Antike Gemmen und ihr Nachleben 9783110920406, 9783110194500

Ancient gems are precious stones with engraved images. Intaglios (gems with incised negative images) functioned as seals

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Antike Gemmen und ihr Nachleben
 9783110920406, 9783110194500

Table of contents :
VORWORT
I. EINFÜHRUNG
A. Antike Betrachter
B. Quellen
C. Terminologie
II. GEBRAUCH DER GEMMEN
A. Siegel
1. Siegelpraxis
2. Berühmte Siegel
3. Siegel als Erkennungs- und Beglaubigungszeichen
4. Siegelmißbrauch
5. Verbreitung, Tragweise, Material der Siegel
B. Ehrengeschenke und Sympathiebekundung
C. Schmuck, Glücksbringer, Amulette
III. MINOISCHE UND MYKENISCHE GEMMEN
A. Früh- und mittelminoische Siegel, früh-helladische Siegelabdrücke
B. Mittelminoische Siegel. Die Einführung der We rkbank
C. Spätminoische und mykenische Siegel
IV.GEOMETRISCHEUNDFRÜH-ARCHAISCHE GEMMEN
A. Geometrische Glyptik
B. Früh-archaische Glyptik
1. Steingemmen der Peloponnes und Kretas
2. Pe loponnesische Elfenbeine
C. Inselsteine
D. Zyprische Gemmen
E. Arbeiten in Quarz
V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN
A. Orientalisierender Stil
B. Plastischer Stil
C. Flächig–linearer Stil
D. Spätarchaische Meister
E. Griechische Gemmenschneider in Etrurien
VI. GRÜNE PHÖNIZISCHE („GRAECO-PHÖNIZISCHE“) SKARABÄEN
VII. KLASSISCHE GRIECHISCHE GEMMEN
A. Frühklassische Gemmen, ca. 480–450 v. Chr
B. Dexamenos
C. Gemmen der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr
D. Gemmen des 4. Jahrhunderts v. Chr
VIII. GRAECO-PERSISCHE GEMMEN
IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN
A. Kameen
1. Der Ptolemäerkameo in Wien
2. Der Kameo Gonzaga in St. Petersburg
3. KöniglichePo rträtkameen
4. Die Tazza Farnese in Neapel
5. Die „Coupe de Ptolémée“ in Paris
6. Kleinere Kameen
B. Intaglien
1. Porträts: Könige und Königinnen
2. Privatporträts
3. Götter, Heroen und Menschen
4. Büsten und Köpfe
X. GEMMENSCHNEIDER ALS MÜNZSTEMPELSCHNEIDER
XI. ETRUSKISCHE GEMMEN
A. Skarabäen
1. Um 530 bis Mitte 5. Jahrhundert v. Chr
2. Zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr
3. Viertes u. drittes Jahrhundert v. Chr
B. Skarabäen im Rundperlstil
C. Ringsteine
XII. ITALISCHE UND RÖMISCHE GEMMEN DES 3.–1. JAHRHUNDERTS V. CHR
A. Skarabäen
B. Ringsteine
1. Italische etruskisierende Ringsteine
2. Italische hochovale Ringsteine
3. Italische flache Ringsteine im Rundperlstil
4. Italische konvexe Ringsteine im Rundperlstil
5. Italischer Rundperlstil
6. Italischer Rundperlstil mit linearem Stil
7. Römisch-Kampanischer Stil
8. Italisch-hellenistischer Stil
XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT
A. Vo m Gebrauchsgegenstand zum Kunstwerk und Sammlerstück
B. Griechische Gemmenschneider in Rom
1. Späthellenistische Meister des 1. Jahrhunderts v. Chr
2. Schöpfer des augusteischen Stiles in der Glyptik
3. Signierende Meister der augusteischen und tiberischen Zeit
4. Signierende Meisternachtiberischer Zeit
5. Römerporträts griechischer Gemmenschneider
6. Panegyrik und Propaganda auf Gemmen
C. Künstler und Handwerker
1. Chronologie
2. Stil
3. Themen
4. We rkstätten
XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE DER IULISCH-CLAUDISCHEN ZEIT
A. Kaiserkameen, julisch–claudische Porträts
1. Der Actium-Kameo und Capricornkameen
2. Der Adler–Kameo
3. Der Octavian–Kameo in Wien
4. Der Augustus–Kameo am Lotharkreuz
5. Augustus als Jupiter
6. Die Gemma Augustea in Wien
7. Po rträts des Augustus und der Livia
8. Der Divus–Augustus–Kameo in Köln
9. Priesterinnen des Divus Augustus mit seiner Büste
10. Postume Augustus–Kameen in London und New York
11. Iulisch–claudische Kaiser und ihre Familie
12. Der Grand Camée de France
13. Caligula und Roma
14. Die Gemma Claudia
15. Claudius
16. Der Nero–Kameo am Dreikönigenschrein
17. Nero und Agrippina als eleusinische Götter
B. Kameogefäße aus Edelstein und Glas
1. Das Onyxalabastron aus Stift Nottuln in Berlin
2. Die Portlandvase
3. Die Onyxkanne in Saint-Maurice d’Agaune
4. Die Onyxkanne in Braunschweig
C. Götter, Mythen und Menschen
XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT, 1./2.–5. JAHRHUNDERT N. CHR
A. Meisterwerke: Porträts
B. Künstler und Handwerker
1. Chronologie
2. Stil
3. Themen
4. We rkstätten
5. Repertoire eines Gemmenschneiders
XVI. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND GEFÄSSE DER SPÄTEREN KAISERZEIT
A. Kaiserkameen
1. Die Büste des T r aian in Berlin
2. Der große Adler-Kameo in Berlin
3. Der Victoria-Kameo in Kassel
4. Porträt des Severus Alexander in St. Petersburg
5. Der Ada-Kameo in Tr ier
6. Der Kameo Rothschild
7. Der Belgrader Kameo
8. Der Reiterkampf-Kameo in Paris, Cdm
B. Private Kameen
1. Privatporträts
2. Götter
3. Hochzeitskameen
C. Kameogefäße aus Edelstein und Glas
1. Die „Rubensvase“
2. Der Lykurgosbecher
XVII. MAGISCHE AMULETTE
A. Die Gattung
B. Die Wirkung der Steine
C. Die Weihe der Amulette
D. Die Bilder der Amulette
1. Griechische Bilder
2. Ägyptische Bilder
3. Magische Bilder
4. Spezialamulette
5. Schadenzauber
6. Salomon-Amulette
XVIII. FRÜHCHRISTLICHE GEMMEN
XIX. GEMMENSCHICKSALE
A. Der Ptolemäerkameo in Wien, einst am Dreikönigenschrein
B. Der „Kameo Gonzaga“ in St. Petersburg
C. Die Gemma Augustea in Wien
D. Der Grand Camée in Paris
E. Der Saphir des Thamyras am Krippenreliquiar in Wien
F. Die Tazza Farnese in Neapel
G. Die Portlandvase
XX. ANTIKE GEMMEN IM MITTELALTER
A. Vo m Nachleben antiker Gemmen
B. Die mittelalterliche Sicht der Gemmen
C. Fibeln und Siegelringe
D. Der Ring des Bischofs Arnulf von Metz
E. Der hahnenköpfige Krieger mit Schlangenbeinen
F. Kirchenschätze: Einbände, Kreuze, Kronen, Reliquiare
XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE
A. Sammler und Kenner
1. Sammlungen
2. Signierte Gemmen
3. Daktyliotheken
B. Künstler und Handwerker
1. Frühe Nachahmungen in Glas und Ve rwandtes
2. Mittelalter
3. Renaissance
4. Antikisierende Gemmen des 16.–17. Jahrhunderts
5. Klassizismus
6. Zwanzigstes und einundzwanzigstes Jahrhundert
C. Beischriften, Neuschöpfungen, Kopien, Fälschungen
1. Namensbeischriften und Neuschöpfungen
2. Kopien und Fälschungen
XXII. DAS MATERIAL DER GEMMEN
A. Gemmensteine
B. Nicht-mineralisches Material
C. Glas
D. Farbverbesserung und künstliche Färbung
XXIII. DIE TECHNIK DES GEMMENSCHNEIDENS
A. Freihändige Arbeit und Drillbohrer
B. Ve rmeintliche Gemmenschneider
C. Arbeit an der We rkbank
1. Die Werkbank
2. Die Werkzeuge und ihre Verwendung
3. Schnitt eines Intaglios
4. Schnitt eines Kameos
5. Arbeit ohne Lupen
XXIV.GLASGEMMEN UND KAMEOGLAS
A. Glasgemmen, Glaskameen
B. Geschnittenes Kameoglas
1.DiePortlandvase
2. Pe rseus: Fragment im Cabinet des Médailles
3. Die Glastafel Dutuit
LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN
INDICES
A. Museen und Sammlungen
B. Personen und Sachen
ABBILDUNGSNACHWEISE

Citation preview

Erika Zwierlein-Diehl

Antike Gemmen

Erika Zwierlein-Diehl

Antike Gemmen und ihr Nachleben

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Der Druck dieses Werkes wurde unterstützt durch die Ernst von Siemens Kunststiftung

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ISBN 978-3-11-019450-0

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INHALTSVERZEICHNIS

Für Otto Anne-Julia Cornel Anton und Martin Wolfram

V

VI

INHALTSVERZEICHNIS

VII

INHALTSVERZEICHNIS

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII I. EINFÜHRUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Antike Betrachter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3 4

II. GEBRAUCH DER GEMMEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abb. 1–12 A. Siegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Siegelpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berühmte Siegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Siegel als Erkennungs- und Beglaubigungszeichen . 4. Siegelmißbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verbreitung, Tragweise, Material der Siegel . . . . B. Ehrengeschenke und Sympathiebekundung . . . . . . C. Schmuck, Glücksbringer, Amulette . . . . . . . . . .

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III. MINOISCHE UND MYKENISCHE GEMMEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Abb. 13–38 A. Früh- und mittelminoische Siegel, früh-helladische Siegelabdrücke . . . . . . . . . . . . . . . 22 B. Mittelminoische Siegel. Die Einführung der Werkbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 C. Spätminoische und mykenische Siegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

IV. GEOMETRISCHE UND FRÜH-ARCHAISCHE GEMMEN . . . . . . . . . . . . . . 26 Abb. 39–76 A. Geometrische Glyptik . . . . . . . . . . . . B. Früh-archaische Glyptik . . . . . . . . . . . 1. Steingemmen der Peloponnes und Kretas 2. Peloponnesische Elfenbeine . . . . . . . C. Inselsteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zyprische Gemmen . . . . . . . . . . . . . E. Arbeiten in Quarz . . . . . . . . . . . . . .

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V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN Abb. 77–116 A. Orientalisierender Stil . . . . . . . . . . . B. Plastischer Stil . . . . . . . . . . . . . . . C. Flächig–linearer Stil . . . . . . . . . . . . D. Spätarchaische Meister . . . . . . . . . . E. Griechische Gemmenschneider in Etrurien

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VI. GRÜNE PHÖNIZISCHE („GRAECO-PHÖNIZISCHE“) SKARABÄEN . . . . . . . 45 Abb. 117–129

VII. KLASSISCHE GRIECHISCHE GEMMEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Abb. 130–180

VIII

INHALTSVERZEICHNIS

A. Frühklassische Gemmen, ca. 480–450 v. Chr. . . . . . . B. Dexamenos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gemmen der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. . D. Gemmen des 4. Jahrhunderts v. Chr. . . . . . . . . . .

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VIII. GRAECO-PERSISCHE GEMMEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Abb. 181–218

IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Abb. 219–296 A. Kameen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Ptolemäerkameo in Wien . . . . . 2. Der Kameo Gonzaga in St. Petersburg . 3. KöniglichePorträtkameen. . . . . . . . 4. Die Tazza Farnese in Neapel . . . . . . 5. Die „Coupe de Ptolémée“ in Paris . . . 6. Kleinere Kameen . . . . . . . . . . . B. Intaglien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Porträts: Könige und Königinnen . . . . 2. Privatporträts . . . . . . . . . . . . . . 3. Götter, Heroen und Menschen . . . . . 4. Büsten und Köpfe . . . . . . . . . . . .

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59 59 62 65 66 67 68 70 70 73 74 76

X. GEMMENSCHNEIDER ALS MÜNZSTEMPELSCHNEIDER . . . . . . . . . . . . . 78 Abb. 297–308

XI. ETRUSKISCHE GEMMEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Abb. 309–371 A. Skarabäen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Um 530 bis Mitte 5. Jahrhundert v. Chr. . 2. Zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. 3. Viertes u. drittes Jahrhundert v. Chr. . . . B. Skarabäen im Rundperlstil . . . . . . . . . . C. Ringsteine . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XII. ITALISCHE UND RÖMISCHE GEMMEN DES 3.–1. JAHRHUNDERTS V. CHR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Abb. 372–426 A. Skarabäen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ringsteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Italische etruskisierende Ringsteine . . . . . . 2. Italische hochovale Ringsteine . . . . . . . . 3. Italische flache Ringsteine im Rundperlstil . . 4. Italische konvexe Ringsteine im Rundperlstil . 5. Italischer Rundperlstil . . . . . . . . . . . . 6. Italischer Rundperlstil mit linearem Stil . . . . 7. Römisch-Kampanischer Stil . . . . . . . . . 8. Italisch-hellenistischer Stil . . . . . . . . . . .

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Abb. 427–602

IX

INHALTSVERZEICHNIS

A. Vom Gebrauchsgegenstand zum Kunstwerk und Sammlerstück B. Griechische Gemmenschneider in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Späthellenistische Meister des 1. Jahrhunderts v. Chr. . . . . . . . . 2. Schöpfer des augusteischen Stiles in der Glyptik . . . . . . . . . . . 3. Signierende Meister der augusteischen und tiberischen Zeit . . . . . 4. SignierendeMeisternachtiberischerZeit. . . . . . . . . . . . . . . 5. Römerporträts griechischer Gemmenschneider . . . . . . . . . . . 6. Panegyrik und Propaganda auf Gemmen . . . . . . . . . . . . . . C. Künstler und Handwerker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Chronologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Themen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Werkstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE DER IULISCH-CLAUDISCHEN ZEIT . . . . . . . . . . . Abb. 603–658 A. Kaiserkameen, julisch–claudische Porträts . . . . . . . . . . 1. Der Actium-Kameo und Capricornkameen . . . . . . . 2. Der Adler–Kameo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Octavian–Kameo in Wien . . . . . . . . . . . . . 4. Der Augustus–Kameo am Lotharkreuz . . . . . . . . 5. Augustus als Jupiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Gemma Augustea in Wien . . . . . . . . . . . . . 7. Porträts des Augustus und der Livia . . . . . . . . . . . 8. Der Divus–Augustus–Kameo in Köln . . . . . . . . . . 9. Priesterinnen des Divus Augustus mit seiner Büste . . . . 10. Postume Augustus–Kameen in London und New York . 11. Iulisch–claudische Kaiser und ihre Familie . . . . . . . . 12. Der Grand Camée de France . . . . . . . . . . . . . . . 13. Caligula und Roma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Die Gemma Claudia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Claudius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Der Nero–Kameo am Dreikönigenschrein . . . . . . . . 17. Nero und Agrippina als eleusinische Götter . . . . . . . B. Kameogefäße aus Edelstein und Glas . . . . . . . . . . . . . 1. Das Onyxalabastron aus Stift Nottuln in Berlin . . . . 2. Die Portlandvase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Onyxkanne in Saint-Maurice d’Agaune . . . . . . . 4. Die Onyxkanne in Braunschweig . . . . . . . . . . . . C. Götter, Mythen und Menschen . . . . . . . . . . . . . . .

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XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT, 1./2.–5. JAHRHUNDERT N. CHR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Abb. 659–750 A. Meisterwerke: Porträts . . B. Künstler und Handwerker . 1. Chronologie . . . . . . 2. Stil . . . . . . . . . . . 3. Themen . . . . . . . .

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INHALTSVERZEICHNIS

4. Werkstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 5. Repertoire eines Gemmenschneiders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

XVI. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND GEFÄSSE DER SPÄTEREN KAISERZEIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Abb. 751–772 A. Kaiserkameen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Büste des Traian in Berlin . . . . . . . . . 2. Der große Adler-Kameo in Berlin . . . . . . . 3. Der Victoria-Kameo in Kassel . . . . . . . . . 4. Porträt des Severus Alexander in St. Petersburg . 5. Der Ada-Kameo in Trier . . . . . . . . . . . . 6. Der Kameo Rothschild . . . . . . . . . . . . 7. Der Belgrader Kameo . . . . . . . . . . . . . 8. Der Reiterkampf-Kameo in Paris, Cdm . . . . B. Private Kameen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privatporträts . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Götter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hochzeitskameen . . . . . . . . . . . . . . . C. Kameogefäße aus Edelstein und Glas . . . . . . . 1. Die „Rubensvase“ . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Lykurgosbecher . . . . . . . . . . . . . .

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XVII. MAGISCHE AMULETTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Abb. 773–805 A. Die Gattung . . . . . . . B. Die Wirkung der Steine . C. Die Weihe der Amulette . D. Die Bilder der Amulette . 1. Griechische Bilder . . 2. Ägyptische Bilder . . 3. Magische Bilder . . . 4. Spezialamulette . . . 5. Schadenzauber . . . . 6 Salomon-Amulette . .

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XVIII. FRÜHCHRISTLICHE GEMMEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Abb. 806–823

XIX. GEMMENSCHICKSALE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Abb. 824– 834 A. Der Ptolemäerkameo in Wien, einst am Dreikönigenschrein B. Der „Kameo Gonzaga“ in St. Petersburg . . . . . . . . . . C. Die Gemma Augustea in Wien . . . . . . . . . . . . . . . . D. Der Grand Camée in Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Der Saphir des Thamyras am Krippenreliquiar in Wien . . . F. Die Tazza Farnese in Neapel . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Die Portlandvase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XX. ANTIKE GEMMEN IM MITTELALTER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Abb. 835–860 A. Vom Nachleben antiker Gemmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

XI

INHALTSVERZEICHNIS

B. Die mittelalterliche Sicht der Gemmen . . . . . . . C. Fibeln und Siegelringe . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Der Ring des Bischofs Arnulf von Metz . . . . . . . E. Der hahnenköpfige Krieger mit Schlangenbeinen . . . F. Kirchenschätze: Einbände, Kreuze, Kronen, Reliquiare

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XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Abb. 861–952 A. Sammler und Kenner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Signierte Gemmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Daktyliotheken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Künstler und Handwerker . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frühe Nachahmungen in Glas und Verwandtes . . 2. Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Renaissance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Antikisierende Gemmen des 16.–17. Jahrhunderts . 5. Klassizismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwanzigstes und einundzwanzigstes Jahrhundert . C. Beischriften, Neuschöpfungen, Kopien, Fälschungen . 1. Namensbeischriften und Neuschöpfungen . . . . . 2. Kopien und Fälschungen . . . . . . . . . . . . .

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XXII. DAS MATERIAL DER GEMMEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Abb. 953–954 A. Gemmensteine . . . . . . . . . . . . . . B. Nicht-mineralisches Material . . . . . . . C. Glas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D: Farbverbesserung und künstliche Färbung .

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XXIII. DIE TECHNIK DES GEMMENSCHNEIDENS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Abb. 955–983 A. Freihändige Arbeit und Drillbohrer . . . B. Vermeintliche Gemmenschneider . . . . C. Arbeit an der Werkbank . . . . . . . . . 1. Die Werkbank . . . . . . . . . . . . 2. Die Werkzeuge und ihre Verwendung 3. Schnitt eines Intaglios . . . . . . . . . 4. Schnitt eines Kameos . . . . . . . . . 5. Arbeit ohne Lupen . . . . . . . . .

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XXIV. GLASGEMMEN UND KAMEOGLAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Abb. 984–990 A. Glasgemmen, Glaskameen . . . . . . . . . . . . B. Geschnittenes Kameoglas . . . . . . . . . . . . 1. DiePortlandvase. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Perseus: Fragment im Cabinet des Médailles . 3. Die Glastafel Dutuit . . . . . . . . . . . . .

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LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507

XII

INHALTSVERZEICHNIS

INDICES . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530

A. Museen und Sammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 B. Personen und Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 ABBILDUNGSNACHWEISE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565

VORWORT

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VORWORT Gemmen, Edelsteine mit geschnittenen Bildern, sind neben den Münzen die kleinsten Kunstwerke, die aus der Antike auf uns gekommen sind. Im Unterschied zu Münzen, die vervielfältigt werden, sind sie stets Einzelstücke, wenn man vom Sonderfall der Glasgemmen absieht. Trotz ihres Miniaturformates sind Gemmen keine „Kleinkunst“ im Sinne eines niedrigeren Ranges, sondern eine anderen Kunstformen ebenbürtige, eigenständige Gattung der antiken Kunst. Ihre Qualitätsskala reicht, wie in anderen Gattungen, vom handwerklichen Erzeugnis bis zum Meisterwerk. Man unterscheidet Gemmen mit vertieft geschnittenen Bildern, Intaglien, und solche, die als Relief geschnitten sind, Kameen. Als Siegel und Schmuckstücke, Andenken und Ehrengeschenke, Glücksbringer und Amulette, Symbole der Repräsentation und Lieblingsobjekte von Kunstsammlern waren Gemmen auf vielfältige Weise mit dem Leben der antiken Menschen verbunden. Dank der engen Bindung an den Besitzer geben ihre Motive die jeweils zu einer Zeit und in einer Landschaft beliebtesten Themen wieder. Sofern sie sich auf historische Ereignisse oder Herrscher beziehen, spiegeln sie in einer besonderen, gattungseigenen Weise politisches Geschehen. Dies gilt insbesondere für die Königs- und Kaiserkameen. Die meisten Gemmen sind Intaglien und dienten als Siegel. Das Phänomen des Abdruckes ist eine Urerfahrung des Menschen, jedem vertraut, der einmal die Spur eines Fußes in feuchtem Sand gesehen hat. Ein spätarchaischer Gemmenschneider hat einen solchen „Urabdruck“ in einen Chalcedon-Skarabäoid geschnitten (Abb. 113). Früh entstand der Wunsch, Stempel mit negativem Relief zu schaffen, die solche Abdrücke erzeugen konnten. Am einfachsten ließ sich das in weichem Ton verwirklichen, der dann durch Brand gehärtet wurde. Aus Ton geformte Stempel sind im Vorderen Orient seit dem 8. Jahrtausend v. Chr. bekannt. Seit dem 6.–5. Jahrtausend v. Chr. verstand man es, mit freier Hand Ornamente in relativ weiche Steine zu schneiden. Es war eine Herausforderung an den menschlichen Erfindungsgeist, eine Technik zu entwickeln, mit der sich Bilder in jene bunten, durch Farbe und Glanz faszinierenden, aber für die freihändige Bearbeitung zu harten Steine schneiden ließen. Die Lösung des Problems gelang durch die Verwendung einer Drehbank. Ihre Spuren finden sich seit dem frühen 2. Jahrtausend im Vorderen Orient, in Ägypten und in Kreta. Mit ihrer Hilfe konnte man dem vom Menschen geschaffenen Bild die gleiche Dauer verleihen wie dem Stein. Dieses Buch widmet sich der Geschichte der Glyptik des antiken, griechisch-römischen Mittelmeerraumes von der minoisch-mykenischen Zeit bis in die Spätantike. Als Steine nahezu unvergänglich, haben antike Gemmen auch nach dem Ende des römischen Reiches ihre Anziehungskraft nicht verloren. Ihre Weiterverwendung und Umdeutung im Mittelalter sowie die Geschichte ihrer Wirkung auf Sammler, Kenner und Künstler vom frühen Mittelalter bis in die Neuzeit werden betrachtet. Merowingische Frauen trugen sie in ihren Broschen, Karl der Große siegelte mit ihnen, Kreuze und Reliquiare des Mittelalters wurden mit ihnen geschmückt. In der Renaissance waren sie begehrte Objekte der Sammler, Vorbilder für Künstler und eine Hauptquelle für die Vermittlung antiker Ikonographie. Im 18. und 19. Jahrhundert legte man umfangreiche Sammlungen von Gemmenabdrücken

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VORWORT

oder -abgüssen an, anhand derer man die ganze Welt der Antike in Miniaturbildern betrachten konnte. Goethe besaß eine kleine Sammlung originaler Gemmen und Tausende von Gemmenabdrücken, die er immer wieder allein oder im Kreis von Freunden betrachtete. Im Laufe des 19. Jahrhunderts nahm das Interesse der Sammler mit der wachsenden Angst vor Fälschungen ab; die Zeit für eine wissenschaftliche Betrachtung der Gemmen war gekommen. Das Jahr 1900, in dem „Die antiken Gemmen“ von Adolf Furtwängler erschienen, ist das Epochejahr der Erschließung dieser Gattung für die Wissenschaft. Furtwänglers dreibändiges Werk hatte, so schien es, den Stoff erschöpfend behandelt, so daß in den folgenden Jahrzehnten nur wenige Arbeiten zu dem Thema erschienen. Erst seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts erwachte die Gemmenforschung wieder zu regerem Leben. Es wurde klar, wie viele Gemmen nicht oder unzureichend publiziert waren, wie viele Probleme es noch zu lösen galt. Parallel zum Interesse der Forschung begann das Interesse von Kunstfreunden und Sammlern wieder zu wachsen. Das vorliegende Buch möchte allen, die diese kleinsten Kunstwerke der Antike lieben, sie kennenlernen, in Studium oder Forschung einbeziehen wollen, einen Überblick über die Gattung geben. Der Text wurde zugunsten einer ungehinderten Lektüre ohne Anmerkungen geschrieben, der erforderliche wissenschaftliche Apparat ist im Literatur- und Abbildungsteil enthalten. Gemmen sind sehr klein, messen in der größten Länge selten über 2 cm; bei der Betrachtung der Originale erschließen sich Schönheit und Feinheit der Darstellungen nur mit der Lupe; die Gemmenbilder werden deshalb vergrößert abgebildet. Das Buch entstand über einen längeren Zeitraum, unterbrochen und begleitet von anderen Arbeiten im Bereich der Glyptik. Wenn es überhaupt verwirklicht werden konnte, so verdanke ich das dem großzügigen Entgegenkommen der Direktionen der Museen und Institutionen, die den Wiederabdruck von Photos aus meinen Gemmenkatalogen gestattet haben. Mein Dank gilt für die Berliner Gemmen: Wolf-Dieter Heilmeyer und Gertrud PlatzHorster; für die Wiener Gemmen: Wolfgang Oberleitner und Alfred Bernhard-Walcher und Kurt Gschwantler; für die Würzburger Glaspasten: Erika Simon; für die Gemmen des Instituts für Altertumskunde in Köln: Reinhold Merkelbach. Fast alle Photographien dieser Gemmen stammen von Isolde Luckert; der langjährigen, fruchtbaren Zusammenarbeit mit ihr sei hier noch einmal dankbar gedacht. Für Photos vom Kölner Dreikönigenschrein und seinen Gemmen danke ich: Rolf Lauer und Birgit Lambert (Dombauverwaltung), Henner von Hesberg und Reinhard Förtsch (Archiv für Antike Plastik). John Boardman verdanke ich Photos des Quaders Abb. 977 und von seinen Abgüssen im Ashmolean Museum, die Claudia Wagner zum Teil neu aufgenommen hat. Klaus J. Müller (Bonn) hat Studium und Abbildung von Gemmen seiner Sammlung wie stets in großzügiger Weise gestattet. Meinen Dank für weitere Abbildungsvorlagen sowie speziellen Rat und Hinweise spreche ich an der jeweiligen Stelle aus. Eine ideale Arbeitsbasis boten das Archäologische Institut und das Akademische Kunstmuseum der Universität Bonn, wofür Nikolaus Himmelmann, Harald Mielsch und Wilfred Geominy herzlich gedankt sei. Für die Möglichkeit, die Gemmen ihrer Sammlungen zu studieren, für Auskünfte und Photos danke ich folgenden Museen und Wissenschaftlern: Athen, Nationalmuseum (Elisabeth Stasinopulu); Augsburg, Römisches Museum (Lothar Bakker); Baltimore, The Walters Art Museum (Leopoldine Prosperetti, Ellen D. Reeder); Basel, Historisches

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Museum (Felix Ackermann, Burkhard von Roda); Belgrad (Bojana Borić-Brešković); Berlin, Staatliche Museen (Huberta und Gerald Heres, Gertrud Platz-Horster); Bern, Universität (Dietrich Willers); Bonn, Rheinisches Landesmuseum (Barbara Follman-Schulz, Ursula Heimberg, Anita Rieche); Boston, Museum of Fine Arts (Cornelius C. Vermeule, Florence Wolsky), Brüssel, Musées royaux d’Art et d’Histoire (Jean Ch. Balty, Kris Tytgat); Caerleon, The Legionary Museum (David Zienkiewicz); Cambridge, Fitzwilliam Museum (Richard V. Nicholls); Genf, Musée d’art et d’histoire (Jacques Chamayx); Hannover, Kestner Museum (Ulrich Gehrig, Anne V. Siebert); Kalkriese, Museum und Park (Susanne Wilbers-Rost); Karlsruhe, Badisches Landesmuseum (Peter-Hugo Martin), Köln, Römisch-Germanisches Museum (Hansgerd Hellenkemper); London, British Museum (Brian F. Cook, Martin J. Price, Judy Rudoe, Veronica A. Tatton-Brown, Dyfri J. R. Williams); London, Victoria & Albert Museum (Norbert Jopek, Marjorie Trusted); Marburg, Corpus der Minoischen und Mykenischen Siegel (Walter Müller, Ingo Pini), München, Staatliche Münzsammlung (Dietrich Klose, Bernhard Overbeck); Newcastle upon Tyne, Shefton Museum of Greek Art and Archaeology (Andrew Parkin, Brian Shefton, Antony Spawforth); New York, Metropolitan Museum (Joan R. Mertens); Paris, Cabinet des médailles (Mathilde Avisseau-Broustet); Paris, Louvre (Catherine Metzger); Paris, Petit Palais (Paulette Pelletier Hornby); Philadelphia, The University Museum (Elfriede R. Knauer, Donald White); Princeton University Art Museum (Robert Guy); Rom, Deutsches Archäologisches Institut (Sylvia Diebner, Helmut Jung); Saint-Maurice, Abbaye territoriale (Gabriel Stucky); St. Petersburg (Oleg J. Neverov), Tarragona, Museu Nacional Arqueològic (Josep M. Carreté Nadal, Josep A. Remolà Vallverdú, Pilar Sada); Trier, Stadtbibliothek (Reiner Nolden); Washington, Dumbarton Oaks (Susan Boyd, Stephen R. Zwirn). Der Ernst von Siemens Kunststiftung gilt mein Dank für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Dem Verlag danke ich für die Aufnahme des Buches in sein Programm und dafür, daß es in traditioneller Weise unter der Leitung von Dr. Elisabeth Schuhmann hergestellt wurde. Dr. Jessica Böttcher-Ebers hat den Klebespiegel der Tafeln erstellt, Karin Stötzer den Text zum Druck vorbereitet, Andreas H. Buchwald hat ihn gesetzt. Ihnen allen danke ich für den Einsatz ihrer großen Erfahrung und ihre Freude an der Sache. Bonn, im Januar 2006 / Juni 2007

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I. EINFÜHRUNG A. ANTIKE BETRACHTER In jüngster Zeit hat ein Mailänder Papyrus, der für die Kartonage eines Mumien-Pektorals verwendet worden war, über 100 neuen Epigramme des Poseidippos zu tage gebracht. Die ersten 20 Epigramme sind Gedichte über Steine und Edelsteine (lithiká), davon 14 oder 15 über Gemmen. Der Elegiker und Epigrammatiker Poseidippos von Pella wirkte um 280 / 270 und wohl noch 240 v. Chr. in Ägypten. Ptolemaios II., seine Gemahlin Arsinoë II. und seine Tochter Berenike II. kommen in den Gedichten vor. Das 15. Gedicht lautet: Kein in seinem Bett rauschender Fluß, sondern der Kopf einer bärtigen Schlange enthielt diesen Stein, stark gesprenkelt mit Weiß, und das eingeschnittene Gespann wurde mit Lynkeus-Augen geschnitten, ähnlich dem Fleck auf einem Fingernagel, plastisch sieht man das Gespann, doch auf der Oberfläche könntest du keine Erhebung erkennen. Darum weckt die Arbeit großes Staunen. Wie kam es, daß des Gemmenschneiders angestrengt blickende Pupillen nicht schmerzten? Der „Drachenstein“ (draconites oder drakontias) war einer der Wundersteine der Antike. Er entstehe, so hieß es, aus dem Gehirn einer Drachen-Schlange, wenn man ihr bei lebendigem Leib den Kopf abschlüge. Nach Plinius ist er durchsichtig weiß und läßt sich weder polieren noch schneiden; er beruft sich auf Sotakos, der gegen Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. ein Buch über Steine schrieb (Plinius 37,158. ). Der Schnitt des als so hart geltenden Steines läßt die Kunst des Gemmenschneiders um so größer erscheinen. Der Dichter bewundert, daß etwas so Großes, wie ein Pferdegespann und Wagen auf der kleinen Gemme dargestellt ist und er rühmt den scharfen Blick des Gemmenschneiders, den er mit jenem sprichwörtlichen des Lynkeus vergleicht. Von besonderem Interesse ist die Bemerkung, daß das Bild als Relief erscheint, obgleich es keines ist. Diese Beobachtung läßt sich leicht nachvollziehen. Betrachtet man einen Intaglio bei von rechts einfallendem Licht, so ist die rechte Hälfte dunkel; man stellt sich jedoch unwillkürlich vor, das Licht komme von links und sieht daher das Intagliobild als Relief. Diese kleine Vexierspiel hat offenbar den antiken Betrachter erfreut. Den gleichen Eindruck erzielen Photographien nach dem Original. Das 13. Gedicht beschreibt einen anderen erstaunlichen Effekt. Wenn die Gemme feucht ist, läuft ein Schimmer über die ganze Oberfläche (und macht das Bild undeutlich), ist sie trocken, wird plötzlich das Bild, ein persischer Löwe (?) sichtbar. Ein Gedicht nennt als Gemmenbild in einem Granat (?) eine Schale, die Geliebte erhält ihn bei einem Bankett als Geschenk (3). Solche Gemmen mit Darstellungen einzelner Gefäße sind erhalten (Abb. 540); wir bekommen hier einen Hinweis darauf, in welchem Ambiente wir sie uns vorstellen können. Der Dichter hebt hervor, wie schön die Gemme am Arm (4) oder am Hals (6, 7) der beschenkten Hetäre aussieht, wie der Glanz des Edelsteines mit dem Schimmer der Haut wetteifert. Drei Gedichte (2, 7, in 6 sicher ergänzt) beschreiben

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I. EINFÜHRUNG

Gemmen von der Hand des Kronios, den wir schon aus Plinius (37,8) als den berühmtesten Gemmenschneider seiner Zeit kannten. Sie bezeugen die hohe Wertschätzung des Meisters bei den Zeitgenossen. Der Beryll des 6. Epigramms mit dem Bild der Götterbotin Iris hat die Form eines Quaders. In Gold gefaßt schmückt er die Halskette der Nikonoë. Die Hervorhebung der Form deutet vielleicht darauf hin, daß dem Dichter ihre Seltenheit in dieser Zeit bewußt war (Abb. 277a, b). Das gut erhaltene 5. Gedicht ist in mehrfacher Hinsicht interessant: Timanthes schnitt den gestirnten Lapislazuli Diesen goldgesprenkelten persischen Halbedelstein Für Demylos; im Tausch gegen einen zarten Kuß [erhielt] ihn die dunkelhaarige Nikaia von Kos als [liebes] Geschenk Lapislazuli, griechisch „Sappheiros“, Saphir (s.u. S. 306), gehört dank seiner goldfarbenen Einsprengsel zu den wenigen Edelsteinen, bei denen sich die antike Steinbezeichnung sicher mit dem Stein identifizieren läßt. Hinter der Bezeichnung „persisch“ steht das Wissen um seine Herkunft aus dem heutigen Badakhshan im Nordosten von Afghanistan. Die Bezeichnung als „Halbstein“ ist nicht abwertend gemeint, bezieht sich vielmehr auf die Zusammensetzung aus Stein und Gold, wie man glaubte; tatsächlich handelt es sich um Pyriteinsprengsel. Der Gemmenschneider Timanthes war bisher nicht bekannt. Mehrere Gedichte der Anthologia Graeca rühmen die Kunst der Gemmenschneider. Ein in drei Varianten überliefertes Epigramm (IX 746, 747, 750) lautet in der Version des jüngeren Platon: Klein ist der Jaspisstein, doch faßt er im Bilde fünf Kühe, die wie lebendiges Vieh sämtlich zur Weide hier geh’n. Ja, es entliefe vielleicht auch die kleine Herde der Rinder, aber ein goldener Pferch hält sie zur Stunde noch fest.

(Anth. Graec. IX 747. Übersetzung von H. Beckby).

Ein Intaglio in Wien mit einer Herde von sechs Rindern kann das Gedicht illustrieren (Abb. 402). Der Dichter hebt die Wahl des Steines hervor, denn der grüne Jaspis eignet sich gut als Weide der Kühe, er bewundert die große Zahl von Tieren auf kleinem Raum und die lebendige Darstellung. Der goldene Pferch ist die Goldfassung des Steines. In dem vorausgehenden Gedicht (IX 746) sind sogar sieben Kühe in den Jaspis geschnitten. Die um 400 n. Chr. entstandene, nach einem Codex des Klosters Bobbio so genannten Gedichtsammlung „Epigrammata Bobbiensia“ enthält eine Übertragung dieses Gedichtes ins Lateinische (Epigrammata Bobbiensia 18). Ein weiteres Epigramm der Anthologia Graeca (IX 750) preist die Lebendigkeit der Darstellung, man glaube die Kühe atmeten und die Wiese sei aus Gras. Ein Bild der Galene, der Personifikation des ruhigen Meeres, das Tryphon in einen Beryll schnitt, ist so lebensecht, daß die Nymphe sich wünscht im Meer zu schwimmen, wenn nur der Stein sie frei ließe (IX 544). Ähnliche Qualitäten rühmt eine Stelle in Heliodors Aithiopika 5,14 (3. Jh. n. Chr.) Derart ist jeder Amethyst aus Indien und Äthiopien. Aber der, den Kalasiris damals dem Nausikles brachte, war noch viel schöner. Es war eine Gemme, auf der lebende Wesen eingraviert waren.

B. QUELLEN

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Dargestellt war ein Junge als Hirt, der auf einem niedrigen, eine Warte bildenden Felsblock stand und von dort aus das Weiden der Herde mit den Klängen der Querflöte leitete. Die Schafe folgten ihm, wie es schien, und richteten sich beim Weiden nach dem Takt der Flöte. Man hätte sagen können, sie seien mit einem goldenen Vlies bedeckt gewesen, nicht weil der Künstler das so reizend gemacht hätte, sondern weil der Amethyst sein eigenes Rot als Glanz über ihren Rücken schimmern ließ. (Übersetzung von H. Beckby, Anthologia Graeca IX - XI [2 o. J. ] 817).

Der Preis der Lebensechtheit ist auch in der Beschreibung von Werken der Plastik und Malerei ein Topos des antiken Kunsturteils, das Lob der Miniaturkunst und der Steinfarbe ist gemmenspezifisch. Als genauer Betrachter erweist sich der medizinische Schriftsteller Galen (130–199 n. Chr.): Und je kleiner etwas ist um so größeres Staunen ruft (die Erfindungsgabe und Geschicklichkeit des Künstlers) hervor, so etwa das, was die Künstler in kleine Gegenstände schneiden (diaglýphousin). Solche gibt es auch heute noch einige, von denen kürzlich einer den ein Viergespann lenkenden Phaëthon in einen Fingerring schnitt, wobei ich Zaumzeug, Maul und Vorderzähne eines jeden Pferde wegen der Winzigkeit zunächst nicht sah, ehe ich nicht das Kunstwerk in helles Licht drehte. (De usu partium XVII 1, II 448, 13–20, ed. Helmreich [1909]; Hinweis R. Kassel). Daß sich das Bild eines Intaglios erst richtig betrachten läßt, wenn man ihn so dreht, daß schräg einfallendes Licht die Darstellung sichtbar macht, ist eine jedem Gemmenbetrachter vertraute Erfahrung (vgl. Abb. 879).

B. QUELLEN C. Plinius Secundus d. Ältere (23–79 n. Chr.) überliefert die meisten antiken Nachrichten über Gemmensteine. Er war Offizier, Staatsmann und gelehrter Schriftsteller. Beim Ausbruch des Vesuvs verlor er sein Leben, als er zunächst aus Forscherdrang, dann, um Bekannte zu retten, zu Schiff von Misenum nach Stabiae fuhr. Die beiden letzten Bücher seiner Naturkunde (naturalis historia) handeln von den Steinen, Edelsteinen und Gemmen. Plinius schöpft aus vielen älteren Quellen, darunter dem erhaltenen Buch über die Steine von Theophrast aus Lesbos, einem Schüler des Aristoteles (um 370–287 v. Chr.). Einzelne Angaben über Fundplätze von Gemmensteinen verdanken wir geographischen Werken, insbesondere dem des Strabon (ca. 63 v.–19 n. Chr.). Der Arzt Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) berichtet im fünften Buch seiner „Arzneikunde“ über medizinische Eigenschaften von Steinen. Das dem Orpheus zugeschriebene Gedicht „über die Steine“ erzählt von der magischen Wirkung der Edelsteine an sich, d. h. ohne Bezug auf eingeschnittene Bilder. Im ersten Buch der Koiraniden, einer Sammlung magisch-medizinischen Wissens, die wohl im 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. aus älteren Quellen zusammengestellt wurde, werden jeweils ein Buchstabe, sowie eine Pflanze, ein Vogel, ein Fisch und ein Stein, die mit diesem Buchstaben beginnen, zu Amuletten kombiniert. Zugleich wird gesagt, welche Bilder in den Stein geschnitten werden sollen, in der Regel sind es die Bilder der Tiere. Nachrichten über den Gebrauch von Siegelringen finden sich verstreut in zahlreichen antiken Werken (s. u. II).

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I. EINFÜHRUNG

C. TERMINOLOGIE „Glyptik“ ist die Kunst des Gemmenschneidens. Das Wort ist abgeleitet von griechisch γλύφειν (glýphein, aushöhlen), das im Griechischen zwar auch allgemeiner für die Arbeit des Schnitzers, des Bildhauers oder des Toreuten gebraucht wird, vorzugsweise aber speziell für die des Gemmenschneiders: τέχνη γλυπτικὴ σφραγίδων (téchnē glyptik ē` sphragídōn) ist die Kunst des Siegelschneidens (Pollux, Onomastikon VII 209). Im Lateinischen heißt „Gemmen schneiden“ gemmas scalpere (z. B. Plinius 37, 8. 63. 177), gemmarius sculptor (CIL VI 9436) bezeichnet den Gemmenschneider; gemmarius ohne Zusatz kann ein Gemmenschneider oder Juwelier oder beides sein (s. u. S. 122, 406); im griechischen ist ein spezielles Wort für den Intaglioschneider überliefert: daktyliokoiloglýphos (s. u. S. 318). Da Ringsteine in der Regel Siegel waren, hat das häufigere, einfache daktylioglýphos die gleiche Bedeutung (z. B. Herodot 4, 95; Pausanias 2, 13, 2). Gemmen (Oberbegriff ) / \ / \ Kameen Gemmen (Unterbegriff ) = Intaglien „Gemme“ kommt vom lateinischen gemma, was sowohl den ungeschnittenen wie den geschnittenen Edelstein bezeichnen kann. Im Deutschen hat das Wort „Gemme“ zwei Bedeutungen: Es kann einmal Oberbegriff für alle geschnittenen Steine sein, so verwendet es Adolf Furtwängler im Titel seines Werkes „Die antiken Gemmen“; zum zweiten meint „Gemmen“ als Unterbegriff „vertieft geschnittene Steine“ d. h. solche mit negativem Relief, das erst im Abdruck, beim Siegeln, positiv erscheint. In diesem Sinne ist das Wort in der Verbindung „Gemmen und Kameen“, etwa im Titel des Buches von Georg Lippold, gemeint. Auch in der englischen Glyptikliteratur kommt „gem“ in diesen beiden Bedeutungen vor, doch tritt dort zusätzlich noch eine dritte hinzu: „ungeschnittener Edelstein“. Soll ein Mißverständnis ausgeschlossen werden, verwendet man das italienische Wort „Intaglio“ für den vertieft geschnittenen Stein. „Intagli“, oder mit deutscher Pluralform „Intaglien“, dienten meist als Siegel, daher sind ihre Bilder auf den Abdruck hin geschnitten, d. h. dort erscheinen sie seitenrichtig. Eine Ausnahme bilden Intaglien, die nicht zum Siegeln bestimmt waren, wie die magischen Amulette. „Kameen“ sind als Relief geschnittene Gemmensteine mit nahezu ausschließlich dekorativer Funktion. Reliefschnitte als Siegelrücken sind ebenso alt wie Siegel aus Stein. Sie werden aber nicht als „Kameen“ bezeichnet, sondern nach ihrer jeweiligen Form beschrieben. Siegel in Tiergestalt begegnen im Vorderen Orient schon im 5. Jahrtausend v. Chr. in der Tell-Halaf-Kultur des nördlichen Irak, im Mittelmeerraum in frühminoischer Zeit. In archaischer Zeit kommen statt des üblichen Skarabäus Tierfiguren, Götter- und Fabelwesen, sowie Menschenköpfe als Siegelrücken vor, die „Pseudoskarabäen“ genannt

C. TERMINOLOGIE

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werden. Ein etruskischer Pseudoskarabäus aus dreischichtigem Sardonyx in London mit der Figur eines hockenden Negerknaben nutzt die Steinschichten in der Art der späteren Kameen (Furtwängler, AG 1900 I, II Taf. 16, 5. 6. 38, III 178; Walters Nr. 652 Abb. 38, Taf. 11; Boardman, AGG 165). Als „Kameen“ im eigentlichen Sinne bezeichnet man nur Reliefschnitte, die nicht als Siegelrücken dienen, sondern als selbstständige Schmuck- oder Schaustücke gearbeitet sind. Die prächtigsten und für die Gattung charakteristischen Kameen sind solche aus zwei- und mehrschichtigen Lagensteinen, bei denen die wechselnden hellen und dunklen Schichten zur Ausarbeitung der Motive genutzt werden. Diese Art von Kameen wurde im ptolemäischen Alexandria im 3. Jahrhundert v. Chr. erfunden. Plinius verwendet für Kameo die Bezeichnung ectypa sculptura (Plinius 37,173) Seneca spricht von einer imago Tiberii Caesaris ectypa et eminente gemma (Seneca, De benef. 3,26,1). Das eigenartige Wort „Kameo“ begegnet seit dem 13. Jahrhundert in Europa. In lateinischen Texten unter anderem als camahutus, camahelus, camaeus, im Französischen als camaheu, camayeul, gamahut und in zahlreichen anderen Varianten. In den um 1211 bis 1214 verfaßten Otia Imperialia des Gervasius von Tilbury lautet das Wort Capmau (decisio 3, cap. 28). Auch die Steinbezeichnung Kakamon in dem zwischen 1248 und 1250/54 geschriebenen Mineralienbuch des Albertus Magnus bedeutet „Kameo“. Albertus beschreibt den Stein als weiß, oft mit Onyx gemischt, seine Kraft beruhe auf den geschnittenen Bildern, die man auf ihm finde (de mineralibus II 2,9; Wyckoff 101). In den Quellen zur Wiener Sammlung ist als früheste Bezeichnung aus dem Jahr 1354 gamah überliefert. Über die Herkunft des Wortes ist viel gerätselt worden. Babelon vermutete, es sei über eine Umformung im venezianischen Dialekt aus griechisch κειμήλιον (keimē´lion), „Kleinod“ abgeleitet. Hieraus kann jedoch unmöglich ein Wort mit „a“ in den beiden ersten Silben entstanden sein, zumal die damalige Aussprache kimilion lautete. Für möglich halten Etymologen des Französischen eine Ableitung von arabisch k. amâ‘îl, „Knospen“, einem Wort, das sich mit lateinisch gemmae, was „Knospen“ und „Edelsteine“ bedeutet, vergleichen läßt. Wahrscheinlich brachten Kreuzfahrer das Wort nach Europa mit. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wird unter dem Einfluß des italienischen cameo im Französischen camée, im Deutschen Kameo (masc.) oder Kamee (masc., später fem.) üblich. Außer Gemmen und Kameen zählen auch Rundskulpturen und Gefäße aus Edelstein zur Glyptik. Gemmen aus Glas gibt es im Mittelmeerraum seit minoischer Zeit; antike Stücke werden hier als „Glasgemmen“ bezeichnet im Unterschied zu „Glaspasten“ des 18. und 19. Jahrhunderts. Dies ist eine rein chronologische Unterscheidung; die Technik der Herstellung war die gleiche (s.u. XXIV).

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II. GEBRAUCH DER GEMMEN

II. GEBRAUCH DER GEMMEN A. SIEGEL 1. Siegelpraxis Überall da, wo wir eine Unterschrift leisten, unseren Ausweis zeigen, einen Stempel aufdrücken, eine Sache einschließen, brauchte der antike Mensch ein Siegel (Abb. 1). Der Siegelschneider gilt in dem um 190/180 v. Chr. geschriebenen Buch des Jesus Sirach als einer der typischen Handwerker, wie der Weber, der Schmied und der Töpfer. „Ohne sie wird keine Stadt besiedelt, und wo sie sich niederlassen, hungern sie nicht“; Weisheit allerdings können sie nicht erlangen, weil ihnen die Muße fehlt (Sir. 38, 24–34). Der Siegelabdruck in Ton diente als Beglaubigung von Briefen und Urkunden, zum Verschließen von Waren, Vorräten, Kästchen und Türen. Selbst die Götter, so glaubte man, übten diesen Brauch. Athena rühmt sich, daß sie allein von allen Göttern den Schlüssel zu dem Raum kenne, in dem der Blitz des Zeus versiegelt sei (Aischylos, Eumeniden 826–828). Ein Tonklumpen auf dem Riegel einer Tür oder auf der Mündung einer ölgefüllten Kanne (Abb. 2), ein kleines Ton- oder Wachsklümpchen auf einem verschnürten Brief (Text-Abb. 1), jeweils mit dem Siegelabdruck des Absenders oder Besitzers versehen, war eine vorzügliche Sicherung, im Falle des Ölgefäßes auch ein Markenzeichen. Der getrocknete Ton konnte nur durch Zerbrechen entfernt werden, was den Eingriff eines Unbefugten leicht offenbarte.

Text-Abb. 1: Verschnürter und versiegelter Papyrusbrief, Berlin, Ägyptisches Museum Zeichnung: Christiane Koken

Wie in anderen Dingen wird den Spartanern ein Sonderverhalten zugeschrieben. Der legendäre Gesetzgeber Lykurg soll für die gemeinsame Jagd folgende Regel aufgestellt haben:

A. SIEGEL

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Wer Proviant mitgenommen habe, solle ihn an einer bestimmten Stelle deponieren. Ein Jagdgenosse, der keinen Mundvorrat dabei habe, dürfe das Siegel erbrechen, soviel Nahrung entnehmen wie er brauche, dann solle er die Vorräte wieder versiegeln (Xenophon, Verfassung der Spartaner 6,4). Das für alle anderen Griechen Befremdliche ist die ausdrückliche Erlaubnis, das Siegel an fremdem Eigentum zu öffnen. Typisch für spartanisches Reglement ist die Tatsache, daß durch die Neuversiegelung die Identität des Nehmers offenbar wurde, was verhinderte, daß sich jemand mehr als das Nötige nahm. Unter den dem athenischen Gesetzgeber Solon (ca. 640–560 v. Chr.) zugeschriebenen Gesetzen wird eines überliefert, das dem Siegelschneider (daktylioglýphos) verbot, den Abdruck eines von ihm angefertigten Siegelrings (daktýlios) aufzubewahren (Diogenes Laertios 1, 57); der Ausdruck „Siegelring“ bei dem Schriftsteller des 3. Jahrhunderts n. Chr. ist aus seiner eigenen Zeit genommen, für die Zeit des Solon sind durchbohrte Skarabäen vorauszusetzen (s. u. V). Die Inschrift eines archaischen Siegels verbietet, es zu öffnen (s. u. Abb. 79). Die Sicherheit des Siegels konnte zusätzlich dadurch erhöht werden, daß sein Bild in dem gesiegelten Brief oder der Urkunde genannt wurde, bzw. dem Empfänger bekannt war. So heißt es in einem Brief des jüngeren Plinius an Traian: signata est anulo meo, cuius aposphragisma est quadriga, „er ist gesiegelt mit meinem Ring, dessen Siegelbild eine Quadriga ist“ (Plinius, epist. ad Traianum 74,3). Der heidnische Senator Q. Aurelius Symmachus (gest. wohl 402 n. Chr.), berühmt durch seinen vergeblichen Einsatz für die Wiederaufstellung des Altares der Victoria in der Curie, erwähnt sein Siegel in einem Brief an seinen Freund Virius Nicomachus Flavianus. In Sorge darum, ob aus vertraulichen Briefen etwas an die Öffentlichkeit gelangt sei, erkundigt er sich, ob Flavianus alle Briefe in Verwahrung genommen habe, die mit jenem Siegelring gesiegelt seien, der seinen Namen mehr erkennen als lesen lasse (epistulae 2,12, ed. O. Seeck p. 46). Das Siegelbild war also ein Symbol für den Namen der Symmachi (Mitkämpfer, Verbündete), vielleicht die Darstellung zweier Krieger, die sich die Hand reichten oder verschlungene Hände. Der Empfänger kannte das Siegel. Vor dem Siegeln hauchte oder leckte man den Stein an, damit er sich leichter vom Abdruck löste (Juvenal sat. 1,67f.; Ovid, trist. 5,5), daher wünscht sich der Liebhaber bei Ovid, Amores 2,15, er wäre der Siegelring der Geliebten, um so von ihren Lippen berührt zu werden. Die in antiken Texten überlieferten Nachrichten zum Siegelgebrauch hat schon der Lübecker Philologe Johannes Kirchmann (1575–1643) in seinem Buch De Annulis liber singularis in bewundernswerter Vollständigkeit gesammelt und systematisch geordnet. Das Buch erschien 1623, eine zweite Auflage 1657. Hier wurde die bei Hack in Leiden 1672 gedruckte Ausgabe benutzt, die auch die einschlägigen Traktate von Georgius Longus, Tractatus de annulis signatoriis antiquorum sive de vario obsignandi ritu (1615), Abrahamus Gorlaeus, Dactyliotheca sive tractatus de anulorum origine, variis eorum generibus et usu apud priscos (Ms. vor 1608) und Henricus Kornmannus, De annulo triplici: usitato, sponsalitio, signatorio (1654) enthält (die damalige Schreibung wechselt zwischen anulus und annulus). Trotz der Vorsichtsmaßnahmen war es nicht unmöglich, ein gesiegeltes Schriftstück zu öffnen und unauffällig wieder zu verschließen. Ein Bote, der einen verräterischen Brief des spartanischen Feldherrn Pausanias, des Siegers von Plataeae, zu Artabazos, dem Feldherrn des Xerxes, bringen sollte, schöpfte Verdacht. Es war ihm aufgefallen, daß keiner der früheren Boten zurückgekehrt war; daher vermutete er, daß der Brief auch den Befehl zu ihrer Tötung enthielt. Er machte

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II. GEBRAUCH DER GEMMEN

das Siegel (wohl durch einen Abdruck) nach, um den Brief notfalls wieder verschließen zu können. Als er seine Befürchtung bestätigt fand, zeigte er den Brief den Ephoren. Dies führte zum Untergang des Pausanias, den man im Tempelasyl verhungern ließ (Thukydides 1,132,5). Es spielt hier keine Rolle, ob der Vorwurf des Verrates berechtigt oder eine Verleumdung war; die Geschichte zeigt jedenfalls, daß die Fälschung eines Siegels möglich war. Lukian (ca. 120– 180 n. Chr.) beschreibt mehrere Methoden, die der zeitgenössische falsche Prophet Alexander von Abonuteichos anwandte, um seine Anhänger zu täuschen. Sie übergaben ihm versiegelte Fragen, die er angeblich ungeöffnet mit der Antwort seines Gottes Glykon zurückgab (Lukian, Alexandros 19–21). Tatsächlich schmolz er das Wachs unter dem Siegel mit einer glühenden Nadel weg, öffnete den Brief, las die Frage, erwärmte das Wachs erneut und klebte das Siegel wieder auf. Oder er nahm von dem mit Speichel befeuchteten Siegelabdruck mit einem Gemisch aus Pech, Asphalt, Talkpulver, Wachs und Harz einen Abdruck, der hart geworden, seinerseits als Siegel dienen konnte. Als eine weitere Abdruckmasse verwendete er ein Gemisch aus Gips und Buchbinderleim. Ein aus Ton geformtes und gebranntes Siegel mit dem Porträt des Seleukiden Alexander I. Balas (150–145 v. Chr.) ist wahrscheinlich ein antikes Falschsiegel (Abb. 3). Das negative Bild wurde offenbar durch Abformung des Abdrucks eines Ringsiegels gewonnen. Das originale Siegel mit dem Porträt des Königs muß einer hochgestellten, mit dem König verbundenen Person gehört haben. Die Geschichte, die hinter der Tonkopie steht, bleibt uns verborgen. Um Manipulationen zu verhindern, wurden Urkunden durch die Siegel mehrerer, meist sieben, Zeugen gesichert. Das „Buch mit den sieben Siegeln“ in der Offenbarung des Johannes (5,1) ist eine solche Urkunde. Das abgebildete Beispiel ist die Rekonstruktion einer von vielen Quittungstafeln die 1875 in Pompeji im Haus des Bankiers Lucius Caecilius Iucundus gefunden wurden (Abb. 4). Es ist die Quittung über die Zahlung der Pacht für eine Wäscherei und Färberei (fullonica), die Caecilius Iucundus von der Stadt gemietet hat. Der mit Namen und Siegel Quittierende ist ein städtischer Sklave namens Privatus. Drei Holztäfelchen sind durch ein Scharnier aus Schnüren zu einem Triptychon miteinander verbunden. Die rechteckig eingetieften Flächen der Innenseiten sind mit Wachs gefüllt. Hierauf ist mit dem Griffel die Urkunde geschrieben. Aufgeschlagen sind die Seiten 4 und 5. Auf Seite 1, der Außenseite, bei von unten beginnender Zählung, steht, mit Tinte geschrieben, die Inhaltsangabe, „Niederschrift betreffend die Färberei“, Seiten 2 und 3 enthalten die auf den 19. Februar 58 n. Chr. datierte Quittung und das Siegel des Privatus. Die Täfelchen mit den Seiten 1-4 sind zusammengebunden, die Umschnürung liegt in einer hierfür angebrachten Eintiefung. Auf die Schnur sind die Siegel der Zeugen in Wachs gedrückt. Die Namen der Zeugen stehen jeweils links und rechts von dem zugehörigen Siegel. Privatus hat zweimal, als erster und letzter, gesiegelt. Auf der offenen Seite 5 steht, mit dem Griffel in das Wachs geschrieben, die sogenannte Nebenurkunde. Es ist eine Wiederholung der Quittung. Sie war also jederzeit einsehbar. Die Versiegelung mußte nur im Streitfall geöffnet werden. Reiche Funde von Tonabdrücken bezeugen den Gebrauch der Gemmen als Siegel. Sie spiegeln allerdings trotz ihrer großen, sich durch neue Funde stets vermehrenden Zahl, nur einen Bruchteil der einstigen Wirklichkeit: Die luftgetrockneten Tonabdrücke bleiben höchstens im trockenen Klima Ägyptens zuweilen mit den gesiegelten Papyrus-Urkunden

A. SIEGEL

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erhalten. In der Regel werden sie nur bewahrt, wenn ein Feuer das Archiv zerstört und die Tonabdrücke hierbei gebrannt werden. Wie häufig erweist sich, was für die Zeitgenossen eine Katastrophe war, als Glücksfall für die Archäologen. Die gesiegelten Urkunden selbst, die im Mittelmeerraum, nicht wie in Mesopotamien auf Ton, sondern meist auf Papyrus geschrieben waren, gingen freilich durch das Feuer verloren.

2. Berühmte Siegel Die Wahl des Siegelbildes war die persönliche Entscheidung jedes Einzelnen; daher ist eine Beziehung zwischen Träger und Siegelbild immer vorauszusetzen, sei es daß ihm das Bild einfach gefiel, sei es daß er es aus besonderem Grund wählte. Odysseus, so erzählte man, habe einen Delphin als Siegelbild und Schildzeichen gewählt, weil Delphine den kleinen ins Meer gefallenen Telemachos gerettet hätten (Plutarch, de sollertia animalium, Moralia VI 1 ed. Hubert – Drexler 74 [Stephanus 985 B]).

Das Siegel des Polykrates Das heute noch bekannteste Siegel der Antike dürfte der „Ring des Polykrates“ sein, dem Schiller die so überschriebene Ballade gewidmet hat. Polykrates (538–522 v. Chr.) herrschte in Reichtum und Glück über Samos; da riet ihm sein Gastfreund, König Amasis von Ägypten, dem Neid der Götter zuvorzukommen und jenen Gegenstand wegzuwerfen, dessen Verlust ihn am meisten schmerzen würde. Polykrates folgte dem Rat. Sein liebstes Kleinod war ein goldgefaßtes Siegel (sphrēgís, fem.) aus Smaragd, das er stets trug; Theodoros aus Samos hatte es geschaffen. Der Tyrann ließ sich nun mit einem Fünfzigruderer auf hohe See fahren und warf das Siegel weitab von der Insel ins Meer. Doch fünf oder sechs Tage später machte ihm ein Fischer einen besonders großen Fisch zum Geschenk, in dessen Magen sich das Siegel wiederfand. Amasis erkannte, daß sich ein schreckliches Geschick nicht werde abwenden lassen und sagte die Gastfreundschaft auf. Polykrates fand schließlich ein furchtbares Ende: Oroites, ein Statthalter des persischen Königs, lockte ihn unter dem Vorwand, er wolle sich unter seinen Schutz stellen und viel Gold dafür geben, nach Magnesia am Mäander. Als Polykrates, die schlimmen Vorahnungen seiner Tochter nicht achtend, nach Magnesia reiste, ließ Oroites ihn kreuzigen. So berichtet Herodot, der etwa ein Jahrhundert später lebte (ca. 485–425) und sich einige Zeit auf Samos aufhielt (Historien 3,40–43 u. 120–125). Der Bericht vom Opfer des Kleinods zur Besänftigung der neidischen Götter steht in Einklang mit griechischem Glauben. Die Erzählung vom Wiederfinden des Siegels mag wahr oder erfunden sein. Ganz unwahrscheinlich ist sie nicht. Es kommt vor, daß Fische derart blinkende Gegenstände verschlucken. Ch. Seltman erinnert in diesem Zusammenhang an den Stater für die Tempelsteuer, den Petrus auf Geheiß Jesu im Maul des Fisches fand (Matth. 17,27), und an eine ptolemäische Kupfermünze, die zwei Fischer an der Ostküste Schottlands im Magen eines Fisches fanden. Mit christlichen Vorzeichen wird die Geschichte vom ins Wasser geworfenen Ring in karolingischer Zeit noch einmal in

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II. GEBRAUCH DER GEMMEN

der Legende vom Ring des Bischof Arnulf von Metz wiederholt (s. u. XXD). Das Siegel des Polykrates dürfte nach dem Brauch der Zeit ein Skarabäus gewesen sein, der drehbar in einem Goldbügel gefaßt war (vgl. Abb. 102, 104). Herodot nennt „Smaragd“ als Material des Siegels. Der echte Smaragd, ein Beryll, wurde seiner Härte wegen selten als Gemmenstein verwendet, doch bezeichnete man in der Antike auch andere durchscheinende Steine von schöner grüner Farbe als „Smaragd“. Nach einer durch Clemens von Alexandria im 2. Jahrhundert n. Chr. überlieferten Nachricht, war das Bild eine Leier (Paedagogus 59,1 ed. Stählin, 31972, I p. 270). Später zeigte man im Tempel der Concordia zu Rom einen ungeschnittenen Sardonyx an einem von der Kaiserin (wohl Livia) gestifteten goldenen Füllhorn als angeblichen Stein des Polykrates. Plinius, der die Nachricht überliefert, traut ihr selbst nicht recht, sie gehört wohl zur Gattung der Reiseführer-Anekdoten (Plinius, nat. hist. 37,4 u. 8).

Andere literarisch überlieferte Siegel Die Münzmeister der römischen Republik ließen Porträts berühmter Vorfahren oder Bilder von deren Taten in die Münzstempel schneiden. Man trug ähnliche Siegelbilder, die zum Ausdruck bringen sollten, daß man dem Vorbild der Ahnen nacheiferte. Um so schlimmer war es, wenn jemand dem Vorbild Schande machte: Cicero hält dem P. Cornelius Lentulus Sura vor, daß er mit dem Bild seines Großvaters, des P. Cornelius Lentulus, einen verräterischen Brief gesiegelt habe, statt sich durch das Vorbild dieses hervorragenden Mannes von seinem Verbrechen abhalten zu lassen (Cicero, in Catilinam 3,10). Als der junge Lucius Scipio in einer beschmutzten Toga zu einer Wahl kam, nahmen ihm seine Verwandten den Ring mit dem Bild seines Vaters Scipio Africanus ab (Valerius Maximus 3,5). L. Cornelius Sulla führte ein Siegel mit drei Tropaia (Cassius Dio 42,18,3, s. jedoch Crawford zu Nr. 359 Taf. 47). und ein anderes mit dem Bild einer eigenen Tat, der Gefangennahme Jugurthas (105 v. Chr., Plutarch, Sulla 3, 4; Plinius 37, 9). Die Siegelbilder sind auf seinen Münzen und denen seines Sohnes Faustus Cornelius Sulla dargestellt (Crawford 1974 Nr. 426/1 u. 3 Taf. 51). Bei seiner Ankunft in Ägypten überbrachte man Caesar den Kopf des ermordeten Pompeius und, als Beweis der Identität, seinen Siegelring. Caesar wandte sich von dem Überbringer ab und weinte, als man ihm den Ring übergab. Die Anstifter des Mordes an dem großen Gegner und einstigen Verbündeten im 1. Triumvirat (60 v. Chr.) ließ er hinrichten. Nach Plutarch zeigte das Siegelbild einen schwerttragenden Löwen (Plutarch, Pomp. 80,7), nach Cassius Dio drei Tropaia wie das des Sulla (Cassius Dio 42,18,3). Wahrscheinlich hat Pompeius neben- oder nacheinander zwei Siegel gebraucht. Erwähnt sei noch das Siegelbild des Maecenas: ein Frosch, der sehr gefürchtet war, weil Steuerbescheide mit ihm gesiegelt waren (Plinius 37,10). Den Typus des Siegels mag ein Wiener Intaglio mit einem Frosch in grünem Jaspis illustrieren (Abb. 5).

Herrschersiegel Es war üblich, daß der Vater seinen Siegelring an den Sohn bzw. den Erben oder Nachfolger weitergab. Orest in der Elektra des Sophokles und Therapontigonus im Curculio des Plautus tragen den väterlichen Siegelring (s. u. II A3). Von besonderer Bedeutung war dieser

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Brauch in Herrscherhäusern. Zu Lebzeiten eines Herrschers konnte mit der zeitweiligen Übertragung des Siegels die entsprechende Machtbefugnis verliehen werden: Im ersten Buch Moses steckt Pharao Joseph als Zeichen der ihm übertragenen Macht seinen Siegelring an die Hand (Gen 41,42). Philipp II. bestimmte während seiner Abwesenheit im Krieg gegen Byzanz (340 v. Chr.) den 16jährigen Alexander als Vertreter in Makedonien und betraute ihn mit der Führung des königlichen Siegels (Plutarch, Alexander 9,1). Nach der Legende vom Traum Philipps II., wonach er dem Leib der mit Alexander schwangeren Olympias ein Siegel aufdrückte, war das Siegelbild ein Löwe (Plutarch, Alexander 2,4f.; Tertullian, de an. 46,5 = Ephoros FrGrHist 70 frg. 217) (s. u. IX A1). Ein Zeugnis von der symbolischen Macht des Siegels ist folgende Erzählung: Hephaistion habe einst einen geheimen Brief der Olympias an Alexander mitgelesen; als Alexander das bemerkte, habe er ihm seinen Siegelring auf den Mund gedrückt und ihn so in freundschaftlichem Vertrauen zum Schweigen verpflichtet (Plutarch, De fort. Alex. I 11, 332 F–333 A; II 7, 339 F–340 A). Es ist nicht ausdrücklich überliefert, aber wahrscheinlich, daß es das väterliche Siegel war, das Alexander als König führte; nach der Eroberung des Achaemenidenreiches verwendete er für Briefe innerhalb Asiens das Siegel des Dareios (Curtius Rufus 6,6,6). Sterbend übergab Alexander seinen Siegelring dem Perdikkas (Curtius Rufus 10,6,4f. u. a. ). Die nachfolgenden hellenistischen Herrscherdynastien führten ebenfalls Königssiegel. Das Zeichen der Seleukiden war der Anker; Tonabdrücke solcher Anker-Siegel sind erhalten. Die Legende berichtete von einem Traum der Mutter des Seleukos I., Laodike: Apollo habe sich mit ihr vereint und ihr einen Gemmenring mit dem Bild des Ankers geschenkt. Dieser Ring habe sich tatsächlich am Morgen in ihrem Bett gefunden; ihr Sohn und seine männliche Nachkommen hätten jeweils von Geburt an ein Mal in der Form eines Ankers auf dem Schenkel gehabt (Justinus 15,4,2ff.). Das Königssiegel der Ptolemäer war der Adler; dies ist nicht literarisch überliefert, aber durch einen Abdruck belegt und durch Münzbilder bestätigt. Caesar siegelte mit dem Bild der „bewaffneten Aphrodite“, der Ahnherrin der iulischen Familie (Cassius Dio 43,43,3). Vieles spricht dafür, daß dies nicht derTypus der langgewandeten Venus war, den caesarische Denare zeigen (Crawford Nr. 480/3–5, 8–18), sondern jener der Venus victrix in Dreiviertelrückansicht mit nacktem Oberkörper und um die Beine geschlungenem Mantel. Sie stützt sich auf eine Säule, hält Lanze und Helm. Am Fuß der Säule lehnt ein Schild, der als Zeichen meist einen Stern, das sidus Iulium trägt; es ist das Bild des Kometen, der im Jahre 44 v. Chr. erschien und als Beweis für die Vergöttlichung Caesars gedeutet wurde. Zu Caesars Lebzeiten wäre es wohl als unpassend empfunden worden, einen Rückenakt der Göttin auf Münzen zu prägen. Der spätere Augustus und Erbe des Siegelringes setzt dieses Venusbild auf Denare, deren Beischrift CAESAR DIVI F(ilius) ihn ausdrücklich als Sohn des vergöttlichten Caesar bezeichnet. Spätere Julier benutzen den Typus als eine Art Familienwappen, was durch die Namensinschrift eines Gaius Iulius Crescens gesichert und für viele inschriftlose Gemmen zu vermuten ist (Abb. 6). Besonders ausführlich berichten die Quellen über die Siegel des Augustus: vier Siegelbilder werden beschrieben (Plinius 37,8.10; Sueton, Augustus 50; Cassius Dio 51,3,4ff.). Der junge Octavian übernahm zunächst den Siegelring Caesars. Vor der Schlacht bei Philippi erschien Caesar einem Thessaler im Traum, kündigte ihm den Tag der Entscheidung an und ließ „dem

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jüngeren Caesar“ raten, etwas von dem anzulegen, was er als Diktator getragen habe. Auf diese Nachricht hin habe der spätere Augustus den Siegelring Caesars angelegt und auch später oft getragen (Cassius Dio 47,41,2). Daß Octavian eigene Schriftstücke mit diesem Ring siegelte, ist nicht anzunehmen; es hätte zu sehr an die Praxis hellenistischer Herrscher erinnert. Welch’ große politische und juristische Bedeutung der Ring als Zeichen des rechtmäßigen Erben hatte, geht aus zahlreichen Stein- und Glasgemmen hervor, auf denen dieser Ring unter dem Porträt des Octavian abgebildet ist. Der Ring ist stets im Profil dargestellt, seine Form entspricht einem im 1. Jahrhundert v. Chr. üblichen Typus. Bei dem abgebildeten Beispiel umschließt er einen Capricornus, das Geburtsgestirn des Augustus (s. u. S. 151), Palmzweige und Ähren zu beiden Seiten verheißen Sieg und Wohlstand (Abb. 7). Glasgemmen ließen sich vervielfältigen; sie wurden offenbar an das Volk, zumindest an die Anhänger, verteilt und verkündeten mit einfachen Symbolen, daß Octavian der Erbe Caesars war und daß seine Führung Glück und Wohlstand bringen werde. Die Darstellung des Siegelbildes auf den Denaren und des Ringes auf den Gemmen ergänzen sich gegenseitig. Während des Kampfes gegen Marcus Antonius und des anschließenden Aufenthaltes im Osten in den Jahren 31–30 v. Chr. bevorzugte Octavian ein Siegel mit dem Bild einer Sphinx. Mit diesem Siegel hatte es eine besondere Bewandtnis: Während seiner Abwesenheit hatte Octavian Maecenas und Agrippa als Stellvertreter in Rom bestimmt; sie waren ermächtigt, seine Erlasse zu ändern und der aktuellen Situation anzupassen. Der Caesarerbe hatte nun aus dem Nachlaß seiner Mutter zwei gleichartige Sphinx-Siegel ausgewählt und eines davon den Bevollmächtigten hinterlassen, die mit seiner Hilfe scheinbar authentische Schriftstücke herstellen und etwa an den Senat weitergeben konnten. Es ist anzunehmen, daß die Siegelbilder eine hockende Sphinx in einem Typus zeigten, der auf Cistophoren des Octavian aus dem Jahr 27/26 v. Chr. und auf zahlreichen Stein- und Glasgemmen erscheint (Abb. 8) Die Schnelligkeit der Reaktionen des fernen Octavian erweckte Verdacht, man sprach von den Rätseln dieser Sphinx; daher gab Octavian dieses Siegel auf und siegelte, wohl ab 30/29 v. Chr., mit einem Porträt Alexanders des Großen. Das Aussehen dieses Siegels ist nicht bekannt; es kann sowohl dem Typus des Alexander-Herakles im Löwenfell (Abb. 244) wie dem barhäuptigen Typus (Abb. 245), vielleicht auch dem barhäuptigen Typus mit Ammonshorn im Typus der Münzen des Lysimachos entsprochen haben. Bald darauf, höchstwahrscheinlich mit der Annahme des Namens „Augustus“ im Jahre 27 v. Chr., wählte der Kaiser als letztes Siegel sein von Dioskurides geschnittenes Porträt. Das Porträtsiegel des Augustus ist nicht erhalten. Da ebenfalls im Jahre 27 v. Chr. oder wenig früher ein neuer Porträttypus geschaffen wurde, der Primaportaoder Haupt-Typus, muß es diesem entsprochen haben. Alle folgenden Kaiser, vermutlich bis zu den Severern, verwendeten das Siegel mit dem caput Augusti. Eine Ausnahme machte Galba, der ein von seinen Vorfahren ererbtes Siegel mit dem Bild eines Hundes, der sich über ein Schiffsvorderteil herabbeugt, verwendete (Cassius Dio 51,3.7). Für manche Kaiser ist ein zweites Siegel überliefert. Ein Kooptationsvorschlag des Traian für das Priesterkollegium der Arvales Fratres war mit dem Bild des Marsyas und Olympos beim Spiel auf der Syrinx gesiegelt (Acta Fratrum Arvalium, CIL VI 32374 (= 2078) col II Z.37f.). Ein Ring des Hadrian mit seinem eigenen Porträt fiel kurz vor seinem Tod von seinem Finger, was als schlechtes Omen gedeutet wurde (Aelius Spartianus, Hadrian 26,7; Script. Hist. Aug. ed. Hohl I 27). Commodus hatte ein Siegel mit dem Bild seiner Konkubine Marcia als Amazone (Aelius Lam-

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pridius, Commodus 11,8-9; Iulius Capitolinus, Clodius Albinus 2,4; Script. Hist. Aug. ed. Hohl I 108, 170).

3. Siegel als Erkennungs- und Beglaubigungszeichen Elektra erkennt in der Tragödie des Sophokles ihren tot geglaubten Bruder Orest am Siegel des Vaters (Sophokles, Elektra 1222). Deianeira, die Herakles den mit dem Blut des Nessos getränkten Chiton, den vermeintlichen Liebeszauber, schickt, gibt dem Boten ihren Siegelring mit, so werde Herakles gleich erkennen, daß das Geschenk von ihr komme (Sophokles, Trachinierinnen 614f.). Im Curculio des Plautus entwendet der Titelheld den Ring des prahlerischen Offiziers Therapontigonus. Er siegelt einen gefälschten Brief damit, gibt sich als Freigelassener des Offiziers aus und kann so das von Therapontigonus beim Wechsler hinterlegte Geld erschwindeln. Mit dem Geld wird Planesium, die Geliebte seines Herrn, Phaedromus, aus den Händen des Kupplers befreit. Als der Kriegsheld die ihm versprochene Planesium einfordert, geht er leer aus. Planesium erkennt nun den von Curculio gestohlenen Ring als Siegelring ihres Vaters, den jener von der Mutter zum Geschenk erhalten hatte; sie findet in Therapontigonus den Bruder wieder. Diesem, als dem Erben, hatte der Vater den Ring vor seinem Tode übergeben (Plautus, Curculio 636ff.). Therapontigonus seinerseits erkennt seine Schwester an einem Ring, den er ihr einst zum Geburtstag geschenkt hatte. Das Zeugnis des Bruders erweist Planesium, die im Chaos eines Wirbelsturmes geraubt worden war, als Freigeborene; der Kuppler, der sie folglich widerrechtlich verkauft hat, muß den Kaufpreis erstatten. Nichts steht mehr der Hochzeit von Phaedromus und Planesium im Wege. Der Wechsler, der den Abdruck des Siegelringes wiedererkennt und als sicheres Zeichen der Echtheit des Briefes versteht, beschreibt das Bild als das eines Schwerbewaffneten, der einen Elefanten mit dem Schwert entzweihaut (Plautus, Curculio 423–424). Hinter dem prahlerischen Motiv stehen wahrscheinlich Erzählungen von der siegreichen Schlacht Alexanders des Großen gegen den indischen König Poros und seine Elefanten am Hydaspes im Jahre 326 v. Chr. Auf seltenen Dekadrachmen ist der entscheidende Moment der Schlacht zu einem Zweikampf der beiden Herrscher verdichtet. Alexander greift zu Pferd mit eingelegter Lanze an, König Poros hat seinen Elefanten zur Flucht gewendet. Der König, wahrscheinlich der Speerschwinger rechts, und der Elefantentreiber wenden sich zurück (Abb. 9).

4. Siegelmißbrauch Siegel mußten gut vor der Benutzung durch Unbefugte gehütet werden. Einer der Ratschläge, die Cicero seinem jüngeren Bruder Quintus für die Provinzverwaltung gibt, lautet: Dein Ring sei nicht wie irgendein Gerät, sondern gleichsam du selbst, nicht Diener eines fremden Willens, sondern Zeuge des deinen (Cicero, ad Quintum fratrem 1,1,13, geschrieben Ende 60 oder Anfang 59 v. Chr.). Die antiken Texte sind voll von wahren und erfundenen, ernsten und heiteren Geschichten zum Thema des Siegelmißbrauchs. Plinius beklagt, daß viele Verbrechen mit Hilfe von Siegelringen begangen würden, und spricht mit Wehmut

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von der guten alten Zeit, als nichts versiegelt wurde, während man heutzutage gezwungen sei, sogar Speisen und Getränke mit dem Siegelring gegen Diebstahl zu sichern, und befürchten müsse, daß einem der Ring im Schlaf oder auf dem Totenbett vom Finger gezogen werde (33,26–27). Die Zeit der römischen Republik erscheint hier in einem verklärten Licht. Im Curculio des Plautus sind die Motive des Wiedererkennens durch den Siegelring und des Betruges mit seiner Hilfe ineinander verwoben. Komödienreif ist das Vorgehen, das sich der Philosoph Lakydes aus Kyrene (3. Jh. v. Chr.) zur Sicherung seiner Vorräte ausgedacht hatte. Er versiegelte die Speisekammer und warf den Siegelring durch einen Schlitz hinein, weil er es für zu unsicher hielt, ihn mit sich herumzutragen. Seine Sklaven hatten das natürlich beobachtet; wenn der Philosoph nun spazieren ging oder sonst außer Hauses war, öffneten sie die Kammer, aßen und tranken, was sie wollten, und verschlossen sie auf die gleiche Weise wie ihr Herr. Der machte sich allerhand Gedanken über die „Unbegreiflichkeit der Erscheinungen“, über die schon sein Lehrer Arkesilaos nachgedacht hatte, bis ihn schließlich jemand aufklärte (Diogenes Laertius, vita philosophorum 4,59; Eusebius, praeparatio evangelica 14,7,1-13). In der Politik und im Krieg konnte ein Siegelring in fremder Hand sehr gefährlich werden. Mentor aus Rhodos wurde von Artaxerxes III. Ochos (359 – 338 v. Chr.) zum Satrapen der kleinasiatischen Küste und General gegen Gegner der Perser ernannt. Unter einem Vorwand brachte er Hermias, den Tyrannen von Atarneus und Assos, in seine Gewalt. Dann schrieb er an die Städte und Festungen im Herrschaftsbereich des Tyrannen, dieser habe sich mit dem Perserkönig versöhnt, siegelte sie mit dem Siegel des Hermias und erreichte so deren kampflose Übergabe (Diodor 16,52,5-7). Während des zweiten punischen Krieges (208 v. Chr.) gerieten die beiden römischen Konsuln Marcellus und Crispinus in einen Hinterhalt. Marcellus fiel, Crispinus entkam schwer verwundet. Hannibal schickte der Stadt Salapia einen mit dem Siegel des Marcellus versehenen Brief mit der Bitte, nachts die Tore für den Konsul zu öffnen. Crispinus allerdings hatte die Kriegslist vorhergesehen und eine warnende Botschaft geschickt, die noch rechtzeitig vor der des Hannibal eintraf (Livius 27,28). Nach der Niederlage in der Seeschlacht bei Naulochos (36 v. Chr.) warf Sextus Pompeius seine Ringe ins Meer, um zu verhindern, daß sie im Fall seiner Gefangennahme in falsche Hände fielen (Florus, Epitome 2,18).

5. Verbreitung, Tragweise, Material der Siegel Für das 4. Jh. v. Chr. illustriert eine von Plutarch erzählte Episode die Verbreitung des Siegelrings: Timoleon stand seinem Gegner Hiketes an einem Bach gegenüber. Jeder seiner Offiziere wollte als erster den Bach überqueren. Da nahm Timoleon allen die Ringe ab und loste damit. Der als erster gezogene Ring hatte als Gravur ein Tropaion, ein gutes Omen für die Schlacht (Plutarch, Timol. 31). Bis in klassische Zeit waren Gemmensiegel durchbohrt, wurden mit einer Schnur oder Kette an Handgelenk oder Hals bzw. an einem Bügel am Finger getragen. Ringsteine kommen in archaischer Zeit äußerst selten vor, werden ab der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. häufiger, sind ab hellenistischer Zeit

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die vorherrschende Form. In der einfachsten und bis in hellenistische Zeit wohl häufigsten Form bestand ein griechischer Siegelring aus Bronze mit gravierter Platte. Die Wahl eines Intaglios aus Edelstein, seine Qualität und die mehr oder weniger kostbare Fassung hing vom Geschmack und den finanziellen Möglichkeiten des Besitzers ab. Griechen und Römer trugen den Siegelring am Ringfinger der linken Hand. Unter Berufung auf ägyptische Anatomen glaubte man, daß ein Nerv oder eine Ader von diesem Finger zum Herzen führe, daß er so unmittelbar mit dem Sitz der Seele verbunden wäre und zu Recht eine Auszeichnung verdiene (Plutarch, quaest. conv., Stephanus 672 C 10; Aulus Gellius, noct. att. 10,10; Macrobius, sat. 7,13,8. 12–15; Isidor von Sevilla, de eccl. off. 2, 20 (19),8, CCSL CXIII 92). Der augusteische Jurist C. Ateius Capito (cos. 5 n. Chr., gest. 22 n. Chr.) führt praktische Gründe für diesen Brauch an und macht den Luxus der Gemmenringe dafür verantwortlich: Die Alten trugen einen Ring nicht zum Schmuck sondern zum Siegeln bei sich. Daher war es nicht gestattet, mehr als einen zu haben und dies nur den Freien, denen allein die Glaubwürdigkeit zukommt, die der Siegelring verbürgt. Daher hatten die Sklaven nicht das Recht des Ringes (ius anulorum). Die Siegelbilder wurden dem Material des Ringes eingeprägt, sei es daß er aus Eisen, sei es daß er aus Gold bestand, und man trug ihn wie man wollte, an beliebiger Hand oder Finger. Später begann die Mode des luxuriösen Zeitalters Siegelbilder in kostbare Edelsteine zu schneiden und Nachahmung forderte im Wettstreit dazu heraus, daß man sich des wachsenden Preises, zu dem man Gemmensteine erwerben konnte, rühmte. Daher kam der Brauch, daß man Ringe nicht mehr an der rechten, sondern der linken Hand trug, die müßiger ist, damit nicht durch häufige Bewegung und Tätigkeit der rechten Hand die kostbaren Steine zerbrächen. Gewählt wurde aber der Finger der linken Hand, der dem kleinen am nächsten ist, weil er geeigneter als die anderen schien, den kostbaren Ring zu tragen ... Er wurde gewählt, weil er von Mittelfinger und kleinem Finger eingeschlossen ist, weniger Tätigkeiten ausübt und daher geeigneter ist den Ring zu bewahren (Macrobius sat. 7,13,12–15). Der Behauptung, man habe zunächst den Siegelring an beliebigem Finger getragen widerspricht die Beobachtung des Plinius, daß die Statuen der Könige Numa und Servius Tullius ihn am linken Ringfinger trugen (Plinius 33,24). Mit der Zeit der Begeisterung für Gemmensteine dürfte die des Pompeius gemeint sein (s. u. XIII A). Wie häufig, wird die gute alte, d. h. republikanische, Zeit etwas verklärt. Unter den erhaltenen Ringen gibt es einerseits kaum republikanische Siegelringe aus reinem Metall, abgesehen davon, daß Gold wegen seiner Weichheit kaum zum Dauergebrauch als Siegel geeignet ist; andererseits kennen wir viele italische SteinIntaglien des 3.–1. Jahrhunderts v. Chr. Fest steht, daß das Material der Ringfassungen in Rom den Regeln der gesellschaftlichen Rangordnung unterlag. Zur Zeit der frühen Republik bestanden die Ringe aus Eisen. Wurden Gesandte vom Senat zu anderen Völkern geschickt, so gab man ihnen von Staats wegen einen goldenen Ring mit, damit sie nicht für rangniedriger als ihre Verhandlungspartner gehalten würden; sie benutzten diesen Ring nur in ihrer öffentlichen Funktion, verwendeten privat den eisernen Ring (Plinius 33,11–12). Im Laufe des 4. Jahrhunderts v. Chr. begannen Angehörige der adeligen Familien Goldringe zu tragen. Die Sitte muß, wie Plinius feststellt, in der Zeit der punischen Kriege schon verbreitet gewesen sein, sonst hätte Hannibal nicht nach der Schlacht bei Carrhae (216 v. Chr.) drei Scheffel (trimodia) Goldringe nach Karthago schicken können (Plinius

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33,20, ein modius = ca. 8,75 Liter). Dennoch galt der Eisenring lange Zeit als gut republikanisch. Der republikanische Triumphator trug einen Eisenring, nicht anders als der Sklave, der ihm den goldenen Kranz über das Haupt hielt. So triumphierte C. Marius über Jugurtha (104 v. Chr.); erst ab seinem dritten Konsulat (103 v. Chr.) habe er einen Goldring getragen (Plinius 33, 11-12). Manche Senatoren hielten am eisernen Ring fest; in der Familie der Quintii sollen nicht einmal die Frauen goldene Ringe getragen haben (Plinius 33,21). Aus den beiden letztgenannten Zeugnissen geht implicite hervor, daß auch Sklaven einen Siegelring hatten und Frauen schon in republikanischer Zeit normalerweise goldene Ringe trugen. Was das Siegelrecht des Sklaven angeht, könnte es allerdings sein, daß Plinius den Brauch seiner Zeit in die Republik zurückprojiziert, in der er nach Ateius Capito noch nicht bestand. Der Goldring wurde in der späten Republik zum Abzeichen des Ritterstandes (Plinius 33,17; 29–30). Tiberius erließ im Jahre 22 n. Chr. ein Gesetz, welches das Recht des Goldringes auf die Equites beschränkte, d. h. auf freie Bürger, die von freien Vätern und Großvätern abstammten, deren Vermögen auf 400 000 Sesterzen geschätzt war und die nach den iulischen Theatergesetzen das Recht hatten, in den ersten 14 Reihen zu sitzen. Die Notwendigkeit, ein solches Gesetz zu erlassen, zeigt schon, daß der Gebrauch des Goldringes sich ausbreitete; er wurde bald auch von Freigelassenen getragen (Plinius 33,32–33). Septimius Severus verlieh 197 n. Chr. allen Soldaten das Recht des Goldrings (Herodian 3,7). Lediglich Sklaven war nur der eiserne Ring erlaubt, den sie nach Plinius gelegentlich vergoldeten (Plinius 33,23).

B. EHRENGESCHENKE UND SYMPATHIEBEKUNDUNG Eine mythische Begebenheit war auf dem Unterweltsgemälde des berühmten Malers Polygnotos in der Versammlungshalle der Knidier in Delphi dargestellt (Pausanias 10,30,4). Der nicht weiter bekannte Heros Iaseus hatte seinem Freund Phokos, dem Namensheros der Phoker, einen Siegelring geschenkt: es war ein in Gold gefaßtes Siegel aus Stein, also ein Intaglio. Auf dem Gemälde zog Iaseus den Ring von der linken Hand des Phokos, um das Freundschaftspfand zu betrachten. Ptolemaios IX. schenkte dem L. Licinius Lucullus (117–57/56 v. Chr.) sein in Smaragd geschnittenes, in einen Goldring gefaßtes Porträt (Plutarch, Lucullus 2,3, s. u. XIII A). Wir dürfen eine solche Praxis auch für frühere Ptolemäer und Ptolemäerinnen, sowie andere hellenistische Herrscher voraussetzen. Der in einem Grab auf der Insel Kos gefundene Granat mit dem Porträt Arsinoës III. in antikem Goldring (Abb. 250a, b) könnte ein solches Ehrengeschenk gewesen sein. Glas-Kameen und -Intaglien mit den Porträts ptolemäischer Könige und Königinnen, Bronze- und Elfenbeinringe mit Königinnenporträts waren preiswertere Geschenke, die vermutlich in großer Zahl verteilt wurden. Der gefangene spartanische Feldherr Klearchos schenkte dem Historiker und Leibarzt des Artaxerxes, Ktesias, zum Dank dafür, daß er ihm einen Kamm verschafft hatte, einen Siegelring. Der Ring sollte ihn bei einem Besuch in Sparta gegenüber Freunden und Verwandten des Klearchos als Freund ausweisen. Das Siegelbild zeigte tanzende Karyatiden, Tänzerinnen beim lakonischen Artemisfest in Káryai (Plutarch, Artaxerxes 18,2). Unter Kaiser Claudius hatten Leute, die freien Zugang zu den kaiser-

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lichen Audienzen hatten, das Recht Goldringe mit dem Porträt des Kaisers zu tragen (Plinius 33,41), d. h. diese Ringe waren umgekehrt eine Art Zulassungsausweis. Vespasian, sagt Plinius nicht ohne Schmeichelei gegenüber dem regierenden Kaiser, habe die Regelung des Claudius aufgehoben und den Zugang zum Kaiser allen gleichermaßen eröffnet. Am Neujahrstag des Jahres 68 n. Chr. schenkte Neros Günstling Sporus dem Kaiser einen Gemmenring mit der Darstellung des Raubes der Proserpina durch Hades. Später zählte man dies zu den Vorzeichen von Neros Tod. Traian schenkte dem Hadrian einen Diamanten, den er selbst von Nerva bekommen hatte, als Zeichen seiner Ernennung zum Nachfolger (Aelius Spartianus, Hadrianus 3,7; Script. Hist. Aug. ed. Hohl I 5). Wenn die Angabe über das Material richtig überliefert ist, war dies ein ungeschnittener Stein. Konstantin der Große verlieh Goldringe mit seinem Porträt, mit denen Berichte und Eingaben an ihn gesiegelt werden durften, die sich so aus der Menge der Post heraushoben (Constantinus Porphyrogenitus, De administrando imperio c. 53, ed. Gy. Moravcsik – R. J. H. Jenkins [21967] 264–266). Ein zeitgenössisches von einer armenischen Prinzessin verschenktes Porträtsiegel ist im Original erhalten (Abb. 671). Eine besondere Form des Ehrengeschenks waren die Phalerae, militärische Orden in der Form von Glaskameen (s. u. Abb. 626). Schließlich konnte man durch das Tragen eines Porträts oder einer beziehungsreichen Darstellung seine Sympathie mit einem Herrscher oder Mächtigen, einer politischen oder philosophischen Richtung oder auch einem Freund ausdrücken. Ein gewisser Aristomenes, der dem Agathokles, einem Günstling des Ptolemaios IV. Philopator (222/1–205/4 v. Chr.), schmeicheln wollte, trug einen Ring mit dessen Porträt und nannte seine Tochter Agathokleia (Polybius 15,31,9). Kallikrates, ein Parasit zur Zeit des Ptolemaios III. (246–222/1 v. Chr.) trug nicht nur einen Siegelring mit dem Bild des Odysseus, sondern nannte auch seine Kinder Telegonos (nach dem Sohn des Heros und der Kirke) und Antikleia (nach der Mutter des Odysseus) (Euphantos FrGrHist74 fr. 1; Athenaeus Deipnosophistai 6,251d). Die unterstellte Schmeichelei bestand wohl darin, daß Kallikrates sich als Verehrer des Homer zu erkennen gab, dessen Edition der König durch Gelehrte, die er in das Mouseion berufen hatte, förderte. Der Redner Athenion, trug nach der Rückkehr von einer Gesandtschaft zu Mithradates VI. Eupator (121/120–63 v. Chr.) einen Goldring mit dem Porträt des Königs (Poseidonios, FrGrHist 87 fr. 36 (49) D; Athen 5, 212d). Ob es sich hierbei um ein Geschenk des Mithradates handelte, erfahren wir nicht, jedenfalls zeigte sich Athenion so als Anhänger des Königs. Anhänger des Epikur hatten nicht nur Bilder sondern auch Becher und Ringe mit dem Bildnis des Philosophen (de fin. 5,1,3). Ovids Freunde trugen Ringe mit dem Porträt des Verbannten (Ovid, trist. 1,7,6ff.). Im Roman des Chariton aus Aphrodisias in Karien (wohl 1. Jh. n. Chr.) trägt Kallirhoë einen Ring mit dem Bild ihres geliebten Mannes Chaireas. Sie errichtet für den Totgeglaubten ein Kenotaph und läßt nach dem Siegelbild ein Bildnis, wohl ein rundplastisches Porträt, des Chaireas machen, welches im Trauerzug mitgeführt wird (1,14,9; 2,11,1; 4,1,10). Aus archäologischer Sicht ist interessant, daß hier, zumindest in der Fiktion, ein zweidimensionales Porträt als Vorlage für ein rundplastisches dient, während es nach den Ergebnissen der Porträtforschung in der Regel umgekehrt ist.

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C. SCHMUCK, GLÜCKSBRINGER, AMULETTE Kleine Kameen wurden als Schmuck und Amulette getragen, man faßte sie in Anhänger, Kettenglieder, Ohrringe und Fingerringe. Der Seher in der linken Hälfte des Freskos von Boscoreale in Neapel trägt einen Kameo mit dem von einem Kreis umgebenen Buchstaben T im Ring (Abb. 10). Auch Intaglien dienten nicht nur als Siegel sondern auch als Schmuck. Singulär ist die Verwendung einer späthellenistischen Granatgemme des späten 2.–frühen 1. Jahrhunderts v. Chr. zum Schmuck einer Schwertscheide, die auf dem Schlachtfeld der Varusschlacht gefunden wurde (Abb. 11, Text-Abb. 2). Die Gemme sitzt in der Mitte der unteren silbernen Schwertscheidenklammer. Das Bild zeigt in dem charakteristischen lockeren späthellenistischen Stil die Muse der Komödie bei der Betrachtung einer Jünglingsmaske, die sie mit beiden Händen hält. Ihr Mantel ist um Körpermitte gelegt, läßt Oberkörper und Beine frei, der über die Schulter herabfallende Zipfel bedeckt das obere Ende des Knotenstocks. Die Gemme war bei ihrer Anbringung an der Schwertscheide schon rund 100 Jahre alt, ein Erbstück. Auch die beiden anderen Schwertscheidenklammern trugen Schmucksteine, einen ungeschnittenen Achat und einen verlorenen Stein. Zur Schwertscheide gehörte auch eine silberne Zierscheibe mit einer Triumphalquadriga im Typus augusteischer Denare, die zwischen 18 und 16 v. Chr. in Spanien geprägt wurden. Es mag sein, daß der Steinbesatz der Scheide auf ein mythisches Vorbild, die mit Jaspis geschmückte Schwertscheide des Aeneas, anspielt (Vergil, Aen. 4,261; Juvenal, sat. 5,42–45).

Text-Abb. 2: Zeichnerische Rekonstruktion der Schwertscheide aus Kalkriese. Zeichnung: Gabriele Dlubatz

Auch Gemmenringe konnten Schmuckfunktion haben, sobald man mehr als den einen notwendigen Siegelring trug. Bei Frauen waren Schmuckringe nicht weiter auffällig; aber auch Aristoteles, der als sehr elegant beschrieben wird, soll mehrere Ringe getragen haben

C. SCHMUCK, GLÜCKSBRINGER, AMULETTE

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(Aelian, var. hist. 3,19; Diogenes Laertios, vitae philos. 5,1). Aristophanes spottet allerdings über ringtragende Männer (Aristophanes, Wolken 332). Der thebanische Flötenspieler Ismenias (4. Jh. v. Chr.) trug viele Gemmen, vermutlich auch in Ringen. Wie es scheint, sammelte er Gemmen; die Erwerbung eines Smaragds mit dem Bild der Amymone wird eigens erwähnt (Plinius 37,6). In Rom soll der reiche Triumvir Crassus als erster zwei Ringe getragen haben (Isidorus, origines 19,32). Drei Ringe an der Hand eines Mannes sind zur Zeit des Horaz ein Zeichen von Extravaganz (Horaz, sat. 2,7,9). Rund ein Jahrhundert später trug man nach Plinius, der dies natürlich mißbilligt, Ringe an allen Fingern außer dem Mittelfinger, sowie an allen Fingergliedern, zuweilen auch mehrere am kleinen Finger. Als Gipfel des Raffinements nennt er den Brauch, nur einen Ring am kleinen Finger zu tragen, der dazu diente, das Behältnis mit dem eigentlichen, kostbaren Siegelring zu versiegeln, und somit den Besitz eines außerordentlichen Kleinods anzeigte (Plinius 33,24–25). Martial (ca. 40–102 n. Chr.) spottet: Sechs Ringe trägt Charinus an allen Fingern. Weder bei Nacht legt er sie ab, noch wenn er sich wäscht. Fragt ihr warum? Er hat keine Daktyliothek (11,59). Will sagen: das ist alles, was er hat; er ist kein wirklicher Kenner und Sammler. In seinem Traum vom reichen Erbe sieht sich Mikyllos prächtig gekleidet und mit sechzehn schweren Ringen an den Fingern bei einem Festmahl; leider weckt ihn sein Hahn, eine Reinkarnation des Pythagoras (Lukian, Gallus 12). Quintilian ( ca. 35–100 n. Chr.) empfiehlt Rednern nicht zu viele Ringe zu tragen und nicht oberhalb des zweiten Fingergliedes (institutio oratoria 11,3,142). Die Themen der Bilder von Schmuckgemmen unterscheiden sich nicht von jenen der Siegelringe. Es können einfache Gegenstände und Szenen sein, an denen man sich erfreute. Wählte man das Bild einer Gottheit, so dürfte der Wunsch mitgespielt haben, diese möge dem Träger der Gemme ihren besonderen Schutz gewähren; bei personifizierten Glücksgöttern wie Fortuna und Bonus Eventus schließt schon der Name diese Hoffnung ein. Spöttisch übertreibt Lukian im „Lügenfreund“ diese Beziehung zu der Gottheit im Gemmenbild, wenn er den orakel-gläubigen Eukrates bemerken läßt: Ich sage nichts davon, daß ich einen heiligen Ring habe, dessen Siegelbild den pythischen Apoll darstellt, und daß dieser Apoll zu mir spricht, damit ich dir nicht unglaubwürdig über mich zu prahlen scheine. (Lukian, Philopseudes 38). Viele der zahlreichen Gemmen mit Bildern von Aphrodite/Venus, Eros/Amor und Psyche waren vermutlich Liebesgeschenke. Gemmen mit verschlungenen Händen lassen sich als Hochzeitsgeschenke deuten; auf kleinen Kameen ist das Symbol oft zusätzlich mit der griechischen Inschrift homónoia (Eintracht) oder mnemóneue (gedenke mein) versehen. Inhaltlich gleichbedeutend mit den verschlungenen Händen war der Buchstabe Epsilon (s. u. Abb. 769, 770). „Gedenke mein“ bedeutet auch eine Hand, die an einem Ohrläppchen zupft. Amulette gegen Liebeszauber von unerwünschter Seite sind kleine Kameen mit der Inschrift: Ich liebe (dich) nicht, täusche dich nicht, ich habe vielmehr klaren Verstand und lache (Abb. 12). Die Worte wehren die in Liebeszauber-Texten immer wiederkehrende Beschwörung ab, die geliebte Person solle nichts anderes mehr im Sinn haben als blinde Leidenschaft für den, der den Zauber ausübt. Das Lachen soll einen etwa ausgesandten Dämon vertreiben. Eine spezielle Gattung Übel abwehrender Gemmen sind die „Magischen Amulette“ (s. u. XVII). Als besonders glückbringend galt noch in der späteren Kaiserzeit das Porträt Alexanders d. Großen. In der Vita des Quietus, Sohn des Fulvius Macrianus senior (Kaiser 260, ermordet 261 n. Chr.), berichtet die Historia

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III. MINOISCHE UND MYKENISCHE GEMMEN II. GEBRAUCH DER GEMMEN

Augusta, die Macriani hätten Alexander stets besonders verehrt: Bilder Alexanders des Großen, des Makedonen, hatten die Männer stets in ihren Ringen und in Silber, die Frauen in ihren Netzen und Armbändern, in Ringen und aller Art von Schmuck, in solchem Umfang daß es heute in dieser Familie Tunicen, Besatzstreifen und Mäntel von Frauen gibt, die das Bild Alexanders in verschiedenfarbigen Fäden zeigen. Kürzlich sahen wir Cornelius Macrus, einen Mann aus dieser Familie, als er ein Gastmahl im Tempel des Hercules gab, wie er dem Priester zutrank mit einer Schale aus Elektron, die in der Mitte das Bildnis Alexanders trug und ringsum die ganze Geschichte [d.h. Alexanders] in kleinen, zierlichen Figuren. Diese Schale ließ er zu allen, die begierig waren, den großen Mann zu sehen, umhertragen. Ich habe dies aufgeschrieben, weil es heißt, daß jene, die ein Bild Alexanders, sei es in Gold, sei es in Silber mit sich tragen, bei allem was sie tun Glück haben. ([Trebellius Pollio], Tyranni triginta 14, Scriptores Historiae Augustae, ed. Hohl II 114f.). Daß dieser Glaube nicht auf die Familie der Macriani und den Westen beschränkt war und sich selbst unter Christen nur schwer ausrotten ließ, zeigt eine Stelle bei Johannes Chrysostomos (2. Hälfte 4. Jh. n. Chr.):Was soll man von jenen (Christen) halten, die Beschwörungen und Amulette gebrauchen und sich Bronzemünzen Alexanders des Makedonen um Kopf und Füße binden? Sag mir, sind das unsere Hoffnungen, daß wir nach Kreuz und Tod des Herrn unsere Hoffnung auf Heil auf das Bild eines griechischen Königs setzen? (Joann. Chrys., ad illuminandos catecheses, Migne vol. 49, 240, 22f.).

III. MINOISCHE UND MYKENISCHE GEMMEN Die Geschichte der griechischen Glyptik beginnt mit den Siegeln des nicht-griechischen Volkes der Minoer, denn die mykenische Glyptik setzt die minoische bruchlos fort. Minoische und mykenische Siegel waren den Sammlern und Liebhabern des 18. Jahrhunderts noch unbekannt. Sir John Boardman weist in der fast 16000 Abdrücke enthaltenden Sammlung von James Tassie (1791) einen einzigen Abdruck eines minoischen Siegels nach (Nr. 665), der freilich unter „persisch und parthisch“ falsch eingeordnet ist. Erst seit den Ausgrabungen von Schliemann in Mykene (1878) wurde die Bestimmung dieser Siegel möglich. Sir Arthur Evans wurde durch Hieroglyphensiegel, die er in Oxford und Athen sah, und Abdrücke, die ihm A. Furtwängler zuschickte, zu Reisen nach Kreta veranlaßt. Dort fand er Siegel, die von Frauen als Amulette getragen wurden, sog. „Milchsteine“ von weißlicher Farbe, die den Milchfluß der Stillenden sichern sollten. Steine mit roten Adern galten als Blutstiller. Evans ging auf der Suche nach Siegeln in den Dörfern von Haus zu Haus. Ältere Frauen verkauften manchmal ihre Amulette; in anderen Fällen war ein Tausch von archäologisch interessanten Siegeln gegen weniger bedeutende von der gesuchten milchweißen Farbe möglich. Wenn der Besitzer sich nicht von seinem Amulett trennen wollte, war es meist möglich, einen Abdruck zu machen. So führte die Spur der Siegel schließlich zur Ausgrabung von Knossos

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A. FRÜH- UND MITTELMINOISCHE SIEGEL

und zur Entdeckung der minoischen Kultur. Die Minoer und Mykener waren ungemein siegelfreudig, wovon allein schon ein Blick auf die immer noch wachsende Zahl der Bände des Corpus der minoischen und mykenischen Siegel überzeugt. Neben den Steinsiegeln gibt es überaus reiche Funde von Siegelabdrücken in Ton. Die Erforschung der minoischmykenischen Siegel ist eine Spezialwissenschaft innerhalb der Glyptikforschung. Hier soll nur ein kurzer Einblick gegeben werden. Evans hat eine chronologische Gliederung in früh-minoisch (FM), mittel-minoisch (MM), spät-minoisch (SM), jeweils mit den Untergliederungen I–III eingeführt. Die Gliederung wurde auf das Festland mit den Bezeichnungen früh- mittel- und spät-helladisch übertragen (FH, MH, SH), wobei „spät-helladisch“ der mykenischen Zeit entspricht. Was die absolute Chronologie angeht, kommen Peter Warren und Vrony Hankey (1989) aufgrund von Radiocarbon-Daten und ägyptischen historischen Synchronismen zu folgenden ungefähren Daten (v. Chr.):

FM I

3650/3500–3000/2900

FH I

3600–ca. 2900

FM II

2900–2300/2150

FH II

ca. 2900–2570/2410

FM III

2300/2150–2160/2025

FH III

2570/2410–2090/2050

MM I A

2160/1979–20. Jh.

MH

ab 2090/2050

MM I B

19. Jh.

MM II

19. Jh.–1700/1650

MM III A

1700/1650–1640/1630

MM III B

1640/1630–1600

MM III B / SM I A

um 1600

SM I A

1600/1580–ca. 1480

SH I

1600–1510/1500

SM I B

ca. 1480–1425

SH II A

1510/1500–1440

SM II

1425–1390

SH II B

1440–1390+

SM III A 1

1390–1370/1360

SH III A 1

1390+–1370/1360

SM III A 2

1370/1360–1340/1330

SH III A 2

1370/1360–1340/1330

SM III B

1340/1330–ca. 1190

SH III B

1340/1330–1185/1180

SM III C

ca. 1190–ca. 1070

SH III C

1185/1180–1065

Sub-minoisch

ca. 1070–nach 1015

Sub-mykenisch

1065–1015

Alle minoischen und mykenischen Siegel sind durchbohrt und waren an einer Schnur oder Kette um Hals oder Handgelenk zu tragen. Ein Rhytonträger aus dem Prozessionsfresko des Palastes von Knossos trägt einen mit Silberperlen gefaßten Achat-Lentoid am Handgelenk (Abb. 13 a,b).

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III. MINOISCHE UND MYKENISCHE GEMMEN

A. FRÜH- UND MITTEL-MINOISCHE SIEGEL, FRÜH-HELLADISCHE SIEGELABDRÜCKE In früh-minoischer Zeit, der Zeit vor dem Bau der ersten Paläste, und zu Anfang der mittelminoischen Zeit, der Zeit der alten Paläste, werden relativ weiche Steine und Elfenbein freihändig bearbeitet. Die Bilder sind zunächst rein ornamental; Anregungen aus Anatolien werden vermutet. Wir finden Stempelsiegel verschiedener Form, wie das schlichte Plättchen mit Griff aus dem Tholosgrab II von Lenda (Levina) (Abb. 14a, b) oder ein Elfenbeinsiegel in Form eines Schweinskopfes (Abb. 15a, b). In den Spiralmustern der Bildseite werden kykladische Einflüsse erkennbar, wie der Vergleich mit einem Pyramidensiegel aus Kuphonisia (zwischen Naxos und Amorgos) zeigt (Abb. 16a, b). Seine Oberfläche ist wegen des weichen Materials abgenutzt. Weniger klar sind Beziehungen zwischen früh-minoischen Siegeln und den frühesten Siegelabdrücken auf dem Festland (FH II). 1954 kam bei Grabungen der American School of Classical Studies at Athens in dem sog. House of the Tiles in Lerna (südlich von Argos) ein Fund von gesiegelten Tonklumpen zutage, die bei der Zerstörung des Hauses durch Brand gehärtet worden waren (Abb. 17 a, b). Die gesiegelten Gegenstände waren mit Kordeln verschlossene Holzkästchen oder Gefäße. Die Motive sind ornamental, zum Teil von äußerstem Raffinement (S 57), ausnahmsweise erscheint in der Mitte des Ornaments eine kleine Spinne (S 61). Siegel, deren Bilder den Abdrücken von Lerna entsprächen, sind bisher nicht gefunden worden, vermutlich bestanden sie aus vergänglichem Material wie Holz. In Kreta begegnen bald auch einzelne figürliche Bilder wie der Adlergreif auf einem Stempelsiegel aus hellgrünem Serpentin (Abb. 18a, b). Einer früheren Gruppe dreiseitiger Prismen folgt eine spätere, immer noch aus relativ weichen Steinen (Abb. 19, 20a–c). Zu dieser Gruppe gehören die Prismen aus der Werkstatt von Mallia (s. u. S. 315f., 498).

B. MITTEL-MINOISCHE SIEGEL. DIE EINFÜHRUNG DER WERKBANK Noch in mittel-minoischen Zeit, der Zeit der alten Paläste (MM II, vielleicht schon in MMIb), wird nach Ausweis der Werkspuren die Drehbank eingeführt, an der nun harte Steine der Quarzgruppe (Mohshärte 7) geschnitten werden, ohne daß die weicheren Steine ganz verschwinden. In absoluten Daten bedeutet das nach der oben wiedergegebenen Chronologie die Zeit von 1900 bis 1700/1650 v. Chr. Bei dem großen Spielraum der absoluten Daten läßt sich nur sagen, daß die neue Technik ungefähr zeitgleich auftaucht wie im Zweistromland (s. u. XXIII C1). Die Minoer könnten die neue Technik von den Babyloniern übernommen haben, wahrscheinlicher aber stammt die Kenntnis der Drehbank aus Ägypten. Von dort kam vermutlich die Praxis, Hartsteinsiegel mit tubusförmigen Bohrern zu durchbohren – im Gegensatz zu stabförmigen Bohrern in Mesopotamien (Gorelick–Gwinnett 1992). Die Drehbank ist in Ägypten für Drechsler nachgewiesen; ihre erste bildliche Darstellung entstand um die Wende des 4. zum 3. Jahrhundert v. Chr. (s. u. Abb. 962), doch muß nach Ausweis von Werkstücken ihr Gebrauch viel weiter zurückreichen. Flinders Petrie (1917, 8–10) beschrieb Spuren rotierender Zeiger an Hartstein-Objekten aus der 11., spätestens 12. Dynastie (1976–1794/93 v. Chr.) bis in die ptolemäische Zeit. Charleston

B. MITTELMINOISCHE SIEGEL, DIE EINFÜHRUNG DER WERKBANK

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(1964, 83f.) rechnet mit der Drehbank erst in der „Spätzeit“. In der neueren Forschung wird die Frage nicht behandelt (Andrews 1990; Nicholson – Shaw 2000). Schleifspuren an einigen Amethyst-Skarabäen des Mittleren Reiches, insbesondere aus der 12. Dynastie, im Ägyptologischen Institut der Universität Bonn, die ich mit Isabel Stünkel betrachten konnte, sprechen für den Ansatz von Flinders Petrie. Ein zierliches vierseitiges Prisma aus hellgelbem Chalcedon zeigt deutliche Spuren verschiedener an einer festgelagerten Achse rotierender Werkzeuge: Rundperlzeiger, Schneidezeiger, Tuben und Zylinder, jeweils in verschiedenen Größen (Abb. 21a–d). Die Bilder sind Zeichen der sog. kretischen Hieroglyphenschrift, einer aus Ideogrammen zusammengesetzten Schrift, die ebensowenig lesbar ist wie die auf Tontäfelchen verwendete LinearA-Schrift, weil die Sprache der Minoer nicht bekannt ist. Eine Tonbulla aus dem sog. Hieroglyphic Deposit in Knossos zeigt den Abdruck eines ähnlichen Siegels. Daneben ist ein rundes Siegel mit dem Kopf eines Mannes, des sog. „Königs von Knossos“ abgedrückt (Abb. 22). Es gibt mehrere solche Köpfe auf Siegeln und Siegelabdrücken, bärtige und unbärtige, auch den eines Knaben. Es handelt sich nicht um individuelle Porträts im späteren Sinne, sondern um Typen; doch könnte durch die Bindung des Siegels an den Träger eine Art von Identifizierung bewirkt worden sein. Boardman hat für zwei Köpfe mit offenem Mund vermutet, daß sie Priester darstellen, die Gebete singen. Ein in schwarzen Steatit geschnittener Kopf eines Mannes mit Buckellocken ist aufgrund der Weichheit des Materials stellenweise stark abgerieben (Abb. 23); der berühmte Kopf des Bärtigen aus Gräberrund B in Mykene hat dank des harten Amethysts seine ursprüngliche Schärfe bewahrt (Abb. 24). Das Bild der um zwei Rosetten schwimmenden Delphine eines Steatit-Petschafts zeigt eine charakteristische Vorliebe für rotierende Motive (Abb. 25a, b). Ein einzelner Fisch ist das Bild eines Siegels, dessen querdurchbohrter Griff als kleine Plastik in der Form eines Löwenkopfes gebildet ist (Abb. 26a, b). Zwei antithetische (Löwen?-)Protomen bilden den Rücken eines anderen Siegels, auf dessen Bildseite sich das antithetische Prinzip in einem Paar konzentrischer Kreise, aus deren Verbindungslinie (Lilien?-)Blüten wachsen, wiederholt (Abb. 27a, b). Da ähnliche Motive auf Hieroglyphensiegeln vorkommen, ist die Bedeutung des Bildes vielleicht keine rein ornamentale. Die sog. talismanischen Siegel oder Amulette sind eine Gattung, deren Bilder in merkwürdigem Kontrast zu dem Realismus der übrigen gleichzeitigen Siegelbilder stehen. Ihre Darstellungen sind in raschen Schnitten mit wenigen Werkzeugen hingeworfen, so daß die gemeinten Motive zuweilen schwer erkennbar sind. So ist es bei dem abgebildeten Beispiel nicht leicht zu entscheiden, ob ein Kultschrein oder ein Gefäß gemeint ist; für letzteres spricht die wahrscheinlich einen Henkel darstellende Sichelform links (Abb. 28). Der Körper eines Skorpions ist aus gestaffelten Kreisabschnitten gebildet, die mit einem schräg angesetzten Tubus geschnitten wurden. Mit einem sehr viel kleineren Tubus wurden die Augen, mit Flachperlzeigern die Beine graviert (Abb. 29). Es ist keineswegs sicher, daß es sich tatsächlich um Amulette handelte. Abdrücke solcher Siegel kommen gelegentlich vor, allerdings nicht in den Palastarchiven. Vielleicht handelt es sich um Siegel, die dank ihrer raschen Herstellungsweise einfach billiger waren (so Boardman, GGFR 43).

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III. MINOISCHE UND MYKENISCHE GEMMEN

C. SPÄT-MINOISCHE UND MYKENISCHE SIEGEL Gegen 1600 v. Chr. wanderten indogermanische Stämme in Griechenland ein, die nach ihrem größten Herrschersitz Mykener genannt werden. Nach der Zerstörung der kretischen Paläste durch die Folgen des Vulkanausbruchs auf Thera (gegen Ende SM I A, ca. 1520 v. Chr.), herrschte ein mykenischer Fürst über Knossos, wo der Palast als einziger, wenngleich beschädigt, die Katastrophe überstanden hatte. Die Mykener sprachen griechisch, wie wir seit der Entzifferung der Linear-B-Schrift durch Michael Ventris (1952) und ihrer systematischen Erforschung gemeinsam mit John Chadwick (1956) wissen. Die Schrift verwendet Silben- und Vokalzeichen der Linear-A-Schrift für das Griechische. Wie die Schrift und viele andere Kunst- und Kulturtechniken übernahmen die Mykener von den Minoern auch den Brauch, Siegel zu tragen. Zunächst erwarben oder bestellten sie ihre Siegel wohl bei minoischen Künstlern, die dann griechische Lehrlinge ausgebildet haben mögen. Ingo Pini geht davon aus, daß Gemmenschneider „... teils von Kreta zu den mykenischen Zentren kamen, teils vielleicht vom Festland stammten und bei den Zugewanderten ihr Handwerk erlernten, die sie bald in dieser Kunst übertreffen sollten.“ (Pini 1984, 130). Wir können mit archäologischen Mitteln nicht erschließen, ob das einzelne Siegel von einem Kreter oder einem Festlandgriechen geschnitten wurde. Bestimmen läßt sich nur der eher minoische oder eher mykenische Stil. Die gleiche, in der Natur der Sache liegende Grenze der Analyse begegnet später beim Graeco-Persischen. Manchmal halten sich beide Komponenten die Waage, man spricht dann vom minoisch-mykenischen Stil (SM/SH). Die frühere Vielfalt der Formen ist nun reduziert. Die Siegel haben fast ausschließlich die Form linsenförmiger Lentoide oder mandelförmiger Amygdaloide; seltener sind Flachzylinder. Zwei Lentoide in Berlin zeigen eine laufende Göttin, die gerade einen Pfeil mit dem Bogen abgeschossen hat (Abb. 30), und eine stehende Göttin, die im Gestus der Herrin der Tiere einen Steinbock hält (Abb. 31). Die Göttinnen tragen die kretische Festtracht mit weitem Rock und einem Leibchen, das die Brüste frei läßt. Es handelt sich wohl um die gleiche Göttin, die vielleicht schon „Artemis“ genannt werden darf. Ihr Name ist als a-te-mi-to (Genitiv) auf ´ ist ein Linear-B-Täfelchen belegt. Auf der Rückseite des Lentoids mit der Pótnia Thērōn (Thron?)-Zeichen eingraviert, das einem Linear-B-Zeichen ähnlich sieht, was auf Siegeln sehr selten vorkommt. Ein beliebtes Motiv aus dem Reich der „Herrin der Tiere“, ein Tierkampf, ist auf dem folgenden Lentoid mit großer Meisterschaft dargestellt (Abb. 32). Ein Löwe beißt einen zusammenbrechenden Hirsch ins Rückgrat; das sterbende Tier wirft den Kopf nach oben, das Maul mit herausgestreckter Zunge aufreißend. Der Hinterkörper des Löwen erscheint in Seitenansicht, der mächtige Oberkörper in Draufsicht, wodurch die Wucht des Angriffs drastisch zum Ausdruck kommt; die Tatsache daß die Tiere sich in Gegenrichtung bewegen, gibt der Komposition ein drehendes Moment. Ganz anders die Darstellung eines Eberkampfes, bei dem der nur im Vorderteil dargestellte und um so riesiger wirkende von links anrennende Eber und der zustoßende Jäger frontal aufeinandertreffen (Abb. 33). In solchen von einem Kräfteparallelogramm und verwandten Prinzipien bestimmten Kompositionen scheint ein neues, mykenisches Strukturgefühl sichtbar zu werden. Ähnliches gilt für die Darstellung eines Löwenkampfes, bei dem zwei Männer einen Löwen von beiden Seiten packen und ihm

C. SPÄT-MINOISCHE UND MYKENISCHE SIEGEL

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ihre Schwerter in den Leib stoßen (Abb. 34). In vorperspektivischer Darstellungsweise ist der Löwe senkrecht ins Bild gestellt. Ein Hund greift ihn von unten, d. h. von hinten an. Das getroffene Jagdtier allein sehen wir auf einem elfenbeinfarbenen Achat mit hell-blaugrauen Bändern: Ein vom Speer getroffener, zusammenbrechender Stier reißt im Todeskampf den Kopf mit geöffnetem Maul und herausgestreckter Zunge nach hinten (Abb. 35). Die Maserung des Steines darf wie ähnliche „Gelände“-Wellen auf Fresken als landschaftliches Element verstanden werden. Ein geschächtetes Rind liegt auf einem niedrigen Opfertisch, ein Dolch steckt in seinem Nacken, von links neigt sich eine Palme über seinen Rücken (Abb. 36). Der Tisch hat vier breite Stützen in Form von Stierschädeln (Bukranien), dazwischen zwei dünne stabförmige Stützen. Die Form des Altartisches und das Opfern des Tieres auf diesem sind charakteristisch für den kretisch-mykenischen Ritus, während im späteren griechischen Ritus die Tiere vor dem Altar geschächtet werden. Eine Erinnerung an den mykenischen Kultbrauch scheint sich in dem merkwürdigen Ritual des athenischen Zeusfestes Dipolieia erhalten zu haben. Lapis lacedaemonius, ein dunkel- und hellgrün gefleckter Porphyr, der nach der Fundstelle des Materials in der Nähe von Sparta so genannt wurde (Plinius 36,55), ist das Material eines Lentoids mit Zweikampfdarstellung (Abb. 37). Zwei nur mit Gürteln bekleidete Männer stürmen aufeinander zu, packen sich an den Köpfen und versuchen sich mit kurzen Schwertern zu erstechen. Im Mythos sind es die Brüder Eteokles und Polyneikes, die sich im Kampf um die Herrschaft in Theben gegenseitig töten. Wir wissen jedoch nicht, ob hier schon ein Sagenbild gemeint ist. Der Gemmenschneider hat versehentlich zuerst die Schwertarme, dann die Oberkörper eingeschnitten, so daß es nun aussieht als befänden sich die Arme hinter den Körpern. Die Zweikampfszene zeigt in ihrem symmetrischen Aufbau, dem Wechselspiel von Diagonalen, Senkrechten und Horizontalen die erwähnten mykenischen Strukturmerkmale. Das Kuppelgrab von Vaphio in Lakonien enthielt 41 Gemmen und zwei Ringe (Abb. 38). Sie geben einen Überblick über die Stilrichtungen der um 1500–1450 (SH II) arbeitenden Werkstätten. Einige Siegel in minoischem Stil mögen aus Kreta importiert oder mitgebracht worden sein (z. B. Nr. 2–4, 11, 14, 32, 35, 36, die Ringe 39, 40), unter ihnen ist ein „talismanischer“ Lentoid (Nr. 17). Die Mehrzahl der Siegel dürfte auf dem Festland geschnitten sein; von mykenischen Charakter sind Nr. 15, 37, 38, bei vielen halten sich minoischer und mykenischer Einfluß die Waage. Man hat den Grabinhaber einen frühen Gemmensammler genannt, doch sollte man die Gemmen zusammen mit den anderen reichen Funden des Grabes, darunter die berühmten Goldbecher mit Stierfang-Szenen, wohl eher als Teil eines Schatzes ansehen.

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IV. GEOMETRISCHE UND FRÜH-ARCHAISCHE GEMMEN

IV. GEOMETRISCHE UND FRÜH-ARCHAISCHE GEMMEN Im 12. Jahrhundert v. Chr. wanderten erneut griechische Stämme von Norden nach Griechenland ein. Sie zerstörten die Burgen der ebenfalls griechisch sprechenden Mykener. Die mykenische Kultur ging unter; ihre blühende Kunst, die Kenntnis der Schrift, auch die Kunst des Gemmenschneidens gingen verloren. Weitere Einwanderungswellen folgten; Krieg und Seuchen führten zur Entvölkerung des Landes. Es begannen die sogenannten „dunklen Jahrhunderte“ zwischen ca. 1125 und 900 v. Chr. Während die Töpferkunst nie ganz in Vergessenheit geriet und mit dem protogeometrischen (1060–900 v. Chr.), später dem geometrischen Stil (900–700 v. Chr.) zu einer neuen Blüte gelangte, brach die glyptische Produktion völlig ab. Wie Funde in Gräbern und Heiligtümern lehren, blieben eine Reihe von minoischen und mykenischen Siegeln erhalten. Sie regten aber nicht zur eigenen Herstellung von Steinschnitten an; eine Ausnahme bilden die Inselgemmen (s. u. IV C). Die Kontakte mit Ägypten und dem Vorderen Orient waren abgebrochen. Im 9. Jahrhundert bezeugen orientalische Fundstücke in Griechenland und griechische Keramik im Osten die Wiederaufnahme von Beziehungen. Die Phönizier erforschten mit ihren Schiffen das Mittelmeer, gründeten Handelsniederlassungen auf Kreta und Zypern, in Spanien, Sardinien und Nordafrika. Gegen Ende des 9. Jahrhunderts legten Griechen aus Euböa einen Handelsplatz in Nordsyrien (Al Mina) an. Zypern spielte wahrscheinlich eine Vermittlerrolle in beiden Richtungen. Handwerker aus dem Osten kamen nach Griechenland und lehrten die Griechen ihre Techniken. Unter ihnen müssen auch Gemmenschneider gewesen sein.

A. GEOMETRISCHE GLYPTIK:

ATHEN, INSELN, PELOPONNES, ÖSTLICHE IMPORTE Die Handwerker beginnen zunächst wieder, Siegelbilder freihändig in relativ weiches Material zu gravieren. Wie die Minoer und Mykener bevorzugen die Griechen das Stempelsiegel. Rollsiegel wurden nur äußerst selten in Stein kopiert (s. u. Abb. 67). Für dekorative Zwecke, zur Verzierung von Tonpithoi, benutzte man zwar Rollsiegel; sie haben sich jedoch im erhaltenen Gemmenbestand, von einer möglichen Ausnahme abgesehen, nicht nachweisen lassen; vielleicht bestanden sie aus Holz (s. zu Abb. 42). Die Ablehnung des Rollsiegels muß mit einem Wesenszug zu tun haben, welcher das in sich abgeschlossene Bild der additiven Reihung vorzog. Die frühesten bekannten griechisch-geometrischen Siegel sind zwei Elfenbeinsiegel aus einem Grab am Nordhang des Areopags zu Athen, das in die Mitte des 9. Jahrhunderts datiert ist. Beide Siegel sind mit feinen geometrischen Mustern verziert (Abb. 39). Die Siegel stammen aus einem reichen Frauengrab; dies zeigt, daß in dieser Zeit, zumindest die vornehmen Athenerinnen, schon Siegel gebrauchten. Ihre Verwendung wird sich auf die Verwaltung häuslicher Vorräte und die Markierung von Gegenständen bezogen haben: Einer der weiter unten erwähnten ägyptisierenden Skarabäen wurde auf ein Webgewicht geometrischer Zeit gedrückt.

A. GEOMETRISCHE GLYPTIK

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Möglicherweise gingen den erhaltenen Siegeln solche in vergänglichem Material voraus. Nach griechischer Tradition bestanden die frühesten Siegel aus wurmzerfressenem Holz. Wie üblich wird auch der „Erfinder“ genannt: Herakles soll als erster ein solches Siegel benutzt haben. Diese Überlieferung mag einen wahren Kern haben, denn einmal ließe sich das Zufallsmuster eines angeschnittenen wurmstichigen Holzes in der Tat als individuelles Siegel verwenden, zum anderen ähneln die Bilder einiger früher Steinsiegel unregelmäßigen Wurmgängen (s. u. Abb. 42). Ein Diskos aus Elfenbein mit gewölbtem Rücken (Abb. 40 a, b) und ein FayenceSkarabäus (Abb. 41) stammen aus dem gleichen Grab des athenischen Kerameikos. Auf dem Bild des Elfenbeinsiegels führt ein Krieger im Helm mit hohem Busch ein Pferd. Beide Figuren sind in einem spätgeometrischen Stil dargestellt, der sich unter Berücksichtigung des Gattungsunterschiedes, insbesondere der beim Elfenbein durch die Technik bedingten größeren Steifheit, mit attischen Vasen vergleichen läßt; wie dort füllen Ornamente den freien Raum. Ein in Material und Stil nächstvergleichbares Stück befindet sich in Oxford; beide Siegel wurden vermutlich in Athen geschnitten. Der Fayence-Skarabäus zeigt ein Pferd vor einer Pflanze, über ihm eine Zick-Zack-Linie. Er ist ein Beispiel einer verbreiteten Gattung von ägyptisierenden Fayence-Skarabäen, die wahrscheinlich in Phönizien, dann auch von Phöniziern und Griechen in Rhodos hergestellt wurden. Im gleichen Grab wurde ein weiterer Fayence-Skarabäus mit abgeriebenem Bild und ein phönizischer Glas-Skarabäoid in Goldfassung mit Silberbügel gefunden. Glas-Skarabäoide dieser Art finden sich mehrfach in griechischen Fundkomplexen des späten 8. und der 1. Hälfte des 7. Jahrhunderts. Außer den genannten ägyptisierenden Fayenceskarabäen kommen auch ägyptische Skarabäen vor. Eine andere besonders umfangreiche Gattung importierter Siegel sind die in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts, wahrscheinlich in Nordsyrien, hergestellten Skarabäoide der LeierspielerGruppe. Sie wurden offenbar als Amulette getragen, finden sich auf Ischia vorwiegend in Kindergräbern. Die griechisch-geometrischen Siegel ahmen aber nicht die Formen dieser importierten Siegel nach, lehnen sich vielmehr an andere östliche Formen, vor allem aus Zypern und dem nord-syrischen Raum an, von denen jedoch keine Beispiele in Griechenland gefunden wurden. Diese Tatsache spricht dafür, daß die griechischen Gemmenschneider unmittelbar von östlichen Handwerkern lernten. Die frühesten griechischen Steinsiegel stammen aus der Mitte des 8. Jahrhunderts. Es sind meist flachrechteckige Tafeln mit nach oben hin abgeschrägten Seiten, die senkrecht durchbohrt sind; wahrscheinlich steckte in der Bohrung einst ein Holzgriff. Das Material ist Inselmarmor oder weicher Kalkstein und Serpentin („Steatit“), meist von weißer Farbe. Fundorte und erschließbare Herstellungsorte sind die Inseln und Argos. Eine beträchtliche Zahl solcher Siegel wurde in den Heiligtümern von Perachora und Argos gefunden. Die Siegelflächen zeigen zum Teil unregelmäßige Furchen, die an Wurmgänge erinnern. Das abgebildete Beispiel wurde oberhalb der Stoa, unter der kyklopischen Mauer im Heraion von Argos gefunden (Abb. 42). Ein Siegel aus Argos ist in vier Felder eingeteilt, von denen zwei menschliche Figuren zeigen: einen Mann mit erhobenen Händen im rechten oberen Feld; im Feld darunter, querstehend, eine Frau, deren Oberteil verloren ist, und den Fuß einer zweiten. Die übrigen Felder und die Leerräume sind mit geometrischen Mustern

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IV. GEOMETRISCHE UND FRÜH-ARCHAISCHE GEMMEN

verziert (Abb. 43). Die Bilder wurden hauptsächlich mit spitzen dreikantigen Instrumenten herausgeschabt, dickere Körperteile gelegentlich mit gerundeten Werkzeugspitzen verbreitert. Ebenfalls in der Argolis werden gegen Ende des 8. Jahrhunderts Halbkugeln und flache Quader mit geometrischen und figürlichen Mustern geschaffen. Der Rücken einer Halbkugel aus Argos ist mit parallelen Zickzackmustern verziert. In die Bildseite ist ein Reiter geschnitten, der nur schwer erkennbar ist, weil die freien Flächen mit Zickzacklinien gefüllt sind (Abb. 44 a, b). Es gibt ferner Siegel in der Form eines Knopfes mit durchbohrtem Stiel. Eines der im Heraion von Argos gefundenen Knopfsiegel aus blaßgrünem Steatit ist fertig gearbeitet bis auf das Bild, sogar die Rahmenlinie ist schon vorhanden. Dies lehrt zweierlei: Einmal daß sich Gemmenschneiderwerkstätten in unmittelbarer Nähe des Heiligtums befanden, zum anderen, daß die Gesamtform des Siegels und vor allem die Bohrung vor der Gravur des Bildes hergestellt wurden. Diese Reihenfolge leuchtet ein, da insbesondere beim Bohren die Gefahr bestand, daß der Stein zerbrach. Ein Knopfsiegel besonderer Form ist ein rotbrauner Steatit, dessen Siegelfläche einen sog. Dipylonschild nachbildet (Abb. 45). Das von Füllmustern und einer Rahmenlinie umgebene Bild eines Mannes mit erhobenem Arm dürfte wohl einen kampfbereiten Krieger darstellen. Besonderer Einfallsreichtum offenbart sich in Siegeln, deren Rücken figürlich gearbeitet ist. Ein hockender, bärtiger Affe scheint doppelte Vorderbeine zu haben; der Gemmenschneider war sich über die Anatomie des exotischen Tieres offenbar nicht ganz klar (Abb. 46 a, b). Zwei Querdurchbohrungen dienen der Gestaltung der Plastik; ein Haltegriff oder eine Öse war einst in einem senkrechten Loch im Rücken des Tieres befestigt. In dem Liniengewirr der Siegelfläche läßt sich nur schwer eine Darstellung erkennen: man könnte einen Mann und ein Pferd, möglicherweise einen von oben gesehenen Wagenkasten vermuten. Ein querdurchbohrtes Siegel in Form eines auf einer rechteckigen Platte liegenden Löwen kommt aus Attika, dürfte jedoch ebenfalls in der Argolis geschnitten sein (Abb. 47 a, b). Eine Gruppe von sechs Männern ist als Siegelbild in die Unterseite graviert; sie umfassen ihre Schultern und bewegen sich im Tanzschritt, wie wir dies auch aus dem heutigen Griechenland kennen. Das Motiv steht in schönstem Einklang mit der geometrischen Darstellungsweise der Figuren, die jeden Körperteil in seiner charakteristischen Ansicht wiedergibt, die Köpfe im Profil, die Schultern in Vorderansicht, die bewegten Beine wieder im Profil. Ein sogenannter Stempelanhänger aus Bronze in Brüssel wurde um 700 v. Chr. in der Peloponnes geschaffen (Abb. 48 a-c). Der Griff ist durch einen Knauf zwischen schmalen Reifen gegliedert und oberhalb der Öse mit einem Vogel geschmückt. Die Unterseite der flachen, runden Basis trägt das eingetiefte Bild eines bärtigen Kentauren mit einem erhobenen, einem gesenkten Arm; Körper und Gliedmaßen sind aus rechtwinklig aufeinanderstoßenden balkenförmigen Teilen gebildet. Ebenso ist ein Füllmotiv, wohl ein Zweig, im freien Raum dargestellt. Abnutzungsspuren an den Ösen zeigen, daß solche Anhänger lange getragen wurden. Stempelanhänger mit vertieften Mustern in der Plattenunterseite oder einer aus Stegen gebildeten Basis eignen sich zur Herstellung von Abdrücken. Ob sie tatsächlich als Siegel benutzt wurden, ist ungewiß. Der Brüsseler Vogelanhänger ergibt jedenfalls, wie die Abbildung zeigt, einen vorzüglichen Abdruck; es wäre einleuchtend, wenn ihn sein Besitzer als Schmuck und Siegel zugleich verwendet hätte.

B. FRÜH-ARCHAISCHE GLYPTIK

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In der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts finden wir erstmals auch auf Gemmen Szenen aus der griechischem Mythologie. Ein tafelförmiges, längsdurchbohrtes Siegel aus schwarzem Serpentin in Paris ist auf zwei der undurchbohrten Seiten mit geometrischen Mustern, auf den beiden anderen figürlich verziert. Auf der hier abgebildeten Bildseite legt ein Mann seinen Bogen auf einen Kentauren an, der mit beiden Armen Äste emporhebt; vorn krabbelt eine Eidechse (Abb. 49 a, b). Sehr wahrscheinlich handelt es sich um die Tötung des Nessos durch Herakles. Die mythische Deutung wird gestützt durch einen späteren Quader in München, der die vorausgehende Szene des Mythos wiedergibt (Abb. 50). Alle sechs Seiten sind figürlich geschmückt. Auf einer der breiten Seiten hat Nessos mit besitzergreifendem Gestus die viel kleiner dargestellte Deianeira am Handgelenk gepackt. Unter den Füllmotiven im freien Raum sind eine Schlange und ein langbeiniger Wasservogel, die andeuten, daß die Szene am Fluß Euenos spielt. Nessos hatte sich erboten, die Braut des Herakles auf seinem Rücken hinüberzutragen, wobei er in heimtückischer Weise versuchte, sich an seiner Schutzbefohlenen zu vergreifen.

B. FRÜH-ARCHAISCHE GLYPTIK 1. Steingemmen der Peloponnes und Kretas Die Argolis bleibt auch im 7. Jahrhundert ein Zentrum glyptischer Produktion. Eine zweiseitige Scheibe aus Glimmerschiefer kann dieser Landschaft zugewiesen werden (Abb. 51 a, b). Eine Seite zeigt einen bärtigen Mann mit Flügeln statt der Arme, vielleicht einen Windgott; auf der anderen Seite sind die Vorderteile zweier Pferde gegenständig miteinander verbunden; ein Bild, auf dem oben gleich unten und unten gleich oben ist, was den Betrachter veranlaßt, es wieder und wieder zu drehen. Ein unregelmäßiges, mit parallelen Strichgruppen verziertes Kugelsegment trägt als Siegelbild eine Steinbockoder Wildziegenfamilie (Abb. 52 a, b). Ein rotbrauner Serpentin-Diskos mit Darstellung eines Viergespanns in Vorderansicht kommt aus Korinth (Abb. 53). Das Bild dürfte früher sein als die ersten Darstellungen des Motivs auf mittelkorinthischen Vasen aus dem ersten Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr., die frühere Darstellungen, vermutlich in der Skulptur, voraussetzen. Bemerkenswert ist, daß das Bild in einer Mischtechnik, teils freihändig, teils mit rotierenden Werkzeugen geschnitten wurde. Ein Diskos aus Kreta in New York gehört zu einer kleinen Gruppe von Steinen, die sich kretischen Werkstätten zuweisen ließen (Abb. 54 a, b). Auf der einen Seite sitzt ein Mann auf einem Stuhl, hebt das linke Bein, streckt seine Linke zur Taille einer ihm gegenüberstehenden Frau aus; diese legt ihrerseits die Rechte auf den Leib des Mannes. Am rechten Bildrand ist eine Kanne zu sehen. Für die Szene wurden verschiedene Deutungen vorgeschlagen. Die Auffassung als erotische Gruppe wird durch die Darstellung der Gegenseite nahegelegt, doch bliebe hier die Kanne bedeutungslos. Wenn die Ermordung des Agamemnon durch Klytaimnestra dargestellt sein sollte, vermißt man eine deutliche Wiedergabe der Waffe. Am wahrscheinlichsten bleibt, daß hier mit den einfachen Mitteln eines subgeometrischen Stiles jene Szene dargestellt ist, in der die alte Amme Eurykleia dem scheinbaren Bettler die Füße

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IV. GEOMETRISCHE UND FRÜH-ARCHAISCHE GEMMEN

wäscht und Odysseus an einer alten Narbe erkennt; sogleich faßt ihr der Heros an die Kehle, zieht sie nah zu sich heran und gebietet ihr mit drohenden Worten Schweigen (Od. 19,386ff.). Auf diese Weise erklären sich das gehobene Bein, die heftigen Gebärden und die (Wasser-)Kanne. Die andere Seite trägt die seltene Darstellung zweier sich paarender Ziegen. Die freie Natur ist durch einen Grasbüschel, einen Baumschößling und ein kleines vierbeiniges Tier, das seinen Kopf zum hochgeschwungenen Schwanz hinwendet, angedeutet.

2. Peloponnesische Elfenbeine Elfenbeinsiegel, die vor allem in den Heraheiligtümern von Argos und Perachora sowie in dem der Artemis Orthia bei Sparta gefunden wurden, bilden eine wichtige und umfangreiche Gattung. Die Produktion beginnt vor 700 und dauert bis gegen 600 v. Chr. an. Elfenbein ließ sich noch leichter bearbeiten als selbst „weiche“ Steine; die Bilder der sorgfältigsten Elfenbeinsiegel zeigen daher reiches Detail. Charakteristisch sind Tierfiguren mit eingetieften, aber auch reliefierten Bildern auf ihrer Unterseite, zweiseitig gravierte Scheiben und mehrseitige Steine, die Rücken an Rücken zusammengesetzten Skarabäen oder Skarabäoiden gleichen. Manche Intagliobilder sind so flach, daß sie keinen guten Abdruck ergeben; daher und wegen des Wechsels mit Reliefbildern wurde vermutet, daß viele der Elfenbeine nur Schmuckzwecken dienten. Andere, tief geschnittene Bilder ergeben gute Abdrücke. Es wurde immerhin ein gebrannter Tonabdruck eines Elfenbein-Intaglios in Perachora gefunden; er dokumentiert die Verwendung eines solchen Elfenbeins zur Herstellung eines Abdrucks, sei er nun als preiswerter Ersatz, als Weihung eines Gemmenschneiders oder als Abdruck eines persönlichen Siegels zu interpretieren (Perachora II A 112; Boardman, GGFR 114). Die Motive entsprechen dem orientalisierenden Zeitstil; es sind Fabelwesen, Tiere, seltener Menschen und mythologische Darstellungen. Eine große Scheibe aus dem Heraion von Argos zeigt auf einer Seite das Bild einer Sphinx mit frontal gesehenem Kopf, seitlich ausgebreiteten Sichelflügeln und zwei Leibern; ihre Vorderfüße stehen auf einer Doppelvolute. Die Scheibe ist nach der anderen Seite hin abgetreppt; in die folglich kleinere Rückseite ist ein Adler mit palmettenähnlichem Schwanz geschnitzt (Abb. 55a, b). Ein Wasservogel (Abb. 56) und vier ähnlich einer Swastika miteinander verbundene, laufende Beine (Abb. 57) schmücken die Unterseiten liegender Tiere aus dem Heiligtum der Artemis Orthia in Sparta. Die gleichsam rotierenden Beine dürfen wohl als Symbol schnellen Laufes aufgefaßt werden.

C. INSELSTEINE Als Ludwig Ross im September des Jahres 1843 zu einer neuen Reise auf die ägäischen Inseln aufbrach, wollte er eigentlich nach Lesbos segeln. Die ungewöhnlich lange andauernden sommerlichen Nordwinde bliesen sein Schiff jedoch in zwölfstündiger stürmischer Fahrt nach Melos. Diesem Umstand verdanken wir die erste Nachricht von einer

C. INSELSTEINE

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besonderen Gattung früharchaischer Gemmen, die alsbald „Inselsteine“ genannt wurden. In dem Bericht über die Reise schreibt Ross: „Bei dem Letzteren [einem Antikenhändler] sah ich noch einige jener oblong und flach zugeschliffenen farbigen Flußkiesel, deren ich bereits in der Stadt einige erworben hatte; sie haben auf der einen Seite flach eingegrabene Thiergestalten, Löwen, Hirsche, Chimären und andere wirkliche oder fabelhafte Thiere in einem alterthümlich rohen Styl, oder andere Ornamente, und sind der Länge nach durchbohrt, um auf Fäden gereiht oder anderweitig als Schmuck gefaßt werden zu können ... Sie finden sich ... sehr häufig in den ältesten Gräbern.“ (Abb. 58). Wie auf Kreta wurden solche Gemmen als Milchsteine getragen. Die Insel Melos, Fundort der ersten Inselsteine, erwies sich als Zentrum der Herstellung dieser Gattung von Gemmen. Merkwürdigerweise haben die meisten Inselsteine die Form von Lentoiden und Amygdaloiden, Formen, die mit dem Untergang der minoisch-mykenischen Kultur verschwunden waren. Offenbar ahmten die melischen Gemmenschneider Siegel aus minoischer Zeit nach, die in Gebrauch geblieben oder im Boden gefunden worden waren. Daneben kommen andere Formen vor, die Parallelen im übrigen Griechenland und im Nahen Osten haben. Die Gemmenbilder sind freihändig in meist grünlichen, gelblichen oder bräunlichen Serpentin geschnitten. Manchmal sind die Siegel durch Brennen gehärtet, was eine weißliche Farbe bewirkt. In der Tradition der Glyptikforschung wird das Material meist „Steatit“ genannt; der mineralogisch unkorrekte Name kann hilfreich sein, um gerade diese Art von Serpentin zu bezeichnen. Der Rücken eines runden Siegels ist in Form eines zusammengerollten, schlafenden Hundes gebildet (Abb. 59a, b). Das Rund der Siegelfläche wird von einer Kreislinie betont. Ein Adlergreif, der eine Schlange frißt, fügt sich vorzüglich in diesen Kreis. Seine Körperformen sind flach gerundet und von einer dicken Linie gerahmt, in ähnlicher Weise rahmt eine mandelförmige Augenkontur die runde Pupille. Schwanz und Sichelflügel sind aus sorgfältig gravierten länglich-ovalen Federn gebildet. Form und Bild ahmen peloponnesische Elfenbeinsiegel nach; dies erklärt den stilistischen Unterschied zur Hauptmasse der Inselsteine. Die von Ross erwähnten Gräber wurden bei Raubgrabungen geöffnet. Für die meisten Inselsteine ist kein datierender Zusammenhang bekannt. Eine Ausnahme bilden neun Stücke aus dem Heiligtum der Demeter und Persephone in Kyrene, für die eine Datierung gegen Ende des 7. Jahrhunderts gesichert ist (Lowenstam 1987, 10–13 Nr. 19–27). Datierungen ergeben sich auch durch den Vergleich mit Vasen. Die Blütezeit der Gattung liegt in der zweiten Hälfte des 7. und dem ersten Drittel des sechsten Jahrhunderts v. Chr., die Werkstätten arbeiten jedoch noch länger. Nach Boardmans Analyse lassen sich anhand der Technik drei Hauptphasen unterscheiden: Zunächst werden die Figuren aus eckig aufeinandertreffenden Schnitten von V-förmigem Querschnitt gebildet. Gegen Ende des 7. Jahrhunderts gewinnen die Körper an Volumen; neben den V-förmigen Sticheln werden zunehmend solche mit gerundeter Schneide verwendet. Zu Anfang des 6. Jahrhunderts werden dann die Figuren plastisch durchmodelliert und Details sorgfältig ausgearbeitet. Ein Lentoid mit dem Bild eines Löwen mit erhobener Vordertatze und hochgeschwungenem Schwanz ist ein typischer Vertreter der frühen Kerbschnitt-Technik (Abb. 60). Der Schwanz endet in einem aufgerissenen Schlangenmaul, vielleicht ist der nemeische Löwe, der Bruder der Chimaira, gemeint. Mehr Volumen haben die Fischkörper eines sorgfältig

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IV. GEOMETRISCHE UND FRÜH-ARCHAISCHE GEMMEN

gearbeiteten Amygdaloids mit dem Bild eines Delphins, eines Thunfischs und eines Thunfischschwanzes, der wohl den Gedanken an eine gute Mahlzeit wecken soll (Abb. 61). Im Übergang zum plastischen Stil steht ein beidseitig geschnittener großer Lentoid (Abb. 62a, b). Die stärker konvexe Seite trägt die in dieser Zeit noch seltene Darstellung eines stehenden Paares beim Liebesakt; runde Vertiefungen, eine Swastika aus Mäandergliedern und ein großer Wasservogel, vielleicht die der Aphrodite heilige Gans, füllen den Raum. Auf der anderen Seite wendet eine Chimaira ihr Löwenhaupt mit aufgerissenem Maul dem aus dem Rücken wachsenden Ziegenkopf zu, als wollte das Raubtierelement des Fabelwesens die Beutetierprotome erschrecken. Der Schlangenkopf des Schwanzes zischt mit geöffnetem Maul. Ein frühes Beispiel aus der dritten Stilphase ist ein in mehrfacher Hinsicht interessanter Lentoid in New York, der aus Perachora stammt (Abb. 63). Das Bild ist einer der in dieser Gattung seltenen mythologischen Darstellungen: Aias hat sein Schwert in einen Erdhügel eingegraben und stürzt sich hinein. Die Kontur des gebeugten, plastisch ausgearbeiteten Körpers verläuft dicht am Gemmenrand. Die Gestalt wirkt dadurch riesenhaft. Der „große“ Aias, der Sohn des Telamon aus Salamis, tapferster Held nach Achilleus unter den Griechen vor Troia, verfiel in Wahnsinn über die Kränkung, daß Achills Waffen nicht ihm, sondern Odysseus zugesprochen wurden. Im Glauben, es seien die treulosen Gefährten, tötete er die Schafe ihrer Herde. Am nächsten Morgen erkannte er seine Tat und entzog sich der Schande durch Selbstmord. Der Lentoid trägt die einzige Inschrift auf einer Inselgemme dieser Zeit, ihre Schreibweise ist nicht ostgriechisch, vielmehr etruskisch. Es ist offenbar der Name des Helden in der Schreibung „Hahivas“, für „Aias“; der Name lautet sonst im Etruskischen „Aivas“. Die beiden Aspirata sind sowohl im Griechischen wie im Etruskischen rätselhaft. Nehmen wir an, ein reisender Etrusker hat den Lentoid erworben, um ihn in das Heiligtum von Perachora zu weihen, und nach etruskischer Vorliebe die Beischrift des Namens gewünscht. Konnte er die Buchstaben selbst einritzen oder hat er sie dem Gemmenschneider vorgesprochen? Nach der Sicherheit zu urteilen, mit der die Buchstaben geschnitten sind, war der „Schreiber“ nicht ungeübt im Umgang mit dem Grabstichel; die Buchstaben könnten mit dem gleichen Instrument geschnitten sein wie die Linien auf dem Erdhügel und die Schwertkontur. Ein galoppierender Kentaur ist wie die meisten seiner Art ein aggressiver Bursche, der drohend einen Baumast schwingt und einen Stein als Wurfgeschoß bereit hält (Abb. 64); der Gemmenschneider hat vergessen, das Auge des Kentauren anzugeben wie bei den „blinden Delphinen“, die ihm den Namen gaben. Nach griechischer Vorstellung gehörten die Kentauren ebenso zu den gefährlichen Waldbewohnern wie der nach Nahrung suchende Eber; eine vorzügliche Tierstudie, deren Merkmale die Hand eines anderen herausragenden Meisters, des sog. „Schlangen-Meisters“, verrät (Abb. 65). Der weiche Serpentin wird von melischen Werkstätten auch weiter verwendet, während sie selbst und andere griechische Werkstätten auch schon harte Steine gravieren. Beim Bild der sich paarenden Geburtshelferkröten paßt der grüne Stein gut zum Motiv (Abb. 66). Auf einem Rollsiegel, einer in der griechischen Glyptik außerordentlich seltenen Form, sind zwei unzusammenhängende Szenen dargestellt (Abb. 67): Ein Krieger besteigt den von einem Viergespann gezogenen Streitwagen, dessen schon im Wagen stehender Lenker die Pferde zügelt; unter den Pferden springt ein Hase auf. Die zweite Szene ist von derber Erotik:

E. ARBEITEN IN QUARZ: INSELN UND FESTLAND

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Eine Mänade faßt das Glied eines aufs höchste erregten Satyrn. Beide Szenen mögen dem einstigen Träger als glückbringende Symbole männlicher Kraft gegolten haben. Ein Stein, der mit der Form des Skarabäus die Leitform des 6. Jahrhunderts v. Chr. übernimmt, zeigt im Bild des gebeugten, in der Taille gedrehten Löwenmenschen noch einmal Reminiszenzen an minoische Vorbilder (Abb. 68a, b).

D. ZYPRISCHE GEMMEN Die oben angeführten tafelförmigen Siegel der Argolis sind wahrscheinlich herzuleiten von zyprischen Vorbildern. In einen Quader aus schwarzem Serpentin sind Bilder in freihändiger Gravur eingeritzt (Abb. 69a, b): Ein schreitendes Pferd mit einem weit vorgestreckten, erhobenem Vorderbein und ein ähnlich bewegter Löwe mit aufgerissenem Maul sind auf die Breitseiten der Tafel gesetzt. Mit feinen Linien hat der Gemmenschneider jeweils ein Rechteck skizziert, in dem die Figur derart stehen sollte, daß ringsum ein freier, rahmender Raum bliebe. Die Tafel ist nicht durchbohrt, auch die Schmalseiten sind mit Tier- und Pflanzenbildern geschmückt. Der Quader ist vermutlich in der 1. Hälfte des 7. Jahrhunderts entstanden. Wie bei den Inselgemmen bleibt auf Zypern die Freihand-Technik bis in das 6. Jahrhundert hinein in Gebrauch. Spätestens für das 8. Jahrhundert v. Chr. lassen sich Werkstätten phönizischer Gemmenschneider auf Zypern erschließen. Sie arbeiteten teils freihändig, teils an der Drehbank, deren Kenntnis in ihrer Heimat nie verloren gegangen war. Von ihnen erlernten zyprische und griechische Gemmenschneider die Arbeit mit dem rotierenden Zeiger. Ein SerpentinSkarabäus verrät Einflüsse sowohl aus Griechenland wie aus Phönizien (Abb. 70a, b). Zwei behelmte Krieger, die sich an der Hand halten und einander anblicken sind in griechischsubgeometrischem Stil geschnitten. Das schrägkarierte Bodensegment ahmt phönizische Vorbilder nach. Auch in der Technik zeigt sich der Gemmenschneider als Schüler phönizischer Kollegen: Während er die Körperformen noch freihändig graviert, benutzt er für das Karo im Bodensegment, die kugeligen Hände und die Gliederung des Käferrückens rotierende Zeiger, die eine Drehbank mit festgelagerter Achse voraussetzen. Der Skarabäus läßt sich der nach dem Fundort zweier Quader so genannten „Pyrga-Werkstatt“ zuweisen und somit in das 7. Jahrhundert, wahrscheinlich seine erste Hälfte datieren. Die auf eine Pflanze zulaufende Wildziege in der Unterseite eines Stierkopfes aus dem beträchtlich härteren Lapislazuli ist ganz mit dem Rädchen geschnitten (Abb. 71a. b). Die Miniaturplastik war einst durch einen vom Maul zum Hinterkopf geführten Silberbügel, von dem ein kleiner Rest erhalten ist, gefaßt.

E. ARBEITEN IN QUARZ: INSELN UND FESTLAND

Einige wenige Siegel entsprechen in der Form Arbeiten in weicherem Material des griechischen Festlandes und der Inseln, bestehen jedoch aus härteren Steinen. Ein Bergkristall-

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IV. GEOMETRISCHE UND FRÜH-ARCHAISCHE GEMMEN

diskos mit gewölbten Rücken trägt die Darstellung eines Löwenkampfes in orientalischem Schema (Abb. 72). Ein Mann, vielleicht Herakles, packt den sich aufrichtenden Löwen an einer Vordertatze, holt mit dem Schwert zum Stoße aus. Ein Strichrand rahmt, wie bei Elfenbeinsiegeln des 7. Jahrhunderts, das Bild. Form und Strichrand verbinden die Gemme mit einer Gruppe, die von Boardman nach Fundstücken aus den Heiligtümern der Athena und des Poseidon von Sunion benannt wurde. Sie wurden vermutlich in Attika oder einer nahegelegenen Insel hergestellt. In dieser Gruppe finden sich frühe Beispiele für die Verwendung von Bergkristall, der zunächst freihändig geritzt und geschabt wird. So das Bild einer Sphinx in einem mit dem antiken Bronzebügel erhaltenen Diskos aus Perachora (Abb. 73). Das Verfahren ist außerordentlich mühsam, die Ergebnisse im Vergleich zu Arbeiten in weicherem Stein unbefriedigend. Das Bild des Löwenkampfes dagegen ist mit flachen Schnitten von rotierenden Rundperl- Flachperl- und Schneidezeigern eingetieft. Dieser Bergkristall gehört zu den frühen Beispielen der Wiedereinführung der Drehbank des Gemmenschneiders in Griechenland. Leider ist weder dieses Siegel, noch sind die Vergleichsstücke durch stratigraphische Befunde in engere Grenzen datiert. Der Stil legt eine Datierung in die 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts nahe, einer Zeit, in der auf Zypern die Verwendung der Drehbank durch zyprische Gemmenschneider gesichert ist, eine Übernahme der Technik durch einzelne griechische Gemmenschneider folglich nicht auszuschließen ist. Bei einer Datierung in die 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts müßte angenommen werden, daß die Werkstatt stilistisch sehr rückständig ist. Eine weitere Arbeit an der Drehbank ist ein beidseitig gravierter Karneol mit den Bildern eines stehenden Ziegenbockes vor einem Zweig und eines laufenden Hundes, über dem die Mondsichel steht (Abb. 74 a, b). Die Darstellung des Hundes ist solchen auf Vasen des ostgriechischen Tierfriesstiles aus der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts vergleichbar. Dies und die Form des Steines, der minoisch-mykenische Lentoide nachahmt, macht wahrscheinlich, daß die Gemme in einer Inselwerkstatt entstand. Sie dürfte früher sein als eine von J. Boardman zusammengestellte und in die Zeit von vor 550 bis ca. 500 v. Chr. datierte Gruppe von Inselsteinen, die in Form oder Ikonographie den Serpentingemmen folgen, jedoch ebenfalls in hartem Stein gearbeitet sind. Zu ihnen gehört ein schwimmender Triton in Bergkristall (Abb. 75). Von ganz geringer Qualität sind flüchtig geschnittene Amygdaloide, die oft für spätmykenisch gehalten wurden, von Pini jedoch als archaische Inselgemmen erwiesen werden konnten (Abb. 76).

V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

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V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN Im 6. Jahrhundert v. Chr. setzt ein neue Blüte griechischer Glyptik ein. Statt der früher bevorzugten relativ weichen, opaken und nur matt schimmernden Steine werden nun harte, durchsichtige bis durchscheinende Steine von lebhaften Farben verwendet. Es sind vorwiegend Steine aus der Quarzgruppe, allen voran Karneol. Die Gemmen haben meist die Form des Skarabäus, d. h. des Käfers, seltener sind Skarabäoide mit ebenfalls gewölbtem, aber glatt belassenen Rücken.

Text-Abb. 3. Profile archaischer griechischer Skarabäoide, 1 : 1 Zeichnung Brinna Otto.

Ferner kommen sogenannte Pseudo-Skarabäen mit plastisch gestalteten Rücken verschiedener Form vor; es sind dies in Kameotechnik gearbeitete Reliefs wie z. B. eine im Flug von unten gesehene Sirene in Wien (Abb. 77). Das in die Unterseite geschnittene Bild ist von einem Rahmen umgeben; meist ist es ein Strichrand, zuweilen ein Flechtband, eine Punktkette oder eine einfache Linie. Alle Gemmenformen sind längsdurchbohrt und waren drehbar in heute meist verlorenen Metallbügeln gefaßt, die beim Siegeln als Handhabe dienten (s. u. Abb. 102). So gefaßte Skarabäen und Skarabäoide konnten mit dem Bild nach unten am Finger getragen werden, manche Bügel sind allerdings zu klein oder zu sperrig für diese Tragweise, so daß die Annahme nahe liegt, daß sie als Anhänger an einer Schnur oder Kette am Hals getragen wurden. Auch Fassungen in Halsketten oder Armbändern sind belegt. Der griechische Skarabäus ist eine reine Schmuckform ohne jene religiöse Bedeutung, die der Sonnenkäfer in seiner ägyptischen Heimat hat. Die Form des Skarabäus wurde nicht unmittelbar von Ägypten übernommen. Wie Boardman im einzelnen gezeigt hat, weisen vielmehr einige Merkmale wie der Mittelgrat zwischen den Flügeldecken (Elytren) vieler Skarabäen, schräg karierte oder mit Zick-Zack-Muster geschmückte Bodensegmente, sowie der Stil der Bilder darauf hin, daß phönizische Vorbilder die griechische Skarabäenglyptik angeregt haben. Die neuen harten Steine mußten an der Drehbank mit rotierenden Zeigern geschnitten werden. Diese Technik konnte nicht durch das Betrachten importierter Skarabäen, sondern nur unmittelbar von Gemmenschneidern erlernt werden. Zahlreiche Indizien sprechen dafür, daß dies auf Zypern geschah. Viele archaische Gemmen tragen zyprische Inschriften, rund ein Drittel der Gemmen mit bekanntem Fundort kommt aus Zypern.

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V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Ein Skarabäus in Karlsruhe entspricht in der Form des Rückens nicht den Typen archaischgriechischer Skarabäen, ist vielmehr dem oben besprochenen zyprischen Serpentinskarabäus aus der 1. Hälfte des 7. Jahrhunderts (Abb. 70) ganz ähnlich, jedoch aus hartem Chalcedon und völlig mit Rädchen gearbeitet (Abb. 78 a, b). Eine spätere Stufe der Entwicklung mag darin zum Ausdruck kommen, daß die Käferbeine summarisch angedeutet sind. Das Bild zeigt einen Kentauren von archaisch-griechischem Typus mit menschlichem Körper und an diesen angesetztem Pferdehinterleib. Nach Art dieser wilden Waldbewohner schwingt er mit erhobenem Arm ein Bäumchen, hält in der vorgestreckten Hand einen Stock. Der Kopf ist als einfaches Rund mit einer kleineren kugeligen Eintiefung für das Auge gebildet; kleine angesetzte Schnitte geben Nase, Bart, Pferdeohr und Nackenhaar. Körper und Gliedmaßen sind durch einfache längliche Schnitte gebildet. Unter und vor dem Körper des Kentauren stehen Zeichen in kyprischer Silbenschrift, von denen jedoch nur eines sicher lesbar ist. Form und Inschrift zeigen, daß der Skarabäus auf Zypern geschnitten wurde. Das Thema des Bildes könnte für einen griechischen Gemmenschneider sprechen; der Skarabäus wäre dann ein frühes Beispiel für die Erlernung der neuen Technik. Zypern, die griechischen Inseln und Ionien sind die Zentren der archaischen Gemmenproduktion. In Athen hat es, so sehr dies verwundern mag, offenbar keine Werkstätten gegeben, die gute archaische Skarabäen herstellten. Der noch unpublizierte Fund von archaischen Gemmen aus dem Heiligtum von Brauron enthält hauptsächlich Diskoi der Sunion-Gruppe (Boardman, Archaic to Classical 89; s. o. IV E). Der Grund für das Aufblühen dieser neuen Gattung von Gemmen in hartem Stein mag gewesen sein, daß nun der Gebrauch von Siegeln häufiger wurde und sich stärker ausbreitete. Nicht zwingend ist die Annahme, daß Gemmen bis zu dieser Zeit ausschließlich zum Schmuck dienten (Martini 1983). Vorhandene Gebrauchsspuren können durchaus von der Benutzung als Siegel herrühren. Bei häufigerer Verwendung mußte jedoch der Vorteil von härteren Steinen auf der Hand liegen. Abdrücke archaisch-griechischer Gemmen in Ton sind selten. Für Vermutungen über den Siegelgebrauch sind wir auf die Interpretation der erhaltenen Gemmen und wenige literarische Nachrichten angewiesen. Der deutlichste Beweis dafür, daß die archaischen Gemmen als Siegel verwendet wurden, ist die Rechtshändigkeit dargestellter Personen im Abdruck. Eine ausdrückliche Warnung vor dem Bruch des Siegels drückt die Inschrift eines Achat-Skarabäus aus Ägina aus: Ich bin das Siegel des Thersis, öffne mich nicht! (Abb. 79). In der Überlieferung, Solon (ca. 640– 560 v. Chr.) habe ein Gesetz erlassen, das dem Gemmenschneider verbot, den Abdruck eines angefertigten Siegels aufzubewahren (Diogenes Laertius 1, 57), steckt wohl eine Erinnerung an eine neue juristische Bedeutung des Siegels, wenngleich nicht erwiesen ist, daß dieses Gesetz tatsächlich von Solon stammte (s. o. S. 7). Wenn Herodot (ca. 485–425 v. Chr.) hervorhebt, jeder Babylonier trage ein Siegel, deutet das darauf hin, daß dies in Griechenland nicht selbstverständlich war (1,195,2). Literarisch überliefert sind die Namen zweier Gemmenschneider der archaischen Zeit, die beide aus Samos stammten: Mnesarchos, der Vater des Philosophen Pythagoras, der mehr um des Ruhmes als des Gewinnes willen gearbeitet haben soll (Diogenes Laertius 8, 1), und Theodoros, der das Siegel des Polykrates schnitt (s.o. S. 9 f.).

A. ORIENTALISIERENDER STIL

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A. ORIENTALISIERENDER STIL Nach einzelnen Vorläufern von Hartstein-Schnitten in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts (Abb. 72, 73, 78) setzt die Produktion der archaischen Skarabäen in Quarz im 6. Jahrhundert v. Chr. ein. Auf einem Karneolskarabäus in Wien entspricht die Gorgo dem üblichen menschengestaltigen griechischen Gorgotypus (Abb. 80 a, b). Im Knielauf eilt sie auf den Löwen zu, packt ihn an Vordertatze und Mähne. Der Löwe wendet sein brüllend aufgerissenes Haupt in unrealistischer, formelhafter Weise zurück. Es handelt sich nicht um einen wirklichen Kampf, vielmehr um eine Darstellung der Gorgo als einer mächtigen Herrin der Tiere (Boardman). Der von vier Schlangen umgebene Kopf der Gorgo mit geradem Mund, kleinen Augen, schräg abstehenden Ohren oder Hörnern und insbesondere der breiten, längsgerillten Nase, die sich bis zur Kopfkontur fortsetzt, hat Parallelen noch im 7. Jahrhundert. Der Käferrücken ist wie bei den meisten griechischen Skarabäen recht einfach gearbeitet, die Basiskante wie immer glatt – im Unterschied zu sorgfältigen etruskischen Skarabäen mit gemusterter Basiskante. Die Schnitte blieben ohne ausgleichende Nacharbeit stehen, ähnlich wie bei dem Kentauren Abb. 78. Die scheinbare Flüchtigkeit könnte auf den noch nicht völlig bewältigten Schwierigkeiten beruhen, die eine mit der Drehbankarbeit erst beginnende griechische Werkstatt im Umgang mit der neuen Technik hatte, und eine frühe Datierung nahelegen. Boardman hält diese und verwandte Arbeiten eher für durchschnittliche Arbeiten einer Werkstatt in Abhängigkeit von der Gruppe der Pferde-Gorgonen („The Gorgon-Horse Group“), die er als früheste Gruppe der archaischen Skarabäen bestimmt und in das 2. Viertel des 6. Jahrhunderts datiert. Die Gruppe hat ihren Namen von geflügelten Gorgonen mit menschlichem Körper und dem aus der Taille wachsenden Leib eines Hengstes. Auf einem verschollenen Skarabäus hat das Fabelwesen einen Löwen an den Vorderbeinen gepackt. Das Gorgonenhaupt mit dem weit aufgerissenen Maul ist in Vorderansicht gegeben, Schlangen umzüngeln es (Abb. 81). Das Kampfschema ist das des orientalischen Heros oder Königs im Löwenkampf. Östliche Vorbilder stehen auch hinter der gebogenen Saum-Linie des geschlitzten Gewandes, aus dem das vorgesetzte Bein der Gorgo hervortritt. In der Anlage der Gesamtformen und der Ausarbeitung der Details zeigt sich die völlige Beherrschung der Drehbanktechnik. Der Kopf des ebenfalls geflügelten Ungeheuers auf einem Skarabäus aus der Sammlung Pauvert de la Chapelle ähnelt dem eines Silen oder Kentauren, es hält einen Eber an den Hinterbeinen (Abb. 82). In Menschengestalt mit großen Sichelflügeln erscheint die Herrin der Tiere auf einem Hämatit aus Ägina; sie hält eine Ziege und einen Löwen am Schwanz (Abb. 83). Es ist wohl eine frühe Bildform der Artemis als Herrin der wilden wie der zahmen Tiere. Der winzige Raum der Gemmen setzt der archaischen Erzählfreude Grenzen. Mehrfigurige Darstellungen sind daher relativ selten. Das Bild eines Goldringes in St. Petersburg ist mit Punktrahmen und schräg kariertem Bodensegment dem von Steinskarabäen ganz ähnlich, scheint auch mit dem Rädchen geschnitten zu sein. Erzählt wird die ungewöhnliche Geschichte von der Erlegung eines Löwen durch einen Mann und eine Frau (Abb. 84). Der Mann stößt dem Löwen das Schwert in die Brust, die langgewandete, mit einer Haube bekleidete Frau hält das Tier am Schwanz gepackt, stößt ihm das Schwert in den Nacken, ein Hund beißt es in die Weichen. Eine links aufwachsende Lotosblüte deutet die Landschaft an, in der die

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V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Jagd stattfindet. Da eine Frau als Jägerin erscheint, muß es sich um eine mythische Jagd handeln. Die Jäger lassen sich jedoch nicht sicher benennen, da eine mit der Darstellung übereinstimmende Überlieferung fehlt: Die thessalische Königstochter Kyrene bezwingt den Löwen, der die Herden ihres Vaters angreift, allein und mit bloßen Händen (Pindar, Pyth. IX); die gemeinsame Jagd von Meleager und Atalante gilt dem kalydonischen Eber. Das schräg karierte Bodensegment, die ägyptisierende Tracht des Mannes, die Lotosblüte zeigen phönizischen Einfluß. Die dreieckigen Profile, die hohe, unter dem Mantel getragene Haube der Frau sind ostgriechische Elemente. Stilverwandte Gemmen wurden von Griechen in Zypern geschnitten.

B. PLASTISCHER STIL Etwa um die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. setzt eine Stilrichtung ein, in der die Figuren und ihre Attribute plastischer gestaltet und, kleinen negativen Reliefs ähnlich, sorgfältig durchmodelliert werden. Boardman hat zu dieser Richtung gehörige Gruppen unter der Bezeichnung „The Robust Style“ zusammengefaßt. Ein Satyr und eine Mänade, beide von kräftigem, gedrungenem Körperbau drehen, sich im Bild eines schwarz-roten Jaspis in Boston zum Leierspiel des Satyrs im Tanz (Abb. 85). Die heftige Bewegung der Beine ist durch eine archaische Bildformel, das sogenannte „Knielaufschema“ ausgedrückt. Da beide sich nach außen wenden und den Bildraum fast völlig ausfüllen, drohen sie den Strichbandrahmen zu sprengen. Das Gesicht der Mänade ist wieder von archaisch-ionischem Typus, unter dem Chiton aus feinem dünnen Stoff zeichnen sich die Formen des Körpers plastisch ab. Solches Raffinement ist im Negativschnitt weniger schwierig herzustellen, als es dies in positivem Relief wäre: Zuerst wird der Körper eingeschnitten, dann werden die Falten des Gewandes eingraviert, die somit im Abdruck eng über dem Körper liegen. Der Satyr ist von ostgriechischem Typus mit menschlichen Beinen und Pferdefüßen, sein in Vorderansicht herausgewandtes Gesicht erinnert an das des ägyptisch-phönizischen Bes. Satyrn und Mänaden sind ein beliebtes Thema archaischer Gemmen. Drehten sie sich dort im Tanze, so hat auf einem Bergkristall-Skarabäus in Hannover ein gewaltiger Satyr, von Liebessehnsucht ergriffen, seine zierliche Gefährtin gleich einem Bündel gepackt. Umblickend, ob auch keiner ihm den Raub streitig mache, eilt er davon; die Mänade legt in dionysischer Eintracht einen Arm um seine Schulter (Abb. 86). Von schlankerer Gestalt ist der mit Kanne und Trinkhorn fröhlich zum Fest eilende Satyr auf einem Karneol-Skarabäus in Wien (Abb. 87). Die zierliche, mit feiner Rundperlarbeit geschmückte Arbeit paßt zum kleinen Format des Käfers. Der gelagerte Satyr auf der Unterseite eines schönen Achat-Skarabäus in London hat der Gabe seines Herrn Dionysos schon eifrig zugesprochen, der geleerte Krater liegt am Boden und auch die letzte Schale ist ausgetrunken (Abb. 88). Der Gemmenschneider zeigt die Drehung des Körpers durch Angabe der Rippen und sorgfältige Wiedergabe der Bauchmuskulatur, wobei er nach archaischer Weise noch drei Reihen von Muskeln über dem Nabel gibt. Plastische Wölbungen und feine Linien zeichnen die Beinmuskulatur; Haar, Bart und Ornamente der Gefäße sind mit feinen Rundperlpunkten wiedergegeben. Die Geschichte des Skarabäus läßt sich bis zur Sammlung des Nürnberger Kaufmanns Paulus von Praun (1548–1616) zurückverfolgen (s.

C. FLÄCHIG-LINEARER STIL

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u. S. 273). Er ist das namengebende Werk des „Meisters des Londoner Satyrs“, dem sich aufgrund einer ausgeprägten individuellen „Handschrift“ mehrere Gemmen zuweisen ließen. Zu ihnen gehört wahrscheinlich auch ein kleinerer Karneol-Skarabäus in Berlin. In ein rahmendes Flechtband ist das Bild des zusammenbrechenden Tityos geschnitten (Abb. 89). Der Riese hatte versucht, sich an Leto zu vergehen; deren Kinder Apollo und Artemis erschossen ihn zur Strafe mit ihren Pfeilen. Tityos versucht, einen Pfeil, der ihn in der Hüfte getroffen hat, herauszuziehen. Das vielseitige „Knielaufschema“ erweist sich hier als geeignetes Mittel zur Darstellung des Zusammenbrechens. Trotz des Miniaturformates erscheint Tityos riesenhaft, da er das Gemmenoval fast ganz ausfüllt. Sein gewaltiger Kopf ähnelt Satyr- und Kentaurenköpfen auf Caeretaner Hydrien.

C. FLÄCHIG-LINEARER STIL Ebenfalls in der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. läßt sich eine zweite Stilrichtung erkennen, deren Werkstätten die Gemmenbilder nicht so fein durchmodellieren wie jene des „plastischen Stils“. Die Figuren sind flach eingetieft, Übergänge zwischen Werkzeugspuren werden seltener ausgeglichen und, wo möglich, etwa bei den Haaren, aber auch den Gesichtern, verwendet man Zeiger, deren erster Schnitt schon das gewünschte Endresultat ergibt. Boardman nennt diese Richtung „The Dry Style“ und vermutet, daß die Gemmen des „Robust Style“ in Ionien, die des „Dry Style“ auf den Inseln geschaffen wurden. Die geschilderten Stilmerkmale sind bei den beiden folgenden Steinen besonders deutlich. Ein am Boden sitzender Satyr streckt die Hand nach einem Hahn aus, vielleicht um ihn als Liebesgeschenk einzufangen; der Kranz in der anderen Hand weist ihn als Festteilnehmer aus (Abb. 90). Der Kopf ist wieder von ionischem Typus, die Füße sind nun aber menschlich gebildet. Gestalten aus dem dionysischen Kreis sind auch in diesem Stil beliebt, es fehlt aber nicht an Bildern von Göttern, Mythen und Menschen. Auf einem Skarabäoid aus Bergkristall hat sich die Sphinx, die Thebens Jünglinge raubte, auf ein Opfer gestürzt. Der langhaarige Knabe ist wahrscheinlich Haimon, Sohn König Kreons, die schönste und edelste Beute des Ungeheuers (Abb. 91). Detaillierter, aber ebenfalls flächig und „trocken“ gearbeitet, sind die folgenden Gemmenbilder aus der Heraklessage. Auf einem Skarabäus aus verfärbtem, daher im Original schwer zu betrachtenden Plasma kämpft Herakles mit dem Flußgott Acheloos um den Besitz der Deianeira (Abb. 92). Der mit dem Löwenfell bekleidete Heros hat den menschengesichtigen Stier am Horn gepackt und vorn in die Knie gezwungen; mit der Linken reißt er seinen Schwanz in schmerzhafter Weise nach vorn. Acheloos wehrt sich durch die ihm eigene Gabe der Verwandlung in andere Gestalt: eine drachenartige Schlange bäumt sich über seinem Rücken auf, aber Herakles läßt nicht los. Links deutet ein Fisch das Element an, aus dem Acheloos kommt; ein schräg kariertes Bodensegment bildet die Standfläche. Ein ebenfalls in Plasma geschnittener Skarabäus in London, der derselben Hand zugeschrieben wird, zeigt die Fortsetzung der Geschichte (Abb. 93). Herakles schwingt das abgebrochene Horn, legt die Hand auf den Nacken des Acheloos, der sich gesenkten Hauptes unterwirft. Deianeira dankt mit erhobenen Händen ihrem Retter. Das abgebrochene Horn des Acheloos wurde nach einem Zweig der Überlieferung zum

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V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

ewig früchtespendenden Füllhorn; nach anderen forderte Acheloos es zurück und schenkte Herakles statt dessen das Füllhorn in Gestalt des Hornes der Ziege Amaltheia, die Zeus genährt hatte. Durch Reduktion auf die Hauptfiguren gelang es dem Gemmenschneider eines Berliner Skarabäus den Kampf des Herakles gegen die in den Sümpfen von Lerna hausende Hydra in das kleine Bildoval zu schneiden (Abb. 94). Herakles dringt im Knielauf auf das Ungeheuer ein, hat einen der Schlangenhälse gepackt und holt mit der Keule zum Schlag aus. Drei Schlangenköpfe genügen, um die Vielköpfigkeit der Schlange, der für jeden abgeschlagenen Kopf neue wachsen, darzstellen. Wie der Fisch beim Achelooskampf den Fluß, so deutet hier ein Vogel auf einem Strauch die Sumpflandschaft an. Das Bodensegment ist mit schraffierten Dreiecken gefüllt.

D. SPÄTARCHAISCHE MEISTER Gegen Ende des 6. Jahrhunderts erreicht die Gemmenschneidekunst einen künstlerischen Höhepunkt. In Meistersignaturen drückt sich sowohl das Bewußtsein des eigenen Könnens wie das Interesse der Käufer an den Werken bestimmter Meister aus; doch stehen viele unsignierte Werke den signierten an Qualität nicht nach. Leitform ist nach wie vor der Skarabäus, doch werden Skarbäoide nach und nach beliebter und einzelne undurchbohrte Ringsteine treten erstmals auf. Langsam entwickelt sich eine Vorliebe für den später in klassischer Zeit bevorzugten Chalcedon. Die Künstler sind weiterhin Ionier, was sich nun auch durch Inschriften stützen läßt. Trotz der unterschiedlichen Kunstlandschaften sind datierende Vergleiche mit rotfigurigen Vasenbildern möglich, da die stilistische Entwicklung ähnlich verläuft. Ein ungewöhnlich fein gearbeiteter Skarabäus aus dunkelblauem Achat zeigt das Bild eines nackten kauernden Mädchens, das eine große Kanne unter einen Löwenkopf-Wasserspeier hält. Sie trägt eine Haube, aus der feingestricheltes Stirnhaar herausschaut, und einen großen scheibenförmigen Ohrring (Abb. 95 a, b). Das Hocken fügt sich als natürliche Stellung der Frau, die sich mit Wasser übergießen will, dem Oval ein, steht im Gegensatz zur Formelhaftigkeit des alten „Knielaufschemas“. Die Wiedergabe des knabenhaft schlanken Körpers steht auf gleicher Stilstufe wie Mädchenbilder der frührotfigurigen attischen Vasenmalerei; der Gesichtstypus ist jedoch ionisch, ebenso die Buchstabenformen der Inschrift: ΣΗΜΟΝΟΣ, „des S ē´mŌn“. Die Schreibung von Omikron statt Omega kommt auf Paros, Siphnos und Thasos vor. Die Namensform im Genitiv ist wahrscheinlich als „Siegel des Semon“, nicht „Werk des Semon“, zu deuten, gibt also den Besitzer nicht den Gemmenschneider an, dieser wird daher „Semon-Meister“ genannt. Aufgrund der charakteristischen Merkmale des Mädchen- und des Löwenkopfes ließen sich dem Semon-Meister weitere Werke zuweisen, wobei zusätzliche verbindende Elemente innerhalb dieser den Zusammenhang festigen. Die Bilder vom Kampf eines Kriegers mit der Sphinx, vom Überfall eines Greifen auf einen Jüngling, von Herakles, der den Löwen nach oben über die Schulter wirft, sowie ein geflügelter menschenköpfiger Stier zeigen beachtliche thematische Vielfalt und Originalität. In dieser Zeit singulär ist die Darstellung eines Skarabäoids in New York: Ein der Wasserholenden schwesterlich verwandtes Mädchen spielte eine Lied auf der Lyra, ein Liebeslied vielleicht; da erscheint Eros, gesandt

D. SPÄTARCHAISCHE MEISTER

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von dem sie liebenden Jüngling, und trägt sie durch die Luft zu ihm; erschrocken hebt die Entführte die Hand (Abb. 96). Ein blauer Chalcedon-Skarabäoid in Boston ist signiert: ΕΠΙΜΗΝΕΣ ΕΠΩΙΕ, „Epimēnes (statt Epimenēs) hat (mich) gemacht“ (Abb. 97). Im Vergleich mit dem Attischen vertauscht Epimenes die langen und kurzen E- und O-Laute (Eta und Epsilon, Omega und Omikron), was anzeigt, daß er auf einer der ionischen Inseln zuhause war. Ein Jüngling, der sein scheuendes Pferd bändigt, ist in meisterhafter Dreiviertelansicht vom Rücken gesehen. Das schräg auf den Boden gestemmte Bein ist dabei genau von hinten, das zurückgesetzte im Profil gesehen. Ähnliche Bewegungsstudien finden sich bei den attischen Vasenmalern der Pioniergruppe. Der Pferdetypus ist ionisch und für das prächtige Zaumzeug, dessen Tüpfelung Metallnieten im Leder darstellt, finden sich Vergleiche auf klazomenischen Vasen. Drei unsignierte Werke konnten dem Epimenes zugeschrieben werden, darunter ein ganz ähnlicher Rückenakt eines hockenden Jünglings, der die Spitze seines Pfeiles prüft, während der Bogen über seinem Handgelenk hängt (Abb. 98). Das Haar beider Jünglinge ist in drei Stufen vom Wirbel herabgekämmt, bildet über der Stirn, an der Schläfe und im Nacken einen Lockenkranz aus Rundperlpunkten. Der Kopf eines laufenden Hermes ist von ähnlichem Typus wie die Köpfe des Epimenes; auch der Meister des Hermes dürfte wie er ein Inselgrieche gewesen sein. Seine „Handschrift“ unterscheidet sich jedoch deutlich von der des signierenden Meisters. Während bei Epimenes die spitze Nase schräg vorspringt, das Kinn hervortritt, nähert sich die Nase des Hermes klassischer Form, das Kinn ist kleiner und runder (Abb. 99). Der Künstler verwendet noch einmal das archaische „Knielaufschema“, das allerdings für den schnellen Lauf des Götterboten besonders passend ist. Hermes trägt den breitkrempigen Reisehut (Pétasos), hält den großen Heroldsstab (Kērykē´ion) in der Linken und hebt die Rechte in einem Redegestus; noch im Lauf richtet er seine Botschaft aus. Der um die Schultern gelegte feingefaltete Mantel mit symmetrischen Zick-Zack-Säumen entspricht spätarchaischem Raffinement. In der Wiedergabe der Körperdrehung mit dem leicht gebogenen, von der Vorderansicht der Brust zur Seitenansicht der Beine überleitenden rectus abdominis, erweist sich der Meister als dem Epimenes ebenbürtig. Schilderten frühere Gemmen Herakles im Kampf mit seinen Gegnern, so gibt ein Stein vom Anfang des 5. Jahrhunderts den ruhig stehenden, vergöttlichten Heros (Abb. 100). Er hält Bogen, Löwenfell und Keule als Zeichen der vollbrachten Taten, die Eule seiner Schutzgöttin Athena sitzt auf seiner Schulter. Die Haltung der Beine – das eine fest auf der Grundlinie stehende von vorn gesehen, das andere mit leicht abgehobener Sohle von der Seite gesehen - drückt entspannte Ruhe aus. Das Auge ist nicht mehr mandelförmig gerahmt, vielmehr sind die Lider nach vorn geöffnet, in der attischen Vasenmalerei vergleichbar den Augen des Kleophrades- oder Berliner Malers. Neu ist auch die Rahmenlinie statt des Strich- oder Flechtbandes und neu ist die Form des Steines: Es ist ein undurchbohrter zur Fassung in einem Ring bestimmter Stein. Vergleicht man den an einen vollen Weinschlauch gelehnten Satyrn (Abb. 101) mit dem Londoner Satyr (Abb. 88), so wird deutlich, welche Entwicklung in der Wiedergabe des nackten männlichen Körpers zwischen beiden Werken stattgefunden hat. Die Darstellung der Bauchmuskulatur ist nun anatomisch korrekt, die Wiedergabe der Körperdrehung bereitet keinerlei Schwierigkeiten. Der Satyr mit dem edlen, dem Dionysos ähnlichen Kopf hält in der ausgestreckten

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V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Hand einen Kantharos, als wolle er ihn einem Gefährten anbieten. Die Namensinschrift im Nominativ, „Anaklês“, ist die Signatur des Künstlers. Das komplizierte Motiv eines gelagerten Kentauren mußte eine besondere Herausforderung für den spätarchaischen Gemmenschneider darstellen. Auf einem vor wenigen Jahren bekannt gewordenen Skarabäoid sehen wir den Waldbewohner nicht mit Ästen bewaffnet wie seine wilden Artgenossen, sondern wie einen gebildeten Griechen beim Symposion liegend, ein Trinkhorn haltend und mit dem höchst raffinierten Kottabos-Spiel beschäftigt (Abb. 102). Wahrscheinlich ist Pholos gemeint, der kultivierter war als seine Gefährten und Herakles zum Gelage einlud, eine Szene die mehrfach in der Vasenmalerei dargestellt wurde. Er schwingt eine zierliche Schale an einem Henkel um den Zeigefinger der elegant erhobenen Hand, um mit der Neige des Weins ein Ziel zu treffen; im Eifer des Wurfs läßt sich denn doch die Pferdenatur nicht ganz unterdrücken: er schlägt mit einem Hinterbein aus, schwingt den Schwanz empor. Von den Hinterbeinen ist analog dem häufig bei Menschenbeinen verwendeten Bewegungsschema eines im Profil, das andere in Aufsicht gegeben. Wie bei Abb. 100 ist der Strichrand durch eine feine Linie ersetzt. Der gleichen Hand läßt sich ein Kentaur zuweisen, der eine Frau entführt (Abb. 103). Sein Pferdehinterleib ist mit einem bis auf die Pferdefüße ganz menschlichen Vorderleib verbunden. Gemmen wie die beiden letztgenannten stehen am Übergang vom archaischen zum frühklassischen Stil. Unter Verzicht auf die archaische Herauswendung des Oberkörpers ist der auf einem Hocker sitzende Jüngling mit der Leier ganz im Profil gegeben (Abb. 104 a, b). Seine Hand liegt auf dem Steg der Leier, die beiden kleinen Finger sind abgespreizt, mit drei eingebogenen Fingern stimmt er das Instrument. Die Haltung mit einem vor-, einem zurückgesetzten Bein fügt sich auf natürliche Weise in das Gemmenoval. Der Kopftypus läßt sich an den des Hermes (Abb. 99) anschließen, doch ist das Haar lockerer gestaltet. Die Pupille wurde nach vorn gerückt, wie dies bei dem Vasenmaler Epiktetos zu beobachten ist. In starkem Kontrast zur vornehmen Sitzhaltung des Jünglings steht das Hocken des in Vorderansicht gegebenen Negerknaben (Abb. 105). So genau sein niedriger Stand durch die Art des Hockens gekennzeichnet ist, so ist doch nicht ohne Anteilnahme geschildert, wie er müde und schläfrig den Kopf auf die über dem Knie verschränkten Hände legt. Er wartet auf seinen Herrn, dessen mit Salböl gefüllten Aryballos er an einer Lederschlaufe am Ellbogen trägt. Eine feine Miniaturarbeit noch aus dem letzten Viertel des 6. Jahrhunderts ist der in achtfacher Vergrößerung abgebildete Kopf eines bärtigen Mannes (Abb. 106). Gegen Ende des Jahrhunderts entstand der zarte, mandeläugige Frauenkopf mit gewelltem Haar und Stirnfransen, der sich gut mit ostgriechischen Münzen vergleichen läßt (Abb. 107). Das Diadem im Haar zeichnet ihn als Kopf einer Göttin aus, die als weiteren Schmuck einen scheibenförmigen Ohrring trägt. Am Hals sind „Venusringe“ angedeutet: Es ist wohl Aphrodite. Aus der Fülle der Bilder von Tieren, Sachen und phantastischen Wesen, die sich auf archaischen Gemmen finden, seien einige wenige Beispiele ausgewählt: Das Motiv der ihr Kalb säugenden Kuh ist aus der phönizischen Kunst übernommen (Abb. 108). Die feingliedrigen Tiere sind mit großer Detailfreude gearbeitet. Das prächtige Mutterschwein auf einem Skarabäoid in Oxford schreitet als ein Symbol von Fülle und Wohlstand daher (Abb. 109). Eine feine Punktkette markiert die Schulter. Der in der Mitte unterbrochene

E. GRIECHISCHE GEMMENSCHNEIDER IN ETRURIEN

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Borstenkamm ist charakteristisch für ostgriechische Darstellungen von Schweinen. Ein in der üblichen flüchtigen Weise geschnittener Skarabäus in Wien trägt auf seiner Unterseite das sorgfältig gravierte Bild eines Skarabäus mit ausgebreiteten Flügeln (Abb. 110). Auch dieses Motiv stammt aus Phönizien, wo der Käfer üblicherweise vier Flügel hat. Die Verbindung von Pferdevorderteil und männlichen, parallel aufwärts gebogenen Beinen mit Penis läßt sich nicht aus dem Mythos erklären; es ist eine jener phantasievollen Kombinationen, die gerade in der Glyptik immer wieder begegnen (Abb. 111). Für die Deutung sind wir auf die Interpretation der Bilder angewiesen. Neben einem spielerischen Element, der Freude an der Erfindung eines solchen nicht-realen Wesens, steckt wahrscheinlich der Glaube an ihre glückbringende Funktion hinter solchen Bildern, wobei die Kombination heterogener, aber gleichermaßen bedeutsamer Teile vermutlich die Wirkung verstärkte. In Worten ausgedrückt, wären es hier Schnelligkeit, Stärke und Manneskraft, die der Träger des Skarabäus sich wünscht. Ein sehr kleiner Skarabäus trägt das Bild einer geflügelten Eberprotome, ein Motiv, das häufig auf ostgriechischen Münzen vorkommt (Abb. 112). Aus einer ostgriechischen Werkstatt kommt auch der aus Mytilene (Lesbos) stammende Skarabäus. Schließlich kehren wir mit dem Bild eines Fußabdrucks, gleichsam eines natürlichen Ursiegels des Menschen, noch einmal nach Zypern zurück (Abb. 113). Die Inschrift gibt den Namen des Besitzers in zyprischer Silbenschrift „pi-ki-re-wo“, d. h. (Siegel) des Pigres. Der Gemmenschneider dürfte ein auf Zypern arbeitender Grieche gewesen sein.

