Sanktionsmaßnahmen begegnet demgegenüber rechtlichen Unsicherheiten. Die Vorzeichen in den Vergleichsstaaten sind hier gewissermaßen umgekehrt: Während der Arbeitgeber in Deutschland nach hier vertretener Ansicht die Homeofficetätigkeit ohne Zustimmung des Arbeitnehmers nicht anordnen kann, sich die Möglichkeit der Freistellung bei Infektionsgefahr

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indes gut begründen und in eine bestehende Rechtsprechungstradition einordnen lässt, steht die Freistellung in Frankreich weniger im Fokus. Die Entscheidung des Arbeitgebers über die Homeofficetätigkeit ist dort jedoch jedenfalls in ihren Grundzügen in Zeiten der Pandemie unproblematisch.

I. Handlungsbedarf und Handlungsoptionen nach Vorbild des französischen Rechts? Der vorstehende Rechtsvergleich hat die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede im arbeitsrechtlichen Umgang der Vergleichsstaaten mit Fällen aufgezeigt, in denen die Arbeitsleistung (im Betrieb) aufgrund einer Infektion, eines Infektionsverdachts oder einer erhöhten Gesundheitsgefahr für den Arbeitnehmer vor dem Hintergrund der Coronapandemie nicht erbracht werden kann. Aus der Perspektive des deutschen Juristen stellt sich im Anschluss die Frage nach einem gesetzgeberischen Handlungsbedarf im nationalen Recht, gerade im Lichte der festgestellten, nicht unerheblichen Divergenzen.

I. Die zentrale Frage der Verteilung des Vergütungsrisikos bei Arbeitsausfall Im deutschen Recht sind es verschiedenste Normen und Regelungssysteme, die je nach konkretem Auslöser des pandemiebedingten Arbeitsausfalls zur Anwendung gelangen und dem Arbeitnehmer finanzielle Ansprüche trotz ausbleibender Arbeitsleistung verschaffen. Handelt es sich nicht um einen Anwendungsfall des § 615 S. 1 BGB, ist die Lösung zunächst in den § 616 BGB oder § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG zu suchen. Löst man den Blick von den arbeitsrechtlichen Ansprüchen i. e. S., sind das Krankengeld nach § 44 SGB V sowie die infektionsschutzrechtliche Entschädigung nach § 56 IfSG jeweils in ihrem spezifischen Anwendungsbereich zu berücksichtigen, wobei beide gegenüber bestehenden, arbeitsrechtlichen Ansprüchen zurücktreten. Diese Mehrzahl möglicherweise einschlägiger Lohnfortzahlungs- bzw. sozialer Entschädigungssysteme macht die Frage nach der Verteilung des Vergütungsrisikos bei pandemiebedingtem Arbeitsausfall zu einer solchen, die sich nicht in wenigen Sätzen beantworten lässt. Verschärft wird die Komplexität nicht zuletzt durch die Problematik der Monokausalität, die mit der Anwendung des § 616 BGB oder § 3 EFZG einhergeht, sowie dem Subsidiaritätsverhältnis des § 56 IfSG zu beiden genannten Normen, letzteres auch in Verbindung mit der zeitlichen Begrenzung des § 616 BGB. Im direkten Vergleich scheint die Antwort, die das französische Recht für Fälle infektions-, infektionsverdachts- oder durch erhöhtes Infektionsrisiko bedingten Arbeitsausfalls bereithält, durch ihre Einfachheit zu bestechen: Für viele Fälle wurde der Zugang zu den Leistungen für den krankheitsbedingten Arbeitsausfall geöffnet, für wenige andere derjenige zur Kurzarbeit und den hieran anknüpfenden Aus-

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I. Handlungsbedarf und -optionen nach Vorbild des französischen Rechts?

gleichsleistungen.1 Dies erfolgte überwiegend durch materielles Gesetz. Wohlgemerkt sollte die zusammengefasste Darstellung an dieser Stelle nicht darüber hinwegtäuschen, dass zur Entwicklung der nun geltenden Lösung eine Vielzahl gesetzlicher Änderungen erforderlich war. Dies fügte sich insgesamt in eine wahre Flut gesetzlicher Regulierungen im Lichte der Pandemie ein, die unter französischen Rechtswissenschaftlern durchaus Kritik erfahren hat.2 Die Frage liegt nahe: Wäre nicht auch hier eine Öffnung des Entgeltfortzahlungsgesetzes durch ein Gleichsetzen von Infektion und Krankheit die naheliegende, sogar die gebotene Lösung? Auch eine weite Interpretation der zeitlichen Grenzen des § 616 BGB würde zu einem ähnlichen Ergebnis, einem einheitlichen Kostenschuldner führen – der gegenüber § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG vorrangige, arbeitsrechtliche Lohnfortzahlungsanspruch würde dann viele Fälle des infektionsbedingten Arbeitsausfalls abdecken. De lege lata lässt sich allerdings beides nicht überzeugend begründen.3 De lege ferenda stehen entsprechende Lösungen dem Gesetzgeber natürlich offen. Eine gesetzlich angeordnete Abänderung und Erweiterung der Tatbestandsvoraussetzung der Arbeitsunfähigkeit in § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG und auch in § 44 SGB V wäre möglich. Gleiches gilt für eine Erweiterung der zeitlichen Grenzen des § 616 BGB, wie schon ein Blick in die Gesetzeshistorie zeigt.4 Insbesondere zu Beginn der Pandemie, als das Verhältnis des § 56 IfSG zu den arbeitsrechtlichen Ansprüchen rege debattiert wurde, hätte so womöglich schneller Rechtssicherheit erreicht werden können. Angesichts des ungewissen Ausmaßes der zeitlichen Grenzen des § 616 BGB, der § 56 IfSG grundsätzlich vorgeht, gilt das auch noch heute. Der bessere Weg wäre das jedoch nicht zwingend gewesen, ist es auch heute nicht.

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Einen Überblick über andere europäische Staaten, die in vergleichbarer Weise ihre sozialen Sicherungssysteme anpassten und öffneten, gibt Devetzi, ZESAR 2021, 323 (325). 2 Moysan, Le club des juristes v. 4. 5. 2020 konstatierte etwa eine normative Inflation, die mit einer Verschlechterung der Qualität der Texte einherginge („(…) l’inflation normative (…) laquelle s’accompagne d’une dégradation de la qualité des textes (…).“); ebenso Malfettes, RJS 2020, 677; kritisch auch Favennec-Héry/Teissier, JCP S 2021, 1153, die frei übersetzt von einer ,Vermehrung, um nicht zu sagen Hektik, von Normen, deren Unvorbereitetheit, fehlender Normativität bestimmter Texte, Entstehung eines oft instabilen, manchmal rückwirkenden Untergrundrechts, dem es weitgehend an Transparenz und Verständlichkeit für den Rechtsuchenden mangelt‘ sprechen („(…) prolifération pour ne pas dire frénésie de normes, impréparation de celles-ci, absence de normativité de certains textes, émergence d’un droit souterrain souvent instable, parfois rétroactif manquant largement de transparence et d’intelligibilité pour le justiciable“). 3 Ausführlich zu diesen Tatbestandsmerkmalen Gliederungspunkte F. I. 2. a) bb) (3) (b) und cc) (2). 4 Siehe bereits Gliederungspunkt F. I. 2. a) cc) (2) (a) (bb).