E. GRIECHISCHE GEMMENSCHNEIDER IN ETRURIEN Viele griechisch-archaische Gemmen stammen aus Italien, vor allem aus Etrurien. Die leicht transportablen Gemmen konnten natürlich noch viel einfacher importiert werden als attische Vasen. Im 3. Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr. fällt jedoch auf, daß einige Skarabäen offensichtlich auf den Geschmack der etruskischen Käufer Rücksicht nehmen. Hierzu gehören insbesondere die sorgfältige Ausarbeitung insgesamt, sowie bestimmte Details bei den Käferrücken. Offenbar legten die Etrusker im Gegensatz zu den Griechen großen Wert auf die Schönheit nicht nur des Bildes, sondern auch des Käfers. Aus der Evidenz der Gemmen selbst ergibt sich, daß Etrusker im letzten Drittel des 6. Jahrhunderts v. Chr. die Kunst des Gemmenschneidens von ostgriechischen Meistern erlernten, was bald zu einer blühenden etruskischen Glyptik führte (s. u. XI). Wie einst die Griechen von den Phöniziern (s. o. S. 35) konnten auch die etruskischen Handwerker das Gemmenschneiden nicht durch Betrachten importierter Skarabäen sondern nur unmittelbar in der Werkstatt erlernen. Eine gleichzeitige Parallele für die Auswanderung griechischer Handwerker nach Etrurien bietet die Gründung der Werkstatt der Caeretaner Hydrien durch ostgriechische Meister gegen 530. Ihre Produktion läßt sich bis etwa 500 v. Chr. verfolgen, hatte im Unterschied zu den Gemmenwerkstätten keine etruskischen Nachahmer (J. M. Hemelrijk, Caeretan Hydriae [1984]). Ein wichtiger Grund für die Auswanderung nach Westen war sicher das Wissen um einen guten Käuferkreis, ein anderer Grund mag der Wunsch gewesen sein, der persischen Herrschaft, welcher

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V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Kyros II. (559–530) die griechischen Städte Westkleinasiens unterworfen hatte, zu entfliehen (Boardman, IR 1975, 37). Einige der ostgriechischen Gemmenschneider, die sich seit dem 3. Viertel des 6. Jahrhunderts in Etrurien niederließen, lassen sich an gewissen Indizien erkennen. Der „Meister des Londoner Satyrs“ (Abb. 88) könnte zu ihnen gehört haben; darauf weisen seine fein gearbeiteten Käfer und die detaillierte Ausarbeitung der Muskulatur, die geeignet war, eine ähnliche, in der etruskischen Glyptik beliebte Darstellungsweise anzuregen. Ferner liegen die beiden für seine Werke überlieferten Fundorte im Westen und der namengebende Skarabäus stammt aus der in Italien gebildeten Sammlung von Praun. Ein späterer Bandachat-Skarabäus aus Corneto in Boston zeigt den Streit des Herakles und Apollon um den delphischen Dreifuß in rein ionischem Stil (Abb. 114a, b). Auf einer Bodenleiste mit Gruppen von parallelen Schrägstrichen in wechselnder Richtung schreitet Herakles mit dem geraubten Dreifuß nach links, wendet sich drohend zu Apoll zurück, der ihn im Laufschritt verfolgt und den Dreifuß mit der Rechten faßt. Herakles trägt das Löwenfell, das wie ein Mantel im Rücken herabhängt; der Löwenschwanz endet in einem züngelnden Schlangenkopf, richtet sich empor, als sei er lebendig. So bewahrt noch das Fell etwas von der unheimlichen Kraft des nemeischen Löwen, der von der schlangenleibigen Echidna abstammte (Hesiod, Theogonie 327). Das Gemmenbild gibt ein berühmtes, durch verschiedene Nachbildungen belegtes Vorbild wieder (s. u. Abb. 298). Fundort und Käferrücken sprechen dafür, daß der Skarabäus von einem Griechen in Etrurien geschnitten wurde. Der Käfer hat eine mit einem Strichband gemusterte Basis und kleine Flügelchen in den Ecken der Elytren, beides Elemente, die in Griechenland gearbeitete Skarabäen nicht aufweisen, die wir aber von etruskischen Skarabäen kennen. Insgesamt ist der Käfer sehr fein gearbeitet, mit plastischen Augen, detailliertem Kopfschild, strichbandgerahmtem Prothorax und Voluten in den inneren Flügelecken. Ein Sard-Skarabäus in der gleichen Sammlung hat ebenfalls eine Punktkette als Rahmen, jedoch kein gemustertes Bodensegment. Herakles führt ein Pferd, vielleicht eines der von ihm gezähmten, menschenfressenden Rosse des Diomedes, rechts im Feld hängt sein Bogen (Abb. 115a, b). Der Käfer hat auch hier Flügelchen in den äußeren Ecken der Elytren, Voluten dieses Mal sowohl an den Flügelspitzen wie auf dem Prothorax. Der zur Leier singende Satyr ist im Stil griechisch; auch der Skarabäoid ist von griechischer Form, hat jedoch ein Zungenmuster am Rand, wie es die Etrusker liebten (Abb. 116).

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VI. GRÜNE PHÖNIZISCHE („GRAECO – PHÖNIZISCHE“) SKARABÄEN Während die archaisch-griechische Produktion von Skarabäen in harten Steinen von Phönizien angeregt wurde (s. o. S. 35), haben griechische Bild- und Stilelemente etwa gleichzeitig ihren Weg in die phönizische Glyptik gefunden. Etwa im letzten Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr. kommt eine Gattung von Skarabäen auf, die fast durchweg aus grünem Stein bestehen. Die seit Furtwängler für sie gebräuchliche Bezeichnung „graecophönizisch“ ist in Anführungszeichen gesetzt, weil es (anders als bei den graeco-persischen Gemmen) nicht den Anschein hat, als seien griechische Gemmenschneider an der Herstellung dieser Skarabäen beteiligt; es handelt sich vielmehr um die Übernahme griechischer Motive, analog zur Adaption von ägyptischen Vorbildern. Die maßgebliche Studie über die Gattung, wird wieder John Boardman verdankt, der sie „Classical Phoenician Scarabs“ nennt, wobei „Classical Phoenician“ zur Unterscheidung der grünen Skarabäen von früheren phönizischen Siegeln dienen soll. Die Bezeichnung läßt sich nicht ohne weiteres ins Deutsche übertragen, da der Begriff „klassisch“ hier auf die griechisch-römische Kultur festgelegt ist und nicht ohne Anführungszeichen als Zeitbegriff in anderen Kulturen verwendet werden könnte. Das Material wird traditionell grüner „Jaspis“ genannt. Der Stein ist jedoch weicher als dieser Quarz der Mohshärte 6,5 – 7. Die Skarabäen sind nur zum Teil mit rotierenden Instrumenten, zum großen Teil freihändig geschnitten. Entscheidend für die Wahl des Materials war offenbar die grüne Farbe, möglicherweise sind verschiedene grüne Minerale verwendet worden; daher empfiehlt sich die neutrale Bezeichnung „grüner Stein“. Nur wenige Skarabäen der Serie bestehen aus anderem Material wie Karneol oder Chalcedon; diese sind dann natürlich an der Drehbank geschnitten. Solche Skarabäen wurden auf Zypern und an verschiedenen Plätzen des östlichen Mittelmeerraumes, vor allem aber im Westen, in der Nekropole von Tharros auf Sardinien, auf Ibiza, in Karthago, Spanien und Portugal gefunden. Trotz der Häufung der Funde im westlichen Mittelmeer spricht vieles dafür, daß die grünen Skarabäen und ihre Verwandten im Osten hergestellt wurden (Boardman, CPS 14 – 16). Der Stil der Bilder ist im großen und ganzen spätarchaisch und bleibt dies bis mindestens ins 5. Jahrhundert v. Chr.; in Grabfunden auf Ibiza kommen solche Skarabäen mit griechischen Vasen des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. vor. Die Bildthemen spiegeln und mischen phönizische, ägyptische und griechische Elemente. Die Skarabäen sind teils flüchtig, mit nur gekerbter Angabe der Beine, teils sorgfältiger modelliert, die Plinthen sind stets glatt. Eine Eigentümlichkeit ist der häufig vorkommende sog. gekniffene Rücken („pinched back“), zwei flache Vertiefungen am Ende der Flügel. An Zahl überwiegen die ägyptisierenden Darstellungen. Isis und Harpokrates sind beliebte Motive. So die thronende Isis mit dem Horusknaben auf dem Schoß (Abb. 117). Vor der Göttin steht ein Weihrauchständer. Das Bild ist bis auf die Sonnenscheibe über dem Kopf der Göttin freihändig geschnitten. Eine Rahmenlinie, die neben dem Strichrand vorkommt, umgibt das Bild. Harpokrates mit der Jugendlocke sitzt auf einer hohen profilierten Basis, die auf einem schräg karierten Bodensegment steht. In kindlichem Gestus hebt er den Zeigefinger

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V.VI. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN GRÜNE PHÖNIZISCHE SKARABÄEN

zum Mund, Lotusblüten umgeben ihn (Abb. 118). Ein merkwürdiges Mischwesen besteht aus dem Oberkörper der mit der Krone aus Hörnern und Sonnescheibe geschmückten, die Hände im Grußgestus erhebenden Isis und dem Leib eines vierbeinigen Skorpions mit Sichelflügel (Abb. 119). Der ägyptische Bes kämpft in einem orientalischen Schema mit dem Löwen (Abb. 120). Der griechische Herakles ist in ungewöhnlicher Weise im Kampf mit einer Schlange dargestellt. Er hat sie mit der Linken gepackt und schwingt die Keule gegen sie; links ist ein springender Hund senkrecht ins Bild gestellt (Abb. 121). Herakles mit um die Schultern gelegtem Löwenfell, geschwungener Keule und Bogen ist ein aus der archaisch-griechischen Glyptik entlehntes Motiv (Abb. 122) Der auf einem Hund reitende, einen Speer schleudernde Pygmäe stammt ebenfalls aus dem griechischen Mythos (Abb. 123). Ob er im Kampf gegen die Kraniche gedacht ist, bleibt ungewiß. In der griechischen Kunst sind Widder und Ziegenböcke, nicht aber Hunde, als Reittiere der Zwerge belegt. Ein laufender Jüngling mit Hahn und Leier auf einem Skarabäus in Cambridge ist in Motiv und Stil spätarchaisch-griechischer Glyptik sehr nahe (Abb. 124). Beliebt sind Kombinationen von Köpfen und Teilen von Tieren, eine Bildidee, die aus dem Orient stammt und auch in die archaisch-griechische Glyptik und Münzkunst übernommen wurde. Ohne erkennbaren Zusammenhang mit den früheren Bildern taucht das vorwiegend auf Gemmen überlieferte Motiv noch einmal in der hellenistischen und römischen Glyptik auf. Bei einem Beispiel in Newcastle-upon-Tyne nimmt ein aufrecht stehender Wasservogel die Mitte des Bildes ein; sein herabgebogener, etwas beriebener Kopf bildet zugleich das Ohr, sein geperlter Hals das Schläfenhaar und sein Flügel den Bart eines männlichen Gesichtes. Gegenständig sind ein negroides Gesicht, das an dem Vogelkopf als Ohr partizipiert, und eine Eberprotome mit schräg vorgestreckten, strichförmig gravierten Beinen angefügt. Als eine Art Kappe beider Köpfe dient eine Silensmaske (Abb. 125). Der Stil der Kombination ist stark von spätarchaischer griechischer Glyptik beeinflußt. Wie bei den späteren Kombinationen ist man versucht, mit Goethe zu sagen: „Was sich die Alten dabei gedacht haben, mag der Himmel wissen“ (An Frau von Stein, 16. 2. 1788, Femmel-Heres 1977, 141 Z. 60). Der Hauptreiz für den Künstler und Betrachter dürfte in der geglückten Zusammenfügung so verschiedener Teile und dem Vexierspiel ihrer mehrfachen Verwendung gelegen haben. Eine symbolische Bedeutung, wie sie bei griechischen Gemmen vielleicht, bei römischen zuversichtlicher vermutet werden kann (s. o. S. 43 u. S. 142), ist hier nicht nachweisbar. Immerhin legt das Vorkommen „starker“ Tiere, wie des Ebers hier, des Löwen und Widders in anderen Kombinationen den Gedanken an eine Amulettfunktion nahe. Auf einem in Zypern erworbenen hellgrünen Skarabäus fallen zwei Löwen einen Stier an (Abb. 126); dies ist ein orientalisches Motiv, das von griechischen Gemmenschneidern übernommen wurde, wobei meist nur ein Löwe dargestellt ist. Eine ihr Kalb säugende und leckende Kuh steht in einem Papyrusdickicht (Abb. 127). Das Motiv der säugenden Kuh kommt öfters vor, selten dagegen ist das Bild einer säugenden Löwin. Mit aufgerissenem Maul blickt das Muttertier zu dem unter ihm hockenden Jungen um (Abb. 128). Die Bildseite eines sorgfältig gearbeiteten Skarabäus zeigt einen Adler, der sich an einen Widderkopf gekrallt hat, im Kampf mit einer Schlange (Abb. 129) Das Motiv des Adlers im Kampf mit einer Schlange oder anderen Tieren kommt mehrfach auf griechischen Münzen des späteren 6. Jahrhunderts v. Chr. vor.

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V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

VII. KLASSISCHE GRIECHISCHE GEMMEN Der Beginn der frühen Klassik ist in der Glyptik wie in anderen Kunstgattungen gekennzeichnet durch eine Abwendung von der spätarchaischen Detail- und Erzählfreude. Die Profile der Gesichter bekommen statt der feinen, vorspringenden Nasen eine senkrecht abfallende gerade Stirn-Nasenkontur, ein rundes, schweres Kinn. Statt der zierlichen ZickZack-Falten erscheinen kräftige parallel geführte, die Körperformen begleitende Falten. Der Strichrand und die einfache Rahmenlinie werden zunehmend seltener. Eine Folge des gleichen neuen Stilgefühls ist es, daß die Käferform der Gemmenrücken außer Mode kommt, statt dessen Skarabäoide mit glatten, unterschiedlich hoch gewölbten Rücken bevorzugt werden (A: mittel-, B: flach-, C: hochgewölbt, nach Boardman). Sie sind meist größer als archaische Skarabäoide. Mit beweglichen Metallbügeln gefaßt, konnten sie mit der gravierten Seite nach unten am Finger oder an Ketten um den Hals getragen werden.

A

B

C

Text-Abb. 4. Profile von klassischen griechischen Skarabäoiden, 1:1. Zeichnung Brinna Otto.

Auch „Pseudoskarabäen“, Gemmen mit kleinen Plastiken als Rücken kommen vor, am häufigsten Löwen (Abb. 130 a, b). Bisher singulär ist ein liegendes Kalb, bei dem die Gravur der Beine auf der Unterseite weitergeführt ist es war also vermutlich kein Intagliobild geplant (Abb. 131). Weitere Sonderformen sind angeschnittene Perlen und facettierte Tafeln. Die in spätarchaischer Zeit sehr seltenen undurchbohrten, in Ringe gefaßten Steine werden im Laufe des 5. Jahrhunderts und insbesondere im 4. Jahrhundert immer beliebter. Der Ringstein wird die weitere Geschichte der Glyptik beherrschen. Beliebtestes Material ist der bläuliche Chalcedon, aber auch Chalcedone in anderen Farben kommen häufig vor, ferner Karneol, Sard, Bergkristall, Jaspis, letzterer zuweilen in einer gesprenkelten, mit Chalcedon versetzten Varietät, und sehr selten Lapislazuli. Glas-Skarabäoide dürften in jener Zeit kaum weniger wertvoll gewesen sein als Steingemmen. Datierungen können vor allem durch Stilvergleich mit anderen Gattungen, insbesondere den nächstverwandten Münzen, gewonnen werden. Eine Datierung in engen zeitlichen Grenzen ist schon wegen der geringen Materialdichte nicht möglich. Funde in datiertem Zusammenhang, wie sie für diese Periode besonders in südrussischen Gräbern zutage kamen, geben wie immer nur einen terminus post quem non. Da Gemmen zu den lang

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VII. KLASSISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

haltbaren und oft lange verwahrten Kleinodien gehören, sind sie oft älter als etwa die mitgefundene Keramik. Was die Lokalisierung der Werkstätten angeht, so zeigt die Tatsache, daß Dexamenos auf Chios zuhause war, und der Stilvergleich mit melischen Reliefs und ostgriechischen Münzen, daß die Glyptik nach wie vor in diesem Raume blühte. Einige Arbeiten können westgriechischen Werkstätten zugeschrieben werden.

A. FRÜHKLASSISCHE GEMMEN, CA. 480–450 V. CHR. Die Gruppe von Hades und Persephone unterscheidet sich in Aufbau und Stimmung von archaischen Frauenraubszenen, bei denen die Aktion die Hauptrolle spielte (Abb. 132). Hinter ihr stehend, umfaßt der Gott seine Braut. Sie streckt flehend die Rechte aus und läßt erschrocken ihre Fackel fallen. Beide tragen feine Chitone, der des Hades ist einfach, der Persephones doppelt gegürtet und mit einem geknöpften Ärmel versehen. Die Göttin trägt eine Haube und einen Ohrring, der Gott einen schalartigen Mantel aus dickerem Stoff. Die Fackel kommt nicht in der Szene des Raubes von der Blumenwiese vor, wie sie der homerische Hymnus schildert, sie ist Attribut der Persephone als Göttin von Eleusis. Dort ahmte man in nächtlichen Mysterien nach, wie Demeter ihre Tochter mit Fackeln suchte, und feierte die Rückkehr der Persephone mit Fackelschwingen. Dem gleichen Themenkreis gehört Demeter an, die mit sinnend gesenktem Haupt auf eine Ähre blickt: Das Getreide war ihr Geschenk an die Menschheit (Abb. 133). Der Kopf der Skylla auf einem Glas-Skarabäoiden mit dem von einer Binde umschlungenen Haarknoten ist dem Kopftypus der Demeter ähnlich (Abb. 134). Ihr menschlicher Oberleib ist mit einem kurzen Chiton bekleidet, ihr Unterleib wird von einem gewundenen Seedrachenschwanz gebildet, aus dem vorn der Vorderleib eines Hundes wächst. Er ist bereit, sich auf Seefahrer zu stürzen, wenn sie, den gebietend ausgestreckten Arm des Ungeheuers mißachtend, es wagen sollten, die Meerenge von Messina zu durchfahren. Das Bild einer ausruhenden Amazone hat als Rücken noch einen fein gearbeiteten Skarabäus der alten Form (Abb. 135 a, b). Sie wendet den Kopf in Vorderansicht heraus, lehnt sich auf ihre Streitaxt und stützt den rechten Arm in die Hüfte. Sie trägt persische Tracht: die Persermütze mit herabhängenden seitlichen Laschen, ein eng anliegendes Ärmelhemd und Hosen, darüber ein kurzes, gegürtetes Hemd. Die Amazonen, ein Volk kriegerischer Frauen, waren nach griechischer Vorstellung im Norden des schwarzen Meeres zuhause, in Skythien, Thrakien oder auf der kleinasiatischen Seite in Phrygien. Nach den Perserkriegen erfreuten sich Bilder und Sagen von Amazonen großer Beliebtheit, sah man doch im Sieg des Theseus über die Amazonen ein mythisches Vorbild der Siege über die Perser. Die Darstellung der Amazonen in der Tracht der persischen Reiter unterstützte diese Analogie. Zwei knöchelspielende junge Männer sind durch die Inschrift als die Dioskuren bezeichnet (Abb. 136). Der kräftigere von ihnen mit kurzem struppigen Haar und breiter in Dreiviertelansicht gegebener Brust, links, ist Polydeukes, der Faustkämpfer, sein sorgfältig frisierter und mit einer Binde geschmückter Bruder ist Kastor, der Läufer. Beide tragen Mäntel aus Wollstoff mit breiten Falten. Der Fisch zur Rechten weist wohl darauf hin, daß die göttlichen Zwillinge Beschützer der Seefahrer sind. Das Henkelkreuz oben ist Zeichen der Münzen der Stadt Salamis auf Zypern. Es mag sein, daß es einen Bezug der Gemme zu dieser Stadt andeutet. Zwei Karneole in London bewahren

B. DEXAMENOS

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die alte Form des Skarabäus und den Strichrand als Bildrahmen. Der edle Jünglingskopf im Pilos könnte einer der Dioskuren sein, für welche diese Tracht charakteristisch ist. Der kegelförmige Filzhut ist unter dem Kinn mit einem Band gebunden, hat an der Spitze eine Schlaufe zum Aufhängen (Abb. 137). Der Mädchenkopf hat eine ungewöhnliche Frisur: Die dichten, jeweils mit Binnengravur gegliederten Haarsträhnen sind auf dem Oberkopf mit einem Band zusammengebunden, je eine zu kurze Strähne hat sich über der Stirn und am Hinterkopf gelöst. Die kleine Mondsichel oben dürfte andeuten, daß Selene gemeint ist; zu ihr, die als Wagenlenkerin über den Himmel fährt, paßt die Frisur. Die Göttin trägt einen kegeloder pyramidenförmigen Ohrring mit kugeligem Ende und ein Halsband mit spitzovalem Anhänger, beides seit archaischer Zeit bekannte Formen (Abb. 138). Ein gewaltiger Stier mit faltiger Wamme erhebt sich, mit den Hinterbeinen schon stehend, auf die Vorderbeine (Abb. 139). Über dem Stier ist der Rest einer Besitzerinschrift erhalten. Der alte Strichrand ist hier durch in die Felder eingefügte Punkte besonders fein ausgebildet. Der Stier ähnelt jenem, auf dem Europa auf einem Moosachat aus der Sammlung Beazley reitet, ein Werk, das am Übergang vom Spätarchaischen zum Frühklassischen steht (Abb. 140). Die Heroine umfaßt Horn und Schwanz des Zeusstieres, der übers Meer galoppiert, wie der vorn eingeschnittene Fisch andeutet. Da ein ähnlicher Fisch auch auf der Dioskurengemme (Abb. 136) vorkommt, mag er noch eine weitere Bedeutung haben, die uns verborgen bleibt. Europa trägt Haube, einen langen gegürteten Chiton und ein über den Oberarm fallendes Mäntelchen, ist mit Ohrring, Halskette und zwei Armreifen geschmückt.

B. DEXAMENOS Der bedeutendste Gemmenschneider des 5. Jahrhunderts v. Chr. ist Dexamenos von Chios. Seine Herkunft erfahren wir durch die Signatur auf einem blauen Chalcedon-Skarabäoiden mit dem Bild eines fliegenden Reihers in St. Petersburg (Abb. 141). Die ausgewogene, von einer feinen Linie gerahmte Komposition von Vogel und Inschrift, die Wiedergabe der Form von Körper und Schwingen zeugen ebenso von höchster Meisterschaft wie die minutiöse und differenzierte Binnenzeichnung; das glatte Gefieder des Körpers, die kleinen Federn der Schwingen, die mit winzigen Punkten wiedergegebene Oberseite des zurückliegenden Flügels sind mit außerordentlich feinen Zeigern geschnitten; „kurz man kann nicht müde werden sich an diesem Meisterwerke zu erfreuen“ (Furtwängler, AG III 138). Ein ebenso fein gravierter und in den rahmenden Strichrand komponierter stehender Reiher ist durch Beschädigungen leicht beeinträchtigt (Abb. 142). Unter dem erhobenen Fuß des Vogels sitzt eine Heuschrecke, die jedoch vorerst nicht bedroht scheint, da der Reiher seinen Flügel putzt. Die Signatur Dexamenós folgt der Biegung des Rahmens und variiert jene von Schnabel und Flügel. Eine fliegende Gans ist den Reihern im Stil so ähnlich, daß sie Dexamenos zugewiesen werden darf (Abb. 143). Der bärtige Kopf eines Mannes in Boston ist wieder ausführlicher mit Dexamenós epoíe signiert (Abb. 144). Er zeigt das Bild eines Mannes mit leicht gelichtetem Stirn- und vollem Haupthaar, das in wellig bewegten Strähnen mit feiner Binnenzeichnung von der Scheitelmitte zu Schläfen und Nacken gekämmt ist. Die Barthaare sind mit ähnlich

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langgezogenen, sehr feinen Linien geschnitten wie das Bauchgefieder der Reiher. Das Profil mit der leicht fliehenden Stirn, der langen Nase mit hängender Spitze wirkt individuell. An den Bostoner Kopf läßt sich ein unsignierter, aber offensichtlich von gleicher Hand stammender Jünglingskopf in Bergkristall anschließen (Abb. 145). Ganz ähnlich ist das fein bewimperte Auge und die Struktur der Haare, die beim jungen Mann etwas kräftiger sind. Ob man die beiden Köpfe als Porträt oderTypus bezeichnen mag, ist eine Frage der Definition. Man wird die Bezeichnung als Porträt verneinen, wenn man für ein solches ein hohes Maß an Individualität fordert. Die Bedingung, der Porträtierte müsse Modell gesessen haben, wird man jedoch für die gesamte Antike nur in eingeschränkter Form an ein Porträt stellen dürfen und das geforderte Maß an Individualität für junge Männer und Frauen herabsetzen müssen. Ein anderer Aspekt ist der, daß einerseits Siegel eng mit der Person des Trägers verbunden sind, andererseits der Anspruch der Zeitgenossen an die Individualität eines Porträts nicht gleichbleibend hoch ist; man denke etwa an die wenig individuellen Porträts konstantinischer Zeit. Geht man davon aus, daß die einstigen Besitzer der Siegel sich in diesen Köpfen dargestellt sahen, so darf man sie Porträts nennen. Die Datierung der beiden Köpfe läßt sich durch Vergleich mit Münzen in der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. verankern. Bei einer Feindatierung wird man den freier im Raum sitzenden Jünglingskopf nach dem bärtigen Kopf ansetzen. An den Jünglingskopf ließ sich aufgrund des gleichen Kopftypus eine angeschnittene Perle in London mit Darstellung eines Boxers, der sich die Riemen anlegt, als weiteres Werk anschließen, womit wir auch einen männlichen Akt von der Hand des Meisters kennen (Abb. 146). Die Vielseitigkeit des Künstlers zeigt sich in seinem vierten signierten Stein in Cambridge (Abb. 147). Der Skarabäoid besteht wie der mit dem fliegenden Reiher aus blauem Chalcedon, hat wie jener mit dem stehenden Reiher noch den Strichrand als Rahmen. Das Bild zeigt eine Gruppe von Herrin und Dienerin: Die Herrin sitzt auf einem Hocker, der in einem Versuch perspektivischer Darstellung leicht von unten gesehen ist. Sie trägt einen ärmellosen Chiton und einen über den Hinterkopf gelegten und um die Beine geschlungenen Mantel, den sie mit der Linken leicht nach vorn zieht. Die kleine Dienerin reicht der Sitzenden einen Spiegel, hält in der Linken einen Kranz. Die Gruppe füllt den Raum noch dichter als das Bostoner Porträt. Die Signatur Dexamenós steht hinter dem Stuhl, etwas größer und besser sichtbar ist die Besitzerinschrift oben in den freien Raum gesetzt: Míkēs, „Siegel der Mikē“. Die Hausherrin Mikē wählte ein passendes Motiv für ihr Siegel. Das Sitzmotiv der Mikē läßt sich, wie schon Furtwängler bemerkte, auf den Penelopetypus zurückführen. Er ist zuerst als Elektra und Penelope zwischen 480 und 450 v. Chr. auf melischen Reliefs belegt, also im ostgriechischen Kunstkreis, zu dem die Gemme gehört. Einen Skarabäoid aus Kertsch hatte schon Furtwängler wegen des von Dexamenos zweimal verwendeten ungewöhnlichen gesprenkelten Jaspis in die Nähe des Meisters gerückt, was entscheidend gestützt wird durch Boardmans Beobachtung, daß die dargestellte Weinamphora von chiotischen Typus ist (Abb. 148). Wir gewinnen so einen außerstilistischen Datierungsanhalt durch den um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. oder kurz danach datierten Amphorentypus. Die wenigen bekannten Fundorte, Attika (Abb. 144), Epirus (Abb. 146), Südrußland (Abb. 141, 142, 145, 148), zeugen von der Berühmtheit des Dexamenos. Schülern oder Nachahmern des Dexamenos können ein Frauenkopf, der durch die Beischrift als Göttin der Morgenröte bezeichnet ist (Abb. 149) und ein stehender Reiher (Abb. 150) zugewiesen werden.

C. GEMMEN DER ZWEITEN HÄLFTE DES 5. JAHRHUNDERTS V. CHR.

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C. GEMMEN DER ZWEITEN HÄLFTE DES 5. JAHRHUNDERTS V. CHR. Das Motiv der im Frauengemach Sitzenden begegnet wieder auf einem Ringstein in Wien: Eine mit geknöpftem Ärmelchiton und Mantel bekleidete Frau spielt versonnen mit einem Reiher (Abb. 151); man hielt diese anmutigen Vögel als Haustiere. Dem Schöpfer des auf einem Lehnstuhl sitzenden, eine Dreiecksharfe spielenden Mädchens ist eine virtuose Weiterentwicklung und äußerste Verfeinerung des Dexamenos-Stiles gelungen (Abb. 152). Das schon in der archaischen Glyptik bekannte Motiv der Badenden wird nun in verschiedenen Ansichten variiert. Vielleicht ist stets Aphrodite oder eine Nymphe gemeint. Ein in DreiviertelRückansicht gesehenes Mädchen streckt eine Hand abwehrend aus, zieht mit zierlich abgespreizten Fingern der anderen Hand ihr Gewand vor den Körper, um sich vor neugierigen Blicken zu schützen (Abb. 153). Eine in Dreiviertel-Vorderansicht Kauernde hebt ihr Gewand über den Kopf, um hineinzuschlüpfen (Abb. 154). Der Gemmenschneider hat das Motiv mehrfach geschnitten und routinemäßig den zweiten Gewandbausch angelegt, der von der Rechten gestützt werden sollte, den Arm aber dann tiefer gesetzt. Das Bild eines ungewöhnlich großen Skarabäoids in New York erzählt eine kleine Geschichte (Abb. 155). Ein Mädchen kauert noch in der Haltung der Badenden, ein Jüngling hat sie überrascht und ihr Kleiderbündel weggenommen; er hebt es hoch, vergeblich streckt das Mädchen den Arm danach aus, nun zieht sie ihrerseits am Mantel des Jünglings, um ihre Nacktheit damit zu verhüllen. In der Gruppe einer trauernd ihr Haupt stützenden, auf dem Sockel einer Stele sitzenden Göttin, die von Nike bekränzt wird, konnte der Künstler zwei weibliche Dreiviertelakte, einmal in Rück-, einmal in Vorderansicht vereinen (Abb. 156). Die Darstellung mit dem merkwürdigen Kontrast zwischen Trauer und Bekränzung ist singulär. Ein plausibler Deutungsvorschlag sieht in der Trauernden die Ortsnymphe Nemea am Grabe des Opheltes/Archemoros. Zu seinen Ehren wurden die nemeischen Spiele gegründet, worauf die siegverleihende Nike hinwiese. Ein bärtiger Mann im Pilos mit gut modelliertem kräftigem Körper hat seinen linken Fuß auf einen Stein gestellt, stützt den linken Ellbogen auf das Knie, erhebt die Hand in einem Redegestus; seine Lippen sind sprechend leicht geöffnet (Abb. 157). Der rechte Arm ist vom Mantel umhüllt, die Hand hält das Schwertgehänge. Es ist wahrscheinlich Odysseus, den Reisehut und Redegestus kennzeichnen. Die gemeinte Situation läßt sich aus der Einzelfigur nicht sicher erschließen. Der Heros könnte am Eingang zur Unterwelt, aber auch im Streitgespräch um die Waffen Achills gedacht sein. Ebenfalls um Odysseus dürfte es sich bei dem stehenden auf einen Stab gestützten bärtigen Mann mit Pilos, Chiton, Mantel und hochgeschnürten Sandalen handeln (Abb. 158). Der wohl bei der Einäscherung desToten verbrannte Skarabäoid ist auf der konvexen Seite graviert und trotz der Durchbohrung im Sinne der nun beliebteren Tragweise in einen Goldring gefaßt. Ein Neufund aus Olympia schildert eine Szene aus dem bäuerlichen Alltag. Ein mit einem Hut gegen die Sonne geschützter, auf einem Stein- oder Holzblock sitzender Mann melkt eine kräftig gebildete Ziege in den zwischen seinen Füßen stehenden Eimer (Abb. 159). Die Ziege trägt ein Halsband, blickt zu dem Melker um, was die Gruppe inhaltlich und formal zusammenschließt. Der von vorn gesehene, hockende Negersklave gibt ein schon in archaischer Zeit bekanntes Motiv nun in völliger Beherrschung der komplizierten Stellung (Abb. 160, vgl. o. Abb. 105). Vom Warten auf seinen Herrn ermüdet, schläft er, den Kopf auf die über das Knie gelegten Hände bettend.

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Die einfühlsamen Tierbilder des Dexamenos stehen nicht allein. Ein Adler, der im Flug an einem toten Rehkitz frißt, das er in den Klauen hält, schien Furtwängler dem Stil des Dexamenos verwandt, wenngleich geringer in der Qualität (Abb. 161). Eine fliegende Taube hält eine Schnur im Schnabel, an der eine Rolle hängt (Abb. 162). Es ist unklar, ob es sich um eine Briefrolle oder eine zusammengerollte Siegesbinde handelt. In Wirklichkeit wäre die Botschaft an einen Fuß oder den Hals gebunden; der Transport im Schnabel ist unrealistisch, aber als Bild schöner. Das Motiv des auf einem Bein stehenden Reihers wird mehrfach variiert. Auf einem Chalcedon in Berlin ist es mit kräftigen, sicheren Schnitten in das Bildoval komponiert (Abb. 163). Sehr lebendig ist das Bild eines im Galopp durchgehenden gezäumten Pferdes (Abb. 164). Ein kräftiger stoßender Stier (Abb. 165) und ein feingliedriger grasender Hirsch gehören ans Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. (Abb. 166). Eine Heuschrecke, das sog. große grüne Heupferd, ist mit großer Genauigkeit wiedergegeben (Abb. 167). Auch einfachen Gegenständen wie einer Sandale (Abb. 168) oder den durch eine Schnur verbundenen Mundstücken einer Doppelflöte (Abb. 169) gilt die gleiche Aufmerksamkeit.

D. GEMMEN DES 4. JAHRHUNDERTS V. CHR. Ein Meisterwerk ist die Nike des sog. Onatas (Abb. 170). Sie legt letzte Hand an ein Tropaion. Es besteht aus einem Baumstamm, an dessen oberen Teil ein thrakischer Helm mit Tierohren und querstehendem Busch, ein Lederpanzer über einem Chiton, ein Schwert in der Scheide und ein Rundschild mit Mittelknauf aufgehängt sind; über einen abstehenden Zweig hängt ein gefalteter Mantel, darunter lehnt ein großer Rundschild, rechts ist am Fuß des Stammes eine Beinschiene aufgehängt. Die Göttin ist mit nacktem Oberkörper in Dreiviertelansicht gegeben; ein von links her wehender Wind bläst den aufgehängten Chiton nach rechts und preßt den Mantel der Göttin an ihren Unterkörper. Die großen feingefiederten Flügel der Siegesgöttin fügen sich harmonisch in das Gemmenoval. Links steht eine Lanze, an der eine flatternde Binde hängt. Auf ihrem oberen Teil steht eine Inschrift, die vermutungsweise als ΟΝΑΤΑ gelesen und als Künstlersignatur gedeutet wurde. Der Nike des sog. Onatas steht ein von Olýmpios signierter Karneol mit bogenspannendem Eros stilistisch nahe (Abb. 171). Der Körper des knabenhaften Gottes ist meisterhaft in Dreiviertelansicht gegeben, in der typischen Schrittstellung des Bogenschützen ist er im Begriff, den Bogen zu spannen. Die hohe Qualität der Arbeit wird besonders an Stellen mit mehreren Tiefenebenen, wie der Oberarm- und Schenkelpartie deutlich. Demselben Meister konnte Furtwängler ein Fragment mit dem Raub des Ganymed durch den Adler des Zeus zuschreiben (Abb. 172): Erhalten ist der Torso des Ganymed und das Kinn des zum Adler aufblickenden Hauptes. Der rechte Arm umschlang den Hals des Göttervogels, dessen Schwinge sich nach links ausbreitet. Ein Stück des Vogelkörpers ist zwischen Körper und gesenktem linken Arm des Knaben erhalten, die linke Kralle des Adlers hält den Glutaeus gepackt. Ein Gemmenbild in Hannover ist unmittelbar von der Statue des Apollon Patroos des Euphranor auf der Agora von Athen angeregt (Abb. 173). Es zeigt den Gott im langen Kitharodenchiton und breit herabfallenden Mantel; im Spiel innehaltend greift er mit einer Hand in die Saiten, hält in der anderen das Plektron. Ein Quader mit tanzender Mänade wurde im Dionysostheater

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von Athen gefunden (Abb. 174a, b). In hin- und herdrehendem Tanzschritt bewegt sie sich nach vorn, durch die rasche Bewegung ist der Chiton von einer Schulter herabgeglitten. In einer Hand hält sie den bebänderten Thyrsos, in der anderen ein Schwert. Das Bild könnte von der Aufführung der Bakchen des Euripides im Jahre 406 v. Chr. angeregt worden sein. Die Tragödie kulminiert in der Tötung des Pentheus durch die rasenden Mänaden. Das Motiv der sitzenden Frau bleibt weiter beliebt. Hier ist es wohl Aphrodite, die ein Stäbchen auf den Fingerspitzen balanciert (Abb. 175). Das Spiel begegnet öfter im Kreis der Aphrodite, es mag sein, daß man ein Liebesorakel damit verband. Ein anderes Spielzeug aus diesem Bereich ist die Iynx. Mit ihr spielt eine auf dem Rand eines Wasserbeckens sitzende geflügelte Nymphe auf einem verschollenen, wohl westgriechischen Chalcedon (Abb. 176). Ein an zwei durchgezogenen Schnüren aufgehängtes Rädchen wurde durch Drillen und abwechselndes Ziehen und Loslassen der Schnüre in Rotation versetzt. Aus dem Gedicht des Theokrit „Die Zauberin“ (Id. 2) erfahren wir, daß man Liebeszauber mit der Iynx ausüben konnte. Zwischen den Zauberhandlungen wird mehrfach der Spruch wiederholt: „Iynx, zieh diesen Mann in mein Haus“, um so den Geliebten herbeizubringen. Bei der Nymphe mag es sich einfach um ein versonnenes Spiel handeln. Der stehende Herakles auf einem Bergkristall-Skarabäoid mit antikem Goldbügel ist von statuarischem Typus, kann jedoch nicht auf ein bestimmtes Werk zurückgeführt werden (Abb. 177). Die Belastung verteilt sich auf das Standbein und die auf einem Felsstück stehende Keule, das Spielbein ist leicht zur Seite und zurückgesetzt. Über den linken Unterarm fällt das Löwenfell herab, es könnte mit der Keule zusammen die Stütze der Vorbildstatue gebildet haben. In der vorgestreckten Rechten hält der Heros den Bogen, dessen Sehne er anvisiert. Die Ponderation entspricht praxitelischen Statuen, die Proportionen sind in Hinblick auf den relativ kleinen Kopf eher lysippisch. Die Arbeit ist routiniert und sicher geschnitten, aber nicht bis ins Letzte ausgefeilt, was auf den Stil mancher hellenistischer Gemmen vorausweist. Bei dem Porträt eines Bärtigen in persischer Mütze, wahrscheinlich eines Satrapen sind die stofflichen Unterschiede von Haut, Haar und weichem Leder fein herausgearbeitet (Abb. 178). Aufgrund der, allerdings nachantiken Inschrift „Aëtiōnos“, war der Intaglio im 17. und 18. Jahrhundert hochberühmt (s. u. XXI C1). Auch Tiere und Sachen bleiben beliebte Themen. Der mit einer Schlange kämpfende Reiher ist außerordentlich fein geschnitten; die verschiedenen Teile des Gefieders sind differenziert wiedergegeben (Abb. 179); der Stil steht dem des Olympios nahe. Ein roter mit Chalcedon gesprenkelter Jaspis trägt das Bild einer Amphora mit Deckel von panathenäischer Form (Abb. 180). Vielleicht hat ein Sieger bei den panathenäischen Spielen dieses Siegel getragen. Das Material dürfte aus der gleichen Quelle stammen wie ähnliche von Dexamenos verwendete Steine. Dies könnte dafür sprechen, daß es sich trotz des attischen Motivs um eine inselionische Arbeit handelt.

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VIII. GRAECO-PERSISCHE GEMMEN

VIII. GRAECO-PERSISCHE GEMMEN Im Jahre 546 v. Chr. eroberte Kyros II., der Große (559–530 v. Chr.), das lydische Reich und dehnte das Perserreich bis zur Küste des ägäischen Meeres aus. Kroisos, König der Lyder, hatte ihn angegriffen im Vertrauen auf einen Spruch des delphischen Orakels, der besagte, er werde ein mächtiges Reich zerstören, wenn er gegen die Perser zu Felde ziehe. Zu spät erkannte er die Zweideutigkeit des Spruches (Herodot 1,53; 1,91). Über zweihundert Jahre später wurde die Herrschaft der Dynastie der Achämeniden durch den Sieg Alexanders des Großen bei Issos, 333 v. Chr., und die Einnahme von Persepolis, 330 v. Chr., beendet. In dieser Zeit und diesem Raum tritt die Gattung der graeco-persischen Gemmen auf, die jedoch nicht mit dem Untergang des Achämenidenreiches endet. Die Unterwerfung der ionischen Griechenstädte führte auf dem Gebiet der Kunst zu vielfältigen Wechselwirkungen, die sich nirgends besser beobachten lassen als in der graeco-persischen Glyptik. Die Mitarbeit ionischer Griechen beim Bau der Paläste von Susa und Persepolis ist durch Inschriften und andere Zeugnisse belegt. Für die graeco-persischen Gemmen kann sie aus den Siegeln selbst erschlossen werden. Der Einfluß griechischer Gemmenschneider zeigt sich in Formen, Motiven und Stilelementen, die von der achaemenidischen Glyptik abweichen. Die besten Siegel der Gattung lassen deutlich die Schulung im griechischen Gemmenschnitt erkennen. Man kann vermuten, daß griechische Gemmenschneider, die ihr Handwerk in den ionischen Zentren gelernt hatten, in die Nähe der neuen Auftraggeber zogen. Dort mögen sie teils Einheimische angelernt haben, teils sich selbst durch den fehlenden Kontakt mit den Mutterwerkstätten und das Eingehen auf den Geschmack der Käufer vom rein griechischen Stil entfernt haben. Als Vorläufer der graeco-persischen Gemmen kann eine Gruppe von pyramidalen Stempelsiegeln aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. betrachtet werden, die wahrscheinlich in Lydien geschaffen wurden. Die Form wurde aus der babylonischen in die achämenidische Glyptik übernommen. Die Bilder zeigen sehr unterschiedliche Stile und Stilmischungen. Orientalisierend ist das Bild des springenden Löwen über einem grasenden Pferd mit einem oben „fliegenden“ Vogel (Abb. 181a, b). Ein schreitender Hermes in Chiton und Mantel, mit Flügelhut und -schuhen, Kerykeion und zierlich emporgehaltener Blume ist in spätarchaisch ionischem Stil geschnitten, allenfalls der vor ihm sitzende Falke wirkt orientalisch (Abb. 182). Der Stil des schreitenden Stieres (Abb. 183) ist achämenidisch, vielleicht mit griechischem Einfluß bei der Modellierung der Flanken; die abwechselnd schräg gestrichelten Dreiecke im Bodensegment stammen aus der archaisch-griechischen Glyptik. Die lydische Inschrift Manelim, bedeutet „Eigentum des Manes“. Es sind drei, vielleicht vier Siegel mit der gleichen Inschrift und jeweils verschiedenen Beizeichen bekannt. Es könnte sich bei dem Wort also um einen Titel handeln, doch kann es auch ein Personenname sein, da „Manes“ ein so häufiger lydischer Name war, daß er in Athen als Spitzname für lydische Sklaven diente (Strabo 7,3,12). Der graeco-persische Gemmenstil beginnt etwa um 500 v. Chr.. Anhaltspunkte für die Datierung geben für das 5. Jahrhundert Abdrücke, die zusammen mit solchen von datierten Siegeln in Persepolis vorkommen. Sie zeugen zugleich vom hohen Rang der Besitzer der

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Siegel. Hinzu kommt ein Grabfund von Abdrücken aus Ur, der durch Abdrücke von Münzen bzw. Kopien von Münzmotiven in die Zeit zwischen ca. 465 - 460 v. Chr., dem Datum einer abgedrückten athenischen Tetradrachme, und dem frühen 4. Jahrhundert datiert ist, jedoch auch Abdrücke älterer Siegel enthält. Der Fund umfaßt Abdrücke von neu-assyrischen, neubabylonischen, achämenidischen, griechischen und graeco-persischen Siegeln und Ringen. Vielleicht gehörte er einem Gemmenschneider und vermittelt eine Vorstellung von der Vielfalt seines Motivvorrates (Collon 1996). Für das 4. Jahrhundert können stilverwandte Münzen, etwa aus Lykien, Pamphylien und Kilikien, die ähnliche Motive und einen vergleichbaren Mischstil zeigen, zum Vergleich herangezogen werden. Die Darstellung keltischer Söldner auf einem verschollenen Karneol-Zylinder spricht für dessen post-achaemenidische Datierung in das späte 4. oder 3. Jahrhundert v. Chr. (Boardman, GGFR, 320f. Abb. 309). Insgesamt erlaubt die Eigenart der Gattung keine Datierungen in engen Grenzen. Statt der achämenidischen Roll- und Stempelsiegel werden vorwiegend große, teils stark gewölbte, teils flachere Skarabäoide verwendet wie in der gleichzeitigen griechischen Glyptik, Skarabäen kommen selten vor; neue, für die Gattung charakteristische Formen sind Vielecke, tafelförmige Steine mit abgeschrägten Seitenflächen (Dekaeder) und birnenförmige Anhänger. Ausnahmsweise werden auch Zylinder geschnitten, deren Bilder dann aber nicht umlaufen wie bei orientalischen Rollsiegeln. Das beliebteste Material ist bläulicher oder grauer Chalcedon, auch Karneol kommt vor, selten Lapislazuli. Die Motive zeigen vornehme Perser auf der Jagd und im Kampf, meist gegen einen unterliegenden Griechen, seltener gegen Skythen, aber auch Griechen (in persischen Diensten) im Kampf gegen Griechen, Perser und Perserinnen in Muße, Fabeltiere und vielerlei Tiere. Der Stil entwickelt sich nicht stetig im Sinne der griechischen Kunst, vielmehr scheinen einzelne Anregungen in Schüben anzukommen. Den Bewegungen haftet immer eine gewisse formelhafte Steifheit an. Die oft erörterte Frage nach der ethnischen Zugehörigkeit der Gemmenschneider läßt sich nicht beantworten, sie ist auch aus künstlerischer Sicht ohne Bedeutung. Mit archäologischen Mitteln faßbar ist der mehr oder weniger starke griechische Einfluß. Hätten wir einen Ringstein von der Hand des Doros, so könnten wir möglicherweise erkennen, daß er in Kleinasien gearbeitet hat, nicht, daß sein Vater Lyder, seine Mutter Spartanerin(?) war (s. u. 317f.). Die Werkstätten der graeco-persischen Gemmen lagen vermutlich im südlichen Kleinasien, in den Landschaften der obengenannten Münzen. Die maßgebliche stilistische Gliederung der Gattung wird Boardman verdankt. Er trennt die graeco-persischen Gemmen von den Siegeln des achaemenidischen Hofstils, der in seiner westlichen Ausprägung einige griechische Einflüsse aufnimmt; innerhalb der graeco-persischen Gattung unterscheidet er den griechischen Stil und den in verschiedene Untergruppen gegliederten Misch-Stil. Im folgenden liegt das Hauptaugenmerk auf den Motiven, die uns ein Bild von der Lebenswelt einer griechisch-kleinasiatisch-persischen Oberschicht im Westen Kleinasiens geben. Die persischen Motive der königlichen Sphinx (Abb. 184) und des Löwengreifs (Abb. 185) sind in die griechische Skarabäoidform geschnitten. Der in Dreiviertelansicht gewandte Kopf des Stieres (Abb. 186) ist ein griechisches Element. In unorientalischer Weise steht er als Einzelfigur auf einem Rollsiegel, nimmt nur einen Teil des verfügbaren Raumes ein. Ebenfalls in ein Rollsiegel geschnitten ist ein gezäumtes und auf persische Weise gesatteltes Pferd,

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das unter einer geflügelten Sonnenscheibe schreitet (Abb. 187a, b). Nach persischer Weise ist die Mähne über der Stirn zu einem Knoten gebunden, abweichend davon der Schwanz jedoch nicht geknotet. Der schreitende Stier, ein griechisches Motiv (Abb. 188), zeigt als charakteristische Stilmerkmale eine Vorliebe für Rundperlbohrungen und scharf abgesetzte Schneide- und Flachperlzeigerschnitte und kommt damit persischem Stilempfinden entgegen, wie der Vergleich mit Abb. 184 und 185 zeigt. Der in der griechischen Glyptik angestrebte subtile Ausgleich der Höhen und Tiefen, der die ursprünglichen Schleifspuren unsichtbar macht, wird offenbar bewußt vermieden. Der in stiltypischer Steifheit schreitende Widder (Abb. 189) läßt sich mit Abdrücken eines Rollsiegels aus Persepolis vergleichen, das zusammen mit zwischen 486 und 424 v. Chr. datierten Abdrücken vorkommt (Abb. 190 a, b). Zwei spielende Stierkälber heben sich als verschränkte Gruppe unter den zahlreichen Bildern von einzelnen Tieren hervor (Abb. 191). Der Bildtypus ist jedoch nicht singulär: Auf einem mehrseitigen Stein sind zwei Eber, etwas steifer, im gleichen Schema dargestellt. Die Gegenseite zeigt einen springenden Steinbock, die Schmalseiten einen spürenden Fuchs und einen Hund, der sich die Schnauze kratzt (Abb. 192 a-d). Die Begegnung zwischen einem Frischling und einem Fuchs wirkt wie eine erzählbare Geschichte (Abb. 193). Ein sitzender Hund mit Halsband (Abb. 194) und eine Singdrossel (Abb. 195) sind schöne Tierstudien, die inhaltlich als Jagdgefährte und Jagdtier zu verstehen sind. Eines der beliebtesten Themen ist die Jagd. Ihr entscheidender Höhepunkt ist auf einem blauen Skarabäoid dargestellt. Ein kräftiger Jagdhund mit Halsband ist auf den Rücken des zusammenbrechenden Hirsches gesprungen, beißt ihn in die Kehle (Abb. 196). Gelenke, Muskel, Schnauzen, Pfoten und Hufe sind mit Rundperlvertiefungen akzentuiert. Den Jäger, den hier die Phantasie des Betrachters hinzufügen muß, sehen wir auf dem folgenden Bild. Ein Reiter galoppiert auf einen anstürmenden Eber zu, stößt ihm den Speer in den Kopf, gleichzeitig greift sein Hund das Wild an. Hund und Eber sind in dem alten Schema des fliegenden Galopps, das schnelle Bewegung ausdrückt, dargestellt; der Eindruck der Schnelligkeit wird durch die gegenläufige Bewegung noch gesteigert (Abb. 197). Das Pferd ist im Schema des sog. kurzen Galopps wiedergegeben, das am Parthenonfries ausgebildet wurde. Das Schema entspricht hier dem Vorgang des Innehaltens beim Stoß. Der Reiter trägt persische Tracht, ein gegürtetes Ärmelhemd über weiten Hosen und die persische Ledermütze. Das rundnasige Pferd ist von persischem Typus und auf persische Weise frisiert, trägt eine gefranste Satteldecke. Eine vergleichbare Darstellung findet sich auch auf einer der Grabstelen von Daskyleion, die in einem verwandten graeco-persischen Stil gearbeitet sind. Nach Herodot lernten die jungen Perser vom fünften bis zum zwanzigsten Lebensjahr drei Dinge: Reiten, Bogenschießen und die Wahrheit zu sagen (1,136). Die beste Gelegenheit, die beiden erstgenannten Fähigkeiten zu üben, war die Jagd, die zugleich als Übung für den Kampf galt (Xenophon, Kyrupädie 8,1,34). Mut und Tapferkeit bei der Jagd gehören zu den vorbildlichen Eigenschaften. Xenophon rühmt sie sowohl an dem jungen Kyros dem Großen (Kyropädie 1,4,4-17) wie an dem gleichnamigen späteren Prinzen Kyros. Der Prinz erlegte eine Bärin, die auf ihn eindrang, nach hartem Kampf, wobei er vom Pferd gezogen und verwundet wurde (An. 1.9.5-6). Die Erzählung von dem Kampf mit der Bärin ist Teil eines biographischen Nachrufs auf den Thronprätendenten, dem Xenophon mit dem Heer der zehntausend griechischen Söldner bis zur Niederlage in der

VIII. GRAECO-PERSISCHE GEMMEN

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Schlacht bei Kunaxa (401 v. Chr.) gefolgt war. Die rechteckige Bildfläche eines Dekaeders zeigt den Kampf mit einem Bären, bei dem der vom Pferd abgestiegene Jäger dem aufrecht stehenden Tier den Spieß in den Leib stößt; sein Hund greift das Wild ebenfalls an; von oben stößt ein Raubvogel herab, wohl einen Anteil an der Beute erhoffend (Abb. 198). Man jagte die Tiere teils in freier Wildbahn teils in Jagdgehegen, den auf griechisch so genannten parádeisoi, wovon das Wort „Paradies“ kommt. Als größte Ruhmestat galt die Erlegung von Löwe, Bär und Eber. Es versteht sich, daß die vornehmen Träger dieser Siegel solche Jagdmotive liebten. Am Ende der Jagd sitzt der Jagdherr auf ruhig stehendem Pferd, eine Hand lässig auf die Satteldecke legend; zur persischen Tracht trägt er einen im Wind wehenden kurzen Mantel. Ein Untergebener präsentiert ihm die Beute, einen Fuchs, auf dessen Kopf er die Spitzen eines Dreizacks stellt (Abb. 199). Das hohe Kopfteil der Persermütze des Reiters zeigt seinen höheren Rang gegenüber dem Stehenden an, der eine am Kopf anliegende Mütze trägt. Singulär ist das Bild eines zwergenhaften Bogenschützen, der auf einem Steinbock reitet und nach einem Vogel, wohl einem Rebhuhn, zielt (Abb. 200). Er hat sich eine Fuchs- oder Hundemaske über den Kopf gezogen, um sich dem Wild leichter nähern zu können. Dieser aus der Volkskunde bekannte Jagdbrauch scheint im griechisch-persischen Bereich bisher nicht belegt. Das Bild ist offenbar inspiriert durch den griechischen Mythos von den Pygmäen, die - oft auf Ziegenböcken reitend - gegen die Kraniche kämpfen, ist jedoch in eine persische Rebhuhnjagd umgewandelt. Bilder von Kämpfen sind ebenso häufig wie Jagdszenen. Die persische Seite ist hierbei stets die überlegene. In ähnlichem Schema wie bei der beschriebenen Eberjagd (Abb. 197) kämpft ein persischer Reiter mit der Lanze gegen einen griechischen Hopliten mit kegelförmigem Helm, der ihn in Ausfallstellung angreift (Abb. 201). Der Grieche deckt sich mit einem großen Rundschild, stößt mit der Lanze nach oben. Die Lanze, beim seitenrichtigen Abdruck in der rechten Hand, ist versehentlich hinter dem Körper durchgeführt. Ein Fehler der beim Negativschnitt öfters vorkommt, wenn der Gemmenschneider den Körper in die zuvor geschnittene Lanze hineinschneidet. Bei einer ähnlichen Szene auf einem Quarzkonus ist die Heftigkeit der Aktion dadurch gesteigert, daß der Perser in gestrecktem Galopp heranreitet (Abb. 202). Vorder- und Hinterbeine des Pferdes sind annähernd parallel ausgestreckt, im Unterschied zum fliegenden Galopp stehen die Hinterbeine auf der Erde. Unter dem Pferd liegt ein gefallener griechischer Hoplit. Bei der Lanze des kämpfenden Hopliten taucht der gleiche Fehler auf wie beim vorigen Beispiel. Vermutlich handelt es sich um die gleiche Hand. Auf einem blauen Chalcedon aus Kleinasien verfolgt ein persischer Reiter zwei in gestaffelter Formation fliehende, nach ihm umblickende skythische Reiter (Abb. 203). Sie tragen eng anliegende Ärmelhemden und Hosen. Im Fußkampf ersticht der bekrönte persische König einen Griechen, der sich vergeblich mit einem Rundschild zu decken suchte; sein Körper ist nackt, der von einem korinthischen Helm bedeckte Kopf ist im Todeskampf nach vorn gewandt (Abb. 204). Den Kampf zweier Griechen zeigt der Abdruck eines ovalen Siegels, wohl eines Skarabäoids, aus Daskyleion (Abb. 205). Von rechts dringt der vermutlich in persischen Diensten stehende Sieger auf den zu Boden gesunkenen Gegner ein. Beide sind nackt bis auf die Helme, tragen Rundschilde, beim Angreifer von außen, beim Gefallenen von innen gesehen. Der Stil der beiden letztgenannten Bilder ist stark griechisch beeinflußt, was auch für die folgenden gilt.

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VIII. GRAECO-PERSISCHE GEMMEN

Neben den Bildern von Jagd und Kampf stehen friedlichere aus dem Leben. Ein vierseitiger Quader in St. Petersburg ist ein markantes Beispiel für die Symbiose griechischer und persischer Kultur (Abb. 206 a–d). Ein bärtiger Mann in griechischem Himation, der mit seinem Spitz spielt, ein Perser der seinen Bogen mit beiden Händen hält, eine nackte Frau in Dreivierteldrehung, die sich reckend zu dem im Nacken herabhängenden Haar greift, zwei Hähne vor dem Kampf. Aus Athen und - nach der krakelierten, verbrannten Oberfläche zu schließen - aus einem Leichenbrand stammt ein Karneol-Skarabäoid mit dem Bild eines vornehmen Persers mit hoher Tiara, der sich auf einen unter die Achsel geschobenen Stab mit gebogenem Ende stützt, wie ausruhende Griechen sich auf ihren Stock stützen (Abb. 207). Bei dem Krummstab könnte es sich um eine Art Hockeyschläger für ein Ballspiel handeln, das von einer spätarchaischen Reliefbasis in Athen bekannt ist. Eine schreitende junge Frau im Ärmelchiton trägt in der einen Hand ein Alabastron, in der anderen eine Schale und einen kleinen, am Finger hängenden Schöpflöffel (Abb. 208). Ihre üppigen Formen bei schmaler Taille und zierlichen Händen und Füßen entsprechen einem orientalischen Schönheitsideal. Im Nacken hängt ein langer, am Ende mit drei Troddeln geschmückter Zopf herab. Ein Gemmenbild in Oxford illustriert die gedachte Situation (Abb. 209). Die Frau schreitet auf einen sitzenden Mann zu, der erwartend die Hand ausstreckt. Wahrscheinlich reicht sie ihm Wein, dem sie mit dem Löffelchen aus dem Alabastron entnommenes aromatisches Öl zugefügt hat. Der Mann sitzt auf einem Hocker mit gedrechselten Beinen, der mit einem schräg karierten Tuch bedeckt ist. Er trägt die persische Mütze mit unter dem Kinn geknoteten Seitenlaschen, ein Ärmelhemd, darüber eine Jacke mit herabhängenden unbenutzten Ärmeln (kándys) und Hosen; seine Füße ruhen auf einem Kissen. Das Motiv ist vorderorientalisch, wie das Siegel der Akhotmelek in Wien zeigt (Abb. 210). Im Vergleich werden die griechischen Stilelemente des Oxforder Gemmenbildes evident. Darstellungen aus der griechischen Mythologie sind selten, sie waren dem Käuferkreis der graeco-persischen Gemmen weitgehend fremd. Um so erstaunlicher ist eine einzigartige Darstellung, die aus der Kenntnis des griechischen Mythos geschaffen ist: Die Nymphe von Nemea reicht Herakles, der in Siegerpose den Fuß auf den erlegten Löwen gesetzt hat, Wasser in einer großen Kanne oder Hydria (Abb. 211). Eros fliegt mit einem Kranz vom Heros her auf die Nymphe zu, deutet so dessen erwachende Liebe zur Nymphe an. Rechts lehnt die Keule. Wohl schon nach dem Ende des Achaemenidenreiches entstanden Gemmen, die alte Motive in einem flüchtigen, mit breiten Schneide- und Rundperlzeigern und wenig Details arbeitenden Stil wieder aufnehmen. So die Jagd zu Pferd auf Steinböcke (Abb. 212), oder der Kampf zwischen persischem Reiter und griechischem Hopliten (Abb. 213) und der Speerkampf zwischen Reiter und Fußsoldaten mit einem am Boden liegenden Gefallenen (Abb. 214). Eine stehende Frau mit (Braut?-)Krone hält eine Blüte und hebt leicht ihr Gewand, beides Gesten der Eleganz und Muße (Abb. 215a, b). Das Bild ist in einen Skarabäoid geschnitten, dessen gewölbte Seite jedoch gleich oder wenig später abgesägt wurde, um sie als Ringstein zu fassen, eine Form die nun immer beliebter wurde. Ein Beispiel für die erwähnten vielseitigen Steine ist ein vierzehnseitiger Karneol, der aus einem Würfel durch Abschrägung der Ecken gewonnen ist. Die vier rautenförmigen Seiten tragen Bilder: einen Kopf mit lockigem Haar, einen stehenden Mann mit Stab, einen im Lauf umblickenden Hirsch und einen stehenden Mann im Mantel

A. KAMEEN

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(Abb. 216 a, b). Daß auch in diesen späten Werkstätten die Verbindung zur griechischen Kunst nicht abgebrochen war, zeigt der galoppierende, einen Ast schwingende und einen Stein in der Hand haltende Kentaur – ein Motiv, das, wie es scheint, in der früheren graecopersischen Glyptik nicht vorkommt (Abb. 217). Die zuletzt betrachteten Gemmenbilder weisen viel Rundperlarbeit auf, sie leiten über zu einer Stilgruppe im reinen Rundperlstil. Bei einer ihr Kalb säugenden Kuh sind alle irgendwie geeigneten Körperteile mit Rundperlzeigern verschiedener Größe geschnitten (Abb. 218). Die Entwicklung eines Rundperlstils für rasche dekorative Arbeiten liegt vom Werkzeug her nahe, daher kann er unabhängig in verschiedenen Gattungen entstehen, wie z. B. in der etruskischen Glyptik, deren Rundperlstil keinerlei Verbindung zum Graeco-Persischen hat. Ob eine Anregung von den mehrere Jahrhunderten älteren neu-babylonischen Siegeln ausging, ist ungewiß. Für ähnliche Gemmen aus NordwestIndien hat Bivar den Begriff „Indo-Ionisch“ geprägt. Wie es scheint, reichen solche Ausläufer des graeco-persischen Stiles bis in das 2. Jahrhundert v. Chr. (Boardman, Diffusion 1994, 78f.; Knauß 1999).

IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN A. KAMEEN Kameen aus mehrschichtigen Lagensteinen wurden im ptolemäischen Alexandria des 3. Jahrhunderts v. Chr. erfunden. Die wechselnden schwarzen, braunen und weißen Schichten von Sardonyx werden nun für die verschiedenfarbige Gestaltung der Motive genutzt.

1. Der Ptolemäerkameo in Wien Der Ptolemäerkameo (Abb. 219) war einst, wahrscheinlich als Stiftung Ottos IV., am Dreikönigsschrein zu Köln angebracht. Auf wechselvollen Wegen kam er schließlich in die kaiserliche Sammlung, das heutige „Kunsthistorische Museum“, nach Wien (s. u. XIX A). Die gestaffelten Porträts des Ptolemaios II. (283–246 v. Chr.) und seiner Schwester und Gemahlin Arsinoë II. sind in eine Tafel von indischem Sardonyx mit bis zu siebzehn abwechselnd braunen und weißen Schichten geschnitten, von denen elf für die Darstellung genutzt wurden. Der unten gebrochene und mit schwarzem Email ausgebesserte Stein ist im heutigen Zustand 11,5 cm hoch, 11,3 cm breit. Die einzelnen Schichten sind sehr dünn, so daß das Relief, trotz der zahlreichen Schichten und der scheinbaren Raumtiefe nur geringe Höhenunterschiede aufweist. Die klar umrissenen Profile, der dunkle Helm des Mannes vor dem hellen Schleier der Frau, der mehrfarbige Helmbusch bieten ein Bild von wahrhaft königlicher Pracht. Scheinbar mühelos gelang es dem Künstler das komplizierte Motiv in den vielschichtigen Stein zu schneiden. Nur an einer Stelle bemerken wir etwas

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IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

von den Überraschungen, die auch ein noch so sorgfältig gewählter Stein bergen konnte: In der Schicht unter der Stirn des Mannes tauchte ein braun-weißer Kringel auf, den der Gemmenschneider geschickt ins Schläfenhaar der Frau versetzt hat. Im fehlenden unteren Teil sind die Büsten des Paares wahrscheinlich analog zum Kameo Gonzaga (Abb. 221) zu ergänzen. Deutungen Autor

Jahr

Deutung / Datierung

Fulvio Orsini

1586

Alexander und Olympias

Peiresc

1627

Alexander und Olympias

Eckhel

1788

Ptolemaios II. und Arsinoë II.

Furtwängler

1900

Alexander und Olympias

Maximova

1924

Ptolemaios II. und Arsinoë II.

Eichler

1927

Ptolemaios II. und Arsinoë II.

Pfuhl

1930

Ptolemaios III. und Berenike II.

Möbius

1964

Ptolemaios II. und Arsinoë II.

Kyrieleis

1971/1975

Ptolemaios II. und Arsinoë II.

I. Jucker

1975

Ptolemaios III. (und Berenike II.)

Megow

1985

[Augustus und Livia gegenüber] Alexander mit Zügen Octavians und Olympias

Hertel

1989

Alexander und Olympias, augusteisch

Oberleitner

1985/1992

Ptolemaios II. und Arsinoë II.

Plantzos

1996

Römisch 1. Jh. n. Chr.

Zwierlein-Diehl

1990

Ptolemaios II. und Arsinoë II.

Seit Fulvio Orsini 1586 in einem Brief an Alessandro Farnese, nicht ohne versteckte Anspielung auf den Adressaten, „Alexander und Olympias“ als Benennung der Porträts vorgeschlagen hatte, wurde diese von der Forschung immer wieder aufgegriffen. Bei genauerer Betrachtung der Typologie zeigt sich jedoch, daß gestaffelte Porträts von Mutter und Sohn stets die Mutter im Vordergrund, einen unmündigen Sohn im Hintergrund zeigen. Der vorliegende Typus ist dem Herrscherpaar vorbehalten, wobei der regierende Herrscher in der vorderen Ebene erscheint. Helmut Kyrieleis hat die erstmals von J. H. Eckhel vorgeschlagene Deutung als Ptolemaios II. und Arsinoë II. aufgrund seiner umfassenden Untersuchung der Ptolemäerporträts als wahrscheinlich erwiesen. Beim Porträt des Königs sind sowohl in der Vorwölbung der Stirn und dem langen Nackenhaar, wie in den Attributen deutliche Beziehungen auf Alexander den Großen vorhanden. Es ging die Legende, Zeus-Ammon, nicht Philipp II., sei der eigentliche Vater Alexanders gewesen. Olympias habe in der Hochzeitsnacht geträumt, ein Blitz schlüge in ihren Leib; auch habe eine Schlange ihr beigewohnt. Philipp seinerseits träumte, er habe dem Leib seiner Frau ein

A. KAMEEN

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Siegel mit dem Bild eines Löwen aufgedrückt. Philipp sandte an das Orakel von Delphi mit der Bitte um Deutung der Zeichen und erhielt den Rat, dem Ammon zu opfern. Als Alexander später die Orakelstätte des Zeus-Ammon in der Oase Siwa besuchte, begrüßte ihn der Priester als Sohn des Gottes (Plutarch, Alexandros 2,3,27). Die große Schlange auf der Helmkalotte, das geflügelte Blitzbündel auf der Wangenklappe, der Kopf des ZeusAmmon auf dem Nackenschild erinnern in deutlicher Bildersprache an diese Berichte. Das Blitzbündel jedoch, das dem Gesicht des Königs am nächsten ist, hat auch eine spezielle Bedeutung in der Herkunftslegende des Hauses der Lagiden. Lagos, so erzählte man, habe den späteren Ptolemaios I. auf einem Schild ausgesetzt, weil er ihn nicht für seinen Sohn hielt; der Adler des Zeus aber habe das Kind mit seinen Schwingen vor Sonne und Regen geschützt und mit dem Blut von Wachteln genährt. Ptolemaios I., so hieß es, sei der leibliche Sohn Philipps II., also ein Halbbruder Alexanders; über seine Mutter führte er sein Geschlecht auf Herakles und somit auf Zeus zurück. Die Königin trägt ein breites Stirnband, darüber einen Schleier. Das Band ist mit feinen Ornamenten geschmückt, zuunterst mit einer Lotosknospenreihe, einem alten ägyptischen Motiv. Im oberen Rand des Bandes steckt eine vom Schleier halb verdeckte Lotosblüte mit spiraliger Ranke. Diese Tracht, das Band mit eingesteckten Blättern und Schleier kennen wir von Vasenbildern als Tracht griechischer Bräute (Kyrieleis, Ptolemäer 1975, 81). Wenn Arsinoë als Braut dargestellt ist, so wurde der Kameo aus Anlaß der Hochzeit des Paares im Jahre 278 v. Chr. geschnitten. Der Helm zeigt an, daß der Bräutigam schön und stark ist wie der junge Kriegsgott; so heißt es schon in einem Hochzeitslied der Sappho: „der Bräutigam schreitet herein, gleich dem Ares“ (Sappho, LP 111). Der Vergleich des Bräutigams mit Ares schließt die Annäherung der Braut an Aphrodite ein. Den Göttern gleich preisen die Hochzeitslieder Hektor und Andromache in einem anderen Sapphogedicht (Sappho, LP 44, 21 u. 34). Der Zeitgenosse Theokrit vergleicht das zweite Ptolemäerpaar mit Zeus und Hera und gibt so ein mythisches Beispiel für die aus griechischer Sicht anstößige Geschwisterehe (Theokrit XVII 128-134). Noch vor dem Tod der Arsinoë II. beginnt die Prägung von Goldoktadrachmen mit dem Doppelbildnis von König und Königin. Die Legende bezeichnet sie als „geschwisterliche Götter“. Der Bildtypus der gestaffelten Porträts, der ein langes Nachleben in der europäischen Kunst haben sollte, ist neu. Es ist gut möglich, daß ein Kameenschneider ihn erfunden hat, da er in den wechselnden Schichten der Lagensteine am schönsten zur Geltung kommt. Dem Bildnis der Arsinoë II. auf dem Ptolemäerkameo nächstverwandt ist ihr Porträt in einem Amethyst-Intaglio in Genf (Abb. 220). Die Königin trägt einen zur Haube gebundenen Schleier, darüber wieder ein ornamentiertes Stirnband. Der Kyrieleis noch nicht bekannte Stein bestätigt seine Deutung des Ptolemäerkameos. Der Typus ist in mehreren Repliken überliefert, darunter auch auf einer Glasgemme, die anzeigt, daß das Bildnis der Königin auch in preiswerterer Ausführung verschenkt oder erworben werden konnte. Auch von dem ersten Ptolemäerpaar, Ptolemaios I. (322–283 v. Chr. ) und Berenike I., existierte einst ein Doppelbildniskameo. Er ist in einem antiken Stuckabguß erhalten. Es mag sein, daß der Gemmenschneider selbst den Kameo abformte, ehe er das Original in die königliche Schatzkammer gab. Der Abguß konnte als Modell für eine weitere Arbeit in Stein oder als Patrize für Glaskameen dienen, wie sie von späteren Herrschern verschiedener

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IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

hellenistischer Dynastien bekannt sind (z. B. zu Abb. 220, Abb. 226, 241). Das bescheidene Material bewahrt uns ein Abbild des verlorenen kostbaren Steines.

2. Der Kameo Gonzaga in St. Petersburg Nur ein weiterer Kameo mit gestaffeltem Doppelbildnis ist erhalten, der dem Ptolemäerkameo an Größe gleicht: Der nach der Erstbesitzerin, Isabella d‘Este, der Gemahlin von Francesco Gonzaga, des Herzogs von Mantua, so genannte „Kameo Gonzaga“ (Abb. 221). Von seiner wechselvollen Geschichte wird weiter unten berichtet (XIX B). Der Helm des Mannes ist mit Lorbeer bekränzt, mit einer geflügelten Schlange, Ranken und Rosetten geschmückt. Um die vom Rücken gesehene Büste liegt die geschuppte Ägis, vorn mit einem Gorgoneion, auf dem Rückenteil mit dem bärtigen Haupt des Phobos, des personifizierten Schreckens, versehen. Die Frau trägt einen Lorbeerkranz über in die Stirn fallenden Löckchen, ein Schleier liegt über der Mitte des Kopfes, fällt zu Seiten des Halses herab. Die Hintergrundschicht ist beiderseits weitgehend weggebrochen und restauratorisch mit einer Sardonyxscheibe hinterlegt. Die Reliefkontur blieb unbeschädigt, mit Ausnahme einer Bestoßung an der Nasenspitze der Frau. Ein Riß quer durch die Hälse wurde mit band- und schneckenförmigen Achatstücken ausgebessert. Deutungen Autor

Jahr

Deutung / Datierung

Stivini (Inv. Este)

1542

Caesar (Augustus) und Livia

Vico

1555

Augustus und Livia

Peiresc

1622/27

Alexander und Olympias

Fresne (Inv. Christine)

1652

Germanicus und Agrippina

Eckhel

1788

Ptolemaios II. und Arsinoë II.

Visconti

1808

Ptolemaios II. und Arsinoë II.

C. O. Müller

1840

Ptolemaios I. und Euridike

Arneth

1849

Hadrian und Sabina

King

1872

Nero und Agrippina

Six

1885

Alexander Balas u. Kleopatra Thea

Furtwängler

1900

Alexander und Olympias

Bernoulli

1905

Alexander und Olympias?

Maximova

1924

Ptolemaios II. und Arsinoë II.

Bieber

1949/1964

Alexander und Olympias?

Möbius

1964

Ptolemaios III. und Berenike II.?

Richter

1965/1968

Alexander und Olympias?

Kyrieleis

1971

Augustus(-Alexander-Mars) und Livia

A. KAMEEN

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Autor

Jahr

Deutung / Datierung

Zwierlein-Diehl

1973

Drusus minor und Livilla

Schwarzenberg

1975

Augustus u. Liva oder Roma, als Alexander u. Olympias

H. Jucker

1981

Germanicus und Agrippina maior

Megow

1987

Germanicus und Antonia minor oder Agrippina maior

Neverov

1977/81/88

Ptolemaios II. und Arsinoë II.

Plantzos

1996

Römisch 1. Jh. n. Chr.

Laubscher

1995 [1998]

Ptolemaios X. Alexandros I. u. Kleopatra III. (Mutter), evtl. Berenike III. (Gemahlin)

Zwierlein-Diehl

1999

späthellenistisches, nicht-ptolemäisches Königspaar. Pharnakes II. von Pontos?

In dem 1542 nach dem Tode der Isabella d‘Este erstellten Inventar ihrer Sammlung wird das Paar „Caesar (d. h. Augustus) und Livia“ genannt, im Inventar der Christine von Schweden (1652) gilt es als „Germanicus und Agrippina“. Die Vorschläge von Arneth und King, die Porträts mit späteren Kaiserpaaren zu identifizieren wurden von Furtwängler zu Recht als abwegig beurteilt. In der übrigen wissenschaftlichen Diskussion waren Deutung und Datierung des Kameos stets eng verknüpft mit jener des Ptolemäerkameos. Diese Verbindung beruht auf der unbestreitbaren typologischen Verwandtschaft und dem Zufall der Erhaltung beider Großkameen. Im Stil sind sie sehr unterschiedlich. Während der elfschichtige Ptolemäerkameo in ganz flachem Relief gearbeitet ist, hat der Kameo Gonzaga nur vier Schichten, aber ein sehr hohes Relief. Dies wird beim Vergleich der Abgüsse unmittelbar deutlich (Abb. 222), läßt sich jedoch auch bei Photos des Kameos Gonzaga an den starken Schatten, die Haar und Profil des Mannes werfen, ablesen. Andere Unterschiede kommen hinzu; deren auffälligster ist das stark bewegte Haar des Mannes in St. Petersburg gegenüber den gleichmäßig herabfließenden Locken des Ptolemaios II. im Wien. Furtwängler hat zwar die Unterschiede von Ptolemäer- und Gonzaga-Kameo gesehen, sie jedoch als Qualitätsstufen gedeutet. Erst Kyrieleis hat den Kameo Gonzaga entschieden vom Ptolemäerkameo getrennt und in einer stilkritischen Untersuchung nachzuweisen gesucht, daß er trotz des hellenistischen Gesamtcharakters Merkmale habe, die in die frühe Kaiserzeit weisen. Die Frisur der Frau führte zu einer Datierung „um 30 n. Chr.“. Als nächste Parallele zu den in mehreren Stufen in die Stirn fallenden Löckchen verweist Kyrieleis zu Recht auf die Africa in der Silberschale aus Boscoreale im Louvre. Die Frisur der Africa ist jedoch nicht spättiberisch, sondern hellenistisch. Die verglichenen römischen Frisuren gehen aus von einer Mittelscheitelfrisur, die Löckchenpartie sitzt zunächst in Höhe der Ohren und Schläfen, „wächst“ nach und nach in Richtung des Scheitels zusammen; der Scheitel bleibt jedoch stets erhalten. Im Unterschied hierzu fällt bei der hellenistischen Frisur eine breite kürzer geschnittene Partie des Vorderhaares ungescheitelt in die Stirn. Der Kopf der Stadtgründerin Dido in phrygischer Mütze auf karthagischen Münzen zeigt die gleiche Haartracht, ebenso eine unbekannte Königin auf einem Sard-Intaglio (Abb. 223). Beim gleichen Haarschnitt ist der Pony zu kleinen Löckchen gedreht im höchst anspruchsvollen

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IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Porträt einer Königin, welche die Ägis des Zeus und der Athena als Schleier trägt (Abb. 224). Das Stirnhaar ließ sich auch zu regelmäßigen korkzieherförmigen „Isislocken“ drehen (vgl. die Gemme des Lykomedes Abb. 255). Dieser Grund für eine Datierung in tiberische Zeit entfällt also. Weitere Argumente für eine solche Datierung widerlegt Hans Peter Laubscher. Versuche die Dargestellten als Mitglieder der iulisch-claudischen Familie zu deuten, stoßen auf größte Schwierigkeiten. Weder das weibliche noch das männliche Porträt stimmen mit den Zügen des ersten Kaiserpaares überein. Eher könnte der Mann ein claudischer Prinz sein; Die Deutung auf Germanicus scheidet jedoch aus, da das Porträt der Frau dem seiner Frau, Agrippina maior nicht ähnlich ist. Als einziges Paar, bei dem die Profile beider Köpfe mit den überlieferten Porträtzügen annähernd in Einklang stünden, kämen Drusus minor, der Vetter des Germanicus, und Livilla, dessen Schwester in Frage (vgl. Abb. 499). Aber auch diese Deutung ist zu verwerfen. Das entscheidende, für alle vorgeschlagenen Mitglieder des römischen Kaiserhauses geltende Gegenargument ist, daß die kennzeichnenden Merkmale ihrer Frisur fehlen, daß sie mit Anastole, langen über die Ohren fallenden seitlichen Locken und langem Nackenhaar für die Zeitgenossen nicht erkennbar gewesen wären (Boschung 1991). Bei Gemmenbildnissen, die Octavian/ Augustus als Gott darstellen, läßt sich im Gegenteil beobachten, daß zwar die Idealisierung der Gesichtszüge sehr weit geht, die kennzeichnende Frisur aber beibehalten wird (Abb. 449, 503, 609). Es ist daher wahrscheinlich, daß der Kameo Gonzaga ein späthellenistisches Herrscherpaar darstellt. Der Herrscher ist in Haar- und Barttracht Alexander angeglichen, auf dessen Geburtslegende die hier als Fabeltier geflügelte Schlange am Helm verweist. Zugleich trägt der König den Helm als Attribut des Ares, die Ägis als jenes des Zeus. Eine solche Häufung von Götterattributen ist bei Bildnissen hellenistischer Könige gut belegt, etwa durch die Münzporträts des Ptolemaios III. Die Lorbeerkränze stehen einer Deutung als hellenistisches Herrscherpaar nicht im Wege. Der umgekehrt tropfenförmige Anhänger am Halsband der Königin muß keine römische „bulla“ sein, er entspricht auch einer griechischen Anhängerform. Hans Peter Laubscher hat beobachtet, daß der Stern über dem Schlangenkopf fünf Strahlen hat, wie sie in der ägyptischen Kunst üblich sind, während in der griechischen sechs- oder achtstrahlige Sterne die Regel sind. Er hat dies als Hinweis auf ein Ptolemäerpaar gewertet und die Benennung Ptolemaios X. Alexandros I. und seine Mutter Kleopatra III., evtl. seine Gemahlin Berenike III. vorgeschlagen. Nach dem oben gesagten könnte das Bildnis in der zweiten Ebene nur die Gemahlin darstellen. Da jedoch einerseits fünfstrahlige Sterne gelegentlich auch in der griechischen Kunst vorkommen, andererseits der Stern bei Ptolemäerporträts auf Siegelabdrücken und Münzen die griechische sechsstrahlige Form aufweist, kommt auch ein nicht-ptolemäisches Herrscherpaar in Frage. Vom Stil her ist eine vor-augusteische Datierung anzunehmen, da Züge des augusteischen Klassizismus fehlen. Der bisher erst in der frühen Kaiserzeit belegte Ornamentfries aus aneinandergereihten Peltae am Helmrand kann frühere Vorbilder haben. Andererseits scheint gegenüber Bildnissen des Mithradates VI. von Pontus (120–63 v. Chr.), die ein ähnliche Frisur zeigen, eine gewisse Beruhigung eingetreten zu sein. Man könnte erwägen, ob Pharnakes II. (63–47 v. Chr.) dargestellt ist. Auf Münzen ist er in Nachahmung Alexanders des Großen und seines Vaters,

A. KAMEEN

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Mithradates VI., mit schulterlangem bewegten Haar dargestellt. Der Sohn könnte mit dem Auftrag für ein Meisterwerk einen neuen Anfang gemacht haben, nachdem die bedeutende Gemmensammlung des Vaters Pompeius zur Beute gefallen war (s. u. XIII A).

3. Königliche Porträtkameen Ein anderes späthellenistisches, vermutlich ptolemäisches Herrscherpaar aus der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. ist auf einem kleineren Kameo in Berlin dargestellt. Ein Sardonyxkameo in Wien (Abb. 225) und ein Glaskameo am Dreikönigenschrein zu Köln (Abb. 226) zeigen je ein Herrscherporträt im gleichen Typus. Das Haupt ist mit Lorbeer bekränzt und mit dem Löwenfell des Herakles bedeckt, die Stirnlocken sind nach dem Vorbild Alexanders des Großen emporgesträubt. Die beiden auch stilistisch eng verwandten Kameen erweisen sich als Porträts der aufeinander folgenden Seleukiden Antiochos VII. (138–129 v. Chr.) und Alexander II. Zabinas (128–123/2 v. Chr.). Das Porträt am Dreikönigenschrein ist ein Beispiel für die wahrscheinlich zu Geschenkzwecken hergestellten Glasreproduktionen von Steinkameen. Der gleichen Dynastie gehört ein kindlicher Prinz an, der auf einem Kameo in München durch Löwenskalp und Flügelchen sowohl an Herakles wie an Eros angeglichen ist (Abb. 227). Er läßt sich nicht benennen, daß es ein junger Seleukide ist, ergibt sich aus dem Stierhorn über seiner Stirn, das seit Seleukos I., dem Gründer der Dynastie, kennzeichnendes Merkmal der syrischen Herrscher ist. Die in einen Goldring gefaßte Panzerbüste eines hellenistischen Herrschers gehört zu dem frühaugusteischen Schatzfund von Petescia (heute: Turania) in den Sabinerbergen (Abb. 228). Der Mantelbausch auf der linken Schulter, Gorgoneion und Panzerklappe sind aus der oberen weißen Schicht geschnitten; ebenso die im alexanderhaft über der Stirn gesträubten Haar liegende Herrscherbinde; an den Enden der Binde fehlte diese Schicht offenbar, sie sind wie Kopf und Panzer aus der rötlichen Karneolschicht gearbeitet. Das energische Profil zeichnet sich durch eine insgesamt dreieckige Kontur aus, Nasenspitze und Kinn sind rundlich. Die Qualität dieses Schatzfundes spricht für den hohen Rang und Geschmack des ehemaligen Eigentümers oder seiner Familie. Er enthält auch ein vorzügliches Kameoporträt der Livia in einem Goldring (hier Abb. 612). Es mag als Ehrengeschenk in den Besitz des Schatzeigners gelangt sein, spricht jedenfalls für eine Verbindung des Besitzers zur kaiserlichen Familie. Analog könnte das Herrscherbildnis ein Geschenk des Dargestellten an einen im Osten tätigen Römer gewesen sein. Ein Vorgang der in einer Nachricht über Lucullus überliefert ist (s. u. XIII A). Das Porträt eines Ptolemäers, des Sohnes der Kleopatra I. (s. u. Abb. 252 u. 254), Ptolemaios VI. Philometor (180–145 v. Chr.) kann aufgrund der charakteristischen, leicht gebogenen spitzen Nase und des knappen Kinns auf einem verschollenen Kameo erkannt werden (Abb. 229). Ein kleiner Kameo von vorzüglicher Qualität in St. Petersburg zeigt eine Frauenbüste in Vorderansicht vor einer großen Mondsichel (Abb. 230). Offenbar handelt es sich nicht um die Mondgöttin Selē´nē selbst. Das Gesicht ist jung und schön, weist jedoch in den gerundeten Wangen und dem kleinen Mund durchaus individuelle Züge auf. Die junge Frau hat in der Mitte gescheiteltes, in dichter Schläfenrolle eingeschlagenes Haar, sie trägt ein ornamentiertes Metalldiadem, wie es Göttinnen, aber auch mehrere Ptolemäerinnen

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IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

auf ihren Münzen tragen; lange gedrehte Ohrringe und ein fein gefältelter Chiton betonen ihren vornehmen Rang. Nach Marie-Louise Vollenweiders Vermutung ist dies ein Bild einer der beiden Ptolemäerinnen mit dem Namen Kleopatra Selē´nē. Daß eine solche Deutung möglich ist, beweisen Siegelabdrücke aus Edfu, auf denen die Büste einer Königin über einer Mondsichel dargestellt ist. Aus historischen Gründen kommt dort nur die ältere Kleopatra Selene, Frau des Ptolemaios IX. Soter II. (115–107 v. Chr.), in Frage. Auf diese Königin bezieht Vollenweider auch die von ihr verglichenen Stücke. Der Kameo in St. Petersburg steht jedoch im Faltenstil dem Livia-Kameo aus Petescia (hier Abb. 612) nahe, mit dem er auch die Angabe von Irispunkt und Pupille gemeinsam hat. Wahrscheinlich ist die Dargestellte daher die jüngere Kleopatra Selene, Tochter des Antonius und der Kleopatra VII. Als Kinder wurden sie und ihr Zwillingsbruder Alexander Helios im Triumph des Octavian über Kleopatra VII., 29 v. Chr., mitgeführt. Octavia, Octavians Schwester, erzog die Kinder des Antonius, der sich um Kleopatras willen von ihr geschieden hatte, zusammen mit ihren eigenen. 20 v. Chr. verheiratete Augustus Kleoptra Selene mit Juba II. von Mauretanien. Mit diesem Kameo befinden wir uns schon im Kreis der griechischen, für den augusteischen Hof arbeitenden Künstler (s. Kap. XIII).

4. Die Tazza Farnese in Neapel Die von Lorenzo Medici 1471 in Rom erworbene, später in Besitz der Farnese gelangte „Tazza Farnese“ ist eine prachtvolle Schale aus indischem Sardonyx (Abb. 231, 232, s. u. XIX F). Durchscheinend braune, gelbliche und gelbrötliche Sardschichten wechseln mit weißen, meist opaken, selten durchscheinenden Schichten. Die Außenseite bedeckt eine zweiteilige Ägis, deren umgeschlagene Ränder von großen Schlangen besetzt sind. Ein gewaltiges Gorgoneion nimmt die Mitte ein. In wellig bewegten und verschlungenen Locken breitet sich das Haar der Gorgo über die Schuppen der Ägis. Der Kontrast zwischen der Schönheit des Gesichtes und dem starren Blick der Augen, den dichten, hochgezogenen Brauen verstärkt die unheimliche Wirkung. Zwei Schlangen, deren Häupter in Höhe der Kopfflügel zum Vorschein kommen, sind mit ihren Schwänzen unter dem Kinn verschlungen. Als Schild des Zeus schützt die Ägis der Außenseite die Szene der Innenseite. Eine achtfigurige Darstellung ist in das Rund des Schalenbodens eingeschnitten, sie wird von dem Schalenrand gerahmt. In der unteren Mitte lagert auf einem ägyptischen Sphinx mit dunklem Leib und hellem Kopf die Göttin Isis, mit der Rechten hält sie zwei Ähren empor. Ihr Gewand ist in der für sie charakteristischen Weise zwischen den Brüsten geknotet. Die Brüste sind frei, was die Göttin der Hathor / Aphrodite annähert. Links sitzt auf dem Ast eines Baumes ein düster blickender bärtiger Gott mit um die Hüften geschlungenem Mantel; seine Linke hält ein im Schoß ruhendes großes Füllhorn am Rande fest. Es ist Osiris, der Gemahl der Isis, in seiner griechischen Gestalt als Sarapis, der zugleich Pluton ist. Die schweren Brüste ähneln jenen des „Hâpi“, der Personifikation des Nils, denn aus Osiris entströmt nach ägyptischer Vorstellung der Nil, dessen Fruchtbarkeit bringenden Fluten das Horn füllen sollen (Laubscher 1988). Ein göttlicher Jüngling trägt in der Linken die Pflugschar, über der Schulter das Sätuch, stützt die Rechte auf das Joch des Pfluges, um dessen Deichsel die Stricke zum Anspannen der Zugtiere gewunden sind. Es ist Horos mit ägyptischem,

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Triptolemos mit griechischem Namen, der Erfinder des Pfluges und der erste Pflüger. Über ihm schweben zwei Windgötter herbei, der hintere bläst auf einem Muschelhorn; es sind die etesischen Winde, die als Ursache der Nilüberschwemmung galten, weil man glaubte, sie stauten das Wasser an seinem Ausfluß zurück. Am rechten Bildrand lagern, in reizvollem Wechsel von Rück- und Vorderansicht dargestellt, zwei anmutige Mädchen mit Schale und Füllhorn. In der Gestalt griechischer Nymphen stellen sie die ägyptischen Göttinnen des ersten Kataraktes, Satis und Anukis, dar, die zusammen mit Chnum die Nilflut von Elephantine ausschicken (Merkelbach 1973). Die Götter sind in Erwartung der Nilflut versammelt, welche die durch die Ähren angedeutete Fruchtbarkeit bringen wird. Neuere Forschungen erkannten hinter der mythischen Darstellung einen historischen Bezug. Nach den Ergebnissen von Bastet, Kyrieleis und Laubscher ist in der Gestalt der Isis Kleopatra III. zu erkennen, die als Isis verehrt wurde. Horos-Triptolemos mit dem alexanderhaft gesträubten Stirnhaar ist ihr Sohn, Ptolemaios X. Alexandros (107–88 v. Chr.), der nach Aufstand und Flucht des älteren Bruders 107 v. Chr. zum Mitregenten der Mutter erhoben wurde. Als ägyptischer König ist er der lebende Horus. Der verstorbene König wird zum Osiris. So blickt in der Gestalt des Bärtigen der verstorbene Ptolemaios VIII. auf den Sohn, legitimiert seine Herrschaft und verheißt Segensfülle für die Zeit seiner Regierung. Eine Datierung zwischen 107 und 101 v. Chr., dem Jahr der Ermordung Kleopatras auf Geheiß des Sohnes, stimmt überein mit der von Bastet aufgrund von Stilvergleichen ermittelten Datierung „um 100 v. Chr.“

5. Die „Coupe de Ptolémée“ in Paris Die prachtvolle seit dem 17. Jahrhundert so genannte Coupe de Ptolémée (II Philadelphe,) oder Coupe des Ptolémées ist ein aus einem einzigen Sardonyx geschnittener Kantharos (Abb. 233a, b). Von Weinranken überzogene vegetabilische Schlangen bilden die Henkel, sie teilen sich zum Rand hin, den sie mit den Mohnkolben in ihren „Mäulern“ berühren. Beide Seiten sind mit dem Gerät und Getier eines Dionysosfestes in „malerischer Unordnung“ (Furtwängler) angefüllt. Unter einem zwischen zwei Bäumen ausgespannten Tuch steht in der Mitte jeweils übereck ein Tisch, einmal von zwei hockenden Sphingen getragen, das andere Mal mit geriefelten Beinen und Querstreben. Auf jedem Tisch stehen je eine dionysische Statuette, Priap auf der einen, eine Mänade mit zwei Fackeln auf der anderen Seite, ferner Trinkgefäße verschiedener Form; dazu kommt auf der Priapseite eine Ciste mit konischem Deckel, eine Oinochoe und ein Thymiaterion; rechts vom Tisch steht hier die cista mystica, der heilige Deckelkorb der dionysischen Mysterien; ihr Deckel ist halb geöffnet, eine Schlange windet sich heraus. Rechts oberhalb hängt ein Hirtenbündel am Baum. Unterhalb der Cista schleckt ein Panther Wein aus einem umgestürzten Kantharos, sein Pendant links ist ein liegender Ziegenbock. An der entsprechenden Stelle auf der Mänadenseite springt eine Ziege an dem Baum hoch, um eine Traube zu naschen, hinter ihr lehnen zwei umgekehrte Fackeln; ein Hirtenbündel mit herausragendem Pedum liegt am Boden. Ein Tympanon hängt am linken, eine Syrinx am rechten Baum. Auf beiden Seiten sind je sechs teils dionysische, teils der Komödie zugehörige Masken an den Bäumen aufgehängt oder im Gelände verteilt. Die ganze Atmosphäre ist von dionysischer Festesfreude erfüllt. Der Kantharos selbst ist das Gefäß

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IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

des Dionysos. Es mag sein, daß er einst bei einem der großen alexandrinischen Feste zur Zeit der Kleopatra benutzt wurde, sei es zur Spende für Dionysos, sei es als königliches Trinkgefäß. (Zur Verwendung im Mittelalter s. u. 259f.).

6. Kleinere Kameen Neben den großen singulären Prachtkameen gab es viele kleinere, die, in Anhängern, Fibeln, Finger- und Ohrringen oder Diademen gefaßt, als Schmuck dienten. Besonders wertvolle Exemplare mögen auch als Schaustücke in Schatzkammern aufbewahrt worden sein. Ein solches Schaustück oder prachtvoller Schmuck war ein mit 6.1 cm Durchmesser recht großer Sardonyxkameo mit einer knappen, mit der Ägis bekleideten Rückenbüste des Zeus. Sein hochpathetischer Stil legt eine Datierung eher im 2. als im 3. Jahrhundert v. Chr. nahe (Abb. 234). Eine Besonderheit der hellenistischen Zeit sind Kameen aus einfarbigem Edelstein und Gold. Ein Goldring aus der Nekropole von Pantikapaion trägt auf seiner Platte eine aus Gold gearbeitete Büste der Athena, deren leicht nach ihrer Linken gewendetes Gesicht aus Granat geschnitten ist (Abb. 235a, b). Von dem gepunkteten Bildgrund hebt sich der glänzende, dreibuschige Helm ab; die beiden seitlichen Büsche entspringen hinter gewölbten Scheiben mit sechsstrahligen Sternen und Punktrand, den vorderen Teil des Helmes schmückt ein Lorbeerkranz. Um die Büste liegt eine ihrer Form angepaßte geschuppte Ägis mit umgeschlagenem, gepunktetem Rand. Die Asymetrie des Gesichtes berücksichtigt seine Wendung nach rechts: Die vordere, rechte Wange ist stärker gewölbt, die linke flacher und breiter. Zwei Falten an der linken goldenen Halsseite sind durch die Wendung bedingt. Ein kleiner Sardonyx-Kameo mit einem laufenden, den Psycheschmetterling haschenden Eros in einem goldenen Finggerring wurde an der linken Hand der Toten in einem Grab mit zwei Münzen des 2. Jahrhunderts v. Chr. gefunden (Abb. 236a, b). Eine senkrechte Durchbohrung zeigt, daß der Kameo zuvor auf andere Weise, vielleicht als Anhänger, gefaßt war, d. h. der Kameo ist sicher älter als die Bestattung. Wie bei den Intaglien sind Themen aus dem Kreis der Aphrodite und des Dionysos besonders beliebt für kleine Kameen. Das pausbäckige. 1,56 cm hohe Köpfchen des Eros in Wien, gehört zu beiden Bereichen, da er eine Halsgirlande aus dionysischem Efeu trägt (Abb. 237a, b). Das Hochrelief-Köpfchen war vermutlich einst in einen Ring gefaßt. Zwei signierte Kameen des Gemmenschneider Protarchos, der im späten 2. Jahrhundert v. Chr. arbeitete, sind erhalten. Auf dem Kameo in Florenz reitet ein kleiner Erosknabe auf einem gewaltigen Löwen, er braucht nicht Zügel noch Zaum, seine göttliche Macht, verstärkt durch die Klänge der Kithara, läßt das Raubtier mit freundlich schwingendem Schwanz lammfromm dahintraben (Abb. 238). Die Signatur ist erhaben, in Kameotechnik gearbeitet, epoei in der in hellenistischer Zeit bevorzugten Weise, ohne Iota nach dem Omikron, geschrieben. Auf dem zweiten nur 1.8 cm hohen Kameo in Boston steht Aphrodite in anmutig geschwungener Haltung mit über den Kopf gelegtem Mantel und von der linken Schulter herabgeglittenem Chiton in Vorderansicht, wendet sich dem auf sie zufliegenden kindlichen Eros zu (Abb. 239). Aphrodites rechter Ellbogen scheint auf einer unsichtbaren Stütze zu ruhen. Beide Köpfe sind in Dreiviertelansicht nach ihrer Rechten gewandt, als mache Eros auf etwas außerhalb des Bildes aufmerksam. Am Boden wächst links ein kleiner Strauch. Im freien Feld rechts verläuft von oben nach unten

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in zwei Zeilen die vertieft geschnittene Künstlersignatur: ΠΡΩΤΑΡΧΟΣ / ΕΠΟΙΕΙ. Der vertiefte Schnitt der Signatur auch beim Kameo und die Schreibung epoiei sind Neuerungen, die in der Folgezeit das Übliche werden. Der berühmteste unter den kleinen hellenistischen Kameen ist der von Athenion signierte Kameo in Neapel mit Zeus im Gigantenkampf (Abb. 240). Zum Wurf mit dem Blitz ausholend steht Zeus in seinem Wagen, der von einem temperamentvollen Viergespann gezogen wird. Die Jochpferde galoppieren geradeaus während sich die Leinenpferde hoch aufbäumen. In der Linken hält Zeus das Szepter; wie es scheint, bedarf er keiner Zügel, um das Gespann zu lenken. Unter den Hufen der Pferde liegt ein toter schlangenbeiniger Gigant, ein zweiter duckt sich und versucht sich mit einer Fackel zu wehren. Links unter dem welligen Geländeband steht die Signatur in erhabenen Buchstaben. Der Kameo gehörte einst Fulvio Orsini (1529–1600) und kam mit seiner Sammlung als testamentarisches Legat in die Sammlung Farnese (s. u. 268f.), er wurde zuerst von Winckelmann in den „Monumenti inediti“ abgebildet. Der expressive Stil ist dem des großen Frieses vom Pergamonaltar verwandt. Ein weiterer Kameo des Athenion ist durch zwei antike Glasabformungen bekannt (Abb. 241). Beide Glaskameen sind fragmentiert, ergänzen sich aber gegenseitig (Abb. 242). Ein bartloser hellenistischer Herrscher im Panzer mit Königsbinde im Haar steht mit erhobener Rechten, ein senkrecht gehaltenes Szepter in der Linken, in einem von einem Zweigespann gezogenen Wagen. Athena steigt als Wagenlenkerin zu ihm auf den Wagen. Sie hält die Zügel in der rechten Hand, eine lange Lanze, die den Körper des Herrschers überschneidet, in der linken; über dem linken Unterarm liegt die Ägis, ein aus dem Gesicht zurückgeschobener korinthischer Helm bedeckt den Kopf. Im Bodensegment steht die Signatur. Im Unterschied zum expressiven Stil des Zeus-Kameos wirkt die Darstellung ruhig und feierlich. Der Gemmenschneider verstand es, seine Ausdrucksweise dem jeweiligen Motiv anzupassen. Furtwängler, dem German Hafner folgt, nahm aufgrund der stilistischen Nähe des Zeus-Kameos zum Pergamonaltar an, Athenion habe in Pergamon gearbeitet; er vermutet, daß der auf dem zweiten Kameo dargestellte Herrscher Eumenes II. (197–159 v. Chr.), den Erbauer des Altares und Verehrer der Athena Nikephoros (Siegbringerin) darstellt. Das Profil des Kopfes mit der großen aber wenig vorspringenden, vielmehr nach dem Knick abfallenden Nase widerspricht dieser Deutung nicht. Die Kleinheit des ca. 4 mm hohen Kopfes und die Verwitterung der Oberfläche läßt eine sichere Entscheidung nicht zu. Festzuhalten bleibt aber, daß der Kameo des Athenion einen siegreichen hellenistischen Herrscher darstellte, der durch die begleitende Athena dem Herakles oder einem Gott angeglichen ist; daß ferner von diesem Kameo zwei Glasrepliken erhalten sind, eine dreifarbige in aufwendiger Nachahmung des Lagenachates und eine in einfarbigem blauen Glas. Hieraus ergibt sich der Schluß, daß Glas-Abdrücke des zugrundeliegenden Steinkameos von unterschiedlichem Wert hergestellt wurden und vermutlich als nach Rang abgestufte Geschenke verteilt wurden. Der Gemmenschneider Boëthos war schon lange durch seinen Philoktet-Kameo bekannt (Abb. 243). Er zeigt den abgemagerten bärtigen Heros in der Verbannung auf Lemnos. Er sitzt auf einem Fell und fächelt die fiebrige, verbundene Wunde an seinem rechten Unterschenkel mit einem Vogelflügel. Auf Intagliobildern des Motivs dient das Fächeln auch zur Vertreibung von Fliegen. Die Griechen hatten Philoktet auf dem Weg nach Troia wegen einer durch Schlangenbiß verursachten, unerträglich stinkenden Wunde auf Lemnos

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zurückgelassen. Sie mußten ihn zehn Jahre später durch eine von Odysseus angeführte Gesandtschaft mit List nach Troia holen, weil die Stadt nicht ohne den Bogen und die Pfeile des Herakles, die Philoktet besaß, erobert werden konnte. Die Signatur ist erhaben, in Kameotechnik geschnitten. Auf Delos sind neuerdings Abdrücke von zwei Intaglien mit der gleichen, hier natürlich vertieft geschnittenen Signatur, gefunden worden. Das delische Archiv wurde 69 v. Chr. durch Brand zerstört und war mindestens seit 128/7 v. Chr. in Gebrauch. Das Beispiel zeigt, daß der gleiche Gemmenschneider Intaglien und Kameen schneiden konnte, was sich bei unsignierten Gemmen wegen der unterschiedlichen Technik nicht nachweisen läßt.

B. INTAGLIEN 1. Porträts: Könige und Königinnen Porträts sind ein Hauptthema der hellenistischen Glyptik. Eine literarische Nachricht überliefert, daß ein Gemmenring mit Königsporträt als Ehrengeschenk verliehen werden konnte (s. o. S. 16 u. S. 108). Tonabdrücke aus Archiven zeigen, daß solche Gemmenporträts als Siegel benutzt wurden, vermutlich von hierzu autorisierten Personen.

Makedonen PorträtsAlexandersdesGroßen(336–323v.Chr.,geb.356v.Chr.),dienochausseinerLebenszeit stammen, sind selten; zu ihnen gehört ein verschollener, im Abdruck erhaltener Karneol, der sich mit Münzen vergleichen läßt (Abb. 244). Das Porträt Alexanders blieb aber bis weit in die römische Kaiserzeit als Gegenstand der Verehrung und Vorbild für die Darstellung anderer Herrscher lebendig. Augustus siegelte eine zeitlang mit dem Alexanderporträt (s. o. S. 12). Wiederholungen des Alexanderporträts in Glas ermöglichten seine weite Verbreitung (Abb. 245). Als bedeutendster Gemmenschneider der Alexanderzeit wird Pyrgoteles genannt; nur von ihm habe der Herrscher sein Porträt in den kostbaren Smaragd schneiden lassen. Polycratis gemma, quae demonstratur, intacta inlibata est; Ismeniae aetate multos post annos apparet scalpi etiam smaragdos solitos. confirmat hanc eandem opinionem edictum Alexandri Magni, quo vetuit in hac gemma ab alio se scalpi quam ab Pyrgotele, non dubie clarissimo artis eius. post eum Apollonides et Cronius in gloria fuere quique divi Augustis imaginem simillime expressit, qua postea principes signant, Dioscurides (Plinius, nat. hist. 37, 8) „Der [früher erwähnte] Edelstein des Polykrates, den man zeigt, ist unberührt und unbearbeitet; zur Zeit des Ismenias viele Jahre später war es offenbar üblich, sogar Smaragde zu schneiden. Diese Auffassung bestätigt ein Erlaß Alexanders des Großen, durch den er verbot, daß sein Bildnis in diesem Edelstein von einem anderen als Pyrgoteles, offenbar dem berühmtesten in dieser Kunst, geschnitten werden dürfe. Nach ihm waren Apollonides und Kronios berühmt, ebenso derjenige, der das höchst getreue Bildnis des vergöttlichten Augustus schuf, mit dem später die Kaiser siegeln: Dioskurides.“ Ismenias war ein thebanischer Flötenspieler und Gemmenliebhaber des 4. Jahrhunderts v. Chr. (s. o. S. 18f.). Von Pyrgoteles ist kein signiertes Werk erhalten, von Apollonides kennen wir ein

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Fragment (Würzburg I 1986 Nr. 142). Als postume Ehrung wurde für Alexander ein goldener Thron aufgestellt, auf dem ein mit dem königlichen Diadem umwundener Lorbeerkranz lag (Polyaenus 4, 8, 2; vgl. AA 1990, 551 mit Anm. 62). Dieses Diadem wird zum Abzeichen der Folgeherrscher. Das Herrscherdiadem ist eine Stoffbinde. Im Unterschied zu Fest- oder Kranzbinden, die ovale Enden oft mit einem herabhängenden Faden haben, hat es gerade gesäumte, häufig mit Fransen versehene Enden. Ein im Glasabdruck erhaltenes Porträt mit Herrscherdiadem stellt wohl den Vater Alexanders, Philipp II. von Makedonien (359–336 v. Chr.), dar (Abb. 246). Da er das Diadem noch nicht getragen hat, wird es sich um ein postumes Bildnis handeln. Ein junger Herrscher mit alexanderhafter Anastole und erstem Bartflaum auf der Wange könnte nach dem Profil den jungen, mit 17 Jahren auf den Thron gelangten Philipp V. von Makedonien (221–179 v. Chr.) darstellen (Abb. 247). Die Münzen zeigen den etwa 26jährigen mit kurzem Vollbart.

Ptolemäer Zahlreiche Gemmenporträts von Ptolemäern sind bekannt. Ein Amethyst mit dem Bildnis der Arsinoë II. wurde oben abgebildet (Abb. 220). Der meisterhaft in Dreiviertelansicht gegebene Kopf auf einem Amethyst in Berlin wurde von mir zunächst mit Ptolemaios III. Euergetes (246–222/1 v. Chr. ) identifiziert, dann später datiert (Abb. 248). Ich nehme den ersten Vorschlag wieder auf, da sich für den im Stil, insbesondere der Haarbehandlung verwandten Sarapiskopf (Abb. 294) eine frühere Datierung ergibt als zuvor angenommen. Ein Porträt der Berenike II., Frau des Ptolemaios III., gibt ihre Züge in vereinfachter Form wieder; der rasch gearbeitete Intaglio zeigt, daß ein großer Bedarf an derartigen Bildnissen bestand (Abb. 249). Ein Porträt der Arsinoë III., der Gemahlin des Ptolemaios IV. Philopator (222/1–205/4 v. Chr.), in einem stark konvexen Granat ist in der originalen Ringfassung erhalten (Abb. 250a, b). Die gleiche Königin ist an der leicht gebogenen, durch Münzen belegten Nase auf einem Karneol in St. Petersburg zu erkennen (Abb. 251). Beide Porträts sind in dem feierlichen, leicht erstarrt wirkenden alexandrinischen Hofstil gehalten, der sich auf Münzen des Ptolemaios II. erstmals beobachten läßt, der für das weitere 3. und das 2. Jahrhundert gültig bleibt (Kyrieleis, Ptolemäer 1975, 17f.). Innerhalb der Glyptik lassen sich im Rahmen dieses Hofstiles noch spezielle Gemmenstile erkennen: Der Granat ist im kalligraphischen Stil gearbeitet, dessen Hauptmerkmal die Verwendung schön geschwungener paralleler Linien ist. Der Karneol ist als ein durchmodelliertes, negatives Miniaturrelief gearbeitet, eine Darstellungsweise von höchster Qualität, die hier kurz „plastischer Stil“ genannt wird. Das Porträt stammt von gleicher Hand wie der von Nikandros signierte Sard in Baltimore (Abb. 252), was sich am deutlichsten bei der Behandlung der Büsten und der Wiedergabe der eng anliegenden ärmellosen Chitone mit den ungewöhnlichen rechteckigen Fibeln zeigt. Als besonderen Schmuck trägt Arsinoë III. auf dem Karneol in St. Petersburg einen mit dem Königsdiadem gebundenen Lorbeerkranz, möglicherweise ein Zeichen dafür, daß das Gemmenbild nach ihrem Tode geschaffen wurde. Postume Ehrenbildnisse seiner Mutter ließ Ptolemaios V. auch auf Münzen prägen. Einer der Stempel läßt sich der Hand des Nikandros zuweisen, was wieder an den oben genannten Merkmalen am klarsten sichtbar wird; die Kette aus sehr kleinen Perlen ist jener an der signierten Gemme sehr ähnlich (Abb. 253).

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Bei dem hier nach einer Glaspaste des 18. Jahrhunderts abgebildeten Sard des Nikandros ist das Lockentoupet wegzudenken, es ist eine Ergänzung des 18. Jahrhunderts in Gold, die den Kopf zu einer Julia Titi machen sollte. Als Werk des gleichen Künstlers muß der Sard des Nikandros in zeitlicher Nähe zu dem Karneol in St. Petersburg entstanden sein. Charakteristisch für das Profil ist die oberhalb der rundlichen Spitze leicht eingesenkte Nasenkontur; dies führt zur Identifizierung mit der auf Arsinoë III. folgenden Königin, Kleopatra I., der Gemahlin des Ptolemaios V. (204–180 v. Chr.), die von 180–176 v. Chr. die Regentschaft für ihren Sohn, Ptolemaios VI., ausübte. Die gleichen Merkmale zeigt das Profil einer Königin auf einem Granat in Boston, die mit Diadem und Herrscherbinde als Regentin bezeichnet ist (Abb. 254). Das von Lykomedes signierte Porträt einer Königin mit Herrscherbinde, die durch Haartracht und Hörnerscheibe an Isis angeglichen ist, stellt wahrscheinlich Kleopatra II., die Schwester und Gemahlin Ptolemaios VI. (180–145 v. Chr.), dar (Abb. 255). Die offen getragene Herrscherbinde deutet auf Alleinherrschaft. Im 2. Jahrhundert v. Chr., wohin die Gemme aus stilistischen Gründen gehört, hat nur Kleopatra II. ein kurze Zeit lang (131/130 v. Chr.) alleine regiert. Von Ptolemaios IX. bis Ptolemaios XI. fehlen Porträtmünzen, was die sichere Benennung von Ptolemäerporträts des 2. und frühen 1. Jahrhunderts v. Chr. behindert. Ptolemaios XII. Auletes (80–58, 55–51 v. Chr.) ist wieder von Münzen bekannt. Seinen Zügen mit der vorspringenden, stark gekrümmten Nase mit hängender Spitze und dem kleinen vorspringenden Kinn ähnelt eine Königsbüste in Panzer und Mantel im Cabinet des Médailles, Paris (Abb. 256). Bei dem Porträt eines wahrscheinlich ptolemäischen Prinzen, der in Anlehnung an einen Apollotypus die seitlich unter einen Reif gesteckte Knabenlocke trägt, weist schon der nur selten als Gemmenstein vorkommende Rubin auf den hohen Rang des Knaben (Abb. 257).

Herrscher anderer Staaten Auch die Herrscher der anderen hellenistischen Staaten ließen ihre Porträts in Gemmen schneiden. Einige Beispiele seien in chronologischer Abfolge vorgestellt. Das British Museum besitzt ein schönes Porträt des Philetairos von Pergamon (284–263 v. Chr.) in gesprenkeltem Chalcedon (Abb. 258). Der Herrscher hat nie den Königstitel angenommen, erst auf den sämtlich postumen Münzen ist er mit Lorbeerkranz und Diadem ausgestattet. Ob hieraus geschlossen werden darf, daß das diademlose Gemmenbildnis zu seiner Lebenszeit entstand, darüber sind die Meinungen geteilt. Glaspasten bewahren ein verschollenes Porträt des Prusias I. von Bithynien (230–228 v. Chr.) (Abb. 259). Nabis von Sparta (207–192 v. Chr.) ist wahrscheinlich auf einem Karneol in Boston dargestellt, der den König wie auf seinen Münzen mit den Alexanderattributen von Lorbeerkranz und Diadem zeigt (Abb. 260). Mithradates I. von Parthia (171–138 v. Chr.) trägt eine ungriechische Frisur mit langem Nackenhaar und Schnurrbart; die Enden der Königsbinde sind nicht sichtbar, was auch im griechischen Bereich vorkommt (Abb. 261). Mithradates IV. von Pontus (169–150 v. Chr.) ist trotz der fehlenden Königsbinde aufgrund der charakteristischen Gesichtszüge in einem vorzüglichen, von Nikias signierten Porträt erkennbar (Abb. 262). Das extravagante Porträt des Demetrios II. Nikator von Syrien zeigt ihn nicht nur mit dem Stierhorn (wie Abb. 227), vielmehr trägt er das Skalp eines jungen Stieres (Abb. 263). Das Porträt stammt aus der ersten

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Herrschaftsperiode des Königs (146/5–140/39 v. Chr.). Das von Demas signierte Porträt des Ariarathes VI. von Kappadokien (ca. 130–116 v. Chr.) ist mit allen Insignien östlichen und westlichen Herrschertums ausgestattet (Abb. 264 a, b). Der Rand der sehr hohen steifen Tiara ist mit Perlen besetzt, ihre Seitenlaschen sind lose unter dem Kinn verschlungen, ein Stirnband mit Kreuzmuster hält sie fest. Die Königsbinde ist um den oberen Teil der Tiara geschlungen, hängt im Nacken herab. Die Büste ist mit Ärmelhemd und Chlamys bekleidet. Ein junger Herrscher aus dem Anfang des 1. Jahrhunderts v. Chr., vielleicht Ariarathes IX. von Kappadokien (99?–87 v. Chr.), ist als Alexander-Ammon dargestellt (Abb. 265). Juba I. von Numidien (ca. 50–46 v. Chr.) trägt eine afrikanische Frisur aus Reihen gedrehter Locken, aber Königsbinde und Szepter nach griechischer Art (Abb. 266). Eine schöne junge Frau trägt die hohe, oben gezackte, mit Sternen besetzte, mit der Königsbinde umwundene Tiara von Armenien. Im Ausschlußverfahren läßt sie sich als Königin Erato identifizieren, die zur Zeit des Augustus teils mit ihrem Bruder Tigranes III., teils allein regierte. Aus der Tiara ergibt sich, daß die Gemme in der Zeit der Alleinherrschaft entstand (Abb. 267).

Nicht sicher identifizierbare Herrscherporträts Eine nicht unbeträchtliche Zahl von Gemmen stellt nach Ausweis der Königsbinde Herrscher dar. Wenn vergleichbare Münzporträts fehlen, lassen sie sich jedoch nicht sicher identifizieren. Ein Porträt eines jungen Herrschers im Cabinet des médailles wurde oft mit Ptolemaios VI. identifiziert, entspricht aber keinem seiner durch Münzen belegten Bildnistypen (Abb. 268). Schon Furtwängler sah die Ähnlichkeit des Porträts mit dem Kopf des hellenistischen Herrschers, der auf der berühmten Neisos-Gemme mit den Attributen des Zeus dargestellt ist (Abb. 269). Die nackte, schlanke Gestalt steht in Vorderansicht. Der Blick des ins Profil gewandten Kopfes ruht auf dem Blitzbündel, das die Rechte in der Pose des Weltenherrschers emporhebt. Die gesenkte Linke hält ein Schwert in der Scheide, um den Unterarm liegt die Ägis, das Handgelenk ruht leicht auf dem Rand eines von innen gesehenen Rundschildes. Ein großer, am Boden stehender Adler blickt zu dem Herrscher auf. Vorbild der Gemme war vielleicht ein Gemälde des Apelles im Tempel der Artemis von Ephesos, das Alexander d. Gr. mit dem Blitz darstellte (Plinius, nat. hist. 35, 92). Die Inschrift, die Winckelmann (Description cl. 2, 48) und seine Zeitgenossen für eine Künstlersignatur hielten, erweist sich aufgrund ihrer Schreibweise mit Querstrichen an den Hastenenden als spätere Zufügung. Offenbar ist es der Name eines Besitzers. Unbekannt ist auch die Benennung eines jungen Herrschers auf einem Ringstein in Wien, dessen Material ein frühes Beispiel für den NicoloSchnitt bietet (Abb. 270). Der gleiche Herrscher könnte mit einem sehr kleinen in flüchtigem linearen Stil geschnittenen Porträt gemeint sein (Abb. 271).

2. Privatporträts Das Porträt eines unbärtigen Mannes mit dichtem kurzen Haar ist in die alte, nahezu außer Mode gekommene Form des Skarabäoids geschnitten (Abb. 272 a-c). Das Material ist der gleiche gelbliche Chalcedon mit eingesprengtem Jaspis, der für das Porträt des Philetairos von Pergamon verwendet wurde (s. o. Abb. 258). In den gleichen Stein ist das Porträt eines Mannes

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IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

im Cabinet des Médailles, Paris, geschnitten. Trotz der unterschiedlichen Haartracht und Physiognomie sind alle drei Steine stilistisch eng verwandt, stammen vielleicht von gleicher Hand. Wegen der Mehrfarbigkeit und unterschiedlichen Lichtdurchlässigkeit des Steines läßt sich das Bild am Original nur schwer erkennen. Man erfreute sich sowohl an dieser Farbigkeit wie an dem Überraschungseffekt, wenn beim Abdruck das Bild klar hervortrat. Der Rundschild mit Gorgoneion auf der Rückseite des Skarabäoiden läßt vermuten, daß der Dargestellte ein Heerführer war. Das Porträt eines jungen Mannes mit vollen Zügen, lockigem Schläfenhaar und Bartflaum auf der Wange ist von Apollonios signiert (Abb. 273). Vom gleichen Meister kennen wir ein Porträt des Antiochos III. von Syrien (223–187 v. Chr.). Die Wahl des gleichen Gemmenschneides, den der König beschäftigte, spricht für einen hohen Rang des Dargestellten, nichts deutet jedoch darauf hin, daß es sich um einen Herrscher handelt. Der Ring wurde in Pantikapaion (Kertsch) am Schwarzen Meer gefunden, was jedoch nicht bedeutet, daß der Dargestellte in dieser Gegend gelebt haben muß. Von einem erstklassigen griechischen Gemmenschneider stammt das Porträt eines bärtigen Orientalen mit konischer Kopfbedekung; er trägt eine Chlamys, die nicht gefibelt, sondern mit einer Schlaufe gebunden ist (Abb. 274). Die Form der in stumpfem Winkel beschnittenen Chlamysbüste spricht für eine Datierung in das späte 3.–frühe 2. Jahrhundert v. Chr.; sie kommt u. a. bei dem Porträt des Philetairos von Pergamon (s. o. Abb. 258) und dem von Apollonios signierten Porträt des Antiochos III. von Syrien (s. o. zu Abb. 273) vor. Ein Mann, vielleicht ein Herrscher, mit hageren scharf geschnittenen Zügen trägt eine orientalische Mütze, deren Seitenlaschen über der Stirn verschlungen sind; um seinen Hals liegt eine vermutlich goldene Torques mit keulenförmigen Enden (Abb. 275). In der Publikation der Lewes House Collection demonstriert Beazley Form und Tragweise der Mütze. Der Überblick über eine Auswahl von Porträts hat gezeigt, daß Gemmenschneider in allen hellenistischen Reichen arbeiteten. Die gegenüber der klassischen Zeit stark gewachsene Zahl von Signaturen zeugt ebenso vom Selbstbewußtsein der Künstler wie von der Beliebtheit ihrer Werke bei den Käufern. In Alexandria, wo das Material am reichsten ist, zeigt sich, daß verschiedene Stilrichtungen, kursorische Arbeit, kalligraphischer Stil und plastischer Stil nebeneinander existieren. Das Nebeneinander von sorgfältigen und flüchtigen Arbeiten läßt sich auch in anderen Landschaften beobachten (z. B. Abb. 270, 271). Das stilistische Phänomen ist zugleich ein Indiz für die Verbreitung der Gemmen in unterschiedlichen Käuferschichten.

3. Götter, Heroen und Menschen Ein Meisterwerk frühhellenistischer Glyptik, ein Chalcedon-Skarabäoid in München mit dem Bild eines in Vorderansicht stehenden jugendlichen Eros, der Blitz und Ägis des Zeus hält, ist erst seit wenigen Jahren bekannt (Abb. 276). Er entstand bald nach der 350 v. Chr., wie Gertrud Platz-Horster aufgrund von Stil und Steinform gezeigt hat. Die alexanderhaften Züge des aufwärts gewandten Kopfes lassen es möglich erscheinen, daß im Bild des Eros, der zeusgleiche Macht besitzt, der junge Alexander dargestellt ist. Eine Analogie bietet ein unter Philipp II., kurz vor 336 v. Chr., geprägter Goldstater, der einen Apollonkopf mit Zügen Alexanders zeigt. Als etwas späteres Werk läßt sich ein Granat in Wien anschließen, dessen

B. INTAGLIEN

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Form, ein durchbohrter Quader, eine wohl aus der graeco-persischen Glyptik übernommene Modeerscheinung der Zeit ist. (Abb. 277 a, b). In die Breitseiten sind in virtuosem Stil (s. u. Abb. 281) die jeweils durch einen Stern bezeichneten Dioskuren eingeschnitten. Trotz der insgesamt lysippischen Proportionen ist Polydeukes, der Faustkämpfer, durch einen kräftigeren Körperbau als sein Zwillingsbruder Kastor, der Läufer, charakterisiert. Ein Chortänzer eines Satyrspiels, der sich gerade die bekränzte Maske aufsetzt, ist eine meisterhafte, außerordentlich fein ausgearbeitete Miniaturskulptur im Negativschnitt, die sich in direktem Vergleich mit Rundplastik datieren läßt (Abb. 278). Der muskulöse Schauspieler trägt den traditionellen Fellschurz der Theatersatyrn, an seiner Schulter lehnt ein bebänderter Thyrsos, den er im Tanz schwingen wird. Die Gemme aus der Sammlung Stosch gehörte zu jenen Stücken anhand derer Lorenz Natter dem antiken Gemmenschnitt nachspürte (Abb. 972). Im 3. Jahrhundert v. Chr. kommen große stark konvexe Ringsteine in Mode, die in große Goldringe gefaßt waren. Ein im Ring erhaltenes Beispiel ist ein Sardonyx mit dem Bild des auf eine Säule gestützten Achill, der sinnend seine neuen, von Hephaistos gefertigten Waffen betrachtet; er weiß aus der Prophezeiung seiner Mutter (Il. 18, 95f.), daß er großen Ruhm erlangen, aber auch daß er fallen wird, wenn er mit ihnen in den Kampf zieht (Abb. 279). Auf einem schönen Amethyst in Tarragona spielt Herakles weit ausschreitend, mit leicht zurückgelegtem Kopf die Leier (Abb. 280). Der Kopf des über die zurückliegende Schulter geworfenen Löwenfells fällt über die Schulter, die herabhängenden Tatzen rahmen den muskelstrotzenden Körper des Heros. Die um das vordere Horn der Leier geknüpfte Königsbinde bezeichnet den Heros als Schutzgott eines Herrschers; wahrscheinlich eines Ptolemäers, da diese ihr Geschlecht auf Herakles zurückführten (s. o. S. 61). Die „Signatur“ des Skylax ist eine Zufügung des 18. Jahrhunderts, die durch den motivgleichen Kameo des Skylax angeregt wurde (s. u. zu Abb. 483). Wie die nackten Männergestalten, lassen sich auch bekleidete Figuren von Frauen durch den Vergleich mit Rundplastik datieren, wobei allerdings spezielle Gemmenstile zu beachten sind. Die helmbetrachtende Athena auf einer hellgrünen Glasgemme ist eine frühhellenistische Umbildung einer Athena des Phidias, die als Weihgeschenk der Lemnier auf der Akropolis zu Athen stand (Abb. 281). Die schlanke hochgegürtete Gestalt, läßt sich mit Werken des späten 4. Jahrhunderst vergleichen, hat noch nicht den kleinen Kopf, die überlängten Proportionen späterer Frauendarstellungen auf Gemmen. Die Athena vertritt eine Stilrichtung, die durch meisterhafte Sicherheit bei teilweise bewußt skizzenhafter Ausführung von Details, etwa des Gorgoneions auf dem Schild, charakterisiert ist. Es handelt sich um einen typischen Gemmenstil, den man kurz den virtuosen Stil nennen könnte. Etwa gleichzeitig dürfte eine Wiedergabe des gleichen Motivs im plastischen Stil sein (Abb. 282). Die Proportionen lassen sich nicht sicher beurteilen, da der untere Teil des Intaglios fehlt. Interessant ist ein Detail des korinthischen Helms in der Hand der Göttin: zwischen Stirn- und Nackenschild hängt die Lasche einer persischen Mütze heraus. Elfriede R. Knauer konnte nachweisen, daß die Kombination von korinthischem Helm und Mütze nach den Perserkriegen als Symbol des griechischen Sieges geschaffen wurde. Darf man aus der Gemme schließen, daß auch der Helm der ca. 445 v. Chr. geschaffenen Athena Lemnia diese Form hatte? Abzusehen ist von der im 18. Jahrhundert hinzugefügten „Signatur“. Der Graveur, der dem Fragment damit einen höheren Wert verleihen wollte, wurde angeregt durch die echte Signatur des Onesas

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IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

auf einer schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts publizierten Glasgemme mit einer Muse, die ihre Leier stimmt (Abb. 283). Die Muse lehnt an einer Säule, auf der eine Gewandstatue steht. Vom gleichen Künstler stammt eine Heraklesbüste im Lorbeerkranz, deren Profil Tetradrachmen des Ptolemaios I. mit Alexander im Elefantenskalp ähnlich ist. Gelon signierte eine vom Rücken gesehene, bis auf den um die Beine geschlungenen Mantel nackte Aphrodite, die Lanze und Schild des Ares aufnimmt (Abb. 284). Es ist eine frühe, wenn nicht die früheste Wiedergabe des Motivs der Aphrodite mit Waffen in Rückansicht, eines Motivs, das vielleicht von einem Gemmenschneider erfunden wurde. Der im antiken Ring erhaltene Granat kommt aus einem zwar nicht regulär ausgegrabenen, aber rekonstruierbaren Grabzusammenhang aus dem 3. Viertel des 3. Jahrhunderts v. Chr. Eine Isis-Tyche in Köln kann als Musterbeispiel für den alexandrinischen kalligraphischen Stil angeführt werden (Abb. 285). Die Figur ist in einen stark konvexen Almandin, einen leicht violetten Granat, geschnitten; das Bild wirkt daher in der Photographie leicht gestaucht. Die Göttin steht in Vorderansicht, das linke Bein über das rechte kreuzend, neigt den Kopf zur Seite mit Blick auf die von der Rechten gehaltene Blüte. Der linke Arm ruht auf einer Säule, hält ein Füllhorn von typisch ptolemäischer Form mit geriefeltem Rand. Über dem Chiton ist das für Isis typische Fransentuch auf der Brust geknotet, sein hinterer Saum hängt seitlich bis zum Knöchel herab. Den Scheitel schmückt die Isiskrone aus Kuhgehörn und Sonnenscheibe. Stilbestimmend sind die schön geschwungenen parallelen Linien und die feinen Rundperlpunkte. Der Vergleich mit dem Porträt der Arsinoë III. in Wien (Abb.250) macht eine Datierung gegen Ende des 3. Jahrhunderts wahrscheinlich. Gegen Ende des 3. bis um die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. sind große hochovale Steine, meist mit konvexer, aber auch flacher Bildseite in Mode, die in entsprechend große Ringe gefaßt waren. Die hochovalen Bildfelder schaffen den Raum für schlanke, überlängte Figuren mit verhältnismäßig kleinen Köpfen. Auf einem Karneol im Cabinet des Médailles lehnt eine junge Frau mit auf dem Scheitel hochgebundenem Haar an einer Säule; sie hält ein bindengeschmücktes Szepter und ein von der Königsbinde umschlungenes Doppelfüllhorn, das seit dem zweiten Ptolemäerpaar Abzeichen der Dynastie ist (Abb. 286). Marie-Louise Vollenweider hat einleuchtend vermutet, daß hier nicht die Göttin Tyche, sondern eine ptolemäische Königin gemeint ist. Die vorgeschlagene Datierung, um 80 v. Chr., ist allerdings aus stilistischen Gründen zu spät. Auf einem Karneol ähnlicher Form in Oxford hält die in eleganter Pose mit übergeschlagenem Bein an einer Säule lehnende Frau einen Thyrsos in der Armbeuge; sie gehört also zum Kreis des Dionysos; da sie eine Stephane im Haar trägt wie Göttinnen und Königinnen, muß es sich um Ariadne handeln (Abb. 287). Die Geste der Rechten, die den Mantel öffnet, deutet das Entschleiern der Braut an. Die in einem ganz flüchtigen linearen Stil geschnittene Muse mit Doppelflöten ist nicht notwendig später, gehört jedenfalls ebenfalls in das 2. Jahrhundert v. Chr. (Abb. 288).

4. Büsten und Köpfe Auf einem großen Sardonyx in Florenz ist Apollo in dem auf beiden Schultern geschlossenen Peplos des Kitharöden dargestellt (Abb. 289). In den klassischen Gesichtszügen deuten nur das weitgeöffnete Auge mit dem betonten Pupillenpunkt und die leicht geöffneten Lippen innere Bewegung, die Ergriffenheit des Gottes von der Musik an. Das verhaltene Pathos

B. INTAGLIEN

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entspricht dem alexandrinischen Hofstil der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. Wenn für Apollo klassische Züge gewählt wurden, so waren dem Meeresgott hellenistische Merkmale angemessen (Abb. 290). Die stark vorgebaute Stirn, der geöffnete Mund, die wehenden Haare, die Schuppen (oder Tang) auf der vom Rücken gesehenen Büste zeigen sein elementares Wesen an. Der gleichen Stilrichtung gehört der junge, aus den Wellen auftauchende Flußgott an, dessen gesträubtes Stirnhaar ein nun allgegenwärtiges Motiv aus der Alexanderikonographie übernimmt (Abb. 291). Im 18. Jahrhundert galt der Typus als Leander, der über den Hellespont zu seiner Geliebten Hero schwimmt. Weniger bewegt, aber gleichfalls hochpathetisch ist der Kopf des Herakles mit dem übergroßen Auge im Pinienkranz (Abb. 292). Die besten Gemmenschneider der Zeit betrachteten es als hervorragendes Zeugnis ihrer Kunst, Köpfe in Dreiviertelansicht in relativ kleinen Steinen darzustellen. Die Büste des Zeus-Ammon gibt das Bild des Orakelgottes der Oase Siwa in der Gestalt des griechischen Zeus mit dem Widderhorn des Amun (griech. Ammōn) wieder (Abb. 293). Der Besuch seines Heiligtums durch Alexander, der bei dieser Gelegenheit von den Priestern als Sohn des Gottes anerkannt wurde, verbreitete den Ruhm des Gottes in der ganzen damaligen Welt. In der Folge wird Alexander mit dem Ammonshorn dargestellt, was auch spätere Herrscher übernehmen (s. o. Abb. 265). Hauptgott des ptolemäischen Alexandria ist der Unterweltsgott Sarapis. Seine fast frontal geschnittene Büste ist von der Hand mehrerer Gemmenschneider überliefert. Natter hat den Typus ebenso kopiert wie den Hundekopf des Gaios und dabei die antike Technik nachvollzogen (s. u. Abb. 971). Die Büste aus altkurbrandenburgischem Besitz in Berlin ist in einen klaren, bikonvexen Karneol geschnitten (Abb. 294). Ptolemaios I. Soter (322–283 v. Chr.) hat die von Bryaxis geschaffene Kultstatue aufstellen lassen. Sie stellte den Gott ähnlich dem Hades, mit Kerberos zu seinen Füßen dar. Der bärtige, mild blickende Gott trägt über dem gesträubten Stirnhaar eine korbähnliche Götterkrone, den von Olivenblättern umgebenen Kálathos (lateinisch Modius). Sarapis ist, als die hellenisierte Gestalt des Osiris– Apis, Gemahl der Isis, die ebenfalls in das griechische Pantheon aufgenommen wurde. Ihre in Karneol geschnittene Büste zeigt sie mit der traditionellen Krone aus Kuhgehörn und Federn, überraschenderweise aber zusätzlich mit Efeuranken geschmückt: Die Macht der großen Göttin umfaßt auch das Dionysische (Abb. 295). Die schräg hochgezogenen Brauen sind ein Leitmotiv des hellenistischen Stiles, dürfen jedoch auch inhaltlich als Ausdruck der Trauer um Osiris gedeutet werden, die wesenseigenes Merkmal der Göttin ist. Ein Meisterwerk des Tiefschnitts ist der Hundekopf des Gaios (Abb. 296). Der Stein ist ein tiefroter Granat, dessen leicht bläulicher Schimmer an dem stark eingetieften Hundemaul zumVorschein kommt, so daß es feucht wirkt. Tiefschnitte wie dieser werden beim Betrachten gleichsam lebendig, der Kopf scheint sich hin und her, das aufgerissene Maul, in dem Zunge und Zähne sichtbar sind, auf und ab zu bewegen. Der Hund trägt das Stachelhalsband eines Hirtenhundes; die Stacheln können gleichzeitig als Strahlen verstanden werden, die ihn als Sirius, den Hundsstern bezeichnen, der die Sommerhitze ankündigt. Die Buchstaben der Signatur haben kleine Rundperlpunkte an den Hastenenden, die nicht dicker sind als die Hasten selbst (im Gegensatz zu den dickeren Rundperlpunkten bei Dioskurides und seiner Zeitgenossen, s. u. XIII B). Der Meister ist nach Stil und Schreibweise Grieche. Römische Vornamen (praenomina) und Beinamen (cognomina) sind seit hellenistischer Zeit im griechischen Osten als Einzelnamen in Mode (s. u. 109f.). Ein glücklicher Zufall will es, daß unter den rund 20 Signaturen auf Siegelabdrücken von Delos

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IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN X. GEMMENSCHNEIDER ALS MÜNZSTEMPELSCHNEIDER

auch zwei Abdrücke desselben Siegels mit der Signatur Gaios vorkommen. Der in eine flache Oberfläche geschnittene angelehnte Apollo läßt sich stilistisch nicht mit dem tiefgeschnittenen Hundekopf vergleichen, jedoch ist gut möglich, daß Gaios wie Boëthos und die Meister des 1. Jahrhunderts v. Chr. Flach- und Tiefschnitt gleichermaßen beherrschte (s. Abb. 243 u. S. 115, 118).

X. GEMMENSCHNEIDER ALS MÜNZSTEMPELSCHNEIDER Außer dem kleinen Format verbindet ein weiterer Umstand Gemmen und Münzen miteinander. Münzen werden aus vertieft geschnittenen Ober- und Unterstempeln geprägt. Die Stempel sind also Siegeln ähnlich, das positive Relief der Münzen entspricht dem Abdruck in Ton oder Wachs. Andererseits gibt es charakteristische Unterschiede zwischen Münzen und Gemmen. Während Gemmen in der Regel zur privaten Sphäre des antiken Menschen gehören, sind Münzen öffentliche Dokumente; dies ist von Bedeutung für die abgebildeten Motive und ihre Deutung. Für die Technik der Herstellung ist ein anderer Unterschied wichtig: Münzstempel bestehen aus Bronze oder Eisen, sie können anders als die üblichen Gemmensteine aus freier Hand graviert werden. Kleine regelmäßige Muster lassen sich mit Punzen einschlagen. Gleichmäßig gebogene Linien können auch in dieser Technik erzielt werden, indem der Ziseleur nicht die Graviernadel bewegt, sie vielmehr mit der Hand fixiert und das auf einer beweglichen Unterlage festgekittete Werkstück dreht. Eine Drehbank war also zur Herstellung von Münzstempeln nicht unbedingt erforderlich (Hill 1922, 18f.; Moesta – Franke 1995, 94); daß sie viele Arbeitsvorgänge erleichtern konnte, ist keine Frage. In der Tat lassen sich neben Spuren freihändiger Arbeit immer wieder solche von rotierenden Werkzeugen beobachten. Oft spricht schon die Exaktheit und Glätte der Einzelformen für die Verwendung eines mechanischen Werkzeugs. Ein Münzstempelschneider, der eine Drehbank benutzte, muß die gleiche Ausbildung gehabt haben wie ein Gemmenschneider. Die Annahme liegt nahe, daß Gemmenschneider von Fall zu Fall auch Münzstempel schnitten. Nachweisen läßt sich dies nur selten, was zumindest einen Grund im Unterschied der beiden Gattungen hat: Derselbe Gemmenschneider, der ein Gemmenbild in zartem Relief, mit feinster Binnenzeichnung schneiden würde, mußte einen Münzstempel kräftiger gravieren, wenn der Abschlag ein deutliches Bild zeigen sollte. Ein Ausnahmefall ist der des spätklassischen Meisters Phrýgillos, für den sich aufgrund einer ausreichend breiten Materialbasis nachweisen läßt, daß er Gemmen und Münzstempel schnitt. Bis vor wenigen Jahren war nur ein einziges signiertes Werk von seiner Hand bekannt: Ein

X. GEMMENSCHNEIDER ALS MÜNZSTEMPELSCHNEIDER

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Intaglio mit dem Bild eines am Boden kauernden kindlichen Eros (Abb. 297). Seine Haltung erweist ihn als Knöchelspieler, doch die hinter ihm liegende Muschel, die seine Knöchel enthielt, ist leer; mit der Rechten hat er gerade seinen letzten Knöchel geworfen und verloren: der Liebesgott ist besiegt. Der Stein ist nur in Abgüssen bekannt, das Original, ein Karneol, vermutlich in der Form des Skarabäoids, befand sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts in der Sammlung von Francesco Vettori zu Rom, später in jener des Duc de Blacas, war jedoch nicht unter den 1867 vom British Museum erworbenen Gemmen dieser Sammlung. Ein KarneolSkarabäoid in Boston mit Theseus, der die Sau von Krommyon bezwingt, läßt sich derselben Hand zuweisen. 1981 wurde ein zweiter Stein mit der Signatur des Phrygillos bekannt: ein Chalcedon-Skarabäoid mit dem Bild des Herakles, der mit dem delphischen Dreifuß nach links eilt (Abb. 298). Einem Mantel gleich breitet sich das Löwenfell hinter seinem Rücken aus; die Behaarung der Außenseite wird in sehr fein gravierten Schnitten an der Fellkante sichtbar. Der Löwenschwanz endet in einem züngelnden Schlangenkopf, stammt doch der nemeische Löwe von der schlangenleibigen Échidna ab. Der Held hat das heilige Gerät geraubt, um seine Entsühnung zu erzwingen. Die Gestalt ist Ausschnitt aus einer Gruppe, in der Apollon den Räuber verfolgt; ihm gilt die Drohgebärde der hochgeschwungenen Keule. Der archaisierende Stil des Gemmenbildes ahmt ein archaisches Vorbild nach, dem ein Bandachat-Skarabäus aus dem letzten Viertel des 6. Jahrhunderts zeitlich nahesteht (s. o. Abb. 114). Die völlig klassisch gebildete, in Dreiviertelansicht gegebene Brust- und Bauchmuskulatur zeigt, daß die Heraklesgemme wie das Erosbild im letzten Viertel des 5. Jahrhunderts v. Chr. entstand. Die Signatur Phrygillos verläuft hier von unten nach oben im freien Raum links. Aufgrund bestimmter charakteristischer Merkmale, vor allem dem dreiecksförmigen Profil und dem kugeligen Auge, ließ sich nachweisen, daß es derselbe Phrygillos war, der Münzen von Syrakus teils mit vollem Namen, teils mit der Abkürzung Phry signierte (Abb. 299). Phrygillos arbeitete auch für Thurioi, wo er mit Phry und Ph signierte (Abb. 300, 301, 302). Zuweilen setzte er unter den Stier der Rückseitenbilder als redendes Wappen einen Vogel (Abb. 303). Phrygílos war der Name eines Vogels, von dessen Aussehen allein diese Münzbilder Kunde geben; seine Art läßt sich nicht sicher bestimmen. Dem hellenistischen Gemmenschneider Nikandros, der einen Sard mit dem Porträt Kleopatras I., der Gemahlin von Ptolemaios V. (204 -180 v. Chr.), signierte (Abb. 252), ließ sich sowohl eine Gemme wie ein Münzstempel mit dem Porträt der Vorgängerin von Kleopatra I., Arsinoë III., der Gemahlin von Ptolemaios IV. (222/1–205/4 v. Chr.), zuweisen (Abb. 251, 253). Der Kopf des Jupiter Ammon auf einer Glasgemme in Wien (Abb. 304) zeigt in der Art, wie das Haupthaar in sanften Wellen mit zarter Binnengravur, die Bartlocken mit eingerollten Enden wiedergegeben sind, die gleiche Handschrift wie ein 42 v. Chr. von Q. Cornuficius geprägter Denar (Abb. 305). Der Gemmen- und Münzstempelschneider gehörte nach seinem Stil zu den griechischen Meistern, die in jener Zeit für Römer arbeiteten (s. XIII), benennen läßt er sich nicht. Die hockende Sphinx auf Cistophoren des Augustus von 27/26 v. Chr. (Abb. 306) dürfte von gleicher Hand stammen wie zwei liegende Sphingen auf Intaglien in Hannover (Abb. 307) und Rom sowie eine weihrauchspendende Victoria am Dreikönigenschrein (Abb. 308). Übereinstimmend ist die Wiedergabe der Gesichter und insbesondere der Flügel mit der ungewöhnlichen Binnenzeichnung der flockigen Deckfedern und der Punktkette für den zurückliegenden

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X. GEMMENSCHNEIDER ALS MÜNZSTEMPELSCHNEIDER IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Flügel, wobei an dem Münzstempel alles kräftiger eingeschnitten war als an den Gemmen. Andere Fälle, für welche die Identität von Gemmen- und Münzstempelschneider erwogen wurde, erweisen sich als eher unsicher. Chr. Scherer, dem Furtwängler und Seltman folgten, nahm an, die Signatur ΟΛΥΜ bzw ΟΛΥ auf Münzen des arkadischen Bundes, die zwischen etwa 369 und 362 in Megalopolis geprägt wurden, sei die des Gemmenschneiders Olympios (Abb. 171). Wahrscheinlicher ist jedoch, daß es sich wie bei dem am Anfang der Serie vorkommenden ΧΑΡΙ um die Signatur eines Beamten handelt (Gerin 1986). Gisela M. A. Richter vermutete aufgrund der Ähnlichkeit der von Sosias signierten Achatgemme in Neapel mit syrakusanischen Tetradrachmen, Sosias sei ebenfalls Münzstempelschneider gewesen oder habe zumindest in der Nähe der syrakusanischen Meister gearbeitet. Dagegen wandte Boardman zu Recht ein, daß die Ähnlichkeit hauptsächlich im Motiv liege und kein Grund zur Annahme bestehe, Sosias habe im Westen gearbeitet. Die breite Form des Omega ist ionisch. Eine engere Verbindung scheint zwischen dem Bild des mit dem Löwen ringenden Herakles auf einem Karneol in New York, der in der Nähe von Catania gefunden wurde, und Münzrückseiten von Syrakus zu bestehen. Überdies ist die runde Form des Steines ungewöhnlich. Sir Arthur Evans vermutete, daß es sich um ein offizielles Stadtsiegel gehandelt habe. Dieselbe Hand läßt sich jedoch, soweit ich sehe, bei den Münzen nicht nachweisen. Der Gemmenschneider muß folglich nicht zugleich Münzstempelschneider gewesen sein, er kann einfach das Münzbild kopiert haben. Problematisch ist auch die Vermutung, den hellenistischen Gemmenschneidern Nikias und Apollonios Münzstempel zuzuweisen (Vollenweider 1980). Die auf Münzen von Antiochos III., dessen Porträt in Granat Apollonios signiert hat, und des Perseus von Makedonien vorkommenden Monogramme ΑΠΟ bzw. ΝΚ sind nur zwei unter vielen; sie werden in der Numismatik als Signaturen von Münzbeamten gedeutet. Hinzu kommt, daß diese Monogramme auf Münzrückseiten stehen, die für den Stilvergleich unergiebig sind, eine Identifizierung der Stempelschneider mit den Gemmenschneidern daher den Umweg über die Zuweisung unsignierter Vorderseiten an die Gemmenschneider nehmen muß. Ähnlich unsicher ist die Identifizierung des hellenistischen Gemmenschneiders ΣΩΣ[ις], Sōs[is], mit einem Stempelschneider in Syrakus (Pantos 1987). Die dort vorkommenden Monogramme ΣΩ und Σο sind weder mit Sicherheit auf dieselbe Person zu beziehen noch als Signaturen deutbar.

V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

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XI. ETRUSKISCHE GEMMEN A. SKARABÄEN Die kunstliebenden Etrusker importierten Spitzenprodukte des griechischen Kunsthandwerks: Vasen aus Athen und Skarabäen aus Ionien. Sie mußten die archaischgriechischen Skarabäen aus hartem Stein um so mehr bewundern, als ihnen die Kunst des Gemmenschneidens unbekannt war. Zahlreiche Fundstücke aus etruskischen Nekropolen belegen die Begeisterung der Etrusker für diese kleinen Kunstwerke. So stammen zum Beispiel die Skarabäen Abb. 89 und 92 aus Orvieto bzw. aus der Nekropole von Falerii. Für die Hochschätzung griechischer Skarabäen spricht auch, daß sogar ein stark beschädigtes Exemplar mit einer kostbaren goldenen Ringfassung versehen und das fehlende Stück durch Goldspiralen ersetzt wurde (Abb. 309). Wie oben dargelegt, führten im letzten Drittel des 6. Jahrhunderts v. Chr. eingewanderte ionisch-griechische Gemmenschneider die Kunst des Gemmenschneidens in Etrurien ein (s. o. V E). Für die Griechen hatte das Siegelbild vorrangige Bedeutung, so daß nicht selten ein Skarabäus mit vorzüglichem Bild einen flüchtig geschnittenen Rücken hat. Die Etrusker betrachteten die Skarabäen als Schmuck, legten Wert auf die gleich gute Gestaltung von Käfer und Bild und gaben den Skarabäen prächtige Goldfassungen. Zwar kannte man Fälle, in denen eindeutig der Abdruck seitenrichtig ist, doch war lange unsicher, ob die Etrusker ihre Skarabäen überhaupt zum Siegeln benutzten. Inzwischen sind in dem Tempelarchiv von Karthago Abdrücke von etruskischen Skarabäen aufgetaucht.

Text-Abb. 5: Typen etruskischer Skarabäen Zeichnung von Christiane Koken, Berlin

Die Etrusker hielten länger an der Form des Skarabäus fest als das griechische Mutterland. Bei Skarabäenrücken des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr., die sich durch Flügelchen (A), Relief(B) oder Gravurdreiecke (C) in den Flügelecken, zuweilen durch zusätzliche Ornamente auszeichnen, ist die Basis in der Regel mit Ornament geschmückt (A, B, C); am häufigsten ist es ein Strichband, auch Zungen- und Fischgrätenmuster, sowie in wechselnder Richtung gestreifte Dreiecke kommen vor. Dem 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. gehören Skarabäen meist von länglicher Form an, bei denen der Schmuck der Flügelecken zu ein- bis vierfachen Schrägstrichen vereinfacht ist (D). Käfer mit schmucklosen Basen und Flügelecken sind

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XI. ETRUSKISCHE GEMMEN

meist in das 3. Jahrhundert v. Chr. zu datieren (E). Die Bilder sind in der Regel von einem Strichrand gerahmt, einige spätarchaische Beispiele haben eine Punktkette. Als Material wird Karneol von tief orangeroter Färbung bevorzugt. Er ist von so gleichbleibend schöner Qualität, daß Boardman wohl zu Recht vermutet, daß die Etrusker oder ihre Lieferanten das Rohmaterial durch Erhitzen verschönerten. Diese Technik war im Indusgebiet seit langem bekannt (s. u. XXII D). Wie die Form des Skarabäus so bewahrten die Etrusker auch lange archaische und frühklassische Bild- und Stilelemente aus ihrer „Lehrzeit“ und bildeten sie nach ihrem Geschmack um. Neues wird von Fall zu Fall aufgenommen, ohne daß eine dem Griechischen vergleichbare Entwicklung des Stiles stattfände. Anhaltspunkte für die Datierung geben die Käferrücken, sowie unter Umständen Goldfassungen, hauptsächlich jedoch die jeweils jüngsten Merkmale griechischen Einflusses. Schließlich ergibt sich aus der Verknüpfung verwandter Skarabäen eine gattungsinterne Chronologie. Funde in datiertem Zusammenhang bieten Anhaltspunkte für die Datierung, allerdings ist zuweilen mit einer langen Bewahrzeit zu rechnen.

1. Um 530 bis Mitte 5. Jahrhundert v. Chr. Der erste Gemmenschneider, dessen Stil als etruskisch bezeichnet werden kann, ist der „Meister des Dionysos in Boston“. Namengebendes Stück ist ein Pseudoskarabäus in Boston, auf dessen Rücken ein laufender Dionysos in Relief geschnitten ist (Abb. 310 a, b). Das bärtige Gesicht mit den großen Augen ist maskenartig in Vorderansicht gewendet; in der Rechten hält der Gott ein Trinkhorn, in der Linken eine Weinrebe, die sich über seinen Kopf biegt und bis oberhalb der rechten Ferse herabhängt. Die vertiefte Darstellung der Bildseite wird von einem Punktrand gerahmt, in wechselnder Richtung parallelgestreifte Dreiecke füllen das Bodensegment. In das kleine Oval von 1,30 x 1,00 cm Größe sind vier Figuren geschnitten, die den Raum fast völlig ausfüllen. Die mächtige Gestalt des muskelstrotzenden Herakles im Löwenfell überragt alle anderen. Weit ausschreitend packt er einen kleinen alten Mann mit gebeugtem Rücken und einknickenden Knien an der Rechten; Einhalt gebietend, zum Sprechen bereit hebt der Alte die Rechte. Es ist das Ende des Kampfes mit Nereus, dem vielgestaltigen Meergreis, der von Herakles gezwungen werden mußte, ihm den Weg zum Garten der Hesperiden zu beschreiben. Hinter Herakles steht seine Schutzgöttin Athena in schlangenbesetzter Ägis, die Lanze in der Rechten, die Linke beistandspendend erhoben. Hinter Nereus hält seine Gemahlin Doris (oder Hera) eine Blüte in zierlich gespreizter Hand empor. Der Stil des Meisters ist sehr charakteristisch: unverkennbar sind die gedrungenen, fest auf dem Boden stehenden Figuren, die großen Köpfe mit schwerem Kinn, die ebenfalls großen, ausdrucksvollen Händen und die Vorliebe für feine Rundperlarbeit. Acht Werke konnten ihm zugewiesen werden. Der Lehrer des Meisters kam wahrscheinlich aus einer bisher durch drei Skarabäen belegten ostgriechischen Werkstatt (Spier 2000). Einer der schönsten und wohl der berühmteste etruskische Skarabäus zeigt in einem Oval von 1,62 x 1,27 cm eine geschickt komponierte Fünfergruppe (Abb. 311a, b). Der 1742 erstmals publizierte Skarabäus kam 1755 in den Besitz von Philipp von Stosch; damals war er schon in Höhe der Durchbohrung waagrecht in zwei Teile zersägt, die so entstandene Scheibe mit dem

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Bild und der Käferrücken waren getrennt in Goldringe gefaßt. Die Fassung des Käferrückens ist erhalten. Der Käfer ist mit größter Sorgfalt gearbeitet. Glatt und glänzend heben sich Augen und Fühler von dem gepunkteten Kopfteil ab; der von einem feinen Strichband gerahmte Prothorax ist mit einer Volutenpalmette geschmückt; in den Zwickeln der doppelt gerahmten Flügeldecken sitzen kleine Flügelchen mit doppelter Federreihe; die Beine sind in Relief ausgearbeitet, leider gingen sie beim Zersägen teilweise verloren. Im Bildfeld sind fünf der sieben Helden, die auszogen, um Thebens Thron für Polyneikes zurückzuerobern, in düsterem Sinnen versammelt. Der Seher Amphiaraos hat ihnen den unglücklichen Ausgang des Krieges vorhergesagt. Die Namen sind in ihrer etruskischen Form beigeschrieben. Drei sitzende und zwei stehende Helden bilden, durch zwei senkrecht stehende Lanzen markiert, eine Dreierund eine Zweiergruppe; durch die einander zugeneigten Köpfe werden die Gruppen jedoch zwei zu drei verschränkt. Amphiaraos (ΑΜΦΙΑΡΕ) sitzt, auf seine Lanze gestützt, in der Mitte, zu seinen Seiten der ganz in den Mantel gehüllte, sein Knie umfassende Parthenopaios (ΠΑΡΘΑΝΑΠΑΕΣ) und der sein Haupt auf die Hand stützende Polyneikes (ΦΥΛΝΙCΕ). Hinter Polyneikes steht Tydeus (ΤΥΤΕ) mit Panzer und Helm gerüstet, doch gesenkten Hauptes sinnend auf seine Lanze gestützt. Nur Adrastos (ΑΤΡΕΣΘΕ), der Heerführer, ist in Aktion: Er hält zum Aufbruch bereit die Lanze gepackt, schwingt den Schild empor, er wird schließlich die Helden doch zum Kampf führen; der Betrachter wußte, daß er als einziger heimkehren würde. Man hat vermutet, der Gemmenschneider habe die Anregung zu seiner Darstellung über eine mitgebrachte Zeichnung von einem griechischen Gemälde erhalten; jedoch haben wir weder eine Nachricht von einem solchen Gemälde, noch erinnert die Komposition an große Malerei. Der Gemmenschneider dürfte vielmehr seine Vorlagen auf attischen Vasen gefunden haben, wie dies auch für etruskische Spiegelgraveure erschlossen wurde. Dort konnte er Vorbilder sowohl für die Staffelung seiner Gruppe, wie für die Einzelfiguren finden. Die Typen des ausschreitenden Kriegers mit Lanze und Schild und des auf einen Stab gestützt Stehenden sind alt. Die drei Sitzfiguren im Vordergrund variieren Haltungen, die seit etwa 500 v. Chr. in Bildern der Gesandtschaft an Achill vorkommen. Der Gemmenschneider wird Vasen wie den in Cerveteri gefundenen Kelchkrater des Eucharidesmalers gekannt haben; vermutlich auch eine der ausführlicheren Darstellungen, bei denen außer dem Knie-Fassenden und dem Kopf-Stützenden auch ein auf den Stab gestützter sitzender Heros vorkommt. Ein Skarabäus in Paris gibt die Gruppe des Skarabäus aus der Sammlung Stosch auf vier verkürzt wieder. Andere Skarabäen zeigen Variationen des PolyneikesTypus. Sie sind meist unbenannt, zweimal durch Beischriften als Achill bzw. Theseus bezeichnet. Es besteht kein Anlaß zur Annahme, diese Beischriften seien ohne Verständnis des griechischen Mythos beliebig gesetzt. Vielmehr verwenden die Etrusker den gleichen Typus für die Darstellung verschiedener trauernder Helden, wie dies im übrigen auch die Griechen tun. Auch der Typus des Adrast kommt mehrfach vor. Soweit diese Skarabäen nicht aus der gleichen Werkstatt kommen, ist anzunehmen, daß die Motive innerhalb der Werkstätten durch die Vermittlung von Abdrücken Verbreitung fanden. Der Stil des FünfHeroen-Bildes weist deutlich etruskische Eigentümlichkeiten auf. Hierzu zählen die im Verhältnis zum Körper großen Köpfe, die Gestaltung der teils archaisierend langen, teils in einem Lockenwulst endenden parallelgestreiften Haare, sowie die besondere Vorliebe für

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die Verwendung von Rundperlzeigern. Auch die Benennung der Figuren durch Inschriften ist eine etruskische Eigenheit, die von attischen Vasen, nicht von griechischen Gemmen übernommen ist (eine Ausnahme: S. 48 Abb. 136). Dagegen kommen Besitzernamen oder Signaturen im Gegensatz zur griechischen Glyptik nicht vor. Der Typus des auf die Lanze gestützten Amphiaraos begegnet auch mit aufwärts gewandtem Kopf. Auf einem Skarabäus aus quergestreiftem Sardonyx in Bologna, der 1737 bei Bolsena gefunden und im gleichen Jahr publiziert wurde, sitzt Odysseus (VTVSE) in dieser Haltung auf einem Klappstuhl. Achilles (ACHELE) steht zum Gehen gewandt, mit Helm, Schild und Speer gewappnet, blickt zu Odysseus zurück (Abb. 312). Gemeint ist jene Szene der Ilias, da Achill nach dem Tode des Patroklos, gerüstet mit den neuen von Hephaistos gefertigten Waffen, in der Versammlung der Achäer aufsteht und zu sofortigem Kampfe ruft, während Odysseus zur Besonnenheit mahnt (Ilias 19, 40ff.). Achills Ungeduld ist auf einfache, aber deutliche Weise durch die Schrittstellung nach links ausgedrückt. Beide kamen da angehinkt, die Genossen des Ares, Tydeus‘ Sohn, der standhafte Held, und der edle Odysseus, Sich auf die Lanze stützend; sie hatten noch schmerzliche Wunden, Kamen und setzten sich nieder im Rat in der vordersten Reihe... Aber nachdem die Achäer dann alle versammelt, Stand unter ihnen auf und sprach der schnelle Achilleus:...

(Il. 19, 46–50, 54–55, Übersetzung R. Hampe)

Das Skarabäenbild ist ein weiteres Beispiel dafür, wie es der etruskische Künstler versteht, eine bestimmte Szene des Mythos aus Figurentypen zusammenzustellen. Stilverwandt ist die Szene vom Kampf des Herakles gegen den Wegelagerer Kyknos, einen Sohn des Ares (Abb. 313). Die Namen sind beigeschrieben. Das Kampfschema ist von griechischen Vasenbildern übernommen. Das Gleiche gilt für die Bergungsgruppe auf einem Pseudoskarabäus in St. Petersburg. Im Knielauf trägt der bärtige Aias die Leiche Achills vom Schlachtfeld; Achills Seele enteilt in Gestalt einer kleinen geflügelten Figur, eines Eidolon (Abb. 314). Wieder sind die Heroen namentlich bezeichnet. Die kraftvoll bewegte Gestalt des voll gerüsteten Aias steht in starkem Kontrast zur Schlaffheit der nackten Leiche Achills. Aias trägt Helm und Beinschienen, einen Metallpanzer von archaischem Typus (sog. Glockenpanzer) mit Brustvoluten und getriebener Bauchmuskulatur, darunter einen kurzen Chiton mit Karomuster und ein weiteres dreilappiges Bekleidungsstück (aus Leder?). Den Beginn der Eroberung Troias durch die Griechen schildert ein vielfiguriges Miniaturbild auf einem Pseudoskarabäus in New York (Abb. 15a, b). Der Rücken hat zwar die fein gepunktete Kopfpartie eines Käfers, ist im übrigen jedoch von einer Silensmaske in Vorderansicht gebildet. Auf der Intaglio-Seite steht das troianische Pferd fast raumfüllend, daher riesengroß erscheinend, in der Mitte. Es ist Nacht, wie die Mondsichel anzeigt. Fünf griechische Krieger sind schon dem Bauch des Pferdes entstiegen und zum Kampf bereit, ein sechster klettert gerade am Hinterteil des Pferdes herab, ein siebter kommt aus dem Bauch des Pferdes, öffnet mit einem Arm die Klappe, im anderen hält er zwei Speere. Insgesamt entsteht der Eindruck eines Gewimmels von Kriegern.

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Den zuvor besprochenen Stücken etwa gleichzeitig, jedoch im Stil nahezu völlig ionischgriechisch sind die beiden folgenden Beispiele: Das erste zeigt die feine Studie eines knienden Athleten, der Sand vom Boden aufnimmt, um den eingeölten Körper damit zu bestreuen. Der Kopf mit dem kurzgelockten Haar ist ins Profil gewandt, das rechte Bein ist zur Seite gestellt, Oberkörper und linker Oberschenkel sind von vorn gesehen, der Unterschenkel verdeckt, die Zehen des linken Fußes jedoch sichtbar. Ähnliche Darstellungen finden sich auf attischen Vasen der Zeit kurz nach 500 v. Chr. Das Bild wird hier nach einem frühen Gipsabguß abgebildet, der die später durch einen Bruch beschädigte Oberfläche noch intakt zeigt (Abb. 316). Der wie die thebanischen Heroen schon von Winckelmann publizierte Tydeus steht griechischen Gemmen ebenfalls sehr nahe (Abb. 317). Man vergleiche den Herakles (Abb. 100) und zum Kopf den Leierspieler (Abb. 104). Ein junger Athlet steht in Schrittstellung, beugt sich hinab, um die Wade mit der Strigilis zu säubern. Durch die Beischrift „Tydeus“ (TVTE) ist er als einer der in Etrurien so beliebten thebanischen Helden bezeichnet. Als Unterhändler nach Theben gesandt, besiegte Tydeus alle jungen Thebaner im Wettkampf. Im Vergleich mit einer griechischen Gemmendarstellung gleichen Themas fällt auf, wie sorgfältig Figur und Inschrift so komponiert sind, daß das ganze Gemmenoval harmonisch gefüllt ist, wie jede Einzelheit bei Haaren, Gesicht und Muskulatur detailliert ausgearbeitet ist. Offenbar berücksichtigt der Gemmenschneider den Geschmack des anspruchsvollen etruskischen Käufers. Diesem Geschmack entsprechend wenden etruskische Gemmenschneider den spätarchaischen griechischen Gemmenstil ins Kalligraphische. Auf einem Karneol-Skarabäus in New York tragen zwei Geflügelte, eine Frau in Chiton und Mantel und ein nackter Mann, einenToten (Abb. 318). Die weit ausschreitende Frau unterstützt mit dem nicht sichtbaren rechten Arm die Schulterpartie der Leiche, wendet sich zu ihrem Helfer um und hebt, wohl ihn anweisend, die Linke. Der Geflügelte beugt sich vor und faßt die gekreuzten Beine des Toten. Haare, Flügel und Gewand sind mit feinen parallelen, radialen, an den Beinen der Frau gebogenen Linien gegliedert. Die Bauchmuskulatur des Toten ist durch vier Rundperl- zwei Flachperlschnitte scharf gegliedert; charakteristisch sind zusätzliche, unrealistische Konturlinien wie die beiden Linien in der Leistenbeuge, die sich kreuzend und mit Rundperlpunkten versehen die Hoden bilden, während der Penis an die untere der beiden Linien angesetzt ist. Auffallend groß sind die Hände des Toten und der Göttin. Die Darstellung ist angeregt von griechischen Vasenbildern mit der Bergung des toten Sarpedon durch Hypnos und Thanatos. Die Benennung des früher als „Memnon“ bezeichneten Toten ist gesichert durch die Beischriften auf dem Krater des Euphronios in New York. Memnon wird auf den Vasenbildern von seiner Mutter allein vom Schlachtfeld getragen; im Innenbild der Schale des Duris in Paris ist er inschriftlich bezeichnet. an könnte nun annehmen, der etruskische Gemmenschneider habe hier den Typus umgedeutet zur Entrückung des Memnon durch Eos und Thanatos. Dem widerspricht, daß auf anderen Skarabäenbildern zwei weibliche Flügelwesen den Toten tragen. Offenbar sind es etruskische Todesgöttinnen. Analog ist in der Geflügelten hier die Todesgöttin Vanth, in ihrem Helfer eine dem Thanatos ähnliche Gottheit zu erkennen, die einen für uns namenlosen Toten wegtragen. Es mag verwundern, daß man eine solche Szene als Schmuckstück trug, sie fügt sich jedoch ein in die Thematik vieler etruskischer Skarabäenbilder, die teils mythische teils namenlose Kampf- und Todesszenen zeigen.

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Ähnliche Stilmerkmale weist die Gruppe des Herakles im Kampf mit einem schlangenbeinigen, unbärtigen Flügeldämon auf (Abb. 319). Ein ausgeprägter Sinn für das Dekorative zeigt sich in der symmetrischen Schlingung der Schlangenbeine, der radialen Streifung der Federn und insbesondere im reichen Gebrauch von Rundperlvertiefungen für Keule, Haargrenze, Bauchmuskulatur und Gelenke, und zwar in Größenabstufungen vom feinsten Punkt für die Fingerspitzen des Dämons bis zum größten für die Kopfkalotte. Im Bild eines feinen Skarabäus in Boston kämpft Jason mit dem Drachen, der das goldene Vlies in Kolchis bewachte (Abb. 320). Das Ungeheuer in Gestalt einer bärtigen Schlange hat seine Beine verschluckt; Jason wehrt sich mit dem in der Rechten erhobenen Schwert (der Abdruck ist seitenrichtig); mit dem linken Arm hält er den großen, von der Seite gesehenen Rundschild, er trägt einen Hut mit breiter Krempe. Im Innenbild einer Schale des Duris sehen wir, daß der Drache den Helden schließlich freigeben muß. Die Gruppe mit dem am Strichrand entlanggleitenden, im Hinterteil aufgerollten und volutengleich endenden Schlangenleib, dem gebogenen Körper des Helden und den rahmenden Elementen, Schild und Schwert, ist gut komponiert. In der Bildung der oberen Bauchmuskulatur mit dem Toten auf Abb. 318 vergleichbar, ist die Wiedergabe des Körpers jedoch insgesamt weicher, das Profil zarter.

2. Zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. Ein kleiner, fein gearbeiteter Käfer aus der Sammlung Stosch zeigt auf der Bildseite den siegreichen Helden Perseus (Abb. 321). Die Arme sind raumfüllend abgespreizt, die Rechte hält das abgeschlagene Haupt der Medusa, die Linke das Sichelschwert (Hárpē); über dem rechten Oberarm hängt die Tasche (Kíbisis), die das Haupt aufnehmen soll. Mit aufwärts gewendetem Blick entgeht der Held dessen versteinernder Wirkung. Von Harpe und Medusenhaupt tropft Blut herab. Der Name, Perseus, ist auf etruskisch beigeschrieben. Die Schrittstellung mit einem von vorn, einem von der Seite gesehenen Bein ist die alte, aus der spätarchaisch-griechischen Glyptik übernommene, die schwellende Brustmuskulatur und die weiche Bildung des Unterbauches verraten den Einfluß frühklassischer Werke. Das Bild des zusammenbrechenden Tydeus (TVTE) stammt wieder aus dem thebanischen Sagenkreis, dessen düstere und tragische Motive offenbar eine besondere Faszination auf die Etrusker ausübten (Abb. 322). Der Heros hält noch Schild und Schwert, der Helm ist herabgefallen. Der antike Betrachter kannte die Geschichte vom Zweikampf mit Melanippos: Schon tödlich getroffen erschlägt Tydeus seinen Gegner, spaltet dessen Kopf und trinkt in einem Anfall barbarischer Wildheit sein Hirn. Die Göttin Athena, im Begriff dem Heros die Unsterblichkeit zu schenken, wendet sich voll Entsetzen von ihm ab. Ein scharfes Profil, struppiges Bart- und Haupthaar zeigen an, daß hier der grausame Tydeus der Todesstunde, nicht der edle Sportler gemeint ist. Das Bewegungsschema mit dem ins Profil gewendeten Kopf, dem von vorn gesehenen Torso, den fast im Profil gegebenen Beinen variiert das spätarchaische Knielaufmotiv zur Darstellung des Stürzens. Die Behandlung des Torsos setzt die Kenntnis griechischer Plastik oder Reliefplastik etwa der Mitte des 5. Jahrhunderts voraus; sie konnte durch Kleinbronzen oder Gemmen vermittelt sein. Die Brustmuskulatur wird stark hervorgehoben. Die Darstellung des rechten Oberschenkels in Aufsicht zeigt, daß der Gemmenschneider durchaus in der Lage war,

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Drehungen wiederzugeben, aber bewußt an älteren Bildformeln festhält, die eine harmonische Füllung des Bildfeldes ergeben. Diese retardierende Tendenz der etruskischen Glyptik läßt sich in Abwandlung einer Formulierung Furtwänglers überspitzt so charakterisieren: Der griechische frühklassische Stil wurde zum klassischen Stil der Etrusker (Furtwängler, AG 1900 III 185). Den besten etruskischen Gemmenschneidern gelingen so Werke von eingeständiger Schönheit. Dem Tydeus insbesondere in der Bildung der kräftigen Brust und der betonten Schulter verwandt ist ein Hermesbild, das typisch etruskische religiöse Vorstellungen spiegelt (Abb. 323). Weit ausschreitend, mit im Nacken hängenden Petasos, in der Linken das zauberkräftige Kerykeion haltend, trägt er auf der Rechten eine Seele in Gestalt eines kleinen Jünglings, die er aus der Unterwelt empor geholt hat. Während Hermes als Seelengeleiter (Psychopompós) in Griechenland üblicherweise die Seelen in die Unterwelt geleitet, nur selten eine von ihnen, wie Eurydike, emporführt, spielt in Etrurien seine Macht, Tote heraufzuholen, die größere Rolle. Große Verehrung genossen die Dioskuren, die „Söhne des Tinia“ (des Zeus), wie sie eine etruskische Weihinschrift auf dem Fuß einer in Tarquinia gefundenen attischen Schale nennt. Insbesondere dem sterblichen der beiden Dioskuren, Kastor, galt die Zuneigung der Etrusker. Auf einem zweifarbigen Bandachat-Skarabäus beugt er sich vor, um ein bauchiges Gefäß mit kleinen Seitenhenkeln an einer Quelle zu füllen (Abb. 324). Die Quelle ist nicht dargestellt, aber aus Parallelen erschließbar. Beide Dioskuren waren als mythische Athleten berühmt. So mag gemeint sein, daß der Heros nach einem Wettkampf Wasser holt, um sich zu waschen. Die Quelle, an der er das tat, würde zugleich geheiligt sein. Vielleicht ist auch an eine bestimmte mythische Situation gedacht, wie sie am schönsten die Cista Ficoroni schildert. Die Argonauten, unter ihnen die Dioskuren, landeten im Land der Bebryker (Bithynien), um an einer Quelle Wasser zu holen. Amykos, der König des Landes, forderte sie zum Faustkampf heraus und wurde von Polydeukes besiegt. Den Tod des Kastor schildert ein Skarabäenbild in Berlin (Abb. 325). Kastor und Polydeukes hatten die Töchter des Leukippos entführt. Idas und Lynkeus verfolgten die Räuber ihrer Bräute. Vom Pfeil des Idas getroffen, sinkt der Dioskur in die Knie, stützt sich mit der Rechten auf ein Felsstück, greift mit der Linken nach der Wunde. Die subtile Modellierung des Körpers steht im Gegensatz zu der üblichen etruskischen Vorliebe für die klare Absetzung einzelner Muskelpartien voneinander, sie kommt griechisch-klassischem Stil sehr nahe. Die etruskische Stilkomponente ist am stärksten beim Kopf mit dem einen stumpfen Winkel bildenden Profil, dem großen Auge, der Schläfenlocke. Eine ähnliche, nicht ganz so fein ausgearbeitete, dennoch überzeugende Körperstudie ist der auf einem Amphorenfloß über das Meer fahrende Silen (Abb. 326). Es ist Silen in der Rolle des Herakles, der heilbringendes Wasser aus dem Garten der Hesperiden bringt (s. u. Abb. 346). Andere Legenden brachten Herakles in Verbindung mit der Entstehung warmer Heilquellen. Ermattet von einer seiner Taten habe er sich niedergelassen; da hätten Athena, Hephaistos oder die Nymphen eine warme Quelle für ihn sprudeln lassen oder er habe sie selbst aus dem Felsen geschlagen. Auf dem Bild eines sehr fein gearbeiteten Skarabäus mit seitlichen Reliefdreiecken (Typ B) sehen wir den erschöpften Heros, den Kopf in die Hand stützend, auf einem Felsklotz sitzen; die Linke ruht auf der an die Schulter gelehnten Keule (Abb. 327). Aus einer Felswand fließt

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Wasser, die Amphora liegt noch unbenutzt am Boden. Ein Skarabäus in Oxford variiert das Motiv. Aufrecht steht Herakles (HERCLE), wieder mit der für ihn charakteristischen Buckellöckchenfrisur, neben einer aus einem Löwenkopfwasserspeier sprudelnden Quelle (Abb. 328). Die Träger solcher, in Etrurien sehr beliebten Gemmenbilder mögen sich gewünscht haben, den Schutz des göttlichen Heros und die Wirkung seiner heilkräftigen Quelle auf Dauer für sich zu bewahren. Herakles ist bei weitem der beliebteste aller Heroen. Auf einem dem vorigen in Stil und KörperwiedergabeverwandtenSkarabäusbildstehtderHerosmitüberdieSchultergehängtem Löwenfell und Köcher, die linke Faust und die Keule in der Rechten drohend erhoben, vor einem aus stilisierten Wellen auftauchenden Meerdämon, der sprechend die Rechte hebt (Abb. 329). Die Szene läßt an die Befragung des Meergreises Nereus denken, der nur unter Zwang Herakles den Weg zum Garten der Hesperiden beschreibt. Daß der Meerdämon keinen Bart hat, könnte ein Versehen des Gemmenschneiders sein. Im Hesperidengarten, am Rand der Welt, angelangt, bittet Herakles den Riesen Atlas, der das Himmelsgewölbe trägt, die von einer Drachenschlange bewachten goldenen Äpfel für ihn zu holen, er wolle so lange den Himmel tragen. Atlas gehorcht und glaubt, die Last auf immer los zu sein, aber Herakles überlistet ihn mit der Bitte, ihn noch einmal kurz abzulösen, damit er sich ein Kissen unterlegen könne. Auf einem Skarabäus in Boston stemmt der Heros mit gesenktem Nacken beide Hände gegen das Himmelsgewölbe (Abb. 330). Rechts wächst, dem vorhandenen Raum gemäß klein dargestellt, der Baum der Hesperiden mit den goldenen Äpfeln. Links ist ein Felsstück angegeben, in das Herakles seine Keule gerammt hat, um den Köcher daran aufzuhängen, der Bogen liegt hinter seinem linken Bein; eine kleine Pflanze zwischen den Füßen des Heros deutet die Gartenlandschaft an. Das Himmelsgewölbe ist eine Masse, die mit Sichelmond, zwei großen und vielen kleinen, punktförmig wiedergegebenen Sternen besetzt ist. Auch sonst verwendet der Gemmenschneider feine und feinste Rundperlzeiger: Für die Haare des Helden, die Knoten der Keule, für Auge, Lippen, Knie, Fuß- und Fingerknöchel, Ecken des Köcherdeckels, des Köcherbandes und des Bogens; auch die bei etruskischen Gemmeninschriften meist spitz auslaufenden Hasten der Inschrift HEPCLE haben Rundperlenden. Im Kontrast zu dem mit aller Kraft angespannten übermenschlich starken Heros bei der letzten und schwersten der zwölf Taten steht das Bild des sterbenden Herakles, der mit ermattet gesenktem Haupt und leicht gebeugtem Oberkörper, die Hand auf die Keule stützend, auf dem Scheiterhaufen sitzt (Abb. 331). Das todbringende Gewand liegt auf seinen Oberschenkeln. Der zugrundliegende Mythos ist Thema der „Trachinierinnen“ des Sophokles. Der Kentaur Nessos, der Deianeira, die Gemahlin des Herakles, als Fährmann über einen Fluß tragen sollte, versuchte, sich an ihr zu vergreifen und wurde von Herakles getötet. Der Sterbende riet Deianeira, sein Blut als Liebesmittel aufzubewahren. Als diese von der Liebe ihres Mannes zu Iole erfuhr, sandte sie ihm ein mit dem Blut des Kentauren getränktes Gewand (s. o. II A3). Der vermeintliche Liebeszauber wirkt als Gift, das den Körper des Heros zerfrißt. Die verzweifelte Deianeira erhängt sich. Herakles macht seinen Qualen auf dem Scheiterhaufen ein Ende und wird unter die Götter aufgenommen. Trotz der Aufnahme klassischer Einflüsse behalten viele etruskische Gemmenschneider spätarchaische Bewegungsschemata bei, so bei dem Athleten, der sich die Haare über

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einem Becken wäscht (Abb. 332). Der Kopf ist bei frontal gesehenem Oberkörper ins Profil gewandt, das Standbein in Vorderansicht, das Spielbein im Profil gegeben. Die Darstellungsform ist weniger eine Frage der Zeit als des Könnens. Der Meister eines etwa gleichzeitigen Amethyst-Skarabäus in Genf gibt das gleiche Motiv mit frontal gesehenen Beinen und von der Hüfte an zur Dreiviertelansicht des Kopfes gesteigerter Drehung wieder. Dreiviertelansichten zweier männlicher Körper finden wir auf einem der seltenen Zweifigurenbilder, wobei die Tendenz zur Frontalität spürbar bleibt (Abb. 333). Der schöne Käfer von Typ B hat ein Zungenornament an der Basis. Dargestellt sind zwei Heroen im Gespräch, der linke, bärtige hält ein Kerykeion, wäre demnach Hermes (etruskisch: Turms); der rechts stehende, unbärtige Heros hält einen Weinschlauch; wahrscheinlich ist es Herakles, ein häufiger Gesprächspartner des Hermes, der Wein zu einem Göttergelage mitbringt. Die Muskulatur der Torsen ist stark betont, in der Wiedergabe der Fäuste durch Rundperleintiefung zeigt sich eine Tendenz zur Vereinfachung. Diese ist stark ausgeprägt bei dem stehenden Hermes mit langem Kerykeion, der seine Hand auf den Kopf des ihm heiligen Widders legt (Abb. 334). Links wächst eine Pflanze, vielleicht das Wunderkraut Moly, das Hermes zu finden weiß; er gibt es Odysseus, um ihn vor dem Zauber der Kirke zu schützen (Od. 10, 277-305). In der Wiedergabe des Körpers werden die mehrfach beobachtete Schwellung der Brust, die Hervorhebung der Muskeln von Schultern und Leisten vor allem durch Anwendung des Rundperlzeigers übersteigert und vereinfacht. Die Frisur entspricht im Typus der des Hermes Abb. 323. Der Skarabäus dürfte nicht sehr viel später sein als dieser, vertritt aber eine andere Stilrichtung. Die in griechischen oder etruskischen Buchstaben beigefügte Inschrift ΜΕΡ unterscheidet sich durch Größe und abgekürzte Form von den bisher betrachteten etruskischen; sie ähnelt dagegen lateinischen Inschriften auf etruskischen und römisch-kampanischen Ringsteinen. Sie dürfte später, wohl im 3. Jh. v. Chr., in einer lateinisch sprechenden Umgebung von einem griechisch schreibenden Gemmenschneider zugefügt worden sein; möglicherweise bezeichnet sie nicht den dargestellten Gott Mer(curius) sondern den Besitzer der Gemme, etwa einen Mann mit dem cognomen Mer(curialis), der sich das Bild seines Schutzgottes gewählt hatte.

3. Viertes und drittes Jahrhundert v. Chr. Der von einem hundeähnlichen Tier begleitete, weit ausschreitende Krieger mit Schild und Schwert ist vielleicht der Kriegsgott Ares/Mars (etruskisch Laran) selbst mit dem Wolf, der ihm in Italien heilig ist (Abb. 335). Die Körperformen sind hier weitgehend zu kugeligen und wulstigen Formen stilisiert, stehen dem Rundperlstil nahe (s. u. XI B). Neben Skarabäen dieses Stiles werden nach wie vor fein durchmodellierte Skarabäenbilder geschnitten. So die kraftvolle Gestalt des jungen Theseus (Beischrift: ΘΕSΕ), der den Stein aufhebt, unter dem Schwert und Sandalen seines Vaters für ihn bereit liegen (Abb. 336). Die schmalere Form des Ovals, die schlankeren Proportionen des Heros sind vorausweisende Elemente. Die vorgebeugte Haltung fügt sich gut in das Gemmenoval; sie wird in der Folgezeit vielfach variiert. Zwischen den beiden in Abb. 336 und 337 vorgestellten Stilrichtungen gibt es im 4. und 3. Jahrhundert vielfache Berührungen, Abstufungen und Mischungen.

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Die Körperformen des Zimmermanns oder Schreiners auf einem Skarabäus in London sind wohlmodelliert, aber ohne Binnenzeichnung wiedergegeben (Abb. 337). Die bei der Arbeit vorgebeugte, im Oberkörper leicht gedrehte Gestalt fügt sich raumfüllend in den Strichbandrahmen. Der Handwerker hält in der einen Hand einen Drillbohrer, der aus einem, vermutlich hölzernen, Oberteil mit Haltegriff und dem darin steckenden Bohrer besteht; mit dem Fidelbogen in der anderen Hand versetzt er den Bogen in Rotation. Er bohrt eine Loch in das kastenförmige Werkstück, vielleicht einen Käfig; links steht eine lose Stange schräg ab, die vielleicht in dem Loch befestigt werden soll. Es handelt sich nicht um einen Gemmenschneider, wie öfter angenommen wurde (s.u. Kap. XXI). Die Teile des Gesichtes sind durch feine Striche und Rundperlpunkte, das Haar in parallelen Strähnen wiedergegeben. Einen ähnlichen Kopf hat der Sitzende auf einem Skarabäus in Berlin (Abb. 338). Der mit Petasos und Chlamys bekleidete Mann sitzt auf einem Felsstück, hebt ein Messer, um ein vor ihm auf einem Rehbeintisch liegendes Stück Fleisch, das er an einem Zipfel hält, zu schneiden. Wahrscheinlich ist Odysseus gemeint, dessen Name auf zwei verwandten Skarabäenbildern beigeschrieben ist. Die etruskischen Gemmenschneider haben Petasos und Chlamys aus den Bildern der Gesandtschaft an Achill als seine typische Tracht übernommen, während in Griechenland die randlose Filzkappe (P˜ılos) sein Erkennungszeichen ist. Das Motiv unterscheidet sich durch das Sitzen des Heros von den genannten Bildern, auf denen Odysseus stehend auf einem Altar liegendes Opferfleisch schneidet. Die Kombination von Tisch und Felssitz könnte dafür sprechen, daß der Empfang bei Eumaios gemeint ist (Od. 14,73ff.). Unabhängig von unmittelbaren griechischen Vorbildern ist auch die Darstellung der Helena, die ein Weihrauchopfer darbringt; vermutlich gilt es ihrer Schutzgottheit Aphrodite (Abb. 339). Zum Zeichen ihres höheren Wesens hat der etruskische Künstler der Heroine Flügel gegeben. Stilistisch fällt die Verbindung von gerundeten Formen an Kopf und Körper mit kalligraphischen Linien an Flügel und Gewand auf. Das Bild des grollenden Achill mit der Leier folgt einem Motiv der Ilias. Der Heros verweigert die Teilnahme am Kampf, weil ihm Briseis genommen wurde. Die Gesandtschaft, die den Heros bewegen soll, wieder am Kampf teilzunehmen, trifft ihn beim Leierspiel, ein krasses Zeichen seines Desinteresses an der Not der Gefährten (Il. 9,185ff.). Auf dem Skarabäenbild sitzt er auf einem Lehnstuhl, hat das Leierspiel unterbrochen, stützt unmutig sinnend das abgewandte Haupt mit der Rechten (Abb. 340). Neben Bildern des griechischen Mythos und des Alltags zeigen die Skarabäen auch Themen aus der etruskischen Religion. Wenn Hermes sich zu einem menschenköpfigen Vogel hinabbeugt, seinen Kopf berührt, so ist wieder die Auferweckung einer Seele gemeint, die dieses Mal die alte Gestalt der Sirene, des Seelenvogels, hat (Abb. 341). Im Rücken des Hermes hängt eine Chlamys herab, ein die Rückenkontur abschließendes Motiv, das sich bis in die römisch-republikanische Glyptik verfolgen läßt. Die Kunst der Deutung göttlicher Zeichen war in Etrurien hochentwickelt; die Römer nannten sie disciplina etrusca und zogen in schwierigen Fällen etruskische Experten heran. Neben der Deutung der Blitzzeichen und des Vogelfluges spielte die Interpretation der Leber der Opfertiere die größte Rolle. Ein solcher Opferbeschauer, ein Haruspex, ist der in den Mantel gehüllte, auf seinen Stock gestützte Mann auf einem Skarabäus aus der Sammlung Stosch (Abb. 342). Er hält eine große, daher glückverheißende Leber; das beigeschriebene Wort Natis ist wahrscheinlich ein

A. SKARABÄEN

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etruskisches Wort für Haruspex. Der Mann trägt nicht die zur Amtstracht der historischen Haruspices gehörende spitze Kappe; ob dies in dem relativ flüchtigen Stil begründet ist oder ob ein mythischer Seher gemeint ist, muß offen bleiben. Von den insgesamt spätklassischen Körperformen – seien sie sorgfältig modelliert wie bei dem Theseus Abb. 336, seien sie in lockerer Schnittweise wiedergegeben wie bei dem Schreiner Abb. 337 oder Achill Abb. 340 – unterscheidet sich eine Gruppe von Skarabäen, die breitschultrige Torsen mit schmalen Taillen und mit scharf gezeichneter Binnenmuskulatur in archaisierender Weise wiedergeben und Körper und Details mit großer Sorgfalt modellieren. Zu ihnen gehört ein sterbender Kentaur in New York (Abb. 343). Von einem Pfeil im Unterleib getroffen bricht er zusammen, versucht mit der Rechten den Pfeil herauszuziehen; das Schwert ist seiner Hand entfallen, der linke Arm steckt noch in den Haltegriffen des großen ovalen Schildes, doch die Hand ist geöffnet. Haar und Bart sind fein gestrichelt, dennoch durch die abstehenden Spitzen als struppig gekennzeichnet. Im Stil nächstverwandt, vielleicht von gleicher Hand geschnitten ist der auf einem Tierfell sitzende, seinen verbundenen Fuß fächelnde Philoktet (Abb. 344). Zur archaisierenden Bildung des Oberkörpers kommt hier die archaisierende Frisur mit schräg gestrichelter Schläfenrolle und langem, im Nacken abstehendem Haarschopf. In der detaillierten, präzisen Ausführung vergleichbar ist die annähernd symmetrisch bewegte, durch Variationen der Gesten belebte Gruppe von Odysseus und Diomedes auf einem Skarabäus aus quergestreiftem Sardonyx in Wien (Abb. 345). Archaistische Elemente sind hier nur in den Köpfen, nicht bei den schlanken Körpern bemerkbar. Odysseus in Pilos und Exomis, mit einer Lanze bewaffnet, weist im Weggehen nach vorn, wendet sich zum Gefährten um. Diomedes, mit Helm und Schwert gerüstet, hebt seinen Schild auf. Die beiden brechen zu einem gemeinsamen Abenteuer auf, zur Ergreifung des Dolon oder zum Raub des Palladion. Das Gemmenbild ist formaler Vorläufer von Ringsteinen mit mehr oder weniger symmetrisch bewegte Zweiergruppen insbesondere von Odysseus und Diomedes beim Raub des Palladions oder von Helfer und Verwundetem (s. u. Abb. 381). Die absolute Datierung dieser Skarabäen wird durch die archaisierenden Elemente erschwert. Der Käfer des Kentauren-Skarabäus Abb. 343 mit Flügelchen in den Ecken der Elytren spricht für eine Datierung nicht später als gegen Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr., die längliche Form der Käfer von Abb. 344 und 345 weist auf das beginnende 3. Jahrhundert v. Chr. Die Vermutung, daß hinter der Philoktet-Darstellung ein griechisches Gemälde des frühen Hellenismus steht, könnte eine Datierung in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts stützen (Furtwängler, Moret 1995). Furtwängler hat die archaisierenden Skarabäen Abb. 343 und 344 und verwandte Gemmen einschließlich des Laokoon-Skarabäus Abb. 347 seiner Gruppe 12, der „Gattung der affektiert altertümelnden Skarabäen“, zugerechnet. Er hielt diese Gattung nicht für etruskisch, sondern, wie die Rundperl-Skarabäen (s. jedoch u. S. 93f.), für italisch, vermutete, daß ihre Werkstätten in Latium, Praeneste oder Rom lagen. Hierin stimmt ihm Jean-Marc Moret (1995) in einer neuen Behandlung exemplarischer Beispiele der Gruppe zu. Die Käferrücken der Gruppe sind jedoch etruskisch. Auch Skarabäen wie die beiden folgenden, die sowohl Beziehungen zur archaisierenden Gruppe wie zu anderen etruskischen Gruppen haben, legen nahe, daß auch die ersteren in einer etruskischen Werkstatt entstanden sind.

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XI. ETRUSKISCHE GEMMEN

Auf einem Skarabäus aus der Sammlung Gerhard in Berlin sehen wir Herakles auf einem von Amphoren getragenen Floß übers Meer fahren; ermattet sitzt er auf einer liegenden Amphora, stützt den Kopf mit der Linken, läßt die Rechte mit der Keule herabhängen (Abb. 346). Der zugrundeliegende Mythos ist nicht schriftlich überliefert. Offenbar bringt Herakles nach einer seiner Taten segensreiches Wasser über das Meer, vielleicht vom Quell aus dem Garten der Hesperiden. Das Motiv kommt auf etruskischen Skarabäen seit Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. vor, zuweilen begleitet Silen den Heros oder übernimmt seine Rolle (s. o. Abb. 326). Die Frisur des Helden und die harte Inskription der Brust und Rippenmuskulatur verbinden das Bild mit der archaisierenden Gruppe. Das Ganze ist jedoch weniger detailgenau, insgesamt trockener ausgeführt und durch die Verwendung von Rundperlzeigern in abgestuften Größen gekennzeichnet. Ein ebenfalls aus der Sammlung Gerhard stammender Skarabäus in London, der in das späte 4., allenfalls den Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr. gehört, zeigt die früheste Darstellung des Laokoon-Mythos auf italischem Boden (Abb. 347). Dicht aneinandergedrängt versuchen Vater und Söhne den Schlangen zu entkommen. Laokoon hat den rechten Arm um Schulter und Rücken des, nach seiner Größe jüngeren, Sohnes gelegt, die herabhängende Hand liegt auf dem Glutaeus. Er blickt zu dem Sohn um, hebt abwehrend die linke Faust gegen den nach seinem Hinterkopf schnappenden Kopf einer Schlange, deren Leib quer über seinem Körper liegt. Der jüngere Sohn legt seine Rechte auf die Brust des Vaters, er wird als einziger nicht gebissen, vielleicht bleibt er verschont, wie dies ein Teil der Überlieferung berichtet. Eine zweite Schlange umwindet Laokoons rechtes Bein, berührt mit dem Kopf sein rechtes Handgelenk; die dritte Schlange schlingt sich um die Schulter des linken, herabhängenden Armes des voranschreitenden älteren Sohnes, verschwindet hinter seinem Rücken und beißt ihn in die Wade. Die nicht bzw. nur am Ansatz sichtbaren Arme der Söhne sind unter die Achseln des Vaters geschoben, umfassen seinen Rücken. Das Kompositionsprinzip entspricht dem einer von italischen Ringsteinen bekannten Helfergruppe, bei der zwei Gefährten einen Verwundeten, vermutlich Aeneas, vom Schlachtfeld führen (hier Abb. 381f.). Auch dort blicken die beiden Außenfiguren in die gleiche, die mittlere in die andere Richtung; Die Wendung der Köpfe ist hier, dem Motiv entsprechend, vertauscht: Laokoon blickt zurück, die Söhne nach vorn. Wie aus der Beschreibung hervorgeht, hat die Komposition nichts mit der Laokoongruppe im Vatikan zu tun (Furtwängler, Richter, Hiller). Auch diesen Skarabäus verbinden gewisse Elemente mit der archaisierenden Gruppe. Der vorausschreitende Sohn trägt eine archaistische Frisur. Der Kopf des Laokoon läßt sich dem des Kentauren (Abb. 343) vergleichen, ist jedoch viel flüchtiger gearbeitet. Die struppig abstehenden Haare, auch des jüngeren Sohnes, finden sich, weiter vereinfacht, an durchschnittlichen etruskischen Skarabäen. Die Körper sind nicht archaisierend gebildet, ihre gelängten Proportionen weisen voraus auf ähnliche Bildungen bei etruskischen Ringsteinen, wo auch die harte Inskription von Rippenbögen und Leistenmuskeln weiterlebt (z. B. Abb. 366, 367). Eine anders komponierte Dreiergruppe, bei der eine Figur zwei eng verbundenen, in gleichem Sinn bewegten gegenübersteht, schildert die Begegnung von Iphigenie und dem gefangenen Orest (Abb. 348). Ein bärtiger Mann in langem Chiton steht in Schrittstellung, packt einen nackten Jüngling, der weiter ausschreitend von ihm wegstrebt, am linken Unterarm; eine vor beiden stehende Frau berührt mit zarterer Geste den rechten Unterarm des Gefangenen; in der Rechten hält sie einen schmalen länglichen Gegenstand, vermutlich die gelöste Fessel. Gegen

B. SKARABÄEN IM RUNDPERLSTIL

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die vorgeschlagene Beziehung der Szene auf die Wiederbegegnung von Orest und Iphigenie bei den Taurern wurde eingewandt, daß dieser Typus im Bildrepertoire des Mythos sonst nicht belegt ist. Vielleicht dürfen wir dem etruskischen Künstler zutrauen, daß er aus der Kenntnis der euripideischen Tragödie oder ihrer Nacherzählung eine Szene in Anlehnung an eine geeignete Bildformel selbstständig darstellte. Durch italische Glaspasten, die jedoch etruskische Vorbilder haben dürften, ist eine formal ganz ähnliche Gruppe bekannt, bei der Orest und Pylades gefesselt vor Iphigenie stehen. Diese wäre hier variiert. Nicht die erste Vorführung der gefesselten Gefangenen ist hier gemeint, sondern jener entscheidende Wendepunkt des Dramas, der die Wiedererkennung der Geschwister vorbereitet: Iphigenie befiehlt den Tempeldienern, die Freunde, deren Fesseln auf ihr Geheiß gelöst wurden, zu bewachen, während sie im Tempel einen Brief zu schreiben gedenkt, den Pylades zu Ihrem Bruder nach Argos bringen soll (Euripides, Iphigeneia in Tauris 638). Daß nur der für Iphigenie wichtigste der beiden Freunde, ihr Bruder Orest, dargestellt ist, läßt sich aus inhaltlichen wie räumlichen Gründen verstehen. Als Stilmerkmale sind die parallelen Faltenzüge und die Verwendung von Rundperlzeigern verschiedener Größe für Details der Gesichter, Brust der Iphigenie, Glutaeus des Orest, Knie, Knöchel, Schläfenhaar der Iphigenie und Faltenenden hervorzuheben.

B. SKARABÄEN IM RUNDPERLSTIL Immer wieder war die Vorliebe der Etrusker für die Verwendung des Rundperlzeigers zu beobachten. Diese kulminiert in der Herausbildung einer eigenen Stilrichtung, dem „Rundperlstil“. Seine Kennzeichen sind, daß alle nur irgend geeigneten Formen durch Rundperlvertiefungen verschiedener Größe dargestellt werden und längliche Formen als glatte Wulste, oft mit dem laufenden Rundperlzeiger geschnitten sind. Auf Binnenzeichnung wird weitgehend verzichtet, mit der bezeichnenden Ausnahme von Rundperldetails wie Bauchmuskulatur, Schnauzen und Augen bei Tierköpfen in Vorderansicht. Die Teile des menschlichen Gesichts und die Haargrenze werden durch kleine Strichlein angedeutet, d. h. man vermeidet es, die schönen glatten Hohlkugelsegmente durch Gravur zu stören. Die Gattung ist ein bemerkenswertes Zeugnis eines bewußt abstrahierenden Stiles. Die Bilder sind hochpoliert, ihr von starken Glanzlichtern geprägter Gesamteindruck entspricht dem überwiegenden Schmuckcharakter etruskischer Skarabäen. Wie in anderen Stilrichtungen gibt es Qualitätsunterschiede. Für die Hochschätzung der Gattung spricht, daß selbst flüchtige Arbeiten oft in kostbaren Goldbügeln gefaßt sind. Skarabäen im Rundperlstil wurden schon vor der Mitte des 5.Jahrhunderts v. Chr. geschnitten, ihre Blütezeit ist nach Ausweis von Grabfunden das 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. Späte Rundperlskarabäen gehören zu den ältesten Funden in Aquileia, wohin sie die Siedler bei Gründung der Stadt, 181 v. Chr., mitgebracht haben (s. u. XIII C4). Furtwängler hatte angenommen, die Gattung sei zwar von etruskischer Glyptik beeinflußt, selbst jedoch mittelitalisch, von Latinern oder Samniten geschaffen (AG III 211), sie habe die nach der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. allmählich endende Produktion etruskischer Skarabäen abgelöst. Die Form der Käferrücken und die fließenden Grenzen zu etruskischen Skarabäen mit ausgearbeiteten Details sprechen jedoch dafür, daß die Rundperl-Skarabäen in etruskischen Werkstätten gearbeitet wurden

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XI. ETRUSKISCHE GEMMEN

und daß beide Stile seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. nebeneinander existierten. Unbestreitbar ist der große Einfluß dieses Stiles auf die italische Glyptik. Wie das folgende Beispiel zeigt, konnte sogar derselbe Gemmenschneider sowohl im detailliert modellierenden Stil wie im Rundperl-Stil arbeiten. Ein nackter, in Dreiviertelrückansicht gesehener Mann sitzt auf einem ungegliederten Block und versucht eine Frau im langen Ärmelchiton an sich zu ziehen; sie blickt ihn an, schreitet jedoch, sich sträubend, nach links. In der gesenkten Rechten hält die Umworbene einen Spiegel, den linken Unterarm legt sie quer unter die Brust (Abb. 349). Im freien Raum verteilt sind vier Buchstaben, die wahrscheinlich als Ele(n)a zu lesen sind. Der Gemmenschneider oder sein Auftraggeber hätte damit die sonst namenlose Werbeszene als die Wiederbegegnung von Menelaos und Helena nach dem Untergang Troias gedeutet. Kopf, Torso und sichtbarer linker Arm des Mannes sind ganz im Rundperlstil gearbeitet, die Muskulatur des Beines jedoch differenziert. Kopf und Torso sind nicht etwa unfertig, sondern in Breite und Tiefe so weit eingeschnitten, daß keine Detailzeichnung mehr möglich wäre. Gesicht, Haar und Hand der Frau sind im einzelnen ausgearbeitet, ihr flächig vertieftes, doch nicht mit Binnenzeichnung versehenes Gewand steht auf einer Zwischenstufe. Durch den Kopf der Frau läßt sich der Skarabäus um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. datieren und ist damit ein frühes Beispiel für den Rundperlstil. Es mag sein, daß es auch Werkstätten gab, die sich auf Rundperl-Skarabäen spezialisierten. Auf einem schon zu Furtwänglers Zeit verschollenen Karneol-Skarabäus verfolgt ein Mann in schnellem Lauf ein fliehendes Schwein und beugt sich vor, um es zu packen (Abb. 350). Der Kranz in seiner Rechten deutet an, daß er ein Festmahl bereiten will, eine Absicht, der sich das Schwein zu entziehen sucht. Die Modellierung der Beine des Mannes zeigt, daß der Gemmenschneider nicht nur im Rundperlstil arbeiten konnte. Ein muskelstrotzender Herakles mit Keule und Bogen, gleichsam in Paradehaltung stehend (Abb. 351), eignet sich ebensogut für die Wiedergabe im Rundperlstil wie das Amphorenfloß. Wieder sehen wir Silen oder einen seiner jüngeren Gefährten, einen Satyrn, über das Meer fahren; er hält Thyrsos und Fisch als Symbole des Dionysos und des Meeres (Abb. 352). Den zierlichen Rundperlstil dieses Skarabäus finden wir in noch verfeinerter Form bei der Miniaturdarstellung vom Beginn eines Wagenrennens (Abb. 353). In einem Mitteloval sitzen drei Kampfrichter mit Stäben auf Klappstühlen. Ringsum gehen sechs Renngespanne mit Lenkern im Schritt, die von einem stabhaltenden Herold vorgeführt werden. Das Einzelbild eines Zweigespannes zeigt den Moment des Anfahrens, der Lenker hebt antreibend den Stock (Abb. 354). Das Motiv eines die Sprunggewichte schwingenden Jünglings ist eine weitere Variante der gebeugten Figuren, die sich so gut in den ovalen Rahmen fügen (Abb. 355). Die Gesamthaltung, die raffinierte Vereinfachung des Kopfes mit einer geschwungenen Linie als Haargrenze, einem Strich mit Punktende für Stirn und Nase, einer gebogenen Linie für die Kinnlade sowie die Modellierung der Beine zeigt, daß der Gemmenschneider diese Stilrichtung nicht etwa aus Unvermögen wählt. Von durchschnittlicher Qualität ist dagegen das Bild eines kleinen, kugeligen Skarabäus aus quergestreiftem Sardonyx, der mit dem antiken Goldbügel erhalten ist (Abb. 356 a, b). Der Kniende, der einen länglichen Gegenstand auf die Erde stützt, ist in Analogie zu deutlicheren Darstellungen als Krieger zu verstehen, der – vermutlich vor der Schlacht – eine rituelle Handlung ausführt, bei der er das Schwert abwechselnd zum

C. RINGSTEINE

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Himmel hebt und zur Erde senkt. Drei Fabelwesen seien an den Schluß dieses Abschnitts gestellt: Das Bild des Pegasus mit der nach vorn gedrehten, aus vier Rundperlschnitten bestehenden Brust, dem runden Hinterteil, dem Kopf aus einem Rund mit angesetztem tropfenförmigen Schnitt, den kleinen Rundschnitten für Gelenke und Hufe folgt streng den Regeln des Stiles; nur für die Mähne, den Flügel und natürlich den Strichrand mußten Schneidezeigerschnitte verwendet werden (Abb. 357). Ein bärtiger Seedämon gehört zum Geschlecht der Skylla, wie bei dieser besteht sein Unterleib aus Hundevorderteilen (Abb. 358). Er ist bis auf den seitwärts gewandten Kopf ganz symmetrisch gebildet; zwei Hundvorderteile sind seitwärts geklappt, mit beiden Armen schwingt er eine Keule. Die zum Sprung ansetzende Chimaira hat den Löwenkopf nach vorn gewandt, während der Ziegenkopf nach oben blickt (Abb. 359). Von den großen fein polierten Rundungen des Körpers heben sich die kleinen Rundperlvertiefungen für Ohren, Augen, Schnauzenspitzen, Zitzen und Gelenke als glänzende Punkte ab.

C. RINGSTEINE Furtwängler hatte angenommen, daß die etruskischen Gemmenwerkstätten mit dem Ende der politischen Macht der Etrusker, also ab rund 300 v. Chr., aufhörten zu arbeiten, daß die ungefähr seit dieser Zeit produzierten Ringsteine folglich aus außeretruskischen Werkstätten stammten. Wolfram Martini konnte dagegen zeigen, daß eine große Zahl von Ringsteinen durchaus etruskischen Werkstätten zuzuschreiben ist. Ohne daß der Skarabäus aufgegeben würde, kommen ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. auch Ringsteine auf; ob seit dem frühen oder erst im späten 4. Jahrhundert ist umstritten. Die Frage ist ohne das Auftauchen datierter Exemplare nicht lösbar. Das Gros der Ringsteine gehört in das 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. Für die Datierung sind wir auf den Vergleich mit Skarabäen einerseits und die Beurteilung der stilistischen Entwicklung zu Ringsteinen des 1. Jahrhunderts v. Chr. hin angewiesen. Nicht zu den Ringsteinen dürfen von Skarabäen abgesägte Intaglien gerechnet werden. Das Durchsägen von Skarabäen war eine im 18. und 19. Jahrhundert oft geübte Praxis, entstanden so doch zwei vom Juwelier verwendbare Gemmen. Nur im Fall des berühmten Skarabäus mit den thebanischen Heroen (o. Abb. 311 a, b) sind die auseinandergesägten Teile zusammengeblieben. Zuweilen ist noch ein Rest der Bohrung auf der Rückseite der abgesägten Platte erhalten oder am Rand der Strichrand der Käferbasis, was die Zugehörigkeit zu einem Skarabäus sichert (z. B. Abb. 336, 341, 354, 377). In anderen Fällen, wo die Rückseite plan und der Rand glatt ist, bleibt unsicher, ob es sich wirklich um einen Ringstein handelt, wenn der Stil dem Skarabäenstil nahe ist und das Stück nicht aus einer Ausgrabung stammt. Hochovale Bildfelder, wie sie gelegentlich auch bei Skarabäen vorkommen, aber gerade bei Ringsteinen eine Zukunft haben werden, und neue breitere Formen gehen nebeneinander her; dazwischen sind in Relation zum gewählten Gegenstand viele Varianten möglich. In hochovalem Feld steht leicht vorgebeugt ein junger Haruspex, der erklärend auf Herz und Luftröhre eines Opfertieres weist (Abb. 360). Das Material des Ringsteines, braun-weiß-braun quergestreifter Sardonyx, kommt häufig in dieser Gattung vor. Ein Lagenachat wurde hierfür

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XI. ETRUSKISCHE GEMMEN

senkrecht zu seinen Schichten zersägt. Man freute sich offenbar an den wechselnden Farben, die das Bild erst bei bestimmtem Lichteinfall und im Abdruck sichtbar werden lassen. Breiter als bei Skarabäen üblich ist die Bildfläche eines Ringsteins mit Theseus, der den Stein aufhebt, unter dem das Schwert seines Vaters liegt, ein schon von einem Skarabäus bekanntes Motiv (Abb. 361). Im Unterschied zu dem Skarabäus (Abb. 336) sind die Proportionen schlanker. Wie schon bei den Skarabäen sind vorgebeugte Figuren beliebt, weil sie den Raum des ovalen Bildfeldes harmonisch füllen. Charakteristisch ist der in Dreiviertelansicht gegebene Torso. Häufig hängt ein Mantel im Rücken herab. Auf einem fast runden Sard beugt sich der bärtige Hermes mit dem Kerykeion in der Rechten zu einem aus der Erde auftauchenden Kopf herab (Abb. 362). Das Motiv des Tote beschwörenden oder erweckenden Hermes spielt eine große Rolle in dieser Gattung. Furtwängler hat es mit dem orphisch-pythagoreischen Glauben an die Seelenwanderung in Verbindung gebracht: Hermes erweckt den Toten zu einem neuen irdischen Leben. Prometheus, der den Menschen bildet, ist ein weiteres beliebtes Thema. Bei dem abgebildeten Beispiel steckt der fertig modellierte Torso auf einem Stab (der Kopf ist verloren), Prometheus kontrolliert sein Werk mit der Meßschnur (Abb. 363). Im Standmotiv ähnlich, doch gedrungener in den Proportionen ist Philoktet, der sich zum Altar der Chryse beugt, um zu opfern; in der Rechten hält er den Bogen, den er von Herakles erhalten hat. Hinter dem Altar kommt eine Schlange hervor, die ihm die schwärende Wunde zufügen wird (Abb. 364). Nicht mythische Szenen sondern urtümliche Rituale zeigen die beiden folgenden Bilder: Ein bärtiger Mann zerstückelt einen Leichnam (Abb. 365). Der „Maschalismos“ genannte Ritus soll verhindern, daß sich der wiederkehrende Tote seines Körpers zur Rache bedient. Wesentlicher Teil des Rituals ist die Trennung des Hauptes vom Leib. So betrachtet ein mit Helm und Schild gerüsteter Krieger das abgeschlagene Haupt des getöteten Gegners, auf dessen Brust er seinen Fuß setzt (Abb. 366). Seitlich steht der lateinische Name des Besitzers LALUS, ein römisches cognomen. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß derartige Rituale, von denen in der griechischen Überlieferung nur mehr schwache Reflexe erhalten sind, wirklich durchgeführt wurden. Vielmehr möchte man annehmen, daß die Träger solcher Ringsteine sich von den grausamen Bildern einen starken Schutz gegen potentielle Gegner, auch gegen den stets gefürchteten Schadenzauber erhofften. Der Stil des Kriegerbildes ist geprägt durch Rundperlarbeit mit relativ kleinen Zeigern und scharfe Binnenzeichnung mit dünnen Schneidezeigern; er läßt sich anschließen an Skarabäen wie Abb. 346. Das Schildzeichen des von einem Punktkreis gerahmten Gorgoneions begegnet wieder bei dem stilverwandten Bild des Othryadas, der VIC[i oder -toria] auf den obersten Schild des Tropaions schreibt (Abb. 367). Nach Herodot (1,82) war Othryadas als einziger Spartaner in einer Schlacht gegen die Argiver schwer verwundet am Leben geblieben. Während die beiden überlebenden Argiver nach Argos eilten um ihren Sieg zu verkünden, baute er mit letzter Kraft ein Siegesmal aus den argivischen Schilden und schrieb eine Siegesinschrift darauf. Die lateinischen Inschriften der beiden zuletzt betrachteten Ringsteine zeigen, daß etruskische Werkstätten auch für römische Auftraggeber bzw. Käufer arbeiteten. Stilverwandt ist eine seltene Darstellung des Hermenkultes: Ein Jüngling streichelt mit der Rechten eine Herme am Bart, hält in der Linken einen Stein, den er als Zeichen der Verehrung zu ihren Füßen niederlegen wird (Abb. 368). Eine ähnliche Verbindung von Rundperlarbeit und harter Binnenzeichnung bei mehr plastischer Körpermodellierung zeigt eines der zahlreichen Bilder des Gefährten des Kadmos,

C. RINGSTEINE

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der beim Wasserholen von der Schlange getötet wird (Abb. 369). Daß diese in Griechenland literarisch belegte, aber nie dargestellte Episode in Etrurien so beliebt war, muß mit der großen Bedeutung des thebanischen Sagenkreises für die Etrusker zusammenhängen. Hinzu kommt offenbar eine Vorliebe für dramatische Todessituationen, wie sie schon der Mythos von Othryadas bot. Die archaistische Frisur des Kadmosgefährten mit Buckellöckchen an der Stirn und einem Haarbausch im Nacken kommt in der Gattung häufig vor; sie begegnet wieder bei einem jungen Schmied, der mit um die Beine geschlagenem Mantel und hochgeschnürten Sandalen auf einem Hocker sitzt und mit einem Hammer an einem achtförmigen Schild arbeitet (Abb. 370). Die altertümliche Form des Schildes, die den vom Himmel gefallenen Schilden (ancilia) der Salier in Rom gleicht, läßt vermuten, daß ein Schmied der heroischen Zeit gemeint ist, vielleicht der in Etrurien manchmal unbärtige Gott Hephaistos/Sethlans selbst. Das Bild des auf einem Schild(?) am Tropaion kauernden gefesselten Gefangenen geht wahrscheinlich auf ein hellenistisches Vorbild zurück. In der römischen Kunst wird es zu einem Leitmotiv der Triumphsymbolik werden (Abb. 371).

XII. ITALISCHE UND RÖMISCHE GEMMEN DES 3.–1. JAHRHUNDERTS V. CHR. Ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. entfalten außeretruskische Gemmenwerkstätten in Mittelund Süditalien eine fruchtbareTätigkeit. Es lassen sich verschiedene Stilrichtungen erkennen, die zu einem Teil stark von der etruskischen Glyptik beeinflußt sind, zum anderen einen italisch-hellenistischen Stil entwickeln. Unter den verschiedenen Stilrichtungen gibt es Verbindungen und wechselseitigen Einfluß sowohl in stilistischer wie in ikonographischer Hinsicht. Es ist daher wahrscheinlich, daß die Werkstätten in räumlicher Nachbarschaft zueinander lagen. Aus allgemeinen Gründen läßt sich vermuten, daß die etruskisierenden Stilgruppen in Nachbarschaft zu Etrurien, etwa in Latium, die hellenisierenden in Campanien und Süditalien in griechischem Ambiente entstanden. Rom selbst, das nun nicht nur die politisch beherrschende Macht war, sondern auch Künstler und Handwerker anzog, kommt als Ort von Werkstätten aller Richtungen in Frage. Hierüber wird vielleicht die noch ausstehende Publikation der Fundgemmen aus römischen Museen Aufschluß geben. Auf einer durch Stilvergleich gesicherten Lokalisierung beruht der Name der „römischkampanischen“ Gruppe. Die ca. 280 v. Chr. einsetzende römische Münzprägung gibt Anhaltspunkte für die Datierung dieser Gemmen. Auch stilistisch lassen sich Münzen und Gemmen vergleichen, wobei allerdings die vorkommenden Stilrichtungen nicht deckungsgleich sind, da nicht jede Schnittweise, die bei einer Gemme möglich ist, auch für die Gußform oder den Stempel einer Münze geeignet ist (s. o. X). Zuweilen geben Fundzusammenhänge Anhaltspunkte für die Datierung. So fanden sich in den Nekropolen von Ornavasso, westlich des Lago

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XII. ITALISCHE UND RÖMISCHE GEMMEN XI. ETRUSKISCHE GEMMEN

Maggiore, italische konvexe Ringsteine im Rundperlstil zusammen mit Münzen des 2.–1. Jahrhunderts v. Chr. Hinweise für die Datierung und Lokalisierung geben die frühen Gemmen aus Aquileia, das 181 v. Chr. von Siedlern aus Mittel- und Süditalien gegründet wurde. Die Siedler brachten etruskische Rundperlskarabäen, etruskische und etruskisierende Ringsteine, italische Ringsteine im Rundperlstil und römisch-campanische Gemmen mit oder importierten sie in der Anfangszeit. Die offenbar zu den Kolonisten gehörenden Gemmenschneider knüpften an das in ihren Herkunftsgegenden Erlernte an und begründeten eine bis in das 3. Jahrhundert n. Chr. dauernde glyptische Produktion.

A. SKARABÄEN Italische Werkstätten übernehmen die Form des Skarabäus aus Etrurien, wandeln sie ab und schmücken sie mit Bildern verschiedener Stilrichtungen. Die Käfer weichen in Gesamtform und Details von den etruskischen ab; oft sind sie länglich, aber auch Kugelsegmentformen und Käfer mit rechteckovalem Bild kommen vor. Meist ist das Bild wie in Etrurien von einem Strichband gerahmt. Der Kopf des Mercur auf einem kleinen Bandachat-Skarabäus läßt sich gut mit dem gleichen Motiv auf Aes-grave-Sextanten der römischen Münze aus der Zeit zwischen 225 und 217 v. Chr. vergleichen (Abb. 372a, b). Ein Bandachat-Skarabäus im British Museum zeigt einen Priester mit um die Hüften geschlungenem Mantel vor einem Altar (Abb. 373). Der Gegenstand an seiner linken (im Abdruck rechten) Hand wurde als Deckelgefäß mit anhängender Kette gedeutet. Alles hängt jedoch von der Hand herab, „Gefäß“ und „Deckel“ sind unpräzis geformt: es handelt sich wahrscheinlich um Eingeweide, die der Priester mit dem unter dem Mantel hervorgestreckten Zeigefinger der anderen Hand erklärt. Zu dieser Erklärung paßt der Eimer, der auf einem mit einem Zweig geschmückten Altar steht: er dürfte als Behälter für die Eingeweide dienen. Thema und Stil des Bildes sind etruskisierend; der Kopf mit dem gestrichelten Haar, dem Haarkranz aus Rundperlpunkten und dem spitzen Bart erinnert an Ringsteinbilder wie den Prometheus (Abb. 363). Im Rücken des Priesters steht eine der im Italischen nun häufiger vorkommenden Besitzerinschriften: ANNIA CEBACTH, d. h. Annia Augusta. Das Siegel gehörte also einer Römerin aus der gens Annia, die ihren Namen als gebildete Dame griechisch schreiben ließ. Furtwängler vermutete, sie könnte identisch sein mit einer bei Seneca frg. 75 erwähnten Annia, Witwe eines vornehmen Republikaners, die eine Wiederverheiratung ablehnte. Der Beiname bezeugt das frühe Vorkommen des später den Kaiserinnen vorbehaltenen Titels. Auf einem langgestreckten Skarabäus in Berlin steht eine Frau in Chiton und Mantel, Fruchtschale und Zweig haltend, an einem girlandengeschmückten Altar, hinter dem das Vorderteil eines Hirsches sichtbar wird (Abb. 374). Die Vorliebe für parallele Faltenzüge und Rundperlvertiefungen und der Kopftypus erinnern an etruskische Skarabäen wie Abb. 339. Auch der etruskische Strichrand ist beibehalten. Das Motiv ist das früheste Beispiel eines auf italischen und römisch-republikanischen Gemmen häufigen Typus. Furtwängler hatte die Dargestellte als Diana Nemorensis von Aricia gedeutet, deren Hain (nemus) das Heiligtum des latinischen Bundes war. Nach der Legende hatten Orest und Iphigenie das Kultbild der Artemis Tauropolos aus Tauris hierhergebracht und so den Kult begründet. Ein

B. RINGSTEINE

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weiterer Mythos erzählte, daß Artemis/Diana den wieder zum Leben erweckten Hippolytos in die Obhut der in dem Hain von Aricia wohnenden Nymphe Egeria brachte. Dort lebte er unter dem Beinamen Virbius weiter. Der Hain bot flüchtigen Sklaven Asyl, einer von ihnen wurde Oberpriester des Kultes, wenn er einen Zweig von einem bestimmten Baum abschlug und den Vorgänger im Zweikampf tötete. Furtwängler stützte seine Interpretation durch den Hinweis auf Gemmen, die einen Jüngling mit Zweig oder Schale und Opfermesser an einem gleichartigen Rundaltar zeigen, neben dem ein Hirsch steht; dieser wäre Virbius/Hippolytos. Das auf Denaren von 43 v. Chr. abgebildete Kultbild von Aricia war eine dreigestaltige Göttin in archaistischer Tracht. Archaische oder archaistische Tracht ist auch für das legendäre Kultbild aus Tauris zu erschließen, das dem Kultbild der Diana auf dem Aventin und dem auf Denaren von 48 v. Chr. abgebildeten der Diana von Massalia (Marseille) ähnlich war. Die Frau auf den Gemmen dieses Typus trägt aber klassische Tracht. Die Gemmen mit dem männlichen Pendant und der Zweig machen dennoch eine Beziehung zum Heiligtum der Diana Nemorensis wahrscheinlich. Es dürfte Iphigenie als erste Priesterin der Göttin gemeint sein. Der Jüngling auf den „Virbius“Gemmen wäre dann Orest. Eine Hüftherme des beliebten, in ländlichen Heiligtümern im Freien verehrten Fruchtbarkeitsgottes Priapus ist in einem lockeren hellenistischen Stil geschnitten (Abb. 375). Eine Strichkette rahmt das Bild des Odysseus, der in der Linken den Weinschlauch hält, den er dem Kyklopen mit der im Sprechgestus ausgestreckten Rechten anpreist (Abb. 376). Ein schöner dunkelroter Karneol gibt das alte griechische Motiv des sich wälzenden Pferdes in etruskisierendem Stil wieder (Abb. 377). Ein Skarabäus aus blauem Chalcedon kopiert den Typus des Tydeus (Abb. 378, vgl. Abb. 317). Aufgrund seiner ägyptisierenden Form mit längsgestreiften Flügeldecken gehört der Skarabäus wohl in das 1. Jahrhundert v. Chr.

B. RINGSTEINE 1. Italische etruskisierende Ringsteine Eine Nicolo nachahmende Glasgemme zeigt die von etruskischen Ringsteinen vertraute Figur des vorgebeugten Mannes in spiegelbildlicher Verdoppelung. Ein unbärtiger und ein bärtiger Krieger mit Helm und Rückenmantel stützen einen in die Knie gebrochenen, verwundeten Schwerbewaffneten, der sein Schwert in der erschlafften Hand und einen mit Gorgoneion geschmückten Rundschild hält (Abb. 379). Das Gemmenbild dürfte zeitlich nicht weit entfernt sein von Darstellungen von Männern mit Rückenmantel sowie Rundschilden mit Gorgoneion auf etruskischen Ringsteinen (Abb. 363–367). Die durch das Abdruckverfahren etwas unscharf gewordene Figur des Verwundeten erscheint deutlicher auf einem Karneol in Berlin (Abb. 380). Der links beschädigte Schild trägt eine Gruppe zweier im Gleichschritt schreitender Krieger als Zeichen, vielleicht eine Palladion-RaubGruppe wie Abb. 386. Charakteristisch für die Werkstatt ist der in Dreiviertelansicht herausgewandte kompakte, breitovale Kopf. Im Stil genau vergleichbare Münzen gibt es nicht. Eine eng verbundene Gruppe dreier vorwärtsschreitender Krieger ist in mehreren

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XII. ITALISCHE UND RÖMISCHE GEMMEN

Wiederholungen überliefert, deren beste, in Stein geschnittene Exemplare leider verschollen sind; eine bemerkenswerte Zahl von Glasgemmen bezeugt die Berühmtheit des Motivs. Zwei Schwerbewaffnete führen einen verwundeten Gefährten, der seine Arme um ihre Schultern gelegt hat, vom Schlachtfeld (Abb. 381). Alle drei sind behelmt und gepanzert; der fast in voller Vorderansicht gegebene Verwundete ist als die Hauptperson hervorgehoben. Der rechte Helfer schultert die Lanze, der linke deckt die Gruppe mit einem großen Rundschild, mit einem Gorgoneion als Zeichen. Die Helfer blicken, auf Verfolger achtend, nach rechts. Der Verwundete schaut mit leicht gesenktem Kopf nach vorn. Wahrscheinlich ist es der verwundete Aeneas, der aus der Schlacht geführt wird. Bei Vergil sind die Helfer Mnestheus und Achates, Ascanius begleitet sie (Vergil, Aen. 12, 384ff.). Wie die schon auf einem etruskischen Skarabäus vom Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. dargestellte Flucht des Aeneas mit Anchises aus Troia dürfte auch diese Episode des Mythos schon lange vor Vergil in Italien bekannt gewesen sein. Ein Fragment gibt die Gruppe im Gegensinne dieser verschollenen Gemme wieder (Abb. 382). Beide Helfer schirmen die Gruppe nun mit Schilden ab; der Schild wird in dieser Ausnahmesituation also einmal am rechten Arm getragen. Das Zeichen des vorn gesehenen Schildes ist eine Kampfgruppe von Greif und Reh, wie sie auch das schönste Exemplar der Motivgruppe, das sich einst in der Sammlung Tyszkiewicz befand, zeigte. Bei der Othryadas-Darstellung auf einem Nicolo in Florenz ist der im Profil gesehene Kopf des Helden wieder mit etruskisierender, archaistischer Frisur, der behelmte Kopf des unter dem TropaionSchild liegenden Gefallenen in Vorderansicht dargestellt (Abb. 383). Ein Bäumchen neigt seine Zweige über die Szene. Derartige Landschaftsangaben fehlen in der etruskischen Glyptik. Eine weitere mehrfach überlieferte Darstellung mit kriegerischem Thema stellt den Beginn eines Stieropfers dar (Abb. 384). Ein Gepanzerter mit Beinschienen, der die Lanze (beim Abdruck in der Linken) hält, steht frontal vor dem Opferstier, gießt eine Weinspende, als unblutiges Opfer vor dem Tieropfer, auf einen Altar. Er trägt die Rüstung samnitischer Krieger, die vor allem durch lukanische, campanische und paestanische Vasenbilder bekannt ist. Eine kurze Tunica läßt die Oberschenkel frei, ist über den Genitalien heruntergezogen. Der vermutlich lederne Panzer wird durch Schulterlaschen und einen Gürtel gehalten. Das große Gorgoneion in der Mitte des Panzers ist hier wohl nicht Teil des Panzers wie bei metallenen Muskelpanzern vom griechischen Typus (Abb. 381, 382) sondern stellt die scheibenförmige Brustplatte der samnitischen Kriegertracht dar. Zwei Spitzen an den Seiten des Helms dürften die häufig bei Helmen samnitischer Krieger vorkommenden Federn andeuten. Zwei weitere Krieger im Hintergrund flankieren den Opfernden; der von vorn gesehene Schild des einen hat ein großes Gorgoneion als Zeichen. Aus der etruskischen Glyptik stammen der Strichrand und die in wechselnder Richtung schraffierten Dreiecke des Bodensegments. Letztere sind von Skarabäen des 5. Jahrhunderts v. Chr. kopiert und sollen dem Bild vermutlich einen altertümlichen Charakter verleihen. Dietrich Berges vermutet einen Bezug der Darstellung auf zeitgenössische Kriege, insbesondere gegen Karthago, doch bleibt Furtwänglers Deutung aus dem italischen Mythos erwägenswert. Nach Strabo (5,12 [C.250]) hatten die Sabiner dem Mars in Kriegsnot einen „heiligen Lenz“ (ver sacrum), die neugeborenen Knaben eines Jahres, geweiht. Zu jungen Kriegern herangewachsen mußten sie aus ihrer Heimat ausziehen. Ein von Mars gesandter Stier zeigte ihnen den Weg zu ihrem

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neuen Wohnsitz; wo er sich niederlegte, gründeten sie eine neue Stadt und opferten das Tier dem Mars. Die Stadt, wahrscheinlich Bovianum, lag in Samnium; so wurden die ausgewanderten sabinischen Krieger die Stammväter der Samniten.

2. Italische hochovale Ringsteine Eine Modeerscheinung des 2. Jahrhunderts v. Chr. sind hochovale Ringsteine, meist aus Bandachat, mit stark gelängten Figuren. Sie kommen in verschiedenen Stilrichtungen vor. Die hochovale Form dürfte von hellenistischen Ringsteinen dieser Form beeinflußt sein (z. B. Abb. 287). Die Gruppe eines Kriegers, der, mit der Lanze kämpfend, einen am Boden kauernden Verwundeten schützt, entlehnt Strichrand und Schild mit Perlkranz aus dem Etruskischen (Abb. 385). Die Darstellung der Köpfe, einmal im Profil, einmal frontal weist auf eine Verbindung zu Werkstätten, aus denen Abb. 379 und 383 stammen. Ebenfalls von einem Strichrand gerahmt ist die im Gleichschritt bewegte Gruppe von Odysseus und Diomedes beim Palladionraub. Odysseus trägt das Palladion in der ehrfürchtig mit dem Mantel umschlungenen Hand, Diomedes hält Speer und Schild bereit; beide Helden blicken sich nach möglichen Verfolgern um (Abb. 386). Das Motiv der im Gleichschritt bewegten Krieger stammt aus dem Etruskischen (vgl. Abb. 345, 347, 381, 382). Ihrem Stil nach ist die Gemme ein mit Flach- und Rundperlzeigern verschiedener Größe recht differenziert gearbeitetes Beispiel der flachen Ringsteine im Rundperlstil. Die Gruppe einer Tochter der Niobe, die ihren ins Knie gebrochenen Bruder mit vorgehaltenem Mantel vor den Pfeilen des Apollo zu schützen sucht, weist in ihrer Räumlichkeit auf ein griechisches Vorbild (Abb. 387). Der herbe Kopf der Niobide erinnert an Etruskisches. Der verschollen geglaubte, jüngst als Teil einer Privatsammlung publizierte Stein ist ein gutes Beispiel für die Beziehungen der verschiedenen Werkstätten untereinander. Material (Karneol) und die konvexe Oberfläche unterscheiden die Gemme von den flachen, quergestreiften SardonyxRingsteinen; stilistisch ist sie dem italischen Rundperlstil zuzurechnen. Bei dem stehenden Jupiter mit Szepter und Blitzbündel und um die Schultern gelegtem Mantel erinnert nur der Kopf mit der archaistischen Frisur an Etruskisches (Abb. 388). Die Längung des Körpers ist archaisierend, seine plastische Durchbildung folgt klassischen Vorbildern, was einem eklektischen hellenisierenden Stil entspricht. Der gleichen Stilrichtung gehört ein stehender junger Krieger an (Abb. 389). Es ist wohl der Gott Mars; er trägt einen Helm, ist bis auf den im Rücken herabhängenden Mantel nackt, stützt sich auf die Lanze und hält einen kleinen Rundschild, der eine Querverbindung zu etruskisiernden Werken wie Abb. 385 schafft. Das Material, Karneol und die bikonvexe Form gehören der hellenisierenden Richtung an.

3. Italische flache Ringsteine im Rundperlstil Die Gruppe der italischen flachen Ringsteine im Rundperlstil ist benannt nach den relativ großen Rundperlzeigern, mit denen alle geeigneten Teile wie Muskeln, Schultern, Hände, Gelenke wiedergegeben werden. Für längliche Körperteile, Haare oder Gewand werden auch andere Zeiger eingesetzt. Im bevorzugten Gebrauch des Rundperlzeigers zeigt sich etruskischer

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Einfluß. Eine ähnliche Verwendung relativ dicker Rundperlmarkierungen kommt auch in der römischen Münzprägung vor (Abb. 390). Die in die Schlacht reitenden Dioskuren sind ein Haupt-Typus der Rückseiten römischer Denare vom Beginn der Denarprägung im Jahre 211 v. Chr. bis in das späte 2. Jahrhundert v. Chr. Die göttlichen Zwillinge waren die Schützer Roms, seit sie als Vorkämpfer der Reiter – so die Legende – den Römern in der Schlacht am See Regillus (496 v. Chr.) zum Sieg über die Latiner verhalfen (Livius 2,20,12; 42,5). Die als Punktrosetten gebildeten Sterne über ihren Häuptern bezeichnen sie als Sternbild der Zwillinge. Die hochovale Form und die Vorliebe für quergestreiften Bandachat oder seine Nachahmung in Glas verbinden einen Teil der Gemmen mit Teilen der vorigen Gruppe (vgl. Abb. 386). Dies gilt für einen Ringstein in Berlin, auf dem ein behelmter Krieger im Mantel das Messer erhebt, um einen vor ihm knienden nackten Gefangenen zu töten (Abb. 391). Wahrscheinlich ist es Achill, der einen Troianer am Grab des Patroklos opfert. Das Motiv des Menschenopfers und die Figur des Stehenden mit Rückenmantel in Dreiviertelansicht stammen aus der etruskischen Glyptik. Eine Glasgemme in Wien zeigt die originelle Umdeutung des etruskischen Motivs eines Kriegers, der einen Helm oder Kopf betrachtet, in einen sich wappnenden Amor (Abb. 392). Aus dem Repertoire der griechischen Gemmenschneider ist der mit Traube und Fruchtschale aus einer Blüte emporsteigenden Amor übernommen (Abb. 393). Eine innerhalb dieses etwas spröden Stiles ungewöhnlich schwungvolle Arbeit ist der stoßende Stier mit der Besitzerinschrift eines HERMAISCUS (Abb. 394). Der Name bedeutet „kleiner Hermes“; der Besitzer mag das Motiv in Hinblick auf den Rinderdiebstahl des Hermeskindes gewählt haben.

4. Italische konvexe Ringsteine im Rundperlstil Die Ringsteine dieser Gruppe sind durch die stark konvexe Form der Bildseite und die in Draufsicht runde Form gekennzeichnet. Beide Elemente kommen auch im italischen Rundperlstil und im römisch-kampanischen Stil vor, was auf Nachbarschaft der Werkstätten hinweist. Die Bilder werden auch hier überwiegend mit großen und mittelgroßen Rundperlbohrungen und wenigen, meist breiten Schneidezeigerschnitten gearbeitet. Die Motive sind überwiegend einfache Tierbilder oder Gegenstände. Der an einer Trompetenmuschel pickende Reiher (Abb. 395) und das Tropaeum mit den an einem Baumstumpf angehängten Waffen: Helm, Panzer, Rundschild, Schwert und Lanze (Abb. 396), sind charakteristische Beispiele. Das Tropaeum ist dem von Victoria bekränzten Tropaeum auf den nach diesem Motiv „Victoriati“ genannten Münzen ähnlich. Schwungvoller ist ein springender Delphin, der mit dem Schwanz eine Spitzamphora umschlingt, ein Bild, das wohl friedlichen Handel bei ruhiger See symbolisieren soll (Abb. 397).

5. Italischer Rundperlstil Parallel zu den zuvor genannten Gruppen entsteht, angeregt von etruskischer Rundperltechnik, ein Stil, der die Körper plastisch modelliert und alle geeigneten Details mit kleinen und kleinsten Rundperlvertiefungen akzentuiert. Er mündet in den römisch-

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republikanischen Rundperlstil des 1. Jahrhunderts v. Chr. Dieser Stil findet sich sowohl bei italischen Skarabäen (s. o. Abb. 374) wie auf flachen und konvexen Ringsteinen. Auch dieser Stil hat Parallelen auf römisch-republikanischen Münzen. Häufig sind Beine von Tieren, insbesondere die von den Motiven her überwiegenden Pferdebeine, mit Rundperlpunkten gegliedert; auch andere Teile, wie Mähnen, Flügelrand, Szepter und stabartige Gegenstände bzw. deren Enden werden gepunktet. Eines von vielen Beispielen ist die Rückseite eines Denars des M. Aurelius Cota [Cotta], die Hercules im Löwenfell mit Keule als Lenker eines Kentaurengespannes zeigen (Abb. 398). Die Kentauren schultern Palmzweige. Rundperlpunkte verschiedener Größe geben Brust- und Bauchmuskulatur des vorderen Kentauren, die menschlichen Hände sowie die Gelenke bei menschlichen und tierischen Extremitäten. Ein Hirte führt einen großen Ziegenbock zu einem unter einem Bäumchen stehenden Altar, in der Rechten hält er ein Wurfholz (pedum), wie es vor allem für die Hasenjagd verwendet wurde (Abb. 399). Der Haarkranz aus Buckellöckchen mit dem kleinen abstehenden Haarschopf, auch die harte Binnenzeichnung beim Torso und der hinteren Beinkontur stehen etruskischen Ringsteinen nahe (vgl. Abb. 366, 367), was eine Datierung in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. wahrscheinlich macht. Das Motiv und seine lebendige Ausführung sind ganz hellenistisch, der Strichrand fehlt. Das Bild des laufenden Satyrs, der Tierfell und Pedum hält, die Hand (im Abdruck die rechte) grüßend oder gestikulierend erhebt, ist durch die Verwendung verschieden großer Rundperlvertiefungen geprägt (Abb. 400). Auch die in großen Buchstaben beigefügte Besitzerinschrift ist mit laufendem Rundperlzeiger und Rundperlpunkten an den Enden geschrieben; sie lautet MAEN(ius) P(h)ILEMO und bezeichnet einen Freigelassenen der Familie der Maenii namens Philemo als Besitzer. Für die Schreibweise der Inschrift finden sich zahlreiche Parallelen auf republikanischen Münzen. Aus volkstümlichen Märchen stammen Bilder von Zwergen, die menschlichen Beschäftigungen aller Art nachgehen. Dieser hat sich mit Dreizack und Netz als Gladiator (retiarius) verkleidet (Abb. 401). In einem Oval von 1.33 x 0.84 cm Größe ist eine Herde von sechs Rindern dargestellt; daß die Zahl der Beine zu gering ist, fällt erst beim Nachzählen auf (Abb. 402). Solche Kunststücke der Gemmenschneider weckten die Bewunderung der antiken Betrachter. Drei Gedichte der Anthologia Graeca rühmen einen in Gold gefaßten Jaspis mit diesem Thema (IX 746, 747, 750, s. o. S. 2).

6. Italischer Rundperlstil mit linearem Stil Wo es das Motiv erfordert, werden der Rundperlstil und der mit parallelen Schnitten arbeitende lineare Stil kombiniert. Dies kommt insbesondere bei Köpfen vor, wo Nasenspitze und -flügel, Lippen und Kinn durch Rundperlpunkte akzentuiert, die Haare gestrichelt werden. Der Kopf einer Göttin mit Diadem, stellt wahrscheinlich Diana dar; für die Jägerin ist das auf dem Scheitel hochgebundene Haar charakteristisch (Abb. 403). Bei dem Kopf eines bärtigen behelmten Kriegers, vielleicht des Mars selbst, bot sich die Strichelung für Bart und Helmbusch an (Abb. 404). Wenig individuelle Köpfe, meist in stark konvexe Steine geschnitten, sollen, wie die Besitzerinschriften zeigen, dennoch als Porträts verstanden werden. Ein konvexer Sard

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mit dem Kopf eines unbärtigen jungen Mannes trägt die Besitzerinschrift eines Gaius Aufus (Abb. 405). Ein Beispiel für die Verbindung von Rundperl- und Schneidezeigerarbeit an einer ganzen Figur bietet der sitzende Bildhauer, der mit einem doppelköpfigen Hammer vor einer schon fertigen Herme sitzt (Abb. 406).

7. Römisch-Kampanischer Stil Die Bezeichnung „römisch-kampanisch“ ist aus der Numismatik entlehnt, wo sie für republikanische Münzen des 3. Jahrhunderts v. Chr. gebraucht wird, die einen stark griechisch geprägten Stil zeigen, was auf den Einfluß von Künstlern aus Campanien schließen läßt. Ein charakteristisches Beispiel sind in Rom geprägte Goldstatere aus der Zeit von 225–212 v. Chr. (Abb. 407 a, b). Auf der Vorderseite sind die lorbeerbekränzten Köpfe der Dioskuren in der Art des Januskopfes dargestellt. Die Rückseite zeigt ein Eidopfer zwischen zwei Kriegern. Der links stehende, bärtige trägt nur einen Schurz, er stützt sich auf eine lange Lanze oder ein Szepter, der rechts stehende, unbärtige in Muskelpanzer hält eine Lanze mit abwärts gerichteter Spitze in der vom Mantel umschlungenen linken Armbeuge. Beide tragen Schwerter in der Scheide an der Seite. Mit kurzen Messern berühren sie ein Ferkel, das ein kniender ebenfalls mit einem Schurz bekleideter Gefährte hält. Das Opfer eines Ferkel ist charakteristisch für den Abschluß eines Staatsvertrages. Livius schildert den Vorgang anläßlich des ältesten ihm bekannten derartigen Vertrages zwischen Rom und den Albanern unter Tullus Hostilius (1,24,3–9). Ein Priester aus dem Kollegium der Fetialen verlas den Vertrag und sprach die Eidesformel. Sie endete mit dem Bannspruch, wenn das römische Volk vom Vertrag abweiche, möge Jupiter es so treffen, wie er nun das Ferkel treffe. Darauf durchbohrte er das Ferkel mit einem Feuerstein (porcum saxo silice percussit). In entsprechender Weise leistete ein Priester der Albaner den Eid. Der bei der Zeremonie verwendete Feuerstein, offenbar ein prähistorisches Messer, wurde im Tempel des Jupiter Feretrius aufbewahrt. Münzmeister augusteischer Zeit haben einen solchen Vertragsschluß aus der Königszeit zwischen Rom und Gabii, der Heimatstadt ihres Geschlechtes, auf Münzrückseiten prägen lassen: Zwei Priester in Toga mit verhülltem Haupt halten ein Ferkel über einem Altar. Auf dem Münzbild (Abb. 407b) sind es nicht Priester, sondern Krieger, die das Eidopfer vollziehen. Das läßt vermuten, daß die Szene in der römischen Frühzeit spielt. Hinzu kommt die Tracht des linken Kriegers, die keine zeitgenössische ist, vielmehr auf die Zeit der heroischen, unverweichlichten Vorfahren verweist. Der rechte, durch die fast volle Vorderansicht hervorgehobene Krieger trägt den griechischen Muskelpanzer, der auch als Tracht römischer Offiziere und Kaiser immer ein historisierendes Rüstungsteil bleibt. A. Alföldi schlug vor, in der Szene den Vertragsschluß zwischen Aeneas und Latinus zu erkennen (Vergil, Aen. 12,161–215). Dieser Vertrag wurde aber sogleich wieder gebrochen. Daher dürfte die von Crawford unter anderen erwogene, von Simon begründete, Deutung auf den Vertrag zwischen Romulus und Titus Tatius die richtige sein. Der von den geraubten Sabinerinnen bewirkte Friedensschluß beendete den Krieg zwischen Römern und Sabinern (Livius 1,13,4; Vergil, Aen. 8,639–641). Der Altersunterschied der Krieger paßt zu dieser Deutung. Die hier in der Tracht ausgedrückte strenge Zucht und einfache Lebensart der

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alten Sabiner ist fester Bestandteil ihrer Charakterisierung. In der aktuellen Situation der Kriege gegen die Gallier (225–222 v. Chr.) und Karthager (2. punischer Krieg, 218–201 v. Chr.) sollten die Goldstatere und Halbstatere mit dem Eidopfer durch die Berufung auf das alte Bündnis die Einigkeit von Rom und seinen Bundesgenossen beschwören. Die Tatsache, daß auch Gemmen mit diesem Bild geschnitten und Glasgemmen nach ihnen hergestellt wurden, bezeugt das Interesse der Zeitgenossen an dem Motiv. Zwei braune Glasgemmen in Berlin und in Genf geben das Motiv der Goldstatere im gleichen Stil mit kleinen Veränderungen wieder (Abb. 408). Romulus berührt das Ferkel mit einem rundlichen Gegenstand, offenbar dem altertümlichen Feuerstein; er trägt keine Lanze. Die Haltung des Ferkelträgers ist spiegelbildlich zur Münze: er kniet auf dem rechten Knie, wendet den Kopf zu Titus Tatius, während der Kopf des Ferkels zu Aeneas hin gerichtet ist, d. h. der Abdruck entspricht dem Seitensinn der Münzen. In der Glyptik wird die Bezeichnung „römisch-kampanisch“ in zeitlich weiterem Rahmen als in der Numismatik für Gemmen des 3. – 1. Jahrhunderts v. Chr. verwendet. Die so bezeichneten Gemmen schließen sich innerhalb des italisch-hellenistischen Stiles zu Gruppen zusammen, die sich aufgrund ihrer Stileigenschaften mit Campanien und Rom verbinden lassen. Charakteristisch sind sehr plastische Figuren und eine Vorliebe für die Darstellung von Körperdrehungen, Rück- und Vorderansichten, in denen der Gemmenschneider seine ganze Kunst zeigen kann. Ein Sard in Wien gibt das alte etruskische Motiv des knienden Kriegers mit dem Schwert (vgl. Abb. 356) in diesem plastisch modellierenden Stil wieder (Abb. 409). Die runde konvexe Form und das Material kommen häufig vor. Ein kräftiger Silen kniet in Vorderansicht fast raumfüllend im Bild; er hat den linken Arm um den Hals einer Ziege gelegt, erhebt (im Grußgestus?) die Rechte; ein Efeukranz mit Korymben schmückt die kahle Stirn. Durch die leichte Linkswendung des Körpers wird das Satyrschwänzchen sichtbar (Abb. 410). Stilverwandt ist ein Sard von vorzüglicher Qualität im British Museum. In etruskisierendem Strichrahmen kniet der bärtige, mollige Papposilen; auf seinem hochgestellten Knie sitzt das Bacchuskind, um dessen Rücken er den linken Arm legt; die Rechte ist in die Taille gestützt (Abb. 411). Das Bacchuskind hält in der gesenkten Linken eine Traube, in der nicht sichtbaren Rechten einen Thyrsos. Ein vom Rücken gesehener Reiter auf steigendem Pferd, der mit ausgestreckter Hand die Gefährten zum Nachkommen aufzufordern scheint, ist ein charakteristisches Beispiel für die Stilrichtung (Abb. 412). Das Motiv wäre für eine Münze ungeeignet, doch zeigt ein Denar mit den in Gegenrichtung galoppierenden, umblickenden Dioskuren ein ähnliches Stilgefühl. In voller Vorderansicht tänzelt ein Satyr mit überkreuzten Beinen aus dem Bildgrund hervor, er schultert eine pedum, hält einen Napf in der Rechten (Abb. 413). In seitlicher Dreiviertelansicht lehnt Odysseus mit dem im Rücken herabhängenden Bettelsack an einer Rundbasis; stützt nachdenklich den Kopf (Abb. 414). Die verwundete Amazone im Sosikles-Typus ist ein Beispiel für bezeichnenderweise in dieser hellenisierenden Gattung vorkommende Kopien griechischer Bildwerke (Abb. 415). Sie stützt sich auf ihre Lanze und zieht mit der Linken den gelösten Chiton von der verwundeten rechten Brustseite weg. Eine weitere Statuenkopie ist ein sitzender Faustkämpfer mit frontal herausgewendetem Kopf im Typus des bronzenen Faustkämpfers im Thermenmuseum auf einer konvexen runden Glasgemme in Göttingen (Abb. 416). Die aus der schräg lie-

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genden Ebene der Brust kugelig hervorgehobene und nach vorn gewandte Schulter der drei zuletzt betrachteten Gemmen findet sich auch auf Münzen vom Ende des 2.–Anfang des 1. Jahrhunderts v. Chr. Im Stil dieser Gemmen verbinden sich etruskische Einflüsse wie die Rundperlarbeit an Körpern, Gesicht und Haaren mit griechisch-hellenistischen wie der Dreiviertelansicht und landschaftlichen Elementen (beim Odysseus). Die Schrägansicht der Brust und Vorderansicht des Kopfes findet sich wieder bei dem molligen Amor, der wie ein Kriegsgefangener gefesselt vor einem Tropaeum sitzt (Abb. 417). In den Wechselfällen des Märchens von Amor und Psyche wird Amor, der Psyche gequält hat, auf diese Weise bestraft. Eine literarische Fassung der Geschichte von Amor und Psyche ist in den Metamorphosen des Apuleius erhalten, bildliche Darstellungen wie diese belegen Varianten der Erzählung, die dort nicht vorkommen. Ein Ausläufer dieser Stilrichtung ist das Bild des auf Felsen sitzenden Philoktet (Abb. 418). Sein rechter Fuß ist verbunden, am Felsen lehnt der für ihn typische Goryt, ein großer Köcher mit Halterung für den Bogen. Die Gemme gibt vielleicht einen Hinweis für die Rekonstruktion und Deutung des Torso vom Belvedere. Auch die reine Vorderansicht ist beliebt. Singulär ist das Bild vom Tod der Medusa (Abb. 419). Im Vordergrund rechts hockt die enthauptet zusammengebrochene Medusa, ihr linker Ellbogen liegt auf dem vorgesetzten Bein, der rechte Arm hängt herab. Aus ihrem Hals entspringt das Flügelpferd Pegasus. Hinter Medusa steht, in Vorderansicht mit seitlich ausgebreiteten Flügeln, eine ihrer unsterblichen Schwestern. Der Kopf ist leicht zur Seite gewandt. Auf dem rechten Arm hält sie einen nackten Knaben, den vor Pegasus von Medusa geborenen Chrysaor, die Linke streckt sie klagend zur Schwester hin aus. Schlangen umgeben das Haupt der Gorgo, ihr Chiton wird auf der Brust durch gekreuzte Bänder gehalten, damit das Gewand bei ihrem Flug durch die Luft nicht flattert; auch an den Füßen hat sie kleine Flügel. Das linke vorgesetzte Bein schaut nackt aus dem Chiton hervor. Frontale Darstellungen sind auch in Form von Büsten beliebt, deren Schultern und Brüste (bei Männern wie Frauen) durch Rundperlvertiefungen wiedergegeben werden. Die Büste einer Dea Panthea ist mit Attributen mehrerer Göttinnen ausgestattet: auf dem Kopf trägt sie den modius der Fortuna und die Mondsichel der Luna, in Greifenköpfe endende Flügel verleihen ihr Züge der Victoria und der Nemesis (Abb. 420). Während die Büste der Dea Panthea den Stil eines guten Handwerkers veranschaulicht, ist die Büste eines Kithara spielenden Silen ein Meisterwerk (Abb. 421). Der efeubekränzte, bis auf wenige Löckchen im Nacken kahle Kopf ist in Dreiviertel-Vorderansicht herausgewandt. Unter stark geschwungenen Brauen blicken große Augen nach vorn. Ein Schnurrbart hängt über die Mundwinkel, der Bart besteht aus geschwungenen Locken mit feiner Binnenzeichnung. Um die Büste liegt ein auf der Schulter geknotetes flockiges Schafsfell, die nebrís. Die Rechte liegt auf den Saiten der Kithara, in welche die Linke von hinten greift. Der Silen hat menschliche Ohren und das Gesicht erinnert an das oft mit Silen verglichene Porträt des Sokrates (Platon, Theaitet 143e, Symposion 215b; Xenophon, Symposion 5,5–6). Tatsächlich hat das Porträt des Sokrates seinerseits den Typus des „philosophischen Silen“ beeinflußt. Der Silen spielt auch nicht sein übliches Instrument, die Flöten, sondern die Kithara, mit der feierliche Gesänge begleitet wurden. Wahrscheinlich ist das Gemmenbild von einer Theateraufführung angeregt, bei welcher der Kontrast zwischen

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dem lustigen Aussehen der Silene und ihrem feierlichen Gehabe Heiterkeit auslöste. Von ganz hellenistischem Charakter ist das Profil eines Mannes mit vorgewölbter Stirn und leicht geöffneten Lippen, den die anliegende, unter dem Kinn gebundene Kappe als römischen Priester ausweist (Abb. 422). Der gepanzerte Reiter mit wehendem Mantel auf einem in hellenistischer Weise stilisierten Pferd hat einen Römerkopf mit kurzen gestrichelten Haaren (Abb. 423). Der Kopftypus läßt sich verbinden mit Einzelköpfen wie Abb. 405, die Rundperlpunkte der kurzgeschorenen Pferdemähne, die Rundperlscheiben am Panzer verweisen auf den Rundperlstil. Ein Karneol in Berlin mit dem Kampf eines Reiters gegen einen Fußkämpfer zeigt wieder die Verbindung von hochplastischer Körperbildung, besonders beim Pferd, Parallelschnitten für die Gewandfalten, Vorderansicht des Kopfes beim Reiter und Rundperlpunkten für die Details (Abb. 424).

8. Italisch-hellenistischer Stil Italische Gemmen, die noch stärker griechisch geprägt sind als die römisch-kampanischen, ist man geneigt, im südlichen Italien, zum Teil vielleicht in Tarent, zu lokalisieren. Ein verschollener Sard mit dem gleichen Motiv kann illustrieren, woher die Inspiration für das zuvor gezeigte Gemmenbild kam. Der Reiter stößt mit der Lanze auf den zusammenbrechenden Gegner ein, der sich vergebens mit dem Schwert zu wehren versucht (Abb. 425 a-c). Das Motiv ist herzuleiten von der Grabstele des 394 v. Chr. gefallenen Dexileos auf dem Kerameikos von Athen. Der Stil spricht für eine frühhellenistische Entstehung. In beiden Fällen sind die Unterlegenen durch den spitz- bzw. langovalen Schild mit Mittelsteg als Gallier bezeichnet. Man darf hier Reflexe der immer wieder aufflammenden Kämpfe zwischen Römern und Galliern erkennen. Ein junger Triton mit alexanderhaft gesträubtem Haar holt spielerisch mit dem Dreizack nach zwei schwimmenden Delphinen aus (Abb. 426). In der anderen Hand hält er ein Schiffsruder, was vielleicht auf einen Seesieg deutet. Der das Bild rahmende Strichrand spricht für eine Entstehung im Westen.

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT A. VOM GEBRAUCHSGEGENSTAND ZUM KUNSTWERK UND SAMMLERSTÜCK Für die republikanischen Römer waren Gemmen nichts weiter als Siegel; sie trugen nicht mehr als den einen notwendigen Siegelring, wobei der Reif zunächst aus Eisen bestand (s. o. II A5). Während der Eroberung des östlichen Mittelmeerraumes, im Verlauf des 2. und 1. Jahrhunderts v. Chr., lernten die Römer die völlig andere Einstellung ihrer Gegner zu dieser Kunstgattung kennen. Die hellenistischen Fürsten schätzten Gemmen als Kunstwerke, sammelten sie, gaben Gemmenringe mit ihrem Porträt als Ehrengeschenke und verteilten Glasgemmen zu Propagandazwecken. Titus Quinctius Flamininus, der 197 v. Chr. bei Kynoskephalai über Philipp V. von Makedonien siegte und bei den isthmischen Spielen, 196 v. Chr., die Freiheit aller bisher unter Philipps Oberherrschaft stehenden griechischen Staaten erklärte, ließ gleich einem hellenistischen Fürsten sein Porträt auf Münzen prägen und von einem griechischen Meister, Daidalos, in einen dunkelroten Granat schneiden (Abb. 427). Eine Episode aus Plutarchs Biographie des L. Licinius Lucullus wirft ein Licht auf die Begegnung der römischen und der griechischen Welt (Plutarch, Lucullus 2,3). Lucullus, im Jahre 86 v. Chr. von Sulla beauftragt, die fehlende Flotte gegen Mithradates VI. von Pontos zusammenzubringen, wandte sich auch an Ptolemaios IX. von Ägypten. Dieser empfing ihn fürstlich, lehnte jedoch militärische Hilfe ab. Reiche Geschenke und das Angebot einer Reise zu den Wundern Äygptens sollten statt dessen die persönliche Gewogenheit des römischen Abgesandten sichern; Lucullus lehnte beides ab. Beim Abschied schließlich schenkte ihm der König einen kostbaren goldgefaßten Smaragd; als Lucullus auch diesen zurückweisen wollte, machte der Geber darauf aufmerksam, daß der Stein sein eingeschnittenes Porträt trage. Dieses Geschenk konnte der Römer nicht ablehnen, wenn er den König nicht brüskieren wollte. Der erste Römer, der wie die griechischen Fürsten Gemmen sammelte, war M. Aemilius Scaurus, der Schwiegersohn Sullas. „Dactyliotheca“, „Ringkabinett“ nannte man eine solche Sammlung von Gemmenringen. Scaurus hatte die Sammlung offenbar schon vor seiner Proquaestur in Syrien (65–61 v. Chr.) angelegt, denn sie blieb nach Plinius für lange Zeit die einzige in Rom. Erst durch den Sieg des Pompeius sei die Begeisterung für Gemmen und Perlen geweckt worden, während andere griechische Kunst- und Luxusgüter wie getriebenes Silber, golddurchwirkte Stoffe, mit Bronze eingelegte Speisesofas, korinthische Bronzen und Gemälde schon früher in Mode gekommen seien. Gemeint ist der Triumph am 29. September 61 v. Chr., bei welchem Pompeius den staunenden Römern die Beute des Sieges über Mithradates VI. von Pontos vorführte. Teil der Beute war die Daktyliothek des Königs. Pompeius weihte sie in den Tempel des kapitolinischen Jupiter, d. h. er stellte sie öffentlich aus, wie dies vom siegreichen Feldherrn erwartet wurde. Julius Caesar stiftete sechs Daktyliotheken für den Tempel der Venus Genetrix, sein Neffe Marcellus eine weitere

B. GRIECHISCHE GEMMENSCHNEIDER IN ROM

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für den Tempel des palatinischen Apoll. Über die Herkunft dieser Sammlungen erfahren wir nichts; daß auch sie aus Kriegsbeute stammten, darf man vermuten (Plinius, nat. hist. 37,11–12). Etwa die Zeit des Pompeius dürfte der augusteische Jurist C. Ateius Capito mit dem „luxuriösen Zeitalter“, da man begann kostbare Gemmenringe zu tragen, in dem oben zitierten Fragment meinen (s. o. S. 15). Die römischen Großen begannen nun selbst, Gemmen zu sammeln. Von einigen Auswüchsen der Sammelleidenschaft hören wir in der Literatur. In seiner Anklageschrift gegen Verres, der sich als Statthalter von Sizilien (73–70 v. Chr.) durch Erpressung und Diebstahl bereichert hatte, erwähnt Cicero auch folgenden Fall: Verres’ Blick fiel auf den Siegelabdruck eines Briefes, den sein Dolmetscher erhalten hatte. Das Siegelbild gefiel ihm; sogleich erkundigte er sich nach dem Besitzer und ließ diesem, L. Titius, einem römischen Bürger von Agrigent, den Ring durch seine Agenten abnehmen. Auch anderen Leuten soll Verres Siegelringe, die ihm gefielen, einfach vom Finger gezogen haben (Cicero, Verr. 2, 4, 57–58). Im Jahre 43 v. Chr. schickte M. Antonius den Senator Nonius ins Exil, weil er nicht bereit war, ihm einen auf zwei Millionen Sesterzen (etwa 35 000 Goldmark) geschätzten Opal zu überlassen. Nonius floh aus Rom, vereitelte aber das Ziel des Antonius, indem er als einziges Besitztum den in einen Ring gefaßten Opal mitnahm (Plinius, nat. hist. 37, 81–82). In diesem Falle handelte es sich wahrscheinlich um einen ungeschnittenen Stein.

B. GRIECHISCHE GEMMENSCHNEIDER IN ROM Im Umgang mit den erbeuteten oder gesammelten Kunstwerken bildeten die Römer ihren Geschmack. Horaz hat dies für den Bereich der Literatur in berühmte Verse gefaßt (ep. 2, 1, 156f.): Graecia capta ferum victorem cepit et artis / intulit agresti Latio: „Das eroberte Griechenland hat den rauhen Sieger erobert, die Künste im bäuerlichen Latium eingeführt“. In der Glyptik führte die Begeisterung der Römer für griechische Kunst zu einer neuen Blüte. Griechische Gemmenschneider, die ihre fürstlichen Auftraggeber verloren hatten, fanden neue Förderer im Westen. Seit dem 2. Viertel des 1. Jahrhunderts v. Chr., also genau in jener Zeitspanne, in die Plinius das erwachende Interesse für Gemmen datiert, arbeiteten griechische Gemmenschneider in Rom. Dies läßt sich an den Gemmen selbst ablesen, da die Künstler ihreWerke häufig signierten. Die Signaturen zeugen einerseits vom Selbstbewußtsein der Künstler, auf der anderen Seite setzen sie voraus, daß diese bei Auftraggebern oder Käufern einen Namen hatten, daß man stolz über den Besitz einer signierten Gemme war. Stil und griechische Schreibung bezeugen die Herkunft der Gemmenschneider aus dem griechischen Raum. Die Niederlassung in Rom ist für Dioskurides literarisch überliefert (s. u. S. 117), läßt sich für andere Meister aus ihren Werken, vor allem den Porträts von Römern, römischen oder mit Rom verbundenen Motiven, der Übernahme italischer Motive oder Besonderheiten des Namens erschließen. Hinzu kommen stilistische Argumente aus der Schulzugehörigkeit der Gemmenschneider. Die lateinischen Namen einiger signierender Meister bedeuten keineswegs, daß sie italischer Herkunft sind (s. zu Abb. 296, 476): Römische Vor- oder Zunamen (praenomina und cognomina) kommen im griechischen Osten seit hellenistischer Zeit, verstärkt seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. vor. Ein hier einschlägiges

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Beispiel sind die römischen Namen der Söhne des Gemmenschneiders Alexas (s. u. S. 115). Die griechischen Gemmenschneider arbeiteten zunächst in einem späthellenistischen Stil, der sich deutlich von den zuvor in Italien vorhandenen Stilrichtungen unterscheidet. Daher lassen sich auch nichtsignierte Werke als Arbeiten griechischer Meister erkennen. Als späthellenistische Künstler beherrschten diese Gemmenschneider eine weit gefächerte Formensprache. Je nach Motiv oder Vorliebe konnten sie eine archaistische, klassizistische oder hellenistische Darstellungsweise wählen oder auch diese Elemente in verschiedener Weise verbinden. Gemmenschneider dieser späthellenistischen Richtung arbeiteten noch bis in die frühe Kaiserzeit hinein. Andere jedoch schufen einen neuen, spezifisch römischen Klassizismus innerhalb der Glyptik, wie er unter dem Einfluß des Augustus und seines Kreises auch in den anderen Kunstgattungen ausgebildet wurde. Anhand der Signaturen von rund 40 Gemmenschneidern können wir das Wirken dieser griechischen Meister bis in die 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. verfolgen. Die von den augusteischen Meistern begründete Stilrichtung bleibt bestimmend für die großen Meister der Kaiserzeit und wird in vereinfachter Form von den Handwerkern übernommen („Klassizistisch-linearer Stil“ s. u. S. 139). Gemmen mit Meistersignaturen erregten das Interesse der Sammler seit dem 16. Jahrhundert. Im frühen 18. Jahrhundert erwuchs aus der Bewunderung der augusteischen Meisterwerke noch einmal eine neue Blüte der Glyptik (s. u. XXI B5).

1. Späthellenistische Meister des 1. Jahrhunderts v. Chr. Pamphilos läßt sich in die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. datieren; ob er im Osten oder im Westen arbeitete, ist anhand des einen signierten Werkes nicht erkennbar (Abb. 428). In einen stark konvexen Amethyst ist die muskulöse Gestalt des in Dreiviertelansicht auf einem gewandbedeckten Felsen sitzenden, die Kithara spielenden Achill tief eingeschnitten, die Linke greift in die Saiten, die Rechte schlägt sie mit dem Plektron; der Melodie nachsinnend ist der Kopf leicht empor gewandt, mit seinem stark bewegten, über der Stirn alexanderhaft gesträubten Haar ist er von ganz hellenistischem Pathos. Detailliert sind der links abgelegte korinthische Helm, das an einem Bäumchen aufgehängte Schwertgehänge und der darunter lehnende Schild gegeben. Auch das Gorgoneion mit seinen zusammengezogenen Brauen und züngelnden Haaren ist von hellenistischer Art. Zwei Rennwagen mit Zweigespannen, zu denen der Betrachter zwei weitere auf der nicht sichtbaren Schildseite ergänzt, umrahmen das Gorgoneion. Die Signatur ist in zierlichen, jedoch nicht exakt gleich hohen Buchstaben mit Rundperlenden an den Hasten geschrieben. Sie unterscheidet sich von der früheren hellenistischen Signierweise (Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 330, 337, s. o. S. 77). Diese Art von Signatur wird von Dioskurides und seinem Kreis aufs höchste verfeinert werden. Zur ersten Generation der nachweislich im Westen arbeitenden griechischen Gemmenschneider dieser Periode gehört Heios. Die Gruppe der Heilgötter Asklepios und Hygieia in einem klaren konvexen Karneol in Wien ist mit raschen, lockeren Schnitten ganz in späthellenistischer Weise geschnitten (Abb. 429). Asklepios hält der um den Stab gewundenen, zuschnappenden Schlange ein skizzenhaft geschnittenes Vögelchen zum Fraße hin, Hygieia tränkt eine zweite heilige Schlange aus einer Schale. Zwischen den Göttern steht in griechischen Buchstaben die Signatur ΗεΙΟV, „(Werk) des Heios“. Der nach Stil und

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Schreibweise griechische Gemmenschneider signiert mit einem lateinischen Familiennamen. Hieraus läßt sich erschließen, daß er ein eingebürgerter freier Römer war, der den Namen seines römischen Gönners angenommen hat. Der Familienname „Heius“ ist nicht sehr häufig, daher ist recht wahrscheinlich, daß sein Patron jener C. Heius, vornehmster und reichster Bürger von Messana, war, dem Verres kostbare Statuen und Teppiche entwendet hat (Cicero, Verr. II 2,13; 4,3–19. 27). Der Asklepios-Hygieia-Gruppe stilistisch nah verwandt ist die Dolonie auf einem schon länger bekannten Sard im British Museum, dessen Gewandstil jedoch ruhiger, schönliniger ist; die Köpfe bewahren hellenistische Elemente, wobei die des Aklepios und des Odysseus besonders gut vergleichbar sind (Abb. 430). Das Bild erzählt eine Episode aus der Ilias (Il. 10, 314–464). Diomedes und Odysseus haben den Troianer Dolon ertappt, der sich als Spion ins Lager geschlichen hat. In die Knie gezwungen, hebt er bittflehend die Hände zu Knien und Kinn des Odysseus; dieser spricht auf ihn ein, wie seine im Redegestus erhobene Rechte zeigt. Diomedes hält das Schwert zum tödlichen Stoß gezückt. Während die beiden Griechen nur mit der Chlamys bekleidet sind, trägt der Orientale ein Ärmelgewand unter dem Chiton. Ein Fell, nach dem Iliastext das eines Wolfes, hat er über den Kopf gezogen und vor der Brust geknotet. In einem weiteren Werk, der Büste des attischen Urkönigs Kodros auf einer dunkelvioletten Glaspaste in Heidelberg, hat Heios seinen Stil dem des frühklassischen Vorbildes angenähert (Abb. 431). In der vorgewölbten Stirn, dem aufwärts gerichteten Blick, den lebhaft geschlängelten Locken sind jedoch hellenistische Elemente eingeflossen. Auf der Binde des Königs steht ΚΩΔΡΟΣ ΒΑΣΙΛΕVΣ, „König Kodros“ (verschrieben, statt ΚΟΔΡΟΣ). Nach der Vermutung von R. Hampe gibt das Gemmenbild den Kopf einer Statue des Kodros aus einer von Phidias geschaffenen Statuengruppe in Delphi wieder, die aus dem Zehnten von Marathon errichtet wurde (Pausanias 10,10,1–2). Die Gruppe stellte Miltiades im Kreis von Göttern und Heroen dar und wurde wahrscheinlich von seinem Sohn Kimon bald nach 469 oder 457 v. Chr. aufgestellt. Schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts bekannt war die Diana des Heius, die erstmals von Philipp von Stosch in seinen Gemmae antiquae caelatae publiziert wurde. Im Bild einer langgewandeten archaistischen Diana erprobt Heios eine andere Stilrichtung (Abb. 432). Der Chiton läßt die linke Brust frei, die Göttin faßt mit der Rechten das Geweih ihrer heiligen Hirschkuh, hält in der Linken den Bogen. Den umgebenden Strichrand hat Heios von seinen italischen Kollegen übernommen, auch die Inschrift mit dem eckigen Epsilon hat er ihrer Schreibweise angepaßt. Die Art wie Nasenspitze, Lippen und Kinn durch Rundperlvertiefungen gegeben sind verbinden Diana und Dolonie. Marie-Louise Vollenweider vergleicht die ebenfalls archaistische, in Vorderansicht wiedergegebene Diana auf Denaren des L. Hostilius Saserna aus dem Jahr 48 v. Chr. (Crawford Nr. 448/3); sie stellt die Hauptgöttin der im Jahr zuvor von Caesar eroberten Stadt Massalia (Marseille) dar. Zwei Intagli in Wien lassen sich aufgrund der Stilverwandtschaft mit Asklepios- und Dolon-Gemme der Hand des Heius zuweisen: Ein wasserholendes Mädchen, das mit der (im Abdruck) Linken den von der Schulter gleitenden Chiton hält (Abb. 433a, b) und ein kleinerer Intaglio mit Hermes (Abb. 434a, b). Für beide Gemmen hat der Steinschneider den in Italien beliebten quergestreiften Sardonyx gewählt. Ein Zeitgenosse des Heios war Aspasios. Das früheste seiner vier signierten Werke ist das tief in einen bikonvexen Karneol geschnittene En-face-Porträt eines vornehmen Barbaren mit

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krausem Haupthaar und teilweise schütterem Bart (Abb. 435). Die drei anderen Gemmen, eine Herme des Dionysos, das Fragment einer Serapisbüste und die Büste der Athena Parthenos bestehen aus einem schönen roten Jaspis von seltener dunkler Farbe. Letztere ist von besonderem Wert, nicht nur als Meisterwerk der Glyptik, sondern auch als getreue Nachbildung der Büste der Athena Parthenos des Phidias (Abb. 436). Ruft diese Gemme die berühmte Statue in Erinnerung, so gibt ein Kameo St. Petersburg ein Gemälde wieder, das als Beute aus Griechenland nach Rom gebracht worden war (Abb. 437). Nikomachos, ein Maler der Alexanderzeit, hatte das Bild einer Nike (Victoria) die mit gewaltigem Flügelschlag ein Viergespann zum Himmel empor führt, geschaffen; L. Munatius Plancus weihte es – nunmehr als römisches Siegessymbol – 43 v. Chr. in den Tempel des kapitolinischen Jupiter (Plinius, nat. hist 35,108). Das Gemälde befand sich schon früher in Rom: 47 v. Chr. ist es auf Münzen, die L. Plautius Plancus, der Bruder des Stifters, prägen ließ, abgebildet (Crawford Nr. 453). Der griechische Gemmenschneider signiert ΡΟΥΦΟC εΠΟεΙ, „Rufus hat es gemacht (d. h. den Kameo geschnitten)“, mit der Schreibung epoei folgt er der älteren Signierweise (s. o. S. 68). „Rufus“, „der Rote“, ist ein lateinisches Cognomen; der Name kann einem Sklaven vom römischen Besitzer oder – aus modischen Gründen - einem freien Griechen von seinen Eltern gegeben worden sein. Das Motiv dieser Victoria wird von mehreren zeitgenössischen Gemmenschneidern wiederholt, so auf einem Karneol-Intaglio in Wien (Abb. 438). Das komplizierte Motiv zu kopieren, war auch eine Herausforderung für Gemmenschneider des 18. Jahrhunderts (s. u. Abb. 923). Auch das erstmals in einem Kameo des Sostratos faßbare Motiv der wagenlenkenden Nike, die mit zwei temperamentvollen Hengsten zum Himmel emporzufahren scheint, hat wahrscheinlich ein außerglyptisches Vorbild (Abb. 439). Die Signatur ist in zierlichen Buchstaben mit Rundperlkügelchen an den Hastenenden über den Köpfen der Pferde eingraviert; die Buchstaben sind so klein, daß der Bauch des Rho zu einem Rundperlpunkt reduziert ist. Der Kameo gehörte einst dem Kardinal Pietro Barbo, dem späteren Papst Paul II. (Kardinal 1440–1464, Papst 1464–1471), ist schon in dessen 1457 angelegtem Inventar beschrieben, später gelangte er in die Sammlung von Lorenzo Medici, der unter den Pferden, wie in fast alle Gemmen seiner Sammlung, seine Besitzerinschrift in kräftigen Lettern eingravieren ließ: LAV(rentius) R(ex) MED(ices oder -iceus). Auf einem zweiten Kameo dieses Meisters zügelt ein Erosknabe mit großen Flügeln ein prächtig gezäumtes Gespann von Pantherweibchen (Abb. 440). Rechts fehlt ein nicht allzu großes Stück; die noch erhaltene, den Griff des Wagens fassende Hand könnte die des aufsteigenden Dionysosknaben sein. Die Signatur steht in der ursprünglichen Mitte des Bodensegmentes. Das Motiv des Eros mit dem Panthergespann ist von einem außerglyptischen Vorbild, vielleicht einem Gemälde, genommen, wie Wiederholungen auf einer etwa gleichzeitigen Glaspaste in Kopenhagen, einem römischen Sarkophag späthadrianischer Zeit und einem Relief zeigen. Ein kleiner Karneol-Intaglio mit dem Bild der stieropfernden Victoria, der einst Philipp von Stosch, dann Henry Howard, fourth Earl of Carlisle (1694–1758) gehörte und sich heute im British Museum befindet, wurde von dem Gemmenschneider Lorenz Natter sehr bewundert (Abb. 441). Es war eine der Gemmen, an der er kopierend seinen Stil schulte und die Gleichartigkeit der antiken und zeitgenössischen Schneidetechnik nachwies. Natter verweist auf den Panther-Kameo mit der gleichen Signatur, den er für eine

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Arbeit der gleichen Hand hält; es unterliege nämlich keinem Zweifel, daß ein geschickter Gemmenschneider, der in Relief arbeite, ebenso gut im Tiefschnitt arbeiten könne und umgekehrt. Das Urteil des ausübenden Künstlers bestätigt sich bei verschiedenen Meistern, von denen wir mehrere signierte Werke besitzen. In anderen Fällen mögen uns Arbeiten in der jeweils anderen Technik verloren sein oder, da unsigniert, verborgen bleiben. Die Möglichkeit, einem Meister aufgrund seiner „Handschrift“ Werke zuzuschreiben, stößt hier an ihre Grenzen. Wegen der unterschiedlichen Technik von Relief- und Tiefschnitt kommt man bei der Beurteilung eines unsignierten Werkes in der jeweils anderen Technik über die Feststellung der stilistischen Nähe nicht hinaus (s. u. S. 148). Einen Anhaltspunkt für die Datierung der stieropfernden Victoria geben Aurei von 20 / 18 v. Chr., die den Sieg über Armenien feiern und das gleiche Motiv in ähnlichem Stil tragen. Die beiden Kameen dürften früher entstanden sein. Von Tryphon, der etwa gleichzeitig mit Sostratos anzusetzen ist, kennen wir bislang nur ein signiertes Werk, den großen Kameo in Boston mit der sog. „Hochzeit von Eros und Psyche“ (Abb.442). Tatsächlich ist die Zeremonie einer Einweihung in dionysische Mysterien dargestellt, welche die Putten in kindlichem Spiel nachahmen. Eros und Psyche, die kleinsten unter den fünf Flügelkindern, werden eingeweiht; ihre Köpfe sind verschleiert. Ein Eros mit Sichelflügeln hält ein mit Früchten gefülltes Liknon, die im dionysischen Kult verwendete Getreideschwinge, als Glück verheißendes Zeichen über sie. Ein größerer Eros, der eine Fackel schultert, führt die beiden an einer geknoteten heiligen Binde nach rechts, wo ein Gefährte einen auf einem Hocker liegenden, von einem Tuch bedeckten Gegenstand, wohl einen Phallos, enthüllt. Ein Amethyst in Neapel gehörte einst Fulvio Orsini (1532–1600), dem gelehrten Antikenkenner und Sammler, Bibliothekar und Berater der Farnese (Abb. 443). Artemis steht mit sinnend geneigtem Haupt in einem durch Fels, Pfeiler und Feldsteinaltar bezeichneten Heiligtum; die freie Natur ist das Element der Jägerin und Schützerin der Tiere. Die Göttin hält zwei gesenkte Fackeln, die auf dem Pfeiler ruhenden Hände in magisch bindendem Gestus überkreuzend, entzündet sie das Feuer auf dem Altar. Die Signatur: ΑΠΟΛΛΩΝΙΟΥ, „(Werk) des Apollonios“ folgt der Pfeilerkante. Dieser Apollonios II ist zu trennen von einem früheren gleichnamigen Gemmenschneider, Apollonios I, der zwei hellenistische Porträts, darunter eines von Antiochos III. von Syrien, schnitt. Philemon ist bisher durch eine Signatur bekannt. Er wählte einen braun-weiß-braun horizontal geschichteten Sardonyx, dessen Rand so beschnitten ist, daß die Schichten einen Rahmen für das Bild abgeben (Abb. 444). Theseus steht, in Dreiviertelrückansicht auf die Keule gestützt, vor dem Labyrinth, blickt auf den Oberkörper des getöteten Minotauros, der aus dem bogenförmigen Tor des auf Felsen gemauerten Bauwerks heraushängt. Der Typus des Theseus geht auf eine frühklassische Statue zurück. Teukros, der einen Amethyst in Florenz signierte, spielt bei der Gruppe von Herakles und Nymphe mit Kontrasten (Abb. 445): Hier der weiche Körper der Frau, dort der muskulöse des Heros; hier ihre von den Zehenspitzen bis zur vergeblich abwehrenden Hand gespannte Haltung, dort sein lässiges Sitzen; hier weich fallendes Gewand, dort das rauhe Löwenfell. Die Gemme gehörte einst dem französischen Gelehrten Nicolas-Claude Fabri de Peiresc (1580–1637), der im Kreis der Antikenkenner und Gemmensammler der Renaissance ein große Rolle spielte. Später befand sie sich in der berühmten Sammlung von elf

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signierten Gemmen, die der Florentiner Patrizier Andreini zu Anfang des 18. Jahrhunderts zusammengebracht hatte. Die zuletzt betrachteten Gemmen gehören schon dem dritten und letzten Viertel des 1.Jh.s v. Chr. an. Ihr Stil läßt sich nach wie vor als späthellenistisch beschreiben, wobei hellenistische, klassizistische und archaistische Elemente nebeneinander und einander durchdringend zu beobachten sind, wie etwa in der neuattischen Kunst. Es waren andere Meister, die diesen späthellenistischen Eklektizismus zum augusteischen Klassizismus wandelten.

2. Schöpfer des augusteischen Stiles in der Glyptik Im Werk des Solon vollzieht sich ein allmählicher Wandel vom späthellenistischen zum augusteischen Klassizismus. Seine fünf signierten Werke reichen vom zweiten Viertel bis ins letzte Drittel des 1. Jahrhunderts v. Chr. Die berühmte, nach einem der ersten Besitzer benannte „Medusa Strozzi“ befindet sich jetzt im British Museum (Abb. 446). Der Chalcedon-Intaglio wurde, wie Winckelmann berichtet [vor 1709] in einem Weinberg auf dem Caelius nahe S. Giovanni e Paolo gefunden. Der glückliche Finder brachte die intakte Gemme zu einem Händler, der sie leider bei dem Versuch, einen Wachsabdruck zu nehmen, zerbrach, weil das Wachs an jenem Wintermorgen zu hart war. Nach Stil und Schreibweise der Signatur wurde die Medusa zwischen 70 und 50 v. Chr. geschaffen. Die Dämonin hat das Gesicht eines schönen jungen Mädchens; nur das weit offene Auge mit der übergroßen Iris, die atmend geöffneten Lippen und die gesträubten Stirnhaare lassen ihr unheimliches Wesen ahnen; erst auf den zweiten Blick bemerkt man, daß sich allenthalben Schlangen zwischen den Haarsträhnen hervorwinden. Das bewegte Geringel der Haare steht deutlich in hellenistischer Tradition, ist aber im Vergleich mit einem Werk wie dem auftauchenden Flußgott (Abb. 291) merklich beruhigt und nur scheinbar ungeordnet. Um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. schuf Solon ein Porträt des Cicero in Karneol, das sich einst im Besitz von Fulvio Orsini befand. Das Original ist verschollen, es existieren nur mehr Kopien des 16. und 17. Jahrhunderts nach diesem Intaglio. Das Cicero-Porträt belegt, daß Solon um diese Zeit in Rom arbeitete. Während die leichte Dreieckform der Profilkontur der Medusa noch hellenistische Züge aufweist, ist das Profil der Mänade (Abb. 447) rein klassizistisch. Die große Büste ist mit einem dünnen, die Brust freilassenden Chiton und einem Pantherfell bekleidet; der Pantherkopf liegt auf der rechten, die Tatzen hängen über die linke Schulter. Der in einer antiken Glasgemme der Sammlung Stosch erhaltene Intaglio ist ein meisterhafter Flachschnitt, der bei ganz geringer realer Tiefe durch die Schrägstellung der Büste und die dahinter erscheinende, von innen gesehene, den Thyrsos haltende Hand die Illusion von Raum erzeugt. Thyrsos und Inschrift sind nur schwach zu sehen. Die Signatur steht über der Hand, am Original linksläufig. Der Mänade nah verwandt ist ein großer unsignierter Sard im British Museum mit der Büste der Diana (Abb. 448). Das Profil läßt sich an das der Medusa anschließen. Das in fein gewellten Lockengruppen geschnittene Haar und die Gestaltung der Büste verbinden das Werk mit der Berliner Mänade. Wenige gelöste und dennoch kalligraphisch gestaltete Locken deuten das windverwehte Haar der Göttin an. Nach ihrem Stil läßt sich die Diana zwischen der späthellenistisch-klassizistischen Medusa und der frühaugusteisch-klassizistischen Mänade einordnen. Ihre Zeitstellung wird zusätzlich gesichert

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durch ein Pendant mit dem Porträt des Octavian als Mercur (Abb. 449). Die Gesichtszüge sind nahezu ideal, aber der Gott trägt nicht die kurzen Locken des Mercur, sondern die Frisur des Octavian. Maßgebend für die „Lesung“ ist der zum abgebildeten Original spiegelbildliche Abdruck. Die Zange über dem rechten Auge, eine der rechten Zangenhälfte parallele Locke und die gebauschten Locken darüber sind deutlich. Der Porträttypus mit dieser Frisur blieb in Geltung bis zur Verleihung des Ehrennamens „Augustus“ im Jahre 27 v. Chr. Danach wurde ein neuer, stärker idealisierter, Bildnistypus des Kaisers mit entsprechend stilisierter Frisur geschaffen, dessen prominentester Vertreter die Statue von Prima Porta ist. Analog zu Octavian als Mercur dürfen wir im Bilde der Diana eine Prinzessin erkennen, Octavia, die Schwester des Augustus (ca. 69 v.–11 n.Chr.). Nach Ausweis der beiden Idealporträts hat Solon für die iulisch-claudische Familie gearbeitet. An Mänade und Diana läßt sich ferner ein großer, 8,82 cm hoher Sard in Berlin mit dem Bild der Sommerhore anschließen (Abb. 450). Die ausgewogene Balance zwischen ruhiger Haltung und schönliniger Bewegung des Gewandes, das harmonische Verhältnis der Figur zum umgebenden Raum sprechen für einen Ansatz der Gemme zwischen 30 und 20 v. Chr. Wehende Gewänder und flatterndes Nackenhaar sind jedoch nicht rein formale, manieristische Elemente, sie haben eine inhaltliche Bedeutung: Die Hore trägt ihre eigene Aura, den fruchtbringenden Sommerwind, mit sich. Ein um 1600 erwähnter, aber schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts verschollener Intaglio des Solon ist in Abdrücken erhalten (Abb. 451). Nach dem Untergang von Troia raubten Odysseus und Diomedes das Palladion, das alte Kultbild der Athena. Beide Helden sind auf dem Intaglio des Felix dargestellt (hier Abb. 482). Hier sehen wir Diomedes allein, vorsichtig steigt er über einen erschlagenen Wächter oder Priester hinweg, in der Rechten trägt er das durch ein Tuch vor unmittelbarer Berührung geschützte Kultbild, die Linke hält das gezückte Schwert, der Zeigefinger liegt auf den Lippen. Der Schweigegestus kennzeichnet die Heimlichkeit und Stille, in der sich das Geschehen vollzieht. Viele Gemmenschneider jener Zeit haben dieses Thema dargestellt. Es hatte für Rom besondere religiöse und politische Bedeutung. Das Palladion gehörte zu den Penates Populi Romani, den Hausgöttern, die das römische Volk wie jede Einzelfamilie hatte. Sie wurden im Vestatempel auf dem Forum aufbewahrt. Die Legende berichtete, Diomedes habe das Kultbild nach Italien gebracht und dem Aeneas übergeben. Eine weitergehende Interpretation sieht in der Beliebtheit des Motivs eine noch konkretere politische Bedeutung: Im Bilde des Diomedes sei Octavian (der spätere Augustus) „nicht als Räuber des Palladions, sondern als dessen Bewahrer vor dem frevlerischen Zugriff des Marcus Antonius“ dargestellt. Allerdings zeigt keine der Gemmen seine Porträtzüge, was auch in solchem Miniaturformat möglich war (s. u. Abb. 503, 505). Wenn also Octavian gemeint ist, dann bleibt die Anspielung auf der Ebene des mythischen Gleichnisses. Ein 1861 in Pompei gefundener in einen Goldring gefaßter Nicolo mit dem en face stehenden Theseus zeigt, daß Solon den Tiefschnitt ebenso beherrschte wie den Flachschnitt (Abb. 452). Der Heros ist mit seinen charakteristischen Attributen dargestellt, dem Schwert des Vaters und der Keule, der Waffe, die er dem besiegten Periphetes abgenommen hat. In den Signaturen des Alexas und seiner mit römischen Vornamen benannten Söhne Aulus (Αὖλος) und Quintus (Κόιντος) begegnen wir einer Gemmenschneiderfamilie. Da beide Söhne den Vatersnamen zum eigenen Namen hinzusetzen, ist anzunehmen, daß sie ihr Handwerk bei ihm erlernt haben. Von Alexas und Quintus ist nur je ein Fragment

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auf uns gekommen. Das Kameo-Fragment des Alexas mit einem Seeungeheuer ist in der hellenistischen Weise mit erhabenen Buchstaben signiert. Das Intaglio-Fragment des Quintus zeigt die geschienten Beine eines Mars im Tanzschritt (Abb. 453a, b). Der Gott selbst tanzt den rituellen Kriegstanz, den seine Priester, die Salier, in Prozessionen nach uralter Weise ausführten. „Quintus, Sohn des Alexas, hat es gemacht“ lautet die ausführliche Signatur. Das Fragment gehörte ebenso wie die Aphrodite des Bruders einst dem Florentiner Francesco Vettori (1693–1770), der beide Gemmen 1739 in seiner Dissertatio glyptographica veröffentlichte (Abb. 454). Der tanzende Mars ist im Zeitstil, aber sachlich richtig, ergänzt. Der Stil des Originals war vermutlich archaistisch. Das lange verschollene Fragment ist vor kurzem aus englischem Privatbesitz wieder aufgetaucht. Von Aulos besitzen wir neun antike Signaturen, sieben auf Intaglien, zwei auf Kameen; die ausführlichste auf zwei antiken Glasabdrücken eines Kameos mit Poseidon und Amymone: „Aulos, Sohn des Alexas, hat es gemacht“ (Richter, EG II Nr. 648, 649). Die Signatur ist wie die des Vaters in Kameotechnik, also erhaben geschnitten. Einen kleinen, verschollenen Kameo mit dem gefesselten Eros signierte Aulos mit vertieft geschnittenen Buchstaben (Richter, EG II Nr. 652). Wir sehen hier im Werk desselben Meisters den Übergang von der älteren Signierweise bei Kameen zur neueren (vgl. Protarchos S. 68 f.). Wie Apollonios die Eigenart der Artemis, erfaßt Aulos das heiter spielerische Wesen der Aphrodite auf dem Sard in London. Die Göttin sitzt, geschmückt mit Ohrring, Halskette und Schlangenarmbändern von klassischem Typus, im lose um die Beine gelegten Mantel auf einem Felsen, balanciert ein Stäbchen auf dem Zeigefinger; ein kleiner Eros fliegt mit verlangend ausgestreckten Händchen zu dem Spielzeug empor (Abb. 455). Die Signatur ΑVΛΟC ist mit feinem Rundperlzeiger und Rundperlpunkten an den Enden geschrieben, ein kleiner Punkt stellt die Querhaste des Alpha dar. In dem ausgewogenen Verhältnis zwischen Figuren und umgebendem Raum manifestiert sich eine Hinwendung zur neuen Stilrichtung. Ein beidseitig konvexer Amethyst, ebenfalls in London, zeigt den besiegten Eros als Gefangenen mit auf dem Rücken gefesselten Händen an ein Tropaion gebunden (Abb. 456). Das Tropaion ist vom üblichen militärischen Typus; Helm, Panzer und Schild sind an einem Baumstamm aufgehängt, ein weiterer Helm liegt am Boden, zugefügt sind die Waffen des Eros: Fackel, Köcher und Bogen. Die Signatur, ΑΥΛΟΥ, steht hier im Genitiv wie auf einem verschollenen Stein mit Quadriga, die Ypsilon sind nicht V-förmig wie auf dem Aphrodite-Intaglio, sondern gestielt wie auf einem Hyazinth mit dem Bild des Eros, der den Psycheschmetterling an einen Baum nagelt. Dieser Intaglio gehörte einst Fulvio Orsini; Johannes Faber hat ihn erstmals 1606 in seinem Kommentar zu Orsinis Imagines illustrium beschrieben. Eine flach geschnittene Mänadenbüste des Aulos ist der des Solon ähnlich (Richter, EG II Nr. 646). Vom leicht vorspringenden Profil der Venus zum streng klassizistischen Profil der Mänade läßt sich eine ähnliche Entwicklung beobachten wie bei Solon. Die Büste einer Amazone, die eine zierliche Doppelaxt schultert, auf einem großen Chalcedon-Onyx in Wiesbaden ist im Stil den Mänadenbüsten des Solon und Aulos ähnlich. Sie ist von Kleon signiert (Abb. 457). Der Gemmenschneider könnte, wie Vollenweider vermutet, ein Schüler des Solon gewesen sein. Der schon früher nur zur Hälfte erhaltene Stein hat im zweiten Weltkrieg eine weitere Beschädigung in der Mitte des Kopfes erlitten. Eine Büste der Roma auf einem dunkelgrünen Plasma in Wien kann der gleichen Hand

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zugewiesen werden (Abb. 458). Roma zugewandt steht auf hoher Säule Victoria mit Kranz und Palmzweig. Es ist jene Victoria, die Octavian am 28. Juli 29 v. Chr. bei der Einweihung der Curia Julia auf dem Forum Romanum, wenige Tage vor seinem dreifachen Triumph für die Siege über die Dalmater, bei Actium und über Ägypten am 13., 14. und 15. August 29 v. Chr., in der Curie aufgestellt hatte. Es war eine griechische, aus Tarent herbeigebrachte, Statue, die auf einem Globus schwebend, erhöht auf einem Pfeiler aufgestellt war. Trotz des fehlenden Globus ist das Monument unverkennbar. Die Bildaussage ist evident: Rom verdankt Rettung und Frieden dem Sieg des Augustus. Dioskurides wird als einziger dieser signierenden Meister in der Literatur erwähnt. Plinius nennt ihn als letzten der vier berühmtesten Gemmenschneider seit der Zeit Alexanders des Großen (s. o. S. 70). Wie Plinius (37,8), Sueton (Aug. 50) und Dio Cassius (51,3,4) mitteilen, schnitt er das Siegel mit dem Porträt des Augustus, mit dem auch seine Nachfolger, mit Ausnahme Galbas, siegelten (s.o. S. 12). Das kaiserliche Siegel ist nicht erhalten. Wir besitzen jedoch neun signierte Werke des Meisters, sowie drei in nachantiken Kopien überlieferte. Dioskurides bildete drei Söhne zu Gemmenschneidern aus, wie wir aus ihren Signaturen erfahren, in denen sie stolz den Vaternamen nennen: Eutyches, Herophilos und Hyllos. Aus der Namensform ergibt sich, daß der Meister und seine Söhne als Freie nach Rom kamen. Die ausführliche Signatur des Eutyches nennt zusätzlich die Herkunft aus Aigeai in Kilikien (s. u. Abb. 468). Es mag sein, daß Dioskurides dort noch für den letzten seleukidischen Herrscher, Philippos II. Philorhomaios, arbeitete, bis Pompeius das Seleukidenreich zur römischen Provinz machte (63 v. Chr.). Noch in Kilikien, spätestens in den sechziger Jahren, dürfte das Porträt eines hellenistischen Herrschers entstanden sein, das nur in nachantiken Kopien überliefert ist. Das Original war schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts verschollen. Philipp von Stosch veröffentlichte 1724 auf Taf. 25 und 26 zwei Kopien, die sich heute in Leiden und London befinden. Eine dritte Kopie im British Museum aus der Sammlung Blacas dürfte dem Original am nächsten kommen, falls es sich nicht überhaupt um das verkannte Original handelt (Abb. 459). Der Stil ist späthellenistisch, die Signatur im Genitiv mit runden Sigmata stimmt mit den übrigen Dioskurides-Signaturen überein, ihr schwungvoller, unregelmäßiger Duktus entspricht noch hellenistischer Signierweise. Der Stern unter der Büste ist Zeichen der Göttlichkeit des Herrschers. Die Signatur ähnelt jener eines Karneol-Intaglios in Boston mit der Zähmung des Pegasos durch Bellerophon, der ebenfalls zu den frühen Werken des Meisters zählt (Abb. 460). Die Signatur ist größer und unregelmäßiger als die späteren, die Hastenenden sind jedoch schon mit Rundperlpünktchen versehen. Eine in der Qualität geringere Wiedergabe des gleichen Vorbildes, vermutlich einer rundplastischen Gruppe, zeigt, wie der verlorene obere Teil zu ergänzen ist: Bellerophon hat den rechten Arm um den Hals des Wunderpferdes gelegt und zwingt mit beiden Händen einen Zügel in sein Maul (Abb. 461). Um die Mitte des Jahrhunderts arbeitete Dioskurides schon in Rom, er schuf Porträts von Caesar und Cicero, die leider nur in Kopien des 17. und 18. Jahrhunderts erhalten sind (s. u. Abb. 943, 944). Verglichen mit der heftigen Bewegung der Bellerophongruppe ist die gewaltsame Aktion und Anspannung in der Herakles-Kerberos-Gruppe des Kameos in Berlin bewußt zurückgenommen (Abb. 462). Was die Komposition an Dynamik verliert, gewinnt sie an Ausgewogenheit. Noch deutlicher wird dies, wenn man den Berliner Kameo mit einem

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wenig früheren späthellenistischen Glaskameo in Wien vergleicht (Abb. 463). Herakles hat die beiden Köpfe des sich heftig sträubenden Ungeheuers zwischen seine Knie geklemmt und stranguliert es mit einem Strick. Der Heros beugt sich der Handlung gemäß weit vor, bei Dioskurides ist sein Körper mehr aufgerichtet, statt in aufsteigender Schräge ist der Leib des Kerberos annähernd horizontal gestellt, so daß er mit dem Löwenhaupt des links abgelegten Fells eine Waagrechte bildet. Während die einzelnen Muskeln beim Heraklestorso des Glaskameos stark betont und kleinteilig herausgearbeitet sind, bilden sie beim Berliner Kameo große Flächen mit zarten Übergängen. All dies zeigt, daß hinter dem Dioskurides-Kameo ein genau geplanter Entwurf steht, daß der klassizistische Stil des Miniaturreliefs nicht mehr aus dem späthellenistischen Eklektizismus kommt, sondern bewußte Neuschöpfung ist. Wir fassen hier den Beginn des augusteischen Stiles in der Glyptik, der beim Kopf des Heros und dem Löwenskalp durchaus noch hellenistische Elemente enthält. Der Wiener Glaskameo und andere Repliken weisen darauf hin, daß das Vorbild der Komposition außerhalb der Glyptik zu suchen ist. Der junge Benvenuto Cellini (1500–1571) erwarb während seines ersten Romaufenthaltes (1524–1527) einen Kameo mit diesem Motiv, den Michelangelo sehr bewunderte, wie er in seiner Autobiographie schreibt. Eine Inschrift erwähnt er nicht. Der signierte Kameo befand sich im 16. oder 17. Jahrhundert in kurbrandenburgischem Besitz, wurde erstmals 1701 von Lorenz Beger publiziert. Es ist möglich, jedoch nicht beweisbar, daß er mit Cellinis Kameo identisch ist. Michelangelos Bewunderung hätte er verdient. Die beschriebene Ausgewogenheit der Figur in sich selbst und im Verhältnis zum umgebenden Raum kehrt wieder beim Diomedes (Abb. 464). Insbesondere an den Diomedes läßt sich eine unsignierte Glasgemme mit dem trunkenen Bacchus anschließen. Der schwankende Gang des Gottes ist durch die Schräge des Thyrsos und den wehenden Mantel ins Gleichgewicht gebracht. Der umgebende Raum ist weiter und durch seine harmonische Aufteilung ein wichtiges Bildelement geworden (Abb. 465) Während Diomedes und Bacchus in jenem flachen, dennoch räumliche Illusion schaffenden Schnitt gearbeitet ist, den auch Solon beherrschte, zeigen zwei andere Werke, daß Dioskurides, wie jener, auch den Tiefschnitt mit gleicher Meisterschaft anzuwenden verstand. Das Porträt des Demosthenes ist eine Büstenkopie nach der Statue des Polyeuktos, die 280 v. Chr. auf der Agora von Athen aufgestellt wurde (Abb. 466). Die Büste der Io in Florenz ist in Stil und verhaltenem Pathos des Ausdrucks wieder ein typisch frühaugusteisches Werk (Abb. 467). Nur winzige Hörnchen deuten die Kuhnatur der Heroine an. Der Typus des Kopfes und seine leichte Neigung entsprechen Vorbildern des 4. Jahrhunderts v. Chr.; hellenistische Elemente wie die hochgezogenen Brauen, die leicht gesenkten Mundwinkel, die aus dem Knoten gelösten Haare, sind der klassischen Form angeglichen, deuten die Trauer, das Umhergetriebensein der Heroine an, ohne ihre Schönheit zu zerstören. Der Auftrag für das Porträtsiegel beweist, daß Augustus den von Dioskurides geschaffenen klassizistischen Stil förderte. Auch für andere Meister ist dies nun der gültige Stil. Enge stilistische Beziehungen unter ihnen deuten auf Lehrer-SchülerVerhältnisse oder Kontakte unter den Meistern. Ihre Verbindung mit dem Kaiserhaus wird durch Porträts von Mitgliedern der kaiserlichen Familie, Werke, die Augustus verherrlichen, und die Tatsache, daß Epitynchanos Freigelassener der Livia war, belegt. Dies alles läßt vermuten, daß es so etwas wie kaiserliche Gemmenwerkstätten gab. Über deren Organisation

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im einzelnen wissen wir nichts. Nach einer Vermutung von Marie-Louise Vollenweider wäre Dioskurides praepositus ab auro gemmato des Augustus gewesen (Steinschneidekunst 1966, 74 Anm. 60). Die inschriftlich erwähnten Personen, die diesen Titel führten, waren jedoch, soweit erkennbar, Freigelassene. Die Gemmenschneider dieses Kreises arbeiteten nicht ausschließlich für das Kaiserhaus, wie das Beispiel des Felix zeigt, der sowohl ein Porträt des Drusus minor wie das Siegel eines Calpurnius Severus schnitt (Abb. 482).

3. Signierende Meister der augusteischen und tiberischen Zeit Eutyches entwickelte den Stil des Vaters konsequent weiter. Er signierte einen ungewöhnlich großen, 3,72 cm hohen, bikonvexen Bergkristall mit der tief eingeschnittenen En-Face-Büste der Athena (Abb. 468 a, b). Die Büste ist Umbildung eines klassischen Werkes, des Typus der Athena von Velletri, wobei die Änderung des Eutyches, die den Mantel emporziehende Hand, auch der Kopfneigung einen neuen Sinn gibt und dem Werk eine nachdenkliche, verhalten pathetische Stimmung verleiht. Im Vergleich mit der Io des Dioskurides ist der schmale, scharf geschnittene Kopf kühler, eleganter. Es ist hier ein eigenständiger augusteischer Klassizismus erreicht, aus dem sich keine hellenistischen Elemente mehr herauslösen lassen. Dies entspricht der Stilstufe der Ara Pacis. Der Bergkristall des Eutyches ist eine Incunabel in der Geschichte der Gemmenkunde: Am Abend des 12. November 1445 besuchte der vielgereiste Gelehrte Cyriacus von Ancona den Admiral der venezianischen Flotte, Giovanni Dolfin (Johannes Delphinus), auf seinem vor Kreta liegenden Schiff. Der Admiral zeigte ihm seine Münz- und Gemmensammlung – Kunstgegenstände, die klein genug waren, um sie auch im engen Raum eines Schiffes mitzuführen. Unter den Gemmen war die Minerva des Eutyches. In der Biblioteca Vaticana hat sich ein Brieffragment des Cyriacus erhalten, in dem er das Gemmenbild begeistert als Porträt Alexanders d. Großen beschreibt (Abb. 469). Wie jeder erfahrene Gemmenbetrachter dreht er den Intaglio in verschiedenen Winkeln zum Lichteinfall, betrachtet den durchsichtigen Stein auch von der Rückseite: Nachdem mir Jo. Delphin, jener kluge und keine Mühen scheuende Flottenführer, als ich über Nacht auf seiner Schiffsbrücke weilte, mehrere Münzen und kostbare Gemmen vorgelegt hatte, zeigte er mir ein edles Siegel aus Kristall, worin in Daumengröße das Bild des behelmten Alexanders von Makedonien bis zur Brust durch die wunderbare Fertigkeit des Künstlers Eutyches sehr tief, konkav eingeschnitten war...Wenn man die Rückseite der Gemme ins Licht hält, wo man mit plastischer Körperlichkeit im Innern die Glieder als lichtes und klar durchscheinendes Abbild in wunderbarer Schönheit gleichsam atmend erstrahlen sieht, erkennen wir auch den Künstler des so hervorragenden Werkes aus der in griechischen, sehr alten Buchstaben dort eingravierten Inschrift. Cyriacus fügt eine Abschrift der Inschrift bei. Als er den Bergkristall sah, war er noch unversehrt; so zeigen ihn auch noch alte Abdrücke. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts zerbrach er bei dem Versuch eines Florentiner Goldschmiedes, ihn zu fassen, in vier Stücke, die heute dank der Kunst des Restaurators Hans-Ullrich Tietz nahtlos zusammengeklebt sind. In Florenz hatte der damalige Besitzer, Graf F. Schellersheim, die Eutyches-Gemme als Pfand für 37000 francs zurückgelassen. 1892 konnte Adolf Furtwängler das Meisterwerk dank der inzwischen herrschenden Unsicherheit über die Echtheit von Gemmen, insbesondere solchen mit Signaturen, auf einer Auktion zum Preis von nur 1000 francs für das Berliner Museum erwerben. Wir besitzen nur dies

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eine signierte Werk von Eutyches. Eine Büste des Mercur in einem wenig kleineren, ebenfalls bikonvexen Amethyst läßt sich ihm aufgrund enger stilistischer Gemeinsamkeiten mit der Minerva zuweisen (Abb. 470). Von Herophilos, dem zweiten Dioskuridessohn, ist ein großer Kameo in einem vorzüglichen antiken Abdruck aus türkisblauem Glas mit Resten einer Goldauflage erhalten. Er befand sich im 17. Jahrhundert im Kloster Echternach (Abb. 471). In den Revolutionswirren wurden die Kunstschätze der Abtei zerstreut, Franz II. erwarb den Kameo für das Wiener Antikenkabinett. Die beiden letzten Buchstaben der Signatur fehlen, das Original war etwas größer, sein Rand wahrscheinlich von einer Fassung bedeckt. Der Porträtierte trägt einen dichten Lorbeerkranz; sein Profil zeichnet sich durch eine große, knapp oberhalb der Mitte gebogene Nase aus, die Oberlippe springt leicht über die untere vor. Auffallend ist ein flaumiger Backen-, Schnurr- und Kinnbart; es handelt sich nicht um eine Barttracht, sondern um Vernachlässigung der Rasur. Dies kann ein Jugend- oder Trauerbart sein oder ein sog. Militärbart, der den im Krieg aktiven Feldherrn kennzeichnet. Letzteres trifft hier zu: Der Dargestellte ist Drusus maior (38–9 v. Chr.), der mit erst 29 Jahren als Feldherr in Germanien an den Folgen eines Reitunfalls starb. Auf die Nachricht von dem Unfall begab sich Tiberius in Eilritten, nur von einem Germanen geführt, an das Sterbelager des Bruders, den er noch lebend antraf. Zu Fuß begleitete er den Transport der Leiche nach Rom. Der Kameo mag im Auftrag des Tiberius oder für ihn als postumes Ehrenbildnis des geliebten jüngeren Bruders geschaffen worden sein. Im Gegensatz zu den Einzelwerken der Brüder sind von Hyllos neun, wahrscheinlich 10 signierte Werke erhalten (eine Signatur ist fragmentiert), die von ca. 40–30 v. Chr. bis in frühtiberische Zeit reichen. Zeitlich fügt sich dies in die aus dem Œuvre des Vaters erschließbare Chronologie. Dioskurides dürfte zwischen 85 und 80 v. Chr. geboren sein, Hyllos ca. 60–50 v. Chr.; beide, Vater und Sohn, müssen recht alt geworden sein, ohne die Sicherheit ihrer Hand zu verlieren. Ein frühes Werk aus der Zeit um 40–30 v. Chr. ist der 1953 in der Nordstoa des Gymnasiums von Salamis auf Zypern gefundene Ringstein mit schreitendem Löwen, der in Stil und Signierweise noch ganz hellenistisch ist. Die Signatur ist nicht exakt auf einer Linie geschrieben, die Hastenenden haben teilweise Flachperlschnitte statt Rundperlpunkte, das Omikron ist aus vier kurzen Schnitten gebildet. Zu den frühen Werken gehört die den Gemmenraum füllende Gruppe eines jungen Triton, der eine Nereide übers Meer trägt. Ihnen voraus schwimmt ein Erosputto, der sich von einem Delphin ziehen läßt, der Kopf eines zweiten Putto ist am unteren Bruchrand teilweise erhalten (Abb. 472). Das Werk ist in Stil und genrehaftem Motiv ganz hellenistisch. Die Signatur ähnelt der des Löwen. Hyllos bewahrt auch in späteren Werken anders als Vater und Brüder seine Vorliebe für die hellenistische Tradition; zu dieser gehört auch die unterschiedliche Schreibweise seiner Signaturen, die erst spät Rundperlkügelchen an den Hastenenden zeigen. Ein zweites reizvolles Meerstück ist die in Dreiviertelrückansicht gesehene auf einem Seedrachen reitende Nereide. Sie wendet den Kopf zurück, so daß er in Dreiviertelvorderansicht dem Betrachter zugewandt ist. Die Fußsohlen ihrer überkreuzten Füße sind unter dem Leib des sie umwindenden Ketos zu sehen; in der Rechten hält sie eine Muschel, die Linke faßt zierlich den vom Wind geblähten Mantel (Abb. 473). Die ausgewogene Anordnung im Raum spricht für eine etwas spätere Datierung als die Tritongruppe, obgleich das Köpfchen nicht über die Stilstufe der Io des

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Dioskurides (Abb. 467) hinausgeht. Hyllos hat auch ein rein klassizistisches Werk geschaffen: eine Apollobüste mit feingewellten in Gruppen geordneten Locken, der einst Lorenzo Medici gehörte (Abb. 474). Die Signatur ist hier in der nun kanonischen Weise mit Rundperlenden an den Hasten geschrieben. Der kühlen Glätte des Werkes glaubt man anzumerken, daß dies nicht die bevorzugte Stilrichtung des Meisters war. In seinem Element war er dagegen bei dem kleinen Berliner Kameo mit der Büste eines lachenden Satyrs mit heftig bewegtem, gesträubtem Haar (Abb. 475). Die wieder mit Rundperlenden geschnittene Signatur ist ausführlicher als die übrigen, gibt als einzige den Vatersnamen: „Hyllos, Sohn des Dioskurides, hat es gemacht“. Der große Divus-Augustus-Kameo aus der Sammlung Marlborough in Köln konnte dem Hyllos zugewiesen werden (Abb. 614a, b; 617). Von Gnaios sind sechs signierte Werke bekannt. Daß er mit einem römischen Praenomen, Cnaeus, signiert, muß nicht, wie ich früher vermutete, heißen, daß er Freigelassener war, kann auch eine Modeerscheinung sein, wie bei den Söhnen des Alexas. Sein en face geschnittener Öleingießer spiegelt ein statuarisches Vorbild des 4. Jahrhunderts v. Chr. (Abb. 476). In der für die Handlung typischen Geste läßt er den Ölstrahl aus dem in der erhobenen Hand verborgenen Aryballos in die gesenkte Hand fließen. Der Vorgang erhöht die Fließgeschwindigkeit und bewirkt zugleich ein schönes Bewegungsmotiv. Zwischen 30 und 20 v. Chr. schnitt Gnaios einen Kopf des Herakles in Aquamarin, der ebenfalls auf ein rundplastisches Werk des 4. Jahrhunderts v. Chr. zurückgeht (Abb. 477). Das seit dem 16. Jahrhundert bewunderte, von Gemmenschneidern des 18. Jahrhunderts kopierte Meisterwerk gehörte zuerst Fulvio Orsini. Das Porträt einer jungen hellenistischen Königin stellt wahrscheinlich Kleopatra Selene dar, die Tochter des Marc Anton und der Kleopatra, Frau des von Augustus im Jahre 25 v. Chr. als König von Mauretanien eingesetzten Juba II. (Abb. 478). Auch ein wohl postumes Porträt des Marc Anton (82–30 v. Chr.) von der Hand des Gnaios ist erhalten, was auf eine Verbindung mit dessen Familie hinweist. Die lorbeerbekränzte Herrscherbüste des Dalion in Florenz könnte Juba II. darstellen (Abb. 479). Von Dalion existiert eine weitere Signatur auf einem Amethyst in Leiden mit dem bewegten Bild einer Nereide, die über zwei Delphine als „Stufen“ einen Hippokampen besteigt (Abb. 480). Im Vergleich mit dieser bewegten, raumfüllenden Gruppe hellenistischen Charakters ist die von Thamyras signierte Gruppe einer Nereide (wahrscheinlich Thetis), die auf einem Hippokampen reitend den von Hephaistos gefertigten neuen Schild des Achill übers Meer bringt, in gleichmäßiger Balance, von Himmel und Meer harmonisch umgeben (Abb. 481 a, b). Der Intaglio, ein Aquamarin, schmückte neben zwölf ungeschnittenen Steinen das Reliquiar mit dem Span von der Krippe Christi, das für die von Papst Urban V. 1368 an Karl IV. geschenkte Reliquie, wohl kurz nach der Schenkung, in Prag angefertigt wurde. In den Revolutionswirren wurde er gestohlen und durch eine Glaspaste ersetzt (s. u. XIX E). Ein Intaglio mit Octavian als Neptun, der sich Thamyras zu weisen läßt, verbindet den Meister mit dem kaiserlichen Hof (hier Abb. 505). Ein Karneolintaglio in Oxford stammt wie die Victoria des Sostratos (Abb. 439) aus der Sammlung des Kardinals Pietro Barbo, des späteren Papstes Paul II. (†1471). Er zeigt die ausführlichste Darstellung des Palladionraubes (Abb. 482 a, b). Diomedes steigt vorsichtig mit gezücktem Schwert über einen girlandengeschmückten Altar, hält das Palladion in der vom Mantel umhüllten Hand. Ehrfurcht verbietet ihm, das heilige Bild unmittelbar zu berühren. Eine Poseidonstatuette auf hoher Säule nimmt die Mitte des Bildes ein. Diomedes

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achtet darauf, sich in ihrem Rücken zu halten – im Bewußtsein der magischen Eigenschaften des Götterbildes. Odysseus weist auf einen erschlagenen Wächter hin, dessen Füße hinter einer Basis hervorschauen; schweigend zeigt er dem Gefährten, daß der Weg frei ist. Über der Umfassungsmauer des Heiligtums ragen im Hintergrund Stadtmauer und Türme von Troia empor. Kennzeichnend für den Stil ist die Verbindung von klassizistischer Gesamtform der Körper mit minutiöser, kleinteiliger Binnenzeichnung. Über dem Kopf des Diomedes steht in griechischen Buchstaben der Name des römischen Besitzers: „(Siegel) des Calpurnius Severus“. Der Altar trägt die Meistersignatur: „Felix hat es gemacht“. Dies war die einzige bekannte Signatur des Felix bis M.-L. Vollenweider vor wenigen Jahren eine zweite bekannt machte: Einen Kameo mit dem Porträt des Drusus minor (15/14 v.–23 n. Chr.) im Cabinet des Médailles, Paris. Die ebenfalls vertieft, aber natürlich am Kameo rechtsläufig geschriebene Signatur lautet: ΦΗΛΙΞ. Das Drusus-Porträt läßt sich in seine letzten Lebensjahre datieren; daher wird man den Palladionraub, den man aufgrund seines Stiles allein auch früher datieren könnte, eher ins letzte Viertel des 1. Jahrhunderts v. Chr. setzen. Eine Inschrift (CIL VI 2, 9435) nennt unter anderen einen Felix und einen Anteros als Gemari de sacra via, Freigelassene eines Q. Plotius. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieser Felix mit dem signierenden Gemmenschneider identisch ist, zumal auch von Anteros ein signiertes Werk erhalten ist; vielleicht stammt auch ein Kameofragment mit Signatur ΑΝΤ[ ... von seiner Hand. Die Verbindung des Epitynchanos zum Kaiserhaus ist sowohl durch seinen Kameo mit dem Porträt des Germanicus wie durch die wahrscheinliche Identität mit einem gleichnamigen aurifex, der im Columbarium der Liberti der Kaiserin Livia bestattet war, belegt (s. u. Abb. 631). Dagegen ist der republikanische Gemmenschneider Agathopus (s. u. zu Abb. 485) von dem gleichnamigen ebendort nach 42 n. Chr. beigesetzten aurifex Agathopus zu unterscheiden (CIL VI 2, 3945 u. 3946). Satorneinos (Saturninus) schuf ein Kameoporträt einer kaiserlichen Prinzessin tiberischer Zeit (s. u. Abb. 630a, b).

4. Signierende Meister nachtiberischer Zeit Skylax signierte einen Amethyst mit Rückenbüste des Kaisers Claudius mit Lanze und Ägis (Abb. 483a, b). Die in Pantikapaion auf der Halbinsel Kertsch ausgegrabene Gemme ist in ihrem antiken Goldring erhalten. Das lebhaft bewegte Haar, das fein durchmodellierte Gesicht und die gleichsam flimmernden Schuppen der Ägis kennzeichnen seinen Stil. Ein schon von Stosch publizierter Sardonyxkameo des Skylax mit leierspielendem Hercules ist verschollen. Das gestielte Ypsilon beim Kameo im Unterschied zu dem V-förmigen beim Intaglio ist eine Variation, die auch bei Hyllos begegnete, bei Eutyches innerhalb derselben Signatur vorkommt. Der Querstrich des Alpha ist bei beiden Signaturen als Punkt wiedergegeben. Das letzte signierte Werk in der Tradition der augusteischen Meister ist die Iulia Titi (61–89/90 n. Chr.) des Euodos (Abb. 484). Die Prinzessin trägt die typisch flavische Frisur mit hochaufgetürmten Stirnlocken und Haarnest auf dem Hinterkopf, letzteres ist hier aus dünnen geflochtenen Zöpfen gebildet; über der Tunica trägt sie die Stola mit geflochtenem Träger, darüber den Mantel. Ein Diadem, ein Perlen-Ohrgehänge und eine Perlenkette schmücken die Prinzessin. Der große Aquamarin hat eine lange Geschichte: Er bekrönte im 9. Jahrhundert den „Escrain de Charlemagne“, der ein Geschenk Karls des Kahlen an die Abtei von St. Denis war. Durch einen darüber angebrachten Saphir mit byzantinischem Marienmonogramm wurde das Bild

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als Muttergottes bezeichnet. Die richtige Benennung des Porträts fand der schon genannte Gelehrte Peiresc. Der „Escrain“ wurde in der französischen Revolution zerstört, der Aquamarin des Euodos blieb glücklicherweise erhalten (s. u. 261).

5. Römerporträts griechischer Gemmenschneider Griechische Gemmenschneider schneiden, wie zuvor die Porträts hellenistischer Fürsten, die schönsten Bildnisse bedeutender römischer Zeitgenossen. Dies bezeugen teils Signaturen, teils der Stil der Gemmen. Diese Porträts sind wichtige Anhaltspunkte sowohl für die Chronologie wie den Kreis der Auftraggeber. Um 60 und 50 v. Chr. schufen Skopas und Agathopus Porträts von Römern, deren kurzer republikanischer Haarschnitt wenig Raum ließ für schwungvolle hellenistische Schnittführung. Dies gilt auch für die unsignierten Porträts zweier Römer aus der gleichen Zeit in Berlin: der eine ist von eher sanguinischem Temperament (Abb. 485), der andere, mit hageren Zügen und gefurchter Stirn, ein Republikaner alten Schlages (Abb. 486). Agathangelos dagegen konnte, was die Haarbehandlung angeht, seine ganze Virtuosität zeigen, da der von ihm porträtierte Römer in der Art der von Cicero spöttisch apostrophierten „Jünglinge mit den Bärtchen“, barbatuli iuvenes (Cicero ad Att. 1,14,5; 1,16,11), einen kurzen Bart und längeres Haupthaar trug. Auch die Gesichtszüge mit der halb vom Haar bedeckten Stirn, einer mit starkem Rücksprung von ihr abgesetzten großen, spitzen Hakennase, dem weitgeöffneten, etwas aufwärts blickenden Auge, den leicht geöffneten Lippen sind meisterhaft modelliert (Abb. 487). Der tiefrote, klare Karneol wurde mit seiner antiken, goldenen Ringfassung in Rom, angeblich in einem Grab in der Nähe des Grabbaus der Caecilia Metella gefunden. Goethe urteilte über ihn „Der Schnitt gehört zu dem Vollkommensten, was man in Steinschneidekunst sehen kann“. Die schon 1736 in der Erstpublikation des Abate Rudolfino Venuti geäußerte Vermutung, er stelle Sextus Pompeius, den jüngeren Sohn des Cn. Pompeius Magnus dar, fand vielfache Zustimmung. Die Münzporträts des Sextus zeigen jedoch einen mehr quadratischen Kopf auf kurzem Hals und keine Hakennase. Es muß sich bei dem von Agathangelos signierten Intaglio um eine prominente Persönlichkeit handeln, da es mehrere Repliken gibt. Ein Porträt des Pompeius Magnus (106–48 v. Chr.) gibt das von den Münzen bekannte Profil mit der gerundeten Nasenspitze in leicht idealisierter Form wider; mit dem gesträubten Stirnhaar, der Anastolē´, ahmt Pompeius ein Merkmal Alexanders des Großen nach (Abb. 488). Die charakteristische Stirnglatze und der lange faltige Hals kennzeichnen das Porträt Caesars (100–44 v. Chr.) auf einem verschollenen Karneol (Abb. 489). Um den Halsansatz liegt der Rand der Toga. Die Buchstaben M. T. C. wurden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zugefügt, um den Kopf als Porträt des Marcus Tullius Cicero zu bezeichnen, wofür es damals galt. Das wirkliche Bildnis Ciceros (106–43 v. Chr.), das durch eine beschriftete rundplastische Büste gesichert ist, gibt einen markanten, kompakten Kopf mit gefurchter Stirn, einer Nase mit hohem Sattel und der muskulösen Mundpartie des Redners wieder (Abb. 490). Ein in zahlreichen Wiederholungen bekanntes Porträt ist die mit der Toga bekleidete Büste eines hageren Mannes mit nackter Schulter, der die Hand zum Kinn führt. Ein Amethyst in New York hebt sich durch seine Qualität und Größe

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hervor (Abb. 491). Die ungewöhnliche Tracht in Toga ohne Tunica und die Geste führen zur Identifizierung mit M. Porcius Cato (95–46 v. Chr.). Es ist überliefert, daß er ohne Tunica auf dem Forum zu erscheinen pflegte, um so seine altrepublikanische Haltung zu demonstrieren. Die Gebärde der Hand mit aneinandergelegtem Daumen und Zeigefinger, eingeschlagenen übrigen Fingern ist ein Redegestus, der eine Argumentation abschloß. Die Träger von Repliken dieses Porträts brachten damit ihre Sympathie mit dem Caesargegner zum Ausdruck. Im Unterschied zu den übrigen Repliken ist die Hand auf dem New Yorker Amethyst verhüllt. Hierin liegt eine Anspielung auf das Ritual der devotio capitis: Die mit der Toga verhüllte Hand zum Kinn führend weihten einst P. Decius Mus in der Schlacht gegen die Latiner am Vesuv (340 v. Chr.) und später sein gleichnamiger Sohn in der Schlacht gegen Samniten und Gallier bei Sentinum (295 v. Chr.) sich selbst und die feindlichen Truppen dem Tod und wendeten so das Glück der Schlacht zugunsten der Römer (Livius 8,9,5). Cato gab sich nach der Niederlage der Pompeianer bei Thapsus (46 v. Chr.), nicht willens sich der Milde des Siegers auszuliefern, als konsequenter Stoiker den Tod. Der Intaglio spricht in diskreter Weise aus, daß auch Cato sich für die res publica geopfert habe; er dürfte nach dessen Tod von einem Angehörigen oder Freund in Auftrag gegeben worden sein. Ein realistisches Porträt des Caesarmörders M. Iunius Brutus (85–42 v. Chr.) preist ihn durch den beigefügten Dolch als Retter der Republik (Abb. 492); das Porträt entspricht dem auf gleichzeitigen Münzen, die Brutus prägen ließ. Münzporträts sichern auch die Identifizierung der Großen des 2. Triumvirats. Der Sieg der Caesarianer über Brutus und Cassius bei Philippi (42 v. Chr.) war das Verdienst des erfahrenen Feldherrn Marcus Antonius (80–30 v. Chr.). Die Glaspaste eines verschollenen Intaglios bewahrt uns ein Porträt in hellenistischem Stil aus der Zeit dieses Kampfes; Antonius ist unrasiert zum Zeichen der Trauer um Caesar (Abb. 493). Nach der Niederlage bei Actium in Alexandria eingeschlossen, wählte M. Anton, wie Kleopatra, den Freitod. Daß sein im offiziellen Rom geächtetes Andenken im Kreis von Freunden nicht vergessen war, zeigt ein idealisiertes Apotheosebild des Feldherrn (Abb. 494). Mit seiner beruhigten Kontur, der harmonischen Anordnung im Gemmenoval, das nicht mehr ganz mit dem Porträt gefüllt wird, gehört es dem frühaugusteischen Stil an. Ein weiteres postumes Porträt stammt von der Hand des Gnaios (s. o. zu Abb. 478). Auch von Octavian kennen wir Gemmenporträts aus der Zeit des gemeinsamen Kampfes mit M. Anton gegen die Caesarmörder. Wie das etwa gleichzeitige Porträt des M. Anton (Abb.493) zeigt ein Intaglioporträt des Caesarerben im bewegten Stil der Haare, der Aufwärtswendung des Kopfes und in der Ausfüllung des Raumes deutlich hellenistische Elemente (Abb. 495). Auch Octavian trägt den Trauerbart, der bei dem etwa zwanzigjährigen erst ein zarter Flaum ist. Dieser Typus ist durch zahlreiche Gemmen und Glasgemmen belegt. Abdrücke dieses Typus sind unter den 1970 in Nea Paphos ausgegrabenen Tonbullae, die im übrigen Porträts von Ptolemäern aus der Zeit Ptolemaios’ VIII. bis Kleopatra VII., also von 145–30 v. Chr., enthalten. Er muß einen der bedeutendsten Männer der Zeit darstellen. Von den Porträtzügen her kommt nur die Benennung Octavian in Frage. Ein wenig späterer Karneol in Florenz zeigt uns sein Porträt im sog. Octavianstypus (Abb. 496). Während die früheren Porträts noch keine festgelegte Ordnung der Frisur erkennen lassen, folgen nun auch kleinformatige, zweidimensionale Porträts auf Gemmen und Münzen dem in der Rundplastik festgelegten Typus. Maßgeblich für die Ansicht ist jeweils der Abdruck, die Glasgemme wird daher in dessem Sinne abgebildet.

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Augustus hatte keine Söhne, nur eine Tochter, Iulia (39 v.–14 n. Chr.), von deren Mutter, Scribonia, er sich am Tag nach der Geburt scheiden ließ, um Livia zu heiraten. Iulia wurde mit dem Ziel der Sicherung der Dynastie mehrmals verheiratet, zuerst, 25 v. Chr., mit ihrem Vetter Marcellus (43–23 v. Chr.), der jedoch mit erst 19 Jahren starb; dann mit M. Agrippa (64/63– 12 v. Chr.), dem Feldherrn und Jugendfreund ihres Vaters, mit dem sie fünf Kinder hatte, unter ihnen die Kronprinzen Gaius und Lucius Caesar. Mit 26 Jahren schon zum zweiten Mal Witwe wurde sie mit Tiberius verheiratet, der seine geliebte Frau verlassen mußte. Nach der Geburt eines bald verstorbenen Sohnes zerbrach die Ehe. Julia schloß sich einem Kreis von jungen Leuten an, deren Lebenswandel keineswegs der von Augustus angestrebten Erneuerung der Moral entsprach. Offiziell wegen Ehebruchs und unsittlichen Lebenswandels, möglicherweise aber wegen einer Verschwörung dieses Kreises gegen Augustus, wurde Julia 2 v. Chr. auf die Insel Pandateria verbannt, ihre Freunde ebenfalls mit Verbannung oder Tod bestraft. Porträts der geächteten Kaisertochter sind außerordentlich selten, um so kostbarer ist ein meisterhaftes, im Glasabdruck erhaltenes Gemmenporträt der Prinzessin (Abb. 497). Das Gesicht mit dem charakteristischen, etwas herben Profil wirkt sehr mädchenhaft, ebenso die mit einer Borte gesäumte Tunica; das Porträt dürfte um die Zeit ihrer ersten oder zweiten Eheschließung (25 und 21 v. Chr.) entstanden sein. Iulia trägt die spätrepublikanische Nodusfrisur, bei der das Haar über der Stirn zu einem Bausch (nodus) zusammengeschoben, dahinter in einen Zopf über den Scheitel zum Nackenknoten geführt wird. Das Rückenporträt eines Prinzen gehört zu den mehrfach erwähnten frühaugusteischen Flachschnitten, nach seinem Stil könnte es von der Hand des Dioskurides stammen (Abb. 498). Der Prinz ist mit militärischen Attributen, Schwertband, Lanze und Schild, jedoch nicht als Feldherr im Dienst, sondern mit nacktem Oberkörper im Typus des jungen Mars dargestellt. Die Benennung des Prinzen ergibt sich aus der Zeitstellung der Gemme: es ist der von Augustus zum Nachfolger bestimmte, doch früh verstorbene Marcellus. Das Gemmenbild setzt ihm ein glyptisches Denkmal, vergleichbar den berühmten Versen Vergils, die beginnen (Aen. 6, 860ff.): Und Aeneas sah... einen Jüngling von edler Gestalt in schimmernden Waffen, doch wenig heiterer Stirn und gesenkten Blickes... Das aus hellenistischer Tradition stammende Rückenporträt ist hier erstmals als Apotheosebild verwendet. Die Hoffnung des Augustus, einen Nachfolger aus iulischem Stamm zu erhalten, wurde durch den frühen Tod des Neffen Marcellus sowie der Enkel Gaius und Lucius Caesar zunichte. Es blieb ihm keine andere Wahl als seinen Stiefsohn Tiberius zu adoptieren (im Jahre 4 n. Chr.); gleichzeitig sorgte er dafür, daß dieser seinen Neffen Germanicus adoptierte, der von der Mutter Antonia minor her auch iulisches Blut hatte. Wie zuvor die Brüder Tiberius und Drusus maior wurden die Adoptivbrüder Drusus minor, der Sohn des Tiberius, und Germanicus mit den Dioskuren Castor und Pollux verglichen. Ihre gestaffelten Büsten erscheinen in dem von Bildern der göttlichen Zwillinge abgeleitetenTypus der capita jugata auf einem Intaglio in Wien (Abb. 499): im Vordergrund Drusus minor (15 v.–23 n. Chr.), im Hintergrund Germanicus (15 v.–19 n. Chr.), gegenüber die Büste der Livilla (14/11 v. Chr.–31 n. Chr.), Frau des Drusus minor und Schwester des Germanicus. Der Intaglio dürfte um die Zeit der Hochzeit des Paares (4–5 n. Ch.) entstanden sein. Tiberius (42 v.–37 n. Chr., reg. 14–37 n. Chr.) hatte seit

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seinem 16. Lebenjahr militärische Aufgaben erfüllt und war seit dem Tod des Drusus maior erster Feldherr des Augustus. Ein Intaglio in grünlich braunem Plasma zeigt ihn als Feldherrn mit Lorbeerkranz, Ägispanzer und Paludamentum (Abb. 500). Als Schutzgottheit Roms und Vorkämpferin schwebt das Palladion aus dem Vestatempel vor seiner Brust; hinter ihm ist eine StandartealsZeichendervonTiberiusgeführtensiegreichenLegionenzusehen.Die(imAbdruck seitenrichtige) Frisur des Tiberius folgt mit den zur Schläfe hin gestrichenen Stirnhaaren dem Typus, der zum Regierungsantritt oder bald danach geschaffen wurde. Livia (57 v.–29 n. Chr.) wurde Priesterin des vergöttlichten Augustus und blieb, da Tiberius nicht wieder heiratete, first Lady am Hofe. Auf einem Karneol in Florenz trägt Livia noch die Nodusfrisur ihrer Jugend (Abb. 501), was eine Datierung vor 22/23 n. Chr. bedeutet, da die Kaiserin zu diesem Zeitpunkt die Mittelscheitelfrisur übernimmt, die jüngere Damen des Kaiserhauses schon seit der Zeit der Ara Pacis (13/9 v. Chr.) tragen. Das im Vergleich mit Porträts der jungen Livia schärfere Profil und die von Nase und Mundwinkel ausgehenden Falten sind zurückhaltend angedeu tete Alterszüge. Porträts aus der Schule dieser Meister kommen bis in flavische Zeit vor. Zu ihnen gehört ein ausdrucksvolles Porträt des Vespasian (69–79 n. Chr.) im Paludamentum (Abb. 502).

6. Panegyrik und Propaganda auf Gemmen Panegyrisch sind die Darstellungen der großen Kameen, die auf historische Ereignisse Bezug nehmen. Von ihnen wird in einem eigenen Abschnitt die Rede sein (s. u. XIV). Aber auch Intagli und kleine Kameen nehmen solche Themen auf. Wieder sind es griechische Gemmenschneider, die aus ihrer Kenntnis der hellenistischen Bildersprache heraus die Ereignisse der späten Republik und frühen Kaiserzeit verherrlichen. So entstehen Kabinettstücke, die man wie die Kaiserkameen dem internen Kreis des Hofes zuordnen darf. Ebenfalls in hellenistischer Tradition werden solche Schatzkammer-Gemmen gelegentlich in Glas abgedrückt und vermutlich als Ehrengeschenke vergeben. Gemmenschneider in der einheimischen Stiltradition nehmen die Themen auf. Eine besondere Gattung sind in großer Zahl hergestellte Glasgemmen. Die Edelsteingemmen, die ihre Patrizen bildeten, wurden eigens zum Zweck der Reproduktion geschnitten, die Glasgemmen sprechen daher eine von den singulären Spitzenstücken sich unterscheidende, einfachere, allgemein verständliche Sprache. Sie sind hierin den Münzen vergleichbar, können aber als inoffizielles Propagandamittel auch andere und stärker personenbezogene Themen verbreiten als diese; so beispielsweise die Serie mit Caesars Ring (s. o. S. 12 Abb. 7). Eines der am meisten gefeierten Ereignisse ist der Sieg in der Seeschlacht bei Actium, den Octavian am 2. September 31 v. Chr. mit der von Agrippa geführten Flotte errang. Zu den herausragenden Kabinettstücken zählt ein Karneol-Intaglio in Neapel, einst im Besitz von Lorenzo di Medici. Auf dem Raum von nur 2,8 x 2,6 cm zeigt er ein in Entwurf und Ausführung meisterhaftes mehrfiguriges Bild (Abb. 503 a, b). Sol-Apollo führt seine Quadriga zum Himmel empor. Im Wagen stehend hält er Zügel und Gerte in der einen, eine brennende Fackel in der anderen Hand; auf dem Rücken hängen Köcher und Bogen, die Attribute Apolls; rahmend bauscht sich sein Mantel über dem Haupt. Der Wagen schwebt schon über der Erde, man sieht ihn und die feurigen Pferde halb von unten. Die Pferdeköpfe sind jeweils

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verschieden bewegt. Bei näherem Zusehen erkennt man, daß der aufgehende Sonnengott nicht die Götterfrisur trägt, sondern die Octavians. Für die Betrachtung maßgeblich ist der Abdruck, das Detail wird daher in dessen Sinn abgebildet. Obgleich der Kopf nur 2 mm hoch ist, erkennt man deutlich die Gabel über dem linken Auge, drei rechts gerichtete Locken, die Zange über dem rechten Auge. Octavian als Sol-Apollo geht auf über dem besiegten Ägypten. Der unter ihm lagernde Flußgott mit der fülligen Gestalt, der sein verhülltes Haupt sinnend aufstützt, einen Schilfstengel auf seinem Knie hält, ist Nilus Pater, die Personifikation des Nils. Seine zierliche, nymphenhafte Frau Euthenia streut Weihrauchkörner, die sie aus einer Büchse genommen hat, auf ein Thymiaterion. Sie bringt dem neuen Gott ein Weihrauchopfer dar, ein unblutiges Opfer, wie es in der alten „goldenen Zeit“ üblich war. Octavian-Sol-Apollo bringt nicht nur einen neuen Tag, sondern eine neue aurea aetas, die auch der seherische Blick des Nilus zu erkennen scheint. Ein sibyllinisches Orakel hatte prophezeit, daß Sol-Apollo der König des letzten, zehnten saeculum, der neuen aurea aetas sein werde (Vergil ecl. 4,4 u. 10 mit Kommentar des Servius). Octavian/Augustus erhob Sol-Apollo zum Hauptgott und machte hierdurch die goldene Zeit zu der seinen. Offizieller Ausdruck der Verehrung des Princeps für den Gott, seiner Nähe zu ihm, war insbesondere der von ihm erbaute Apollotempel auf dem Palatin, zu dem ein direkter Verbindungsgang vom Haus des Augustus führte. In diesen Tempel wurden die sibyllinischen Bücher vom Jupitertempel auf dem Kapitol übertragen. Die augusteischen Dichter feiern Apollo als Schutzgott des Kaisers. Der Schöpfer des Karneols in Neapel geht mit der Gleichsetzung von Sol-Apollo und Octavian darüber hinaus. Er war ein Grieche, wie sein Stil und die Fackel als Attribut des griechischen Sonnengottes zeigen, und mit den Elementen hellenistischer Herrscherpanegyrik bestens vertraut. In offiziellen römischen Denkmälern wird die Gleichsetzung des Kaisers mit Sol-Apollo erst nach seiner Divinisierung möglich (s. u. XIV A8). Die apollinische Aura des jungen Caesar wurde noch verstärkt durch die Legende, er sei ein Sohn Apolls. Sueton las in den Theologumena des Asklepiades von Mende, Octavians Mutter, Atia, habe sich einst zu einem nächtlichen Apollofest begeben. Als die anderen Frauen schon schliefen, sei auch sie eingeschlafen, da sei plötzlich eine Schlange (draco) zu ihr geschlüpft und bald wieder verschwunden. Nach dem Erwachen habe sie sich wie nach einem ehelichen Zusammensein gereinigt. Auf ihrem Leib habe sich ein Mal in Form einer Schlange gezeigt, das sich nicht entfernen ließ, so daß Atia fortan den Besuch öffentlicher Bäder mied. Im 10. Monat danach sei Augustus geboren und daher als Sohn Apollos angesehen worden (Sueton, Augustus 94,4). Der Sonnenaspekt des Gottes kommt in einem im gleichen Kapitel mitgeteilten Traum des Vaters, Octavius, zum Ausdruck: Er habe geträumt, daß vom Schoß der Atia der Glanz der Sonne (iubar solis) ausgehe. Cassius Dio (45,1.2) bestätigt diese Überlieferung, wenn er berichtet, Caesar habe seinen Großneffen insbesondere deshalb zum Erben und Nachfolger ausersehen, weil Atia nachdrücklich zu behaupten pflegte, sie habe ihn von Apollo empfangen, als sie in dessen Tempel geschlafen und sich mit einer Schlange vereint habe. Das Grabepigramm des Domitius Marsus für die 43/42 v. Chr. verstorbene Atia bekräftigt die Legende gerade dadurch, daß ihr Wahrheitsgehalt offen bleibt (Übersetzung von Simon, Augustus 1986, 164): Glücklich bin ich gepriesen vor allen anderen Frauen Ob einen Sterblichen nun, ob einen Gott ich gebar.

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In allgemeinverständlichen Symbolen vermittelt ein kleiner, 3,7 cm hoher Glaskameo in Köln ähnliche Inhalte: in einem schmalen hellblauen Rahmen erscheinen die Abzeichen dreier Priesterämter des Augustus (Abb. 504): Durch Mittelstellung und Größe hervorgehoben ist der Dreifuß der apollinischen Priesterschaft der quindecimviri sacris faciundis, des 15-Männer-Kollegiums für die Durchführung von Kulthandlungen, dem Octavian seit 37 v. Chr. angehörte. Eine große Schlange umwindet in doppelter Achterschlingung den Dreifuß, über dem sie ihr nach vorn gerichtetes Drachenhaupt erhebt. Ein Strahlennimbus umgibt es: Es ist die Schlange des Sol-Apollo. Die Schöpfkelle (simpuvium) links, der Augurstab (lituus) rechts bezeichnen die Priesterämter des Pontifex und des Augurs, die Octavian seit 47 bzw. 43 v. Chr. bekleidete. In den Bereich des Augurats gehören die unter dem Dreifuß dargestellten Hühner: Ihr eifriges Picken bedeutet ein günstiges Hühnerorakel. Diese Form des Orakels wurde vorwiegend im militärischen Bereich angewendet, weil es sich leicht zu jeder Zeit an beliebigem Ort durchführen ließ. Aus historischen Gründen ist der Kameo fest zwischen 37 und 16 v. Chr. datiert, weil Augustus in diesem Jahr Mitglied der vierten großen Priesterschaft, der Septemviri epulones, des Sieben-Männer-Kollegiums zur Ausrichtung der Göttermahle, wurde. Ihr Abzeichen, die Opferschale (patera), fehlt hier. Stilistische Gründe sprechen für eine Datierung vor der Schlacht von Actium. Das günstige Hühnerorakel prophezeit den Sieg Octavians über Antonius und Kleopatra, den er unter dem Schutz des Sol-Apollo erringen wird. Die beiden Achterschlingen erinnern kaum zufällig an die Windungen der Chnubis-Schlange; sie bedeuten die Jahreskreise der vergangenen und der kommenden aurea aetas, welche unter dem Apollonsohn anbrechen wird. Der kleine Kameo ist nicht geschnitten, sondern aus einer von einem Steinkameo abgenommenen Form gedrückt. Er konnte also mehrfach reproduziert werden und ist somit ein besonders schönes Beispiel jener im Kreis der Anhänger verteilten Glasgemmen mit Symbolen, die eine Glückszeit unter der Führung Octavians verheißen. Wieder im innerhöfischen Stil verherrlicht ein Sard im Museum of Fine Arts in Boston den Sieger von Actium als Neptun (Abb. 505). Mit einer Quadriga von Hippokampen fährt er übers Meer, eine Hand genügt, das Gespann zu lenken, die andere hält den Dreizack. Der Kopf ist auch hier ein Miniaturporträt, nicht der bärtige Kopf des Gottes. Ein Delphin begleitet das Gespann, er verweist als Tier der Venus auf die Stammutter des iulischen Geschlechtes und zeigt zugleich an, daß die Fahrt bei gutem Wetter stattfindet. Unter den Hufen der Seepferde erscheint der Oberkörper eines Mannes in den Wellen, vermutlich ist es kein Triton, sondern der untergehende Marcus Antonius. Der Intaglio läßt sich der Hand des Thamyras zuweisen; wegen seiner noch hellenistischen Elemente und des historischen Bezuges dürfte er früher sein als die signierte Nereide (s. o. Abb. 481). Man hat auch die Beziehung dieses Intaglio auf den Seesieg über Sextus Pompeius bei Naulochus (36 v. Chr.) erwogen. Dieser Sieg konnte zwar als Ende des Bürgerkrieges und Bringer des Friedens gefeiert werden, war aber als Sieg über römische Bürger für panegyrische Darstellungen des Siegers weit weniger geeignet als der Sieg bei Actium, dem eine Kriegserklärung an Kleopatra, nicht an M. Anton vorausgegangen war. Nach Naulochus hielt Octavian nur einen kleinen Triumph (ovatio), nach Actium feierte er einen dreifachen Triumph über die Dalmater, für den Sieg bei Actium und über Ägypten.

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In einfachen Chiffren kündet ein Karneol aus Xanten in dem einheimischen feinen Rundperlstil von dem doppelten Seesieg (Abb. 506). Das Bild ist etwa so zu lesen: Unter dem Schutz Jupiters und dank seiner Legionen (Adler) hat Rom unter den Auspizien des Octavian (lituus, zwei Capricorne) zwei Seesiege errungen (zwei Delphine mit Dreizack), hierfür sei den Göttern gedankt (Altar). Ein Wiener Karneol im gleichen Stil bezieht sich auf den Sieg von Actium (Abb. 507). In göttlicher Nacktheit als Mars mit Lanze setzt Octavian den Fuß auf das mit einem Elefantenskalp bedeckte Haupt der Africa; eine Victoriola auf seiner Hand reicht ihm den Siegeskranz. In griechischem Stil, aber römischer Bildersprache feiert der dem Kleon zugewiesene Plasma-Intaglio das gleiche Ereignis (Abb. 458). Der große Venus-Intaglio vom Dreikönigenschrein stellt die neue Friedenszeit in einem mythischen Gleichnis dar: Mars hat sein Schwert der Venus übergeben (Abb. 508). Sein Schöpfer ist ein eigenwilliger Meister, der klassizistische und archaistische Elemente verbindet, die Körper mit Wespentaillen und großen Extremitäten ausstattet, kalligraphische Falten nicht mit dem laufenden Rundperlzeiger zieht, sondern fein strichelt. In klassizistischem Stil behandelt ein Sard in Wien das gleich Thema: Venus legt das Schwert des Mars an (Abb. 509). Dies sind neue Variationen des alten Motivs der iulischen Venus victrix. Die auf dem Globus schwebende Victoria in der Curie ist eines der häufigsten Motive. In Glas vervielfältigt konnte man sie in Kameoform als Schmuck tragen (Abb. 510) oder als Glasintaglio mit ihr siegeln, womit sich der Wiederholungseffekt vervielfachte. Die Attribute der Statue, Kranz und Palmzweig, werden in den bildlichen Darstellungen aus verschiedenen Anlässen durch andere ersetzt. Auf einer Wiener Glasgemme schwebt die Göttin in Vorderansicht herab, hält in der Rechten den Ehrenschild, der Augustus im Jahre 27. Chr. mit anderen Ehrungen verliehen wurde (Abb. 511, s. u. XIV A1). Häufiger, weil einfacher darstellbar, erscheint die Victoria im Profil. Ein Intaglio in Oxford verbindet das Motiv mit dem des Siegelringes Caesars, der Octavian als seinen Erben bestätigte, eine Stellung, die durch den Sieg über Marc Anton nun gesichert war (s. o. Abb. 7); der Globus liegt hier vor den Füßen der Victoria; die geflügelte Heuschrecke auf der Ähre deutet an, daß durch den Sieg über Ägypten die Getreidezufuhr gesichert ist; die beiden schwebenden Schmetterlinge zu Seiten des Ringes dürften den Bereich der Venus andeuten (Abb. 512). Im Jahre 20 v. Chr. gelang es Augustus, indem er selbst den Partherkönig Phraates IV. mit einem Heer von Syrien aus bedrohte, während Tiberius mit einem zweiten Heer nach Armenien zog, die kampflose Rückgabe römischer Feldzeichen und die Übergabe von 10.000 römischen Gefangenen an Tiberius zu erreichen. Es waren Feldzeichen aus drei verlorenen Feldzügen, den Niederlagen des Crassus bei Carrhae, 53 v. Chr., des L. Decidius Saxa in Syrien, 40 v. Chr., und dem erfolglosen Partherfeldzug des Antonius, 36 v. Chr. Nach den Worten Ovids hat Augustus durch die Wiedererlangung der Feldzeichen dem Mars ein zweites Mal (nach der Rache für Caesar) den Beinamen Ultor, Rächer, gewonnen (Ovid, fast. 5,545–598). Der Erfolg wurde als Sieg über die Parther gefeiert. Er war der Anlaß für die Schaffung der Augustusstatue von Prima Porta, auf deren Panzerrelief die Übergabe der Feldzeichen dargestellt ist. Ein Ehrenbogen auf dem Forum Romanum verkündete den Römern, Münzbilder den Bewohnern des ganzen Imperiums das triumphale Ereignis. Auch die Gemmenschneider und Glasgemmenhersteller beteiligten sich an der Propaganda. Auf einer blauen Glasgemme übergeben zwei Parther kniefällig Feldzeichen an die Victoria

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in der Curie, ein Adlerfeldzeichen (aquila), das Zeichen einer Legion und ein vereinfacht dargestelltes Feldzeichen einer Untereinheit (Manipel) mit Halbmonden und Scheiben (signum), letzteres Ehrenzeichen, die der Einheit verliehen worden waren (Abb. 513). Die Parther tragen ihre charakteristische Tracht, Ärmelhemden und Hosen. Victoria schwebt auf dem großen Globus, die tragende Säule wird von einem Altar mit Ammonsmasken an den Ecken verdeckt. Es ist der Altar, auf dem die Senatoren Wein und Weihrauch opferten. Victoria hält ein Tropaeum statt des Palmzweiges, wodurch die Deutung des Ereignisses als militärischer Sieg verstärkt wird. Das Relief einer Victoria mit Zweigespann auf dem Altar verstärkt die Siegessymbolik. Auf einem verschollenen Karneol übergeben kniende Parther zwei Feldzeichen an den auf einem Altar stehenden römischen Adler (Abb. 514). Ein Relief der Lupa Romana mit den Zwillingen schmückt, gleichsam als Wappen Roms, den Altar. Die Personifikation eines besiegten oder doch botmäßigen östlichen Landes mit phrygischer Mütze sitzt an einer gefäßtragenden Säule, hinter der ein Bäumchen wächst. Im Hintergrund links steht ein Tropaeum (Abb. 515). Wahrscheinlich ist die trauernde, aber nicht gefesselte Gestalt „Parthia“ zu nennen. In vielen Variationen und Qualitätsabstufungen begegnen Bilder des Capricorns, des Sternzeichens des Augustus (s. u. S. 151). Von der Hand eines Meisters aus dem Kreis des Dioskurides stammt ein Karneol-Intaglio, der 1990 bei einer Rettungsgrabung in Augsburg gefunden wurde (Abb. 516). Der in Draufsicht achteckige sehr dünne Stein zeigt in meisterhaftem Flachschnitt einen jungen Pan, der lässig auf einem Capricorn sitzend übers Meer reitet; seine Linke umfaßt ein Horn des Ziegenfisches, in der Rechten hält er eine Angel, an der ein kleiner rundäugiger Fisch hängt. Der junge Gott hat Menschengestalt, nur die kleinen Hörnchen über der Stirn, das spitze Ohr, der Stirnwulst zwischen den Brauen und die Form der Nase mit eingesenktem Rücken und runder Spitze deuten das tierhafte seiner Natur, die Verwandtschaft mit dem Bocksteil seines Reittieres an. Der Stil zeigt die Hand eines Griechen, es könnte die gleiche sein, die einen Sard in Utrecht schnitt: auch dort sind Details in feiner Rundperlarbeit wiedergegeben, die Bauchnabel weich eingetieft. Die Beinhaltung des Pan ähnelt jener des über den Altar steigenden Diomedes (vgl. Abb. 464, 862). Den Strichrand übernimmt der Meister von seinen italischen Kollegen. So virtuos das Bild geschnitten ist, so sehr zeigt sich hier, daß der orlo etrusco nicht zur Routine des Meisters gehört: Er hat sich den Strichrand freihändig vorgezeichnet und sich bei der Ausführung ein paar Mal verschnitten. In Fortführung der Deutung von Simon kann zum Verständnis des Motivs ein Fragment aus der „Sphaera“ des Senators und Astrologen Publius Nigidius Figulus (gest. 45 v. Chr.) herangezogen werden, auf das Eugene J. Dwyer aufmerksam gemacht hat. Es ist jener Nigidius Figulus, der am Morgen der Geburt des Augustus, als er von dessen Vater die Geburtsstunde erfuhr, vorhersagte, nun sei der Herrscher der Welt geboren (Sueton, Aug. 94,5). Nigidius berichtete zum Capricorn folgendes: Als die Götter vor Typhon nach Ägypten geflohen waren, riet ihnen Pan, sich in der Gestalt verschiedener Tiere zu verbergen. Nach dem Sieg über Typhon belohnten ihn die Götter mit einem Gedenken unter den Sternen (Pana sancta astrorum memoria decoraverunt) und nannten ihn Aegipan (Ziegenpan), weil er sich in eine Ziege verwandelt hatte. Wir sehen also hier Pan auf seinem Gestirn; in lässiger Ruhepose fischend, genießt er den durch einen Seesieg wiederhergestellten Frieden. Da der Capricorn auch der Stern des Augustus ist, darf man das Bild als Anspielung auf dessen Sieg

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über M. Antonius deuten; er siegte in Ägypten über den Gegner wie Jupiter über Typhon. Das Motiv des Karneols aus Augsburg war schon lange bekannt durch einen Kameo der Sammlung Beverley, doch hatte man hier das spitze Ohr und die kleinen Hörnchen des Angelnden bislang übersehen (Abb. 517). Die vielschichtige Aussage und die hohe dichterische Sprache solcher Gemmenbilder war für den höfischen Kreis bestimmt. Eine einfachere, volkstümliche Sprache sprechen die Münzen. Der Capricorn erscheint hier auf Münzrückseiten allein, ein Füllhorn tragend oder Globus und Steuerruder haltend mit einem Füllhorn hinter dem Rücken; sie verkünden, daß Octavian/Augustus, dessen Porträt die Vorderseite einnimmt, schon durch sein Geburtsgestirn zum Heil des Staates bestimmt ist (K. Kraft), daß unter seiner Leitung Frieden und Wohlstand zu Lande und zu Wasser gesichert sind. Ähnliche Bilder finden sich auf vielen Stein- und Glasgemmen. Eine Glasgemme in Florenz vereint Capricorn und Porträt in einem Bild, unten schwimmt ein Delphin als Zeichen der ruhigen See (Abb. 518). Das Porträt ist, wie bei den Gemmen mit dem Ring Caesars, nicht individuell, es wird durch den Capricorn definiert. Durch den Capricorn und die Victoria der Curie wird Augustus auf einem Sard in Florenz benannt. Der Intaglio ist im Miniatur-Rundperlstil geschnitten, was die Wiedergabe von Porträtzügen auf dem 1.35 x 1.17 cm großen Bild unmöglich machte (Abb. 519). Auf einem hohen, durch eine leiterähnlich dargestellte Treppe zugänglichen Podium sitzt Augustus auf dem klappbaren Amtsstuhl, der sella curulis. Er hält den Augurstab (lituus), denn das Geschehen steht unter seiner, durch das Priesteramt des Augurs sanktionierten Leitung. Die Victoria auf dem Globus hat gleichsam ihren Platz in der Curie verlassen und schwebt von hinten auf Augustus zu, um ihn zu bekränzen. Zu ebener Erde galoppiert ein Reiter. Im Hintergrund sind Feldzeichen in der üblichen Anordnung, Adler zwischen zwei Signa, aufgestellt, sowie eine höher bzw. dahinter stehende Lanze (hasta) mit einem daranhängenden Rundschild (parma), beides Abzeichen der Ritter. Es handelt sich offenbar um die von Augustus alljährlich am 15. Juli abgehaltene Reiterparade, die transvectio equitum. Augustus hatte diesen in Vergessenheit geratenen Brauch im Zuge der Erneuerung des Ritterstandes wieder aufgenommen (Sueton, Augustus 38). Der hier angedeutete Ort, von dem die Parade abgenommen wurde, war das hohe Podium des Dioskurentempels auf dem Forum Romanum. Der feine Rundperlstil ist offenbar bewußt gewählt, um einen altrömisch-republikanischen Eindruck zu erwecken. Die Richtigkeit dieser Interpretation wird bestätig durch einen horizontal geschichteten Sardonyx in Wien, der schon von seiner Größe her ein Kabinettstück ist. In die leicht konvexe Oberfläche ist das Bild des jungen C. Caesar eingeschnitten, der in militärischer Tracht auf einem Hengst reitend die (im Abdruck rechte) Hand zum feierlichen Gruß der Soldaten erhebt (Abb. 520). Die Darstellung ist auf die erste Campagne des zwölfjährigen Prinzen im Jahre 8 v. Chr. zu beziehen. Bemerkenswert ist, daß der klassizistische Stil mit Elementen des feinen Rundperlstils verbunden ist, der um diese Zeit schon etwas außer Mode gekommen war. Wenn der Rundperlstil hier und in anderen Fällen (z. B. Abb. 506, 507) als typisch römischer Stil der republikanischen Zeit eine politische Bedeutung hat, so versteht sich von selbst, daß er bei anderen Motiven ohne jede Nebenbedeutung verwendet werden kann. Ein Karneol in Florenz zeigt das gleiche Motiv wie eine umfangreiche Münzedition der Jahre 2 v.–4 n. Chr.: Die Brüder Gaius und Lucius Caesar

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mit den Ehrenschilden und Speeren, die ihnen von der Ritterschaft als Anführer der Jungmannschaft (principes iuventutis) verliehen worden waren, und den Abzeichen ihrer Priesterämter. Der ältere, vorn stehende Gaius ist durch die Schöpfkelle (simpuvium) als Pontifex, der jüngere Lucius durch den lituus als Augur bezeichnet (Abb. 521).

C. KÜNSTLER UND HANDWERKER 1. Chronologie Aus verschiedenen Anhaltspunkten ergibt sich ein Datierungsgerüst. 1. Die Datierung kann sich auf Funde aus gesicherten Horizonten stützen. Von großer Bedeutung sind hier die reichen Gemmenfunde aus den 79 n. Chr. verschütteten Vesuvstädten. Hervorzuheben sind die wenig zahlreichen, aber signifikanten Gemmen aus den Lagern von Oberaden (11–8/7 v. Chr.) und Haltern (12 v.–9 n. Chr.), sowie vom Auerberg (ca. 10– 50 n. Chr.) und dem Schlachtfeld von Kalkriese (vor 9 n. Chr.), ferner aus den römischen Hafensiedlungen von Velsen (Velsen I ca. 15–55 n. Chr. u. 3. Jh. n. Chr.; Velsen II ca. 40–68 n. Chr.). Entgegen früheren Annahmen bieten die historischen Daten für Xanten, d. h. die Militärlager von Vetera I (ca. 13 v. Chr.–70 n. Chr.) und die Colonia Ulpia Traiana (Gründung um 100 n. Chr.), keine Fixpunkte für die Datierung der dort gefundenen Gemmen, da jeweils spätere bzw. frühere Besiedlung nachgewiesen ist; allerdings ergab die stilistische Einordnung der Fundgemmen eine weitgehende Übereinstimmung mit diesen Daten. Aus den stratigraphisch exakt bestimmten Gruppen aus dem Bad des Legionslagers von Caerleon (Wales) sind für den hier behandelten Zeitraum die beiden frühesten heranzuziehen. Zu beachten gilt es, daß der Fund in datierter Schicht stets nur einen terminus post quem non bedeutet. Gerade Gemmen wurden oft lange aufbewahrt. Eine hellenistische Granatgemme des späten 2.–frühen 1. Jahrhunderts v. Chr. mit der Muse der Komödie, die eine Maske betrachtet, diente als Schmuck einer in Kalkriese gefundenen Schwertscheide (Abb. 11). Ein für diese Periode wichtiger, umfangreicher Fund von Siegelabdrücken sind die Tonbullen aus dem Stadtarchiv (Nomophylakeion) von Kyrene. 2. Ringfassungen bieten eine Datierungshilfe, wobei der technische und stilistische Befund daraufhin geprüft werden muß, ob nichts gegen die Gleichzeitigkeit von Gemme und Ring spricht, da es vorkommt, daß Gemmen neu gefaßt wurden. Als Beispiel einer Gemme in zeitgleicher Fassung sei ein konvexer Amethyst mit Fortuna Panthea abgebildet (Abb. 522a, b). Die Gemme hat eine in Draufsicht rechteckovale Form, die Ringform läßt sich von einer ptolemäischen Form herleiten, wobei die Höhe des Ringkopfes im Vergleich zu den Vorbildern reduziert ist. Gemmen- und Ringform sind typisch für die frühaugusteische Zeit. Die in kalligraphischem Stil geschnittene Fortuna ist außer mit deren Attributen (Füllhorn und Steuerruder) mit dem Helm der Minerva, Flügeln und Palmzweig der Victoria, Ähren und Mohn der Ceres ausgestattet. 3. Interne Anhaltspunkte für die Datierung geben Ganzfiguren oder Porträts historisch bekannter Personen, in seltenen Fällen Namensinschriften. Bei Porträts, auch solchen von Privatpersonen, insbesondere bei Frauen, sind Modefrisuren datierend, Hinweise geben ferner

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die Beziehung von Gemmenbildern auf historische Ereignisse oder datierte Monumente. Beispielsweise bedeutet die Darstellung des von Augustus im Jahre 10 v. Chr. im Circus aufgestellten Obelisken einen terminus post quem für die Gemme (Abb. 547). 4. Hilfreich ist der Vergleich mit Münzen, wenn thematische und stilistische Übereinstimmungen bestehen. 5. Im Zusammenhang mit anderen Indizien kann die Vorliebe für durchscheinende Steine und konvexe Bildflächen für eine Datierung in die frühe Kaiserzeit sprechen. Diese Vorliebe ist jedoch keine ausschließliche. Flache Bildflächen sind ebenso häufig wie konvexe und die im 2. Jh. n. Chr. so beliebten Gemmensteine, der undurchsichtige rote Jaspis und der Nicolo, kommen schon seit dem späten 2. Jahrhundert v. Chr. vor.

2. Stil Die hier gegebene Gliederung unterscheidet große Stilrichtungen, sie bleibt bewußt oberhalb der Ebene von Werkstätten oder gar von Händen. Hierdurch wird ein weitmaschiges Raster für die stilistische Einordnung gegeben. Innerhalb einer Stilrichtung lassen sich bei günstiger Materiallage Werkstätten scheiden. Solche Werkstattgruppen wurden bisher erst von Gemma Sena Chiesa für Aquileia ermittelt, wo z. B. mehrere Werkstätten im Flachperlstil arbeiten. Aufgrund der maschinell betriebenen Zeiger bestimmen Routinen einer Werkstatt den Stil der Gemmen stärker als dies in anderen Gattungen, die mit freihändig geführten Werkzeugen arbeiten, der Fall ist. In der Regel wird es daher sinnvoll sein, nicht weiter als bis zur „Werkstatt“ als Untergliederung zu gehen. Zuweilen lassen sich innerhalb der Werkstätten auch Hände scheiden (s. u. XV B5). Die Benennung der Stile erfolgt beim Rund- und Flachperlstil nach dem bevorzugt, jedoch selten ausschließlich verwendeten Instrument. Die Bezeichnungen vermitteln zugleich einen Eindruck von den kugeligen Vertiefungen bzw. (bei laufendem Rundperlbohrer) gerundeten Furchen im Stein, sowie den langovalen Spuren des Flachperlzeigers. Der lineare Stil wurde nach dem stilistischen Effekt der geraden, oft parallel nebeneinandergesetzten Linien benannt. Seine Hauptwerkzeuge sind scharfkantige Scheiben, deren deutsche Bezeichnung „Schneidezeiger“ sich nicht als Stilbezeichnung eignet, da sie weder sprachlich schön noch anschaulich wäre. Während es sich bei den genannten Stilen um spezielle Gemmenstile handelt, werden der archaisierende und der klassizistische Stil in Analogie zu gleichartigen Stilrichtungen in anderen Kunstgattungen benannt. Die Zuweisung an eine Stilrichtung erfolgt nach dem jeweils überwiegenden Stilmittel. Zuweilen halten sich in einem Bild zwei Stilmittel die Waage; man spricht dann etwa von „Rundperl- und linearem Stil“.

Rundperlstil Die Tradition des italischen Rundperlstils wird von Werkstätten des 1. Jahrhunderts v. Chr. weitergeführt. Er findet sich auch vielfach auf Münzen dieser Zeit, die oft eine Punktkette als Rahmen haben. Ein Karneol in Wien scheint eine unbekannte Fabel zu erzählen: Eine Bauer will einem offenbar widerspenstigen Pferd einen Zuggurt anlegen, wobei er in der Rechten eine Peitsche bereithält; das Pferd hebt wiehernd den Kopf und drückt so aus, daß es diese

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Behandlung als „inhuman“ empfindet, was über der Szene geschrieben steht (Abb. 523). Körper, Maul, Auge, Gelenke und Hufe des Pferdes, Gesicht, Bart, Waden, Gelenke und Zehen des Mannes sind mit Rundperlzeigern, die Mähne des Pferdes, die Arme des Mannes, die Falten seiner kurzen Tunica und die Buchstaben mit Flachperlzeigern, jeweils in verschiedener Größe, gearbeitet. Zwei Skelette stehen neben einer großen Weinamphora, deren Henkel sie umfassen, das linke kreuzt die Füße wie im Tanzschritt, wird von seinem Gegenüber bekränzt (Abb. 524). Die fröhlichen Skelette sollen den Betrachter auffordern, sein Leben zu genießen, solange er noch nicht ist wie sie. Rundperlkugeln markieren Gelenke, Hände und Füße der Skelette, Henkel und Spitze der Amphora und die Blüten des Kranzes. Das zusammenbrechende Pferd auf einem Karneol in Wien ist das Oktoberroß des Mars (Abb. 525). Alljährlich am 15. Oktober fand ein Rennen von Zweigespannen auf dem Marsfeld statt. Das rechte Pferd der siegreichen Biga wurde anschließend vom Priester des Mars am Marsaltar geopfert, wobei es mit Speeren getötet und mit Waffen geschmückt wurde. Der Intaglio zeigt das von Speeren getroffene, aber noch nicht getötete Pferd hinter einem langovalen Schild, der ein Blitzbündel als Zeichen trägt. In der Zeit, in der die Gemme entstand, galt das altertümliche Ritual als Entsühnung des Heeres. Beim Bild des Oktoberrosses dürfte der Rundperlstil, wie in oben beschriebenen Beispielen, verwendet sein, um einen altrömischen Eindruck zu erwecken (s. o. S. 131). Das Phänomen zeigt, daß die Definition des Rundperlstils keine Erfindung der Gemmenforscher ist, daß er vielmehr als solcher von den Zeitgenossen wahrgenommen wurde, daß seine Herkunft aus früherer, republikanischer Zeit bewußt war. Wo es das Motiv nahelegt, wird Rundperl- mit linearem Stil verbunden wie bei der Büste einer Diana, über deren Schulter die Enden von Köcher und Bogen zu sehen sind (Abb. 526).

Feiner Rundperlstil Eine aufs äußerste verfeinerte Variante des Rundperlstils ist geprägt durch noch kleinere Rundperlpunkte und Linien, die mit laufendem Rundperlzeiger gezogen sind. Ein in Draufsicht rechteckovaler Karneol dieser Stilrichtung zeigt die Flucht des Aeneas aus Troia; er trägt seinen Vater Anchises auf der Schulter, führt den kleinen Sohn Ascanius-Iulus an der Hand (Abb. 527). Der Mythos war von großer Bedeutung für Rom und die iulische Kaiserfamilie: Der Venussohn Aeneas und der als troianischer Prinz mit phrygischer Mütze dargestellte Iulus waren die Ahnherren der Iulier. Anchises trägt mit fromm verhülltem Haupt eine Ciste, in der er die Hausgötter rettet. Von Aeneas nach Italien gebracht, werden sie zu den Penaten Roms, die zusammen mit dem Palladion im Vestatempel auf dem Forum aufbewahrt wurden. Zur Urgeschichte Roms gehört das Bild des Romulus, der ein Tropaeum mit den spolia opima trägt, der Rüstung, die er dem gegnerischen Heerführer, Acro, abgenommen hat (Abb. 528). Großplastische Standbilder der Aeneasgruppe und des Romulus schmückten die Mittelnischen der Portiken des 2 v. Chr. eingeweihten Augustusforums. Die Themen waren schon länger aktuell, das Motiv des Aeneas mit Anchises erscheint schon 47/46 v. Chr. auf Denaren Caesars und 42 v. Chr. auf Goldmünzen des Octavian. Bei den Bildern von Aeneas und Romulus kann wieder eine bewußte Verwendung des italischen Stils für die altrömischen Motive angenommen werden. Bei anderen Themen ist der Stil reines Kunstmittel. In das Reich der Märchen gehört der Kampf eines mit Helm, Schild und Lanze gerüsteten Pygmäen gegen einen Kranich, einen

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der alten Feinde des Zwergenvolkes (Abb. 529). Ein heroengleich nackt dargestellter Reiter sprengt im Galopp auf einen Eber zu, der am Fuß eines Baumes nach Nahrung sucht (Abb. 530). Die Inschrift lupus, „Wolf“, ist wohl der Beiname des Besitzers. Ein Bauer mit flacher Kappe, in kurzer Tunica, Tierfellmantel und Stiefeln, der mit dem Krummholz (pedum) auf der Hasenjagd ist, hat einen Totenschädel gefunden, auf dem ein Schmetterling als Verkörperung der Seele sitzt (Abb. 531). Er zeigt mit dem Finger auf das Todessymbol, womit für den Träger der Gemme wie im Falle der Skelette mit der Amphora (Abb. 524) die Aufforderung zum Lebensgenuß verbunden ist. An das Vergnügen der Komödie erinnert die Figur des Alten mit Krummstab, der sich bekümmert seinen Bart streicht. Er trägt die Maske des Pornoboskos, des Bordellwirtes, mit kahlem Kopf und einem Bart aus steifen Korkzieherlocken (Abb. 532).

Miniaturstil Von „Miniaturstil“ spricht man bei mehrfigurigen Darstellungen auf kleinstem Raum. Diese Gemmen sind darauf angelegt, das Staunen des Betrachters über die Kunst des Gemmenschneiders hervorzurufen. Gemmen dieses Stiles sind oft mit feinen Rundperl-, aber auch mit feinen Flachperlzeigern gearbeitet. Beliebte Motive sind bacchische Züge oder Opfer an Priap. Ein fackeltragender Knabe geht an der Spitze eines solchen Zuges, er führt den alten Papposilen, der das Bacchuskind auf den Schultern trägt; eine Tamburinspielerin und eine Knabe mit Leier folgen; eine an einem Baum lehnende Herme deutet einen heiligen Hain an (Abb. 533). Auch Szenen aus Mythos, Märchen und Alltag kommen vor. Ein konvexer dunkelorangefarbener Karneol schildert die homerische Szene (Od. 19, 392f., 467–506), in der die Amme Eurykleia den heimgekehrten Odysseus bei der Fußwaschung an einer alten Narbe erkennt (Abb. 534). Der mit Pilos und Exomis in Reisetracht gekleidete Held streckt Schweigen gebietend den Arm aus. Unter dem Hocker, auf dem Odysseus sitzt schläft zusammengerollt ein Hund, sicher der treue Argos, der seinen Herrn schon früher erkannt hatte. Mit viel Details wird das Sirenenabenteuer des Odysseus geschildert (Abb. 535). Der Heros in an den Mast des Schiffes gebunden, das mit gerefften Segeln von fünf Matrosen und dem vor der Kajüte sitzenden Steuermann in langsamer Fahrt gehalten wird. Der Bug des Schiffes ist mit dem Kopf eines Meeresungeheuers und einem Schwanenhals, das Heck mit einer dreigliedrigen Zier geschmückt. Oben musizieren auf einer Felsklippe drei Sirenen: eine flötespielende links, eine leierspielende rechts und eine zu unserem Erstaunen nicht auswendig, sondern „vom Blatt“ bzw. Täfelchen singende in der Mitte. Das 1,18 x 0,99 cm große Bild eines dunkelgrünen Plasmas zeigt das auch aus der Wandmalerei bekannte märchenhafte Thema des Amorettenhandels (Abb. 536). Unter einem über die Szene geneigten Baum beugt sich der Verkäufer zu einem Käfig herab, aus dem er einen Amorputto gezogen hat; mit der Rechten wird er auf einer auf dem Knie ruhenden Tafel seine Einnahmen notieren. Von rechts naht als Käuferin eine in den Mantel gehüllte Frau, sie schultert einen Stab, hält einen Geldbeutel. Ein Amorputto fliegt schon aus freien Stücken auf sie zu; sie wird ihn kaufen und zu ihrem Geliebten schicken. Vier Amoretten bilden die Mannschaft eines Segelschiffs; zwei halten Ruder, ein dritter refft das Segel; es herrscht Windstille, so kann ein vierter einen Fisch angeln (Abb. 537). Das 1,55 x 1,20 cm große Oval eines Karneols der Slg. Stosch wird zum Amphitheater (Abb. 538). Zwei Gladiatoren

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in Rüstung stehen sich in Ausfallstellung mit gezückten Schwertern gegenüber; drei Musiker geben auf einer gebogenen (lituus) und zwei geraden Trompeten (tubae) das Signal zum Kampf; ein Kampfrichter mit Rute sitzt auf einem Lehnstuhl im Hintergrund. An den Seiten der Arena steht je eine Herme. Acht Zuschauer beobachten teils sitzend, teils vorgebeugt stehend das Geschehen; ein neunter Mann überreicht dem links sitzenden Spielgeber(?) ein Täfelchen. Das Ganze ist mit außerordentlich feinen Zeigern gearbeitet und mit vielen winzigen Rundperlpunkten akzentuiert. Ein bärtiger Komödiendichter sitzt vor einem Altar, hält eine weibliche Maske in der Hand. Ein Schauspieler steht vor ihm, streckt sprechend die Hand aus, ein weiterer hinter ihm; beide Schauspieler haben ihre Masken auf den Kopf zurückgeschoben, es sind wohl die eines bärtigen Sklaven und des Kochs. Auf einer Säule liegt eine weitere Maske als Weihgeschenk, zwei weitere Masken hängen an ihr (Abb. 539). Der Bauch einer aus getriebenem Metall gedachten Prachtamphora mit Schlangenhenkeln trägt das Bild des trunkenen, auf einem Ziegenbock reitenden Silen, der fröhlich eine Schale hebt und von einem Satyr gestützt wird. Der Hals ist mit einer Weinranke, der schmalere Unterteil mit einer Satyrmaske geschmückt (Abb. 540).

Flachperlstil Ein Schauspieler in der nach vorn gewandten kahlköpfigen Komödienmaske des Kochs führt eine Gans an einer Leine wohl vom Markt nachhause. Das Tier versucht flügelschlagend zu entkommen; Einhalt gebietend hebt der Sklave, dessen Mantel zu Boden zu gleiten droht, den Arm (Abb. 541). Die Spuren verschieden großer Flachperlzeiger, deren Laufflächen langovale Vertiefungen schneiden, sind an Körper und Händen des Mannes, an Körper, Hals und Beinen der Gans zu erkennen. Diese und die folgende Gemme zeigen den Flachperlstil auf hohem Niveau: Ein hakennasiger Fischer nimmt einen Fisch von der Angel, um ihn zu den anderen zu legen, die in einem Korb vor ihm stehen (Abb. 542). Charakteristisch für den durchschnittlichen Flachperlstil sind flüchtiger gearbeitete Gemmen wie das Bild mit Hephaistos, der kniend mit Hammer und Stichel am Panzer für Achill arbeitet, während der große mit einem Gorgoneion geschmückte Schild schon fertig an der Seite steht (Abb. 543). Noch deutlicher, ohne Glättung der Übergänge nebeneinandergesetzt sind die Flachperlspuren bei einer Bärenkampfszene zu erkennen (Abb. 544). Ein auf einem Käfig kniender Mann hat die Tür geöffnet, hebt warnend die Hand; der Bär tappt auf den mit Schild und Schwert gerüsteten, mit Helm und Mantel bekleideten Kämpfer zu. Für Gemmen dieses rasch gearbeiteten, aber schwungvollen Flachperlstils ist eine Datierung in augusteische Zeit anzunehmen. Der Schwung, der selbst flüchtige Flachperlbilder bis in die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. durchzieht, verliert sich ab der Mitte des Jahrhunderts, die Figuren werden steifer. Man vergleiche den sein Pferd haltenden Dioskuren (Abb. 545) mit dem stehenden Mars (Abb. 546). Das Circusbild (Abb. 547) ist mit einer Reihe von Flachperlzeigern verschiedener Größen gearbeitet, deren Abstufung von einem großen Rädchen für die Spina bis zu kleinsten Rädchen für die zur Zählung der Runden dienenden, auf Gestellen angebrachten Ovaria und Delphine reicht. In der Mitte der Spina steht der Obelisk, den Augustus 10 v. Chr. aus Heliopolis herbeischaffen ließ (heute auf der Piazza del Popolo); im Vordergrund laufen vier von ihren Lenkern mit Stöcken angetriebene Quadrigen.

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Linearer Stil Der lineare Stil bevorzugt als Werkzeuge scharfkantige Rädchen (Natters scie, „Säge“ Abb. 969, 8) oder schmale Scheiben (Abb. 969,6- 7; 974e), deren Laufflächen schmale Rillen von gleichmäßiger Breite und in scharfem Zustand V-förmigem Querschnitt mit spitzen Enden bzw. eckig-U-förmigem Querschnitt mit geraden Enden hinterlassen. Die Enden der Schnitte bilden jeweils das Profil des Rädchens ab. Da man bei rascher Arbeit das häufige Nachschleifen der Zeigerköpfe vermied, sind die Spuren in der Regel aufgrund von Abnutzung im Querschnitt gerundet. Dieser Effekt war vermutlich erwünscht. Die seitlichen Schnittkanten bleiben gerade. Wichtiges Merkmal des Stiles ist, daß die Schnitte mit Vorliebe parallel nebeneinander gesetzt, Richtungsänderungen durch Winkel wiedergegeben werden. Lineare Stile liegen von der Technik des Gemmenschnittes her nahe, da sich mit den kleinen Scheiben keine fortlaufenden Kurven schneiden lassen. Hellenistische und italische Tendenzen dieser Art treffen in der römischen Glyptik des 1. Jahrhunderts v. Chr. zusammen. Eine Rückenbüste des Aesculap (Abb. 548), das Porträt einer Frau mit Nodusfrisur (Abb. 549) und eine Büste des Apollo (Abb. 550) zeigen verschiedene Qualitätsstufen des Stiles. Seine Anwendung bei einem mehrfigurigen Bild verdeutlicht der Kampf zweier Pygmäen, die mit Lanzen und Schilden gerüstet auf zwei flügelschlagende Kraniche eindringen; ein dritter Kranich liegt von einem Pfeil durchbohrt am Boden (Abb. 551).

Kalligraphischer Stil Der kalligraphische Stil ist eine raffinierte Verfeinerung des linearen Stils. Sein Merkmal sind schön geschwungene parallel geführte Linien. Die Gemmenschneider unterliegen hier nicht dem Zwang der großen Rädchen, mit denen sich Kurven nur aus mehreren geraden Schnitten zusammensetzen lassen, vielmehr erzeugen sie die parallelen Linien mit Rundperlzeigern und sehr kleinen Flachperlzeigern, die laufend geführt werden können. Auch der kalligraphische Stil hat sowohl italische wie hellenistische Wurzeln. Auf römischen Münzen läßt er sich seit dem späten 2. Jh. v. Chr. beobachten (z. B. Crawford 291/1, 306/1, 343/1a). Die Szene mit drei Männern, die einen am Boden liegenden Kopf umstehen, bezieht sich auf eine Legende aus der römischen Frühzeit (Abb. 552). Sie erzählte, beim Bau des capitolinischen Jupitertempels habe man ein menschliches Haupt (caput) gefunden, das von römischen und aus Etrurien herbeigerufenen Sehern als Prophezeiung der künftigen Größe Roms gedeutet worden sei. Man nannte den Fund „Haupt des Olus“, caput Oli, und leitete hieraus den Namen Capitolium ab. Der links stehende Mann in Himation oder republikanischer Toga (ohne Tunica) ist der Seher, der mit seinem Stab auf das Haupt zeigend das prodigium erklärt; die beiden rechts stehenden Männer hören mit vorgebeugten Köpfen aufmerksam zu; sie sind zugleich die beiden Zeugen, die nach römischem Sakralrecht ein Wunderzeichen bestätigen müssen. Eine Victoria mit Kranz und Palmzweig ist wahrscheinlich auf den endgültigen Sieg Caesars über die Pompeianer bei Thapsus (46 v. Chr.) zu beziehen. Auf der oben eingeschnittenen Tafel ist der Sieg aufgezeichnet zu denken. Globus und Szepter deuten Herrschaft über den Erdkreis an. Der Gegenstand hinter der Göttin ist rätselhaft: ein aus Platzmangel nicht fertiggestelltes Ruder? (Abb. 553). Ein Mädchen sitzt mit sinnend aufgestütztem Kopf im Schatten eines

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Baumes vor einem auf zweistufiger, girlandengeschmückter Basis stehenden Naiskos mit Priapstatuette (Abb. 554). Das Bildmotiv ist abgeleitet vom Typus der um das Schicksal Troias trauernden Kassandra, hier jedoch in die private Sphäre versetzt. Die stehende Fortuna mit Füllhorn und Steuerruder ist ein schönes, frühes Beispiel des während der ganzen Kaiserzeit beliebten Motivs (Abb. 555). Die Attribute bezeichnen sie als Spenderin von Glück und Lenkerin der Geschicke.

Klassizistischer Stil Der klassizistische Stil wird von den seit dem 2. Viertel des 1. Jahrhunderts v. Chr. in Rom arbeitenden griechischen Gemmenschneidern entwickelt (s. o. XIII B). Für die Technik der Gemmen bester Qualität ist kennzeichnend, daß die zunächst eingetieften Grundformen mit immer feineren Instrumenten ausgearbeitet und Übergänge ausgeglichen werden, bis ein nuancenreiches negatives Relief entstanden ist. Werkzeugspuren sind dann nur mehr da zu sehen, wo sie der gewünschten Form entsprechen. Beliebt sind Motive aus dem Kreis des Bacchus. So der mit zurückgeworfenem Kopf tanzende Satyr, der Kantharos und Thyrsos in den weit ausgebreiteten Armen hält, dessen heftige Bewegung von dem flatternden Raubtierfell auf seinem Arm verstärkt wird (Abb. 556). Eine in mehreren Wiederholungen bekannte Büste einer Mänade variiert das Motiv des dionysisch- ekstatischen Tanzes (Abb. 557). Die Gefährtin des Bacchus hat sie den Kopf in den Nacken geworfen, den Mund geöffnet; ein Teil der Haare hat sich aus dem Knoten gelöst, der Chiton ist bis unter die Brust herabgeglitten; ein kleiner bebänderter Thyrsos liegt über der Schulter. Zum Schwarm des Bacchus gehört auch der kahlköpfige, behäbige alte Silen, der seine Freude weniger heftig äußert als dessen junge Mitglieder (Abb. 558). Er sitzt in Vorderansicht auf einem Felsstück, hält die beiden Teile einer Doppelflöte in Händen, trommelt auf seine Brust und schlägt mit dem rechten Fuß den Takt dazu. Am Boden liegen links ein Kästchen (für die Mundstücke der Flöten?), rechts das Flötenfutteral. In einen hellblauen Chalcedon, der hier in achtfacher Vergrößerung wiedergegeben wird, ist der Mythos von Actaeon und Diana eingeschnitten (Abb. 559). Die in reizvoller Rückansicht gegebene Diana hat ihre Kleider, Bogen und Köcher abgelegt und eine große Kanne unter den Wasserlauf einer Quelle gestellt. Die Quelle ist ihr heilig, wie am Fels angebrachte Weihgeschenke, eine Mondsichel und ein Hirschgeweih zeigen. Aufblickend sieht die Göttin den über den Felsrand spähenden Actaeon und bedeckt erschrocken ihre Scham. Actaeon trägt ein Hirschfell mit Geweih auf dem Kopf, dessen Beine vor der Brust geknotet sind. Der Intaglio scheint eine Version der Sage zu erzählen, in der Actaeon das Hirschfell zur Tarnung verwendet, das ihm nach dem Willen der gekränkten Diana zum Verhängnis werden wird. Die Göttin bewirkt, daß seine Hunde ihn für einen Hirsch halten und zerreißen. Trotz der teilweise bestoßenen Schnittkanten ist die hohe Qualität des Bildes der anmutig im Damensitz auf dem Hundsstern (canicula) reitenden Hore des Sommers evident (Abb. 560). Sie stützt die Rechte auf den Hunderücken, hält in der Linken die Sichel, ihr auf die Getreideernte verweisendes Attribut. Der struppige Hund hebt bellend den Kopf, wedelt mit dem Schwanz. Die dunkelrote Farbe des Karneols ist passend zur Farbe des Siriussterns gewählt, der die Sommerhitze ankündigt. Der in einen schönen Amethyst geschnittene Diskobol kopiert wohl eine griechische Statue des 4. Jahrhunderts v. Chr. (Abb. 561). Die Binde, die

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der Sportler auf Repliken des Motivs in der erhobenen Hand hält, zeigt, daß er als Sieger nach dem Wettkampf dargestellt ist. Das Bild einer Heuschrecke auf einem Weinblatt, über dem ein kleiner Schmetterling schwebt, ist mit sehr feinen Zeigern flach eingetieft (Abb. 562).

Klassizistisch-linearer Stil „Klassizistisch-linearer Stil“ ist eine Kurzbezeichnung für einen Gemmenstil, bei dem die Grundformen dem klassizistischen Ideal entsprechen, die Ausführung jedoch vereinfacht oder nicht bis zur Glättung aller Übergänge durchgeführt ist, bei dem Haar und Gewänder oft lineare Elemente aufweisen. Kurz: es ist ein klassizistischer Stil in handwerklicher Ausführung. Im 1. Jahrhundert v. Chr. und dem frühen 1. Jahrhundert n. Chr. verleiht gerade eine gewisse Skizzenhaftigkeit solchen Gemmen hohen Reiz. Die iulische Venus streichelt den Adler Iupiters, dermitausgebreitetenSchwingenaufeinem Globus und einemFelsen steht(Abb. 563).DasBild sagt aus, daß die iulische Venus und der Adler Jupiters den Erdkreis beherrschen und beschützen. Mit wenigen Schnitten sind die unterschiedlichen Körperformen des dicken Papposilen und des muskulösen Kentauren gezeichnet; je ihrer Natur gemäß schwingen sie einen Thyrsos und einen Baumast (Abb. 564). Fünf Mädchen haben sich an den Händen gefaßt, tanzen abwechselnd nach innen und nach außen gewandt auf einer kreisförmigen Bodenlinie; Haare und Säume der kurzen Chitone fliegen im Schwung der Bewegung (Abb. 565). Man könnte erwägen, ob tanzende Nymphen gemeint sind. Der exakt gezogene Kreis, der den Tanzraum vorgibt, spricht jedoch eher für menschliche Mädchen bei einem Fest. Im 1. Jh. n. Chr. bildet sich eine elegante Routine in dieser Stilrichtung aus. Figuren wie der Apollo (Abb. 566) stehen am Anfang einer im Laufe der späteren Kaiserzeit weitergeführten und weiter vereinfachten Reihe. Das Bild zeigt die seltene Darstellung des kniefällig um Gnade bittenden Marsyas vor Apollo, der in statuarischer Haltung mit dem linken Arm lässig auf seine Leier gelehnt steht; die Leier steht auf einer Säule, um die sich Apollos Schlange windet. Hinter Marsyas wächst ein Baum, an dem seine Flöten lehnen. Apollo hält in der Rechten das Plektron zum Schlagen der Saiten. Das Bild schmückt die Rückseite eines ebensolchen Plektron in Form eines Akanthosgewächses; es war nicht zum Abdrücken bestimmt, ist daher seitenrichtig. Singulär ist die Darstellung des mit der Leier in der Linken, in der Krone eines Baumes sitzenden Apollo. Es ist wohl die Erscheinung des Gottes in seinem heiligen Lorbeerbaum gemeint (Abb. 567). Ein Ehepaar, das sich die Hände reicht und zugleich zwei Ähren als Symbol der Fruchtbarkeit hält, verdeutlicht diesen Stil an zwei stehenden Gewandfiguren (Abb. 568). Die sorgfältige Zeichnung der Köpfe und Gewandfalten ist von guter Qualität. Die Frau trägt eine flavische Frisur. Ringe mit solchen Gemmen sind wohl Hochzeitsgeschenke, sei es, daß das Kaiserpaar Domitius und Domitia selbst als Vorbild gemeint ist, sei es daß das jeweilige Paar sich in einem solchen Bild dargestellt sah.

Archaisierender Stil Archaisiernde Darstellung kommt sowohl in der italischen wie der späthellenistischen Glyptik vor und setzt sich, aus beiden Quellen gespeist, im 1. Jh. v. Chr. fort. Rundschild und Lanze schwingend schreitet Mars im Tanzschritt auf Zehenspitzen dahin. Der archaisierende Stil der Proportionen, des Schwalbenschwanzzipfels des Mantels und der rahmenden Punktkette sind

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bewußt gewählt, handelt es sich doch um den Gott der Bruderschaft der Salier (Tänzer oder Springer), die zu seinen Ehren in feierlicher Prozession tanzten, dabei auf alte, heilige Schilde schlugen und ein Lied sangen, dessenText schon in der späten Republik nicht mehr verständlich war (Abb. 569). Der Stil eignet sich besonders gut für die Darstellung alt-ehrwürdiger Götter. Die Gestalt eines stehenden, auf seinen Dreizack gestützten Neptun orientiert sich an Vorbildern des strengen Stils, vermeidet jedoch bewußt das Motiv des klassischen Kontraposts durch gleichmäßige Belastung der Beine; die beabsichtigte altertümliche Steifheit wird unterstrichen durch den von Armbeuge zu Armbeuge hinter den Beinen ausgebreiteten Mantel (Abb. 570). Die archaistische Frisur des Neptun mit Schläfenrolle und Nackenknoten läßt sich vergleichen mit einem Hermenkopf des Jupiter im Lorbeerkranz (Abb. 571). Eine ähnliche Hermenbüste des Jupiter findet sich auf Denaren, die 49 v. Chr. für Pompeius geprägt wurden. Eine archaistische Darstellung in feinem Rundperlstil ist das von ebenfalls archaisierendem Strichrand gerahmte Bild eines Bacchuspriesters und Auguren, der den Thyrsos schultert und in der vorgestreckten Hand eine kleine Kanne und den lituus hält (Abb. 572). Die zierliche griechische Inschrift bedeutet „trinke zu und spende“. Bei der in Nicolo geschnittenen mit Lanze und Schild voranstürmenden, von ihrer Schlange begleiteten Minerva liegt die archaistische Note in der starken Überlängung der Figur (Abb. 573). Die in Vorderansicht wiedergegebene, zierlich den Gewandzipfel emporziehende und eine Blüte haltende Göttin der Hoffnung gibt wahrscheinlich die archaische Kultstatue der Spes vetus vom Esquilin wieder (Abb. 574).