I. Zentrale Frage der Verteilung des Vergütungsrisikos bei Arbeitsausfall

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1. Ungleich stärkere Belastung des Arbeitgebers Eine Annäherung an die französische Lösung im Ergebnis, derart, dass sämtliche Fälle infektions- und infektionsverdachtsbedingten Arbeitsausfalls im Hinblick auf das Vergütungsrisiko ebenso behandelt werden wie Fälle krankheitsbedingten Arbeitsausfalls, würde für Arbeitgeber in Deutschland eine ungleich stärkere Belastung bedeuten. Der Grund hierfür liegt in der Ausgestaltung der finanziellen Sicherung krankheitsbedingt Arbeitsunfähiger. Soweit die Voraussetzungen des § 3 EFZG erfüllt sind, trägt der Arbeitgeber die Kosten des Arbeitsausfalls nach deutschem Recht vorbehaltlich des Eingreifens des AAG zunächst allein. Auch die Lohnfortzahlung nach § 616 BGB obliegt allein dem Arbeitgeber.5 Das Vergütungsrisiko ist überwiegend nach einem „Alles-oder-Nichts“-Prinzip verteilt. In Frankreich erfolgt demgegenüber eine anteilige Risikoverteilung zwischen Krankenversicherung und Arbeitgeber; auch der Arbeitnehmer trägt, soweit nicht zu seinen Gunsten andere Absprachen gelten, ein geringes Restkostenrisiko. Die finanziellen Auswirkungen eines entsprechenden Ansatzes wären in Deutschland daher gänzlich andere.6 2. Die Berechtigung der derzeitigen Lösung Eine derart einseitige Belastung des Arbeitgebers mit den Folgen des infektionsschutzbedingten Arbeitsausfalls ist nicht geboten. Vielmehr ist es interessengerecht, den Arbeitgeber bei Arbeitsausfall im Kontext der Pandemie allein das Risiko tragen zu lassen, dass er auch außerhalb des Pandemiefalls tragen müsste – neben dem Annahmeverzugsrisiko sind das namentlich die Risiken kurzzeitiger Verhinderungen des Arbeitnehmers und krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit unter den Voraussetzungen des § 616 BGB bzw. § 3 EFZG. Wo es nicht diese spezifischen Umstände sind, die zu einer Verhinderung des Arbeitnehmers führen – hier ist der Kausalitätsfrage besondere Aufmerksamkeit zu schenken – ist eine Abweichung von dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ im engeren Sinne nicht angezeigt. Eine finanzielle Sicherung des Arbeitnehmers, der aus Gründen des Infektionsschutzes der Arbeit fernbleibt, ist auf anderem Wege zu erreichen; § 56 IfSG dient genau diesem Zweck. Die Subsidiarität der Entschädigung wird damit nicht angezweifelt. Sie darf aber nicht dahingehend falsch verstanden werden, dass der Arbeitgeber zusätzliche Lasten zu tragen hat, die ihn bei stringenter Auslegung der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlungsansprüche nicht treffen würden. Zunächst bestehende Schutzlücken, etwa bei Absonderung und Bestehen leichter Krankheitssymptome oder freiwilliger Isolation, sind inzwischen durch Anpassung des § 56 IfSG ge5 Eine Lösung über eine Erweiterung des § 616 BGB ginge weiterhin gegenüber einer solchen des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG mit einer stärkeren Belastung kleiner Arbeitgeber einher, die keinen Ausgleich nach § 1 Abs. 1 AAG beanspruchen könnten, siehe Preis/Schmid, in: JbArbR 2020, Band 58, S. 21 (32); Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413 (416). 6 Wer das französische Modell übernehmen wollte, müsste daher auch eine grundlegende Umstrukturierung der finanziellen Sicherung im Krankheitsfall erwägen, so wie es Greiner, NZA 2022, 665 (670) tut.

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I. Handlungsbedarf und -optionen nach Vorbild des französischen Rechts?

schlossen worden. Das trägt nicht nur zur sozialen Sicherung des betroffenen Arbeitnehmers bei, sondern dient auch dem Infektionsschutz – Infizierte oder Infektionsverdächtige können sich nicht durch drohenden Vergütungsverlust veranlasst sehen, ihrer Tätigkeit unter Gefährdung Dritter weiter nachzugehen. Zu einem angemessenen Ausgleich der Interessen trägt im deutschen Recht auch die Berücksichtigung eines Eigenverschuldens des Arbeitnehmers im Rahmen der § 616 BGB, § 3 EFZG und § 56 IfSG bei7 – dem französischen Recht der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist ein Anspruchsausschluss bei Verschulden des Arbeitnehmers hingegen fremd. Unter der Voraussetzung einer konsequenten Interpretation der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlungsansprüche, insbesondere des Monokausalitätskriteriums, ist die nach dem jetzigen Rechtsstand für das deutsche Recht zu verfolgende Lösung insgesamt zu begrüßen. Die nicht unerhebliche Bedeutung des Infektionsschutzrechts auch für das Vergütungsrisiko, namentlich des § 56 IfSG, der sich in das arbeitsrechtliche System der Lohnfortzahlung einfügt, ermöglicht eine interessengerechte Lastenverteilung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Allgemeinheit. Durch die Handhabung der § 3 EFZG und § 616 BGB ebenso, wie sie vor der Pandemie gehandhabt wurden, und eine Schließung insoweit entstehender Schutzlücken durch Anwendung des § 56 IfSG werden Arbeitsausfallrisiken, die dem Infektionsschutz geschuldet sind, an ihrem Ursprung angesiedelt – dem Infektionsschutzrecht. Die dann eintretende Kostentragung durch die Allgemeinheit ist im Lichte des Allgemeininteresses an der Eindämmung der Pandemie berechtigt und geboten.8 Die gefundene Lösung ist komplex – aber durchaus sinnvoll.

II. Verhinderung des Arbeitsausfalls durch Homeoffice Verhindern lässt sich ein infektions- oder infektionsverdachtsbedingter Arbeitsausfall durch eine Tätigkeit des Arbeitnehmers von zu Hause aus. Auch Problemstellungen, die mit der Beschäftigung vulnerabler Personen in Zeiten der Pandemie einhergehen, können durch eine Nutzung des Homeoffice gelöst werden, soweit die jeweilige Tätigkeit auch außerhalb des Betriebs erbracht werden kann. Während die Regelung der Verteilung des Vergütungsrisikos bei pandemiebedingtem Arbeitsausfall insbesondere im Rahmen des § 56 IfSG eine nicht unbedeutende Weiter7

Greiner, NZA 2022, 665 (669 f.) bezeichnet dieses Korrektiv hingegen als „zu grobschlächtig, um eine angemessene Risikosteuerung zu erreichen“. 8 Für eine Kostentragung durch die Allgemeinheit plädierend auch Schlegel/Meßling/ Bockholdt/Meßling, 2. Aufl. 2022, § 19 Rn. 36, der insoweit allerdings aufgrund einer abweichenden Rechtsauffassung gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht; siehe auch Greiner, NZA 2022, 665 (672), nach dem nicht ersichtlich ist, warum die aus Pandemieabwehrmaßnahmen resultierenden Entgeltfortzahlungskosten einseitig den Unternehmen auferlegt werden sollten und sodann eine differenzierte Lösung je nach dem dominierenden Verhinderungsgrund vorschlägt.

II. Verhinderung des Arbeitsausfalls durch Homeoffice

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entwicklung erfahren hat, entspricht der gesetzgeberische Stand im Hinblick auf Telearbeit und Homeoffice in Deutschland demjenigen vor der Coronapandemie. Zwischenzeitlich vorgesehene Angebots- und Annahmepflichten sind wieder außer Kraft getreten. In Frankreich hingegen ist das auf den Eintritt einer Pandemie insoweit bereits erstaunlich gut vorbereitete Arbeitsrecht durch den ANI Télétravail v. 26. 11. 2020, der inzwischen kraft Erlasses für verbindlich erklärt worden ist, konkretisiert worden. Die deutsche Politik sollte sich dies zum Vorbild nehmen – ob in inhaltlicher Hinsicht, das sei dahingestellt, jedenfalls aber im Hinblick auf die Tatsache der gesetzlichen Regulierung selbst. Denn so wichtig auch die Frage der Verteilung des Vergütungsrisikos bei pandemiebedingtem Arbeitsausfall ist, ein vorrangiges Anliegen sollte es doch sein, den Arbeitsausfall zu vermeiden. Das Homeoffice bietet hierzu bereits jetzt Gelegenheit, ein sicherer Rechtsrahmen würde die Nutzung jedoch allen Beteiligten erleichtern. Gesetzliche Neuerungen stehen auf der politischen Agenda9 – was kommt, bleibt abzuwarten. Ein Blick über die eigenen Grenzen hinaus, hin zu unserem Nachbarstaat Frankreich, sollte in diesem Punkt Inspiration und Motivation liefern und ist daher nur zu empfehlen.

9 Mehr Fortschritt wagen, Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP, S. 54.

J. Thesenartige Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse 1. Die Folgen der Coronapandemie für das Arbeitsverhältnis sind vielfältig. Kann die Arbeitsleistung nicht erbracht werden, weil der Arbeitnehmer mit dem Coronavirus infiziert oder dessen verdächtig ist oder die Leistung von ihm wegen erhöhter Gesundheitsgefahr nicht verlangt werden kann, ist das Arbeitsverhältnis in seinem innersten Kern, dem synallagmatischen Leistungsaustausch, betroffen. Die hier in den Blick genommenen Rechtssysteme, das deutsche und das französische, begegnen einer Beeinträchtigung der arbeitsvertraglichen Beziehung durch Arbeitsausfall im Ergebnis einander entsprechend: Es gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“, im Französischen „pas de travail, pas de salaire“. Die rechtliche Herleitung dieses Grundsatzes weicht in den Vergleichsstaaten im Detail voneinander ab, was nicht zuletzt dem Fehlen einer § 275 BGB vergleichbaren Regelung im französischen Zivilrecht geschuldet ist. Der Grundgedanke und auch das Ergebnis sind jedoch identisch. Es ist jedoch nicht dieser Grundsatz, der im hiesigen Kontext zentrale arbeitsrechtliche Fragen aufwirft, sondern vielmehr die hiervon bestehenden Ausnahmen. 2. Solche Ausnahmen kommen insgesamt nur bei berechtigtem Arbeitsausfall in Betracht. Dass der Arbeitnehmer nicht vergütet werden soll – und weitere Konsequenzen fürchten muss –, wenn er seine Leistung pflichtwidrig verweigert, leuchtet ein und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Die Arbeitspflicht als Hauptpflicht besteht in Zeiten der Pandemie fort. Eine Leistungsverweigerung allein aus Angst vor einer Coronavirusinfektion ist in beiden Vergleichsstaaten grundsätzlich nicht berechtigt und führt zum Vergütungsausfall. 3. Erste Divergenzen zeigen sich jedoch mit Blick auf vulnerable Personen. Können diese nach deutschem Recht zwar im Ausnahmefall ihre Leistung nach § 275 Abs. 3 BGB verweigern, müssen sie gleichwohl regelmäßig den Verlust des Vergütungsanspruchs in Kauf nehmen. In Frankreich wurde für Personen mit näher spezifizierten Vorerkrankungen hingegen gesetzlich die Möglichkeit des Erhalts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder der Versetzung in Kurzarbeit vorgesehen. Beides geht mit einem anteiligen Ausgleich des Vergütungsausfalls einher. 4. Die Verteilung des Vergütungsrisikos bei pandemiebedingtem Arbeitsausfall wird im deutschen und französischen Recht schon mit Blick auf die normative Regelungstechnik unterschiedlich gehandhabt. Während im französischen Recht fallgruppen- und pandemiebezogene Spezialregelungen insbesondere durch

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Exekutivakte geschaffen wurden, ist im deutschen Recht auf den schon vor der Pandemie bestehenden Normenbestand der § 3 EFZG, § 44 SGB V, §§ 615, 616 BGB und § 56 IfSG zurückzugreifen. Nur letztere Norm wurde im Laufe der Pandemie geringfügig angepasst. 5. Die Pandemie führt zu verschärften, arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen beider Parteien, insbesondere des Arbeitgebers. Die rechtlichen Grundlagen sind hier stark europarechtlich geprägt. Die Leitlinien der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie zeigen sich in beiden Vergleichsstaaten deutlich im nationalen Arbeitsschutzrecht. 6. Im deutschen Recht steht die vertragsrechtliche Anknüpfung der jeweiligen Pflichten weit mehr im Fokus als im französischen, wo unmittelbar und allein auf die der Umsetzung der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie dienenden Normen abgestellt wird. In beiden Staaten spielen untergesetzliche Regelwerke eine nicht unerhebliche Rolle, welche die vor dem Hintergrund der Pandemie zu treffenden Maßnahmen konkretisieren. Die beiderseits viel diskutierte Frage nach der rechtlichen Verbindlichkeit dieser Regelwerke ist zu verneinen, zu berücksichtigen sind sie von Arbeitgebern nichtsdestotrotz. Der Arbeitgeber ist primärer Verantwortlicher des Arbeitsschutzes. Die Pflichten der Arbeitnehmer zum Schutz ihrer selbst und Dritter richten sich nach den Weisungen und Unterweisungen des Arbeitgebers, entbehren aber nicht einer gewissen Selbständigkeit. Sorgt der Arbeitgeber nicht für hinreichenden Infektionsschutz, entbindet das die Arbeitnehmer nicht von ihrer eigenen Pflicht, auf den Schutz ihrer Gesundheit und der Gesundheit anderer Personen zu achten – das gilt für beide Vergleichsstaaten. 7. Eine bestehende Infektionsgefahr innerhalb des Betriebs kann Arbeitnehmer in Deutschland wie in Frankreich zur Leistungsverweigerung unter Lohnfortzahlung berechtigen. Im deutschen Recht dominiert insoweit eine vertragsrechtliche Lösung über § 273 Abs. 1 BGB. Dieses Leistungsverweigerungsrecht knüpft an eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers an. Der Vergütungsanspruch bleibt nach Ausübung erhalten, der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug. Fehlt eine Pflichtverletzung, kann eine Leistungsverweigerung nach § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG oder § 275 Abs. 3 BGB in Betracht kommen, wobei nur in letzterem Fall der Vergütungsanspruch entfällt. Während das arbeitsschutzrechtliche Entfernungsrecht nach § 9 Abs. 3 S. 1 ArbSchG eher ein Schattendasein fristet, steht das inhaltlich nicht ganz kongruente französische Pendant Art. L.4131-1 Code du travail in der dortigen Debatte im Mittelpunkt. Von einer Pflichtverletzung ist das Entfernungsrecht unabhängig. Die Norm liegt mit ihrer deutlich subjektiveren Ausgestaltung, die den Arbeitnehmer in weiten Teilen von dem Risiko des Irrtums über das Vorliegen einer Gefahr befreit, inhaltlich näher an § 275 Abs. 3 BGB als an § 273 Abs. 1 BGB oder § 9 Abs. 3 ArbSchG. Der entscheidende Unterschied zu § 275 Abs. 3 BGB zeigt sich jedoch in der Aufrechter-