3. Themen Götter, Menschen, Tiere Sachen Die Themen der Gemmenbilder sind, wie ein Blick auf das Vorangegangene lehrt, sehr vielfältig in den Motiven und einfallsreich in der Ausführung. Eine besondere Motivgruppe sind Gemmen und Glasgemmen mit historischen, panegyrischen oder propagandistischen Themen (s. o. S. 129–131). Die meisten Gemmen aber sind ganz unpolitisch. Positive, heitere Motive überwiegen, die düsteren Bilder der etruskisierenden Gemmen sind verschwunden. Unter den Göttern sind Venus (Abb. 536, 537, 563) und Bacchus (Abb. 533, 540, 556–558, 564, 572) mit ihren Trabanten besonders beliebt. Dank der vereinten Macht beider Götter kann Amor mit dem dionysischen Thyrsos ein normalerweise unvereinbares Gespann aus einem Löwen und einem Ziegenbock lenken (Abb. 575). Gemmen waren oft Liebesgeschenke und Bilder vom fröhlichen Schwarm des Bacchus erzeugten eine heitere Stimmung. Aber auch die übrigen Götter des Pantheon fehlen nicht (Abb. 522, 526, 543, 548, 550, 553, 555, 559, 566, 567, 569–571, 573, 574). Ein 3.10 cm hoher Schmuckstein aus sehr klarem, tief-orangerotem Karneol zeigt uns Athena in einer bestimmten mythischen Situation (Abb. 576). Bei der Abstimmung des athenischen Areopags über Orest legt sie ihren Stimmstein in einen auf einem Tisch stehenden Krater. Ihre Stimme entscheidet zugunsten des Agamemnonsohnes, der in tragischem Konflikt seine Mutter getötet hatte, um die Ermordung seines Vater zu rächen. Das Bild kopiert (im Abdruck seitenrichtig) die Hauptfigur einer größeren Darstellung (s. u. Abb. 665). Nach

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der Eroberung Ägyptens gewinnen die ägyptischen Götter Serapis, Isis und Horus an Bedeutung. Eine stehende Isis trägt die Krone aus Federn und Kuhhörnern, hält den Eimer mit heiligem Nilwasser in der gesenkten, das Sistrum, die für ihren Kult typisch schrille Metallklapper, in der erhobenen Hand (Abb. 577). Bilder griechischer Mythen (Abb. 529, 551, 559, 566), oft mit homerischen Themen (Abb. 534, 535), und römischer Legenden (Abb. 552), besonders jener von Aeneas und Romulus (Abb. 527, 528) sind gleichermaßen häufig. Der beliebteste unter den Heroen ist Hercules; er wird nicht nur als Vorbild an Stärke, Mut und Ausdauer verehrt, sondern auch mit dem einzigen Gegner gezeigt, dem er sich geschlagen geben mußte: Amor, der ihm die Arme auf dem Rücken bindet (Abb. 578). Unter den Themen aus dem Leben der Menschen überwiegen solche mit Bezug auf festliche Ereignisse wie Hochzeit (Abb. 568), Kultfeste (Abb. 525), Theater (Abb. 532, 539, 541), Spiele im Circus (Abb. 547) und im Amphitheater (Abb. 538, 545) oder auf Freizeitbeschäftigungen wie Sport (Abb. 561) und Jagd (Abb. 530). Bilder von Hirten (Abb. 579), Bauern (Abb. 523, 531), Fischern (Abb. 542), Handwerkern und ländlichen Opfern an Priap (Abb. 554) wurden sicher gern von Stadtrömern getragen, die sich auf diese Weise, ähnlich wie mit den Wandgemälden ihrer Häuser, ein Stück idyllisches Landleben in die Hektik ihres Alltags holten. Die Statuette des Priap steht in freier Natur, meist auf einer Säule oder, wie hier (Abb. 580) in einem Naiskos. Eine Frau opfert einen Hahn, ein Mädchen assistiert ihr. Die in den Opferszenen meist nur skizzierte Statuette des Fruchtbarkeitsgottes erscheint als Einzelbild auf einem Achat in Florenz (Abb. 581). Die archaistische ithyphallische Herme steht auf einer girlandengeschmückten Rundbasis: der bärtige Gott trägt einen Polos, hält einen Thyrsos als Zeichen seiner Nähe zum bacchischen Kreis. Am Fuß der Herme sind als Weihgeschenke ein Beutel und ein Pedum niedergelegt. Alle genannten Themen können auch durch einzelne Gegenstände repräsentiert werden. Die gegenständig verdoppelten Masken einer schönen Hetäre und des kahlköpfigen Kochs verweisen durch die beigefügte Inschrift auf eine Komödie mit dem Titel „Helena“ (Abb. 582). Die Verdoppelung läßt bei Drehung der Gemme stets eine Maskenpaar richtig, eines auf dem Kopf stehen. Ein Sistrum erinnert an ein Fest im Kult der Isis (Abb. 583). Typische Gemmenmotive, die in anderen Gattungen selten vorkommen, sind Bilder von Zwergen, Mäusen, Grillen und Heuschrecken, die wie Menschen agieren, oderTiere im Schneckenhaus. Diese Themen entstammen volkstümlichen Märchen. Ein Esel mit Glockenhalsband fährt in einem Schneckenhaus mit einer Heuschrecke als Wagenlenker über gestricheltes Gelände. Ein Skorpion stellt sich dem Gespann in den Weg, wird seinerseits von einer Schlange bedroht (Abb. 584). Eine Grille spielt, vor einer Sonnenuhr stehend, die phrygische Flöte mit einem gebogenen, einem geraden Rohr (Abb. 585). Fabeltiere und Tiere, wilde und zahme, vom Löwen bis zum Insekt (Abb. 562) sind geschätzte Bilder. Eine liegende und eine stehende Kuh evozieren wieder das idyllische Landleben (Abb. 586). Die Tiergruppe mit Hahn scheint eine Geschichte zu erzählen: vielleicht wird ein Biß der Krabbe die Heuschrecke vor dem Schnabel des Hahns retten (Abb. 587). Tierkreiszeichen darf man auf das Horoskop der Gemmenbesitzer beziehen. Ohne Kenntnis ihrer Voraussetzungen sind Horoskope jedoch schwer zu deuten, insbesondere, wenn es sich, wie hier um ein zweiseitiges Amulett augusteischer Zeit mit sechs Tierkreiszeichen in je drei Feldern handelt (Abb. 588a, b). Fünf von ihnen können mit der augusteischen Gedankenwelt bzw. dem iulisch-

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claudischen Haus verbunden werden. Zunächst der Capricorn als das Hauptsternzeichen des Augustus (s. S. 147, 151). Weiter im Uhrzeigersinn erscheint im nächsten Feld das Sternbild der Jungfrau (virgo). Sie hält ein Szepter und Ähren als Zeichen ihres hellsten Sternes, der Ähre (spica). Die sybillinischen Orakel hatten die Rückkehr der mit Dike (Gerechtigkeit) gleichgesetzten Jungfrau in der neuen goldenen Zeit vorhergesagt. Der Stier ist das Zeichen des April, der unter dem Schutz der Venus, der Ahnherrin der Julier steht. Die Waage, das auf die Jungfrau folgende Tierkreiszeichen, ist das Sternbild der Geburt des Augustus, am 23. September 63 v. Chr. (Sueton, Augustus 5,1; 94,12). Im Zeichen des Skorpion, der im nächsten Feld folgt, war Tiberius geboren (16. November 42 v. Chr.). Nur die Fische lassen sich nach unserer Kenntnis nicht in diese Bezüge einordnen. So ist auch mit der Möglichkeit zu rechnen, daß es sich um ein privates Horoskop handelt, das zum Glück des Besitzers mehrere augusteische Sternbilder enthielt. Kopfkombinationen sind Motive, die speziell in der Glyptik zuhause sind, nur beim Drehen der kleinen Bilder in der Hand entfaltet sich der Zauber dieser spielerischen Vexierbilder. Beim abgebildeten Beispiel bilden zwei gegenständige Silensmasken den Helm eines Minervakopfes, ihre Bärte sind Minervas Haar, eine weitere Maske schließt den Hals ab (Abb. 589). Ähnlich gattungstypisch sind aus disparaten Teilen zusammengesetzte Phantasievögel. Ein schreitender Adler mit Hahnenbeinen trägt einen Kranz im Schnabel. Die Brust ist eine Silensmaske, der Hinterleib ein Widderkopf. Ein Caduceus über dem Widderkopf, ein Vögelchen vor, eine Ähre hinter den Hahnenbeinen vervollständigen das Bild (Abb. 590). Seine Deutung ist recht einfach. Der Adler mit Kranz verspricht Siege, die Silensmaske frohe Feste; Widderkopf und Ähre stehen für Fleisch und Brot in Fülle, der Caduceus für geschäftlichen Erfolg. Das Vögelchen kann Haus- oder Jagdtier sein. Hartnäckig hält sich für Kombinationen wie Abb. 589 und 590 die Bezeichnung „Grylloi“; sie ist jedoch falsch. Nach Plinius 35,114 malte der Maler Antiphilos einen Mann namens „Gryllos“ mit lächerlichem Aussehen, wonach Bilder dieser Art „grylli“ genannt wurden; „grylloi“ (gr.) oder „grylli“ (lat.) sind also Karikaturen (s. Furtwängler, AG III 353; W. Binsfeld, Grylloi [1956] 27–30). Der Irrtum kam durch Verwechslung mit italienisch grilli, Grillen, skurrile Einfälle, zustande. Bilder von Phantasievögeln gehören zu den zahlreichen Gemmen mit Glückssymbolen. Das Glückssymbol schlechthin ist das Füllhorn. Hier steht es mit Trauben behangen in der Mitte des Bildes, Ähren und Mohn, Zeichen reicher Ernte umgeben sein Tierkopfende (Abb. 591). Auf dem Rand des Füllhorns steht ein Papagei, der sprechende Vogel aus Indien, den man sich als luxuriöses Haustier hielt; er hält einen Palmzweig und eine Wollbinde im Schnabel; der Palmzweig soll wohl den Sieg der favorisierten Mannschaft im Pferderennen garantieren, die Wollbinde erinnert an Opferfeste. Steuerruder und Globus symbolisieren Wohlfahrt zu Land und See; das Motiv ist aus der politischen in die private Sphäre übertragen. Ruhige See verheißt der Delphin rechts, Wohlstand der gefüllte Geldbeutel links; der Schmetterling als Verkörperung der Psyche, der Geliebten des Amor, verkörpert die Welt der Liebe (griech. ψυχή heißt Seele und Schmetterling).

Berufsbezogene Bilder Gemmenbilder, die sich auf den Beruf des Besitzers beziehen, sind überraschenderweise selten. Gaius Precilius Fuscus, auf dessen Siegel eine Ziehfeder, ein Tintenfaß zwischen zwei

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Federbüchsen und ein Zirkel dargestellt sind, war offenbar jemand, der mit technischem Zeichnen zu tun hatte, vielleicht ein Architekt (Abb. 592). Zwei Gemmen, die einen Arzt bei der Behandlung eines Patienten zeigen, dürften Siegel von Ärzten sein. Auf einem Sard in London tastet der sitzende Arzt den Bauch eines vor ihm stehenden Knaben ab; rechts steht, auf den schlangenumwundenen Stab gestützt, sein Schutzgott Aesculap (Abb. 593). Der Arzt im griechischen Hüftmantel stellt vielleicht Hippokrates selbst dar. Der Arzt auf einem Nicolo in Wien, der die übliche griechische Bürgertracht, Chiton und Himation, trägt, dürfte dagegen einen Zeitgenossen, vielleicht den Besitzer des Siegels darstellen (Abb. 594). Er betupft die Stirn eines mit bittend ausgestreckten Händen vor ihm stehenden Patienten mit einem Stoffbausch oder Schwamm. Der Patient in kurzer Tunica ist seiner Tracht nach ein Bauer oder Handwerker; hinter ihm steht ein Hahn, das heilige Tier des Aesculap. Ein Sard mit dem Bild einer thronenden, eine tragische Maske haltenden Minerva im kalligraphischen Stil gehörte nach Ausweis der Inschrift, Herophili Opobalsamum („Augensalbe des Herophilos“), einem Hersteller von Augensalben, der seine Produkte damit siegelte (Abb. 595). „Herophilos“ ist wohl nicht der Name des Besitzers, sondern jener des berühmten Arztes Herophilos von Chalcedon, der im 3. Jahrhundert v. Chr. in Alexandria arbeitete und auch eine Schrift über die Augen verfaßt hat. Die Maske in der Hand der Minerva ist ungewöhnlich; sie weist darauf hin, daß die vielseitige römische Minerva gemeint ist, die in ihrem Haupttempel am Aventin nicht nur von Künstlern und Handwerkern, sondern auch von Ärzten, Dichtern und Schauspielern verehrt wurde, wie Ovid bei der Beschreibung des jährlichen Festes am 19. März schildert (Ovid, fast. 3,809–850). Speziell als Schützerin der Ärzte hatte Minerva medica ein Heiligtum auf dem Esquilin. Der Abguß einer verschollenen Gemme zeigt einen hinter seinem Tisch sitzenden Geldwechsler (argentarius); auf dem Tisch liegen mehrere Münzen. Rechts hängt ein Geldschränkchen an der Wand, seine Türen sind geöffnet und geben den Blick auf mehrere Fächer frei (Abb. 596). Als Besitzer der seltenen Darstellung, die sicher eine Auftragsarbeit war, darf man sich wohl einen der Argentarii vorstellen, deren Läden sich auf dem Forum befanden. Eine besondere Attraktion im Amphitheater war die Begleitung der Spiele auf der Wasserorgel. Ihre Erfindung wird dem Mechaniker Ktesibios zugeschrieben, der am Hofe Ptolemaios’ II. (283–246 v. Chr.) lebte. Auf dem Gemmenbild sehen wir den Orgelspieler in leichter Vogelperspektive hinter seinem Instrument stehen (Abb. 597). Die Orgel sitzt auf einer Basis; sie umschließt den in einem Wasserbecken stehenden Druckbehälter. Zwei Männer bedienen die beiden Luftpumpen. Rechts stehen die Anfangsbuchstaben des Besitzernamens: Vorname, Familienname und zwei Beinamen; nur der Vorname, Aulus, läßt sich auflösen. Der Besitzer der Gemme war also Freier oder Freigelassener. Die Darstellung ist als Gemmenbild singulär. Der Auftraggeber war offenbar an einer genauen Darstellung des Instruments interessiert; wir dürfen vermuten, daß er ein engeres Verhältnis dazu hatte als das eines bloßen Musikliebhabers, daß er also Orgelbauer oder Orgelspieler war.

Porträts Wie schon im Abschnitt „Römerporträts griechischer Gemmenschneider“ deutlich wurde, sind Porträts ein Lieblingsgegenstand der Gemmen. Man trug solche von berühmten Männern der Vergangenheit und der Gegenwart, die man verehrte. Vorbilder waren etwa Sokrates mit seinem

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

milden, einem alten Silen ähnlichen Gesicht als Philosoph (Abb. 598) oder Demosthenes als Redner (Abb. 466). Unter dem Halsabschnitt seines Porträts auf einem Amethyst in Wien befindet sich eine neupunische Inschrift (Abb. 599). Eine mögliche Lesung ist „Naso“, ein römischer Beiname; es mag sein, daß ein in Nordafrika lebender Römer seinen Namen in der Landesschrift in sein Siegel schneiden ließ. Aber Privatleute, Männer wie Frauen, ließen auch ihr eigenes Porträt schneiden, sei es, daß sie selbst damit siegelten, sei es, daß sie es einer geliebten Person zum Geschenk machten. Die Beispiele zeigen zwei Porträts von Römerinnen mit republikanischer Nodusfrisur und über den Kopf gelegtem Mantel (Abb. 600) bzw. mit der flavischen Frisur, die durch den hohem Stirnbausch und großen Zopfknoten gekennzeichnet ist (Abb. 601) sowie das Bildnis eines kleinen Mädchens augusteischer Zeit (Abb. 602). Die genannten Themen kommen in allen Stilarten vor. Allerdings lassen sich einige Schwerpunkte erkennen: Die Meister des klassizistischen Stils bevorzugen „hohe“ Themen wie Götter und Heroen, Kopien griechischer Bildwerke, Herrscherpanegyrik und Porträts. Römische Sagen, wie die von Aeneas, Romulus oder Rea Silvia (s. o. S. 134 u. S. 173) werden oft im Rundperlstil dargestellt, der als alt-römisch empfunden wird. Der archaistische Stil wird gern für die Darstellung ehrwürdiger Götter verwendet.

4. Werkstätten Ein Zentrum der Gemmenproduktion war Aquileia. Die dortigen, von Gemma Sena Chiesa erforschten Werkstätten begannen wahrscheinlich bald nach der Gründung der Stadt im Jahre 181 v. Chr. zu arbeiten, sie lassen sich bis an das Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. verfolgen. Es wurden insgesamt ca. 7000 Gemmen gefunden. Der Katalog beschreibt 1569 antike Gemmen (Sena Chiesa, Aquileia 1966); die übrigen Gemmen, darunter die Porträts, sind erst teilweise publiziert (Sena Chiesa, Modello romano 15 Anm. 1). Aus Aquileia stammen auch zahlreiche Gemmen in Udine (Tomaselli, Udine 1993) und einige in Wien. Ein wichtiger Grund für das Blühen der Werkstätten von Aquileia dürfte der Umstand gewesen sein, daß das Rohmaterial für die Gemmen, auf dem Seeweg direkt importiert werden konnte. Karneol kam vielleicht auch aus den Alpen. Gemmen aus Aquileier Werkstätten finden sich nicht nur in nahegelegenen Orten, wurden vielmehr weithin exportiert: in das Gebiet der heutigen Schweiz, Österreichs und Ungarns, nach Gallien, Germanien und Britannien, ja sogar in Gegenden mit eigener glyptischer Produktion wie Campanien und Ägypten. Was handwerkliche Werkstätten in Rom angeht, sind wir vorerst auf Vermutungen angewiesen. Daß solche neben den Werkstätten der großen Meister dort arbeiteten, ist anzunehmen. Werkstätten, in denen italische Stile, wie der Rundperlstil oder der römischkampanische Stil weiterleben, dürften hier gearbeitet haben. Hierüber müßten die zum großen Teil noch unpublizierten Bestände der römischen Museen Auskunft geben. Die überwiegend in Rom erworbenen Gemmen der Sammlungen Bergau und Dressel (Weiß 1996, Dressel) können, unter dem Vorbehalt, daß es sich nicht um Fundgemmen im strengen Sinne handelt, hier angeschlossen werden. Vielleicht wurden die kleinen konvexen Gemmen aus grünem Plasma, die in Aquileia eine etwas isolierte Gruppe darstellen, in Rom hergestellt (Abb. 601, Abb. 836). Drei vermeintliche Gemmenschneider-Werkstätten

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in den Vesuvstädten sind bei näherer Betrachtung als Juwelierläden zu bezeichnen. Pinarius Cerialis, in dessen Haus in Pompeji (Regio III, insula 4, 4) 30 Gemmen gefunden wurden, war sicher Juwelier, jedoch schwerlich Gemmenschneider. Es handelt sich um 21 SteinIntaglien, einen Sardonyx-Kameo, drei Glas-Intaglien und 5 Glas-Kameen. Die Gemmen datieren aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. bis in zeitgenössische, flavische, Zeit. Nur zwei der Gemmen lassen sich der gleichen Hand zuweisen. Die Glaskameen und -intaglien sind natürlich keine Gemmenschneiderarbeit (s.u. XXIV A). Die im gleichen Haus gefundenen Messer und Stichel sind kein Gemmenschneiderwerkzeug und die rund 80 ungeschnittenen Steine des Fundes konnten als Blanko-Steine verwendet werden. Im Jahre 1986 wurden in einem Haus an der Via di Nocera im Südwesten von Pompeji (Regio II, insula 9, 2) zwei Kasetten mit zwei Kameen, neun Intaglien und zwei ungeschnittenen Steinen gefunden. Ferner fand sich ein (unpubliziertes) Utensil, das als Gemmenhalter (portapietre) gedeutet wurde, also wohl ein Holzgriff. Nach diesem Fund erhielt das Haus die Bezeichnung „casa del Gemmario“ und wurde als Werkstatt eines Gemmenschneiders interpretiert. Auch hier sind die Gemmen nach Zeit und Stil uneinheitlich: Soweit die Abbildungen ein Urteil zulassen, sind späthellenistischer Stil, republikanischer Rundperlstil, augusteischer klassizistischer Stil und Stil des 1. Jahrhunderts n. Chr. vertreten. Die Entstehungszeit der 17 Gemmen aus der „casa del Gemmario“ (früher „della ricamatrice“) in Herculaneum (insula orientalis II 10) reicht vom 2. Jahrhundert v. bis in die 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Es sind 13 Stein-Intaglien, zwei Stein-Kameen, drei Glas-Intaglien und ein Glas-Kameo. Bei den zwei nicht genau bezeichneten, von Maiuri als unfertig angesehenen Gemmen handelt es sich wahrscheinlich um solche in sehr flüchtigem bzw. grobem Flachperlstil wie Pannuti I 1983 Nr. 75 und 90. Lediglich die beiden flüchtigen Fortunen Nr. 75 und 83 könnten möglicherweise von gleicher Hand geschnitten sein. In diesem Haus wurden auch kleine Anhänger aus Bergkristall und verschieden geformte Kettenglieder gefunden. Der ebenfalls dort gefundene Stichel und die beiden Scheren waren kein Gemmenschneiderwerkzeug. All dies spricht für einen Juwelierladen. Daß in Ägypten auch in nachptolemäischer Zeit Gemmenwerkstätten existierten, ist von vornherein wahrscheinlich. Für einige Gemmen und Gemmengruppen ließ sich die Herstellung in Alexandria wahrscheinlich machen. In Ägypten, wahrscheinlich Alexandria, sind die Werkstätten der magischen Gemmen zu lokalisieren, die vom 1. Jahrhundert v. Chr. an, vor allem im 2. und 3. Jahrhundert und bis in das 5. Jahrhundert n. Chr. arbeiteten (s. u. XVII). Durch Handel oder Reisende fanden die magischen Gemmen weite Verbreitung. Als Gesamteindruck ergibt sich jedoch, daß die Werkstätten an wenigen Zentren konzentriert waren. Dieser Eindruck wird bestätigt durch die Tatsache, daß auch an Orten mit reichen Gemmenfunden wie Luni, Xanten oder Carnuntum keine lokale Produktion nachgewiesen werden konnte. Günther Dembski (Carnuntum 2005, 27) vermutet zwar, daß es Gemmenschneider waren, die im Jahre 260 n. Chr. in Carnuntum für den Usurpator Regalianus Münzstempel gravierten; es gibt jedoch keine Carnuntiner Fundgemmen, die sich ihrer Hand zuweisen ließen. Von den Zentren aus wurden die leicht transportierbaren Gemmen exportiert. Ob nicht nur die Gemmen, sondern auch die Gemmenschneider wanderten, ist auf der Ebene der Handwerker schwer nachweisbar. Das Beispiel der nach Etrurien ausgewanderten griechischen Gemmenschneider der spätarchaischen Zeit und das

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XIV.GEMMEN KAMEEN,DER RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE XIII. RÖMISCHE SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

der aus dem griechischen Mittelmeerraum nach Rom übersiedelten signierenden Meister der späten Republik zeigt, daß Gemmenschneider mit ihrer leicht transportablen Werkbank unschwer den Ort wechseln konnten. Es ist daher theoretisch möglich, daß ein in Italien ausgebildeter Handwerker auswanderte und seine Werkstatt anderswo aufschlug. Die Gemmen aus dem Fund von Bath aus der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. stimmen stilistisch mit solchen in Aquileia überein. M. Henig nimmt an, daß sie entweder aus Aquileia importiert oder von einem in Aquileia ausgebildeten Gemmenschneider in England geschnitten wurden. Diese Gemmen stammen jedoch kaum von einer Hand, lassen sich vielmehr mit Aquileier Gemmen aus verschiedenen Werkstätten vergleichen; es bleibt also die Annahme des Imports wahrscheinlicher. Glasgemmen sind ein Sonderfall: Ihre Herstellung erfordert keine Kenntnis des Gemmenschneidens. Werkstätten sind in der späten Republik und frühen Kaiserzeit bisher nicht sicher nachgewiesen. Eine in der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. arbeitende Werkstatt kann im Rheinland lokalisiert werden (s. u. S. 196f.).

XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE DER IULISCH-CLAUDISCHEN ZEIT A. KAISERKAMEEN, JULISCH-CLAUDISCHE PORTRÄTS Die von Hans Möbius in seiner Studie „Zweck und Typen der römischen Kaiserkameen“ gewählte Benennung kennzeichnet treffend eine Reihe von Kameen, die sich meist schon durch Größe und Qualität auszeichnen und durch ihre Themen eng mit dem Kaiserhaus verbunden sind. Aus inneren Gründen ergibt sich, daß sie als Auftragsarbeiten, sei es aus dem Kreis des Hofes, sei es für diesen entstanden. Es ist anzunehmen, daß die großen Kaiserkameen als Prunk- und Schaustücke in der kaiserlichen Schatzkammer aufbewahrt wurden, wo sie den Angehörigen des Hofes, nicht jedoch einem größeren Kreis von Betrachtern zugänglich waren. Wahrscheinlich waren sie in irgendeiner Weise, vermutlich in Edelmetall, gefaßt; hiervon hat sich jedoch nichts erhalten. Dem hofinternen Charakter der Kaiserkameen entspricht ihre hohe, poetische Sprache, die keineswegs, wie etwa Münzbilder, jedermann verständlich sein mußte, die vielmehr auf einen Personenkreis zielte, der mit den Motiven künstlerischer Herrscherpanegyrik und dem jeweiligen Anlaß der Schöpfung bestens vertraut war. Neben Kameen von großem und mittlerem Format mit panegyrischem Inhalt und großformatigen Porträts, die als „Kaiserkameen“ im engeren Sinne bezeichnet werden, gibt es kleinere Kameen mit ähnlichen Inhalten, die offenbar ebenfalls eng mit dem Kaiserhaus zu verbinden sind. Große und kleine „Kaiserkameen“ wurden gelegentlich in Glas abgedrückt und vermutlich als Ehrengaben verschenkt. So der kleine, von einem Intaglio abgeformte Kameo mit Augustus und Livia (Abb. 613)

A. KAISERKAMEEN, JULISCH-CLAUDISCHE PORTRÄTS

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und der große Kameo des Herophilos (Abb. 471), die beide aus türkisfarbenem Glas mit Goldblattauflage bestehen. Kleinere Kameen dieser Art waren schwerlich nur Schaustücke, wurden wohl von Mitgliedern der kaiserlichen Familie oder ihr nahestehenden Personen als Schmuckstücke getragen.

1. Der Actium-Kameo und Capricornkameen Ein querovaler 6 x 6.6 cm großer Kameo in Wien vereint die Erinnerung an den Sieg von Actium mit dem Hinweis auf die Ehrungen des Augustus im Januar 27 v. Chr. (Abb. 603). Seine Figuren sind dem Betrachter frontal zugewandt. Alle Köpfe wurden in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts ergänzt. Während Octavian auf den zuvor besprochenen Intagli (Abb. 503, 505) nach griechischer Weise in göttlicher Nacktheit dargestellt war, steht er hier mit der Toga bekleidet als römischer Triumphator im Wagen, doch die Fahrt übers Meer erhebt ihn über die menschliche Sphäre. Er hält in der leicht angehobenen Rechten nach triumphalem Brauch einen Lorbeerzweig, der linke Unterarm war erhoben, er ist mit dem Attribut verloren. Ein großer Eichenkranz schmückt den Wagenkasten. Zwei Tritonen ziehen den Wagen an quer über die Brust gelegten Bändern, mit erhobenen Händen weisen sie auf den Triumphator hin, in der jeweils äußeren Hand halten sie ein Muschelhorn und einen Delphin. Zwei weitere Tritonen begleiten wie die Beipferde eines Viergespanns ihre Gefährten. Mit der jeweils linken Hand halten sie augusteische Symbole empor. Beim linken Triton ist es eine heraldische Komposition aus gegenständigen Capricornprotomen über einem Globus, die zwischen ihren Hörnern einen von einem Eichenkranz gerahmten Schild halten. Das Attribut in der gesenkten Linken (ein Muschelhorn?) ist beschädigt. Der rechte Triton erhebt eine auf dem Globus stehende Victoriastatuette, die einen Eichenkranz hält. In seiner Dicke erinnert der Kranz an den goldenen Kranz, den ein Sklave beim Triumph über das Haupt des Triumphators hielt. Die Victoria der Curie bezieht sich auf den Sieg von Actium (s. o. S. 129 f.), Eichenkranz und Schild verweisen auf die von Augustus selbst in seinem Tatenbericht erwähnten Ehrungen des Januar 27 v. Chr. (res gestae 6,18.34). Octavian erhielt den Ehrennamen „Augustus“, ein goldener Ehrenschild wurde ihm von Senat und Volk wegen seiner Tapferkeit, Milde, Gerechtigkeit und seiner Ehrfurcht gegenüber Göttern und Vaterland verliehen; er wurde in der Curie in der Nähe der Victoria aufgestellt. Als Retter der Bürger erhielt er den Eichenkranz, die corona civica, die am Giebel seines Hauses angebracht wurde. Zu beiden Seiten von dessen Tür wurde je ein Lorbeerbaum aufgestellt, der heilige Baum des Apollo. Zwei kleine Kameen in Berlin (Abb. 604) und New York (Abb. 605) geben gleichsam die Quintessenz des Wiener ActiumKameos, indem sie innerhalb des von den Capricornprotomen getragenen Ehrenkranzes das Miniaturporträt des Augustus zeigen.

2. Der Adler-Kameo Die Verleihung der corona civica, auf die der Wiener Actium-Kameo anspielte, ist das Hauptthema des ebenfalls in Wien befindlichen großen Adler-Kameos (Abb. 606). In einem fast runden Rahmen aus einem schmalen dunklen Band und einem hellen Eierstab steht der

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

Adler Jupiters und der römischen Legionen mit leicht erhobenen Schwingen; in seinen Klauen hält er die Siegespalme und den Eichenkranz. Das Bild ist, dem Naturvorbild des Adlers gemäß, aus der dunklen Schicht geschnitten; die langen Schwungfedern und der Schwanz des Adlers, ebenso die Spitze des Palmzweigs sind tiefer gelegt, so daß die dünnere braune Schicht heller rötlich braun schimmert, wodurch eine räumliche und farblich lebendige Wirkung erzielt wird.

3. Der Octavian-Kameo in Wien Ein kostbares Fragment, das sich ehemals in der Sammlung Henry Oppenheimer befand, zeigt Octavian noch mit Bartflaum auf Oberlippe und Kinn, dem Jugendbart, den er als Zeichen der Trauer um Caesar weitertrug und erst 38 v. Chr. im 25. Lebensjahr ablegte (Abb. 607). Der Kameo muß vor diesem Zeitpunkt entstanden sein. Die Hoheit des an klassischen Vorbildern orientierten Profils mit dem großen Auge, die ruhigen langgezogenen Locken der im Prinzip eher stark bewegten Frisur des Actium-Typus sind ein Beispiel dafür, daß Octavian oder seine nächste Umgebung schon früh Künstler der klassizistischen Stilrichtung bevorzugten. Der Stil des Kameos steht dem des Solon nahe (vgl. hier Abb. 449).

4. Der Augustus-Kameo am Lotharkreuz Der Augustus-Kameo im Zentrum des Lotharkreuzes ist ein Herrscherbild von unnahbarer Hoheit (Abb. 608). Die Gesichtszüge sind klassischen Vorbildern angeglichen, individuelle Züge wie die schmale, leicht gebogene Nase fügen sich dem ein. Das weit geöffnete Auge mit Irisbogen und Pupillenpunkt blickt gleichsam entrückt in die Ferne. Im Haar liegt ein aus der dunklen Oberschicht geschnittener Lorbeerkranz, dessen leicht flatternde Bänder das einzig bewegte Bildelement sind. Das Haar erhält durch eine ganz dünne, beim Schliff bewahrte Schicht der braunen Lage einen goldblonden Schimmer, hebt sich vom weißen Gesicht ab. Augustus trägt Feldherrntracht, Muskelpanzer und Paludamentum. In der erhobenen Rechten hält er einen Stab, auf dessen abschließendem Quersteg ein in Dreiviertelansicht gesehener Adler mit halbgeöffneten Schwingen sitzt. Das Attribut wird meist für das Adlerszepter des Triumphators gehalten; diesem fehlt jedoch der Quersteg, es handelt sich vielmehr um ein attributiv verkleinertes Feldzeichen, den Legionsadler (aquila); hierzu stimmt, daß Augustus nicht die Triumphaltoga sondern militärische Tracht trägt. Klassizistischer Stil und hoheitsvolle Ausstrahlung verbinden den Kameo mit der Augustusstatue von Primaporta, deren Typus das Porträt angehört. Auch inhaltlich bezieht er sich auf das gleiche Ereignis: Die Wiedergewinnung der an die Parther verlorenen Feldzeichen im Jahre 20 v. Chr. (s. o. S. 129f.). Nach seinem Stil könnte der Kameo von Dioskurides geschnitten sein. Eine sichere Zuweisung ist jedoch nicht möglich, da wir keinen signierten Porträtkameo von seiner Hand kennen und der signierte Herakles-Kameo (Abb. 462) sich wegen des unterschiedlichen Formates und Motives nicht beweiskräftig vergleichen läßt.

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5. Augustus als Jupiter Während Augustus in dem Kameo am Lotharkreuz als römischer Feldherr erscheint, dessen Erhabenheit nur durch das Mittel des klassizistischen Stils ausgedrückt wird, stellt ein zweischichtiger, weiß-brauner Kameo in Wien ihn mit allen Attributen hellenistischer Herrscherpanegyrik dar. Der Kaiser steht frontal mit Szepter und Blitz des Jupiter, zu seinen Füßen sitzt der Adler, im Rücken hängt die auf der rechten Schulter gefibelte, mantelförmige Ägis herab (Abb. 609). Der Kaiser ist zugleich als Sieger dargestellt, ein Tropaeum steht zu seiner Linken, zu dessen Füßen sitzt ein mit Hosen bekleideter, gefesselter Barbar. Die Oberfläche des Kameos hat leider durch spätere Politur etwas gelitten. Überdies wurde er durch Zufügung magischer Inschriften im freien Raum links, um das Haupt des Kaisers, auf seinen Beinen und auf der Rückseite des Steines in ein Amulett umgewandelt. Die Darstellung des Herrschers mit Jupiter- bzw. Zeus-Attributen wurde von Bildnissen Alexanders des Großen in die Ikonographie nachfolgender Herrscher übernommen. Bei Augustus ist jedoch nicht mit einer allgemeinen Anlehnung an hellenistische Herrscherbilder sondern mit einer speziellen Beziehung auf Alexander zu rechnen. Der Vergleich des Octavian/Augustus mit Alexander spielt bis 20 v. Chr. insbesondere im Zusammenhang mit der Partherfrage eine wichtige Rolle, wird in der Leichenrede des Tiberius für Augustus mit Beziehung auf den jungen Octavian noch einmal aufgenommen (Cassius Dio 56,36,3). Das Alexandervorbild erlangte zwar erneute Bedeutung im Zusammenhang mit der Orientmission des C. Caesar in den Jahren 1 v.–4 n. Chr., doch wird man die unmittelbare Angleichung des Kaisers an Alexander mit dem früheren Zeitpunkt verbinden. Hierfür spricht auch der hellenistische Typus des Tropaeums. Der Kameo ist ein Panegyricus in Edelstein, vergleichbar dem poetischen des Vergil in der Heldenschau des Anchises, wo ebenfalls die Parallele zu Alexander anklingt (Aen. 6, 788ff.): Hierhin wende du jetzt deinen Blick, schau an dieses Volk hier, deine Römer: Caesar ist hier und des Julus gesamte Nachkommenschaft, die einst aufsteigt zum Himmelsgewölbe. Der aber hier ist der Held, der oft und oft Dir verheißen, Caesar Augustus, der Sproß des Göttlichen. Goldene Weltzeit bringt er wieder für Latiums Flur, wo einstens Saturnus herrschte, er dehnt sein Reich, wo fern Garamanten und Inder wohnen, und weiter – (übers. J. Götte). Da der Kameo keinen Hinweis auf die Wiedergewinnung der Feldzeichen enthält, die in der Feier des Erfolges von 20 v. Chr. eine so große Rolle spielen, ist er wahrscheinlich früher, ca. 30–20 v. Chr., anzusetzen und prophezeit somit den künftigen Sieg.

6. Die Gemma Augustea in Wien Die Gemma Augustea in Wien gilt zu Recht als Höhepunkt der augusteischen Glyptik (Abb. 610). Sie besteht aus zwei Lagen, einer weißen auf einer braunen, bläulich durchschimmernden Schicht. Die Lagen sind trotz der Größe von 19 x 23 cm ungewöhnlich

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

regelmäßig. Schon der Stein war eine Seltenheit. Das Kleinod befand sich bis 1533 in der Abtei Saint Sernin in Toulouse, wo es 1246 erstmals erwähnt wird (zur Geschichte s. u. XIX C). Schon Albert Rubens (1614–1657), der Sohn des Malers, hat in seiner Dissertatio de Gemma Augustea, die postum im Jahre 1665 herausgegeben wurde, das Ereignis, auf welches sich die Darstellung bezieht, erkannt. Es hat lange gedauert bis die archäologische Forschung die grundsätzliche Richtigkeit seiner Interpretation nachweisen und zu einem tragfähigen Consens kommen konnte. Tiberius führte seit 6 n. Chr. Krieg gegen die aufständischen Pannonier, den er unter Beteiligung des Germanicus im Jahre 9 n. Chr. beendete. Es wurde ein Triumph für Tiberius beschlossen, den dieser jedoch verschob, da gleichzeitig die Nachricht von der Niederlage des Varus in Germanien (wohl September 9 n. Chr.) eintraf. Immerhin hielt er mit Lorbeer bekränzt und mit der Toga praetexta bekleidet einen feierlichen Einzug in Rom. Augustus, die Consuln, Senat und Volk von Rom erwarteten ihn auf dem Wahlplatz. Tiberius bestieg die dort errichtete Tribüne und nahm neben Augustus zwischen den Consuln Platz. Nach einer Ansprache an das Volk besuchte er in feierlichem Zug die Tempel (Sueton, Tiberius 17,2: triumphum ipse distulit maesta civitate clade Variana; nihilo minus urbem praetextatus et laurea coronatus intravit positumque in saeptis tribunal senatu astante conscendit ac medius inter duos consules cum Augusto simul sedit; unde populo consalutato circum templa deductus est). Die Gemma feiert dieses Ereignis in der poetischen Sprache der höfischen Glyptik. Sie ist durch einen Geländestreifen in eine höhere obere und eine niedrigere untere Zone geteilt. Oben thront Augustus neben Roma auf einem Doppelthron. In der Rechten hält er den Augurstab, er ist es, unter dessen Auspizien der Sieg errungen wurde. Te copias, te consilium et tuos / praebente divos, („da du [Augustus] die Truppen, deinen Rat und den Schutz deiner Götter gewährtest“) siegten Tiberius und Drusus maior in der hymnischen Ode des Horaz (Od. 4,14, 33f.). Die Falte auf der Stirn des Augustus bringt seine nie ermüdende Sorge um das römische Volk zum Ausdruck, während eine Falte vom Nasenflügel abwärts als ein, wie stets bei Augustus, nur zurückhaltend angedeutetes Altersmerkmal verstanden werden darf. Mit nacktem Oberkörper, Szepter und dem Adler an seiner Seite ist er Jupiter gleich, den er auf Erden vertritt. Roma wendet ihm, wie alle übrigen Personen mit Ausnahme der Victoria, ihren Kopf zu. Sie trägt einen Helm mit dreifachem Busch, einen gegürteten Chiton und um die Beine geschlungenen Mantel, Armreifen schmücken die Handgelenke; das Gelenk der Rechten hält locker die schräg hinter ihrem Rundschild stehende Lanze, der linke Ellbogen ruht auf der tuchbedeckten Thronlehne, die Hand liegt über dem Knauf des Schwertes. Roma zunächst steht Germanicus in Vorderansicht, er trägt Offzierstracht mit Muskelpanzer, Feldherrnbinde, Paludamentum und Stiefeln, hält die Linke am Schwertgriff, die Rechte in die Hüfte gestützt. Hinter ihm steht sein Reitpferd. Es blickt um zu einer von Victoria herangeführten Biga, deren rechtes Pferd an seiner Braue knabbert. Tiberius, lorbeerbekränzt, mit Tunica und Toga bekleidet, steigt von dem Rennwagen ab. Er hält in der Linken ein Szepter, die Rechte reicht er einem links nur in Fragmenten erhaltenen Togatus, wahrscheinlich seinem Sohn Drusus minor. Victoria blickt zu Tiberius um, fahrbereit hält sie Zügel und Peitsche, um ihn zu neuen Siegen zu führen. Tiberius wird bald nach Germanien aufbrechen, um die Niederlage des Varus zu rächen. Im Unterschied zu den Göttern sind bei den menschlichen Protagonisten die Pupillen angegeben (Augustus: Iriskreis und Pupillenpunkt. Germanicus: rechtes Auge Iriskreis und Pupillenpunkt, linkes Auge dreieckige Pupillenangabe. Tiberius: tropfenförmige

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Pupillenstriche). Drei Gottheiten wohnen zur Rechten dem Geschehen bei: Hinter dem Thron steht ein Götterpaar, eine Göttin mit Mauerkrone und Schleier, welche die corona civica über das Haupt des Augustus hält, und ein urtümlicher Gott mit bewegtem Haar und gedrehten Bartlocken. Sie werden meist als Chronos und Oikumene gedeutet. Vorzuziehen ist m. E. die Deutung von Wilhelm B. Kaiser als Rhea-Kybele und Kronos-Saturnus, das Königspaar der goldenen Zeit, die sich unter Augustus wiederholen soll. „Kybele“ wurde schon von Albert Rubens, „Saturn“ von Jacques Schwartz genannt. Saturn wäre hier nach griechischer Weise mit unbedecktem Haupt dargestellt. Die sitzende, an den Thron gelehnte, mit der bulla geschmückte und von zwei Knaben flankierte Göttin ist dann (mit W.B. Kaiser) Italia, die Saturnia tellus (z. B. Vergil, Aeneis 8,329; Georgica 2,173); die Göttin trägt einen Efeukranz, ein dionysisches Attribut, das auf die Zeit der Weinernte, in die der Geburtstag des Augustus fiel, bezogen wurde (Simon); der vorn stehende Knabe hält zwei Ähren. Alle drei Götter blicken mit gespanntem Ernst zu Tiberius hin: Die goldene Zeit ist in Gefahr, Tellus hält das leere Füllhorn mit ihrer Linken verschlossen (Pollini). Der Sieger in Pannonien soll auch den Frieden in Germanien wiederherstellen, dann erst wird die Glückszeit gesichert sein, Tellus das Füllhorn öffnen. Auf den Ernst der Situation verweist auch die (nach Kähler) apotropäische Geste der drei ausgestreckten Finger des größeren Knaben. Zwischen Roma und Augustus erscheint ein Glück verheißendes Himmelszeichen: Ein gravierter Stern auf einer Scheibe, davor der Capricorn. Der Stern ist das sidus Iulium, der Komet, der nach dem Tod Caesars erschien und als Zeichen seiner Vergöttlichung angesehen wurde. Die Form des Sternes mit dem kleinen Kreis in der Mitte und die Achtzahl der Strahlen ist sehr ähnlich dem sidus Iulium auf Denaren der Jahre 20 oder 18–17 v. Chr., nur der Kometenschweif fehlt; er hätte die Darstellung des Capricorn gestört. Eng mit dem Stern Caesars verbunden ist das Sternzeichen des Augustus. Durch Sueton erfahren wir, Octavianus habe während seines Aufenthaltes in Apollonia (45/44 v. Chr.) zusammen mit Agrippa den Astrologen Theogenes besucht. Dieser habe Agrippa so Bedeutendes vorhergesagt, daß Octavian aus Furcht vor Geringerem nur zögernd seine Geburtsdaten preisgegeben habe. Kaum habe Theogenes sie erfahren, sei er aufgesprungen und vor ihm auf die Knie gefallen. Bald habe Augustus so großes Vertrauen in sein Schicksal gehabt, daß er sein Horoskop veröffentlichte und eine Silbermünze mit dem Zeichen des Steinbocks, in dem er geboren sei, prägen ließ (tantam mox fiduciam fati Augustus habuit, ut thema suum vulgaverit nummumque argenteum nota sideris Capricorni, quo natus est, percusserit. Aug. 94,12). Die Nachricht über die Silbermünze wird durch erhaltene Denare bestens bestätigt. Ebenfalls nach Sueton ist Augustus am 23. September 63 v. Chr. kurz vor Sonnenaufgang geboren (Aug. 5,1). Seit 30 v. Chr. wurde der Geburtstag an diesem Tag offiziell gefeiert. Am 23. September steht die Sonne im Zeichen der Waage; dies scheint der Überlieferung zu widersprechen, wonach der Capricorn, in dem die Sonne im Dezember/Januar steht, das Geburtsgestirn war. Nun spielen bei einem ausführlichen Horoskop, wie es Theogenes vermutlich erstellte, nicht nur der Stand der Sonne sondern viele andere Beobachtungen, so die Stellung der anderen Planeten, eine Rolle. Zunächst die des Mondes, der wie die Sonne zu den sieben antiken Planeten zählte (Sonne, Mond, Mars, Mercur, Jupiter, Venus, Saturn). Am 23. September stand der Mond im Zeichen des Capricorn. Die Scheibe hinter Capricorn und Stern könnte den Mond darstellen. Zusätzliche Bedeutung für das Horoskop

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hatte der Umstand, daß zur Zeit der Conzeption des Augustus die Sonne im Capricorn stand, wodurch indirekt die Legende von der Vaterschaft des Sol-Apollo gestützt wurde (s. o. S. 127 f. u. XIV B2). Was Theogenes zu seinem Kniefall veranlaßte, überliefert Iulius Firmicus Maternus (4. Jh. n. Chr.) in seinem Werk über Astrologie: Wenn sich die prima pars Capricorni in einem Horoskop finde, so verheiße das Macht und Herrschaft (Firmicus Maternus math. 8,28,1 Ziegler; Radke 1972, 259). Die Veröffentlichung des Horoskops stützte beim Volk den Machtanspruch des Octavian/Augustus. Im unteren Fries der Gemma Augustea richten zwei Gepanzerte und zwei nur mit dem Hüftschurz bekleidete Männer ein Tropaeum auf; an diesem hängt eine Pelta mit einem eingravierten Skorpion, dem Sternzeichen des siegreichen Feldherrn Tiberius (geb. 16. Nov. 42 v. Chr.). Unter dem Tropaeumstamm sitzen drei besiegte Barbaren von nördlichem Typus. Der linke, vornüber gebeugt Hockende ist bis auf Teile des Haares und eine Fußspitze abgeschliffen, neben ihm liegen ein Bogen im Futteral und ein Köcher; eine am Boden sitzende Barbarin stützt trauernd ihr Haupt in beide Hände, der neben ihr sitzende Barbar mit dem wildbewegten Haar ist mit langen Hosen und Schuhen bekleidet, seine Hände sind auf dem Rücken gefesselt, in heftiger Drehung des Oberkörpers lehnt er sich dagegen auf. Rechts greifen zwei Mitstreiter der Sieger einem kniefällig bittenden Barbaren, der eine Torques trägt, und einer mit gesenktem Kopf stehenden Frau ins Haar, um sie zum Tropaeum zu ziehen. Die Gestalt im Vordergrund ist eine in Schrittstellung stehende, mit zwei Speeren bewaffnete, vom Rücken gesehene Frau, die mit einem Panzer, einem bis in Kniehöhe geschürzten Chiton mit Überfall, Mantel und Stiefeln bekleidet ist; der Nackenknoten ihres Haares ist in ein Tuch eingebunden, dessen Enden über den vorderen Teil des Kopfes geführt, dort gekreuzt und am Hinterkopf eingesteckt sind. Ihr Gefährte trägt die Exomis und einen breitkrempigen Hut, seine Linke ruht auf dem Schwertknauf (das Schwertband ist wie bei Germanicus unter dem Gewand verborgen zu denken). Daß es sich bei der Speerbewaffneten um eine Frau handelt, sah zuerst Carl Küthmann. Sie ist folglich eine Göttin oder Personifikation. Auch der Mann in Exomis, mit dem sie durch die Zuwendung der Köpfe im Blick verbunden ist, und die übrigen Sieger müssen dann der göttlichen Sphäre angehören. Die Einmaligkeit der Gemma erschwert die Benennung. Ernest Will hat die Göttin „Diana“ genannt, Erika Simon „Diana-Luna“, vielleicht mit Zügen der auf dem Balkan verehrten Artemis Bendis. Ihr Begleiter ist nach seiner Tracht Hermes-Mercur (Will, Simon); wie im Kampf gegen die Giganten ist er als göttlicher Helfer gegen die Barbaren mit dem Schwert bewaffnet. Diana, die Schwester Apollos, und Mercur gehören zu den von Augustus besonders verehrten Göttern. Da die Sternzeichen von Augustus und Tiberius auf der Gemma erscheinen, fragte Simon mit Recht nach dem der dritten Hauptfigur, des Germanicus (geb. 24. Mai 15 v. Chr.), zumal dessen Interesse an der Sternenkunde durch seine Übersetzung der „Himmelserscheinungen“ des Arat belegt ist. Sie erkennt in den beiden halbnackten Jünglingen am Tropaeum Castor und Pollux, das Sternbild der Zwillinge. Die Deutung „Castores“ hatte schon Will vorgeschlagen, unter Hinweis auf den Neubau ihres Tempels durch Tiberius und dessen Einweihung im Namen seines Bruders Drusus maior im Jahre 6 n. Chr. Die beiden Gepanzerten am Tropaeum sind, nach Simon, Mars und Quirinus. Mars ist die Hauptfigur der Gruppe, er zieht das Tropaeum an Stricken

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empor, Quirinus stemmt es mit der Schulter hoch. Hierbei ist nicht an den altrömischen, bärtigen Quirinus zu denken, sondern an den vergöttlichten Mars-Sohn, RomulusQuirinus. Seine Gestalt und Handlung erinnert an den jungen, gepanzerten, das Tropaeum schulternden Romulus, dessen Statue in der Mittelnische der südlichen Exedra des Augustusforums stand, dessen Typus durch ein pompeianisches Wandbild belegt und in der Kleinkunst verbreitet ist (vgl. Abb. 528). Es bedurfte einiger Zeit, bis klar erkannt wurde, daß das Gespann im oberen Fries kein Viergespann (J. Schwartz 1945, G. Bruns), der Wagen kein Triumphwagen ist (C. Küthmann) und daß Tiberius weder die goldgestickte toga picta noch Adlerszepter und Lorbeerzweig des Triumphators trägt (anders wieder beiläufig: Kuttner 1994, Boschung 1999). Hieraus folgt, daß weder der germanische Triumph des Tiberius, im Jahre 7 v. Chr., noch der pannonische, im Jahre 12 n. Chr., als historischer Anlaß der Gemma Augustea in Frage kommen. Ihre Darstellung stimmt jedoch überein mit dem einmaligen, aus der Situation geborenen, feierlichen Einzug nach dem Sieg in Pannonien. Je nach Ergänzung einer Lücke in den praenestinischen Fasten werden als Zeitpunkt des Ereignisses Ende 9 n. Chr. oder der 16. Januar 10 n. Chr. angenommen. Der historische Kern, repräsentiert durch die Ankunft des lorbeerbekränzten Tiberius in toga praetexta und des Germanicus, der die Siegesnachricht überbracht hatte, wird durch die Anteilnahme der Götter in panegyrischer Weise erhöht: Roma, nicht die Consuln, thront neben Augustus. Besorgnis und Hoffnung von Volk und Senat werden durch die anwesenden Götter zum Ausdruck gebracht. Augustus gehört der menschlichen und göttlichen Welt gleichermaßen an, er ist kaiserlicher Augur und Inhaber der corona civica, zugleich Jupiter auf Erden. Eine derartige Darstellung hätte Augustus auf einem öffentlichen, stadtrömischen Denkmal zu seinen Lebzeiten, zumal in dieser Spätzeit, nicht zugelassen. Der Kameo war für den engsten Kreis des Hofes bestimmt. Wer der Auftraggeber war, läßt sich schwerlich ermitteln, als Empfänger kommt am ehesten Augustus selbst in Frage. Die Arbeit an der Gemma dürfte im Winter 9/10 n. Chr. begonnen und vor 12 n. Chr. beendet worden sein. Nachdem der Triumph über Pannonien und Dalmatien, am 23. Oktober 12 n. Chr., nachgeholt worden war, konnte der improvisierte Einzug von damals keine Rolle mehr spielen. Der Kameo hat ikonographisch und stilistisch viele griechisch-hellenistische Züge. Auf der ikonographischen Seite lassen sich anführen: die Scheitelschopf-Frisur der Victoria, die Tracht der Roma, die nicht dem Amazonentypus entspricht, das Fehlen des über das Haupt gelegten Mantels bei Saturnus, die Haarbinde der Diana. Weniger ins Gewicht fällt, daß Waffen und Rüstungen, mit Ausnahme des römischen scutum unter Romas rechtem Fuß, griechisch sind. Nach der Untersuchung von Götz Waurick ist dies auch schon in republikanischer Zeit in mythischen oder allegorischen Darstellungen üblich, wobei Muskelpanzer und sog. Lederpanzer von hochrangigen Offizieren auch wirklich getragen wurden. Hellenistische Elemente im Stil fallen vor allem bei Gesichtern und Haar der Barbaren und des Saturn auf, aber auch kürzeres Haar ist in bewegten Locken wiedergegeben. Stark hellenistisch geprägt sind die in Dreiviertelansicht wiedergegebenen Gesichter, man beachte die mehr oder weniger leicht geöffneten Münder der Idealfiguren. Die Frauenköpfe erinnern an glyptische Werke aus der Zeit vor der Ara Pacis wie die Io des Dioskurides (s. o. S. 118). Die Vermutung,

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Dioskurides sei der Schöpfer der Gemma Augustea gewesen, wurde mehrfach, zuerst von Mariette, mit der größten Autorität von Furtwängler geäußert. Fritz Eichler, der die Gemma augustea im Katalog der Wiener Sammlung beschrieb, widersprach. Die Zuschreibung des schönsten Kameos an den berühmtesten Gemmenschneider der augusteischen Zeit ist verlockend, aus chronologischen Gründen jedoch unwahrscheinlich: Wenn Dioskurides sein Porträt eines hellenistischen Herrschers oder Prinzen (hier Abb. 459) vor 63 v. Chr. schuf, muß er spätestens um 80 v. Chr. geboren sein. Eher käme der Dioskurides-Sohn Hyllos als Schöpfer der Gemma Augustea in Betracht. Er hat bis in tiberische Zeit an hellenistischen Stilelementen festgehalten. Vergleicht man das Haar des signierten Satyrkopfes (Abb. 475) mit dem der Barbaren und des Saturnus, so lassen sich Ähnlichkeiten feststellen. Die Basis für eine Zuschreibung ist jedoch zu schmal.

7. Porträts des Augustus und der Livia Ein 4.7 cm hohes Köpfchen aus Glas mit türkisfarbenem Überfang in Köln ist ein Miniaturporträt des Augustus von höchster Qualität (Abb. 611). Die Frisur entspricht dem Primaporta-Typus. Die unter hochstehenden Wangenknochen leicht eingesunkenen Wangen deuten das Alter des Kaisers an. Die Stirnfalten dagegen sind kein temporäres Attribut, sondern wieder Zeichen der Sorge des guten Herrschers um Volk und Staat. Ein umlaufender heller gefärbter Streifen am ungebrochenen Halsansatz zeigt, daß das Köpfchen einst in anderes Material eingesetzt war, wahrscheinlich eine Büste oder Statuette aus Edelmetall. Die Augenform mit Iriskreis und sichelförmiger Pupillenangabe geht auf die ptolemäische Glyptik zurück, lebt in der Gemmenschneiderpraxis bis mindestens in traianische Zeit weiter. Die Bildung der Haare mit gerundetem Querschnitt steht dem Stil des Herophilos nahe (hier Abb. 471). Der Gesamteindruck des Köpfchens, die Glätte und Schärfe der Formen läßt vermuten, daß das Urbild aus Edelstein bestand. Da keine Spuren von Gußnähten erkennbar sind, wäre dann folgender aufwendiger Herstellungsprozeß anzunehmen: 1. Gipsabguß des Edelsteinoriginals in zwei oder mehr zusammensetzbaren Teilformen, 2. Wachsausguß der Gipsform, 3. sorgfältige Beseitigung und Glättung von Nahtresten, 4. Herstellung einer einteiligen Gipsform des Wachskopfes, 5. Ausschmelzen des Wachses, 6. Ausguß der Gipsform mit Glas. Der Wachsausguß (2) und die einteilige Gipsform (4) gingen dabei verloren, erhalten blieb die mehrteilige Gipsform (1). Das vorzüglich gearbeitete Köpfchen hat ganz wenige flaue Stellen: von der Wirbelmitte zur linken Kopfseite hin und oberhalb der ersten Lockenlage oberhalb des Wirbels. Sie beruhen entweder darauf, daß das Wachs hier gedrückt wurde, oder darauf, daß das Glas nicht tief genug in die Form eingedrückt wurde. Porträts von Mitgliedern der iulisch-claudischen Familie sind auffallend häufig aus Türkis und Lapislazuli, sowie deren Nachahmungen in Glas gebildet. Offenbar wußte man um die alte ägyptische Überlieferung, die Hathor als Herrin von Türkis und Lapislazuli kennt. Hathor wurde im griechisch-römischen Pantheon mit Aphrodite-Venus, der Ahnherrin der Iulier, gleichgesetzt. In Livia Drusilla (58 v.–29 n. Chr.) hatte Augustus die kongeniale Frau gefunden. Ohne Rücksicht auf politische Opportunität erzwang er ihre Scheidung von Tiberius Claudius Nero und heiratete sie im Jahre 38 v. Chr. noch während sie ihr zweites Kind, Nero Claudius Drusus,

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erwartete (Drusus maior, 38–9 v. Chr.), den jüngeren Bruder des Tiberius (42 v.–37 n. Chr.). Nach Sueton starb Augustus mit den Worten „Livia, bleibe unserer Ehe eingedenk und lebe wohl“ (Aug. 99). Der im antiken Goldring erhaltene Karneolkameo aus dem Schatzfund von Petescia (jetzt Turania) in den Sabinerbergen zeigt die Büste der Livia in Vorderansicht mit leicht zur Linken gewandtem Kopf. Sie trägt die Nodusfrisur mit dem in Stirnmitte gebauschten, dann als Zopf auf dem Scheitel zur kleinen Nackenschlaufe geführten Stirnhaar (Abb. 612). Die unruhigen, kleinteiligen Tunicafalten sind noch stark hellenistisch. Der Kameo dürfte nicht lange nach der Heirat mit Augustus entstanden sein. Ein kleiner Kameo aus türkisfarbenem Glas mit Goldauflage ist ein vermutlich als Ehrengeschenk hergestellter Abdruck eines Edelsteinintaglios (Abb. 613). Er zeigt die gestaffelten Porträts des Herrscherpaares in dem von den Ptolemäern übernommenen Typus der capita iugata. Livia trägt die Nodusfrisur. Bei der lorbeerbekränzten Büste des Augustus sind in dem hervortretenden Wangenknochen und der Nasenfurche Alterszüge angedeutet.

8. Der Divus-Augustus-Kameo in Köln Augustus starb am 19. August 14 n. Chr., kurz vor seinem 76. Geburtstag. Sein Testament enthielt u. a. Bestimmungen über seine Bestattung, für deren Durchführung Tiberius und Livia mit Hilfe des Senates sorgten. Dem Sarg, auf dem ein Wachsbild des Augustus inTriumphaltoga lag, folgten ein goldenes, wohl kleinformatiges Porträt des Augustus, das sonst in der Curie stand, und ein weiteres (eine Statue?) auf einem Wagen, dann die Bilder der Ahnen und großen Römer, angefangen von Romulus. Auf dem Weg des Zuges über das Forum hielten Drusus minor und sein Vater Tiberius Leichenreden. Die Leiche wurde auf dem Marsfeld verbrannt; vom Scheiterhaufen ließ man einen Adler auffliegen, der die Seele des Augustus zum Himmel zu tragen schien. Ein gewisser Numerius Atticus beschwor, er habe das Abbild des Augustus zum Himmel emporsteigen sehen. Auf dieses nach römischem Sakralrecht geforderte Zeugnis gestützt, beschloß der Senat die Consecration des Augustus. Ein Priesterkollegium, die sodales Augustales, mit einem Flamen an der Spitze und eine Priesterin, die Flaminica Augustalis, waren für den Kult des neuen Gottes zuständig. Erster Flamen des Divus Augustus war Germanicus, erste Priesterin seine Witwe Livia. Solange der Tempel für den Divus noch nicht vollendet war (er wurde erst 37 n. Chr. von Caligula eingeweiht) fand der Kult im Tempel des Mars Ultor auf dem Forum Augusti statt. Zur Darstellung des Vergöttlichten mußte ein neues Bildnis geschaffen werden. Seine schönste Wiedergabe finden wir auf dem Kameo aus der Sammlung Marlborough in Köln, der in seiner, wohl in Mailand um die Mitte des 16. Jahrhunderts geschaffenen Renaissancefassung erhalten ist (Abb. 614a, b; 617). Als Produkt der Hofwerkstatt im Auftrag eines Mitgliedes des Hofes geschaffen und höchst wahrscheinlich zum Geschenk für ein hochrangiges Mitglied des Hofes, etwa Livia selbst, bestimmt, stellt er das beste Zeugnis für Intention und Aussage des neuen Bildes dar. Im Vergleich etwa mit dem Augustus-Kameo am Lotharkreuz fallen merkliche Unterschiede des Profils auf, die Nase ist stärker gebogen, die Mundpartie eingezogen, das Kinn springt infolgedessen weiter vor: Augustus ist postum mit claudischen Zügen ausgestattet, d. h. es wird zum optischen Beweis der Kontinuität der Dynastie eine Ähnlichkeit des verstorbenen mit dem regierenden Kaiser suggeriert, die in Wirklichkeit zwischen Augustus und dem nicht blutsverwandten Adoptivsohn Tiberius nicht

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bestand. Das Phänomen ist auch in der Münzprägung und bei plastischen Porträts beobachtet worden. Als Attribut seiner Göttlichkeit trägt Augustus eine mit Strahlen besetzte Binde. Die Enden der Binde sind gerade. Gerade Enden, mit oder ohne Fransen, sind charakteristisch für die Königsbinde im Unterschied zu den ovalen Enden der in einen Zipfel oder Faden auslaufenden dionysischen Binden oder Kranzschleifen. Die strahlenbesetzte Königsbinde begegnet zuerst auf Münzporträts Ptolemaios’ III. (246–222/1 v. Chr.), ist dort jedoch anders zu deuten: Die Binde ist das übliche Diadem des hellenistischen Herrschers, zugefügt sind die Strahlen des Helios, die Ägis des Zeus, der Dreizack des Poseidon als Ausdruck „verschiedene(r) Aspekte der Göttlichkeit des Königs“ (Kyrieleis, Ptolemäer 29). Auch Divus Augustus trägt die Strahlen des Sol; sie beziehen sich hier nicht auf eine allgemeine Sol-Ähnlichkeit, sondern auf die in augusteischer Zeit vielfach propagierte Prophezeiung von Sol-Apollo als Herrscher der neuen goldenen Zeit (s. o. 127f.). Der Divus ist nun mit der Machtfülle des Sol-Apollo ausgestattet, er ist es, der die aurea aetas für die Regierungszeit des Nachfolgers garantiert. Diese Vorstellung kommt im Bild des Divus Augustus erstmals zum Ausdruck; daß sie auch in seinem Kult artikuliert wurde, darf man zuversichtlich annehmen. Hier liegt der Ursprung der Idee von der jeweils periodischen Wiederkehr des goldenen Zeitalters beim Regierungsantritt der folgenden Kaiser. Die Ausstattung des Divus-Bildes und die Inhalte seines Kultes dürften ebenso genau von Augustus geplant und mit Livia und Tiberius besprochen worden sein wie die Gestaltung seiner Leichenfeier; daher muß auch das Königsdiadem, auf dem die Strahlen sitzen, als Attribut ernst genommen werden; es kann sich weder um eine gedankenlose Übernahme des hellenistischen Abzeichens, noch um das Diadem eines der besiegten hellenistischen Könige handeln. Es ist vielmehr das Diadem des Romulus: wie der Gründer der Stadt wacht ihr Neugründer nun über die Geschicke Roms. Vergleiche des Augustus, des neuen Romulus, mit dem Stadtgründer ziehen sich durch die ganze Zeit seiner Herrschaft. Auch die Himmelfahrt und ihre Bezeugung ist der vermutlich von Caesar als Pontifex Maximus ins Leben gerufenen Legende von der Vergöttlichung des Romulus nachgebildet. Nach ihr war Romulus dem Proculus Iulius erschienen und hatte ihm verkündet, daß er ein Gott sei und nun „Quirinus“ heiße. Vermutlich trug die Statue des Romulus wie andere der sieben Königsstatuen vor dem Tempel des capitolinischen Jupiter die Königsbinde. In Rom gingen der Divinisierung des Augustus nur die (von Caesar gestaltete) des Romulus und die (von Augustus gestaltete) Caesars voraus. Die Vergöttlichung Caesars, so glaubte man, hatte sich in dem nach seinem Tode erschienenen Kometen, dem sidus Iulium, manifestiert. Ein Stern über dem Haupt des Divus Iulius symbolisierte dies. Früheste Münzen mit dem Porträt des Divus Augustus zeigen auch über seinem Haupt den Stern. Spätestens ab 15 n. Chr. zeigen Münzen das neue Symbol des Strahlendiadems, zunächst noch zusammen mit dem Stern über dem Scheitel und dem Blitz des Jupiter. Bald genügt das Strahlendiadem allein als sprechendes Attribut der Göttlichkeit. Wie Marianne Bergmann gezeigt hat, sind die Darstellungen des Gegenstandes auf Münzen uneinheitlich, die Bänder im Nacken teils strichförmig (also nicht genau definierbar), teils ähnlich wie Kranzschleifen gebildet; sie schließt hieraus, daß kein Diadem gemeint war. Der DivusAugustus-Kameo bezeugt jedoch als Werk der Hofkunst die ursprüngliche Konzeption dieses Attributes. Da die Strahlen für eine allgemeinverständliche Vermittlung der Divus-Idee genügten, war es jedoch nicht notwendig, die Stempelschneider auf die subtile Bedeutung

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des Strahlenträgers hinzuweisen. Daß der Diademcharakter der Binde zumindest bis in spättiberische Zeit bewußt blieb, zeigt eine im Glasabdruck erhaltene, verschollene Gemme (Abb. 615). Das Divusporträt auf dem Kameo entspricht im Typus dem Kopf einer auf tiberischen Sesterzen abgebildeten Sitzstatue, die ihrerseits dem Typus des Kopfes des Kultbildes folgen dürfte. Die Enden der Binde sind jedoch auf dem kleinen Münzbild nicht deutlich. Der Schöpfer des Kölner Kameos kommt nach seinem Stil aus der Schule des Dioskurides. Eine Eigentümlichkeit der Handschrift erlaubt seine Benennung: Die Wiedergabe der Pupille als vertieftes Kugelsegment kommt bei Profilkameen nur noch einmal vor: bei dem beträchtlich kleineren signierten Satyrkameo des Hyllos in Berlin (Abb. 616, vgl. Abb. 475, 617). Auch die hellenistischen Stilelemente, die besonders im Haar deutlich werden, passen zum Stil dieses Dioskurides-Sohnes (s. o. S. 120f.).

9. Priesterinnen des Divus Augustus mit seiner Büste Die Strahlen sind das wesentliche Attribut des Divus. Sie können auch auf anderen Trägern sitzen als dem Diadem. Auf einem Karneolfragment in London trägt Divus Augustus den einfachen, geschlossenen und daher schleifenlosen Strahlenreif des Sol (Abb. 618). Die auf einem Globus sitzende knappe Büste erhebt sich über einem Füllhorn, das in der Hand der zweiten Priesterin des Vergöttlichten, Antonia minor, ruht. Die Gemme ist von guter handwerklicher Arbeit. Die Charakteristika der Porträts sind angedeutet; bei Augustus die Zange auf der im Abdruck linken Stirnseite, bei Antonia das klassische Profil. Die Aussage ist wie die von Münzbildern leicht verständlich. Der als Sol und König der aurea aetas über die Welt herrschende Divus wird von den Römern, vertreten durch die Priesterin, kultisch verehrt und schenkt ihnen reichen Segen. Wieder in den Bereich der Hofkunst führt ein Kameo in Wien, der Livia mit der Büste des Divus Augustus zeigt (Abb. 619a, b). Die auf einem Thron sitzende Halbfigur der Livia hält in der erhobenen Rechten die Büste des Divus. Die Strahlen sitzen hier auf einem Eichenkranz, über dem Hinterkopf liegt ein Mantelstück. Livia trägt eine Tunica mit geknöpftem Ärmel, darüber die Stola der römischen Matronen, eine Art Trägerhemd. Die hier und bei anderen Frauen des Kaiserhauses vorkommende Besonderheit, daß es einen glatten und einen geflochtenen Träger hat, ist noch unerklärt. Darüber liegt ein Mantel, dessen Saum über den Hinterkopf gezogen ist. Livia ist als Priesterin des Divus Augustus, jedoch nicht in der Ausübung des Kultes dargestellt, vielmehr in dessen Inhalt hineingenommen: Durch ihre Attribute, Mauerkrone und Tympanon, ist Livia der Kybele angeglichen. Der Ähren- und Mohnstrauß in der Linken verweist zusätzlich auf Ceres, die entblößte linke Schulter auf Venus, die Ahnherrin der Iulier. Divus Augustus bleibt, so die Aussage der corona civica, wie zu Lebzeiten Retter Roms, ist aber nun zugleich Sol-Apollo und durch den über den Hinterkopf gezogenen Mantel dem Saturnus gleich. Die Angleichung an Kybele und Saturnus verweist auf das Götterpaar der goldenen Urzeit, deren Wiederholung der Divus nun als Sol-Apollo garantiert. Ein Kameo aus Türkis in Boston variiert das Thema (Abb. 620). Die Büste des Augustus trägt nur die corona civica. Ist es dieselbe wie auf dem Wiener Kameo, ehe die Strahlen angefügt wurden? Livia ist mit Lorbeer bekränzt, ihr Haar ist in der Mitte gescheitelt, im Nacken zu einem Schlaufenzopf gebunden, eine gedrehte Locke fällt auf die Schulter; es ist dies eine

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Modefrisur der frühtiberischen Zeit, die Livia auch auf zwei Kameen in St. Petersburg und (ohne die Schulterlocke) auf dem Grand Camée trägt. Ihre Tunica ist über die linke Schulter herabgeglitten, die Augusta also wieder der Venus angeglichen. Auf diese verweist auch das Material, der heilige Stein derVenus.

10. Postume Augustus-Kameen in London und New York Immer wieder werden unter den Folgekaisern Bildnisse des vergöttlichten Dynastiegründers geschaffen. Gedenkprägungen von Münzen bezeugen die Ehrfurcht, die der regierende Kaiser ihm erweist, und erinnern zugleich an seine Legitimation. In hoher panegyrischer Sprache drücken Kameenbildnisse ähnliche Inhalte aus. Die Profile der drei folgenden Porträts weisen wie das des Kölner Divus-Augustus-Kameos claudische Merkmale auf. Der 12,8 cm hohe, aus den Sammlungen Strozzi und Blacas in das British Museum gelangte Kameo wurde in tiberischer Zeit geschnitten (Abb. 621). Sein Schöpfer gehört in den Kreis der Dioskuridesschule, kann jedoch nicht mit einem namentlich bekannten Meister identifiziert werden. Augustus ist in dem von hellenistischem Pathos erfüllten Typus des Rückenporträts in göttlicher Nacktheit dargestellt. Die zweiteilige, mit Gorgoneion und Phobosmaske geschmückte Ägis, Schwertband und Lanze verdeutlichen, daß die Macht des Divus jener des Jupiter und des Mars gleicht: Rom steht unter seinem Schutz wie unter dem des Jupiter und des Romulus-Vaters. Ursprünglich war das Haupt des Augustus bekränzt. Der – vielleicht beschädigte – Kranz wurde im Mittelalter weitgehend abgearbeitet und durch ein Diadem ersetzt, das zu Anfang des 18. Jahrhunderts restauriert wurde. Der kleinere Kameo Arundel-Marlborough-Evans in New York im gleichen Typus geht vielleicht unmittelbar auf das Vorbild des Kameo Strozzi-Blacas zurück (Abb. 622). Während dieser das hellenistische Motiv in die hoheitsvolle Ruhe des klassizistischen Stils überträgt, ist der New Yorker Kameo auch im Stil von hellenistischer Art: Haare und Ägis sind stark bewegt, die Binnenzeichnung des Gesichtes, Hals- und Rückenmuskulatur nuancenreich ausgearbeitet. Das Augustusporträt eines Kameofragmentes in Florenz hat nicht nur allgemein claudische Züge, sondern in der runden Form von Nasenspitze und -flügel speziell die des Claudius (Abb. 623); Augustus trägt wieder den Eichenkranz und verhülltes Hinterhaupt. Der Stil des Kameos mit den im Querschnitt halbrunden Locken steht dem des Herophilos (Abb. 471) nahe.

11. Iulisch-claudische Kaiser und ihre Familie Ein Kameo in Florenz mit den gestaffelten Bildnissen von Tiberius und Livia ist ein Musterbeispiel für die Betonung verwandtschaftlicher Züge, die als Merkmal der Dynastie herausgestellt werden sollen (Abb. 624). Livias Züge sind bis an die Grenze der Häßlichkeit an die ihres Sohnes angeglichen. Hinter ihrem Diadem sitzt ein Kranz aus Ähren und Mohn, Attribute der Ceres. Tiberius ist mit Lorbeer bekränzt, hat keine göttlichen Attribute, wenn nicht die Nacktheit der Büste als solches aufgefaßt werden darf. Livia ist nicht als Mutter des Kaisers, sondern als Julia Augusta, die erste Dame am Hofe, mit dem Kaiser verbunden,

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dessen Frau Iulia seit 2 v. Chr. von ihm geschieden und verbannt war. Der Kaiser trägt die bei seinem Regierungsantritt eingeführte Frisur, Livia noch die Nodusfrisur mit dem Bausch über der Stirnmitte. Nach Ausweis der im Jahre 22/23 geprägten Dupondien mit Livia als Salus Augusta übernimmt Livia damals die modischere Frisur mit Mittelscheitel. Hieraus ergibt sich eine Datierung in die Jahre 14 bis 22/23 n. Chr. Ein kleiner Kameo in Leningrad zeigt die gegenüberstehenden Porträts (capita opposita) des älteren Drusus und der jüngeren Antonia (Abb. 625). Der Kameo wurde bis zu Anfang des 18. Jahrhunderts in einem südfranzösischen Kloster als Hochzeitsgeschenk des Hl. Joseph an Maria verehrt (s. u. S. 262). Eine griechische Inschrift zwischen den Porträts zeugt von einer früheren byzantinischen Deutung. Antonia minor (36 v.–37 n. Chr.) war eine Tochter der Augustus-Schwester Octavia und des Marc Anton. Das Paar heiratete wahrscheinlich 16 v. Chr., es hatte mehrere Kinder, von denen nur drei überlebten: Germanicus, Livilla und der spätere Kaiser Claudius. Drusus maior starb 9 v. Chr. Der Kameo kann jedoch nicht mehr zu seinen Lebzeiten entstanden sein, da Antonia damals noch eine andere Frisur mit kleinem abstehenden Nackenknoten trug. Auf postumen Münzen, die Claudius zu Ehren seiner Mutter prägen ließ, trägt sie wie hier den im Nacken herabhängenden Schlaufenzopf. Vermutlich ist auch der Kameo erst nach dem Tode der Antonia minor zum Gedenken an die Eltern des Kaisers geschnitten worden. Ein militärischer Orden aus blauem, d. h. lapislazulifarbenem Glas, eine Phalera, zeigt die Panzerbüste eines Feldherrn mit den Köpfchen seiner drei Kinder (Abb. 626). Das hier abgebildete Wiener Exemplar ist die am besten abgeformte von vier ganz erhaltenen Repliken. Es zeigt über der rechten Schulter den Kopf eines kleinen Mädchens mit in der Mitte gescheiteltem Haar, das bis übers Ohr reicht; vor der Brust sitzt das pausbäckige Köpfchen eines Knaben, über der linken Schulter das eines älteren Knaben, beide tragen kurzes nach iulisch-claudischer Art in die Stirn gekämmtes Haar. Der Feldherr ist Drusus maior mit seinen drei Kindern. Die Phalera gehört in die Zeit kurz vor seinem Tode im Jahre 9 v. Chr., als Drusus das Kommando in Germanien hatte. Livilla (über der rechten Schulter) war damals zwischen 2 und 5 Jahren alt, wahrscheinlich höchstens dreijährig, da ihr Haar noch zu kurz ist, um zu einer richtigen Frisur gekämmt zu werden; Germanicus war 5–6 Jahre alt, Claudius ein Baby im ersten Lebensjahr. Von einer Metallfassung gerahmt, an einem Riemengeflecht befestigt, trug der so geehrte Legionär die Phalera auf der Brust. Der Orden erinnerte ihn stets daran, daß er seinem Feldherrn und dem blühenden kaiserlichen Hause zu Recht Treue und Vertrauen schenken konnte. Etwa aus der gleichen Zeit stammt ein Lapislazuliköpfchen der Mutter der Kinder (Abb. 627), das Dionysio Miseroni im Jahre 1651 als Kopf eines Sirenenleibes am Henkel einer Kanne aus Lapislazuli angebracht hat (Abb. 906). Antonia minor trug hier, wie an der Ara Pacis, einen kleinen abstehenden Nackenknoten. Auch von der Tochter der jüngeren Antonia, Livilla (Claudia Livia Iulia 14/11 v.–31 n. Chr.), besitzen wir ein Porträt aus dem heiligen Stein der Venus (Abb. 628 a, b). Sie war nach der Überlieferung (Tacitus ann. 4,3) ein häßliches Kind, entwickelte sich aber zur Schönheit. Das Lapislazuliköpfchen ist als Haupt des Gekreuzigten am Herimannkreuz angebracht (Abb. 855). Das Köpfchen dürfte bald nach der Hochzeit der jungen Frau mit dem jüngeren Drusus, dem Sohn des Tiberius, im Jahre 4/5 n. Chr. entstanden sein. Aus der gleichen Zeit stammt der nur 1,36 cm hohe Abdruck

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eines Edelsteinkameos in blauem, also Lapislazuli nachahmendem Glas (Abb. 629). Ein späteres Porträt der gleichen Prinzessin mit einer der Mode entsprechend veränderten Frisur zeigt der Hochreliefkameo aus Chalcedononyx im Cabinet des Médailles (Abb. 630 a, b). Es ist signiert von Saturninus, der sein lateinisches Cognomen mit griechischen Buchstaben schreibt, also vermutlich wie die übrigen Gemmenschneider der Hofwerkstatt griechischer Herkunft war. Livilla trägt über der Tunica die Stola mit einem geflochtenen Träger auf der rechten Schulter (vgl. Abb. 619a), auf der linken Schulter liegt ein Mantelstück. Aufgrund der Frisur ergibt sich eine Datierung in tiberische Zeit. Aus historischen Gründen muß der Kameo noch zu Lebzeiten der Prinzessin geschaffen sein, da ihr kein ehrenvolles Andenken zukam. Nach Aufdeckung der Verschwörung des Seianus und aufgrund des Umstandes, daß sie im Komplott mit diesem an der Vergiftung ihres Mannes beteiligt war, fand sie, vermutlich zum Selbstmord gezwungen, den Tod. Ein fragmentiertes Kameoporträt von Germanicus (15 v.–19 n. Chr.), Livillas älterem Bruder, ist von Epitynchanos signiert (Abb. 631). Dieser Epitynchanos ist sehr wahrscheinlich identisch mit einem aurifex (Juwelier), der laut Grabinschrift in dem Columbarium bestattet war, das Livia für ihre Freigelassenen hatte erbauen lassen. Als Augustus nach dem vorzeitigen Tod der bisherigen Kronprinzen im Jahre 4 n. Chr. Tiberius adoptierte, veranlaßte er diesen, seinerseits den Germanicus zu adoptieren, der somit in den gleichen Rang versetzt wurde wie der leibliche Sohn des Tiberius, Drusus minor. Das jugendliche Alter spricht für eine Datierung um die Zeit der Adoption. Stilistisch nah verwandt ist ein Porträt des Vetters und Adoptivbruders Drusus minor (15 oder 14 v. Chr.–23 n. Chr.) in St. Petersburg, das ihn als Feldherrn mit Militärbart in Panzer und Paludamentum zeigt (Abb. 632). Unter den zeitgenössischen Prinzen zeichnet sich der jüngere Drusus durch eine besonders markante Hakennase aus. Er führte ab 14 n. Chr. eine Mission in Pannonien, war dann Statthalter von Illyrien, wofür er 20 n. Chr. eine Ovatio, einen „kleinen Triumph“ erhielt. Das Bildnis ist im Zusammenhang mit diesen Ereignissen zu sehen.

12. Der Grand Camée de France Der mit einer Höhe von 31, einer Breite von 26,5 cm größte erhaltene antike Kameo wird erstmals im ältesten Inventar der Sainte-Chapelle, vor 1279, dann in den Inventaren von 1336 und 1341 (Item: Unum pulcherrimum camaut in cuius circuitu sunt plures reliquiae) aufgeführt (Abb. 633). Die Darstellung galt als Triumph Josephs am Hofe des Pharao (s. u. 263. Zur Geschichte des Grand Camée s.u. XIX D). Wie in der Geschichte anderer Gemmen und Kameen war es der südfranzösische Gelehrte Nicolas-Claude Fabri de Peiresc (1580–1637), der den antiken Ursprung des Camée erkannte und die wissenschaftliche Diskussion eröffnete. In einem Brief vom 23. September 1620 an den Antiquar und Dichter Girolamo Aleandro in Rom (1574 – 1629) gibt er eine genaue Beschreibung und benennt alle Figuren der beiden oberen Zonen. Der obere fast Dreiviertel der Höhe einnehmende Bildteil ist durch eine Bodenleiste vom unteren Segment getrennt, in dem besiegte Barbaren von nördlichem und östlichem Typus kauern, in ihrer Mitte die anrührende Gruppe einer Orientalin mit ihrem Kind. Das Hauptbild hat eine himmlische und eine irdische Zone. In der Mitte der oberen Zone lagert

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Divus Augustus mit Strahlendiadem oder -reif und über das Haupt gezogenem Mantel, in der Rechten ein Szepter haltend, auf dem Rücken eines jungen Mannes in orientalischer Tracht, der die Weltkugel in Händen hält. Der über den Kopf gelegte Mantel des Divus ist wieder als Saturnattribut zu deuten. Zwei junge, lorbeerbekränzte Männer schweben von beiden Seiten auf die Mittelgruppe zu: Von links ein Offizier, der einen großen Rundschild hält, von rechts ein Reiter auf dem von Amor geführten Pegasus. In der Mitte der unteren Zone thront Tiberius jupitergleich mit nacktem Oberkörper, Ägismantel und großem Szepter. Wie Augustus auf der Gemma Augustea hält er als regierender Kaiser den lituus. Der Eichenkranz auf seinem Haupt paßt ebenso zu Jupiter wie als corona civica zum Kaiser. Tiberius ist nicht nur durch den Platz in der optischen Mitte sondern auch durch viel Hintergrundraum um seinen Oberkörper hervorgehoben. Das Oberkopfhaar des Tiberius wurde, im 3. Jh. n. Chr., zu einer Stoppelhaarfrisur verändert, wie sie mehrere Kaiser damals trugen; aus der gleichen Zeit stammt der eingepickte Bart. Die Veränderung hatte offenbar die Umdeutung in einen zeitgenössischen Kaiser zum Ziel. Unverändert blieb das Profil: die gebogene Nase und die charakteristische Mundpartie mit der leicht zurückgesetzten Unterlippe. Neben Tiberius sitzt Livia auf einem Thron mit kurzer Seitenlehne. Sie trägt wie auf anderen Kameen die modische Schlaufenzopffrisur und den Lorbeerkranz. Ein Stück von Haar und Kranz sind abgeplatzt, das vordere Schläfenhaar nachgraviert, aber, wie der über dem Ohr erhaltene Rest zeigt, richtig ergänzt. Das Profil mit dem großen Auge, der fein gebogenen Nase und der an Tiberius angeglichenen Mundpartie ist gut erhalten. In der Rechten hält die Augusta Ähren und Mohn. Vor der Lehne ihres Thrones sitzt ein trauernder Knabe in orientalischer Tracht; vermutlich ist er als Attis zu deuten, wodurch analog zum Saturnaspekt des Augustus der Rhea-Kybele-Aspekt Livias bezeichnet wäre. Die Füße des Paares ruhen auf einer breiten Fußbank, sie scheinen jedoch nicht auf dem gleichen Thron zu sitzen: Tiberius sitzt höher, sein Thron hat eine niedrige, gesonderte Lehne. Zwischen seinem linken Fuß, dem Ägisrand und dem rechten Unterschenkel Livias befindet sich ein unerklärtes, am ehesten als Felsen zu deutendes Gebilde: Eine Andeutung des Kapitols? Vor Tiberius steht ein junger Offizier mit Bartflaum auf der Wange in Panzer, Paludamentum und Beinschienen, der mit der Linken den Rundschild hält, die Rechte vermutlich in einem Grußgestus auf die Helmkappe legt. Eine schräg hinter ihm stehende Frau blickt ihn an, legt die Rechte an den Nackenschild des Helmes. Sie trägt einen Lorbeerkranz im Haar; ihre Frisur ist zu einer Zopfbügelfrisur des 3. Jahrhunderts verändert. Ein Knabe in Offizierstracht läuft über Waffen nach links. Hinter ihm sitzt eine Gestalt, die eine Schriftrolle hält. Zur Rechten Livias hebt ein stehender Offizier die Rechte grüßend oder weisend zur Augustusgruppe empor, mit der Linken schultert er ein Tropaeum, dessen Oberteil hinter dem Pegasus verschwindet. Die Haltung des Offiziers wirkt anatomisch unstimmig, so als sei er zunächst als Rückenfigur konzipiert gewesen (Schweitzer 1942, 333). Vor ihm sitzt, die Linke auf einem Sphingenthron stützend, eine Frau mit sinnend zum Kinn erhobener Rechten und in die Ferne gerichtetem Blick. Im Vergleich mit der Gemma Augustea fällt der völlig andere Stil des Kameos auf, den Bernhard Schweitzer in seiner vorzüglichen formalen und stilistischen Analyse charakterisiert hat; Wolf-Rüdiger Megow und Wolfgang Oberleitner haben ihn neuerdings in größerem Zusammenhang behandelt. Statt eines rein hellen Bildes auf dunklem Grund werden

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wechselnde hell-dunkle Schichten für die Darstellung genutzt und zwar nicht so, daß etwa jeder Gegenstand oder jedes Gewandteil eine einheitliche Färbung hätte, vielmehr wechseln hellere und dunklere Flecken am gleichen Objekt, ohne daß dies durch den Schichtverlauf erzwungen wäre. Es entsteht der Eindruck von Licht- und Schatteneffekten. Schweitzer hat dies als „malerischen“ Stil bezeichnet. Peiresc (1620) deutete die Darstellung als Versammlung der iulisch-claudischen Familie im Angesicht der Apotheose des Augustus, den er richtig in der Figur des Divus (10) erkannte; die Mittelgruppe benannte er „Germanicus, Tiberius und Livia“. Tristan de Saint-Amant (1635), den Peiresc auf den Kameo aufmerksam gemacht hatte, deutete dagegen den Pegasosreiter (11) als Augustus, den Divus (10) als Iupiter, die neben Tiberius thronende als Antonia, gab aber die für lange Zeit gültige historische Deutung der Mittelszene: Germanicus als Sieger über die Germanen vor Tiberius im Jahre 17 n. Chr. Nach dem Bericht des Tacitus (Ann. 2, 41, 1-3) wurde zu Ende des Jahres 16 n. Chr. ein Triumphbogen neben dem Saturntempel errichtet, weil unter der militärischen Führung des Germanicus und den Auspizien des Tiberius die durch Varus verlorenen Feldzeichen wiedergewonnen worden waren. Am 26. Mai 17 wurde der Triumph des Germanicus über die Germanen gefeiert. Schon im Herbst des gleichen Jahres brach Germanicus in der Orient auf, wie schon in Germanien begleitet von seiner Frau Agrippina maior und dem 12 n. Chr. geborenen Söhnchen Gaius, den die Soldaten „Caligula“ nannten, weil er mit Vorliebe kleine Soldatensandalen mit nagelbeschlagenen Sohlen, caligae, trug (die übliche Übersetzung „Stiefelchen“ ist irreführend). Von dieser Reise kehrte Germanicus nicht zurück, er starb 33jährig am 10. Oktober 19 n. Chr. Beispielhaft für die älteren Benennungen der historischen Figuren sei die Interpretation von Furtwängler wiedergegeben. Der Offizier (3) vor Tiberius (1) und Livia (2) sei Germanicus, „wie er bereit ist, die neue Mission in den Orient anzutreten“. Der damals vorherrschenden Deutung der Frau vor ihm (4) als seine Mutter Antonia mißtraut Furtwängler wegen der mangelnden Übereinstimmung des Profils mit ihren Münzen. Der Knabe (7) sei Caligula. Die sitzende Gestalt hinter ihm wird gegen die vorherrschende Benennung „Agrippina maior“ als weibliche Idealfigur, Clio, die Muse der Geschichte gedeutet. Der Tropaeumträger (5) wäre Drusus minor, der Sohn des Tiberius, die Frau auf dem Sphingenthron (6) seine Frau Livilla. Die Frage, ob die trauernde Orientalengestalt (9) männlich (ein Arsakidenprinz als Geisel in Rom) oder weiblich (die Personifikation von Armenien oder Parthien) sei, bleibt offen. Den Träger (13) des Divus Augustus (10) deutet Furtwängler als Ascanius-Iulus, den schwebenden Schildträger (12) als Drusus maior (38–9 v. Chr.), Bruder des Tiberius, den Pegasusreiter als Marcellus (43–23 v. Chr.), den Neffen des Augustus (so für die beiden letzteren schon Peiresc). Amor, Sohn der Stammutter des iulischen Hauses, sei passender Geleiter des iulischen Prinzen; möglicherweise sei die Deutung von Peiresc richtig, der in seiner Gestalt jenen als Kind verstorbenen Sohn des Germanicus erblickte, dessen Bild Livia habitu Cupidinis in den Tempel der capitolinischen Venus weihte (Sueton, Caligula 7). Eine entscheidende Wende in der Deutungsgeschichte des Camée trat ein, als Ludwig Curtius im Jahre 1934 zeigte, daß der schwebende Schildträger (12) aus ikonographischen Gründen Drusus minor (15 oder 14 v.–23 n. Chr.) sein müsse: Von den in Frage kommenden Prinzen hat nur er diese markante Hakennase (vgl. Abb. 632). Die spätere

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Porträtforschung hat dies bestätigt. Curtius folgerte, „daß eine Darstellung der Entsendung des Germanicus nach dem Osten vom Jahre 17 n. Chr. nicht zugleich die Apotheose des sechs Jahre später verstorbenen Bruders [sc. Adoptivbruders] enthalten kann“ (Curtius 1934, 124). Der Offizier (3) sei Caligula als princeps iuventutis, er habe diese (nicht historisch überlieferte) Würde zwischen 23 und 29 (dem Todesjahr der Livia) erhalten und den Kameo unmittelbar nach Regierungsantritt im Jahre 37 n. Chr. als Erinnerungsbild seiner Ernennung zum Kronprinzen in Auftrag gegeben. Die Deutung von (3) als Caligula ist mit dessen Porträtzügen unvereinbar (F. Poulsen 1937, 34), während die Ähnlichkeit mit Germanicus tatsächlich besteht. Die von Curtius eröffnete Möglichkeit einer retrospektiven Deutung wurde unter dieser Voraussetzung weiterverfolgt. Bernhard Schweitzer stimmte Curtius in der Benennung des Tropaeumträgers (5) als Claudius (geb. 10 v. Chr., reg. 41–54 n. Chr.) zu und setzte den Kameo in dessen Regierungszeit. Der Kaiser habe das Ereignis des Jahres 17 n. Chr. mit Germanicus (3) und Caligula (7) darstellen lassen, um durch den Hinweis auf seinen von Tiberius auf Wunsch des Augustus adoptierten Bruder Germanicus die Legitimität seines Prinzipats zu dokumentieren. Hans Jucker legte die ausführlichste retrospektive Interpretation vor. Nach ihm ist der gepanzerte Knabe (7) Nero im Jahre seiner Adoption durch Claudius (5), 51 n. Chr., sein Blick gelte dem Adoptivvater (5) und der mit diesem seit 49 n. Chr. verheirateten Mutter Agrippina minor (6). Die auf das Jahr 17 n. Chr. zu beziehende Mittelszene mit Germanicus (3), Agrippina maior (? 4), Tiberius (1) und Livia (2) erinnere an „die ruhmreiche Vergangenheit seines Geschlechtes“; die Gesamtdarstellung mache sinnfällig wie dank der Providentia (8) des Augustus und Tiberius jeweils durch Adoption die Kontinuität des Herrscherhauses gesichert wurde, eine Tradition, die Claudius durch die Adoption Neros fortgesetzt habe. Eine evidente Schwierigkeit aller retrospektiven Deutungen ist die Mischung lebender und verstorbener Personen in der als einheitliche Handlung wirkenden Mittelszene. Sie kann nicht durch den Hinweis auf die Gemma Claudia (s. u. Abb. 635a, b) ausgeräumt werden, da dort keine Handlung vorliegt. Hinzu kommt, daß der als regierender Kaiser mit dem lituus dargestellte Tiberius verstorben wäre, während der regierende Kaiser durch nichts hervorgehoben in dem Tropaeumträger (5, als Claudius nach Schweitzer 1942 und Jucker 1976) oder rückblickend als Jüngling oder Kind (Caligula, 3 nach Curtius 1934 oder 7 nach Möbius 1954) dargestellt wäre. Bei einem Bezug der Mittelgruppe auf Triumph und Auszug des Germanicus im Jahre 17 n. Chr. stört jeweils die nicht als „leichte Korrektur“ (Schweitzer 1942, 345) erklärliche Tatsache, daß der damals noch lebende Drusus minor (12) unter den Verstorbenen erscheint. Einer Interpretation des Grand Camée stehen im Laufe der langen und fruchtbaren Deutungsgeschichte zwei nicht immer ausgesprochene Prämissen im Wege: 1. die Annahme, der historische Anlaß für die Darstellung müsse in den Quellen auffindbar sein, wie dies durch glücklichen Zufall für die Gemma Augustea der Fall ist; 2. es müsse eine stilistische Entwicklung vom Stil der Gemma Augustea zu dem des Grand Camée geben bzw. eine „claudische(n) Reaktion gegen den augustisch-tiberischen Klassizismus“ (Möbius 1954/1967, 227), ferner erfordere der stilistische Unterschied einen zeitlichen Abstand von 30–40 Jahren. Geht man davon aus, daß Tiberius der regierende Kaiser ist, als welcher er durch den lituus bezeichnet wird, dann ergibt sich ein zeitlicher Ansatz des Camée zwischen 23 und 29

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Text-Abb. 6 Grand Camée. Skizze mit Numerierung der Figuren 1: Tiberius, 2: Livia, 3: Nero, Sohn des Germanicus, 4: Bona Fortuna, 5: Drusus III, Sohn des Germanicus, 6: Agrippina maior, 7: Caligula, 8: Bonus Eventus, 9: Attis, 10 Divus Augustus, 11: Germanicus, 12: Drusus minor, 13: Iulus, 14: Amor

n. Chr., den Todesjahren des Drusus minor und der Livia. Dies führt zu einer Deutung, die Frederik Poulsen 1937 gegeben hat, der Alexander W. Byvanck (1943), Jean Charbonneaux (1949), Vagn Poulsen (1960), Zsolt Kiss (1975), Klaus Fittschen (1987), Bernard Andreae (1995) und Dietrich Boschung (1989, 1993, 2002) folgen. Die drei Gepanzerten sind dann die Söhne des Germanicus: Der dem Vater so ähnliche Offizier vor Tiberius (3) ist Nero Iulius Caesar (Nero Germanici, 6–31 n. Chr.); der Tropaeumträger (5) Drusus Iulius Caesar („Drusus III“, 7 oder 8–33 n. Chr.) und der Knabe in Offizierstracht (7) der jüngste Bruder Gaius (Caligula, 12–41 n. Chr.). Daß die Frau auf dem Sphingenthron ihre Mutter, Agrippina maior (14 v.–33 n. Chr.), ist, läßt die Frisur deutlich erkennen: Das in der Mitte

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gescheitelte Haar ist auf eine kurze Strecke in sanften Wellen zur Seite gestrichen, dann zu drei Löckchenreihen frisiert. Tiberius stellte die beiden älteren Brüder im Jahre 23 n. Chr., nach dem Tode des Drusus minor, dem Senat als Augusti pronepotes und somit als Kronprinzen vor (Sueton, Tiberius 54; Tacitus, Ann. 4, 8–9). Dieter Hertel (1990) wandte ein, daß ein militärisches Kommando der beiden Prinzen nicht überliefert ist. Der Einwand trifft nicht, weil der Kameo eine mit höfischer Diplomatie in panegyrische Bildersprache übersetzte Bitte um ein solches Kommando darstellt. Die Tracht der Offiziere selbst zeigt dies an: Der, wie es scheint, nie beachtete, merkwürdige Umstand, daß die beiden älteren Offiziere keine Feldbinde haben, nur der Knabe eine solche trägt, entspricht der Tatsache, daß nur Caligula an Feldzügen teilgenommen hat. Daß er caligae trägt, wie Möbius richtig gesehen hat, ist eine unwesentliche aber willkommene Stütze der Deutung. Die durch Kerben getrennten Lederlaschen der Militärsandalen sind an beiden Füßen zu sehen; an dem von vorn gesehenen linken Fuß ist auch ihre Schnürung in der Mitte durch eine Kerbe angedeutet. Agrippina sitzt auf einem Thron, der mit dem Tier der Sibylle geschmückt ist, sie blickt in der Haltung einer Seherin in die Ferne. Es sind die zukünftigen Taten ihrer Söhne, die sie erblickt, Taten, die sie unter den Auspizien des Tiberius vollbringen sollen, wie zuvor ihr Vater Germanicus (11) und Drusus minor (12). Sie werden, wie die besiegten Barbaren in der Sockelzone anzeigen, die Grenzen des Reiches im Norden und Osten sichern. Der Segen des Divus Augustus Pater (10) wird auf den Urenkeln ruhen und Fortdauer und Ruhm der Dynastie garantieren. Der Träger des Augustus hat viele Deutungen erfahren; die m. E. beste bleibt die zweite der zuerst von Albert Rubens, dann u. a. von Furtwängler (1900) vorgeschlagenen Möglichkeiten „Aeneas oder Iulus“. Es ist Iulus-Ascanius, der Ahnherr des iulischen Hauses. Für ihn ist die orientalische Tracht typisch. Zwar sehen wir ihn meist als Knaben in der Szene der Flucht aus Troia; doch stand im Aeneasrelief der Ara Pacis ein Bild des Jünglings in phrygischer Tracht vor aller Augen. Er trägt den Globus als Zeichen der Weltherrschaft des iulischen Geschlechtes, wie dies der Capricorn schon auf augusteischen Münzen tut. Gemeinsam mit Divus Augustus wacht Iulus über seine Nachkommen. Er blickt Germanicus entgegen, dessen Flügelpferd von Amor, dem Sohn der Ahnherrin der Iulier, herangeführt wird. Die Hervorhebung des Germanicus entspricht dem Thema des Kameos, das dem künftigen Ruhm seiner Söhne gilt. Offen blieb noch die Deutung der beiden Figuren (8) und (4). Die hinter Caligula sitzende Gestalt hat mit Haarreif und Lockenkranz die Frisur einer jugendlichen männlichen Personifikation, wie Curtius erkannte. Sie trägt einen auf der rechten Schulter gefibelten Mantel auf nacktem Oberkörper (der rechte auf einen Schild gestützte Arm ist nackt), also eine Chlamys. Diese Tracht ist unvereinbar mit dem die (unverhältnismäßig langen) Beine umhüllenden Chiton. Es muß hier, wie bei dem Tropaeumträger, eine Planänderung am Kameo vorliegen; man hat darauf verzichtet, die Chitonfalten zu beseitigen, da sie nur bei sehr genauem Hinschauen sichtbar sind. Von den in Frage kommenden Numina trägt nur ein Bonus-Eventus-Typus die Chlamys auf nacktem Körper (hier Abb. 684, 703). Der Gott des guten Gelingens soll den guten Ausgang des Geschehens garantieren. Die Züge des Frau (4), die Nero (3) anblickt, sind nicht individuell. Ihre Frisur ist zu einer Scheitelzopffrisur des 3. Jahrhunderts umgearbeitet; die unter dem Lorbeerkranz sichtbaren, originalen Teile der Frisur sprechen für eine nicht modische Idealfrisur mit Nackenknoten. Die Geste ihrer Rechten, die den

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Nackenschirm von Neros Helm umfaßt, ist singulär, jedoch sicher als glückverheißend aufzufassen. Kennzeichnende Attribute fehlen, doch spricht die Verbindung mit Bonus Eventus für die Benennung „Fortuna“, „ Bona Fortuna“ (oder–nahezu gleichbedeutend– „Felicitas“), wobei der Lorbeerkranz als Ausdruck ihrer besonderen Verbindung mit der gens Iulia gewertet werden darf. Die prophetische, glückverheißende Stimmung des Kameos ist der Gattung eigen, wir finden sie bei der Tazza Farnese, dem Onyxalabastron aus Stift Nottuln, der Gemma Augustea ebenso wie bei der Gemma Claudia. Die Glücksverheißung des Kameos sollte nicht in Erfüllung gehen. Durch die Machenschaften des Seian wurden Nero und Agrippina maior im Jahr 29 n. Chr. auf die Inseln Pontia und Pandataria verbannt, wo ihnen nur mehr der Weg in den Freitod durch Verhungern blieb. Drusus wurde ab 31 n. Chr. in den Verließen des Palatin gefangengehalten, wo man ihn verhungern ließ. Man kann sich fragen, ob es nötig war, die Porträts der Geächteten auf dem Kameo vor der damnatio memoriae zu bewahren. Vielleicht nahm Antonia minor (36 v.–37 n. Chr.), die Großmutter der Germanicussöhne, den Kameo in ihre Obhut. Nach Livias Tod war sie die erste Dame am Hofe und mutig genug, Tiberius über die Verschwörung des Seian die Augen zu öffnen. Wegen des zunehmend schlechteren Verhältnisses zwischen Tiberius und der Familie des Germanicus dürfte der Kameo zu Beginn des genannten Zeitraumes entstanden sein, das heißt bald nach dem Tode des Drusus minor im Jahre 23 n. Chr. Den Anlaß für den Auftrag wird man in Zusammenhang mit der Erhebung von Nero und Drusus III zu Kronprinzen bringen dürfen. Ein solcher Ansatz steht auch in Einklang mit dem noch knabenhaften Aussehen des Caligula. Der Stil des Kameo zeigt die Hand eines Meisters, der aus einer anderen Werkstatt kommt als die Meister der Dioskuridesschule. Der in der Wirkung der Oberfläche „malerische“, im Schnitt oft etwas harte Stil, läßt sich ansatzweise schon an dem augusteischen Capricornenkameo New York (Abb. 605) erkennen. Nach dem Grand Camée begegnet er, soweit es sich an sicher datierbaren Kameen ablesen läßt, vermehrt in claudischer und neronischer Zeit. Daneben entstehen weiterhin Werke aus der Schule der augusteischen Hofwerkstatt.

13. Caligula und Roma Ein solches Werk ist das Fragment eines großen Kameos aus der Zeit des überlebenden Germanicus-Sohnes und Tiberius-Nachfolgers Caligula (Abb. 634). In deutlicher Anlehnung an die Gemma Augustea, jedoch nach rechts gewandt thront der Kaiser an der Seite der Roma auf einem Sphingenthron. Die erhobene Rechte hält ein großes Doppelfüllhorn, die Linke ruht auf dem Szepter. Roma, die ihren Schild gleich einem Ehrenschild auf dem Schoß hält, blickt den Kaiser an, ihr linker Zeigefinger ist weisend ausgestreckt. Die spezielle Bedeutung des Gestus bleibt wegen des fragmentarischen Zustandes des Kameos offen. Caligula ist unrasiert, trägt einen „Trauerbart“ wegen des Todes seiner Schwester Drusilla im Jahre 38 n. Chr. Caligula hatte Drusilla zu seiner Gemahlin erklärt und nach ihrem Tode zur Göttin erheben lassen. Das Doppelfüllhorn, Symbol der ptolemäischen Geschwisterpaare, und die Sphinx am Thron verweisen auf das ägyptische Vorbild.

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14. Die Gemma Claudia Als Symbole ehelicher Eintracht des Herrscher- und Prinzenpaares und der aus ihrer Verbindung erwachsenden Glücksfülle erscheinen die reich verzierten, aus einer gemeinsamen „Wurzel“ entspringenden Doppelfüllhörner der Gemma Claudia (Abb. 635a, b). Das linke Füllhornpaar trägt die Büsten des Claudius (geb. 10 v., reg. 41–54 n. Chr.) und der Agrippina minor (15/16–59 n. Chr.), deren Hochzeit im Jahre 49 n. Chr. sehr wahrscheinlich der Anlaß für die Schaffung des Kameos war. Gegenüber stehen die Büsten der Eltern der Kaiserin, Germanicus (15 v.–19 n. Chr.) und Agrippina maior (14 v.–33 n. Chr.). Der von Claudius sehr verehrte verstorbene Bruder Germanicus wird so im nachhinein zu seinem Schwiegervater. Die Verbindung der claudischen mit der julischen Familie setzt sich fort, das Kaisertum des Claudius erfüllt den Willen des Augustus, nachdem der frühe Tod des Germanicus dessen Nachfolge auf dem Thron vereitelt hatte. Claudius trägt mit Eichenkranz und Ägis die Attribute Jupiters, dessen Adler, zugleich der Adler der siegreichen römischen Legionen, steht mit ausgebreiteten Schwingen zwischen den Paaren, blickt den Herrscher an. Agrippina minor ist durch Mauerkrone, Ähren- und Mohnkranz mit Attributen der Kybele und der Ceres ausgestattet, die seit Livia der Kaiserin eigen sind. Der dichte Eichenkranz des Germanicus, die corona civica und das paludamentum, der Mantel des hohen Offiziers, erinnern an seine militärischen Erfolge. Der lorbeerbekränzte Helm seiner Frau ist Attribut der Virtus, der Tapferkeit; es kennzeichnet Agrippina maior, die ihren Mann auf den Feldzügen begleitete und mit großem persönlichem Mut sogar rebellierenden Legionen entgegentrat (Tacitus, Ann. 1, 69). Eindringlich sind die Porträtzüge charakterisiert. Die Frisur des Stirnhaares, die gefurchte Stirn, die kurze Nase und das leicht fliehende Kinn, das kleine tiefliegende Auge des Claudius entsprechen dem Haupttypus des Kaiserporträts. Die Züge des älteren Bruders wirken im Vergleich eher ideal, haben aber dennoch die in der Familie erbliche, leicht zurückgesetzte Unterlippe. Die Züge der älteren Agrippina mit der senkrechten Stirnkontur, deren Linie sich in Mund- und Kinnpartie fortsetzt entspricht ihrem Bildnis auf Münzen. Die jüngere Agrippina hat die typische Frisur aus drei Löckchenreihen über relativ niedriger Stirn. Die Binnenzeichnung der Augen ist beim kleinen Auge des Claudius durch Iriskreis und einen hochsitzenden Pupillenpunkt gegeben, während die größeren Augen der übrigen Familienmitglieder Iriskreise und sichelförmige Pupillenangaben haben. In den seitlichen Zwickeln unter den Füllhörnern symbolisieren Waffenteile die Sieghaftigkeit des Kaisers und des Feldherrn; es sind bildliche Kurzformeln für die besiegten Barbaren in den unteren Zonen der Gemma Augustea und des Grand Camée. Der Meister der Gemme kommt aus der Schule des Diorkurideskreises. Während die Porträtköpfe ganz im klassizistischen Stil geschnitten sind, nimmt er in der Füllhornzone Elemente des „malerischen“ Stiles auf.

15. Claudius Ein großer Hochreliefkameo gibt eine majestätische Büste des lorbeerbekränzten Kaisers Claudius in Tunica und Toga mit einem Kugelknaufszepter zu seiner Rechten (Abb. 636). Auf frontal gesehener Büste ist der Kopf leicht nach seiner Linken gewandt. Merkwürdig mutet die Doppelreihe der Stirnlocken an: Der Kameo war ursprünglich ein Porträt des Caligula mit

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verhülltem Haupt. Als kostbares Kleinod wurde er nach der damnatio memoriae dieses Kaisers nicht vernichtet, sondern umgearbeitet. Die Stirnhaare des Claudius wurden in den oberen Teil der hohen Stirn des Caligula geschnitten und das ganze Gesicht überarbeitet. Wann das über den Hinterkopf herabfallende Togastück und die ursprünglich zur Linken des Kaisers vorhandene Büste, vermutlich einer Dame des Kaiserhauses, entfernt wurden, läßt sich nicht sagen. Ein Profilporträt des Claudius schmückte einst ein im Jahr 1471 von René Ier d’Anjou in die Basilica von Saint-Nicolas-de-Port gestiftetes Armreliquiar für das Fingerglied des Hl. Nikolaus (Abb. 637, s. u. Abb. 860b). Der Kameo hatte schon damals die heutige Form, bei der ein schräger Bruch unten und vermutlich Bestoßungen am Rand geglättet sind. Die hochsitzende Pupille ist wahrscheinlich eine Veränderung aus spätantiker Zeit. Die Schichtung des Steines bereitete dem Gemmenschneider gewisse Schwierigkeiten. Auf der Wange mußte er dünne, daher hell rötlich-braune Reste einer braunen Ader stehen lassen; in der Mundpartie war die braune Schicht zu hoch, um ganz abgearbeitet zu werden; der scheinbar stark herabgezogene Mundwinkel ist eine schwarze Ader, die an der Oberlippe beginnt. Auf einem dreilagigen Sardonyxkameo im Cabinet des Médailles wird Claudius vom Adler des Jupiter getragen. Die Jupiterangleichung geht damit bedeutend weiter als bei dem Typus des Thronenden, umsomehr als nicht der vergöttlichte, sondern der lebende Kaiser dargestellt ist (Abb. 638). Er trägt die Ägis Jupiters, hält in der Rechten den lituus als regierender Kaiser, unter dessen Auspizien Krieg und Frieden stehen. Auf Siege verweisen die den Kaiser bekränzende Victoria sowie Kranz und Palmzweig in den Klauen des Adlers, auf die Segnungen des Friedens das Füllhorn in der Linken. Die Doppelgestalt des Füllhorns verweist zugleich auf eine Ehe des Claudius, entweder die mit der 48 n. Chr. hingerichteten Messalina oder die 49 n. Chr. geschlossene mit Agrippina minor (s. o. Abb. 635). Im Mittelalter galt die Darstellung als Bild des Evangelisten Johannes (s. u. S. 263).

16. Der Nero-Kameo am Dreikönigenschrein Caligula hatte seine Schwester Agrippina minor wegen einer Verschwörung auf die Pontischen Inseln verbannt, von wo Claudius sie zurückholte. Nach der Heirat mit ihrem Onkel Claudius strebte die Urenkelin des Augustus und der Livia danach, ihrem Sohn Nero (geb. 37 n. Chr.) den Thron zu sichern. Er wurde 50 n. Chr. von Claudius adoptiert und folgte ihm 54 n. Chr., noch nicht 17 Jahre alt, auf den Thron. Gerüchte besagten, Agrippina habe Claudius vergiftet. Das Verhältnis zwischen Mutter und kaiserlichem Sohn verschlechterte sich rasch; 59 n. Chr. ließ Nero seine Mutter ermorden. Die beiden folgenden Kameen stammen aus dem hoffnungsvollen Anfang der Regierungszeit. Auf dem Kameo an der Front des Dreikönigenschreines sitzt der junge Kaiser, jupitergleich das Szepter haltend, mit der Ägis angetan und vom Adler flankiert auf dem Thron (Abb. 639). In der Linken hält er die Heckzier eines Schiffes. Sie hat hier eine ungewöhnliche Form; in ihrer Normalform kehrt sie am Schmuck des Wagens des Nero-Triptolemos (Abb. 640) neben einem lituus wieder. Der Kaiser ist Herrscher zu Land und zur See, wobei das Schiffsattribut zusätzlich auf den Plan der Durchstoßung des Isthmos anspielen mag. Der Stern über seinem Haupt ist das sidus Iulium, jener Komet, der einst die Vergöttlichung Caesars verkündete. Nero nimmt das Apotheosezeichen schon als Lebender in Anspruch; das bedeutet: nicht mehr der vergöttlichte Vorgänger, der von Seneca in der

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Apocolocythonsis („Verkürbisung) verspottete Divus Claudius, ist Garant der neuen goldenen Zeit, sondern der regierende Kaiser selbst. Seine Mutter Agrippina minor überreicht Nero den Siegeskranz, sie übernimmt so die Rolle der Victoria, ist zugleich mit Attributen der Ceres und der Fortuna ausgestattet; sie personifiziert alle von der Regierung des Sohnes erwarteten Segnungen. Stilistisch gehört der Kameo, wie der folgende, zur „malerischen“ Richtung.

17. Nero und Agrippina als eleusinische Götter Ein Kameo in Paris spricht eine ähnliche Segensverheißung im mythischen Gleichnis aus (Abb. 640). Nero und seine Mutter als der junge eleusinische Königssohn und die mütterliche Ceres stehen in einem von geflügelten Schlangen gezogenen Wagen, mit dem sie durch die Lüfte fahren werden, um den Menschen die Segnungen des Ackerbaus zu bringen. Nero trägt die militärische Tracht des römischen Feldherrn, hat aber sein Paludamentum zu einem Bausch gerafft wie der Sämann das Tuch mit dem Saatgut. Sein verlorener rechter Arm ist wohl im Gestus des Saatstreuens zu ergänzen. Agrippina trägt Tunica und Mantel; diese unterscheiden sich nicht von der Tracht einer Göttin, wohl aber die modische Frisur; sie hält einen Ähren- und Mohnstrauß in der Linken, mit einer Schriftrolle (mit Gebeten?) in der Rechten scheint sie die Schlangen zu lenken. Der Kaiser wurde bislang als Claudius gedeutet; die mythischen Vorbilder sind jedoch nicht zur Darstellung eines Ehepaares, wohl aber zu der von Mutter und Sohn geeignet. Im Mittelalter galt die Darstellung als „Triumph Josephs“ (s. u. S. 263). Auch die Ausfahrt von Ceres und Triptolemos auf dem Onyxgefäß in Braunschweig bezieht sich wahrscheinlich auf den Regierungsantritt Neros (s. u. XIV B4).

B. KAMEOGEFÄSSE AUS EDELSTEIN UND GLAS 1. Das Onyxalabastron aus Stift Nottuln in Berlin Seltene, kostbare wie Kameen geschnittene Gefäße aus Edelstein haben sich oft in zweiter Verwendung als kirchliches Gerät erhalten. Anders als die nur als Schaustücke dienenden Prachtkameen, wurden solche Gefäße in der Antike zu besonderen, festlichen Gelegenheiten verwendet. Ein Sardonyxalabastron in Berlin stammt aus Stift Nottuln bei Münster, wo es im Mittelalter als Reliquiar für das Blut des kanaanitischen Weibes diente. In der Antike war es ein Gefäß für parfümiertes Salböl, bestimmt zur Salbung eines Neugeborenen nach dem rituellen Bad (Abb. 641a–c). Auf einer Seite umgeben drei Frauen einen neugeborenen Knaben. Die rechte hält den Säugling mit beiden Armen in einem Vorzeigegestus vor ihrer Brust, sie blickt auf die links stehende Frau, die sich mit der Linken auf einen niedrigen Pfeiler stützt, mit der Rechten auf das Kind weist. Hinter den beiden Frauen im Vordergrund steht, leicht erhöht, eine dritte, die eine Spitzamphora schultert. Die Amphora verweist auf den Ritus der Reinigung und Namensgebung, der bei Knaben neun Tage nach der Geburt vollzogen wurde. Die Frau zur Linken trägt eine matronale Frisur mit Mittelscheitel, Schläfenrolle und Nackenknoten, während ihre Begleiterinnen mit den hochgebundenen

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

Haarschöpfen Nymphen ähnlich sind. Die Matrone wurde zuweilen als Mutter des Kindes gedeutet, doch kann eine Sterbliche nicht höherrangig als zwei Göttinnen sein. Vielmehr handelt es sich um einen Dreiverein von Geburtsgöttinnen. Ein solcher waren die Parzen, jedoch sind diese Göttinnen gleichrangig und in der Regel mit kennzeichnenden Attributen ausgestattet (Spindel, Waage, Buchrolle). Hier dagegen handelt es sich um eine altrömische Trias von Geburtsgöttinnen, die aus einer Hauptgöttin Carmenta (oder Carmentis) und zwei Begleiterinnen, den Carmentes (Porrima und Postverta) bestand; ihr Heiligtum lag an der nach ihnen benannten Porta Carmentalis. Ovid nennt Carmentis felix vates, „Glücksprophetin“ (fast. 1,585). Nach Vergil war sie die erste, die den Ruhm des Aeneasgeschlechtes und Roms verkündete (Aen. 8,339–341). Auf das Neugeborene weisend, sagt sie auch hier seine künftigen Taten voraus. Sie werden unter dem Schutz der Venus Victrix, der Ahnherrin des iulischen Geschlechtes stehen, die auf der anderen Seite des Gefäßes, im Rückenakt nach links sitzend, ihren Kopf dem Knaben zuwendet. Ein orientalischer Gefangener, ein Parther, und ein Tropaeum mit germanischen Schilden prophezeien militärische Erfolge über jene Völker, die seit Caesar die gefährlichsten Gegner der Römer waren. Der stark hellenistisch geprägte, erst in Ansätzen klassizistische Stil des Onyxalabastrons spricht für eine Datierung in die Zeit zwischen 50 und 30 v. Chr. Das unverbundene Nebeneinander von Hellenistischem und Klassizistischem ist spätestens in der Zeit der Actium- oder Triumphalprägung möglich; sie wurde 31 oder etwas früher beginnend bis 27 v. Chr. geprägt. Stempel in dem neuen klassizistischen Stil stehen hier neben solchen hellenistischer Art. Der Knabe, für den das Alabastron geschaffen wurde, war mit hoher Wahrscheinlichkeit der 42 v. Chr. geborene Sohn der Octavia, Marcellus. Sein Onkel, der spätere Augustus, und die ganze Familie setzten größte Hoffnungen auf den Erstgeborenen seiner Generation, der leider schon 23 v. Chr. starb. Das Onyxalabastron in Berlin ist das früheste römische Werk in Kameotechnik mit historischem Bezug. Es wurde geschaffen von einem griechischen Gemmenschneider, der aufgrund der stilistischen und handwerklichen Beziehungen zur Tazza Farnese sein Handwerk in Alexandria gelernt haben dürfte. In seiner mittelalterlichen Verwendung ist der Bezug zwischen Darstellung und enthaltener Reliquie offenkundig, sei es daß man das Gefäß bewußt auswählte, sei es, daß sein Bild die Benennung der Reliquie veranlaßte. Die Szene, in der sich drei freundliche Frauen um ein Neugeborenes kümmern, war ohne weiteres verständlich. Die vom Blutfluß geheilte Frau konnte wieder Kinder bekommen. So wird man die Reliquie in ähnlichen Nöten verehrt haben. Für eine interpretatio christiana war eine solche Teildeutung ausreichend. Falls man auch die Sitzende auf der anderen Seite deutete, wird man in ihr die Wöchnerin, schwerlich Venus erkannt haben.

2. Die Portlandvase Die knapp 25 cm hohe Portlandvase ist das berühmteste Kameoglasgefäß (Abb. 642 a, b, zur Geschichte s. u. XIX G, zur Technik s. u. XXIV B1,). Die in frühaugusteischer Zeit geschaffene Amphora aus tief dunkelblauem, durchscheinendem Glas mit opak-weißem Überfang hat ihren ursprünglichen Fuß verloren, an seiner Stelle ist eine Kameoglasscheibe mit dem Oberkörper eines nachdenklichen Jünglings in phrygischer Tracht eingesetzt. Er wird als

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Attis, Paris oder Iulus Ascanius gedeutet. Den unteren Ansatz der Henkel schmücken weiße Pansmasken. Die Darstellungen der beiden Seiten sind singulär. Das kostbare Werk war nach allem Anschein eine Auftragsarbeit. Was die Szenen bedeuteten, war folglich dem Auftraggeber, dem Künstler und, falls es sich um ein Geschenk handelte, dessen Empfänger bekannt. Wie die Hofkameen war die Portlandvase nicht für einen größeren Kreis von Betrachtern bestimmt. Die Deutung der Szenen ist seit dem 17. Jahrhundert eine der größten Herausforderungen an die archäologische Interpretationskunst. Über den Bildern beider Seiten liegt eine geheimnisvolle, zauberische Stimmung. Beide Bilder zeigen ein „Dreifigurenbild“, auf einer Seite (Abb.642 a) bereichert durch die Gestalt eines kleinen Amor. Dieser ist die einzige Figur auf der Vase, über deren Benennung Einmütigkeit herrscht. In der Mitte der Szene sitzt auf einem flachen Felsstück eine Frau mit entblößtem Oberkörper und gelöstem Haar; ihre Rechte umfängt den Leib eines schlangengestaltigen Fabelwesens mit hundeähnlichem Kopf und einem dreizipfeligem Anhängsel am Kinn. Die Frau wendet sich einem Jüngling zu, der auf Zehenspitzen von einem torähnlichen Bau, wie er ländliche Heiligtümer bezeichnet, herzutritt; sie umfängt seinen linken Arm. Der Jüngling legt seinerseits die Hand auf den Oberarm der Frau, so daß die Arme eng verbunden sind; er ist nackt, hält seinen Mantel in der gesenkten Rechten. Amor schwebt, Fackel und Bogen haltend, über der Sitzenden, blickt zu dem Jüngling um. Daß es sich um die Begegnung zweier Liebender handelt, ist mit zurückhaltenden, dennoch deutlichen Bildmitteln gezeigt: durch Entblößung und gelöstes Haar der Frau, den Gestus der aneinandergeschmiegten Arme, sowie den „Schwebeschritt“ des Jünglings, der jenem des Mars gleicht, der Rea Silvia entdeckt, oder dem der Luna, die zu Endymion hinabschwebt. Der Jüngling blickt nicht auf die Geliebte, sondern vorbei an einem Lorbeerbaum hinüber zu einem Bärtigen. Dieser steht leicht gebeugt, der rechte Ellbogen ruht auf dem hochgestellten Knie, das Kinn ist sinnend auf die Rechte gestützt; die vom Mantel umhüllte Linke liegt auf dem Rücken. Der Baum wurde auch als Oleander oder Ölbaum bezeichnet, für letzteren scheinen die Blätter zu groß. In der Mitte der anderen Seite (Abb. 642 b) ruht eine halbentblößte Frau auf einem erhöhten Felssockel; sie hält eine erlöschende Fackel nur mehr locker in der Hand des auf den Fels und ein Mantelstück gestützten linken Armes, der rechte Arm ist ermattet über den geneigten Kopf gelegt; halb träumend, halb wachend scheint sie mit halbgeschlossenen Augen vor sich hin zu blicken. Ihre Haltung entspricht dem Typus der im Schlaf entdeckten Geliebten, wie Ariadne, Rea Silvia und Endymion. Von ihr ungesehen betrachten zwei Götter die Träumende. Links sitzt ein Jüngling auf erhöhtem Felsensitz, sein Mantel ist herabgeglitten, die Rechte ruht auf dem Oberschenkel, die Linke greift in den Mantelsaum. Ein Pfeiler im Hintergrund deutet ein Heiligtum an. Auch hier wächst ein Baum im Hintergrund der Bildmitte, wohl ein Feigenbaum, der jedoch auch als Platane oder Weißpappel bestimmt wurde. Ein gleichartiger, kleinerer Baum wächst hinter dem Bärtigen. Rechts sitzt auf gesondertem Felssitz eine szepterhaltende Göttin mit entblößtem Oberkörper; daß es Venus ist, wurde in der neueren Forschung kaum mehr bestritten. Zu ihren Füßen wächst ein kleiner Strauch, vermutlich die ihr heilige Myrthe. Unterhalb der Schlafenden liegen ein rautenförmiges Felsstück mit einem Zapfloch in der Mitte und eine Phrygermütze. Alle Köpfe sind von augusteischem Idealtypus. Das einzige zeitbezogene

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

Detail scheint die Frisur der Träumenden zu sein. Ihr Haar ist in Stirnmitte hochgeschlagen, ehe es in lockeren Schläfenrollen zum Nacken geführt ist; es ist die römische Nodusfrisur (vgl. z. B. hier Abb. 612), dargestellt von einem griechischen Gemmenschneider. Die Deutungsvorschläge scheiden sich in solche aus dem griechischen Mythos und solche aus der römischen Legende. Unter den ersteren ist die schon von Winckelmann vorgeschlagene Beziehung auf die Peleus-Thetis-Sage die am häufigsten genannte, wobei in der Regel die Sitzende mit der Drachenschlange als Thetis gedeutet wird; nach Denys E. L. Haynes (1964, 1975, 1995), der beide Bilder als zusammenhängende Szene auffaßt, wäre die Träumende Thetis (zwischen Hermes und Aphrodite), während die unter Amor Sitzende eine Meeresgöttin (Doris oder Tethys, die Mutter oder Großmutter der Thetis), der bärtige Gott der entsprechende Gemahl Nereus oder Okeanos wäre. Daß es sich bei dem Paar auf der Amorseite um Liebende handelt, ergibt sich, wie dargelegt, aus dem Bild selbst. Ihr inniges Einverständnis steht jedoch in krassem Gegensatz zu dem vermuteten Mythos. Für ihn ist kennzeichnend, daß Peleus die Meeresgöttin mit Gewalt erringt, während sie sich ihm durch vielfache Verwandlungen zu entziehen versucht. Überdies ist die Gewinnung der Thetis schon seit späthellenistischer Zeit aus dem Bildrepertoire verschwunden. Amor dient nicht als Führer zur anderen Seite, sondern hält, wie Bernard Ashmole (1967) sah, im Flug inne. Der Einwand, daß das Motiv der eng verbundenen Arme kein einfacher Begrüßungsgestus sein kann, gilt auch für die Deutung von Hans Möbius (1965). Hiernach wären auf der einen Seite der Empfang des Theseus auf dem Meeresgrunde durch Amphitrite und Poseidon, auf der anderen Theseus und Ariadne auf Naxos dargestellt. Auch Amors Bedeutung wäre blaß, wenn er nur auf die Liebesverbindung des Poseidon mit Theseus‘ Mutter Aithra zurückverwiese. Auf der anderen Seite ist Aphrodite fehl am Platze, wenn Theseus im Begriff ist, die Schlafende zu verlassen. Die Haltung des Bärtigen ähnelt der eines Neptuntypus oder Darstellungen des sinnenden Odysseus. Über die Benennung sagt eine solche Typenangleichung ebensowenig aus wie die „Ariadnehaltung“ der Träumenden. Florens Felten (1987) sieht in der Amorseite die Befreiung der Andromeda durch Perseus. Haupteinwand gegen diese Deutung ist, daß der Drache in dieser Phase des Mythos tot ist. Auch andere Deutungen aus dem griechischen Mythos bleiben problematisch, da stets entweder eine ungewöhnliche Darstellung eines aus der Bildkunst bekannten Mythos oder die Wiedergabe einer nur literarisch überlieferten Sage angenommen werden muß. Daher neigt sich die Waage zugunsten einer Deutung aus der römischen Legende. Versuche des 17. und 18. Jahrhunderts, die von der angeblichen Auffindung der Portlandvase in einem Sarkophag, den man Severus Alexander zuschrieb, ausgingen, sind überholt. Auch jene Deutungen können nicht richtig sein, die den erotischen Charakter der Begegnung auf der Amorseite – und zwar sowohl zwischen Mann und Frau wie zwischen draco und Frau – verkennen. Nach wie vor Bestand hat dagegen Erika Simons Interpretation (1957, 1964, 1986, 1999). Sie erkannte in den Bildern die Darstellung der Geburtslegende des Augustus (s. o. 127 f.). Das Geschehen ist in eine idyllisch-mythische Sphäre versetzt. Auf der Venusseite ist Atia nach der durch die Fackel gekennzeichneten nächtlichen Feier eingeschlafen. Der für sie unsichtbar in seinem Heiligtum anwesende Apollo erblickt sie. Venus erfüllt ihn mit Liebe, als Ahnherrin der Iulier leiht sie dem neuen Liebesbund zwischen einem Gott und der Familie ihren Schutz. Auf der Amorseite ist Atias Traumerlebnis, die Vereinigung mit der

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Schlange, in zarter Zurückhaltung ins Bild gesetzt. Außer in Gestalt der Schlange erscheint Apollo zugleich in der eines Jünglings. Es ist nicht der griechische Apollon mit langem Haar sondern der römische Apollo-Veiovis, den auch augusteische Münzen der Actium- bzw. Triumphalprägung zeigen. Der bärtige Gott ist Zeuge des Geschehens. Simon hält ihn jetzt am wahrscheinlichsten für Tiberinus, der auch auf den Bildern von Mars und Rea Silvia zugegen ist. Denkbar wäre auch die Deutung als Kronos-Saturnus, den König der ersten goldenen Zeit, der in Apollo den König der neuen goldenen Zeit, die mit der Geburt seines Sohnes beginnen wird, erkennt. Dies würde erklären, daß die Götter sich über Atia hinweg anschauen. Dem Einwand von Kenneth Painter und David Whitehouse (1990, 134), die Seite mit Venus habe inhaltlich zu wenige Gewicht, wenn sie nur das Vorspiel zur Amorseite darstelle, läßt sich entgegenhalten, daß gerade das erste Erblicken der Geliebten Thema der oben genannten Bilder von Ariadne, Endymion und Rea Silvia ist. Der unterschiedlichen Situation gemäß konnte der Gott hier nicht als Ankommender dargestellt werden, da es Atia war, die sein Heiligtum aufsuchte. Die Bildform des Gottes im Epiphanieschritt wurde dagegen für die Traumbegegnung verwendet. Auch Painter und Whitehouse sehen in der Frau unter Amor die Traumbegegnung Atias mit der Schlange, in dem Jüngling jedoch Augustus; auf der Venusseite deuten sie die Träumende als Hekuba, den Jüngling als Paris. Der Gestus des einen, der Blick des anderen Jünglings sprechen aber gegen die Deutung als Mutter und Sohn. Bei Susan Walkers Benennung des Paares (a) als Antonius und Kleopatra macht die Deutung der Schlange, als Anspielung auf Waffenlieferung oder den Selbstmord, und die des Bärtigen, als sonst nicht bekannter Heraklessohn Antonius, Schwierigkeiten, ebenso die Auffassung des Paares (b) als Bruder und Schwester, Octavian und Octavia. Wie oben dargelegt, war die Legende von der Schlangengeburt des Octavian/Augustus seit Beginn seiner Laufbahn und durchaus mit seinem stillschweigenden Einverständnis verbreitet; es verwundert nicht, sie als Thema eines Gefäßes aus der höfischen Gemmenschneiderwerkstatt vorzufinden. Simons Deutung kann sich weiterhin stützen auf eine kleine Gruppe von Gemmen mit dem Bild einer Schlafenden, über der ein szepterhaltender Adler schwebt (Abb. 643). Soweit lehnt sich die Darstellung an einen früheren Typus an, bei dem allerdings die Schlafende in sitzender Haltung dargestellt ist. Nach der Deutung von Andreas Alföldi ist es Rea Silvia, welcher der Adler Jupiters die künftige Königsherrschaft des von Mars empfangenen Romulus verkündet. Auf den genannten Gemmen erscheint jedoch im Unterschied zu den Rea-Silvia-Gemmen eine Schlange, die sich von einem Baum her auf die Schlafende hinbewegt: Offenbar ist mit dieser Variante die Atia-Legende gemeint, deren von Apoll in Gestalt der Schlange gezeugter Sohn ein neuer Romulus werden wird. Zwei Togati, der vordere mit staunend erhobener Hand, betrachten das Wunder. Es sind die nach römischem Sakralrecht erforderlichen Zeugen eines prodigium, wie sie auch auf den Gemmen mit der Auffindung des kapitolinischen Hauptes (Abb. 552) erscheinen und als Zeugen der Himmelfahrt vergöttlichter Kaiser bekannt sind. Ein Haupteinwand gegen die Beziehung der Portlandvase auf die Geburtslegende des Augustus ist die Gestalt der Schlange, die keine apollinische Schlange, sondern ein Meeresdrache, ein Ketos sei. Der hundeähnliche Kopf kann nicht mehr als Argument hierfür dienen, seit das Kameoglas in Köln (hier Abb. 504) bekannt ist. Bleibt das angeblich flossenähnliche Kinnanhängsel. Die Schlange ist jedoch ein Fabelwesen (draco, Sueton,

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

Aug. 94,4). Auch die Schlangen, welche die Laren begleiten, haben drei- und mehrzipfelige Bärte. Überdies entziehen sich mythische Schlangen einer zoologischen Einordnung: die zur Bestrafung des Laokoon gesandten Schlangen (angues, serpentes, dracones) bewegen sich ebenso zu Wasser wie zu Lande (Vergil, Aeneis 2, 203–227). Die Datierung der Portlandvase „bald nach 30 v. Chr.“ (Simon 1957, Painter – Whithouse 1990, 122f.), kann sich vor allem auf den Vergleich mit der Actium- oder Triumphalprägung stützen.

3. Die Onyxkanne in Saint-Maurice d’Agaune Frühestens in der Zeit der Portlandvase entstand die Onyxkanne von Saint-Maurice d’Agaune, deren Darstellung nicht weniger Rätsel aufgibt (Abb. 644 a, b). Wie das Onyxalabastron aus Stift Nottuln war sie in nachantiker Zeit ein Blutreliquiar (s. u. S. 259). Fuß und Fassung der Mündung mit Goldblech, Zellenwerk mit Almandinen, Perlen, Smaragden und Saphiren erhielt sie im 7. Jh. Die Kanne ist aus einem Stück Onyx geschnitten; der gebrochene Henkel, von dem ein Mittelstück fehlt, entspringt über einem Akanthusblatt, mündet in zwei Blattzweigen am Gefäßrand. Eine alte Zeichnung, die zwar Stil und Proportionen der Figuren nicht ganz trifft und Details nicht exakt wiedergibt, kann helfen, den Figurenfries zu betrachten.

Text-Abb. 7. Zeichnung: Abgerollter Fries der Onyxkanne von Saint-Maurice

Links sitzt auf einem Sphingen- oder Greifenthron eine Frau mit verhülltem Hinterhaupt. Sie wendet sich zu einer ebenfalls verhüllten Frau vom Typus der alten Dienerin, die in der Linken eine kleine Hydria hält. Sie wird offenbar mit einer Spende zu dem Grab im rechten Teil der Szene ausgesandt. Es handelt sich um eine Grabstele, die mit einer Rüstung aus Helm, Schild und unter dessen Rand sichtbarem Panzer und Schwert geschmückt ist. Vor der Stele steht eine nach links blickende, mit Chiton und bis zu den Oberschenkeln herabgeglittenem Mantel bekleidete Frau in Rückansicht. Sie hält mit beiden Händen ein Schwert, die Linke faßt das untere Ende der Scheide, die Rechte den Schwertknauf. Hinter der Grabstele stehen zwei gestaffelte Pferde. Zwischen Anfangs- und Endszene sitzt ein alter,

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B. KAMEOGEFÄSSE AUS EDELSTEIN UND GLAS

bärtiger Mann auf einem von einem Tierfell bedeckten Sitz; er führt die Linke nachdenklich zum Bart, stützt sich mit der Rechten auf einen Stab, blickt zum Grabmal hin. Rechts von ihm sitzt eine junge Frau am Boden, trauernd stützt sie den in Vorderansicht gewendeten Kopf mit der Rechten, auch ihr Mantel ist über den Kopf gelegt. Die Profile der Frauen sind rein klassizistisch und das in Vorderansicht gegeben Gesicht der Trauernden hat keine hellenistischen Elemente mehr, wie das der Wasserträgerin auf dem Alabastron aus Nottuln. Wie auf der Portlandvase umgibt freier Raum die harmonisch angeordneten Figuren; wie dort bei der Träumenden ist das Stirnhaar der Thronenden zum Nodus hochgeschlagen. Hieraus ergibt sich eine maximale Datierungsspanne von ca. 30 v. Chr. bis in frühtiberische Zeit. Deutungen und Datierungen Thronende

Hydriaphoros

Greis

Trauernde

Sehende

Grab u. Pferde des

Datierung

Furtwängler 1900

Klytaemnestra

Elektra

Pädagoge

Elektra

Schwester Elektras

Grab Agamemnons, Pferde d. Orest

claudisch

Schazmann 1945

Hecuba

Polyxena

Phoinix

Briseis

Thetis

Achill

antoninisch

Simon 1957

Octavia

Dienerin

Anchises

Julia

Venus

Marcellus

um 20 v. Chr.

Picard 1959

Phaedra

Amme

König? Seher?

Trauernde

Artemis

Hippolytus

ptolemäisch

Picard 1960

Phaedra

Amme

Theseus

„Aricie“

Artemis

Hippolytus

ptolemäisch

Ghedini 1987

Phaedra

Amme

Virbius

Egeria

Diana

Hippolytus

nach 9 v. Chr.

Schwarz 1991/92

Hekabe

Dienerin

Priamos

Polyxena

Aphrodite

Achill

augusteisch

Simon 1998

Juno Regina

Iuturna

Anchises

Iuventus

Venus

C. und L. Caesar

nach 4 n. Chr.

Die Deutung des Figurenfrieses macht Schwierigkeiten. Furtwängler vermutete zwei Szenen aus der Orestie: die Aussendung der Elektra zum Grab des Agamemnon und ihre Trauer am Grabe, mußte aber zur Erklärung der Grabszene eine verschollenen römische Tragödie als Vorbild annehmen, in der die Anwesenheit des Orest anders als in den griechischen Tragödien durch am Grab niedergelegte Waffen und seine Pferde erkannt worden wäre. Paul Schazmann deutet das Grab als das des Achill, an dem Personen aus verschiedenen Episoden seines Lebens ohne Handlungszusammenhang versammelt wären. Die Szene rechts vom Henkel zeige Hekuba im Gespräch mit Polyxena. Der Ort des Gespräches im Mythos bleibt unklar, auch ist die gebeugte Gestalt der Hydriaphoros nicht die einer jungen Frau. Ferner wäre es befremdlich, wenn die einzige Gestalt, die nicht in Trauer

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

verhüllt ist, die Mutter Achills wäre. Charles Picard deutet Thronende und Hydriaphoros als Phaedra und Amme. Typologisch, als Herrin und alte Dienerin, erscheint dies richtig; die Hydria hätte dann jedoch keinerlei Bedeutung innerhalb des Geschehens; als Gerät, das auf die alltägliche Tätigkeit der Amme im Haus verweist, ist sie überflüssig. Die Deutung der Stehenden als Artemis/Diana läßt sich nicht mit der bekannten Ikonographie der Göttin in Einklang bringen. Die zum Vergleich herangezogene Diana von Aricia trägt archaistische Tracht (s. o. S. 99). Die am Boden sitzende trauernde junge Frau am Grab des Hippolytos findet keine Erklärung aus dem griechischen Mythos. Picard deutet an, sie könne eine Vorläuferin der Racine’schen Aricie sein. Diese Figur und die Liebe zwischen ihr und Hippolytos kommen jedoch im antiken Mythos nicht vor. Francesca Ghedini hält an der Deutung auf Phaedra und Amme fest; die der geläufigen ikonographischen Tradition fehlende Hydria diene vielleicht dazu, die in der Darstellung herrschende Atmosphäre der Trauer zu unterstreichen. Sie bezieht jene Überlieferung ein, daß Hippolytos, wieder zum Leben erweckt, von Diana zum Schutz vor Neidern älter gemacht, im Gesicht verändert und mit dem Namen „Virbius“ versehen in den Hain der Diana Nemorensis von Aricia in die Obhut der Nymphe Egeria versetzt wurde (Vergil, Aeneis 7, 760–780; Ovid, Met. 15, 479–546, Ovid, fast. 3, 265; 6, 737–756). Die am Boden Sitzende wäre Egeria, die um den Tod Numas trauert und von Virbius getröstet wird, der ihr sein Leben erzählt. Seine Worte evozieren die Erscheinung der Diana an seinem Grab. Da im Mythos von Hippolytos ein einzelnes Reitpferd, oder das Viergespann, das ihn zu Tode schleifte, zu erwarten wäre, möchte Ghedini die ungezäumten Pferde auf das Pferdeverbot im Hain von Aricia beziehen. In dem Ganzen sieht sie ein mythisches Gleichnis für den Tod des Drusus maior, dessen Tod durch einen Sturz vom Pferde verursacht wurde (9 v. Chr.). Auch bei dieser Deutung bleibt das Problem der Hydria in der Hand der Amme, der nicht zu Diana passenden Ikonographie der am Grab Stehenden, ferner die Schwierigkeit, daß das Grab des Hippolytos zwischen zwei in Aricia angesiedelten Szenen erscheint. Erika Simon hat daher einen historischen Anlaß für die Herstellung der Kanne angenommen. Mit Schwarz sieht sie in der Frauengestalt am Grabe Venus. In der Tat entspricht die Figur in Rückansicht mit dem tief herabgeglittenen Mantel dem Typus der Venus victrix. Wenn abweichend von diesem der Oberkörper bekleidet ist, hat dies seinen Grund darin, daß die strahlende Nacktheit der Göttin am Grab unpassend wäre. Eine Beziehung auf das iulische Haus ist von daher gegeben. Im Gegensatz zu dem früher vorgeschlagenen Bezug auf den Tod des Marcellus bezieht Simon die Darstellung jetzt auf den Tod von Gaius (4 n. Chr.) und Lucius Caesar (2 n. Chr.). Das Schwert in der Hand der Venus ist nicht ihr Attribut, sondern das Schwert des Gaius, das sie der Rüstung des Bruders hinzufügen wird; die beiden Pferde sind die Reitpferde der Prinzen. Die Deutung der übrigen Figuren aus dem iulischen Gedankenkreis fügt sich dem ein. Juno, mit den Aeneaden versöhnt, sendet die Quellnymphe Juturna mit einer Wasserspende zum Grabe; Anchises, aus dessen Verbindung mit Venus Aeneas und die Iulier stammen, trauert um seine Nachkommen, Iuventus um den Verlust der principes iuventutis. Wie die Hydria im Bild, dürfte die Onyxkanne zum Totenkult im Mausoleum des Augustus, wo die Asche der Prinzen bestattet war, verwendet worden sein. Es ist dies eine kohärente Erklärung des Bildfrieses, der sich auf die Figur der Venus, die beiden Schwerter und die beiden Pferde stützt. Die Pferde sind nicht gezäumt, da ihre Reiter sie nicht mehr

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besteigen werden. Für die Deutung des Alten als Anchises spricht das Tierfell, auf dem er sitzt, Anspielung auf sein Leben als Hirte im Idagebirge, wo ihm Venus begegnete; auch der Stab, auf den er sich stützt hat möglicherweise eine tiefere Bedeutung als Hinweis auf die Lahmheit, mit der er bestraft wurde, weil er seine Verbindung mit Venus nicht geheim hielt. Wenn sich die Figuren mit Ausnahme von Venus nur typologisch, als Herrin und Dienerin, trauernde junge Frau, bestimmen, nicht durch Vergleiche benennen lassen, so liegt dies an der Einzigartigkeit der Onyxkanne von Saint-Maurice.

4. Die Onyxkanne aus Mantua in Braunschweig Der Stil eines Onyxkanne in Braunschweig ist trockener und zugleich bunter, gehört der Stilrichtung des Grand Camée an (Abb. 645). Das Gefäß hatte ursprünglich die Form einer Lekythos mit einem von der Mündung zur Schulter führenden aus dem Stein gearbeiteten Henkel. Die Geschichte des vaso di cameo läßt sich bis in die Schatzkammer der Isabella d‘ Este (1474–1539) in Mantua zurückverfolgen. Damals hatte man ihm, nach Verlust des Henkels

Text-Abb. 8. Abgerollter Fries der Onyxkanne in Braunschweig, Stich von M. Tyroff nach Zeichnung von P. G. Oeding

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

durch Anfügung einerTülle und eines Henkels aus Gold seine Kannenfunktion zurückgegeben, wovon heute noch die sekundär eingeschnittenen Rillen zeugen. Thema der Darstellung ist wie bei dem Kameo in Paris (Abb. 640) die Ausfahrt der Ceres und des Triptolemos. Anders als dort ist weder durch Tracht noch Frisur eine Beziehung auf historische Personen angedeutet, dennoch ist sie von der Gattung her wahrscheinlich. Meist wird das eleusinische Paar, wie das des Pariser Kameos, als Claudius und Agrippina (oder Messalina) gedeutet. Wie dort ist der Vergleich mit Ceres und Triptolemos jedoch für ein kaiserliches Ehepaar wenig passend, gut geeignet jedoch für Mutter und Sohn. Aus der Verbindung von stilistischen und historischen Gründen kommt nur die Beziehung auf Nero und Agrippina minor und eine Datierung in den Beginn der Regierungszeit in Frage; wahrscheinlich wurde das Gefäß speziell zur Feier des glückverheißenden Regierungsantritts des Kaisers geschaffen. Agrippina-Ceres legt schützend die Linke auf die Schulter des jungen Triptolemos-Nero. Schwierig ist die Deutung der Fackeln haltenden Göttin mit orientalischem Ärmelgewand und sterngeschmückter Tiara, die von einer Art Aedicula aus den Auszug betrachtet. Wahrscheinlich ist es die Dea Syria (Astarte). Nach Sueton hat Nero alle anderen Kulte verachtet und ausschließlich diese Göttin verehrt, bis er sich im Jahr der pisonischen Verschwörung (65 n. Chr.) dem Kult eines Talismans in Gestalt einer Mädchenstatuette zuwandte (Sueton, Nero 56). Die Verehrung des jungen Nero für die Dea Syria würde ihre singuläre Verbindung mit dem eleusinischen Kreis erklären. Die vor den Opferdienern stehende Priapstatuette läßt sich der Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit zuordnen. Vor der Priapstatuette hält eine kleine Opferdienerin den Opferkorb (Liknon). Die eng mit Astarte verbundene, eine Mohnkapsel haltende Göttin in griechischer Tracht mag Persephone sein. Das Drachengespann der eleusinischen Götter wird sich über die am Boden lagernde Tellus erheben; über ihm schwebt mit vollem Sätuch eine große Flügelfrau. In diesem Zusammenhang ist sie wohl nicht als Victoria sondern als das Sternbild der Jungfrau (virgo) zu deuten. Die Rückkehr der mit Iustitia gleichgesetzten Virgo bedeutet den Anbruch einer neuen aurea aetas mit der Regierung Neros. Das eleusinische Paar wird von einer Gruppe von zwei schreitenden und einer sitzenden Opferdienerin, wahrscheinlich Personifikationen der Jahreszeiten, und einem jungen Opferdiener, der einen gefüllten Korb auf dem Kopf trägt, erwartet. Unter der Bildzone läuft ein Fries mit dionysischen und eleusinischen Kultgegenständen um.

C. GÖTTER, MYTHEN UND MENSCHEN Die Wissenschaft hat sich vor allem mit den historischen Kameen beschäftigt, die Liebe der Sammler aber, von Lorenzo di Medici bis Katharina II. galt den kleinen Kameen mit mythologischen und idyllischen Szenen. Für die Beliebtheit in der Antike sprechen die Kameen selbst. Man hat sie je nach Größe in Ringen oder als Anhänger getragen, größere wohl auch als Schatzkammerstücke aufbewahrt. Wie bei den Intaglien spielt die Welt der Venus und des Dionysos eine große Rolle. Die iulische Venus, die den Adler des Zeus liebkost, verweist auf die Verbundenheit des Kaiserhauses mit dem höchsten Gott und die hierdurch bewirkte Sicherheit von Glück und Wohlstand. Der Kenner wird den Kontrast des dunklen, rauhen Adlergefieders

C. GÖTTER, MYTHEN UND MENSCHEN

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und des hellen, glatten Rückens der Venus geschätzt haben (Abb. 646). Ein Kabinettstück war der 9.2 cm hohe Kameo mit der in Vorderansicht stehenden, sich in einem Spiegel betrachtenden Venus, die sich anmutig auf eine Säule stützt (Abb. 647). Leider ist das Profil durch die bestoßene Nase beeinträchtigt. Zu ihrer Seite steht ein Wasserbecken, auf dessen Rand zwei Tauben sitzen. Der Rubin in der Mitte des Spiegels ist eine mittelalterliche Zufügung. Der Kameo schmückte einst die Mitte der Vorderseite des Reliquiars, das René Ier und seine Frau Jeanne de Laval in die Kirche von Saint-Nicolas-de-Port stifteten (s. u. S. 263). Ringsteinformat hat der Kameo mit Amor, der mit einer Gans ringt; der kindliche Flügelknabe nutzt den Vorteil seiner kleinen Arme, da er, was die Größe der Flügel angeht, im Nachteil ist (Abb. 648). Aus dem Märchen von Amor und Psyche, das lange vor der im „Goldenen Esel“ des Apuleius (2. Jh. n. Chr.) erhaltenen Fassung erzählt wurde, stammt die folgende Szene. Unter einem Baum sitzt die halbentblößte Psyche. Ihre rechteckigen Schmetterlingsflügel ragen schräg nach oben, ein Amor bindet ihr die Hände auf dem Rücken, ein weiterer bedroht sie mit einer Fackel. Rechts sitzt Bacchus in majestätischer Ruhe auf den Thyrsos gestützt (Abb. 649). Die Peinigung der Psyche ist als Prüfung in den dionysischen Mysterien zu verstehen. Am Ende der Leiden sind Amor und Psyche versöhnt. Auf einem Kameo vom Dreikönigenschrein wendet sich Amor an Zeus mit der Bitte, er möge seiner Heirat mit Psyche zustimmen; diese sitzt als Schmetterling zu seinen Füßen (Abb. 650). Ein 4.6 cm hoher Kameo in reicher Gold- und Emailfassung des 16. Jahrhunderts in Wien zeigt Bacchus und Ariadne in liebender Umarmung (Abb. 651). Beide sitzen auf Schemeln mit gedrechselten Beinen. Bacchus lehnt sich an die höher sitzende Ariadne, hat den rechten Arm über den Kopf, den linken in Ariadnes Schoß gelegt; die Geliebte legt ihren rechten Arm um den Hals des Gottes. Hinter beiden steht auf verdeckter Säule eine Statuette des ithyphallischen Priap mit einem Kantharos in der Rechten. Links steht oder lehnt der bebänderte Thyrsos des Gottes. Der Wiener Kameo (Abb. 652) zeigt Diana im griechischen Typus der Jägerin mit auf dem Scheitel hochgebundenem Haar, Köcher und Bogen auf dem Rücken. Solche Kameen waren ein beliebter Frauenschmuck, war doch die Jägerin auch Schützgöttin der Kinder, Spenderin von Fruchtbarkeit und in Rom auch Geburtshelferin. Wie sorgsam ein solches Schmuckstück bewahrt wurde, zeigt die Tatsache daß der in der frühen Kaiserzeit geschaffenen Kameo im 3. Jahrhundert neu als Anhänger gefaßt wurde. Die 10.20 cm hohe augusteische Chalcedonstatuette der Persephone stand vielleicht einst in einem vornehmen Lararium in Rom oder Campanien, ehe sie an ihren Fundort, eine im 2. Jahrhundert n. Chr. errichtete, bis in das 4. Jahrhundert n. Chr. benutzte Grabkammer in Köln-Weiden gelangte (Abb. 653). Die fehlenden Attribute bestanden vermutlich aus Edelmetall: eine große, am Boden aufgestellte Fackel in der Rechten, Getreideähren und Granatapfel in der gesenkten Linken. Zum mythischen Wesen der göttlichen Zwillinge Apollo und Diana gehört die gnadenlose Ahndung menschlicher Hybris, bei der Tötung der Niobiden, der Verwandlung des Aktaion oder der Bestrafung des Marsyas. Der Satyr hatte es gewagt mit seinem Flötenspiel in Wettstreit mit Apollos Spiel auf der Leier zu treten, er wurde besiegt und zur Strafe geschunden. Auf einem Kameo am Dreikönigenschrein betrachtet Apollo, auf einem Klappstuhl unter einem Baum sitzend, in kühler Erhabenheit den an einem Baum aufgehängten Marsyas. Sein Instrument, hier eine Kithara, steht hinter ihm (Abb. 653). Göttliche Gnade dagegen konnte einen Menschen retten, der ausweglos in tragische Schuld

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

verstrickt war. Nachdem Orest seine Mutter Klytaimnestra getötet hatte, um den Mord an seinem Vater Agamemnon zu rächen, floh er von Erinnyen verfolgt zum Tempel des Apoll in Delphi, von dort auf Apollos Geheiß nach Athen, wo er als Schutzflehender das alte Kultbild der Athena umfaßt. Athena erscheint, die Richter des Areopag versammeln sich. Apollo tritt als Verteidiger, die Chorführerin der Erinnyen als Anklägerin auf. Die Richter legen ihre Stimmsteine in die Urne, zuletzt stimmt Athena für Orest. Da die Stimmenzahl gleich ist, wird Orest freigesprochen. Die besänftigten Erinnyen werden zu „Eumeniden“. So gestaltet Aischylos in der gleichnamigen Tragödie die Sage. Ein Kameo in St. Petersburg zeigt den entscheidenden Moment des Geschehens (Abb. 655): Athena läßt ihren Stein in die Urne fallen, Orest beobachtet in gespannter Haltung den sein Schicksal entscheidenden Vorgang. Rechts steht ein archaisches Kultbild der Athena. Ein Baum neigt sich über die Szene. Vor diesem steht eine Frau, deren Spannung sich anders als bei Orest in den vor die Brust gepreßten Händen ausdrückt. Diese Figur kommt nicht bei Aischylos vor. Ihre Nähe zu Orest und die ängstliche Haltung sprechen dafür, daß es sich eher um seine Schwester Elektra als um die Anklägerin Erigone, die Tochter von Aigisth und Klytaimnestra, handelt. Die Figuren stehen weiß auf dunkelbraunem Grund, eine obere braune Schicht ist nur für die Ägis der Athena verwendet. Das Kameobild gibt einen Ausschnitt einer größeren Darstellung des Urteils über Orest wieder. Ein Silberkantharos im Palazzo Corsini, Rom, der auf das gleiche Vorbild zurückgeht, überliefert weitere Figuren. Beiderseits von Athena sind dort eine stehende Erinys mit Fackel und eine mit sinnend aufgestütztem Haupt sitzende, beide mit struppigem Haar und um die Taille gegürteten Mänteln zu sehen. Ob das Vorbild ein Gemälde oder einer der beiden silbernen Skyphoi des Toreuten Zopyros (Mitte 1. Jh. v. Chr.) mit dem Rat des Areopag und dem Urteil über Orest (Plinius 33,156) bzw. dessen Vorbild war, wird sich kaum entscheiden lassen. Gemäß der Bestimmung der Kameen als Schmuck zeigen Motive aus dem Leben der Menschen vor allem dessen festliche und heitere Seiten. Ein 2.7 cm breiter Kameo in St. Petersburg schildert eine Szene aus dem orgiastischen Kult der Kybele (Abb. 656). In einem erhöht auf geschichteten Felsen rechts im Hintergrund stehendenTempelchen steht das Kultbild der thronenden Kybele, dahinter wächst ein nach links geneigter Baum. Im Vordergrund steht ein mit Früchten bedeckter Altar auf einem Sockel aus Felsquadern. Rechts davon sitzt ein die Doppelflöten blasender Jüngling in der phrygischen Tracht des Attis. Zwei Frauen, die erste mit einem Messer, die zweite Kymbeln schlagend, tanzen auf Altar und Tempel zu. In einem heiligen Hain der Diana dreht sich eine in einen weiten Mantel gehüllte Tänzerin, reizvoll bringt der die Gestalt umschwingende dünne Stoff ihre Bewegung zur Geltung. Links steht auf einem Pfeiler eine archaistische Statuette der Diana (Abb. 657). Zwei Fischer in Arbeitstracht, einer kurzen Tunica, die über der rechten Schulter offen ist, sind bei leichtem Wind auf dem Meer (Abb. 658). Der ältere, bärtige sitzt im Heck des Bootes, hat das Runder auf die Bordwand gelegt, faßt die unteren Zipfel des rechteckigen Segels; sein jüngerer bartloser Gefährte, der ein Tuch um den Kopf gebunden hat, hält einen Fisch an der Angelleine. Aus der oberen rötlichen Schicht ist der an die Bootswand gebundene Korb geschnitten, der den Fang aufnehmen soll. Es ist eines der Bilder des einfachen Lebens wie sie die Hirtengedichte Vergils oder kleine Friese römischer Wandmalereien schildern.

A. MEISTERWERKE, PORTRÄTS

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XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT, 1/2.–5. JAHRHUNDERT N. CHR. Die in spätrepublikanischer Zeit begründeten, seit augusteischer Zeit insbesondere für den kaiserlichen Hof arbeitenden Werkstätten der großen signierenden Meister und ihrer Schüler existierten allenfalls bis in flavische Zeit. Ab dem 2. Jh. n. Chr. begegnen nur mehr wenige signierende Meister; immer noch sind es Griechen wie Koinos, Platon und Hyperechios (Abb. 674, 675). Auch unsignierte Werke des höfischen Stiles werden selten. Offenbar war die Begeisterung des Hofes und der vornehmen römischen Gesellschaft für diese kleinen Kunstwerke abgeflaut, was dazu führte, daß die Zahl erstklassiger Meister, die von ihrer Kunst leben konnten, geringer wurde. Möglicherweise wechselten einige von ihnen als Stempelschneider in die Münz- und Medaillenprägestätten, die gerade im 2. Jahrhundert. n. Chr. vorzügliche Arbeiten hervorbringen. Auch bei Kaiserkameen setzt sich der Stil der klassizistischen Meister nicht fort. Vorzügliche Arbeiten finden sich nach wie vor, vor allem bei Porträts. Dies zeigt zum einen, daß es weiterhin Meister der Gemmenschneidekunst gab, zum anderen, daß hohe Qualität nicht um ihres künstlerischen Ranges allein, sondern mehr zur Hervorhebung des Dargestellten geschätzt wurde. Die Werkstätten der Handwerker arbeiten weiter, ja die zunehmende Menge der Gemmen spricht für einen wachsenden Bedarf. Es zeigt sich jedoch ab der Wende des 1. zum 2. Jahrhundert n. Chr. ein Wandel in Stil, Themen und Vorlieben für bestimmte Steinsorten. Die schon ab claudischer Zeit zu beobachtende Versteifung der Figuren nimmt zu (s. o. S. 136), die formale und inhaltliche Vielfalt der Motive nimmt ab, erzählende Bilder werden selten. Standardmotive werden vielfach wiederholt, etwa der thronende Jupiter mit Blitz oder Patera, Mercur mit Caduceus und Geldbeutel, Sol im Viergespann oder stehend, Bonus Eventus und Fortuna, Venus victrix und die jagende Diana oder der stehende Hercules, die schreitende Omphale. Die immer vorhandene Tendenz, Gemmen als Glücksbringer zu tragen, scheint sich zu verstärken. Konvexe Gemmen werden insgesamt seltener, kommen jedoch besonders bei mehrschichtigen Sardonyxen in extrem gewölbter Form vor. Karneol bleibt wie immer beliebt, jedoch werden den durchscheinenden Steinen der früheren Zeit jetzt undurchsichtige wie grüner, gelber Jaspis und insbesondere roter Jaspis, sowie der rotgesprenkelte grüne Heliotrop vorgezogen.

A. MEISTERWERKE: PORTRÄTS Gemmen von vorzüglicher Qualität waren wohl immer Auftragsarbeiten. So finden sich meisterhafte Arbeiten vor allem unter den Porträts von Mitgliedern des Kaiserhauses. Ein solches Meisterwerk war das verschollene Original einer Würzburger Glaspaste mit der Paludamentumbüste des Traian im Lorbeerkranz (Abb. 659). Es sei daran erinnert, daß für die Bestimmung der Kaiserbildnisse und ihrer insbesondere auf den Varianten der Frisur basierenden Typen der Abdruck maßgebend ist, hier nach den Originalen abgebildete

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XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT

Porträts für diesen Zweck also in der Regel spiegelverkehrt zu lesen sind (Ausnahmen: Abb. 663, 666, 700). Ein Nicolo zeigt die Porträtbüste der Matidia (vor 69–119 n. Chr.), der Nichte des Kaisers Traian und Schwiegermutter des Hadrian (Abb. 660). Sie trägt die für sie charakteristische, komplizierte Frisur mit hohem Haar-Aufbau über der Stirn und einem großen auf dem Hinterkopf aufgesteckten Haarnest; zwischen den Teilen der Frisur sitzt das Diadem. Die Büste ist mit Tunica, Stola und Mantel bekleidet. Nach dem Tod ihrer Mutter Marciana wurde Matidia, 112 n. Chr., zur Augusta erhoben und erhielt damit das Münzrecht. Die Inschrift PIETAS, etwa zu übersetzen mit „pflichtgemäßes Verhalten“, verbindet die Gemme mit Münzen aus den Jahren ca. 115–117, die das Porträt der Matidia auf der Vorderseite und das der Pietas, oder Matidia als Pietas auf der Rückseite zeigen. Hadrian trug als erster Kaiser einen Bart, wahrscheinlich als Ausdruck seiner philosophischen Neigungen (Abb. 661). Antinoos, der aus Bithynien stammende Liebling des Hadrian, wurde nach seinem Tod im Nil (130 n. Chr.) als Gott verehrt. Auch dieser große Intaglio, der die Büste des Antinoos mit einem (beiderseits beschädigten) Speer zeigt, dürfte als Andenken an den jung Verstorbenen geschaffen worden sein (Abb. 662). Ein Nicolo zeigt die Büsten des Antoninus Pius (138–161 n. Chr.) mit Lorbeerkranz als Kaiser und des barhäuptigen Marc Aurel als Caesar (Abb. 663). Aufgrund der Barttracht des Marc Aurel läßt sich die Gemme sehr genau, nämlich in die Jahre 147–149 n. Chr., datieren. Da Antoninus Pius sich auf der Ehrenseite zur Rechten Marc Aurels befindet, ist dieser Intaglio ausnahmsweise auf die Betrachtung im Original hin gearbeitet, war also ein Schmuckstück, kein Siegel. In der Tat läßt sich der zweifarbige Nicolo-Schnitt gut im Original betrachten. Eine Büste des jungen, etwa 17–23jährigen Kronprinzen Marc Aurel, den Schläfenflügel und Caduceus als Mercur bezeichnen, ist in eine prächtige barocke Fassung als Anhänger eingefügt (Abb. 664). Das Porträt einer Römerin in Aquamarin ist ein hervorragendes Privatporträt antoninischer Zeit (Abb. 665a, b). Die Dame trägt eine Frisur mit hochsitzendem Zopfnest in der Art der älteren Faustina, Gemahlin des Antoninus Pius (gest. 140 n. Chr.). Der Qualität des Schnittes entspricht die Kostbarkeit des Steines. Aquamarin, der blaue Beryll, kommt ebenso wie Smaragd, der grüne Beryll, nur selten als Gemmenstein vor; seine Härte (7,5–8 der Mohs’schen Skala) fordert ein besonderes Können des Gemmenschnei-ders. Die Fassung als Anhänger aus Gold mit rotem, blauem, grünem und weißem Email und einem Gehänge aus fünf Perlen wurde um 1580, wahrscheinlich in Bologna geschaffen, als sich der Intaglio im Besitz des Nürnberger Sammlers Paulus Praun befand (s. u. S. 273). Von Septimius Severus und seiner Familie existieren recht zahlreiche Porträts auf Gemmen und Kameen, sowohl in sehr guter wie in flüchtiger Qualität (s. u. Abb. 700); wie es scheint, erlebten Gemmen als Medium zur Darstellung der Kaiserfamilie eine Renaissance auf unterschiedlichen Niveaus. Auf einem im Glasabdruck erhaltenen verschollenen Karneol sind die gestaffelten Büsten des Septimius Severus (193–211 n. Chr.) und seiner Gemahlin Julia Domna denen der Söhne Caracalla und Geta gegenübergestellt (Abb. 666). Aus den Porträttypen der Söhne ergibt sich eine Datierung in die Jahre 208– 210 n. Chr. Kurz nach seinem Regierungsantritt im Jahre 211 n. Chr. ließ Caracalla den jüngeren Bruder ermorden. Auch für diesen Intaglio ergibt sich aus der Anordnung der Paare, daß er im Original betrachtet werden sollte (s. auch u. Abb. 700). Aus der Regierungszeit des Caracalla (211–217 n. Chr.) stammt das in den seltenen Aquamarin geschnittene

A. MEISTERWERKE: PORTRÄTS

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Porträt in Wien (Abb. 667). Die gefurchte Stirn über zusammengezogenen Brauen und das vorgeschobene Kinn stellen den Kaiser als energischen Heerführer dar (vgl. Fittschen– Zanker I 108). Eine Seltenheit ist das im antiken Goldring erhaltene Porträt der Plautilla in Nicolo (Abb. 668). Das junge Gesicht ist charakterisiert durch die runde Stirn, eine zart gebogene Nase, ein kleines rundes Kinn; die Kaiserin trägt eine modische Frisur mit tief im Nacken sitzenden Nest und ein Ohrgehänge mit zwei tropfenförmigen Perlen. Die Gemme muß in der kurzen Zeit der Ehe mit Caracalla, vor der Verbannung Plautillas nach Lipara, in den Jahren 202–205 n. Chr. entstanden sein. Auch Plautilla wurde nach Regierungsantritt des Kaisers ermordet. Die Büste des Maximinus I. Thrax (235–238) in Panzer und Paludamentum zeigt das für die Soldatenkaiser typische kurzgeschnittene Haupthaar und einen aus noch kürzeren Stop-peln bestehenden Bart (Abb. 669 a, b). Das Rückseitenbild des mit dem Löwen ringenden Hercules spricht einen Vergleich des Kaisers mit dem Heros aus. Das Porträt ist mit großer Sorgfalt unter Verwendung vieler verschiedener Zeiger gearbeitet. Eine gewisse Härte und Kantigkeit des Schnitts ist als bewußt eingesetztes Stilmittel zu verstehen. Auf der Rückseite hat der Gemmenschneider ein ihm geläufiges Motiv mit raschen Schnitten weniger Zeiger gearbeitet; man beachte die Verwendung des gleichen Flachperlzeigers für Oberarm und Rippen des Hercules. Der Intaglio ist ein Beispiel dafür, daß das Qualitätsniveau nicht nur von der Fähigkeit des Gemmenschneiders abhängt, sondern auch von seiner künstlerischen Absicht, der Herausforderung durch den Auftrag und dem Arbeitstempo. Das Rückseitenbild gibt einen Anhaltspunkt für die Datierung stilverwandter Gemmen des Flachperlstiles. Ein etwas späteres privates Familienbild in einem horizontal geschichteten Sardonyx steht kaiserlichen Porträts an Qualität nicht nach (Abb. 670). Der Intaglio war ein Geschenk, wie aus der mit einem Glückwunsch beginnenden Inschrift hervorgeht: Dargestellt sind die einander zugewandten Büsten des Pancharis und seiner Gemahlin Basilissa, zwischen ihnen die in Vorderansicht gegebene Büste ihres Töchterchens Paulina, das noch ein Kleinkind mit kurzen Haaren ist. Pancharis trägt einen kurzen Bart, Basilissa die sog. Scheitelzopffrisur, bei welcher das Haar in Wellen zum Nacken gekämmt, dort in einen Zopf geflochten und bis zur Mitte des Scheitels hochgesteckt wird; hieraus ergibt sich eine Datierung um die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. oder bald danach. Stilistisch ist die feine Flachperlarbeit dem Porträt des Maximinus Thrax (Abb. 669) vergleichbar. Es handelt sich wahrscheinlich um eine christliche Familie, wie die in größeren Buchstaben, aber von gleicher Hand zwischen den Köpfen und unterhalb der Büsten beigeschriebenen Worte „Leben (ist) der eine Gott“ nahelegen. Das singuläre Porträt einer armenischen Prinzessin fügt sich unbeschadet der östlichen Herkunft stilistisch in die römische Glyptik ein (Abb. 671). Die Umschrift bezeichnet sie als „Königin Warazadukta“; Warazducht, deren Name hier gräzisiert ist, war eine Tochter von Chosroes (Chosrau) II. (ca. 330–339). Sie trägt um das zur Zopfkrone aufgesteckten Haar ein wohl mit Edelsteinen geschmücktes Metalldiadem mit Nackenschleife. Der Intaglio war, wie die Inschrift weiter sagt, Siegel einer Hermione. Es ist anzunehmen, daß das Siegel ein Geschenk Warazduchts an Hermione war, der Zusatz „Seele“, d. h. „Liebste“ drückt aus, daß sie ihr in Liebe verbunden war. Ein 3.71 x 2.77 x 1.48 cm großer bikonvexer Amethyst gibt, trotz des für eine Gemme zwar großen im Vergleich mit überlebensgroßen konstantinischen Porträts in der Rundplastik jedoch kleinen Formates ein monumentales Porträt Constantinus I., des

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XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT

Großen (306–337 n. Chr.) (Abb. 672). Eine große gebogene Nase mit hängender Spitze, volle geschlossene Lippen, ein kräftiges Kinn, die fein modellierteWangenpartie kennzeichnen das langgestreckte Gesicht. Das übergroße, unbewegt blickende Auge drückt die über das Irdische erhabene Majestät des Kaisers aus. In der Wiedergabe der Haare durch leicht gewellte Strähnen mit parallelen Linien als Binnengravur zeigt sich ein neuer kalligraphischer Stil, der auch auf konstantinischen Münzen zu beobachten ist. Eine in Saphir geschnittene Büste in Vorderansicht trägt die lateinische Umschrift „Alarich König der Gothen“; aufgrund der strengen Stilisierung des Porträts muß es sich um Alarich II., König der Westgoten (484–507 n. Chr.), handeln (Abb. 673). In das Oval des Kopfes sind parallel geordnete, bis auf die von der Nase ausgehenden Brauenbögen reichende Haarsträhnen eingeschnitten. Dicht darunter sitzen tropfenförmige Augen mit Pupillenpunkten; zwei kleine Schnitte geben die Lippen. Die Büste ist mit einem Panzerhemd bekleidet. Saphir, der blaue, und Rubin, der rote Korund sind mit Härte 9 der Mohs’schen Skala die härtesten und kostbarsten Gemmensteine und wie Berylle sehr selten. Am Ende diese Abschnittes mag die zu Anfang erwähnte Meistersignatur des Hyperechios stehen. Das Idealporträt eines Philosophen ist in roten Jaspis, einen Lieblingsstein des 2. Jahrhunderts n. Chr., geschnitten (Abb. 674). Die dicht in den Mantel gehüllte Büste erscheint in Vorderansicht, zwei Finger halten den Mantelrand. Der bärtige Kopf ist leicht zur Seite gewendet, vom Haar des Oberkopfes ist nur ein in die Stirn hängendes Büschel und dichtes Schläfenhaar erhalten; die zusammengezogenen Brauen, die starken Nasolabialfalten, die herabgezogenen Mundwinkel verleihen dem Gesicht einen skeptischen Eindruck. Wahrscheinlich ist Bias von Priene, einer der sieben Weisen, gemeint, der in der 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. lebte. Auf seiner Bildnisherme im Vatikan steht als sein Ausspruch: „Die meisten Menschen sind schlecht“. Der Intaglio ist von Hyperechios signiert. Vom gleichen Meister stammt das Bild eines schreitenden Löwen, der passend zur Farbe des Löwenfells in gelben Jaspis geschnitten ist (Abb. 675). Der nach vorn gewandte Kopf des Löwen zeigt die gleiche Meisterschaft des Tiefschnitts wie die Philosophenbüste, die Haare der Löwenmähne sind ähnlich wie die des Philosophenbartes in Tuffs mit Binnengravur wiedergegeben.

B. KÜNSTLER UND HANDWERKER 1. Chronologie Es gelten die gleichen allgemeinen Grundsätze für die Datierung wie in der späten Republik und frühen Kaiserzeit (s. o. XIII C1). An datierten Funden sind vor allem die Gemmen aus den späteren Schichten von Caerleon und der Fund von Snettisham zu nennen, ferner Einzelfunde aus dem ganzen römischen Reich. Die Ringformen werden aufwendiger im Vergleich mit jenen der vorhergehenden Zeit. Ein hohler Goldring mit einer kahlköpfigen Maske in rotem Jaspis wurde mit anderen Schmuckstücken in einem Kästchen aus Eichenholz in einem Sarkophag gefunden, der um 180 n. Chr. datiert wird. Er zeigt eine in der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts aufkommende Form mit abgesetzten Reifschultern

B. KÜNSTLER UND HANDWERKER

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(Abb. 676a, b). Für das 3. Jahrhundert n. Chr. sind unter anderen Formen schwere Ringe mit breiten ausladenden Schultern charakteristisch; sie sind hier mit in Niello eingelegten Zweigen geschmückt, der Rand der Ringplatte ist mit einem trapezförmigen Glied zwischen Voluten verziert. Die im linken Teil beschädigte Gemme gibt eine Bild des stehenden Bacchus im Flachperlstil (Abb. 677a, b). In nachkonstantinischer Zeit geht die Gemmenproduktion stark zurück. Dies kann nicht daran liegen, daß etwa die Kunst des Steinschneidens verloren ging, da es kunstvolle geschnittene spätantike Gefäße aus Edelstein und Glas gibt. Eine Ursache dafür dürfte sein, daß mit dem zunehmenden Gebrauch von Bleisiegeln in byzantinischer Zeit Gemmen als Siegel an Bedeutung verloren. Bleisiegel, die mit Zangen geprägt wurden, hatten gegenüber den ungebrannten Tonsiegeln den großen Vorzug besserer Haltbarkeit. Parallel zu dieser Entwicklung gewinnen Ringe mehr und mehr Schmuckfunktion, die Fassungen werden aufwendiger, das eingeschnittene Bild verliert an Bedeutung, wie das Beispiel eines prächtigen Goldrings des 4. Jahrhunderts mit einem Intaglio einfachster Art zeigt (Abb. 678a, b). Zunehmend werden auch ungeschnittene Steine in Ringe gefaßt.

2. Stil Die Vielzahl der Stilrichtungen der späten Republik und frühen Kaiserzeit (o. S. 133–140) reduziert sich etwa ab der Wende des 1. zum 2. Jahrhundert n. Chr. in der Hauptsache auf Flachperl- und lineare Stile, die in verschiedenen Qualitätsstufen vorkommen. Klassizistischer Stil tritt teils auf hohem Niveau, meist jedoch in der Form des klassizistisch-linearen Stiles auf. Rundperlstil kommt nur selten als archaisierender Rückgriff vor. Bei durchschnittlichen Gemmen bewirkt die stets gleiche Technik, vielleicht auch die Wanderung von Gemmenschneidern eine „Koine“, die landschaftliche Unterschiede nicht primär aufgrund des Stiles, allenfalls im Zusammenhang mit anderen Indizien, wie Darstellungen lokaler Kulte, erkennen läßt. Die Zuordnung zu einem Stil erfolgt nach den hervorstechenden Elementen; wie zuvor werden je nach Motiv und Format Elemente verschiedener Stile verbunden und die Übergänge, etwa zwischen klassizistischem und klassizistisch linearem Stil, klassizistisch linearem und linearem Stil, sind zuweilen fließend.

Klassizistischer Stil Ein Kaiser in Panzer und wehendem Mantel sprengt, die Lanze schwingend, auf steigendem Pferd über besiegte Barbaren hinweg (Abb. 679). Hinter ihm liegt ein Gefallener mit ovalem Schild; unter dem Pferd sitzt eine trauernde Frau, vor der ein bärtiger Mann mit Rundschild und stoßbereit gezücktem Schwert kniet; sein Schwert ist wohl kaum gegen den Kaiser gerichtet, der nicht kämpfend, sondern als Sieger schlechthin erscheint; wahrscheinlich will er sich und sein Weib töten, um der Gefangenschaft zu entgehen. Sehr feine Flachperlund Scheidezeigerschnitte sind für Details wie die Behaarung des als Sattel dienenden Raubtierfells, die Pferdemähne, Gewandfalten, Haare und Gesichter verwendet; trotz der plastischen Modellierung verleihen sie dem Schnitt eine gewisse, offenbar beabsichtigte Härte. Motiv, Stil und Unbärtigkeit des Kaisers machen wahrscheinlich, daß der Intaglio Traians Sieg über die Daker feiert. Eine Wiedergabe des Kopfes der Zeusstatue des Phidias

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XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT

in Olympia ist ein vorzügliches Beispiel des klassizistischen Stiles der hadrianischen Zeit (Abb. 680). Der Gott trägt einen Kranz aus den Zweigen des heiligen Ölbaums, aus denen auch die Kränze der Sieger gebunden wurden. Das mit bewegten Schnitten feinster Scheidezeiger wiedergegebene Haar ist in bewußtem Kontrast zur idealen Glätte der Gesichtszüge gestaltet. Der nach unten, auf den Beschauer gerichtete Blick des Gottes gibt eine literarisch überlieferte Wahrnehmung der Betrachter wieder. Ebenfalls hadrianisch sind die beiden folgenden Gemmen. Die Verbindung von archaistischer Haartracht und klassizistischem Profil prägen das Bild einer Bacchusbüste (Abb. 681). Der verschollene Karneol hat eine berühmte Geschichte: Kardinal Giuliano Cesarini (1398–1444) soll ihn aus Griechenland mitgebracht haben, später gehörte er Fulvio Orsini (1529–1600); der Kopf galt damals als Porträt Platons. Ein von den Zeichen des Tierkreises umgebenes, schönes Gorgoneion in Dreiviertelansicht konnte den Besitzer das ganze Jahr über vor Unheil schützen (Abb. 682). Ein Elefantengespann, das von einem Reiter mit dem typischen Hakenstab gelenkt wird, zieht einen Wagen, auf dem Ceres mit Ähren und Füllhorn thront (Abb. 683). Das Bild ist Münz- und Gemmendarstellungen nächstverwandt, die Diva Faustina maior im gleichen Typus zeigen. Auch hier kann die 140 n. Chr. vergöttlichte Kaiserin gemeint sein, wenn man das Fehlen des Schleiers dem kleinen Format zugute hält. Das Miniaturbild ist eines jener Kabinettstücke, bei denen es zu bewundern galt, wie es dem Gemmenschneider gelang, zwei gewaltige Elefanten samt Götterstatue und Wagen in ein Oval von 2.08 x 1.18 cm einzufügen. Der im Profil stehende Bonus Eventus mit Ähren- und Traubenbündel in der gesenkten, Früchteschale in der erhobenen Hand ist ein sorgfältig geschnittenes Beispiel eines beliebten, in allen Qualitätsstufen vorkommenden Motivs (Abb. 684, vgl. Abb.703). Porträts im klassizistischen Stil wurden im vorigen Abschnitt behandelt.

Klassizistisch-linearer Stil Der schon im 1. Jahrhundert n. Chr. einsetzende klassizistisch-lineare Stil (s. o. S. 139) setzt sich fort, wird zu einer beherrschenden Stilrichtung der späteren Kaiserzeit. Die schräg angeschnittenen Schichten eines horizontal geschichteten Sardonyx bilden den Rahmen für das auf einer modischen Kline mit senkrechter Lehne ruhende Paar Venus und Mars (Abb. 685). Unter der Kline spielt Amor mit den Waffen des Mars, Schwert, Beinschienen, Helm und Schild. Der Intaglio war wohl ein Liebesgeschenk, was durch die am Original zu lesende Inschrift AMOR noch unterstrichen wird. Die Grundformen der Körper sind ohne Ausgleich der Übergänge eingeschnitten, die Gewänder und die Teile der Gesichter linear gestaltet. Eine originelle Arbeit ist die Darstellung der Venus als Planet (Abb. 686). Sie erhebt sich von ihrem Thron, d.h. das Gestirn geht auf. Der Gemmenschneider hat die Farben des gelblich-rotbraunen Sards mit Absicht so verwendet, daß sie den Eindruck des sich vom Horizont her erhellenden Himmels vermitteln. Die Büsten von Sol und Luna, Symbole der Ewigkeit, flankieren den Thron. Über dem Haupt der Göttin stehen, in der hellsten Zone des Steins, die sieben Sterne der Pleiaden, die auf Münzen als Symbole der saeculi felicitas, des „glücklichen Zeitalters“ unter dem jeweiligen Kaiser, erscheinen. Das Gemmenbild soll dieses Glück in der privaten Sphäre garantieren. Auf einer lapislazulifarbenen Glasgemme steht Isis

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neben einer für das kleine Format recht getreuen Wiedergabe des Pharos von Alexandria mit einer bekrönenden Statue und zwei muschelhornblasenden Tritonen auf dem Gesims des unteren Stockwerks (Abb. 687). Die Göttin trägt die Krone aus Kuhgehörn und Federn (die Sonnenscheibe ist im Profil nicht sichtbar), der „Isisknoten“ des Tuches über der Brust ist angedeutet; in der erhobenen Rechten hält sie ein Szepter und eine Festgirlande, in der Linken als Schutzgöttin der Seefahrer das Steuerruder. Die Gemme läßt sich durch Münzvergleich in traianische Zeit datieren. In Smyrna wurde Nemesis, die Göttin der Rache, als Zweiheit verehrt, was die Verdoppelung ihrer Macht bedeutete. Die beiden Nemeseis stehen sich auf einem roten Jaspis zu Seiten eines Altares, auf dem die Flamme brennt, gegenüber (Abb. 688). Im charakteristischen Nemesis-Gestus ziehen sie den Zipfel ihrer Chitone nach vorn. Der Gestus deutet das apotropäische Ins-Gewand-Spucken an, das in unserem „toitoi-toi“ nachlebt. Die Göttinnen halten eine Elle und Zaumzeug als Zeichen dafür, daß sie für die Einhaltung des rechten Maßes und die Zügelung des Hochmutes sorgen. Die griechische Inschrift „gedenke des Agathemeros“ bittet um Schutz des Trägers vor möglichen Feinden. Ein roter Jaspis aus Xanten gibt die Kultstatue des Mars Ultor wieder, die in dem 2 v. Chr. eingeweihten Tempel des Augustusforums stand (Abb. 689). Das Bild des Mercur mit Caduceus in der vom Mantel umschlungenen Armbeuge und gefülltem Geldbeutel in der vorgestreckten Hand ist ein sehr beliebtes, glückbringendes Motiv; hier ist der Gott überdies von seinen Tieren, Schildkröte, Hahn und Widder umgeben (Abb. 690). Wie beim Muskelpanzer des Mars werden bei der Darstellung des nackten männlichen Körpers die wesentlichen Elemente der Muskulatur mit größeren Zeigern eingetieft, Details mit kleinen Schnitten markiert. Das Haar wird in der Regel durch Parallelschnitte, oft mit einer waagrechten Begrenzung oder einer schräggestrichelten Schläfenrolle zum Gesicht hin, wiedergegeben. Kurze Schnitte geben die Teile des Gesichtes: Braue, Auge, Nase, Mund und Kinn. Der bocksfüßige Pan mit Pedum im fellumwickeltem Arm und Traube ist ein Gott der freien Natur; er schützt Hirten und Herden, kann ihnen aber auch „panischen“ Schrecken einjagen, insbesondere, wenn sie seine „Siesta“ stören (Abb. 691). Hier klingt das nach wie vor geschätzte Thema des Hirtenlebens an. Eine Büste des Serapis Pantheus wiederholt das Motiv alexandrinischer Tetradrachmen des Hadrian (Abb. 692); das Horn des Ammon, die Strahlen des Sol, der Dreizack des Neptun, die Schlange des Aesculap zeigen an, daß die Machtfülle des Gottes die Kraft all dieser Götter umfaßt. Der Kult der großen Göttermutter, Mater Magna (Kybele) war schon im 2. punischen Krieg (218 –201 v. Chr.) in Rom eingeführt worden. Ihre Verehrung nahm in der späteren und spätesten Kaiserzeit zu. Die Büste der Kybele in einem verschollenen Sard zeigt, was ein geschickter Gemmenschneider mit routiniert in großflächig eingetiefte Grundformen gelegten Schneidezeigerschnitten darzustellen versteht (Abb. 693).

Linearer Stil Gemmen im linearen Stil, dessen Merkmale oben beschrieben wurden (s. o. S. 136f.), bilden neben solchen in Flachperlstil die Hauptmasse der kaiserzeitlichen Produktion. Alle Qualitätsabstufungen zwischen dem klassizistisch-linearen und dem groben linearen Stil kommen vor. Vergleicht man die Büsten von Serapis und Isis (Abb. 694) mit denen

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von Serapis und Kybele in Abb. 692, 693, so wird die Vergröberung der Details und der durch parallele Schnitte geprägte Gesamteindruck deutlich; beides resultiert aus der Beschränkung auf wenige Werkzeuge. Bei der Gruppe der Dioskuren fällt die Verwendung breiter Zylinderzeiger für die Wiedergabe der Brustmuskulatur und der Beine auf; ein dünner Schneidezeiger ist für die Darstellung der Sterne und der Lanzen, nicht jedoch für das Haar verwendet (Abb. 695). Der lineare Stil eignet sich besonders gut für die rasche Wiedergabe von Gewandfalten, wie drei Beispiele zeigen mögen . Die stehende Aequitas, die Göttin der Gerechtigkeit, hält Szepter, Waage und Ähren als Zeichen ihrer Macht, als Symbole des gleichen Maßes und des Wohlstandes (Abb. 696). Die Beischrift laus (Lob) wendet sich wohl anerkennend an den einst mit der Gemme Beschenkten. Die Manier, die weibliche Brust bei Gewandfiguren durch zwei kurze Flachperlschnitte zwischen senkrechten Strichen anzudeuten, ist charakteristisch für eine Reihe von Gemmen des 2. Jahrhunderts n. Chr. Ein Bergkristallring aus einem Grabfund des Rheinlandes trägt das Bild der Venus victrix in der im Vergleich zur Rückansicht seltenen Vorderansicht (Abb. 697). Sie trägt ein Busenband, hat den Mantel um den Unterkörper geschlungen, lehnt mit dem rechten Arm, in dessen Beuge die Lanze ruht, auf einer Säule, betrachtet den Helm in ihrer Linken. Am Fuß der Säule steht der Rundschild. Wegen seines Gewichts, der Dicke des Reifs und der geringen lichten Weite wollte man diesen und ähnliche Ringe für reine Totenringe halten. Es ist jedoch unwahrscheinlich, daß ein so kostbares Schmuckstück nur als Grabbeigabe geschaffen wurde. Vermutlich wurden solche Bergkristallringe bei einer besonderen Gelegenheit, etwa der Schmückung einer Braut, an einem schlanken oberen Fingerglied oder kleinen Finger, vielleicht auch an einem Band um den Hals getragen. Sehr flüchtig im Schnitt aber als Darstellung originell ist die Dreifigurengruppe eines Karneols in München (Abb. 698): Er wiederholt das Motiv des klassischen, in römischen Kopien überlieferten Orpheusreliefs. Orpheus führt Eurydike an die Oberwelt zurück, blickt sich aber gegen das Verbot nach ihr um, Hermes legt seine Linke auf Eurydikes Arm, um sie wieder in den Hades zurückzuführen. Das Original ist seitenrichtig. Der Besitzer dieses Ringsteines war offenbar an klassischer Kunst oder an dem Thema interessiert, wenn auch nicht reich genug, um sich ein Meisterwerk zu kaufen. Die gegenständigen Büsten eines Ehepaares lassen sich zwar durch die Frisur der Frau in antoninische Zeit datieren, sind aber keine individuellen Porträts (Abb. 699). Ihre Bedeutung liegt auf einer anderen Ebene. Der in griechischen Buchstaben beigeschriebene Name des Besitzers, Fortunatou „(Siegel des) Fortunatos“, dürfte der nun zum Cognomen gewordene ehemalige Sklavenname eines Freigelassenen sein. Mit der Freilassung erhielt er das römische Bürgerrecht und damit das Recht zur Eheschließung, worauf das Gemmenbild stolz verweist. In ähnlichem Stil sind Einzel- und Familienporträts der Severer geschnitten. Die künstlerisch anspruchslosen Gemmen wurden offenbar als Ausdruck der Verbundenheit mit dem Kaiserhaus gern getragen. Ein roter Jaspis mit den Büsten des Septimius und seiner Söhne Caracalla und Geta ist in der antiken Goldfassung als Anhänger erhalten (Abb. 700). Als Schmuckstück ist der Intaglio im Original seitenrichtig: Septimius blickt den älteren Sohn, Caracalla, zu seiner Rechten an. Die Gemme läßt sich in engen Grenzen datieren: sie muß vor dem Tod des Septimius Severus im Jahre 211 n. Chr. und, da auch Geta den Lorbeerkranz trägt, nach dessen Erhebung zum Augustus im Jahre 209 entstanden sein.

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Kalligraphischer und linearer Stil des 4. Jahrhunderts n. Chr. In konstantinischer Zeit werden kalligraphische Stilelement neu belebt. Die thronende Roma auf dem großen Nicolo im Cabinet des Médailles in Paris stellt in ihrer eleganten Haltung, den überlängten Proportionen, den schönlinig geführten Gewandfalten einen Höhepunkt dieser Stilrichtung dar (Abb. 701). In schlichtem linearen Stil ist die thronende Tyche von Konstantinopel geschnitten (Abb. 702). Wie wir aus der griechisch geschriebenen römischen Geschichte des Zosimus (2. Hälfte 5. Jh.) wissen, ließ Constantinus I. eine alte Statue der Rhea Kybele auf einfache Weise in die Personifikation der neuen Hauptstadt umwandeln: Die Löwen zu Seiten der Göttin wurden entfernt, die Stellung der Hände in einen Gebetsgestus gedreht (Zosimus 2,31). Der Intaglio gibt diesen Gebetsgestus wieder; er bewirkt, daß Attribute an die Arme und Hände angelehnt werden mußten; dies hatte aber auch den Vorteil, daß sie aus verschiedenen Anlässen ausgetauscht werden konnten.

Grober linearer Stil Der grobe lineare Stil arbeitet mit breiten, meist abgenutzten Zylinderzeigern, die mit einem Schnitt Volumen schaffen; die wesentlichen Elemente eines Motivs werden mit wenigen Schnitten skizziert, Arbeit am Detail unterbleibt. Es handelt sich nicht durchweg um einen „späten“, vielmehr um einen äußerst flüchtigen Stil. Daß solche Gemmen in großer Zahl geschnitten wurden, beweist, wie groß der Bedarf an preiswerten Ringsteinen war. Es mußte dem Gemmenschneider nur gelingen, die charakteristischen Merkmale etwa eines Bonus Eventus (Abb. 703) oder einer Venus (Abb. 678) soweit zu verdeutlichen, daß der wenig bemittelte Käufer in dem Bild die gewünschte Schutzgottheit erkennen konnte. Stets ist jedoch zu bedenken, daß die Grobheit des Schnittes im Miniaturformat des Originales und des Abdrucks sehr viel weniger auffällt als in der Vergrößerung.

Flachperlstil Die Tradition des Flachperlstils lebt ungebrochen weiter. Die Kopfform wird rund oder oval eingetieft, Strichlein für Nase, Mund und Kinn angesetzt; wie im linearen Stil kann die Haargrenze durch einen oft breiten Schnitt angegeben werden. Früher war man geneigt, Gemmen wie die Löwenjagdszene (Abb. 704) in die späte Kaiserzeit zu datieren. Der frühkaiserzeitliche Flachperlschnitte durchziehende fortlaufende Schwung ist zwar gebrochen, doch läßt sich der Intaglio jetzt an späte Gemmen aus den Vesuvstädten, den Fund von Bath und Gemmen aus den frühen Schichten von Caerleon anschließen. Die Manier der Kopfdarstellung kommt mindestens bis Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. vor. Eine für das 2. Jahrhundert n. Chr. charakteristische Gattung sind rote Jaspisintaglien im Flachperlstil. Zu ihnen gehören die nach dem Material benannten Produkte der „Officina dei Diaspri Rossi“ in Aquileia und die unten zu besprechenden Werke des „JagdhundMeisters“. Der im Tanzschritt schreitende Mars mit Tropaion und Lanze ist ein häufig vorkommendes Motiv (Abb. 705). Seltener ist die Darstellung des mit eingestütztem Arm breitbeinig dastehenden schwerbewaffneten Gladiators (Abb. 706). Er trägt einen Helm mit geschlossenem Visier, Ärmelhemd und Hosen, darüber den Panzer. Da er nur den Schild (im

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seitenrichtigen Abdruck in der Linken), nicht das Schwert hält, ist wohl eine Paradehaltung nach siegreichem Kampf gemeint.

Feiner Flachperlstil Der „feine Flachperlstil“ bildet Figuren, meist von klassizistischem Gesamteindruck mit kleinen bis kleinsten Flachperlzeigern. In der Sorgfalt der Arbeit und Liebe zum Detail kann er als Äquivalent zu dem spätrepublikanischen feinen Rundperlstil gelten. Die bisher singuläre Darstellung eines Feldzeichenträgers (signifer) zeigt den Offizier mit allen Abzeichen seines Ranges (Abb. 707). Er trägt den Militärmantel über der Tunica und niedrige Stiefel, auf dem Kopf das charakteristische furchteinflößende Tierfell, an der Seite hängt das Schwert; die Linke hält das reichgeschmückte Feldzeichen, die Rechte einen Stock (vitis) als Abzeichen seiner Strafgewalt. Ein gut datiertes Beispiel ist der Karneol mit den gepanzerten Prinzen Caracalla und Geta, die Wein auf einen Altar mit brennender Flamme spenden (Abb. 708). Caracalla ist durch den Lorbeerkranz als Augustus bezeichnet und noch unbärtig, was die Datierung auf die Jahre 197–204 einschränkt. Ein 2.67 cm hoher Karneol ist ein Kultbild in Miniatur (Abb. 709). In drei Friesen sind Szenen aus dem Kult der im Donauraum verehrten, kurz Donaureiter oder thrakische Reiter genannten Reiterheroen dargestellt. Im oberen Fries thront die mit Nemesis verwandte Göttin zwischen den Reitern, die Drachenstandarten tragen; unter den Füßen der Göttin liegt der besiegte Böse. Im mittleren Fries ist den auf einer Kline lagernden Gottheiten ein kultisches Mahl bereitet. Vor der Kline steht ein Speisetisch, Kultsymbole umgeben ihn; es sind heilige Gefäße (Pyxis, Krater und Korb) und Tiere (Fisch, Löwe, Hahn und Schlange, vielleicht Symbole von Wasser, Feuer, Luft und Erde). Im unteren Fries steht ein Myste in Widderkopfmaske der Göttin Nemesis gegenüber. Sieb und Rost zu ihren Seiten wurden vermutlich bei der Initiationszeremonie verwendet. Die Peitsche zwischen beiden ist wohl auf Sol zu beziehen, darüber liegt ein undeutlicher Gegenstand (eine weitere Tiermaske?). Der Intaglio war sicher eine Auftragsarbeit, nach seinem Stil wurde er eher in Aquileia als weiter östlich geschaffen. Handelt es sich hier um einen lokal begrenzten Kult, so bezieht sich ein roter Jaspis in Florenz auf den Kult des Mithras, der in der Kaiserzeit zunehmende Verbreitung im ganzen Reich fand (Abb. 710 a, b). Wieder ist die Gemme ein Kultbild im Kleinen; es ist zur Betrachtung im Original bestimmt. Mithras schächtet den Stier; aus dem geopferten Stier entsteht die Welt: als Symbol für die Pflanzen wächst eine Ähre aus dem Schwanz des Stieres. Links sehen wir Cautes, wie der mystische Name des Lucifer, des Morgensterns, lautet, mit erhobener Fackel, über ihm die Büste des Sol, rechts Cautopates-Hesperus, den Abendstern, mit gesenkter Fackel, darüber die Büste der Luna. Im freien Feld sind Symbole der sieben Grade der Mysten dargestellt; jeder Grad stand unter dem Schutz eines Planeten, diese erscheinen als sieben kleine Sterne in der Himmelszone. Ein größerer Stern vor Sol ist zusätzliches Symbol des Sonnengottes, ein Stern im Strahlenkranz rechts ein solches für Saturn, den Stern des Mithras. Auf der Rückseite des Amuletts ist ein Löwe, Symbol des vierten Weihegrades, mit einer Biene, Symbol des zweiten Grades, vor dem Maul dargestellt. Das Bild spielt auf die Löwenweihe an, bei dem die Zunge des Einzuweihenden mit Honig bestrichen wurde, um ihn von

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Sünde zu reinigen. Oben stehen noch einmal die sieben Sterne der Planeten, umgeben von ihren Mysteriennamen. Häufig sind Bilder im feinem Flachperlstil in Nicolo geschnitten, ihre dunkelblauen Bilder heben sich scharf im hellblauen, vom dunkelblauen Schrägrand gerahmten Grund ab. Die berühmte „Tyche von Antiocheia“, die Personifikation der Stadt Antiocheia, ist flankiert von einem Gepanzerten, der sie bekränzt, und Tyche (Fortuna) mit Füllhorn und Steuerruder (Abb. 711). Das Original der Statue war von Eutychides aus Sikyon geschaffen und wahrscheinlich um 270 v. Chr. unter Antiochos I. in dem von Seleukos I. im Jahre 300 v. Chr. gegründeten Antiocheia am Orontes aufgestellt worden. Die Göttin sitzt mit übergeschlagenen Beinen auf Felsen, trägt als Stadtgöttin die Mauerkrone, zu ihren Füßen schwimmt der jugendliche Flußgott Orontes. Diese um 100 n. Chr. aufgestellte Gruppe erscheint im Sinne des Gemmenabdrucks auf Münzen des Severus Alexander (222–235 n. Chr.). Der Gepanzerte ist der Stadtgründer Seleukos I., er steht für die ruhmreiche Vergangenheit der Stadt, deren Glück Fortuna garantiert (M. Meyer). Als bärtige Maske ist der Flußgott Danubius dargestellt, an dessen Ufer die Personifikation der Provinz Dacia ruht (Abb. 712). Sie trägt eine dakische Mütze, hält ein vexillum, wie es dakische Truppen führten. Das unter einem Baum gelagerte Rind links, der Korb, auf dem die Rechte der Dacia ruht, der Hase rechts bezeichnen den Reichtum der Landschaft an Wald, Vieh, Feldfrüchten und Wild. Oben, also im Hintergrund, sind zwei Rundhütten zu sehen, unten, d. h. vorn, fahren ein Kriegs- und ein Handelsschiff auf den Wellen des Flusses. Ein Nicolo aus Aquileia zeigt ein ländliches Opfer unter Göttern (Abb. 713). Vor einer Statuette des Mercur auf hohem Felssockel steht ein molliger Amor in feierlich aufrechter Haltung, streckt die Rechte betend aus, hält in der Linken einen Hahn als Opfertier über einen Tragaltar; der auf einem Felsstück sitzende Pan wird die heilige Handlung auf seiner Syrinx begleiten. Das Bild des reitenden Amor, der, eine Peitsche schwingend, von seinem Hund begleitet über einen auf dem Rücken am Boden liegenden toten Hasen hinwegsprengt, verdient zusätzliches Interesse wegen der beigeschriebenen Besitzerinschrift: AVLVS SIRI, d. h. Aulus (Sklave) des Sirius (Abb. 714). Die Gemme war also Siegel eines Sklaven, der bezeichnenderweise mit der Hasenjagd die Darstellung einer angenehmen Freizeitbeschäftigung wählte. Es gab keine gesetzlichen Einschränkungen gegen das Tragen von Siegelgemmen, diese bezogen sich nur auf das Material der Ringe, erlaubten für Sklaven nur Eisen (s. o. II A1).