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haltung des Vergütungsanspruchs. Daneben kommt auch eine dem deutschen Recht nicht unähnliche Lösung über die Einrede des nicht erfüllten Vertrags mit einem an die Pflichtverletzung des Arbeitgebers anknüpfenden Schadensersatzanspruch in Betracht. 8. Die Möglichkeiten des Arbeitgebers, von Infektionen des Arbeitnehmers und dahingehenden Verdachtsmomenten zu erfahren, sind in beiden Staaten begrenzt. Das folgt aus dem Schutz der Privatsphäre, der in Deutschland wie in Frankreich Verfassungsrang hat. In Frankreich wird der Schutz durch ein Verbot der Diskriminierung wegen des Gesundheitszustands verstärkt. Ein vergleichbarer, spezifischer Diskriminierungsschutz ist im deutschen Recht nicht vorgesehen. 9. Ein Fragerecht des Arbeitgebers besteht nach deutschem Recht, wenn überwiegende Interessen des Arbeitgebers die Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers rechtfertigen. Das kann sowohl im Hinblick auf Infektionen als auch auf dahingehende Verdachtsmomente der Fall sein, wobei gerade im letzterem Fall die Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Interessenabwägung zu berücksichtigen sind. In Frankreich wird dem Arbeitgeber ein vergleichbares Fragerecht abgesprochen. Die Gründe hierfür sind in dem verstärkten Diskriminierungsschutz sowie der hervorgehobenen Stellung des Betriebsarztes im französischen Arbeitsrecht zu sehen. 10. Die unterschiedliche arbeitsrechtliche Beurteilung der Zulässigkeit von Fragen nach Infektionen oder Verdachtsmomenten führt auch zu abweichenden Ergebnissen im Datenschutzrecht. Mangels Rechts aus dem Arbeitsrecht ist die mit der Nachfrage einhergehende Verarbeitung von Gesundheitsdaten aus französischer Perspektive auch datenschutzrechtlich regelmäßig unzulässig. Besteht nach deutschem Recht ein Fragerecht des Arbeitgebers, ist die Nachfrage im Ergebnis auch im Lichte des Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO i. V. m. § 26 Abs. 3 BDSG rechtmäßig. 11. Selbstständige Offenbarungspflichten des Arbeitnehmers hinsichtlich von Infektionen und Verdachtsmomenten werden im deutschen Recht weitgehend parallel zu den Fragerechten des Arbeitgebers beurteilt. Anders in Frankreich: Unter Bezug auf die Loyalitätspflichten des Arbeitnehmers und seine Pflichten aus dem Arbeitsschutzrecht werden Offenbarungspflichten des Arbeitnehmers auch hier trotz Ablehnung der Fragerechte des Arbeitgebers überwiegend bejaht – diese Begründung ist derjenigen des deutschen Rechts vergleichbar. 12. In beiden Vergleichsstaaten ist anerkannt, dass Untersuchungen des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis zur Gewährleistung der betrieblichen Sicherheit notwendig und auch ohne vorherige Regelung oder Absprache zulässig sein können. Rechtsprechung findet sich insbesondere hinsichtlich von Alkohol- und Drogenkontrollen, wobei solche zur Feststellung eines akuten

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Rauschzustandes in Frankreich nicht als Gesundheitsuntersuchungen im engeren Sinne gewertet werden. Hinsichtlich von Coronatests gelangt man zu unterschiedlichen Ergebnissen: Die bisherige BAG-Rechtsprechung lässt es zu, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls insbesondere bei konkretem Infektionsverdacht davon auszugehen, dass die Beschäftigung von der Vorlage eines negativen Coronatests abhängig gemacht werden darf. Derartige Rückschlüsse sind anhand der französischen Rechtsprechung nicht möglich. Dort besteht vielmehr Einigkeit dahingehend, dass der Arbeitgeber von dem Ergebnis eines Coronatests nicht erfahren darf. Der entscheidende Unterschied liegt auch hier in der Bedeutung des Betriebsarztes – dieser ist in Frankreich allein zur Beurteilung des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers berufen. Zur Gewährleistung des betrieblichen Infektionsschutzes ist der Betriebsarzt ausdrücklich berechtigt worden, Coronatests durchzuführen und im Anschluss Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auszustellen. Daneben bestehende Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers werden nicht für erforderlich gehalten. 13. Fiebermessungen am Betriebseingang als betriebliche Infektionsschutzmaßnahme wurden in beiden Staaten zunächst von öffentlichen Stellen gebilligt, sind vom heutigen Standpunkt indes mangels Eignung für den Infektionsschutz einheitlich als unzulässig anzusehen. 14. In Deutschland wie in Frankreich ist der Arbeitgeber zur Beschäftigung verpflichtet und daher grundsätzlich nicht berechtigt, den Arbeitnehmer einseitig freizustellen. Ausnahmen sind allerdings anerkannt, in Frankreich insbesondere als Maßnahme zur Sanktion einer Pflichtverletzung und vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, in Deutschland ebenfalls insbesondere im Kündigungskontext. Freistellungen im laufenden Arbeitsverhältnis, unabhängig von Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, haben in beiden Staaten bislang weniger Aufmerksamkeit erfahren. Insbesondere bei drohender Beeinträchtigung der betrieblichen Sicherheit ist ein Freistellungsrecht jedoch in beiden Staaten anzuerkennen. 15. In Deutschland führt die berechtigte ebenso wie die unberechtigte einseitige Freistellung, die nicht auf vertraglicher Vereinbarung beruht, grundsätzlich zur Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs nach § 615 S. 1 BGB, solange die Voraussetzungen der §§ 293 ff. BGB vorliegen. Im französischen Arbeitsrecht ist der Arbeitgeber zur Vergütung nicht verpflichtet, wenn er mit der Freistellung berechtigterweise und unter Einhaltung des vorgesehenen Verfahrens ein Fehlverhalten sanktioniert. Stellt er hingegen aus Gründen der betrieblichen Sicherheit frei, trägt er wohl das Vergütungsrisiko. 16. Sind Beschäftigungs- und Arbeitspflicht bereits unabhängig von der einseitigen Erklärung der Freistellung entfallen, richtet sich das Vergütungsrisiko im deutschen Recht nach den Rechtsnormen, in deren Anwendungsbereich der

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anderweitige Verhinderungsgrund fällt. Das folgt aus § 297 BGB. Eine Leistungsunfähigkeit im Sinne dieser Norm liegt jedenfalls bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sowie bei hoheitlich angeordneter Absonderung vor, soweit eine Tätigkeit im Homeoffice ausscheidet. In Frankreich kann der anderweitige Verhinderungsgrund dann entscheidend sein, wenn die Verhinderung vor Ausspruch der Freistellung eingetreten ist oder die Rechtsfolgen für den Arbeitnehmer günstiger sind. Eine die Suspendierung der Vertragspflichten auslösende Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitnehmer in Frankreich sowohl im Falle der Infektion als auch bei bestehendem Verdacht erlangen. Auch die hoheitliche Absonderung führt hier die Suspendierung des Arbeitsvertrags herbei. 17. Von einer die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers ausschließenden Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist im deutschen Recht im Regelfall auch bei symptomloser Coronavirusinfektion auszugehen. Die Pflicht, Dritte bei der Tätigkeit nicht zu gefährden, ist mit der Arbeitsleistung derart eng verknüpft, dass der nachweislich infizierte Arbeitnehmer diese in aller Regel nicht in der geschuldeten Art und Weise erbringen kann. Vergleichbare Erwägungen für das französische Recht sind möglich, finden sich dort jedoch nur in Ansätzen. 18. Für das französische Recht ist ungewiss, ob die Möglichkeit des Hinzuziehens des Betriebsarztes, der infektions- und infektionsverdachtsbedingte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen kann, einem hiervon unabhängigen Freistellungsrecht des Arbeitgebers entgegensteht. Da der Arbeitgeber, soweit er nicht aufgrund einer Pflichtverletzung, sondern vielmehr aus Gründen der betrieblichen Sicherheit freistellt, mit einem größeren Vergütungsrisiko belastet ist als im Falle der Arbeitsunfähigkeit, dürfte das Hinzuziehen des Betriebsarztes jedenfalls in praktischer Hinsicht den Vorrang genießen. Eine vergleichbare Bedeutung betriebsärztlichen Rats ist in Deutschland nicht ersichtlich, zumal eine Empfehlung des Betriebsarztes allein sich auf die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers und das Vergütungsrisiko nicht unmittelbar auswirkt. 19. Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund eines Infektionsverdachts einseitig frei, kommt es für die Verteilung des Vergütungsrisikos nach deutschem Recht maßgeblich darauf an, ob eine Leistungsunfähigkeit gem. § 297 BGB für den Freistellungszeitraum nachgewiesen werden kann. Das ist insbesondere durch Bestätigung der Infektion möglich. Gelingt der Nachweis nicht, geht dies zulasten des Arbeitgebers und es besteht Annahmeverzug. Verweigert der Arbeitnehmer die Mitwirkung an der Aufklärung, kommen dem Arbeitgeber Beweiserleichterungen zugute. 20. Lehnt der Arbeitnehmer die zulässigerweise geforderte Durchführung eines Coronatests bzw. die Vorlage eines negativen Testergebnisses ab, ist die Frei-

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stellung nach deutschem Recht berechtigt. Der Arbeitnehmer trägt auch das Vergütungsrisiko, was sich über § 615 S. 1 BGB i. V. m. §§ 293 ff. BGB oder § 273 Abs. 1 BGB herleiten lässt. In Frankreich ist bereits die Testforderung ohne gesetzliche Anordnung unzulässig. An die Verweigerung unzulässiger Maßnahmen darf in beiden Staaten eine Freistellung nicht geknüpft werden, bei Verweigerung der Beschäftigung trägt der Arbeitgeber das Vergütungsrisiko. Verstößt der Arbeitnehmer gegen gesetzliche Nachweispflichten (3-G-Regeln), die in Deutschland wie in Frankreich zeitweise vorgesehen waren oder noch vorgesehen sind, darf er nicht tätig werden und verliert in beiden Staaten seinen Vergütungsanspruch. 21. In beiden Vergleichsstaaten scheint man jedoch tendenziell davon auszugehen, Arbeitnehmer, von denen in Zeiten der Pandemie eine Infektionsgefahr ausgeht, seien im Betrieb nicht zugegen. Im Fokus der Diskussion stehen daher diejenigen Regelungen zur Verteilung des Vergütungsrisikos, die nicht an eine Entscheidung zur Nichtbeschäftigung des Arbeitgebers, sondern vielmehr an eine in der Sphäre des Arbeitnehmers begründete Arbeitsverhinderung anknüpfen. 22. Der nachweislich mit dem Coronavirus infizierte Arbeitnehmer ist zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet, sofern diese nicht im Homeoffice geschuldet ist. In Deutschland ergibt sich dies aus § 275 BGB, in Anknüpfung an eine infektionsschutzrechtliche Absonderung, eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit oder – im Falle symptomloser Infektion – bereits aus der Unvereinbarkeit der Leistung mit den Gesundheitsschutzpflichten des Arbeitnehmers. Mit Ausnahme der Einreisenden aus Risikogebieten war die rechtlich verbindliche Absonderung Infizierter oder Infektionsverdächtiger dem französischen Recht für den überwiegenden Teil des betrachteten Pandemiezustands fremd. Im Anwendungsfalle führt die Absonderung jedoch auch hier zur Suspendierung des Arbeitsvertrags. Vorrangig ist hingegen die Suspendierung des Arbeitsvertrags durch Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit. Im Jahr 2020 wurde jedwede Coronavirusinfektion ungeachtet ihrer Symptomatik als Fall krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit eingeordnet. Ohne dass hiervon ausdrücklich Abstand genommen wurde, folgt die Rechtsgrundlage für infektionsbedingte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seit Anfang des Jahres 2021 aus der pandemiespezifischen Sonderregelung des Art. 1 Décret n82021-13 v. 8. 1. 2021. 23. Die rechtliche Einordnung der Arbeitsverhinderung aufgrund einer ansteckenden Krankheit knüpft damit im deutschen Recht vorrangig an den ersteren Begriff an, d. h. an die Ansteckungsfähigkeit und damit einhergehende Gefährdung anderer. Diejenige im französischen Recht rückt hingegen die Krankheit als solche in den Fokus. Der vorrangige Ansatz in Deutschland, um den infizierten Arbeitnehmer aus dem Betrieb fernzuhalten, ist mit der Absonderung ein infektionsschutzrechtlicher – und damit öffentlich-rechtlichen

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Ursprungs. Das französische Recht greift mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hingegen auf ein klassisches Instrument aus dem Arbeits- und Sozialrecht zurück, um den Arbeitsausfall herbeizuführen und zu rechtfertigen. 24. Während die Fälle infektionsbedingten Arbeitsausfalls in Frankreich einheitlich über das System der finanziellen Absicherung im Krankheitsfall gelöst werden, kommen in Deutschland je nach konkretem Auslöser der Arbeitsverhinderung Ansprüche nach § 3 EFZG, § 44 SGB V, § 616 BGB oder § 56 IfSG in Betracht. Die infektionsschutzrechtliche Entschädigung und das Krankengeld sind gegenüber der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung jeweils subsidiär. 25. Arbeitnehmer erhalten in Frankreich bei krankheitsbedingtem Arbeitsausfall eine Kombination von Leistungen der Krankenversicherung und des Arbeitgebers, die den Vergütungsausfall i. H. v. 90 % ausgleichen, soweit nicht günstigere Konditionen vereinbart sind. Nach deutschem Recht trägt der Arbeitgeber grundsätzlich für die ersten sechs Wochen die Lohnkosten, im Anschluss besteht ein Anspruch auf Krankengeld i. H. v. regelmäßig 70 % des Arbeitslohns gegen die Krankenversicherung. Eine dem französischen Recht vergleichbare, anteilige Aufteilung des Kostenrisikos wurde mit Schaffung des Lohnfortzahlungsgesetzes aufgegeben. Die Leistungen des Arbeitgebers im Krankheitsfall dienen in Deutschland in erster Linie der Entlastung der Sozialversicherung, in Frankreich hingegen vorrangig derjenigen des Arbeitnehmers. 26. Krankenversicherungs- und Arbeitgeberleistungen unterliegen im französischen Recht einer Karenzzeit, die der Verringerung der Krankenstände dient. Eine vergleichbare Funktion kommt der Wartezeit nach § 3 Abs. 3 EFZG nicht zu. 27. Einen Anspruchsausschluss bei Verschulden kennt das französische Recht anders als § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG nicht. Allein bei vorsätzlicher Herbeiführung der Krankheit sind die Leistungsansprüche ausgeschlossen. Diese Diskrepanz folgt vermutlich aus der stärkeren, sozialrechtlichen Prägung der Ausgleichsleistungen auch des Arbeitgebers im französischen Recht. Auch das deutsche Krankenversicherungsrecht kennt keinen Leistungsausschluss bei Eigenverschulden über die Grenzen des § 52 SGB V hinaus. Der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ist aber nicht in vergleichbarer Weise mit dem Anspruch auf Krankengeld verknüpft, wie derjenige gegen den Arbeitgeber nach Art. L.1226-1 Code du travail im französischen Recht. 28. Eine § 616 BGB vergleichbare, allgemeine Regelung der Lohnfortzahlung bei persönlicher Arbeitsverhinderung enthält das französische Recht nur für einzelne Regionen, nicht aber landesweit.