Kleinteiliger Flachperlstil Der kleinteilige Flachperlstil ist im Grundprinzip dem feinen Flachperlstil ähnlich, jedoch geringer in der Qualität. Der Gruppe von Salus und Aesculap ist ein Glückwunsch an den Träger des Ringes beigeschrieben; er gehörte einem Kultverein mit Namen Macarii an, der offenbar die beiden Heilgötter zu Schutzpatronen hatte: „Viel Glück, Macarier (Abb. 715). Der rotbraune Jaspis ist in Draufsicht achteckig, eine in severischer Zeit beliebte Form. Es handelt sich vielleicht um die Wiederaufnahme einer seltenen augusteischen Form (vgl. Abb. 516). Auch dieser Durchschnittsstil kommt häufig in Nicolo vor. Die Gruppe von Jupiter, welcher, offenbar als Planet gedacht, der herbeischwebenden Luna die Hand reicht, hat vermutlich einen Bezug zum Horoskop des einstigen Besitzers (Abb. 716).

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Flüchtiger und grober Flachperlstil Im flüchtigen Flachperlstil werden die Grundformen der Körper mit wenigen Schnitten eingetieft, Details nur sparsam skizzierend eingetragen. Die Gruppe von Fortuna und Mercur zeigt diese Manier an einer bekleideten weiblichen und einer nackten männlichen Figur(Abb. 717). Mercur bekränzt die Göttin (der Kranz ist durch eine Fehlstelle verloren). Hierher gehört auch der stehende Bacchus, oben Abb. 677. Der grobe Flachperlstil arbeitet mit noch breiteren Zeigern und fast ohne Binnenzeichnung; die Schnitte sind oft so flüchtig gesetzt, daß der organische Zusammenhang der Figuren verloren zu gehen droht. Das Motiv des reitenden Sol ist in mehreren Exemplaren überliefert, die in verschiedenen Flüchtigkeitsgraden wahrscheinlich in derselben Werkstatt gearbeitet sind (Abb. 718). Die Spuren von abgenutzten breiten Schneidezeigern ähneln denen von breiten Flachperlzeigern. Daher gibt es in den groben Stilen Fälle, in denen die Zuordnung zu der einen oder anderen Stilrichtung schwierig erscheint. Entscheidend für die Zuordnung sind nicht die jeweils benutzten Werkzeuge, sondern der erzielte Gesamteindruck, der vereinfacht ausgedrückt mehr eckig mit scharfen Richtungswechseln beim linearen Stil, mehr gerundet und fließend beim Flachperlstil ist. Hinzu kommt der Vergleich mit Wiedergaben des Motivs in besserer Qualität.

Rundperlstil, archaisierend Rundperlstil wird gelegentlich mit deutlich archaisierender Tendenz wieder aufgenommen. Man war sich offenbar des altehrwürdigen, republikanischen Charakters dieses Stiles bewußt. Ein vom Tierkreis umgebenes rundes Mittelbild mit Darstellung eines Prunkwagens, über dem Victoria fliegt, kopiert einen Denar des Traian von 107 n. Chr., der seinerseits zu einer Restaurationsserie republikanischer Münzen, in diesem Falle eines Denars von 87 v. Chr. gehört (Abb. 719). Details an den Pferdebeinen und den Figuren des Tierkreises sind mit feinsten Rundperlpunkten wiedergegeben. Der Zodiakos läuft im Uhrzeigersinn um, beginnt nach antiker Einteilung mit dem Frühlingszeichen des Widders über den Pferdeköpfen. Noch mehr feine Rundperlarbeit zeigt ein Karneol mit dem gleichen Thema in Wien, der leider stärker berieben ist. Vermutlich waren die beiden Gemmen Geschenke zu Neujahr, ein Fest, an dem man sich gern alte Münzen schenkte und Glück für das ganze, durch den Tierkreis symbolisierte Jahr wünschte. Im Vergleich mit der Münze sind die Originale seitenrichtig, sie waren als Glücksbringer, nicht als Siegel gedacht. In severischer Zeit taucht auf Gemmen wie auf Münzen gelegentlich sehr feine Rundperlarbeit, wohl als bewußter Rückgriff auf die augusteische Zeit, auf. So bei dem thronenden Jupiter mit Szepter und Spendeschale (Abb. 720) im Haar, an Auge, Nasenspitze und Wange, der rechten Brustwarze, an Lehne und Füßen des Thrones sowie beim Gefieder des Adlers.

3. Themen Die voranstehenden Bilder haben schon einen Eindruck von den Bildthemen der Gemmen in der mittleren und späteren Kaiserzeit gegeben. Die getroffene Auswahl vermittelt allerdings keine Vorstellung von einer gewissen Monotonie der Motive bei Gemmen

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durchschnittlicher Qualität, die ein Blick in jeden größeren Gemmenkatalog leicht vermitteln kann. Als positive Aussage ergibt sich aus den zahlreichen Bildern von Jupiter, Mercur, Fortuna etc. im stets gleichen Typus, daß offenbar ein großer Bedarf an solchen Siegeln und Glücksbringern bestand. Alle großen römischen Götter kommen vor, wobei Juno als Einzelbild relativ selten ist. Mit Jupiter und Minerva thront sie in einer Wiedergabe der Kultbildgruppe des Jupitertempels auf dem Kapitol (Abb. 721). Besonders beliebt sind nach wie vor Motive aus dem Kreis des Bacchus und der Venus. Unter den ägyptischen Göttern werden neben Darstellungen der schon lange heimischen Isis solche von Zeus Ammon und Serapis häufiger. Letzterer wurde offenbar besonders von Soldaten verehrt: Häufig sehen wir die Büste des Serapis über dem Legionsadler, von Standarten (signa) flankiert. Beim vorliegenden, in einfachem linearen Stil geschnittenen Beispiel sind die Standarten von Statuetten der Dioskuren bekrönt (Abb. 722). Nur solche Gemmen dürfen mit einiger Wahrscheinlichkeit als „Soldatengemmen“ bezeichnet werden. Am Material von Xanten hat sich gezeigt, daß Soldaten das gleiche Spektrum von Motiven wählen wie die übrigen Zeitgenossen. Der Eindruck des Überwiegens etwa von Mars- Minerva- oder Victoria-Bildern entsteht nur bei einem auf die spätere Kaiserzeit gerichteten Blick, einer Zeit, in der solche Gemmen im Gesamtbestand häufiger sind. Kleinasiatische Gottheiten wie Jupiter Heliopolitanus, der Ähren haltende Jupiter Arotrios, eine Adaptation des phönizischen Dagon, die Nemeseis von Smyrna (Abb. 688) oder Diana Ephesia (Abb. 723) gehören zu den verehrten Schutzgöttern. Mithras wurde schon genannt (Abb. 710). Unter den Personifikationen wird natürlich die auf Waffen thronende Roma als Göttin der Hauptstadt häufig dargestellt; noch größerer Beliebtheit erfreuen sich glückverheißende Personifikationen, allen voran Fortuna. Sie erscheint häufig als Fortuna Panthea mit den Attributen weiterer Göttinnen, insbesondere der Victoria, der Minerva und der Ceres, ein Typus, der zwar schon in der frühen Kaiserzeit vorkommt (Abb. 522), nun aber in großer Zahl auftritt. Außergewöhnlich reich ausgestattet ist eine thronende Dea Panthea, deren Attribute aussagen, daß sie Wesen und Macht mehrerer Göttinnen besitzt (Abb. 724). Sie trägt Strahlen auf dem Haupt wie Diana-Luna, hält das Füllhorn der Fortuna, den Delphin der Venus und den Pfau der Juno, der Venusaspekt wird zusätzlich verstärkt durch den vor ihren Knien stehenden Amor, der ihr eine Schale reicht. Der zu ihren Füßen sitzende dreiköpfige Cerberus zeigt an, daß der Wirkungskreis der Göttin auch den der Proserpina und des Pluto einschließt, also von den Gestirnen bis zur Unterwelt reicht. Aus dem Gemmenbild spricht das gleiche religiöse Bedürfnis nach einer allmächtigen Göttin, wie sie in einer Passage der gleichfalls im 2. Jahrhundert n. Chr. entstandenen Metamorphosen des Apuleius zum Ausdruck kommt (met. 11,1–6, übers. R. Helm). Der in einen Esel verwandelte Lucius sieht die aus dem Meer aufsteigende Mondgöttin und richtet in der Hoffnung auf Erlösung aus der Mißgestalt sein Gebet an die „allgewaltige Göttin“ (dea praepotens), sei sie nun Ceres oder Venus, Diana, die dreigestaltige Proserpina, d. h. Hekate, oder Luna ... unter welchem Namen, nach welchem Brauch, in welcher Erscheinung auch immer man dich anrufen muß, hilf du mir jetzt in meiner äußersten Trübsal, .... Die nun auch mit Attributen der Isis ausgestattete Mondgöttin erscheint. Sie spricht Lucius an, nennt sich unter anderem „Mutter der Schöpfung“ und „Erscheinung der Götter und Göttinnen in einer Gestalt“ und zählt selbst auf, unter dem Namen welcher Göttinnen sie an verschiedenen Orten verehrt

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werde, ihr wahrer Name aber sei Königin Isis. Eine frontal stehende Göttin ist Minerva Panthea zu nennen, da die sie bekränzende, von links herbeifliegende Victoria und das Fahnen-Feldzeichen (vexillum) auf den miltärischen Bereich weisen (Abb. 725). Die Göttin trägt einen Helm mit drei Büschen, hält Zweig und Caduceus sowie gekreuzte Füllhörner und Steuerruder, die Attribute der Pax und Fortuna, das Rindergespann links, Mondsichel und Delphin rechts verweisen auf Ceres, Luna und Venus. Bei den Bildern aus dem Mythos bleiben Hercules und Omphale, die Dioskuren, Perseus und Achill beliebt, wobei Einzeldarstellungen sehr viel häufiger sind als erzählende. Oft wiederholt wird weiterhin das Bild der römischen Wölfin mit den Zwillingen Romulus und Remus (Abb. 726). Singulär ist die Darstellung der weißen Bache von Lavinium mit allen dreißig Ferkeln (Abb. 727). Aeneas fand das wunderbar fruchtbare Tier, wie ihm prophezeit worden war, bei der Landung in Latium und opferte es den Penaten, wie es das Aeneasrelief der Ara Pacis zeigt, und Dionysios von Halikarnassos (Ant. Rom. 1,75,1) überliefert; bei Vergil gilt das Opfer der Juno, um die bisher feindliche Göttin zu versöhnen (Aen. 3,389– 393; 8,81–85). Bei Themen aus dem Leben der Menschen überwiegen weiterhin solche, die seine heiteren und festlichen Seiten schildern. Ein Karneol in Berlin bezieht sich auf Spiele des Septimius Severus, die er zur Feier seiner glücklichen Rückkehr aus dem Partherkrieg, 202 n. Chr., abhielt (Abb. 728). Wir sehen in der Mitte ein Segelschiff, darunter bzw. davor wilde Tiere: Löwe, Wolf, Bär, Hyäne, Panther, Wildesel und Strauß. Dio Cassius berichtet (77,1-4), daß ein Schiff im Circus aufgestellt war, aus dessen Bauch an jedem der sieben Spieltage je hundert wilde Tiere entlassen wurden. Auch Pferderennen durften nicht fehlen, worauf die Viergespanne im oberen Bildteil verweisen. Aurei und Denare bieten die gleiche Darstellung mit der Beischrift laetitia temporum, „Zeitalter der Freude“. Bilder von Tieren sind sehr zahlreich. Bei einer Wagenfahrt aus dem Tiermärchen lenkt eine die Peitsche schwingende Maus einen von einem kräftig ausschreitenden Hahn gezogenen korbähnlichen Wagen (Abb. 729). Die spielerische Freude an den Kopfkombinationen, die beim Drehen ihre Mehrdeutigkeit offenbaren, bleibt weiter in Mode: Das Haar eines Jünglings ist zugleich der Bart eines Silen, dessen kahler Kopf in den eines Elefanten übergeht; die Stoßzähne des Elefanten sind wiederum der spitze Bart eines Mannes, dessen Mütze zugleich das Kinn des Jünglings ist (Abb. 730). Glücksbringer sind die phantastischen Pferde-Hähne, Weiterbildungen des griechischen Hippalektryon. Der Pferdekopf mit Siegeskranz im Maul soll dem vom Gemmenbesitzer favorisierten Team den Sieg im Pferde- oder Wagenrennen bringen, der die Brust des Hahnes bildende Silenskopf verweist auf bacchische Feste, bei denen es an Fleisch und Brot nicht mangeln soll, wie der Widderkopf mit Ähren als Hinterteil des Phantasievogels anzeigt. Der Palmzweig vorn darf als Siegeszeichen über das Pferderennen hinaus auf das Leben des Trägers bezogen werden (Abb. 731). Ein Bergkristall trägt in Bild und Schrift Neujahrsglückwünsche für Kaiser Commodus (Abb. 732). Er gehörte einst dem römischen Antiquar Marcantonio Sabbatini, dann Philipp von Stosch. Paolo Alessandro Maffei hat ihn 1707 als erster publiziert, der Rand mit der umlaufenden Inschrift war auch damals schon bestoßen; Maffeis Ergänzungsvorschlag ist jedoch zu lang. Wer die richtige, jetzt auf dem in Gold vervollständigten Rand eingravierte

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Ergänzung fand, ist nicht überliefert, wahrscheinlich war es Stosch selbst, der wohl die Fassung in Auftrag gab; Winckelmann führt die Ergänzung in der heutigen Form an. Sie lautet übersetzt: „Dem glücklichen Kaiser ein gesegnetes, glückliches Neujahr!“ Dargestellt sind drei Münzen, ein Lorbeerblatt, eine Dattel und eine Feige, alles Dinge, die man sich zu Neujahr schenkte; sie hießen strena – nach den Lorbeerzweigen, die man, als noch der 1. März der Neujahrstag war (bis ca. 153 v. Chr.), aus dem Hain der Göttin Strenia holte. Zwei der Münzbilder, ein Tempel mit Kultstatue und Victoria feiern die Frömmigkeit und Sieghaftigkeit des Kaisers, das dritte mit dem Porträt des Kaisers trägt seinen Namen mit den Beinamen Pius und Felix. Da Commodus den Beinamen Felix ab 185 n. Chr. führte, ist die Gemme zwischen diesem Jahr und dem Todesjahr, 192 n. Chr., zu datieren. Ein „Andenken“ im eigentlichen Sinne ist ein kleiner schwarzer Jaspis mit dem Bild einer Hand, die an einem Ohrläppchen zupft und der griechischen Inschrift „gedenke (mein)“ (Abb. 733). Man glaubte, im Ohrläppchen sei der Sitz des Gedächtnisses; man berührte es auch vor Gericht, wenn man jemand zum Zeugen anrief.

4. Werkstätten Die Werkstätten von Aquileia arbeiten weiterhin bis etwa in die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. (s. o. S. 144). Ihre Produktion ist bei weitem die umfangreichste von römischen Ringsteinen mit bekanntem Herstellungsort. Eine weitere große lokalisierbare Gruppe stellen die im 1. Jh. v. Chr. einsetzenden, hauptsächlich im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. hergestellten magischen Amulette dar. Ihre Werkstätten lagen sicher in Ägypten, höchst wahrscheinlich in Alexandria. Von dort fanden sie im ganzen römischen Reich Verbreitung (s. u. XVII). Die 117 Karneolgemmen aus dem um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. datierten Fund von Snettisham (Norfolk) sind in flüchtigem bis grobem linearen Stil mit wenigen Elementen des Flachperlstils geschnitten. M. Maaskant-Kleibrink schreibt sie drei Gemmenschneidern zu und hält es für wahrscheinlich, daß diese in der Nähe des Fundortes arbeiteten. T. Gesztelyi weist Werke der Snettishamgruppe aus anderen Fundorten nach, stimmt aufgrund der größeren Zahl der in Britannien gefundenen Gemmen der Lokalisierung der Werkstatt dort zu. A. Krug merkt jedoch, unter Hinweis auf den Fund von über 80 Bronzeringen mit Glasgemmen vom Viehmarkt in Trier, an, daß auch die Deutung als Händlerdepot zu erwägen sei. M. Henig vermutet eine weitere Werkstatt des 2. Jahrhunderts n. Chr. in Nordengland (s.u. XV B5). Gemmenwerkstätten in La Romula (Dakien) sind durch Arbeitsabfälle belegt. Die dortigen Funde sind aber bisher nicht so gut dokumentiert, daß sich lokale Produktion und Import scheiden ließe; auch die Datierung zwischen 150 und 250 n. Chr. wäre zu überprüfen. A. Dimitrova–Milčeva rechnet mit einer Werkstatt in Nordbulgarien, wohl in Novae, welche um die Wende vom 2. zum 3. Jh. n. Chr. Gemmen in flüchtigem Flachperlstil herstellte. Einschränkend ist zu sagen, daß sich für einige der zu dieser Gruppe gerechneten Gemmen inzwischen Parallelen aus den Vesuvstädten anführen lassen. Der in grobem linearen Stil geschnittene einen Hasen jagende Hund (Abb. 734) läßt sich einer Werkstatt zuweisen, deren Produkte überwiegend in nördlichen Provinzen gefunden wurden. So lag die Vermutung nahe, daß sich die Werkstatt irgendwo dort befand. Da das vorliegende Stück aus Aquileia stammt, läßt sich jedoch nicht

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ausschließen, daß gerade solche dort hergestellten, preiswerten Gemmen mit Vorliebe in die Nordprovinzen exportiert wurden. T. Gesztelyi lokalisiert eine Reihe von spätantoninischen und severischen Kameen mit Frauenbüsten, die allerdings stilistisch nicht einheitlich sind (vgl. u. Abb. 759, 760), ferner severische Familienporträts in der Art von Abb. 700 sowie die Typen des Sol mit Quadriga in Vorderansicht und zu Pferd (vgl. Abb. 718) im nördlichen Balkan. Grundsätzlich ist bei dem Schluß von einer begrenzten Zahl stilistisch ähnlicher Gemmen mit gesichertem Fundort auf eine Werkstatt Vorsicht geboten, wenn diesen ebensolche Gemmen ohne gesicherten Fundort in gleicher oder größerer Zahl gegenüberstehen; dies gilt insbesondere dann, wenn die Fundorte in römischen Militärlagern oder in deren Nähe liegen. Es müssen mehrere konvergierende Indizien zusammenkommen, um die Annahme einer Werkstatt zu stützen. So ließen sich kleinere Werkstattgruppen primär durch Merkmale wie Herkunft, Material, Form und Themen, schließlich sekundär auch aufgrund des Stiles identifizieren. Eine Gruppe von stark konvexen Karneol- oder Sardonyxen dürfte in Ägypten entstanden sein (Abb. 735). Die in einem flüchtigen linearen Stil geschnittenen wappenartigen Bilder mit dem dreigipfeligen Berg Argaios in Kappadokien, dessen Hänge für ihre Pferdezucht berühmt waren, entstammen sehr wahrscheinlich einer lokalen Werkstatt, die vielleicht in Caesarea arbeitete (Abb. 736). Das lokale Motiv alleine würde für eine solche Annahme nicht ausreichen: Das Berg-Argaios-Motiv kommt auch auf rotem Jaspis in einem Flachperlstil vor, der jenem der „Officina dei Diaspri Rossi“ von Aquileia zumindest sehr nahe steht (AGWien III 1991 Nr. 2024). Die stilistische Verwandtschaft der Darstellungen der Antiocheia (Abb. 711) und der Dacia (Abb. 712) ließe sich einerseits durch wandernde Gemmenschneider aus gleicher Schule erklären; andererseits wäre es möglich, daß auch solche Gemmen mit lokalem Bezug in einer zentralen Produktionsstätte (Aquileia?) für einen sicheren Abnehmerkreis hergestellt bzw. dort bestellt wurden. Unter dem Vorbehalt, daß es sich um Analogien handelt, die keine sicheren Rückschlüsse auf die Antike erlauben, sei auf das Beispiel der Werkstätten von Idar-Oberstein hingewiesen. Örtliche Achatvorkommen führten zur Entwicklung der Achatschleiferei. Seit etwa 1830 wird Rohmaterial aus Brasilien eingeführt. Im 19. Jahrhundert und darüber hinaus (ca.1820 bis 1980) stellten Idar-Obersteiner Achatschleifer in großem Umfang Perlen und Anhänger aus Achaten als Schmuck, Amulette und Zahlungsmittel für den Export nach Afrika her. Handwerker aus Idar-Oberstein erlernten in Paris die Kunst des Gemmenschneidens. Infolge des Krieges von 1870/71 ausgewiesen, kehrten sie in die Heimat zurück. Idar-Oberstein entwickelte sich zu einem europäischen Zentrum des Gemmenschnitts. Die Herstellung von Glasgemmen erfordert keine Kenntnis des Gemmenschneidens. Der Handwerker muß lediglich Gelegenheit haben, sich Formen von Steingemmen herzustellen, allenfalls den Zugang zu einer Schleiferwerkstatt für das Zuschleifen des Rohlings, wenn nicht sogar der Gemmenrand mitabgeformt werden konnte. Eine sehr produktive Werkstatt, die in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. Nicolo nachahmende Glasgemmen mit hellbis blaugrauer Oberschicht auf schwarzer Unterschicht herstellte, läßt sich im Rheinland (Bonn oder Köln) lokalisieren. In einem Fund von 19 solcher Nicolo-Glasgemmen aus dem Schmuckladen vor dem südlichen Tor des römischen Legionslagers in Bonn sind drei Abdrücke der idyllischen Szene mit Paris vertreten, der im Schatten eines Baumes

B. KÜNSTLER UND HANDWERKER

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seine Ziegenherde hütet (Abb. 737). Der nach unten konisch verbreiterte Rand umgibt das Bild als dunkler Rahmen. Vermutlich waren schon die zugrundeliegenden Originale Nicoli, die in der Regel diese Form haben. Mit der Bildseite in die Form-Masse gedrückt, konnten ihre Ränder mitabgeformt und die Glasgemmen dank ihrer konischen Form leicht herausgehoben werden. Der Hersteller dieser Glasgemmen brauchte die Ränder also nicht abschleifen. Die abgedrückten Gemmen stammen aus dem 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. Glasgemmen aus der gleichen Produktion, finden sich nicht nur im Rheinland, sondern auch in Trier, in Gallien, in Augst und Carnuntum, in Pannonien, Dacien und in England, ja sogar in der Hochburg des Gemmenschnitts, Aquileia.

5. Repertoire eines Gemmenschneiders Das Beispiel eines heutigen italienischen Kameenschneiders kann eine ungefähre Vorstellung von der Arbeitsweise eines Handwerkers geben. Teilnehmer einer Gemmentagung in Ravello im Jahre 1987 hatten Gelegenheit, eine Werkstatt in Torre del Greco bei Neapel zu besuchen. Die Werkstatt stellt hauptsächlich Ketten und Amulette aus Korallen her, hatte jedoch auch einen Kameenschneider angestellt. Der etwa 30jährige Mann erzählte, er habe mit 8 Jahren in der Werkstatt seines Vaters angefangen zu arbeiten, seit 15 Jahren sei er nun hier als Meister angestellt. Etwa 25 Motive habe er auswendig (a memoria) im Repertoire. Der Kaufpreis eines fertigen Kameos erhöhe sich je mehr Beiwerk zu dem Hauptmotiv hinzukomme. Er arbeitete an einer ca. 6 cm hohen Frauenbüste mit kleinen Landschafts- und Architekturmotiven im Hintergrund, für deren Fertigstellung er rund fünf Tage veranschlagte (Abb. 955). Im Unterschied zu den antiken Gemmen aus harten Steinen werden Muschelkameen aus freier Hand geschnitten. Lehre und Arbeit eines römischen Gemmenschneiders kann man sich jedoch analog zu dem zeitgenössischen Beispiel vorstellen. Auch er wird früh mit dem Erlernen des Handwerks begonnen haben; der achtzehnjährige Gemmenschneider Doros von Sardes war wohl keine Ausnahme (s. u. S. 318). Auch in handwerklichen Betrieben wird der Sohn meist vom Vater gelernt haben, wie wir es bei den augusteischen Meistern von den Söhnen des Dioskurides und des Alexas wissen (s. o. S. 115f., 117). Selbst bei Künstlern wie Aulos, einem der beiden Söhne des Alexas, ist eine Vorliebe für bestimmte Motive, in seinem Fall Amorputten, zu bemerken, die allerdings auf diesem Niveau nicht zur Routine erstarrt. Die Spezialisierung wurde sicher durch die Nachfrage der Käufer gefördert. Um so mehr wird ein Handwerker sich ein Repertoire zugelegt haben, das er, wie es sein italienischer Kollege ausdrückte, „auswendig“ beherrschte. Es sei dies am Beispiel eines Gemmenschneiders des 2. Jahrhunderts n. Chr. dargestellt, der roten Jaspis als Material bevorzugt und den ich nach seinem Lieblingsmotiv den „Jagdhund-Meister“ nennen möchte. Nach unserem Verständnis handelt es sich dabei um einen Handwerksmeister. Der Begriff „Meister“ kann jedoch verwendet werden, da die Antike nicht streng zwischen Künstler und Handwerker schied. Die Arbeiten gehören der Stilrichtung des Flachperlstiles an. Da der Gemmenschneider seine Lieblingsmotive unterschiedlich kombiniert, lassen sich seine Werke nach Art eines Domino-Spieles zusammenstellen.

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XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT

Adler – Hunde – Hase – Geländewelle 1) Auf einem Stein in Wien beißen zwei mit Halsbändern versehene, schlanke Jagdhunde in einen auf dem Rücken liegenden Hasen, ihre Köpfe sind in Draufsicht gegeben, je drei leicht gebogene Schnitte geben die Rippen an. Oben schwebt ein Adler mit nach beiden Seiten ausgebreiteten Schwingen. Charakteristisch ist die statt der üblichen Grundlinie aus dicken waagrechten Flachperlschnitten gebildete Geländeangabe (Abb. 738).

Adler – Schlange 2) Ein Zwilling des Adlers auf dem Wiener Intaglio findet sich auf einem roten Jaspis der Sammlung Sa‘d, deren Bestände aus der Umgebung von Gadara stammen. Der Adler hält eine sich windende Schlange in den Fängen, deren Körper aus Flachperlschnitten zusammengesetzt ist.

Adler – Hase 3) Mit etwas vereinfachter Darstellung der Schwingen begegnet der Adler wieder auf einer Fundgemme aus Caerleon (Wales); hier ist er es, der den Hasen erbeutet hat (Abb. 739). Der Jaspis gehört zu einer ca. 160–230 n. Chr. datierten Fundgruppe.

Jagdhund – Hase – Geländewelle 4) Eine kleinere Gemme aus Xanten reduziert das Motiv des erstgenannten Steines in Wien (Abb. 728) auf den von links kommenden Jagdhund mit Hasen; Halsband und Rippenangabe ähneln dem Wiener Stück, die dicken Flachperlschnitte der Grundlinie sind hier leicht schräg gestellt; der Hase liegt mit dem Kopf nach links, wobei der Kopf, wie bei der Wiener Gruppe über die Grundangabe hinabhängt (Abb. 740). 5) Eine ganz ähnliche 1839 in Zeichnung publizierte Gemme aus Xanten ist heute verschollen. 6) Ein brauner Jaspis in Györ (Raab, das antike Arrabona) wiederholt den von rechts kommenden Jagdhund, wobei der Hase, wie bei dem Wiener Stück mit dem Kopf nach rechts liegt. Links wächst ein Bäumchen (Abb. 741). 7) Sehr ähnlich ist ein roter Jaspis in Aquileia. 8) In gleichem Richtungssinn war ein Intaglio geschnitten, dessenTonabdruck wahrscheinlich aus Doliche in Kommagene stammt (Abb. 742).

Jagdhund 9) Ein einzelner Jagdhund mit erhobener Vorderpfote in Wien kommt hinzu (Abb. 743). Obgleich bei dem sehr kleinen Stein statt der Geländewelle die übliche schmale Grundlinie gewählt wurdet, sind Steinsorte, Halsband und Rippenmarkierung verbindende Merkmale.

B. KÜNSTLER UND HANDWERKER

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Jagdhund – Geländewelle – Bäumchen – Fels – Eber 10) Hundetyp und Geländeangabe verbinden einen Stein in Wien, der laut Inventar aus Aquileia stammt, mit der Gruppe. Ein Eber wird vom Jagdhund gestellt (Abb. 744). Zur Linken sind breite Flachperlschnitte zu einer Felserhebung gestaffelt, auf der ein Bäumchen wächst. Ähnlich den zuvor genannten Beispielen in Györ und Aquileia hat es einen dicken Stamm und ovale, durch Flachperlschnitte gebildete Blätter.

Bäumchen – Geländewelle – Adler – Hase – Hund 11) Hier läßt sich der rote Jaspis in einem Silberring aus Oescus (Moesien, Bulgarien) anschließen. Auf der bekannten Geländewelle ist hier das Motiv des Adlers, der auf einem (hier aus Felsen geschichteten) Altar an einem Hasen frißt, mit einem neidisch herankommenden Hund (ohne Halsband) und dem über die Szene geneigten Bäumchen verbunden. Die Flügel des Adlers sind geschlossen.

Fels – Bäumchen – Rundtempel – Ziege 12) Die Felsformation auf der Eberjagdgemme leitet über zu einem ausnahmsweise in Karneol geschnittenen Intagliofragment mit Rundtempelchen auf Felsen, Bäumchen und springender Ziege in Aquileia (Abb. 745). Hier schließen sich einige Fundgemmen aus England an, die Martin Henig zusammengestellt und mit anderen stilverwandten Gemmen von anderen Händen einer nordenglischen Werkstatt zugewiesen hat.

Fels – Bäumchen – Rundtempel – Opfernder 13) Vor einem Rundtempelchen gleicher Art wie auf der vorigen Gemme opfert ein Mann in die Flamme eines Rundaltärchens. Auf der Linken hält er einen Brotlaib oder ein Fleischstück, das mit drei schmalen, schrägliegenden Flachperlschnitten gegliedert ist. Der Felsen ist hier aus drei Reihen schräg gestellter dicker Flachperlschnitte gebildet (Abb. 746). 14) Der Opfernde ist auf einem Fragment aus Chesterholm-Vindolana bis auf einen Fuß verloren (Abb. 747). Trotz der unterschiedlichen Wiedergabe des Felsens darf man das Fragment der gleichen Hand zuweisen; das Tempelchen hat wie die vorigen vier Säulen und ein durch senkrechte Streifen gegliedertes Runddach mit einem ovalen Schlußstein auf der Mitte der Kuppel.

Heimkehrende Jäger 15) Sahen wir auf Abb. 746 erstmals eine kleine menschliche Figur von der Hand des Jagdhund-Meisters, so bildet diese das Hauptmotiv auf seinem wohl besten Werk aus South Shields in Newcastle upon Tyne (Abb. 748). Vor einem Bäumchen der bekannten Art steht ein Jäger, hält einen erbeutetet Hasen in der Rechten, zu dem sein Hund aufblickt. Der Jagdhund mit Halsband und Rippenangabe ist nächstverwandt den oben abgebildeten,

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XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT

insbesondere dem auf der kleinen Gemme in Wien (Abb. 743). Die Vorliebe des Meisters für schräg gestaffelte Flachperlschnitte zeigt sich hier beim Haar des Mannes, das durch eine breite Schläfenrolle begrenzt wird, beim Pedum und sogar bei dem herabhängenden Zipfel eines Mantels oder Fells. 16) Ein heimkehrender Jäger in Castlesteads, Cumberland, der ein ähnlich gebildetes Pedum mit daran hängendem Hasen über der Schulter und zwei Trauben in der gesenkten Hand trägt, kann hier angeschlossen werden (Abb. 749).

Silvanus 17) An den Jäger von South Shields hat Gesztelyi überzeugend einen Silvanus aus Pannonien angeschlossen, dessen Mantel und Pedum in gleicher Weise charakterisiert sind, so daß sie wie gedrehte Taue wirken. Er hält die Sichel und einen Zweig. Auch der bekannte kleine Hund ist vorhanden (Abb. 750). 18) Ganz ähnlich ist eine weiterer Silvanus in Chesterholm, Northumberland. Unbeschadet möglicher weiterer Zuweisungen können die hier besprochenen BeispieledasRepertoiredesJagdhund-MeistersinausreichendemUmfangdokumentieren.Henig betont die stilistische Verwandtschaft der Gemmen des Jagdhund-Meisters mit jenen der Officina dei Diaspri Rossi in Aquileia, mit denen sie auch das bevorzugte Material, der rote Jaspis, verbindet. Da mindestens zwei Werke von der Hand des Meisters aus Aquileia stammen, dürfen wir annehmen, daß er sein Handwerk dort gelernt hat. Die Themen seiner Gemmen gehören dort zum Standard-Repertoire der Werkstätten. Das HundHasen-Motiv ist in schlichter bis bester Qualität von unterschiedlichen Händen belegt (Sena Chiesa, Aquileia 1966 Nr. 1182–1186). Sollen wir aufgrund der Funde aus England annehmen, daß der Jagdhund-Meister dorthin ausgewandert ist? Die breite Streuung seiner Werke von Xanten, über Pannonien (Ungarn), Oescus (Gigen, Bulgarien) bis Gadara (Jordanien) spricht eher dafür, daß die Gemmen durch ihre Träger oder Händler verbreitet wurden. Sicher durch den Siegelträger kam der Abdruck eines seiner Werke nach Doliche. Die „Gamaschen“ des Jägers von South Shields, die für eine Entstehung der Gemme in Nordengland in Anspruch genommen wurden, sind eher die Angabe des Knies und lediglich hochgeschnürte Stiefel, wie sie auch Bauern auf italischen Gemmen tragen. Hinzu kommt die Überlegung, daß Nachschub an Rohmaterial in einem Zentrum der Gemmenproduktion sicher viel leichter zu bekommen war als in einer fernen Provinz.

A. MEISTERWERKE, PORTRÄTS

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XVI. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND GEFÄSSE DER SPÄTEREN KAISERZEIT Der Stil des Grand Camée mit seiner schillernden Farbigkeit setzt sich vor allem auf größeren Kameen fort. Kleinere Kameen sind meist zwei- oder dreilagig. Große vielfigurige Kameen fehlen zwischen dem Grand Camée und dem konstantinischen, nur als Fragment erhaltenen Belgrader Kameo (Abb. 757). Dies mag nicht nur ein Zufall der Überlieferung sein. Der große Adlerkameo in Berlin beschränkt sich auf wenige um so größere Figuren. Im 3. Jahrhundert n. Chr. wurde der Grand Camée durch einige Retuschen, vor allem die Veränderung der Frisur des Tiberius in die eines Soldatenkaisers, einem zeitgenössischen Kaiser neu gewidmet. Daraus erhellt, daß man zumindest in diesen unruhigen Zeiten keinen derartigen Kameo in Auftrag gab, sei es daß kein fähiger Gemmenschneider zur Verfügung stand, sei es, daß man nicht die Zeit hatte, auf die Fertigstellung einer großen Arbeit zu warten. Die im 1. Jahrhundert vor und nach Christus so häufigen kleinen mythologischen und idyllischen Kameen fehlen fast ganz, hierin offenbart sich ein zur Themenwahl der Intaglien analoger Geschmackswandel. Hauptthema der Kameen und der wie immer seltenen Rundplastiken bleibt das Porträt.

A. KAISERKAMEEN 1. Die Büste des Traian in Berlin Eine 8.8 cm hohe Chalcedonbüste des Traian (98–117 n. Chr.) in Berlin zeigt den Kaiser in Tunica, Panzer und auf der Schulter aufliegendem Paludamentum (Abb. 751). Die nicht als freistehende Kleinplastik gearbeitete Büste könnte das Mittelemblem einer Schale gebildet haben, die sie gleich einem Rahmen umgab. Als Prunkstück mag sie in einem Lararium aufgestellt gewesen sein. Die elf um das Gorgoneion in der Mitte des Panzers symmetrisch angeordneten Mulden wurden sekundär eingetieft. Wahrscheinlich waren hier farbige Edelsteine eingelassen. Diese Schmückung der Büste wurde wahrscheinlich im Zuge einer mittelalterlichen Umdeutung in ein Bild Aarons vorgenommen. Zählt man das Gorgoneion mit, so sind es zwölf Edelsteine. Diese Zahl und die Anordnung in Dreiergruppen führt auf die in vier Dreierreihen auf dem hohenpriesterlichen Brustschild des Aaron angebrachten Edelsteine mit den Namen der Stämme Israels (s. u. S. 250).

2. Der große Adlerkameo in Berlin Der große Adlerkameo in Berlin ist mit 18.5 x 21.5 cm fast so groß wie die Gemma Augustea; da er nur vier Figuren aufweist, wirken diese vergleichsweise riesenhaft (Abb. 752). In einem Wagenkasten steht Hadrian in militärischer Tracht, hält in der Linken das Palladion, in der Rechten ein Szepter, dessen Spitze weggebrochen ist. Eine ebenfalls szepterhaltende

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XVI. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND GEFÄSSE DER SPÄTEREN KAISERZEIT

Göttin mit Mauerkrone und Schleier bekränzt ihn. Gestalt und Handlung der Göttin zitieren die Bekränzung des Augustus auf der Gemma Augustea durch Kybele. Da Saturn fehlt, folgt daraus nicht die gleiche Benennung der Göttin, ferner wissen wir nicht, wie die Göttin mit der Mauerkrone auf der Gemma Augustea in hadrianischer Zeit gedeutet wurde. Wahrscheinlich ist die Göttin mit dem Szepter, wie Wilhelm B. Kaiser vorschlägt, Roma im Typus einer griechischen Stadtpersonifikation, eine Gestalt, in der sie auch am Traiansbogen von Benevent erscheint. Die Stirnlocken des Kaisers rollen sich nicht so stark ein wie bei seinen rundplastischen Porträts; dennoch kommt im Ausschlußverfahren keine andere Benennung in Frage. Ob in der Göttin zugleich Sabina gesehen werden soll, ist wegen der idealen Züge ungewiß. Zwei Adler, die Kränze und Ährenbündel halten, tragen den Wagenkasten empor. In seiner wechselnden Farbigkeit folgt der Kameo dem Stil der vom Grand Camée oder dem Triptolemoskameo in Paris (Abb. 633, 640) eingeschlagenen Richtung.

3. Der Victoria-Kameo in Kassel Noch „bunter“ wirkt die Oberfläche des Victoria-Kameos in Kassel (Abb. 753). Die Göttin sitzt, Kranz und Palmzweig haltend, auf einem Waffenhaufen. Sie trägt die Frisur der Iulia Domna; das Profil ist zwar bestoßen und retuschiert, dennoch ergibt sich allein aus der Götterangleichung und dem Format des Kameos, daß die Kaiserin gemeint ist. Iulia Domna (geb. ca. 170 n. Chr. in Emesa, Syrien; gest. durch Selbstmord in Antiochia, Syrien, 217 n. Chr.), Gemahlin des Septimius Severus (193 – 211 n. Chr.), begleitete Severus auf Feldzügen im Orient und Britannien; sie erhielt 195 n. Chr. den Titel mater castrorum „Mutter der Feldlager“, der 211 n: Chr.(?) in der Form mater castrorum et senatus et patriae erweitert wurde; in diesem Zusammenhang ist ihre Darstellung als Victoria zu sehen.

4. Porträt des Severus Alexander in St. Petersburg Ein Hochreliefkopf des Severus Alexander (222–235 n. Chr.), der im Alter von 26 Jahren bei Mainz ermordet wurde, weist die typische kurz geschnittene Frisur der Soldatenkaiser auf (Abb. 754). Der Kaiser trägt Schnurrbart und Bart mit einer kleinen „Fliege“ unter dem Kinn, die wie die Brauen mit kurzen harten Schnitten eingraviert sind. Aufgrund der Barttracht läßt sich die Datierung in die Jahre 226–235 n. Chr. eingrenzen.

5. Der Ada-Kameo in Trier Der Kameo im Einband des Ada-Evangeliars in Trier nimmt das Motiv des von Adlern getragenen Wagenkastens wieder auf (Abb. 755, s. o. Abb. 752); es ist hier zur Bildformel geworden, der Wagenkasten stark verbreitert, um eine Familiengruppe aufnehmen zu können. Rechts und links werden im folgenden vom Betrachter aus gesehen. Die Büsten sind, mit kleinen, bemerkenswerten Abweichungen, frontal gesehen. In der vorderen Ebene größer als die übrigen, mit leicht einander zugewandten Gesichtern ein Ehepaar: Constantinus I., der Große und seine Gemahlin Fausta. Constantin trägt einen braunen

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A. KAISERKAMEEN

Lorbeerkranz (das letzte Blatt rechts, d. h. an der linken Kopfseite ist aus der weißen Schicht geschnitten, links davon eine Fehlstelle). Fausta trägt über dem Mittelscheitel ein ursprünglich ovales, braunes Stirnjuwel, seine rechte Hälfte ist mit der großen Bruchstelle im Stirnhaar verlorengegangen. Die verschleierte Frau links ist als Kaiserinmutter Helena zu deuten. Ihr hoher Rang ist durch den Schleier kenntlich gemacht, sowie einen über dem Mittelscheitel sitzenden Schmuck aus einer Reihe brauner rundlicher Gegenstände, der am ehesten als Juwelendiadem zu deuten ist. Zwischen Constantin und Fausta sitzt die kleinste Büste, ein Knäblein, das einen braunen sechsstrahligen Stern als Stirnjuwel trägt; der Stern wird von einem beiderseits durch zwei schmale Furchen angedeuteten Band gehalten. Die Büste eines zweiten Knaben, rechts von Fausta, ist etwas größer. Auch er trägt ein Stirnjuwel, dessen, wohl einst braune, Oberfläche abgerieben ist. Der Rest ist von einer ovalen Furche gerahmt, es handelte sich also nicht um einen Stern, sondern um ein Medaillon oder dergleichen. Im Haar ist kein Band angegeben, doch zu beiden Seiten des Nackens fallen Bänder herab, die auf den Schultern aufliegen. Deutungen Daten ohne Zusatz: n. Chr. 1

2

3

4

5

Datierung

Messalina ca. 25–48

Octavia 39/40–62

claudisch

Furtwängler 1900

Antonia minor? Claudius *36 v. Chr.–37 reg. 41–54

Britannicus 41–55

G. Bruns 1948

Constantinopolis

Theodosius I. 379–395

Honorius Aelia *384, Augustus Flavia 393 Flacilla † 386

Arcadius *377 Augustus 383

386

M. R. Alföldi 1963

Helena ca. 250–329

Constantinus I. *272/3, reg. 306–337

Constantinus II. *316? reg. 337–340, Caesar 317

Fausta ca. 290–326

Crispus *ca. 300–326, Caesar 317

vor 324

W. B. Kaiser 1964

Helena

Constantinus I.

Constantinus II.

Fausta

Crispus

317

M. Wegner 1984

Helena

Constantinus I.

Constantius II. *317, reg. 337–361, Caesar 324

Fausta

Constantinus II.

vor 320 bzw. 323

Furtwänglers Deutung geht nicht auf, weil Figur 5 einen Knaben darstellt. Die Benennung der Figur 1 als Constantinopolis durch Bruns ist eine offensichtliche Notlösung, die überdies mit einer von der üblichen Ikonographie dieser Personifikation abweichenden Darstellung rechnen muß. Nach der maßgeblich von M. R. Alföldi vertretenen Meinung wären die Knaben Constantinus II., der älteste Sohn des Kaisers mit Fausta(?) (geb. 7. Aug. 316?, Caesar 317 n. Chr.) und Crispus, der Sohn aus der früheren Verbindung mit Minervina (geb. ca. 300, Caesar 317 n. Chr.). Der Kameo müßte dann vor 326 n. Chr., dem Zeitpunkt der Hinrichtung von Fausta und Crispus, geschaffen sein. Da nur zwei Söhne dargestellt sind,

204

XVI. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND GEFÄSSE DER SPÄTEREN KAISERZEIT

ergäbe sich eine weitere zeitliche Einengung. Man müßte annehmen, daß nur die beiden zwischen 317 und 324 n. Chr. amtierenden Caesares dargestellt sind. Die beiden anderen Söhne der Fausta, Constantius II. (geb. 7. Aug. 317, Caesar 324 n. Chr.) und Constans (geb. 320 oder 323, Caesar 333 n. Chr.) wären aus Gründen der Rangordnung weggelassen. W. B. Kaiser setzt den Kameo in das Jahr 317 vor der Geburt von Constantius II. Bei beiden Deutungen stört, daß der beträchtliche Altersunterschied zwischen Crispus und Constantinus II. optisch stark verringert wäre, indem Crispus knabenhaft dargestellt wurde, während Prinzen in der Regel doch eher älter dargestellt werden als sie sind. M. Wegner schlägt eine andere Lösung vor, die m. E. vorzuziehen ist, weil sie dem Lebensalter der Knaben besser entspricht und weil die Weglassung des Crispus, des Sohnes der Minervina, leichter verständlich ist als die von zwei lebenden Söhnen der Fausta. Überdies handelt es sich um ein hofinternes Familienbild, nicht um ein öffentliches Denkmal, bei dem die Darstellung des Caesar Crispus erforderlich wäre. Wegner nimmt an, daß Constantius II. und der ein Jahr ältere Constantinus II. dargestellt sind, und daß der Kameo vor der Geburt des Constans geschaffen wurde.

6. Der Kameo Rothschild Ein Kleinod von höchster Qualität ist der „Kameo Rothschild“ mit den gestaffelten Büsten eines Herrscherpaares mit leicht einander zugewandten Köpfen in Vorderansicht (Abb. 756). Der unbärtige Caesar oder Augustus hat ein langovales Gesicht mit langer, im Profil leicht gebogener Nase. Im schlicht in die Stirn gekämmten Haar trägt er einen Kranz aus (Edelstein?-)Blättern mit einem rechteckigen Mitteljuwel, dem das Christogramm eingeschrieben ist. Er ist mit einem Ärmelhemd, Panzer, Feldherrnbinde und Paludamentum bekleidet, hält in der nicht sichtbaren Rechten ein Szepter mit kugelförmigem Knauf; die teilweise von der Fassung verdeckte Linke ruht vor der Brust. Das Gesicht der Frau ist jugendlich weich gerundet, sie trägt Tunica und Mantel; ihr Haar ist zu der sogenannten „Scheitelzopf-Frisur“ frisiert. Von einem Mittelscheitel ist das Haar in gebrannten, von Stirnlöckchen gesäumten Wellen tief zu einem breiten, unterhalb der Ohren sichtbaren Bausch in den Nacken gekämmt, dort zu einem Zopf geflochten und auf dem Scheitel hochgesteckt. Der Scheitelzopf überlappt einen Lorbeerkranz. Die Frisur wird in dieser Form, mit bedeckten Ohren, zuerst von Helena und Fausta getragen, bleibt aber bis in das 5. Jahrhundert n. Chr. in Mode. Delbrück, dem Bruns und andere folgten, benannte das Paar „Honorius und Maria“ und bezog den Kameo auf die Hochzeit des Kaisers mit der Tochter des Stilicho im Jahre 398 n. Chr., ein Ereignis, das der Dichter Claudian feierlich besingt. Coche de la Ferté, dem Möbius zustimmt, deutet das Herrscherpaar als Constantinus II. und seine nicht weiter bekannte Frau, die der 19jährige bald nach 335 n. Chr. heiratete. Die starke Stilisierung der Porträts im 4. Jahrhundert n. Chr. steht einer Benennung aufgrund der Porträtzüge im Wege. Die Form des Herrscherdiadems mit Blättern ohne Zwischenglieder spricht für eine Datierung in konstantinische Zeit. In byzantinischer Zeit (9.–10. Jh. n. Chr.) wurde das Paar durch Beischriften als die Heiligen Sergios und Bakchos gedeutet (s. u. S. 258). Etwa im 12 Jahrhundert erhielt der Kameo seine prächtige byzantinisierende(?) Filigranfassung.

A. KAISERKAMEEN

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7. Der Belgrader Kameo Der „Belgrader Kameo“ ist das Fragment eines großen hoch- oder querovalen Kameos (Abb. 757). Als einziger unter den Kaiserkameen ist er ein Bodenfund. Der ganze Kameo dürfte fast so groß gewesen sein wie der Grand Camée; erhalten ist etwa ein Drittel, ein keilförmiges Segment aus dem unteren Teil mit einem Stück des angearbeiteten Rahmens. Die obere braune Schicht ist sehr dünn, die darunterliegende helle sehr dick; der Künstler konnte tief hinunterschneiden bis zu der nächsten dunkleren Schicht; daher steht das Relief teilweise ganz unterschnitten hoch über dem Grund. Dies ist nicht durch den Zwang des Materials zu erklären, sondern künstlerische Absicht, denn der Steinschneider wählt seinen Stein aus; er kann zwar nicht jede Welle und Färbung vorhersehen, die im Laufe des Schneidens zum Vorschein kommt, der Schichtverlauf im Großen läßt sich jedoch bei einem Anschliff erkennen. Es zeigt sich hier ein Stilwollen, das auch bei spätantiken Edelstein- und Glasgefäßen zu beobachten ist (s. u. XVI C). Ein Herrscher in Panzer und wehendem Mantel sprengt auf schön gesatteltem und gezäumtem Pferd, in Siegerpose den Speer schwingend, über besiegte Barbaren dahin. In dem alexanderhaft über der Stirn gesträubten Haar liegt eine Binde. Vor dem Pferd kniet bittflehend ein Barbar in Hosen und Ärmelgewand, unter ihm liegen zwei mit Hosen bzw. Schurz bekleidete Gefallene, rechts wird ein Barbar in Hosen von einem gepanzerten Soldaten gefesselt. Das Motiv des siegreichen Kaisers begegnete schon auf dem Intaglio mit Traian (Abb. 679). Daß das Fragment nach Stil und Motiv nicht in späthellenistische Zeit gehören kann, wie Furtwängler annahm, hat Rodenwaldt gezeigt. Da Constantinus I. die Herrscherbinde auf Prägungen zu seinen Vicennalien, 325– 326 n. Chr., wieder eingeführt hat, erscheint es möglich, daß mit dem alexanderhaften Herrscher er selbst oder einer seiner Söhne gemeint ist und daß der Kameo in diesen Jahren entstand. Das schlichte Banddiadem kommt nur in diesen Jahren vor und wird sowohl von Constantin wie von seinen Söhnen getragen. Die Deutung bleibt jedoch unsicher, da wir die Gesamtdarstellung des Kameos nicht kennen.

8. Der Reiterkampf-Kameo in Paris, Cdm Hier sei noch der im Gesamtentwurf und in den Details meisterhaft gearbeitete Reiterkampf-Kameo im Cabinet des Médailles angefügt, auf dem sich in historischer und stilistischer Hinsicht Römisches und Sasanidisches begegnen (Abb. 758). In einem durch einen abgesetzten Rand gerahmten Oval stürmen über einer hellen Grundlinie zwei Reiter im fliegenden Galopp aufeinander zu. Der rechte ist mit allen Abzeichen eines sasanidischen Herrschers ausgezeichnet. Den in Dreiviertelansicht herausgewendeten Kopf mit großem, seitlich abstehenden, Schnurrbart und einem unten zusammengebundenen Kinnbart bedeckt ein Helm mit Wangenlaschen, der von einem großen geriefelten Globus bekrönt wird; ähnliche kleinere Kugeln sitzen auf den Schultern neben einem auf der Brust gekreuzten Riemenpaar. Der König trägt ein anliegendes Ärmelwams über einem Schuppenpanzer; an seiner Seite hängt das Langschwert in der Scheide, dessen Griff er mit der Linken faßt. Die Enden der um den Helm gelegten Königsbinde und die einer breiteren (Gürtel?-)Binde flattern in charakteristisch sasanidischer Weise wellenförmig

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XVI. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND GEFÄSSE DER SPÄTEREN KAISERZEIT

nach hinten. Mit einer weiteren Binde ist der weiche Schuh geknotet. Das Stirnhaar des Pferdes ist nach sasanidischer Weise zusammengebunden; der Pferdekörper wird von einer Decke umschlossen, drei kleine Troddeln und eine große tropfenförmige, die aus der oberen rötlichen Schicht gearbeitet sind, dienen als Schmuck. Der Sasanide faßt mit der Rechten das linke Handgelenk des gegen ihn anreitenden Römers. Dieser trägt die korrekt wiedergegebene Tracht eines römischen Feldherrn: Panzer und Feldbinde, darüber das im Rücken aufwärts wehende Paludamentum sowie Reiterstiefel. Mit der erhobenen Rechten schwingt er das Schwert. Der Hengst ist schlicht gezäumt, seine Mähne natürlich belassen. Der Gegner des Sasanidenkönigs muß gleichrangig, also ein römischer Kaiser sein. Die Darstellung feiert die Gefangennahme Valerians (253–260) durch Schapur I. (241–272) bei Edessa im Jahre 260 n. Chr. In seinem Tatenbericht, der in der dreisprachigen Inschrift an dem achämenidischen Turmbau (Ka’ba-i Zarduscht) in Naqsch-i Rustam erhalten ist, rühmt sich Schapur I., daß er Valerian mit eigenen Händen gefangen nahm. Analog zu dem Griff um das Handgelenk legt Schapur I. auf dem Felsrelief von Dârâb seine Hand auf den Kopf des Valerian. Das Schema des Reiterkampfes, der Typus der Pferde, die exakt wiedergegebene Tracht des Sasanidenkönigs, die Ausstattung seines Pferdes und der Stil der flatternden Binden sind ganz sasanidisch. Die Wiedergabe der Gesichter hat jedoch keine Parallelen in der sasanidischen Kunst und die Tatsache, daß der Sieger auf der rechten Seite erscheint, widerspricht ihren Regeln. Von Gall hält es für wahrscheinlich, daß es sich um die Arbeit eines römischen Gemmenschneiders in sasanidischem Dienst handelt.

B. PRIVATE KAMEEN 1. Privatporträts Ein Kameo aus Carnuntum gibt das Porträt einer Frau mit zartem (an der Nase bestoßenem) Gesicht auf schlankem Hals wieder, ein Mantel umgibt die Büste (Abb. 759). Die Frisur ähnelt der ersten Frisur der Lucilla, Tochter des Marc Aurel und der Faustina minor (149– 181 n. Chr.). Bei einem severischen Frauenporträt am Dreikönigenschrein fällt der Kontrast zwischen fein geglätteten Hautpartien und harter Gravur von Haar, Auge, Mundpartie und Gewandfalten auf; das Relief ist stark unterschnitten (Abb. 760). Die eckige Faltenwiedergabe verbindet den Kameo mit anderen aus gleicher Werkstatt. Ob der bulgarische Fundort eines der Stücke für eine Lokalisierung der Werkstatt in dieser Gegend spricht, muß einstweilen offen bleiben. Zahlreiche ähnliche Kameen mit Frauenporträts spätantoninischer bis spätseverischer Zeit im Format von Ringsteinen und Ohrringanhängern mit wenig über einem cm bis zu Kettenanhängern von fast 4 cm Höhe stellen in wenigen Fällen Kaiserinnen, in der Mehrheit Privatporträts dar. Dimitrova-Milčeva und Gesztelyi möchten die Werkstatt dieser Kameen an der Unteren Donau lokalisieren. Megow vermutet in Einzelfällen eine Produktionstätte im Rheinland (F 9, F 14). Sena Chiesa rechnet mit Werkstätten sowohl im Donauraum wie in der Nähe anderer Fundorte solcher Kameen im Bereich des Limes oder Galliens. Die Frage bedürfte einer genaueren Untersuchung. Keineswegs handelt es sich um

B. PRIVATE KAMEEN

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eine einheitliche Gruppe, vielmehr sind beträchtliche Qualitätsunterschiede zu beobachten. In die Überlegungen einbezogen werden müßten auch Kameen dieser Art aus südrussischen Gräbern in St. Petersburg sowie, zur Erstellung eines Gesamtbildes, solche ohne Fundort. Ferner müßten Kameen dieser Zeit mit Doppelporträts herangezogen und geprüft werden, ob die Fassungen Hinweise für die Lokalisierung geben. Das Porträt eines jungen Mannes in Panzer und Paludamentum (Abb. 761) hat wegen der aus kleinen, eingerollten Löckchen gebildeten Frisur eine gewisse Ähnlichkeit mit Commodus zu Beginn seiner Mitregentschaft in den Jahren 177–180 n. Chr. (geb. 161, Kaiser 180–192 n. Chr.). Die Porträtzüge weichen jedoch mit der Furche in Stirnmitte, der geraden (nicht hängenden) Braue und der leicht fliehenden Mundpartie von denen des Commodus ab. Es handelt sich also um das Porträt eines unbekannten jungen Offiziers, der die Frisur des jungen Augustus nachahmt.

2. Götter Der Jupiter-Kameo in Stuttgart ähnelt in der Farbigkeit dem großen Adlerkameo in Berlin (Abb. 762). Eine Besonderheit ist, daß die Figuren hoch über dem schwarzen Grund stehen, was ihn mit dem severischen Frauenporträt Abb. 760 verbindet. Der Kameo ist schon im Inventar der bayerischen Herzöge von 1598 beschrieben, kam später, vermutlich als Kriegsbeute im dreißigjährigen Krieg, in den Besitz der Herzöge von Sachsen-Gotha. Durch den Verkauf der Gothaer Kunstkammer nach dem Zweiten Weltkrieg gelangte er in den Handel und konnte vom Stuttgarter Landesmuseum erworben werden. Jupiter sitzt auf einem Thron, dessen gitterförmige Lehne in die Fläche geklappt ist, er hält Szepter und Blitz. Vor ihm steht Juno in Diadem und über den Kopf gelegtem Mantel, zu dem sie die Linke in bräutlichem Gestus emporhebt, ihre Rechte hält ein schwer deutbares Attribut; es könnte sich um einen Pinienzweig handeln. Die Pinie war der Mater Magna (Kybele) heilig. Das Attribut würde Juno auch als große Göttermutter bezeichnen. Es wurde mehrfach vermutet, im Bild der Götter sei ein Kaiserpaar dargestellt, Marc Aurel (161–180 n. Chr.) und Faustina minor oder Septimius Severus (193–211 n. Chr.) und Iulia Domna. Es fehlen jedoch porträthafte Züge. Wenn eine solche Anspielung gemeint war, so ist sie nicht mit den Mitteln der Kunst ausgedrückt. Eine Minervabüste läßt sich im Stil mit dem antoninischen Frauenporträt Abb. 759 verbinden; die schlichte Goldfassung als Anhänger ist später als der Kameo, im 3. Jahrhundert n. Chr. entstanden (Abb. 763). Kameen mit Minervabüsten kommen im späteren 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. ähnlich häufig und in ähnlichen Qualitätsabstufungen vor wie die Frauenbüsten. Es versteht sich, daß bei kleinen Schmuckkameen Themen aus dem Bereich der Venus weiterhin beliebt sind. Eine kleine Venus in Vorderansicht ahmt ein statuarisches Vorbild nach, wie der kopfstehende, stützende Delphin zu ihren Füßen zeigt (Abb. 764). Auf einem einfarbigen Kameo aus braunem Jaspis stützt sich Amor auf die erloschene, auf einem Korb ruhende Fackel, schmiegt trauernd den Kopf in die linke Hand (Abb. 765). Ähnliche Kameen sind in Ringe des 3. Jahrhunderts n. Chr. gefaßt. Die Gruppe von Bacchus und Ariadne (Abb. 766) war in Eisen gefaßt, wobei die preiswerte Fassung der künstlerischen Qualität des Kameos entspricht. In technischer Hinsicht ist interessant, daß der dünne, teilweise durchbrochene Kameo auf eine ovale

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XVI. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND GEFÄSSE DER SPÄTEREN KAISERZEIT

Scheibe aus Achat geklebt ist. Plinius kannte diese Imitation gewachsener Steinlagen des Sardonyx (37,197), in der Renaissance nannte man sie Commesso. Ebenso beliebt wie die Frauen- und Minervabüsten sind übelabwehrende Medusaköpfe in Dreiviertelvorderansicht, sei es im Broschen- oder Ringsteinformat (Abb. 767), sei es im Miniaturformat für Ohrringe (Abb. 768).

3. Hochzeitskameen Kleine Kameen mit verschlungenen Händen unter einer Rosengirlande mit der griechischen Inschrift (Η)ΟΜΟΝΟΙΑ, „Eintracht“, einst in Ringe gefaßt, waren Hochzeitsgeschenke (Abb. 769). Die gleiche Bedeutung haben kleine Kameen mit einem Epsilon. Die griechische Inschrift dieses Exemplars half, die lange rätselhaften Epsilon-Kameen zu erklären; sie lautet „Der Schönen ein goldenes E“ (Abb. 770). E, der fünfte Buchstabe des Alphabets, ist im griechischen das Zahlzeichen für fünf. Die Zahl Fünf stand nach der Lehre der Pythagoreer für „Hochzeit, Ehe“, weil sie die Summe der ersten „weiblichen“ (zwei) und der ersten männlichen“ Zahl (drei) ist. Das Epsilon hat also die gleiche Bedeutung wie die verschlungenen Hände. Ein goldenes Epsilon hatte Livia in Delphi geweiht (Plutarch, De E delph. 3) – wie wir nun erschließen können, aus Anlaß ihrer Hochzeit mit Octavian (38 v. Chr.). Ob „golden“ in der Kameeninschrift auf das goldene Epsilon der Livia anspielt oder ob es metaphorisch für „wunderschön“ gemeint ist und umgekehrt Livia ein volkstümliches Symbol weihte, läßt sich nicht sagen.

C. KAMEOGEFÄSSE AUS EDELSTEIN UND GLAS 1. Die „Rubensvase“ Hervorragendes Beispiel für die hochstehende Steinschneidekunst der Spätantike ist die „Rubensvase“, so genannt, weil sie einst Peter Paul Rubens gehörte; sie befindet sich heute im Walters Art Museum in Baltimore (Abb. 771). Über einem Fuß in Form einer Blüte erhebt sich ein auf der Breitseite eiförmiger Gefäßkörper, der mit sehr hohem, stark unterschnittenem Relief verziert ist. Zwei große Pansköpfe bilden die knaufartigen Henkel auf den Schmalseiten. Von einem Akanthusblatt unter den Pansmasken ausgehend, wachsen Weinranken mit großen Blätter auf die Hauptseiten hin. Die Trauben sind im Verhältnis klein und durch rautenförmig sich überschneidende Schnitte wiedergegeben.

2. Der Lykurgosbecher Eine ähnliche Art der Traubendarstellung findet sich an dem etwa gleichzeitigen aus Glas geschnittenen Lykurgosbecher in London, der ebenfalls sehr hohes, teilweise ganz unterschnittenes Relief aufweist (Abb. 772, Text-Abb. 9).

C. KAMEOGEFÄSSE AUS EDELSTEIN UND GLAS

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Text-Abb. 9. Lykurgosbecher, abgerollter Fries, Zeichnung (M.P. Hamelin)

Bemerkenswert ist schon das Material, ein in Draufsicht opak grünes Glas, das im Durchlicht purpurrot leuchtet. Dargestellt ist eine Sage aus dem Mythos des Dionysos /Bacchus, wie sie ähnlich Nonnos (5. Jh. n. Chr.) in den Dionysiaka (Buch 20, 21) erzählt. Der thrakische König Lykurgos wollte Dionysos und den Schwarm seiner Anhänger aus seinem Land vertreiben. Die von ihm mit Axtschlägen und Steinwürfen bedrängte Mänade Ambrosia bat die Mutter Erde um Hilfe; sogleich wurde sie in einen Weinstock verwandelt, der den Frevler wie mit Fesseln umschlang und der Rache des Dionysos auslieferte. Den Gesetzen der Bildkunst gemäß sehen wir gleichzeitig, was sich in der Erzählung nacheinander ereignet: Links, die mit flehend erhobener Hand am Boden sitzende Ambrosia, während Lykurgos schon von den aufwachsenden Ranken des Weinstockes umschlungen wird. Von beiden Seiten nahen die Angreifer, von links ein Satyr, der in der Linken ein Pedum hält, mit der Rechten zum Wurf mit einem Stein ausholt, von rechts Dionysos selbst, dem als Mitstreiter der bockfüßige Pan und sein Panther vorauseilen. Die Körper der vier stehenden Figuren sind von innen leicht vertieft, die Körper der Ambrosia und des Panthers von außen ganz ausgehöhlt. Bei Ambrosia wurde der rotierende Zeiger von unten, beim Panther durch das geöffnete Maul eingeführt, wobei die Bohrung in leichter Krümmung der Wandung folgen mußte, ein Kunststück, das sich tatsächlich kopieren ließ (Welzel 1994 Abb.33). Wie riskant das war, zeigt das Mißgeschick, daß bei einem der eingetieften Flecken des Pantherfells die dünne Oberfläche durchschnitten wurde (Scott 1995 Abb. 22). Ziel der Aushöhlungen war offenbar, den Purpureffekt möglichst gleichmäßig zur Geltung zu bringen. Im Stil vergleichbar ist auch die Jagdsitula im Schatz von San Marco in Venedig, bei der Diatretschliff und figürliches Relief kombiniert sind.

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XVII. MAGISCHE AMULETTE

XVII. MAGISCHE AMULETTE A. DIE GATTUNG Es ist uralter Brauch der Menschen, sich selbst oder seinen Lieben, insbesondere Kindern, Amulette zum Schutz vor Unheil, zur Sicherung göttlicher Gunst umzuhängen. Steine, die selbst nahezu unverletzlich sind, deren Farben sich zu verschiedener Deutung anboten, waren schon an sich ideale Amulette. Ein eingraviertes Bild konnte ihre Wirkung verstärken. Viele Gemmen mögen in diesem Sinne als Schutzamulette getragen worden sein oder in doppelter Funktion Siegel und Amulett zugleich gewesen sein. Die „Magischen Amulette“ stellen jedoch eine spezielle Gattung dar. Ihre Bilder und Inschriften zeigen, daß ihre Träger glaubten, über den allgemeinen antiken Götterglauben hinaus ein geheimes Wissen von einem großen, allmächtigen Sonnengott und von mit ihm verbundenen Göttern zu besitzen; ein Wissen das in merkwürdigen, ja unheimlichen Bildern und Zauberworten verborgen wurde. Die Gattung hat Vorläufer im 1. Jahrhundert v. Chr., setzt im 1. Jahrhundert n. Chr. ein und hat ihre größte Blüte im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr.; sie lebt weiter bis in das 4., vielleicht 5. Jahrhundert. Danach wird ihre Funktion von frühbyzantinischen Bronzeamuletten übernommen. Die Werkstätten der magischen Amulette lagen in Ägypten, wahrscheinlich in Alexandria. Hier begegnete sich die ägyptische, griechische und jüdische Bilder- und Gedankenwelt, die sich in ihren Darstellungen findet. Auch christliche Einflüsse wurden aufgenommen, wenn auch vergleichsweise selten. Die Inschriften sind griechisch geschrieben, enthalten jedoch selten verständliches Griechisch, meist Zauberworte und -formeln. Bei letzteren handelt es sich nicht um ein beliebiges Durcheinander von Buchstaben, sondern teils um geheime Namen der Götter, teils um geheime Gebetsformeln (lógoi). Sie mußten gewissenhaft geschrieben werden, um die Wirksamkeit der Amulette zu gewährleisten, was freilich nicht ausschließt, daß Schreibfehler vorkommen. Bilder und Texte sind negativ, jedoch seitenrichtig eingeschnitten, da sie am Original „gelesen“ werden sollen, nicht zum Siegeln bestimmt sind. Zweck der Amulette ist es, ihre Träger entweder ganz allgemein oder gegen bestimmte Gefahren und Krankheiten zu schützen. Manche Steine sollen Liebeszauber bewirken, Beispiele von Zwangs- oder gar Schadenszauber sind selten. Es liegt in der Natur der Amulette, daß sie in erster Linie zum eigenen Besten getragen werden. Die Magischen Amulette mit ihren merkwürdigen Mischgestalten beschäftigten Sammler und Gelehrte schon im 16. und 17. Jahrhundert. Die erste wissenschaftliche Abhandlung über sie von Macarius (Jean l’Heureux, ca. 1550–1614), dessen nachgelassene Schrift Chifletius (Jean Chifflet, 1588–1660) zusammen mit einer eigenen Abhandlung 1657 veröffentlichte, trägt den Titel: Abraxas, seu Apistopistus; quae est antiquaria de gemmis Basilidianis disquisitio. Accedit Abraxas Proteus, seu multiformis gemmae basilidianae portentosa varietas (Abraxas oder der Abergläubige, eine antiquarische Abhandlung über die Basilidianischen Gemmen. Ferner Abraxas Proteus, oder die vielgestaltige, ungeheuerliche Vielfalt der Basilidianischen Gemmen). Macarius beschreibt zunächst eine Gemme, die während seines zwanzigjährigen Aufenthalts in Rom zutage kam. Sie trug auf der einen Seite das Bild des Hahnenköpfigen mit Schlangenbeinen, auf der anderen die Inschrift ABRAXAS, wahrscheinlich, wie stets auf

A. DIE GATTUNG

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den Gemmen ΑΒΡΑCΑΞ. Hieraus schlossen Macarius und Chifletius, daß dies der Name der Gestalt sei. Gestützt auf Nachrichten der Kirchenväter, daß Abraxas der Name des „Herrschers über die 365 Himmel“ der im 2. Jahrhundert n. Chr. von Basilides gegründeten gnostischen Sekte sei, hielten sie die magischen Gemmen für Amulette der Basilidianer. Bei Hieronymus (ca. 350–420) lasen sie: „Basilides, der den allmächtigen Gott mit dem ungeheuerlichen Namen „Abraxas“ anruft und behauptet, dieser sei nach den griechischen Buchstaben und der Zahl des Jahreslaufes im Kreislauf der Sonne enthalten, welche die Heiden mit der gleichen Zahl aus anderen Buchstaben „Meithras“ nennen.“ (Hieronymos, Comm. in Amos I 3,9–10). Macarius erläutert die Stelle, indem er die Zahlwerte für die Buchstaben von „Abrasax“ oder „Abraxas“, wie das Wort in lateinischen Texten lautet, einsetzt: A = 1, B = 2, P = 100, A = 1, Σ = 200, A = 1, Ξ = 60, was die Summe 365 ergibt. Damit war die Bedeutung dieses Namens gefunden, er bezeichnet den großen Gott als Gott des Jahres. Das geheimnisvolle Wort gab der ganzen Gattung den Namen „Abraxas-Gemmen“. Auf die angenommene Beziehung zur Sekte des Basilides bezieht sich die Bezeichnung „Gemmae Basilidianae“, „Basilidianische Gemmen“. Später verwendete man die allgemeinere Bezeichnung „gnostische Gemmen“. Die magischen Gottheiten lassen sich jedoch in der Lehre der Gnostiker nicht wiederfinden. Bonner führte daher den sachgerechten Terminus „Magical Amulets“ ein. Während man im 16. und 17. Jahrhundert sogar neue Amulette in Anlehnung an die antiken Vorbilder herstellte (s. u. S. 292f.), verachtete das aufgeklärte, für klassische Schönheit begeisterte 18. Jahrhundert die Gattung. Winckelmann schreibt: „Die anderen geschnittenen Steine [d.h. mit ägyptischen Motiven], die man Abraxas nennet, sind itzo durchgehends für Gemächte der Gnostiker und Basilidianer aus den ersten christlichen Zeiten erkläret, und nicht würdig, in Absicht der Kunst, in Betrachtung gezogen zu werden“ (Geschichte 91). In poetischer Form, in der Sache ähnlich urteilt Goethe in dem Gedicht „Segenspfänder“: „... das Fratzenhafte, das ein düstrer Wahnsinn schaffte ...“ (West-östlicher Divan, Buch des Sängers, Hamburger Ausg., II 8f.). Furtwängler war froh, diese Gattung vor der Katalogisierung der Berliner Gemmensammlung an die orientalische Abteilung abgeben zu können. In einer kurzen Passage der „Antiken Gemmen“ äußert er nahezu emotionale Kritik: „Sie sind charakterisiert sowohl durch ihre künstlerisch abscheuliche, widerlich weichliche, nachlässige, allen feineren Sinnes bare Ausführung, wie durch die zaubermächtigen, bedeutungsvollen Typen, ... sowie endlich durch ihre seltsamen Inschriften ...“, merkt aber an, daß „dieses merkwürdige Stück alter Religionsgeschichte“ eine gesonderte Behandlung verdiene (AG III 363). In der Tat ist das Ziel bei der Herstellung einer magischen Gemme nicht, ein Kunstwerk zu schaffen, sondern ein wirksames Amulett. Das negative Urteil über die Qualität der Gattung aber scheint nicht unbeeinflußt von den Darstellungen, deren merkwürdige Mischgestalten im Vergleich mit den schönen menschengestaltigen griechisch-römischen Göttern abstoßend wirkten. In Ägypten aber waren tiergestaltige Götter oder menschengestaltige Götter mit Tierköpfen vertraute Erscheinungen. Die Qualitätsschwankungen entsprechen jenen in der übrigen römischen Glyptik. Da die Amulette in der Regel zweiseitig sind und die exakte Wiedergabe der Zauberworte besondere Anforderungen an den Gemmenschneider stellte, waren sie sicher teurer als durchschnittliche Siegel. Einige von Ihnen erweisen sich, z. B. durch Namensinschriften, als spezielle Auftragsarbeiten. Die verbreitete Vermutung, die Besitzer der

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XVII. MAGISCHE AMULETTE

Amulette seien ausschließlich Leute aus den unteren Volksschichten gewesen, wird durch die Amulette selbst widerlegt. Im Unterschied zu Zaubermitteln, die man leicht beschaffen und selbst herstellen konnte, etwa durch Schreiben auf eine Scherbe, ein Olivenblatt, ein Stück Stoff, einen Papyruszettel oder durch Einritzen in ein Stück Blei von einer Wasserleitung, mußte man sie beim Gemmenschneider kaufen. Es ist vielmehr anzunehmen, daß die Amulette von Angehörigen aller Gesellschaftsschichten getragen wurden. Im religiösen Bewußtsein der Amulett-Träger ist eine große Spannweite von primitivem Fetischismus bis zum ernsthaften Glauben an den allmächtigen Sonnengott vorauszusetzen.

Tragweise der Amulette Aus der Herrichtung der Amulette selbst (Durchbohrungen oder Fassungen in Gold), geht hervor, daß sie häufig als Anhänger getragen wurden. Seltener ist die Fassung in Ringen. Viele Amulette wurden „angebunden“ (adalligati, Plinius 36,56 u.a.), d. h. eng an den Körper gebunden; soweit die Amulette nicht gelocht waren, konnte dies in Säckchen aus Stoff oder Leder geschehen. Spezialamulette wurden zweckmäßig in der Nähe der Stelle angebunden, an der sie helfen sollten, ein Magenamulett auf dem Magen, ein Ischiasamulett im Rücken. Amulette zur Beschleunigung der Geburt sollen um die Schenkel gebunden werden (Dioscurides 5,142)

B. DIE WIRKUNG DER STEINE Die verwendeten Steine haben in der Regel schon als solche magische Bedeutung. Zahlreiche Angaben hierüber verdanken wir Plinius, der sie, trotz eigener Skepsis gegenüber den Behauptungen der Magier getreulich überliefert. Die magischen Papyri, medizinische und astrologische Schriften sind weitere Quellen. Oft läßt sich die mit der antiken Bezeichnung gemeinte Steinsorte nicht sicher identifizieren. Die antike Einordnung beruht nicht auf exakten mineralogischen Bestimmungen, sondern hauptsächlich auf der Farbe, seltener auf der Härte oder auf besonderen Eigenschaften wie der magnetischen des MAGNETIT, der für Augensalben empfohlen wird (Plinius 36,130). AMETHYST habe nach fälschlicher Aussage der Magier seinen Namen „(der Stein), der nicht trunken wird“, weil er vor Trunkenheit bewahre; mit den eingravierten Namen von Sonne und Mond versehen und zusammen mit Pavianhaaren und Schwalbenfedern um den Hals getragen, schütze er vor Zauberei; er helfe Bittstellern vor Königen und wende in Verbindung mit vorgeschriebenen Gebeten Hagel und Heuschrecken ab. Ähnliche (die letztgenannten?) Eigenschaften hätte „SMARAGD“ mit dem eingeschnittenen Bild eines Adlers oder eines Skarabäus (Plinius 37,124). Plinius bezeichnet zwölf Arten von grünen Steinen als smaragdus, von denen nur eine dem heute so genannten grünen Beryll entspricht (nat. hist. 37,62–75). HÄMATIT, Blutstein, ein Eisenoxyd, sieht in knolliger Form wie geronnenes Blut aus (Theophrast 6,37), ist als Pulver rot; „Schlangenblut“ war sein magischer Name (PGM XII 410). Nach der Regel, daß Gleiches mit Gleichem zu heilen sei (similia similibus) galt er als Blutstiller. Uterus-Amulette, die Fehlgeburten verhindern sollen,

C. DIE WEIHE DER AMULETTE

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bestehen in der Regel aus Hämatit. Das Pulver hat tatsächlich eine adstringierende Wirkung. Gelegentlich weisen Amulette Schabespuren auf, die von seiner Gewinnung herrühren. Dem HELIOTROP, einem rot gefleckten grünen Jaspis schrieb man eine besondere Beziehung zur Sonne zu; den Namen erklärt Plinius als „Sonnenwender“: In Wasser gelegt, verwandle der Stein einfallendes Sonnenlicht in blutroten Widerschein. Während dunkelgrün bei normalem Licht als Farbeindruck überwiegt, ist die Verstärkung der Leuchtkraft durch Wasser bei den roten Bestandteilen in der Tat besonders auffällig. Daß Heliotrop den Träger unsichtbar mache, wenn er zusammen mit der gleichnamigen Pflanze und bestimmten Gebeten gebraucht werde, sei eine dreiste Behauptung der Magier (Plinius, nat. hist 37,165). Aufgrund der Beziehung zur Sonne war der Stein für alle Amulette der Sonnenreligion, insbesondere für Bilder des Sonnengottes geeignet, wofür er auch außerhalb der Gattung gern verwendet wird. Grüne Steine, sowohl der undurchsichtige GRÜNE JASPIS wie das durchscheinende PLASMA werden für Magen- und Augenamulette bevorzugt, ROTER JASPIS für Kolik-Amulette. GELBER JASPIS kann gegen Skorpionbisse schützen. LAPISLAZULI, in der Antike „Saphir“ (σάπφειρος, sappirus) genannt, war der Hathor heilig, sowie den Göttinnen Isis und Aphrodite, die ihr im griechisch-ägyptischen Pantheon entsprechen. In den „Koiranides“, einem im 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. zusammengestellten, auf älterer Überlieferung beruhenden Buch über die magischen Eigenschaften von Tieren, Pflanzen und Steinen heißt es: „Der Saphir-Stein oder blaue Stein gehört zu Aphrodite“ (I 18,8f. ed. Kaimakis). Die Verbindung von Aphrodite/Venus mit Lapislazuli und Türkis, der als Gemmenstein allerdings kaum Verwendung fand, war auch über den Kreis der Anhänger der magischen Religion hinaus bekannt. Daher werden blaue Steine gern für Porträts von Mitgliedern der iulisch-claudischen Familie verwendet (s. o. S. 154, 157). OPHITES, SERPENTIN, der Schlangenstein, heißt so, weil sein geflecktes oder gesprenkeltes Aussehen der Schlangenhaut ähnelt. Plinius nennt zwei Arten, eine weiße, weiche und eine schwärzliche, harte, beide helfen gegen Kopfschmerzen und Schlangenbisse; besonders hilfreich gegen Schlangen aber sei eine aschgraue Sorte (tephrias) (Plinius 36,56; ähnlich Dioskurides 5,143). Weißer und weißlicher, d. h. milchfarbener Stein verschiedener Art wurde als GALACTITES, „Milchstein“, bezeichnet und von stillenden Müttern getragen (Plinius 37, 162–163). Kindern um den Hals gehängt, vertreibt Galactites die böse Megaira, eine Erinys, den personifizierten Neid mit dem bösen Blick (Orphei Lithica 224f., ed. Abel 22). Innerhalb der gleichen Steinsorte bezeichnete man dunklere, stärker leuchtende Steine als „männlich“, hellere, von matterem Glanz als „weiblich“ (Theophrast 5,30–31; Plinius 37, 92. 106. 119).

C. DIE WEIHE DER AMULETTE Die in den Amuletten faßbaren religiösen Vorstellungen kennen wir auch aus den magischen Papyri, die hauptsächlich aus dem Zeitraum vom 1. Jahrhundert vor bis zum 5. Jahrhundert nach Christus stammen. Dort wird mehrfach die Anfertigung und Weihe von Amuletten beschrieben. So heißt es in einem um 300–350 geschriebenen Papyrus, der in einem Grab

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XVII. MAGISCHE AMULETTE

in Theben (Ägypten) gefunden wurde, (PGM XII 201–216, 266–269, übersetzt von R. Merkelbach, Abrasax I [1990] 157–159): „Ein Ring. Ein kleiner Ring zu jedem Zweck und Gelingen. Es benützen ihn Könige und Gouverneure. Sehr wirksam. Nimm einen bläulichen Jaspis-Stein und graviere auf ihm im Kreis eine Schlange ein, die den Schwanz im Mund hat, ferner inmitten der Schlange die Mondgöttin mit zwei Sternen auf ihren Sichelspitzen (Hörnern), und darüber den Sonnengott, auf dem geschrieben sein soll „Abrasax“, und auf der Rückseite der Gravierung des Steins denselben Namen „Abrasax“, und auf den Rand mußt du den großen und heiligen und allüberwindenden schreiben, den Namen „Iaô Sabaôth“: Wenn du den Stein geweiht hast, dann trag ihn in einen goldenen Ring (gefaßt), wenn du ihn benötigst, und sei rein, dann wirst du alles erhalten, was du beabsichtigst. Du mußt aber den kleinen Ring mit dem Stein durch die alles überwindende Weihe weihen. Dasselbe gilt für eine Gravierung auf Gold; sie hat dieselbe Wirkung. Die Weihe und Anfertigung ist die im folgenden beschriebene: Grab eine Grube auf einem geweihten (= reinen) Ort im Freien und wenn das nicht möglich ist, bei einem gereinigten Grabmal, welches nach Osten blickt und errichte auf der Grube einen Altar aus Holz von fruchtbaren Bäumen und opfere darauf eine Gans ohne Flecken und drei Hähne und drei Täuberiche und vielerlei Räucherwerk; opfere sie, indem du sie zusammen mit den Vögeln gänzlich verbrennst. Trete neben die Grube und blicke nach Osten und gieße aus Wein, Honig, Milch und Safran; beim Beten halt den Stein in der Hand, auf welchem die Schriften eingraviert sind, und sprich in den Dunst hinein: Ich rufe an und erflehe die Weihe...“ Es folgt ein langes Gebet an den Sonnengott, an dessen Schluß er nochmals in der Sprache der Ägypter, der Juden, der Griechen und der Parther angerufen wird „...Herr über alles. Weihe mir und verleih Kraft diesem Ding (dem Ring) für meine gesamte ruhmreiche Lebenszeit. Die Namen, die auf der Rückseite des Steins eingraviert werden, sind diese: Iaô Sabaôth Abrasax.“ Hinter der Beschreibung des Amuletts, das der Beter gravieren soll, steht eine magische Gemme, wie wir sie aus dem 2.–3. Jahrhundert n. Chr. kennen. Die Anweisung „graviere“ in den Zauberpapyri ist, wo es um Steingemmen geht, nicht wörtlich zu nehmen; der Weihende mußte sie vom Gemmenschneider gravieren lassen. Wie das im Papyrus beschriebene Amulett sind solche Gemmen oft auf beiden Seiten und auf dem Rand graviert. Die Anweisung hat wohl durch mehrfaches Abschreiben etwas an Klarheit verloren: Von den zuvor auf Rückseite und Rand verteilten Gottesnamen heißt es am Schluß, daß sie auf der Rückseite stehen. Auf vielen Amuletten begegnet die sich in den Schwanz beißende Schlange, die ein aus ägyptischer Vorstellung entwickeltes Symbol für die immerwährende Wiederkehr des Jahres, für Ewigkeit, ist. Ihren Namen, Ourobóros, kennen wir aus den magischen Papyri (PGM I 146, VII 587, XXXVI 184). Dieselbe Bedeutung haben in griechisch-römischer Bildersprache Mond und Sonne als Zeichen für den steten Wechsel von Nacht und Tag und den immer wiederkehrenden Jahresumlauf der Sonne. Der „siebenbuchstabige Name“ des großen Gottes, der in dem Weihegebet nicht ausgesprochen wird, ist das zweimal in das Amulett gravierte Abrasax. Der luftblaue Jaspis, aus dem das Amulett geschnitten werden soll, wird von Plinius als persisch bezeichnet, vielleicht ist blauer Chalcedon gemeint (Plinius 37,115).

C. DIE WEIHE DER AMULETTE

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Im gleichen Papyrus steht die Weihe eines Heliotrops (PGM XII 271–350). „Ring, für Erfolg und Gunst und Sieg. Er macht berühmt und groß und bewundert und reich an Kräften, oder verschafft die Freundschaften solcher Leute. Der Ring wirkt Dir ausnahmslos für alles richtig und mit schönem Erfolg. Er umfaßt einen herrlichen Namen. Ein Sonnengott wird geschnitten auf Heliotropstein in folgender Weise: da sei eine dickleibige Schlange, die, kranzförmig, den Schwanz im Maul hat, und innerhalb der Schlange sei ein heiliger Skarabäus mit Strahlen. Den Namen aber schneide auf die Rückseite des Steines in Hieroglyphenart, wie die Propheten sagen, ein, und nach der Weihe trag ihn in Reinheit.“ Der von Strahlen umgebene Skarabäus ist das Bild des Sonnengottes am Morgen. Es werden nochmals die Kräfte des Amuletts aufgeführt, das, wenn man es berührt und den auf der Unterseite stehenden „Namen“ spricht, sogar Fesseln und Fels sprengt und Dämonen vertreibt. Es folgt ein Gebet, in dem der Gott mit vielen magischen Namen angesprochen wird, beginnend mit Iaō (vielleicht der Name auf der Rückseite des Amuletts) und endend mit Ja, Herr, Herr, gib vollkommene Weihe. Der Klang der griechischen Worte läßt sich nicht nachahmen (306f.: ναί, δέσποτα, δέσποτα, τέλει τελείαν τελετήν). Das Gebet soll vierzehn Tage lang dreimal täglich gesprochen werden, wobei darauf zu achten ist, daß die Mondgöttin nicht in einem ungünstigen Tierkreiszeichen steht. Nach dem Opfer von Salben und Weihrauch soll ein weißer oder gelber, keinesfalls ein schwarzer Hahn mit doppeltem Kamm lebend geöffnet und das Amulett in seine Eingeweide gelegt werden, wo es einen Tag über bleibt, um nachts in der neunten Stunde herausgenommen zu werden. Die Berührung mit den Eingeweiden des Sonnenvogels, der hell, d. h. sonnenfarbig, sein muß, beendet die Weihe. Es folgt noch ein Gebet, das man sprechen soll, wenn man das Amulett verwendet. Ähnlich kompliziert ist die Weihe des „Hermesrings“ in einem Papyrus des 4. Jahrhunderts n. Chr. im British Museum. (PGM V 213–304). Ein Opfer von Räucherwerk, Brot und Früchten wird dargebracht, der Ring für drei Tage in eine Salbe aus Lilien, Myrrhe oder Zimt gelegt. Beim Weihegebet soll man den Ring anstecken, sich mit der Salbe bestreichen und frühmorgens zur aufgehenden Sonne hingewandt sprechen. „Das Schneiden des Skarabäus: auf einen kostbaren Smaragd schneid einen Skarabäus, durchbohre und durchziehe ihn mit einem Goldfaden. Auf die Unterseite des Skarabäus graviere eine heilige Isis, weihe ihn, wie oben geschrieben ist, und nimm ihn in Gebrauch.“ (240–244). Der Hermesring verleiht prophetische Kräfte und Kenntnis von Verborgenem, auch vom Inhalt eines versiegelten Briefes. Das beschriebene Amulett ist kein Ring, sondern ein durchbohrter Skarabäus. Dieser Teil der Überlieferung stammt wahrscheinlich aus einer älteren Schicht. Frühe magische Amulette des 1. v.–1. Jahrhunderts n. Chr. haben die Form von Skarabäen mit geriefelten Elytren. Ein Karneol-Skarabäus in München trägt, wie der „Hermesring“, das Bild der im Profil stehenden Isis, die in der Rechten ein Szepter, in der erhobenen Linken ein Gefäß (mit Nilwasser) hält (Abb. 773a, b). Kürzer ist die Weihe eines Amuletts für Traumorakel im gleichen Papyrus (PGM V 448–459): „Auf einen Jaspachatstein schneid einen thronenden Sarapis, der ein ägyptisches Königsszepter hält und auf dem Szepter einen Ibis, auf die Rückseite des Steines den Namen und bewahr ihn unter Verschluß auf. Beim Gebrauch halt in deiner Linken den Ring, in deiner Rechten einen Öl-und einen Lorberzweig, bewege sie gegen das Licht und sprich zugleich das Gebet siebenmal. Steck dann den Ring an den Zeigefinger(?) deiner linken Hand, daß der Stein nach innen blickt, halt ihn an dein linkes Ohr

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XVII. MAGISCHE AMULETTE

und geh’ schlafen, ohne Antwort zu geben, in Enthaltsamkeit“. Einen thronenden Sarapis mit Ibisszepter sehen wir auf einem schwarzen Jaspis des Art Museums der Princeton University (Abb. 774). Über seinem Haupt erscheint anstelle des Kalathos der Skarabäus, unter seiner ausgestreckten Hand, statt des Kerberos, ein Skorpion. Der mehrdeutige Skorpion ist hier als Symbol der Fruchtbarkeit zu verstehen. Unter dem Thronenden trägt der Sonnenlöwe die Osirismumie (s. u. Abb. 785). Zu Seiten des Szepterfußes stehen die sieben Vokale, die in aufsteigender Zahl noch einmal das Bild rahmen, das von einem Uroboros als äußerem Rahmen umschlossen wird. Die sorgfältig geschriebene Inschrift auf der Rückseite enthält eine Sonnenanrufung und den Chabrach-Logos, die sich auf dem Rand forsetzt. Der Zahlwert dieser Formel ist 9999, was „Unendlichkeit“ bedeutet. Die erhaltenen Amulette dürften so oder ähnlich geweiht worden sein; nur auf solche Weise konnten sie ihre magische Kraft erhalten. Es ist anzunehmen, daß die Weihe nicht durch den einzelnen Amulett-Träger selbst, sondern durch Magier, welche die Texte und Riten kannten, vollzogen wurde. Die Anweisung zur Weihe eines Amuletts in dem großen Pariser Zauberpapyrus bestätigt diese Vermutung (PGM IV 1596–1716; Merkelbach, Abrasax I 104–122). In dem einleitenden Gebet an den Sonnengott heißt es: Gib Ruhm, Ehre Gunst und Macht diesem Ring (oder Amulett) hier, den ( oder das) ich heute für den N. N. weihe. Der Sonnengott wird darauf in allen zwölf Gestalten, die er im Lauf von zwölf Stunden annimmt, angerufen und jedesmal wird Kraft, Glück, Mut usw. auf den Ring, das Amulett oder die Gemme herabgerufen.

D. DIE BILDER DER AMULETTE Der große Sonnengott erscheint auf den Amuletten in griechischer und ägyptischer Gestalt, vor allem aber in tier-menschlichen Mischgestalten, die eigens für die Amulette erfunden wurden. Ihm zur Seite stehen andere Götter und Heroen aus der griechischen und ägyptischen Götterwelt, sowie die Erzengel aus dem jüdisch-christlichen Bereich. Im folgenden sei eine Auswahl charakteristischer Bildtypen vorgestellt. Zugunsten eines systematischen Überblicks wird der Abschnitt in griechische, ägyptische und magische Bilder unterteilt. Auf den Amuletten, werden diese Bildtypen miteinander verbunden, oft auf Vorder- und Rückseite eines Amuletts verteilt oder im gleichen Bild vereint.

1. Griechische Bilder Das Amulett Abb. 774 zeigt Sarapis, den Hauptgott des griechischen Alexandria, die griechische Gestalt des Osiris, mit Zusätzen aus der magischen Bilderwelt. Als Gott der Unterwelt ist er im Typus dem Hades ähnlich. Ganz im griechisch-römischen Typus steht Helios auf einem bikonvexen Karneol neben einem Altar mit brennender Flamme, in der Armbeuge Mantel und die Peitsche haltend, mit der er sein Viergespann zum Lauf über den Himmel antreiben wird, erhebt er die Hand zum Grußgestus (Abb. 775). Das Bild unterscheidet sich nicht von sonstigen Darstellungen des Sonnengottes, ist auch wie ein Siegel seitenverkehrt geschnitten, d. h. am Original betrachtet erhebt der Gott die linke statt der rechten Hand zum Gruß. Durch Inschriften wird die Gemme zum Amulett.

D. DIE BILDER DER AMULETTE

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Das einzelne „K“ über dem Altar hat wahrscheinlich die gleiche Schutzwirkung wie das dreifache „K“ auf Kolikamuletten (Abb. 799). Auf der Rückseite steht der magische Name des Gottes Abrasax. Ein Heliotrop trägt ein Bild der Begrüßung des Sonnengottes (Abb. 776). Der Hahn, dessen Krähen den Tag verkündet, steht vor der Büste des Gottes, die zum Zeichen seiner Weltherrschaft auf dem Globus ruht. Der schreitende Löwe darunter ist das Tierkreiszeichen leo, es ist in der Astrologie das Haus der Sonne. Die Umschrift enthält das altkoptische Wort phre „Sonne“; auf der Rückseite steht der magische Name des Sonnengottes in der dritten Stunde. Auf einem fast runden rosa-grauen Achat erscheint Sarapis ganz in griechischem Typus, jedoch in merkwürdiger Weise verdoppelt (Abb. 777): einmal stehend im Zeustypus und einmal thronend im Typus des alexandrinischen Kultbildes mit dem zu seinen Füßen hockenden Kerberos. Die Inschrift lautet: Der Gott, auf den man Vertrauen setzen darf; das Mittel zur Heilung (oder: der Gott der Heilstätte). Die Darstellung bedeutet, daß der Unterweltsgott Sarapis-Hades identisch ist mit dem Himmelsgott Sarapis-Zeus; daß ferner dieser wieder eins ist mit Helios, zeigt die im Grußgestus des aufgehenden Sonnengottes erhobene Rechte. In bildlicher Sprache ist so der Inhalt eines berühmten Orakels ausgedrückt, das Kaiser Iulianus „Apostata“ in seinem Hymnus an Sol zitiert: „Sarapis ist ein und derselbe wie Zeus, wie Hades, wie Helios“ (Or. 4, 136A). Die Inschrift schließlich bezeichnet ihn als Heilgott, d. h. auch dem Asklepios gleich. Hekate, die dreigestaltige Göttin der Dreiwege, Patronin der griechischen Hexen und Zauberer, spielt eine wichtige Rolle auf den magischen Amuletten. Man setzte sie mit der Mondgöttin, Selene, gleich und rief sie in der Nacht an. Auf einem Hämatit in Wien steht sie auf einem Löwen, hält in den sechs Händen je zwei Schwerter, Fackeln und Peitschen (Abb. 778 a, b). Ihr Name steht rechts beigeschrieben. Der Sonnenlöwe tritt einen am Boden liegenden Wehrlosen oder Toten mit Füßen. So wünscht sich der Träger des Amuletts Macht über andere, nicht nur seine Feinde sondern auch den in Liebe begehrten Menschen; hierauf weist das Bild der Rückseite. Es zeigt Aphrodite mit um die Hüften geschlungenem Mantel im Typus der „Anadyomene“, der aus dem Meer Emportauchenden, die ihre losen Haare aufbindet. Dieser Typus ist auf magischen Amuletten besonders häufig, offensichtlich weil das „Zum-Knoten-Schlingen“ der Haare Zeichen für magisches Binden ist. Das Amulett ist ein Beispiel ähnlich aggressiver Magie, wie sie die Liebeszauber in den Papyri bieten. So soll nach einem magischen Rauchopfer und Zwangsgebet Aphrodite angerufen werden: führ her die N. N., der N. N. Tochter, daß sie aufs schnellste eile und an meine, des N.N., der N. N. Sohn, Hoftüre komme zu Liebe und Lager, vom Stachel der Leidenschaft getrieben, von gewaltigem Wahnsinn, unter Zwang; heute noch, jetzt schnell! Denn ich beschwöre dich, Kythē´rē (Beiname der Aphrodite nach ihrem Heiligtum auf der Insel Kythera) (PGM IV 2909–2913). Oder, auf ein Täfelchen geschrieben, das mit weiteren Zaubermitteln zur Weihe an einem Dreiweg vergraben wird: „Ich beschwöre dich dreimal bei Hekate, daß die N. N. das Feuer aus ihrem Auge verliere oder auch schlaflos werde und in ihrem Sinne keinen habe außer mich allein, den N. N“. (PGM IV 2957–2961). Von ähnlichem Charakter ist ein Amulett aus Hämatit, auf dessen Rückseite Aphrodite und Hekate übereinander und daher klein und skizzenhaft angeordnet sind, während auf der Vorderseite die drei Chariten (Grazien) über dem Haupt der Gorgo Medusa erscheinen (Abb. 779 a, b). Die linke Charitin hält einen Zweig, wie er zu reinigenden Besprengungen gebraucht wurde, die äußere rechts einen Gegenstand, der

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XVII. MAGISCHE AMULETTE

vermutlich ein zu einem magischen Knoten geschlungenes Seil darstellt. Auf dem Rand steht, unterbrochen von Zauberworten: „Gorgo ... unterwirf Dir“ [den vom Amulettinhaber Gemeinten]. Die Chariten sind in der Welt der Magie eine Erscheinung der Mondgöttin, die schöne Gestalt der dreigestaltigen Hekate. In einem Gebet an Selene heißt es: ... Königin, die du auf dem gleichen Weg wie Helios im Wagen einherfährst, die du in den drei Gestalten der Chariten tanzest mit den Gestirnen schwärmend, ... (PGM IV 2790–2795). Während des Gebets soll man ein Rauchopfer bringen und ein Amulett weihen, dessen Bild beschrieben wird: Amulett bei der Handlung: nimm einen Magnetstein, auf dem eingeschnitten sei eine dreigesichtige Hekate, und zwar sei ihr mittleres Antlitz das einer hörnertragenden Jungfrau, das linke das eines Hundes, das von rechts her das einer Ziege. Nach dem Gravieren reinige ihn mit Natron und Wasser und tauch ihn in das Blut eines gewaltsam Gestorbenen. Dann leg ihn (eine Weile) bei Seite und sprich das gleiche Gebet zur Weihe (PGM IV 2878–2890).

2. Ägyptische Bilder Einen sanfteren Liebeszauber bewirkt ein Amulett aus Heliotrop (Abb. 780 a, b). Die Vorderseite zeigt Harpokrates (Horus als Kind) auf der Lotosblüte mit dem geißelförmigen Szepter, den Finger im typischen kindlichen Gestus zum Munde führend. Der Gott sitzt in der in Draufsicht wiedergegebenen Sonnenbarke. Es ist das Bild des aufgehenden Sonnengottes im ägyptischen Typus. Aus der Lotosblüte, die sich aus dem Urwasser erhebt, wird allmorgendlich die Sonne neu geboren. So hatte sich die Geburt des Sonnengottes auch bei Entstehung der Welt vollzogen, so wurde er jedes Jahr aus der Nilflut neu geboren. Vier Vokaldreiecke umgeben die Barke, abwechselnd mit A und Ω („W“ geschrieben) beginnend. W WV WVO WVOI WVOIH WVOIHE WVOIHEA

A AE AEH AEHI AEHIO AEHIOV AEHIOVW

Die sieben griechischen Vokale sind Symbole der sieben Planeten und der von ihnen erzeugten Sphärenmusik. Zugleich stehen sie als Symbole für die siebenbuchstabigen Namen des großen Gottes (Abrasax, Chnubis, Sarapis). Sie wurden im griechisch-ägyptischen Kult als Hymnus gesungen. Bei der Weihe eines Amuletts mit dem „großen Namen“ werden sie einzeln nach den vier Himmelsrichtungen, zur Erde, in die Luft und zum Himmel gesprochen und in stets gesteigerter Zahl (Vokalpyramiden) als Stimme der Götter nachgeahmt. (PGM XIII 732–1056, Merkelbach. Abrasax I 179–222). Die Dreiecksform mag auf die Flügel des Eros anspielen, denn auf der Rückseite des Amuletts steht in verständlichem Griechisch ein Liebeszauber: Es soll festgehalten werden der Sinn des Sarápion bei mir, der Didýme, und mache mich, die Didýme, beliebt. Beim Agathos Daimon. In der Anweisung für einen Liebeszauber heißt es: Während der Zauberhandlung aber trag bei dir einen eisernen Ring, auf

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den geschnitten sei ein Harpokrates auf Lotos sitzend, und sein Name sei Abrasax (PGM LXI 31–32). Analog dürfen wir annehmen, daß Didyme das auf der Rückseite eingeschnittene Gebet mit dem Stein in Händen gesprochen hat. Agathos Daimon, der „gute Dämon“, ist identisch mit Harpokrates. Eine großer Sard in Wien zeigt auf der Vorderseite Harpokrates im gleichen Typus, dieses Mal mit im Profil gegebener Sonnenbarke (Abb. 781 a, b). Die immerwährende Wiederkehr der Sonnengeburt ist über Harpokrates im Bild der UroborosSchlange dargestellt. Die Schlange umschließt Worte und Zauberzeichen, die in den Papyri „Charaktē´res“ genannt werden. Darüber ist ein siebenzeiliges Quadrat aus den sieben Vokalen gebildet, derart daß die erste vertikale und horizontale Zeile die Reihenfolge AEHIOVΩ bildet (das Omega „W“ geschrieben). AEHIOVW EHIOVWA HIOVWAE IOVWAEH OVWAEHI VWAEHIO WAEHIOV Senkrechte Reihen von Charakteres rahmen den Mittelteil. In ihnen versteckt ist das verständliche Wort „beschütze“. Die Rückseite des Amuletts ist mit einer siebenzeiligen Inschrift aus Buchstaben und Charakteres bedeckt, sie endet mit dem Gebet: „Beschütze den Träger deines heiligen Siegels“. In einem erweiterten Bildtypus wird Harpokrates auf der Lotosblüte von einem Pavian angebetet (Abb. 782). Beide werden von der Sonnenbarke getragen, auf deren Enden Falken, die heiligen Vögel des Horus sitzen. Der Pavian (griech. Kynoképhalos, Hundskopfaffe) ist das heilige Tier des Mondgottes Thoth, auf der Abbildung trägt er die Mondscheibe auf dem Haupt. Nach ägyptischer Vorstellung war das Geschrei der Paviane bei Sonnenaufgang ein Begrüßungshymnus für den Gott. Die „Übersetzung“ der Vorstellung in griechisch-römische Bildform bot Abb. 776. Als Jüngling sehen wir HorusHelios auf drei Löwen stehen (Abb. 783). Er trägt den kurzen ägyptischen Schurz und auf dem Kopf die aus drei Atef-Kronen bestehende „Hemhem-Krone“. In der Rechten hält er ein Szepter, in der Linken die Peitsche, mit der Helios sein Gespann antreibt. Der Löwe ist nicht nur das Tierkreiszeichen und das Haus der Sonne, sondern auch die Gestalt des Sonnengottes in der sechsten Stunde, am Mittag (PMG IV 1667). Die Drei steht im Ägyptischen für Mehrzahl, die Dreizahl der Löwen bedeutet, daß sich der Mittagsstand des Sonnengottes immer wiederholen wird, eine Aussage, die durch Sonnenstern und Mondsichel, die Symbole der Ewigkeit, in griechisch-römischer Bildersprache bekräftigt wird. Die Inschrift auf der Rückseite lautet: Asklepios sei glücklich. Das Amulett ist also ein immerwährender Glückbringer für Asklepios. Außer den zentralen Typen des Harpokrates und Horus kommen die mit ihm verbundenen ägyptischen Götter auf den Amuletten vor. Ein interessantes frühes Beispiel ist ein im antiken Goldring erhaltener roter Jaspis, der in das 1. Jahrhundert n. Chr. gehört (Abb. 784). Dargestellt ist ein Osiris-Canopos, d h. Osiris in der Gestalt eines Gefäßes mit dem Kopf des

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XVII. MAGISCHE AMULETTE

Gottes, wie er in Kanopos verehrt wurde. Das Gefäß enthielt mit hoher Wahrscheinlichkeit heiliges Nilwasser. Vorn ist ein Chi-Rho-Monogramm zwischen Iota und Beta eingeschnitten. Der Zahlwert der rahmenden Buchstaben (I = 10, B = 2) ist 12, die Zahl der Zodiakalzeichen, welche die Sonne im Laufe des Jahres durchläuft. XP ist in seiner heidnischen Bedeutung ein Zeichen der aufgehenden Sonne; wahrscheinlich darf es lautlich als „H(A)R“ = „Horus“ verstanden werden; ferner ist X als Zahl = 600, das entspricht dem isopsephischen Wert von Osiris (in der Schreibung Ὀσείρεις). P = 100 steht für die 100 Tage der Nilschwelle, die Zeit, während der Osiris stirbt, den Horus zeugt und wiedergeboren wird. Der Mythos von Osiris wiederholt sich alljährlich. Sein Bruder Seth hatte ihn ermordet und zerstückelt, seine Schwester und Gemahlin Isis sucht die Teile des Körpers, Anubis hilft ihr und mumifiziert den Toten. Isis fliegt als Vogelweibchen herbei und empfängt vom toten Gatten den Horus. Der Sohn richtet die Mumie auf und Isis, oft gemeinsam mit ihrer Schwester Nephthys, fächelt der Mumie Lebenshauch zu und erweckt sie zu neuem Leben. Im unteren Register eines Hämatits sehen wir die Mumie des Osiris auf dem Sonnenlöwen (Abb. 785). Sie trägt die für Osiris typische Atef-Krone, eine auf Widderhörnern ruhende konische Mütze zwischen Federn. Die angedeutete Biene vor dem Maul des Löwen könnte auf eine Verbindung zu den Mithrasmysterien hinweisen (s. Abb. 710b). Im oberen Register steht Aphrodite, die hier mit Isis gleichgesetzt ist, zwischen dem eselsköpfigen Seth und dem schakalköpfigen Anubis. Beide legen ihre Hand auf die Hüfte der Göttin, halten in der anderen Hand ein anch-Zeichen, welches „Leben“ bedeutet. Der Eselsköpfige ist also ebenfalls ein schützender Gott, nicht der böse Seth des beschriebenen Mythos. Es ist der mit Horus versöhnte Seth, der sich im ägyptischen Krönungsritual als König von Oberägypten die Macht mit Horus als König von Unterägypten teilt. Streit und Versöhnung der beiden Götter werden auch im Mythos von der Weltschöpfung des Leidener Papyrus geschildert (Merkelbach, Abrasax III 124/5). Ein Amulett im British Museum zeigt Seth und Horus, welche die Hieroglyphe „Vereinigung der beiden Länder“ halten, und bezeugt so, daß dieser Aspekt des Seth zum Gedankengut der magischen Amulette gehörte. Ein schwarzer Jaspis zeigt die aufgerichtete Osirismumie, der Isis mit ihren Flügelarmen den Lebenshauch zufächelt (Abb. 786). Wie für die magischen Amulette geschaffen war die Gestalt des sogenannten „Bes Pantheos“, deren antiken Namen wir nicht kennen. Sie begegnet seit ptolemäischer Zeit auf magischen Stelen und in Form von Statuetten. Tatsächlich handelt es sich nicht um eine pantheistische Gottheit, sondern um eine verborgene Darstellung des jungen Sonnengottes, Harpokrates unter der Maske des Bes, des alten Sonnengottes. Auf dem abgebildeten Beispiel wird dies durch die Sonnenscheibe auf dem Kopf des Gottes und sein menschliches Gesicht deutlich (Abb. 787). Der Gott hat vier Flügel und einen Vogelschwanz, der als Schwanz des HorusVogels, des Falken, zu deuten ist. Löwenköpfe an den Knien, Schakalköpfe als Füße (hier nur beim linken) deuten weitere Tiergestalten an, in denen der Gott erscheinen kann. Eine besonders wichtige Erscheinungsform ist der links dargestellte Skarabäus „Chepri“, die Gestalt des Sonnengottes am Morgen. In der Kugel aus Mist und Erde, die der Pillendreher-Käfer formt und vor sich herrollt, um seine Eier hinzulegen, sah man ein Bild der Sonne. „Chepri“ bezeichnet den Käfer und „das Werden“. Zwei Szepter bedeuten die Machtfülle des Gottes. Er hält in der Rechten den Schlüssel, Symbol für den Verschluß der Gebärmutter, in der Linken einen Skorpion als Symbol der Fruchtbarkeit. Diese Bedeutung erhielt der Skorpion, weil

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das Muttertier die neugeborenen Jungen in großer Zahl auf seinem Rücken trägt. Es handelt sich also um ein Amulett für Kindersegen, gegen Fehlgeburten. Der Gott steht auf einem Uroboros, der den Namen „IAŌ“ umschließt, von dem weiter unten die Rede sein soll. Auf der Rückseite der Gemme stehen die Namen der Erzengel Michael, Gabriel, Koustiel, Raphael. Diese mächtigen Diener des jüdischen und christlichen Gottes werden auch auf den Amuletten um Hilfe angerufen. Meist hat der „Pantheos“ das Gesicht des alten Bes und zu dessen Seiten je vier Tierköpfe, die hier durch kurze Striche angedeutet sind (Abb. 788) neun Köpfe, also insgesamt. 3 x 3, die potenzierte Mehrzahl, bedeutet die unendliche Verwandlungsfähigkeit des Gottes. „Der Neungestaltige“ wird er im Schöpfungsbericht eines Leidener Papyrus genannt (PGM XIII 42, 51, 159, 392, 411, 422, 469, Merkelbach, Abrasax III 10–12, 60–65, 192f., 254). Die Wandlungsfähigkeit des Gottes offenbart sich auch in den zwölf heiligen, jeweils einem Gott zugeordneten Tieren, deren Gestalt der Sonnengott von der ersten bis zur zwölften Stunde annimmt (PGM IV 1648–1695, Merkelbach, Abrasax I 105f., 110–115). Auf dem abgebildeten Amulett steht „Bes Pantheos“ auf dem Sonnenlöwen, er trägt die Sonnenscheibe und die Atefkrone auf Hörnern. Der freie Raum ist über und über mit Inschriften bedeckt. Am häufigsten kommt das zischende Chi vor. Zischende und schnalzende Laute spielen eine wichtige Rolle bei Beschwörungen. Dazwischen verbirgt sich ein Name des Gottes, Bainchōōōch, ein koptisches Wort, das „Seele der Finsternis“ bedeutet, es bezeichnet den Sonnengott, der die Unterwelt erleuchtet. Der Name ist oft mit dem „Bes Pantheos“ verbunden, dem alten Sonnengott, der sich anschickt, mit der Barke durch die Unterwelt zu fahren, um am Morgen verjüngt wieder aufzugehen. Das Wort hat den Zahlwert 3663, in dem die heilige Zahl „drei“ viele Male enthalten ist. Drei ist unter anderem die Zahl der Gestalten des Sonnengottes am Morgen, Mittag und Abend. Zwischen den Beinen des Gottes verweisen die sieben Vokale auf die Planeten und die siebenbuchstabigen Namen des Gottes. In einer Kartusche unter dem Löwen steht eine zweizeilige Inschrift; sie ist hier nicht lesbar; auf einem sehr ähnlichen Amulett im British Museum lautet sie: „Beschütze vor (allem) Übel“.

3. Magische Bilder Tier-menschliche Mischgestalten von Göttern waren in Ägypten ein vertrauter Anblick, flößten als Zeichen des überirdischen Wesens der Götter Ehrfurcht ein. In diesem Umfeld konnten neue Bilder des magischen Sonnengottes geschaffen und verstanden werden. Die scheinbar willkürlichen Zusammensetzungen aus menschlichen und tiergestaltigen Teilen erweisen sich bei näherem Zusehen als konsequente Umsetzung religiöser Inhalte in bildliche Form. Eine in ihrer geheimnisvollen Ausstrahlung geradezu geniale Erfindung ist die Gestalt des hahnenköpfigen Schlangenbeinigen (Abb. 789). Amulette mit diesem Bild wurden im 12. und 13. Jahrhundert mehrfach als Siegel verwendet (s. u. Abb. 848, 849). Macarius und Chifletius glaubten in diesem Typus das Bild des „Abrasax“ gefunden zu haben, eine Benennung, die ihm auch heute noch anhaftet. Sicher war „Abrasax“ einer der Namen des Gottes und zwar jener, der ihn als Gott des Jahres bezeichnet; als sein Hauptname ist jedoch das weit häufiger mit ihm verbundene und als zu ihm gehörig auf den Schild geschriebene ΙΑΩ (IAW) anzusehen.

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XVII. MAGISCHE AMULETTE

IAŌ war die griechische Aussprache des jüdischen Gottesnamens „Jahwe“. Der gepanzerte Schildträger ist die bildliche Umsetzung eines Bibelverses, den wir in der Form „Der Herr ist mein Schild“ kennen. In der griechischen Übersetzung der Septuaginta, die in Alexandria gelesen wurde, steht jedoch statt „Schild“ eine Person: „Der mit seinem Schild schützende Vorkämpfer“ (ὑπερασπιστής). Der Hahnenkopf bezeichnet Iaō als Sonnengott am Morgen, er ist also das dem Helios im Grußgestus (Abb. 775 ) und dem Harpokrates auf der Lotosblüte (Abb. 780–782) entsprechende magische Bild. Der Gott hält die Peitsche des Helios. Ein nur in Zeichnung bekanntes Amulett macht im Bild evident, daß Iaō mit dem Sonnengott Helios/Sol identisch ist: Er „steht“ im Sonnenwagen, die Schlangenköpfe führen die Zügel des Viergespanns. Die Inschrift ruft den Gott mit einem Namen Jahwes: „Sabao(th)“, „Herr der Heerscharen“, an. Auf der Rückseite umgibt die Uroboros-Schlange die Namen „Iaō“ und „Abrasax“.

Text-Abb. 10. Iaō–Helios als Lenker des Sonnengespanns, grüner Jaspis, verschollen

Am rätselhaftesten wirken die Schlangenbeine des Gottes. Sie waren formal im Gigantentypus vorgebildet, bedeuten jedoch weder, daß es sich um einen Giganten handelt, noch daß der Gott

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unterirdischem Charakter habe. Bei dem sorgfältig geschnittenen hier abgebildeten Exemplar ist deutlich, daß die Schlangen Sonnenscheiben tragen. Die sich aufrichtende Schlange mit der Sonnenscheibe ist die aufgehende Sonne. Die Schlangenbeine sind Uraeus-Schlangen, wie sie in ägyptischen Darstellungen oft von der Sonnenscheibe herabhängen. Eine Bild im Grab von Ramses VI. (1142–1134 v. Chr.) zeigt Re-Osiris als aufgehenden Sonnengott mit der Sonnenscheibe als Kopf, menschlichem Körper und Schlangenbeinen. Sie bezeichnen den Gott, der auf starken Beinen über den Himmel läuft. Sonnenstern und Mondsichel zeigen an, daß sich der tägliche Sonnenaufgang und die Erneuerung des Kosmos in Ewigkeit wiederholen werden. Auf der Rückseite des Amuletts steht ein Palindrom, das oft mit Harpokrates und Iaō verbunden ist: ablanathanalba. Die magische Kraft solcher Zauberworte beruht vordergründig darin, daß sie von vorn wie rückwärts lesbar sind. Im vorliegenden Fall scheint auch der bisher nicht beachtete Zahlwert von Bedeutung. Er beträgt 179, eine Primzahl. Die unteilbare Zahl mag für die Unantastbarkeit des Gottes stehen, ihre Teile lassen sich deuten als „der Eine mit dem siebenbuchstabigen Namen, den neun Gestalten“. Die Zahl 9 (Θ, Thêta) erscheint noch einmal als Zentrum des Palindroms. Die Neun enthält 3 x 3; die Dreizahl ist wiederholt in den jeweils drei Alpha zu ihren Seiten. Es ist auch die Zahl der Buchstaben von IAŌ. Die Natur der sonnentragenden Schlange wird auf einem anderen Amulett evident: Aus dem Rumpf des thronenden Sarapis erhebt sich statt des Kopfes eine Schlange mit der Sonnenscheibe auf dem Kopf; sie wird von einem Pavian, den der Gott auf der Hand hält, angebetet (Abb. 790). Die Schlange mit der Sonnenscheibe ist also gleichbedeutend mit dem Harpokrates auf der Lotosblüte. Das Bild der aus dem Körper des Sarapis/Osiris aufsteigenden Sonnenschlange umschreibt die Zeugung des Harpokrates durch Osiris. Die gleiche Bedeutung hat das Bild des Skarabäus über Sarapis (Abb. 774). Auf der Rückseite eines aufwendigen Amuletts aus Heliotrop (Abb. 791 V, R) erhebt sich Harpokrates als falkenköpfige, geflügelte Schlange aus der Lotusblüte. Darüber erscheint er in der Gestalt des Sonnenkäfers. Solche Wiederholungen des Gottesbildes in verschiedener Gestalt sind ebenso wichtig wie die Anrufung mit verschiedenen Namen oder die Wiederholung von Gebeten. Ringsum sind Zauberworte, hauptsächlich Vokale, geschrieben. Auf der Vorderseite des Amuletts steht als Gegenbild zu dem morgendlichen Sonnengott die dreigestaltige Hekate als Göttin der Nacht. Sie hat einen Körper, der mit einem gegürteten Chiton bekleidet ist, und drei mit Kalathoi bekrönte Köpfe. Darüber steht die Mondsichel. In ihren sechs Händen hält sie zwei Fackeln, zwei Schwerter und zwei Peitschen. Zu ihrer Linken steht ein Tropaion, ein mit Helm, Panzer, gekreuzten Schilden und Beinschienen geschmücktes Siegeszeichen. Die Waffen in ihren Händen und das Tropaion sind Symbole ihrer Macht über Dämonen und Unheil. Sie kann Böses schicken, aber auch abwehren. Von „Bes Pantheos“, dem alten Sonnengott, hat sie den Falkenschwanz und die Falkenklaue am rechten Fuß übernommen. Charakteres und Buchstaben bilden den Rahmen. Auf dem Rand des Amuletts steht: Ablanathanalba beschütze Romana. Das Palindrom Ablanathanalba ist hier der Name des Gottes, „König der himmlischen Götter“ wird er in einem Liebeszauber angesprochen (PGM VIII 61). Das Amulett mit Harpokrates und Hekate soll Romana tag und nacht beschützen. Harpokrates kann auch in Schlangengestalt mit Menschenkopf erscheinen. Auf dem abgebildeten Hämatit-Fragment ist der nach ägyptischer Weise bis auf die Kinderlocke kahlgeschorene Kopf von Strahlen umgeben und mit der Sonnenscheibe

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bekrönt (Abb. 792). Der Schlangenleib umgab wahrscheinlich den Kopf. Die Inschrift der Rückseite spricht den Gott als „Harponchnuphi“, d. h. Harpokrates-Chnubis an. Die Bildaussage des schlangenköpfigen Sarapis, die Zeugung des Sonnengottes Horus durch Osiris, wird unter Verwendung ägyptischer Bildelemente von einem auf der Agora von Athen gefundenen Amulett wiederholt (Abb. 793 V, R). Der Gott sitzt vor einer mit Charakteres versehenen Balustrade(?) auf einem Thron, er hat den Kopf des Horusfalken, sein Torso ist schräg kariert, was ihn als Osirismumie charakterisiert. Das Ähren- oder Pflanzenbündel in der erhobenen Hand des Gottes verstärkt den Aspekt der Regeneration. Die Inschrift Adōnai „mein Herr“ ist eine Anrufung des Gottes. Auf der Rückseite steht das Palindrom ablanathanalba. Das Amulett stammt aus einer in das 2. Jahrhundert n. Chr. datierten Fundschicht und ist damit eine der wenigen magischen Gemmen, die in einer regulären Ausgrabung gefunden wurden, vielleicht die einzige aus datiertem Zusammenhang. Die Gestalt des Sonnengottes am Mittag ist, wie gesagt, der Löwe. In einem Berliner Zauberpapyrus mit einer langen Anleitung zur Gewinnung eines Beisitzers wird der „Sonnen-Horos“ (Heliōros) als Mensch mit Löwenkopf beschrieben. Er hält Globus und Peitsche und wird von einem Uroboros gerahmt (PGM I 65–70, 144–150). Die Peitsche ist das Attribut des Sol, der Globus bezeichnet seine Allmacht. Auf einem verschollenen Chalcedon hält Heliōros Ähren als Zeichen der Fruchtbarkeit und eine Schlange mit zum Kreis geschlungenen Schwanz, als Symbol ihrer alljährlichen Wiederkehr. Der am Boden stehende Skyphos ist wohl mit Nilwasser gefüllt zu denken, die darin steckenden Zweige wiederholen das Motiv der Fruchtbarkeit (Abb. 794). In einem Typus, der wie der Schlangenbeinige sehr häufig vorkommt, erscheint der Gott als Schlange mit strahlenbekränztem Löwenhaupt. Sein Name „Chnubis“ (ΧΝΟΥΒΙC) oder „Chnumis“ (ΧΝΟΥΜΙC) ist häufig beigeschrieben, oft mit dem Zusatz „anok“, d. h. „ich bin“ (koptisch). Die löwenköpfige Schlange „Chnumis“ ist in der ägyptischen Astrologie der erste Dekan des Löwen (s. J. F. Quack). In der Bilderwelt der magischen Amulette erhält sie eine umfassendere Bedeutung als eine der Gestalten des großen Gottes. Bei dem abgebildeten Beispiel ist der Löwenkopf stark stilisiert, die Beischrift lautet „Chnubis“ (Abb. 795 V, R). Auf der Rückseite des Amuletts erscheint das Zeichen des Chnubis: Drei S mit einem Querstrich, d. h. drei gebogene und eine gestreckte Schlange, umgeben von einem magischen Wort: Abrammaōth. Auch der Zahlwert von „Chnubis” ist bedeutsam, die Quersumme ergibt 1332 = 3 x 444; sie enthält die schon erwähnte heilige Dreizahl und die ebenso bedeutsame Zahl Vier, die Zahl des Tetragrammaton, des Vierbuchstabigen YHWH, Jahwe; es ist eine Zahl, in der sich der Gott manifestiert, sei es in den Elementen, den Himmelsrichtungen oder den Jahreszeiten. Im Gegensatz zu meiner früheren Vermutung ergibt auch die Quersumme von „Chnumis” eine gute magische Zahl: 1370 = 10 x 137, zehn mal eine Primzahl aus magischen Zahlen. Das Material des Amuletts ist grüner Jaspis, damit entspricht es genau überlieferten Anweisungen für Magenamulette. Der Arzt Galenus (ca. 130–200 n. Chr.) beruft sich auf Texte aus dem 2. Jh. v. Chr., die unter dem Pseudonym Nechepso-Petosiris veröffentlicht worden waren: Einige bezeugen für gewisse Steine eine besondere Eigenschaft, wie sie in der Tat der grüne Jaspis besitzt, der (als Amulett) umgehängt für den Magen und den Magenmund heilsam ist. Einige fassen ihn auch in einen Ring und schneiden in ihn die Schlange mit den Strahlen, ganz

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so, wie König Nechepso im 14. Buch vorschrieb. Mit diesem Stein habe ich eine zuverlässige Erfahrung. Ich machte eine Kette aus kleinen Steinen dieser Art und hängte sie um meinen Hals, so bemessen, daß die Steine den Magenmund berührten. Sie schienen nicht weniger heilsam, auch wenn sie nicht das eingeschnittene Bild trugen, das Nechepso vorschrieb“ (Galen, de simpl. med. 10, 19). Galen, der das eingeschnittene Bild nicht für wichtig hält, beschreibt den Kopf der Schlange nicht. In anderen Beschreibungen wird das strahlenumgebene Löwenhaupt ausdrücklich genannt. Ein Chnubis-Amulett in Paris trägt auf der Rückseite die Inschrift: „Bewahre in Gesundheit den Magen des Proklos!“ (Delatte – Derchain Nr. 80). Die große Zahl der Chnubis-Amulette und ihre Inschriften zeigen jedoch, daß sie nicht ausschließlich die Funktion von Magenamuletten hatten, sondern ebenso umfassenden Schutz boten wie die anderen Erscheinungsformen des Sonnengottes.

4. Spezialamulette Andere Typen sind dagegen auf bestimmte Bereiche festgelegt. Die Übel, vor denen sie schützen sollen, waren offenbar weit verbreitet: Das Bild des Schnitters, der sich immer wieder mühelos beugt, um die Ähren abzuschneiden, sollte vor Ischias bewahren. Ein Mann mit Mütze beugt sich vor, um mit der Sichel Ähren abzuschneiden, drei Stoppeln stehen vor ihm. Links neigen sich die Zweige eines Bäumchens über die Szene, ein Uroboros umgibt sie, um die immerwährende Wirksamkeit des Amuletts zu sichern (Abb. 796V, R). Auf der Rückseite steht „für die Hüften“ ([I]s-chíōn von is-chíon, „Hüfte“, wovon das Wort Ischias kommt). Beide Seiten des Amuletts sind abgebrochen, was vielleicht mit Absicht geschehen ist, um die Stücke in pulverisierter Form als Heilmittel zu trinken. Auch nach der Beschädigung wurde das Amulett noch getragen, wie die abgenutzten Kanten zeigen; wahrscheinlich rieb man es auf der schmerzenden Stelle. Eine Eidechse, insbesondere in grünen Stein geschnitten, galt als Heilmittel gegen Augenkrankheiten. Mehrere Eidechsen-Amulette haben die Inschrift kanthesule, was vielleicht bedeutet „Auge, (die Eidechse) heilt dich“; auf dem vorliegenden Exemplar in der Variante „Kansethule-Tier“ ist das Wort offenbar als magischer Name der Eidechse verstanden (Abb. 797). Man schrieb der Eidechse (σαύρα, lacerta) die Fähigkeit zu, ihr verlorenes Augenlicht wiederzugewinnen. Wie man sich dies zur Herstellung eines Amuletts zunutze machen konnte, wird mehrfach beschrieben. In den Cyranides (2,14,22-31) heißt es, man solle einer Sonnen-Eidechse, welche die gleichen Kräfte wie die grüne Eidechse hat, mit zwei goldenen oder silbernen Nadeln die Augen ausstechen, sie in einem Topf mit reiner Erde für neun Tage einschließen; beim Öffnen des Topfes werde die Eidechse ihr Augenlicht wiedererlangt haben. Die Eidechse soll man nun frei lassen, dann aus der Nadel, mit der man das rechte Auge ausgestochen habe, einen Ring für die rechte Hand, aus der anderen einen für die linke Hand machen. In die Ringe soll ein (grüner) Jaspis eingefaßt werden, der das eingeschnittene Bild einer Eidechse und auf der Unterseite die Inschrift chunthesule trägt. Der Träger werde sein Leben lang vor Augenleiden geschützt sein und könne Augenkranke heilen, indem er Ihnen den Ring anstecke. Claudius Aelianus (ca. 170–240 n. Chr.) erzählt von einem Mann, der die geblendete grüne Eidechse, ein geheimes Kraut und ein Eisenring mit einer Achatgemme, in die eine Eidechse graviert war, in einem neunfach versiegelten, mit kleinen Löchern versehenen

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XVII. MAGISCHE AMULETTE

Topf einschloß. Nach neun Tagen öffnete er den Topf, und Aelian sah mit eigenen Augen, daß die Eidechse wieder sehen konnte, sogar besser als zuvor. Der Ring, sagte der Mann, sei nun ein Schutzmittel für die Augen (Aelian, de nat. anim. 5, 47). Kürzer berichtet Plinius über diese Praxis; der Ring ist bei ihm aus Eisen oder Gold, ein Ringstein wird nicht erwähnt, das Gefäß ist aus Glas, damit man beobachten kann, wann die Eidechse ihr Augenlicht wieder gewonnen hat (29, 129-130). In Wirklichkeit wächst nur der verlorene Schwanz der Eidechse nach. Natürlich konnte der Magier das geblendete Tier gegen ein gesundes austauschen. Vielleicht liegt aber auch eine Verwechslung mit Salamandern vor, die ihre Augen und andere Körperteile tatsächlich regenerieren können. Achate von der Farbe der Löwenhaut schützen vor Skorpionstichen, besonders wenn sie an einem Löwenhaar befestigt sind (Plinius 37, 142). Gelber Jaspis mit dem Bild eines Skorpions darf nach der Regel similia similibus in diesem Sinne gedeutet werden (Abb. 798V, R). Der Sinngehalt des abgebildeten Amuletts ist jedoch damit nicht erschöpft. Der Skorpion ist zugleich das Tierkreiszeichen; er trägt die ihm vorausgehende Waage auf den Scheren. Dem Skorpion wird in der Astrologie Macht über die Geschlechtsteile zugeschrieben. Das Amulett soll also im Bereich des Geschlechtslebens Schutz und Kraft gewähren. Nicht auszuschließen ist ferner eine Beziehung auf das Horoskop des Besitzers. Der von einem Uroboros umschlossene Name IAŌ auf der Rückseite schließlich macht das Amulett zu einem umfassenden und immerwährenden Schutzmittel. Gegen Koliken helfen Amulette mit dem Bild des Herakles im Kampf mit dem Löwen, meist in rotem Jaspis, deren Rückseite die Inschrift K K K trägt (Abb. 799). Alexander von Tralleis, ein Arzt des 6. Jahrhunderts n. Chr., empfiehlt ein solches Amulett zum Umbinden gegen Koliken: In einen medischen Stein graviere Herakles, aufrecht stehend und den Löwen würgend; fasse ihn in einen Goldring und gib ihn dem Patienten zu tragen (II 377 ed. Puschmann). Die Bedeutung des Bildes ist leicht verständlich: Wie den Löwen, so wird der Heros die Kolik besiegen. Schwieriger zu deuten sind die drei Kappa. Chiflet, der auch schon auf die angeführte Textstelle hinweist, bezieht sie auf den Anfangsbuchstaben des Wortes kōlikē´ (127 zu Abb. 89, 90). Sie könnten auch Anfangsbuchstaben von magischen oder griechischen Worten sein. Die Zauberworte koloker kolopo sir kommen auf einem solchen Amulett vor. Eine griechische Zauberformel, die auf ein Ringamulett gegen Koliken geschrieben werden soll, lautet: θεὸς κελεύει μὴ κύειν κόλον πόνους; mit dem Versuch, die Alliteration nachzuahmen, könnte man übersetzen: „Auf Gottes Geheiß gebäre keine Krankheit das Gedärm“. Auf einem Fieberamulett wird ein Gott oder Dämon Kok Kuk Kul angerufen (PGM XXXIII 19), vielleicht war auch er hilfreich gegen Koliken. Der Ibis ist der Vogel des Thot, der Horos im Kampf gegen Seth beisteht. Er galt als Schutztier für gute Verdauung, weil er Ungeziefer vertilgt und sogar Skorpione und Schlangen fressen kann, ohne selbst Schaden zu nehmen; auch hieß es, daß er nie verdorbenes Wasser trinke. Nur Wasser, aus dem zuvor ein Ibis getrunken hatte, galt als kultisch rein. Hieraus ließ sich die Vorstellung ableiten, der trinkende Ibis reinige auf magische Weise das Wasser. Sein Bild ist daher typisch für Amulette gegen Magenschmerzen und für gute Verdauung. Wahrscheinlich tauchte man Ibis-Amulette auch in Getränke, um den Vogel so „trinken“ zu lassen und die Flüssigkeit auf magische Weise zu reinigen. Die Vorderseite eines Amuletts zeigt einen Ibis mit einem siebenstrahligen Kranz um den Kopf, es ist der

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Sonnenvogel Phönix (Abb. 800). Er steht auf einem rundlichen Gegenstand, der auf einem Altar liegt, wahrscheinlich ist es das Ei aus Myrrhe, in dem der junge Phönix seinen toten Vater barg (Herodot 2,73). Der Phönix ist umgeben von Tieren: oben einem Skarabäus, beiderseits zwei Vögeln (Falken), zwei Skorpionen, zwei Schlangen, unten einem Krokodil; über den Köpfen der Schlangen stehen zwei gegenständige, S-fömige Zeichen (Schlangensymbole). Auf der Rückseite steht die an den Magen gerichtete Aufforderung „verdaue!“ und das Zeichen des Chnubis, der ja ebenfalls gegen Magenbeschwerden half. Der Phönix, der immer wieder neu geboren wird, ist ein Abbild des Sonnengottes. Die ihn umringenden Tiere umgeben, in der Regel zu je dreien, auch Harpokrates auf der Lotusblüte; hinzu kommen meist Ziegenböcke, manchmal Ibisse und Löwen. Dirk Wortmann hat die Tiere im Sinne des Horus-Mythos gedeutet: als zu Horus gehörige Tiere (Skarabäus, Falke) und als Horus feindliche Tiere, die der Gott besiegt; den Skorpion, der Harpokrates stach und von ihm besiegt wurde, die Apophisschlange, die in der siebten Nachtstunde die Fahrt des Sonnengottes durch die Unterwelt behindert, aber allnächtlich überwunden wird, das Krokodil als Tier des Seth. Simone Michel schlägt dagegen vor, die Tiere als Erscheinungsformen des Gottes zu den verschiedenen Tageszeiten, in den verschiedenen Himmelsrichtungen zu deuten. In diese Richtung weisen Papyrustexte, in denen der Gott, der auf seinem Gewand den Phönix trägt, angerufen wird als Harpokrates auf dem Lotus im Norden, als Falke im Süden, als Krokodil im Westen, als geflügelte Schlange im Osten (PGM II 102–135; XII 87–89, s. Merkelbach, Abrasax I 20–34, 51f., 75). Hinzu kommt ein Amulett im British Museum, bei dem in vier, ein ovales Mittelfeld mit dem Ibis umgebenden Feldern Harpokrates auf der Lotusblüte, Falke, Krokodil und geflügelte Schlange angeordnet sind. Auf der Rückseite des Amuletts steht die Chabrach-Formel, deren Zahlwert, 9999, dem Beter in dem erstgenannten Berliner Papyrus als höchster Name des Gottes offenbart worden ist (PGM II 129). Ferner läßt sich ein grauer Jaspis der Lewis Collection heranziehen, in dessen vier Feldern Harpokrates und der adorierende Pavian, Skarabäus und Falke zu sehen sind. Hier also (Abb. 800) stünde der Skarabäus für den am Morgen im Osten aufgehenden Gott, das Krokodil für seine Gestalt am Abend, im Westen, die Falken für die Mittagsgestalt im Süden. Für die Schlangen bliebe dann – anders als in den Papyri – der Norden. Da sie, wie oben gezeigt, Erscheinungsformen des Harpokrates sein können, wäre dies nicht mehr als eine Variante. Nur die Skorpione haben in diesem System keinen Platz. Sie müßten im Sinne der Skorpion-Amulette (vgl. Abb. 798) als zusätzliches Schutzmittel gedeutet werden. Bei weitem die häufigsten Spezialamulette sind die sog. Uterus-Amulette zum Schutz von Frauen vor Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten und anderen Frauenleiden. Sie bestehen in der Regel aus Hämatit. Zentrales Motiv ist die Gebärmutter mit einem meist siebenzackigen Schlüssel am Muttermund. Der Schlüssel kann die Gebärmutter zur Aufnahme des Samens öffnen, zur Verhütung von Fehlgeburten schließen und zur rechtzeitigen Geburt wieder öffnen. Die Kraft des Blut-Steines und das Bild des Schlüssels sollen hier zusammenwirken. Auf diesem Beispiel stehen als Schutzgötter über dem Uterus: Anubis in Mumiengestalt als Gott, der Osiris zum Leben erweckte, der lebendig macht; ferner der große Sonnengott in Gestalt des Chnubis, der speziell nicht nur gegen Magenschmerzen, sondern auch gegen

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XVII. MAGISCHE AMULETTE

Beschwerden der Gebärmutter hilft; schließlich Isis, die den Harpokrates geboren hat und daher Schutzgöttin aller menschlichen Mütter ist (Abb. 801). Ein Uroboros umgibt das Bild, begleitet von der für diese Amulette typischen Soroor-Formel. Die Rückseite vieler UterusAmulette trägt die Inschrift Orōriouth, wahrscheinlich der magische Name des Chnum, der nach ägyptischer Vorstellung die Leibesfrucht im Samen angelegt hat und im Uterus zum Kind formt. War das Kind glücklich geboren, so drohten neue Gefahren. Lebenswichtig war, daß die Mutter genug Milch hatte, es zu stillen. „Milchsteine“ sollten dies garantieren. Verschiedenen ganz oder teilweise weißen, also milchfarbenen Steinen schrieb man diese Eigenschaft zu (Plinius 37, 162–163). Der Volksglaube an solchen Analogiezauber hielt sich lange: Minoische Siegel von milchiger Farbe oder mit weißen Adern entdeckte Evans als Milchsteine am Hals kretischer Bäuerinnen (s. o. S. 20). Ein dicker, gelblich elfenbeinfarbener Chalcedon läßt sich als ein solcher Milchstein deuten. Das Bild der Vorderseite zeigt eine dreiköpfige Schlange, offenbar eine Erscheinungsform des Chnubis (Abb. 802). Auf der Rückseite stehen drei magische Worte: Albes, Chnubi, Bienoth als Anrufungen der drei Köpfe. Das dem Sokrates und Dionysios zugeschriebene hellenistische Lapidarium empfiehlt ein Amulett mit einer solchen Darstellung als Milchstein: Ein anderer Onychites-Stein, ganz schwarz anzusehen: Dieser ist nützlich für Schwangere und Stillende. In ihn wird ein Chnubios mit drei Köpfen eingeschnitten. Im Unterschied zu den von Plinius angeführten Milchsteinen soll dieser nicht weiß, sondern schwarz sein, offenbar als Gegenfarbe zur Milch, die er anziehen sollte. Kleine Kinder sind naturgemäß besonders schutzbedürftig. Amulette für Kinder sind auch außerhalb der Gattung der magischen Gemmen besonders verbreitet und zählebig. In einer Predigt über die Taufe verbietet Gregor von Nazianz (2. Hälfte 3. Jh. n. Chr.) den Christen, Amulette (periámmata, „Umhängsel“) und Zaubersprüche (epásmata) zu gebrauchen. Ein Scholion erklärt die Begriffe so: Periámmata: Um Handgelenke, Arme und Hals geschlungene farbige Fäden, mondförmige Plättchen aus Gold und Silber oder billigerem Material, die von törichten alten Frauen den Babies umgehängt werden. Epásmata: Zauberlieder, die von den gleichen alten Frauen über die Kinder gesungen werden, dabei murmeln sie zur Übelabwehr und lecken zugleich mit ihren Zungen die Stirn der Kleinen und spucken, wobei sie nach beiden Seiten pusten (Migne PG 36, 381 A. 907 B-C). Ein typisches Kinderamulett ist der abgebildete Anhänger aus Serpentin (Abb. 803V, R). Er trägt auf der einen Seite das Bild der göttlichen Mutter Isis, die den kleinen Harpokrates auf dem Schoß hält (ein Bildtypus, der formales Vorbild für Darstellungen von Maria mit dem Jesuskind war). Das Zauberwort aththa b athath hat normalerweise die Form eines Palindroms aththa b aththa (αθθαβαθθα) es klingt wie Kinderstammeln oder Ammengemurmel. Im großen Pariser Zauberpapyrus ist es ein Zauberwort, das dem Horus als Sohn der Isis und des Osiris zugeordnet ist (PGM IV 1075). In diesem Zusammenhang scheint fraglich, ob man das Palindrom, wie vorgeschlagen wurde, als hebräisch „Du bist Vater“ verstehen darf. Auf der anderen Seite erscheint der krummbeinige Bes mit dem maskenartigen Gesicht als Schutzgott des Horuskindes, wie der menschlichen Kinder. Sonnenstern und Mondsichel garantieren die ewige Dauer des Schutzes. Das Zauberwort lautet: tasberberetas. In der Anfangs- und Endsilbe klingen Zischgeräusche an, wie sie häufig in magische Gebete eingeflochten wurden.

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5. Schadenzauber Ein dunkelgrauer Hämatit im Institut für Altertumskunde der Universität Köln bietet eines der seltenen Beispiele von aggressiver oder schwarzer Magie innerhalb dieser Gattung

Text-Abb. 11. Intaglio für Unterwerfungszauber, Hämatit, Köln, Inst. f. Altertumskunde. Zeichnung Ursula Naber

Ein nackter Mann mit hängenden Armen, also ein wehrloser Mann, steht auf einer liegenden Stele mit nach rechts weisender Giebelspitze. Neben ihm sind Charakteres eingraviert, unter denen sonst nicht übliche hakenförmige Zeichen auffallen. Innerhalb der Stele steht am Anfang in der Mitte zweier Zeilen „Z“ (Zeta, sieben) als Zeichen für den großen Gott, es folgen sieben „Z“, als Symbole eines der siebenbuchstabigen Namen (Abrasax, Chnubis, Sarapis). Die zweite Zeile ist ein Palindrom aus Zeichen: Mond, Sonne, drei waagrechte Striche – Kreis zwischen Strichen – drei waagrechte Striche, Sonne, Mond: (Zeichnung, Text-Abb. 11c). Die Zeichen für Sonne und Mond entsprechen den in den Papyri üblichen. Steht der Mann, so weist der Strahl des Sonnenzeichens nach unten, die Mondsichel steht in der richtigen Position. Stellt man jedoch die Stele aufrecht, dann liegt der Mann auf dem Rücken, die Mondsichel liegt, das Sonnenzeichen steht richtig. Wir dürfen annehmen, daß die Gemme bei Ausübung eines Unterwerfungszaubers in dieser

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XVII. MAGISCHE AMULETTE

Weise gedreht wurde. Die Stellung der Sonne- und Mondzeichen gibt vermutlich die Tagesund Nachtzeit an, zu der die Handlung auszuführen war. Entsprechende Anweisungen sind aus den Papyri bekannt. So sind etwa die Zeremonien zur Gewinnung des Beisitzers bei Sonnenuntergang, in der Nacht, bei Sonnenaufgang und wieder in der Nacht zu vollziehen (PGM I 55–70). Nächstverwandt ist eine Gemme in New York, auf welcher die Hände des Mannes gefesselt sind. Ein Papyrus im British Museum enthält eine Anweisung für einen Unterwerfungszauber (PGM IX Taf. I 7). Auf der Rückseite des Papyrus ist das Bild des Gegners als das eines wehrlosen Mannes mit hängenden Armen gezeichnet, neben ihm der herbeizurufende Dämon. Er hat den Kopf eines Sperbers, der von einer Mondsichel bekrönt ist, führt die Linke im Schweigegestus zum Mund, hält in der Rechten ein anch-Zeichen.

Text-Abb. 12. Dämon und Unterworfener, PGM IX verso

Auf die Vorderseite eines Täfelchens soll der Name des Gegners geschrieben werden, auf die Rückseite Zauberworte und der Befehl an den Dämon: Unterwirf, unterjoche, kneble die Seele, den Groll des NN, weil ich dich beschwöre bei der grausen Zwangsgöttin.... Im Unterschied zu dem für den aktuellen Zweck hergestellten und auf einen bestimmten Menschen zielenden Täfelchen in der Papyrusvorschrift war das in dauerhaftes Material geschnittene Bild der Gemme immer wieder verwendbar, wobei der Name des Gegners entweder nur gesprochen oder auf anderes Material geschrieben wurde. Vermutlich gehörte diese Gemme zu den Requisiten eines Magiers.

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6. Salomon-Amulette Zu den spätesten alexandrinischen magischen Amuletten gehört eine Gruppe von meist langovalen Hämatiten mit dem Salomonreiter. Sie lassen sich in das späte 4. bis 5. Jahrhundert n. Chr. datieren. Der auf steigendem Pferd reitende Salomon ersticht mit der Lanze einen am Boden liegenden bösen weiblichen Dämon (Abb. 804V, R). Die griechischen Inschriften lauten auf der Vorderseite „Salomon“, auf der Rückseite „Siegel Gottes“. Nach alter jüdischer Tradition herrschte Salomon mit Hilfe eines ihm von Gott durch den Erzengel Michael gesandten Siegelringes über die Dämonen. So las man in dem apokryphen, aber bis in die Neuzeit für echt gehaltenen, aus dem 1.–3. Jahrhundert n. Chr. stammenden „Testament Salomons“ (I 6). Flavius Josephus (37–ca. 95 n. Chr.) berichtet von der Macht Salomons, Krankheiten zu heilen und Dämonen auszutreiben. Er beschreibt eine im Beisein Vespasians, seiner Söhne und Begleiter vollzogene Dämonenaustreibung nach der Lehre Salomons, die er selbst miterlebt hat. Der Magier Eleazar hielt einem Besessenen einen Ring an die Nase, unter dessen Siegel eines der von Salomon vorgeschriebenen Kräuter angebracht war, und zog den Dämon heraus, wobei er den Namen Salomons und dessen Beschwörungsformeln sprach (Antiquitates Iudaicae 8, 45–49). Bild, Inschriften und magische Weihe übertrugen die Macht Salomons auf die Amulette. Die Vorstellung von einer Dämonin, die Schwangere und Kinder bedroht, läßt sich bis in das frühe Mesopotamien verfolgen; in der jüdischen Sage heißt sie Lilith, in byzantinischen Texten Abyzou oder Gylou; sie hat wohl auch andere magische Namen. Diese Amulette mögen daher vorzugsweise von Frauen und Kindern getragen worden sein. Es ist wahrscheinlich, daß auch Christen solche Amulette mit König Salomon trugen. Ein Amulett, auf dem außer Salomon auch der Hl. Sisinnios angerufen wird, bestärkt diese Vermutung (Abb. 805). Der Hl. Sisinnios gehört in der griechischen Version einer weitverbreiteten Volkssage zu den Helfern, welche die Dämonin verfolgen und zu dem Versprechen zwingen, kein Unheil mehr anzurichten (Spier, Byzantine Amulets 1993). Bisher gibt es nur ein weiteres Beispiel in der Gattung der magischen Amulette mit dem Namen dieses Heiligen, der später auf byzantinischen Bronzeamuletten des 6./7. Jahrhunderts n. Chr. häufig vorkommt.

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XVIII. FRÜHCHRISTLICHE GEMMEN

XVIII. FRÜHCHRISTLICHE GEMMEN Gemäß dem zweitem Gebot galt für die frühen Christen: Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgend etwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde (Ex 20,4). Im Grunde stehen daher die Anfänge der christlichen Kunst im Gegensatz zur strengen Lehre. Für die Siegelbilder aber macht Clemens von Alexandria, dessen Blütezeit im späten 2. bis Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. lag (gest. vor 215 oder 221 n. Chr.), eine ausdrückliche Ausnahme. In seinem „Erzieher“ (paedagogus) legt er dar, welche Regeln der göttliche Logos als Erzieher den Christen für ihr Leben in der Welt gibt. Grundsätzlich sind Bilder und jeglicher Luxus abzulehnen, doch einen Siegelring brauchen auch Christen. Frauen können das Haus nicht verwalten ohne die Möglichkeit, Wertsachen und Vorräte zu versiegeln: Nun gestattet der Erzieher den Frauen, einen goldenen Ring zu tragen, aber auch diesen nicht zum Schmuck, sondern damit sie, weil ihnen die Sorge für den Haushalt übertragen ist, mit ihm Dinge versiegeln können, die im Haus besonders sorgfältige Aufbewahrung verdienen. Wenn freilich alle erzogen wären, wären gar keine Siegel nötig, weil dann Diener und Herrn in gleicher Weise zuverlässig wären. Da aber der Mangel an guter Erziehung eine starke Neigung zur Ungerechtigkeit verursacht, sind Siegelringe für uns nötig geworden (paed. 3, 57, 1). Auch Männer müssen einen Siegelring besitzen; dies ist kein Luxus, weil sie nicht immer in Begleitung ihrer Frau sind, sich also – so ist der unausgesprochene Gedanke – nicht des gleichen Siegels bedienen können wie diese: Wenn wir aber in der Stadt oder auf dem Land irgendwelche Geschäfte zu erledigen haben und dabei etwas zur Sicherheit versiegeln müssen, wobei wir oft auch ohne Frauen sind, so gestattet auch uns der Erzieher für diesen Zweck, aber nur für diesen, das Tragen eines Siegelrings; dagegen ist sonst der Gebrauch von Fingerringen zu verwerfen, da nach der Schrift ‘goldener Schmuck für den Verständigen die Unterweisung’ (Sir 21, 21) ist (paed. 3, 58, 2). Auch für die Tragweise des Ringes und die Wahl der Siegelbilder gibt Clemens Anweisungen: 59,1 Aber die Männer sollen auch den Fingerring nicht an einem Fingergelenk tragen (denn dies ist weibisch), sondern sie sollen ihn an den kleinen Finger, und zwar an das hinterste Glied stecken; denn so bleibt die Hand zu allem beweglich, wozu wir sie brauchen; und der Siegelring kann nicht so leicht herunterfallen, da er durch den stärkeren Gelenkknoten festgehalten ist. 59,2 Unsere Siegelbilder aber sollen sein eine Taube oder ein Fisch oder ein Schiff mit geschwellten Segeln oder eine Leier, das Musikinstrument, das Polykrates auf seinem Siegelring hatte, oder ein Schiffsanker, wie ihn Seleukos auf sein Siegel einschneiden ließ, und wenn einer ein Fischer ist, wird er an den Apostel denken und an die aus dem Wasser (der Taufe) emporgezogenen Kinder. Denn Gestalten von Göttern dürfen die mit ihren Siegeln nicht abdrücken, denen es auch verboten ist, sie zu verehren, und ebensowenig ein Schwert oder einen Bogen die nach Frieden Strebenden oder Trinkpokale die Enthaltsamen. 60, 1 Viele von den zuchtlosen Leuten tragen aber die eingeschnittenen Bilder ihrer geliebten Knaben oder Hetären, so daß sie, selbst wenn sie wollten, ihre Liebesleidenschaften nicht vergessen könnten, weil sie fortwährend an ihre Zuchtlosigkeit erinnert werden (paed. 3, 59, 1-2, 60, 1, übers. O. Stählin). An anderer Stelle nennt Clemens Siegel mit Darstellung der Leda als besonders verwerfliches Beispiel heidnischer Bilder: Und aus Freude an der Abbildung des weiblichen Körpers lassen sie auf ihren Siegelringen den verliebten Schwan darstellen, wie er

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seine Flügel um Leda schlägt, und verwenden so ein Siegelbild, das der Zuchtlosigkeit des Zeus entspricht (protrepticus 4, 60, 2, Übers. O. Stählin). Die Sparsamkeit des Ausdrucks bereitet in dem Satz vom Fischer (wörtlich: Fischenden), paed. 3,59,2, Verständnisschwierigkeiten (κἂν ἁλιεύων τις ᾖ, ἀποστόλου μεμνήσεται καὶ τῶν ἐξ ὕδατος ἀνασπωμένων παιδίων). Mit den Hinweis auf den Apostel (sc. Petrus) wird auf die Worte Jesu zu Petrus und Andreas angespielt „Folgt mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen“ (Mt 4,19; Mk 1,17). Aus der hier wiedergegebenen Übersetzung von Otto Stählin wird nicht ganz klar, wie er die Stelle verstanden hat; wahrscheinlich sah er in dem Fischer den Besitzer des Siegels. Klauser (1958, 22) paraphrasiert: „Oder, wenn einer ein Fischer ist (und sich – so wird etwa zu ergänzen sein – deswegen einen Fisch als Siegelbild wählt), wird er an den Apostel denken und die aus dem Taufwasser hervorgezogenen Kinder“ (zustimmend Finney 1987, 185). Hans Dietrich Altendorf verdeutlicht eine Variante dieser Interpretation so: „und wenn einer ein Fischender ist, dann wird er (bei Ausübung seines Sports, in Anbetracht der maritimen Bilder auf den Ringsteinen) an den Apostel denken und an die Täuflinge“. Die Deutung als Sportfischer (unter Hinweis auf paed. 3,52,2, wo Clemens das Fischen als Freizeitbeschäftigung erwähnt) begegnet dem Einwand, daß ein einfacher Fischer wohl kaum zu den Lesern des Clemens zählte. Vorzuziehen ist die Interpretation von Eizenhöfer, der in dem Fischenden ein weiteres Siegelbild erkennt. Der Teilsatz wäre also so zu verstehen: „und wenn es (d. h. das Siegelbild) ein Fischender ist, dann wird er (d. h. der Träger) des Apostels und der aus dem Wasser emporgezogenen Kinder (d. h. der Täuflinge) gedenken“. Die Annahme eines Subjektwechsels in dem knapp formulierten Satz erscheint eher annehmbar, als die Schwierigkeiten, die sich bei der anderen Auffassung ergeben. Es erscheint befremdlich, daß in der Reihe der empfehlenswerten Siegelbilder (Taube, Fisch, Schiff, Lyra, Anker), der unmittelbar Beispiele von abzulehnenden Motiven folgen, ein Einschub stehen sollte, der einen Ringträger mit speziellem Beruf bzw. Liebhaberei nennt. Positiv spricht für die Deutung als Siegelbild, daß das Partizip „ein Fischender“ eine ausgezeichnete kurze Bildbeschreibung ist, eben keinen Beruf bezeichnet. Ferner scheint das Bild eines Fischers (vgl. z. B. Abb. 542, 658) eher geeignet, den Gedanken an die aus dem Wasser gezogenen Täuflinge zu wecken als die zuvor genannten Motive. Auch wenn Clemens nur für den Fischer eine christliche Deutung ausdrücklich nennt, ist wahrscheinlich, daß er bei den anderen Siegelbildvorschlägen ebenso an christliche Bezüge dachte (Eizenhöfer 1960). Im Unterschied zur mittelalterlichen interpretatio christiana (s. u. XX F) erfolgt diese christliche Deutung rein assoziativ, in voller Kenntnis der an sich profanen Bedeutung der Bildmotive. Clemens schlägt also vor, aus dem vorhandenen Angebot neutrale Siegelbilder auszuwählen, die eventuell an christliche Inhalte denken lassen. Dieser Regel scheint auch Augustinus gefolgt zu sein. Am Ende eines 402 geschriebenen Briefes an Bischof Victorinus von Numidien nennt er das Bild, mit dem er gesiegelt ist: das Gesicht eines Mannes, der zur Seite blickt, also einen Kopf im Profil (ep. 59, 2 Hanc epistolam signatam misi annulo qui exprimit faciem hominis attendentis in latus). Damit ist in der üblichen antiken Weise durch Übereinstimmung des Siegels mit dem im versiegelten Brief genannten Siegelbild die Authentizität des Briefes garantiert.

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Es verwundert also nicht, daß Siegel mit speziell christlicher Thematik selten sind. Das unscheinbare Bild mit Adam und Eva zu Seiten des von der Schlange umwundenen Baumes der Erkenntnis ist durch seine frühe Zeitstellung von Bedeutung (Abb. 806). Der flüchtige, etwas steife Flachperlstil ist durch Gemmen aus den Vesuvstädten und dem Fund von Bath für die 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. belegt; Beispiele aus Caerleon sprechen für das frühe 2. Jahrhundert n. Chr. als terminus post quem non. Der Intaglio wurde in Italien (Aquileia oder Campanien/Rom?) geschnitten, vom Motiv her könnte er auch eine jüdische Gemme sein. Peter Maser zieht rabbinische Quellen des 2. und 3. Jahrhunderts heran, die – wie Clemens – den Gebrauch des Siegelringes erlauben. Allerdings ist jegliches Reliefbild verboten: Intagli darf man am Finger tragen, aber nicht mit ihnen siegeln; mit Kameen darf man siegeln, weil sie ein vertieftes Bild erzeugen, aber man darf sie nicht tragen. Die sorgfältige Darstellung des in Vorderansicht stehenden Magiers in rotem Jaspis fügt sich stilistisch problemlos in eine Gruppe roter Jaspisgemmen des 2. Jahrhunderts n. Chr. ein (Abb. 807). Der Heilige König trägt die typische persische Mütze und eine knöchellange Tunica, hält eine Gabenschale (mit Goldstücken?) von ähnlicher Art wie sie dem Gemmenschneider von Bildern des Bonus Eventus geläufig waren. Die betend erhobene rechte Hand ist im Abdruck die Rechte, wodurch gesichert ist, daß es sich um ein Siegel handelt. Kranz und Palmzweig zu Seiten des Magiers sind Symbole des ewigen Lebens. In die gleiche Zeit gehört eine auf das Wesentliche komprimierte Darstellung aus der Jonaslegende (Abb. 808). Ein fischähnliches Seeungeheuer speit mit weit aufgerissenem Maul einen unbärtigen Kopf aus und stößt zugleich eine Wasserfontäne aus. Die Gemme entstand wohl in einer Werkstatt, die auf formal ähnliche Tier- und Masken-Kombinationen spezialisiert war. Solche frühen Gemmen des 1.–2. Jahrhunderts n. Chr. sind selten, stützen aber die Vermutung von Theodor Klauser, daß Siegelbilder zu den frühesten Kunstwerken gehörten, die sich über das alttestamentliche Bilderverbot hinwegsetzten. Ob der in grobem Flachperlstil geschnittene Ziegenträger, zu dessen Füßen eine Ziege und ein Schaf stehen, in christlichem Sinne als „Guter Hirte“ gedeutet wurde, ist unsicher, da das Motiv auch in der heidnischen Kunst verbreitet ist (Abb. 809). Daß die Beziehung des Motivs auf Christus als den guten Hirten mit dem verlorenen Schaf zu Beginn des 3. Jahrhunderts geläufig war, geht aus einer, wenn auch polemischen, Äußerung Tertullians (ca. 150–230 n. Chr.) hervor. Er spricht von Bechern mit diesem Motiv, die in der Gemeinde von Karthago benutzt wurden (de pudicitia 7.1; 10.12). Bei einem Karneol in Baltimore ist die christliche Deutung durch die beigegebenen Symbole gesichert (Abb. 810). In symmetrischer Bildkomposition steht in der Mitte der mit der Exomis bekleidete Widderträger zwischen zwei Schafen; er blickt nach links auf eine Kombination aus Anker und XP-Zeichen, rechts neigt sich ein Bäumchen herein, wie es schon lange von Gemmen mit Hirtenbildern bekannt ist. Das Gemmenbild wird meist in das 4. Jahrhundert datiert, vermutlich wegen des Christogramms, dessen christliche Bedeutung erst in nachkonstantinischer Zeit gesichert ist; stilistisch gesehen könnte es früher sein. Daß XP schon in vorkonstantinischer Zeit als Christusmonogramm diente, wurde mehrfach vermutet. Das Zeichen ist vom Typus her ein normales griechisches Monogramm, in vorchristlicher Zeit kommt es als magisches Symbol vor (s. o. Abb. 784). Ein flüchtig in Karneol geschnittenes Christogramm wird durch die goldene Ringfassung in das 3. Jahrhundert datiert; die Verwendung als Einzelmotiv spricht in dieser

XVIII. FRÜHCHRISTLICHE GEMMEN

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Zeit für die christliche Deutung (Abb. 811). Konstantins Hinwendung zum Christentum bewirkte das Aufblühen der christlichen Kunst ab dem 4. Jahrhundert. Die Gründung von Konstantinopel als neues Rom legte auch den Grund für die Entstehung der byzantinischen Kunst. Was die Gemmen angeht, so fällt diese Zeit in die Phase des Rückgangs ihrer Verwendung als Siegel. Christliche Intaglien haben nunmehr meist Amulettcharakter. Langovale Amulette aus Hämatit kommen aus denselben, vermutlich alexandrinischen Werkstätten, welche die in Form und Material gleichen Salomon-Amulette herstellten (s. o. Abb. 804). Ein Hämatit des British Museums zeigt den heiligen Prokopios mit segnend ausgebreiteten Händen, flankiert von zwei Kreuzen und vier Sternen (Abb. 812V, R). Auf der Rückseite wird der Heilige mit Namen angerufen. Der Hl. Prokopios starb nach der Überlieferung als Märtyrer, 303 n. Chr., in Caesarea (Palästina) als Opfer der Christenverfolgung durch Kaiser Diokletian. In der Kirche von Skythopolis (Beth Schean) hatte er die Ämter des Vorlesers, des Übersetzers ins Syrische und des Exorzisten ausgeübt. Letzteres prädestinierte ihn zum Heiligen für Schutzamulette. Die segnend erhobene Rechte des thronenden Christus mit Kreuz auf einem grünen Jaspis in München zeigt, daß das Gemmenbild im Original betrachtet werden soll, also ein Amulett, kein Siegel ist (Abb. 813V, R). Die Inschrift XPICTOC auf der Rückseite ist nach Schreibweise und Machart gleichzeitig. Die Verbindung von Bild auf der Vorderseite mit Inschrift auf der Rückseite entspricht der Praxis der magischen Amulette. Auch der Stil des Christus-Intaglios läßt sich mit dem der Salomon-Amulette und des Prokopios-Amuletts in Hämatit verbinden. Andererseits ist die Form des dicken, kreuzverzierten Kissens bei dem Thron Christi dem Thronpolster der Constantinopolis, Abb. 702, so ähnlich, daß man annehmen möchte, daß auch der thronende Christus in Konstantinopel geschaffen wurde. Stilistisch steht das Bild der Stadtgöttin in der Tradition des in Italien geläufigen linearen Stiles des 2.–3. Jahrhunderts n. Chr., während das des thronenden Christus sich an den der alexandrinischen Amulette anschließt. Dies läßt vermuten, daß Gemmenschneider aus verschiedenen Teilen des Reiches in die neue Hauptstadt kamen und untereinander Verbindung aufnahmen. Die Manier der Kissenwiedergabe mit zwei Rundperlvertiefungen ist bei einem Karneol in Leiden übertragen auf den Rücken des Esels, der Christus beim Einzug in Jerusalem trägt (Abb. 814). Zu Seiten des in Vorderansicht dargestellten nimbierten Christus stehen zwei Männer mit Palmzweigen in langen, mit parallelen Längsschnitten wiedergegebenen Gewändern. Der Abdruck eines verschollenen Bergkristalls zeigt ein in seiner Schlichtheit eindrucksvolles Bild der Taufe Christi (Abb. 815). Johannes legt seine Rechte auf das Haupt des im Jordan stehenden Christus. Das Wasser des Flusses ist durch kleine Strichlein angegeben. Christus ist viel kleiner als der Täufer, weil über ihm Platz sein mußte für die Taube des Heiligen Geistes. Das Kreuz zur Linken stellt vielleicht das auf einer Säule angebrachte eiserne Kreuz dar, das die Stelle der Taufe im Jordan markierte. Ein mit Schnitten eines breiten Zylinderzeigers eingetiefter Rahmen deutet wahrscheinlich Gelände an. Charakteristisch für den Stil ist die Flachheit der Körper, ihr völliger Mangel an Volumen, die Gewandwiedergabe durch Parallelschnitte und die Darstellung der Köpfe durch Eintiefung der Grundform und einfache Striche für Haargrenze und Teile des Gesichtes. Im Blick auf die zuvor betrachteten Gemmen scheint eine Datierung in das 5. Jahrhundert gerechtfertigt. In dieser Zeit war, wie erwähnt, der Gebrauch der Gemmen als Siegel außer Mode

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XVIII. FRÜHCHRISTLICHE GEMMEN

gekommen; wenn dennoch der Abdruck seitenrichtig ist, d. h. Johannes mit der rechten Hand tauft, so rührt dies daher, daß das Original mit der geschnittenen Seite nach unten gefaßt war, wie das folgende Beispiel. Der verschollene Bergkristall gehörte zu einer in Alexandria erworbenen Sammlung, vielleicht wurde er in Ägypten geschnitten. Ein als Anhänger gefaßter Bergkristall in Dumbarton Oaks wiederholt das Motiv des inVorderansicht thronenden Christus mit segnend erhobener Rechten und Kreuzglobus in der Linken (Abb. 816). Die griechische Beischrift lautet Emmanuel. Man betrachtet das unten liegende Bild durch die glatte gewölbte Oberseite des durchsichtigen Steins, was eine gewisse Unschärfe bedingt. Die geschnittenen Linien sind mit Blattgold gefüllt, das Ganze durch ein blaues Glas hinterfangen. Zwei Anhänger im gleichen Museum, die aus einem Schatzfund stammen, sind in Stil, Form und Montage ähnlich. Einer der Magier steht vor der thronenden Maria mit dem Kind (Abb. 817). Ein Engel sitzt vor dem Grab Christi, in der konstantinischen, gegen Ende des 4. Jahrhunderts mit einer Kuppel überdachten Säulenrotunde (Abb. 818). Das Gebäude wurde bei der Eroberung Jerusalems durch den Sasaniden Chosrau II. im Jahre 614 zerstört. Ein Chalcedon im British Museum zeigt Maria und das Jesuskind auf ihrem Schoß wieder in Vorderansicht auf einem Thron mit Lehne (Abb. 819). Für die im Profil thronende Maria mit Jesuskind konnte der Gemmenschneider das vertraute Bildmotiv der Isis mit dem Horusknaben verwenden; ein Kreuz auf der Thronlehne und die über dem Haupt der Muttergottes schwebende Taube des Heiligen Geistes genügten für eine Übersetzung ins Christliche (Abb. 820). Die drei letztgenannten Gemmen werden in das 6. Jahrhundert gesetzt. Für das Bild des Engels (Michael?) mit Kreuzstab stand ein Victoriatypus Pate (Abb. 821). Das Bild der Nicolo nachahmenden Glasgemme ist in der herkömmlichen Weise von einem Steinintaglio abgedrückt. Der runde Kopf mit StrichDetails, ein dünner Körper mit parallelen Schrägschnitten für das Gewand kennzeichnen den Stil. Mit frühbyzantinischen Gemmen dieser Art ist die Grenze des hier gesetzten zeitlichen Rahmens erreicht. Aus der Menge der kleinen Gemmen durchschnittlicher Qualität ragen seltene Meisterwerke heraus. Das Gruppenbild einer vermutlich christlichen Familie (Abb. 670) und der Kameo Rothschild (Abb. 756) wurden schon besprochen. Ein singuläres Werk der Hofkunst ist der 11.8 cm breite Sardonyx in St. Petersburg mit Darstellung der Investitur eines Knaben (Abb. 822). Der Knabe steht auf einem mit drei Stufen versehenen Podest; über seinem Kopf erscheint das Christogramm zwischen Alpha und Omega. Der links stehende, durch das Diadem als Augustus bezeichnete Kaiser legt dem Knaben als Zeichen der Erhebung in einen hohen Rang die Chlamys an, ein Mann ohne Diadem assistiert ihm. Zwei Engelknaben halten Kränze über die Häupter der Männer. Nach Delbruecks Interpretation handelt es sich bei dem Knaben um den späteren Valentinianus III. (geb. 419 n. Chr.), den Honorius auf Betreiben der Mutter Galla Placidia zum Nobilissimus erhob. Der assistierende Würdenträger ist dann Constantius III., der Vater des Knaben; da er kein Diadem trägt wäre die Gemme vor seiner Erhebung zum Augustus im Jahre 421 anzusetzen. Im gleichen Jahr starb Constantius III. Daß der Knabe größer erscheint als ein zweijähriges Kind, wäre im höfischen Rahmen verständlich. Der Intaglio ist in einer raffinierten Nicolotechnik geschnitten, welche die oberste braune Schicht nutzt, um die Mäntel der Männer rötlich braun, d. h. purpurn, erscheinen zu lassen. Charakteristisch für den Stil sind die weiten, durch steife Falten gegliederten Gewänder über

A. DER PTOLEMÄERKAMEO IN WIEN

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volumenlosen Körpern mit dünnen Extremitäten. Unter den Füßen der Mittelgruppe steht die Signatur des Gemmenschneiders, die späteste in der römischen Glyptik: FL.(-avius) ROMUL.(us) VEST.(-er? -iarius?) FECIT. Flavius Romulus arbeitete sicher am Hofe, wahrscheinlich in Ravenna; wenn vestiarius zu ergänzen ist, war er Beamter in der kaiserlichen Kleiderkammer, doch ist wohl die Auflösung zu vester, „Euer“, im Sinne einer Ergebenheitsformel vorzuziehen. Als großes Schau- oder Schmuckstück ist der Intaglio im Original seitenrichtig; dies gilt auch für den fast ebenso großen dreischichtigen Sardonyx aus der Sammlung Lanckoroński, der vielleicht als Brustschmuck (Enkolpion) eines hohen Kirchenfürsten diente (Abb. 823). Wie bei dem Intaglio in St. Petersburg ist der Rand so abgeschrägt, daß die Schichten des Steines einen dreifarbigen Rahmen bilden. Zu Seiten eines großen schwebenden Kreuzes stehen die Apostel Petrus und Paulus. Der durch den kahlen Oberkopf gekennzeichnete Paulus hält ein Buch mit beiden Händen, Petrus weist auf das Kreuz, trägt in der Linken ein Stabkreuz. Über dem Kreuz erscheint die Büste des bärtigen Christus mit Kreuznimbus. Auf beide Seiten verteilt steht die griechische Inschrift Emmanuel. Rosen im Bodensegment deuten das Paradies an. Die Gewänder sind mit kalligraphischen Parallelschnitten, die je nach Lage der Stoffbahn wechseln, wiedergegeben; ebenso das Haar des Petrus, während das weniger volle Hinterkopfhaar des Paulus aus kurzen Flachperlschnitten gebildet ist. Die Gesichter sind sorgfältig ausgearbeitet, die Profile der Apostel unterschiedlich charakterisiert. Paulus hat eine gebogene, Petrus eine gerade Nase. Ikonographie und griechische Inschrift weisen auf einen östlichen Entstehungsort, etwa Konstantinopel oder Palästina.

XIX. GEMMENSCHICKSALE Gemmen waren stets eng mit ihren Trägern oder Besitzern verbunden. Im Grunde hat jeder geschnittene Stein, der aus der Antike überkommen ist, ein individuelles Geschick; nur selten kennen wir es, und von den bekannten sollen hier nur einige herausragende Gemmenschicksale erzählt werden.

A. DER PTOLEMÄERKAMEO IN WIEN, EINST AM DREIKÖNIGENSCHREIN Albertus Magnus beschreibt in dem während seiner Lehrtätigkeit in Köln (1248–1252) geschriebenen Buch über die Mineralien einen Kameo am Schrein der Heiligen Drei Könige zu Köln, der dort nicht mehr vorhanden ist. Es gibt nämlich in Köln am Schrein der drei Könige einen Onyx von großen Ausmaßen, der die Breite der Hand eines Mannes hat oder mehr; auf ihm, auf dem Material des Onyx-Steines, der fingernagel(farben) ist, sind zwei rein weiße Köpfe von Jünglingen gemalt, so daß einer unter dem anderen ist, aber herausschaut durch das Vorspringen von Nase und Mund. Und an der Stirn der Köpfe ist eine ganz schwarze Schlange dargestellt, die jene Köpfe verbindet. Aber an

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XIX. GEMMENSCHICKSALE

der Kinnlade des einen, dort wo der Winkel der Biegung der Kinnlade ist, zwischen dem Teil, der vom Kopf herabkommt und jenem, der zum Mund hinbiegt, ist das tiefschwarze Haupt eines Äthiopiers mit langem Bart. Und darunter am Hals ist wieder Stein in der Farbe des Fingernagels. Und es scheint mit Blumen geschmücktes Gewand um die Köpfe herum zu sein. Ich habe aber geprüft, daß es kein Glas ist, sondern Stein, weshalb ich annahm, daß jenes Bild von Natur und nicht durch Kunst entstand. Man findet viele ähnliche (Steine). Es ist jedoch kein Geheimnis, daß solche Bilder zuweilen künstlich hergestellt werden, und zwar auf zweierlei Weise ... (Albertus Magnus, De mineralibus II 3, 2). Die Beschreibung ist so genau, daß sich der Stein als der heute in Wien aufbewahrte Ptolemäerkameo identifizieren läßt (Abb. 219). Die Größe des Kameos (jetzt: 11,5 x 11,3 cm) und das Motiv der capita iugata stimmen mit der Beschreibung des Albertus überein. Das in seiner Position so genau beschriebene schwarze bärtige Haupt des Äthiopiers ist der Ammonkopf auf dem Nackenschild des Helmes. Mit der die Häupter verbindenden „schwarzen Schlange“ meint Albertus nicht die Schlange auf dem Helm, sondern eine braune Ader im Stein, die der Künstler geschickt in das Haar der Arsinoë gesetzt hat; sie bildet einen Kringel im Schläfenhaar, setzt sich im Stirnhaar als längliches Band mit schlangenähnlichem „Kopf“ fort. Den Helm des Ptolemaios erkennt Albertus nicht als solchen. Da er den Sitz des „Äthiopierkopfes“ in Bezug zur „Kinnlade“ beschreibt, hat er wahrscheinlich die hellbraune Wangenklappe des Helmes für einen Bart gehalten. Um die Köpfe herum sieht Albertus etwas, was er zweifelnd als blumengeschmücktes Gewand deutet. Es handelt sich um den Helmbusch und die heute verlorene, analog zu dem Kameo in Sankt Petersburg (Abb. 221) zu ergänzende Ägis. Der Kameo war damals noch vollständig. Albertus Magnus unterschied sehr wohl zwischen natürlich entstandenen „Bildern“ in Stein, wie der Maserung von Achaten und Fossilien bzw. deren Abdrücken, und von Menschenhand geschnittenen Bildern. Den Ptolemäerkameo rechnet er allerdings der ersten Gruppe zu; er nahm an, wenn die Konstellation der Sterne für die Zeugung von Menschen günstig sei, wirke diese Kraft so stark, daß sie Menschenbilder auch in Stein prägen könne. Albertus gibt keine ausdrückliche Deutung des Ptolemäerkameos. Er beschreibt aber Sitz und Aussehen des kleineren dritten Hauptes mit nachdrücklicher Genauigkeit. Das dritte Haupt, der Äthiopierkopf, der, dunkel auf dunklem Grund, nicht leicht sichtbar ist, ist offenbar in seiner Bedeutung von gleichem Rang wie die beiden hellen Häupter. Es kommt Albertus darauf an, zu zeigen, wo der Betrachter ihn findet. Wer mit den drei Häuptern gemeint ist, setzt er voraus: Es sind die Häupter der Heiligen Drei Könige. Der Ptolemäerkameo saß ursprünglich auf der im Jahre 1200 vollendeten Vorderseite des Dreikönigenschreines (Abb. 824) in der Mitte der trapezförmigen Verschlußplatte des Schreines zwischen zwei anderen großen antiken Gemmen, dem Sard mit Mars und Venus (Abb. 508) und dem Nero-Kameo (Abb. 639). Eine Photomontage verdeutlicht das (Abb. 825). Zu ergänzen sind vier Engelfiguren, die im mittelalterlichen Zustand die drei großen Gemmen als heilige Bilder darboten. Der im Anfang des 13. Jahrhunderts geschaffene Jagdfries am unteren Rand der Trapezplatte hat eine konkave Aussparung, in die der Kameo (Breite 11,3, Höhe 11,5, ursprünglich ca. 15,5 cm) einschließlich eines ca. 1,5 cm breiten,

A. DER PTOLEMÄERKAMEO IN WIEN

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vermutlich edelsteinbesetzten Rahmens genau einpaßt. Der Ptolemäerkameo gehört wahrscheinlich zu den Kostbarkeiten, die Otto IV. von Braunschweig für die Ausstattung des Schreines stiftete (s. u. S. 260). Georg Agricola (1494–1555) erwähnt den Onyx in der Kirche der drei Magier „oder, wie unsere Landleute sagen, Könige“ zu Köln in dem Abschnitt über den Onyx seines 1546 erschienen Buches De natura fossilium (Ausg. Basel, Hieronymus Froben [1546] VI p. 297; Übers. G. Fraustadt /Hrsg. F. Krafft [2006] 217). Agricola hat aber den Kameo schwerlich selbst gesehen. Seine Beschreibung ist eine Kurzfassung des Albertus-Textes; der abschließende Satz: „Diesen hat auch Albertus beschrieben“, nichts weiter als die Angabe der Quelle. Im Jahre 1561 besuchte der Apostolische Nuntius und spätere Kardinal Giovanni Francesco Commendone auf einer Deutschlandreise auch den Schrein der Heiligen Drei Könige in Köln. Im Bericht seines Reisebegleiters Fulvio Ruggieri heißt es, die Edelsteine am Schrein seien offensichtlich sehr alt; man erzähle, daß sie den Königen gehört hätten. Er beschreibt die gekrönten Häupter der Könige, offenbar hatte man die Trapezplatte für den hohen Pilger abgenommen. Auf der goldenen Tafel vor den Königen sei ein großer „Onichis“, darauf zwei Menschenköpfe mit Helm, von Schlangen umgeben, die auf natürliche Weise entstanden sein sollten, wenngleich es aussehe, als seien sie von Künstlerhand gemacht. Man erzähle, daß der Stein oben von Zeit zu Zeit wachse. Die Legende vom Wachsen des Steines dürfte aus den wechselnden hellen und dunklen Horizontalschichten des Helmbusches herausgesponnen sein. Ruggieris Bemerkung über das Alter der Steine und sein Zweifel an der natürlichen Entstehung des Kameos zeigen die Kenntnis des mit solchen Schätzen vertrauten Italieners. Längst waren in Italien bedeutende Sammlungen antiker Gemmen entstanden und die Sammler waren bereit, hohe Preise für gute Stücke zu zahlen. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, daß die Habgier eines Kunsträubers vor dem heiligen Schrein nicht zurückschreckte. Am frühen Morgen des 28. Januar 1574, zwischen 5 und 6 Uhr, wurde der Kameo sowie zahlreiche Perlen und Edelsteine gestohlen. Der Schrein stand damals in einem mit schmiedeeisernen Stäben vergitterten Kapellchen in der Kapelle hinter dem Chor. Das Gitter wurde zur Frühmesse aufgeschlossen. Vermutlich war zu dieser frühen Stunde kein Gläubiger in der Messe; der Dieb konnte, vom Schrein auch für den Zelebranten verdeckt, zu Werke gehen und ungesehen entkommen. Beim Herausreißen des Kameos dürfte der heute verlorene untere Teil abgebrochen sein. Die Halspartie ist die dünnste Stelle solcher Kameen, auch der Kameo Gonzaga hat hier einen Bruch. Die Domchronik des Domvikars Goswin Gymnich aus den Jahren 1550–1608, die in einer Abschrift des Petrus Schoneman von 1664/65 erhalten ist, und die von Hermann von Weinsberg verfaßte, kurz „Buch Weinsberg“ genannte Kölner Bürgerchronik für die Jahre 1518–1578 berichten von dem Unglück. Dem Bericht in der Domchronik ist der Anfang der Beschreibung des Albertus Magnus und eine unbeholfene, teils auf Erinnerung, teils auf Albertus gestützte Zeichnung beigegeben (Abb. 826). Der Rat der Stadt Köln ließ sofort alle Tore schließen und die Passanten durchsuchen. Es wurde eine Belohnung von 300 Talern für Hinweise auf den Täter ausgesetzt. Zwei Verdächtige wurden festgenommen. Einer von ihnen schien als potentieller Täter besonders deshalb in Frage zu kommen, weil bekannt war, daß er auf ausgedehnten Wanderungen nach dem „Springkraut“ gesucht hatte, das Schlösser öffnet. Beide Verdächtige mußten jedoch wieder freigelassen werden. Nach 12 Tagen erfolgloser Suche wurden die Tore

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XIX. GEMMENSCHICKSALE

wieder geöffnet. Der Dieb wurde nie entdeckt. Die Fehlstelle am Schrein wurde im Jahre 1597 dank eines Legates des Domherrn Johannes Walschartz, der an jenem Unglücktage mit der Öffnung und Schließung des Gitters betraut war, mit einem großen Citrin geschlossen. Im Jahre 1586 tauchte der Kameo in Rom wieder auf. Ein flämischer Händler bot ihn am 3. Oktober dem Gelehrten und Gemmensammler Fulvio Orsini zum Kauf an. Aus einem Brief Orsinis an Kardinal Alessandro Farnese vom 7. Oktober 1586 erfahren wir, daß er dem Händler empfahl, er solle den Kameo dem in Caprarola weilenden Kardinal zeigen. Er spricht dem Kameo den gleichen Rang zu wie der Tazza Farnese, von der man sage, sie habe Alexander dem Großen gehört. Die Köpfe auf dem Kameo benennt er „Alexander und Olympias“, den kleinen Kopf auf dem Nackenschild des Helmes deutet er richtig als Zeus Ammon, als dessen Sohn Alexander gegolten habe. Er erwähnt, daß die Beschädigung hinter dem Ammonkopf mit Email ausgebessert sei, was dem Wert des Stückes aber keinen Abbruch tue. Als Schätzpreis nennt er, um dem Kardinal eine Verhandlungsbasis für den Fall des Kaufes zu geben, 500 Gold-Scudi. Der Kameo hatte also inzwischen die Ergänzungen in schwarzem Email auf Gold erhalten, die wir heute sehen: Eine Halsberge in der Art eines zeitgenössischen Panzers, das Randstück des Nackenschirms und das Ende des Helmbusches. In höflicher Zurückhaltung empfiehlt Orsini den Kauf nicht direkt, es wird jedoch deutlich, daß er ihn als geeignetes Kleinod gerade für die Sammlung des Alessandro Farnese ansah. Einmal bei der Tazza, zweimal bei dem Kameo wird in dem kurzen Brief die Beziehung auf Alexander den Großen erwähnt. Der Kauf kam nicht zustande; die Preisvorstellungen des Händlers lagen weit über denen der römischen Experten, die ca. 500 Scudi schätzten, und des Kardinals, der 200–300 Scudi bot. Wenig mehr als ein Jahr später wurde der Kameo Vincenzo Gonzaga (Herzog 1587–1612) angeboten. Zwei von ihm beauftragte Experten schätzen den Kameo auf ca. 1000 Scudi und empfehlen den Kauf, insbesondere, weil er gut zu dem Augustus-und-Livia-Kameo, den der Herzog schon besitze, passen würde. Gemeint ist der im folgenden zu besprechende Kameo aus der Sammlung der Isabella d’Este. Der Herzog erwarb den Kameo. Peter Paul Rubens sah ihn in seiner Sammlung, Nicolas-Claude Fabri de Peiresc verfaßte eine Beschreibung für das gemeinsam mit Rubens geplante Buch (s. u. S. 272). Nach der Eroberung von Mantua im Jahre 1630 durch die kaiserlichen Truppen gelangte der Ptolemäerkameo in die Hände von Franz Albert von Sachsen, Herzogs zu Lauenburg. Wir erfahren dies aus einem Brief von Thomas Howard, Earl of Arundel, den er am 16. September 1636 aus Regensburg an William Perry schreibt. Franz Albert von Sachsen, heißt es darin, habe aus Mantua zwei Achat-Flaschen, die er aber nicht verkaufen wolle, und ein großes [Achat-] Relief mit Alexander und einer Frau, das er der Kaiserin schenken wolle. Eine der „bottles of Aggathe“ gelangte durch Erbschaft in den Besitz von Sophie Elisabeth, Herzogin von Braunschweig, es ist die heute im Herzog-Anton-Ullrich-Museum aufbewahrte Onyxkanne (Abb. 645). Die Kaiserin war Anna Eleonora Gonzaga, seit 1622 zweite Gemahlin von Ferdinand II. Es ist nicht überliefert, daß die geplante Schenkung stattfand. Vieles spricht jedoch für die Annahme, daß Franz Albert von Sachsen die über das Schicksal ihres Familienschatzes betrübte Kaiserin durch die Übergabe eines Kleinodes aus der Sammlung Gonzaga erfreute. Das nächste gesicherte Datum ist die Erwähnung des Kameos in der kaiserlichen Sammlung zu Wien durch den englischen Reisenden Edward Brown im Winter 1668/1669. Wie

B. DER „KAMEO GONZAGA“ IN ST. PETERSBURG

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wir neuerdings wissen, befand sich der Ptolemäerkameo zwischen 1587 und 1630 in der Sammlung Gonzaga. Den Namen „Kameo Gonzaga“ führt aber traditionell der etwa gleich große Kameo mit gestaffelten Porträts in St. Petersburg.

B. DER „KAMEO GONZAGA“ IN ST. PETERSBURG Als Vincenzo Gonzaga 1587 den Ptolemäerkameo erwarb, besaß er schon einen ähnlichen Kameo. Dies war der berühmte „Augustus-und Livia-Kameo“ der Isabella d’Este (1474– 1539), Gemahlin des Francesco Gonzaga, Herzogs von Mantua. Er wird erstmals 1542 in dem nach dem Tode der Isabella d’Este von dem Notar Stivini erstellten Inventar erwähnt: Nel’ armario di meggio che é nella Grotta di Madama in Corte Vecchio. Primo un cameo grande fornito d’oro con due teste di rilievo di Cesare et Livia... Es folgt die Beschreibung der kostbaren Fassung, die zeigt, wie hoch die Besitzerin den Kameo schätzte. Vieles spricht dafür, daß dieser Kameo mit dem heute in St. Petersburg aufbewahrten Kameo mit capita jugata identisch ist (Abb. 221), wenn auch die frühen Beschreibungen nicht so genau sind wie beim Ptolemäerkameo und die Geschichte nicht so lückenlos verfolgt werden kann wie dort. Über das Aussehen des Kameos erfahren wir wenig, solange er sich in Gonzaga-Besitz befand. Er war, laut Inventar, groß, der Ptolemäerkameo würde gut zu ihm passen, heißt es in dem Gutachten für dessen Ankauf. Schließlich gibt Enea Vico in seinen „Discorsi sopra le medaglie de gli antichi“ (1555) einen wertvollen Hinweis. Er spricht von einer Münze mit dem Bildnis der Livia und fährt fort. „Man sieht es ebenfalls zusammen mit dem ihres Mannes, aber in jüngerem Alter, unter den seltenen und kostbaren Dingen in der Grotte seiner Exzellenz des Herzogs von Mantua, geschnitten in einen wunderschönen großen Kameo von unschätzbarem Wert, ein diesem ähnliches, vertieft in Karneol geschnittenes [Bildnis] hat Herr Bembo“ (alla cui similitudine ne ha una in corgniuola intagliata Monsignor Bembo) (Zitat nach der Ausgabe Paris 1619 p. 93). Der Intaglio des Pietro Bembo gelangte später in den Besitz von Fulvio Orsini, ist in dessen „Illustrium Imagines“ abgebildet (Abb. 827). Tatsächlich war der Stein ein grünes Plasma. Vico verwendet „Karneol“ als den häufigsten Gemmenstein für „Intaglio“ schlechthin. Der Kameo in St.Peterburg wird 1690 von Michel Ange de la Chausse in seinem „Romanum Museum“ abgebildet (Abb. 828). Der lateinische Begleittext lautet: Pulcherrimas Alexandri Magni, eiusque matris Olympiadis imagines Cameus exquisitissimi artificii nobis exhibet. Ille hic est, qui olim in celeberrima Mantuae Ducum gaza cum plurimis propemodum antiquae, & modernae magnificentiae monumentis asservabatur; at illa superioribus annis in miserabili urbis excidio direpta multorum deinde Principum cimelia exornavit; iste vero cameus clarissimae memoriae Reginae Christinae thesauro accessit, ... „Der Kameo, ein hervorragendes Kunstwerk, zeigt uns die Bildnisse Alexanders des Großen und seiner Mutter Olympias. Es ist jener Kameo, der einst mit zahlreichen Monumenten, fast in gleicher Weise antiker und moderner Pracht, in der hochberühmten Schatzkammer der Herzöge von Mantua aufbewahrt wurde. Aber jene (Schatzkammer) hat in den vergangenen Jahren, nachdem sie bei der bedauernswerten Zerstörung der Stadt [d. h. im Jahre 1630] ausgeraubt worden war, die Kunstsammlungen vieler Fürsten geschmückt. Dieser Kameo

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XIX. GEMMENSCHICKSALE

aber ist in die Sammlung der Königin Christine hochrühmlichen Andenkens gelangt, ...“. Christine von Schweden besaß den Kameo spätestens im Jahre 1653. Auf einem verschollenen, aber durch Stiche bekannten Gemälde von Sébastien Bourdon aus diesem Jahr hält Raphael Trichet Du Fresne, der Antiquar der Königin, den Kameo in der Hand (Abb. 829). Nach dem Zeugnis von de la Chausse handelt es sich also bei dem Kameo im Besitz der Christina um den berühmten Kameo der Herzöge von Mantua. Clifford M. Brown hält die Identität für nicht gesichert, weil die von Enea Vico erwähnte Ähnlichkeit mit dem Intaglio des Kardinals Bembo nicht gegeben sei. Es ist jedoch sehr wohl möglich, wie auch Brown einräumt, daß similitudine nicht im Sinne exakter Ikonographie, sondern nur in Bezug auf den Typus des Doppelbildnisses zu verstehen ist. Kameen wurden, wie das Beispiel des Ptolemäerkameos und der Kanne in Braunschweig zeigt, von Kennern unter den Eroberern von Mantua gesucht; daß sie nicht wie Gold einschmelzbar sind, schützt sie vor dem Zugriff einer Soldateska. Es wäre also merkwürdig, wenn der berühmte große Kameo der Isabella d’Este mit gestaffelten Porträts im Jahre 1630 verschwunden wäre und spätestens 1653 ein vorher unbekannter großer Kameo mit dem gleichen Motiv im Besitz der Christine von Schweden aufgetaucht wäre. Das Schicksal des Kameos nach 1690 ist gut bekannt. Nach ihrer Konversion übersiedelte Christine mit Museum und Bibliothek im Jahre 1655 nach Rom, wo sie 1689 starb. Christines Sammlung wurde von Herzog Livio Odescalchi, Duca di Bracciano, einem Neffen von Papst Innozenz XI., erworben. 1794 verkauften die Odescalchi den Kameo mit der Münzsammlung an den Vatikan. 1803 befand sich der Kameo im Besitz der Kaiserin Josephine auf Schloss Malmaison. Er war offenbar unter den zahlreichen Kunstschätzen, die nach dem 1796 zwischen Napoleon und Papst Sixtus VI. geschlossenen Waffenstillstand nach Paris gebracht wurden. Wieder wurde er der höchsten Dame zugeeignet. Josephine schenkte den Kameo dem Zar Alexander I. als Zeichen des Dankes für seine Bemühungen um den Erhalt ihres und ihrer Kinder Vermögens nach der Abdankung Napoleons. Am 12. Oktober 1814 wurde er in der Ermitage zu St. Petersburg inventarisiert, wo er sich heute befindet. Nicht völlig geklärt ist der Verbleib des Kameos zwischen 1630 und 1653. Ein Eintrag in dem 1652 von Trichet du Fresne erstellten Inventar der Sammlung der Christine von Schweden lautet: „J’ai rendu à sa Majesté l’agate antique représentant Germanicus et Agrippine“, darunter die Anmerkung „de Prague“. Trotz der neuen Benennung ist offenbar der Petersburger Kameo gemeint. „Aus Prag“ würde bedeuten, daß der Kameo zu den nach der Einnahme der Prager Burg durch die schwedischen Truppen, im Jahre 1648, konfiszierten und nach Stockholm gebrachten Kunstschätzen gehörte. Sollte er nach dem „Sacco di Mantova“ durch die österreichischen Truppen in kaiserlichen Besitz gelangt sein? Dem steht entgegen, daß die kaiserliche Schatzkammer nach dem Tode Rudolfs II. (1576–1612) nach Wien verlegt worden war, ein 1630 erbeuteter Kameo also dorthin, nicht nach Prag gebracht worden wäre. In keinem der Wiener Inventare findet sich eine Spur des Kameos. Der Zusatz „aus Prag“ ist also entweder irrig oder er bezieht sich auf einen anderen Gegenstand. Wenn der Kameo, wie de la Chausse schreibt, bei der Plünderung Mantuas entwendet wurde, hat er sich bis zum Erwerb durch Christine von Schweden in unbekannter Hand befunden.

C. DIE GEMMA AUGUSTEA IN WIEN

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C. DIE GEMMA AUGUSTEA IN WIEN Die Gemma Augustea (Abb. 610) wird erstmals 1246 im Inventar der Abtei von St. Sernin in Toulouse erwähnt als quidam lapis preciosus qui vocatur Cammaheu (Mély 1894, 68). Sie wird in späteren Inventaren und Erwähnungen Camayeul, Cammaheu, Camalie, Campmaziel oder ähnlich, also „Kameo“ schlechthin genannt. In einer Silberfassung mit Edelsteinen konnte sie als Pektorale getragen werden. Die Legende erzählte, Josua habe den Kameo in der äthiopischen Wüste gefunden, er sei dann in Jerusalem aufbewahrt worden und bei der Kreuzigung Christi gesprungen, als auch andere Steine zersprangen und der Tempelvorhang zerriß. Karl der Große habe später den Kameo als Pektorale getragen und ihn nach seiner Rückkehr von der (angeblichen) Reise nach Jerusalem der Abtei des Hl. Saturninus geschenkt. Die Legende vom Sprung des Steines ist offenbar aus dem quer durch den unteren Fries verlaufenden Riß entwickelt. Der Kameo wurde mit anderen verehrungswürdigen Gegenständen wie dem sog. Rolandshorn und dem „Heures de Charlemagne“ genannten Evangeliar alljährlich an Gründonnerstag ausgestellt. Eine mittelalterliche Deutung ist nicht überliefert. Aufgrund der Darstellung ist sicher, daß der Kameo einst in der kaiserlichen Schatzkammer in Rom lag. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat die Vermutung, daß er nach der Gründung von Konstantinopel aus Rom in die dortige Schatzkammer übertragen wurde. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts gab es durch Briefe dokumentierte Beziehungen zwischen Raymond de Saint-Gilles (1042 – 1105), Graf von Toulouse, und Kaiser Alexios I. Komnenos (1081–1118) in Konstantinopel; damals könnte der Kameo mit den Reliquien des Hl. Saturninus als Geschenk nach Toulouse gekommen sein (de Mély 1894, 90). Eine andere Möglichkeit wäre die Herkunft aus der Beute der Plünderung von Konstantinopel im Jahre 1204 (Schwartz 1951, 364). Im Jahr 1453 verlangte das Kloster durch eine Eingabe seines Syndicus an den obersten Richter der Stadt die Rückgabe des Kameos, der sich in Händen zweier Toulouser Kaufleute, Ramundi de Bono Rotundo und Guillelmi de Crosa, befand, dessen Besitz der Rat der Stadt beanspruchte. Es wurde entschieden, daß der Kameo in der Sakristei der Kirche des Hl. Saturninus in einem mit vier Schlüsseln verschlossenen Schrein aufbewahrt werden solle; je ein Schlüssel sollten in der Obhut des Abtes und des Priors des Klosters, der dritte beim Rat der Stadt, der vierte in der Hand des königlichen Prokurators sein. Dem Abt und den Mönchen wurde untersagt, den camayeu von seinem Ort zu entfernen. Aufgrund der Tatsache, daß sich der Kameo 1453 vorübergehend nicht in Saint-Sernin befand, und der zeitlichen Koinzidenz vermutete Jacques Schwartz (1951), daß Jacques Coeur ihn den Toulousern abgenommen habe, so wie er von ihnen, nach Aussage eines Prozeßzeugen, ein Geschenk von 5000 Pfund erpreßt hatte. Jacques Coeur (1400 – 1456), Großkaufmann, Bankier von Charles VII und commissaire du roi aux Etats de Languedoc fiel 1451 in Ungnade, wurde 1453 zum Tode verurteilt, sein Besitz versteigert. Ist dies schon Vermutung, so ist die Annahme, einer der italienischen Partner Coeurs, vielleicht der Florentiner Bankier Otto Castellani, habe sich den Kameo angeeignet und mit nach Florenz genommen (Schwartz 1952, Kähler) durch nichts zu belegen. Sicher ist, daß die Gemma Augustea schon um die Mitte des 15. Jahrhunderts durch mindestens einen Gipsabguß in Italien bekannt wurde. Filarete beschreibt und rühmt in seinem „Trattato dell’ Architettura“ (1464) einen Gipsabguß dessen Original, so heiße es (dicesi), dem Herzog von

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XIX. GEMMENSCHICKSALE

Berry gehört habe, sich nach Aussage dessen, der ihm den Abguß gegeben habe, jetzt in der Sakristei der Hauptkirche von Toulouse befinde. Die Provenienz aus der Sammlung des Herzogs von Berry, die Filarete seinem fürstlichen Gesprächspartner (Francesco I. Sforza) als vorbildlich darstellt, gehört ins Reich der Gerüchte. 1470 bemühte sich Papst Paul II. darum, die Gemma zu erwerben; er hatte jedoch keinen Erfolg, obgleich er sich erbot, als Gegengeschenk eine steinerne Brücke über die Garonne zu bauen, der Stadt 50 000 écus zu schenken und verschiedene Privilegien zu verleihen. Noch mehr sollen die Venezianer geboten haben. Die Abtei gab jedoch ihren Schatz nicht heraus. 1533 allerdings erzwang François I. die Herausgabe des Kameos unter dem Vorwand, er wolle ihn Papst Clemens VII. zeigen. Der Papst weilte zur Vorbereitung der Hochzeit seiner Nichte, Catharina de Medicis, mit dem Dauphin Henri in Marseille. Die Toulouser waren der Meinung, der König habe den Kameo dem Papst geschenkt. Tatsächlich behielt er ihn für seine eigene Schatzkammer. 1560 ist er in einem Inventar von Fontainebleau aufgeführt. Im Jahre 1590, während der Religionskriege, wurde bei der Plünderung der königlichen Schatzkammer auch die Gemma Augustea entwendet. Sie taucht um 1600 in Venedig auf. Dort sah sie Peiresc, der sich während seiner Italienreise (1599–1602) mehrfach in Venedig aufhielt, im Augenblick der Abreise des Kuriers (nach Wien). Rubens hat die Gemma Augustea nach einem Abdruck für das mit Peiresc geplante Gemmenbuch gezeichnet. Kaiser Rudolf II. (1576–1612) erwarb den Kameo für seine Schatzkammer, als Kaufpreis wird die enorme Summe von 12 000 Golddukaten genannt (Gassendi, Peiresc 154). In dem 1619 nach dem Tode von Kaiser Matthias angelegten Inventar ist die Gemma Augustea als kunstreiche Tafel von weißem Relief auf schwarzem Onyxgrund mit Planeten und Nymphen beschrieben. Diese Deutung kam den astrologischen Neigungen des Kaisers entgegen und mag ihn bewogen haben, einen so hohen Preis zu zahlen. Im Kreis der Gemmenliebhaber wurde die Gemma Augustea, was sie schon in den mittelalterlichen Inventaren war: der Kameo schlechthin. Die Beschreibung des schönsten Kameos der Gemmensammlung des Vaters in Stifters Nachsommer ist von der Gemma Augustea inspiriert (Artemis & Winkler 2005, 397).

D. DER GRAND CAMÉE IN PARIS Der Grand Camée (Abb. 633) wird erstmals im ältesten Inventar der Sainte-Chapelle, vor 1279, aufgeführt. Die reiche mit Edelsteinen und Perlen geschmückte byzantinische Fassung wurde bei dem Diebstahl 1804 zerstört. Sie ist nur aus Beschreibungen bekannt. Es war eine Tafel, deren Rückseite und Rand aus vergoldetem Silber bestand, während die Vorderseite, also der Rahmen des Kameos, aus Gold gefertigt war. In den vier Ecken waren Emailbilder der Evangelisten Matthäus, Johannes und Markus sowie des heiligen ΒΑCΗΛΗ mit in griechischen Großbuchstaben beigeschriebenen Namen angebracht. Anstelle des letzten Namens konjiziert Peiresc „Lukas“. Möglicherweise hat die auf den Hl. Basileios († Anfang 9. Jh.) zu beziehende Inschrift den Namen des vierten Evangelisten ersetzt. Unterhalb der oberen Ecken befanden sich ferner Gold-Email-Bilder von Maria und dem Crucifixus denen unten zwei Erzbischöfe entsprachen. Ringsum waren zwanzig Medaillons mit Halbfiguren von Heiligen eingesetzt,

D. DER GRAND CAMÉE IN PARIS

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auch sie mit griechischen Beischriften. An nicht genau bezeichneten Stellen (zwischen den Medaillons?) waren mehrere Reliquien eingelassen (Abb. 830). Peiresc schätzte in seinem Brief an Aleandro aus dem Jahre 1620 das Alter der Fassung auf 700 oder 800 Jahre. Nach der Tradition soll der Kameo Louis IX, dem Heiligen, im Jahre 1247 oder 1248 von Kaiser Balduin II. von Konstantinopel geschenkt oder verkauft worden sein. 1342 oder 1343 verschenkt Philippe VI de Valois (1328–1353) den Kameo an Papst Clemens VI. (1342–1352) nach Avignon, vielleicht als Gegenleistung für finanzielle Unterstützung. Clemens VII. (1378–1394) gibt ihn an Charles V (1363–1380) zurück, möglicherweise um dessen Unterstützung gegen Urban VI. in Rom zu erlangen. Charles V ließ das Kleinod mit einer silbervergoldeten Basis versehen, welche die Figuren der zwölf Apostel zeigte und Reliquien enthielt. Eine Inschrift auf ihrem Fuß besagte, daß Charles V den camaïeu der Sainte-Chapelle du Palais im Jahr 1379 übergeben habe. Schon in der byzantinischen Fassung war der Kameo als Andachtsbild gerahmt. Wir wissen nicht, wie er in Byzanz gedeutet wurde. In der Sainte Chapelle galt seine Darstellung als Triumph Josephs am Hofe des Pharao (s. u. S. 262f.). Erst im Jahre 1620 entdeckte Peiresc, daß es sich um ein römisches Werk handelt (s. o. S. 161). Während der Revolution, im Jahre 1791, sollten auf Beschluß der Assemblée nationale die Schätze der Sainte Chapelle verkauft werden. Glücklicherweise entsprach man der Bitte des inhaftierten Louis XVI, einige Kostbarkeiten auszunehmen. Unter ihnen war der Grand Camée, der in das Cabinet des Médailles gebracht wurde. Dort wurde er in der Nacht vom 16. auf 17. Februar 1804 das Opfer eines professionell geplanten und durchgeführten Raubes. Zusammen mit dem Grand Camée wurden die „Coupe de Ptolémée“ (Abb. 233) und andere Kostbarkeiten gestohlen. Die Diebe brachten Teile der Beute, darunter den Grand Camée, nach Amsterdam. Sie wähnten sich hier in Sicherheit und boten den Kameo offen für 300 000 francs zum Kauf an. Sie hatten jedoch nicht mit dem Kunstverstand des französischen Konsuls Gohier gerechnet, der den Kameo wiedererkannte und für die Verhaftung der Täter sorgte. Teils durch Befragung der Täter, teils durch einen Spion, den man zusammen mit dem Haupttäter, namens Charlier, in eine Zelle steckte, wurde der Tathergang aufgeklärt. Charlier hatte das Cabinet de Médailles mehrere Monate lang an den Öffnungstagen besucht und die Objekte ausgewählt, die er stehlen wollte. Für dieTat hatte er zwei Komplizen; einer davon war ein Droschkenkutscher, der, unter seinem Gefährt versteckt, eine Gerüststange herbeibrachte. Am oberen Ende der Stange wurde ein Seil mit Knoten befestigt, an dem Charlier hinaufkletterte, während der Komplize vermutlich die Stange sicherte. Der Kutscher fuhr ein paar Runden mit seiner Droschke und lenkte so die Aufmerksamkeit der Nachbarn ab. Unterdessen drückte Charlier die Fensterscheiben ein, die er mit Pech beschmiert hatte, damit die Stücke nicht herabfielen, und raffte die Beute zusammen. Die Diebe nahmen Steine und Perlen aus ihren Goldfassungen und schmolzen diese ein. Zwei Edelsteingefäße verkauften sie an Lord Towneley und schickten sie in einer Gipsbüste des Laokoon versteckt nach England. Nach Aufdeckung des Diebstahls erhielt sie das Cabinet des Médailles zurück (Babelon 1897 Nr. 373, 374). Als der Grand Camée in Amsterdam sichergestellt wurde, war seine Fassung unwiederbringlich verloren. Die „Coupe de Ptolémée“ hatte Charlier auch vor seinen Komplizen verheimlicht und im Garten seiner Mutter vergraben. Auch sie hatte

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XIX. GEMMENSCHICKSALE

man des aus dem 9. Jahrhundert stammenden mit Edelsteinen geschmückten Kelchfußes beraubt.

E. DER SAPHIR DES THAMYRAS AM KRIPPENRELIQUIAR IN WIEN Der als blasser Saphir beschriebene Intaglio des augusteischen Meisters Thamyras mit dem Bild der auf einem Hippokampen übers Meer reitenden Nereide (Abb. 481) wurde über Jahrhunderte nicht als Gemme beachtet, obgleich er an prominenter Stelle saß. Er wurde bald nach 1368 als äußerster Stein rechts neben zwölf ungeschnittenen Topasen, Smaragden, Amethysten und Saphiren auf dem Deckel des Reliquiars mit dem Span von der Krippe Christi angebracht. Die Krippenreliquie war Kaiser Karl IV. 1368 von Papst Urban V. geschenkt worden. Sie gehört zu den Reichsreliquien, die den Kaiser als irdischen Vertreter des Weltenherrschers Christus auswiesen. Mit den Reichsinsignien und Krönungsgewändern gehören sie zu den Reichskleinodien, die sämtlich als Reliquien verehrt wurden. 1424 übergab König Sigismund die Reichskleinodien in die Obhut der Stadt Nürnberg, wo sie der strengen Aufsicht des Rates unterstanden. Die Reichsreliquien wurden in einem silbernen Schrein, der hoch im Chor der Kirche des Heilig-Geist-Spitals aufgehängt war, aufbewahrt. Einmal jährlich, am zweiten Freitag nach Ostern, dem Fest der Heiligen Lanze, wurden die Kleinodien in feierlicher Form den zu diesem Fest zahlreich herbeigeströmten Pilgern gezeigt. Mit Einführung der Reformation wurden die jährlichen Heiltumsweisungen abgeschafft, die letzte fand 1523 statt. Danach wurden die Reichskleinodien nur hohen Gästen noch gelegentlich gezeigt. Jenen, die Gelegenheit hatten, das Reliquiar aus der Nähe zu sehen oder gar in Händen zu halten, mag der Intaglio aufgefallen sein. Einziges Zeugnis für die Wahrnehmung des Intaglios ist ein 1645/47 geschaffenes Gemälde von Friedrich Juvenell, auf dem das Krippenreliquiar inmitten der „Reliquien des Heiligen Römischen Reiches“ zu sehen ist. Das eingeschnittene Bild des Steines rechts außen ist deutlich angegeben (Abb. 831). Der Intaglio wurde in der Gemmenforschung kaum beachtet, auch nicht nach der ersten öffentlichen Ausstellung der Reichskleinodien in Wien, im Jahre 1827. Erst 1973 wurde er von Otto Kurz als antike Meistergemme erkannt. Eine neuere Untersuchung der Gemme im Zusammenhang mit der Katalogisierung der Wiener Gemmen führte jedoch zu einem verblüffenden Ergebnis: Der jetzt am Reliquiar befindliche Intaglio ist nicht der antike Stein, sondern ein Glasabdruck des 18. Jahrhunderts. Offenbar war das Original entwendet und durch einen Glasabdruck ersetzt worden, der mit bloßem Auge nicht von ihm zu unterscheiden war. Wann konnte dieser raffinierte Kunstraub geschehen sein? In der Geschichte der Reichskleinodien gibt es nur einen Zeitraum, in dem sie nicht so streng verwahrt waren wie zuvor und danach: Die Zeit zwischen ihrer Flüchtung vor den französischen Revolutionstruppen im Jahre 1796 und der Ankunft in der kaiserlichen Schatzkammer zu Wien im Jahre 1800. In dieser Zeit, da einige Gegenstände ganz verloren gingen, muß auch die Thamyrasgemme gestohlen worden sein. Der Ersatz durch eine Glaspaste zeigt, daß der Kunstdieb mit dem Kreis der Gemmensammler, für die solche Pasten hergestellt wurden, wohl vertraut war; es ist nicht unwahrscheinlich, daß er die

F. DIE TAZZA FARNESE IN NEAPEL

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Glaspaste selbst hergestellt hat. Ob nun der Dieb die Gemme selbst behielt oder verkaufte – für eine signierte Gemme ließ sich in jener Zeit ein hoher Preis erzielen –, auf jeden Fall mußte sie geheim gehalten werden. Sie ist bis heute nicht wieder aufgetaucht. Immerhin ist der technisch perfekte Abdruck für die Gemmenforschung ein vollwertiger Ersatz.

F. DIE TAZZA FARNESE IN NEAPEL Die spätere „Tazza Farnese“ (Abb. 231, 232) befand sich zu Anfang des 15. Jahrhunderts noch im Orient, im Schatz der Timuriden in Herat. Sie könnte aus dem Besitz der Ptolemäer in den des Mithradates VI. von Pontus gelangt sein, als er deren Schatz 88 v. Chr. in Kos erbeutete, müßte aber dann vor der Erbeutung des Mithradates-Schatzes durch Pompeius (s. o. S. 108) an einen anderen kleinasiatischen Herrscher gelangt und so im Orient geblieben sein. Eine zwischen 1409 und 1433 in der Hofakademie in Herat entstandene Zeichnung von Muhammad b. Mahmud Shah al-Khayyam gibt ihr Innenbild in bemerkenswerter Umstilisierung wieder (Abb. 832). Wahrscheinlich kam die Tazza bei der Eroberung von Herat durch den turkmenischen Prinzen Pir Budaq im Jahre 1458 oder einer späteren Plünderung im Jahre 1468 in die Schatzkammer von Täbris. Von dort könnte sie als Geschenk von Uzun Hasan nach Italien gelangt sein. Der Herrscher sandte 1470 einen Botschafter nach Venedig und zum Papst, um sie als Verbündete gegen die Osmanen zu gewinnen. Wahrscheinlich ging das Geschenk an den Gemmensammler Paul II. (Brentjes 1995/96). Im Jahre 1471 erwarb Lorenzo il Magnifico die Tazza in Rom. 1537 wurde Alessandro de’ Medici, erster Herzog von Florenz, von seinem Verwandten Lorenzino ermordet. Die Schätze der Medici wurden geplündert, wobei der Hauptmann der herzoglichen Milizen den Großteil an sich brachte und auch die fünzehnjährige Witwe des Herzogs, Margherita d‘Austria (Margarete von Parma), eine illegitime Tochter Karls V., in Gewahrsam nahm. Der Kaiser sorgte jedoch dafür, daß Madama Margherita das Erbe ihres Mannes zurückerhielt. Die Medici-Gemmen, unter ihnen die Tazza, waren Margherita besonders teuer; sie nahm sie mit nach Rom, wo sie zunächst in dem nach ihr benannten Palazzo Madama, nach ihrer Heirat mit Ottavio Farnese im Palazzo Farnese wohnte. Die Daktyliothek begleitete Margherita nach den Niederlanden, wo sie von 1559 bis 1567 Generalstatthalterin war, schließlich nach Ortona, wo sie 1586 starb. Ihr Sohn Alessandro Farnese erbte die Sammlung. 1735 wurde die Tazza Farnese mit einem großen Teil der Sammlung nach Neapel gebracht, zunächst im Palazzo Reale di Capodimonte, dann im Museo Borbonico, dem jetzigen Museo Archeologico Nazionale, aufbewahrt. Trotz ihres wechselvollen Schicksales war die Tazza, bis auf ein Loch an der rechten Nasenseite der Medusa und kleine Fehlstellen an Bein und Fußspitze des muschelhornblasenden Windgottes, unversehrt geblieben. In der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober 1925 jedoch zerschlug ein Museumsaufseher in einem Anfall von Wahnsinn die Vitrine, in der sich die Tazza befand mit einem Schirm. Die kostbare Sardonyxschale fiel zu Boden und zerbrach. Glücklicherweise ging kein Stück verloren; die Schale wurde umgehend restauriert. Eine zweite Restaurierung erfolgte 1951, da die alten Klebeflächen sich gelöst hatten.

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XIX. GEMMENSCHICKSALE

G. DIE PORTLANDVASE Die erste Nachricht von der Portlandvase (Abb. 642a, b) verdanken wir Peiresc, der sie als zwanzigjähriger Romreisender im Winter 1600/01 in der Sammlung des Kardinals Francesco Maria del Monte sah. Nach dem Tode des Kardinals verkauften seine Erben die Vase für 600 Scudi an Kardinal Francesco Barberini. Durch Publikationen von 1642, 1690 und 1722 wurde die Vase im Kreis der Antikenfreunde berühmt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts geriet die Familie Barbarini in finanzielle Schwierigkeiten, die durch hohe Spielverluste von Cornelia Barbarini Colonna, Prinzessin von Palestrina, der letzten ihres Stammes, noch vermehrt wurden. Die Prinzessin verkaufte die Vase gegen 1780 an den schottischen Künstler, Antiquar und Händler James Byres. Byres ließ von dem Gemmenschneider (Giovanni) Pichler eine Form von der Vase machen, aus der James Tassie später 60 Gipsabgüsse herstellte. Spätestens 1783 kaufte Sir William Hamilton, Britischer Botschafter am Hof von Neapel, die Vase für 1000 Pfund von Byres. Der leidenschaftliche Antikensammler hatte jedoch in der Begeisterung über das einmalige Kunstwerk seine finanziellen Möglichkeiten überschätzt und mußte die Vase an die Herzoginwitwe von Portland weiterverkaufen, welche sie als Hauptattraktion ihrem berühmten Museum einfügte (Abb. 833). Nach dem Tode der Herzogin wurde ihre Sammlung verkauft. Ihr Sohn, third Duke of Portland, ließ die Portlandvase über einen Mittelsmann für sich ersteigern. Nach der Versteigerung lieh er sie für ein Jahr an den Keramikhersteller Josiah Wedgwood aus, der sie kopierte und zum Vorbild für die blau-weiße „jasper ware“ nahm, die bis heute von der Firma Wedgwood hergestellt wird. Wieder im Hause Portland zerbrach die bis dahin unversehrte Vase durch das Ungeschick einer Herzogin und mußte repariert werden. Um sie vor solcher Gefährdung zu schützen, gab schließlich der Enkel der Käuferin, fourth Duke of Portland, im Jahre 1810 das kostbare Erbe als Leihgabe in die Obhut des British Museums. Dort jedoch widerfuhr ihr das schlimmste Mißgeschick: Am 7. Februar 1845 zerschmetterte ein junger Mann mit einer im gleichen Raum ausgestellten Skulptur die Portlandvase samt ihrer Vitrine. Der Täter wurde sofort festgehalten und gab an, in einem Anfall von Verfolgungswahn gehandelt zu haben. Der Richter hatte Schwierigkeiten mit der Anwendung der einschlägigen Paragraphen auf diesen Sonderfall und verurteilte den Mann schließlich wegen Zerstörung der Vitrine zur Zahlung von 3 Pfund bzw. zwei Monaten Zwangsarbeit. Ein Freund löste den mittellosen ehemaligen Studenten aus. Obgleich die Vase in mehr als 200 Stücke zerbrochen war, gelang es dem Restaurator John Doubleday, sie zu restaurieren (Abb. 834). Übrig blieben 37 kleine Splitter. 1945 konnte das British Museum die Portlandvase erwerben. 1947/48 wurde sie noch einmal zusammengesetzt, da der alte Klebstoff sich in häßlicher Weise verfärbt hatte. Drei der übrig gebliebenen Splitter konnten hierbei eingefügt werden. Nach vierzig Jahren war der Kleber wieder gelblich und brüchig geworden. 1988/89 erfolgte eine erneute Zerlegung und Restaurierung der Vase (Nigel Williams 1989). Bis auf 17 winzige Splitter konnten alle Fragmente an ihren Platz eingesetzt werden.

A. MEISTERWERKE, PORTRÄTS

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XX. ANTIKE GEMMEN IM MITTELALTER A. VOM NACHLEBEN ANTIKER GEMMEN Gemmen haben das lange Leben der Steine; sie faszinieren den Betrachter durch Farbe und Leuchtkraft ihres Materials und die Vielfalt der eingeschnittenen Bilder. Ihr Zauber wurde durch den langlebigen Glauben an innewohnende magische Kräfte verstärkt. So wanderten antike Gemmen durch viele Hände und Jahrhunderte. Gemmen wie andere Kostbarkeiten wurden zuweilen den Verstorbenen mit in das Grab gegeben, oft aber vererbt. Beide Bräuche können nebeneinander bestehen: Wir wissen z. B., daß Augustus Gemmenringe von seiner Mutter geerbt hatte (s. o. S. 12), und wir kennen Gemmen aus Grabfunden seiner Zeit. Ein solcher Grabfund oder vergrabener Schatz war der Fund von Petescia in den Sabinerbergen mit späthellenistischem bis augusteischem Inhalt (Abb. 228, 612). Besonders sorgfältig gehütet und tradiert wurde der Schatz der römischen Kaiser. Wir erfahren aus dem Epithalamium des Claudian, daß Maria, die Frau des Honorius, bei der Hochzeit im Jahre 398 n. Chr. Schmuck trug, der einst Livia gehört hatte (carm. 10,10–13 [ed. J. B. Hall, Leipzig 1985]). Das Hochzeitspaar ist möglicherweise auf dem Kameo Rothschild dargestellt (Abb. 756). Indirekte Zeugnisse für den geschlossenen Erhalt des kaiserlichen Schatzes sind Wiederholungen von Motiven früherer Kaiserkameen auf späteren (s. o. zu Abb. 606, S. 158). Die großen königlichen und kaiserlichen Kameen waren vermutlich nie unter der Erde. Gemmen aus Gräbern konnten in späterer Zeit wieder ans Licht kommen. Das gleiche gilt für in der Antike verlorengegangene Gemmen, was nach Ausweis der Funde besonders häufig in Bädern geschah. Die Gefahr, daß das Klebemittel, mit dem der Stein befestigt war, sich in Wasser und Dampf löste, muß bekannt gewesen sein, aber man scheute sich wohl, die Ringe abzulegen, teils aus Furcht vor Diebstahl, teils weil sie den für den nackten Menschen besonders notwendigen magischen Schutz vor dem bösen Auge und vor Dämonen boten. Von einem Bodenfund berichtet Sueton in der Vita des Galba. Bei Befestigungsarbeiten an einer Stadt sei ein Ring von alter Arbeit gefunden wurde, dessen Gemme eine Victoria mit Tropaeum zeigte, was als gutes Omen für die Erhebung Galbas gegen Nero gedeutet wurde (Sueton, Galba 10). Daß man Gemmen in der Erde finden konnte, war im Mittelalter wohlbekannt. In den Lapidarien von den Siegelbildern beginnen die Einträge regelmäßig so oder ähnlich: „Wenn du ein Siegel findest, worin ... eingeschnitten ist“. Ein Bild des Hortus sanitatis, der in erster Auflage 1491 in Mainz erschien, zeigt einen Mann, der am Ufer eines Flusses (wohl des Rheins) Gemmenringe und Steine findet (Abb. 835). Der Text spricht unter anderem von dem Beryll-ähnlichen orakelgebenden Dyacodos-Stein (eigentlich Diadochos, Stellvertreter), der im Wasser Bilder verschiedener Dämonen erzeugt, die man dann befragen kann. Offenbar hat der Mann zu diesem Zweck schon drei Steine ins Wasser geworfen. Gefundene Gemmen wurden als Amulette weitergetragen. Zu den ersten minoischen Siegeln die Arthur J. Evans auf Kreta entdeckte, gehörten solche von weißlicher Farbe, die als „Milchsteine“ von Bäuerinnen auf der Brust getragen wurden, und solche mit roten Adern, welche die Bauern als „Blutstiller“ trugen (s.o. S. 20).

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XX. ANTIKE GEMMEN IM MITTELALTER

Schon innerhalb der Antike kommt es nicht selten vor, daß eine Gemme neu gefaßt wurde, sei es, daß die alte Fassung beschädigt oder nicht mehr passend, sei es daß sie unmodern geworden war. Ein konvexes Plasma des 1. Jahrhunderts n. Chr. wurde im 3. Jahrhundert n. Chr. neu in einem Goldring gefaßt (Abb. 836). Venus reicht Amor den Bogen, nach dem er verlangend die molligen Ärmchen ausstreckt: Im Auftrag seiner Mutter wird er mit seinem Pfeil Liebe wecken – wahrscheinlich im Herzen der Römerin, die einst mit dem Ring beschenkt wurde. Auch als die Kenntnis ihres antiken Ursprungs und ihrer Ikonographie verloren gegangen war, hatten die alten Bildersteine ein blühendes Nachleben. Als Schmuck, Amulett oder fertiges Siegel, vor allem aber an Kirchengerät wurden sie vom frühen Mittelalter bis zum Beginn der Renaissance weiterverwendet. Eine neue Qualität erhielt der Umgang mit antiken Gemmen durch ihre Wahrnehmung und Wertschätzung als Kunstwerke der Antike. Diese im folgenden Kapitel beschriebene „Wirkungsgeschichte“ beginnt auf der Seite der Künstler mit frühen Nachahmungen ab dem 7. Jahrhundert und auf der Seite der Kenner und Sammler in der Renaissance.

B. DIE MITTELALTERLICHE SICHT DER GEMMEN Für die Einstellung des frühen Mittelalters zu antiken Gemmen sind wir weitgehend auf die Aussage der Denkmäler angewiesen. Ab den 12. Jahrhundert geben uns reichlichere Quellen Auskunft. Über die Entstehung der Gemmenbilder gab es verschiedene Vorstellungen. Die merkwürdigste Geschichte überliefert Gervasius von Tilbury, Reichsmarschall von Arles (1140–1220), der in seinem 1211–1214 geschriebenen Mirabilienbuch „Otia Imperialia“ folgendes berichtet (3,28): Gott habe den Juden als angenehme Beschäftigung am Sabbat die Fähigkeit verliehen, Edelsteinen jene Bilder einzuprägen, an die sie gerade dachten. Verbreiteter war die Meinung, die Gemmenbilder seien von den Juden während ihrer Wanderung durch die Wüste unter Anleitung der von Gott erwählten Künstler Beseleel und Ooliab geschnitten worden. Dies überliefert Thomas von Cantimbré (ca. 1201– 1270) in seinem Liber de natura rerum, dessen Erstfassung in die Jahre ca. 1228–1240 datiert wird (Thomas Cantimpratensis, Liber de natura rerum I, ed. H. Boese 1973; 14,1,45–62). Er merkt an, daß die Söhne Israels hauptsächlich Karneole geschnitten hätten, und zwar von solcher Feinheit, daß kein Nachfahre es wagen könnte, sie nachzuahmen. (Dahinter steht die Beobachtung, daß die meisten antiken Gemmen tatsächlich aus Karneol bestehen). Es unterliege keinem Zweifel, daß die eingeschnittenen Bilder die den Steinen innewohnenden Kräfte verdeutlichen, seien die Gemmenschneider doch vom Geist Gottes erfüllt und durch die von Gott berufenen Künstlern Beseleel und Ooliab ausgebildet worden. Grundlage der Legende ist die Anweisung Gottes zur Herstellung von Schulterkleid und Brustschild für Aaron mit den beiden Onyx-Steinen und den 12 verschiedenen Steinen, in welche die Namen der Stämme Israels eingeschnitten werden sollen (Ex. 28, 6–21; 39, 1–14). Gott beruft hierzu die Künstler Beseleel und Ooliab und verleiht ihnen zugleich die Fähigkeit, andere zu lehren (31,1–11; 35, 30–36,2). Thomas folgert, daß die in Gemmen eingeschnittenen Bilder nicht ohne tiefere Bedeutung seien;

B. DIE MITTELALTERLICHE SICHT DER GEMMEN

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doch solle man seine Hoffnung nicht auf das Aussehen der Steine, sondern auf Gott setzen, von dem diese Kraft ausgehe (14,1,58-59 u. 69,1-5). Der Kern dieser Überlieferung ist schon in karolingischer Zeit faßbar. Mit einem Gedicht für Ferendarius († nach 842), Bischof von Chur., schickt Walahfridus Strabo (808/09–849), Erzieher des späteren Königs Karls des Kahlen und Abt von Reichenau, eine Gemme als Geschenk: Eine Gemme, die in unsicherem Tal gefunden wurde, eine leuchtende, seltene, kostbare, wertvolle Gemme, ... die Ooliab geschnitten, Beseleel graviert hat, d. h. die von beiden Künstlern gemeinsam geschaffen wurde. Sie besteht aus Achat, dessen griechischer Name schon sage, daß es ein guter Stein sei (Walahfridus schreibt agathes, statt achates, und leitet dies von agathos, gr. „gut“ ab) (Carmina LIV, MGH Poetae Latini Aevi Carolini II, 400f.). Albertus Magnus (c. 1193–1280) kennt die Nachrichten von der Schaffung der Gemmen durch die Juden, bevorzugt aber eine andere, mehr naturwissenschaftliche Erklärung. In seinen Mineralia, Buch II, tractatus 3 behandelt er die „Bilder“ und „Siegel“ auf Steinen. Nach der mittelalterlichen doctrina sigillorum zeigen Markierungen, gleichsam göttliche „Siegelabdrücke“, in der Natur an, wozu etwa ein Blatt, eine Blüte, eine Wurzel geeignet ist. Albert versichert, daß dies zwar Teil der astrologischen Nekromantie, aber dennoch „gute Lehre“ ist, also nicht im Widerspruch zum christlichen Glauben steht. Er unterscheidet drei Arten von natürlich entstandenen „Siegeln“ in Stein: 1. Steine mit Bildern in verschiedenen Farben oder Ton in Ton, die wie gemalt aussehen, 2. Bilder in Relief, 3. konkave Bilder. Es handelt sich um gemaserte Steine, wie Moosachate, und Fossilien, wobei jedoch zur zweiten und dritten Gruppe auch geschnittene Steine gezählt werden (z. B. der Ptolemäerkameo, s. o. XIX A). Ihre Entstehung erklärt er so: Die Konstellation von Sternen und Planeten habe zuweilen eine solche Kraft, daß sie Bilder von Tieren und Menschen in Steine präge. Er merkt an, daß dies besonders häufig bei Onyx vorkomme, von dem er annimmt, daß er entweder ein Baumharz oder eine Mischung von Erde und Wasser sei. Beide Materialien würden in weichem Zustand leicht von den Sternen geformt und dann zu Stein erhärten. Er meint, daß aus dem gleichen weichen Material Kameen auch von Menschenhand unter Beachtung der geeigneten Konstellationen geformt und dann gehärtet werden können. Albertus hat keine Kenntnis von Gemmenschneidearbeit an der Werkbank. Allen Erklärungen der Gemmenbilder ist gemeinsam, daß sie nicht als heidnisch angesehen werden. Auch die Beobachtung des Albertus, daß Gemmen mit dem Bild des Mercur häufig in der Nähe alter Tempel heidnischer Götter, besonders in Deutschland, zu finden sind, weckte keinen Verdacht (miner. 2,3,5). Mercur, als Sternbild verstanden, war völlig im Einklang mit dem mittelalterlichen Weltbild. Die Weihe der – geschnittenen wie ungeschnittenen – Edelsteine galt der Sicherung der ihnen von Gott verliehenen Kräfte, oder deren Wiederherstellung, falls sie etwa in den Händen sündiger Menschen vermindert worden waren. Diese Weihe wurde am Dreikönigstag vollzogen; ihre Formel wird nach älterer Quelle erstmals von Thomas von Cantimbré mitgeteilt (14,71,13–25; Franz I 435–442). Diese Weihe war kein Exorzismus. Im Unterschied hierzu mußten aufgefundene alte Gefäße, die man klar als Werke der Heiden erkannte, aber offenbar schätzte, weil sie gut brauchbar waren und nichts kosteten, durch eine Weihe vom

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XX. ANTIKE GEMMEN IM MITTELALTER

Makel ihrer Entstehung befreit werden (Th. Wright, Archaeologia 30, 1844, 439f.; Franz I 621f.; W. Krämer, Germania 43, 1965, 327–329). Neben oder trotz der allegorischen Auslegung der Edelsteine durch die Kirchenväter (Meier 1977) wurde der Glaube an die den Steinen innewohnenden magischen Kräfte ungebrochen aus dem Altertum ins Mittelalter übernommen. Der immer gelesene Plinius hat viel zu seiner Tradierung beigetragen, obwohl er stets gegen die Behauptungen der Magier polemisiert. Bezeichnend für die Selbstverständlichkeit dieses Glaubens ist eine Stelle in einer am 23. 2. 1305 in Santa Maria Novella zu Florenz von dem Dominikaner Giordano da Pisa oder da Rivalto (ca. 1260–1311) gehaltenen Fastenpredigt. Um darzulegen, daß die Reue wertvoller sei als alle Kräfte der Natur, der Kräuter, der Steine und aller anderen Dinge, schildert er letztere zunächst in blühenden Farben: Es gibt viele Edelsteine und jeder hat seine spezielle Kraft und manchmal mehr als eine. Die Kräfte eines jeden Steines zu nennen, wäre eine lange Geschichte, aber es heißt, daß ein Stein die Kräfte aller anderen Steine in sich vereint, und, nach Aussage der Gelehrten, ist dieser Stein wie der Löwe unter den anderen Tieren, wie der Adler unter den Vögeln. Dies ist der Karfunkelstein, der Rubin heißt, der leuchtend ist wie Kohle; und in der Nacht leuchtet dieser Stein. Und es heißt, daß er alle Kräfte der anderen Steine in sich trägt: also wäre es besser, diesen zu haben als alle anderen, denn so viele mit Dir zu tragen, würde dich belasten und dir den Beutel zerreißen. Besser also dieser eine, der alle Kräfte zusammen besitzt (Giordano da Pisa, Quaresimale fiorentino 1305–1306, ed. Carlo Delcorno (Florenz 1974) 79, XV 31; s. u. zu Abb. 902). Die mittelalterlichen Lapidarien berufen sich als Zeugen für die magische Kraft der (Siegel-)Steine auf Salomon, der mit Hilfe eines ihm von Erzengel Michael überbrachten Siegelrings Dämonen austrieb, wie es das „Testament Salomons“ beschrieb (s. o. S. 231). Neben Lapidarien der Edelsteine als solcher gibt es im Mittelalter zwei Arten von Lapidarien geschnittener Edelsteine, die bis in das 18. Jahrhundert tradiert wurden (Evans 1922). Das eine ist ein astrologisches Lapidarium überwiegend mit Bildern der Sternzeichen, deren Beschreibungen teils Bildern in mittelalterlichen Astrologiebüchern, teils antiken Gemmenbildern entsprechen. Im astrologischen Lapidarium des Arnold von Sachsen (um 1225) heißt es: Wenn du (ein Siegel) findest, in dem Perseus mit dem Schwert in der Rechten, dem Haupt der Gorgo in der Linken (eingeschnitten) ist, so schützt das vor Blitz, Sturm, Neid und dem Eindringen von Dämonen. Oder: Wenn du den gepanzerten Mars und Venus in langem Kleid mit einem Lorbeerzweig in der Hand findest, so verleiht das (Siegel) Schönheit und Anmut, Macht und Vollkommenheit und es nimmt die Angst vor Wasser (Stange 77; C. Lecouteux, Euphorion 76, 1982, 398 Nr. 22 u. 24). Das andere Lapidarium ist das „Buch des Techel von den Siegelbildern, welche die Israeliten in der Wüste machten“. Hinter dem in vielen Varianten überlieferten Verfassernamen (u. a. Zael, Cheel, Cethel, Thetel, Zahel Israelita, Zahel Benbriz) verbirgt sich der arabisch schreibende jüdische Astrologe Sahl Ben Bišr, der in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts lebte. Mehrere seiner astrologischen Traktate wurden schon im 12. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt. Thomas von Cantimpré hat neben einem Lapidarium der Edelsteine beide Lapidarien der geschnittenen Steine in sein Buch „Von den Dingen der Natur“ oder „Von der Natur der Dinge“ (de natura rerum) aufgenommen (14,69 u. 14,70 [ed. H. Boese 1973]). Von dem „Buch Techel“ schreibt er ausdrücklich, daß er es ins Lateinische übersetzt habe. Es existiert

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jedoch eine lateinische Handschrift schon aus dem 12. Jahrhundert. Eine arabische Originalhandschrift des Liber magnus sigillorum Zahel wurde bisher nicht gefunden (Carmody 45; Sezgin 128). Die angeblich von den Israeliten geschaffenen Bilder entsprechen meist römischen Gemmenbildern, die als Sternbilder verstanden werden, wie Stier, Widder, Saturn, Mercur, Schiff [Argo], Hase, Löwe, Adler und Capricorn (Nr.17–19, 23–26). Rein christlich ist ein Kreuz in grünem Jaspis, das vor Ertrinken bewahrt (7). Der mittelalterlichen Fabelwelt entstammen der Basilisk und die halb frauen- halb fischleibige Sirene, die vor Schlangenbiß schützen (8). Andere Siegel – und das ist die Besonderheit dieses Lapidariums - entsprechen magischen Amuletten, so der schwarze Stein mit der Figur eines Mannes mit Szepter und Vogel (Sarapis, vgl. Abb. 774) über einem Krokodil; es vertreibt Dämonen und Feinde, Alexander, so sei überliefert, habe ein solches Siegel getragen; man soll es in Eisen fassen (11). Zu einem weiteren magischen Amulett im Lapidarium des Techel s. u. XX E. Wie groß und langlebig das Interesse an der Wirkkraft der Steine und der eingeschnittenen Bilder war, zeigt beispielsweise der Erfolg des Speculum Lapidum des Mediziners und Astronomen Camillus Leonardus aus Pesaro († nach 1532), der darin mehrere ältere Lapidarien abschreibt. Der Erstauflage, Venedig 1502, folgten weitere, Venedig 1516, Paris 1610, Hamburg 1717, schließlich eine englische Ausgabe noch 1750.

C. FIBELN UND SIEGELRINGE Sowohl die Franken in dem von Chlodwig (gest. 511) gegründeten Reich der Merowinger wie die 568 aus Pannonien nach Italien eingewanderten Langobarden verwenden antike Gemmen in ihren Schmuckstücken. Die Anbringung im Zentrum von Fibeln und die Kostbarkeit der meist goldenen Fassungen zeigt, wie hoch man sie schätzte. In die Mitte einer fränkischen Vierpaßfibel mit Mittelscheibe aus Kobern bei Koblenz ist ein Nicolo des späten 2. oder frühen 3. Jahrhunderts n. Chr. mit dem Bild des Mars eingelassen (Abb. 837). Ein Ring aus Grab 98 des fränkischen Gräberfeldes von Bislich bewahrt in einer aufwendigen Fassung mit Bögen und vorspringenden, einst perlenbesetzten Vorsprüngen einen Intaglio des 2. Jahrhunderts n. Chr. mit dem Miniaturbild der Entführung der Persephone in einem von Sarkophagen bekannten Schema (Abb. 838a, b). Köpfe und Büsten boten sich zur Wiederverwendung und neuen Deutung an. Karl der Große verwendete zwei antike Gemmen als Siegel. Das von ihm selbst geführte Siegel ist eine antike Gemme mit Büste eines bärtigen Mannes antoninischer Zeit in Panzer(?) und Paludamentum (nicht, wie vermutet, des Antoninus Pius oder Commodus). Auf dem Fassungsrand steht die Umschrift Chr(ist)e protege Carolum Rege(m) Franc(o)r(um) (Abb. 839). Die analoge Inschrift auf dem karolingischen Bergkristall mit dem Porträt Lothars II. von Lotharingien (855–869), dem namengebenden Stein des Lotharkreuzes (Abb. 897), Chr(ist)e adiuva Hlotarium Reg(em), macht wahrscheinlich, daß man in dem Gemmenbild das Bild Karls sah. Das Hofgerichtssiegel ist eine antike Gemme mit der Büste des Serapis. Es trägt keine Inschrift, doch darf man vermuten, daß mittelalterliche Augen in dem Polos-gekrönten bärtigen Gott den Kaiser mit Krone erkannten (Abb. 840). Ludwig der Deutsche (König in Baiern 826, in Ostfranken 833, †876) siegelte mit einem männ-

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lichen Porträt aus der Zeit des Marc Aurel (Abb. 841). Das Siegel wurde von seinem Sohn Ludwig III. (König von Sachsen und Franken 876, †882) und seinem Urenkel Ludwig IV., dem Kind (König 900, †911), weiterverwendet. Arnulf von Kärnten (König des Ostfränkischen Reiches 887, Kaiser 896, †899), Enkel Ludwigs des Deutschen und Vater von Ludwig dem Kind, benutzte als provisorisches Königssiegel einen Intaglio des ersten vorchristlichen Jahrhunderts mit der Büste einer Mänade (Abb. 842). Aufgrund der Umschrift, Arnolfus gratia d(e)i rex ist anzunehmen, daß die bekränzte, leicht bekleidete Büste ebenso als Bild des Königs gelten sollte wie dessen unbärtige Büste mit Lorbeerkranz und Mantel auf einem zeitgenössischen Siegel. Die antiken Gemmen aller genannten Königssiegel sind von hoher Qualität und zeugen vom Kunstverstand der Besitzer. Die Verwendung antiker Gemmen als Siegel war zunächst bei Kaisern, Königen und kirchlichen Fürsten, seit etwa dem späten 12. Jahrhundert vermehrt auch bei Adeligen und Bürgerlichen in ganz Europa verbreitet. Antike und mittelalterliche Siegelabdrücke von Steingemmen haben Germain Demay (1877) für Frankreich, Gerta Hiebaum (1931) für Deutschland und Österreich systematisch gesammelt. Beispiele für Italien gibt Wentzel, 1953/56, 75, für England Henig, Corpus 1978, 284–286. Ymagina von (Isenburg-)Limburg, Gemahlin Gerlachs von Isenburg-Limburg (1232–1287), benutzte einen frühaugusteischen Intaglio von ungewöhnlicher Größe und Qualität als Siegel (Abb. 843). Der Abdruck ist an einer Urkunde aus dem Jahre 1266 erhalten. Dieselbe Gemme diente schon früher, 1237, als Siegel eines Verwandten, Gerlachs von Büdingen. Es wurde für Ymagina neu gefaßt und mit ihrer Namensumschrift versehen. Im heiligen Hain des Apollo, dessen nackte Statuette auf einer Säule im Zentrum des Bildes steht, sitzen sich die Muse der Komödie und Apollo gegenüber. Die Muse stützt sich mit der Rechten lässig auf den Felsblock, der ihr als Sitz dient, hält in der leicht erhobenen Linken eine bärtige (kahlköpfige?) Maske; ihr Oberkörper ist nackt, um die Beine ist ein Mantel geschlungen. Der ebenso bekleidet ihr auf einem Felsblock gegenübersitzende Apollo hält mit der Rechten die auf dem Oberschenkel ruhende Leier, in der Linken wahrscheinlich das im Wachsabdruck nicht kenntliche Plektron. Rechts von seinem Felsensitz wächst als weitere Andeutung des heiligen Haines ein Bäumchen. Die Szene vermittelt eine sakral-idyllische Stimmung, die auch eine verwandte Darstellung in der Wandmalerei charakterisiert (Neapel 9543 aus der Casa del Melagro). Der Stil steht dem des Aulos nahe (s. o. S. 116). Wie die Besitzerin die Szene deutete, bleibt uns verborgen. Dies gilt auch für die auf einem Seepferd reitende Nereide mit dem Schild für Achill im Siegel von Heinrich I., Vogt von Gera (Abb. 844). Bilder mit mythologischen Szenen wurden nicht richtig gedeutet, auch wenn der Mythos aus der Literatur bekannt war (s. u. XX F). Die Kenntnis antiker Ikonographie wuchs auch in der Renaissance erst langsam. So hat Heinrich von Suderlant, Kanonikus von St. Patroklus in Soest, der 1354 mit Leda und dem Schwan siegelte (Abb. 845), das Bild wohl ebensowenig richtig gedeutet wie Andreas, Archidiakon von Soisson, der 1189 das gleiche Motiv als Siegel verwendete. Man mag die Szene als eine der Kampfgruppen zwischen Mensch und Tier verstanden haben, wie man sie vielfach an Kapitellen und kleinen Friesen in Architektur und Kunsthandwerk sah. Der Schwan verhieß Schutz vor Lähmungen und Viertagefieber, hieß es doch in dem Lapida-

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rium der Sternbilder des Thomas von Cantimbré: Si inveneris lapidi insculptum cignum, hic liberat a paralysi et quartana (14,70,18). Zuweilen geben Umschriften auf mittelalterlichen Ringfassungen, die überwiegend dem 13. und frühen 14. Jahrhundert angehören, Hinweise auf die Deutung, die der Besitzer dem antiken Bild beilegte. So galt die Kombination dreier Köpfe als Bild der Heiligen Dreifaltigkeit (s. u. S. 288f.), Victorien oder eine Minerva als Engel (Dreikönigenschrein 100, Henig M 5). Eine Omphale im Löwenfell wurde zum Bild Johannes des Täufers im härenen Gewand, eine Medusa vom schönen Typus im Siegel Bischof Bernwards von Hildesheim (960–1022) zum Bild Mariens. Geeignete Gruppen konnten als Bilder der Verkündigung Gabriels an Maria gelesen werden (Dreikönigenschrein 80f.). Träger des Namens „Jean“ siegelten gern mit dem Bild des Adlers als Symbol des Evangelisten Johannes (Demay Nr. 235, 237, 238). Die für Siegel verwendeten Gemmenbilder wurden jedoch nicht ausschließlich christlich interpretiert und verschiedene Deutungen desselben Motivs waren möglich. Ein Löwe wird mit der Inschrift + ECCE VICIT LEO + SIGILL(um) IOHANNIS DE LAVAL auf den Löwen aus dem Stamm Juda bezogen und war mit dem Zitat aus der Offenbarung des Johannes (Apok. 5,5) ein geeignetes Siegel für einen Träger dieses Namens. Ein Löwe mit der Versumschrift SUM LEO QUOVIS EO NON NISI VERA VE(h)O, „Ich bin der Löwe, wohin ich gehe, bringe ich nichts als Wahres“, nutzt den Namen des Tieres zu einem auf den Briefinhalt bezogenen Reim (Henig M 26, M 27). Ein Skorpion mit der ebenfalls metrischen Umschrift EST MEA MORS VITA, „mein Tod ist Leben“, spielt darauf an, daß sich nach Plinius (11,90; 29,91) aus dem toten Skorpion ein Heilmittel gegen sein Gift gewinnen ließ; der Besitzer trug den Ring als Amulett (Henig M 30). Ein Bild des Bonus Eventus (vgl. Abb. 684) trägt die Umschrift QUI LABORAT MANDUCET, „wer arbeitet soll (auch) essen“. Die Ähren in der Hand der Figur erschienen offenbar als passende Illustration der Kurzfassung eines Jesuswortes: dignus enim est operarius cibo suo. „... denn der Arbeiter ist seiner Nahrung wert“ (Mt 10,10; vgl. Lk 10,7). Zum Verständnis des Symbols der verschlungenen Hände bedurfte es keiner Kenntnis antiker Ikonographie, wie die französische Umschrift IE SVY SEL DE AMVR LEL, „Ich bin das Siegel treuer Liebe“ zeigt (Roach Smith 1857, 79 Nr. 8 u. 11). Relativ spät, seit dem Ende des 14. Jahrhunderts, kommen Gemmen auch in Kölner Bürgersiegeln, vor allem als Rücksiegel vor. Das Rücksiegel ist ein auf der Rückseite des Abdrucks des Hauptsiegels angebrachter Abdruck eines zweiten Siegels, der zur Sicherung des Hauptsiegels vor Manipulationen dient. Das abgebildete Beispiel, Rücksiegel des Schöffen Johann Muysgin aus dem Jahr 1476 war eine schöne augusteische Apollobüste (Abb. 846). In dieser Zeit mag schon die von Italien angeregte Begeisterung für das antike Kunstwerk eine Rolle gespielt haben. Es läßt sich jedoch nicht ausschließen, daß dem Träger und seinen Mitbürgern, die eine offenbare Vorliebe für Gemmen mit Köpfen hatten, auch noch wichtig war, daß in dem Lapidarium des Techel ein solches Bild als besonders starkes Amulett beschrieben war: Wenn du ein Siegel aus grünem Jaspis findest, in das ein Kopf und Hals, von der Schulter an, eingeschnitten ist, dann fasse dieses Siegel in Silber oder Erz und wohin du auch damit reist, sei es auf dem Meer, sei es auf Flüssen, wirst du nicht in Gefahr kommen. Werden in den Ring noch bestimmte Buchstaben graviert, erhält man ein allumfassendes Schutzamulett gegen Krankheiten, besonders Fieber und Wasser-

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sucht, es macht den Träger beliebt und verleiht ihm den Sieg im Krieg und vor Gericht, es hilft Frauen bei Empfängnis und Geburt, verleiht Frieden und Eintracht und vieles andere Gute, wenn es in Reinheit und Ehrbarkeit getragen wird (England 13. Jh., Frankreich 14. Jh., Evans 1920, 237; ähnlich mit Varianten: Camillus Leonardus, Speculum Lapidum [1502] lib. 3, p. 62).

D. DER RING DES BISCHOFS ARNULF VON METZ In der Kathedrale von Metz wird als Ring des heiligen Arnulfs, Bischofs von Metz (614–629, †641 oder 643), ein Goldring mit einer Gemme aus Karneol-Onyx aufbewahrt. Das in die helle Oberschicht und nur teilweise bis in die dunkle Schicht hinunter geschnittene Bild zeigt einen Fisch, der mit dem Vorderteil in einer Reuse steckt, und beiderseits je einen weiteren Fisch (Abb. 847). Ein sehr ähnlicher Karneol aus Pompeji datiert die Gemme in das 1. Jahrhundert n. Chr. Das antike Stilleben bot sich für eine christliche Deutung an. Fische sind im Anschluß an die neutestamentliche Berufung der Apostel zu Menschenfischern (Mt. 4,19; Mc. 1,17; Lc. 5,10) bei Tertullian (ca. 150–230 n. Chr.) und Clemens von Alexandria (2. Jh. n. Chr.) Symbole der Getauften bzw. der Gläubigen, die durch Christus und seine Jünger wie Fische gefangen und so aus dem Meer der Bosheit errettet werden. Der Ring wurde alljährlich am Festtag des Heiligen (16. August) feierlich von der Kathedrale zur Benediktinerabtei St. Arnulf und wieder zurück gebracht, was seit dem Jahre 1105 schriftlich bezeugt ist. Mit dem Ring verband sich eine Legende, die Paulus Diaconus (ca. 720–799) in seiner Geschichte der Bischöfe von Metz erzählt, ein wunderbares Geschehen, das nicht in der älteren Vita aufgezeichnet sei, das er vielmehr von Karl d. Großen, der aus dem Geschlecht Arnulfs stammte, erfahren habe. Als Arnulf in einer Zeit der Buße über die Moselbrücke ging und in den dunklen Strom blickte, zog er voller Gottvertrauen den Ring vom Finger und warf ihn ins Wasser mit dem Gebet: Dann werde ich glauben, daß ich von den Fesseln meiner Sündenschuld erlöst bin, wenn ich jenen Ring, den ich jetzt hinabwerfe, wiedererhalten habe. Einige Jahre später, als Arnulf schon Bischof war, brachte ihm ein Fischer einen Fisch, in dessen Bauch sich der Ring wiederfand. Der göttlichen Vergebung sicher, führte Arnulf weiter ein heiliges Leben. Die alte Erzählung vom Ring des Polykrates hat hier eine neue Gestalt mit positiver christlicher Deutung des Wunders erhalten. Unmittelbares Vorbild der Legende ist ein Motiv aus der Sage vom Ring Salomons. In Sünde gefallen, mußte Salomon den Ring, mit dem er die Dämonen bezwang, an diese abgeben. Erst nach langer Buße findet er den Ring im Bauch eines Fisches wieder zum Zeichen, daß seine Schuld gesühnt ist.

E. DER HAHNENKÖPFIGE KRIEGER MIT SCHLANGENBEINEN Relativ häufig kommen magische Amulette mit dem Bild des Hahnenköpfigen mit Schlangenbeinen als Siegel vor (s. o. S. 221–223). Da das Motiv mehrfach als Bischofssiegel dient,

E. DER HAHNENKÖPFIGE KRIEGER MIT SCHLANGENBEINEN

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ist ausgeschlossen, daß man es als reines Curiosum, geschweige denn als ein mit dem christlichen Glauben unvereinbares Bild betrachtete. Offenbar erkannte man in dem peitscheschwingenden Schildträger ein besonders wichtiges der von den Israeliten geschnittenen Siegelbilder. Beischriften wie Sabao(th), Adonai mußten diese Auffassung stützen. Die Tatsache, daß die häufig vorkommenden Namen Abrasax und IAO von den Kirchenvätern dem häretischen System der Basilidianer zugeschrieben wurden, fiel demgegenüber nicht ins Gewicht. Entscheidend war vielmehr, daß man das Bild im Lapidarium des Techel fand. Thomas von Cantimbré nennt es an erster Stelle: Wenn ein Jaspis gefunden wird und in ihm (eingeschnitten) ein Mann, der einen Schild am Hals oder in der Hand hat und einen Speer (cuspes) in der anderen Hand und unter den Füßen eine Schlange, so hat dieser Wirkkraft gegen alle Feinde (de nat. rer. 14,70,8–10). Statt des Speers hat der Mann in einer anonymen Handschrift des 13. Jahrhunderts ein Schwert, er trägt einen Helm (der mißverstandene Hahnenkopf), tritt die Schlange mit Füßen (Evans 1922, 235). Camillus Leonardus gibt in seinem Speculum Lapidum (Venedig 1502) unter den „Imagines seu sigilla Chael“ und den „Sculpturae seu imagines Salomonis“ ähnliche Texte (lib. 3, cap. 15, pag. 58 u. [cap. 17] pag. 61). Ausführlicher ist die Beschreibung unter den „Imagines seu sigilla Thetel“ im folgenden Kapitel: Das Bild eines Mannes in Jaspis, der einen Schild in der Linken, ein Idol oder irgend etwas Kriegerisches in der Rechten hält, und statt der Füße sollen Schlangen da sein, statt des Hauptes des Mannes ein Hahnen- oder Löwenkopf, und mit einem Panzer [soll er bekleidet sein]; dieser so geschnittene Stein hat Kraft gegen Feinde, macht den Träger zum Sieger, hilft gegen Gift, stillt auch das Blut, von welcher Stelle es auch fließt (lib. 3 cap. 16 pag. 61). Die Überlieferung scheint hier durch die Betrachtung magischer Amulette ergänzt zu sein, auf denen der Schlangenbeinige in der Tat bald einen Hahnen-, bald einen Löwenkopf haben kann. Leonardus selbst besaß einen Jaspis mit dem Bild des Schlangenbeinigen, den er in einem Kapitel über die nicht astronomischen, nämlich magischen und nekromantischen Gemmenbilder genau beschreibt (lib. 3, cap. 6, p. 52). Diese Bilder, stellt er voran, hätten keine Ähnlichkeit mit Sternbildern und Himmelskonstellationen; daher könnten nur die in diesen Wissenschaften Erfahrenen ihre Kräfte erkennen. Die Wirkkraft der Bilder und die Kraft der Steine ergänzten sich. Und aus diesem Grunde sind auch, weil in jedem Stein verschiedene Kräfte sind, Figuren aus verschiedenen Teilen von Tieren in Stein geschnitten, die durch ihre Entsprechung die Wirksamkeit des Steines anzeigen, wie es auf meinem Jaspis zu sehen ist: Darauf ist die Figur eines Mannes mit dem Kopf eines Hahnes; der ganze Körper bis zu den Schenkeln des Mannes ist mit einem Panzer bedeckt; in der Linken hält er einen Schild, in der Rechten aber eine Peitsche und anstelle der Beine und Füße schließen sich zwei Schlangen an. Wenn diese Teile der Figur wohl betrachtet werden, zeigen sie die dem Stein innewohnende Kraft an, wie wir in dem Kapitel zum Jaspis gesagt haben. Zu Beginn des folgenden Kapitels, das von der Wirkkraft der eingeschnittenen Bilder handeln soll, verwahrt sich Leonardus gegen den Verdacht, er weiche damit vom katholischen Glauben ab. Steine mit bestimmten Bildern könnten niemanden gegen seinen freien Willen dazu bringen, etwas Falsches zu tun, bei schlechten Menschen wirkten sie nicht, sie verstärkten aber vorhandene positive Eigenschaften (lib. 3, cap. 7, pag. 52). Chiflet zitiert die Stelle aus den Siegelbildern des Thetel und die über den Jaspis im Besitz des Leonardus als Beschreibungen des von ihm Abraxas gallinaceus genannten Bildes (Maca-

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rius – Chifletius 1657, 63). In dem Abschnitt über den Jaspis hebt Leonardus grünen Jaspis und besonders jenen mit roten Adern, also Heliotrop, als den wirksamsten hervor, es gebe aber noch andere Farben; heutzutage sei Deutschland besonders reich an Jaspisvorkommen. Trägt man einen Jaspis, so vertreibt er Fieber und Wassersucht, klärt den Blick, vertreibt Albträume, hält Ausschweifung fern, verhütet Empfängnis. Heliotrop insbesondere hilft Schwangeren und Gebärenden, macht den Träger siegreich, mächtig und beliebt. Alle Arten haben die Kraft, Blut zu stillen. Eine Silberfassung verstärkt die Kräfte des Jaspis (lib. 2, pag. 35). Leonardus sagt leider weder bei der Beschreibung des Bildes, noch in dem Abschnitt über den Jaspis, welchen Teilen der Figur er welche spezifische Wirkung zuschreibt. Es ergibt sich immerhin, daß der hahnenköpfige Schlangenbeinige als eines der von den Israeliten geschnittenen Gemmenbilder im Mittelalter und darüber hinaus mit dem christlichen Glauben in Einklang gesehen wurde und wegen seines geheimnisvollen Aussehens als besonders wirksames Amulett galt. Das Bild kommt in der Tat häufig auf grünem Jaspis oder Heliotrop vor. Das Sekretsiegel der Margarete von Flandern, erhalten in einem Abdruck von 1285, zeigt den Schlangenbeinigen mit der Beischrift ΑΒΡΑΞΑC unter der Figur; sie erscheint im Abdruck linksläufig, war also wie üblich rechtsläufig in den Stein graviert (Abb. 848). Auf den Amuletten lautet der Name fast immer ΑΒΡΑCΑΞ; die uns geläufige lateinische Form ABRAXAS kommt jedoch gelegentlich vor. Der Gott hält den Schild beim Abdruck seitenrichtig in der Linken, die Peitsche in der Rechten, während die Attribute üblicherweise beim Original seitenrichtig sind. Trotz dieser Abweichungen von der Norm besteht kein Grund, am antiken Ursprung des Siegelsteines zu zweifeln. Ein Hämatit in einem mittelalterlichen Goldring aus dem Grab eines Bischofs in Chichester zeigt den Hahnenköpfigen mit spitzem Schild, ebenfalls in der Rechten, und Keule in der linken Hand (Abb. 849a, b). Der Typus ist selten, auch hier handelt es sich um ein antikes Amulett, nicht um eine mittelalterliche Kopie.

F. KIRCHENSCHÄTZE: EINBÄNDE, KREUZE, RELIQUIARE Im byzantinischen Osten wurden herausragende antike Gemmen, wie der Kameo Rothschild (Abb. 756, vgl. Abb. 625), durch beigefügte Inschriften oder die Rahmung mit Reliquien und Heiligenbildern (Abb. 830) christlich gedeutet. An byzantinischem Kirchengerät werden jedoch nur ungravierte Edelsteine verwendet. Der Brauch, antike Gemmen an sakralen Gegenständen wie Einbänden von Evangeliaren, Kreuzen und Reliquiaren anzubringen, ist ein Phänomen der westlichen Kirche. Der Unterschied zu Byzanz mag den einfachen Grund haben, daß dort zwar hervorragende Stücke aus der Schatzkammer der römischen Kaiser, nicht aber die kleinen Fundgemmen zur Verfügung standen, die in Italien und den römisch besiedelten Gebieten des Westens immer wieder zutage kamen. Seit dem 7. Jahrhundert finden sich im Westen antike Gemmen im Schmuckbesatz kirchlicher Gegenstände. Hierbei können einzelne kleine Gemmen einfach als farbiger Stein verwendet sein. Herausragende, an prominenter Stelle angebrachte Stücke wurden jedoch, wo immer sich dies durch interne oder externe Indizien erkennen läßt, in christlichem Sinne gedeutet. Im hohen und beginnenden späten Mittelalter entspricht dies

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einer allgemeinen Tendenz: Antike Darstellungen werden fast ausnahmslos in christlichem Sinne interpretiert, während klassische Themen durch Figuren in zeitgenössischer Tracht und Umgebung dargestellt werden (Panofsky 1960, 82–100). Aus der Tatsache, daß mittelalterliche Gelehrte die antiken Mythen aus der Literatur kannten, darf man nicht folgern, daß sie antike Darstellungen dieser Mythen richtig deuteten. Daß Kameen heidnische Bilder sein konnten, war allerdings nicht unbekannt: Die Personifikation der Idolatria, des Götzendienstes, an dem Hauptportal von Notre Dame in Paris (um 1210) betet statt der üblichen Götterstatue auf einer Säule einen Kameo mit Darstellung eines Frauenkopfes an (Abb. 850). Im allgemeinen, insbesondere im kirchlichen Gebrauch, gilt jedoch die Regel der christlichen Deutung. Die langobardische Königin Theodolinda († 625) stiftete ein Evangeliar oder Meßbuch in die Basilica von Monza, das mit acht antiken Kameenbüsten geschmückt war, von denen sechs erhalten sind. Überarbeitungen an zwei der Kameen zeigen, daß man die Technik des Gemmenschnitts nach wie vor beherrschte. Aus dem späten 7. Jahrhundert stammt das nach seinem Stifter benannte Teuderigus-Reliquiar in der Abtei von St. Maurice d’Agaune (Kt. Wallis, Schweiz), an dem, neben ungeschnittenen Steinen, Gemmen, teilweise kopfstehend, eingesetzt sind (Abb. 851). Die Mitte der Vorderseite schmückt ein zeitgenössischer, antike Vorbilder nachahmender Glaskameo. Am gleichen Ort befindet sich die im 7. Jahrhundert als Reliquiar gefaßte Onyxkanne (Abb. 644). Nach der Überlieferung besuchte Martin von Tours (316/7–397) zur Zeit von Bischof Theodor († 391), auf der Rückreise von Rom, die Stätte im Tal von Agaune, an der die von Mauritius geführten Soldaten der Thebanischen Legion das Martyrium erlitten hatten. Die Legende erzählt, als er die Erde mit einem kleinen Messer lockerte, sei Blut herausgeflossen, das er in zwei Ampullen sammelte, und als das Blut noch weiter strömte, habe Gott ihm, auf sein Gebet hin, dieses skulpierte Gefäß durch einen Engel gesandt. Möglicherweise hat Martin die Onyxkanne aus Rom mitgebracht. Über eine mittelalterliche Deutung der Reliefs wissen wir nichts. Der Bericht des Kapuzinermönches Sigismund von 1666 gibt lediglich eine zeitgenössische Einschätzung: Die Vase sei von unschätzbarem Wert, scheine aus schwarzem Stein in der Art von Achat zu bestehen, auf dem verschiedene Figuren mit bewundernswerter Kunst dargestellt seien. Ein Blutreliquiar war auch das Onyxalabastron aus Stift Nottuln (Abb. 641). Kostbarkeit und Seltenheit des Gefäßes bestimmten die „Coupe de Ptolémée“ (Abb. 233a, b) zur Weihung an Christus und Verwendung als Kelch. Als zugehörige Patene wurde eine antike Serpentinschale des 1. Jahrhunderts vor oder nach Chr. mit später eingelegten goldenen Fischen in karolingischer Fassung verwendet. Beide Cimelien gehörten im Mittelalter zu den Schätzen der Abtei von Saint Denis. Der karolingische Fuß der „Coupe de Ptolémée“ aus Gold und Edelsteinen trug eine Inschrift in zwei unvollständig überlieferten Hexametern, die den Kelch als Stiftung Karls III., d. h. Karls des Kahlen (838–877), an Christus bezeichnet: Hoc vas, Christe, tibi [devota] mente dicavit tertius in Francos [sublimis] regmine Karlus „Diesen Kelch hat dir, Christus, ehrerbietigen Sinnes geweiht der dritte zur Königsherrschaft über die Franken erhobene Karl“. Eine Tafel in der „Histoire de l’abbaye Royale de

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Saint-Denys“ von Dom Michel Félibien aus dem Jahr 1706 überliefert das mittelalterliche Aussehen der Coupe (Abb. 852a, b). Die Gold-Edelsteinfassung kam bei dem Raub von 1804 abhanden (s. o. S. 245f.). Nach einem Brauch, der wohl in das 15. Jahrhundert zurückreicht, wurde der Kelch bei der Krönung der französischen Königinnen verwendet: Sie tranken daraus nach dem Empfang der Hl. Kommunion. Der dionysische Charakter der Darstellung blieb unbeachtet. Auch das Inventar von 1634 beschreibt nur mehrere Bäume, Köpfe von Menschen, Tiere und Vögel. An dem großen Kreuz in Brescia aus dem 9. Jahrhundert sind 61 Kameen und Intaglien, darunter auch frühmittelalterliche Glaskameen, noch erhalten (Sena Chiesa, Gemme 2002, 147–218). Die größte mittelalterliche „Sammlung“ antiker Gemmen schmückt den Dreikönigenschrein im Dom zu Köln (Abb. 824). Im Jahre 1781 wurden in der Publikation von Vogel 222 antike Gemmen dokumentiert, von denen heute noch 142 vorhanden sind. In der Mitte der im Jahre 1200 vollendeten Vorderseite, auf der Verschlußplatte vor den Häuptern der Hl. Könige, saß bis zu seinem Raub am 28. Januar 1574 der Ptolemäerkameo (Abb. 219, 825). Aus seiner Beschreibung durch Albertus Magnus geht hervor, daß man in den beiden gestaffelten hellen Köpfen und dem kleinen dunklen als „Äthiopier“ bezeichneten Ammonskopf, die Häupter der Hl. Drei Könige sah (de miner. 2,3,2, s. o. XIX A). Der Ptolemäerkameo in seiner mittelalterlichen Interpretation ist die erste bildliche Darstellung des schwarzen Königs und offenbar die Ursache für sein Auftauchen in Bildwerken seit dem 13. Jahrhundert. An der Stelle des Ptolemäerkameos sitzt heute ein großer Citrin. Am Schrein erhalten sind der große Venusintaglio (Abb. 508) zur Linken und der Nerokameo (Abb. 639) zur Rechten. Hinter jedem der großen antiken Steine ruht eines der Häupter der Könige. War der Schrein geschlossen, konnten die Gläubigen die Häupter der Könige im Bild des Ptolemäerkameos sehen. Die drei Großgemmen wurden im Mittelalter von vier Engeln gehalten, d. h. den Gläubigen als heilige Bilder präsentiert, was eine christliche Deutung auch der beiden seitlichen Gemmen voraussetzt (Abb. 853). Auf dem Venusintaglio sahen mittelalterliche Augen wohl einen König, der wie der erste König im goldenen Fries darunter die Knie vor Maria mit dem Kind beugt. Der Nerokameo konnte in Analogie zu den goldenen Figuren im Giebelfeld als thronender Christus, dem ein Engel eine Krone reicht, gedeutet werden. Solche seltenen großen Gemmen mußten mit Sorgfalt gesucht oder aus Familienschatz gestiftet werden. Im Falle des Dreikönigenschreines ist überliefert, daß Otto IV. von Braunschweig am Epiphanietag des Jahres 1200 den Häuptern der Könige drei goldene Kronen aufsetzte. Er kommt auch als Stifter von herausragenden Gemmen in Frage. An der Frontseite links ist er mit einem goldenen Kästchen in Händen als gabenbringender vierter König dargestellt. Die frühere Vermutung, daß Gemmen am Dreikönigenschrein aus der Beute der Eroberung von Konstantinopel durch die Kreuzfahrer im Jahre 1204 stammten, ist aus historischen und chronologischen Gründen hinfällig. Kleinere Gemmen konnten auch durch Sammlung bei privaten Stiftern zusammenkommen, einige der Gemmen am Dreikönigenschrein mögen aus rheinischen Fundstätten wie Köln oder Xanten stammen. Diese kleinen Gemmen sind neben ungeschnittenen Steinen und Perlen in den Ornamentfriesen des Schreines angebracht. Auch sie wird man genau betrachtet haben, ohne etwas in christlichem Sinne Anstößiges

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zu finden. Solche kleinen Friese können wie der Jagdfries auf der Trapezplatte des Dreikönigenschreines oder metallene Schmuckfriese an anderen Schreinen Motive aus der ganzen Schöpfung enthalten: Menschen, Tiere, Mischwesen und Sternbilder. Nackte Figuren, die Betrachter des 19. Jahrhunderts so anstößig fanden, konnten vielfältige Bedeutung haben, sei es als natürliche Erscheinung, sei es als Symbole des Guten oder des Bösen. Köpfe und Büsten ließen sich, wie erwähnt, besonders leicht umdeuten: Im 9. Jahrhundert wurde das Porträt der Iulia Titi des Euodos (Abb. 484) auf die Spitze des „Escrain de Charlemagne“ gesetzt und durch einen darüber angebrachten Saphir mit byzantinischem Marienmonogramm als Muttergottes bezeichnet. Das Reliquiar war ein Geschenk Karls des Kahlen an die Abtei von St. Denis. Abt Suger (geb. 1081, Abt von St. Denis von 1122 bis zu seinem Tode 1151) beschreibt in seinem Bericht De rebus in administratione sua gestis wie er vor dem Kreuz des Hl. Eligius, den kleineren Kreuzen und diesem unvergleichlichen Kleinod (incomparabile ornamentum, quod vulgo „crista“ vocatur), die auf dem Altar aufgestellt waren, meditiert: „Alle kostbaren Steine bedeckten dich, Sard, Topas, Jaspis, Chrysolith, Onyx und Beryll, Saphir, Carbunculus und Smaragd“ [Ezechiel 28,13]. Kenner der Eigenschaften der Edelsteine werden mit Staunen wahrnehmen, daß keiner von diesen, mit Ausnahme des Carbunculus, fehlt, daß sie vielmehr in großer Zahl vorhanden sind. In der Betrachtung der biblischen Edelsteine fühlt er sich von der irdischen in die Nähe der himmlischen Welt erhoben (Panofsky, Suger 1979, 62f.). Suger hat unermüdlich an der Ausstattung von Saint-Denis mit Kleinodien, darunter vielen Antiken, gearbeitet, von seinen Agenten danach suchen lassen und Gläubige zu Stiftungen aufgerufen. Ein einmaliger Glücksfall ist der Umstand, daß er in eigenen Schriften davon berichtet. Seine Intention war nicht nur, die Kathedrale zur Ehre Gottes und des Hl. Dionysius mit den kostbarsten Schätzen der Erde und menschlicher Kunst zu schmücken, sondern auch den Betrachter durch den Glanz der sichtbaren Kunstwerke aus Gold und Edelsteinen gleichsam zu erleuchten und zur Ahnung des unsichtbaren wahren Lichtes, Christus, zu führen. Nur die Bekrönung des karolingischen Schreins ist erhalten, sein Aussehen ist durch einen Kupferstich bei Félibien (Abb. 854) und in einem Aquarell überliefert, das Etienne-Eloi de Labarre unmittelbar vor der Zerstörung in der französischen Revolution anfertigte. In Köln befindet sich das von Bischof Herimann (1036–1056) und seiner Schwester Ida († 1060), beide Enkel Ottos II. und der Theophanu, gestiftete Kreuz, bei dem ein Lapislazuliköpfchen der Livilla (Abb. 628) das Haupt des Gekreuzigten darstellt (Abb. 855). Anlaß für die Stiftung kann die Ernennung Herimanns zum Erzbischof im Jahr 1036 oder die Weihe des Kreuzaltares von St. Maria im Kapitol zu Köln im Jahre 1049 gewesen sein. Ein frühaugusteischer Medusakameo bildet das Gesicht der goldenen Davidsfigur in Basel aus dem späten 13. Jahrhundert (Abb. 856). Die goldene Statuette von Maria mit Kind vor der Brust Davids steht auf einem staufischen Löwenkameo. Die Inschrift in dem darunter gehaltenen Spruchband lautet: David rex manu fortis aspectu desiderabilis ecce stirps mea et sal(us) mu(n)di qua(m) divinit(us) p(ro)p(he)thavi, „König David, mit starker Hand, von liebreizendem Anblick. Siehe meine Nachkommenschaft und das Heil der Welt, welches ich durch göttliche Eingebung prophezeit habe“. Das Bildwerk

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XX. ANTIKE GEMMEN IM MITTELALTER

selbst sagt, wie der Medusakameo zu verstehen ist: als schönes, anziehendes Gesicht. Das Spruchband erläutert auch, daß der Löwe den „Löwen aus dem Stamm Juda, den Sproß aus der Wurzel Davids“ (Apoc. 5,5) symbolisiert. Die teils im dunklen Grund liegenden, teils von der Fassung verdeckten Schlangenköpfe wurden hier nicht als störend empfunden; dagegen hat man diese an dem ebenfalls augusteischen, stärker klassizistischen MedusaKameo am Dreikönigenschrein fachgerecht abgeschliffen und unter dem Kinn eine Vertiefung eingearbeitet, der einst einen Edelstein (Granat?) als Halsschmuck enthielt (Abb. 857). Der Kameo bildet das Pendant zu dem karolingischen Saphir-Kameo mit Christusbüste; er stellte wohl nach Absicht der mittelalterlichen Erbauer des Schreins das Haupt Mariens dar. Der Abschliff der Schlangenköpfe kann in Köln selbst gemacht worden sein. Die aus den Objekten erschlossene Vermutung, daß sich hier ein Zentrum des Hartsteinschliffs befand, wurde durch den Fund einer Kristallschleifer-Werkstatt des 12. Jahrhunderts beim Bau der U-Bahn im Jahre 2005 bestätigt. Der heute in St. Petersburg aufbewahrte Kameo mit dem Doppelporträt von Drusus maior und Antonia minor (Abb. 625) wurde in der Kirche eines Kloster der französischen Provinz als Hochzeitsgeschenk des hl. Joseph an Maria verehrt. Man bot den an drei Goldringen befestigten Kameo den Gläubigen zum Kusse dar, wodurch die hochliegenden Teile der Köpfe im Laufe der Zeit abgenutzt wurden. Erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts sah ein durchreisender Antikenkenner den Kameo und erklärte den Mönchen, daß es sich um ein profanes Werk handele. Sogleich entledigten sich die Mönche des Kameos, den Bernard de Montfaucon (offenbar eben jener Antikenkenner) für das Antikenkabinett des Klosters von Saint-Germain-des-Prés erwarb und als erster, im Jahre 1724, publizierte. Ihm verdanken wir die Nachrichten über die Verehrung des Kameos als Reliquie, die nach seinen Worten seit mehreren Jahrhunderten andauerte; den Namen des Klosters nennt er nicht. Nach Mariette befand sich der Kameo seit mehr als 600 Jahren in dem auch von ihm nicht benannten Kloster, d. h. seit dem frühen 12. Jahrhundert. Die griechische Inschrift zwischen den Büsten ΑΛΦΗΟΣ ΣΥΝ ΑΡΕΘΩΝΙ war für Montfaucon der Beweis, daß es sich um ein antikes Kunstwerk handele. In Wirklichkeit bezeugt sie eine ältere byzantinische Verwendung und Deutung des Kameos. Unter Annahme einer fehlerhaften Abschrift von zwei Buchstaben des zweiten Wortes könnten die beiden sizilischen Märtyrer Alpheios und Agathon gemeint sein. Eine scheinbare Ausnahme von der Regel der interpretatio christiana bildet der Augustuskameo am Lotharkreuz (Abb. 858). Als Bild in der Kreuzvierung kann er nur Christus oder einen Herrscher darstellen. Da der Crucifixus auf der Rückseite des Kreuzes bärtig ist, könnte das Kameobildnis als das des Stifters, Ottos II. (967–983), verstanden worden sein. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß es richtig als das des Augustus gedeutet wurde. Und zwar „not in spite but because of the fact that it was recognized as an emperor’s portrait“ (Panofsky 1960, 88). Augustus, als der Kaiser, in dessen Regierungszeit Christus geboren wurde (Lk. 2,1), spielte nach der Lehre der Kirchenväter eine wichtige, positive Rolle im Heilsplan. Nach der Legende prophezeite die Sibylle von Tibur dem Kaiser die bevorstehende Geburt Christi. Auch Kameen mit mythologischen und historischen Bilder erhielten eine zeitgemäße Deutung. Am berühmtesten ist das Beispiel des Grand Camée. Er war schon in der byzantinischen Fassung, mit der er nach Paris kam, als Andachtsbild von Heiligenbil-

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dern und Reliquien umgeben (Abb. 830). In der Sainte-Chapelle galt er als Darstellung Josephs am Hofe des Pharao. Ob dies auch schon die byzantinische Deutung war, ist nicht bekannt. Aus mittelalterlicher Sicht war das Bild eine exakte Illustration zu dem Text im ersten Buch Moses (Gen 41,39–41): Dann sagte Pharao zu Joseph:“ ... Du sollst über meinem Haus stehen, und deinem Wort soll sich mein ganzes Volk beugen. Nur um den Thron will ich höher sein als du.“ Der Pharao sagte weiter zu Joseph: „Hiermit stelle ich Dich über ganz Ägypten“. An Feiertagen wurde der Kameo zur Verehrung ausgesetzt, 1484 bei der Krönung Karls VIII. feierlich in der Prozession mitgeführt. Auch das kaiserliche Paar als Triptolemos und Ceres im Drachenwagen (Abb. 640) galt noch bis in das 18. Jahrhundert als Triumph Josephs in Ägypten. Hier sah man ein Bild der an die oben zitierte Bibelstelle anschließenden Verse über die Fahrt Josephs durch Ägypten; vermutlich deutete man die Frau als Asenat (Gen. 41,42-45). Der Pharao nahm den Siegelring von seiner Hand und steckte ihn Joseph an die Hand. Er bekleidete ihn mit Byssusgewändern und legte ihm die goldene Kette um den Hals. Dann ließ er ihn seinen zweiten Wagen besteigen. Man rief vor ihm aus „Achtung!“ So stellte er ihn über ganz Ägypten. Der Pharao sagte zu Joseph: „Ich bin der Pharao. Aber ohne dich soll niemand seine Hand oder seinen Fuß regen in ganz Ägypten.“ Der Pharao verlieh Joseph den Namen Zafenat-Paneach und gab ihm Asenat, die Tochter Potiferas, des Priesters von On, zur Frau. So wurde Joseph Herr über Ägypten. Der Kameo mit dem vom Adler empor getragenen Kaiser Claudius (Abb. 638) war bis zum Ende des 17. Jahrhunderts an einem Reliquiar mit dem Haupt von Sainte Aprone in der Abtei von Saint-Èvre zu Toul angebracht. Das Kameenbild wurde als Evangelist Johannes gedeutet, wobei die den Kaiser bekränzende Victoria sehr wahrscheinlich als Engel gedeutet wurde. Charles V schenkte der Kathedrale von Chartres im Jahre 1367 einen großen Kameo mit Jupiter und dem Adler für das Reliquiar mit dem Hemd der hl. Jungfrau (Abb. 859). Jupiter steht im über die Schulter gelegten, um den Unterkörper geschlungenen Mantel, hält mit der Linken das Szepter und richtet den Blick auf den Blitz in seiner Rechten. Zu seinen Füßen sitzt der zu ihm aufblickende Adler. Die am Rahmen der Vorderseite angebrachten Stellen aus dem Neuen Testament zeigen, daß der Kameo zuvor als Schutzamulett diente. Vor allem die Stelle Lk. 4, 29, an der sich Jesus den Mordabsichten der Nazarener entzieht, indem er einfach durch die Menge hindurchschreitet, galt als starker Schutz. Die Rückseite trägt in zwei konzentrischen Kreisen den Anfang des JohannesEvangeliums; auch sie haben Schutzfunktion und sind zugleich ein deutlicher Hinweis darauf, daß man das Bild als das des Evangelisten mit dem Adler deutete. Vermutlich gehörte das Amulett zuvor Jean II (1350 – 1364), als dessen Sohn sich Charles V in der unten angebrachten Dedikationsinschrift ausdrücklich bezeichnet. Spätes Beispiel eines im mittelalterlichen Sinne mit Gemmen und Kameen geschmückten Reliquiars ist das Armreliquiar mit einer Reliquie vom Finger des hl. Nikolaus, das René Ier von Anjou (1408– 1480) mit seiner Frau, Jeanne de Laval, im Jahre 1471 der Kirche von Saint-Nicolas-dePort bei Nancy stiftete (Abb. 860 a, b). Das Reliquiar wurde aufgrund eines Revolutionsgesetzes im Jahre 1792 zerstört. Zuvor hat der adlige Historiker und Numismatiker François-Dominique de Mory d’Elvange eine Beschreibung und Zeichnungen angefertigt, die das Aussehen des Reliquiars überliefern. In der Geschichte des Reliquiars spiegelt sich der Übergang von der mittelalterlichen Interpretatio christiana antiker Gemmen zur

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Erkenntnis ihres antiken Ursprungs und ihrer Wertschätzung als Sammlungsobjekte. Die Mitte der Vorderseite des Sockels schmückte ein großer, 9.2 cm hoher Kameo mit Darstellung der Venus, die sich im Spiegel betrachtet (Abb. 647). Pilger, die aus dem ganzen Mosel- und Rheinland zur Verehrung der Reliquie herbeiströmten, verehrten und küßten den Kameo als Bild Mariens. Die weiße Gestalt erschien ihnen als Bild der fleckenlosen Jungfrau, der „Immaculata“, deren Verehrung seit dem 13. Jahrhundert gerade in Frankreich verbreitet war. Spiegel, Wasserbecken und Tauben waren als Symbole Mariens vor allem aus dem Hohenlied bekannt. Vermutlich erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts erkannten die Benediktiner von St. Nicolas, daß es sich um eine heidnische Venus handelte, und sandten den Kameo dem König, Louis XIV (1643–1715), der ihn seiner Sammlung einfügte. An heute erhaltenen Stücken erkennt man links neben der Venus den staufischen Kameo mit Falknerin, der sich jetzt in Florenz (Mus. Naz., Bargello) befindet. Der Kameo mit Nero auf dem Adler von der Rückseite des Reliquiars ist das einzige in Nancy verbliebene Stück. Der Kameo unter Nero mit dem Porträt des Claudius gelangte aus der Sammlung Wyndham Francis Cook in die von Leo Merz, dann als Stiftung seiner Tochter Eva Merz in die des Archäologischen Instituts der Universität Bern (Abb. 637).

XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE A. SAMMLER UND KENNER Gemmen wurden seit der Antike als Schätze gesammelt, wie etwa die zahlreichen Siegel aus dem mykenischen Kuppelgrab von Vaphio zeigen (s. o. S. 25). Sie wurden früh als Kunstwerke geschätzt, wie die Signaturen auf spätarchaischen Gemmen belegen. Hellenistische Herrscher und, in ihrer Nachfolge, die Großen der späten römischen Republik legten Gemmensammlungen an. Ihr kleines Format macht Gemmen zu idealen Sammelobjekten. Man kann sie im engen Raum eines Schiffes aufbewahren (s. o. S. 119) und auf Reisen mitnehmen: Charles V (König von Frankreich 1364–1380) besaß einen kleinen und zwei große Koffer mit seinen kostbarsten Gemmen und Kameen sowie seinen Siegeln, die er stets mit sich führte und deren Schlüssel er selbst verwahrte (Babelon 1897, CXIV). Kaiser Karl VI. (1711–1740) nahm auf Reisen das „Spanische Cabinet“, einen Kasten mit ausgewählten Münzen und Kameen mit (Bernhard-Walcher 1991, 29). Zur Sammlung Hemsterhuis bemerkt Goethe: ... daher ist für einen Privatmann, der sich nicht in großen Räumen ergehen und selbst auf Reisen einen gewohnten Kunstgenuß nicht entbehren kann, eine Sammlung geschnittener Steine höchst wünschenswerth; ihn begleitet überall das Erfreulichste, ein belehrendes Kostbares ohne Belästigung, und er genießt ununterbrochen des edelsten Besitzes (Femmel – Heres Z 132, s. u. S. 275f.). In diesem Sinne führten auch einige

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der mit Goethe in Karlsbad weilenden Gäste Gemmen mit sich (Femmel – Heres Z 295– 297). Das Sammeln antiker Gemmen als Zeugnissen des Altertums beginnt in der frühen Renaissance. Es ist eine komplementäre Erscheinung zu der allmählich sich durchsetzenden Erkenntnis, daß die Gemmen heidnische Erzeugnisse sind, und ihrer Verbannung von kirchlichem Gerät. Das Bild der erythräischen Sibylle von Hermann tom Ring (1521–1596) vereint die alte und neue Betrachtungsweise (Abb. 861). Auf der Brüstung im Vordergrund steht ein Kästchen mit Schiebedeckel und zwei Schubladen, die zum Teil geöffnet sind. Es enthält eine kleine Sammlung von Gemmen, jeweils drei in einer Reihe. Die Gemmen sind bräunlich und rötlich getönt, also aus Sard und Karneol gedacht, Glanzlichter deuten die eingeschnittenen Bilder an. Die Prophezeiung des Sibylle auf der Front der Balustrade lautet: De excelso coelorum habitaculo prospexit Deus humiles, en nascetur in dieb(us) novissim(is) virgine Hebraea in cunabilis [sc. cunabulis] terrae, „Von der hohen Wohnstatt des Himmels schaute Gott auf die Demütigen, siehe er wird geboren werden in den jüngsten Tagen von einer hebräischen Jungfrau in einer Wiege der Erde“. Das Schwert, dessen Griff links an der Brüstung lehnt, ist stehendes Attribut der erythräischen Sibylle; es wird als Verweis auf den Kindermord von Bethlehem oder das jüngste Gericht gedeutet. Das übrige Beiwerk originell. Wahrscheinlich haben die Worte von der Erdenwiege die Darstellung der Gemmen angeregt. Es sind die kostbaren Bildersteine, die in der Erde gefunden werden, wie es in den mittelalterlichen Lapidarien heißt, die nun aber als Zeugnisse der Antike gesammelt werden.

1. Sammlungen Italien: 13.–17. Jahrhundert König Konrad IV. (1250–1254) läßt im Jahr 1253 eine große Zahl von Gemmen (mindestens 547 Intaglien und 133 Kameen, davon 3 aus Glas) und andere Juwelen, die offenbar aus dem Besitz seines Vaters, Friedrichs II. (1212–1250), stammen, bei einem Genueser Kaufmann für 2522 genuesische Pfund verpfänden. Diese beträchtliche Summe entspricht etwa dem Jahreseinkommen von 150 guten Handwerkern (Byrne 1935; Kahsnitz 1979, 477f.). Die meisten Intaglien (511) waren ungefaßt, was zeigt, daß sie um ihrer selbst willen, nicht etwa wegen einer kostbaren Fassung, gesammelt worden waren. Es ist wahrscheinlich, daß es überwiegend antike Stücke waren. Dies ist allerdings die einzige Nachricht, die wir von einer Gemmensammlung Friedrichs II. haben. Die knappe Aufzählung der Stücke in dem Vertrag läßt keine Identifizierungen zu. Petrarca (1304–1374) sammelte Münzen und Gemmen. In einem Brief an Francesco Nelli, Prior von SS Apostoli, beschreibt er unter Beispielen von Glücksfällen, die einem ohne eigenes Zutun widerfahren: Oft kam in Rom ein Weingartenarbeiter zu mir mit einer antiken Gemme oder einer goldenen oder silbernen Münze in der Hand, manchmal von der scharfen Hacke beschädigt, und bat mich, sie zu kaufen oder die eingeschnittenen Köpfe der Heroen zu deuten (Epistolae familiares XVIII 8, 48–52). Von den Gemmenfunden in den römischen Weingärten hören wir noch bis in das 19. Jahrhundert (Tyszkiewicz 43f.).

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XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE

Die Geschichte eines berühmten, heute verschollenen Intaglios, il calcedonio (auch calcidonio, chalcidonio) genannt, illustriert den Übergang vom Amulett zum begehrten Sammelobjekt. Vespasiano da Bisticci (†1498) berichtet in der Vita des Florentiner Humanisten Niccolò Niccoli (1363/4–1437). Eines Tages, Niccolò war außer Hauses gegangen, sah er einen Knaben, der einen Chalzedon um den Hals trug, in den eine sehr eindrucksvolle Figur – von der Hand des Polyklet – geschnitten war. Er fragte ihn, wessen Sohn er sei; als er des Vaters Namen erfahren hatte, schickt er nach diesem, um zu erfahren, ob er den Chalzedon verkaufe. Der war einverstanden, da er von dergleichen Dingen nichts verstand und sie auch nicht schätzte. Er gab ihm fünf Fiorini dafür. Dabei schien es dem guten Mann, dem der Chalzedon gehört hatte, daß er für das Stück über das Doppelte des eigentlichen Wertes erhalten habe. So war Niccolò im Besitz diese Chalzedon, und er zeigte ihn als das, was er war: ein gänzlich einzigartiges Bildwerk (nach: B. Roeck, Vespasiano da Bisticci, Grosse Männer und Frauen der Renaissance [1995] 350f.). Bisticci berichtet weiter, Niccolò habe den Chalcedon zur Zeit von Papst Eugen auf dessen dringende Bitte um 200 Golddukaten an den Patriarchen von Aquileia, der „Maestro Luigi“ hieß, verkauft, nach dessen Tod sei er in die Sammlung Papst Pauls, dann in die des Lorenzo de’ Medici gelangt. Es handelt sich um den großen Chalcedon (4.5 x 3.3 cm) mit der Darstellung des Diomedes, die damals nicht als solche erkannt wurde (Abb. 862). Die Zuschreibung an Polyklet läßt sich nur so erklären, daß ein Karneol mit der gleichen Darstellung und Signatur eines Polyklet, der zu Anfang des 18. Jahrhunderts im Besitz des Florentiner Patriziers Andreini nachgewiesen ist, sich schon damals in Florenz befand (Abb. 863). Man glaubte offenbar, der Intaglio stamme von der Hand des berühmten Bildhauers Polyklet. Ein zweites Problem ist die Identität des auf Niccolò folgenden Besitzers. Im Testament des Niccolò Niccoli heißt es, daß er den Chalcedon an Magister Loysius, Arzt des Papstes [Eugenio IV. 1431–1447], für 200 Gold-Dukaten verkauft habe. Die Person dieses Magister Loysius bleibt dunkel, Bisticcis Identifizierung mit dem Patriarchen von Aquileia (Lodovico Trevisan), der nicht Arzt des Papstes war, ist offenbar ein Irrtum. Sicher ist, daß der Chalcedon in die Sammlung des Kardinals Pietro Barbo, des späteren Papstes Paul II. gelangte, in dessen Inventar von 1457 er mit 80 Dukaten bewertet wird. Mit anderen Gemmen der päpstlichen Sammlung erwarb Lorenzo Medici die Gemme, als der 22-Jährige sich nach dem Tod Pauls II. im Jahre 1471 als florentinischer Gesandter zur Krönung von Sixtus IV. in Rom befand. In eigenhändigen Erinnerungen erwähnt er unter den Geschenken des Papstes und seinen Erwerbungen la scudella nostra (die Tazza Farnese) und il calcedonio ausdrücklich. In dem Inventar von 1492 wird sein Wert mit 1500 fiorini angegeben. Wie auf alle hervorragenden Gemmen seiner Sammlung, ließ Lorenzo seine Besitzerinschrift einschneiden: LAV./ R./ MED. Sie ist wahrscheinlich nicht einfach „Laur(entius) Med(ices/iceus)“ sondern „Lau(rentius) R(ex) Med(ices/iceus)“ aufzulösen (Tesoro di Lorenzo 1973, 14 Anm. 24, 137). Als Lorenzos Sohn Piero (1471–1503) 1494 aus der Stadt vertrieben wurde, nahm er drei Gemmen mit: den Karneol mit Apollo und Marsyas (damals „Siegel Neros“ genannt), den „Wagen des Phaëton“ (Tesoro Nr. 25, 29 = hier Abb. 503) und den calcedonio. Die beiden erstgenannten Intaglien befinden sich heute in Neapel, der Chalcedon mit Diomedes ist verschollen, jedoch durch Abdrücke überliefert. Lorenzo Ghiberti (1378–1455), der den calcedonio im Hause des Niccolò Niccoli sah und mit den Augen des Goldschmieds und Antikenkenners betrachtete, gibt eine interessante Beschreibung: Fra

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l’altre egregie cose io vidi mai è uno calcidonio intagliato in cavo mirabilmente el quale era nelle mani d’uno nostro cittadino, era il suo nome Nicholaio Nicholi: fu huomo diligentissimo et ne’ nostri tempi fu investigatore et cercatore di moltissime e egregie cose antiche si in scripture si in volumi di libri greci et latini, et infra’ ll’altre cose antiche aveva questo calcidonio el quale è perfettissimo più che cosa io vedessi mai. Era di forma ovale, in sù esso era una figura d’uno giovane aveva in mano uno coltello, era con uno piede quasi ginocchioni in su un’ altare e’ lla gamba dextra era a’ ssedere insull’ altare et posava il piè in terra el quale scorciava con tanta arte et con tanto maesterio, era cosa maraviglosa a vederlo. Et nella mano sinistra aveva un pannicello el quale teneva con esso uno idoletto, pareva il giovane il minacciasse col coltello: essa scultura per tutti i periti e amaestrati di scultura o di pittura sanca scordanza nell’ una ciascuno diceva essere cosa maraviglosa con tutte le misure e’ lle proportioni debbe avere alcuna statua o scultura, da tutti li ingegni era lodata sommissimamente. Non si comprendeva bene a una forte luce. La ragione è questa che le pietre fini e’ llustrate essendo in cavo, la forte luce e’ lla reflexione d’esse occultano la conprensione. Detta sculttura non si vedeva meglo che volgere la parte cavata in verso la forte luce, allore si vedea perfettamente. „Neben weiteren vortrefflichen Dingen, die ich jemals gesehen habe, war ein wunderbar vertieft geschnittener Chalcedon, der sich in den Händen eines Mitbürgers von uns befand, der Niccolò Niccoli hieß. Er war ein äußerst strebsamer Mann, zu unseren Zeiten Erforscher und Sammler unzähliger hervorragender Dinge aus dem Altertum, sowohl von Handschriften wie von griechischen und lateinischen Büchern. Unter anderen antiken Sammelstücken hatte er [also] diesen Chalcedon, der zu den am vollkommensten gearbeiteten Werken zählte, die ich je sah. Er war von ovaler Form. Auf ihm war die Figur eines Jünglings, [der] in der Hand ein Messer hielt. Mit einem Fuß kniete er sozusagen auf einem Altar und auch das rechte Bein befand sich noch auf dem Altar, während der Fuß auf dem Boden stand. Und er war in Verkürzung mit solcher Kunst und Meisterschaft dargestellt, daß es wie ein Wunder war, ihn zu betrachten. In der linken Hand hielt er ein Tüchlein, mit dem er ein kleines Götterbild umfaßte, und es schien als bedrohe es der Jüngling mit dem Messer. Alle Kenner und Meister der Bildhauerei und Malerei meinten ohne Ausnahme, diese Skulptur sei eine wunderbare Sache mit all den Maßen und Proportionen, die eine Statue oder Skulptur haben müsse, und sie wurde von allen Fachleuten überschwenglich gelobt. Bei starkem Licht konnte man sie nicht gut erkennen. Die Ursache [hierfür] liegt darin, daß bei feinen Steinen mit vertieft geschnittenen Bildern, starkes Licht und dessen Reflexion dieWahrnehmung verhindert. Besagte Skulptur sah man am besten, wenn man die geschnittene Seite zum starken Licht hindrehte, dann sah man sie vollkommen.“ Die Beschreibung macht deutlich, daß Ghiberti das Werk als Miniatur-Skulptur schätzte. Sie steht in einer Abhandlung über Natur und Eigenschaften des Lichtes. In diesem Zusammenhang interessierte Ghiberti das Phänomen, daß Intagliobilder nur bei schräg einfallendem Licht gut sichtbar werden, in besonderem Maße. Der Chalcedon ist ein frühaugusteisches Werk, im Stil dem Diomedes des Dioskurides (Abb. 464) verwandt. Eines der Reliefmedaillons im Hof des 1444 bis 1464 für Cosimo de’ Medici erbauten Palazzo Medici in Florenz kopiert das Gemmenbild (Abb. 864). Statt des Palladion hält der junge Mann eine Kriegerstatuette. Das Inventar des Kardinals Pietro Barbo (1457) nennt die Statuette „Mars“, im Inventar des Lorenzo (1492) heißt sie „eine bewaffnete Figur“; die Schreiber haben also ebensowenig wie Ghiberti die antike Bedeutung

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der Szene erkannt. Innerhalb des Programms der Tondi verkörpert der Jüngling die zweite Stufe des Menschengeschlechtes wie sie in dem von Poggio Bracciolini vom Konzil von Konstanz (1414–1418) nach Florenz gebrachten Lehrgedicht de natura rerum des Lukrez geschildert wird (Simon). Die Menschen dieser Phase erfinden die Baukunst und die Kunst des Webens, verstehen es Metall zu schmieden, sind von kraftvoller und schöner Gestalt und führen Kriege. Die Jünglingsgestalt mit der spannungsvoll gegensätzlichen Beinstellung hat viele Künstler zu Neuschöpfungen angeregt, sie ist das Vorbild für eine Zeichnung Johannes des Täufers von Leonardo da Vinci und einen der ignudi Michelangelos in der Capella Sistina. Gemmen und Kameen waren im 15. Jahrhundert ebenso gesucht wie Handschriften. Leonardo Bruni (1369–1444) erzählt in einem Brief aus Rom an Niccolò Niccoli aus dem Jahre 1407, daß ihm ein Römer einen in Ostia gefundenen Stein (lapillum) mit einer Darstellung des Narcissus, der sich im Wasser betrachtet, versprochen hatte. Bruni wartete aber vergeblich auf die Gemme, die er dem Niccoli schenken wollte. Ein anderer Mann lieh ihm eine Dekade des Livius, de bello punico secundo, die Bruni so gefiel, daß er sie nach kurzer Überlegung behielt, um sich für die entgangene Narcissus-Gemme schadlos zu halten. Die Begierde siegte über das Bewußtsein des Unrechts, wie er schreibt. Die Livius-Dekade schenkt er Niccoli als Gegengabe für Bücher (R. Sabbadini, Giornale storico della letteratura italiana 17, 1891, 221; ders., Epistolario di Guarino Veronese III [1919] 113 Nr. 177). Das Motiv des Narcissus ist selten. Die am längsten bekannte Gemme mit diesem Motiv ist der 1732 von Gori publizierte Karneol-Intaglio in Florenz. Es ist gut möglich, daß dies der Bruni entgangene Stein ist (Abb. 865). Narcissus steht mit hinter dem Unterkörper ausgebreitetem Mantel in einem heiligen Hain und blickt zu einem angedeuteten Quellbecken hinab. Links ragt ein Felsen auf, der Ursprung der Quelle. Rechts steht eine Statuette der Artemis-Hekate auf einem Pfeiler; dahinter wächst ein Baum, der seine Zweige über die Szene neigt; am untersten Zweig hängt der Hut des Jünglings. In der Geschichte des calcedonio begegneten schon die großen Gemmensammler des 15. Jahrhunderts. Der Venezianer Pietro Barbo, Kardinal von San Marco, ab 1464 Papst Paul II., besaß eine große Gemmensammlung; das Inventar von 1457 verzeichnet 243 Kameen und 578 Gemmen (darunter Abb. 482). Lorenzo il Magnifico (1449–1492) vermehrte die ererbte Sammlung beträchtlich, unter anderen, wie erwähnt, um wertvolle Stücke aus der Sammlung Pauls II. Sicher als sein Besitz identifizierbar sind 29 Kameen und 13 Intaglien mit seinem ex gemmis: LAV. R. MED. (Abb. 474, 482, 503, 862, 882). Gemmen der Sammlung Medici befinden sich heute teils in Florenz, teils sind sie durch Margarete von Parma (Margherita d’Austria, 1522–1586), natürliche Tochter Karls V., die in erster Ehe mit Alessandro de Medici, in zweiter Ehe mit Ottavio Farnese verheiratet war, über die Sammlung Farnese nach Neapel gekommen. Eine kleinere, doch berühmte Antikensammlung besaß Isabella d’Este (1474–1539), Gemahlin von Francesco II. Gonzaga, Marchese von Mantua, sie enthielt 65 Gemmen. Zu ihnen zählte der große „Augustus-und-Livia-Kameo“, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um den „Kameo Gonzaga“ in St. Petersburg handelt (Abb. 221), und die Onyxkanne in Braunschweig (Abb. 645). Ein Urenkel Isabellas, Vincenzo Gonzaga, Herzog von Mantua (1587–1612), erwarb den vom Dreikönigenschrein geraubten Ptolemäerkameo (Abb. 219). Als Sammlung eines Gelehrten ist die des Fulvio Orsini

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(1529–1600, latinisiert Fulvius Ursinus) hervorzuheben. Er war einer der bedeutendsten Antikenkenner seiner Zeit, Bibliothekar und künstlerischen Berater der Farnese, der Brüder Rannuccio und des Kardinals Alessandro Farnese (1466–1549), des späteren Papstes Pauls III. (1534), nach dessen Tod ihres Neffen, des Kardinals Odoardo Farnese. Seine Illustrium imagines spielen eine wichtige Rolle in der Geschichte der antiken Ikonographie und Gemmenforschung. 1570 erschien die erste Auflage, 1598 die zweite mit Kupfertafeln nach Zeichnungen von Theodor Galle (Gallaeus) (Abb. 866). Viele der Porträts berühmter Männer sind nach Gemmen gezeichnet. So als Porträt des Solon ein heute verschollener Karneol in Orsinis Besitz, tatsächlich ein Porträt Ciceros mit Signatur des Solon (s. u. Abb. 883). Den geplanten Kommentar konnte Orsini nicht mehr herausgeben; 1606 tat dies Johann Faber, Arzt aus Bamberg. Orsini besaß selbst über 400 Gemmen, die er wie seine anderen Kunstschätze testamentarisch Odoardo Farnese vermachte. Das Inventar der Sammlung ist in Abschrift erhalten und einige Stücke sind in den Illustrium imagines publiziert. Die erste Publikation, die ausschließlich Gemmen galt, war die der Sammlung Goorle, 1601 (s. u. S. 272); in Italien folgten 1627 die Gemmae antiquitus sculptae des Pietro Stefanoni, zu denen Fortunio Liceti 1653 Erläuterungen herausgab (Hieroglyphica), 1657 Leonardo Agostinis Gemme antiquae figurate, die in der Amsterdamer Ausgabe von 1685 mit lateinischer Übersetzung des Textes von Jacobus Gronovius die größte Verbreitung fanden (Abb. 938). Der in Paris geborene, in Padua wirkende Arzt und Numismatiker Charles Patin (1633–1693; Dekesel 1990; Berghaus 1995) hatte den Schwerpunkt seiner Sammlung auf magische Amulette gelegt und eine beachtliche Sammlung zusammengebracht. Nach seinem Tode kaufte der Venezianer Antonio Capello die Sammlung, fügte weitere Gemmen hinzu und verkaufte das Ganze 1701 an Landgraf Karl zu Hessen. Diese Sammlung bildet den Grundstock der heutigen Gemmensammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel. Einen Teil der Gemmen hat Capello 1702 in einem Tafelwerk Prodromus iconicus sculptilium gemmarum Basilidiani als seine Sammlung publiziert (Zazoff, SF 1983, 33 Taf, 12).

Frankreich: Charles V bis Louis XVI Der französische König Charles V (1364–1380) und seine drei Brüder Jean, duc de Berry (†1416), Louis I. duc d’Anjou (†1384) und Philippe le Hardi, duc de Bourgogne (†1404) besaßen nach Ausweis der Inventare zahlreiche Gemmen und Kameen. Aus dem Besitz des duc d’Anjou stammt die Rubensvase in Baltimore (Abb. 771). Die Edelsteinvasen, die als Schmuckstücke getragenen, an Kronen und Kleidungsstücken angebrachten Gemmen haben den Charakter eines Schatzes (Babelon, Histoire 1902, 95–108). Die Wirren des hundertjährigen Krieges (1339 – 1453) waren keine gute Zeit für Liebhabereien wie das Gemmensammeln. René I. von Anjou (1408–1480), Herzog von Lothringen, König von Sizilien, nahm diese Passion wieder auf. Sein Aufenthalt in Neapel (1438–1442) hat diese Neigung sicherlich verstärkt. René residierte in Aix-en-Provence, das sich auch weiterhin als Zentrum der Gemmenkenner erweisen sollte (s. u. S. 272). Der Herzog soll auch selbst Gemmen geschnitten haben. Aus seinem Besitz stammen die Gemmen an dem in der französischen Revolution zerstörten Armreliquiar mit einer Reliquie vom Finger des hl. Nikolaus, das er mit seiner Frau, Jeanne de Laval, im Jahre 1471 der Kirche von Saint-Nicolas-de-Port

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bei Nancy stiftete (s. o. S. 263f.). François I. (1515–1547), Förderer der Künste und Sammler wie die italienischen Fürsten seiner Zeit, hatte auch ein besonderes Interesse für die Glyptik. Er holte Matteo dal Nassaro an seinen Hof. Seine Sammelleidenschaft ging so weit, daß er, kaum hatte der die Gemma Augustea in Toulouse gesehen, gegen den mit aller Diplomatie vorgetragenen Widerstand von Abtei und Stadt, ihre Herausgabe erzwang (s. o. S. 244). Der königliche Schatz wurde vermehrt, etwa durch die Mitgift Catharinas de Medici (1519– 1589), Gemahlin von Henri II (1547–1559), aber auch vermindert durch Geschenke, schließlich geplündert in den Religionskriegen 1589/90 (s. o. S. 244). Eine neue Qualität erhält die Einstellung zu der bislang als Hausschatz verwahrten Sammlung unter Henri IV (1589–1610). Er setzte 1602 Pierre-Antoine de Rascas, sieur de Bagarris (1562–1620) aus Aix en Provence, zum Kustos (ciméliarque) der königlichen Sammlungen ein, um das Verbliebene zu ordnen und Neues, darunter ganze Gemmensammlungen, zu erwerben. In einer unvollendeten, nach der Ermordung des Königs publizierten Schrift werden aus der Sicht des Königs folgende Gründe für das Sammeln von Münzen, Gemmen und Antiken genannt: die Ausschmückung der königlichen Residenzen, die Erziehung und Unterrichtung des Dauphins und die Notwendigkeit, den zeitgenössischen Künstlern gute Vorbilder zu bieten (Babelon 1897, CXXII). Rascas de Bagarris besaß selbst eine bemerkenswerte Gemmensammlung von 957 Gemmen und 200 Kameen, die über Zwischenstationen unter Louis XIV (1643–1715) in die königliche Sammlung gelangte (1670). Dem König war schon zehn Jahre früher die zahlreiche Gemmen enthaltende Kunstsammlung seines Onkels Gaston, duc d’Orléans (1608–1660), des Bruders von Louis XIII, testamentarisch vermacht worden. In dem Schreiben, mit dem der 23-Jährige das Vermächtnis annimmt, bezeichnet er es als Ziel der Sammlung, seinem divertissement zu dienen. In der Folge entwickelte er sich zum begeisterten Sammler, ließ geschlossene Sammlungen und rare Einzelstücke kaufen. Für den Adlerkameo des Claudius (Abb. 638) zahlte er der Abtei von Saint-Èvre zu Toul 7000 livres. Die Mönche trennten sich gern von dem an einem Reliquiar angebrachten Kameo, nachdem sie erkannt hatten, daß es sich nicht um Johannes, den Evangelisten, handelte (s. o. S. 263). Louis XV (1715–1774, geb. 1710) interessierte sich schon als Knabe für die Münz- und Gemmensammlung. Die Vorliebe der Marquise de Pompadour für die Glyptik dürfte dieses Interesse verstärkt haben (s. u. S. 296). Das zweibändige Werk von Pierre J. Mariette (1750), dessen erster Teil ein Handbuch der Gemmenkunde darstellt, dessen zweiter Teil eine Auswahl von Gemmen des königlichen Kabinetts in Zeichnungen von Bouchardon publiziert, ist Louis XV gewidmet. Nachdem die revolutionäre Gesetzgebung 1790 alle Kirchenschätze zu nationalem Eigentum erklärt hatte, rettet die Intervention von Louis XVI den Grand Camée und andere Schätze der Sainte-Chapelle vor Zerstörung oder Verkauf.

Österreich: Schloß Ambras – Prag – Wien Eine Sammlung von 2000 geschnittenen Steinen bildete den kostbarsten Teil der Kunstkammer von Ulrich Graf von Montfort zu Tettnang (†1574). Die Sammlung wurde 1590 durch Erzherzog Ferdinand II. (von Tirol) für seine Kunstkammer in Schloß Ambras bei Innsbruck erworben. Die Schatzkammern der Kaiser Rudolf II. (1576–1612), in

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Prag, und Matthias (1612–1619), in Wien, die älteren, bis ins Mittelalter zurückreichenden Besitz des Hauses Habsburg einschlossen, bilden den Grundstock der heutigen Sammlung des kunsthistorischen Museums in Wien. Bedeutendste Erwerbung Rudolfs II. war die Gemma Augustea (Abb. 610). (Bernhard-Walcher 1991).

Thesaurus Palatinus – Sammlung Orléans – Sammlung Katharinas II. Pfalzgraf Karl Ludwig (1648–1680) in Heidelberg vermehrte die schon im 16. Jahrhundert begründete Gemmensammlung des Hauses. Der als Hofmeister nach Heidelberg berufene Diplomat und Numismatiker Ezechiel Spanheim (1629–1710) wurde 1661 zu Ankäufen nach Italien gesandt. Der Hofbibliothekar Lorenz Beger (1653–1705) veröffentlichte 1685 in seinem Thesaurus ex Thesauro Palatino Selectus 111 Gemmen in Strichzeichnungen mit pathetischen Beschreibungen. Das Porträt eines hellenistischen Herrschers, vermutlich Ptolemaios’ III., wird als Alexander der Große gedeutet (Abb. 867). 1685 erlosch durch den Tod von Kurfürst Carl die pfälzische Linie Simmern, der Kunstbesitz des Kurfürsten wurde gemäß Erbvertrag aufgeteilt. Elisabeth Charlotte (Liselotte, 1652–1722), seit 1671 Herzogin von Orléans und Schwägerin von Louis XIV, erbte die Gemmensammlung, die sie vermehrte. Ihr Enkel Louis III d’Orléans (1703–1752) verhinderte durch Kauf die Versteigerung und Zerstreuung der Sammlung. 1741 erwarb er die große Sammlung von Pierre Crozat, die unter anderen Stücke aus den Sammlungen von Lorenzo de Medici, Fulvio Orsini, P. P. Rubens enthielt. Der Urenkel Louis-Philippe-Joseph („Philippe Egalité“, 1747–1793) verkaufte die nun 1500 Steine umfassende Sammlung 1787 um 450 000 livres an Katharina II. von Rußland, geborene Prinzessin Sophie von AnhaltZerbst. 1794 erwarb Katharina die Gemmen der Sammlung de France (s. u. S. 277). Die begeisterte Sammmlerin sagte von sich selbst, sie habe die „Kameen-Krankheit“. Die Sammlung Katharinas befindet sich heute in der Ermitage in St. Petersburg (Kagan – Neverov, Catherine II).

Die kurbrandenburgische Kunstkammer Bestände der kurbrandenburgischen Kunstkammer aus der Zeit vor dem dreißigjährigen Krieg sind nicht mehr sicher faßbar, vielleicht überhaupt verloren. Kurfürst Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst (reg. 1640–1688), residierte zu Anfang seiner Regierung in Cleve, lernte römische Funde und rheinische Sammlungen kennen, kaufte auch Antiken. Das 1649 angelegte Verzeichnis enthält 67 nicht näher beschriebene Gemmen. 1663 übertrug der Kurfürst 1685 die Betreuung der Sammlung Heinrich Christian von Heimbach; dessen Inventar von 1672 enthält 100 Gemmen, unter denen sich der Serapis (Abb. 868, s. Abb. 294) identifizieren läßt. 1685 überbrachte der schon genannte Lorenz Beger die 12000 Münzen aus dem pfälzischen Erbe, die dem brandenburgischen Kurfürsten zufielen, persönlich nach Cleve. Der Kurfürst stellte ihn als Rat und Bibliothekar an. Von 1696–1701 brachte Beger in den drei Foliobänden des Thesaurus Brandenburgicus Selectus eine Auswahl von Münzen, Gemmen und anderen Antiken der Sammlung heraus. Gemmen sind im ersten und dritten Band enthalten. Zu Anfang des ersten Bandes ist das Kabinett in einem Stich von Samuel Blesendorf abgebildet (Abb. 869). Im Mittelgrund stehen zwei Herren

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im Gespräch, die als der Verfasser und Ezechiel Spanheim zu deuten sind. Spanheim, der seit 1680 in brandenburgischen Diensten stand, hatte die Herausgabe des Werkes angeregt und seinen Fortgang gefördert. Der Text ist als Dialog zwischen Beger und Spanheim unter den Namen Dulodorus und Archaeophilus abgefaßt. In den an den seitlichen Wänden stehenden, von Gérard Dagly in japanischem Stil lackierten Schränken waren die Münzen und Gemmen untergebracht. Die Schränke sind jeweils mit einem prächtigen Aufsatz bekrönt, in dessen Mitte die zugeordnete Schutzgottheit erscheint: Apoll als Sonnengott über den Goldmünzen, Diana als Mondgöttin über den Silbermünzen, Venus als höchstes irdisches Prinzip über den Bronzemünzen und Serapis als Sol subterraneus (Beger I 153) über den Gemmen. Bedeutenden Zuwachs erhielt die Gemmensammlung durch den Kauf der Sammlung Stosch unter Friedrich dem Großen (s. u. 274).

Private Sammlungen des 16.–17. Jahrhunderts nördlich der Alpen Hauptquelle der Gemmen war Italien. Hier wurden auch Reisende oder Residenten von jenseits der Alpen von der Gemmenbegeisterung ergriffen. In geringerem Umfang stammten Gemmen aus lokalen römischen Siedlungen. Nicolas-Claude Fabri de Peiresc (1580– 1637), aus Aix-en-Provence, von Beruf Jurist, exzellenter Numismatiker und Antikenkenner, spielte eine bedeutende Rolle in der Welt der Gelehrten und Sammler seiner Zeit, mit vielen unterhielt er eine rege Korrespondenz. Sein Landsmann Rascas de Bagarris führte den 17jährigen in die Münz- und Gemmenkunde ein. Als junger Mann studierte und reiste Peiresc in Italien (1599–1602). Er war es, der als erster den Grand Camée als römisches Werk und den Frauenkopf in Aquamarin am „Escrain de Charlemagne“ als Porträt der Iulia Titi erkannte (s. o. S. 122, 160 f., 261). Mit Rubens plante er die Herausgabe eines Buches mit Stichen der bedeutendsten Kameen. Er besaß eine Sammlung von über 1000 Gemmen, von denen sich einige identifizieren ließen. So die Aëtion-Gemme (Abb. 178, s. u. S. 298), die er 1606 in England erwarb. Ein Zeitgenosse, Louis Chaduc aus Riom (1554–1638), hatte eine große Sammlung von über 1000 Gemmen mit Inschriften (darunter vielen Fälschungen) zusammengebracht und ihre Publikation vorbereitet. Die Publikation kam nicht zustande, aber die Zeichnungen sind erhalten. Ein Teil der Sammlung kam über eine Zwischenstation in die Sammlung von Gaston d’Orléans (s. o. S. 270, Babelon 1897, CXXIII; Spier 1997, 37, 42 Anm. 33; Jaffé 1997). Abraham van Goorle (Gorlaeus) (1549–1608) aus Antwerpen publizierte 1601 die Gemmen seiner Sammlung als Dactyliotheca seu Annulorum sigillarium quorum apud Priscos tam Graecos quam Romanos usus. 1707 erschien eine vierte Auflage mit Erläuterungen von Gronovius. Die Gemmenbilder sind jeweils in kreisförmigen Rahmen wiedergegeben und, soweit sie gefaßt waren, noch einmal mit ihren Ringen skizziert. Bei den aufwendigsten Blättern ist landschaftlicher Hintergrund angegeben. So liegen die Ringe hier auf Felsen in einem Fluß, der durch eine Brücke fließt und sich durch eine Landschaft mit Bergen und Ortschaften schlängelt (Abb. 870). Von der Brücke blicken zu Seiten einer Minervastatue zwei Männer mit Hüten herab. Die Landschaft erinnert an den Rhein in der Gegend von Köln, ist vielleicht eine hommage an Ernestus, Erzbischof von Köln, dem das Buch gewidmet war. Johannes Smetius (1590–1661) und sein gleichnamiger Sohn (1634–1704) bil-

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deten eine Antikensammlung von Bodenfunden aus Nijmegen. Eine größere Zahl der darin enthaltenen Gemmen gelangte über die Kurfürsten Johann Wilhelm von PfalzNeuburg (1658–1716) und Karl Theodor (1724–1799) schließlich in die Staatliche Münzsammlung München (Maaskant-Kleibrink, Nijmegen; Weber 1992). Die Sammlung von Jacob de Wilde (1645–1721) in Amsterdam befindet sich jetzt in der königlichen Sammlung (Maaskant-Kleibrink, The Hague 1978, 15–21). Der Ankauf der Gemmen van Goorles durch Henry Stuart, Prince of Wales (1594–1612), steht am Anfang des antikenbegeisterten Gemmensammelns in England (Scarisbrick 1994, 1996). Ein Teil dieser Gemmen kam in die bedeutende Gemmensammlung des vielseitigen Kunstliebhabers Thomas Howard, second Earl of Arundel (1586–1646). Zu den berühmtesten Stücken der Sammlung Arundel zählen der Kameo des Tryphon mit der sog. Hochzeit von Eros und Psyche (Abb. 442) und der Augustus-Kameo Abb. 622 (s. auch Abb. 448, 482). Paulus Praun (1548–1616), der zweite seines Namens in einer Nürnberger Kaufmannsfamilie, hatte schon in Nürnberg den Grund zu einer bedeutenden Kunstsammlung von Gemälden, Marmorbüsten, Münzen und Gemmen gelegt (Abb. 871). Seit den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts leitete er die Niederlassung der Familie in Bologna, die hauptsächlich mit italienischen Seidenwaren handelte. In Bologna hatte der, dort als Paolo Bruni bekannte, Sammler vorzügliche Gelegenheit, seine Sammlung zu vergrößern. Noch vor seinem Tode sandte der Junggeselle den Bologneser Teil der Sammlung an seine Familie nach Nürnberg. Auf der Basis der schon früher von der Familie angelegten Inventare verfaßte der Nürnberger Gelehrte Christoph Gottlieb von Murr (1733–1811) 1797 eine Description du Cabinet de Monsieur Paul de Praun à Nuremberg, die als Verkaufskatalog dienen sollte. Murr beschreibt 1169 Gemmen. 1839 erwarb die rheinische Sammlerin Sibylle Mertens-Schaaffhausen (1797–1857) die nach ihrer Einschätzung antiken Gemmen der Sammlung. Ihre Sammlung wurde nach ihrem Tode versteigert und später zerstreut. Verschiedene Museen besitzen Gemmen der Sammlung Praun. Ein Aquamarin mit einem schönen antoninischen Frauenporträt in einem wahrscheinlich von Praun in Auftrag gegebenen Anhänger aus emailliertem Gold mit fünf Perlen befindet sich in Privatbesitz (Abb. 665). Eine Reihe verschollener Stücke ist durch Abdrücke dokumentiert; so ein Karneol mit vier gestaffelten Köpfen, die von Murr als Caligula und seine Schwestern bezeichnet werden, ein Werk des 16. Jahrhunderts (Abb. 872). Solche Dreier- und Viererköpfe waren im 16. und 17. Jahrhundert beliebt, sie gehen letztlich auf ptolemäische Vorbilder zurück. Aus der großen Gemmensammlung von Ulrich Graf von Montfort zu Tettnang, im Bodenseekreis, (†1574) läßt sich mangels eines Inventars allein der Ring mit dem Porträt Alarichs II. (Abb. 673) identifizieren (s. o. S. 184, 270). Das Kabinett des Basilius Amerbach (1533–1591) zu Basel enthielt neben Münzen eine kleine Sammlung von 46 Gemmen. Unter ihnen befindet sich auch der Ring des Erasmus von Rotterdam (ca. 1466–1536), aus dessen, dem Vater Bonifacius Amerbach vermachten Nachlaß. Das in Karneol geschnittene Bild ist eine bärtige Herme in Dreiviertelvorderansicht, die Erasmus selbst als „Terminus“, sein Wahrzeichen ansah (Abb. 873a, b). Der Münzund Gemmenkasten, den Basilius Amerbach um 1578 anfertigen ließ, ist in geschlossenem Zustand von edler Schlichtheit (Abb. 874). Die geöffnete Schauseite (auf der Abbildung nicht sichtbar) gibt den Blick auf drei Nischen frei, in denen die Bronzestatuetten von Jupiter, Venus und Mercur standen.

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18. Jahrhundert Philipp v. Stosch (1691–1757) hat sich als Sammler auf das Gebiet der Intaglien spezialisiert, das seinen Neigungen und finanziellen Möglichkeiten entsprach, und sich zum wohl besten Gemmenkenner seiner Zeit gebildet. Verschiedene zeitgenössische Gemmenschneider haben sein Porträt geschnitten, wobei sie es im Stil antiken Gemmenporträts anglichen, so Girolamo Rossi aus Livorno, der um 1730 in Rom arbeitete (Abb. 875). Als Sohn eines Arztes in Küstrin geboren, wandte sich Stosch während seines dreijährigen Studiums an der Universität Frankfurt (Oder) von der Theologie zur Archäologie, bestärkt durch die Anleitung des königlichen Rats und Antiquars Carl Schott. Er begann, Münzen zu sammeln. 1709 begab sich der 18jährige auf Reisen, um seine archäologischen Kenntnisse zu vervollkommnen; überall wo er hinkam nahm er Kontakt mit den Gelehrten und Sammlern auf. In Holland machte ihn sein Vetter, der preußische Gesandte in Den Haag, Baron von Schmettau, mit dem vermögenden Gemmen- und Münzsammler François Fagel (1659– 1745) bekannt, der ihm zum Freund wurde, ihn auch finanziell unterstützte. Auf Reisen nach England und Frankreich legte Stosch den Grund zu seiner Gemmensammlung, die er durch Abdrücke ergänzte. Von 1715–1717 hielt er sich in Rom auf, wo er sich mit dem ebenfalls antikenbegeisterten, ein Jahr jüngeren Neffen von Papst Clemens XI., Kardinal Alessandro Albani anfreundete. Die begonnene Heimreise führte ihn nicht ans ursprüngliche Ziel, vielmehr über mehre Stationen in Italien und Süddeutschland nach Wien und Dresden, wo August der Starke ihn zum Rat ernannte und ihm ein jährliches Gehalt von 600 Reichsthalern aussetzte. 1719–1721 folgte ein erneuter Aufenthalt in Holland. Allenthalben machte Stosch sich Schwefelabgüsse von Gemmen und sammelte insbesondere Material für das schon in Rom begonnene Gemmenbuch. Als Geheimagent im Dienst des englischen Königs Georg I. von Hannover (1714–1727) kehrte er 1722 nach Rom zurück. Sein Auftrag war es, über den Stuart-Prätendenten Jacob (III.) und seine Anhänger zu berichten. Er erhielt hierfür eine regelmäßige Pension, ohne daß der Dresdener Hof, dem er von seiner neuen Tätigkeit Mitteilung machte, die seine zurückzog. Der Baron mit dem Monokel im Auge und der Eule als Haustier wurde zu einer Art ungekröntem König der Antiquare, als welchen ihn Pier Leone Ghezzi karikiert hat. 1724 erschienen seine Gemmae antiquae caelatae (s. u. S. 279). 1731 übersiedelte er nach Florenz, da er sich in Rom nicht mehr sicher fühlte. Stosch hatte noch in seinen letzten Stunden gewünscht, daß der jüngere Landsmann Johann Joachim Winckelmann (1717–1768), den er an Kardinal Alessandro Albani empfohlen hatte, den Katalog seiner Gemmen verfassen möge. Der Erbe des Barons, Wilhelm Muzel-Stosch, bat Winckelmann dann nach Florenz. Dort entstand auf der Basis eines handschriftlichen Kataloges von Stoschs und der dort angelegten Ordnung Winckelmanns Déscription des pierres gravées du feu Baron de Stosch (Florenz 1760). Ihre Ordnung in classes mit der Untergliederung in sections wurde maßgebend für die Folgezeit, insbesondere für die Ordnung von Daktyliotheken (s. u. XXI A3). Am umfangreichsten ist die zweite, mythologische Klasse, was auch die Häufigkeit dieser Motive im Gesamtbestand der antiken Gemmen spiegelt. Klasse 1: Pierres égyptiennes...avec quelques gravures des anciens Perses (1- 139, Hieroglyphen, ägyptische Motive, Neubabylonisches, Graeco-persisches, Sasanidisches), Klasse 2, Mythologie Sacrée (1–1879, Götter, ihre Mythen und Attribute), Klasse 3: Mythologie histo-

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rique (1–364, Urmythen, thebanische und troianische Sagen), Klasse 4: L’histoire ancienne (1–351, Perser, Griechen, Römer), 5. Klasse: Les jeux, les festins, les vases et les anneaux symboliques (1–251, Sport, Circus, Glückssymbole), 6. Klasse: Vaisseaux et marine des anciens (1–86, Schiffe und Zubehör). Klasse 7: Animaux (1–253, Tiere, Tierkombinationen, Hippalektryones), Klasse 8: Abraxas, Gravures avec des Caractères Orientaux et Gravures Modernes (1–121, Magische Amulette, orientalische Inschriften, Werke moderner Gemmenschneider). Winckelmann zog in seinen Werken immer wieder Gemmen heran. Anton Maron hat im Hintergrund seines Porträts links den Hermes Psychopompos eines etruskischen Skarabäus der Sammlung Stosch als Basrelief wiedergegeben (Abb. 876, vgl. Abb. 323). Die Luxusausgabe der Description enthält 12 Stiche, die Stosch für den geplanten zweiten Band seiner Gemmae caelatae hatte anfertigen lassen, darunter ein Blatt mit dem Öleingießer des Gnaios (Abb. 877, s. Abb. 476). Die Gemme selbst, die Stosch 1739 erworben hatte, also nicht mehr in sein Buch aufnehmen konnte, hatte er schon 1750 an William Ponsonby, Viscount Duncannon, second Earl of Bessborough, für 50 Pfund abgegeben, mit der zusätzlichen Bitte, der Viscount möge sich dafür einsetzen, daß die stockenden Zahlungen aus England wieder flössen. Das Blatt ist nach einer Zeichnung von Marc Tuscher von Johann Adam Schweickart, beide aus Nürnberg stammend, in Florenz noch zu Lebzeiten Stoschs gestochen; gemäß der Inschrift ex Daktyliotheca Stoschiana noch vor dem Verkauf der Gemme. Die Wiedergabe der Inschrift, ΓΝΑΙΟΥ, zeigt, daß Stosch sie richtig gelesen hatte. Die Sammlung von 3444 Gemmen und 400 zur thematischen Ergänzung eingefügten Glaspasten nach Gemmen aus anderen Kabinetten wurde 1764 von Friedrich dem Großen für 30.000 Dukaten und eine jährliche Leibrente von 400 Dukaten erworben. Die in Folge ihrer teilweisen Auslagerung während des Zweiten Weltkrieges und der folgenden Teilung Deutschlands getrennte Gemmensammlung ist nun wieder in der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin vereint. Die Glaspasten befinden sich seit Kriegsende im Historischen Museum Moskau. Die 28000 von Stosch gesammelten Schwefelabdrücke erwarb James Tassie als Patrizen für seine Abgüsse (s. u. S. 284). Eine beachtliche Sammlung von über tausend Gemmen hatte der deutschen Diplomat in englischen Diensten Friedrich Thoms, naturalisiert als Frederic de Thoms, Esq., (1696–1746) zusammengebracht. Die geplante Publikation, für die schon Kupfertafeln gestochen waren, kam nicht zustande. Thoms lebte zuletzt in Leiden, seine Sammlung befindet sich heute im königlichen Kabinett (Maaskant-Kleibrink, The Hague 1978, 22–33). Eine kleinere, aber durch Goethes Beschäftigung mit ihr hochberühmte Sammlung, war die des niederländischen Philosophen Frans Hemsterhuis (1721–1790), den Lorenz Natter bei seinen Erwerbungen beraten hatte. Hemsterhuis schenkte seine Sammlung der Fürstin Amalie von Gallitzin (†1806), die sich im Jahre 1779 in Münster niederließ. Bei einem Besuch auf der Rückkehr von der Kampagne in Frankreich, 1792, lernte Goethe die Sammlung kennen und erfreute sich mit zunehmender Begeisterung an ihrer Betrachtung im Freundeskreis der Fürstin: Wir bemerkten wohl, daß hier für uns das Studium der geschnittenen Steine zu gründen sei (Femmel – Heres Z 133). Bei seiner Abreise gab die Fürstin dem faszinierten Gemmenliebhaber die aus 62 Intaglien und vier Kameen bestehende Sammlung mit, damit ich solche zu Hause mit Freunden und Kennern studiren

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und mich in diesem bedeutenden Zweige der bildenden Kunst, mit Zuziehung von Schwefelund Glaspasten, umsehen und bestärken möchte (Z. 132). Goethe ließ zwei Ringkästchen anfertigen, in denen die zuvor in diversen Schachteln aufbewahrten Gemmen übersichtlich geordnet wurden. Die Leihgabe blieb über fünf Jahre in seinen Händen. In der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung, Jg. IV, Bd. I, 1807 (Z. 240) veröffentlichte er unter der Überschrift „Nachrichten von einer Sammlung meistens antiker geschnittener Steine“ einen Katalog von 60 Intaglien, der in kürzerer Form auch der 1822 geschriebenen „Kampagne in Frankreich“ beigefügt ist (Z 240 vgl. Z 133). Bei Rücksendung der Gemmensammlung bemerkt Goethe voll Dankbarkeit: Die Kenntnisse, die ich mir dadurch erwarb, werden mich mein ganzes Leben begleiten, so wie Ihnen das Bewußtsein bleiben muß, einen Freund ganz auf seine eigenste Weise glücklich gemacht zu haben (Z. 178). 1819 erwarb König Wilhelm I. der Niederlande die Sammlung aus dem Nachlaß der Fürstin für das Königliche Kabinett. Goethe war froh, zu hören, daß die ihm so lieb gewordene Sammlung glücklich geborgen war (Z. 493). In Goethes Katalog klingt an, daß die Weimarer Freunde über die Frage, ob einzelne Gemmen antik seien oder nicht diskutiert, aber meist für den antiken Ursprung votiert hatten. Tatsächlich enthält die Sammlung Gemmen der Antike, der Renaissance und des 18. Jahrhunderts (Zadoks-Josephus Jitta 1952; Maaskant-Kleibrink, The Hague 1978, 34–39). Das 18. Jahrhundert ist die große Zeit der englischen Gemmensammler, die ältere Sammlungen übernahmen, in Italien selbst sammelten oder über Mittelsmänner kauften. William Cavendish, second Duke of Devonshire (1672–1729), konnte es sich leisten das Fragment des bei Plinius genannten Apollonides von Stosch für 1000 Pfund zu kaufen (s. o. S. 70f.; Scarisbrick 1994, XV). Die Sammlung ist noch im Besitz der Familie in Chatsworth; sie enthält bedeutende Stücke wie den Diomedes des Dioskurides (Abb. 464). Henry Howard, fourth Earl of Carlisle, erwarb Gemmen von hoher Qualität in Italien, so die Medusa des Sosos(?) (sog. „Sosokles“) ein Geschenk von Kardinal Ottoboni, und die Victoria des Sostratos (Abb. 441). Die Sammlung wurde 1889–1891 vom British Museum erworben (Scarisbrick 1987). George Spencer, fourth Duke of Marlborough (1738–1817), erhielt die Sammlung Arundel als Geschenk seines Bruders, dessen Frau sie ihrerseits als Hochzeitsgabe erhalten hatte. Der Herzog von Marlborough vermehrte seine Sammlung durch Ankäufe, die u. a. Nathaniel Marchant in Rom vermittelte; er erwarb auch die Gemmensammlung des Viscount Duncannon, später second Earl of Bessborough (1704–1793), zu der berühmte Stücke wie der Hundekopf des Gaios (Abb. 296) und der Öleingießer des Gnaios (Abb. 476, 877) gehörten. Auf einem Familienporträt von Joshua Reynolds im Red Drawing-Room von Schloß Blenheim aus dem Jahr 1778 hält der Herzog als stolzen Besitz und altrömisches Vorbild den Divus-Augustus-Kameo in der linken Hand (Abb. 878a, b, vgl. Abb. 614). Die Rechte ruht auf der Schulter des ältesten Sohnes, George, Marquess of Blandford, der eines von zehn roten Lederkästchen hält, in denen die Gemmensammlung aufbewahrt war. 1780 und 1791 gab der Herzog zwei Foliobände mit je 50 Stichen nach den schönsten Stücken seiner Sammlung als Privatdruck in nur 100 Exemplaren heraus. Der Text ist lateinisch und französisch abgefaßt: Gemmarum antiquarum delectus; ex praestantioribus desumptus, quae in dactyliothecis ducis Marlburiensis conservantur / Choix de pierres antiques gravées, du Cabinet du Duc de Marlborough. Die Sammlung wurde 1875 versteigert und als Ganzes von David Bro-

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milow erworben, bei einer weiteren Versteigerung 1899 wurde sie zerstreut. John Boardman bereitet ihre Rekonstruktion anhand von Abgüssen im Ashmolean Museum, Oxford, vor. Die Beschäftigung mit Gemmen als Ausdruck der Antikenbegeisterung ist auf einem von zwei Gemälden von Joshua Reynolds, das Mitglieder der Society of Dilettanti bei Obst, Wein und der Betrachtung von Gemmenringen zeigt, festgehalten (Abb. 879). Die Society wurde 1732 gegründet als Club für Gentlemen, die Italien bereist hatten, um die auf dem Grand Tour geweckten Interessen weiter zu pflegen. Der nach rechts blickende, mit seinen Freunden anstoßende Mann in der Mitte des Bildes ist Charles Greville (1749–1809), Gemmensammler wie sein Onkel Sir William Hamilton (1730–1803), der die Mitte des nicht abgebildeten Pendants einnimmt. Die bedeutendste Wiener Privatsammlung des 18. Jahrhunderts war die von Joseph Angelo de France (1691–1761), dem Generaldirektor der kaiserlichen Schatz-, Kunstkammern und Galerien. In einem eigenen Museum in der Kärtnerstraße in Wien waren Münzen, Gemmen, Bronzen und Gefäße untergebracht. 1781 erschien ein von den Erben in Auftrag gegebener zweibändiger Katalog Musei Franciani Descriptio, dessen erster Teil die Münzen und 2507 Gemmen enthält. Die Beschreibungen der Gemmen stammen aus der Feder von F. W. Reizius. Ein Stich von Salomon Kleiner zeigt das Porträt des verstorbenen Sammlers, davor links einen geöffneten Gemmenkasten mit teilweise herausgezogenen Schubladen (Abb. 880). Die Gemmen der Sammlung wurden 1794 an Katharina II. verkauft.

19. und 20. Jahrhundert Im 19. Jahrhundert kühlte die Begeisterung der Gemmensammler merklich ab. Der Grund war die Furcht vor Fälschungen und insbesondere der Schock, der nach der Entdeckung der gefälschten Poniatowski-Gemmen die Sammlerwelt erschütterte. Dies konnte die Chance der öffentlichen Museen sein, die zuvor unerreichbar teure Einzelstücke (s. o. S. 119) oder ganze Sammlungen erwerben konnten. Nach wie vor aber entstanden neue Gemmensammlungen, die wie immer Gemmen aus älteren Sammlungen und Neufunde vereinten. Lord Algernon Percy, seit 1790 first Earl of Beverley (1750–1830), begründete die Sammlung der „Beverley Gems“, die sich im Besitz der Dukes of Northumberland in Alnwick Castle befindet (Knight 1921). Genannt seien in England ferner Charles William King (1818–1888), der Verfasser mehrerer Gemmenbücher, Fellow des Trinity College, Cambridge; Dr. G. F. Nott (1767–1841), ein nach einem Unfall lange in Rom lebender Kleriker. Die Sammlung von James Carnegie, ninth Earl of Southesk (1827–1905) wurde von seiner Tochter, Lady Helena Carnegie, 1908 in zwei Bänden publiziert. Der Archäologe und Numismatiker Honoré d’Albert, duc de Luynes (1802–1867), und Oscar Pauvert de la Chapelle stifteten 1862 bzw. 1899 ihre Sammlungen dem Cabinet des médailles in Paris. Die Sammlungen Castellani und Pierre Louis, duc de Blacas (1770–1839), wurden vom British Museum erworben (1865/72 und 1867). Die bedeutende, in Rom erworbene Sammlung von Bertel Thorvaldsen (1668–1844) zeugt von großer Kennerschaft, sie befindet sich heute in dem nach ihm benannten Museum in Kopenhagen. Walther Fol (1832–1889) lebte und sammelte in Rom, er schenkte seine Sammlung der Heimatstadt Genf. Ebenso schenkte Maxwell Sommerville (1829–1904) die seine dem Museum von Philadelphia. Die Sammlung

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der in Köln geborenen, immer wieder in Italien lebenden Sibylle Mertens-Schaaffhausen (1797–1857) wurde nach ihrem Tode versteigert und verstreut (s. o. S. 273). Aus der Sammlung von Graf Michael Tyszkiewicz (1828–1897) stammen der archaische Skarabäus mit laufendem Hermes (Abb. 99) und der etruskische mit dem zusammenbrechenden Castor (Abb. 325), beide in Berlin. Julius Rudolf Bergau (1836–1905) erwarb seine Gemmen in Italien, vor allem in Rom (Weiß 1996). Nach aktuellen archäologischen Kriterien sind die Sammlungen aus dem Kreis der Gründungsmitglieder des „Instituto di Corrispondenza Archeologica“, des späteren Deutschen Archäologischen Instituts, angelegt: Die große Sammlung von August Kestner (1777–1853) kam als Schenkung in das nach ihm benannten Museum in Hannover. Die Sammlungen der beiden ersten Sekretäre des Instituto gelangten nach Berlin. Die kleine, aber qualitätvolle Sammlung Eduard Gerhards (1795–1867) enthielt den SemonSkarabäus (Abb. 95). Theodor Panofka (1800–1858) hatte sich auf gute Glasgemmen spezialisiert. Die Sammlung des rund eine Generation jüngeren Deutsch-Römers Heinrich Dressel (1845–1920) kam als sein Vermächtnis in das Berliner Museum (Weiß, Dressel). Die Sammlung von Constantin Alexander Ionides (1833-1900) wurde in das nächste Jahrhundert hinein weiter vermehrt durch seinen Sohn Alexander Constantin (1862-1931) und glücklicherweise vor ihrem Verkauf durch John Boardman publiziert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließ die allgemeine Begeisterung für Gemmen nach. Um so mehr ragen einzelne Sammler heraus. Zwei Archäologen sind zu nennen: Arthur Evans (1851–1941), den Siegel zur Entdeckung der minoischen Kultur führten (s. o. S. 20), und Paul Arndt (1865–1937). Evans verkaufte einen Teil seiner Gemmen wieder, um die Grabungen in Knossos zu finanzieren, den Rest der Sammlung vermachte er dem Ashmolean Museum in Oxford. Paul Arndt hatte auf Anregung von Adolf Furtwängler (1853–1907), dessen Assistent er in München war, zu sammeln begonnen. Seine alle Perioden der Glyptik umfassende Sammlung von insgesamt rund 2400 Steinen, Glaspasten und Ringen wurde 1956 von der Staatlichen Münzsammlung München erworben. Leider waren auch Gemmen der schon länger in der Münzsammlung deponierten Sammlung Arndt unter den 300 bei Kriegsende (1945) gestohlenen Stücken, von denen 160 zurückgewonnen werden konnten. Der Berner Jurist Leo Merz (1865–1952) begann erst im Ruhestand Gemmen zu sammeln. Im Umgang mit den Gemmen und im Austausch mit Gelehrten, Sammlern und Händlern erwarb er bald große Kennerschaft und kaufte bei günstiger Marktlage Stücke, die ihm gefielen. Die Sammlung ist als Schenkung der Tochter Eva Merz jetzt im Besitz der Universität Bern. Die zunehmende wissenschaftliche Beschäftigung mit Gemmen seit den 60iger Jahren des 20. Jahrhunderts, weckte auch neues Sammlerinteresse für den Gegenstand. Klaus Jürgen Müller, als Paläontologe bei der Forschung über Mikrofossilien gewohnt mit weit kleineren Objekten zu arbeiten, gelang es, eine bedeutende Sammlung von orientalischen, antiken und nachantiken Gemmen anzulegen. 1990 konnte das Badische Landesmuseum Karlsruhe 236 Gemmen aus einer Privatsammlung erwerben. Sie umfaßt Stücke aus der Antike bis in das frühe 19. Jahrhundert, die meisten von ihnen mit berühmter Provenienz, wie die Sammlungen Rubens und Orléans, Arundel-Marlborough, Ionides (Martin 1992). Ein Teil einer bedeutenden zwischen 1921 und ca. 1970 geschaffenen Privatsammlung wurde vom J. Paul Getty Museum in Malibu erworben (Boardman, IR 1975; Spier, Getty Coll. 1992, 179), der größere Teil befindet sich noch im Besitz des Sohnes des Sammlers (Boardman –

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Wagner 2003). Von anderem Charakter als Sammlungen, die aus dem Kunsthandel schöpfen, sind kleine und kleinste Privatsammlungen, die an bedeutenden Gemmenfundplätzen entstehen. Dank der Bemühungen von Hans-Joachim Schalles und Gertrud Platz-Horster gelang es, solche Gemmenfunde aus Xanten für die Wissenschaft zu erschließen (Platz-Horster, Xanten II 1994). Ebenso konnte Günther Dembski die Carnuntiner Gemmen in Privatbesitz im Rahmen des Gesamtkataloges veröffentlichen.

2. Signierte Gemmen Wie schon aus dem Vorhergehenden deutlich wurde, galt das besondere Interesse der Sammler des 16. und 17. Jahrhunderts den uomini illustri, bevor es sich im 18. Jahrhundert den Gemmen mit Meistersignaturen zuwendete. Die Signatur des Eutyches wurde schon 1445 von Cyriacus von Ancona gelesen; dank ihrer Ausführlichkeit war kein Mißverständnis möglich (s. o. S. 119). L. Demontjosieu (Ludovicus Demontosius), „Gallus Romae hospes“ (1585), las auf zwei Gemmen im Besitz eines Orazio Tigrini die Signaturen der aus Plinius bekannten Gemmenschneider Dioskurides und Apollonides (s. o. S. 70). Es handelt sich um den Hermes des Dioskurides und die Artemis des Apollonios, beide später im Besitz von Fulvio Orsini, die erstmals von Jakob Spon (1685) in Zeichnung veröffentlicht wurden (Abb. 881); Spon gibt die Apollonius-Signatur richtig wieder, meint aber mit Blick auf die Pliniusstelle, sie könne aus Apollonidou. verschrieben sein. Einige später als solche erkannten Signaturen galten im 16. Jahrhundert als Bezeichnung des Dargestellten. So werden bei Ursinus der Apoll des Hyllos als Hylas, Liebling des Herakles (Abb. 882), der Cicero des Solon als der athenische Gesetzgeber Solon (Abb. 883) gedeutet. Herzog Philipp II. von Orléans (1674–1723) gab den Anstoß zu einer Schrift von Baudelot de Dairval „Lettre sur le prétendu Solon des pierres gravées“ (1712, erschienen 1717), welche einen grundlegenden Fortschritt in der wissenschaftlichen Gemmenforschung bedeutete (Abb. 884). Er erkannte, daß die Inschrift Solonos bei dem Männerporträt der Sammlung Orsini (Abb. 883) nicht die Person bezeichnete, sondern die Künstlersignatur war, stellte Gemmen mit der gleichen Signatur zusammen und verwies richtig auf das Porträt des gleichen Mannes mit der Signatur des Dioskurides (Abb. 943). Als erster hatte Pietro Andrea Andreini in Florenz eine Sammlung von zehn signierten Gemmen sowie den Abdruck einer schon damals verschollenen Gemme mit Signatur des bei Plinius genannten Kronios zusammengebracht. Als A. F. Gori 1727 eine Liste dieser Steine veröffentlichte, besaß Andreini nur noch vier davon, eine hatte er Leo Strozzi geschenkt, die übrigen waren gestohlen worden, fünf von ihnen sind seither verschollen. Stosch hat die noch erhaltenen oder im Abdruck belegten signierten Gemmen der Sammlung Andreini in sein Werk aufgenommen, so die Muse des Onesas (Abb. 885). Stosch hatte schon mindestens seit 1715 Material für sein Buch über signierte Gemmen gesammelt. Sein Bestreben war es, daß die nach Zeichnungen, überwiegend des Girolamo Odam, von Bernard Picart gestochenen Tafeln die Gemmen möglichst getreu wiedergeben sollten, im ausdrücklichen Unterschied zu anderen Gemmenbüchern wie dem von Rossi – Maffei. Tatsächlich übertreffen die 70 Tafeln der 1724 erschienenen Gemmae antiquae caelatae scalptorum nominibus insignitae / Pierres antiques gravées sur lesquelles les graveurs ont mis leur noms alle früheren und späteren Stichwerke an Genauigkeit (Heringa 1976). Stosch

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war sich bewußt, daß Signaturen auch gefälscht wurden und schied solche Steine nach bestem Wissen aus. Er wäre seiner Zeit allzu weit voraus gewesen, wenn er gegen alle Irrtümer gefeit gewesen wäre (s. u. S. 299f., 302). Domenico Augusto Bracci, der in seinem zweibändigen Prachtwerk Commentaria de antiquis scalptoribus qui sua nomina inciderunt in gemmis et cammeis / Memorie degli antichi incisori che scolpirono i loro nomi in gemme e cammei (1784, 1786) die von Stosch edierten signierten Gemmen wiederholte und um einige vermehrte, bewies weit geringere Urteilsfähigkeit. Von den 44 neuen Signaturen erweisen sich 14 als echt. In etwa die gleichen Steinschneidernamen wie bei Bracci finden sich in den Daktyliotheken von Lippert (s. u. S. 282f.) und in der von Cades in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts herausgegebenen Serie von 135 Gemme antiche con i nomi degli incisori, die in drei aufeinander gestapelten Spankästen geliefert wurde. Inzwischen war Archäologen und Sammlern bewußt geworden, daß es zwischen antiken Signaturen und modernen Nachahmungen schärfer zu scheiden galt. Die erste archäologische Abhandlung zu diesem Thema, H. K. E. Köhlers „Abhandlung über die geschnittenen Steine mit den Namen der Künstler“ (1851), schoß allerdings weit über das Ziel hinaus. Köhler erkennt nur fünf Signaturen als antik an, erweist sich als unsicher im stilistischen Urteil, indem er gerade Werke des 16. und 17. Jahrhunderts für antik und augusteische Arbeiten für griechisch hält, ist voreingenommen gegen Personen, insbesondere Andreini und Stosch. Erst Furtwänglers Studien über die Gemmen mit Künstlerinschriften (1888/89) legten den Grund für die Beurteilung der Signaturen (Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften).

3. Daktyliotheken Der Abdruck ist Spiegelbild und Zweck des Siegels. Gemmenschneider machten schon immer Abdrücke zur Kontrolle und Dokumentation ihrer Arbeit (s. u. Kap. XXIII). Sammler tauschten Abdrücke oder Abgüsse aus, um darüber zu diskutieren oder ihre Gemmensammlung thematisch zu ergänzen. Neu war die zu Anfang des 18. Jahrhunderts geborene Idee, mehr oder weniger große Sammlungen von Abgüssen zusammenzustellen, die es auch jenen Gemmenfreunden, die sich eine Sammlung von Originalen nicht leisten konnten, ermöglichte, die ganze Welt der antiken Götter, Heroen und Menschen in diesen Miniaturbildern zu betrachten. In einer solchen Sammlung ließen sich Abgüsse von Gemmen aus den berühmtesten Sammlungen betrachten, Abgüsse von einer Qualität, wie sie mit einer Sammlung durchschnittlicher Originale nicht erreichbar war. Die Besitzer der Gemmen gestatteten diese Art von Publikation in der Regel gern, verbreitete sie doch den Ruhm ihrer Sammlung. Solche Abdrücke sind der größte Schatz und ein Fundament, das der in seinen Mitteln beschränkte Liebhaber zu künftigem großen mannichfaltigen Vortheil bei sich niederlegen kann, schreibt Goethe im September 1787 in Rom (Femmel – Heres Z 49). Das Material der Abgüsse bzw. Abdrücke war Siegellack, den man ja auch im Briefverkehr verwendete, Schwefel, der sich leicht schmelzen und färben ließ und Glas, als das aufwendigste, dafür aber den Gemmen ähnlichste Material. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurden Abgüsse aus Gips und gipsähnlichen Massen beliebt, meist wurden sie mit goldgerändertem Papier gerahmt (Abb. 886) Die weißen Abgüsse entsprachen dem klassizistischen Geschmack besser als die in der Regel rot gefärbten Schwefelabgüsse. Man experimentierte auch mit anderen

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Materialien wie Pappmaché. Ein heiteres Zeugnis für die Verbreitung der Gemmenbegeisterung sind die Abgüsse aus Zuckerpaste, die der Weimarer Konditor, René François Goullon herstellte. Er hatte die Herzoginwitwe Amalie auf ihrer Italienreise als Mundkoch begleitet und die Gelegenheit genutzt, eine große Zahl von (Glas-)Pasten zu erwerben, die ihm nun als Matrizen dienten. Der Archäologe Karl August Böttiger lobt in einer Notiz im „Morgenblatt für die gebildeten Stände“ (Nr. 206, 29.8.1809, S. 823) die besonders als Geburtstags- und Neujahrsgeschenke beliebten „Goullonschen Bonbonieren“: Nichts ist leichter und zugleich unschuldiger, als die ganze Mythologie so in Zuckerpasten zu studiren, und bald einen schönen Ganymed, bald eine liebreizende Hebe bey’m Nachtisch zu verspeisen! Auch Goethe bot seinen Gästen gelegentlich solche Zuckergemmen an (Femmel – Heres Z 514). „Glaspasten“ waren die schönsten und teuersten Abdrücke. Sie waren im Material und, nach Wunsch in der Farbe, den Edelsteinen ähnlich, konnten wie diese zugeschliffen, gefaßt und als Siegel verwendet werden. Man nannte sie „Pasten“ nach der neulateinischen und italienischen Bezeichnung für Glasmassen zur Herstellung von Edelsteinnachahmungen. Die Bezeichnung wird allerdings gelegentlich auch für Abdrücke bzw. Abgüsse aus anderem Material verwendet. Die Herstellung von Glaspasten war den Glashandwerkern vertraut (s. u. XXIV A), es bedurfte aber des Zusammentreffens eines interessierten Aristokraten und eines handwerklich geschulten Naturwissenschaftlers, um diese Technik in die Welt der Gemmensammler einzuführen. Philipp II. von Orléans (1674–1723), der spätere Regent für Louis XV, hatte im Palais Royal ein Laboratorium eingerichtet, in dem er seinen naturwissenschaftlichen Neigungen nachging. 1702 nahm er den Juristen und Arzt Wilhelm Homberg (1652–1715) in seine Dienste, machte ihn 1705 zu seinem Leibarzt. Damit hatte Homberg ein regelmäßiges Einkommen und Philipp einen erfahrenen Ratgeber bei seinen Experimenten gewonnen. Philipps Mutter Elisabeth Charlotte, Herzogin von Orléans (Liselotte von der Pfalz), schreibt am 27. 10. 1709 an ihre Tante, Kurfürstin Sophie von Hannover: Mein sohn hatt im palais Royal ein gantz apartement unter dem großen apartement zum laboratoire gemacht; sein lust ist auch metallen mitt dem brenspiegel zu schmeltzen. Ich glaube, daß ihn dießes woll so offt zu Paris auffhelt alß sein braun schätzgen. Wenn er von sein laboratoire kompt, sieht er gar nicht übel auß. Es ist ein Saxs, so in Indien geboren ist, so mitt ihm laborirt, er hatt viel verstandt, heißt Humberg“ (Homberg war in Batavia auf Java geboren, wo sein aus Quedlinburg stammender Vater im Dienst der Niederländischen OstindienKompanie tätig war). Im Laboratorium des Herzogs machte Homberg erfolgreiche Versuche, farbige Glasabdrücke von Gemmen herzustellen. Vor der Académie Royale des Sciences, deren Mitglied er seit 1691 war, gab er 1712 einen genauen Bericht über das Verfahren. Homberg stellte 6 Glaspastensammlungen der Gemmen des herzoglichen und königlichen Kabinetts her. Kommerziell vertrieb eine Mademoiselle Feloix Glaspasten aus rund 1800 Formen; sie war Tochter eines Kammerdieners, der Homberg assistiert und ihr das Verfahren beigebracht hatte. Der einundzwanzigjährige Philipp von Stosch besuchte Paris im Jahre 1713. Die Herzogin von Orléans war dem jungen Landsmann freundlich zugetan. Stosch besuchte auch das Laboratorium ihres Sohnes und lernte von Homberg Glaspasten zu machen. In der Folge ergänzte Stosch thematische Lücken in seiner Gemmensammlung durch Glaspasten, wobei ihm sein Diener Christian Dehn (1697–1770) half. Dehn formte auch die Gemmen der Sammlung Stosch ab, machte sich vermutlich Glasmatrizen. Dehn

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begleitete Stosch nach Florenz, kehrte aber 1739 nach Rom zurück und eröffnete einen Handel mit Abgüssen von 2500 Gemmen. Er verkaufte meist rote Schwefelabgüsse zu einem Paolo (eine Silbermünze, 1/10 Scudo) das Stück, was Winckelmann recht teuer fand. Er bot auch Glaspasten an, deren Preis nicht überliefert ist. Sein Schwiegersohn Francesco Maria Dolce führte das Geschäft weiter und gab einen gedruckten Katalog mit 2000 Nummern heraus: Descrizione Istorica del Museo di Cristiano Denh (Rom 1772). Auf der Basis der Daktyliothek Dolce legte Ennio Quirino Visconti (1751 – 1818) für Principe Agostino Chigi eine Daktyliothek an, wobei er die nach seiner Meinung modernen Stücke ausschied. Seine Beschreibung der Sammlung wurde aus dem Nachlaß herausgegeben, die geplante Publikation mit Abbildungen war nicht zustande gekommen (Opere varie ed. G. Labus II [1829] 141–386). In der Einleitung hebt Visconti zwei Vorzüge der Gemmen vor anderen Antiken hervor: 1. ihre Abdrücke vermitteln im Gegensatz zu Zeichnungen ein getreues Bild des Originales, ja sie sind leichter zu betrachten als dieses, 2. dank der Härte der Steine sind die Gemmenbilder mit allen Details und Attributen erhalten im Unterschied zu beschädigten Marmorstatuen und abgegriffenen oder korrodierten Münzen. Ebenfalls in Rom hatte es Hofrat J. F. Reiffenstein (1719–1793) zu großer Fertigkeit in der Herstellung von Glaspasten gebracht und unterrichtete interessierte Romreisende außer in der Wachsmalerei auch in dieser Kunst. Zu ihnen gehörte auch Goethe, der das Verfahren kurz beschreibt: Die andere Beschäftigung, Pasten zu fabriciren, war mehr für Männer geeignet. Ein großes altes Küchengewölbe im Reiffensteinischen Quartier gab dazu die beste Gelegenheit. Hier hatte man mehr als nöthigen Raum zu einem solchen Geschäft. Die refractäre, in Feuer unschmelzbare Masse wurde auf ’s zarteste pulverisirt und durchgesiebt, der daraus geknetete Teig in Pasten eingedruckt, sorgfältig getrocknet und sodann, mit einem eisernen Ring umgeben, in die Gluth gebracht, ferner die geschmolzenen Glasmasse darauf gedruckt, wodurch doch immer ein kleines Kunstwerk zum Vorschein kam, das einen jeden freuen mußte, der es seinen eigenen Fingern zu verdanken hatte (September 1787; Femmel – Heres Z 49). Größte Bedeutung erlangten die Abgußsammlungen von Philipp Daniel Lippert, geboren zu Meißen 1702, gestorben zu Dresden 1785, der selbst nie Reisen über die Grenzen seiner Heimat hinaus machte, sich aber Abdrücke aus allerWelt besorgte (Abb. 887). Er hatte in seiner Jugend das Glasmacherhandwerk erlernt und kannte von daher das Verfahren, Glaspasten und Glasmatrizen herzustellen. Als ebenfalls gelernter Zeichner und Porzellanmaler wurde Lippert 1739 zum Zeichenlehrer der königlichen Pagen bestellt. Ab 1747 verkaufte er Gemmenabgüsse zunächst in einer kleinen Sammlung, in der Regel in einer weißen festen Masse mit leicht glänzender Oberfläche, deren Zusammensetzung aus sächsischer Talkerde und Hausenblase (Fischleim aus der Schwimmblase von Hausen/Beluga) er lange geheim hielt. Neben den preiswerteren Talkabgüssen bot Lippert auch Glaspasten an. Die Glaspasten im Martin-Wagner-Museum der Universität Würzburg sind die einzigen, die sich bisher auf seine Werkstatt zurückführen ließen. Nach einer kleinen Auswahl (1747/48) erschienen zwischen 1753 und 1776 zunächst eine Ausgabe von tausend Abgüssen, dann zwei Auflagen von je dreimal tausend Abgüssen (zu den Titeln s. das Abkürzungsverzeichnis). Im Titel der zweiten Auflage des ersten Tausends Dactyliothecae Universalis ... Chilias (Lippert1 I 1755) taucht zum ersten Mal der dann für die Gattung verbindliche Name „Daktyliothek“ auf, der von der antiken Bezeichnung für Gemmensammlungen nun auf die Abgußsammlungen

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übertragen wird. Der Titel der zweiten Auflage erklärt die Bezeichnung: Dactyliothec. Das ist Sammlung geschnittener Steine der Alten aus denen vornehmsten Museis in Europa. Zum Nutzen der schönen Künste und Künstler. In zwey Tausend Abdrücken ediret von Phil. Dan. Lippert Anno MCCLXVII (Lippert2 I 1767) (Abb. 888). Die Abgüsse wurden in verschiedenen Behältern angeboten. In der einfachsten Ausführung, einem Kasten (scrinium), kostete das Tausend 50 Reichstaler. Nach den erhaltenen Exemplaren zu schließen, waren am beliebtesten große Kästen in der Form von Folianten mit goldgeprägten Rücken und einer von oben einzuschiebenden Lade mit Schloß an der „Schnittseite“, in denen die Gemmen auf Schubladen angebracht sind. Sie kosteten je 65 Reichstaler. Zu den Daktyliotheken erschienen gedruckte Texte in lateinischer Sprache, bei der Ausgabe von tausend Abgüssen von 1753 und der ersten „dreibändigen“ Ausgabe für das erste und zweite Tausend von Johann Friedrich Christ (1701–1756), für das dritte Tausend von Christian Gottlob Heyne (1729–1812). Den Text zu der Neuauflage eines Auszugs von zweitausend Stücken (1767) und dem Maria Theresia gewidmeten Supplement (1776) schrieb Lippert selbst in deutscher Sprache, wovon er sich eine größere Wirkung versprach. Auf dem Titelkupfer überreicht Lippert der Kaiserin den Textband (Abb. 889). Der „vier und siebzigjährige Greis“, als welcher er sich im Widmungstext bezeichnet, ist stark verjüngt dargestellt. Seine umfangreiche Kenntnis antiker Autoren und Kunstwerke hatte Lippert sich als Autodidakt angeeignet. Die Gemmenabgüsse sind geordnet in ein „Erstes mythologisches Tausend“ beginnend mit der „I. Abtheilung“ Jupiter und Saturn“, und ein „Zweites und historisches Tausend“, beginnend mit „I. Einige Helden, welche vor oder doch kurz nach dem Troianischen Kriege gelebet haben“, als erstem Prometheus. Entsprechend gegliedert ist das Supplement. Lippert hatte erkannt, daß die verbreiteten Kupferstiche (ausgenommen die von Bernard Picart in Stoschs Buch) den Stil der Gemmenbilder verfälschten. Die meisten Gelehrten aber fragen auch wenig darnach: denn wenn sie nur das Bild sehen, so bekümmern sie sich um den Charakter des Kunstwerks am wenigsten. Wie will man aber auf diese Art den wahren Geschmack an der Kunst des Alterthums andern beybringen? (Supplement XVII). Wie weit Lipperts Daktyliotheken zu der von ihm beabsichtigten Abwendung vom Rokoko und Hinwendung zu Klassizismus beitrugen, bedürfte näherer Untersuchung. Offenkundig ist ihre große Wirkung im Kreis der Liebhaber und Gelehrten. Man darf wohl sagen, alles, was Winckelmann von Italien aus über griechischen Stil lehrte, wäre ohne Lipperts Werk leerer Schall geblieben, schreibt Justi (Winckelmann und seine Zeitgenossen [31923] I 398). Lipperts Ziel war es, Abgüsse von antiken Gemmen zu veröffentlichen, nur gelegentlich ein modernes Stück zum Vergleich daneben zu stellen. Tatsächlich enthält die Sammlung, wie schon Winckelmann vermutete, auch nachantike Gemmen der Art, wie sie von den meisten Liebhabern und Kennern der ersten Hälfte und der Mitte des 18. Jahrhunderts für antik gehalten wurden. Nach dem Tode des Vaters führte die Tochter Eusebia Theresia Lippert (1729–1807), die schon lange seine Mitarbeiterin war, die Werkstatt weiter. Nachdem auch Eusebia verstorben war, vertrieb Gottlieb Benjamin Rabenstein, „Aufwärter der königlichen Antiken-Gallerie“ in Dresden, die Lippert‘schen Daktyliotheken. Das Buch von Christian Adolf Klotz, damals Professor für Philosophie in Halle, „Über den Nutzen und Gebrauch der alten geschnittenen Steine und ihrer Abdrücke“ (1768) sollte eine Einführung in die Gemmenkunde und Anleitung zur Verwendung der Daktyliotheken Lipperts an Schulen

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sein. Es ist ein aus Begeisterung für die Sache geschriebenes, aber dilettantisches Buch. Da Klotz zudem den Fehler beging, Gotthold Ephraim Lessing Irrtümer vorzuwerfen, veranlaßte er dessen scharfe Gegenschrift „Briefe antiquarischen Inhalts“ (1768/69). Auf dem letzten der vier beigegebenen Kupferstiche bildet Klotz eine Gemme der Sammlung Casanova, d. h. des Malers Giovanni Battista Casanova, eines jüngeren Bruders des berühmten Giacomo, ab (Abb. 890). Sie stelle eine Furie dar und widerlege Lessings Behauptung, die alten Künstler hätten dieses Motiv nicht dargestellt. Lessing verweist darauf, daß er ja die Gemmen ausdrücklich ausgeschlossen habe (Laokoon I, IX), da sie als Siegel und Auftragsarbeiten zur „Bildersprache“ nicht zur (sc. freischöpferischen) „Kunst“ gehörten (Briefe 6–8). Welcher zusätzliche Hohn hätte sich über den armen Herrn Klotz ergossen, wenn Lessing erkannt hätte, daß die Gemme nicht antik war. Der schottische Bildhauer und Modelleur James Tassie (1735–1799) nahm die Daktyliotheken von Dehn, Mademoiselle Feloix und Lippert, sowie die 28000 Schwefelabdrücke Stoschs in seine Sammlung auf, die er vor allem durch Abgüsse aus englischen Sammlungen erweiterte. Der 1791 erschienene, von dem Altphilologen, Archäologen und Autor des Ur-Münchhausen, Rudolf Erich Raspe (1736–1794), verfaßte Katalog der Sammlung Tassie umfaßt 15800 Nummern (Tassie–Raspe). Katharina II. bestellte Glaspasten der kompletten Sammlung Tassie. Auf dem Titelkupfer des Kataloges öffnet Katharina als Minerva einen Gemmenschrank, hält den ersten Band des Tassie–Raspe auf dem Schoß, der zweite liegt am Boden, einige Gemmen oder Glaspasten und Münzen liegen vor ihr auf dem Tisch (Abb. 891). Nach dem Vorbild Philipps von Orléans hatte die Zarin auch ein Labor eingerichtet, in dem Glaspasten von allen Gemmen ihrer Sammlung hergestellt wurden, in dem sie sich auch selbst in dieser Kunst versuchte. Luigi Pichler stellte in fast zweijähriger Arbeit, 1819–1820, Glaspasten von 596 Wiener Gemmen und Kameen her, die er 1821 als Geschenk Kaiser Franz’ I. von Österreich an Papst Pius VII. überbrachte (Bernhard-Walcher 1986). In Rom handelten Bartolomeo Paoletti (1757–1834) und sein Sohn Pietro (†1844), die den Laden von Dolce an der Piazza die Spagna übernommen hatten, mit Gemmenabgüssen, die dank ihrer vorzüglichen Qualität sehr begehrt waren. Die Glasmatrizen der Paoletti sind im Museo di Roma erhalten (Pirzio Biroli Stefanelli). Das Istituto d’Arte di Firenze besitzt eine Daktyliothek mit Gipsabgüssen in elf von ursprünglich vierzehn Bänden (Bernardini et al.); kleinere Paoletti-Daktyliotheken finden sich in vielen Sammlungen. Eine von Carl Gottlieb Reinhardt im Auftrag des preußischen Kultusministers Freiherr von Altenstein 1826 herausgegebene Abgußsammlung der Sammlung Stosch vermittelte erstmals eine Anschauung aller von Winckelmann beschriebenen Gemmen. Das Unternehmen wurde im Kreis der Antikenfreunde begeistert aufgenommen. Die 3442 nach Winckelmanns Description geordneten Gipsabgüsse kosteten 230 Taler, wozu 13 Taler für die Mahagoniekästen kamen; F. G. Welcker erwarb die Daktyliothek zu einem ermäßigten Preis für 194 Taler für das Akademische Kunstmuseum, Bonn; einen weiteren Rabatt erhielt Goethe, der sie 1826 für 150 Taler erwarb. Die letzte große Daktyliothek gab Tommaso Cades (1772 oder 1775 – nach 1850), selbst Gemmenschneider und Sohn des Gemmenschneiders Alessandro Cades (1734–1809), heraus. In der vollständigen Ausgabe umfaßt sie 78 buchförmige Bände. Ein gedruckter Katalog existiert nicht, lediglich handschriftliche Abschriften eines solchen. Neben der Gesamtausgabe verkaufte Cades

A. SAMMLER UND KENNER

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auch Auswahl-Sammlungen und Sonderausgaben zu bestimmten Themen wie etruskischen Skarabäen, Gemmen mit Künstlersignaturen oder Porträts berühmter Männer. Diese von Cades in eigener Regie herausgegebene Sammlung darf nicht mit den Impronte gemmarie dell’ Instituto di Corrispondenza Archeologica verwechselt werden. Hierbei handelt es sich um eine Ausgabe von 7 x 100 ab 1829 neu bekannt gewordenen Gemmen, die im Auftrag und unter Aufsicht des Instituto di Corrispondenza Archeologica herausgegeben wurde (Abb. 892, vgl. Abb. 886). Je eine Centurie ist in einem buchförmigen Kasten mit goldgeprägtem Lederrücken untergebracht; die „Bücher“ haben eine Zwischenwand in der Mitte, so daß zwei jeweils von vorn und hinten zu öffnende mit blauem Papier ausgeschlagene Kästen entstehen, in welche die Gipsabgüsse mit Goldrand-Banderolen eingeklebt sind. Die Centurien I–VI wurde von Tommaso Cades, Centuria VII von M. Odelli hergestellt. Der zugehörige, sehr knappe, von Eduard Gerhard, Cades und Emil Braun verfaßte Katalog erschien im Bulletino dell’ Instituto 1831, 1834, 1839 und 1868. Der Berliner Verleger Gustav Eichler (1801 – 1877) erwarb 1837 die „Pasten der Stoschischen Gemmensammlung“ von Reinhardt, also offenbar die Glasformen, und gründete 1841 „G. Eichler’s Kunstanstalt für plastische Arbeiten. Unter den Linden 27“, die Gipsabgüsse und Glaspasten verkaufte (Rupp 2004). Die Abgüsse der Sammlung Stosch bot Eichler preiswerter als der Ersthersteller für 160 Taler, einschließlich des Mahagonischränkchens, an. Auch die Impronte gemmarie dell’Instituto di Corrispondenza Archeologica nahm er in sein Angebot auf. Die Blütezeit der großen Daktyliotheken antiker Gemmen war jedoch vorbei, weshalb sich Reinhardt wohl auch von seinen Formen trennte. Eichler setzt mehr auf kleinere Serien moderner Porträts, etwa die der Reformatoren, des königlich preußischen Hauses, berühmter Dichter oder Naturforscher. Daktyliotheken mit ausgewählten Abgüssen, die in mehreren Exemplaren an die Schüler verteilt werden konnten, wurden im Schulunterricht verwendet. Eine solche mythologische Daktyliothek von 93 Abgüssen „für Gymnasien, Schulen und zwar besonders auch für Bürgerschulen, für Jünglinge, welche sich entweder den Wissenschaften oder den Künsten zu weihen gedenken, und endlich für jeden Kunstfreund“ hat Johann Ferdinand Roth, Diakon an der Hauptpfarrkirche zu St. Sebald in Nürnberg herausgegeben und mit einem Buch begleitet: „Mythologische Daktyliothek. Nebst vorausgeschickter Abhandlung von geschnittenen Steinen“ (Nürnberg 1805). Er wählte die Abgüsse aus dem umfangreichen Angebot von J. W. Kesler (Nürnberg) und E. E. H. Rost (Leipzig) aus. Kesler übernahm auch die Herstellung in der von ihm erfundenen „kompakten, dauerhaften rothen Komposition“. M. Krause, „Galleriediener 1.Classe und academischer Künstler im königl. Antiquarium zu Berlin“, so sein Herstellervermerk, stellte Daktyliotheken für Schulen mit 50 ausgewählten Abgüssen von Gemmen der Berliner Sammlung her. Ein terminus post quem ergibt sich daraus, daß Martin Krause seit 1841 „akademischer Künstler“ war. Aus Goethes Briefen, Tagebüchern und Zeugnissen über ihn erhalten wir ein anschauliches Bild vom Umgang mit solchen Daktyliotheken. Goethe, selbst ein Liebhaber mit beschränkten Mitteln, hatte eine kleine Sammlung von Gemmen, verschenkte auch immer wieder ein „Steinchen“; Abdrücke besaß er in großer Zahl: Ich habe tausend und abertausend Abdrücke um mich versammelt und doch, bey jeder neuen Mittheilung, wie es auch vor einiger Zeit von der römischen Societät geschah, ist immer etwas unerwartet Überraschendes, es sey nun, daß ein bekannter Gedanke durch höhere Behandlung uns doppelt schätzenswerth erscheine,

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XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE

oder daß ein glücklicher Einfall uns, bey einer gränzenlosen Erfahrung, immer gleichsam wieder zu Anfängern macht (an G. A. Chr. Kestner. 11. 6. 1831, Femmel – Heres Z 622). Mit der „neuen Mittheilung“ sind die Impronte Gemmarie dell’ Instituto di Corrispondenza Archeologica gemeint. Goethe betrachtete seine Gemmenabgüsse immer wieder, allein oder im Kreis von Freunden. Einige Wesen der Klassischen Walpurgisnacht sind aus solcher Betrachtung entsprungen (Simon 2004). Gemmen Tassie. Lippert oder Abends Hofrath Meyer ... Abdrücke von geschnittenen Steinen, lauten Tagebucheintragungen (Femmel – Heres Z 118, Z 261). Die Umstände solcher Betrachtung führt, allerdings in Bezug auf originale Gemmen, ein Brief Sophie v. Schardts an Frau von Stein vor Augen: Heute habe ich beim Goethe bei einem déjeuné Frankenbergs, Gores, die Herzogin-Mutter, Hofdamen, Wieland, Meyer gesehen, und die Voß mitgebracht. Daselbst Kaffee getrunken, bon-bons gegessen und Gemmen beschaut (15. 11. 1793, Femmel-Heres Z 139). Analog und auf unterschiedlichem Niveau darf man sich den Umgang der gebildeten Kreise mit solchen Daktyliotheken vorstellen. Satirisch beschreibt Friedrich Nicolai einen Kammerjunker, der den Mangel an Verstand dadurch ersetzte, daß er sich eine Sammlung meist falscher Antiken zulegte, die er Besuchern pseudo-gelehrt erläuterte. Bei der fünfstündigen Führung, die Sebaldus zuteil wird ...traten sie ins Allerheiligste, wo die Gemmen und Münzen aufbehalten wurden. Mitten im Zimmer stand des berühmten Lipperts Sammlung von Abgüssen auf einem zierlichen Gestelle. Der Kammerjunker machte ein Paar Schubladen davon nachläßig auf und sagte: „Sie sind ganz artig, aber doch nur Abdrücke, ich halte auf Originale“ (F. Nicolai, Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker [1773] VI 1. Hinweis U. Kassel). Von Daktyliotheken, die dem Studium der antiken Ikonographie und Kunst dienen sollten, unterscheidet sich die, welche Johann Franz Löhr, Kurfürstlich-mainzischer Regierungsund Kreis-Legations-Kanzelist in einer Luxusausgabe ab 1787 lieferte (Abb. 893). Acht buchförmige Kästen mit goldgeprägten Lederrücken und goldgeprägten Ornamentleisten auf dem Deckel und der Rückseite geben beim Aufschlagen den Blick auf beide Seiten der in die Innenseiten geklebten Abguß-Ensembles frei. Die Fächer sind mit hellgrünem Papier ausgeschlagen, die Stege mit rotem Papier bezogen und mit geprägten Goldornamenten verziert. Darin sind Abgüsse antiker und antikisierender Gemmen ohne inhaltliche Ordnung nach rein dekorativen Gesichtspunkten angeordnet. Die Abgüsse sind in aufeinander abgestimmten, abwechselnden Pastellfarben getönt, die mit der Farbe der Originale, überhaupt mit der von Gemmensteinen nichts gemein haben; verwendet werden rosa, hellblau, orange, türkis und lila. Dies entspricht einer Moderichtung des späten Rokoko und frühen Klassizismus, die Gemmenabgüsse zu dekorativen Zwecken verwendete. Es wurde üblich, Gemmenabgüsse als Bilder in gerahmten Kästen an die Wand zu hängen. Besonders prächtig ist die Ausstellung der ersten Auflage der Lippert´schen Daktyliothek in acht großen schön gerahmten Wandvitrinen auf Schloß Meiningen. Gemmen dienten als Vorlagen für Buchillustrationen, für den Dekor von Porzellan und die blau-weiße, von der Portlandvase inspirierte Wedgwood-Ware sowie für die Ausstattung von Räumen mit Malerei oder Relief. Die den Edelsteinen ähnlichen Glaspasten wurden als Schmuck und Siegel verwendet oder in dekorative Gegenstände eingearbeitet. Hierfür bietet der Lichtschirm von Carl Gottlieb Reinhardt ein schönes Beispiel (Abb. 894). In eine manganviolette Glasscheibe mit vergoldetem Bronzerahmen sind fünfundzwanzig farblose, transparente

B. KÜNSTLER UND HANDWERKER

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Glaspasten eingelassen. In der Mitte eine Paste nach der Goethemedaille von Antoine Bovy (Genf 1795–1877), umgeben von Porträts von Dichtern und Künstlern des Altertums und der Neuzeit in Glaspasten nach Gemmen und Medaillen des 18. Jahrhunderts. Von oben, im Uhrzeigersinn: Pindar (Flavio Sirletti?), Dürer (Medaille von Schwarz), Torquato Tasso (Marchant), Wieland, Homer (A. Pichler), Herder, Dante (Santarelli), Michelangelo; die äußeren Porträts in der mittleren Reihe stellen Schiller und Jean Paul dar, die Glaspaste ganz oben Raffael (G. Pichler), rechts davon der Maler Carlo Maratta (Flavio Sirletti). Die kleinen Glaspasten sind Abdrücke von antiken Berliner Gemmen. Weitere mit Gips hinterfüllte Glaspasten und weiße Porzellanpasten schmücken den Sockel. Von den zahlreichen Daktyliotheken in Schulen und Privatbesitz, darunter auch vielen kleineren Sammlungen, die man als Reiseandenken aus Italien mitbrachte, sind nur noch wenige erhalten. Die Universitäten und Museen aber haben diese Schätze nach Möglichkeit gehütet. Daktyliotheken sind nicht nur ein bemerkenswertes Phänomen in der Geschichte der Antikenrezeption, sondern nach wie vor eine wichtige Basis für Unterricht und Forschung. Gemmenbilder aus weit verstreuten Sammlungen lassen sich hier im Originalmaßstab studieren und vergleichen. Hinzu kommt, daß die alten Daktyliotheken Abgüsse vieler Gemmen enthalten, die heute verschollen sind. Der Abguß ist in diesen Fällen das einzige Zeugnis des Gemmenbildes.

B. KÜNSTLER UND HANDWERKER Antike Gemmen, die in Schätzen und Sammlungen über die Jahrhunderte bewahrt wurden, regten Künstler und Handwerker im westliche Europa immer wieder zu Nachahmungen und Neuschöpfungen an. Im Osten ging die Kunst des Gemmenschneidens nie verloren, lebte vielmehr sowohl in der byzantinischen, wie über die sasanidische in der islamischen Glyptik in unterschiedlichen Kunstkreisen weiter. Im Westen geriet diese Kunst nach dem 4. Jahrhundert mehr und mehr in Vergessenheit. Werke wie der Saphir mit der Büste Alarichs II. (484–507, Abb. 673) und der Amethyst mit dem Porträt des Theoderich in Bern, bei dem es sich eher um den Ostgotenkönig Theoderich den Großen (493–526) als um den Westgotenkönig Theoderich II. (453–466) handelt, sind vereinzelte Zeugnisse des Gemmenschnitts in der Völkerwanderungszeit (Theoderich: Im Glanz der Götter 2003 Nr. 166). Am Hof Karls des Großen und seiner Nachfolger blüht die Glyptik plötzlich wieder auf. Von wem die karolingischen Künstler die Technik des Gemmenschneidens an der Werkbank gelernt haben, ist eine offene Frage. Genevra Kornbluth schließt wegen des Unterschieds der bevorzugten Schneiderädchen aus, daß zeitgenössische byzantinische Gemmenschneider die Lehrmeister waren; sie denkt eher an eine Übernahme von Techniken aus den Münzstätten. Wenn jedoch dort die für Metallarbeit nicht unbedingt erforderliche Drehbank verwendet wurde, ist damit das Problem der Herkunft der Technik nur verlagert. Vielleicht darf man doch damit rechnen, daß die karolingischen Gemmenschneider die reine handwerkliche Fertigkeit von byzantinischen Handwerkern erlernten, jedoch einen eigenen Stil und eigene Vorlieben für bestimmte Werkzeuge entwickelten. Das Phänomen

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XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE

ließe sich in den Grundzügen mit der Übernahme der Technik durch die Griechen von den Phöniziern, durch die Etrusker von den Griechen vergleichen. Die Arbeit der karolingischen Gemmenwerkstätten läßt sich bis in das 10. Jahrhundert hinein verfolgen. Dann ist die Kunst des Gemmenschneidens im Westen wieder verschwunden. Erst in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts gibt es zunächst geschnittene Gefäße aus Hartsteinen, vor allem Bergkristall, und erst im 13. Jahrhundert erwacht die Gemmenschneidekunst am Hof Kaiser Friedrichs II. (1194/1212–1250) und in Paris zu neuem Leben.

1. Frühe Nachahmungen in Glas und Verwandtes Im langobardischen Norditalien, wohl auch nördlich der Alpen, werden seit dem 7. Jahrhundert Glaskameen hergestellt, die antike Kameen nachahmen (s. o. Abb. 851). Ein geschnittener Kameo aus schwarzem Achat mit einem Gesicht in Vorderansicht an der karolingischen Stephansbursa in Wien ist diesen Kameen im Stil verwandt (Abb. 895). Er zeugt von einer Kenntnis des Gemmenschneide-Handwerks auf bescheidenem Niveau. Die nach dem Fundort des ersten publizierten Stückes auf der dänischen Insel Alsen benannten „Alsengemmen“ ahmen byzantinische Nicolo-Glasgemmen in der Art von Abb. 821 nach. Es handelt sich um Nicolo-Glasgemmen, in die ein bis vier Figuren in der Art von Strichmännchen freihändig eingeritzt sind (Abb. 896). Sie kommen nach O.-F. Gandert, der ihr Corpus zusammengestellt hat, und M. Schulze-Dörrlamm etwa seit dem Jahre 1000 als Fundgemmen und an Kirchengeräten vor. Aufgrund der Konzentration der Funde in Nordund Westeuropa ist anzunehmen, daß die Alsengemmen in diesem Raum hergestellt wurden. Das Fehlen einer stilistischen Entwicklung spricht, wie Antje Krug feststellte, gegen eine Dauer der Gattung über mehr als ein Jahrhundert und für ein Einsetzen etwa im 10. Jahrhundert. Zwei Exemplare an der Croce di Desiderio, deren Fassungen dafür zu sprechen scheinen, daß sie zur Erstausstattung gehörten, lassen einen Beginn der Produktion im 9. Jahrhundert möglich erscheinen.

2. Mittelalter Die Büste Lothars II. von Lotharingien (855–869) in dem Bergkristall-Siegel am Lotharkreuz (Abb. 897) ist unmittelbar von dem Siegel seines Vaters, Lothar I., inspiriert. Dieses Siegel, eine römische Gemme mit dem Porträt eines bartlosen Kaisers, wohl Gordians III., wurde auch in der Kanzlei Lothars II. noch verwendet. Die Inschrift auf dem Rand der metallenen Fassung lautet „+ XPEADIVVAHLOTHARIUMAUG“, Christe adiuva Hlotharium Augustum, „Christus hilf Kaiser Lothar“. Die Büste des Bergkristallsiegels ist wie beim römischen Vorbild vom Rücken gesehen, mit Panzer und Paludamentum bekleidet. Der Lorbeerkranz jedoch ist ersetzt durch eine karolingische Krone mit glatter Kalotte und einem kreuzförmigen Juwel mit herabhängendem Anhänger über dem Ohr. Die Inschrift „+ XPEADIVVAHLOTHARIUM REG“, Christe adiuva Hlotharium regem“, „Christus hilf König Lothar“ ist hier in den Stein selbst eingeschnitten. Auch die Büste auf dem Siegel Kaiser Ludwigs II. von Italien (850–875) hat römische Gemmen oder Münzen zum Vorbild. Ein Saphir-Intaglio vom Anno-Schrein (Abb. 898) kopiert

B. KÜNSTLER UND HANDWERKER

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die Kopfkombination einer römischen Gemme in der Art von Abb. 589. Zwei Köpfe mit langen, an der Spitze abwärts gebogenen Bärten aus Rundperlreihen sind gegenständig miteinander verbunden; der linke ist kahlköpfig, der rechte hat Stirnhaar, das ebenfalls aus einer Reihe von Rundperlvertiefungen besteht, darüber sitzen noch zwei Rundperlschnitte als Kopfhaar. Die Bärte beider Köpfe bilden Haar und kurzen Bart eines dritten nach unten blickenden Kopfes. Die Grundformen der Gesichter sind eingetieft. Größere, flache Rundperlvertiefungen geben die Wangen, kleine die Augen, gerade Schnitte die Brauen und Nasenunterkanten, beim Langbärtigen auch den Nasenrücken, sowie die Lippen, die jeweils durch einen Schrägschnitt von der Wange abgesetzt sind. Die Form von Stirnhaar und Bärten wurde zunächst als Furche eingetieft, in die dann die Rundperlbohrungen gesetzt wurden. Und zwar wurde die Position jeder Bohrung mit einem sehr feinen Rundperlzeiger markiert, dann die größere Bohrung darüber gesetzt. Die tiefere erste Rundperlmarkierung ist fast ausnahmslos in der Mitte der größeren Rundperlvertiefung zu sehen. Die Vorliebe für Rundperlschnitte und die besondere Technik ihrer Herstellung über einem Mittelpunkt verbindet den Saphir mit der Kreuzigung im British Museum und ihrer Gruppe; auch die Rundperlreihe in einer die Grundform wiedergebenden Furche findet sich dort. Die Form des Steines mit der stark konvexen Rückseite ist ebenfalls dem Bergkristall im British Museum ähnlich. Die Binnenzeichnung der Gesichter durch gerade Schnitte (sonst jedoch mit ovalen Augen), ist typisch für karolingische Gemmen. Der für die Niederlegung der Gebeine des Kölner Erzbischofs Anno II. im Jahre 1183 erbaute Schrein wurde mehrfach restauriert. Ob der Saphir zur Erstausstattung gehörte, ist unbekannt. Er war mit der Bildseite nach unten am linken Pilaster der Rückseite angebracht und wurde während der seit dem Jahr 2000 in Gang befindlichen Restaurierung durch die Goldschmiede Cordula Baumsteiger und Lothar Schmitt in der Werkstatt des Kölner Domes „entdeckt“. Der Intaglio vom AnnoSchrein stellt eine beachtliche Bereicherung der kleinen Zahl von zwanzig karolingischen Gemmenschnitten dar, die in der Monographie von Kornbluth publiziert sind, zu denen der inzwischen als karolingisch erkannte Christus-Kameo am Dreikönigenschrein hinzukommt. Wie letzterer besteht der neue Intaglio aus dem kostbaren Material Saphir, während die meisten karolingischen Gemmen in Bergkristall geschnitten sind. Bergkristalle von ähnlicher Form wurden, soweit feststellbar, mit der stark konvexen Seite nach oben gefaßt. Die auf der planen bzw. leicht konvexen Seite eingeschnittene Darstellung wird also durch die gewölbte Oberseite des durchsichtigen Steines betrachtet und so leicht vergrößert. Der Saphir ist nicht durchsichtig genug, um eine solche Betrachtungsweise zu ermöglichen. Es ist daher anzunehmen, daß er als Siegel diente. Die Bedeutung, die man den drei Köpfen beilegte, läßt sich nur indirekt erschließen. Die Umschrift des Siegels von Roger, Erzbischof von York, in einem Abdruck aus dem Jahre 1154, bezeichnet den Dreierkopf der eingefaßten antiken Gemme als Hl. Dreifaltigkeit (Abb. 899 a). Wahrscheinlich war dies auch schon die karolingische Deutung des Motivs. Hierfür spricht einmal die Tatsache, daß mit Ausnahme von Porträts und einem Siegel saeculare Motive in der karolingischen Glyptik fehlen. Den entscheidenden Hinweis gibt jedoch das Material Saphir, das nur noch bei dem Christuskameo vorkommt. Seine blaue Farbe und Leuchtkraft war in der Edelsteinallegorese stets Symbol des Himmlischen, er war der geeignete Stein für die Darstellung der Trinität.