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29. Im französischen Recht steht die anteilige Kostentragung durch Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Krankenversicherung im Falle des Arbeitsausfalls infolge einer Coronavirusinfektion fest. Auf den Symptomverlauf kommt es nicht an. Allein die Konditionen und damit das Ausmaß der jeweiligen Risikotragung variieren je nach Anwendbarkeit des im Rahmen der Pandemie geschaffenen Sonderregimes. Von dem für das deutsche Recht geltenden „Alles-oder-Nichts“Prinzip der Risikotragung weicht das ganz entscheidend ab. Während im Jahr 2020 für die Coronavirusinfektion in Frankreich dieselben Konditionen galten, wie auch für andere Krankheiten, gelten seit Beginn des Jahres 2021 Sonderkonditionen. Insbesondere ist die Karenzzeit für Krankenversicherungs- und Arbeitgeberleistungen ausgesetzt. 30. Im Falle symptomloser oder leicht symptomatischer Infektion scheitern im deutschen Recht Ansprüche des Arbeitnehmers nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG und § 44 SGB Van der fehlenden Arbeitsunfähigkeit. Lohnfortzahlung kommt nach § 616 BGB in Betracht. Entscheidend ist hier, ob der Arbeitnehmer lediglich für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit verhindert ist. Ist diese Grenze überschritten, kommt nach jetzigem Rechtsstand eine Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG in Betracht. Zuvor bestehende Lücken bei leichter Symptomatik oder freiwilliger Isolation sind durch eine Neuformulierung der Norm geschlossen worden. Mit Überschreiten der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit wird das Vergütungsrisiko mithin aus dem Vertragsverhältnis herausgelöst und auf den Staat verlagert. 31. Bei symptomatischer Infektion, die zu einer Arbeitsunfähigkeit führt, kommt im deutschen Recht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Betracht. Das gilt aufgrund des im Rahmen der Monokausalität zu berücksichtigenden Prioritätsprinzips jedoch nur, wenn sich nicht zuvor bereits ein anderer Verhinderungsgrund realisiert hat, insbesondere eine infektionsschutzrechtliche Absonderung. Die Subsidiarität des § 56 IfSG ändert hieran nichts. Der Arbeitgeber soll durch die Entschädigungsregelung zwar nicht entlastet, jedoch auch nicht zusätzlich belastet werden. Das führt zu einer im Vergleich zum französischen Recht deutlich geringeren Relevanz der Normen, die das Vergütungsrisiko im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit regeln. Ist eine Lösung anhand des Prioritätsprinzips aufgrund gleichzeitiger Realisierung der Verhinderungsgründe nicht möglich, führt eine Beurteilung nach Wertungsgesichtspunkten zu einem Vorrang der Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG. Während das Zusammentreffen mehrerer Verhinderungsgründe auch im französischen Recht ein bekanntes Rechtsproblem ist, stellt es sich im hiesigen Kontext mangels dortiger Forderung einer Monokausalität und aufgrund der weitgehenden Eindeutigkeit des anwendbaren Regelungsregimes nicht.

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32. Alle genannten, in Betracht kommenden Ansprüche auf Lohnfortzahlung oder Entschädigung stehen im deutschen Recht unter dem Vorbehalt fehlenden Eigenverschuldens des Arbeitnehmers. Ein solches kann bei nachgewiesener Infektion im Einzelfall aufgrund von Reisen in Risikogebiete oder schwerer Verstöße gegen Hygienevorgaben angenommen werden, nicht aber aufgrund einer fehlenden Schutzimpfung gegen COVID-19. In dieser Hinsicht ist das französische Recht für den Arbeitnehmer günstiger, da das Eigenverschulden dort unterhalb der Grenze des Vorsatzes keine Rolle spielt. 33. Die zusätzlichen Lasten, die durch den verstärkten Arbeitsausfall in Zeiten der Pandemie entstehen, werden in Deutschland dort, wo sie nicht mehr in den Anwendungsbereich der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung fallen, durch den entschädigungspflichtigen Staat aufgefangen – das jedenfalls, soweit die Voraussetzungen des § 56 IfSG erfüllt sind. In Frankreich führt die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten zu Leistungen der Krankenversicherung und des Arbeitgebers ebenso wie die Absenkung der Anspruchsvoraussetzungen gerade im Hinblick auf die Karenzzeit zu einer Entlastung von Arbeitnehmern. Zeitgleich tritt eine stärkere Belastung von Arbeitgebern und Krankenversicherung ein. Der Staat selbst tritt als Kostenträger in diesem System nicht unmittelbar in Erscheinung. 34. Besteht vorerst lediglich ein Infektionsverdacht, kann die Arbeitspflicht gleichwohl entfallen. Das gilt wie im Falle nachgewiesener Infektion bei angeordneter Absonderung und symptombedingter Arbeitsunfähigkeit. Fehlt es an beidem, kann der Arbeitnehmer im deutschen Recht je nach Umständen des Einzelfalls zur Verweigerung der Arbeitsleistung befugt sein, wenn ihm die potenzielle Gefährdung Dritter gem. § 275 Abs. 3 BGB unzumutbar ist. In Frankreich hingegen steht insbesondere für Kontaktpersonen von Infizierten seit Beginn der Pandemie fest, dass sie aufgrund der getroffenen Sonderregeln eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten können. Dasselbe gilt für Personen, die Symptome der COVID-19-Erkrankung zeigen, wobei diese erst seit 2021 in den Anwendungsbereich der Sonderregeln fallen und vorher als krankheitsbedingt arbeitsunfähig im klassischen Sinne behandelt wurden. Einreisende aus Risikogebieten waren zwischenzeitlich ebenfalls nicht von den Sonderregelungen erfasst. In diesem letzten Fall kann in Frankreich allerdings schon seit Beginn der Pandemie eine Absonderung angeordnet werden, die ihrerseits zum Fortfall der Arbeitspflicht führt. 35. Sofern ein Infektionsverdacht ohne Bestätigung der Infektion oder Eintritt einer symptombedingten Arbeitsunfähigkeit den Arbeitsausfall herbeiführt, richtet sich die Lohnfortzahlung im deutschen Recht vorrangig nach § 616 BGB, bei verhältnismäßig erheblicher Dauer der Arbeitsverhinderung kommt eine Entschädigung nach § 56 IfSG in Betracht. Auf den konkreten Auslöser des Verdachts kommt es hier zunächst nicht an.

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36. Im französischen Recht ist demgegenüber zu differenzieren: Kontaktpersonen fallen seit Beginn der Pandemie in den Anwendungsbereich der geschaffenen Sonderkonditionen und erhalten daher Krankentagegeld und Arbeitgeberleistungen ab dem ersten Tag der Arbeitsverhinderung. Personen mit leichten COVID-19-Symptomen wurden im Jahr 2020 demgegenüber wie krankheitsbedingt Arbeitsunfähige behandelt und profitierten daher zeitweise nicht von den Sonderkonditionen, insbesondere der Aussetzung der Karenzzeiten. Seit Beginn des Jahres 2021 erhalten sie Lohnausgleichsleistungen unter denselben Bedingungen wie Kontaktpersonen, soweit sie innerhalb von zwei Tagen nach Symptombeginn einen Coronatest durchführen. Eine vergleichbare Bedeutung hat die Durchführung eines Coronatests für die Ansprüche nach deutschem Recht nur im Rahmen des anspruchsausschließenden Verschuldens, wenn die Möglichkeit einer frühzeitigen Beendigung der Quarantäne besteht, der Arbeitnehmer diese jedoch nicht in Anspruch nimmt. 37. Personen, die aufgrund einer Quarantäne infolge der Einreise aus einem Risikogebiet ihrer Arbeitsleistung nicht nachgehen können, sind oder waren in beiden Vergleichsstaaten (zeitweise) von Lohnfortzahlungs- und Ausgleichsansprüchen ausgeschlossen. In Deutschland folgt auch das aus dem Kriterium fehlenden Eigenverschuldens des Arbeitnehmers, wobei eine Exkulpation möglich ist. In Frankreich hingegen wurde der Kreis der Personen, die in den Anwendungsbereich der Sonderregelungen für den isolationsbedingten Arbeitsausfall fielen, zeitweise so eng gezogen, dass Einreisende nicht hierunter fielen. Inzwischen ist das jedoch nicht mehr der Fall und auch Einreisende aus Risikogebieten können – wiederum ungeachtet eines Eigenverschuldens unterhalb der Grenze des Vorsatzes – Krankentagegeld und ergänzende Arbeitgeberleistungen erhalten. 38. Eine wichtige Einschränkung der Anspruchsberechtigung nach §§ 611a Abs. 2, 616 BGB und § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG besteht für ungeimpfte Personen, denen eine Impfung möglich und zumutbar ist. Soweit eine geimpfte Person sich in derselben Situation nicht hätte isolieren müssen, wie es insbesondere bei Kontaktpersonen und auch bei Einreisenden aus Risikogebieten der Fall sein kann, ist der Lohnfortzahlungsanspruch wegen Eigenverschuldens, der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 S. 4 Var. 1 IfSG ausgeschlossen. Eine vergleichbare Bedeutung kommt der Schutzimpfung im französischen Arbeitsrecht mangels Verschuldenskriteriums im Rahmen der hier betrachteten Normen nicht zu. 39. Wird der Infektionsverdacht bestätigt, gelten ab diesem Zeitpunkt die Ausführungen zur nachgewiesenen Infektion. Die Zeiträume der Arbeitsverhinderung wegen Infektionsverdachts und bestätigter Infektion sind im Rahmen des § 616 BGB zusammenzurechnen. Im französischen Recht ergeben sich offene Rechtsfragen für den Fall der Verlängerung der ursprünglichen Isolation wegen