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XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE

Im 13. Jahrhundert nehmen staufische Gemmen, insbesondere Kameen, die wahrscheinlich in Süditalien geschaffen wurden, antike Anregungen auf. Der schreitende Löwe auf dem Kameo an dem goldenen Davidbild zu Basel steht antiken Löwendarstellungen sehr nahe, unterscheidet sich jedoch von ihnen durch die in einzelne Tuffs mit parallel gewellter Binnenzeichnung gegliederte Mähne und den stilisierten Kopf (Abb. 856). Schönstes Beispiel für die Symbiose von antiken und zeitgenössischen, staufischen Kameen ist die Krone Königs Sancho IV., el Bravo, von Kastilien (1284–1295), die in seinem Sarg aufgefunden wurde (Abb. 900). Im Wechsel mit Saphiren sind vier Kameen angebracht. Es entsprechen sich jeweils gegenüberstehend ein antikes Porträt des Drusus minor (Abb. 901a) und ein zeitgenössisches eines ebenfalls unbärtigen jungen Mannes (Abb. 901c), sowie eine antike Büste der Omphale im Löwenfell (Abb. 901b) und das Porträt eines Mannes in einer Stoffoder Fell-Kappe mit Fransen (Abb. 901d). Für das staufische Jünglingsporträt hat Wilhelm Grünhagen mit aller Vorsicht die Benennung „Konradin von Hohenstaufen“ (1252– 1268) vorgeschlagen. Der Mann in der Fellkappe bleibt unbekannt. Offenkundig ist die Gegenüberstellung der jeweils ähnlichen antiken Köpfe; welche Deutung ihnen beigemessen wurde, läßt sich nicht sagen. In Frankreich sind ab dem späten 12. Jahrhundert zeitgenössische Steinschnitte zu beobachten. Parallel zur Verwendung antiker Gemmen als Siegel werden sie in Siegelringe gefaßt. Die Imitation antiker Vorbilder ist insbesondere bei Profilköpfen und -büsten erkennbar. Ein frühes, noch etwas unbeholfenes Beispiel ist das 1174 und 1203 belegte Siegel von Gautier, Kämmerer von Frankreich (Abb. 902). Die Gemme wird 1211 von dessen Sohn Pierre de Nemours, Bischof von Paris, als Rücksiegel wiederverwendet. Ihr Bild zeigt eine weibliche Büste mit großer Halskette. Das Haar ist über der Stirn in schrägen, parallelen Strähnen zurückgekämmt, scheint am Hinterkopf in einer Haube gefaßt, die von einem Stirnband gehalten wird. Wentzel nimmt an, daß byzantinische Gemmenscheider die französischen in der Kunst unterrichteten. Ihre Zuwanderung wäre, wie das Beispiel zeigt, unabhängig gewesen von der in diesem Zusammenhang immer wieder genannten Eroberung von Konstantinopel im Jahre 1204. In Paris ist seit dem Jahre 1259 eine Zunft der Edelstein- und Kristallschleifer (Cristalliers et Pierriers de pierres natureus) urkundlich belegt. Interessant ist eine Bemerkung des Dominikaners Giordano da Pisa oder da Rivalto (ca. 1260–1311) in der schon erwähnten, am 23. 2. 1305 in Santa Maria Novella zu Florenz gehaltenen Fastenpredigt (s. o. S. 252). Im Zusammenhang mit dem Nachweis, daß Buße und Reue wertvoller sind als gute Werke, Künste, alle Schätze der Natur und die ihnen innewohnenden Kräfte heißt es: „In jenem Gedicht [Ruggieri Apugliese, Serventese del Maestro di tutte l’arti] fehlen viele Künste, die jenseits der Berge betrieben werden. So gibt es in Paris große Kunstfertigkeit in der Herstellung von [tragbaren] Orgeln. In jenem Gedicht ist diese Kunst nicht genannt, ebensowenig die Kunst, Edelsteine vertieft zu schneiden und zu sägen (l’arte d’intagliare e segare le pietre preziose), was eine große Kunst ist.“ – Viele Künste seien noch nicht gefunden und jeden Tag könne eine neue gefunden werden. – „Noch ist es keine zwanzig Jahre her, daß die Kunst erfunden wurde, Brillen zu machen, die bewirken, daß man gut sieht, was eine der besten und notwendigsten Künste ist, welche die Welt besitzt.“ Die unmittelbare Nähe der Stelle über den Gemmenschnitt zu jener über den Orgelbau in Paris, macht wahrscheinlich, daß auch diese Kunst in Paris betrieben wird. Giordano hat in Bologna und Paris (ca. 1284–1286)

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studiert. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hat sich die Gemmenschneidekunst von Anfängen wie dem Siegel Gautiers zu höchster Blüte entwickelt. Die Büsten eines jungen Mannes und einer jungen Frau auf dem exquisiten Kameo in Wien nehmen das antike Motiv der gegenständigen Porträtbüsten wieder auf (Abb. 903). Die gewellten Halsabschnitte sind antiken Gemmen oder Münzen nachgebildet. Der Jüngling trägt eine damals modische, anliegende Kappe auf dem gelockten Haar. Das Haar der jungen Frau ist in feinen Wellen vom Scheitel herabgekämmt und durch eine schmale Binde über dem gelockten Stirn- und Schläfenhaar zusammengehalten, im Nacken ist es zu einem lockeren Knoten geschlungen, aus dem sich eine leicht gedrehte Locke gelöst hat. Rudolf Distelberger lokalisiert den Kameo vermutungsweise in Paris. Wahrscheinlich kennen wir sein unmittelbares Vorbild. Es könnte das Doppelporträt von Drusus maior und Antonia minor im gleichen Typus sein, das im Mittelalter in der Kirche eines französischen Klosters als Bild von Joseph und Maria verehrt wurde (Abb. 625, S. 262); auch die lose auf den Nacken der Frau fallende Locke findet sich dort.

3. Renaissance In der Renaissance sind antike Gemmen, ebenso wie Münzen, als Quellen schöpferischer Inspiration nahezu allgegenwärtig (s. auch o. S. 266f.). Dieses Thema kann hier nur gestreift werden. Großes Interesse galt den Porträts der römischen Kaiser, vor allem den zwölf ersten, einschließlich Caesar, deren Biographien Sueton überliefert, aber auch den späteren. Ein großer Nicolo im Cabinet des Médailles gibt ein außerordentlich feines, durchgeistigtes Bild des für seine Milde und philosophische Haltung berühmten Kaisers Antoninus Pius (Abb. 904). Ein trotz des kleinen Formates monumentales Bild des Orpheus unter den Tieren, das Ernst Kris vermutungsweise Valerio Belli (1468–1546) zuschreibt, kopiert in der Haltung, insbesondere dem Rückenakt, einen der Sklaven des Michelangelo in der sixtinischen Kapelle (Abb. 905). Das Bildmotiv selbst ist von antiken Gemmen angeregt. Die Kithara ist sehr ähnlich jener des Achill auf dem Amethyst des Pamphilos (Abb. 428). Möglicherweise war der PamphilosIntaglio, der um 1680 als Geschenk des Baseler Professors (Sebastian) Fesch (1647–1712) an Louis XIV nach Paris kam, schon im frühen 16. Jahrhundert bekannt. Dionysio Miseroni (1607?–1661), wie sein Vater Ottavio und sein Sohn Ferdinand Steinschneider in der Prager Hofwerkstatt, bringt 1651 das antike Porträtköpfchen der Antonia minor an einer Kanne aus Lapislazuli an (Abb. 906, s. o. Abb. 627). Es bildet den Kopf eines Sirenenleibes, der die Handhabe schmückt. Die Verbindungsstelle zwischen antikem Köpfchen und Sirenenhals ist durch eine zweireihige Kette aus halbrunden Perlen in weißem Email auf Gold geschmückt und kaschiert. Diese Wiederverwendung dokumentiert die Hochachtung des Renaissancemeisters vor der Arbeit des antiken Kollegen und den eigenen schöpferischen Umgang mit der Spolie – sicher zur Freude des Auftraggebers Kaiser Ferdinand III.

4. Antikisierende Gemmen des 16.–17. Jahrhunderts Eine kleine, bescheidene Kopie macht einen Apollo mit Leier und den Flöten des Marsyas aus dem Motiv des Orpheus von Valerio Belli(?) (Abb. 907). Ein im Vergleich zu seinen antiken

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Vorbildern etwas steif dasitzender Mercur läßt sich mit dem Abdruck eines Damensiegels aus dem Jahr 1531 vergleichen (Abb. 908). Im 18. Jahrhundert galten Gemmen dieser schlichten Machart häufig als antik. Ob dies ursprünglich beabsichtigt war, ist unsicher, da auch christliche Heilige in der gleichen Manier dargestellt werden. Es wurden auch neue Bildtypen unabhängig von antiken Vorbildern geschaffen, die wenn nicht gleich, so doch im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts unter die antiken Gemmenbilder gerechnet wurden. Zum Teil sind es Illustrationen von berühmten aus der Literatur bekannten Episoden. Beliebt waren Gemmen mit der vor allem aus Livius (2,12,1–13,5) bekannten Geschichte des Mucius Scaevola („Linkshänder“), der seine Rechte in das Altarfeuer hält (Abb. 909). Bei dem Versuch, König Porsenna in dessen Lager zu ermorden, ertappt und mit dem Tode bedroht, bewies er so die Unerschrockenheit des Römers. Singulär ist die berühmte, erstmals von Winckelmann in den „Monumenti inediti“ abgebildete, schon damals verschollene Gemme mit der Anekdote vom Tod des Aischylos: ein Adler soll seinen kahlen Schädel für einen Stein gehalten und eine Schildkröte darauf zerschmettert haben (Abb. 910). Eine erfolgreiche Erfindung war auch das Schlangenopfer an Salus und Aesculap, die von Meistern wie Valerio Belli (Kris, Renaissance 157/35), aber auch von Handwerkern aufgegriffen wird (Abb. 911). Das Motiv ist aus mißverstandenen antiken Darstellungen entwickelt, bei denen die heilige Schlange von Salus gehalten wird oder sich um den Altar windet; in der Antike ist sie niemals Opfertier. Schließlich sind hier die in Oberitalien aus Karneol und Lapsilazuli, seltener in anderem Material, seit der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts massenhaft hergestellten flüchtigen Gemmen mit Götterfiguren und Königsköpfen zu erwähnen, die in ganz Europa Verbreitung fanden. Sie deckten offenbar einen Bedarf an kleinen Gemmen für dekorative Zwecke, der mit antiken Gemmen nicht zu befriedigen war. Man wird sie dennoch nicht als Fälschungen ansehen können, da es den Käufern offenbar mehr auf das Motiv als auf den genuin antiken Ursprung ankam. Die gleichen Werkstätten stellten Apostelköpfe und Heiligenbilder im gleichen Stile her. An einer kleinen Amphora aus grünem Email in Wien sind Karneole dieser Art unterschiedslos neben antiken Gemmen angebracht (Abb. 912, Abb. 913). Die geheimnisvollen „Abraxas“-Gemmen übten weiterhin große Faszination aus. Schon im Mittelalter hatte man sie geschätzt (s.o. XX E) und in der Renaissance schuf man Amulette nach ihrem Vorbild. Ein solches ist der große bikonvexe Chalcedonachat in Wien (Abb. 914). Er ist erstmals abgebildet in dem berühmten, bis in das frühe 19. Jahrhundert als Standartwerk benutzten Buch „Abraxas“ des Joannes Macarius (Jean l’Heureux, ca. 1550–1614) und Joannes Chifletius (Jean Chiflet, 1588–1660) nach einem Abdruck aus dem Besitz des Staatsmannes und Gelehrten Hans Georg Hörwarth v. Hohenburg (†1622). Vielleicht war Hörwarth (Herwartius) auch der Besitzer des Originals. Die auf der Rückseite zwischen magische Charakteres gesetzten nachantiken Sternsymbole machen den Eindruck eines Horoskops. Auf der Vorderseite stehen Mercur mit Falkenszepter und Ähren und Anubis mit Kanne und Fackel einander gegenüber. Ihre Typen und Attribute haben nur teilweise antike Vorbilder, sind von gelehrten Interpretationen der Schriftquellen geprägt wie sie Macarius – Chifletius und die vielbenutzten, 1556 erstmals erschienenen Imagini delli Dei de gl’ Antichi des Vincenzo Cartari vortrugen. Die griechische Inschrift, die mit Ausnahme des Namens IAO keine antiken Vorbilder hat, lautet: „Iao, bring eines!“ „Ich bringe es“. Die Kraft des Amulettes ist verstärkt durch einen eingearbeiteten Stift aus zweierlei Metall (Kupfer und Bronze?). Ein

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stehender Jupiter Ammon in rotem Jaspis gehörte einst Peter Paul Rubens (1577–1640). Es ist das in den mittelalterlichen Lapidarien als besonders wirksam genannte Sternbild des Jupiter; da es nicht leicht zu „finden“ war, hat es ein Gemmenschneider geschaffen (Abb. 915). Bei Thomas v. Cantimbré heißt es: Wenn du in einem Stein, einen Mann mit Widderkopf eingeschnitten findest, so macht er den Träger liebenswert für alle Menschen und Tiere (14,69,24-25). Die Benennung „Jupiter“ ergibt sich aus Albertus Magnus (2,3,5; Wyckoff 143): Ein Mann mit Widderkopf, langem Haar und schmaler Brust ist das Siegel Jupiters; wenn man es auf einer Gemme findet, macht es den Träger angenehm, hochherzig und fähig, alles von Menschen zu erhalten, was er will, und er wird Glück haben, vor allem in Angelegenheiten, die in Religion und Glauben erstrebt werden. Der hermen- oder mumienähnliche bärtige König mit gekreuzten Armen auf einem Plasma-Amulett in Wien ist abgeleitet von Osiris-Mumien auf magischen Amuletten; von dort stammt auch die Anregung zu den magischen griechischen Inschriften (Abb. 916 a, b). Unter dem Gotte sitzen vier Genien, von denen die außen sitzenden Flügel tragen, während die Flügel der inneren verdeckt vorzustellen sind. Ein ähnliches Bild wird in dem Buch „Picatrix“ beschrieben. Es handelt sich um ein arabisch geschriebenes Handbuch der Magie, das auf Befehl des Königs Alfons von Kastilien 1256 ins Spanische, später ins Lateinische übersetzt wurde. Während es in den christlichen Lapidarien geschnittener Steine stets galt, die Gemmen zu finden, gibt dieses Buch Anweisungen zur Herstellung von Amuletten mit den Sternzeichen. Unter „Jupiter“ heißt es: Man graviert für ihn auf einen Ringstein von weißem Korund das Bild eines Mannes mit einer Krone auf dem Haupte, auf einem Throne mit vier Füßen, deren jeder auf dem Nacken eines stehenden Mannes steht, die Männer haben Flügel, und er hat betend die Hand erhoben, und dies in seiner Stunde und Exaltation. Die Wirkung dieses Siegelringes für seinen Träger ist, daß er sein Ansehen und seinen Wohlstand vermehrt, ihn Reichtum erwerben läßt und ihn in einen wohlgeordneten Zustand versetzt, ihm viele Kinder beschert und sie behütet und ihre Zahl vermehrt und alle Angelegenheiten so erledigt, wie es am besten ist, und daß er für seinen Träger alle nützlichen Werke, die er unternimmt, zustande kommen läßt und die List der Feinde abwehrt, sowie daß durch ihn der Träger Erfolg hat, wenn er sich einer Sache hingibt, und vor Anschlägen seiner Feinde sicher ist (II 10, p. 121). Das beschriebene Bild stimmt mit dem Amulett in Wien nicht exakt überein, erklärt aber das Vorkommen der vier Geflügelten. Chifletius erklärte den Gott als Allvater, dessen Hermengestalt vollkommene Ruhe ausdrücke, die Geflügelten als Engel. Barb vermutet als Ursprung der Vorstellung Psalm 99, 1: Dominus regnavit ... qui sedet super Cherubim. Die Rückseite bezieht sich wahrscheinlich auf das Horoskop des Besitzers: die Symbole von Venus, Mars, Sonne, Fischen, Mond, Saturn und Schütze (von links nach rechts) umgeben einen Caduceus, der über einem Himmelsglobus steht.

5. Klassizismus Im 18. Jahrhundert führt das genaue Studieren und Kopieren antiker Gemmen, insbesondere der signierenden Meister aus der Zeit des Caesar und Augustus zu einer neuen Blüte der Gemmenschneidekunst. An der Schwelle zu dieser Zeit steht der Nürnberger Glas- und Edelsteinschneider Johann Christoph Dorsch (1676–1732). Fern von Italien schnitt er Gemmen nach Stich-Vorlagen oder Bronzeplaketten von italienischen Gemmen des 16. Jahrhunderts vor allem für die Sammlung von Johann Martin von Ebermayer. Die antiken

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Gemmen dieser Sammlung wurden zusammen mit den antikisierenden von Dorsch 1720 und 1721 in zwei Bänden publiziert. Sie sind heute verschollen. Ein vielfiguriges Bacchanal vor einem Tempel mit konvex geschwungener Front läßt sich Dorsch zuschreiben. Sechs Personen, unter ihnen Pan und ein Kind, bewegen sich von links auf einen Altar zu, auf den die voranschreitende Frau eine Opfergabe legt; vier Personen, darunter zwei Flötenspieler nähern ich von rechts. Im Bodensegment steht die von der berühmten Aëtion-Gemme (Abb. 178) kopierte Pseudosignatur ΑΕΤΙWΝΟC (Abb. 917). Das Vorbild der Gemme war keine antike Gemme, sondern ein antikisierendes Werk in der Art von Gemmen des Valerio Belli (1468 – 1546). Dorschs Tochter Susanna Maria Preisler (1701–1765) wurde vom Vater im Edelsteinschnitt ausgebildet und übertraf ihn nach dem Urteil der Zeitgenossen an Kunstfertigkeit. Wie der Vater schnitt sie Gemmen zunächst nach Kupferstichen. Ihr Mann, der Zeichner und Kupferstecher Johann Justin Preisler (1698–1771), der Italien bereist und in Rom für Stosch gearbeitet hatte, brachte eine Sammlung von über 2000 Abgüssen, vermutlich überwiegend der Sammlung Stosch nach Nürnberg. In Kopien solcher Abgüsse kam die Steinschneiderin dem Stil der antiken Vorbilder sehr nahe (Abb. 918). Ein Stich ihres Schwagers Valentin Daniel Preisler nach einem Gemälde ihres Mannes zeigt die Künstlerin in festlicher Tracht vor einem Gemmenkasten; mit der Linken hat sie eine Schublade geöffnet, der sie eine mit der Rechten empor gehaltene Gemme entnommen hat. Auf dem Kasten liegt ein Blatt mit Siegellackabdrücken von Gemmen, davor eine auf einen Haltestock gekittete in Arbeit befindliche Gemme (Abb. 919). Die Bildunterschrift lautet: SUSANNA MARIA CHRISTOPH DORSCHES PRAESTANTISSIMI GEMMARUM CAELATORIS FILIA JO. JUSTINI PREISLERI ACADEMIAE PICTORUM NORICAE DIRECTORIS MARITA Dat pretium gemmis PRETIOSULA Patris Avique Conjugis ac Soceri fulgida luminibus „Susanna Maria, Tochter des vorzüglichen Gemmenschneiders Christoph Dorsch, Gemahlin von Joh(ann) Justin Preisler, Direktor der Malerakademie zu Nürnberg. Hohen Wert („Preis“) verleiht die Preislerin den Gemmen, leuchtend im Glanz des Vaters, Großvaters, Schwagers und Gatten“. Auch der Großvater Erhard Dorsch (1649–1712) war schon Steinschneider und eine Tochter Susanna Marias erlernte die Kunst ebenfalls. Das Spiel mit dem Namen der Künstlerin, die mit Preislern signierte, im Distychon läßt sich im Deutschen nicht bedeutungsgleich nachahmen. Im Unterschied zu Dorsch und Preisler erlernten die meisten Gemmenschneider der Zeit ihre Kunst in Italien und in unmittelbarem Umgang mit Originalen. Charakteristisch ist der Werdegang von Lorenz Natter (1705–1763). In seiner Heimatstadt Biberach hatte er zunächst in sechsjähriger Lehre das Goldschmiedehandwerk erlernt. Mit 19 Jahren begab er sich auf Wanderschaft und lernte weitere sechs Jahre lang in Bern die Kunst des Steinschneidens. 1730 wanderte er weiter nach Italien, zunächst nach Venedig, wo er nach eigener Aussage nur Wappensiegel schnitt. 1732 schließlich kam es zur entscheidenden Begegnung mit Philipp von Stosch in Florenz, der den jungen Künstler anhielt, sich durch Kopieren antiker Gemmen zu vervollkommnen. Englische Reisende gehörten zu seinen Hauptauftraggebern. Wie seine antiken Vorläufer folgte Natter den Auftraggebern, arbeitete in England, am dänischen

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Hof, in den Niederlanden und in St. Petersburg, auf seiner zweiten Reise dorthin starb er. Wie in den antiken Gemmenschneiderfamilien des Dioskurides und Alexas und der nochzeitgenössischen von Dorsch-Preisler wurde die Kunst in der Familie der Pichler vom Vater an die Söhne weitergegeben. Der aus Tirol stammende Anton Pichler (1697–1779) erlernte in Neapel die Gemmenschneidekunst, ließ sich später in Rom nieder (Rollett, Pichler). Zwei seiner Söhne wurden ebenfalls berühmte Gemmenschneider. Giovanni (1734–1791) kam in seinen Werken den antiken Vorbildern am nächsten. Sie waren so geschätzt, daß gelegentlich Gemmen fälschlich als seine Arbeiten ausgegeben wurden, um ihren Wert zu steigern, ja sogar seine Signatur gefälscht wurde (de Rossi 40). Giovanni bildete den viel jüngeren Halbbruder Luigi (1773–1854) aus; dieser arbeitete hauptsächlich in Rom, wurde 1818 als Professor an die Wiener Akademie berufen. In einem Intaglio hat Luigi seinen Lehrer und Bruder in einem Profilporträt mit antikisierender Büste dargestellt (Abb. 920). Weniger erfolgreich waren ein dritter Sohn Antonios, Giuseppe (1776–1829), und ein Sohn Giovannis, Giacomo (1778–1815). Als bedeutender Klassizist sei noch Nathaniel Marchant (1739–1816) genannt (Seidmann, Marchant). Die Paoletti und Tommaso Cades haben in ihre großen Abgußsammlungen auch Werke der zeitgenössischen Meister aufgenommen. Diese Künstler signieren vielfach wie ihre Vorbilder mit griechischen Buchstaben. Die besten unter ihnen ahmten die geschätzten Signaturen des Dioskurides und seiner Zeitgenossen mit ihren minutiösen, an den Enden mit Rundperlkügelchen versehenen Buchstaben sehr gut nach. Die Themen der in Italien arbeitenden Meister entsprechen der Nachfrage. Es sind vorwiegend Kopien, zuweilen auch Umbildungen von antiken Gemmen, antiken Plastiken oder Malereien, die als edle Reiseandenken geschätzt wurden; auch ließ man gern sein Porträt in eine Gemme schneiden. Eine Visitenkarte von Luigi Pichler nennt Preise in Zechinen (Rollet, Pichler 47 Anm. 1): Louis Pikler, Graveur en Pierres dures de Sa. Me. L’Empereur d’Autriche, à Rome 1808, Place d’Espagne Nr. 9. Portraits Sequins 40, Figure 40, Buste 30, Tête 25. On paye les pierres à part, et les portraits par avance. Ein typisches Beispiel für Kopien nach antiken Gemmen von Anton Pichler ist die Büste des Juba I. von Numidien mit der Beischrift IVBA (Abb. 921). Der Septimius Severus von Giovanni Pichler übertrifft an Feinheit der Modellierung und im Raffinement der Haarwiedergabe die antiken Vorbilder (Abb. 922). Eine sehr gute Kopie der mit dem Viergespann zum Himmel schwebenden Nike stammt von Luigi Pichler; er nannte sie „Aurora“ (Abb. 923). Die Arbeit wurde wahrscheinlich in Auftrag gegeben, weil das Original in der Wiener Sammlung zerbrochen war. Es gab wohl keinen Gemmenschneider der Zeit, der nicht eine Kopie der Medusa Strozzi geschnitten hätte. Gottfried Krafft aus Danzig, genannt „Il Tedesco“, der um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Rom arbeitete, hat die seine durch ein keckes Profil im Sinne des Zeitstils verschönert (Abb. 924, vgl. Abb. 446). Für Kopien nach anderen antiken Gattungen seien zwei Beispiele gegeben. Der Amethyst des Flavio Sirleti (†1737) mit der vatikanischen Laokoongruppe in der Ergänzung des 16. Jahrhunderts galt als sein Meisterwerk (Abb. 925). Die auf den Rücken eines gefesselten Kentauren kniende, ihn mit Stößen ihres Fußes und des Thyrsos antreibende Mänade von Antonio Pazzaglia (ca. 1736–1815) gibt ein Wandgemälde aus der Villa des Cicero wieder (Abb. 926).

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Während die Sammler der Renaissance zeitgenössische und antike Arbeiten gleichermaßen gewürdigt hatten, schätzten – und bezahlten – die Sammler des 18. Jahrhunderts antike Gemmen sehr viel höher als zeitgenössische. Es ging die Sage, das Geheimnis der antiken Gemmenschneider sei verloren gegangen, kein lebender Gemmenschneider könne die Qualität der antiken Vorbilder erreichen. Dies war Hauptanlaß für Natter, seine „Abhandlung über die antike Methode Gemmen zu schneiden im Vergleich mit der modernen“ zu schreiben (Natter, Traité 1754). Kopierend findet er heraus, daß Technik und Werkzeuge grundsätzlich die gleichen sind (s. u. S. 320f.). Moderne Gemmenschneider, versichert er, könnten ebenso gute Arbeiten schaffen wie die antiken, wenn sie ebensolche Förderer hätten wie Pyrgoteles in Alexander, Dioskurides in Augustus. Er selbst fand an den Höfen von Dänemark, der Niederlande, Londons und St. Petersburgs für jeweils kurze Zeit solche Mäzene, hatte jedoch nur einmal für ein halbes Jahr eine feste Stelle an der Münze von Utrecht, die er wieder aufgab, um freier Künstler zu bleiben (Nau 1966). In seiner Schrift wirbt Natter für den Gemmenschnitt: sei es doch angenehmer, eine schöne in Stein geschnittene Figur, die man immer wieder betrachten könne, im Ring zu tragen als einen einfachen Brillanten. Zudem beweise dies mehr Geschmack (Traité XVIII). Giovanni Pichler hat zuweilen eine Serie von Abdrücken von einer Arbeit in verschiedenen Schnittstadien gemacht, um seine Autorschaft zu beweisen, falls es etwa in Kennerkreisen heißen sollte, ein so vorzügliches Werk könne nur antik sein (Trube 1999, 2001). Auch Luigi Pichler wandte dieses Mittel an, um sich auf subtile Weise für die Geringschätzung eines Lords zu rächen. Der Lord hatte seine Werkstatt besucht, seine Arbeiten bewundert und Bestellungen in Aussicht gestellt. Bei einem anschließenden Besuch in Neapel zeigte er dem Gemmenschneider Filippo Rega eine zuvor erworbene antike Gemme. Rega behauptete, die Gemme sei ein Werk von Luigi Pichler. Der Lord glaubte ihm und suchte den angeblichen Fälscher nicht mehr auf. Luigi Pichler fertigte nun eine Kopie einer Gemme mit „Hercules, der die stymphalischen Vögel tötet“ nach einem Abguß im Besitz seines Bruders an und ließ sie dem Lord über einen Händler als antik verkaufen. Unmittelbar darauf schickte der Künstler dem Käufer der angeblich antiken Gemme eine Schachtel mit 8 Abdrücken von den Schnittstadien der Gemme (Mugna 31f.; Rollett 43–45). Eine Ausnahmestellung gegenüber solchen freischaffenden Künstlern hatte Jacques Guay (1711–1793), Abb. 973 (Babelon, Histoire 159-208 Taf. 13–15). Während eines mehrjährigen Italienaufenthaltes übte auch er sich im Kopieren antiker Gemmen, Statuen und Reliefs, später wandte er sich mehr allegorischen Kompositionen und Genrebildern im Rokoko-Stil, teils nach Zeichnungen von François Boucher, zu. Er genoß die Gunst Mme. Pompadours (1721–1764), der Favoritin von Louis XV, die eigene Stiche von Gemmen Guays herausgab. 1745 wurde Guay zum graveur du Roi ernannt. Mme. Pompadour ließ sich von ihm im Gemmenschneiden unterrichten. Die klassizistische Strömung setzt sich in der Glyptik des 19. Jahrhunderts fort. Außer dem schon genannten Luigi Pichler sind bedeutende Gemmenschneider wie Giuseppe Cerbara, Giuseppe Girometti, Benedetto Pistrucci, Giovanni Antonio Santarelli, Nicola Morelli zu nennen. Als neue Gemmen-Motive kommen etwa seit der Jahrhundertmitte auch Kopien von Werken berühmter Zeitgenossen wie Canova und Thorvaldsen hinzu. Die Zahl der in Rom arbeitenden Gemmenschneider stieg von 42 im Jahre 1824 auf 77 im Jahre 1830 an. Unter ihnen waren sowohl große Künstler wie Handwerker, Spezialisten für Kameen, Intaglien

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und zunehmend für Muschelkameen. Die Produktion von Muschelkameen, die freihändig geschnitten werden (s.u. S. 315) und preiswerter waren, brachte die Kameenschneider in Schwierigkeiten. Im Jahr 1856 werden nur mehr sieben Gemmenwerkstätten genannt, darunter fünf für Muschelkameen (Pirzio Biroli Stefanelli 1998). Muschelkameen werden heute noch, hauptsächlich in Neapel und Umgebung produziert. Eine ebenso preiswerte wie modische Form von Gemmenabgüssen, waren Reproduktionen in „Berliner Eisen“, schwarze Kunstgüsse in Eisen aus preußischen Bergwerken, die unter Friedrich Wilhelm III. (1797–1840) in den königlichen Gießereien in Gleiwitz, Berlin und Sayn sowie in einigen Berliner Privatgießerein hergestellt wurden. Die Vorlagen für die Formen ließen sich leicht in den großen Daktyliotheken finden. Sieben Medaillons dieser Art sind in einem Collier des Kunstgewerbemuseums Köln gefaßt (Abb. 927). Hoch- und Querformat wechseln ab, vier Medaillons geben Werke von Giovanni Pichler wieder, ein zusammenhängendes Programm des Ganzen ist nicht erkennbar. G. Seidmann nennt Wilhelm Schmidt (1845-1938) aus Idar-Oberstein den letzten klassizistischen Gemmenschneider.

6. Zwanzigstes und einundzwanzigstes Jahrhundert Im 20./21. Jahrhundert ist die Kunst des Gemmenschneidens selten geworden, der Kreis derer, die sich für zeitgenössische Werke der Glyptik interessieren, ist sehr klein. Durch das Miniaturformat, die gleichartigen Werkzeuge und ihre charakteristischen glatten, klar konturierten Spuren sind Gemmenschneider stärker mit ihren Zunftgenossen aus früheren Jahrhunderten und Jahrtausenden verbunden als dies in anderen Kunstgattungen der Fall ist. So ist es nach wie vor eine Herausforderung, die antiken Meisterwerke zu kopieren. Hierbei ergeben sich, wie seinerzeit für Natter, interessante Aufschlüsse über die Arbeit der antiken Meister. Dies gilt für die Kopie der Portlandvase von Josef Welzel aus dem Jahr 1987 (s. u. Abb. 987, 988) und für die Kopien von Tazza Farnese, Gemma Augustea und Grand Camée, die Gerhard Schmidt 2005 geschnitten hat (Abb. 928). Welzel war bis zu seiner Pensionierung Lehrer an der Glasfachschule Hadamar. Schmidt kommt aus der Schule von IdarOberstein, an der kontinuierlich Steinschneider ausgebildet werden. Aus ihnen gehen immer wieder Meister des Faches hervor. Von den alten Motiven leben vor allem die zeitlosen Themen Mensch, Tier und Porträt weiter. Gemmenporträts zumal haben bleibende Anziehungskraft; ermöglichen sie doch, das Bild eines geliebten oder verehrten Menschen in einer durch Kunst und edles Material erhöhten Form bei sich zu tragen. Das kniende, seine Haare waschende Mädchen neben dem schlanken Krug von Martin Seitz (1895–1988) ist eine Variation des alten Motivs des Mädchens oder der Venus, die in antiker Weise badet, indem sie sich kauernd mit Wasser übergießt (Abb. 929). Der fliegende Schwan ist eine schöpferische Erinnerung an den fliegenden Reiher des Dexamenos (Abb. 930, vgl. Abb. 141). Die Porträts der Töchter sind in ein von Elisabeth Treskow geschaffenes Armband gefaßt, das eine Geschenk an die Mutter war (Abb. 931). In Anspielung an die vorbildlichen griechischen Meister signiert Seitz mit einem griechischen Sigma. Von der Bildhauerei herkommend, nach kurzer Unterweisung an der Münchner Gewerbeschule bei Prof. Julius Schneider, erlernte er das Gemmenschneiden weitgehend autodidaktisch. Er begann mit freihändigen Schnitten in Bernstein, kam dann zur Arbeit mit Quarzen, vor allem Bergkristall, an der Werkbank, hat

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also in einem Künstlerleben einen Weg zurückgelegt, der sich in verschiedenen Perioden der Glyptik in langen Zeiträumen abspielt. Seitz hat ausschließlich Intaglien geschnitten. Die in den USA lebende, in dritter Generation aus einer Idar-Obersteiner Gemmenschneiderfamilie stammende Ute Klein Bernhardt schneidet vorwiegend Kameen. Sie arbeitet sowohl an der Werkbank mit festgelagerten Zeigern wie mit dem freihändig geführten Bohrer, zuweilen auch an einer restaurierten Werkbank mit Fußwippe, die seit ca. 1800 in Familienbesitz ist. Das Selbstporträt in blauem Chalcedon hat sie mit 17 Jahren geschnitten (Abb. 932). Der Chrysopras mit Stute und Fohlen variiert ein altes Thema in neuer Lebendigkeit, nicht das Säugen des Fohlens ist dargestellt sondern sein abenteuerlustiges Vorbeilaufen an der Mutter (Abb. 933). Das Porträt des Homer in einem kostbaren Turmalin ist eine künstlerische Interpretation des hellenistischen Typus (Abb. 934).

C. BEISCHRIFTEN, NEUSCHÖPFUNGEN, KOPIEN, FÄLSCHUNGEN 1. Namensbeischriften und Neuschöpfungen Von antikisierenden Gemmen des 16. und 17. Jahrhunderts, die möglicherweise erst sekundär für antik gehalten wurden, war schon die Rede. Der Wunsch der Sammler, Porträts berühmter Männer zu besitzen, verleitete jedoch auch zu offenkundigen Verfälschungen und Fälschungen. Nicht selten wurde einem antiken Gemmenporträt ein Name beigeschrieben. So wurde das Porträt des Demetrios II. durch die beigefügte Inschrift „Scipio Africanus“ benannt (Abb. 0000). Das Porträt eines Mannes in Persermütze, wohl eines Satrapen aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. erhielt die Beischrift ΑΕΤΙωΝΟC (des Aëtion), die es um so interessanter machte, als ihre Interpretation nicht eindeutig war (Abb. 178). Die Geschichte dieses Karneols ist ein Beispiel für die lebhafte Diskussion unter Gelehrten des frühen 17. Jahrhunderts, die dank der Abgüsse, die man sich zusandte, auch brieflich erfolgen konnte. Peiresc kannte den Karneol schon 1602 im Abdruck, erwarb ihn 1606 in England. 1623 stahl ein Diener während der Abwesenheit von Peiresc ein Elfenbeinschränkchen mit über 1200 Intaglien und 150 Goldmünzen. „Ma de’ tagli antiqui la perdita è inestimabile per me et specialmente d’una testa die Servio Sulpicio in plasma con la sua inscrittione, una testa di Aetione Re di Cilicia Troyana con la thiara phrigia, et la sua inscrittione ancora in corniola grande come una noce…“ Einen Teil des Diebesgutes konnte Peiresc zurückgewinnen, darunter die ihm besonders lieben Aëtionund Sulpicius-Gemmen, die er glücklicherweise nicht hatte in Gold fassen lassen, worauf es der Dieb abgesehen hatte. Aufgrund der Inschrift hielt er den Kopf mit der Persermütze für ein Bild des Vaters der Andromache, Königs der Kilikier, der allerdings Eëtion hieß. In einem Brief an den römischen Antiquar Lelio Pasqualini (1549–1611) spricht er sich gegen die Meinung des Augsburger Humanisten und Kaufmanns Marcus Welser (1558–1614) aus, wonach die Inschrift den Dargestellten als Aëtion, den Maler des berühmten Bildes der Hochzeit Alexanders mit Roxane bezeichne (Lukian, Herodotos 4–6). Rubens hielt die Inschrift für die Signatur, was auch Peiresc zunächst erwogen hatte. Rund 100 Jahre später nahm Stosch die Gemme unter die signierten Werke auf, den Dargestellten nannte er Priamus (Abb. 935). Die Inschrift

C. BEISCHRIFTEN, NEUSCHÖPFUNGEN, KOPIEN, FÄLSCHUNGEN

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entspricht nach ihrer Schreibweise (mit kursivem Epsilon, Omega und Sigma) nicht der des 4. Jahrhunderts v. Chr., sondern jener des 16. Jahrhunderts, wie schon Furtwängler sah. Sie ist offenbar von dem gleichlautenden Künstlernamen abgeleitet. Was ihre vom Graveur gemeinte Bedeutung war, muß offen bleiben. Der „Servius Sulpicius“ des Peiresc ist wahrscheinlich identisch mit einem Porträt eines bärtigen Mannes mit Stirnglatze in Florenz, dem C. SVLP. beigeschrieben ist (Abb. 936). Das Material, Plasma, stimmt überein, möglicherweise las Peiresc den ersten Buchstaben als „S“. Das Porträt ist eine Neuschöpfung, deren pathetischer, unantiker Charakter den Zeitgenossen nicht auffiel. Der Hersteller oder Auftraggeber gab den Gelehrten mit der Inschrift auch gleich eine Nuß zu knacken: Welcher Sulpicius war gemeint? Peiresc dachte wohl an Servius Sulpicius Rufus, den als Freund Ciceros bekannten Politiker und Juristen (Der Neue Pauly XI Sulpicius I 23). Er war 43 v. Chr. auf einer Gesandtschaft zu M. Antonius gestorben. Cicero beantragte für ihn beim Senat ein feierliches Begräbnis und eine Ehrenstatue auf der Rednertribüne (9. Philippica). Das Porträt dieses Servius Sulpicius Rufus erkannte Faber auf einem Denar mit der Inschrift „L. Servius Rufus“ im Besitz des Fulvio Orsini (Abb. 937). Faber hält „Lucius“ und Servius“ für zwei Vornamen des Sulpicius. Er merkt an, das gleiche Porträt wie auf den von einem Familienmitglied geprägten Silbermünzen finde sich auf einem Karneol (Eadem imago in antiqua etiam Corniola reperitur, illi perquam similis, quam diximus exstare in numis argenteis ab aliquo de famlia cusis). Dieser „Karneol“ kann durchaus mit dem Plasma des Peiresc identisch sein, da das Wort in jener Zeit gelegentlich für Intaglio schlechthin gebraucht wird. Das Porträt auf dem Florentiner Plasma hat in Profil und Barttracht eine vage Ähnlichkeit mit dem Münzbild, unterscheidet sich aber von ihm durch die kahle Stirn. Dies mag aufgrund des vermeintlichen Zeugnisses der Inschriften als ein Unterschied im Lebensalter erklärt worden sein. Agostini, der 1657 einen Stich der SulpiciusGemme publiziert (Abb. 938), nimmt das „C.“ ernst und identifiziert den Dargestellten mit C. Sulpicius Paterculus, Cos. 258 v. Chr. (Der Neue Pauly XI Sulpicius I 17). Maffei vermutet, daß C. Sulpicius Camerinus, Cos. 393 v. Chr., gemeint sei (a. O. I 2). Ebenfalls eine Neuschöpfung ist ein Karneol mit dem Phantasieporträt des Titus Quinctius Flamininus mit den beigeschriebenen griechischen Buchstaben ΤΦΘ (Abb. 939). Orsini kaufte die Gemme um den für einen Karneol-Intaglio relativ hohen Betrag von 30 Goldstücken und bildete sie in seinen Illustrium imagines ab (Abb. 940). Die Inschrift deutet er als die griechische Entsprechung von Titus Flaminius (irrtümlich für Flamininus) Divus. Faber kommentiert, man könne aus der Umschrift rückschließen auf die bei Plutarch (Titus 1) erwähnte griechische Inschrift an einer Statue des Flamininus. Tatsächlich lieferte die Plutarchstelle wohl die Idee für die Inschrift. Das echte Porträt des Flamininus auf makedonischen Goldstateren von ca. 196/5 v. Chr. war offenbar noch nicht bekannt. Eine berühmte, schon 1723 verschollene, aber in Abdrücken verbreitete Gemme bildet das Motiv des Schwert betrachtenden Heros (Achill oder Theseus) nach, wobei der dezent umgelegte Mantel und der schwungvolle Stand dem Zeitgeschmack entsprechen (Abb. 941). Für die Beischrift CAEKAS gibt es nur eine Erklärungsmöglichkeit: offenbar bezeichnet sie den Jüngling als Caecas, einen Gefährten des Aeneas, der nach Sextus Pompeius Festus (de verborum significatu, Pauli excerpta, p. 38 Lindsay), Stammvater der Caecilier war. Die Gemme lieferte somit eine ganz seltene Darstellung, wobei die Schreibweise des Namens mit C und K offenbar eine zusätzliche Herausforderung an die gelehrten Deuter sein sollte. Die Herausforderung war zu groß, denn keiner der frühen Erklärer verfiel auf den

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Stammvater der Caecilier. Stosch hielt die Inschrift für eine Signatur und bildete die Gemme auf Taf. 21 seiner Gemmae antiquae caelatae ab.

2. Kopien und Fälschungen Seit dem 16. Jahrhundert war es üblich, daß Gemmenschneider Kopien berühmter, insbesondere signierter Stücke herstellten. Oft geschah das im Auftrag von Sammlern, die, wenn schon nicht das Original, so doch eine Kopie in Edelstein besitzen wollten. So hatte Stosch eine Kopie des Hundekopfes des Gaios (Abb. 296), der sich damals im Besitz von Lord Bessborough befand, durch Lorenzo Masini in Bergkristall schneiden und signieren lassen; die Signatur lautet ΜΑCΙΝΟC ΕΠΟΙΕΙ und läßt keinen Zweifel am Hersteller (Winckelmann cl. 2, 1240). Es war aber auch üblich, die antike Signatur mitzukopieren. Manchmal bewahren solche Kopien die Kenntnis verschollener Stücke: Dies gilt für die Cicero-Porträts des Solon (Abb. 942) und des Dioskurides (Abb. 943) ebenso wie für dessen Porträt eines hellenistischen Herrschers (Abb. 459) und Caesars (Abb. 944). Die Kopien der Hercules-Nymphengruppe des Teukros (Abb. 945) und der Herculesbüste des Gnaios in Wien (Abb. 946) lassen sich mit den Originalen vergleichen (Abb. 445, 477). Dies gilt auch für eine Kopie der Muse des Onesas (Abb. 947, vgl. Abb. 283). Die Proportionen des Vorbildes sind gelängt, die Falten des Chitons zierlich bewegt, der am Original, einer Glaspaste, undeutliche Überschlag in welligem Bogen geführt. Zu diesen stilistischen Merkmalen kommt ein antiquarischer Fehler: die Leier hat zu viele Saiten. Die Signatur ist viel größer als am Original und senkrecht gestellt. Die Abkürzung von epoiei zu ep. kommt bei antiken Signaturen nicht vor, ist aber bei nachgeahmten Signaturen häufig. Man hielt sie für antik, weil man sie auf Abgüssen der Minerva des Eutyches (Abb. 468) las, bei der die letzten vier Buchstaben zu Anfang des 18. Jahrhunderts durch eine Fassung verdeckt und infolgedessen auf den Abgüssen nicht zu sehen waren. Solche Kopien bekannter Originale sind keine Fälschungen. Die Kopien und Inschriften des 16. und 17. Jahrhunderts lassen zudem den Zeitstil erkennen. Die Frage „antikes Original, Kopie oder Fälschung“ wird zwar unter den Gelehrten des 17. Jahrhunderts schon diskutiert, gewinnt jedoch erst im 18. Jahrhundert grundsätzliche Bedeutung, da Sammler antike Gemmen über alles schätzten. Die Vielschichtigkeit des Problems erhellt aus einem Selbstzeugnis Natters. Er berichtet, daß er gleich nach seiner Ankunft in Rom (1735) im Auftrag des Malers und Zeichners Odam die Venus des Aulos (Abb. 455) kopiert, durch leichte Variation in eine Danaë verwandelt und mit dem Namen „Aulos“ versehen habe. Die Gemme habe er als seine eigene Arbeit an einen Herrn Schwanau verkauft, der sie hoch schätzte. Solche Kopien fertige er auch heute noch auf Bestellung an, nie aber habe er eine solche als antik verkauft (Traité XXIXf.). Natters Danaë ist nicht erhalten. Es ist leicht einzusehen, daß ein solches Werk selbst bei vollkommener Ehrlichkeit des Gemmenschneiders in der zweiten oder dritten Hand für antik gehalten werden konnte; zumindest solange Stil und Motiv mit den Vorstellungen der Zeitgenossen von antiker Form übereinstimmten. Rollets Œuvre-Listen der Pichler enthalten jeweils Gemmen mit Zufügung antiker Gemmenschneidernamen, die keine Kopien nach antiken signierten Werken sind. In diesen Fällen blieb die Kenntnis der Autorschaft bewahrt. Ein Hercules im Löwenkampf des Giovanni Pichler hat zusätzlich zur „antiken“ Signatur ΦΙΛΗΜΟΝΟC die echte Signatur Π.

C. BEISCHRIFTEN, NEUSCHÖPFUNGEN, KOPIEN, FÄLSCHUNGEN

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(Rollet, 32 Nr. 106). Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß zumal im Rom des 18. Jahrhunderts die begierige Suche der Sammler nach antiken Gemmen und die guten Preise, die sie zahlten, nach den üblichen Gegebenheiten des Antikenmarktes auch Fälschungen hervorriefen. Rollet berichtet, daß Händler sowohl Giovanni wie Luigi Pichler in ihrer Jugend Gemmen abkauften und sie um ein vielfaches des Preises als antik verkauften. In seiner ein Jahr nach dem Tode Giovannis erschienenen Vita erzählt de Rossi eine dramatische Geschichte von der Entdeckung des Betrugs. Eines Morgens verkaufte Giovanni dem Antiquar einen Karneol für 12 Paoli, am Abend desselben Tages trifft er diesen in einem Café bei einem Verkaufsgespräch mit einem Reisenden von jenseits der Alpen. Der Antiquar fordert 60 Zecchini (also 1200 Paoli) für eine Gemme, der Käufer bietet 40. Als es zu keiner Einigung kommt, zerschmettert der wütende Händler die Gemme mit einem Hammer, der Fremde zieht den Degen, in dem entstehenden Tumult erkennt Giovanni in den Fragmenten der Gemme sein Werk. Auch andere berühmte Gemmenschneider wie Flavio Sirletti (†1737) und Carlo Costanzi (1703–1747) werden mit solchen pseudoantiken Arbeiten in Verbindung gebracht. Nachrichten, daß Fälschungen und Zufügungen von Inschriften im Auftrag von Händlern hergestellt wurden, sind zwar im einzelnen nicht nachprüfbar, aber grundsätzlich glaubhaft. Ein bekannter Kunsthändler und Bankier, hervorragender Kenner von Gemmen und Münzen war der Engländer Thomas Jenkins. Ein Zeitgenosse, der Bildhauer Nollekens, der sich 1760/70 in Rom aufhielt und sich selbst mit der Restaurierung bzw. Ergänzung von Skulpturen befaßte, berichtet, Jenkins habe in den Ruinen des Colosseums eine Fälscherwerkstatt für Intaglien und Kameen unterhalten (A. Michaelis, Ancient Marbles in Great Britain [1882] 77; J. T. Smith, Nollekens and his times [1828, facs. 1986] 10, 159; Vaughan 22, Scarisbrick 1994, XVII). Freilich darf man einen Fälschungsvorwurf, der in diesem eng verflochtenen Kreis von konkurrierenden Händlern, Sammlern und Künstlern geäußert wird, nicht unbesehen glauben; er wurde, wie die oben (S. 296) angeführte Behauptung von Rega zeigt, auch als Waffe gegen Konkurrenten benutzt. Aus dem Entwurf eines Sendschreibens von Winckelmann an Lippert erfahren wir, daß Natter nach Erscheinen der Beschreibung der Sammlung Stosch behauptete, daß wenigstens die Hälfte der beschriebenen geschnittenen Steine neu und größtentheils von ihm selbst gearbeitet sey (Kleine Schriften, ed. W. Rehm 188f.; Würzburg I 1986, 27f.). Was Natter veranlaßt hat, seinen ehemaligen Gönner und den Verfasser der Déscription als Betrüger hinzustellen, bleibt unbekannt. Die Gemmensammlung selbst widerlegt Natter und erweist Stosch als einen den meisten Zeitgenossen überlegenen Kenner antiker Gemmen, der in der eigenen Sammlung wie in den Gemmae antiquae caelatae Nichtantikes nach bestem Wissen ausgeschieden hat. Winckelmann betont, daß er Werke zeitgenössischer Künstler in der Sammlung Stosch als solche bezeichnet hat. In der Déscription sind vier Werke Natters und eine Glaspaste von seinem Porträt Kardinal Albanis aufgeführt. Auf der Suche nach einem möglichen wahren Kern der Nachrede überlegt Winckelmann: Unglaublich aber scheinet mir nicht, daß Herr von Stosch von Herrn Natter Copien alter Steine [hat] machen laßen, und wenn dieselben gerathen, es einigen jungen Anfängern in der Liebhaberey dieser Art zweydeutig gelaßen, ob es alte oder neue Arbeiten seyn: denn einige Reisende von jenseits der Alpen, die als Kenner in Italien ehe sie gelernet, erscheinen wollen, bleiben nicht unbillig ihrer Kenntniß überlaßen. Es ist mir aber nichts dergleichen bekannt, und

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XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE

würde allezeit eher zu verzeihen seyn als die Namen Griechischer Künstler, welche itzo lebende Künstler auf ihre eigene, oder auf andere geschnittene Steine gesetzet haben. Der Wahrheitsgehalt alter Verdächtigungen läßt sich nur an den Gemmen selbst nachprüfen. Einerseits widerlegen die überwiegend antiken Gemmen der Sammlung Stosch die Behauptungen Natters. Andererseits können erhaltene Fälschungen durch das Aufspüren ihrer Vorbilder und stilkritische Prüfung erkannt werden. Die besonders begehrten Gemmen mit Künstlersignaturen waren lohnende Objekte des Fälschens. Eine Kopie der Muse des Onesas ist nicht mehr Wiedergabe des bekannten Meisterwerkes, täuscht vielmehr durch die Pseudosignatur eines Allion ein neues Werk vor (Abb. 948). Dieser Künstlername ist eine Erfindung, die auf der falschen Lesung der Signatur ΔΑΛΙΟΝ auf einem Herrscherporträt in Florenz als ΑΛΛΙΟΝ beruht. Die Gruppe eines bacchischen Paares, das auf einem Panther reitet, ist von einer antiken Gemme in Florenz kopiert und mit der Pseudosignatur eines Karpos versehen (Abb. 949, das Vorbild: Abb. 950). Stosch hat die beiden letztgenannten Stücke in sein Buch aufgenommen; obgleich er vor falschen Signaturen auf der Hut war, ist es ihm nicht gelungen alle auszuscheiden. Ein belegter Fall für die „Wertsteigerung“ eines antiken Kameos durch eine gefälschte Künstlersignatur ist der heute verschollene, aber in Abgüssen erhaltene Kameo Wallmoden. Johann Ludwig, Graf von Wallmoden-Gimborn, illegitimer Sohn des englischen Königs Georgs II., erwarb ihn 1766 bei einem römischen Händler (Abb. 951). Es handelt sich um ein vorzügliches antikes Porträt des Germanicus.Winckelmann hielt es für das schönste Porträt des Caligula. Giovanni Casanova berichtet, der Kameo sei ihm noch ohne Signatur für 150 Dukaten angeboten worden, diese sei im Auftrag eines zweiten Händlers, der glaubte, es habe ihn noch niemand gesehen, von dem „berühmten Pichler“ eingeschnitten worden. Gemeint ist Giovanni Pichler, der seit 1743 in Rom lebte. Wallmoden habe den Kameo dann für 400 Dukaten gekauft. In diesem Falle bestätigt ein Vergleich mit Signaturen G. Pichlers die Behauptung. Die Pseudosignatur unterscheidet sich von echten gerade durch ein Übermaß an Feinheit und Akuratesse. Ihren Gipfel erreichte die Fälschertätigkeit in der zweiten Sammlung Poniatowski. Fürst Stanislas Poniatowski (1754–1833) hatte von seinem Onkel, dem letzten polnischen König Stanislas, eine Gemmensammlung von rund 150 Stücken geerbt, die er vermehrte. Diese Sammlung begleitete ihn auf seinen Reisen. Er lebte meist in Italien, zunächst in Rom später in Florenz. Ennio Quirino Visconti (1751–1818) hat die Sammlung vor 1796 studiert und einen Katalog der 136 von ihm für antik gehaltenen Gemmen hinterlassen. Unter ihnen befand sich die Io des Dioskurides (Abb. 467), die Wasserorgel (Abb. 597) und ein etruskischer Karneol-Skarabäus mit Peleus am Waschbecken (s.o. zu Abb. 332). Die Sammlung enthielt auch Modernes wie einen Apollo mit Signatur von Burch (Tassie – Raspe Nr. 2974) und antikisierende, aber wohl für antik gehaltene Stücke, von denen einige in der Daktyliothek von Tassie zu finden sind. Diese erste Sammlung Poniatowski war also eine ganz normale Kollektion im Stil der Zeit. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt, nur mehr wenige Stücke lassen sich nachweisen. Nach Visconti hatte Cades drei Kästchen (tavole) mit 116 Abgüssen der Sammlung im Angebot. In seinen letzte Lebensjahren legte Fürst Poniatowski eine zweite Sammlung an, die in einem kurz vor dem Tod des Fürsten erschienenen Privatdruck Catalogue des Pierres Gravées Antiques de S. A. le Prince Stanislas Poniatowski publiziert wurde. Schon der

C. BEISCHRIFTEN, NEUSCHÖPFUNGEN, KOPIEN, FÄLSCHUNGEN

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Titel bezeichnet alle Gemmen als antik. Es waren 2601 Stücke, darunter 1737 mit Künstlernamen wie den aus Plinius bekannten Pyrgoteles, Dioskurides, Apollonides und Kronios sowie den von Stosch publizierten Namen, aber auch „bisher unbekannten“, d. h. erfundenen. Die Motive boten all die Illustrationen zur Göttersage, zur Ilias und Odyssee, zur Aeneis und den Metamorphosen des Ovid, die man auf antiken Gemmen vergeblich gesucht hatte, ferner die Bildnisse berühmter Griechen und Römer mit den jeweils beigeschriebenen Namen. Offenbar hatte der Fürst mehrere zeitgenössische Gemmenschneider mit der Anfertigung der Gemmen beauftragt. Was den hochgebildeten Kunstkenner zu dieser Täuschung veranlaßte, bleibt rätselhaft. Vielleicht, so G. Seidmans Vermutung, der Wunsch, seinen Erben eine Sammlung zu hinterlassen, die viel Geld einbringen würde. Vielleicht der überspannte Gedanke, man könne so der gesamten Sammlerwelt beweisen, daß die Kunst der zeitgenössischen Gemmenschneider jener der antiken gleichkomme. Ernst Heinrich Toelken, Directorialassistent am Antiquarium des Königlichen Museums zu Berlin, hat umgehend in einer Rezension des Werkes (1832) den Nachweis geführt, daß es sich um zeitgenössische Gemmenschnitte handelt. „Wer Arbeiten von Girometti, Amastini, Pichler dem Jüngeren, Calandrelli und andern geschickten Steinschneidern unserer Zeit kennt, möchte darauf schwören, hier ebenfalls Werke von ihnen vor sich zu sehen.“ „Wir haben also hier – es thut uns leid, die harte Anklage auszusprechen! – in Werken und Worten eine wissentliche Betrügerei vor uns, die in solcher Ausdehnung bis jetzt in der Kunstgeschichte noch nicht vorgekommen ist.“ Außer auf den Katalog selbst konnte Toelken sich auf eine Auswahl von 419 Abdrücken „der auserlesensten Stücke“ stützen (Toelken 316; Platz-Horster, Calandrelli Taf. 11–17). Die Qualität der Arbeiten erkennt er ausdrücklich an und bedauert, daß ihre Würdigung durch den Betrug verhindert werde. Kürzer hatte sich Raoul Rochette schon 1831 im gleichen Sinne geäußert. Beide Kritiker setzen voraus, daß Fürst Poniatowski selbst getäuscht worden sei, was nach Lage der Dinge nicht möglich ist. Obgleich die archäologische Gemmenkritik also durchaus in der Lage war, die „Poniatowski-Gemmen“ sogleich als Fälschungen zu erkennen, versetzte die Affaire den Sammlern einen tiefgehenden Schock. Eine Erwähnung bei Creuzer (1834) zeigt, daß die Nachricht im Kreis der Gemmenkundigen die Runde machte. Die Sammlung wurde 1839 bei Christie’s versteigert und zu einem großen Teil von John Tyrrell im Glauben an ihren antiken Ursprung erworben. Tyrell bat Nathaniel Ogle, einen Katalog der Sammlung zu schreiben, dieser glaubte jedoch zu erkennen, daß die meisten Gemmen von Giovanni Pichler (der aber bereits 1791 verstorben war) stammten und veröffentlichte diese Meinung in zwei Zeitungsartikeln. Tyrells Hoffnung, das British Museum würde die Sammlung kaufen, zerschlug sich. 1857 veröffentliche James Prendeville einen Teil der Sammlung in Photographien der Abgüsse, eine frühes Beispiel für den Einsatz der Photographie in der Archäologie. Tyrell verkaufte Teile der Sammlung, sie wurde nach und nach zerstreut. Die zu einem Teil in den Photographien Prendevilles und in verschiedenen Abdrucksammlungen dokumentierten Gemmen sind heute, der Täuschungsgefahr entkleidet, Zeugnisse erstklassiger klassizistischer Gemmenschneidekunst. Einen der für Poniatowski arbeitenden Gemmenschneider konnte G. Platz-Horster aufgrund von Zeichnungen im Antikenmuseum Berlin nachweisen: Giuseppe Calandrelli (1784–1852). Calandrelli arbeitete seit Winter 1815/16 für Poniatowski. Als Grundlagen der Entwürfe erwiesen sich Karl Philipp Moritz, „Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten“ (21795),

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XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE

sowie die Übersetzungen der Ilias und Odyssee von Johann Heinrich Voss (1781/1795). Hierbei ist vorauszusetzen, daß die Themen für die Gemmenschneider aus dem Deutschen in eine italienische Kurzfassung übertragen wurden, womit sich der Kreis jener, die um diese großangelegte Mystifikation wußten, erweitert. Calandrellis Karriere war von dem Verdacht der Mitarbeit an den Poniatowski-Gemmen überschattet. Durch Vermittlung des Bildhauers C. D. Rauch erhielt er zwar von 1832–1836 eine Anstellung als Lehrer für „Glas-und Krystallschnitt“ an dem königlichen Gewerbeinstitut in Berlin, danach hatte er bis zu seinem Tode keine festen Einkünfte mehr. Höchst merkwürdig ist, daß Toelken einige Gemmen Calandrellis für das Antiquarium erwarb und als antike Arbeiten inventarisierte. Dies läßt sich nur so verstehen, daß er, der als Wissenschaftler die Fälschungen mit aller Schärfe aufgedeckt hatte, wobei Calandrelli ja namentlich genannt worden war, sich als Mensch am Unglück des Mannes mitschuldig fühlte, und daß er keine andere Möglichkeit sah, ohne Kränkung in bescheidenem Maße zu helfen. Die „Zeichnungen Calandrelli’scher Gemmen“, Abgüsse und Originale in Berlin, erlauben in bisher einmaliger Weise, die Arbeit eines klassizistischen Gemmenschneiders von der Zeichnung bis zum fertigen Steinschnitt zu verfolgen. Calandrelli erweist sich dabei als Meister in der Erfindung und Ausführung von Motiven „secondo l’ antica maniera“, wie er zu Beginn des handschriftlichen Kataloges der Abgüsse schreibt. Ein Karneol mit Herkules im Kampf mit dem kretischen Stier übernimmt die rechteckovale Form von augusteischen Vorbildern, an denen sich auch der Stil orientiert (Abb. 952) Der Anreiz zu Fälschungen ist die Schattenseite der Sammelleidenschaft. Es gibt keinen Sammler oder Forscher, der in diesem Punkt nicht Lehrgeld gezahlt hätte. Bezeichnend ist die Erzählung des Grafen Tyszkiewicz von seiner ersten Gemmensammlung (Memories of an Old Collector [1898] 32–34). Während er sich in den Jahren 1862–1865 in Neapel aufhielt, begeisterte er sich mehr und mehr für antike Gemmen. In nur fünfzehn Monaten gab er 125.000 francs (5.000 Pfund) für Gemmen aus. Mit allmählich geschärftem Blick erkannte er schließlich, daß mindestens zwei Drittel der Gemmen modern war. Ärgerlich verkaufte er die ganze Sammlung um ein Viertel des Kaufpreises an seinen Freund Alessandro Castellani (1823–1883). Dieser habe offenkundig Falsches aussortiert, Zweifelhaftes darin gelassen, eigene Ankäufe hinzugefügt und die ganze Sammlung dem British Museum verkauft. (Dies war die erste, 1865 angekaufte Castellani collection, eine zweite folgte 1872). Tyszkiewicz schließt It was a lesson for me, and a good lesson too. From that time I understood that I must study the science of gems from the very beginning, and I threw myself into it with an ardour which was soon its own reward. Das Problem der Fälschungen ist um so kleiner geworden, je besser antike Gemmen bekannt wurden. Motive, die der antiken Ikonographie widersprechen oder antiquarische Fehler aufweisen, lassen sich ausscheiden. Die Publikation von charakteristischen Beispielen antikisierender Gemmen des 16.–17. Jahrhunderts hat die Gefahr, daß sie für antik gehalten werden, weitgehend gebannt. Geringere Künstler des 18. Jahrhunderts kommen den antiken Vorbildern nicht nahe genug als daß sie täuschen könnten. Eigene Erfindungen der großen Meister dieses Jahrhunderts sind als solche evident. Die Gefahr einer Verwechslung besteht bei einer sehr guten Kopie, wenn deren Original verschollen ist oder nicht erkannt wird.

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A. GEMMENSTEINE

XXII. DAS MATERIAL DER GEMMEN A. GEMMENSTEINE Der Mineraloge Friedrich Mohs (1773–1839) entwickelte eine Härteskala von Mineralien, die Verhältniswerte auf einer Skala von 1–10 anbietet. Bezogen auf Gemmensteine gibt sie Anhaltspunkte über die Schneidbarkeit der Edelsteine, wobei darüber hinaus auch die besondere Struktur des Minerals eine Rolle spielt.

1. Härteskala nach Mohs 1: Talk

2: Gips

3: Kalkspat

4: Flußspat

5: Apatit

6: Feldspat

7: Quarz

8: Topas

9: Korund

10: Diamant

Minerale der Härte 1 und 2 sind mit dem Fingernagel ritzbar und für den Gemmenschnitt ungeeignet. Die beiden nächsten Härtegrade, 3 und 4, lassen sich freihändig schneiden. Steine der Härte 5 lassen sich zwar noch mit Metallwerkzeug ritzen, werden aber wie alle härteren Gemmensteine in der Regel mit dem rotierenden Bohrer und Schleifmittel geschnitten (s. u. XXIII C1). Steine ab Härte 6 ritzen Glas. Wesentliche Merkmale für die Beschreibung von Gemmensteinen sind Farbe, Grad der Lichtdurchlässigkeit (durchsichtig, durchscheinend, undurchsichtig) und Reinheit. Die Bestimmung der Steinart läßt sich bei den gängigen Materialien mit dem Auge ermitteln, wo nötig unterstützt von Lupe oder Mikroskop. In Zweifelsfällen bedarf es einer mineralogischen Untersuchung. Die in der Glyptikforschung übliche Terminologie deckt sich nicht immer mit der, überdies nicht länderübergreifend einheitlichen, der Mineralogie, steht jener der traditionellen Edelsteinkunde näher. Die von Theophrast und Plinius genannten Steine lassen sich nicht immer sicher identifizieren. Die Hauptstellen zu den Steinbezeichnungen des Plinius werden im folgenden genannt, wenn ihre Beziehung auf den betreffenden Stein gesichert scheint. Die in Klammern stehenden Zahlen bezeichnen die Härte nach Mohs.

2. Serpentin und Steatit (2,5–4) SERPENTIN, Plinius bezeichnet ihn mit dem griechischen Wort Ophites (Plinius 36,55– 56,158), hat seinen Namen, „Schlangenstein“, von charakteristischen, der Schlangenhaut ähnlichen Flecken einiger Arten. Serpentin ist ein undurchsichtiger Stein, der sich von Hand bearbeiten und gut polieren läßt, oft fühlt er sich leicht fett oder seifig an. Er kommt in vielen Farbvarietäten von weiß über gelblich, braun, hell– und dunkelgrün sowie schwarz vor. Diese Steine sind in der frühen minoischen und geometrischen Glyptik sowie bei den Inselgemmen häufig. Die Bezeichnung „Serpentin“ wird in der Gemmenliteratur seit Boardman, GGFR 1970, bevorzugt, früher bezeichnete man die Steinsorte meist als

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XXII. DAS MATERIAL DER GEMMEN XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE

STEATIT (Speckstein, steatites Plinius 37,186, vgl. 36,159). Steatit hat in reiner Form die Härte 1, kann allerdings durch Verunreinigungen härter sein. Beide Steine sind Magnesiumsilikate und ohne mineralogische Untersuchung nicht unterscheidbar, ja zuweilen sind auch Mineralogen uneins über die Bestimmung.

3. Lapislazuli (5–5,5) Die einzige antike Quelle für LAPISLAZULI waren die Vorkommen in Badakhshan im Nordosten von Afghanistan. Der opake Stein ist durch die nach ihm benannte ultramarinblaue Farbe und die punktförmigen goldfarbenen Einschlüsse unverkennbar. Der antike Name war sáppheiros (σάπφειρος, Theophrast 8, 23, 37), sappirus (Plinius 33,68; 37,120.139). Die Bezeichnung „Lapislazuli“ kommt im Mittelalter auf, zugleich geht der Name „Saphir“ auf den heute so genannten blauen Korund über. Der Name ist aus lateinisch lapis (Stein) und arabisch lazaward (blau) gebildet, die deutsche Bezeichnung ist „Lasurstein“. Schon im alten Ägypten wurde gemahlener Lapislazuli als Malfarbe verwendet. Seit dem 14. Jahrhundert wird die Malfarbe Ultramarin–Blau, „Blau von jenseits des Meeres“ genannt. Lapislazuli kommt als Gemmenstein seit minoischer Zeit vor, bleibt jedoch immer selten. In Ägypten galt Hathor als Herrin der blauen Steine, Türkis und Lapislazuli. Diese Verbindung blieb auch in der griechisch-römischen Antike erhalten, wo Hathor mit Aphrodite/Venus gleichgesetzt wurde (s. o. S. 154, 157, 213).

4. Hämatit (5–6), Goethit (5–5,5), Pyrit (6–6,5) HÄMATIT, Der Blutstein, haematites (Plinius 36,144–148.158; 37,169), ein undurchsichtiger, schwarzer, metallisch glänzender Stein hat seinen Namen von der roten Farbe seines Pulvers und dem geronnenem Blut ähnlichen Aussehen der knolligen Stücke. Pulverisierter Hämatit spielt als blutstillendes Mittel eine große Rolle in der antiken und späteren Medizin. Tatsächlich hat das Eisenoxyd (Fe2O3) eine adstringierende Wirkung. Aus den gleichen Gründen wird Hämatit häufig für magische Amulette verwendet. Die Bezeichnung GOETHIT wurde von einem verwandten, Goethe zu Ehren benannten Mineral auf den Brauneisenstein übertragen. Goethit sieht dem Hämatit ähnlich, ist aber bräunlicher und weniger glänzend. Das Material wurde bei sasanidischen Siegeln nachgewiesen. PYRIT, „Katzengold“, ist gelblich und stark metallisch glänzend; er kommt selten vor, so bei Amuletten aus Ägypten. Plinius (36,137; 37,189) versteht unter pyrites, „Feuerstein“, offenbar verschiedene Steine, die beim Anschlagen Funken geben.

5. Quarze (6,5–7) Quarz ist bei weitem das häufigste Gemmenmaterial. Sein Härtegrad macht einerseits bei der Bearbeitung keine großen Schwierigkeiten, hält andererseits einer langen Benutzung stand. Die Varietäten sind zahlreich:

A. GEMMENSTEINE

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Makrokristalline Quarze BERGKRISTALL (cristallus, Plinius 37,23–29) ist wasserklar und durchsichtig. In der Antike hielt man ihn für versteinertes Eis. AMETHYST (amethystos, Plinius 37,121–124) ist durchsichtig bis durchscheinend, hell- bis dunkelviolett. Der Name bedeutet „gegen Trunkenheit schützend“, eine Eigenschaft, die dem Stein neben anderen in der Magie zugeschrieben wird; vermutlich ist sie von der Weinfarbe des Steines abgeleitet. Die kräftig gefärbten, ins Purpurrote gehenden Steine galten als die schönsten. CITRIN, ein gelber, hell goldfarbener Stein, kommt, wenn auch selten, in römischer Zeit vor.

Mikrokristalline Quarze (Chalcedongruppe) a) durchscheinend Der hell- bis dunkelorangefarbene oder bräunlich rote KARNEOL ist der häufigste Gemmenstein der Antike. Der Name kommt als corneleus (von cornum = Weichselkirsche) in mittelalterlichen Lapidarien vor (z. B. Albertus, min. 2,2,3; Wickoff 1967, 81), wandelt sich über die irrige etymologische Verbindung mit caro, carnis, „Fleisch“, zur heute üblichen Form. Bei Theophrast (5,30) und Plinius (37,106) wird der Stein als „weiblicher“ Sard bezeichnet. Der braune SARD hat seinen Namen von der Stadt Sardes, wo er zuerst gefunden worden sein soll (Plinius 37,105–106). Die Grenze zu bräunlichem Karneol ist fließend, so kommen gelegentlich in der Gemmenliteratur beide Bezeichnungen für die gleiche Gemme vor. CHALCEDON im engeren Sinn kommt milchfarben, grau und in unterschiedlich tiefer blauer Farbe vor. Die blaue Sorte ist im Orient, in der graeco-persischen und griechischen Glyptik besonders beliebt. Zuweilen verwenden griechische Gemmenschneider Chalcedone mit Einschlüssen von gelbem oder rotem Jaspis. Der Name kommt von der Stadt Chalcedon in Bithynien. Plinius (37,115) nennt den wolkigen Stein von Chalcedon, d. h. wohl den von dort exportierten Stein, unter durchscheinenden „Jaspis“-Arten; ferner graue und blaue Steine, deren Herkunft im gleichen Kapitel genannt wird. PLASMA und PRASER oder PRASEM bezeichnen ursprünglich die gleichen durchscheinend lauchgrünen, meist mit braunen Einsprengseln versehenen bikonvexen Gemmen der frühen Kaiserzeit, die als Fundgemmen in Rom und Umgebung zutage kamen und wahrscheinlich dort geschnitten worden sind. Plinius nennt durchscheinende grüne Steine, im Gegensatz zum heutigen Usus, iaspis (37,115); als eine durchschnittliche Qualität von grünem Stein nennt er den prasius (37,113). Praser ist abgeleitet von prasius, „lauchfarben“. Hinter der seit dem frühen 17. Jh. in verschiedenen Varianten vorkommenden Form „Plasma“ oder „Smaragdplasma“ steht die Vorstellung, der Stein sei das Muttergestein von Smaragd, das den Smaragd „Formende“. Die mineralogische Edelsteinkunde macht sich die beiden ursprünglich gleichbedeutenden Termini „Plasma“ und „Praser“ zunutze, um verschiedene grüne Quarze damit zu bezeichnen, ist aber nicht zu einer einheitlichen Nomenclatur gelangt. Mein Vorschlag war daher: „Für die Praxis der Gemmenforschung empfiehlt es sich, bei einer in der jeweiligen Sprache eingeführten Benennung zu bleiben (dt. „Plasma“, engl. „plasma“, ital. „prasio“, frz. „prase“), die Farbe des Steines und der Einschlüsse sowie den

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XXII. DAS MATERIAL DER GEMMEN

Grad der Transparenz zu beschreiben und als typische Beispiele die genannten bikonvexen Ringsteine vor Augen zu haben“ (Amulette 1992, 46).

b) teils durchscheinend, teils undurchsichtig: Achate ACHATE sind verschiedenfarbig gestreifte Chalcedone. Die Edelsteinkunde spricht von Kreisachaten, wenn die Schichten im Innern der Achatmandel konzentrisch verlaufen, von Augenachaten, wenn ein klar konturiertes „Auge“ im Zentrum sitzt. Bandachate haben zum Teil horizontal geschichtete Lagen. Gemmen aus wellenförmigen oder kreissegmentförmigen Achatschichten kommen in der minoisch-mykenischen, archaisch–griechischen, graeco-phönikischen und etruskischen Glyptik vor. Für Kameen und die in der italischen Glyptik beliebten Intaglien aus „quergestreiftem Bandachat“ wählte man Lagenachate mit möglichst planen Lagen. Der Name achates kommt von dem Fluß dieses Namens in Sizilien, wo der Stein angeblich erstmals gefunden worden sei (Plinius 37,139). Plinius zählt eine Reihe von Achaten auf, die nach ihren Farben, oder wie der „Baumachat“ (dendrachates) nach der Form der Einschlüsse benannt sind. Berühmt war der Achat im Ring des Königs Pyrrhus von Epirus (306–302, 297–272 v. Chr.), in dessen natürlicher Maserung die neun Musen mit ihren Attributen und Apoll mit der Leier zu sehen war (Plinius 37,5). ONYX (griech. Fingernagel) ist die antike Bezeichnung sowohl für streifigen, sog. orientalischen Alabaster wie, pars pro toto, für Steine mit weißlichen Adern (Plinius 37,90–91). Mit Furtwängler kann man erschließen, daß Plinius und die von ihm exzerpierten Autoren unter dem Stein Onyx unregelmäßig gestreifte Achate verstanden, unter SARDONYX solche mit regelmäßigen planen Lagen. Daß ursprünglich nur Achate mit einer weißen auf rötlichen Schicht, wie der Fingernagel auf dem Fleisch, „Sardonyx“ geheißen hätten, ist vermutlich eine Konstruktion des Plinius (37,86); solche Steine heißen in heutiger Terminologie KARNEOLONYX. In Anlehnung an Plinius unterscheidet man indische und arabische Sardonyxe (37,87–88). Indische haben opake bis durchscheinende weiße Lagen zwischen hell- bis dunkelbraunen, auch gelblichen oder rötlichen Schichten, arabische bestehen aus einer weißen, meist leicht bläulichen, wenig durchscheinenden auf schwarzer undurchsichtiger Schicht. NICOLO bezeichnet keine Steinsorte, sondern eine besondere Form des Schnittes. Nicoli sind Intaglien aus Lagenachat, bei denen das Bild durch die helle Oberschicht hindurch in die dunkle Unterschicht eingeschnitten ist und daher dunkel in hellem Grund erscheint. Meist ist die Oberschicht hell-, die Unterschicht dunkelblau, doch kommen auch andere Tönungen der hellen und dunklen Lage vor. Der Rand der Gemmen ist in der Regel konisch abgeschrägt, so daß er als dunkler Rahmen erscheint. Nicoli kommen gegen Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. auf, bleiben aber selten, erst im 2. Jahrhundert n. Chr. erfreuen sie sich großer Beliebtheit. Die Bezeichnung Nicolo kommt von dem Italienischen onicolo, kleiner Onyx. Die antike Bezeichnung war vielleicht aegyptilla, die nach Plinius ihren Namen vom Fundland hat (Plinius 37,148). Als CHALCEDONONYX bezeichnet man Gemmen mit abwechselnd durchscheinenden und undurchsichtigen hellen Lagen.

A. GEMMENSTEINE

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c) undurchsichtig JASPIS kommt als Gemmenstein in den Farben Weiß, Gelb, Braun, Schwarz, Rot und Grün vor. Die Bezeichnung „grüner Jaspis“ für undurchsichtigen grünen Quarz hat sich in der Gemmenforschung schon in Analogie zu den anderen Jaspisfarben bewährt, wird auch teilweise in der Mineralogie so verwendet. In einem Zweig der Edelsteinkunde wird allerdings das durchscheinende Plasma (mit Plinius) als „grüner Jaspis“ bezeichnet. HELIOTROP, der Sonnenwender, ist ein grüner Jaspis mit roten Flecken. Man schrieb ihm eine besondere Beziehung zur Sonne zu, daher wird er häufig für Bilder des Sol und für magische Amulette verwendet (Plinius 37,165).

6. Granat (7–7,5) Die leuchtend roten Granate sind ein Lieblingsstein des Hellenismus und der frühen römischen Glyptik. Bei Plinius heißen sie carbunculi, „kleine (d. h. glühende) Kohlen“, eine Bezeichnung, die auch Rubin einzuschließen scheint (Plinius 37,92–98.103. 122–123). Klare feurig rote Granate sind mit bloßem Auge nicht sicher von Rubin zu unterscheiden. Die von Plinius genannten Sorten lassen sich nicht mit Bezeichnungen der heutiger Terminologie identifizieren. Als Gemmensteine kommen der leicht violette ALAMANDIN, der leicht bräunliche PYROP und der braun-orangefarbene HESSONIT vor. Hessonit wird in der älteren Gemmenliteratur oft „Hyazinth“ genannt. Ringsteine aus Granat haben fast immer eine konvexe Bildseite und oft eine konkave Rückseite (à-cabochon-Schliff ), beides erhöht die Leuchtkraft der Steine.

7. Beryll (7,5–8) Berylle sind wegen ihrer Härte und der relativen Seltenheit edler Qualitäten nicht häufig unter den Gemmensteinen. Beispiele aus dem leuchtend grünen SMARAGD (Greifenhagen, Schmuckarbeiten I Taf. 60, 2.3) und dem hellblauen, blauen oder blaugrünen AQUAMARIN (Abb. 484, 665, 667) stammen aus hellenistischer und augusteischer, aber auch späterer Zeit. Plinius zählt beide Edelsteine richtig zu den berulli (Plinius 37,76–79).

8. Korund (9) Außerordentlich selten sind die kostbaren, sehr harten Korunde, der leuchtend rote RUBIN, der ebenso leuchtend blaue SAPHIR, als Gemmen geschnitten worden. Die Beispiele reichen von hellenistischer bis in spätantike Zeit. In Wien befinden sich ein Rubin mit dem Porträt eines hellenistischen Herrschers im Knabenalter aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. (hier Abb. 257) und ein Saphir mit dem Bildnis Alarichs II. (484–507) (hier Abb. 673). Auch unter den ohnehin seltenen karolingischen Gemmenschnitten finden sich Saphire (Abb. 898).

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XXII. DAS MATERIAL DER GEMMEN

9. Diamant (10) Der griechische, als Lehnwort ins Lateinische übernommene Name adamas bedeutet „der Unbezwingbare“. Diamant ist aufgrund seiner Härte nicht als Gemmenstein geeignet. Er kann nur mit Diamantpulver geschnitten werden, ein Schleifmittel, das, soweit wir wissen, in der Antike nicht verwendet wurde. Im 17. und 18. Jahrhundert betrachteten es einige Gemmenschneider als Herausforderung, auch Bilder in Diamant zu schneiden. Mariette bemerkt hierzu, daß ein Stein, dessen Wert man nach seinem Gewicht und seiner Brillanz berechne, hierdurch nur verlieren könne (1750, 90f.). Unter den Diamant-Sorten, die Plinius beschreibt, ist nur der indische echter Diamant (37, 55–61). Er berichtet, der Diamant widerstehe Feuer und Eisen; es sei unmöglich, ihn durch Hammerschläge zu zerbrechen, eher zersprängen Hammer und Amboß; nur durch Einweichen in warmem Bocksblut könne er gesprengt werden (hircina rumpitur sanguine, neque aliter quam recenti calidoque macerata, 37,59; vgl. 20,2). An anderer Stelle spricht er von der Verwendung von Bocksblut zum Schärfen und Polieren von Eisen (28,148). Der Glaube an die Feuerfestigkeit des Diamanten war mit Temperaturen, wie sie in der Antike erreicht werden konnten, nicht zu widerlegen. Höchst merkwürdig ist die Nachricht vom „Bocksblut“ als Schneidemittel, die in der Beschreibung des Diamanten bis in die frühe Neuzeit überliefert wird. Albertus Magnus (†1280) referiert Plinius (miner. 2,2,1; 2,3,2) und noch Georg Agricola spricht in seinem 1546 veröffentlichen Buch de natura fossilium von Bocks- oder Löwenblut, das den Diamanten erweichen könne (Ausg. Basel, Hieronymus Froben [1546] VI p. 286; Übers. G. Fraustadt / Hrsg. F. Krafft [2006] 199). Tatsächlich ist Diamant zwar sehr hart, aber auch gut spaltbar, so daß er zu Schleifpulver zerstoßen werden kann. Von Diamantsplittern als Bohrer schreibt auch Plinius im Anschluß an die Nachricht vom Bocksblut: Wenn es glücklich gelungen ist, einen (Diamanten) zu sprengen, zerbricht er in so kleine Splitter, daß man sie kaum erkennen kann. Diese werden von den Steinschneidern gesucht und in Eisen gefaßt, und es gibt keine harte Substanz, die man damit nicht leicht durchbohren könnte (Plinius 37,60, Übers. R. König). Der Ursprung der Legende vom Bocksblut liegt wahrscheinlich darin, daß Plinius oder sein Gewährsmann eine Bezeichnung aus der Handwerkersprache für bare Münze genommen hat. Josef Welzel (2005, 509) berichtet, daß noch im 20. Jahrhundert von den Schleifern sog. „Ochsenblut“ als Poliermittel verwendet wurde. Dieses „Polierrot“ besteht aus Eisenoxyd, das, in Wasser geschlämmt, eine blutrote Flüssigkeit ergibt. Der Schleifer sieht im Laufe der Arbeit wie mit Blut bespritzt aus. In der Antike könnte Hämatit und seine verschiedenen Ausbildungsformen als natürlich vorkommendes Eisenoxyd verwendet worden sein. Echten Diamant allerdings könnte man damit nicht schneiden.

B. NICHT-MINERALISCHES MATERIAL ELFENBEIN und BEIN (Knochen, 1–5,9) wurden in minoischer und archaischer Zeit für Siegel verwendet. GAGAT (2,5–4), eine bitumenreiche, polierfähige Kohle von tiefschwarzer bis dunkelbrauner Farbe wird in der römischen Kaiserzeit hauptsächlich zu Kameen-

C. GLAS

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Anhängern verarbeitet; wichtigste Fundstelle war Whitby in Yorkshire. Die Beschreibung, die Plinius von gagates, einem nach der Fundstelle am Fluß Gagas in Lykien benannten Material, gibt, stimmt teilweise mit der des heute so genannten Gagat überein, kann sich teilweise auch auf Asphalt beziehen (Plinius 36,141–142). KORALLE (Härte 3–4) kommt nur selten als Gemmenmaterial vor; desgleichen BERNSTEIN (1,5–2), der eher zu Perlen und kleinen rundplastischen Arbeiten verarbeitet wird.

C. GLAS (UM 6) Glas wird schon in mykenischer Zeit für Siegel verwendet. Eine grün-schwarze längliche Perle aus dem Anfang des 6. Jahrhunderts v. Chr. stammt aus Zypern (Abb. 953) In archaischer und klassischer Zeit kommen Skarabäoide aus blauem, grünem, schwarzem oder hellem Glas vor. Das Material bleibt jedoch selten und dürfte von höherem Wert gewesen sein als in späterer Zeit. Erst in hellenistischer Zeit werden Glasgemmen häufiger. Glaskameen mit Lagen, die Sardonyx nachahmen, geben insbesondere Herrscherporträts wieder; man darf annehmen, daß sie auf diese Weise vervielfältigt und als Geschenke verteilt wurden. Außerordentlich häufig sind Glasgemmen in der römischen Glyptik. Zum großen Teil kann man sie nun als preiswerte Siegelsteine auffassen. Plinius spricht von Glasringsteinen des gemeinen Volkes, die zur Herstellung einer Farbe verwendet werden: „Was sie ‚Ringfarbe’ (anulare) nennen, ist weiß, wodurch Bilder von Frauen(gesichtern) Glanz erhalten, sie wird aus weißer Erde unter Beimischung von Glasgemmen aus den Ringen des einfachen Volkes gemacht und heißt daher anulare“ (35,48). Offenbar konnte man zerbrochene Glasgemmen für diesen Zweck immerhin noch verkaufen; ihr kleines Format erleichterte das weitere Zerkleinern. Der Glasstaub brachte die Farbe zum Leuchten. In der späten Republik werden Glasgemmen als Propagandamaterial hergestellt. Eine spezielle Gattung von Glaskameen dient als Orden (hier Abb. 626). Reproduktionen von Porträts der kaiserlichen Familie sind vermutlich als Ehrengeschenke vergeben worden. Wenn Glasgemmen besonders qualitätsvolle Gemmen wiedergeben, dürfte es sich um Reproduktionen für Liebhaber handeln, wie später im 18. Jahrhundert. Die Farben der Glasgemmen ahmen die der Edelsteine nach. Plinius berichtet mehrfach davon, daß dies täuschend ähnlich gelang, gibt zugleich zutreffende Hinweise zur Unterscheidung. Man könne Glasgefäße herstellen, die solchen aus Bergkristall ganz ähnlich seien, was ihren Preis erhöht habe, ohne den der Bergkristallgefäße zu mindern (37,29); Glasimitationen von Granat ließen sich durch eine Probe mit dem Wetzstein erkennen, da sie weicher und zerbrechlicher seien als der Stein, außerdem seien sie leichter und enthielten manchmal silbrig schimmernde Bläschen (37,98); Glasnachahmungen safranfarbener Steine könnten mit dem Auge nicht unterschieden werden, fühlten sich aber in der Hand wärmer an (37,128). Die sicherste Probe bestehe darin, ein Stück abzuschlagen und auf einer eisernen Platte zu erhitzen, was aber die Edelsteinhändler ebensowenig zuließen wie die Prüfung mit der Feile (37,200). Die Beobachtung, daß Glasgemmen sich wärmer anfühlen als Steingemmen, ist richtig. Glas ist ein schlechter Wärmeleiter, während die gut wärmeleitenden Quarze der Haut an den Kontaktstellen Wärme entziehen, sich daher kälter anfühlen als Glas. Nicht immer war Nachahmung der Edelsteine das Ziel wie

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XXII. DAS MATERIAL DER GEMMEN

die grün-blau-weißen Glaspasten der späten Republik und augusteischen Zeit zeigen, deren Farbkombination in der Natur nicht vorkommt. Die Oberfläche antiker Glasgemmen ist häufig mehr oder weniger korrodiert. Im Innern von durchscheinenden Stücken finden sich fast immer kleine Bläschen, während punktförmige Vertiefungen an der Oberfläche durch geplatzte Bläschen verursacht sind. FAYENCE, die bei vorderorientalischen Siegeln und ägyptischen Skarabäen häufig vorkommt, spielt im antiken Mittelmeerraum kaum eine Rolle (Abb. 41).

D. FARBVERBESSERUNG UND KÜNSTLICHE FÄRBUNG Bei Plinius finden sich einige Notizen über das Färben von Edelsteinen: „Es entstehen auch unerwartet neue Edelsteine, die keinen Namen haben, wie einst nach der Mitteilung des Theophrast in den Goldminen von Lampsakos ein solcher gefunden und wegen seiner Schönheit dem König Alexander geschickt wurde. Ähnlich verhält es sich auch bei den jetzt sehr verbreiteten cochlides (Schneckensteinen), die jedoch eher (künstlich) hergestellt werden als (natürlich) entstehen. Man berichtet, in Arabien würden sehr große Knollen (glaebae) gefunden, die man sieben Tage und Nächte ununterbrochen in Honig koche und auf diese Weise von jedem erdigen und fehlerhaften Anteil befreie; die gesäuberte und reine Knolle werde durch die Geschicklichkeit der Künstler verschiedenfarbig und mit Adern und Reihen von Flecken durchzogen, um die Kauflust möglichst anzureizen; man habe einst derartige [Steine] von solcher Größe hergestellt, daß man daraus für die Pferde der Könige im Orient Stirnschmuck und Anhänger für die Schmuckscheiben herstellen konnte. Auch sonst nehmen alle Edelsteine durch Kochen in Honig Glanz an, vor allem in korsischem Honig, der bei jeder anderen Verwendung durch seine Schärfeabschreckend wirkt. Was die bunten Steine angeht, gelingt es der Geschicklichkeit des Erfindungsgeistes, sie auch in eine einzige Farbe überzuführen, und man nennt sie, damit sie nicht den üblichen Namen haben, physeis, „Natur(steine)“, gleichsam als wolle man die Bewunderung für die Natur mit ihnen verkaufen“ (37,193–194). Unter den Angaben der Magier zu Achaten heißt es: „Der einfarbige Achat aber mache die Athleten unbesiegbar; sein Kennzeichen bestehe darin, daß er wenn man ihn zusammen mit Färbemitteln in einen Topf voll Öl werfe und zwei Stunden zum Sieden erhitze, sämtliche Farben in Zinnoberrot verwandle“ (37,142). Sehr schwierig sei es, echte und falsche Steine zu unterscheiden; Sardonyxe würden gefälscht, indem man drei verschiedenfarbige Steine aufeinander kitte, ja es gäbe sogar schriftliche Anleitungen, deren Autoren er aber nicht nennen wolle, die erklären, wie man dem Bergkristall die Farbe des Smaragds und anderer durchscheinender Steine geben und Sardonyx aus Sard machen könne (37,197). Einmal ist von der Kunst des Steinefärbens in Indien die Rede: „Die Inder haben nämlich auch die Erfindung gemacht, durch Färben von Kristall andere Edelsteine, aber insbesondere die Berylle nachzuahmen“ (37,79). Ferner hat Plinius gehört, daß man carbunculi für 14 Tage in Essig (acetum) lege, worauf sie ihren Glanz für ebenso viele Monate behielten (37,98). (Übersetzungen nach R. König, z. T. geändert).

D. FARBVERBESSERUNG UND KÜNSTLICHE FÄRBUNG

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Diese, wie üblich, aus verschiedenen Autoren kompilierten, eher beiläufigen und wenig präzisen Angaben über das „Kochen“ von Steinen in Honig, die Behandlung mit Säure, Farbverbesserung und Farbveränderung hat Johann Jakob Nöggerath durch die Schilderung von Verfahren, wie sie von den Achatschleifern in Idar-Oberstein seit rund 1820 angewandt wurden, erläutert. Bei den cochlides und glaebae des Plinius handelt es sich offenbar um Achatmandeln, deren natürliche Färbung durch das Kochen in Honig verbessert wurde. Es war zunächst ein einziger Achathändler, der die Methode von Onyxeinkäufern aus Rom, in Idar-Oberstein „Romanen“ genannt, erfahren hatte. Der Erfolg der Methode beruht darauf, daß die Schichten der Lagenachate unterschiedlich durchlässig sind. Die Achatschleifer prüften die Eignung eines Achats zum Färben, indem sie ein Probestück mit der Zunge befeuchteten und beobachteten, ob das Trocknen der Schichten unterschiedlich lange dauerte. Dann erfolgte die Färbung einer Probe. Geeignete Lagenachate wurden hierbei bis zu drei Wochen in Honigwasser (ein halbes Pfund Honig auf einen halben Liter Wasser) erhitzt, wobei die Flüssigkeit nicht zum Kochen kommen durfte. Darauf wurden die gewaschenen Steine über kürzere Zeit, einige Stunden oder einen Tag lang, in einem Topf Schwefelsäure in heiße Asche und glühende Kohlen gestellt, bis die Färbung beendet war. Die geschliffenen Steine wurden noch einmal für einen Tag in Öl gelegt, was feine Risse verschwinden ließ und ihnen einen besseren Glanz verlieh; schließlich wurde das Öl mit Kleie abgerieben. Durch dieses Verfahren werden die zunächst nur unterschiedlich grauen Streifen je nach ihrer größeren oder geringeren Porosität grau, braun oder schwarz gefärbt; die weißen undurchdringlichen Streifen werden weißer und undurchsichtig und die Farbe mancher rötlichen Streifen wird intensiviert. Die Schwefelsäure bewirkt eine Verkohlung der in die feinen Poren der Steine eingedrungenen organischen Substanz. Chalcedone wurden durch Erwärmen in Salzsäure gelb gefärbt. Achate, Chalcedone und insbesondere Karneole erhielten in Idar-Oberstein auch durch „Brennen“ intensivere Farben. Die getrockneten Steine wurden hierbei mit Schwefelsäure angefeuchtet, in einem verschlossenen Topf erhitzt, bis dieser rotglühend wurde. Kleinere Steine wurden vor dem Schleifen, größere Objekte, wie Schalen und Vasen, erst nach dem Schleifen gebrannt, weil die Gefahr des Springens um so höher ist, je größer das Stück ist. Nöggerath gibt ferner ein interessantes Beispiel für die „seit Jahrhunderten“ in Italien bekannte Kunst des Färbens von Kameen. 1817 sollten sieben große aus einer IdarObersteiner Mandel geschnittene zwei- bis dreischichtige Steine von (umgerechnet) ca. 7.6 bis 12.6 cm Länge im Auftrag des Herzogs von Oldenburg zu Kameen geschnitten werden. Oberkammerherr A. von Rennenkampf fragte bei [Giovanni Antonio] Santarelli (1756–1826), damals in Florenz, und [Giuseppe] Girometti (1779–1851) in Rom an, die 2500 Louis d’or für die Arbeit forderten; dies schien zu teuer, der Auftrag ging an den jungen (Niccolò) Cerbara (1793–1869) in Rom, der nur 1200 Louis d’or bekam, sich aber in Rom einen guten Namen mit der Arbeit machte. Die ursprünglich blaßgrauen Kameen erhielten eine hell elfenbeinfarbene Oberschicht und verschiedenfarbige Unterschichten in Grautönen, Hell- und Dunkelrot sowie Schwarz. Die weißen Figuren hoben sich von einem jeweils passend zum Motiv gewählten Untergrund ab: Laokoon auf Schwarz, Venus im Bade auf blassem Rot, ein sitzender Mars auf Grau. Im heutigen Idar-Oberstein ist das Färben

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XXII. DAS MATERIAL DER GEMMEN

der Achate gängige Praxis. Aufgrund dieser Erfahrung hat Gerhard Schmidt am Grand Camée und an anderen antiken Kameen Anzeichen für künstliche Farbverbesserung gefunden. Die Techniken des Erhitzens in Honig und des Brennens lassen sich im Industal, in Analogie zu den dort heute noch angewandten Verfahren, bis in das 3. Jahrtausend v. Chr. zurückverfolgen. Das Erhitzen der Steine kommt in zwei Phasen der Verarbeitung vor. Einmal werden die rohen Chalcedon-Knollen erhitzt, was sie leichter teilbar macht. Für das Farb-Brennen werden Karneole meist zweimal, nach dem groben Zuschnitt und nach der Politur in Asche gebettet und in Tontöpfen erhitzt. Die zunächst gelblichen Steine erhalten dadurch ihre schöne rötliche Farbe. Der Vorgang des Brennens einschließlich des Abkühlens dauert 12–24 Stunden, er wird bis zu zwölf Mal wiederholt, bis der gewünschte rötliche Farbton erreicht ist. Die Farbveränderung kommt durch Oxydation der in dem Stein enthaltenen Eisenpartikel zustande. Sardonyx wird mit der Honig-SchwefelsäureMethode verschönert. Ferner können graue Chalcedone durch Eisenoxyd in Karneole verwandelt werden, die sich nicht von natürlichen unterscheiden lassen. Amethyste erhalten durch Brennen eine gelbe, Citrin ähnliche Farbe. Es ist bisher nicht untersucht worden, ob sich solche gebrannten Amethyste unter den ohnehin seltenen antiken „Citrin“-Gemmen befinden. Antike Karneolgemmen des Mittelmeerraums haben recht unterschiedliche Färbungen, die vielfach die natürlichen zu sein scheinen. Auffallend ist allerdings die schöne gleichmäßig dunkelrötliche Farbe etruskischer Skarabäen. Boardman vermutet daher, daß die Etrusker oder ihre Lieferanten, die Farbe des Rohmaterials künstlich verbesserten. Schon Natter (Traité 1754, XXXVIIIf.) nahm an, die antiken Gemmenschneider hätten es verstanden Karneol und Onyx zu verfeinern, da es so viele schönfarbige, doch schlecht geschnittene antike Karneole gäbe, während man zu seiner Zeit unter tausend kaum einen mit dem gleichen Feuer fände. Er deutet an, daß er Beweise für diese Annahme habe, die er aber bei anderer Gelegenheit mitteilen wolle. Vermutlich dachte er bei den Cornalines fines et mal gravées an etruskische Rundperl-Skarabäen. In der römischen Kaiserzeit kannte man ein Verfahren, mit dem sich die Oberfläche von Karneolen stellenweise weiß färben ließ. Es wurde nicht allzu häufig angewendet, ist vor allem von einer Gruppe facettierter Ringsteine mit Inschriften in Kameotechnik bekannt. Der Effekt entspricht dem von Karneol-Onyx mit weißer auf rötlicher Lage (Abb. 954). Die Methode war wahrscheinlich dieselbe, mit der im Indusgebiet seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. bis heute Karneole geätzt werden. Hierbei wird Sodapaste (Natriumcarbonat, Na2CO3) auf den Karneol gestrichen, der Stein dann erhitzt, wodurch an den bedeckten Stellen eine dauerhafte weiße Färbung entsteht.

A. GEMMENSTEINE

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XXIII. DIE TECHNIK DES GEMMENSCHNEIDENS Die beste Quelle für die Technik der antiken Gemmenschneider sind die Spuren ihrer Werkzeuge auf den Gemmen selbst. Sie sind um so deutlicher, je weniger fein eine Gemme ausgearbeitet und poliert ist. Zuweilen verraten unfertige Stücke etwas über den Arbeitsvorgang.

A. FREIHÄNDIGE ARBEIT UND DRILLBOHRER In verschiedenen Regionen und Epochen stehen am Anfang des Gemmenschnittes freihändig in „weiche“ Steine und anderes Material der Mohshärte 3–4 geschnittene Bilder. Auch die hier nicht behandelten gravierten Platten von Ringen aus Gold, Silber und Bronze sind freihändig gearbeitet. Korund- oder Obsidianspitzen, wahrscheinlich in Holzgriffe gefaßt, waren geeignete Werkzeuge für feine Ritzlinien. Verschieden geformte Metallwerkzeuge dienten zum Ausheben der Formen. Die Technik lebt weiter bei den italienischen Muschelkameenschneidern (Abb. 955). Frühe minoische Siegel (hier Abb. 14–16, 18–20), griechisch-geometrische Gemmen (hier Abb. 39–57), Inselsteine und frühe kyprische Siegel (hier Abb. 58–69) sind so gearbeitet. In freihändiger Arbeit sind die seltenen, z. T. sehr großen Kameen aus Kalkspat (Kalzit) geschnitten, die nur in einem kurzen Zeitraum zwischen ca. 20 und 50 n. Chr. vorkommen (Platz-Horster, BWPr 1992). Eine singuläre ägyptische Darstellung aus dem Grab des Thy in Sakkara zeigt einen Rollsiegelhersteller bei der Arbeit (Abb. 956). Die Inschrift erläutert den Vorgang: Das Durchbohren des Siegelzylinders durch den Siegelmacher. Der am Boden hockende Mann hält das Siegel in der Linken, bohrt mit einem in Holz geschäfteten Bohrer in seiner Rechten. Der vor dem Siegelschneider stehende Mann, wohl der Auftraggeber, hält die Schnur bereit, auf die das Siegel aufgefädelt werden soll. Plinius erwähnt die Verwendung von Diamantsplittern zum Bohren s. o. S. 310). AusdemVorderenOrientsindzweiFundevonGemmenschneider-Gerät,kleineMeißelund Bohrer, die vermutlich zu einem Fiedelbogenbohrer gehörten, bekannt (Collon 1987,103). Nahe dem Palast von Mallia auf Kreta wurde eine Werkstatt von Gemmenschneidern aus der Altpalastzeit (MM II, ca. 19. Jh.–1700/1650 v. Chr.) ausgegraben. Es fanden sich 113 Siegel, überwiegend freihändig gearbeitete dreiseitige Steatit-Prismen, aber auch ein Petschaft aus Bergkristall. Nur wenige Siegel sind fertig bearbeitet, die meisten sind Ausschußsteine, die in unterschiedlichen Stadien der Bearbeitung zerbrochen sind. Auch Rohmaterial wurde gefunden: Steatit, Knochen und Elfenbein, auch Bergkristall, ein für die Gemmenschneider dieser Zeit neues, hartes Material. Zu den Werkzeugen gehörten kleine Bronzesägen zur Herrichtung der Grundform, Obsidianklingen, sowie Bohrer für runde Formen. Tonklümpchen dienten offenbar dazu, die Arbeit durch Abdrücke zu kontrollieren; mit Knochenspitzen ließ sich hängengebliebener Ton entfernen, ohne den Stein zu beschädigen. Es gibt fertig geschnittene Prismen, die beim Durchbohren zerbrachen. Häufiger wurden die Siegel jedoch vor dem Einschneiden der Bilder durchbohrt; man vermied so das Risiko, daß ein schon mit Bildern versehenes Siegel verloren war, allerdings war die Wandung nun dünner und konnte beim Schneiden der Bilder leichter brechen. André Dessenne nennt

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XXIII. DIE TECHNIK DES GEMMENSCHNEIDENS

die Anwender der ersten Methode die Optimisten, die der zweiten die Realisten. Es fanden sich Prismen, die, nachdem eine Seite wohlgelungen war, durch einen Fehlschnitt auf der zweiten Seite mißlangen, worauf der Gemmenschneider in offenbarer Wut diese Seite zerkratzte. Bei dem dreiseitigen mittelminoischen Prisma Abb. 20 sind die Tierfiguren, die Gliedmaßen der Männer, die Stangen und Gefäßhenkel freihändig graviert und geschabt. Die runden Köpfe, Bäuche und Gefäße können mit einem Handbohrer eingetieft sein, wie ihn der ägyptische Siegelmacher benutzt; möglicherweise wurde auch ein FiedelbogenBohrer benutzt. Dies ist ein altes Gerät, bei dem ein senkrecht aufgesetzter Bohrer mittels einer Bogensehne in Rotation versetzt wird. Der Bohrer dreht sich in einem Schaft oder einer sog. Bohrmütze, durch die der Handwerker Druck ausüben kann. Der FiedelbogenBohrer wurde vielfach gebraucht, etwa von Schreinern, aber auch für Steinarbeiten, bei der Herstellung von Steingefäßen und der Durchbohrung von Perlen. Ein Wandrelief aus dem Grab des Rechmire zeigt einen Arbeiter, der mit drei solchen Bohrern gleichzeitig Perlen durchbohrt (Abb. 957). Mit diesem Drillbohrer konnten, unter Verwendung eines Schleifmittels auch härtere Steine bearbeitet werden. Er muß senkrecht angesetzt werden, außer Durchbohrungen lassen sich mit ihm runde und, bei Bestückung mit einem röhrenförmigen Bohrer, ringförmige Vertiefungen herstellen. Zur Handhabung des Bogens sind beide Hände nötig. Längsschnitte sind mit diesem Werkzeug nicht möglich, diese können freihändig mit kleinen Klingen oder Sägen herausgefeilt werden. Spuren solcher Feilarbeit finden sich an vorderorientalischen Siegeln. Gefeilte Rillen laufen immer über die ganze Arbeitsfläche, bei Rollsiegeln also vertikal, horizontal oder diagonal zur Zylinderachse, die Schnittenden sind offen; kurze gerade Binnenschnitte mit geschlossenen Enden können durch Feilen nicht hergestellt werden. Steine ab Mohshärte 5, insbesondere Quarze mit Härte 7 lassen sich nicht mehr „schnitzen“, sie können aber mit der Korundspitze geritzt werden. Linien, die so erzeugt werden, sind unregelmäßig, Flächen rauh und uneben. Die Kombination von Feilen und Ritzen wurde an Siegeln des Vorderen Orients beobachtet (Sax – Mex 1994/95). In der griechisch-römischen Glyptik wird die Korundspitze für Vorzeichnungen und gelegentlich für Details verwendet (s. u. S. 323f.). Auf Korundspitzen ist eine Bemerkung des Herodot zu beziehen, der erwähnt, die Äthiopier benutzten spitze Steine, womit man auch die Siegelbilder schneide, als Pfeilspitzen (Herodot 7, 69; Walters 1926, XIX; Diehl 1938, 31).

B. VERMEINTLICHE GEMMENSCHNEIDER Ein Handwerker auf einem etruskischen Skarabäus aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr., der einen Fiedelbogen-Bohrer benutzt (hier Abb. 337), wurde häufig als Gemmenschneider bezeichnet. Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, daß man in einer Zeit, da längst die Werkbank in Gebrauch war, für einzelne Bildteile auf den relativ unpräzisen, freihändig geführten Fiedelbogen-Bohrer zurückgriff. Es handelt sich vielmehr um einen Zimmermann oder Schreiner. Die vermeintliche Darstellung eines Gemmenschneiders in einem Florentiner Manuskript des Quattrocento zeigt in Wirklichkeit einen Handwerker, der rund geschliffene Steine

C. ARBEIT AN DER WERKBANK

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durchbohrt, vermutlich sind es Kettenglieder (Abb. 958). Die Miniatur schmückt die Initiale V des 37. Buches des Plinius, das von Edelsteinen und Gemmen handelt (Ut nihil instituto opere desit...). Oben stehen zwei Männer einander gegenüber, der linke zeigt mit einem Stab auf in der Erde liegende Edelsteine, der rechte hebt seinen Stab zu einer vergrößert wiedergegebenen Gemme empor. Die Gemme ist gefaßt und mit einer Öse am Bildrahmen aufgehängt; sie zeigt in einem angedeuteten Strichrahmen einen stehenden Mann, der sich mit der erhobenen Linken auf einen Stab (eine Lanze) stützt, in der Rechten einen runden Gegenstand hält. Vermutlich handelt es sich um einen etruskischen Ringstein mit der Darstellung eines Kriegers, der seinen Helm oder einen abgeschlagenen Kopf betrachtet. Links unten ist der fragliche Gemmenschneider abgebildet. Dalton beschreibt sein Werkzeug als Fiedelbogenbohrer, dessen Achse amTisch befestigt ist. Nach Kris setzt der Mann sein Gerät mit demTretrad ich Bewegung, hält den Stein an den Zeiger. Ein Tretrad ist jedoch nicht zu sehen. Tatsächlich handelt es sich bei dem Werkzeug um eine sog. Rennspindel, bei der die Achse des Bohrers durch ein Querholz geführt ist. An der Spitze der Achse sind zwei Riemen befestigt, um die Achse geschlungen und an den Enden des Querholzes festgemacht. Durch Auf- und Abbewegen des Querholzes wird die Achse in Rotation versetzt. Die Achse des Gerätes läuft in einer Halterung, die mit einem senkrechten, offenbar gedrechselten Stab mit drei Knäufen am Tisch befestigt ist. Ein flachrundlicher Stein liegt unter der Bohrspitze, der Handwerker bewegt das Querholz mit beiden Händen auf und ab, um ein Loch durch seine Mitte zu bohren. Verschiedene derartige Steine, die in einem Kästchen und auf dem Tisch liegen, zeigen eine Durchbohrung in der Mitte. Das Pendant zu dem Bohrenden bildet ein Ringmacher. Er hält einen übergroß dargestellten Ring mit kegelförmigem Stein, erhebt mit der Rechten einen Hammer; auf dem Tisch liegen Ringe und Steine; fertige Ringe sind in einem kleinen Schrank ausgestellt.

C. ARBEIT AN DER WERKBANK 1. Die Werkbank Aufgrund von Werkspuren an altbabylonischen Siegeln aus der Zeit zwischen ca. 1750 und 1600 v. Chr. läßt sich die Verwendung eines neuen Werkzeugs feststellen, das einer technischen Revolution gleichkommt (Sax–Meeks 1994). In Ägypten wurden solche Werkspuren an Objekten der 12. Dynastie (1976–1794/93 v. Chr.) beobachtet. Im antiken Mittelmeerraum treten sie erstmals bei mittelminoischen Siegeln auf (MM II, 19. Jh.–1700/1650, s. o. III B). Die geniale Idee war, die Achse des Fiedelbogen-Bohrers horizontal zu lagern. Die einzige antike Darstellung der Werkbank des Gemmenschneiders findet sich im Giebelfeld der im lydischen Philadelpheia (Alaehir) gefundenen Grabstele des Doros aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. Die Stele selbst ist seit langem verschollen. Eine 1890 publizierte Zeichnung der Werkbank war bis vor kurzem die einzige Grundlage unserer Kenntnis. Inzwischen ist ein Abklatsch im Besitz der Kleinasiatischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zu Wien zutage gekommen, der uns weitgehend das Original ersetzt (Abb. 959).

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XXIII. DIE TECHNIK DES GEMMENSCHNEIDENS

Auf dem schmalen unteren Teil der Stele steht die in Hexametern abgefaßte Inschrift, deren Schluß verloren ist. Sie wendet sich an den Vorübergehenden, bittet um sein Mitgefühl und Gedenken: Ὀκτωκαιδεκέτης / κεῖμαι, φίλε, τῷδ’ ἐ/νὶ τύμβῳ Δῶρος / Σαρδιανὸς δακτυ/λοκοιλογλύφος, / Μαρίωνος Λυδοῖ/ο πατρὸς μητρός / τε Λακαίνης, / σεμνὸν ἄτερ / Κύπριδος ζήσας / [β]ίον. ἀλλά με γαῖα κοῦρον / παρθ[ενι]κὸν / [κρύψεν ἀποφθίμενον]

Achtzehnjährig liege ich, Freund, in diesem Grab, Doros von Sardes, der Siegelringschneider; mein Vater war der Lyder Marion, meine Mutter war Lakonierin (oder: „hieß Lakaina“); rein, ohne Kypris (Aphrodite) hab’ ich mein Leben gelebt, aber [nun hat mich] die Erde [geborgen]den [toten] keuschen Jüngling. Die Berufsbezeichnung daktyliokoiloglýphos ist zusammengesetzt aus daktýlios, „Fingerring“, ko˜ılos, „hohl“, „vertieft“, und glýphein, „einschneiden“, „gravieren“. Doros war also ein Gemmenschneider, der auf Intaglien für Ringe spezialisiert war. Schon mit 18 Jahren war er offenbar Meister seines Faches. Wahrscheinlich hat er seine Lehre sehr früh begonnen. Eine Inschrift aus der Zeit des persischen Königs Kyros (559?–530 v. Chr.) kann trotz der großen zeitlichen Differenz wegen der gleichbleibenden Eigenart des Handwerks einen Anhaltspunkt für die Dauer der Lehre geben; sie berichtet, daß ein Sklave für vier Jahre zu einem Gemmenschneider in die Lehre gegeben wird, der seinerseits ein Sklave des Kronprinzen Kambyses (530–522 v. Chr.) war. Auch im heutigen Idar-Oberstein dauert die Lehrzeit eines Steinschneiders vier Jahre, er beginnt sie mit vierzehn Jahren. Die Stele verbreitert sich oberhalb der Inschrift zu einem waagrecht abgeschlossenen Giebelfeld, das links einschließlich des Akroters erhalten, rechts abgebrochen ist. Mit Linien, die wie die Buchstaben der Inschrift eingetieft sind, ist die Werkbank des Gemmenschneiders dargestellt: Ein Fiedelbogen, dessen Sehne um eine horizontal gelagerte Achse geschlungen ist. Die Achse ist links in einem Ständer befestigt und durch ein ringförmiges Teil gesichert. Die Ergänzung mit einem zweiten Ständer rechts ist zwingend, ebenso die des Schneidewerkzeugs am rechten Ende der Achse. Die von Boardman anhand der Zeichnung gegebene Ergänzung bleibt grundsätzlich richtig; der fehlende Ständer muß aber näher an den erhaltenen herangerückt werden. Die neue zeichnerische Ergänzung zeigt dies (Abb. 960). Eine engere Stellung der Ständer ist auch aus statischen Gründen sinnvoll, da sie die ruhige Lagerung der Achse besser gewährleistet. Am rechten Ende der Achse konnten verschiedene Schneidewerkzeuge eingesetzt werden. Durch die Hin- und Herbewegung des Fiedelbogens wechselt die Rotierbewegung des Rädchens. Der praktische Versuch hat gezeigt, daß dieser Wechsel nicht hinderlich ist und daß die erreichbaren Umdrehungszahlen bei weitem für den Gemmenschnitt ausreichen (Welzel 1999, 163f.). Eine derartige Werkbank wird mit einer an die Achse montierten Schleifscheibe in Indien, Pakistan und Sri Lanka noch heute zum Schleifen von Edelsteinen verwendet. Der Handwerker führt dabei den Fiedelbogen selbst (Abb. 961). Es mag sein, daß auch

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der antike Gemmenschneider so arbeitete; besser war es vermutlich, wenn ein Gehilfe die Achse in Rotation versetzte, damit der Meister beide Hände zur Arbeit frei hatte. Persische Gemmenschneider benutzen eine solche Werkbank mit Scheiben zum Schleifen und Polieren der Steine bzw. mit einer rotierenden Diamantspitze zum Gravieren von Inschriften; der Fiedelbogen wird von einem Gehilfen bedient. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert die Werkbank des Drechslers, die vom alten Ägypten und China bis in das moderne Nordafrika in Gebrauch ist. Die älteste Darstellung der Drehbank findet sich auf einem Wandrelief im Grab des Petosiris aus dem späten 4. bis frühen 3. Jahrhundert v. Chr. (Abb. 962). Der Drechsler und sein Gehilfe sind im Profil, die Drehbank aus der Vogelperspektive dargestellt. Das zwischen zwei Spitzen eingespannte Werkstück, wird von dem Mann rechts durch Hinund Herziehen eines Riemens in Rotation versetzt. Der Mann links hält das Dreheisen an das Werkstück, stützt dabei die Hand auf einen Querträger. Wie im Falle der Drehbank des Gemmenschneiders bezeugen Werkstücke, daß die Drechselbank sehr viel älter ist als diese Darstellung. Filarete spricht im „Trattato dell’ Architettura“ (1464), leider in großer Kürze, davon, daß der Gemmenschneider mit Diamantspitzen, Rädchen aus Blei und Schmirgel sowie mit dem Bogen arbeite. Auf die Frage des fürstlichen Gesprächspartners, wie man denn so harte Steine schneiden könne, antwortet Filarete: El modo sarebbe difficile a darlo a’ntendere, chi non vedesse con l’occhio. Come u’ò detto, si fa con punte di diamanti e con ruote di piombo e smeriglio; e chi fa con tutto archetto (ed. W. von Oettingen 659, s. zu Abb. 610; Kris, Renaissance 1929, 7f.). Die Erwähnung des „kleinen Bogens“ deutet darauf hin, daß auch in der Renaissance noch mit einer Werkbank des Doros-Typs gearbeitet wurde. Der Antrieb mit dem Fiedelbogen wurde zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt durch den mit Schwungrad und Fußpedale ersetzt. Der Steinschneider auf einem Holzschnitt von Jost Amman im Ständebuch des Hans Sachs von 1568 arbeitet an einer solchen Werkbank (Abb. 963). Wie bei dem Grabrelief des Doros ist die Rotationsachse horizontal gelagert. Das unter dem Bild stehende Gedicht lautet: Ich aber schneyd Edelgestein Auff meiner scheiben groß und klein, Als Granat, Rubin und Demut, Schmarack, Saphyr, Jacinthn gut, Auch Calcidonj und Perill, Schneyd auch der Fürsten Wapen viel, Die man setzt in die Pettschafft Ring, Sunst auch viel Wappen aller ding. Mit dem durch eine Fußwippe betriebenen Schwungrad arbeiteten die großen Gemmenschneider des 18. Jahrhunderts (Abb. 964). Die Edelsteingraveure in IdarOberstein benutzten diese Werkbank bis weit in das 19. Jahrhundert (Abb. 965). Nach und nach ersetzte der Motor den Fußantrieb. Auf einem Photo des Gemmenschneiders Martin Seitz an seiner Werkbank sind im Hintergrund das Schneidgerät, im Vordergrund eine große Zahl von Schleifrädchen zu sehen (Abb. 966). Über all die Jahrhunderte hat

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sich nur die Art des Antriebs geändert, das Prinzip der Werkbank ist gleich geblieben: Die rotierende Achse ist fest gelagert, die an ihr befestigten Werkzeuge laufen „auf Punkt“, bewegt wird die zu schneidende Gemme (Abb. 967). Es ist nicht möglich, mit einem freihändig geführten Fiedelbogen auf Bruchteile von Millimetern genau zu arbeiten. Erst seit Bohrer mit „biegsamer Welle“ entwickelt wurden, deren Eigenschwingung weitgehend reduziert werden konnte, ist es möglich, den Zeiger wie eine rotierende Graviernadel mit der Hand zu führen. Der Glasgraveur Wilhelm von Eiff (1890–1943) hat dieses Gerät gegen 1930 für große Glasarbeiten benutzt und auch für Kameen erprobt. Gegen 1970 waren Bohrer dieser Art für die zahnärztliche Praxis so weit verfeinert worden, daß nun auch einige Gemmenschneider das Werkzeug verwendeten. In frühen Stadien des Schnittes kann diese Methode zu welligen Vertiefungen führen, die durch den wechselnden Druck der Hand verursacht werden. Sie unterscheiden sich von den gleichmäßigen Schnitten des „auf Punkt“ laufenden Werkzeugs. Die Wellen können durch weiteres Schleifen ausgeglichen werden. So arbeitete Manfred Nörenberg (Itzehoe), von Beruf Graphiker, nach dem Vorbild holländischer Kollegen (Abb. 968). Gemmen- und Glasschneider, die das alte Handwerk gelernt haben, bevorzugen die Arbeit an der Werkbank. Es sind die festgelagerten rotierenden Schleifrädchen, die so glatte, präzise Schnitte hervorbringen, daß eine vielfache Vergrößerung von Gemmenbildern in der Photographie möglich ist.

2. Die Werkzeuge und ihre Verwendung Gleich geblieben sind auch die Typen der Miniatur-Bohrer und -Kreissägen, im Deutschen „Zeiger“ genannt, die in die Tülle der Achse gesteckt werden. Eine Abbildung der wesentlichen Typen gibt Taf. I der 1754 gleichzeitig in Französisch und Englisch erschienenen „Abhandlung über die antike Methode edle Steine zu schneiden verglichen mit der modernen Methode“ von Lorenz Natter (Abb. 969, s. o. S. 296). Auf Anregung von Stoschs kopierte er antike Intaglien und stellte fest, daß antike Arbeitsweise und Werkzeuge grundsätzlich die gleichen waren wie die seinen. Dies legt er in dem genannten Buch anhand von 36 in Stichen abgebildeten Gemmen dar. Zu beiden Seiten der Werkbank erkennt man: 1, 2: Flachperlzeiger, 3: Rundperlzeiger, 4: Tubus, 5–7: Flachzylinder und Scheiben verschiedener Dicke, 8: Schneidezeiger („scie“, Säge, genannt). Abb. 9 u. 10 erläutern, daß man einen konvexen Stein leichter und tiefer schneiden kann als einen flachen, weil der Arbeitsabstand zwischen Zeiger und Stein größer ist. Eine Unterschneidung, Abb. 11, macht Abdrücke schwierig. Mit den kreisförmigen Zeigern lassen sich keine rechtwinkligen Enden schneiden (Abb. 16, 17); Natter meint, dies sei der Grund, warum die antiken Gemmenschneider die Enden von Buchstaben und anderen Linien mit Rundperlschnitten sozusagen versäuberten (Abb. 18, Aufsicht und Schnitt). Aus dem genannten Grunde sind scheinbar einfache Figuren wie Abb. 12–14 und 19 schwer zu schneiden, während ein sechsstrahliger Stern leicht mit drei sich kreuzenden Schnitten anzulegen ist (15). Bei einer flüchtigen Arbeit, dem Skorpion (Abb. 970), sind die Werkzeugspuren unausgeglichen stehen geblieben. Natter beschreibt die Vorgehensweise: Der Körper des Skorpion ist mit zwei Schnitten eines großen Flachperlzeigers gemacht, wobei der Gemmenschneider den Stein etwas bewegt hat (um die Verbreiterung oben zu schaffen); Scheren, Schwanz und Beine sind mit Flachzylindern verschiedener Größe geschnitten. Sorgfältige Arbeiten sehen im Anfangssta-

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dium ähnlich aus, werden dann aber mit immer feinerem Werkzeug ausgearbeitet. Überkreuzung von Schnitten, wie bei den Beinen des Skorpions, muß bei guter Arbeit vermieden werden, weil sie nicht mehr beseitigt werden kann. Am Typus der Sarapisbüste in Dreiviertelvorderansicht (vgl. Abb. 294) erläutert Natter die Abfolge der Arbeitsschritte (Abb. 971). Erforderlich ist zunächst ein ovaler Stein von geeigneter Dicke mit konvexer Bildseite (Schnitt 3), der Stein wird auf einen Haltestock gekittet, um ihn besser bewegen zu können. Als Vorlage dient eine Zeichnung oder ein Modell in Wachs oder Ton. Mit einem großen Flachperlzeiger vom Typus Abb. 969,1 schneidet Natter zunächst ein Oval von der Größe des Gesichts, in der Höhe von der Mitte des Modius bis zur Mitte des Halses und in der Tiefe bis zu den Augen (3a.a.a), wobei er den Stein in seiner Längsachse bewegt. Dann tieft er mit dem gleichen Werkzeug die Grundform von Haaren und Bart ein (2 u. 3b). Mit einem kleineren Zeiger schneidet er die Grundform der Stirn (2 u. 3c) und des Modius und beginnt mit den Schultern, um unnötigen Werkzeugwechsel zu vermeiden. Mit Schnitten eines schmaleren Flachperlzeigers legt er Nase, Wangen und Hals an (2 u. 3d). Kleine Flachperlschnitte markieren die Augen, ein kleiner Querschnitt mit demselben Zeiger bildet die Nasenflügel (2f), eine Rundperlvertiefung die Nasenspitze (2 u. 3 g). Mit immer feineren Instrumenten formt er die Details, gleicht modellierend die Flächen zwischen den Grundschnitten aus. Natter warnt davor, kleine Details zu schneiden, bevor die großen Flächen ihre ganze Tiefe erreicht haben, weil man sie dann wieder wegschleifen muß und unnötig Zeit und Arbeit verschwendet. Ebenso gefährlich ist es, zu tief zu schneiden, weil man dann mit den kleinen Zeigern für die Details nicht mehr herankommt. Am Beispiel des Satryrschauspielers, der sich die Maske aufsetzt (Abb. 972, vgl. hier Abb. 278) veranschaulicht Natter durch eine Schnittzeichnung, wie der gebeugte, stark in die Tiefe geschnittene rechte Arm gemacht wurde: Die Grundform von Ober- und Unterarm wurde durch einen einzigen Schnitt mit einem Flachperlzeiger passender Breite hergestellt, die Ellbogenspitze dann noch weiter mit einem Rundperlzeiger eingetieft, schließlich mußten die Übergänge zwischen beiden Schnitten ausgeglichen werden. Mariette (1750) gibt eine Abbildung von Jaques Guay (1711–1793), „Graveur du Roi“ (Louis XV), an seiner Werkbank und von seinen Arbeitsgeräten (Abb. 973). In Abb. 7, 9, 10, 20, 24–30 sind Zeiger ähnlich denen bei Natter zu sehen. Eine Darstellung der Zeiger und ihrer Schleifspuren von Josef Welzel, die auf einer Zeichnung von Martin Seitz mit den Grundformen der von ihm verwendeten Zeiger basiert, verdeutlicht den Effekt der unterschiedlichen Zeigerformen (Abb. 974). Unterhalb der Zeiger ist jeweils das Profil der Schnittspur zu sehen, rechts die Schnittspur in Draufsicht. Wieder finden wir Rundperlund Flachperlzeiger (a, f), Zylinder und Scheibe (d, e) und den Tubus (k), dazu konische Zeigerköpfe, die feine Linien und keilförmige Schnitte erzeugen, bzw. schräg angesetzt die hier gezeichneten Kreissegmente (b, c), einen birnenförmigen Zeiger (g), mit dem sich etwa Tierkörper anlegen lassen, eine hohle Halbkugel (h), die, schräg angesetzt, sichel- und wellenförmige Linien schneidet (ähnlich dem Tubus), und als Besonderheit einen konkaver Konus (i), der einen einseitig rundlichen Schnitt erzeugt. Der ganz dünne Schneidzeiger (l) entspricht Natters „scie“. Der Gemmenschneider hat alle Zeigerformen in verschiedenen Größen, etwa den Rundperl von Punkt- bis Erbsengröße; er kann die Zeiger an derselben Werkbank nachschleifen, wenn sie rillig geworden sind, oder sich für eine besondere Arbeit einen Zeiger drehen. Jeder Gemmenschneider hat auch besondere Vorlieben. Welzel merkt

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an, daß er ein Profil wie die hohle Halbkugel (h) nie benutzt, daß der Konus (c) auch für Hinterschneidungen geeignet wäre, er selbst aber für Hinterschneidungen schmalere Scheibchen benutzt. Die Zeiger bestehen aus Metall, Kupfer oder ungehärtetem Eisen, heute auch aus Stahl, sind in jedem Fall weicher als die zu schneidenden Steine; ihre Form bestimmt nur die Schleifspur; um den Stein tatsächlich zu schneiden, bedarf es eines Schleifmittels. Von der unterschiedlichen Härte von Steinen und der Notwendigkeit eines Schleifmittels für die harten spricht Theophrast: Einige können [freihändig] geschnitten werden, andere [an einer Werkbank] gedreht oder gesägt werden, während das Eisen die einen gar nicht schneidet, ritzt es andere nur schlecht oder schwach. Und an einer späteren Stelle: Einige Steine haben solche Kraft, daß sie der Bearbeitung Widerstand leisten, wie wir früher gesagt haben, so daß sie nicht mit Werkzeugen aus Eisen geschnitten werden können, sondern nur mit anderen Steinen (Theophrast, de lapidibus 1,5; 7,41). Plinius nennt Naxium, einen Korund von der Insel Naxos, als Schleifmittel. Mit Härte 9 ist es geeignet, alle vorkommenden Gemmensteine zu schneiden. Am Ende einer Passage, in der er verschiedene „Sand“-Arten (harenae) aufzählt, die man zum Schneiden und Polieren von Marmor verwendet, heißt es: Zum Polieren von Marmorstatuen und Schneiden und Feilen von Gemmen bevorzugte man lange Zeit Naxium (Plinius 36, 51–54). Die Gemmenschneider des 18. Jahrhunderts verwendeten Diamantpulver, das sie in einem kleinen Mörser zu passender Körnung stoßen konnten. Heute können scharf schneidende, gesinterte Diamantschleifscheiben verwendet werden, daneben bleiben Schleifmittel wie Korund, Siliziumcarbid oder Diamant in Gebrauch. Die Schleifspur ist das exakte Negativ des eingesetzten Rädchens; bei scheibenförmigen Zeigern ist sie in Längsrichtung des Schnittes je nach Größe der Scheibe mehr oder weniger konvex, ihr Profil und ihre Enden entsprechen der Form der Lauffläche. Ein Schneidezeiger macht eine, je nach Abnutzungsgrad mehr- oder weniger scharfe V-förmige Furche mit spitzen Enden, ein Flachperlzeiger eine gerundete mit ovalen Enden. Nur Rundperlzeiger und kleine Flachperlzeiger können fortlaufend in Kurven geführt werden. Alle anderen Zeiger erzeugen, Miniatur-Kreissägen vergleichbar, gerade Schnitte. Kurven müssen also aus mehreren Schnitten zusammengesetzt, die Übergänge dann ausgeglichen werden.

3. Schnitt eines Intaglios Für eine anspruchsvolle Arbeit macht sich der Gemmenschneider einen Entwurf, ein Modell in Wachs oder Ton wie Guay und Natter oder eine Zeichnung im Maßstab (1:1) wie Seitz. Der in der gewünschten Form zugeschliffene Stein wird, z. B. mit Kitt, auf einem Haltestock befestigt. In der Regel wird der Gemmenschneider den Zuschliff nicht selbst besorgen, sondern die Blanko-Steine von einem Schleifer beziehen. Er skizziert das Motiv auf der Bildfläche. Wird die Skizze mit vergänglichem Strich aufgetragen, so verschwindet die Vorzeichnung im Lauf der Arbeit. Guay verwendete einen Kupferstift, Natter einen Kupferstift oder die Diamantspitze, Seitz einen weißen Farbstift. Für die Antike ist Vorzeichnung mit der Korundspitze oder ganz dünnen Zeiger bekannt; Vorzeichnung mit vergänglichem Strich läßt sich vermuten, aber natürlich nicht mehr nachweisen. Nach der Vorzeichnung beginnt der Schnitt: Der Gemmenschneider bringt ein Gemisch von Öl und Diamant- bzw. Korundstaub auf den Zeigerkopf auf, legt zunächst die Grundformen an,

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geht dann in die Details. Er hält den Haltestock mit beiden Händen (s. Abb. 967, 973). Mariette beschreibt, wie Guay den aufgekitteten Stein zwischen Daumen und Zeigefinger der Linken hält und mit dem Daumen der rechten Hand stützt, wobei er in den Fingern der Rechten zugleich die kleine Spatel mit Öl-Diamantstaub-Gemisch hält, um den Zeiger immer wieder zu benetzen. Nach Mariette hat sich zum Schneiden z. B. von Amethyst und Bergkristall auch die Verbindung von Wasser und Diamantstaub bewährt. Beide Flüssigkeiten haben zugleich einen kühlenden Effekt. Im Moment des Schnittes sieht der Gemmenschneider nur das Umfeld, nicht die vom Zeiger verdeckte Schnittstelle selbst, auch verschmiert das Öl-Diamantstaub-Gemisch die Oberfläche: in diesem Augenblick ist das plastische Formgefühl seiner Hände wichtiger als das Auge; der Druck der Hände bestimmt die Tiefe des Schnittes. Zur Kontrolle des Arbeitszustandes wird die Oberfläche immer wieder gesäubert und ein Abdruck in Modellierwachs genommen. Der Intaglioschnitt setzt eine besonders entwickelte plastische Vorstellungskraft für das negative Relief voraus: Alles, was später als plastische Form erscheinen soll, wird weggeschnitten und zwar in umgekehrter Reihenfolge der dann am Abdruck sichtbaren Schichten. Ein zu tief gesetzter Schnitt ist irreparabel. Andererseits ist es im Unterschied zur Kameotechnik relativ leicht eine Frauengestalt mit einem durchsichtigen Gewand zu bekleiden, indem die Falten in den fertig modellierten Körper eingeschnitten werden, wodurch sie beim Abdruck auf dem Körper liegen. Am Beispiel einer Eule in Nicolo von Martin Seitz wurden verschiedene Arbeitsstadien festgehalten (Abb. 975 a–e). Am Anfang steht eine Bleistiftskizze auf Papier in Originalgröße (a). Nur so wird das Bild trotz des Miniaturformates eine eigenständige Reliefplastik, die im kleinen Raum des Gemmenbildes lebt, wie ein großes Relief in dem seinen. Der Entwurf wird dann in großen Zügen auf den Stein übertragen (b). Diese Linien verschwinden beim Schneiden und Abwischen des Diamant-Öl-Schlamms immer wieder, können wenn nötig neu gezeichnet werden. Die Figur wird oberflächlich angeschnitten (c), dann größere Teilformen noch ohne Details eingetieft (d). Schließlich ist der Schnitt fast vollendet, es fehlen noch Details im Gefieder (e). Kontrollabdrücke, die der Gemmenschneider immer wieder nimmt, zeigen ihm den Stand der Arbeit (f).

Vorzeichnung und verschiedene Stadien des Schnittes Ein minoischer Gemmenschneider hat einen sehr feinen Flachperlzeiger benutzt um die Umrisse eines liegenden Steinbocks zu skizzieren, der das Pendant zu dem schon ausgeführten Tier bilden sollte (Abb. 976). Ein berühmter hellenistischer Chalcedonquader hat auf allen vier Seiten unfertige Bilder in verschiedenen Stadien der Arbeit (Abb. 977 a– d). Auf Seite a) ist die Figur eines stehenden, szepterhaltenden widderköpfigen Ammon mit der Korund- oder Diamantspitze skizziert. Ebenso ist auf Seite b) der schakalköpfige Anubis eingeritzt, die Grundformen des Körpers sind hier schon mit breiten Flachperlschnitten angelegt. Bei der stehenden Isis mit Szepter auf Seite c) sind die Übergänge zwischen den Grundschnitten im Körper schon teilweise ausgeglichen, das Gewand begonnen. In der gesenkten Linken war wohl eine Situla geplant. Seite d) zeigt eine thronende Isis, auf deren Schoß Harpokrates sitzt; das Kind ist skizziert, die Grundformen von Isis und Thron sind

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angelegt. Ein Karneol des frühen 1. Jahrhunderts n. Chr. zeigt Spuren einer ähnlichen Arbeitsweise (Abb. 978). Ein flötespielender Amor schreitet auf einen leierspielenden Satyr zu. Die Flötenrohre sind erst mit der Korundspitze vorgeritzt, Kopf und Flügel des Amor, das Schwänzchen des Satyrs erst mit kleinen Schnitten markiert. Der Körper des Satyrs ist in diesem flüchtigen Flachperlstil wohl als fertig anzusehen, doch fehlt die Angabe von Nase und Mund, vielleicht von Haar. Der Gemmenschneider hat den Stein vermutlich wegen zweier Defekte verworfen: eines Fehlschnittes zwischen Knie und linkem Bein des Amor und wegen des fehlenden Raumes für das rechte Bein des Amor. Bei dem Löwen (Abb. 979) sind Körper, Beine und Schwanz ganz oder nahezu fertig, Mähne und Kopf sind erst in der Grundform angelegt. Wahrscheinlich hat der Gemmenschneider den Stein nach zwei Fehlschnitten zwischen Mähne und Rücken aufgegeben. Historische Gründe hat der Abbruch der Arbeit an einem schönen großen Amethyst mit leicht konvexer Oberfläche, der im Jahre 2000 in einem Männergrab des 3. Jahrhunderts n. Chr. in Xanten gefunden wurde (Abb. 980a, b). Er stellt die gegenüberstehenden Büsten des Nero und seiner Mutter Agrippina dar; wie auf Münzen ist die des Nero größer. Die tiefen Partien, Frisuren, Stirnen und Wangen, bei Nero auch der Hals, sind weitgehend fertig; die Augen sind angelegt, es fehlen Nasen, Münder und Kinnspitzen, bei Nero die Kranzschleife, bei Agrippina Hals und Zopfschlaufe im Nacken. Ein äußerer Grund für den Abbruch der Arbeit ist nicht erkennbar. Die beiden im Stirnhaar des Nero scheinbar hochstehenden Spitzen hätten noch zu Sichellocken ausgearbeitet werden können. Der Grund für den Abbruch dürfte vielmehr die damnatio memoriae der 59 n. Chr. auf Befehl Neros ermordeten Agrippina gewesen sein. Nero trägt die Frisur vom Typus Thermenmuseum, die eine Gabelung über dem rechten äußeren Augenwinkel aufweist (maßgeblich für die Lesung ist der Abdruck). Diese Frisur erscheint ab 59 n. Chr. auf Münzen. Der Gemmenschneider hatte also ein Doppelporträt mit der aktuellen Frisur des Kaisers begonnen. Aufgrund der Ereignisse war sein Auftraggeber verständlicherweise nicht mehr an der Ausführung interessiert. Die mit der Korundspitze geritzte Vorzeichnung ist bei der fertigen Arbeit in der Regel verschwunden, nur wenn der Gemmenschneider ihr nicht genau folgt, bleibt sie zuweilen in Resten erhalten. Dies ist der Fall auf einem Berliner Karneol im Miniaturstil (Abb. 981). Auf dem nur 1,63 cm breiten Bildfeld sind vier Personen in einem Triclinium dargestellt. In der Hintergrundmitte lagert Bacchus mit über den bekränzten Kopf gelegtem linken Arm. Auf zwei Klinen im Vordergrund liegen rechts die von vorn gesehene, ein Trinkhorn haltende Ariadne, links eine vom Rücken gesehene Mänade, die einen Blütenkranz hält. Von links kommt Victoria mit einer Früchteschale. Die Vorritzung ist besonders deutlich links neben dem senkrechten Teil des Lampenständers zur Rechten und zwischen den Falten der von den Klinen herabhängenden Tücher zu sehen. Bei Routinearbeiten, Motiven, die der Gemmenschneider sehr häufig, sozusagen auswendig, schnitt mag er auch ohne Vorzeichnung ausgekommen sein. Dies gilt wohl für einen Karneol mit Venus victrix in Wien (Abb. 982): Der Gemmenschneider hat die für die Raumaufteilung wichtigen Punkte: Oberkopf, linke Hand und Helm, Lanzenspitze, Schild und Basis festgelegt. Der Unterkörper der Venus samt Mantel ist schon fertig, ebenso der Schild mit Strahlenschmuck; da das Rädchen für die Strahlen gerade eingespannt war, hat der Gemmenschneider gleich noch die Haare damit geschnitten.

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4. Schnitt eines Kameos Umgekehrt als beim Intaglio bleibt beim positiven Relief des Kameos stehen, was als Bild erscheinen soll. Werkbank und Arbeitsweise sind dieselbe wie beim Intaglioschnitt (Abb. 928, 983). Allerdings wird der Kameenschneider den für kugelige Vertiefungen bestimmten Rundperlzeiger nur selten brauchen. Wenn der Kameenschneider sich ein ausgesuchtes Stück Lagenachat anschleifen läßt, kann er aus der Betrachtung der seitlichen Kante eine ungefähre Vorstellung vom Schichtverlauf gewinnen und sein Werk entsprechend planen. Noch deutlicher wird der Verlauf der Steinlagen nach dem Zuschliff der Grundform. Der Kameenschneider kann jedoch, vor allem bei größeren Stücken, nie vor Überraschungen sicher sein, wenn er nach und nach in die Tiefe geht.

5. Arbeit ohne Lupen Die oft gestellte Frage, ob die antiken Gemmenscheider bei ihren Miniaturarbeiten Lupen verwendeten, muß verneint werden. Überliefert ist, daß man Linsen als Brenngläser verwendete. Der von den Schulden seines pferdenärrischen Sohnes geplagte Bauer Strepsiades in den „Wolken“ des Aristophanes möchte eines beim Apotheker kaufen, um während der Gerichtsverhandlung die Schuldschrift von der Wachstafel des Schreibers wegzuschmelzen (Aristophanes, Wolken 766–772). Daß man Brenngläser beim Apotheker kaufen konnte, erklärt Antje Krug unter Hinweis auf Plinius 27,28 einleuchtend damit, daß sie von Ärzten zum Brennen verwendet wurden. Es gibt zahlreiche Funde plankonvexer Linsen aus Bergkristall und Glas von minoischer bis in römische Zeit. Solche Linsen dienten nachweislich als Schmucksteine, Spielsteine, Einlagen von Möbeln und Statuenaugen. Der vergrößernde Effekt einer wassergefüllten Glaskugel war bekannt, auch kann es einem Gemmenschneider, der einen blanko zugeschliffenen Bergkristall-Skarabäoid vor sich sah, nicht verborgen geblieben sein, daß beim Blick durch die konvexe Seite Darunterliegendes größer erschien. Keine der gefundenen Linsen ist jedoch so exakt geschliffen, daß sie zur Kontrolle von Details auf Bruchteilen von Millimetern hilfreich wäre. Der Erfindung einer solchen Sehhilfe stand überdies, wie Krug gezeigt hat, die antike Vorstellung von der Funktion des Auges im Wege. Leonard Gorelick und A. John Gwinett nehmen an, daß Gemmenschneider durch Kurzsichtigkeit zu ihrer Arbeit besonders befähigt waren und daß die Vererbung dieser Eigenschaft die Weitergabe des Handwerks an die Söhne förderte. Mit dieser Möglichkeit ist zu rechnen. Die Augen sehr junger Gemmenschneider wie Doros konnten sich wohl auch ohne Kurzsichtigkeit auf das Miniaturformat einstellen Es gilt aber auch zu bedenken, daß die Fähigkeit des antiken Menschen – des Gemmenschneiders, wie des Gemmenkäufers –, kleine Dinge genau zu sehen, ganz allgemein weit größer war als die durch moderne Sehgewohnheiten verdorbene des heutigen Menschen. Schließlich darf die entscheidende Rolle der fühlenden Hand beim Schnitt nicht vergessen werden. Anstrengend für die Augen war die Arbeit mit Sicherheit. Plinius erwähnt, daß die Gemmenschneider zur Erholung ihrer Augen auf Smaragde schauten: den Gemmenschneidern ist keine andere Erholung für die Augen angenehmer: so lindern sie durch ihr angenehmes Grün die Müdigkeit (Plinius 37,63, übersetzt von R. König).

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XXIV. GLASGEMMEN UND KAMEOGLAS A. GLASGEMMEN, GLASKAMEEN Gemmen aus Glas sind im antiken Mittelmeerraum seit der späten Bronzezeit, d. h. seit rund 1500 v. Chr. bekannt. Sie sind bis in klassisch griechische Zeit relativ selten und waren wahrscheinlich kaum von geringerem Wert als Gemmen aus Edelstein. In hellenistischer Zeit werden sie häufiger. Etwa gleichzeitig oder wenig später als Kameen aus Lagensteinen (s. o. S. 59) kommen auch Abformungen solcher Kameen in entsprechend gefärbtem Glas auf. Porträts insbesondere ptolemäischer Könige wurden auf diese Weise vervielfältigt und vermutlich bei Festen verschenkt. Das Fragment eines dreischichtigen Glaskameos in Wien zeigt einen kindlichen König als Harpokrates mit Horuslocke und an den Mund gelegtem Finger (Abb. 984). Vom Nacken fällt die Königsbinde mit gefranstem Ende auf die Schulter. Die Ägyptische Doppelkrone ist abgebrochen. Es könnte sich um Ptolemaios V. handeln, der mit etwa sechs Jahren auf den Thron kam. Er wird auch in rundplastischen Bildnissen als Harpokrates dargestellt. Große Mengen von Glasgemmen wurden im letzten Jahrhundert der römischen Republik und in der frühen Kaiserzeit hergestellt. In geringerer Zahl sind sie aus der späteren Kaiserzeit erhalten. Die römischen Glasgemmen (d. h. Glas-Intaglien) waren in der Regel preiswerter Ersatz für Edelsteingemmen, dienten wie diese als Siegel. In spätrepublikanischer Zeit benutzten alle streitenden Parteien, insbesondere aber die des Octavian-Augustus Glasgemmen als Propagandamaterial (s. o. S. 12, 128). Ein herausragendes Stück ist der Glaskameo mit den Abzeichen der Priesterämter des Augustus (Abb. 504). Kostbare Stücke aus der kaiserlichen Sammlung wurden in Glas reproduziert und vermutlich als Ehrengeschenke vergeben (z. B. Abb. 471, 613). Eine besondere Gattung von Glaskameen diente als Orden (s. o. Abb. 626). Glasrepliken von Meistergemmen mögen auch damals schon für die Sammlung eines Gemmenliebhabers bestimmt gewesen sein. Die zahlreichen einfarbigen Schmuckplatten aus Preßglas gehören nicht in diesen Zusammenhang, da sie keine Kameen nachahmen. Im 18. und 19. Jahrhundert erlebten Glasabdrücke von Gemmen, „Glaspasten“ oder „Pasten“ genannt, eine neue Blüte, waren sie doch die schönsten, den Originalen am nächsten kommenden Abdrücke von Gemmen (s. o. S. 281f.). Zur einfachen Unterscheidung werden hier, nach einem früheren Vorschlag, antike Glasabdrücke „Glasgemmen“, moderne Glasabdrücke „Glaspasten“ genannt (vgl. Würzburg I 1986, 7). Aus mykenischer Zeit sind in relativ weiche Steine geschnittene Model für Glassiegel bekannt. Die Bilder griechischer und römischer Glasgemmen wurden aus einer Form hergestellt, die durch den Abdruck einer Steingemme gewonnen wurde. Herstellungsverfahren sind aus dem 18. Jahrhundert überliefert. Ihr praktischer Nachvollzug durch Josef Welzel ergab übereinstimmende Ergebnisse mit Glaspasten des 18. Jahrhunderts und erlaubte den Rückschluß, daß die antiken Glasgemmen auf analoge Weise hergestellt wurden. Die wesentlichen Arbeitsschritte sind folgende:

A. GLASGEMMEN, GLASKAMEEN

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1) Es wird ein Abdruck oder Abguß der Gemme hergestellt. Ein Intaglio erzeugt einen positiven, ein Kameo einen negativen Abdruck bzw. Abguß. Die Abdruckmasse muß aus einem Material bestehen, das im Feuer nicht mit Glas verschmilzt, wie dies etwa bei sandhaltigem Ton der Fall wäre. Die Hersteller des 18. Jahrhunderts verwendeten meist mit Wasser oder Essig angekneteten bzw. angerührten Tripel (Kieselgur, Diatomeenerde) oder Tripel mit Gips vermischt, auch Kaolin käme in Frage. Die Gemmenoberfläche wurde mit Seifenlauge bestrichen, wodurch sie mit einem dünnen Fettfilm überzogen wird, was das Anhaften verhindert. 1) Für die Herstellung der Form sind verschiedene Methoden überliefert: 1a) Man drückte die Gemme in die von einer geeigneten Fassung (Schmelztiegel, Eisenring) umgebene angeknetete, feuchte und mit feinstem trockenen Tripelpulver bestreute Masse (Hombergs Methode); 1b) die Gemme wurde mit der Bildseite nach oben in einen Eisenring gelegt, trockener Tripel aufgesiebt, dann die feuchte Tripelmasse eingedrückt (Lipperts Methode); 1c) die Gemme wurde inTon gebettet und mit dem angerührten Gips-Tripel-Brei übergossen (eines von mehreren in J. K., Curieuse Kunst- und Werckschul [Nürnberg 1705] überlieferten Verfahren). Ist der Abdruck trocken, wird die Gemme herausgenommen (Abb. 985 a). 2) Die Abformung in Glas 2a) Ein Glasstück wird auf die Form gelegt und mit dieser unter einer Muffel (Tonkapsel, Tonhaube) in die Glut des Ofens gestellt und erhitzt. Ist die Glasmasse weich genug, was der Glasmacher daran erkennt, daß sie sich aufzuwölben und zu leuchten beginnt, wird sie mit einem warmen Eisen in die Form gedrückt (Abb. 988 b). Im praktischen Versuch wurde ein kleiner elektrischer Emaillierofen verwendet, wodurch sich die im Holz- oder Kohlefeuer erforderliche Muffel erübrigte. Oder 2b) Ein Glasstab wird erhitzt, ein passendes Stück in die Form getropft. Da Glas bei den mit Holz- oder Kohlefeuer erreichbaren Temperaturen von maximal 1000o C höchstens so flüssig wird wie Honig, muß wegen der geringen Schwere und der Oberflächenspannung des Tropfens die Glasmasse ebenfalls in die Form gedrückt werden. 3) Nach langsamem Erkalten kann der Rohling abgenommen werden. Das Glas zeigt nun eine genaue Replik des Originals: ein vertieftes Bild vom Intaglio, ein erhabenes vom Kameo. Überschüssiges Glas umgibt das Bild in unregelmäßiger Form. 4) Der Rohling kann dann wie eine Gemme an Rändern und Rückseite zugeschliffen werden. Bei der Abgußmethode (1c) besteht die Gefahr, daß beim Erhitzen der Form aus einer scheinbar glatten Abgußoberfläche noch Bläschen aufsteigen und platzen; ein solches geplatztes Bläschen ist über dem Rücken des Hirsches auf dem Rohling in Abb. 988 c zu sehen. Antike Glasgemmen weisen häufig derartige Bläschen auf. Bei der Methode 2b besteht die Gefahr, daß das auftropfende Glas die Form beschädigt. Daher arbeiteten die Hersteller von Glaspasten im 18. und 19. Jahrhunderts stets nach der Methode 2a, bei der das Glasstück auf der Form ohne Kontakt mit dem Reliefbild erhitzt wird. Es ist jedoch denkbar, daß durchschnittliche antike Glasgemmen nach der Methode 2b hergestellt

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XXIV. UND KAMEOGLAS XXIII. DIE GLASGEMMEN TECHNIK DES GEMMENSCHNEIDENS

wurden. Hierbei ist es zweckmäßig, wenn zwei Handwerker zusammenarbeiten. Das Verfahren nach 2a wird leicht von einem Einzelnen bewältigt. Er kann so viele Glasstücke auf den Formen gleichzeitig erhitzen, wie er im gegebenen Bearbeitungsspielraum eindrücken kann. Die Rückseiten der Rohlinge und die oft unbeschliffenen Rückseiten fertiger Glasabdrücke, antike wie moderne, zeigen immer Spuren des Drückens. Die Arbeitsschritte 1–3 können ohne großen technischen Aufwand mit Hilfe eines kleinen Ofens ausgeführt werden. Hofrat Johann Friedrich Reiffenstein unterrichtete in seiner Küche interessierte Dilettanten, unter ihnen Goethe, in dieser Kunst (s. o. S. 282). Die Herstellung einer guten Glaspaste setzt allerdings erstklassiges Material von Abdruckmasse und Glas sowie große Sorgfalt des Herstellers voraus. Nur der erste Abdruck ergibt eine scharfe Replik der Gemme, die alle Bilddetails einschließlich der Politur exakt abbildet. Eine Form kann jedoch mehrfach verwendet werden, verliert aber zunehmend an Schärfe. Die flaue Oberfläche mancher antiken Glasgemmen bezeugt diese Praxis. Der Glaskameo mit der Gruppe des bärtigen Bacchus und der Ariadne, die einander umarmen, ist insgesamt noch recht scharf, zeigt aber bei den in die Dreiviertelansicht gewendeten Köpfen leichte Unschärfen (Abb. 986). War gute Qualität angestrebt, so war eine jeweils neue Abformung des Originals oder des Erstabdrucks empfehlenswert. Carina Weiß hat fünf Glaskameen mit dem Porträt des Augustus untersucht, die alle vom selben Original, jedoch mindestens aus zwei, vielleicht drei verschiedenen Formen stammen; ferner hat sie zwei weitere große Glaskameen mit Augustusporträts vom gleichen SteinOriginal nachgewiesen (Weiß 2005, 232–239). Weiß (1995, 547 Anm. 294) und Rosemarie Lierke (1996, 194 Abb. 7; 199f.) nehmen an, daß bei mehrlagigen Glaskameen die untere(n) Schicht(en) als Glaspulver in die Form eingebracht wurden. Für das Zuschleifen des Rohlings (Arbeitsschritt 4) ist die Werkbank eines Gemmenschneiders oder Glasschleifers erforderlich. Ob der Glaspastenhersteller diese Arbeit selbst machte oder machen ließ, hing von den jeweiligen Gegebenheiten ab. Abgedrückt wurde beim Intaglio nur das Gemmenbild, die Formung des Randes und gegebenenfalls die Glättung der Rückseite erfolgte durch den Schliff. Antike Glasgemmen wurden in der Regel in gleicher Weise zugeschliffen. Die Rückseite blieb meist unbeschliffen, die leichten Unregelmäßigkeiten der Druckstellen erleichterten das Anhaften des Klebemittels bei der Fassung. Einen Sonderfall stellen Intaglien mit konisch nach unten verbreitertem Rand dar. Hier konnte der Rand mitabgeformt werden, ohne daß die Form verloren ging. Diesen Umstand machte sich eine rheinische Werkstatt zunutze, die im 3. Jahrhundert NicoloGlasgemmen nach Gemmen des 1.–2. Jahrhunderts herstellte (s. o. S. 196f.). Auch andere Gemmenformen mit nicht unterschnittenen Profilen konnten ohne Nachschliff bleiben (z. B. AGWien II 1979 Nr. 935). Daß unterschnittene Ränder mitabgedrückt wurden, was den Verlust der Form bedeutet hätte, ist bisher nicht nachgewiesen. Nacharbeit der Darstellung mit Gemmenschneiderwerkzeug kommt selten vor; sie war erforderlich, wenn eine Unterschneidung eingearbeitet werden mußte, wie an dem Köpfchen der Livilla in Wien (hier Abb. 629). In der gleichen Weise wie Glasgemmen und -pasten konnten Glasmatrizen angefertigt werden. Die Hersteller der Neuzeit machten sich solche Glasmatrizen, aus denen sie dann Formen für Glaspasten oder Abgüsse in verschiedenem Material, wie Schwefel oder Gips,

B. GESCHNITTENES KAMEOGLAS

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gewinnen konnten. Diese Praxis ist auch für die Antike vorauszusetzen. Der Hersteller etwa von Glasphalerae wird sich von dem originalen Kameo eine Glasmatrize gemacht haben, die zur weiteren Vervielfältigung diente, während der Kameo in die kaiserliche Schatzkammer zurückgegeben wurde. Über eine Zwischenform konnten Kameen in Glasintaglien und Intaglien in Glaskameen verwandelt werden.

B. GESCHNITTENES KAMEOGLAS 1. Die Portlandvase Die in augusteischer Zeit bei Kameen so geschätzte reine Zweifarbigkeit von Kameen mit weißen Figuren auf dunklem Grund, ließ sich nur mit ausgesuchtem Rohmaterial und vermutlich geschickter Färbung herstellen. Bei Achatgefäßen war es unmöglich, sie vollkommen zu erreichen, da Achatmandeln nicht exakt regelmäßig wachsen. Der gewünschte Effekt konnte jedoch künstlich erzielt werden, wenn man dunkles Glas mit einer gleichmäßigen Schicht weißen Glases überfing und dann wie einen Kameo schnitt. Meist bildet blaues Glas den Hintergrund: das Material Glas ermöglichte es, eine in der Natur seltene, nicht in großen Stücken vorkommende Färbung zu erreichen. Die Portlandvase ist Spitzen- und Schlüsselstück dieser Technik (Abb. 642a, b). Zunächst mußte ein Rohling aus blauem, im späteren Bildteil weiß überfangenem Glas hergestellt werden. Man hatte vermutet, der blaue Grund sei aus einem Glasblock geschliffen worden, wie ein Achatgefäß aus der Mandel. In die Länge gezogene Bläschen im Glas sprechen jedoch dafür, daß der Rohling geblasen wurde. Die Glasmacherpfeife war im 2. Viertel des 1. Jahrhunderts v. Chr. im syro-palästinensischen Raum erfunden worden, verbreitete sich danach rasch im römischen Reich. William Gudenrath hat den Vorgang im praktischen Versuch nach der Methode des sog. Hafenüberfangs nachvollzogen: Ein blauer Glasposten wurde an der Glasmacherpfeife leicht aufgeblasen, dann in weißes Glas getaucht und weiter aufgeblasen, Hals und Mündung wurden geformt, die Henkel angesetzt. So wurde auch der Rohling für Josef Welzels Kopie von 1987 hergestellt, der allerdings zur Erzielung einer genauen Kopie in eine Holzform geblasen wurde. Erwogen wurde auch die Herstellung des Rohlings im sog. Trichterüberfang, bei der blaues Glas in einen „Trichter“ aus weißem Glas eingeblasen würde. Noch unerklärt sind die im Innern der Portlandvase und anderer Kameoglas-Gefäße horizontal umlaufenden Kratzer. Wenn der Rohling geblasen wurde, stammen sie von einem sekundären Arbeitsvorgang. Gudenrath und Whitehouse nehmen ein Ausschleifen an, das dem Testen der Spannung bzw. ihrer Verminderung dienen sollte, um zu sichern, daß der Rohling das Schleifen aushalten würde. Daß dies sinnvoll sein könnte, zeigt das Beispiel der Replik, die Joseph Locke für die Pariser Weltausstellung von 1878 herstellte. Von den 40 Rohlingen, die für ihn hergestellt wurden, erwiesen sich 38 teils beim Kühlen als fehlerhaft, teils zersprangen sie bei ersten Schleifarbeiten. Rosemarie Lierke hat die Theorie entwickelt, die Portlandvase und andere Kameoglasgefäße seien zunächst in eine schüsselförmige Form mit dem negativen Relief der Darstellung gepreßt worden; die Glasschale wäre dann in heißem Zustand

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XXIV. UND KAMEOGLAS XXIII. DIE GLASGEMMEN TECHNIK DES GEMMENSCHNEIDENS

über einem auf der Töpferscheibe angebrachten pilzförmigen Kern abgesenkt und zur endgültigen Form gedreht worden. Die Theorie wurde nicht durch ein praktisches Experiment erhärtet. Es ist zu bezweifeln, daß ein solches Verfahren ohne starke und unkontrollierbare Verzerrungen möglich wäre. Vorstellbar wäre, daß der Rohling auf diese Weise hergestellt wurde. Als Beweis für die Herstellung auf der Töpferscheibe werden die im Innern der Gefäße umlaufenden Kratzer in Anspruch genommen. Bei praktischen Versuchen mit der Töpferscheibe entstanden diese allerdings nicht. Zu erproben wäre, ob sie bei einem Schleifvorgang zustande kommen. Nach dem optischen Eindruck sind sie in kaltem nicht in warmem Zustand des Glases entstanden. Wie auch immer diese Kratzer zu erklären sein werden, sie haben ausschließlich mit der Herstellung des Rohlings zu tun, nicht mit der des Reliefdekors. Der Figurenfries der Portlandvase ist in Gemmenschneide-Technik gearbeitet. Eine Betrachtung des Originals, die ich mit Veronica Tatton-Brown durchführen konnte, hat dies erneut bestätigt. Angeschliffene Bläschen, Spuren verschiedener Rädchen, technische Details wie die Umschneidung der Grundform der Baumkronen sind allenthalben sichtbar. Das Relief besteht nicht nur aus weißer Schicht, sondern schließt wie bei Steinschnitten manchmal einen kleinen blauen Sockel ein. Leichte Hinterschneidungen heben die Konturen der Körper, auch Binnenformen, wie die Nase der Träumenden, Brauen und Oberlider, bei den Pansmasken auch die Münder, hervor. Hinterschneidungen (z.B. szepterhaltender Arm der Venus) und Teilungsschnitte (z. B. zwischen den Oberschenkeln des Schreitenden) reichen teilweise bis in die blaue Schicht hinein. Der blaue Hintergrund ist hochpoliert, etwas matter an schlecht erreichbaren Stellen, wie zwischen Handgelenk und Oberarm des Bärtigen. Entlang den Konturen erfolgte die Politur mit der Stirnseite eines Rädchens, dessen bandförmige Schleifspur sich von der übrigen Politur abhebt. Eine Überraschung waren die Zehen des rechten Fußes der Venus: sie ragen schräg zur Hintergrundsebene nach vorn, sind ganz unterschnitten und auch auf der Unterseite sorgfältig ausgearbeitet. Es ist bezeichnend für die Einstellung des Gemmenschneiders, aber auch für die Kennerschaft, die er beim Betrachter erwartete, daß er an dieser in Draufsicht nicht einsehbaren Stelle kein ungeformtes Stück weißes Glas stehen lassen wollte. Josef Welzel hat nach gründlichem Studium des Originals einen Nachschnitt der Portlandvase hergestellt und so im praktischen Versuch die antike Technik nachvollzogen. (Abb. 987, vgl. Abb. 642b). Die Abbildung zeigt die Arbeit an der Kopie in fortgeschrittenem Stadium; links ist das Schneidgerät mit dem Treibriemen, rechts im Hintergrund sind Schleifrädchen in verschiedenen Größen und Formen zu sehen. Das sehr kleine Schleifrädchen wird an der Kopfkontur der Schlafenden angesetzt. Bei einem Glasobjekt, insbesondere von dieser Größe, ist die Kühlung während des Schnittes besonders wichtig, da es sonst zu zerspringen droht; gleichzeitig wird dadurch der Schleifstaub gebunden. Welzel läßt durch eine einfache Tropfnase Wasser auf die Schnittstelle tropfen. Abb. 988 zeigt die Herstellung einer leichten Unterschneidung an einem Blatt des Baumes auf der VenusSeite.

B. GESCHNITTENES KAMEOGLAS

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2. Perseus: Fragment im Cabinet des Médailles Ein Fragment mit Perseus bei der Befreiung Andromedas stammt von einem Gefäß, das ein Meisterwerk des Hochrelief-Schnitts war (Abb. 989 a–f ). Das kostbare Fragment war ein Geschenk des Comte de Caylus an Louis XV. Erhalten ist der in Dreiviertelrückansicht gesehene Körper des Heros; er streckt den rechten Arm aus, stützt den rechten Oberarm der an den Felsen gefesselten Andromeda, die auf den Rücken gelegte Linke hält das Medusenhaupt, ein Mantel ist um den Unterarm gelegt. Die Beine des Perseus fehlen, von Andromeda ist nur der rechte Arm erhalten, am linken Rand des Fragmentes ist als Rest einer weiteren Figur eine Hand mit zwei Speeren zu erkennen. In Draufsicht nicht sichtbar ist die außerordentliche Tiefe der Perseusgestalt. Der rechte Arm ist von Oberarm bis Handgelenk völlig unterschnitten und rundplastisch geformt (Abb. 989c), letzteres gilt auch für den unter dem Oberarm liegenden Teil der Brust. Der Kopf ist schmaler als es eine Rundplastik wäre, das Gesicht jedoch auch auf seiner linken Seite völlig ausgearbeitet (Abb. 989d); das Gleiche gilt für Hals und Hinterkopf (Abb. 989e). Die weiße Schicht unter dem Kopf ist bis auf einen kleinen Sockel zurückgeschnitten. Der Hals ist vorn von der stehengebliebenen weißen, in Draufsicht unsichtbaren Schicht durch einen Schnitt abgesetzt, der bis in die blaue Grundschicht hineinreicht. Das Medusenhaupt ist in Hochrelief geschnitten, auch die linke Gesichtshälfte ist ausgearbeitet, was nur von unten zu sehen ist (Abb. 989f). An dem für die Politur schwer zugänglichen Rand des Dreiecks zwischen linker Armbeuge und Rücken sind Spuren von Flach- und Rundperlschnitten stehen geblieben. Eine Schleifspur verläuft entlang des Unterarms der Andromeda. Der Kameenschneider hat ein Kunststück geschaffen, das dem Betrachter beim Drehen des Gefäßes immer neue überraschende Aspekte bot. Die Rückseite des Fragmentes weist die schon erwähnten parallelen, horizontal umlaufenden Kratzer auf, und zwar jeweils sehr feine zwischen tieferen in annähernd gleichem Abstand von +/– 2mm.

3. Die Glastafel Dutuit Auch große Bild-Tafeln wurden aus Kameoglas geschnitten. Berühmt sind die beiden ca. 25 x 40 cm großen Ariadne-Tafeln aus dem Speisezimmer der Villa des Fabius Rufus in Pompei, wo sie vielleicht als Wandschmuck dienten. Weniger bekannt ist die kleinere Tafel aus der Sammlung Auguste Dutuit im Petit Palais, Paris (Abb. 990). Auf einem aus polygonalen Blöcken aufgeschichteten Sockel sitzt in lässiger Haltung ein junger Satyr. Die Linke stützt er auf den Fels, in der ausgestreckten Rechten hält er eine Traube in neckischem Spiel hoch; das Bacchuskind kann sie nicht erreichen, obwohl es sich auf einen Stein gestellt hat und beide Arme danach ausstreckt. Die Szene spielt in einem ländlichen Hain des Pan, dessen Statuette mit der Pansflöte in Händen im Hintergrund auf einer teilkannelierten ionischen Säule mit Sockel steht. Das Gesicht des Pan ist leider weitgehend zerstört. Am Fuß der Säule liegen Beutel und Wurfholz des Satyrs. Links wächst eine Pinie, zwischen deren Blättern man Pinienzapfen erkennt. Das Relief ist flach, gewinnt aber Tiefenwirkung durch die Staffelung der Bildelemente und die Dreiviertelansicht der Körper. Leichte Unterschneidungen heben die Konturen klar vom Hintergrund ab. Die Pupillen sind mit dem Rundperlzeiger eingetieft. Bei den Felsen

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XXIV. UND KAMEOGLAS XXIII. DIE GLASGEMMEN TECHNIK DES GEMMENSCHNEIDENS

sind Spuren der Schleifrädchen ungeglättet stehengeblieben, weil es zur Charakterisierung des Materials paßt. Die Szene des Glaskameos ist kein reines mythologisches Genrebild; der heilige Hain, in dem sie spielt, hebt sie in die Sphäre der bacchischen Mysterien, in denen die Kindheit des Gottes eine wichtige Rolle spielte.

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LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN Beschreibungen:

Rechts und links entspricht der jeweiligen Abbildung, unbeschadet der Tatsache, daß Intaglien in der Regel im Abdruck seitenrichtig sind. Attribute werden in der Reihenfolge rechts / links angeführt. Form und Art: Es handelt sich um Intaglio-Ringsteine, sofern nichts anderes vermerkt ist. Furtwängler, AG: wird in der Regel in Kurzform, ohne Band-Nr. mit „Tafel, Abbildung“ zitiert; über die Tafel in Band I, findet man den zugehörigen Text in Band II, sowie mit Hilfe der Unterüberschriften der Abschnitte gegebenenfalls eine Erwähnung im systematischen Teil III. Glasgemmen: Datierungen von Glasgemmen beziehen sich, von ausdrücklich vermerkten Ausnahmen abgesehen, auf das Bild, d. h. die Steingemme, von der die Form genommen wurde. Kataloge: Bei Katalogen mit fortlaufenden Abbildungen wird nur die Katalog-Nummer, nicht die Tafel zitiert. Literaturhinweise: Bei vielfach behandelten Gemmen geben die Literaturhinweise eine Auswahl. Literaturangaben, die den einzelnen Abschnitten jeweils in alphabetischer Reihenfolge vorangestellt sind, werden in den Hinweisen zu den Abbildungen mit Autor und Jahr zitiert. Literaturangaben ohne Vornamen des Autors sind im Abkürzungsverzeichnis enthalten. Literaturangaben zu einzelnen Abbildungen sind chronologisch geordnet. Maße: Es wird in der Regel nur die größte Ausdehnung des Bildes in cm angegeben, also die Höhe bei Hochformaten, die Breite bei Querformaten.

I. EINFÜHRUNG Literatur Siegel im Vorderen Orient

Brentjes 1983; Collon 1987; Klengel-Brandt 1997

Antike Autoren

Anthologia Graeca I–XI Griechisch-deutsch ed. H. Beckby (München 11957, 2o. J.) Dioscurides, De materia medica Max Wellmann, Pedanii Dioscuridis A., De materia medica libri quinque (Berlin 1906–1914) Pedanius Dioscurides aus Anazarba, Fünf Bücher über die Heilkunde. Aus dem Griechischen übersetzt v. Max Aufmesser (Hildesheim 2002). Nach der Ausgabe von Max Wellmann Koiraniden D. Kaimakis, Die Kyraniden (Meisenheim am Glan 1976) M. Waegemann, Amulet and Alphabet. Magical Amulets in the first Book of Cyranides (Amsterdam 1987)

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I. EINFÜHRUNG

Lapidarien R. Halleux – J. Schamp, Les lapidaires grecs: Lapidaire orphique; kérygmes lapidaires d’Orphée, Socrate et Denys; lapidaire nautique; Damigéron-Évax (2Paris 2003) J. F. Quack, Zum ersten astrologischen Lapidar im Steinbuch des Damigeron und Evax, Philologus 145, 2001, 337–344 K.-W. Wirbelauer, Antike Lapidarien. Phil. Diss. Berlin 1937 (Würzburg 1937) Plinius, nat. hist. 36 und 37: Zweisprachige Ausgaben: D. E. Eichholz, Pliny Natural History, with an English Translation in ten volumes, vol. X (1962). R. König mit J. Hopp [Hrsg., Übers.], C. Plinii Secundi Naturalis Historiae / S. Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde XXXVI (München – Zürich 1992), XXXVII (München – Zürich 1994). Poseidippus: Austin, G. –Bastianini, G. Posidippi Pellaei quae supersunt omnia (2002). Bastianini, G. –Gallazzi, C. (adiuv. C. Austin), Posidippo di Pella. Epigrammi (2001) St. Schröder, Skeptische Überlegungen zum Mailänder Epigrammpapyrus, ZPE 148, 2004, 29–73 (Einwände gegen die Zuweisung aller Epigramme an Poseidippos) Strabon, Geographica Zweisprachige Ausgaben: The Geography of Strabo, with an English Translation by H. L. Jones, vol. VIII (Bücher 1 – 17) (1917 -). Strabons Geographica, mit Übersetzung und Kommentar hrsg. v. St. Radt I (Bücher 1 – 4) (2002) Theophrastus, De lapidibus: Griechisch-englisch: D. E. Eichholz, Theophrastus de lapidibus (Oxford 1965).

Moderne Autoren zu den Quellen

Boardman, GGFR 447 Furtwängler, AG III 383–397 u. passim Kirchmann 1672 Plantzos 1999, 7–11. Richter, New York 1956, XVI–XXXI Richter, EG I 1968, 8f. Vollenweider in Boardman – Vollenweider 1978, 69 – 72

Zum Wort „Glyptik“, gemmas scalpere etc:

Blümner II 175f.; III 281f. Instinsky 1962, 48–50 Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 74f. Anm. 60. Walters 1926 XVIII, LVII

Zum Wort „Kameo“:

Babelon 1897 IIIf. Bloch, O. – Wartburg, W. von, Dictionnaire etymologique de la langue française (1964) 102 Eichler – Kris 1927, 5; Mariette I 31 mit Anm. b. Plantzos, D., Hellenistic Cameos, BICS 41, 1996, 115f. Wartburg, W. v., Französisches Etymologisches Wörterbuch II (1949) 110

Wortgebrauch bei Goethe und Zeitgenossen:

Femmel – Heres Z. 9, 48, 51, 58, 256 u. passim

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II. GEBRAUCH DER GEMMEN LITERATUR Siegel Boardman, GGFR 446–448 Bonner, R. J., The Use and Effect of Attic Seals, Classical Philology 3, 1908, 399–407 Diehl 1938 Fourlas 1971, 68–82 Furtwängler, AG III 79, 81f., 129f., 133–135, 164, 214–216, 304f. Henkel 1913, XIX–XXVIII, 330 – 337 Instinsky 1962 Kirchmann 1672 Kraft 1963, 14, 21 Krause 1856, 132–140, 169 – 187 Müller, W., How secure are Seal Impressions, in: 9th International Congress of Cretan Studies at Elounda, 1–6 October 2001 (in Druck) Plantzos 1999, 18–22 Plinius 33, 5–41 Richter, EG I 1968, 1–3; II 1971, 1 u. 4 Richter, New York 1956, XVIf., XXf. Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts (1953) 129 – 149 Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 55–59

Ausnahmsweise Verwendung von Kameen als Siegel Boussac, M.-F., RA 2/1988, 326f. Abb. 40.

Siegelabdrücke in Ton („Tonsiegel“)

Mesopotamien: R. L. Zettler, Sealings as Artifacts of Institutional Administration in Ancient Mesopotamia, Journal of Cuneiform Studies 39, 1987, 197–240. Minoisch-Mykenisch: E. Fiandra, A che cose servivano le cretule di Festòs, in: Pepragmena tou B‘ Diethnous Kritologikon Synedriou 1 (1968) 383–197; E. Fiandra, Ancora a proposito delle cretule de Festòs, Bd‘A ser. 5, 60, 1975, 1–25; I. Pini. AA 1983, 559–572; Boardman, GGFR 62, 397; CMS II 5–7 (Phaistos, Hagia Triada, Kato Zakros); I. Pini (Hrsg.), Die Tonplomben aus dem Nestorpalast von Pylos (1997). 8. Jh. v. Chr. bis römische Kaiserzeit: Berges 1997, 31–41 (Verzeichnis). 6./5. Jh. – 146 v. Chr., Karthago: Berges 1997; D. Berges, Die Tonsiegel aus dem punischen Tempelarchiv in Karthago. Die Funde von 1993, RM 109, 2002, 177–223. Griechisch 5. und 4. Jh. v. Chr.: Boardman, GGFR 406. Hellenistisch und römisch: M. Maaskant-Kleibrink, Cachets de terre – de Doliché?, BABesch 46, 1971 , 23 –63; Salzmann, Porträtsiegel aus dem Nomophylakeion in Kyrene, BJb 184, 1984, 141– 166, 164–166 (Verzeichnis); Pantos 1985; Boussac, Delos I 1992; Σταμπολίδης, Delos II 1992; M.-F. Boussac – A. Invernizzi, Archives et Sceaux du Monde Hellénistique, BCH Suppl. 29 (1996); Plantzos 1999, 22–32; H. Kyrieleis, Ägyptische Bildelemente auf Siegelabdrücken aus Nea Paphos (Zypern), Städel-Jahrbuch 19, 2004, 109–116; Invernizzi (Hrsg.), Seleucia al Tigri. Le impronte di sigillo dagli archivi I – III (2004).

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II. GEBRAUCH DER GEMMEN

Siegel des Polykrates

Furtwängler, AG III 81 Instinsky, Siegel 15 Seltman, Ch., The ring of Polycrates. Centennial Publ. of the Numism. Ass. (1958) 595–601

Siegel Alexanders

Baldus, H. R., Die Siegel Alexanders des Großen. Versuch einer Rekonstruktion auf literarischer und numismatischer Grundlage, Chiron 17, 1987, 395–449 (auch zu den Siegeln des Sulla, Pompeius, M. Antonius, Augustus, Traian). Berve, H., Das Alexanderreich auf prosopographischer Grundlage II (1962) 316 Fourlas 1971, 73f. Hafner, G., Das Siegel Alexanders des Großen, in: U. Höckmann – A. Krug (Hrsg.), Festschrift für Frank Brommer (1977) 139–143 Schröder, St., Plutarchs Alexanderreden, Museum Helveticum 48, 1991, 151ff., 155

Siegel anderer Herrscher

Fourlas 1971, 72–76 Himmelmann-Wildschütz, N., Römische Adler, in: K. Rosen (Hrsg.), Macht und Kultur der Kaiserzeit (1994) 66 (Siegel der Ptolemäer) Instinsky 1962, 15–19 Pantos 1985 Nr. 94–96 Plantzos 1999, 21f.

Griechische Stadtsiegel

Boardman, GGFR 448 Dontas, G. S., Ἀρχαῖαι Ἑλληνικαὶ δημόσιαι σφραγῖδες, Ephem 1955, 1–21 Fourlas 1971, 68–72 Furtwängler, A. – Kron, U., Das Siegel der Stadt Demetrias, AM 93, 1978, 133–160 Instinsky 1962, 13f. Pantos 1985, 427–491 (auch Siegel von Beamten).

Caesars Siegel

AGWien II 1979 zu Nr. 1460 und 1467 Furtwängler, AG II 179 zu I Taf. 37,30; III 304f. (und andere literarisch erwähnte Siegelbilder) Gross, W. H., GGA 215, 1963, 89 Laubscher, H. P., JdI 89, 1974, 247 Simon, Die Portlandvase 17f. Zwierlein-Diehl, 138. BWPr (1999) 36f.

Siegel des Augustus

Instinsky 1962 (auch zu Siegeln hellenistischer Herrscher, der römischen Republik und anderer römischer Kaiser) Vollenweider, Porträtgemmen 195–197 (Caesars Ring als „Ring der Adoption“ des Octavian). Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 27 Anm. 133, 32 Anm. 207 (Alexandersiegel)

Galbas Siegel

Instinsky 1962, 40 Jucker, H., Der Ring des Kaisers Galba, Chiron 5, 1975, 349–364

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 1–5

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Marsyas-Olympos-Siegel des Traian

Acta Fratrum Arvalium, CIL VI 32374 (= 2078) col II Z.37f. Instinsky 1962, 41f.

Ehrengeschenke Fourlas 1971, 77 Anm. 189 (Athenion) Furtwängler, AG III 164 (Aristomenes, Athenion) Mariette 1750 I 6 (Lucullus) Plantzos 1999, 111 (Lucullus, Aristomenes, Athenion) Zwierlein-Diehl 1988, 3647 (Lucullus)

Schmuck, Glücksbringer, Amulette Barini, C., Ornatus muliebris (1958) passim, bes. 77 – 96 (anulus) Richter, New York 1956 XVIII–XX

Abbildungen Abb. 1 Dame mit Griffel und vierteiliger Schreibtafel (Tetraptychon) sowie Siegelring am Ringfinger der linken Hand, Wandgemälde aus Pompeii, DM 29 cm, Neapel, Nationalmuseum, Inv. Nr. 9084, nach Maiuri, PR (1953) 100. Rumpf,Malerei und Zeichnung, HdARch IV 1 (1953) 182; Pedicini, Le Collezioni del Museo Nazionale di Napoli (1986) 156 Nr. 232. Abb. 2 Versiegelte mykenische Bügelkanne, auf dem Tonverschluß zwei Abdrücke eines Siegels mit dem Bild eines Rindes, das sich den Hinterhuf zu lecken versucht, aus Mykene, „Haus des Ölhändlers“, Siegelabdruck: 2 x 1.5 cm, 13. Jh. v. Chr., Athen. Nach: Hampe – Simon 1980 Abb. 294, 295. CMS I Nr. 160. Abb. 3 Porträt des Alexander I Balas (150–145 v. Chr.), Tonsiegel, rötlich braun mit dunklen Einschlüssen, quer gebrochen und geklebt, Abdruck vom Abdruck eines Ringsiegels, die Kante der Ringfassung ist im oberen Teil erkennbar, 2.8 x 2.3 x 1.1 cm, Mitte 2. Jh. v. Chr. Bonn, Slg. Müller. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 56, 98f. Kat. 123 Abb. 113. Zum Porträt: Fleischer, Seleukiden 1991, 60–63 Abb. 4 Urkundentäfelchen (Geldquittung). Rekonstruktion in Holz, Wachs und Schnur. Für die Abdrücke auf den Wachssiegeln wurden Siegelringe der frühen Kaiserzeit aus dem Besitz des Museums verwendet. Nach einem Fund aus dem Haus des Bankiers Lucius Caecilius Iucundus in Pompeii, “Unter dem 3. Konsulat Kaiser Neros und dem des Valerius Messalla“, also 58 n. Chr., 12 x 10 x 2.4 cm, Mainz, Römisch-Germanisches Zentralmuseum. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 58, 146 Abb. 114. Abb. 5 Frosch, grüner Jaspis, 1.08 x 0.83 cm, 1. Jh. n. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 534.

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III. MINOISCHE UND MYKENISCHE SIEGEL

Abb. 6 Venus victrix im Typus des Siegels Caesars, Inschrift: C. IVLI CRESCENTIS, Ringstein, Karneol in modernem Goldring, 1.68 (ergänzt) x 1.26 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1460; Zwierlein-Diehl, 138. BWPr. (1999) 36 Abb. 50. Denar des Octavian mit Venus victrix: RIC2 I 59 Nr. 250b; Hirmer, RM Taf. 32, 121; Simon, Augustus 1986, 154 Abb. 201; Zanker, Augustus 1987, 62 Abb. 41 (vor 31 v. Chr.); W. Trillmich, in: Kaiser Augustus 1988 Kat. 327 (ca. 29/28 v. Chr.?); D. Mannsperger, in: Saeculum Augustum III (1991) 363ff. (36–31 v. Chr.). Abb. 7 Vereinfachtes Porträt des Octavian über dem Ring Caesars, honiggelbe Glasgemme, Abguß, 1.35 cm, 44– ca. 40 v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 810. Zum Thema: Vollenweider, Porträtgemmen 195–197; Sena Chiesa, Ottaviano capoparte 414–416. Abb. 8 Hockende Sphinx, Karneol, 1.17 x 0.94 cm, Ende 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1133. Cistophor mit Sphinx (27/26 v. Chr.) hier Abb. 306. Abb. 9 Alexander der Große im Kampf mit dem indischen König Poros, Dekadrachme, Vorderseite, wohl in Babylon geprägt, wohl 326 v. Chr. oder bald danach. London, British Museum. BMC Arabia, Mesopotamia, Persia 191 Nr. 61 Taf. 22,18; S. Settis, Alessandro e Poro, in campis Curculionis, La Parola del Passato 23, 1968, 55–75; T. Hölscher, Historienbilder ... Taf. 15, 2. Abb. 10 Oberkörper des Sehers aus dem Fresco von Boscoreale, am Ringfinger der linken Hand ein Kameoring mit dem Buchstaben T (Teiresias?), Neapel, Museo Nazionale, Nach Maiuri PR (1953) 64. Zwierlein-Diehl, Colliers 1993,478 Taf. 108, 1-2. Abb. 11 Die Muse der Komödie, konvexer Granat, 2.7 cm, 2. /1. Jh. v. Chr., Schmuck einer silbernen Schwertscheidenklammer, Kalkriese, Lkr. Osnabrück, Fst. 162. G. Franzius, Beschläge einer Gladiusscheide und Teile eines cingulum aus Kalkriese, Landkreis Osnabrück, Germania 77, 1999567 – 608. Abb. 12 Amulett gegen Liebeszauber, Kameo, dreilagiger Sardonyx, eine graubraune zwischen zwei hell-blaugrauen Schichten, 1.73 x 1.48 cm, 3. Jh. n. Chr. (Zweitverwendung, auf der anderen Seite ein im 2. Jh. n. Chr. geschnittener Adler), Wien. AGWien III 1991 Nr. 2471.

III. MINOISCHE UND MYKENISCHE SIEGEL Literatur Aston, B. G. – Harrell, J. A. – Shaw, I. in: Nicholson – Shaw 2000, 65 Betts, J. H., in: Collon 1997, 54–73 Biesantz, H., Kretisch-mykenische Siegelbilder (1954)

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 6–17

339

Boardman, GGFR 19–106, 404-417 Corpus der minoischen und mykenischen Siegel (CMS) I 1964– Evans, A. J., The Palace of Minos I (1921) – IV (1935), Index (1936), IV 484–618 und passim Evans, A. J., Scripta Minoa I (1909) 10 (Milchsteine, vgl. Palace of Minos I 673, IV 446, 485 Anm. 1) Furtwängler, AG III 13–56 Gorelick, L. – Gwinnett, A. J., Minoan versus Mesopotamian Seals: Comparative methods of manufacture, Iraq 54, 1992, 57–64 Marinatos, S., Kreta, Thera und das mykenische Griechenland (1986) 29, 31f., 44, 76 Taf. 12, 121–123, 228–235 Matz, F., al., Die Kretisch-Mykenische Glyptik und ihre gegenwärtigen Probleme. DFG Forschungsbericht (1974) Onassoglu, A., Die „talismanischen“ Siegel. CMS Beih. 2 (1985) Pini, I., Minoische Siegel außerhalb Kretas, in: R. Hägg – N. Marinatos (Hrsg), The Minoan Thalassocracy. Myth and Reality. ActaAth 32, 1984, 123–131 Simon, E. in: R. Hampe – E. Simon, Tausend Jahre frühgriechische Kunst (1980) 172 -193 Ventris, M. – Chadwick, J., Documents in Mycenaean Greek (1956, 21973) Warren, P. – Hankey, V., Aegean Bronze Age Chronology (1989) Younger, J. G., A Bibliography for Aegean Glyptic in the Bronze Age. CMS Beiheft 4 (1991) Xanthoudidis, St., zitiert in: R. W. Hutchinson – E. Eccles, BSA 40, 1939, 44 (Milchsteine, Blutsteine) Zazoff, HdArch 1983, 25–50

Abbildungen Abb. 13 a) Rhytonträger aus dem Prozessionsfresko von Knossos mit einem Achat-Lentoid am Handgelenk, SM I. Nach: A. Evans, The Palace of Minos II 2 (1928) Taf. 12. Vgl. Marinatos 1986 Taf. XV. b) Zeichnung des mit Silberkügelchen gefaßten, gestreiften Achat-Lentoids am Handgelenk des Rhytonträgers. Nach: A. Evans, The Palace of Minos II 2 (1928) 705 Abb. 441. Abb. 14 Zwei Dreiecke, Stempelsiegel mit rechteckiger Platte und zungenförmigem durchbohrten Griff, Chlorit, 1.6 x 1.5, H 1.0 cm, FM I aus Lenda (Levina), Tholosgrab II. Heraklion. a) Siegelform, b) Bild CMS II 1 Nr. 202. Abb. 15 Spiralmuster, Siegel in Form eines Schweinskopfes, Elfenbein, Bild 2.2, H 2.4 cm, MM Ia – MM II, aus Platanos, Tholosgrab B. Heraklion. a) Siegelform, b) Bild CMS II 1 Nr. 294. Abb. 16 Ornament aus drei mal drei verbundenen Spiralen in einem Rahmen aus Dreiecken, vierseitige Pyramide, hellgrüner Serpentin, Bild 2.94 x 93 H 0.94 cm, früh-kykladisch, aus Kuphonissia. Berlin. a) Siegelform, b) Bild FG 59; AGD II 1969 Nr. 61; CMS XI Nr. 5 (FM/FH, Pini); Matz 1974, 87. Abb. 17 Siegelabdrücke in Ton aus dem „House of the Tiles“ in Lerna, Ende FH II. Argos, Museum. Nach M. C. Heath, Early Helladic Clay Sealings from the House of the Tiles at Lerna, Hesperia 27, 1958, 81–120 Taf. 21 und 22, Ausschnitte (Zeichnungen von Piet de Jong).

340

III. MINOISCHE UND MYKENISCHE SIEGEL

a) S 24, S 25 = CMS V 1 Nr. 77, 78 b) S 56–58, S 60–63 = CMS V 1 Nr. 110–112, 114–117 Vgl. Boardman, GGFR 21–23 Abb. 6-11, 405; Matz 1974, 58–95; W. Schiering, Prinzipien der Bildgestaltung mittelminoischer Siegel. CMS Beih. 1 (1981) 189–206. Abb. 18 Adlergreif, achtseitiger Kegelstumpf, helltürkisfarbener Serpentin, Bild-DM 1.30, H 2.02 cm, MM Ib – MM II?, aus Kreta. Berlin. a) Form b) Bild FG 81; AGD II 1969 Nr. 64 (die dortige Bestimmung ist zu korrigieren); CMS XI Nr. 6. Datierung wie die der folgenden Siegel in Berlin und Wien Nach I. Pini, CMS XI, XL. Abb. 19 Dreiseitiges Prisma, a: Drei schreitende Männer, (nicht abgebildet: b) liegendes Reh,c) stehendes Reh), bräunlicher Steatit, 1.79 cm, MM II–III, aus Kreta. Berlin. FG 63; AGD II Nr. 2; CMS XI Nr. 8. Abb. 20 Dreiseitiges Prisma, a: Vier schreitende (tanzende?) Männer, b: zwei Männer tragen vier bzw. fünf Gefäße an Stangen, c: zwei gegenständige Vierfüßler (Ziege und Hund), gelblich brauner Steatit, 1.60 cm, MM IB – MM II, Wien. AGWien I 1973 Nr. 1; CMS XI Nr. 298. Abb. 21 Minoische Hieroglyphen, vierseitiges Prisma, hellgelber Chalcedon, 1.84 cm, MM II–III, aus Kreta. Berlin. FG 56; AGD II 1969 Nr. 7; Zazoff, HdArch 43–44 Anm. 108 Taf. 4,3; CMS XI Nr. 14. Abb. 22 Siegelabdrücke in Ton, Hieroglyphen und Kopf eines Mannes, aus dem „Hierogplyphic Deposit“ in Knossos, MM II. Nach A. Evans, The Palace of Minos I (1921) 276 Abb. 206. Boardman, GGFR Taf. 14; Pini 1984, 129 Abb. 10. Abb. 23 Kopf eines unbärtigen Mannes, Diskos, schwarzer Steatit, DM 1.33–1.37 cm, MM II–III, aus Athen. Berlin. FG 122; AGD II 1969 Nr. 13; J. Boardman, The de Jong Gems, in: Antichità Cretesi. Studi in onore di Doro Levi (1977) I 115–121, 115 Taf. 12,2; Zazoff, HdArch 47 Anm. 133 Taf. 6,1; CMS XII Nr. 19. Abb. 24 Kopf eines bärtigen Mannes, Diskos, Amethyst, DM 0.9 cm, MH III / SH I, aus Mykene Gräberrund B, Grab Gamma, Athen. CMS I Nr. 5; Boardman, GGFR Taf. 44; Pini in: Hägg – Marinatos (Hrsg.) 1984, 128 Abb. 8; Marinatos 1986 Taf. 235 oben. Abb. 25 Schwimmende Delphine, Petschaft, gelber Steatit, 1.47 cm, MM II–III, aus Kreta. Berlin. a) Petschaft b) Siegelbild FG 88; AGD II 1969 Nr. 10; CMS XI Nr. 16. Abb. 26 Tiersiegel in Form eines Löwenkopfes, Bild: Fisch, Karneol, 1.65 cm, MM II–III, aus Rhodos. Berlin. a) Löwenkopf b) Siegelbild FG 54; AGD II 1969 Nr. 11; CMS XI NR. 17 („Bronzezeitlich ägäisch?“ Pini).

ABBILDUNGEN 18–36

341

Abb. 27 Tiersiegel in Form zweier antithetisch angeordneter (Löwen?-)Protomen, Bild: Zwei Gruppen konzentrischer Kreise, aus deren Verbindungslinie Blüten wachsen, Karneol, 1.48 cm, MM II–III, aus Kreta. Berlin. a) Löwenprotomen b) Siegelbild FG 55; AGD II 1969 Nr. 9; CMS XI Nr. 15. Abb. 28 Kultgefäß, Amygdaloid, Karneol, 1.84 cm, MM III– SM I. Berlin. FG 46; AGD II 1969 Nr. 18; Onassoglu 1985, 217 Nr. 4; CMS XI Nr. 24. Abb. 29 Skorpion, Lentoid, Karneol, DM 1.14–1.17 cm, MM III– SM I, aus Megalopolis. Berlin. FG 38; AGD II 1969 Nr. 15; CMS XI Nr. 21. Abb. 30 Bogenschießende Göttin, Lentoid, Karneol, DM 1.54–1.55 cm, SM/SH I–II, aus Kreta. Berlin. FG 2; AGD II 1969 Nr. 20; J. Boardman, Report of the Department of Antiquities Cyprus 1976, 153; CMS XI Nr. 26; LIMC II 1 Artemis Nr. 1*. Artemis auf Linear-B-Täfelchen: Ventris – Chadwick 1956, 127, 278. Abb. 31 Göttin mit Steinbock, Herrin der Tiere, Lentoid, Sardonyx, DM 1.73–1.90 cm, SH I–II, aus Elis. Berlin. FG 3; AGD II 1969 Nr. 21; CMS XI Nr. 27 („Der Tonabdruck CMS I Suppl. Nr. 180 stammt möglicherweise von diesem Siegel“ Pini); LIMC II 1 Artemis Nr. 8*. Abb. 32 Löwe reißt einen Damhirsch, Lentoid, Karneol mit Chalcedon, DM 2.36–2.48 cm, SH I–II, aus Athen, Abguß. Berlin. FG 15; AGD II 1969 Nr. 34; Zazoff, HdArch 48 Anm. 138 Taf. 6,3; I. Pini, Das Motiv des Löwenüberfalls in der spätminoischen und mykenischen Glyptik, BCH Suppl. XI (1985) 159; CMS XI Nr. 42. Abb. 33 Eberjagd, Amygdaloid, Karneol, 2.10 cm, SH I–II, aus der Peloponnes. Berlin. FG 40; AGD II 1969 Nr. 23; CMS XI Nr. 32. Abb. 34 Löwenjagd, Lentoid, Chalcedon-Achat, DM 1.79–2.05 cm, SH II–IIIA1, aus Syme. Berlin. FG 7; AGD II 1969 Nr. 24; CMS XI Nr. 33. Abb. 35 Vom Speer getroffener Stier, Lentoid, elfenbeinfarbener Achat mit blaugrauen Bändern, DM 2.17–2. 34 cm, SM/SH II–IIIA1, aus der Peloponnes. Berlin. FG 20; AGD II 1969 Nr. 46; CMS XI Nr. 53; J. G. Younger, A Large Stylistic Group of the Late XVth Century. CMS Beih. 3 (1989) 339–353; 352. Abb. 36 Rind auf dem Opfertisch, Lentoid, Bandachat, DM ca. 2.26–2.34 cm, SM/SH II–IIIA1, aus Mykene, Abguß. Berlin. FG 22; AGD II 1969 Nr. 44; I. Sakellarakis, Das Kuppelgrab A von Acharnes und das kretisch-mykenische Tieropferritual, Prähistorische Zeitschrift 45, 1970, 166 – 198, 217 Liste B Nr. 6 Abb. 8,6; 9,6; Boardman, GGFR 414 V Taf. 185; CMS XI Nr. 52. Dipolieia: E. Simon, Festivals of Attika (1983) 8–12.

342

IV. GEOMETRISCHE UND FRÜHARCHAISCHE GEMMEN

Abb. 37 Zweikampf, Lentoid, Lapis Lacedaemonius (dunkelgrün / hellgrün), DM 1.89–2.02 cm, SH III A 1, aus Athen. Berlin. FG 6; AGD II 1969 Nr. 25; Boardman, GGFR 414 V; Zazoff, HdArch 49 Anm. 149 Taf. 7, 4; CMS XI Nr. 34; I. Pini, Zur „richtigen“ Ansicht minoisch-mykenischer Siegel-und Ringdarstellungen. CMS Beih. 3 (1989) 209 Nr. 17. Abb. 38 Siegel aus dem Kuppelgrab von Vaphio (Lakonien), SH II. Chr. Tsountas, Ephemeris Archeologike 1889, 129–172 Taf. 10 (hiernach die Abb.). CMS I Nr. 219–261.

IV. GEOMETRISCHE UND FRÜHARCHAISCHE GEMMEN Literatur Boardman, GGFR 107–137, 384f., 417–419, 467 Boardman, J., Island Gems Aftermath, JHS 88, 1968, 1–12 Boardman, IG 1963 Boardman, J., Bronze Age Greece and Libya, BSA 63, 1968, 41–44 Boardman, Cretan Seals Boardman, J., Artemis Orthia and Chronology, BSA 58, 1963, 1–7 (Elfenbeinsiegel) Furtwängler, AG III 57–77 Lowenstam, St., Part I: Scarabs, Inscribed Gems, and Engraved Finger Rings, in: D.White (Hrsg.), The Extramural Sanctuary of Demeter and Persephone at Cyrene, Libya. Final Reports, vol. III (1987) Pini, I., Aegina, Aphaia-Tempel. X Die Steinsiegel, AA 1987, 413–433 Pini, I., Eine Gruppe von „Inselsteinen“?, MarbWPr 1975, 1–10 Richter, EG I 1968, 27–44 Simon, E., in: R. Hampe – E. Simon, 1000 Jahre frühgriechische Kunst (1980) 193f. Zazoff, P., Zur geometrischen Glyptik, in: P. Zazoff (Hrsg.) Opus nobile. Festschr. U. Jantzen (1969) 181–187 Zazoff, HdArch 1983, 51 – 84

Leierspieler-Gruppe

Boardman, The Lyre Player Group of Seals an Encore, AA 1990, 1–17 Buchner, G. – Boardman, J., Seals from Ischia and the Lyre-Player Group, JdI 81, 1966, 1–62 Frey, O.-H. ,in: Kolloquien zur Allgemeinen und Vergleichenden Archäologie 31, 1984 25f. H.-G. Niemeyer a. O. 28f. Porada, E., in: The Aegean and the Near East. Studies presented to Hetty Goldman (1956) 185–211.