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Infektionsverdachts. Das ist der zeitweise unterschiedlichen Zuordnung der Sachverhalte nachgewiesener und nur vermuteter Infektion zu dem Geltungsbereich der pandemiespezifischen Sonderregelungen oder dem klassischen Regime der Ausgleichsleistungen wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit geschuldet. Pragmatische Lösungen, d. h. letztlich die durchgehende Anwendung der für den Arbeitnehmer günstigeren Sonderkonditionen, sind insoweit denkbar. 40. Besteht neben dem Infektionsverdacht, bzw. der hieran anknüpfenden Absonderung oder Leistungsverweigerung, eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, ist das anwendbare Lohnfortzahlungsregime im deutschen Recht wiederum anhand des Prioritätsprinzips zu bestimmen, soweit dies aufgrund der sukzedanen Realisierung der Verhinderungsgründe möglich ist. Anderenfalls ist wie im Falle nachgewiesener Infektion auf Wertungsgesichtspunkte zurückzugreifen. Ein Anspruch nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG kommt daher auch im Rahmen der infektionsverdachtsbedingten Arbeitsverhinderung nur in Betracht, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit der zuerst eingetretene Verhinderungsgrund ist oder sich gleichzeitig mit anderen Verhinderungsgründen realisiert. Ist dem nicht so, richtet sich die Lösung nach § 616 BGB, § 56 IfSG, deren Anwendbarkeit mit der Erheblichkeit der Dauer der Arbeitsverhinderung steht und fällt. Soweit es für das französische Recht gilt, die anwendbaren Konditionen bei Vorliegen mehrerer Verhinderungsgründe zu bestimmen, sind auch hier Lösungen anhand des Prioritätsgrundsatzes denkbar, der Vorläufer in der französischen Rechtsprechung findet. Stimmen in der Literatur plädieren für eine für den Arbeitnehmer günstige Lösung, was hier eine Anwendung der Sonderkonditionen für pandemiebedingten Arbeitsausfall bedeutet. Da seit Beginn des Jahres 2021 die wichtigsten Fälle des Infektionsverdachts wie auch die nachgewiesene Infektion denselben Regelungen unterfallen, hat die Frage in Frankreich nur noch untergeordnete Bedeutung. 41. In Deutschland wie in Frankreich spielt die verstärkte Verlagerung der Arbeitstätigkeit ins Homeoffice eine zentrale Rolle bei der Pandemiebekämpfung. Sie kann insbesondere auch dem Arbeitsausfall im Falle der Infektion oder des Infektionsverdachts vorbeugen. Während Definition und Rechtsrahmen im deutschen Recht weitgehend fehlen, findet sich für das französische Recht beides in Art. L.1222-9 ff. Code du travail. 42. Ein Recht des Arbeitgebers, die Tätigkeit im Homeoffice einseitig anzuordnen, besteht außerhalb des Pandemiezustandes in beiden Vergleichsstaaten grundsätzlich nicht. 43. Vor dem Hintergrund der Coronapandemie ist das für das französische Recht anders zu beurteilen: Für außergewöhnliche Umstände, insbesondere Epidemien, ist ein solches Recht des Arbeitgebers explizit in Art. L.1222-11 Code du

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travail vorgesehen. Die Ablehnung durch den Arbeitnehmer stellt eine Vertragsverletzung dar und führt zum Verlust des Vergütungsanspruchs. 44. Eine vergleichbare Regelung existiert im deutschen Recht nicht. Gegenläufig zum französischen Recht wurden hier ausdrücklich nur die gesetzlichen Pflichten des Arbeitgebers hin zu einer Angebotspflicht für eine Tätigkeit im Homeoffice erweitert, nicht aber seine Rechte. Die zeitweise vorgesehene Rechtspflicht für Arbeitnehmer, ein Homeofficeangebot des Arbeitgebers anzunehmen, erfuhr die bedeutende Einschränkung der Verweigerungsmöglichkeit mittels für den Arbeitgeber nicht überprüfbarer Gründe. 45. Die Zuweisung einer Homeofficetätigkeit auf Basis des Direktionsrechts ist auch in Zeiten der Pandemie und insbesondere auch bei drohendem Arbeitsausfall im Falle der Infektion oder des Infektionsverdachts nach deutschem Recht nicht zulässig, soweit nicht eine besondere Not- und Ausnahmesituation vorliegt oder der Arbeitnehmer über den grundrechtlichen Schutz seiner Privatsphäre disponiert. Lehnt der Arbeitnehmer daher eine Tätigkeit im Homeoffice ab, kann aber aufgrund einer Infektion oder eines Infektionsverdachts nicht im Betrieb tätig werden, gelten die obigen Ausführungen zur Verteilung des Vergütungsrisikos. Anderes gilt nur, wenn das Direktionsrecht des Arbeitgebers aufgrund besonderer Umstände erweitert ist – verweigert der Arbeitnehmer die wirksam angewiesene Tätigkeit, hat er keinen Anspruch auf Vergütung. 46. Ein Recht des Arbeitnehmers auf eine Beschäftigung im Homeoffice existierte vor der Pandemie weder in Deutschland noch in Frankreich. Während der Coronapandemie wurde der Arbeitgeber in Deutschland zeitweise verpflichtet, eine Tätigkeit im Homeoffice anzubieten. Ein Anspruch des Arbeitnehmers ist vor diesem Hintergrund und auch im Lichte der allgemeinen Infektionsgefahr auf Basis des § 618 BGB denkbar, in der Rechtsprechung allerdings z. T. abgelehnt worden. Das Bestehen einer Pflicht zur Zuweisung einer Homeofficetätigkeit wurde in Frankreich öffentlich kommuniziert, findet aber keine unmittelbar verbindliche normative Grundlage. Auch hier ließe sich ein solches Recht allein vermittelt über die Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers herleiten. 47. Im Falle einer Infektion oder eines Infektionsverdachts, die der Tätigkeit im Betrieb entgegenstehen, stellt sich die Frage nach einem Recht auf Homeoffice im Kontext des Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers. In Deutschland lässt sich ein Rechtsanspruch im Wege des Anspruchs auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz herleiten, sofern der Arbeitsort vertraglich nicht festgelegt ist. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer durch das Verlangen der Beschäftigung im Homeoffice über den grundrechtlichen Schutz seiner Privatsphäre, der das Weisungsrecht des Arbeitgebers begrenzt, disponiert. Eine

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Vertragsänderung kann hingegen in aller Regel nicht gefordert werden. Ein vergleichbarer Ansatz, d. h. eine Herleitung eines Rechts auf Homeoffice über den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers, wird auch in Frankreich vereinzelt in Betracht gezogen. 48. Verweigert der Arbeitgeber die Zuweisung einer Tätigkeit im Homeoffice, obwohl ein dahingehender Anspruch besteht und der Arbeitnehmer im Betrieb nicht tätig werden kann, wäre es unbillig, wenn der Arbeitnehmer das Vergütungsrisiko tragen müsste. 49. Die Verletzung eines Anspruchs auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz führt nicht zum Annahmeverzug, kann aber eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers in Höhe der entgangenen Vergütung begründen. Ein Schaden des Arbeitnehmers entsteht allerdings nur, wenn der Verdienstausfall nicht durch die Entschädigung nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 IfSG aufgefangen wird. Insoweit ist eine erweiterte Auslegung des Begriffs des Verdienstausfalls geboten, die sich auch auf einen an Stelle des Vergütungsanspruchs entstehenden Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bezieht. Anderenfalls träte eine unbillige Verlagerung des Kostenrisikos vom Arbeitgeber auf den Staat ein. Hat der Arbeitgeber dem leistungsfähigen und -willigen Arbeitnehmer die Beschäftigung im Betrieb mittels Freistellung entzogen und weist ihm trotz dahingehenden Verlangens eine Homeofficetätigkeit nicht zu, liegt hingegen kein Fall der Verletzung des Anspruchs auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz, sondern ein solcher des Annahmeverzugs vor. 50. Im französischen Recht kommt eine finanzielle Absicherung des Arbeitnehmers, der sich in Isolation befindet und dem eine Homeofficetätigkeit verweigert wird, über die oben geschilderten Regelungen zum isolationsbedingten oder krankheitsbedingten Arbeitsausfall in Betracht. Voraussetzung ist, dass die Arbeit aus der Distanz auch dann als unmöglich angesehen wird, wenn der Arbeitgeber sie verweigert. Diese Lösung geht allerdings mit einer anteiligen Verlagerung des Vergütungsrisikos auf Arbeitnehmer und Krankenversicherung einher. Vorzugswürdig ist eine Herleitung des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers aus der Verletzung des Beschäftigungsanspruchs. 51. In der Gesamtbetrachtung lässt sich aus dem Vergleich mit der französischen Rechtslage kein Handlungsbedarf des deutschen Gesetzgebers im Hinblick auf die Verteilung des Vergütungsrisikos in den Fällen der Infektion oder des Infektionsverdachts herleiten. Die in Frankreich verfolgte Lösung, bei der die erörterten Sachverhalte überwiegend einheitlich in das System der Lohnersatzleistungen bei krankheitsbedingtem Arbeitsausfall eingeordnet werden, besticht auf den ersten Blick durch ihre Einfachheit. Sie ist auf das deutsche Recht allerdings nicht übertragbar. Die grundlegenden Unterschiede in den Sicherungssystemen für krankheitsbedingten Arbeitsausfall führen dazu, dass

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eine entsprechende Vorgehensweise im deutschen Recht eine ungleich stärkere Belastung der Arbeitgeber zur Folge hätte. Die hier gefundene Lösung für das deutsche Recht führt hingegen zu einer angemessenen Risikoverteilung, bei der das spezifisch aus dem der Gemeinschaft dienenden Infektionsschutz folgende Risiko nicht bei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, sondern vielmehr bei der Allgemeinheit angesiedelt ist. 52. An der detaillierten und auf den Pandemiefall erstaunlich gut vorbereiteten Regulierung des Themenkomplexes „Homeoffice“ in Frankreich sollte sich der deutsche Gesetzgeber hingegen ein Vorbild nehmen. Ob die zu schaffenden gesetzlichen Vorgaben inhaltlich in dieselbe Richtung weisen müssen, ist damit nicht gesagt. Es gilt jedoch, Rechtssicherheit zu schaffen, um die Nutzung des Homeoffice zu erleichtern und attraktiver zu gestalten. Das ist nicht nur im Sinne der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern im Ernstfalle auch im Sinne des Infektionsschutzes geboten.

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Stichwortverzeichnis Absonderung 106, 174 ff., 211, 221, 226, 229 ff., 281 ff., 310 ff., 353 ff., 369 ff., 387 ff. Alkohol- und Drogentest 104, 132 ff., 144 ff., 156 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 101, 108 ff., 151, 173, 191, 195, 400 Annahmeverzug 71, 96, 161 ff., 221, 258, 350 f., 413, 430, 434 Arbeitsschutz 58 ff., 108 ff., 121, 144 ff., 154 ff., 168, 178 ff., 217, 322, 417 ff., 449, 454, 458 ff. Ausgangsbeschränkung 32, 49, 448 Beschäftigungsanspruch 158 ff., 198 ff., 420, 433 ff. Beschäftigungspflicht 28, 54, 88, 159, 163 ff., 170, 172, 189, 198, 207, 210, 214, 220, 420, 450 ff., 460 f. Betriebsarzt 35, 104, 125, 129, 130 ff., 141, 145, 148, 153 f., 214 f., 368 Betriebsrisiko 163 Coronatests 112 ff., 144 ff., 155 f., 172 f., 191 ff., 222 f., 327, 357 ff., 371, 378, 381, 407 Datenschutz 113, 118 ff., 134 ff., 154, 191 Drogentest 104, 125, 132 ff., 144 ff. Fiebermessen 110 f., 119, 142 ff., 157 Force majeure 42 ff., 317 Fragerecht 101 ff., 121, 123, 137 ff., 150 ff. Freistellung 158 ff., 197 ff., 348, 397, 408 f., 413, 432 ff., 461 f. Gesundheitsuntersuchungen 155 f., 172

100 ff., 125,

Homeoffice 49, 66, 74, 158, 256, 258 f., 394 ff., 466 f.

Impfung 51, 67, 109, 113, 146, 155, 171, 235 ff., 302 ff., 344, 353, 355 ff., 361 ff., 372, 387 f., 427 Indemnités journalières 323 ff. Kontaktperson 51, 106, 114, 119, 120, 146, 170, 238, 320, 353, 355, 366 ff., 387 f., 442 Körperliche Unversehrtheit 100, 103, 115, 408 Krankengeld 240, 247 ff., 292, 306 ff., 323 ff., 336 ff., 352, 374, 363 Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit 38, 221, 228, 245, 255 ff., 265, 284 ff., 306, 311, 315, 345, 348, 358 ff., 390 ff. Leidensgerechter Arbeitsplatz 258, 423 ff. Leistungsunfähigkeit 174, 175, 178 ff., 185 ff., 190, 222 f., 227, 257 f., 295, 360, 429 ff. Leistungsverweigerungsrecht 34 ff., 49, 69 ff., 86 ff., 96 ff., 226, 332, 359, 418 ff., 449 ff. Mise à pied

200 ff., 220 ff.

Offenbarungspflicht 102 ff., 139 ff., 155 Ohne Arbeit kein Lohn 29 ff., 41 ff., 54 ff., 174, 201, 228, 274, 312, 414 Persönliches Leistungshindernis

264 ff.

Risikogebiete 105, 109, 117, 119, 170, 190, 211, 221, 235 ff., 299 ff., 354 ff., 263, 369 ff., 379 ff., 389 Risikogruppe 35 ff., 50 ff., 56, 301, 321, 419 Selbstisolation 206, 270, 282, 319, 349, 354, 356, 359 ff., 366, 372, 382, 432

524

Stichwortverzeichnis

Soft Law 64, 82 Sozialversicherung 47, 247, 253, 293, 323, 336 ff. Suspension du contrat 43 ff., 317 Unmöglichkeit 29 ff., 45, 54 ff., 163 ff., 225 ff., 256 f., 318, 333 ff., 348 ff., 424, 431 ff., 442, 451 f. Unzumutbarkeit 33 ff., 56, 73 f., 160, 165, 187 ff., 227, 255 ff., 349, 354, 359, 363, 433 Unzumutbarkeit der Annahme 165, 187 ff. Urlaub 195 f., 209, 216 f., 222 f., 254 Verdienstausfall 232 ff., 279, 281, 287 ff., 292, 314, 362 f., 432, 461

Verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit 37, 269 ff., 310, 315, 342, 344, 353 ff., 390 Verschulden 190, 239 ff., 280, 296 ff., 307 ff., 338 ff., 355 ff., 361 ff., 389, 392, 427, 466 Wegerisiko 37, 56, 192 Weisungsrecht/Direktionsrecht 27, 84, 103, 127, 156, 192, 194, 196, 400, 407, 409 ff., 421 ff., 440 f., 457 Wohnung 32, 176, 396 ff., 405 ff., 425 f., 438, 444 f., 455