Zum kulturhistorischen Hintergrund

Desborough, V. R. d‘A., The Last Mycenaeans and their Successors. An Archaeological Survey c. 1200 – c. 1000 B. C. (1964) Desborough, V. R. d‘A., The Greek Dark Ages (1972) c. 1125 – c. 900 B. C. Niemeyer, H. G., Die Phönizier und die Mittelmeerwelt im Zeitalter Homers, JbRGZM 31, 1984, 3–94

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 37–42

343

Gehrig, U. – Niemeyer, H. G., Die Phönizier im Zeitalter Homers (Ausst. Hannover 1990). Boardman, J., The Greeks Overseas (31980) 35–84 Boardman, J., Al Mina and History, Oxford Journal of Archaeology 9, no. 2, July 1990, 169–190

Funde minoischer und mykenischer Siegel in späterem Kontext

Boardman, IG 1963, 110 Boardman, GGFR 399 Martini, JdI. 98, 1983, 2f. Pini, AA 1987, 414 – 424, 432f. Sakellarakis, J. A., in: U. Jantzen (Hrsg.), Neue Funde in griechischen Heiligtümern (1976) 283–308

Abbildungen Abb. 39 Elfenbeinsiegel, Athen aus einem Frauengrab am Nordabhang des Areopags, 2.1 cm, um 850 v. Chr. E. Lord Smithson, The Tomb of a Rich Athenians Lady, ca. 850 B. C., Hesperia 37, 1968, 115f. Nr. 79 u. 80 Taf. 33 (hiernach die Abb.); Boardman, GGFR 108f. Abb. 152; Zazoff, HdArch 1983, 57 Anm. 38. Elfenbeinsiegel aus einem spätgeometrischen Frauengrab (3. Viertel 8. Jh. v. Chr.): B. von Freytag gen. Löringhoff, AM 89, 1974, 22f. Nr. 52; Zazoff, HdArch 1983, 57 Anm. 37. Siegelabdruck auf einem Webgewicht: Brann, Hesperia 29, 1960, 406 Abb. 2 Taf. 89,90. Abb. 40 Pferdeführer, Diskos mit gewölbtem Rücken, Elfenbein, 1.63 x 1.52 x 0.89 cm, Ende 8. Jh. v. Chr., Berlin. a) Profil. b) Siegelfläche. FG 72; Furtwängler, AG Taf. 4,44; Boardman, IG 1963, 118 B 25 (Attic?); AGD II 1969 Nr. 68; Boardman – Vollenweider 1978 zu Nr. 6 (vermutlich von gleicher Hand. „Possibly Attic“); Boardman, Cretan Seals 294. Vgl. J. M. Davison, Attic Geometric Workshops (1961) Abb. 33 (Krieger mit Helm, steifbeinige Pferde); J. N. Coldstream, Greek Geometric Pottery (1968) Taf. 13b (Fülldreiecke). Abb. 41 Pferd, Fayence-Skarabäus, 1.50 cm, Ende 8. Jh. v. Chr., Berlin. FG 74; Furtwängler, AG Taf. 4, 38; AGD II 1969 Nr. 69. Aus dem gleichen Grab: Fayence-Skarabäus, Berlin FG 73 (Bild berieben) und Glas-Skarabäoid in Goldfassung mit Silberbügel, Berlin FG 75, Boardman, IG 1963, 118, 160; Boardman, AG 1968, 21 Nr. 19; Greifenhagen, Schmuckarbeiten II Taf. 54,2. Ägyptisierende Fayence-Skarabäen: E. Brann, Hesperia 19, 1960, 406; T. H. G. James in: Perachora II (1962) 461–464; Boardman, GGFR 399. Ägyptische Skarabäen: J. D. S. Pendlebury, Aegyptiaca (1957) 39f., 49; B. Freyer-Schauenburg, Elfenbeine aus dem samischen Heraion (1966) 114ff. Taf. 34. Phönikische Glas-Skarabäoide: Boardman, AG 20f. und GGFR 110f. Abb. 159. Abb. 42 Unregelmäßiges Muster, quadratische Tafel mit abgeschrägten Oberkanten, in der Mitte senkrecht durchbohrt, weicher weißer Stein, ca. 2.4 cm, Mitte 8. Jh. v. Chr., Athen, Nationalmuseum aus dem Heraion von Argos. R. Norton in: Waldstein, Heraeum II 350 Nr. 46 Taf. 139; Boardman, IG 1963, 116 A 10. Zur Gruppe: Boardman, IG 1963, 112ff. A 1-16 (A 6 Athen aus Perachora: nicht später als 3. Viertel 8. Jh. v. Chr.); H. Payne, Perachora I 75 Taf. 18,20; Boardamn GGFR 109 Abb. 154; Boardman – Vollenweider 1978, 2 zu Nr. 1. Zur Überlieferung der „wurmzerfressenen Siegel“: Boardman, GGFR 14, 109, 379, 466 s. v. wood. Stempel und Rollsiegel aus Holz lassen sich als Patrizen für die Muster auf Tongefäßen erschließen:

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IV. GEOMETRISCHE UND FRÜHARCHAISCHE GEMMEN

Schäfer, Studien zu den griechischen Reliefpithoi (1957) 92f.; Boardman, IG 1963, 135, 162; Boardman, GGFR 112, 418; Boardman, Cretan Seals 295. Ein Marmorzylinder in Frankfurt, der möglicherweise zur Verzierung von Tonpithoi diente: Boardman, IG 1963, 135 K 3, 162 Taf. 17. Abb. 43 Ein Mann, zwei Frauen und Ornamente in vier Feldern, quadratische Tafel mit abgeschrägten Oberkanten, in der Mitte senkrecht durchbohrt, weißer Steatit, Siegelfläche ca. 4.5 x 4.5 cm, Mitte 8. Jh. v. Chr., Athen, Nationalmuseum 14105 aus dem Heraion von Argos. Waldstein, Heraeum II 349 Nr. 43 Taf. 139; Boardman, IG 1963, 115 A 2. Abb. 44 Reiter, Halbkugel, dunkelrotbrauner Steatit, DM 3 cm, Ende 8. Jh. v. Chr., Athen, Nationalmuseum aus dem Heraion von Argos. a) Gewölbte Oberseite, b) Siegelfläche, Reiter und Ornamente. Waldstein, Heraeum II 347 Nr. 12 Taf. 138; Boardman, IG 1963, 117 B 4. Unfertige Siegel: Waldstein, Heraeum II 348 Nr. 23 Taf. 138 (der Stiel ist entgegen der dortigen Angabe durchbohrt). Ein undurchbohrter, ungravierter, sorgfältig geglätteter Quader aus weißem Marmor a. O. 350 Nr. 45; Boardman, IG 116 A 9. Abb. 45 Mann mit erhobenem Arm, Knopfsiegel, dunkelroter Steatit, 2.8 cm, Ende 8. Jh. v. Chr., Athen, Nationalmuseum aus dem Heraion von Argos. Waldstein, Heraeum II 348 Nr. 25 Taf. 138; Boardman, IG 1963, 118 B 22. Abb. 46 Siegel in Form eines Affen, hellgrüner, rot gesprenkelter Steatit, Bild: 2.5 x 3. H: 2.5 cm, Ende 8. Jh. v. Chr., Athen, Nationalmuseum aus dem Heraion von Argos. a) Profil, b) Siegelfläche, Füllmuster und Vierfüßler? Waldstein, Heraeum II 349 Nr. 40 Taf. 138; Boardman, IG 1963, 122 D 2, s. v. „Figure Seals (mainly Argos)“. Zur Gruppe: Boardman in: Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 3. Abb. 47 Grünlich-schwarzer Serpentin, Siegel in Form eines Löwen, 1.84 cm, Ende 8. Jh. v. Chr., Berlin. a) Profil, b) Siegelfläche, sechs tanzende Männer. FG 65; Boardman, IG 1963, 122 D 5; Richter, EG I 1968, Nr. 2; AGD II 1969 Nr. 67; Zazoff, HdArch 1983, 63 Anm. 85 Taf. 10,6. Löwensiegel aus Elfenbein: Boardman, IG 1963, 154; B. Freyer-Schauenburg, Elfenbeine aus dem samischen Heraion (1966) 46 – 50 Taf. 11a. Abb. 48 Bronzesiegel mit Vogelgriff, H 3.5 cm, DM der Standplatte 3.85 cm, Dicke der Standplatte 0.3 cm, peloponnesisch, um 700 v. Chr., 1900 in Athen erworben, Brüssel, Musées Royaux d’Art et d’Histoire Inv. A 96. a) Profil, b) Siegelfläche, Kentaur, c) Abguß der Siegelfläche. Für die Übermittlung der Maße danke ich Christiane Tytgat. Die Einordnung des Stückes sowie Literaturhinweise verdanke ich Imma Kilian-Dirlmeier; maßgebend für die landschaftliche Zuweisung ist die niedrige massive Standplatte mit flach eingetieftem Motiv. Peloponnesische Vogelanhänger: I. KilianDirlmeier, Anhänger in Griechenland von der mykenischen bis zur spätgeometrischen Zeit. Prähistorische Bronzefunde XI 2 (1979) 161 – 164, 180 ; zur Frage der Verwendung von „Stempelanhängern“ a. O. 40.; U. Sinn, Jahrb. Staatl. Kunstslg. in Baden-Württemberg 17, 1980, 25ff. hält massive Standplatten mit einfachen Reliefmustern für ein Kennzeichen arkadischer Bronzefiguren. Für die Datierung von Vogelanhängern ist der stratigraphische Befund in Kalapodi von Bedeutung: R. Felsch, AA 1980, 50, 52, 56–558; ders. in: R. Hägg

ABBILDUNGEN 43–54

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(Hrsg.), The Greek Renaissance of the 8th Century B. C. Proceedings Second Intern. Symposium Swedish Inst. Athens 1981, Skrifter utgivna av Svenska Institutet i Athen 4o 30, 1983 123–129. Zu Bronzesiegeln mit figürlichem Griff: Boardman in: Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 3. Abb. 49 Schwarzer Serpentin-Quader, 2.2 x 2.0 x 1.0 cm, ca. 3. Viertel 8. Jh. v. Chr., Paris, Cdm M 5837. a) Bildseite, Herakles tötet Nessos, b) Rückseite, geometrische Muster. Boardman, IG 1963, 120 C 13 Taf. 14; Zazoff 1969, 183–185 Taf. 30, 1-5; Boardman, GGFR Taf. 208; Zazoff, HdArch 1983, 60 Anm. 64 Taf. 11. Abb. 50 Nessos und Deianeira, Breitseite eines grünlichen „Steatit“-Quaders, 3.22 x 2.91 x 1.86 cm, um 700 v. Chr., München, Staatliche Münzsammlung, Boardman, IG 1963, 120 C 14 und Boardman, GGFR 112, 134 (argivisch, nicht viel später als 700); K. Schefold, Frühgriechische Sagenbilder (1964) 21f. Taf. 6c; AGD I 1 Nr. 101 (hiernach die Abb.); Zazoff 1969, 185–187 Taf. 30, 6-7; Zazoff, HdArch 1983, 60 Anm. 65 Taf. 11,2 (attisch, kurz vor Mitte des 7. Jh.s); K. Schefold, Götter- und Heldensagen der Griechen in der früh- und hocharchaischen Kunst (1993) 110 Abb. 93. Abb. 51 Diskos, hellgrüner Glimmerschiefer, größter DM 2.94 cm, frühes 7. Jh. v. Chr., aus Megara, Berlin. a) Geflügelter Mann, b) gegenständige Pferdeprotomen. FG 80; Boardman, IG 1963, 130 G 13 Taf. 16; AGD II 1969 Nr. 71. Abb. 52 Steinbockfamilie, unregelmäßiges Kugelsegment, graubrauner Serpentin mit grünlichen Einsprengseln, größter DM 2.10 cm, frühes 7. Jh. v. Chr., eher argivisch als kretisch, Berlin. AGD II 1969 Nr. 70. Vgl. zum Stil: Diskos aus Aigina: Pini, AA 1987, 431f. Abb. 6, 5–7. Abb. 53 Viergespann in Vorderansicht, Diskos, altrosa Serpentin mit braunen Einsprengseln und dunkelroten Adern, DM 2.42 cm, (Ende?) 7. Jahrhundert, Berlin. FG 69; Boardman, IG 1963, 125 F 18 (Mitte 6. Jh.); Richter, EG I 1968, Nr. 5; J. Wiesner, Fahren und Reiten, ArchHom I F (1968) 66, 68 Abb. a; AGD II 1969 Nr. 72; Zazoff, HdArch 1983, 64 Anm. 88 Taf. 11,4. Zum Motiv: H. Payne, Necrocorinthia (1931) 74, dort Nr. 492 Abb. 19bis = D. A. Amyx, Corinthian VasePainting (1988) I 95: Ein einzelner Reiter in Vorderansicht, frühkorinthisch, sc. 620/615–595/590 (Amyx, a. O. II 428); Viergespanne in Vorderansicht z. B. Payne, a. O. Nr. 994 = Amyx, a. O. I 204 (mittelkorinthisch, 595/590–570); G. Hafner, Viergespanne in Vorderansicht (1938) 15; G. Bakir, Sophilos 28 Taf. 48 A 4. Zu Zazoff, HdArch 1983, 63 Anm. 87 Taf. 11,3 s. Boardman, IG 1963, 134 J. 2; ders. AA 1990, 2 Anm. 3 (nicht Leierspielergruppe). Abb. 54 Diskos, grünlich-grauer „Steatit“, DM 1.9 cm, 1. Hälfte 7. Jh., aus Zentral-Kreta, einst Slg. Evans, Purchase, Joseph Pulitzer Bequest, 1942, New York 42.11.1. Abgüsse. a) Odysseus und Eurykleia? b) Kopulierende Ziegen. A. J. Evans, An Illustrative Selection of Greek and Greco-Roman Gems, acquired by Sir Arthur Evans (Privatdruck 1938) Nr. 17 (Odysseus und Eurykleia); Richter, New York 1956 Nr. 3; Boardman, IG 1963, 129 G 6 Taf. 15; M. I. Davies, BCH 93, 1969, 225ff. (Agamemnon und Klytaimnestra); Boardman, GGFR 123, 137 Taf. 279; W. Prag, The Oresteia (1985) 5 (Odysseus und Eurykleia); Boardman, Cretan Seals 294 Abb. 1. Eine viel spätere Darstellung der Erkennungsszene zwischen Odysseus und Eurykleia: hier Abb. 534.

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IV. GEOMETRISCHE UND FRÜHARCHAISCHE GEMMEN

Abb. 55 Elfenbeinscheibe, DM 5,3 cm, 1. Hälfte 7. Jh. v. Chr., aus dem Heraion von Argos, Athen, Nationalmuseum, Abguß. a) Vorderseite, Sphinx, b) Rückseite, fliegender Adler. Waldstein, Heraeum II 351 Nr. 5; Boardman, IG 1963, 145. Abb. 56 Wasservogel, Elfenbein, Unterseite eines liegenden Tieres, Intaglio, ca. 3.2 cm, 3. Viertel 7. Jh. v. Chr., aus Sparta, Athen Nationalmuseum, Gipsabguß. J. M. Stubbings in: R. M. Dawkins, Artemis Orthia, JHS Suppl. 5 (1929) 235 (2) Taf. 156,1; Boardman, IG 1963, 150; zur Datierung: Boardman, BSA 58, 1963, 1ff., 5. Abb. 57 Tetraskelis, Elfenbein, Unterseite eines liegenden Tieres, Intaglio, ca. 3.6 cm, 3. Viertel 7. Jh. v. Chr., aus Sparta, Athen Nationalmuseum, Gipsabguß. J. M. Stubbings in: R. M. Dawkins, Artemis Orthia, JHS Suppl. 5 (1929) 235 (7) Taf. 156,6; Boardman, IG 1963, 150; Boardman, BSA 58, 1963, 1ff., 5. Abb. 58 Hippokamp, Greif und Thunfischkopf, Tintenfisch, Steinbock. Lentoide und Amygdaloide aus Melos. Zeichnungen von E. Laurent und Th. Hansen. Früheste Abbildung von Inselsteinen nach L. Ross, Reisen auf den griechischen Inseln III (1845) zu S. 21, auch XIf., 151; vgl. Boardman, IG 12. Abb. 59 Hellgrüner Serpentin, Tiersiegel DM 1.67, H 0.95 cm, 1. Hälfte 7. Jh. v. Chr., Berlin. a) Siegelrücken: Liegender Hund in Relief, b) Siegelfläche: Adlergreif mit Schlange, Intaglio. FG 132; Boardman, IG 1963, 82 Nr. 352 Taf. 13; AGD II 1969 Nr. 106. Boardman, GGFR 118 Taf. 219. Abb. 60 Löwe, Lentoid, hellgelblicher Serpentin, 1.61 cm, 2. Hälfte 7. Jh. v. Chr., Wien, Kunsthistorisches Museum. Boardman, JHS 88, 1968, 4 Nr. 200 bis Taf. 2 „Class B. Add to IGems Section 6(a)“. AGWien I 1973 Nr. 14 (dort irrtümlich: Class C). Schlangenschwanz des nemeischen Löwen: Antike Kunst 35, 1992, 108. Abb. 61 Delphin, Thunfisch, Thunfischschwanz, Amygdaloid, grüner Serpentin, 1.79 cm, Ende 7. Jh. v. Chr., Bonn, Slg. Müller. Boardmann, GGFR 384 Taf. 1018; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 13, 73 Kat. 8, 122 Abb. 8. Abb. 62 Elfenbeinfarben verfärbter Serpentin, 3.74 x 3.69 cm, Ende 7. / Anfang 6. Jh. v. Chr., Berlin. a) Erotische Gruppe, b) Chimaira. FG 96; Boardman, IG 1963, 49, 57, 86f. Nr. 177 Taf. 6; AGD II 1969 Nr. 110; Boardman, GGFR 122 Taf. 270; Zazoff, HdArch 1983, 82 Taf. 17,5. Abb. 63 Selbstmord des Aias, Lentoid, grüner „Steatit“, DM 1.9 cm, Ende 7. Jh. v. Chr., Purchase, Joseph Pulitzer Bequest, 1942, New York 42.11.13. Richter, Gems Nr. 13 Taf. 3 (Bei der Lesung „hahivas“ seien die beiden Aspirata ohne erkennbaren Grund eingeführt, wofür es jedoch Parallelen gebe; bei „nanivas“ bliebe das Digamma unerklärt); L. H. Jeffery, The

ABBILDUNGEN 55–69

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Local Scripts of Archaic Greece (1961) 322 (bestimmt die Inschrift als spätarchaisch etruskisch); Boardman, IG 1963, 49f. Nr. 178 Taf. 7; K. Schefold, Frühgriechische Sagenbilder (1964) 43 Abb. 32a; Richter, EG I 1968, Nr. 57 (dort die Äußerung von M. Guarducci, die Inschrift sei nicht ostgriechisch); Boardman, GGFR 122f. Taf. 264 (vielleicht Werk des „Serpent Master“); Zancani Montuoro, Atti e Memorie della Società Magna Grecia 5, 1964, 76 Taf. 17 b; M. Cristofani, StEtr 47, 1979, 157ff. Abb. 1 (bestreitet die Möglichkeit von „hahivas“ im Etruskischen, rechnet, falls das gemeint sein sollte mit nachantikem Ursprung der Inschrift; „nanivas“ wäre möglich, habe jedoch keinen Bezug zur Darstellung); LIMC I Aias I Nr. 110 (O. Touchefeu); K. Schefold, Götter- und Heldensagen der Griechen in der Früh- und Hocharchaischen Kunst (1993) 145 Abb. 148; Vgl. lakonische Trinkschale mit etruskischer Inschrift vom Aphaia-Tempel in Ägina, A. W. Johnston, AA 1993, 597; M. Maaß – I. Kilian-Dirlmeier, AA 1998, 63f. Abb. 64 Kentaur, Amygdaloid, gelblich-weiß bis dunkelgrau verfärbter Serpentin, aus Melos, 2.32 cm, Ende 7. / Anfang 6. Jh. v. Chr., Berlin. FG 93; Boardman, IG 1963, 55 Nr. 198, 87 section 6j Taf. 7; AGD II 1969 Nr. 111; Boardman, GGFR 120 Taf. 241 (Blind Dolphin Master). Abb. 65 Eber, Amygdaloid, hellgrüner Serpentin, 2.18 cm, frühes 6. Jh. v. Chr., Berlin. FG 92; Boardman, IG 1963, 22f. Nr. 2, 87f. section 6k Taf. 1; AGD II 1969 Nr. 115; Boardman, GGFR 120 Taf. 243 („Serpent Master“), für die Zuweisung spricht vor allem die Wiedergabe des hinteren Hinterbeines als parallele Linie zum vorderen; R. Hampe – E. Simon, Tausend Jahre frühgriechische Kunst 194 Abb. 306, 307. Abb. 66 Sich paarende Kröten, Amygdaloid, durchscheinender grüner Serpentin, 1.48 cm, 2. Hälfte 6. Jh. v. Chr., Slg. Müller, Bonn. Boardman, JHS 88, 1968, 4, 160bis Taf. 2 (Class D); Boardman, GGFR 122 Taf. 263; Boardman – Vollenweider 1978 zu Nr. 56, Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 13, 73 Kat. 9, 122 Abb. 9. Abb. 67 Satyr und Mänade, ausziehender Krieger mit Viergespann, Rollsiegel, hellgrünlicher Serpentin, H: 1.33, DM: 1.03–1.06 cm, 2. Hälfte 6. Jh. v. Chr., aus Aigina, Berlin. a) Original, Mänade und Satyr, b) Abrollung. FG 131; Boardman, IG 1963, 77 Nr. 334 Taf. 11; AGD II 1969 Nr. 118; Boardman, GGFR 122 Taf. 271; ders., Archaic into Classical. In: Greek Art: CCS V (1985) 89. Abb. 68 Löwenmensch, Skarabäus, weiß verfärbter Serpentin, 1.49 x 1.13 x 0,90 cm, 2. Hälfte 6. Jh. v. Chr., aus Melos, Berlin. a) Skarabäus b) Bildseite. FG 154; Boardman, IG 1963, 79ff. Nr. 343; Boardman, AG 1968 Nr. 355; AGD II 1969 Nr. 119. Abb. 69 Rechteckige Tafel, schwarzer Serpentin, 2.98 cm, (wohl 1. Hälfte) 7. Jh. v. Chr., aus Zypern, Berlin. a) laufendes Pferd, b) schreitender Löwe. FG 66; AGD II 1969 Nr. 125; Boardman, IG 1963, 121; W. Culican, Levant 9, 1977, 166 Anm. 45; Vollenweider, Genf III 1983, 129f. Anm. 2.

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IV. GEOMETRISCHE UND FRÜHARCHAISCHE GEMMEN

Abb. 70 Zwei Krieger, Skarabäus, dunkelgrüner Serpentin mit hellen Einsprengseln, 1.89 x 1.50 x 0.95 cm, (1. Hälfte?) 7. Jh. v. Chr., Berlin. a) Skarabäus, Abguß b) Bildseite. FG 76; Furtwängler, AG Taf. 4,47; AGD II 1969 Nr. 120; Boardman, IG 1963, 142 Anm. 2. Vgl. Boardman, AG 1968, 23 Anm. 15; Richter EG I 1968 Nr. 9; W. Culican, Syrian and Cypriot Cubical Seals, Levant 9, 1977, 165 mit Anm. 38: Stilvergleich mit einem Stempelsiegel in New York Taf. XVIII A 3 = Gubel, Cubical Stamps 200 Abb. 4,2 (Pyrga-Gruppe, 7. Jh. v. Chr., wahrscheinlich 1. Hälfte, s. a. O. 195ff.). Vollenweider, Genf III 1983, schreibt den Serpentin-Skarabäus Nr. 169 (vielleicht auch Nr. 170) einleuchtend der gleichen Werkstatt zu (die Datierung in das 9.–8. Jh. v. Chr. ist zu hoch). Aus der gleichen Werkstatt auch: Swedish Cyprus Expedition II Taf. 244, 1014; erwähnt von Boardman, IG 1963, 142 Anm. 2. Phönizische Gemmenschneider auf Zypern: Gubel, Cubical Stamps 214–221. Abb. 71 Wildziege, Stierkopf, Lapislazuli, 1.89 x 1.58 x 1.13 cm, 7. Jh. v. Chr., aus einem Grab in Tamassos, Zypern, Berlin. a) Stierkopf b) Bildseite. FG 129; AGD II 1969 Nr. 122. Abb. 72 Mann im Kampf mit einem Löwen, Diskos mit gewölbtem Rücken, Bergkristall, DM 1.63 /1.67 cm, 2. Hälfte 7. Jh. v. Chr., Berlin. FG 111; Boardman, IG 1963, 126 F 23; AGD II 1969 Nr. 73. Zum Motiv: Maaskant-Kleibrink, The Hague 1978 Nr. 5 „Melian, c. 600 B. C.“; spätgeometrischer Dreifuß: F. Brommer, Herakles (1979) 8Taf. 4a. Aus der gleichen Werkstatt: Bergkristall-Skarabäoid, ehemals München A.1300, stiertötender Mann: AGD II 1969 zu Nr. 73; Boardman, JHS 88, 1968, 8 F 23bis; Bergkristall Diskos, Joanina 16535 aus Dodona, Chimaira, Praktika 1954, 192 Abb. 8 (Datierung: 1. Hälfte 7. Jh. v. Chr.); Boardman, IG 126 F 24 „In a stratum with material of the late seventh century to 500“.) „The Sunium Group“: Boardman, IG 1963, 123–127; Boardman, GGFR 122f. Abb. 73 Sphinx, Diskos, Bergkristall mit Bronzebügel, DM Bildseite 1.3 cm, 7. Jh. v. Chr., aus Perachora, Athen, Nationalmuseum. J. M. Stubbings in: H. Payne – T. J. Dunbabin, Perachora II (1962) 453 B 9 Taf. 191; Boardman, IG 1963, 126 F 22: „For the style cf. the shell seal in Oxford (below L 1) [= Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 5 „About 700 B. C.“], and the scarab, Munich A 1260 (below H 1) [ibid. „hardly any later than 700“]. Seventh century. An early use of rock crystal“. Jedoch: Boardman, JHS 88, 1968, 2: „(IGems F 14, 15, 22–26, J 5 and cf. the coral F 27). In fact, perhaps none are any earlier than the sixth century“. Freihändig geritzte und geschabte Quarze: Athen aus Sunion, Boardman, IG 1963, 124 F 14, F 15 (die Bohrungen sind mit einem rotierenden Instrument hergestellt, dieses kann mit der Drehbank, könnte aber auch mit dem einfachen freihändig geführten Drillbohrer getrieben worden sein). Athen aus Perachora, Perachora II Taf. 191 B 16; Boardman, IG 1963, 135 J 5. Abb. 74 Lentoid, Karneol, DM: 1.61/1.67 cm, 2. Hälfte 7. Jh. v. Chr., aus Griechenland, Berlin. a) Ziegenbock, b) Hund. FG 85; AGD II 1969 Nr. 96. Inselgemmen in hartem Stein: Boardman, JHS 88, 1968, 1–12; Boardman, GGFR 122 Taf. 274–276. Abb. 75 Triton, Bergkristall, die ungravierten Seiten bewahren die Form des natürlichen sechsseitigen Kristalls, 2.25 cm, 1. Hälfte 6. Jh. v. Chr., Boston 01.7594, Abguß.

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 70–78

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Boardman, JHS 88, 1968, 2 XIII Taf. 2; Boardman, GGFR 122 Taf. 276. Abb. 76 Liegendes Reh, Amygdaloid mit Goldbügel, Karneol, 1.95 cm, Mitte 6. Jh. v. Chr., aus Melos, Berlin. FG 86; Boardman, IG 1963, 98 Nr. 18; AGD II 1969 Nr. 59; Pini, MarbWPr 1975, 4 Nr. 14 Taf. 2.

V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN Literatur Boardman, AG 1968 Boardman, BurlMag 1969 Boardman, Gem Engravers 1980 Boardman, Archaic to Classical (1985) Boardman, J., The Cypriot Contribution to Archaic Greek Glyptic, in: V. Tatton-Brown (Hrsg.), Proceedings of the Seventh British Museum Classical Colloquium, April 1988, 44–47 Boardman, GGFR 139–188, 384f., 420–422 Furtwängler, AG III 78–115 Martini, W., Das siegelnde Individuum. Zu Ursache und Bedeutung des Beginns der griechisch-archaischen Skarabäenglyptik, JdI 98, 1983, 1–13 Mertens, J. R., Timeas‘s Scarab, MetrMusJ 24, 1989, 53–56 Richter, EG I 1968, 45 – 73 Spier, J, From East Greece to Etruria: a Late Sixth-Century BC Gem Workshop, in: Periplous 2000, 330–335 Zazoff, HdArch 1983, 99–126

Abbildungen Abb. 77 Sirene, abgeschnittener Rücken eines Pseudoskarabäus, Karneol, 2.11 cm, letztes Viertel 6. Jh. v. Chr., Wien. Boardman, AG 1968, Nr. 598 Taf. 39; AGWien I 1973 Nr. 10. Oberleitner, Geschnittene Steine 10 Abb. 4. Abb. 78 Kentaur, Skarabäus, hellgrauer, weiß gestreifter Chalcedon, 1.50 cm, 2. Hälfte 7. Jh. v. Chr., Karlsruhe. a) Skarabäus, b) Bildseite. Zwierlein-Diehl – Avila, in: Ruperto Carola XX, 43/44, 1968, 5ff. Abb. 3, 4; B. Schiffler, Die Typologie des Kentauren in der antiken Kunst vom 10. bis zum Ende des 4. Jhs. v. Chr. (1976) 157, V 29 Taf. 15. Die Inschrift in zyprischer Silbenschrift war bei der Erstpublikation nicht erkannt worden. Auf meine diesbezügliche Vermutung teilt mir Olivier Masson freundlicherweise folgendes mit (brieflich 11. 9. 93, in sinngemäßer deutscher Wiedergabe): Es handelt sich sicher um zyprische Silbenschrift, ihre Interpretation ist jedoch durch den flüchtigen Schnitt sehr erschwert. Schon W. Catling, Kadmos 11, 1972, 62, erkannte die

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V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Zeichen als zyprisch und schlug mit Vorbehalt die Lesung „ta-u-ma-o-se“ vor; diese Lesung wird zitiert von M. Egetmeyer, Wörterbuch zu den Inschriften im kyprischen Syllabar (Berlin 1992) 177. O. Masson hält die Lesung nicht für überzeugend und hat daher das Stück nicht in: Les inscriptions chypriotes syllabiques (2. erw. Aufl. Paris 1983) aufgenommen. Das Zeichen(?) über dem Rücken des Kentauren ist unsicher; vor der Brust mehrere Zeichen, vielleicht drei übereinander, aber schwer zu bestimmen, Masson hält Catlings „u-ma-o“ nicht für richtig, unten vielleicht „ka“. Sicher lesbar ist das große Zeichen unter dem Bauch des Kentauren: „se“. Abb. 79 Besitzerinschrift des Thersis und kleiner Delphin, Skarabäus, Achat, 1.2 cm, 2. Hälfte 6. Jh. v. Chr., Breslau (?), einst Slg. Schaubert, aus Ägina. BdI 1868, 69f.; AZ 1883 Taf. 16,19 (hiernach die Abb.); Furtwängler, AG Taf. 7, 66; Boardman, AG 1968, Nr.176, 73 Abb. 2; Boardman, GGFR 141; Zazoff, HdArch 1983, 100 Anm. 9, 101 Anm. 14; J. Spier, Bull. Inst. Class. Studies 37, 1990, 116 Taf. 5f. Anfragen nach dem Verbleib des Originals blieben ohne Erfolg. Abb. 80 Gorgo im Kampf mit einem Löwen, Skarabäus, Karneol, 1.50 cm, um 600 oder 1. Hälfte 6. Jh. v. Chr.?, Wien. a) Skarabäus, Abguß, b) Bildseite. Furtwängler, AG I Taf. 7,38; Boardman, AG 1968, Nr. 52 Taf. 3; AGWien I 1973 Nr. 7; Boardman GGA 233, 1981, 61 („...not, perhaps as late as the end of the sixth century, but certainly not earlier than 600.“); Boardman, Archaic to Classical 84; LIMC IV s. v. Gorgo, Gorgones Nr. 284 (I. Krauskopf). M. E. früher als Boardman, AG Nr. 46 (Abb. 309), 47, 49, deren Gorgonenhäupter von späterem Typus sind. Abb. 81 Pferdeleibige Gorgo im Kampf mit einem Löwen, Skarabäus, Karneol, 1.4 cm, 2. Viertel 6. Jh. v. Chr., verschollen, Abguß. Furtwängler, AG I Taf. 7,40; Boardman, AG 1968, Nr. 31 Taf. 2; Boardman, GGFR 142 Taf. 282. Abb. 82 Pferdeleibiges Ungheuer mit Eber, Skarabäus,Karneol, 1.5 cm, 2. Viertel 6. Jh. v. Chr., aus Slg. Pauvert de la Chapelle, Paris, Cdm. Nach Cades Rom II A 520. Babelon, Pauvert Nr. 41 Taf. 5; Furtwängler. AG III 444 Abb. 220; Boardman, AG 1968 Nr. 34 Taf. 2. Für die Vermittlung des Photos aus dem Cades des Städel Museums, Frankfurt, danke ich Barbara NoeskeWinter. Abb. 83 Herrin der Tiere, Skarabäus, Hämatit, 1.77 cm, 2.–3. Viertel 6. Jh. v. Chr., aus Ägina, Berlin. FG 124; Furtwängler, AG Taf. 7, 51; Boardman, AG 1968, Nr. 57; AGD II 1969 Nr. 74; Zazoff, AA 1970, 159 Abb. 8. Walter-Karydi, JbBerlMus 17, 1975, 25 Abb. 27 (mit Gleichsetzung von Fundort und Herstellungsort. Contra: Boardman, Archaic to Classical 87–90). Zum Motiv der geflügelten Potnia Theron (zwei Löwen am Schwanz haltend): R. M. Cook, Clazomenian Sarcophagi E 8 Taf. 23, E 6 Taf. 24 (ca. 510 v. Chr.). Zu Artemis als Herrin der Tiere: E. Simon, Die Götter der Griechen4 (1998) 132ff. Abb. 84 Mann und Frau im Kampf mit einem Löwen, Goldring, 1.1 cm, Mitte 6. Jh. v. Chr., aus Italien, 1831 beim Kunsthändler Vescovali, Rom, dann Slg. Beugnot, St. Petersburg,. Nach Abguß IGI I 15. BdI 1831, 106 centuria I 15; Cades Rom II A 521; Lajard, Recherches sur le culte publique et les mystères de Mithra en Orient et en Occident Taf. 68, 18; Micali, Monumenti inediti I 23, 27; Furtwängler, AG Taf. 7, 11 (Die rechte Figur wird als „Mann in langem Gewande“ beschrieben); Maximowa, Antichnie resnie kamni Ermitazha (1926) Taf. 1,8; Boardman, AntK 10, 1967, 6 Anm. 10; Boardman, AG 1968, 47, 49 Anm. 4 (die rechte Figur wahrscheinlich weiblich). Boardman, BSA 65, 1970, 10 Nr. 20 (Two men...).

ABBILDUNGEN 79–90

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Zum Stil vgl. Boardman, AG 1968, Nr. 71, 72 Taf. 5; Boardman, Proceedings of the 7th Brit. Mus. Classical Colloquium, April 1988, 45 u. Abb. 3. Zu den ionischen Elementen (Profile, unter dem Mantel getragene hohe Hauben) vgl. z. B. ionische Hydria, Rom, Villa Giulia, R. Hampe – E. Simon, Griechische Sagen in der frühen etruskischen Kunst (1964) Taf. 27, pontische Amphoren, a. O. Taf.15, 17. P. E. Arias, Storia della ceramica... (1963) Taf. 35, 1 (Fragment einer klazomenischen Vase); R. R. Cook, Clazomenian Sarcophagi (1981) B 3 Taf. 4 (530 / 520 v. Chr.). Zu ionischen Hauben: E. Langlotz, AM 77, 1962, 115; ders., Studien zur nordostgriechischen Kunst (1975) 33 Taf. 2, 13. 14, 99 Taf. 24, 6- 9 u. a.; D. C. Kurtz – J. Boardman, Booners, in: Occasional Papers on Antiquities, 2. Greek Vases in The J. Paul Getty Museum (1986) 52 Anm. 97. Früheste Darstellung der mit dem Löwen ringenden Kyrene: Lakonische Schale, Innenbild, Ende 6. Jh. v. Chr., P. Pelagatti, ASAtene 33/34, 1955/6, 43 Abb. 42; LIMC VI 1 s. v. Kyrene 169 Nr. 13. Zu Atalante: LIMC II 1, 940ff. Abb. 85 Mänade und Satyr beim Tanz, Skarabäus, schwarz-roter Jaspis, 1.32 cm, 3. Viertel 6. Jh. v. Chr., Boston 23.595, Abguß. Beazley – Boardman, LHG Nr. 15; Boardman, AG 1968, Nr. 88 Taf. 6 (The Plump Satyr Group); Boardman, GGFR Taf. 304. Pferdehufige Satyrn sind ostgriechisch, s. Boardman, AG 1968, 57f.; B. Schiffler, Die Typologie des Kentauren in der antiken Kunst vom 10. bis zum Ende des 4. Jhs. v. Chr. (1976) 105. Es gibt auch ostgriechische Satyrn mit völlig menschlichen Beinen: R. M. Cook, Clazomenian Sarcophagi (1981) 112 Anm. 21. Abb. 86 Satyr, eine Mänade entführend, Skarabäus, Bergkristall, 2.12 cm, 3. Viertel 6. Jh. v. Chr., Hannover. Boardman, AG 1968, Nr. 107 Taf. 7 (The Slim Satyr Group); Boardman, GGFR 181 Taf. 305; AGD IV Nr. 21; Zazoff, HdArch 1983, 110 Anm. 74 Taf. 28,8. Abb. 87 Satyr mit Trinkhorn und Kanne, Skarabäus, Karneol, 1.09 cm, 3. Viertel 6. Jh. v. Chr., Wien. Furtwängler, AG Taf. 8, 32; Boardman, AG 1968, Nr. 101 Taf. 7 (The Slim Satyr Group); AGWien I 1973 Nr. 8. Abb. 88 Liegender Satyr mit Kantharos, Skarabäus, Achat, 2.2 cm, 3. Viertel 6. Jh. v. Chr., ehemals Paulus Praun, Sibylle Mertens-Schaaffhausen, Castellani, London. Abguß. Chr. Th. de Murr, Description du Cabinet de Monsieur Paul de Praun (Nürnberg 1797) Nr. 553; Walters Nr. 465 Taf. 8; Boardman, AG 1968, Nr. 93 Taf.6 u. S. 55 (mit entscheidenden Argumenten für die Betrachtung im Queroval als Liegender, gegen die im Hochoval als Tänzer); Boardman, BurlMag 1969, 587 591 Abb. 10, 11, 15 (Benennung des „Master of the London Satyr“, Zuweisung von Werken, s. ferner Boardman, IR 83 Nr. 1); Boardman, GGFR 143f. Taf. 301; Zazoff, HdArch 1983, 110 Anm. 71 Taf. 28,5. Abb. 89 Tityos, Skarabäus, Karneol, 1.40 cm, Mitte der 2. Hälfte des 6. Jh.s v. Chr., aus Orvieto, Berlin. FG 137; Furtwängler, AG Taf. 8,18; Boardman, AG 1968, Nr. 90 Taf. 6 (The Plump Satyr Group); Richter, EG I 1968, Nr. 117; AGD II 1969 Nr. 82; Boardman, BurlMag 1969, 588 (Zuschreibung an den „Master of the London Satyr“); Boardman, GGFR 402; Zazoff, HdArch 1983, 106 Anm. 31 Taf. 24,6. Satyrn und Kentauren auf Caeretanischen Hydrien, ionischen Münzen und Gemmen: J. M. Hemelrijk, Caeretan Hydriae (1984) 121, 177f. Abb. 90 Sitzender Satyr mit Hahn, Skarabäus, Karneol, 1.82 cm, 3. Viertel 6. Jh. v. Chr., aus Slg. A. Castellani, Berlin.

352

V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

FG 139; Furtwängler, AG Taf. 8,2; Lippold 1922 Taf. 13, 10; Boardman, AG 1968, Nr. 179 Taf. 12 (The Dry Style); Richter, EG I 1968, Nr. 110; AGD II 1969 Nr. 76; Boardman, GGFR Taf. 326; Walter-Karydi, JbBerlMus 17, 1970, 34ff. Abb. 42 (spartanisch? - im Anschluß an Furtwänglers Einordnung des BergkristallSkarabäoids in Oxford, AG III 93); erwähnt: Boardman – Vollenweider 1978 zu Nr. 65 (= Boardman, AG 1968, Nr. 178 Taf. 12, von gleicher Hand, kein Grund für eine Zuweisung an Sparta); Zazoff, HdArch 1983, 110 Anm. 70 Taf. 28,4. Abb. 91 Sphinx, einen Jüngling überwältigend, Skarabäoid, Bergkristall, 2.28 cm, 3. Viertel 6. Jh. v. Chr., aus Kreta, Berlin. Abguß. FG 141; Furtwängler, AG Taf. 8, 7; Boardman, AG 1968, Nr. 156 (Sphinx-and-Youth Group II); Richter, EG I 1968, Nr. 153; AGD II 1969 Nr. 83; Zazoff, HdArch 1983, 108 Anm. 56 Taf. 26, 9; J.-M. Moret, Oedipe, la Sphinx et les Thébains (1984) 16 Anm. 2. Bergkristall wird oft in Form des Skarabäoids geschnitten, da bei dem durchsichtigen Material die Skarabäusformen nur schwer erkennbar sind, vgl. Boardman, GGFR 140. Abb. 92 Herakles im Kampf mit Acheloos, Skarabäus, Plasma mit bläulich verfärbter Oberfläche, 2.0 cm, Mitte 6. Jh. v. Chr., Berlin aus der Nekropole von Falerii. Abguß. FG 136; Furtwängler, AG Taf. 8,3; Boardman, AG 1968, Nr. 74 Taf. 5; Richter, EG I 1968, Nr. 146; AGD II 1969 Nr. 79; H. P. Isler, Acheloos (1970) 12f. u. passim Nr. 291 Taf. 23; Boardman, GGFR 146 Taf. 330; LIMC I Acheloos Nr. 221 mit Abb. (H. P. Isler). Abb. 93 Herakles, der besiegte Acheloos und Deianeira, Skarabäus, Plasma, 1.9 cm, Mitte 6. Jh. v. Chr., London. Abguß. Furtwängler, AG Taf. 6, 69; Walters Nr. 489 Taf. 8; Boardman, AG 1968, Nr. 75 Taf. 5 (Deutung des bislang als Keule verstandenen Gegenstandes in der Rechten des Herakles als Horn); H. P. Isler, Acheloos (1970) 12f. u. passim Nr. 292 Taf. 23; Boardman, GGFR 146 Taf. 331; LIMC I Acheloos Nr. 222 mit Abb. (H. P. Isler). Abb. 94 Herakles im Kampf mit der Hydra, Skarabäus, Karneol, 1.35 cm, Mitte 6. Jh. v. Chr., aus Slg. Gerhard, Berlin. FG 147; Furtwängler, AG Taf. 7, 55; Boardman, AG 1968, Nr. 83; AGD II 1969 Nr. 80. Abb. 95 Mädchen am Brunnen, Skarabäus, dunkelblauer Achat, Inschrift: ΣHMONOΣ, (Siegel) des Semon, 1.40 cm, Ende 6. Jh. v. Chr., aus der Gegend von Troia, einst Slg. Gerhard, Berlin. a) Skarabäus, b) Bildseite. FG 159; Furtwängler, AG I Taf. 8, 28; III 183 Abb. 124; Lippold 1922 Taf. 63,4; Boardman, AG 1968, Nr. 249 Taf. 16 (The Semon Master); Richter, EG I 1968, Nr. 104; AGD II 1969 Nr. 88; Boardman, GGFR 148 Taf. 358; Walter-Karydi, JbBerlMus 17, 1975, 12f. Abb. 9; Zazoff, HdArch 1983, 101 Anm. 15 Taf. 23,1; Boardman, Archaic to Classical 85f. Taf. 76 d,1; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 330. Den gesicherten Kern des Oeuvres des Semon-Meisters bilden: Boardman, GGFR Taf. 359, 361, 362, 364, 366, vgl. die Vergrößerungen der Köpfe bei Boardman, IR 80 G–L, Boardman, Archaic to Classical Taf. 76 d. Abb. 96 Eros fliegt mit einem die Leier haltenden Mädchen davon, Karneol, Skarabäoid in Goldbandfassung mit beweglichem Bügel, 1.9 cm, Ende 6. Jh. v. Chr., aus Zypern, The Cesnola Collection, Purchased by subscription, 1874–76, New York 74.51.4223. Abguß. Furtwängler, AG I Taf. 9,22; Lippold 1922 Taf. 28,2; Beazley, LHG 1920, 28 Taf. A 3; Beazley, EVP 55f.

ABBILDUNGEN 91–102

353

(„Eros may be carrying the maiden off for his own pleasure, but more probably a lover has begged the god to fetch her to him.“); Richter, New York 1956 Nr. 41 Taf. 7; Vollenweider, BCH 79, 1955, 401f. (Zuweisung an den Semon-Meister); Boardman, AG 1968, Nr. 250 Taf. 16; Richter, EG I 1968, Nr. 158; Boardman, GGFR 148 Taf. 359; Boardman, Archaic to Classical 85f. Taf. 76 d,2; J. R. Mertens, MetrMusJ 24, 1989, 54 Abb. 6, 7. Abb. 97 Jüngling ein scheuendes Pferd festhaltend, Skarabäoid, blauer Chalcedon, Signatur: ΕΠΙΜΗΝΕΣ ΕΠΩΙΕ, „Epimenes hat (mich) gemacht“, 1.7 cm, um 500 v. Chr., aus dem Nildelta, Naucratis?, einst Slg. Tyszkiewicz, Boston 27.677. Furtwängler, AG I Taf. 9,14 u. 51,7, II 44; Beazley – Boardman, LHG 1920 Nr. 28; Boardman, AG 1968, Nr. 246 Taf. 16; Richter, EG I 1968, Nr. 116; Boardman, GGFR 148 Taf. 355 u. 1025; Walter-Karydi, JBBerlMus 17, 1975, 10f. Abb. 5; Boardman, IR 12f. zu Nr. 22, 80 A; Zazoff, HdArch 1983, 103 Anm. 19 Taf. 23,2; ; Boardman, Archaic to Classical 87f.Taf. 75d; J. R. Mertens, MetrMusJ 24, 1989, 54 Abb. 4, 5; Boardman, LHG 1999, 220 Abb. 10; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 330. Abb. 98 Pfeilprüfender Jüngling, Skarabäoid, Chalcedon, 1.7 cm, um 500 v. Chr., aus Naukratis, einst Slg. Southesk, Fletcher Fund, 1931, New York 31.11.5. Abguß. Furtwängler, AG Taf. 9,23 u. 51,14; Lippold 1922 Taf. 53,3; Beazley, LHG 1920 Taf. A 10; Richter, New York 1956 Nr. 42; Boardman, AG 1968 Nr. 248 Taf. 16 (Epimenes); Boardman, GGFR 148 Taf. 357; Walter-Karydi, JbBerlMus 17, 1975 8f. Abb. 4; Boardman, Archaic to Classical 87f. Taf. 75c; J. R. Mertens, MetrMusJ 24, 1989, 54 Abb. 4, 5; Boardman, LHG 1999, 220 Abb. 11. Abb. 99 Hermes, Skarabäoid, blaugrauer Chalcedon, 1.78 cm, Ende 6. Jh. v. Chr., aus Slg. Tyszkiewicz, Berlin. FG 160; Furtwängler, AG Taf. 8,37; Lippold 1922 Taf. 9, 4; Boardman, AG 1968 Nr. 266; Richter, EG I 1968 Nr. 122; AGD II 1969 Nr. 75; Walter-Karydi, JbBerlMus 28f. Abb. 33; LIMC V s.v. Hermes Nr. 192 (G. Siebert). Abb. 100 Herakles, Ringstein, bläulicher Chalcedon, 1.87 cm, 500–480 v. Chr., aus Aigion, Berlin. FG 177; Furtwängler, AG Taf. 10, 4; Boardman, AG 1968 Nr. 263 Taf. 18; Richter, EG I 1968, Nr. 117; AGD II 1969 Nr. 81; Boardman, GGFR 151 Taf. 368. Walter-Karydi, JbBerlMus 17, 1975, 31f. Abb. 37; Boardman, IR 80 M. Zur Beinhaltung: Boardman, AG 1968, 97, vgl. auch Boardman, ARFV 1975, 31. Abb. 101 An einen Weinschlauch gelehnter Satyr, Skarabäoid, schwarzer Jaspis, 1.6 cm, Signatur des Anakles: ΑΝΑΚΛΗΣ, um 480 v. Chr., angeblich aus der Gegend von Heraklion oder aus Samos, Purchase, Joseph Pulitzer Bequest, 1942, New York 42.11.16. Richter, New York 1956 Nr. 46 Taf. 7; Boardman, AG 1968 Nr. 333 Taf. 23 (The Anakles Group); Richter, EG I 1968, Nr. 113; Boardman, GGFR 151 Taf. 373; Walter-Karydi, JbBerlMus 17, 1975 14f. Abb. 11; Zazoff, HdArch 1983, 103 Anm. 20 Taf. 23,5. Abb. 102 Gelagerter, Kottabos spielender Kentaur, Skarabäoid mit antikem Goldbügel, Chalcedon, Oberfläche, vermutlich durch Leichenbrand verfärbt und krakeliert, 2.04 cm, 490–480 v. Chr., in Südrußland erworben, Bonn, AKM. C. Grunwald, BJbb 189, 1989, 525f. Abb. 14; Zwierlein-Diehl, Centaur; Boardman, GGFR Taf. 1029; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 14f., 74 Kat. 14, Farb-Abb. 1.

354

V. ARCHAISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Abb. 103 Kentaur, eine Frau raubend, Skarabäoid, Achat, 1.9 cm, 490–480 v. Chr., aus Zypern, London, Abguß. Walters 1926 Nr. 519 Taf. 9; Boardman, AG 1968, Nr. 307 Taf. 21 (The Group of the Beazley Europa); Zwierlein-Diehl, Centaur 399 Abb. 4. Abb. 104 Sitzender Jüngling, seine Leier stimmend, Skarabäus mit antikem Goldbügel, Karneol, 1.50 cm, 500–480 v. Chr., aus Slg. Merle de Massoneau, Berlin. a) Skarabäus mit Goldbügel, b) Bildseite. Boardman, AG 1968 Nr. 335 Taf. 24 (The Anakles Group, „tuning his lyre“); AGD II 1969 Nr. 91; Boardman, GGFR Taf. 375; Walter-Karydi, JbBerlMus 17,1975 12f. Abb. 10; Boardman, IR 80 P; Zazoff, HdArch 1983, 103 Anm. 20 Taf. 23, 6; Boardman, Archaic to Classical 88. Abb. 105 Hockender Negerknabe, Skarabäoid, Karneol, 1.57 cm, 1. Drittel 5. Jh. v. Chr., aus Griechenland, Berlin. FG 176; Furtwängler, AG Taf. 10, 28; Lippold 1922 Taf. 66, 8; Boardman, AG 1968 Nr. 312 (The Group of the Beazley Europa); Richter, EG I 1968, Nr. 86; AGD II 1969 Nr. 92. Augen des Epiktetos: Boardman, ARFV 1975, 58, vgl. auch den sitzenden Jüngling, a. O. Abb. 74. Abb. 106 Bärtiger Männerkopf, Skarabäus, Karneol, 0.94 cm, letztes Viertel 6. Jh. v. Chr., aus Slg. Gerhard, Berlin. FG 162; Furtwängler, AG Taf. 8, 74; Boardman, AG 1968 Nr. 115; AGD II 1969 Nr. 84. Abb. 107 Frauenkopf (Aphrodite?), Skarabäoid, Chalcedon, 1.13 cm, gegen 500 v. Chr., Paris, Cdm. Abguß. Vollenweider, Cdm I 1995 Nr. 13. Zum Stil: Münzen von Tenedos und Lampsakos: E. Langlotz, Studien zur nordostgriechischen Kunst (1975) 37, 39f. Taf. 6, 3 (auch zur Haartracht mit Stirnfransen), 6, 10. Abb. 108 Kuh, ihr Kalb säugend, Skarabäoid, schwarzer Jaspis, 1.92 cm, 1. Viertel 5. Jh. v. Chr., Berlin. FG 175; Furtwängler, AG Taf. 8, 46; Boardman, AG 1968, Nr. 527; Richter, EG I 1968 Nr. 206; AGD II 1969 Nr. 168. Abb. 109 Mutterschwein, Skarabäoid, grüner Serpentin, schwarz und grau gefleckt, 1.6 cm, Anfang 5. Jh. v. Chr., aus Smyrna, Oxford. Abguß. Furtwängler, AG Taf. 6, 67; Lippold 1922 Taf. 93, 7; Boardman, AG 1968 Nr. 546; Richter, EG I 1968, Nr. 213; Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 82. Abb. 110 Fliegender Skarabäus, Skarabäus, Karneol, 1.53 cm, letztes Viertel 6. Jh. v. Chr., Wien. Furtwängler, AG Taf. 7, 65; Lippold 1922 Taf. 97, 17; Boardman, AG 1968 Nr. 148 Taf. 10 (Sphinx-andYouth-Group I); Boardman, GGFR 144 Taf. 320; AGWien I 1973 Nr. 9; Boardman, GGA 233, 1981, 62; M. Davies – J. Kathirithamby, Greek Insects (1986) 83 Abb. 18. Abb. 111 Pferdeprotome mit männlichen Beinen und Penis, Skarabäus, Karneol, 1.15 cm, letztes Viertel 6. Jh. v. Chr., aus Rom erworben, Berlin. FG 169; Furtwängler, AG Taf. 8, 70; Boardman, AG 1968 Nr. 586; Richter, EG I 1968, Nr. 180; AGD II 1969 Nr. 100. Abb. 112 Geflügelte Eberprotome, Skarabäus, Karneol, 0.86 cm, Ende 6. Jh. v. Chr., aus Mytilene, Berlin.

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 103–116

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FG 166; Boardman, AG 1968 Nr. 500; Richter, EG I 1968, Nr. 179; AGD II 1969 Nr. 103. Ostgriechische Münzen: J. Spier, BICS 37, 1990, 121 Taf. 6, d–f, h, i. Abb. 113 Fußabdruck, zyprische Inschrift: pi-ki-re-wo, Siegel des Pigres, Skarabäoid, blauer Chalcedon, 1.55 cm, Anfang 5. Jh. v. Chr., aus Zypern, Oxford. Abguß. Furtwängler, AG Taf. 9, 18; Lippold 1922 Taf. 98, 18; O. Masson, Les inscriptions chypriotes syllabiques (1961, 21983) Nr. 360 Abb. 116 Taf. 60, 10; Richter, EG I 1968, Nr. 481; Boardman, GGFR 146 Taf. 344; Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 71. Abb. 114 Apollon und Herakles im Streit um den Dreifuß, Skarabäus, Bandachat, 1.2 cm, 3. Viertel 6. Jh. v. Chr., aus Corneto, Boston 27.668, Abgüsse. a) Skarabäus, b) Bildseite. Furtwängler, AG Taf. 6,46; Beazley – Boardman, LHG Nr. 14. Boardman, AG 1968, Nr. 79 Taf. 5; Zazoff, ES 1968 Nr. 584; Zazoff, HdArch 1983, 117 Anm. 99; Zwierlein-Diehl, AK 35, 1992, 109 Taf. 22,9. Abb. 115 Pferdeführender Herakles, Skarabäus, Sard, 1.2 cm, Ende 6. Jh. v. Chr., aus der Slg. Bruschi in Corneto, Boston 27.670, Abgüsse. a) Skarabäus, b) Bildseite. Furtwängler, AG Taf. 6,47; Beazley – Boardman, LHG Nr. 21; Richter, EG I 1968, Nr. 135; Boardman, AG 1968 Nr. 268 Taf. 18. Abb. 116 Zur Leier singender Satyr, Skarabäoid, Achat, 1.6 cm, Anfang 5. Jh. v. Chr., aus Vetulonia, Fletcher Fund, 1935, New York 35.11.11. Abguß. Richter, New York 1956 Nr. 165 Taf. 28; Boardman, AG 1968 Nr. 341; Richter, EG I 1968, Nr. 758; Zazoff, ES 1968, 53 Nr. 57, 55f. Taf. 17. Zum Motiv des kauernden Mannes mit einem aufgestellten, einem abgewinkelten Bein: H. A. Cahn, Die Münzen der sizilischen Stadt Naxos (1944) 43ff.; der Gemme zeitgleich Taf. X Q (Kalpis des Nikoxenos-Malers, Leningrad, Beazley, ARV2 222,23).

VI. GRÜNE PHÖNIZISCHE, („GRAECO - PHÖNIZISCHE“) SKARABÄEN Literatur Berges 1997, 77 Nr. 295, 379, 380, 408–414, 710, 767(?) (Siegelabdrücke aus Karthago) Boardman, AG 1968, 14–17, 122 Boardman, Near Eastern and Archaic Greek Gems in Budapest, BMusHongr 32-33, 1969, 8–12 Nr. 3 Boardman, RA 1971, 196–200 Boardman, GGFR 151f., 385,421 Boardman, IR 1975, 35f., 100–102 Nr. 110–120 Boardman, Greek Myth on „Greco-Phoenician“ Scarabs, in: Festschrift Hausmann 1982, 295–297 Boardman, Ibiza 1984

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VI. GRÜNE PHÖNIZISCHE SKARABÄEN

Boardman, CPS Classical Phoenician Scarab Corpus, http://www.beazley.ox.ac.uk Culican, W., Australian Journal of Biblical Archaeology 1, 1968, 50–54 Furtwängler, AG III 108–115 Salinas, A., NSc 1883, 473ff. bes. Taf. 12, 153–165 (Siegelabdrücke aus Selinunt) Walters 1926 Nr. 349–431 Zazoff, HdArch 1983, 85–98

Abbildungen Abb. 117 Thronende Isis mit dem Horusknaben, Skarabäus, grüner Stein, 1.93 cm, Ende 6. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 17; Boardman, CPS Kat. 11/113 Taf. 12. Abb. 118 Harpokrates (Horus das Kind), Skarabäus, Karneol, 1.29 cm, in antiker Goldfassung als Anhänger, aus Bolsena. Berlin. AGD II Nr. 143; Greifenhagen, Schmuckarbeiten I Taf. 70, 7 u. 11; Boardman, CPS Kat. 12/X6 Taf. 52. Abb. 119 Mischwesen, Isis-Skorpion, Skarabäus, grüner Stein, 1,5 cm, aus Ibiza, Fletcher Fund 1931, New York 31.11.14. Abguß. Richter, New York 1956 Nr. 15 Taf. 4; Boardman, CPS Kat. 42/16 Taf. 46. Abb. 120 Bes kämpft mit einem Löwen, Skarabäus, grüner Stein, 1.62 cm, letztes Viertel 6. Jh. v. Chr., aus Tamassos (Zypern), Berlin. FG 102; AGD II 1969 Nr. 135; Boardman, CPS Kat. 22/31 Taf. 20. Abb. 121 Herakles kämpft mit einer Schlange, Skarabäus, brauner Stein, 1.57 cm, letztes Viertel 6. Jh. v. Chr., angeblich aus Sidon. Slg. Müller, Bonn. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 116 Kat. 17 Abb. 16 (die dort gegebene Beschreibung ist aufgrund der Parallelen, Boardman CPS Kat. 32/46 u. 47, zu korrigieren); Boardman, CPS Kat. 32/49 Taf. 35. Zum Motiv: Boardman, GGFR 151 Taf. 372 (Herakles? archaisch griechisch). Abb. 122 Herakles mit Keule und Bogen, Skarabäus, Karneol, Ausbruch rechts, 1.4 x 1.0 x. 0.7 cm, Ende 6.– frühes 5. Jh. v. Chr. Slg. Müller, Bonn. Vgl. Boardman, CPS Kat. 32/6-17 Taf. 33 – 34. Abb. 123 Speer schleudernder Pygmäe auf einem Hund reitend, unten eine Knospe, Skarabäus, grüner Stein, 1.29 cm, Ende 6.– frühes 5. Jh. v. Chr. Wien. AGWien I 1973 Nr. 19; J. Boardman, GGA 233, 1981, 62; J. Boardman, in Festschrift Hausmann 1982, 297: Boardman, Ibiza 1984, 90; Boardman, CPS Kat. 35/19 Taf. 36 (Parallele dort Kat. 35/18). Abb. 124 Jüngling mit Hahn und Leier im Knielauf, Skarabäus, grüner Stein, 1.6 cm, Ende 6. Jh. v. Chr., Cambridge. Richter, EG I 1968 Nr. 42; Boardman, GGFR 154 Taf. 416; Henig – Scarisbrick – Whiting 1994 Nr.16; Boardman, CPS Kat. 30/20 Taf. 32.

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 117–129

357

Abb. 125 Kombination aus Köpfen, Vogel und Eber, Skarabäus, grüner Stein, 1.6 x 1.1 x 0.7 cm, Ende 6. Jh. v. Chr., Shefton Museum of Greek Art and Archaeology, University of Newcastle, Inv. Nr. 280. Sotheby, 11. 7. 1966 lot 200; Boardman, AG 84, 87 Anm. 21.Vgl. Boardman, GGFR 154 Taf. 417 = CPS Kat. 37/17 Taf. 39. Zum Motiv: Boardman, Gem Engravers 1980, 113f.; Boardman, Ibiza 1984, 85f. Abb. 126 Zwei Löwen fallen einen Stier an, Skarabäus, hellgrüner Stein, 1.79 cm, letztes Viertel 6. Jh. v. Chr., in Larnaka (Zypern) erworben. Wien. Boardman, AG 1968, 124, 138 Anm. 16; AGWien I 1973 Nr. 16; Boardman, CPS Kat. 39/6 Taf. 42. Abb. 127 Ihr Kalb säugende Kuh, Skarabäus, Karneol, 1.75 cm, letztes Viertel 6. Jh. v. Chr., aus Syrien, gegenüber Arados. Berlin. FG 110; AGD II Nr. 141. Boardman, CPS Kat. 40/X9 Taf. 60. Abb. 128 Löwin, ihr Junges säugend, Skarabäus, grüner Stein, 1.2 cm, Ende 6. Jh. v. Chr., Slg. Müller, Bonn. Boardman, GGFR 154, 187 Taf. 419; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 16 Kat. 18 Abb. 17; Boardman, CPS Kat. 338/53 Taf. 41. Abb. 129 Adler im Kampf mit einer Schlange, Skarabäus, grüner Stein, 1.52 cm, letztes Viertel 6. Jh. v. Chr., aus Sardinien. Berlin. FG 105; AGD II 1969 Nr. 138; Boardman, CPS Kat. 41/16 Taf. 45.

VII. KLASSISCHE GRIECHISCHE GEMMEN Literatur Boardman, GGFR 189–302, 386, 423–448 Furtwängler, AG III 124–146 Richter, EG I 1968, 74–124 Zazoff, HdArch 1983, 127–162

Dexamenos

Beazley, Lewes House 1920, 48f. Nr. 50 Boardman, GGFR 194–200 Taf. 466–469 Boardman, Three Greek Gem Masters, in: Burlington Magazine 1969, 591–595 Boardman, LHG 1999, 219 Borelli, L. V., EAA III 81f. s. v. Dexamenos Diehl, E., Eine Gemme des Dexamenos, Berliner Museen 17, 1967, 44–48 Evans, The Athenian Portrait-Head by Dexamenos of Chios. RA ser. 3 t. 32, 1898, 337–355 Furtwängler, AG III 137–139 Henig – Scarisbrick – Whiting 1994 Nr. 53. Richter, EG I 1968, 15f. 17 Nr. 277, 326, 467, 468

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VII. KLASSISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Vollenweider, M.-L., Révue Numismatique 6. ser. tome 16, 1974, 142–148 Taf. 15 u. 16 Vollenweider, M. L., Connaissance des Arts, Febr. 1959, 54–59 Zazoff, HdArch 1983, 132–137 Taf. 31, 1-4 Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 330, 336

Abbildungen Abb. 130 Ein springender Delphin packt einen unter ihm schwimmenden Wasservogel (Kormoran?) am Hals, liegender Löwe als Gemmenrücken, durchbohrt. Karneol, 1.76 cm, Ende 5. Jh. v. Chr., aus Smyrna, Berlin. a) Löwe, b) Bild FG 330; Boardman, AG 1968, Nr. 615; AGD II 1969 Nr. 179; Boardman, GGFR 430 Nr. 252. Zur Gruppe: Boardman, AG 165f.; Boardman, GGFR 205 Boardman, IR 1975 Nr. 37; Boardman – Scarisbrick 1977 Nr. 4. Abb. 131 Liegendes Kalb, Kleinplastik, durchbohrt, Karneol, 1.40 cm, Ende 5. Jh. Wien. AGWien I 1973 Nr. 24; Boardman, GGA 233, 1981, 62. Abb. 132 Hades raubt Persephone, Rahmenlinie, Skarabäoid in Silberbügel, Chalcedon, 1.9cm, um 460 v. Chr., aus Zypern, The Cesnola Collection, Purchased by subscription, 1874–76, New York 74.51.4199. Abguß. Furtwängler, AG Taf. 9,32; Richter, New York 1956 Nr. 68; Boardman, GGFR 193, 287 Taf. 451, 425 Nr. 11. Abb. 133 Demeter, Rahmenlinie, Skarabäoid, Chalcedon, 1.6 cm, um 460 v. Chr., Paris, Cdm de Luynes 254. Furtwängler, AG, Taf, 12, 29; Lippold 1922 Taf. 22, 1; Boardman, GGFR 287 Taf. 450, 425 Nr. 10; Zazoff, HdArch 1983, 145 Anm. 99 Taf. 34, 8. Abb. 134 Skylla, Strichrand, Skarabäoid, hellgrünes Glas, 2.40 cm, um 460 v. Chr., Berlin. FG 301; Furtwängler, AG Taf. 13, 32; Lippold 1922 Taf. 6, 2; Richter, EG I 1968 Nr. 364; AGD II 1969 Nr. 154 (zu spät datiert); Boardman, GGFR 433 Nr. 388; Zazoff, HdArch 1983, 145 Anm. 95 Taf. 34, 6; G. Platz-Horster, Herstellung und Wert von Glas-Skarabäoiden, Annales du 14e Congrès de L‘Association internationale pour l‘histoire du verre 1998, 25 – 29, 27 Abb. 5. Replik in Bergkristall, nach Platz-Horster das Original, von dem die Form gewonnen wurde, Paris Cdm, Boardman, GGFR 194 Taf. 453 (verweist zu Motiv und Datierung auf melische Reliefs der Zeit um 460 v. Chr.). Abb. 135 Amazone, auf ihr Streitaxt gestützt, Skarabäus, Karneol, 1.6 cm, in vermutlich nachantikem Goldbügel, 2. Viertel 5. Jh. v. Chr., Bonn, Slg. Müller. a) Skarabäus, b) Bild Boardman, GGFR 287 Taf. 456; Zazoff, HdArch 1983, 146 Anm. 105 Taf. 34, 10; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 16f., 74, Kat. 19, Abb. 18 a, b. Abb. 136 Die knöchelspielenden Dioskuren, von einem Skarabäoid abgeschnitten, die Hälfte des Bohrkanals auf der

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 130–144

359

Rückseite erhalten, Karneol, Inschrift, am Original linksläufig: Dioskoroi, 1.81 cm, Mitte 5. Jh. v. Chr., „aus Kleinasien“, in Athen erworben, einst Slg. Pourtalès, Berlin. FG 328; Furtwängler, AG Taf. 10, 17; AGD II 1969 Nr. 153; Boardman, GGFR 201, 291 Taf. 543, 428 Nr. 165; K. Schauenburg, in: Mélanges Mansel (1974) 115f.; Boardman in: Boardman – Vollenweider 1978 zu Nr. 75 (zum Fisch). Abb. 137 Kopf eines jungen Mannes mit Pilos (einer der Dioskuren?), Strichrand, Skarabäus, Karneol, 1.6 cm, 2. Viertel 5. Jh. v. Chr., London, Abguß. Furtwängler, AG Taf. 14, 31; Walters 1926 Nr. 508; Boardman, GGFR 192, 286 Taf. 445, 425 Nr. 2; Zazoff, HdArch 1983, 147 Anm. 114 Taf. 35, 2. Abb. 138 Kopf einer jungen Frau, oben Mondsichel (Selene?), Strichrand, Skarabäus, Karneol, 1.8 cm, 2. Viertel 5. Jh. v. Chr., London, Abguß. Walters 1926 Nr. 510 Taf. 9; Boardman, GGFR 193, 287 Taf. 447, 425 Nr. 6; Zazoff, HdArch 1983, 142 Anm. 76 Taf. 33, 6. Zum Schmuck vgl. Deppert – Lippitz 1985, 116f. Abb. 63, 124f. Abb. 139 Sich aufrichtender Stier, Strichrand mit Punkten, dunkelbrauner Sard, oben Rest der Besitzerinschrift: ...ados, 2.00 cm, um 480–470 v. Chr., aus Tanagra, Berlin. FG 302; Furtwängler, AG Taf. 8, 41; Boardman, AG 1968, 148 u. 151 Nr. 526; AGD II 1969 Nr. 169; Boardman, GGFR 152, 186 Taf. 397; Boardman in: Boardman – Vollenweider 1978 zu Nr. 75 (Vergleich mit dem Stier der „Beazley Europa“). Abb. 140 Europa auf dem Stier, von Skarabäoid abgeschnitten, Moosachat, 1.8 cm, um 480–470 v. Chr., aus Zypern, Geschenk von Sir John Beazley, Oxford. Abguß. Boardman, AG 1968 Nr. 305 Taf. 20; Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 75; Boardman, GGFR 146, 183 Taf. 345. Abb. 141 Fliegender Reiher, Rahmenlinie, Skarabäoid, blauer Chalcedon, Signatur, am Original rechtsläufig: Dexamenós epoíe Chíos, „Dexamenos hat es gemacht, der Chier“, 2.2 cm, Mitte 5. Jh. v. Chr., aus Kertsch (Pantikapaion), St. Petersburg. Boardman, BurlMag 1969, 592 Abb. 29 u. 30; Neverov, Intaglios 1976 Nr. 20; Nikulina 1994 Abb. 84; Boardman, GGFR 195, 288 Taf. 468, 426 Nr. 51. Abb. 142 Stehender Reiher, einen Fuß über einer Heuschrecke erhebend, Strichrand, Skarabäoid, rot und schwarz gesprenkelter Jaspis, Signatur, am Original rechtsläufig: Dexamenós, 1.8 cm, Mitte 5. Jh. v. Chr., aus Phanagoria (Halbinsel Taman), St. Petersburg, Abguß. Boardman, BurlMag 1969, 592 Abb. 25 u. 26; Neverov, Intaglios 1976 Nr. 19; Nikulina 1994 Abb. 74; Boardman, GGFR 195, 288 Taf. 469, 426 Nr. 52. Abb. 143 Fliegende Gans, Skarabäus, Sardonyx, 1.6 cm, Dexamenos zugewiesen, Mitte 5. Jh. v. Chr., aus Griechenland, London, Abguß. Walters 1926 Nr. 511 Taf. 9; Boardman, GGFR 198 Farbtaf. 203,6, Taf. 489, 427 Nr. 82. Abb. 144 Kopf eines bärtigen Mannes, Rahmenlinie, Skarabäoid, rot und gelb gesprenkelter Jaspis, Signatur, am

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VII. KLASSISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Original rechtsläufig: Dexamenós epoíe, 2.1 cm, Mitte 5. Jh. v. Chr., aus Kara, Attika, einst Slg. Evans, Boston 23.580, Abguß. Evans 1898; Beazley – Boardman, LHG Nr. 50; Boardman, BurlMag 1969, 591f. Abb. 21; Boardman, GGFR 195f., 287 Taf. 466, 426 Nr. 49; Boardman, LHG 1999, 219 Abb. 3. Abb. 145 Kopf eines Jünglings, Skarabäoid, Bergkristall, 2.20 cm, Dexamenos zugewiesen, Mitte 5. Jh. v. Chr., aus Südrußland, Berlin. AGD II 1969 Nr. 158; Boardman, BurlMag 1969, 591 Abb. 22; Zazoff, HdArch 1983, 136 Anm. 48 Taf. 32, 3; Boardman, GGFR 196f., 288 Taf. 471, 426 Nr. 54; Boardman, LHG 1999, 219 Abb. 4. Abb. 146 Boxer, angeschnittene Perle, Achat, 2.2 cm, aus Epirus, London, Detail. Walters 1926 Nr. 562 Taf. 10; Boardman, BurlMag 1969, 591 Abb. 23, 24 (Zuweisung an Dexamenos); Boardman, GGFR 196 u. 199 Taf. 516; Horster 1970, 14f. Taf. 3, 1-2; Boardman, LHG 1999, 219 Abb. 5. Abb. 147 Sitzende Herrin und Dienerin, Strichrand, Skarabäoid, blauer Chalcedon, Signatur: Dexamenós und Besitzerinschrift: Míkēs, „(Siegel) der Mike“, beide Inschriften am Original rechtsläufig, 2.2, Mitte 5. Jh. v. Chr. oder wenig früher, aus Griechenland, Cambridge. Boardman, GGFR 195f., 287f. Taf. 467, 426 Nr. 50; Henig – Scarisbrick – Whiting 1994 Nr. 53. Herrin und Dienerin(nen): E. Pfuhl – H. Möbius, Die ostgriechischen Grabreliefs (1977) Nr. 22–24 (2. Viertel und Mitte 5. Jh. v. Chr.). Zum Penelopetypus: P. Jacobsthal, Die melischen Reliefs (1931) 11–16 Nr. 1. 2. 94, 67–71 Nr. 87–93, 192–198 Taf. 1 u. 2, 48–53; Horster 1970, 8f. Taf. 1; Boardman, GGFR 215f. Taf. 656 u. 664; C. Parisi Presicce, in: Andreae, Odysseus 1999, 334–351, 359 Abb. 166 (Skyphos des Penelope-Malers in Chiusi,um 445/40 v. Chr., mit einer ähnlichen Perspektive des Diphros). Zum Namen Mika: Pape – Benseler 923 (auch Mikka); Ch. W. Clairmont, Classical Attic Tombstones V (1993) 114 (9 Belege). Abb. 148 Chiotische Weinamphora, Rahmenlinie, Skarabäoid, rot, schwarz und weiß gefleckter Jaspis, 2.2 cm, Mitte 5. Jh. v. Chr., aus Kertsch (Pantikapaion), St. Petersburg, Abguß. Boardman, BurlMag 1969, 592 Abb. 27 (Vergleich mit der Tonamphora Abb. 28); Boardman, GGFR 196, 288 Taf. 470, 426 Nr. 53; Neverov, Intaglios 1976 Nr. 21. Abb. 149 Kopf der Eos, Skarabäoid, Achat, Inschrift: ΕΟΣ (statt Ēō´s), 1.8 cm, 3. Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Ithome. London, Abguß. Walters 1926 Nr. 518 Taf. 9; Boardman, GGFR 197, 288 Taf. 481, 426 Nr. 67. Abb. 150 Stehender Reiher, angeschnittene Perle, Bandachat, 1.82 cm, 3. Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Athen. Berlin, Abguß. FG 332; AGD II 1969 Nr. 181; Boardman, GGFR 428 Nr. 126. Abb. 151 Auf einem Diphros sitzende Frau mit einem Reiher spielend, Ringstein mit konvexer Bildseite, Karneol, 1.80 cm, 3. Viertel 5. Jh. v. Chr., Wien. Furtwängler, AG Taf. 14, 23; Boardman, GGFR 431 Nr. 291; AGWien I 1973 Nr. 22; Oberleitner 1985, 11 Abb. 5. Abb. 152 Harfenspielerin, Strichrand, Skarabäoid, Bergkristall, 3.5, letztes Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Griechenland. London, Abguß.

ABBILDUNGEN 145–159

361

Furtwängler, AG Taf. 14, 20; Walters 1926 Nr. 529 Taf. 9; Boardman, GGFR 197, 288 Taf. 472, 426 Nr. 55. Zazoff, HdArch 1983, 134 Anm. 35 Taf. 31,5. Abb. 153 Kauerndes Mädchen (Nymphe?) beim Bade, Strichrand, Skarabäus, Karneol, 1.87 cm, letztes Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Athen. Berlin, Abguß. FG 298; Furtwängler, AG Taf. 13, 23; Richter, EG I 1968 Nr. 298; AGD II 1969 Nr. 165; Boardman, GGFR 427 Nr. 72; Zazoff, HdArch 1983, 144 Anm. 88 Taf. 34, 1. Zur Interpretation: J. Boardman, Boy Meets Girl: An Iconographic Encounter, in: Athenian Potters and Painters 1997, 259–267, bes. 262–265. Abb. 154 Kauerndes Mädchen, den Chiton über ihren Kopf hebend, Skarabäoid, Karneol, 2.20 cm, letztes Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Zypern. Berlin. FG 315; Furtwängler, AG Taf. 13, 24; AGD II 1969 Nr. 164; Boardman, GGFR 429 Nr. 177; Boardman in Boardman – Vollenweider 1978 zu Nr.105 (gleiche Hand); Zazoff, HdArch 1983, 144 Anm. 92 Tf. 34, 4. Abb. 155 Mädchen beim Bade und Jüngling, Skarabäoid, verfärbter Chalcedon, 3.4 cm, letztes Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Sparta, Fletcher Fund, 1925, New York 25.78.7. Abguß. Richter, New York 1956 Nr. 74; Boardman, GGFR 202 Taf. 551; Boardman, in: Athenian Potters and Painters 1997, 262f. Abb. 4. Abb. 156 Sitzende Ortsnymphe, von Nike bekränzt, Skarabäoid, hellbräunlicher Chalcedon, 2.54 cm, Ende 5. Jh. v. Chr. Berlin. FG 319; Furtwängler, AG Taf. 13, 18; Richter, EG I 1968 Nr. 281; AGD II 1969 Nr. 150; Boardman, GGFR 201, 291 Taf. 546, 428 Nr. 171 (Trauernde an einer Grabstele? Nemea am Grab des Archemoros?); Vollenweider, GGA 226, 1974, 224 (großgriechisch um 400). Abb. 157 Odysseus, Skarabäoid, honigfarbener Chalcedon mit gelben Jaspis, 2.93 cm, Letztes Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Kreta. Berlin. FG 316; Furtwängler, AG Taf. 13, 11; Richter, EG I 1968 Nr. 233; AGD II 1969 Nr. 155; Boardman, GGFR 201, 290 Taf. 535, 428 Nr. 153 (Odysseus am Eingang zur Unterwelt oder aus einer frühen Version der Palladionraub-Szene?); Zazoff, HdArch 1983, 149 Anm. 123 Taf. 35, 14; Zwierlein-Diehl, AntK 35, 1992, 109 Anm. 15. Abb. 158 Bärtiger Mann in Reisetracht, wohl Odysseus, Skarabäoid in Goldring, Chalcedon(?), weiß bis grau verbrannt, 1.57 cm, 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr., „Aus einem Sarkophag von Klazomenai“ in Smyrna erworben. Wien. a) Bild b) Ringprofil AGWien I 1973 Nr. 21; Boardman GGA 233, 1981, 62. Der Ring ist ein Vorläufer der ptolemäischen Form, Boardman, GGFR 217f. XVII, wobei die Tiefe des Kästchens durch die Form des Skarabäoids gefordert war. Abb. 159 Ziegenmelker, Skarabäoid mit flach gewölbtem Rücken, Rahmenlinie 1.86 x 1.39 x 0.65 cm, Randhöhe 0.05 cm, 3. Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Olympia, Fundamentpackung des klassischen Pelopion-Tores 1996, Olympia. AA 1997, 531 Abb. 5. Zur Ziege vgl. Tetradrachme von Ainos, Hirmer, GM Taf. 136, 419R (455/4–453/2 v. Chr.); Boardman, GGFR Taf. 578.

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VII. KLASSISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Abb. 160 Schlafender Negersklave, Punktkette als Rahmen, Ringstein, Karneol, 1.17 cm, 3. Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Slg. Demidoff. Berlin. FG 347; Furtwängler, AG Taf. 10, 26; Richter, EG I 1968 Nr. 267; AGD II 1969 Nr. 160. Abb. 161 Fliegender Adler mit totem Rehkitz, Skarabäoid, verbrannter Stein, 2.4 cm, 3. Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Temir-Gora bei Kertsch. St. Petersburg, Abguß. Furtwängler, AG III 139; Boardman, GGFR 427 Nr. 91; Neverov, Intaglios 1976 Nr. 26. Abb. 162 Brieftaube, Skarabäoid, Sard, 1.5 cm, 3. Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Ägypten. Boston 23.586, Abguß. Furtwängler, AG Taf. 9, 28; Beazley, Lewes House 1920 Nr. 81 Taf. 5; Boardman, GGFR 427 Nr. 88. Vgl. Boardman, IR 1975, 15f., 90 Nr. 40. Abb. 163 Stehender Reiher, Skarabäoid, blauer Chalcedon, 1.96 cm, 3. Viertel 5. Jh. v. Chr., aus der Peloponnes. Berlin. FG 311; Furtwängler, AG Taf. 14, 17; AGD II 1969 Nr. 180; Boardman, GGFR 429 Nr. 192. Abb. 164 Durchgehendes Pferd, Skarabäoid, Karneol, 2.15 cm, 3. Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Kreta. Berlin. FG 303; Furtwängler, AG Taf. 14, 16; Richter, EG I 1968 Nr. 414; AGD II 1969 Nr. 196 (irrtümlich als graeco-persisch); Boardman, GGFR 426 Nr. 63; Zazoff, HdArch 1983, 147 Anm. 112 Taf. 34, 12. Abb. 165 Stoßender Stier, Skarabäoid, bläulicher Chalcedon mit gelben Jaspis-Einsprengseln, 2. 30 cm, Ende 5. Jh. v. Chr., aus Athen. Berlin. FG 310; Furtwängler, AG Taf. 11, 31; Richter, EG I 1968 Nr. 390; AGD II 1969 Nr. 171. Abb. 166 Grasender Damhirsch, von einem Skarabäoid abgesägt, Sard, 2.11 cm, Ende 5. Jh. v. Chr., aus Slg. Demidoff. Berlin. FG 304; Furtwängler, AG Taf. 14, 13; Richter, EG I 1968 Nr. 433; AGD II 1969 Nr. 172; Boardman, GGFR 429 Nr. 208. Abb. 167 Grüne Heuschrecke, Rahmenlinie, Quader mit drei Längsfacetten auf der Oberseite, milchfarbener Chalcedon, 1.92 cm, 2.–3. Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Griechenland. Berlin. Abguß. FG 333; Furtwängler, AG Taf. 11, 42; Richter, EG I 1968 Nr. 474; AGD II 1969 Nr. 183; Boardman, GGFR 430 Nr. 238. Abb. 168 Sandale, angeschnittene Perle, Bandachat, 1.7 cm, 3. Viertel 5. Jh. v. Chr., Boston 27.699, Abguß. Beazley – Boardman, LHG Nr. 77; Boardman, GGFR 200, 290 Taf. 524, 428 Nr. 139. Abb. 169 Mundstücke einer Doppelflöte, Rahmenlinie, Skarabäoid, weißlicher Chalcedon, 1.97 cm, 3. Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Melos. Berlin. FG 305; Furtwängler, AG Taf. 13, 29; AGD II 1969 Nr. 184; Boardman, GGFR 199 Abb. 206, 283, 427 Nr. 122; Boardman – Vollenweider 1978 zu Nr. 111. Abb. 170 Nike, ein Tropaion schmückend, Skarabäoid, blauer Chalcedon, Inschrift: ONATA (?), 3.3 cm, 1. Hälfte 4. Jh. v. Chr., London.

ABBILDUNGEN 160–178

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Walters 1926 Nr. 601 Taf. 10; Boardman, GGFR 206 Taf. 590; Zazoff, HdArch 1983, 137 Anm. 53 Taf. 32, 8; J. Boardman, Greek Sculpture. The Late Classical Period (1995) Abb. 83; Boardman, WAA 2006, 190 Abb. 313. Zur Inschrift: Faksimile bei Furtwängler, Künstlerinschriften 196. Am Original erkennbar ist ein Omikron (unter der Annahme, daß die Ränder der Binde als oberer und unterer Abschluß der beiden zueinander gebogenen Hasten gelten sollen), ein Ny, ein Delta (die Querhaste sitzt unten, bei Furtwängler zu hoch gezeichnet), ein quer V-förmiger Ausrutscher, ein senkrechter Strich (Tau, unter der Voraussetzung, daß die Querhaste identisch ist mit dem Bindenrand), ein kleines Lambda. Für die Lesung ONATA müssen Delta und Lambda als Alpha gelten, Furtwängler und Boardman versehen sie zu Recht mit einem Fragezeichen. Abb. 171 Bogenspannender Eros, Ringstein, Karneol, 1.65 cm, Signatur: ΟΛΥΜΠΙΟΣ, 2. Viertel 4. Jh. v. Chr. Berlin. FG 351; Furtwängler, Künstlerinschriften 162–165, 195; Furtwängler, AG I Taf. 14,8, II 67, III 126. AGD II 1969 Nr.151. Boardman, GGFR 210 Abb. 633, 432 Nr. 368; D. Gerin, Les Statères de la ligue arcadienne, SchwNumRu 65, 1986, 13–31, 24f. (gegen die Identität mit Oly(m) auf den Münzen, Hinweis Chr. Böhringer). S. u. S. 80. Abb. 172 Raub des Ganymed, Ringstein, Fragment, Karneol, noch 1.04 cm, 2. Viertel 4. Jh. v. Chr., Berlin. FG 352; AGD II 1969 Nr. 157. Abb. 173 Apollon mit Kithara (Abdruck seitenrichtig), Skarabäoid, verfärbter Stein, 2.90 cm, 2. Hälfte 4. Jh. v. Chr., aus Athen. Hannover. AGD IV 1975 Hannover Nr. 26; Zazoff, HdArch 1983, 149 Anm. 122 Taf. 35, 13. Abb. 174 Tanzende Mänade, facettierter Quader, bräunlicher Chalcedon, 2.74 cm, um 400 v. Chr., aus Athen, Dionysostheater. Berlin. a) Bild b) Form FG 334; Furtwängler, AG Taf. 13, 11; Richter, EG I 1968 Nr. 255; AGD II 1969 Nr. 152; Boardman, GGFR 430 Nr. 273; Zazoff, HdArch 1983, 148 Anm. 119 Taf. 35, 9. Abb. 175 Sitzende Frau (wohl Aphrodite) balanciert ein Stäbchen, Skarabäoid, grauer Chalcedon, 3.07 cm, aus Kyparissos (Lakonien). Berlin. FG 313; AGD II 1969 Nr. 162; Boardman, GGFR 206f.Taf. 593, 430 Nr. 270; Zazoff, HdArch 1983, 142 Anm. 73 Taf. 33, 3. Abb. 176 Geflügelte Nymphe auf einem Wasserbecken sitzend, mit der Iynx spielend, Chalcedon, verschollen, 2.34 cm, 2. Hälfte 4. Jh. v. Chr.. Nach Glaspaste in Würzburg. Furtwängler, AG Taf. 14, 30; Boardman, GGFR 210, 295 Taf. 634, 432 Nr. 369; Würzburg I 1986 Nr. 22. Abb. 177 Stehender Herakles, Skarabäoid mit antikem Goldbügel, Bergkristall, 2.50 cm, Mitte 4. Jh. v. Chr. Berlin. FG 317; Furtwängler, AG Taf. 10, 41; AGD II 1969 Nr. 156; Boardman, GGFR 432f. Nr. 371; Horster 1970, 16 Anm. 4 Taf. 4, 4. Abb. 178 Porträt eines Satrapen(?) in persischer Mütze, Karneol, Inschrift ΑΕΤΙωΝΟC, Bild 2.40 cm, 4. Jh. v. Chr.,

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VIII. GRAECO-PERSISCHE GEMMEN

Inschrift 16. Jh., einst Slg. Peiresc. Chatsworth, Slg. Duke of Devonshire. Nach Glaspaste der Slg. Müller, Bonn. Van der Meulen 1975, 87 Anm. 59 Taf. XXVI D u. E; Würzburg I 1986, 61 zu Nr. 27 Taf. 6 (dort noch mit der Möglichkeit einer antiken Besitzerinschrift rechnend); F. Solinas, Sull’ atelier di Cassiano dal Pozzo: Metodi di ricerca e documenti inediti, in: J. Montagu, al. (Hrsg.) Cassiano dal Pozzo’s Paper Museum. Quaderni Puteani 3 (1992) 57 – 76, 57, 61 Abb. 4 (Aëtion-Intaglio, Tempera u. Aquarell auf Papier von Jean de Saillant [Giovanni Saliano], Augustiner aus Avignon, 1635), 75 (Autograph von Peiresc, 1635, mit Notizen über Gipsabgüsse, die Jean de Saillant von einigen seiner Gemmen, darunter dem Aëtion-Intaglio, genommen hat); Jaffé 1993, 103, 110f. Abb. 56–58; Van der Meulen, in Brown 1997, 195, 197f., 211f. Abb. 27–28 App. 1.8.5, 1.12.1, 1.15, 1.16.1; Jaffé, in: Brown 1997, 182, 184; s. u. Abb. 0000. Abb. 179 Reiher im Kampf mit einer Schlange, Ringstein, Karneol, 0.90 cm, Mitte 4. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 353; Furtwängler, AG Taf. 14, 35; AGD II 1969 Nr. 182; Boardman, GGFR 432 Nr. 344. Abb. 180 Amphora panathenäischer Form mit Deckel, Skarabäoid, dunkelroter Jaspis mit Chalcedon-Einsprengseln, 3.03 cm, 4. Jh. v. Chr., in Athen erworben. Berlin. FG 320; Furtwängler, AG Taf. 13, 41; AGD II 1969 Nr. 185; Boardman, GGFR 431 Nr. 305.

VIII. GRAECO-PERSISCHE GEMMEN Literatur Bivar, A. D. H., Un unknown Punjab Seal-Collector, The Journal of the Numismatic Society of India 23, 1961, 309–327, bes. 313–316 Boardman, BurlMag 1969, 595–596 Boardman, GGFR 303–357, 386, 448–458, 468 Boardman, J., Pyramidal Stamp Seals in the Persian Empire, Iran 8, 1970, 19–45 Boardman, IR 1975, 28–36 Boardman, J., Greek and Persian Glyptic in Anatolia and beyond, RA 1976, 45–54 Boardman, Diffusion 1994, 43–47, 78–79 Boardman, J., Seals and Signs. Anatolian Stamp Seals of the Persian Period Revisited, Iran 36, 1998, 1–13 Boardman, Persia 2000, 150–174, 222–225. Butler, H. C., Sardis I 85 Collon 1987, 90–93 Collon, D., A Hoard of Sealings from Ur, in: Archives et sceaux 1996, 65 -84 Furtwängler, AG, III 116–124 Gadd, C. J. u. Ackermann, Ph., in: A. U. Pope – Ph. Ackermann, A Survey of Persian Art I (1938) 383–393 Invernizzi, A., Seal Impressions of Achaemenid and Graeco-persian Style from Seleucia on the Tigris, Mesopotamia 30, 1995, 39–50 Knauß, F. Bocksdämon und Perserin. Untersuchungen zur Ikonographie und Chronologie der späten graeco-persischen Glyptik, Archäologische Mitteilungen aus Iran und Turan 31, 1999, 161–189

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 179–185

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Knauß, F. S. – Franke, P. R., „Barbar und Hoplit“. Das Siegel eines lykischen Herschers?, MüJb 52, 2001, 7–16 Maximowa, M. E., Griechisch-persische Kleinkunst in Kleinasien nach den Perserkriegen, AA 1928, 648–678 Moortgat, A., Hellas und die Kunst der Achaemeniden, Mitt. der altorientalischen Gesellschaft 2,1 (1926) 3–39 Nikulina, N. M., La glyptique „Grecque orientale“ et „gréco-perse“, AntK 14, 1971, 90–106 Nikulina 1994 Richter, G. M. A., The Late „Achaemenian“ or „Graeco-persian“ Gems, Hesperia Suppl. 8, 1949, 291– 298 Richter, G. M. A., Greek Subjects on „Graeco-persian“ Seal Stones, in: G. C. Miles (Hrsg.), Archaeologia Orientalia in Memoriam Ernst Herzfeld (1952) 189–194 Richter, EG I 1968, 125–132 Schmidt, E. F., Persepolis II (1957) 14–18, 33–39 Taf. 12–14 (Abdrücke griechischer, graecopersischer, neubabylonischer Stempelsiegel) Seyrig, H., Cachets achéménides, in: G. C. Miles (Hrsg.), Archaeologia Orientalia in Memoriam Ernst Herzfeld (1952) 189–195 bzw. 195–202 Spier, J, From East Greece to Etruria: a Late Sixth-Century BC Gem Workshop, in: Periplous 2000, 330 – 335 (330 – 332 lydisch-achaemenidische Siegel) Trever, K. V., Pamyatniki Greko-Baktriiskogo Iskusstva (1940) 135–139 Taf. 38, 1-6 Zazoff, HdArch 1983, 163–192

Abbildungen Abb. 181 Springender Löwe über einem grasenden Pferd, oben ein Vogel, achtseitiges pyramidales Stempelsiegel, bläulicher Chalcedon. 2.72 cm, Bildfläche 1.80 x 1.64 cm, 2. Hälfte 6. Jh. v. Chr., Berlin. a) Bild, b) Form FG 97; AGD II 1969 Nr. 146; Boardman, Iran 8, 1970, 41 Nr. 57. Zur Gruppe: Boardman, Iran 8, 1970, 19–45 u. 36, 1998, 1–13; Boardman, Persia 2000, 156, 166–168. Abb. 182 Hermes und Vogel, achtseitiges pyramidales Stempelsiegel, bläulicher Chalcedon, Bild 1.7 cm, letztes Viertel 6. Jh. v. Chr., Gift of John Taylor Johnston, 1881, New York 81.6.3. Richter, New York 1956 Nr. 33; Boardman, Iran 8, 1970, 40 Nr. 11 Taf. 2; Boardman, GGFR Taf. 845. Abb. 183 Schreitender Stier, wappenartiges Beizeichen, lydische Inschrift Manelim, Eigentum des Manes, achtseitiges pyramidales Stempelsiegel, grauer Chalcedon, Bild 2.3 cm, um 500 v. Chr., Genf, Musée d‘art et d‘histoire Inv. Nr. 20564, aus Latakia, Abguß. Boardman, AG 1968, 16f. Anm. 8; Boardman, Iran 8, 1970, 21, 36, 39 Nr. 6 Taf. 1; Vollenweider, Genf III 1983 Nr. 36; Boardman, AJA 1985, 711; Zwierlein-Diehl, Gnomon 58, 1986, 256; Boardman, Diffusion 1994, 40f. Abb. 2.26a; Boardman, Persia 2000, 166f. Abb. 5.24. Abb. 184 Königliche Sphinx, Skarabäoid, Karneol, 2.32 cm, 5. Jh. v. Chr., aus Sparta. Berlin. FG 187; AGD II 1969 Nr. 202; Boardman, GGFR 449 Nr. 5 (Court Style. Archaic Western). Abb. 185 Persischer Löwengreif, Skarabäoid, blaugrauer Chalcedon, 2.56 cm, 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr., aus Sparta. Berlin.

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VIII. GRAECO-PERSISCHE GEMMEN

FG 188; AGD II 1969 Nr. 203; Boardman, GGFR 449 Nr. 34 (Classical Court Style. Western scaraboids and cylinders). Abb. 186 Stehender Stier, Zylinder, elfenbeinfarbener Chalcedon, 2.68, 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. Abrollung. FG 336; AGD II 1969 Nr. 194; Boardman, GGFR 449 Nr. 17 (Classical Court Style. Western Scaraboids and Cylinders). Abb. 187 Gesatteltes Pferd unter geflügelter Sonnenscheibe, Zylinder, blaugrauer Chalcedon, 2.10 cm, 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr., aus Attika. Berlin. a) Form, b) Abrollung. FG 180. AGD II 1969 Nr. 195; Nikulina 1994 Abb. 303; Boardman, GGFR 449 Nr. 13 Taf. 831 (Classical Court Style. Western Scaraboids and Cylinders); Boardman, Persia 2000, 159, 161 Abb. 5.14. Vgl. Pferde mit geknotetem Schwanz: Abdruck, Collon 1996,70 Taf. 14m; pyramidales Siegel Boardman 2000, 167 Abb. 5.30. Abb. 188 Schreitender Stier, Skarabäoid, gebänderter Karneol, 2.05 cm, 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr., aus Griechenland. Berlin. FG 174; AGD II 1969 Nr. 193; Nikulina 1994 Abb. 29; Boardman, GGFR 451 Nr. 90 Taf. 870 (Greek Style). Abb. 189 Schreitender Widder, Skarabäoid, bläulicher Chalcedon, 2.92 cm, 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr., aus Megara. Berlin. FG 192; AGD II 1969 Nr. 192; Nikulina 1994 Abb. 145; Boardman, GGFR 453 Nr. 203 (The mixed style. The Group of the Leaping Lions). Abb. 190 Widder, zwei Abdrücke der gleichen Rollsiegels aus Persepolis, Chicago, The Oriental Institut. The University of Chicago. a) Hinterteil des Widders b) Vorderteil des Widders; oben Abdruck von Siegel Nr. 5. E. F. Schmidt, Persepolis II (1957) 15 u. 33 Nr. 43 Taf. 11. Das Siegel kommt vor mit Rollsiegel Nr. 5 mit Namen des Xerxes (486–465 v. Chr.), das erstmals 467 vorkommt und unter Artaxerxes I. (465–424) weiterverwendet wird, sowie mit Rollsiegel Nr. 8 mit Namen des Xerxes, das erstmals 466 v. Chr. vorkommt und Artasyras gehörte. Abb. 191 Zwei spielende Stierkälber, Skarabäoid, blaugrauer Chalcedon, 3.12 cm, 4. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 193; AGD II 1969 Nr. 201; Nikulina 1994 Abb. 192; Boardman, GGFR 317f., 354, 452 Nr. 194 Taf. 913 (The mixed style. The Group of the leaping lions). Vgl. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 19 Kat. 28 Abb. 25. Abb. 192 Dreieckiger Quader, eine Ecke fehlt, Karneol, 1.86 cm, 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr., München aus der Nähe von Antiochia. a) Ebergruppe b) Steinbock c) Fuchs d) Hund AGD I 1968 Nr. 250; Boardman, GGFR 451 Nr. 114 (The mixed style. The Arndt group). Abb. 193 Frischling und Fuchs, Skarabäoid, hell grauer Chalcedon, 2.4 cm, 4. Jh. v. Chr., Slg. Müller, Bonn. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 19 Kat. 27 Abb. 24. Zum Stil vgl. Abb. 192.

ABBILDUNGEN 186–202

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Abb. 194 Sitzender Hund, Chalcedon, Skarabäoid, 2.35 cm, Ende 5. / Anfang 4. Jh. v. Chr., Bonn, Slg. Müller. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 19 Kat. 26 Abb. 23. Vgl. Boardman, GGFR Taf. 931 (The mixed style. The Wyndham Cook Group). Abb. 195 Singdrossel, hell bläulicher Chalcedon, Skarabäoid, 2.13 cm, Ende 5. Jh. v. Chr., Bonn, Slg. Müller. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 19 Kat. 29 Abb. 26. Zum Stil, Motiv verwandt: Boardman, GGFR Taf.902; Boardman, IR 1975, Nr. 96 (Rebhühner, The Mixed Style. The Pendants Group). Abb. 196 Ein Hirsch bricht unter dem Biß eines Jagdhundes zusammen, Skarabäoid, blauer Chalcedon, 2.83 cm, letztes Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Athen, Berlin. FG 307; AGD II 1969 Nr. 198; Nikulina 1994 Abb, 163; Boardman, GGFR 452 Nr. 155 Taf. 895 (The mixed style. The Pendants Group). Abb. 197 Ein Reiter zu Pferd jagt einen Eber, Skarabäoid, gelblicher Chalcedon, 2.94 cm, Ende 5. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 182; AGD II 1969 Nr. 187; Boardman, GGFR 451 Nr. 132 (The mixed style. The pendants group); Invernizzi 1995, 43, 45 Abb. 9. Vgl. E. Akurgal, Die Kunst Anatoliens (1961) 172 Abb. 119 (Grabstele von Daskyleion); J. K. Anderson, Hunting in the Ancient World (1985) 4 The Royal Hunt 57–82, 67f. Abb. 25b; H. von Gall, Das Reiterkampfbild in der iranischen und iranisch beeinflußten Kunst parthischer und sasanidischer Zeit. Teheraner Forschungen VI (1990) 81–87 (zu den Galopp-Schemata); D. Kaptan, Hunting scenes on the sealings of Daskyleion, in: Archives et sceaux 1996, 89 Taf. 26,2 (zum fliegenden Galopp), 89f. Taf. 26, 3.4 (Bärenjagd, das Pferd im gleichen Typus), 92f. (Quellen). Abb. 198 Bärenjagd, Dekaeder, bräunlicher Chalcedon 2.17 cm, 4. Jh. v. Chr., Slg.Müller, Bonn. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 19 Kat. 24 Abb. 22. Vgl. D. Kaptan, Hunting scenes on the sealings of Daskyleion, in: Archives et sceaux 1996, 91f. Taf. 26, 6.7. Abb. 199 Ende einer Fuchsjagd, Skarabäoid, Chalcedon, elfenbeinfarben verfärbt, 3.04 cm, aus Ithome (Messenien). Berlin. FG 183; AGD II 1969 Nr. 186; Richter, EG I 1968 Nr. 500; Boardman, GGFR 452 Nr. 143 Taf. 890 (The mixed style. The Pendants group); Boardman, Persia 2000, 172 Abb. 5.40. Abb. 200 Pygmäe auf der Vogeljagd, Skarabäoid, grauer Chalcedon, 2.83, Bild 2.68 cm, Ende 5. Jh. v. Chr., Slg. Müller, Bonn. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 19 Kat. 25 Farb-Abb. 3. Wohl Cambridge Gruppe vgl. Boardman, GGFR Taf. 924–930. Abb. 201 Kampf zwischen persischem Reiter und griechischem Hopliten, Skarabäoid mit Goldbügel, Chalcedon, 2.6 cm, Ende 5. Jh. v. Chr., St. Petersburg, Maximowa, AA 1928, 649f. Nr. 7 Abb. 2; Nikulina 1994 Abb. 513; Boardman, GGFR 451 Nr. 122 (Mixed style. The Bolsena group). Abb. 202 Kampf zwischen persischem Reiter und griechischen Hopliten, Konus, geäderter Marmor, 2.0 cm, Ende 5. Jh. v. Chr., ehemals Basel, Kunsthandel. Abguß.

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VIII. GRAECO-PERSISCHE GEMMEN

AGD II 1969 zu Nr. 189; Boardman, GGFR 353, 451 Nr. 123 Taf. 883 (The mixed style. The Bolsena Group) Abb. 203 Ein persischer Reiter verfolgt fliehende skythische Reiter, Skarabäoid, blauer Chalcedon, 3.0 cm, Ende 5. Jh. v. Chr., aus Kleinasien. St. Petersburg. Abguß. Maximowa 1928,649f. Nr. 6 Abb. 3; Nikulina 1994 Abb. 512; Boardman, GGFR 314, 353, 451 Nr. 121 Taf. 882 (The mixed style. The Bolsena group). Abb. 204 Der Perserkönig ersticht einen griechischen Hopliten, Skarabäoid, Bandachat, 1.6 cm, 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr., aus Apollonia am Salbakos (Karien), verschollen, ehemals München aus Slg. Arndt, Abguß. F. v. Duhn, Symbolae de Petra 25 Abb. 1 Taf. I 1, 45 Abb. 5; Boardman, GGFR 310, 450 Nr. 47 Taf. 849 (Greek style). Abb. 205 Griechen im Zweikampf, Tonabdruck wohl von einem Skarabäoid, Ende 5. Jh. v. Chr., aus Daskyleion. Istanbul. Akurgal, Anatolia 1, 1956, 23 Taf. 12 oben re.; Boardman, GGFR 450 Nr. 55 (Greek style). Abb. 206 Vierseitiger Quader, unten fehlt ein Stück, mit Goldbügel, Karneol, 2.1 cm, Ende 5./ Anfang 4. Jh. v. Chr., aus Gorgippia. St Petersburg. a) Man mit Hund b) Perser c) nackte Frau d) Hahnenkampf Richter, EG I 1968 Nr. 505; Nikulina 1994 Abb. 291; Boardman, GGFR 310, 352, 450 Nr. 67 Taf. 861 (Greek style); Neverov, Intaglios 1976 Nr. 44. Abb. 207 Perser in hoher Tiara auf einen Krummstab gestützt, Skarabäoid, Karneol, graubraun verbrannt und krakeliert, 2.23 cm, 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr., aus Athen. Berlin. FG 186. AGD II 1969 Nr. 190 (Material: Karneol nicht Chalcedon, Korrektur von G. Platz-Horster, brieflich); Nikulina 1994 Abb. 521; Boardman, GGFR 452 Nr. 176 (The mixed style. The pendants group). Abb. 208 Schreitende Frau mit Schale, Löffelchen und Alabastron, Skarabäoid, bläulicher Chalcedon, 2.80 cm, aus Megalopolis. Berlin. FG 181; AGD II 1969 Nr. 191; Boardman, GGFR 352, 450 Nr. 60 Taf. 854 (Greek style); Nikulina 1994 Abb. 531; Invernizzi 1995, 46 Abb 14; Knauß 1999, 175f. Abb. 11. Deutung als Zufügung von Aromastoffen zum Wein: Zwierlein-Diehl, Gnomon 52, 1980, 485 Anm. 14, mit Hinweis auf die Schale des Kodros-Malers, London, Simon, GdG 231 Abb. 257, auf der Poseidon mit Schale auf einer Kline liegt, die vor ihm sitzende Amphitrite ein Löffelchen in ein Alabastron taucht; s. auch das Totenmahlrelief aus Thasos in Istanbul, J-M. Dentzer, Le motif du banquet couché... (1982) 257 Kat. R. 316 Taf. 93 Abb. 565. Deutung als Vorkosten: G. Platz-Horster, Die Silberfunde von Panderma in der Antikensammlung Berlin, in: Th. Ganschow – M. Steinhart, Otium – Festschrift für Volker Michael Strocka (2005) 295–303, 302 Abb. 13; mit Hinweis auf ein Wandgemälde in Karaburun, M. J. Mellink, AJA 76, 1972, 263–269, 265f. Taf. 58, Abb. 15-16 u. 77, 1973, 297f. Taf. 44 Abb. 6. Abb. 209 Eine Frau mit Schale, Schöpflöffel und Alabastron vor einem sitzenden Perser, zwischen beiden eine später zugefügte kufische Inschrift (Korantext), Skarabäoid, graublauer Chalcedon, 2.4 cm, Ende 5. Jh. v. Chr., Oxford. Richter, EG I 1968 Nr. 510; Boardman, GGFR 313f., 353, 451 Nr. 110 Taf. 880 (The mixed style. The

ABBILDUNGEN 203–218

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Arndt group); Boardman – Vollenweider 1978 Nr.178. Zum griechisch so genannten kándys: E. R. Knauer, Ex oriente vestimenta. Trachtgeschichtliche Beobachtungen zu Ärmelmantel und Ärmeljacke, in: H. Temporini – W. Haase (Hrsg.), ANRW II (1985) 578 – 741 (607 – 613). Abb. 210 Eine Frau mit Kanne und Schale vor einem sitzenden Perser, phönizische Inschrift „(Siegel) der Akhotmelek, Frau des Josua“, Skarabäoid, hellgrau-elfenbeinfarbener Bandachat, 1.9 cm, 6./5. Jh. v. Chr., Wien. Abguß. E. Bleibtreu, in: AGWien III 1991 Nr. 2880. Abb. 211 Der Löwenbesieger Herakles erhält Wasser von der Nymphe Nemea, Skarabäoid, blauer Chalcedon, 3.5 cm, Mitte bis 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr., aus dem Punjab. London. Walters 1926 Nr. 524 Taf. 9; E. Diehl, Die Hydria (1964) 202; Boardman 1969, 595f. Abb. 35; Boardman, GGFR 310f., 352, 450 Nr. 62 Taf. 856 (der gleichen Hand zugewiesen Taf. 855); Boardman, Persia 2000, 171, 173 Abb. 5.43. Abb. 212 Jagd auf Steinböcke, Skarabäoid, Bergkristall, 2.23 cm, spätes 4. Jh. v. Chr., Berlin. FG 184; AGD II 1969 Nr. 188; Boardman, GGFR 455 Nr. 351 (The Bern group). Abb. 213 Persischer Reiter im Kampf mit einem griechischen Hopliten, Dekaeder mit tafelförmiger Basis, bläulicher Chalcedon, 2.39 cm, spätes 4. Jh. v. Chr., Berlin. FG 185; AGD II 1969 Nr. 189; Boardman, GGFR 456 Nr. 369 (Related to the Bern group). Abb. 214 Kampf zwischen Reiter und Fußsoldaten, Skarabäod, hellbeiger durchscheinender Chalcedon, 1.7 x 1.6 x 0.8 cm, spätes 4. / frühes 3. Jh. v. Chr., Bonn, Slg. Müller. Vgl. Boardman. GGFR 321 Taf. 974 (The Bern Group). Abb. 215 Stehende Frau mit Blüte, von einem Skarabäoid abgesägt (Bohrkanal erhalten) grauer Chalcedon in Goldring, Bild 2.27 cm, spätes 4. Jh. v. Chr., Slg. Müller, Bonn. a) Bild, b) Ringform. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 19f. Kat. 31 Abb. 28 u. 130g. Bern Gruppe. Abb. 216 Vierzehnseitiger Karneol, 1.05 (Höhe) x 0.94 x 0.69 cm, spätes 4. Jh., der Bern-Gruppe verwandt. Bonn, Slg. Müller. a) Kopf mit Locken, b) Stehender Mann. Nicht abgebildet: c) laufender, umblickender Hirsch, d) stehender Mann im Mantel. Abb. 217 Galoppierender Kentaur, Skarabäoid, graubrauner Chalcedon, 1.92 cm, Bild 1.67 cm, Ende 4. /frühes 3. Jh. v. Chr., aus Afghanistan. Bonn, Slg. Müller. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 19f. Kat. 33 Abb. 30 Abb. 218 Kuh, ihr Kalb säugend, Skarabäoid, Chalcedon, 1.9 cm, 3. Jh. v. Chr. (?),aus Sidon . Oxford. Boardman, GGFR 356, 456 Nr. 394 Taf. 987 (a globolo); Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 205.

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IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN Literatur Boardman, GGFR 359–365, chap. VII Furtwängler, AG III 147–169 Karusu-Papaspyridi, S., Ein Ring aus einem ätolischen Grab, NachrGöttingen 1975 Nr. 3 Megow, W.-R., Zwei frühkaiserzeitliche Kameen mit Diademträgern. Überlegungen zum Kameenschnitt am Übergang vom Hellenismus zur römischen Kaiserzeit, AntK 42, 1999, 82–91 Plantzos, D, Hellenistic Cameos: Problems of Classification and Chronology, BICS 41, 1996, 115–131 Plantzos 1999 Platz-Horster, Artemis Platz-Horster, Capita iugata Platz-Horster, Eros Spier, J., A Group of Ptolemaic Engraved Garnets, JWAG 47, 1989, 21–38 Vollenweider, M. L., in: Boardman – Vollenweider 1978, 66–76 Vollenweider, M. L., Deux portraits inconnus de la dynastie du Pont et les graveurs Nikias, Zoïlos et Apollonios, AntK 23, 1980, 146–153 Zazoff, HdArch 1983, 193–213

Kameen

Die größten Sammlungen antiker Kameen befinden sich in: Florenz (Giuliano – Micheli 1989; Tondo – Vanni 1990); Neapel (Pannuti I 1983, II 1994); Paris (Babelon 1897; Cdm I 1995, II 2003), St. Petersburg (Neverov, Kamei 1988) und Wien (Eichler – Kris 1927, Oberleitner 1985).

Abbildungen Abb. 219 Ptolemaios II. und Arsinoë II., Ptolemäerkameo, indischer Sardonyx, H: 11.5 B: 11.3 cm, ursprüngliche Höhe ca. 15.5 cm, um 278 v. Chr., Wien. J. H. Eckhel, Choix de pierres gravées du Cabinet impérial des antiques (1788) 28f. Taf. X; Furtwängler, AG I Taf. 53,1; Eichler-Kris 1927 Nr. 3 Taf. 1; E. Pfuhl, JdI 45, 1930, 36 (damals irrtümlich, inzwischen zu Recht „Kameo Gonzaga“ genannt); E. Möbius, Alexandria und Rom, AbhBayrAk NF 59, 1964, 17; R. Noll, Neues zu altbekannten Kunstwerken der Wiener Antikensammlung, AnzWien 107, 1970, 62–65; I. Jucker, AntK 18, 1975, 24 Taf. 6,4; Kyrieleis, Ptolemäer 1975, 19 u. 80f.; Oberleitner 1985, 32–35; Megow, AA 1985, 447f., 460f., 475–482 Abb. 9. 10; D. Hertel, in: Festschrift Himmelmann 1989, 417–423 Taf.67,1.2 (Deutung des Stirnbandschmuckes als Delphin). Zwierlein-Diehl, AA 1990, 548 (Ausschluß der Deutung als „Alexander und Olympias“); Oberleitner 1992 (Widerlegung der Datierung in augusteische Zeit, der spiegelbildlichen Ergänzung. Der Stirnbandschmuck ist eine Lotosblüten-Ranke); Plantzos, Hellenistic Cameos, 123–126 (römisch 1. Jh. n. Chr.); Platz-Horster, Capita iugata passim; Sena Chiesa, Arte e Prestigio 2003, 396–398 Abb. 8; Meisterwerke 2005 Nr. 73 (A. Bernhard-Walcher). Zur Rangordnung bei gestaffelten Bildnissen vgl. H. Chantraine, in: H.-Chr. Noeske – H. Schubert (Hrsg.), Die Münze, Festschrift für Maria R. Alföldi (1991) 122 – 146. Zur Geschichte: Brown, Cameo 1997, 88–93; Dreikönigenschrein 50–59 Abb. 25, s. u. XIX A, S. 260. Zur Geburtslegende des Ptolemaios I.: D. Salzmann, Schweizer Münzblätter 30, 1980, 33–39, bes. 36f.

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 219–224

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Stuckabguß mit Ptolemaios I und Berenike I, Alexandria: Daß der Abguß von einem Kameo stammt, begründete Kyrieleis, BJb 171, 1971, 166 Anm. 12 Abb. 3 und Kyrieleis, Ptolemäer 1975, 6f. Taf. 6,3 (Datierung in die Zeit des Ptolemaios II. oder III.); zustimmend: Megow, JdI 100, 1985, 461 Abb. 8; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 547 Anm. 32. Contra: D. Plantzos, BICS 41, 1996, 122f. (nimmt einen Abguß von Silber an, hält die Kopie eines Kameos in Gips für absurd, weil der Abguß nicht in Stein reproduziert werden konnte). Abb. 220 Arsinoë II., Intaglio, Amethyst, 2.3 cm, um oder bald nach 278 v. Chr., Genf, Musée d’art et d’histoire. Vollenweider, Genf II 1976, 42f. Nr. 40; Sena Chiesa, Arte e Prestigio 2003, 399–401 Abb. 15. Zu den dort angeführten Repliken ferner: Glasgemme aus dem Haus des Pinarius Cerialis in Pompei, Pannuti I 1983 Nr. 215. Plantzos 1999, 69f., 119 Nr. 178 u. 180 Taf. 31, Taf. 96, 4.5 hält von den Repliken nur den Amethyst in Oxford (Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 283) und die Glasgemme in Neapel für antik, die übrigen für Kopien des 18. Jahrhunderts. Was den Amethyst in Genf angeht, kann ich ihm nicht folgen: die Königin trägt ein gleichartiges Kopftuch wie bei den Repliken Oxford/Neapel, mit demUnterschied, daß dessen unterer Zipfel hochgebunden ist. Die übrigen Wiederholungen müßten von Fall zu Fall geprüft werden. Abb. 221 Späthellenistisches Herrscherpaar, „Kameo Gonzaga“, vierschichtiger Sardonyx, von oben nach unten: Weiß, braun, milchig weiß, dunkelbraun, H: 15.7 B: 11.8 cm, 1. Hälfte 1. Jh. v. Chr.? St. Petersburg. Enea Vico, Discorsi sopra le medaglie degli antichi (1555) 92; Peiresc, in: Correspondance de Rubens, ed. H. Rosses – Ch. Ruelens II (1898) 419, III (1904) 304; J. H. Eckhel, Choix de pierres gravées du cabinet impérial des antiques (1788) 28f.; E. Q. Visconti, Iconographie grecque (1808) III 571 Taf. 53; C.O. Müller, AdI 12, 1840, 262; J. Arneth, Die antiken Cameen des k. k. Münz- und Antiken-Cabinettes in Wien (1849) 18; C. W. King, Antique Gems and Rings (1872) 289 Taf. 52; J. Six, De Gorgone (1885) 73; Furtwängler, AG I Taf. 53,2, II 251f., III 155; J. Bernoulli, Die erhaltenen Darstellungen Alexanders des Großen (1905) 126 Taf. VIII; M. I. Maximowa, Die Gonzaga - Kamee (1924), russ. (Geschichte, Erhaltungszustand, ältere Literatur, mir erschlossen durch eine Rohübersetzung von M. Rammelmeyer); Eichler – Kris 1927, 10 Anm. 3; M. Bieber, The Portraits of Alexander the Great, ProcAmPhilSoc 93, 1949, 390 Abb. 3; dies. Alexander the Great (1964) 23 Taf. II; H. Möbius, Alexandria und Rom, AbhMünchen 59, 1964, 17; G. M. A. Richter, The Portraits of the Greeks (1965) III 254; dies., Engraved Gems I (1968) Nr. 611; H. Kyrieleis, Der Kameo Gonzaga, BJb 171, 1971, 162–193; AGWien I zu Nr. 525; E. Schwarzenberg, in: Alexandre le Grand. Entretiens sur l’Antiquité Classique 22 (1975) 265f. Abb. 2; H. Jucker, ANRW II 12,2 (1981) 674; Neverov, Cristina 1984; Megow 1987 C 26 Taf. 29; Neverov, Kamei (1988) 34–37 Nr. 1 (Helmut Keipert verdanker ich eine Übersetzung); D. Boschung, Gnomon 1991, 258; Plantzos, Hellenistic Cameos, 123–126; C. Brown, in: Brown 1997, 95–98 Abb. 14; Platz-Horster, Capita iugata passim; H. P. Laubscher, Der „Kameo Gonzaga“ - Rom oder Alexandria?, AM 110, 1995 [1998] 387–424; ZwierleinDiehl, 138. BWPr (1999), 30, 51 Anm. 122, 123; Sena Chiesa, Arte e Prestigio 2003, 397-399 Abb.9. Abb. 222 Gipsabgüsse des Ptolemäerkameos (Abb. 219) und des „Kameos Gonzaga“ (Abb. 221) in Schrägansicht. Bonn, AKM. Abb. 223 Königin, Sard, Intaglio, Bild 1.24 x 0.90 cm, 2. Hälfte 2. Jh. v. Chr., Leipzig? Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 79. Abb. 224 Büste einer Königin mit Ägis als Schleier, Sardonyx, zweischichtig, das Gesicht bestoßen, 2.4 x 1.5 cm, 2.–1. Jh. v. Chr., Bonn, Slg. Müller. Megow 1987, 260ff. 28 Taf. 34, 14-16 (Poppaea?); Zwierlein-Diehl, BWPr (1999), 30 Abb. 38.

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IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Parallelen: Kameo, Florenz, Megow 1987, 261 zu B 28; Giuliano – Micheli 1989 Nr. 229; Tondo – Vanni 1990, 123 Nr.113. Gipsmedaillon aus Begram, Otto Kurz, in: J. Hackin, Nouvelles Recherches archéologiques à Begram (1954) 268 Nr. 123 Abb. 302 (hellenistische Königin); E. A. Voretzsch, RM 64, 1957, 24f. Taf. 5 (Livia); Möbius 1964, 11 Taf. 1, 2 (ptolemäische Königin, Kleopatra VII.?); Megow 1987, 261 zu B 28 (Hera-Isis); M. Menninger, Untersuchungen zu den Gläsern und Gipsabgüssen aus dem Fund von Begram / Afghanistan (1996) 161f. M 13 (Athena mit Ägisschleier). Abb. 225 Büste des Seleukiden Antiochos VII. (138–129 v. Chr.) als Alexander-Herakles, Sardonyx, dreischichtig, braun, weiß, braun, 5,8 x 4,6 cm, Wien. Eichler – Kris 1926 Nr. 27 Taf. 10 (Römischer Kaiser als Hercules. Nero?); Megow 1987 A 105 Taf. 35 (Nero?); Oberleitner 1985, 63 Abb. 45 (vermutlich Kaiser des 3. Jahrhunderts als Herakles); Dreikönigenschrein zu Kat. 22 Abb. 67 (obige Benennung). Zum Porträt: R. Fleischer, Studien zur seleukidischen Kunst I. Herrscherbildnisse (1991) 71 Taf. 42a-c (hochsitzender Knick der Nase, geringer Abstand zwischen Nase und Oberlippe, Doppelkinn). Abb. 226 Büste des Seleukiden Alexander II. Zabinas (128–123/2 v. Chr.) als Alexander-Herakles, Kameo, Glas, Sardonyx nachahmend, schwarz, weiß, schwarz. 3.4 x 2.7 cm. Köln, Dom, Dreikönigenschrein. Dreikönigenschrein Kat. 22. Zum Porträt: Fleischer, a. O. 75 Taf. 43 (lange Nase mit überhängender Spitze, kein Doppelkinn); der Herrscher trägt auf Bronzemünzen aus Antiochia das Löwenfell, a. O. Taf. 43c. Abb. 227 Büste eines seleukidischen Prinzen als Eros-Herakles, Kameo München, Sardonyx, weiß mit braun auf durchscheinend bräunlichen Grund, 2.2 x 2.5 cm, Ende 2.– frühes 1. Jh. v. Chr., München. Furtwängler AG Taf. 64,19; Weber 1992 Nr. 189; Dreikönigenschrein zu Kat. 22 Abb. 68. Abb. 228 Panzerbüste eines hellenistischen Herrschers, Karneolonyx, dreilagig, in Goldring, 2.92 x 2.6 cm, Ende 2.– frühes 1. Jh. v. Chr., aus dem Schatzfund von Petescia, Berlin. FG 11068; A. Greifenhagen, Schmuckarbeiten 1970 I, 79 Taf. 58, 6; 59, 3, Farbtaf. VII 2; Megow 1987, 175 A 36 Taf. 6, 8 (Mithridates VI. von Pontos?); Oberleitner 1992, 332 Anm. 34, 337 Anm. 81. Abb. 229 Porträt des Ptolemaios VI. Philometor (180–145 v. Chr.), Bild 1.54 cm, verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 1. Zum Porträt Ptolemaios des VI.: Kyrieleis, Ptolemäer 1975, 58–62; H. Kyrieleis, 127. BWPr 1980, 17–23. Abb. 230 Büste einer Königin in Vorderansicht vor einer Mondsichel, wahrscheinlich der Kleopatra Selene, Tochter des Antonius und der Kleopatra VII., Sardonyx, zweischichtig, weiß auf braun, 1.8 x 1.7 cm, um 20 v. Chr., St. Petersburg. Furtwängler, AG III 330f.; Neverov, Cameos 1971 Nr. 10; Vollenweider, in: Boardman–Vollenweider zu Nr. 324; Neverov, Kameen 1981 Nr. 17; Vollenweider, Deliciae Leonis 1984 zu Nr. 263; Neverov, Kamei 1988 Nr. 17. Siegelabdrücke von Edfu. Kyrieleis, Ptolemäer 1975, 115 Taf. 100,9. Neben den von Vollenweider behandelten Parallelen wäre ein mir nicht im Original bekannter Kameo mit verschleierter Frauenbüste vor einer Mondsichel in Florenz anzuführen, wenn er doch antik sein sollte: Giuliano – Micheli 1989 Nr. 53 (antiker Ursprung zweifelhaft); Tondo – Vanni 1990, 120 Nr. 91 (17. Jh.) Abb. 231 Tazza Farnese, Sardonyx, DM 20 cm, Neapel, Nationalmuseum. Außenseite.

ABBILDUNGEN 225–235

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Furtwängler, AG I Taf. 54, 55, II 254–256; J. Charbonneaux, MonPiot 50, 1958, 85–103; ders. MEFR 72, 1960, 253 – 272, 271f.; F. L. Bastet, BABesch 37, 1962, 1–24; H. Möbius, Alexandria und Rom AbhAkMünchen N. F. 59 (1964) 31–33; H. Blanck, Eine persische Pinselzeichnung nach der Tazza Farnese, AA 1964, 307 – 312; U. Pannuti, in: Tesoro di Lorenzo (1972) Nr. 43 Taf. I Abb. 39–43; H.-P. Bühler, Antike Gefäße aus Edelsteinen (1973) 41–43 Nr. 13 Taf. 4,5; R. Merkelbach, Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 99, 1973, 116–127; Kyrieleis, Ptolemäer 1975, 116f.; D. Burr Thompson, in: H. Maehler – V. M. Strocka (Hrsg.), Das ptolemäische Ägypten (1978) 113–122; E. La Rocca, L’età d’oro di Cleopatra. Indagine sulla Tazza Farnese (1984); H. Kyrieleis, Gnomon 59, 1987, 532–539 (Rez. La Rocca); H. P. Laubscher, Jb. Mus. f. Kunst und Gewerbe Hamburg 6/7, 1988, 11–40; S.Stucchi, Osservazioni su una phiale reale alessandrina, in: S. Stucchi – M. Bonanno Aravantinos (Hrsg.), Studi Miscellanei 28. Giornate di studio in onore di Achille Adriani, Roma 26. – 27. nov. 1984 (1991) 89 – 112; E. J. Dwyer, AJA 96, 1992, 255–282; J. Pollini, AJA 96, 1992, 283–300.; G. Platz-Horster, Nil und Euthenia. Der Kalzitkameo im Antikenmuseum Berlin, 133. BWPr (1992) passim; U. Pannuti, PACT 23, 1989 [1993] 205–215; E. Simon, Alexandria - Samarkand - Florenz - Rom. Stationen der Tazza Farnese in: H. Altrichter (Hrsg.) Bilder erzählen Geschichte. Rombach Historiae VI (1994) 15–28 = Ausgewählte Schriften (1998) I 238–254; Pannuti II 1994 Nr. 68; B. Brentjes, Die „Tazza Farnese“ und ihre Wege durch Iran, AMI 28, 1995/96, 319–327; D. Plantzos, Ptolemaic Cameos 45–54; H. P. Laubscher, AM 110, 1995 [1998] 398f., 403–405; Plantzos 1999, 102 Taf. 91, 1a.b; Zwierlein-Diehl, 138. BWPr (1999), 22–24, 49 Anm. 84; Meyer, Prunkkameen 2000, 64f., 85f. Abb. 232 Tazza Farnese, Innenseite. Abb. 233 „Coupe de Ptolémée“, Kantharos, Sardonyx mit unregelmäßigen vielfarbigen Lagen (dunkelbraun, rötlich hellbraun, gelblich, milchig weiß, grau), H 12.5 cm, B mit Henkeln 18,4 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Paris, Cdm. Babelon 1897 Nr. 368; Furtwängler, AG III 156f.; E. Simon, Die Portlandvase (1957) 56f. Taf. 26 (vielleicht neronisch); H. Küthmann, Beiträge zur späthellenistischen und frührömischen Toreutik (1959) 41f.; F. Mütherich, in: P. E. Schramm – F. Mütherich, Denkmale der deutschen Könige und Kaiser. Ein Beitrag zur Herrschergeschichte von Karl dem Großen bis Friedrich II. 768–1250 (1962) 133 Nr. 50; Bühler 1973 Nr. 18 Farbtaf. 1; Saint-Denis Nr. 69 I 163f. Nr. 69, II 165–175, III 54–56; Panofsky, Suger 1979, 217f. Abb. 26, 27; Saint-Denis 1991 Nr. 11; Plantzos 1999, 102 (wohl augusteisch). Zur mittelalterlichen Fassung s. u. Abb. 852. a) Priapseite b) Mänadenseite Abb. 234 Rückenbüste des Zeus, Sardonyx, dreilagig, rund DM 6.1 cm, 3. Jh. v. Chr., aus der Sammlung der Fürstin Eudoxia I. Golitzin, St. Petersburg. Furtwängler, AG III 158 Abb. 112; Neverov, Cameos 1971 Nr. 5; Neverov, Kameen 1981 Nr. 5; Neverov, Kamei 1988 Nr. 9 (3. Jh. v. Chr.); Plantzos 1999, IX Taf. 87,8. Abb. 235 Büste der Athena, Granatkameo in Goldrelief als Platte eines goldenen Fingerrings, dreifach getreppte Ringplatte 4.84 x 3.65 cm, der Granat-Kameo ca. 1.37 x 1.25 cm, Ringdurchmesser senkrecht: 3.70 (mit Stein), licht 1.59; Ringdurchmesser quer s. Platte, licht 1.95 cm. Ende 4. / Anfang 3. Jh. v. Chr., aus der Nekropole von Pantikapaion, St. Petersburg. a) Ringplatte, Draufsicht. b) Ringprofil. Furtwängler, AG III 152; Neverov, Kameen 1981 Nr. 2; W.-R. Megow, JdI 100, 1985, 452 Anm. 38;

374

IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

U. Axmann, Hellenistische Schmuckmedaillons. Diss Freiburg (1986) 223 Nr. 34B; Neverov, Kamei 1988 Nr. 11; Zwei Gesichter der Eremitage. Die Skythen und ihr Gold. I (Ausst. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1997) Nr. 64 [Für die Gelegenheit, den Ring zu betrachten danke ich der Ausstellungsleitung]; Zwierlein-Diehl, 138. BWPr (1999), 29. Parallelen: Pendant aus demselben Grab mit nach ihrer Rechten gewendetem Gesicht der Athena: Neverov, Kamei 1988 Nr. 12; Satyrgesicht in Goldfibel: Neverov, Kamei 1988 Nr. 10; Einsatzgesicht (Porträt oder Gorgoneion?) im Vatikan (H: 7.1 cm), Furtwängler, AG III 334; Righetti, MSP 1955, 18 Taf. 8,2; Fremersdorf, Vatikan 1975, 111f. Nr. 996 Taf. 73 a-c; Megow, a. O. 451–453 Abb. 1, 2; Plantzos, Hellenistic Cameos, 121 Taf. 22b. Abb. 236 Eros, den Schmetterling jagend, Sardonyx, vierlagig, 2.7 x 2.5 cm, 3.–2. Jh. v. Chr., aus dem Tumlus auf dem Grundstück Artjukhov (Taman), St. Petersburg. a) Kameo, Draufsicht auf die Ringplatte, b) Schrägansicht des Ringes CR 1880, 16 Nr. 41 Taf. III 9; Furtwängler, AG III 152 Abb. 106; Neverov, Cameos 1971 Nr. 11; W.-R. Megow, JdI 100, 1985, 452 Anm. 40; Neverov, Kamei 1988 Nr. 14; Oberleitner 1992, 336 Anm. 74; D. Plantzos, Hellenistic Cameos 128–130 Abb. 27c (zur Datierung der Münzen). Abb. 237 Köpfchen des Eros mit Efeugirlande in Vorderansicht, Karneol, Hochrelief, 1.56 x 1.22 x 0,41 cm, 2. Hälfte 2.–1. Hälfte 1. Jh. v. Chr. Wien. a) Draufsicht, b) Profil. AGWien III 1991 Nr. 2451. Abb. 238 Eros auf einem Löwen reitend, Sardonyx, weiß auf braun, 2.6 x 2 cm, signiert: ΠΡΩΤΑΡΧΟΣ / ΕΠΟΕΙ, (Protarchos hat es gemacht), 2. Jh. v. Chr., Florenz. Furtwängler, AG Taf. 57, 1; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 23 Taf. 12, 1; Zazoff, HdArch 1983, 207 Anm. 89 Taf. 54,6; Verf., Würzburg I 1986, 25 Nr. 5, Giuliano – Micheli 1989 Nr. 34; Tondo – Vanni 1990, 37, 63 Nr. 34; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 328, 331. Abb. 239 Aphrodite und Eros, Sardonyx, weiß auf braun, 18 x 15 cm, 2. Jh. v. Chr., signiert: ΠΡΩΤΑΡΧΟΣ / ΕΠΟΕΙ, Boston 27.750 Francis Bartlett Donation. Furtwängler, AG III 447f. Abb. 230; Beazley – Boardman, LHG Nr. 128; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 24 Taf. 13, 1; Zazoff, HdArch 1983, 207 Anm. 88 Taf. 54,5; Zwierlein-Diehl, Würzburg I 1986, 96 zu Nr. 142; Zwierlein-Diehl, BWPr (1999), 21 Abb. 23; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 331. Abb. 240 Zeus im Gigantenkampf, Sardonyx, weiß auf dunkelbraun, Signatur: ΑΘΗΝΙΩΝ, 3.5 x 2.9 cm, 2. Jh. v. Chr., einst Slg. Orsini, Farnese. Neapel. Winckelmann, Monumenti inediti Nr. 10; Furtwängler, Künstlerinschriften 207f. Taf. 26, 19; Furtwängler, AG Taf. 57,2; Richter, EG I 1968 Nr. 594; Zazoff, HdArch 1983, 208 Anm. 91 Taf. 54, 8; C. Gasparri (Hrsg.) Le Gemme Farnese (1994) 14 Abb. 3, 26 Abb. 21 (nach Winckelmann), 22, 138 Abb. 217/1, 140 Nr. 55; Pannuti II 1994 Nr. 71. Abb. 241 Hellenistischer Herrscher [und Athena] mit Zweigespann, Glaskameo mit einer weißen zwischen zwei schiefergrauen Schichten, Fragment, knapp zwei Drittel der linken Seite, Signatur: ΑΘΗΝΙΩ[ν, DM 4.1 cm, 2. Jh. v. Chr., Berlin.

ABBILDUNGEN 236–249

375

FG 11142; Furtwängler, Künstlerinschriften 156f. Taf. 25,3; G. Hafner, Der Adlerkameo und die „Auffindung des Telephos“, Aachener Kunstblätter 38, 1969, 213 – 242, 229 Abb. 34. Abb. 242 Rekonstruktionszeichnung des Kameos Abb. 241 nach Furtwängler, JdI 4, 1889, 85 = Furtwängler AG 1900 III 158 Abb. 110. Unter Heranziehung der antiken Abformung des gleichen Kameos in London: Glaskameo, Fragment der oberen Hälfte mit geripptem Rand, dunkelblau, DM 3.9 cm. Furtwängler, Künstlerinschriften 288 – 290 Taf. 25, 3a; Hafner, a. O. 228 Abb. 33. Abb. 243 Philoktet, Kameo, Sardonyx, 2.0 cm, signiert: ΒΟΗΘΟΥ, 2. Jh. v. Chr., Beverley Collection, Alnwick Castle. Furtwängler, Künstlerinschriften 208; Furtwängler, AG Taf. 57,3; Zazoff, HdArch 207f. Anm. 90 Taf. 54,7; Boussac, RA 2, 1988, 329 Abb. 46 (hiernach die Abb.); Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 338. Zwei Abdrücke des Intaglios mit ausruhendem Herakles und Signatur des Boethos: Boussac, a. O. 328 Abb. 45 a-b. Die zweite Signatur ist noch unpubliziert. Abb. 244 Alexander-Herakles, Karneol, Bild 1.55 cm, ca. 333–323 v. Chr., verschollen. Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 59. Abb. 245 Porträt Alexanders des Großen, braune Glasgemme, 2.04 cm, 2. /1. Jh. v. Chr., Gemme, von der die Form genommen wurde 3.Jh. v. Chr.? Slg. v. Stosch. Berlin. FG 1090; Richter, EG I 1968 Nr. 598 (3. Jh. v. Chr.); AGD II 1969 Nr. 227; E. Schwarzenberg, The Portraiture of Alexander, in: Alexandre le Grand. Image et réalité. Vandoeuvres - Genève 1975, 266 Abb. 3 (zugrundliegende Gemme Ende 4. Jh. v. Chr., Glaspaste wohl augusteisch); Zwierlein-Diehl 1985, 3302 Abb. 6; Plantzos 1999, Nr. 144 Taf. 26 (3. Jh. v. Chr.). Abb. 246 Porträt Philipps II. von Makedonien (350–336 v. Chr.), grüner Jaspis oder Karneol, Bild 2.34 cm, Ende 4. Jh. v. Chr., verschollen, Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 58. Abb. 247 Porträt des Philipp V. von Makedonien (221–179 v. Chr.)?, roter Jaspis, 2.23 cm., Slg. Müller, Bonn. Würzburg I 1986 zu Nr. 62 Taf. 14; Plantzos 1999, 62 Nr. 152 Taf. 27; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 21 Kat. 39 Abb. 35. Abb. 248 Porträt des Ptolemaios III. (246–222/1 v. Chr.) in Dreiviertelansicht, Ringstein, Amethyst, 1.83 cm, Berlin. AGD II 1969 Nr. 225 (Ptolemaios III. Euergetes, 246–221 v. Chr.); Zwierlein-Diehl 1988, 3646 Abb. 5 (2. Jh. v. Chr.); Vollenweider, GGA 226, 1997, 224f. (Replik eines Porträts des Ptolemaios I. aus der 2. Hälfte des 2. Jh.s v. Chr.); I. Jucker, AntK 18, 1975, 18 (wahrscheinlich Alexander II. Zebinas); Plantzos 1999, 47 Nr. 23 Taf. 4 (Ptolemäer?). Abb. 249 Porträt der Berenike II. Frau des Ptolemaios III. (246—222/1 v. Chr.), Granat (Almandin), 2.24 cm, Wien. AGWien III 1991 Nr. 2711; zu dem dort angeführten Granat des Sos[is] jetzt: P. A. Pantos, Horos 5, 1987, 155–161; Plantzos 1999, 51 Nr. 44 Taf. 8.

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IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Abb. 250 Porträt der Arsinoe III., Frau des Ptolemaios IV. (222/1–205/4 v. Chr.), Granat in antikem Goldring, Bild 2.12 cm, aus einem Grab auf der Insel Kos, Wien. a) Ringplatte mit Gemme, b) Ringprofil AGWien I 1973 Nr. 32, III 1991, 316; K. Gschwantler – W. Oberleitner, Götter, Heroen, Menschen. Ausst. Wien 1974 Nr. 336; Oberleitner 1985, 12 Abb. 6; Platz-Horster Artemis 23; Spier 1989, 21; Plantzos 1999, 49 Nr. 33 Taf. 6; Meisterwerke 2005 Nr. 81/1 (A. Bernhard-Walcher). Abb. 251 Porträt der Arsinoe III., Frau des Ptolemaios IV. (222/1–205/4 v. Chr.), Karneol, 3.0 cm, St. Petersburg. Nach Glaspaste in Würzburg. Furtwängler, AG Taf. 32, 37 (wohl Berenike II.); Neverov, Intaglios 1976 Nr. 57 (Berenike II.); Würzburg I 1986 Nr. 76 (Arsinoe III.); Zwierlein-Diehl AA 1990, 554; Spier 1989, 21 (Berenike II.); Platz-Horster, Artemis, 23 Anm. 20 (Berenike II.); Plantzos 1999, 48 Nr. 31 Taf. 6 (Berenike II.). Abb. 252 Porträtbüste der Kleopatra I, Frau des Ptolemaios V. (204–180 v. Chr.), Sard, Signatur ΝΙΚΑΝΔΡΟC ΕΠΟΕΙ, erhaltene Höhe 2.84 cm. Baltimore, Walters Art Gallery 42.1339. Nach Glaspaste in Würzburg (mit Abdruck des einst in Gold ergänzten Oberkopfes). Richter, EG I 1968 Nr. 636 (Berenike II.?); Zazoff, HdArch 1983, 206 Anm. 75 Taf. 53,2; Würzburg I 1986 Nr. 77 (Kleopatra I.); Spier 1989, 21 (wie Richter); Plantzos 1999, 48 Nr. 30 Taf. 6 (wie Richter). Vgl. Bildnismünze der Kleoptra I. (mit idealisiertem Profil) und ihres Sohnes Ptolemaios VI.: H. Kyrieleis, 127. BWPr 1980, 17–23 Abb. 8. Abb. 253 Goldoktodrachme von Alexandria mit Porträt der Arsinoë III. aus einem Stempel von der Hand des Nikandros, postum 204 – 202 v. Chr. Glasgow, Hunter Coin Cabinet. H. Kyrieleis, JdI 88, 1973, 239f. Abb. 34 (mit der Vermutung, daß der Stempel mit dem Porträt des Ptolemaios V., 231 Abb. 17 von gleicher Hand stammt wie Abb. 34); Kette und Fibel sind sehr ähnlich auf a. O. 239 Abb. 33, die Mantelfalten jedoch weniger glatt, so daß es sich wohl um eine andere Hand handelt. Kyrieleis, Ptolemäer 1975, 102f. Taf. 88, 2. Die Photovorlage verdanke ich H. Kyrieleis. Abb. 254 Porträtbüste der Kleopatra I., Granat, 2.0 cm, Boston. Nach Glaspaste in Würzburg. Furtwängler, AG Taf. 32, 36; Lippold 1922 Taf. 67,1; Beazley – Boardman, LHG Nr. 96 (alle: Arsinoe II.); Würzburg I 1986 Nr. 78 (Kleopatra I.); Vollenweider, GGA 245, 1993, 49 (Berenike II.); Spier 1989, 23 Nr. 1, 25 Abb. 5, 30 (Arsinoe II. oder Berenike II.?); Plantzos 1999, 49f. Nr. 35 Taf. 7 (Arsinoe II. postum). Abb. 255 Porträt wohl der Kleopatra II. Gemahlin des Ptolemaios VI. (175/4–116/5), Chalcedon mit stark konvexer Bildseite, signiert: ΛΥΚΟΜΗΔΗΣ, am Original linksläufig, 3.3 cm, Boston. Abguß. Beazley – Boardman, LHG Nr. 95; Kyrieleis, Ptolemäer 1975, 117, 120 Taf. 100, 2 (Kleopatra II., mit Widerlegung früherer Datierungs- und Benennungsvorschläge); Plantzos 1999, Nr. 48 Taf. 9. Abb. 256 Porträt wohl des Ptolemaios XII. Auletes (80–58, 55–51 v. Chr.), Karneol, 3.1 cm, Paris, Cdm. Abguß. Richter, EG I 1968 Nr. 657 (Antiochos VIII. Grypos von Syrien); Cdm I 1995 Nr. 185 (Philippos Philadelphos von Syrien); Fleischer, Seleukiden 1991, 113 (kein Seleukide, Ptolemaios XII.?); Plantzos 1999, Nr. 75 Taf. 13 (Antiochos VIII.). Zum Porträt des Ptolemaios XII: Kyrieleis, Ptolemäer 1975, 75–78.

ABBILDUNGEN 250–265

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Abb. 257 Porträt eines Prinzen als Apollo, Rubin, 1.89 cm, 2. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1336, III 1991, 324 Nr. 1336 Taf. 216. Ebenfalls Prinzen: Boussac, Delos I Ap 607, 615, 647? Abb. 258 Porträt des Philetairos von Pergamon (282–263 v. Chr.), gelbbräunlicher mit gelbem Jaspis gesprenkelter Chalcedon, 2.8 cm, London. Abguß. Furtwängler, AG Taf. 33, 10, III 135; Walters 1926 Nr. 1184 Taf. 17; U. Westermark, Das Bildnis des Philetairos von Pergamon (1961) 47–49 Taf. 24, 2; Richter, EG I 1968 Nr. 653; Zwierlein-Diehl 1990, 551; Plantzos 1999, 56f. Nr. 90 Taf. 15. Abb. 259 Porträt des Prusias I. von Bithynien (230–182 v. Chr.), Karneol, Bild 1.72 cm, mit nachantiker Inschrift, verschollen. Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 63. Abb. 260 Porträt des Nabis von Sparta (207–192 v. Chr.), blaugrauer Chalcedon, 2.6 cm, Boston 98.727. Abguß. Furtwängler, AG Taf. 31, 27 (Perseus von Makedonien?); Richter, EG I 1968 Nr. 648 (Nabis nach Jenkins, nicht Perseus von Makedonien); Zwierlein-Diehl 1990, 554 (wohl Nabis); Plantzos 1999, Nr. 92 Taf. 16 (Philipp V. oder Perseus von Makedonien?). Abb. 261 Porträt des Mithradates I. von Parthia (171–138 v. Chr.), Karneol, 1.36 cm, Wien. AGWien I 1973 Nr. 33; Plantzos 1999, 59 Nr. 135 Taf. 23. Abb. 262 Porträt des Mithradates IV. von Pontus (169–150 v. Chr.), Granat, signiert ΝΙΚΙΑΣ, 2.6 cm . Genf Inv.Nr. 22008. Vollenweider, AntK 23, 1980, 146–148; Spier 1989, 29 F; Plantzos 1999, 57 Nr. 91 Taf. 16. Abb. 263 Porträt des Demetrios II. Nikator von Syrien, erste Herrschaft (146/5–140/39), Karneol, Bild 1.91 cm, mit nachantiker Inschrift SCIPI. AF., Paris Cdm. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 64A; Fleischer, Seleukiden 1991, 66f. Taf. 36b. Abb. 264 Porträtbüste des Ariarathes VI. von Kappadokien (ca.130–116 v. Chr.), Olivin, bikonvexer Ringstein, signiert: ΔΗΜΑΣ / ΕΠΟΕΙ, 3.0 x 2.6 cm, Aufbewahrungsort unbekannt. Photos aus dem Nachlaß v. Aulock verdanke ich P. R. Franke, sie geben den Zustand der Gemmen wieder, bevor bei der Fassung als Anhänger die Buchstaben 1–3 und 7 der Inschrift beschädigt wurden. Der Sprung durch die untere Gesichtshälfte und Wange war schon früher vorhanden. a) Abdruck, b) Original München, Münzhandlung Karl Kress 150. Versteigerung, 22. Juni 1970 Nr. 6; H. Seyrig, Syria 49, 1972, 115–117; Münzschätze. Bayerische Vereinsbank 6, 1974 Nr. 476; Plantzos 1999, 57 Nr. 94 Taf. 17; ZwierleinDiehl, Künstlerinschriften 337 Abb. 12–13. Abb. 265 Porträt des Ariarathes IX. von Kappadokien (99?–87 v. Chr.)? als Alexander-Ammon, Chalcedon, Bild 1.55 cm, Anfang 1. Jh. v. Chr., verschollen. Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 70.

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IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

Abb. 266 Porträtbüste des Juba I. von Numidien (ca. 50–46 v. Chr.), Bild 1. 44 cm, verschollen. Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 72. Abb. 267 PorträtderEratovonArmenien,Anfang1.Jh.n.Chr.,Granat,1.40 x0.98cm,ParisCdm.GlaspasteinWürzburg. Furtwängler, AG Taf. 33. 4; Würzburg I 1986 Nr. 80 (H Druckfehler); Plantzos 1999, Nr. 98 Taf. 17, 57. Abb. 268 Porträt eines hellenistischen Herrschers, Karneol, 2.0 cm, 2. Jh. v. Chr., Paris, Cdm, Abguß. Furtwängler, AG Taf. 31, 17 u. 32,4 (wohl Alexander); Chabouillet Nr. 2057; Richter, EG I 1968 Nr. 622; Vollenweider, Cdm I 1995 Nr. 102 (alle: „Ptolemaios VI.“); Platz-Horster, Eros 17 Abb. 21 (1. Hälfte 2. Jh. v. Chr.); Plantzos 1999, Nr. 17 Taf. Taf. 3 („Ptolemaios XII. Auletes“. Die schmale Binde spricht jedoch gegen die Identifizierung mit einem späten Ptolemäer). Münzbildnisse des Ptolemaios VI: Kyrieleis, Ptolemäer Taf. 46, 1 u. 4; H. Kyrieleis, 127. BWPr. (1980) 19 Abb. 9. Abb. 269 Hellenistischer Herrscher als Zeus, Karneol, 3.0 cm, 2. Jh. v. Chr., Besitzerinschrift römischer Zeit: ΝΕΙCΟΥ (1. Jh. n. Chr. oder später), linker Rand, vermutlich zur Begradigung von Bestoßungen beschliffen. St. Petersburg. Furtwängler, AG Taf. 32, 11 (wohl Alexander); Neverov, Intaglios 1976 Nr. 53 (Alexander); Zazoff, HdArch 1983, 201 Anm. 49 Taf. 48,3 (Alexander, 3. Jh. v. Chr.); Platz-Horster, Eros 15f. Abb. 17 (Begründung der Datierung in das 2. Jh. v. Chr.), 18, 22 Anm. 39 (Literatur); Plantzos 1999, 67f. Nr. 164 Taf. 29 (Alexander? Augusteisch?). Abb. 270 Porträt eines Herrschers, Nicolo, 1.30 cm, Ende 2. / Anfang 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 35; Plantzos 1999, Nr. 81 Taf. 13 (Seleukide); jedoch nicht bei Fleischer, Seleukiden 1991. Abb. 271 Porträt eines Herrschers, Karneol, 1.12 cm, Ende 2. /Anfang 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I Nr. 36; Plantzos 1999, 58 Nr. 114 Taf. 21. Abb. 272 Porträt eines unbärtigen Mannes, gelblicher mit gelbem Jaspis gesprenkelter Chalcedon, Skarabäoid, beidseitig geschnitten, 2.54 cm, 3. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. a) Porträt, Abguß b) Porträt, Original c) Konvexe Rückseite: Rundschild mit Gorgoneion, Abguß FG 1009; AGD II 1969 Nr. 224; Boardman, GGFR 415 Nr. 382 (unter: „The latest classical“); Vollenweider, Porträtgemmen 1972/ 1974, 66–69 Taf. 42, 6–7, 43, 1.2 (italisch, Ende des 3. oder Anfang des 2. Jhs. v. Chr.); Plantzos 1999, 93 Nr. 614 Taf. 73, Nr. 657 Taf. 81 (mit Datierung in das 1. Jh. v. Chr., der jedoch die Skarabäoidform widerspricht). Gesprenkelter Chalcedon in Paris, Cdm: Vollenweider, Porträtgemmen 1972/ 1974, Taf. 42, 1.2, 43,3; Platz-Horster, Eros 9 (gehört zu den spätesten Skarabäoiden, 1. Hälfte 3. Jh. v. Chr.); Plantzos 1999, 93 Nr. 613 Taf. 73. Abb. 273 Porträt eines jungen Mannes, Granat in antikem Goldring, Bild 2.8 cm, signiert ΑΠΟΛΛΩΝΙ[ος oder -ου], (Apollonios I), Ende 3. / Anfang 2. Jh. v. Chr., Baltimore 57.1698. Abguß. Furtwängler, AG Taf. 63, 36; D. Kent Hill, JWAG 6, 1943, 61–64 Abb. 2 a, b, 3; Richter, EG I 1968

ABBILDUNGEN 266–281

379

Nr. 677; Vollenweider, AntK 23, 1980, 152 Taf. 40,3; Spier 1989, 29 A, 34f. Abb. 51; Plantzos 1999, 58 Nr. 101 Taf. 18. Porträt des Antiochos III. von Syrien mit Signatur des Apollonios: Granat, Athen, Num. Mus., Vollenweider, AntK 23, 1980, 152 Taf. 40, 2; Fleischer, Seleukiden 1991, 37 Taf. 19 a-c; Plantzos 1999, Nr. 71 Taf. 12. Abb. 274 Büste eines bärtigen Mannes mit konischer Kopfbedeckung, Granat, 2.7 cm, Ende 3. / Anfang 2. Jh. v. Chr., Boston 27.710. Abguß. Furtwängler, AG Taf. 31, 24 (3. Jh. v. Chr.); Beazley – Boardman, LHG Nr. 97 (3. Jh. v. Chr.); Richter, EG I 1968 Nr. 665; Boardman, GGFR 360 Taf. 1000; Spier 1989, 29 E, 35 (2.–1. Jh. v. Chr.); Plantzos 1999, 60 Nr. 137 Taf. 24 (2. Jh. v. Chr.?). Zur Büstenform: Zwierlein-Diehl 1990, 556. Abb. 275 Porträt eines Mannes in Persermütze, Sard, 2.0 cm, 2. Jh. v. Chr.?, Boston 27.716. Abguß. Furtwängler, AG Taf. 31, 23; Beazley – Boardman, LHG Nr. 98; Richter, EG I 1968 Nr. 662; Plantzos 1999, 60 Nr. 139 Taf. 25. Abb. 276 Eros mit Blitz und Ägis, Chalcedon, Skarabäoid, 2.62 cm., 3. Viertel 4. Jh. v. Chr., München, Glyptothek. Abguß. G. Platz-Horster, Eros mit den Waffen des Zeus, Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 46, 1995, 7–24. Goldstater: Hirmer, GM Nr. 568 Taf. XVIII. Abb. 277 Die Dioskuren, Granat (Hessonit), Breitseiten eines durchbohrten Quaders, 2. 69 cm, 3. Jh. v. Chr., Wien. a) Seite a: Polydeukes b) Seite b: Castor AGWien I 1973 Nr. 26, III 1991, 316; LIMC III Dioskouroi 89*; Zazoff, HdArch 1983, 201 Anm. 47 Taf. 47,2; Platz-Horster, Eros 16 Abb. 18–19. Abb. 278 Choreut eines Satyrspiels, Ringstein, Chalcedon, 2.05 cm, letztes Drittel 3. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 350; AGD II 1969 Nr. 223; Zwierlein-Diehl 1988, 3646, 3650 Abb. 25, 3651 Abb. 29; Zazoff, HdArch 1983, 203 Anm. 63 Taf. 51,4. Abb. 279 Achill, seine Waffen betrachtend, Sardonyx, stark konvex, 3.26 cm, in antikem Goldring, 3. Jh. v. Chr., Berlin. AGD II 1969 Nr. 222 („Theseus“. Da es sich um eine Panhoplie handelt, ist es vielmehr Achill); Greifenhagen, Schmuckarbeiten II 75 Taf. 57, 5-6; Platz-Horster, Artemis 12 Abb. 6 (Ringprofil). Abb. 280 Herakles, Leier spielend, Amethyst, 2.1 cm, 2./1. Jh. v. Chr., Pseudo-Signatur: CΚΥΛΑΚΟC, Tarragona, Museu Nacional Arqueològic. R. M. Ricomà i Vallhonrat, Les gemmes del Museu Nacional Arqueològic de Tarragona (1982) Nr. 10; G. Platz-Horster, BJb 201, 2001, 57 Abb. 4, 63f. Abb. 281 Athena, ihren Helm betrachtend, Ringstein, hellgrünes Glas, 2.42 cm, Ende 4. Jh. v. Chr., Berlin. FG 1067; AGD II 1969 Nr. 219; Zazoff, HdArch 1983, 206 Anm. 46 Taf. 47,1; Zwierlein-Diehl 1985,

380

IX. HELLENISTISCHE GRIECHISCHE GEMMEN

3302 Abb. 2; Plantzos 1999, 84 Nr. 379 Taf. 57 (2. Jh. v. Chr.). Zu den Proportionen vgl. M. Meyer, Die griechischen Urkundenreliefs. AM 13. Beiheft (1989) A 131 Taf. 440, A 136, 137 Taf. 41 (um 320 v. Chr.); N. Eschbach, Statuen auf panathenäischen Amphoren des 4. Jhs. v. Chr. (1986) 109f., 125f. Kat. 63 Taf. 28, 1 (336/5 v. Chr.), 143 Kat. 71 Taf. 35, 1.2 (328/7 v. Chr.) und 131 Taf. 32, 4 (Nike auf Goldstateren Alexanders d. Gr.). Abb. 282 Athena, ihren Helm betrachtend, unteres Drittel in Gold ergänzt, Sard, 1.7 cm (ursprünglich ca. 2.5 cm), Ende 4. / frühes 3. Jh. v. Chr., im 18. Jh. zugefügte Inschrift: ΟΝΕCΑC ΕΠΟ, London. Nach Abguß, Cades, Incisori 104, Bonn, AKM. Furtwängler, Künstlerinschriften 206; Furtwängler, AG Taf. 34, 43; Walters 1926 Nr. 1143; Richter, EG I 1968 Nr. 553; LIMC II Athena 199; Zazoff, HdArch 1983, 206 Anm. 79 Taf. 53, 5; Plantzos 1999, 84 Nr. 378 Taf. 57; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 327 Abb. 10. Zur Kombination von korinthischem Helm und Persermütze: E. R. Knauer, in: E. Böhr – W. Martini (Hrsg.), Studien zur Mythologie und Vasenmalerei. Festschrift K. Schauenburg (1986) 121–126; E. R. Knauer, in: E. Savostina – E. Simon (Hrsg.), Taman Relief (1999) 148–151 Abb. 6. Abb. 283 Muse, ihre Leier stimmend, antike gelbe Glasgemme, 2.5 cm, signiert: ΟΝΕCΑC ΕΠΟΕΙ, 3. Jh. v. Chr., Florenz. Nach Abguß, Cades, Incisori 103; Bonn, AKM. Furtwängler, Künstlerinschriften 204f.; Furtwängler, AG Taf. 35, 23; Richter, EG I 1968 Nr. 544; Zazoff, HdArch 1983, 206 Anm. 80 Taf. 53, 6; Würzburg I 1986, 24 Nr. 2, 28; Plantzos 1999, 84 Nr. 376 Taf. 57 (2. Jh. v. Chr.). Büste des Herakles, Karneol, signiert ΟΝΕCΑC, Florenz: Richter, EG I 1968 Nr. 602; Tondo – Vanni 1990 Nr. 129; Plantzos 1999, 84 Nr. 377 Taf. 57 (2. Jh. v. Chr.).; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 327. Aus der Slg. Peiresc (1580–1637), s. D. Jaffé, Burlington Magazine 135, Febr. 1993, 111f. Münzen des Ptolemaios: Kyrieleis, Ptolemäer 1975, 4f. Taf. 1, 1. Abb. 284 Aphrodite mit Schild und Lanze, Granat, 3.1 cm, signiert ΓΕΛΩΝ ΕΠΟΕΙ, in antikem Goldring, 3. Viertel 3. Jh. v. Chr., aus dem „Erotengrab“ in Eretria. Boston 21.1213. Beazley – Boardman, LHG Nr. 102; Richter, EG I 1968 Nr. 552; Platz-Horster, Artemis 17–19 Abb. 13 a, b; Plantzos 1999, 68 Nr. 165 Taf. 29. Zur Datierung des Grabes. E. Formogli – W.-D. Heilmeyer, Tarentiner Goldschmuck. 130./131. BWPr (1990) 8f.; Platz-Horster Artemis 17. Abb. 285 Isis-Tyche, Granat (Almandin), H mit Fassung 2.0 cm, Ende 3. Jh. v. Chr., in moderner Ringfassung von Elisabeth Treskow, Abguß in Gold im Boden der Fassung. Köln, Kunstgewerbemuseum. Chadour – Joppien 1985 II Nr. 34. Zum kalligraphischen Stil: Maaskant-Kleibrink, in: PACT 23 1989 [1993] 196–202. Zum Motiv: Siegelabdruck aus Delos, M.-F. Boussac, RA 2, 1988, 331 Abb. 53, 333. Abb. 286 Ptolemäische Königin als Tyche, Karneol, 3.9 cm, 1. Hälfte 2. Jh. v. Chr., Paris Cdm. Abguß. Chabouillet Nr. 1724; Richter, EG I 1968 Nr. 545; Zazoff, HdArch 1983, 203 Anm. 57 Taf. 50, 2; PlatzHorster, Artemis 16f.; Vollenweider Cdm I 1995 Nr. 136; Plantzos 1999, 78 Nr. 297 Taf. 47; D. Berges, AntK 38, 1995, 98 Taf. 27, 1 (dort 95–99 zum Doppelfüllhorn, hierzu auch: D. Burr Thompson, Ptolemaic Oinochoai and Portraits in Faience (1973) 32f.); Böhm 1997, 46 Taf. 19, 3. Abb. 287 Ariadne, Karneol, konvexe Bildseite, 3.5 cm, 1. Hälfte 2. Jh. v. Chr., aus Tartus, dem antiken Antarados. Oxford.

ABBILDUNGEN 282–296

381

Richter, EG I 1968 Nr. 550; Boardman, GGFR Taf. 1002; Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 376; Zwierlein-Diehl, Gnomon 52, 1980, 487; Zazoff, HdArch 1983, 203 Anm. 57 Taf. 50, 1; Platz-Horster, Artemis 15f., 17 Abb. 12 (zur ganzen Gruppe); Plantzos 1999, 76f. Nr. 276 Taf. 45. Abb. 288 Muse, Karneol, leicht konvex, 2.04 cm, 2. Jh. v. Chr., Wien. Abguß AGWien I 1973 Nr. 29; Plantzos 1999, 78 Nr. 312 Taf. 49. Abb. 289 Büste des Apollo, Sardonyx, 3.80 cm, 1. Hälfte 2. Jh. v. Chr., Florenz. Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 46; Tondo – Vanni 1990 Intagli Nr. 109. Abb. 290 Büste des Okeanos, Fragment, Hinterkopf und Büste fehlen ab einem annähernd senkrechten Bruch vor dem Ohr, Achat, 3.5 cm, spätes 2. Jh. v. Chr., Neapel. Glaspaste in Würzburg (Hinterkopf in ergänztem Zustand). Würzburg I 1986 Nr. 47; Pannuti II 1994 Nr. 81; Gemme Farnese 1994, 15 Abb. 5, 144 Nr. 224; Plantzos 1999, 90 Nr. 522 Taf. 68. Abb. 291 Büste eines jungen Flußgottes, Chalcedon, Bild 2.77 cm, spätes 2. Jh. v. Chr., verschollen. Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 48; Plantzos 1999, Nr. 519 Taf. 68 (Glaspaste Würzburg); Platz-Horster, BJb 189, 1989, 637 (Hinweis auf M.-F. Boussac – P. Starakis, BCH 107, 1983, 475 Nr. 46 Abb. 45). Abb. 292 Kopf des Herakles mit Pinienkranz, Intaglio, Bild 1.90 cm, 2. Jh. v. Chr., verschollen. Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 56. Abb. 293 Büste des Zeus-Ammon in Dreiviertelansicht, Karneol, Bild 2.0 cm, (frühes?) 2. Jh. v. Chr., Florenz. Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 44. Abb. 294 Büste des Sarapis, fast frontal, Karneol, 2.18 cm, letztes Viertel 3. Jh. v. Chr., alte Kurbrandenburgische Slg., Berlin. FG 1105; AGD II 1969 Nr. 213; W. Hornbostel, Sarapis (1973) 162 Taf. 46, 89; Plantzos 1999, 71f. Nr. 181 Taf. 31, bemerkt, unter Hinweis auf O. Mørkholm, Early Hellenistic Coinage (1991) 109 Abb. 317, daß die von mir verglichenen Münzen nicht, wie damals angenommen, von Ptolemaios VI. sondern von Ptolemaios IV. Philopator (222/1–205/4 v. Chr. ) herausgegeben wurden und spricht sich für einen Beginn des Typus bald nach der Aufstellung der Statue aus. Zu den Münzen auch: Hornbostel, a. O. 141f. Abb.68. Abb. 295 Büste der Isis, Karneol, 1.66 cm, 1. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 204. Abb. 296 Hundekopf in Vorderansicht (Sirius), Granat, stark konvex, 2.3 cm, signiert ΓΑΙΟC ΕΠΟΙΕΙ, spätes 2. / frühes 1. Jh. v. Chr., ehemals in den Sammlungen Chesterfield, Bessborough, Marlborough, Boston 27.734. Abguß.

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X. GEMMENSCHNEIDER ALS MÜNZSTEMPELSCHNEIDER

Natter, Traité 1754, 27f. Taf. 16; Beazley – Boardman, LHG Nr. 114; Richter, EG I 1968 Nr. 655; Zazoff, HdArch 1983, 320 Anm. 94 Taf. 94, 3; Würzburg I 1986 Nr. 147; Plantzos 1999, 99 Nr. 709 Taf. 85 („It is signed by a Roman, Gaius, in Greek“). Zu römischen Namen im hellenistischen Osten: H. Solin bei Zwierlein-Diehl, AA 1990, 540f. Anm. 5 und 6; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 338f. Gaios-Signatur auf Siegelabdrücken in Delos: M.-F. Boussac, RA 2, 1988, 329–331 Abb. 47 a, b; M.-F. Boussac, CRAI 1993, 691; Boussac, Delos I 1992 Ap 369 (auch zum Namen).

X. GEMMENSCHNEIDER ALS MÜNZSTEMPELSCHNEIDER Literatur Berges 1997, 47–48 Boardman, GGFR 158, 422; 197, 200 Taf. 480 (Sosias); 200f. Taf. 528 (Herakles im Löwenkampf ) Evans, A., Syracusan Medaillons (1892) 117 Taf. 5,5 (Herakles im Löwenkampf ), vgl. Hirmer, GM Taf. VII Gerin, D., Les statères de la ligue arcadienne, SchwNumRu 65, 1986, 13–31 (ΧΑΡΙ, ΟΛΥΜ, ΟΛΥ. Hinweis Chr. Boehringer). Hill, G. F., Ancient Methods of Coining, NumChron 1922, 1–42, bes. 17–19 Moesta, H. – Franke, P. R., Antike Metallurgie und Münzprägung. Ein Beitrag zur Technikgeschichte (Basel 1995) 27, 94 Pantos, P., Horos 5, 1987, 155–161 (Sos[is]) Plantzos 1999, 54, 57, 63 – 65 Richter, G. M. A. AJA 61, 1957, 263f. (Sosias) Scherer, Chr., bei Furtwängler, Künstlerinschriften 164f. (Olympios = ΟΛΥΜ, ΟΛΥ auf Stateren des arkadischen Bundes) Vanni, F. M., Alcune riproduzioni di rovesci monetari in Gemmen, in: PACT 23, 1989 [1993] 301–312 Vollenweider, M.-L., Deux portraits inconnus de la dynastie du Pont et les graveurs Nikias, Zoïlos et Apollonios, AntK 1980, 146–153 Zwierlein-Diehl, E., Phrygillos, AntK 35, 1992, 106-117 Zwierlein-Diehl, E., Künstlerlexikon der Antike s. v. Phrygillos.

Abbildungen Abb. 297 Eros, Skarabäoid?, Karneol, Signatur: ΦΡΥΓΙΛΛΟΣ, Bild 1.92 cm, letztes Viertel 5. Jh. v. Chr., verschollen. Abguß der Glaspaste Stosch, Daktyliothek Reinhardt – Stosch cl. 2,731. Zwierlein-Diehl, Phrygillos, 106–110, 115f. Taf. 22,1.2. Von gleicher Hand: Theseus und die Sau von Krommyon, Skarabäoid, Karneol, 2.5 cm, letztes Viertel 5. Jh. v. Chr., Boston, Boardman, GGFR Taf. 539; Zwierlein-Diehl, Phrygillos, 108 Taf. 22,3.

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 297–308

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Abb. 298 Herakles mit dem Dreifuß, Skarabäoid, Chalcedon, Signatur: ΦΡΥΓΙΛΛΟΣ, Bild: 2.18 cm, letztes Viertel 5. Jh. v. Chr., Privatbesitz, Abguß. G. Dembski, NumZ 95, 1981, 5–9 Taf. 1; Zwierlein-Diehl, Phrygillos, 108–110, 116 Taf. 22, 4–8. Abb. 299 Kopf der Arethusa, unter dem Halsabschnitt Signatur: ΦΡΥΓΙΛΛΟΣ, Tetradrachme von Syrakus, Rückseite, um 413 v. Chr., Berlin, Staatliches Münzkabinett. Hirmer, GM Taf. 37, 107R. Zu dieser und den folgenden Münzen: Zwierlein-Diehl, Phrygillos, 110–112 Taf. 23. Abb. 300 Kopf der Athena mit Olivenkranz am Helm, Φ über dem Stirnteil des Helms, Stater von Thurioi, Vorderseite, ca. 430/415 v. Chr., London, British Museum, BMC Italy, Thurium 3, 1.5:1 vergrößert. Abb. 301 Stoßender Stier, unter ihm ΦΡΥ, Rückseite von Abb. 300, 1.5:1, vergrößert. Abb. 302 Kopf der Athena mit Olivenkranz am Helm, Φ über dem Stirnteil des Helms, Stater von Thurioi, Vorderseite, ca. 430/415 v. Chr., London, British Museum, BMC Italy, Thurium 14, 1.5:1 vergrößert. Abb. 303 Stier, Φ auf der Kruppe, unter ihm Vogel, Rückseite von Abb. 302, 1.5:1 vergrößert. Abb. 304 Kopf des Jupiter Ammon, Ringeinlage, Glas, braun auf weiß, Sardonyx nachahmend, 1.17 cm, ca. 44/42 v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 574. Abb. 305 Denar des Q. Cornuficius, Vorderseite, ca. 44/42 v. Chr., London. BMCRepublic Africa 26. Crawford Nr. 509/2 Taf. 61. Der Stempel für Aurei der gleichen Prägung mit demselben Motiv stammt von anderer Hand; Vollenweider, Steinschneidekunst 88 Anm. 6 Taf. 46,6 u. 51,6, weist sie dem Solon zu, was mir wegen des Fehlens einer genau vergleichbaren signierten Gemme unsicher scheint. Abb. 306 Hockende Sphinx, Cistophor des Augustus, 27/26 v. Chr. C. H. V. Sutherland – N. Oclay – K. E. Merrington, The Cistophori of Augustus Nr. 78a Taf. 18; Hirmer, RM Taf. 35, 136R; Dreikönigenschrein 237 Abb. 77. Abb. 307 Liegende Sphinx, Karneol, 1.78 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr. Hannover. AGD IV 1975, Hannover Nr. 1131; Dreikönigenschrein 237 Abb. 76. Replik in Rom, Museo Nazionale, Righetti, MN 1957/59, 219 Abb. 48. Abb. 308 Victoria, Weihrauch spendend, Karneol, 2.9 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr. Köln, Dom, Dreikönigenschrein. Dreikönigenschrein Kat. 107.

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XI. ETRUSKISCHE GEMMEN Literatur Boardman, GGFR 152f. Boardman, IR 1975, 37–45 Boardman in: Boardman – Vollenweider 1978, 48–65 Boardman, AG 1968, 173–177 Furtwängler, AG III 170–272 Giraud, E., Quatre scarabées d’Aleria, RA 1973, 53–58 Guzzo, Napoli 1971 Nr. 2–76 Krauskopf 1995 Kul’tura i iskusstvo Etrurii. Katalog Vystacki (Ermitage Leningrad 1972) Martini 1971 Moret, J.-M., Un groupe de scarabées italiques, Journal des Savants 1995, I 31 – 64 Nardelli, B., Intagli inediti di stile globulare del Museo Archeologico di Venezia, RdA 26, 2002, 38–42 Neverov, O. J., Die Sammlung etruskischer Glyptik in der Ermitage, in: StEtr 49, 1981, 13ff. Taf. 5–10 Platz-Horster, G. – Tietz, H. U., Etruskische Skarabäen-Kolliers, JbBerlMus 36, 1993, 7–45 Richter, EG I 1968, 173–213 Spier, J, From East Greece to Etruria: a Late Sixth-Century BC Gem Workshop, in: Periplous 2000, 330–335 Zazoff, ES 1968 Zazoff, HdArch 1983, 214–259 Zazoff, P., Archaische Werkstätten in Etrurien, in: H. Heres – M. Kunze (Hrsg.), Die Welt der Etrusker. Internationales Kolloquium, 24.–26. Okt. 1988, Berlin, (1990) 287–290

Zu Chronologie und Terminologie Skarabäenfunde aus datiertem Zusammenhang

(Numerierung nach Zazoff, ES 1968. In Klammern die römischen Zahlen der ergänzenden Liste von Guzzo, Napoli 353f., sowie gegebenenfalls die arabische Nummer seines Kataloges, ferner das Datum der Mitfunde, jeweils v. Chr.; R = Rundperlstil): Zazoff, ES 1968 Nr. 19 (ca. 475–450, u.a. ARV 810,21), 21 (3. Viertel 6., 3. Viertel 5. Jh.), 27 (I, 4. u. 3. Jh.), 32 (2. V. 5. Jh., cf. ARV 543,52), 68 („um 480“), 84 (2. H. 5. u. 4. Jh., Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 231), 166 (LIMC V Herakles/Hercle 275*; 2. V. 5. Jh., vgl. Beazley, Paralipomena 430 unten), 279 (XV, Ende 3. Jh., R), 296 (V, Anfang 4. Jh., R), 364 (XIV Nr. 9, 4. Jh., R), 532 (II, 340/ 310– Ende 3. Jh.), 551 (VI, um 300, R), 776 (III, corr. Vignanello t. 13, NSc. 1924, 218 Taf. 8b, 4.–3. Jh.), 856 (X Nr. 25, 4. Jh., R), 966 (VII, 2. H. 5.–4. Jh., R), 1284 (IX Nr. 20, 4. Jh., R), 1496 (XI Nr. 74, 4.–3. Jh., R). Nicht bei Zazoff: Guzzo, Napoli IV (540/30 u. 400/380), VIII (4. Jh., R), XII u. XIII (Ende 4.–- Ende 2. Jh.; R). Für Fundzusammenhänge von Rundperlskarabäen s. auch: Furtwängler, AG III 192f.; Sena Chiesa, Aquileia 1966, 14f.; Zazoff, ES 1968, 130 Anm. 41, 141 Anm. 86, 87, 88, 89; sowie Neverov, StEtr 49, 1981. 23ff. Zu den Skarabäen aus Spina: S. Patitucci Uggeri, StEtr 51, 1983 [1985] 136f. Anm. 192 (Zazoff, ES 1968 Nr. 32, 279, 296). Skarabäen aus Aleria (Korsika): Giraud 1973 (Sirene 475/425, Silen, R ca. 465/425. Vogel, R ca. 320/280).

LITERATURHINWEISE

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Skarabäen

Furtwängler verwendet die Kurzbegriffe „archaischer“, „strenger“, „freier Stil“ für etruskische Skarabäen, die Einwirkungen der jeweils entsprechenden griechischen Stilperiode zeigen. Zazoff folgt Furtwängler, wobei er die zeitliche Dauer der Stilphasen folgendermaßen definiert: Archaischer Stil 530–480, strenger Stil 480–430, freier Stil 430–320, spätetruskischer freier Stil 350–100, „A globolo - Skarabäen“ (d. h. Skarabäen im Rundperlstil) 400–100 v. Chr. Boardman vermeidet die Termini „strenger“ und „freier“ Stil, weil sie in diesem Zusammenhang selten dem entsprechen, was in Beziehung auf die griechische Plastik darunter verstanden wird (in: Boardman – Vollenweider 1978, 48). Zazoff, HdArch 1983, 221 Anm. 27 hält die Findung neuer Stilbezeichnungen anstelle von „streng“ und „frei“ für wünschenswert. Anzumerken wäre, daß zwar der altehrwürdige Begriff „strenger Stil“ für das Frühklassische in der griechischen Kunstgeschichte noch verwendet wird, nicht mehr jedoch „freier Stil“ für das Klassische. Die Verf. folgt Boardman, vgl. Gnomon 52, 1980, 486.

Skarabäen im Rundperlstil

Zazoff, ES 1968, 118ff. faßt den Begriff Rundperl-Stil sehr weit, s. z. B. ES 1968 Nr. 240–243 Taf. 46; s. Zazoff, HdArch 1983, 241ff., 242 Anm. 164. Die Verf. zieht Boardmans, in: Boardman – Vollenweider 1978, 48 gegebene engere Definition vor; d. h. als Skarabäen im Rundperlstil werden nur solche bezeichnet, deren Bilder hauptsächlich mit Vertiefungen des Rundperlzeigers und wenigen geraden Schnitten gebildet sind.

Ringsteine

Martini unterscheidet folgende Phasen: Skarabäenstil ab Anfang 4. Jh., hauptsächlich 2. Hälfte 4. Jh. v. Chr.; Übergangsstil 1. Drittel 3. Jh. v. Chr.; Ringsteinstil 2. Drittel 3. Jh. v. Chr.; älterer gräzisierender Stil letztes Drittel 3.–1. Hälfte 2. Jh. v. Chr.; jüngerer gräzisierender Stil 2. Hälfte 2. Jh. v. Chr.; Ausläufer 1. Jh. v. Chr.; Zazoff, HdArch 1983, 254 betont die Unsicherheit der absoluten Chronologie innerhalb des Gesamtzeitraums.

„Übergangsstil“

Der Begriff „Übergangsstil“ kommt in der deutschen Literatur zur etruskischen Glyptik in drei verschiedenen Bedeutungen vor: 1) Furtwängler verwendet ihn gleichbedeutend mit „strenger Stil“, gemeint ist der Übergang vom Archaischen zum Klassischen (AG III 181). 2) Zazoff bezeichnet mit dem Wort „Übergangsstil“ Skarabäen mit „a globolo - Tendenzen“, d. h. einen „Übergangsstil“ vom „freien“ zum Rundperlstil, den er in die 2. Hälfte des 4. bis in die ersten Jahrzehnte des 3. Jahrhunderts v. Chr. datiert (ES 1968, 88, 94 u. passim; HdArch 233 mit Anm. 97). 3) Martini bestreitet die Existenz eines „Übergangsstiles“ im Sinne Zazoffs, d. h. einer Vorstufe des Rundperlstils (78f. Anm. 227, anders jedoch: 122); er selbst nennt „Übergangsstil“ eine Stilphase zwischen Ringsteinen im „Skarabäenstil“ und solchen im „Ringsteinstil“, die er in das späte 4. bis Mitte 3. Jahrhundert v. Chr. setzt (123f., 127, 134–137 Kat. 33–68; 148–150 Kat. 195–221). Der Terminus wird seiner Mehrdeutigkeit wegen hier nicht verwendet.

Material Soweit nichts anderes angegeben, ist das Material Karneol. Boardman, IR 1975, 39f. und Jewellery Studies 5, 1992, 31 vermutet, daß die Etrusker oder ihre Lieferanten es verstanden, die Farbe des Rohmaterials künstlich zu verbessern; s. u. S. 314.

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XI. ETRUSKISCHE GEMMEN

Gebrauch der Skarabäen Furtwängler, AG III 176 (Siegel und Schmuck), 213 (Rundperlskarabäen ausschließlich Schmuck); Zazoff, ES 1968, 29 (Siegelfunktion anzunehmen, sicher als Schmuck), 43 zu Nr. 44 Taf. 14 (Siegel, Abdruck seitenrichtig), 138f. (keine Siegelabdrücke bekannt); Boardman, IR 1975, 37 (mehr als Schmuck denn als Siegel); Zazoff, HdArch 1983, 245 Anm. 197, 247ff. (Wechselnde Seitenrichtigkeit bei Original und Abdruck, Siegelfunktion nicht nachweisbar, Formen der Bügelfassungen); G. Platz-Horster – Tietz 1993, 7ff., 39 (Die bekannten Skarabäen-Ketten sind Pasticci der 2. Hälfte des 19. Jh.s, enthalten jedoch einzelne Skarabäen in antiken Fassungen als Anhänger oder in Drehbügel-Halterung; Goldfassungen stehen nicht im Widerspruch zur Siegelfunktion). Abdrücke etruskischer Skarabäen aus dem Tempelarchiv von Karthago: Berges 1997 Nr. 461 Taf. 80; Nr. 490 Taf. 21 u. 84; Nr. 573 Taf. 22 u. 93; Nr. 574 Taf. 93 (Rundperlstil); Nr. 592 Taf. 22 u. 95; Nr. 641 Taf. 23 u. 101; Nr. 642 Taf. 23 u. 101; Nr. 657, 658 Taf. 102 (Rundperlstil); Nr. 770 Taf. 115.

Abbildungen Abb. 309 Laufende Gorgo mit Schlangen in den Händen, ostgriechischer Skarabäus in etruskischer Goldfassung mit beweglichem Bügel, 1.3 cm, 1. Hälfte 6. Jh. v. Chr., die Fassung ca. 1. Viertel 5. Jh. v. Chr., London aus Chiusi, einst Slg. Castellani. Walters 1926 Nr. 615 Taf. 11; Marshall, Finger Rings 1907 Nr. 305 Taf. 9 (Datierung des Rings: 6.–5. Jh. v. Chr.); Boardman, AG 1968, 33ff. Nr. 46 Taf. 3; L‘Oro degli Etruschi, a cura di M. Cristofani e M. Martelli (1983) 189 Abb. 191, 300 (Datierung des Rings: 1. Viertel 5. Jh. v. Chr.). Abb. 310 Pseudoskarabäus, heller Sard, 1.3 cm, letztes Drittel 6. Jh. v. Chr., aus Rom. Boston 21.1197. a) Rücken des Pseudoskarabäus: Reliefbild des Dionysos. b) Bildseite, Intaglio: Nereus von Herakles besiegt, mit Athena und Doris. Abguß. Namengebendes Stück des „Master of the Boston Dionysos“ (Boardman). Beazley – Boardman LHG Nr. 35ter („Second half and probably third quarter of the sixth century“[Beazley]); Zazoff, JdI 81, 1966, 63ff. Abb. 4 (3. Viertel 6. Jh.); Zazoff, ES 1968 Nr. 18 Taf. 7; Boardman, AG 1968, 46ff. mit Anm. 13 Nr. 77, 163 Taf. 5 (letztes Viertel 6. Jh.); Boardman, GGFR 153 Taf. 408 (of late sixth-century date); Vollenweider, Porträtgemmen 1ff. Taf. 1,1 (2. Hälfte 6. Jh. v. Chr.); Boardman, IR 1975, 38f., 103 Nr. 1 Abb. 15 (Nr. 121 von gleicher Hand: „About 520–510 BC“); Boardman in: Boardman – Vollenweider 1978 zu Nr. 210 („Late sixth century B. C.“); Zazoff, HdArch 1983, 216f. mit Anm. 9 Nr. 4 Taf.55,3 (letztes Drittel 6. Jh. v. Chr.); Spier 2000, 333 Abb. 4. Abb. 311 Skarabäus, in zwei Teile gesägt, der Rücken in einem Goldring des 18. Jh.s gefaßt, Bildseite 1.62 cm, Rücken 1.66 cm, 500–480 v. Chr., aus Perugia, Slg. Stosch. Berlin. a) Käferrücken, b) Bild: Fünf der „Sieben-gegen-Theben“. FG 194; Furtwängler, AG Taf. 16,27; Zazoff, ES 1968 Nr. 54 Taf. 16; Zwierlein-Diehl, AA 1969, 525ff.; AGD II 1969 Nr. 237 (Literaturverzeichnis); Jeppesen, ActaArch 41, 1970, 167 Abb. 4, 168 Anm. 15 (ohne Kenntnis von AA 1969); Zazoff, AA. 1974, 466ff.; Krauskopf, ThebSag 43 Taf. 20,1; LIMC I (1981) s. v. Amphiaraos Nr. 29 (Krauskopf); Zazoff, SF 58ff., 85ff.; Zazoff, HdArch 1983, 223 Anm. 38 Taf. 57,3; Boardman, Diffusion 1994, 257 Abb. 7.29; Boardman, WAA 2006, 237 Abb. 397. Zur Ringfassung: G. Platz-Horster, JWAG 51, 1993, 11 mit Anm. 3. Skarabäus in Paris mit vier Helden: Zazoff, ES 1968 Nr. 53 Taf. 16. Zum Typus des auf die Lanze (den Stab) Gestützten: Boardman in: Boardman – Vollenweider 1978 zu Nr. 226. Zur Gesandschaft an Achill: K. Friis Johansen, The Iliad in early Greek Art (1967) 167 Abb. 63 (Krater des Eucharides-Malers, Beazley, ARV 227,

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 309–317

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12 u. Beazley, Paralipomena 347); Boardman, AK 19, 1976, 4, 13f.Taf. 1,3 (Kalpis des Kleophradesmalers in München, Beazley, Paralipomena 341, 73bis). Zu griechischen Mythen in Etrurien: R. Hampe – E. Simon, Griechische Sagen in der frühen etruskischen Kunst (1964); Krauskopf, ThebSag; H. Rix, Das Eindringen griechischer Mythen in Etrurien nach Aussage der mythologischen Namen, in: Kultureinflüsse in Etrurien 96 – 103. Abb. 312 Achill und Odysseus, Namensbeischriften: Achele und Utuse, linker Arm des Odysseus durch Beschädigung verloren, Skarabäus, quergestreifter Sardonyx, 1.6 cm, 1. Viertel 5. Jh. v. Chr., Bologna. Nach Abguß IGI III 39. A. F. Gori, Museum Etruscum (1737) 434 IV Taf. 198 (Deutung: Gesandtschaft an Achill. Dem widerspricht jedoch die Bewaffnung Achills); F. Schiassi, Sopra una gemma etrusca del Museo Antiquario della R. Università di Bologna (1810), dort die hier angenommene Deutung; BdI 1834, 118 centuria III 39; Furtwängler, AG Taf. 16,28; Zazoff, ES 1968 49, 144 Nr. 301; LIMC I Achle Nr. 157 (als Abschied Achills gedeutet); Mandrioli, Bologna Nr. 4. Zur Datierung vgl. Furtwängler, AG Taf. 64, 26; Zazoff, ES 1968 Nr. 68 Taf. 18 (Mitfunde von Anfang des 5. Jh.s. v. Chr.). Abb. 313 Herakles im Kampf gegen Kyknos, Namensbeischriften: Hercle und Kukne, Skarabäus, 1.5 cm, 1. Viertel 5. Jh. v. Chr., London. Nach Abguß IGI I 22. BdI 1831, 106 centuria I 22; Furtwängler, AG Taf. 16,20; 51,4; Lippold Taf. 37,3; Walters Nr. 621 Taf. 11; Zazoff ES 1968 39f. Nr. 40 Taf. 13; de Simone I 71 Nr. 4, 86 Nr. 1; LIMC V Herakles/Hercle Nr. 298*. Zum Stil vgl. Furtwängler AG Taf. 64,26 = Zazoff, ES Nr. 68 Taf. 18 (mit griechischen Vasen vom Anfang des 5. Jh.s. v. Chr. gefunden). Abb. 314 Aias mit der Leiche Achills, Eidolon Achills, Namensbeischriften: Aivas und Achele, Pseudoskarabäus (Rücken: Sirene), Skarabäus, 1.5 cm, 1. Viertel 5. Jh. v. Chr., St. Petersburg. Abguß. Furtwängler, AG I Taf. 16,19, II 76; de Simone I 11 Nr. 1; Richter, EG I 1968 Nr. 822; Zazoff, ES 1968 Nr. 11 Taf. 3; Boardman AG 1968 Nr. 605; Boardman, GGFR 153 Taf. 413; Neverov, Intaglios Nr. 71; KIE 69 Nr. 219 mit Abb.; Neverov, StEtr 49, 1981, 18 Taf. 5,6; 6,7.8; LIMC I Achle Nr. 141*; Welt der Etrusker 374 Nr. G4, Abb. S. 375. Abb. 315 Pseudoskarabäus, 1.4 cm, Anfang 5. Jh. v. Chr., aus Vulci (s. Giglioli). Fletcher Fund 1932, New York 32.11.7. a) Rücken: Maske eines Satyrs in Vorderansicht. b) Bild: Das troianische Pferd. Abguß. Richter, New York 1956 Nr. 164; Giglioli, BullCom 69, 1941, 10f. Abb. 4, 16; Richter, EG I 1968 Nr. 808; Boardman, AG 1968, 165 Nr. 611; Zazoff, ES 1968 Nr. 1568, Zazoff, HdArch 1983, 228 Anm. 60. Abb. 316 Athlet, Skarabäus, durchscheinender Sard in Goldring, 1.25 x 0,9 cm, 1. Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Vulci. Boston 21.1201. Nach Abguß IGI III 46. BdI 1834, 119 centuria III 46; Furtwängler, AG Taf.16,60; 51,1; Beazley – Boardman, LHG Nr. 40; Lippold Taf. 56,4; Richter, EG I 1968 Nr. 726; Zazoff, ES 1968 Nr. 1571. Abb. 317 Tydeus, von Skarabäus abgesägt, Namensbeischrift: TVTE, 1.42 cm, 1. Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Slg. Stosch, Berlin. FG 195; Furtwängler, AG Taf. 16, 59 u. 51,5; Richter, EG I 1968 Nr. 724; Zazoff, ES 1968 Nr. 60 Taf. 17;

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XI. ETRUSKISCHE GEMMEN

Richter, EG I 1968 Nr. 724; AGD II 1969 Nr. 238; de Simone I 121 Nr.2; Krauskopf, ThebSag 42, 102 Tyd. 1 Taf. 19,1; Zazoff, AA 1974, 479ff. Abb. 8; Boardman in: Boardman – Vollenweider 1978 zu Nr. 70; Zazoff, SF 62f., 89ff.; Zazoff, HdArch 1983, 223 Anm. 37 Taf. 57,1. Ein griechischer Chalcedon-Skarabäoid, einst in Oxford, mit dem gleichen Motiv: Boardman, AG 1968 Nr. 259 Taf. 17; Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 70 („Compare the Etruscan version of the figure, more theatrically posed“ mit Hinweis auf diesen Intaglio). Abb. 318 Flügelgottheiten tragen einen Toten, Skarabäus, 1.7 cm, 1. Viertel 5. Jh. v. Chr., „aus Südetrurien“, Purchase, Joseph Pulitzer Bequest, 1942, New York 42.11.28. Abguß. Richter, New York 1956 Nr. 168 Taf. 28; Richter, EG I 1968 Nr. 809; Zazoff, ES 1968, 35 Nr. 37 Taf. 12; D. v. Bothmer, in: The Greek Vase. Papers based on lectures... held at Hudson Valley Community College at Troy, New York in April of 1979 (1981) 78 Abb. 85–86; Zazoff, HdArch 1983, 221 Anm. 29; LIMC III Eos/Thesan zu Nr. 40-42; Krauskopf, Todesdämonen 25 Anm. 51. Zur Interpretation: Krauskopf, a. O. 25–33; Euphronios-Krater, New York: Euphronios der Maler, Ausstellung Berlin 20. 3.–26. 5. 1991, 93–105 Nr. 4 (D. v. Bothmer). Duris-Schale, Paris, Louvre: Simon – Hirmer Abb. 161; Beazley, ARV 434,74, Paralipomena 375. Abb. 319 Herakles im Kampf mit einem Dämon, Skarabäus, 1.4 cm, 1. Viertel 5. Jh. v. Chr. St Petersburg. Neverov, Intaglios Nr. 70; KIE 68f. Nr. 218; Neverov, StEtr 49, 1981, 17f. Taf. 5,1; 6,2.3 (Kampf mit Echidna); Welt der Etrusker 374 Nr. G3 Abb. S. 375; LIMC V Herakles/Hercle Nr. 385. Zu schlangenbeinigen Dämonen (Giganten, Typhon) in Etrurien: M. Cristofani, Le pitture della tomba del Tifone. La pitture etrusca I 5, 23f. (teils bärtig, teils unbärtig, mit und ohne Flügel); Krauskopf, Todesdämonen 90f. Abb. 320 Iason im Rachen des Drachen, Skarabäus, Sard, 1.65 cm, 2. Viertel des 5. Jh.s v. Chr., aus der Slg. Bruschi, Corneto, Boston 21.1203. Abguß. Furtwängler, AG Taf. 61,24; Lippold Taf. 48, 8. Beazley – Boardman LHG Nr. 46; Zazoff, ES 1968, 169 Nr. 760. Richter, EG I 1968 Nr. 846; LIMC V Iason Nr. 33*. Schale des Duris, Rom, Vatikan aus Cerveteri: Simon – Hirmer Abb. 163; Beazley, ARV 437,116, Paralipomena 375. Sirene mit ähnlichem Hut auf einem Skarabäus aus Aleria: Giraud 1973, 54f. (Grabzusammenhang ca. 475 / 425 v. Chr.) Abb. 321 Perseus mit dem abgeschlagenen Haupt der Medusa, Inschrift: ΦΕΡSΕ (Pherse),Skarabäus, 1.31 cm, Mitte 5. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. Winckelmann, Monumenti antichi inediti I Nr. 84, II 112; FG 201; Furtwängler, AG Taf. 18,9; Lippold Taf. 47,5; Schauenburg, Perseus 32 mit Anm. 208; Zazoff, ES 1968 Nr. 1179; Richter, EG I 1968 Nr. 855; de Simone I 127 Nr. 2; AGD II 1969 Nr. 240. Abb. 322 Tydeus, zusammenbrechend, Skarabäus mit antikem Goldbügel, 1.95 cm, Inschrift: TVTE (Tute), 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr., aus Vulci, Berlin. FG 204; Furtwängler, AG Taf. 16.53; Lippold Taf. 46,6; Zazoff, ES 1968 Nr. 82 Taf. 21; Richter, EG I 1968 Nr. 839; AGD II 1969 Nr. 239; de Simone I 121 Nr. 3; Krauskopf, ThebSag 43 Tyd 12 Taf. 19,4; Zazoff, HdArch 1983, 231 Anm. 79 Taf. 58,2. Abb. 323 Hermes, das Eidolon eines Jünglings aus der Unterwelt holend, Skarabäus, 1.67 cm,. 3. Viertel 5. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin.

ABBILDUNGEN 318–330

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Winckelmann, Monumenti antichi inediti I Nr. 39, II 45; FG 203; Furtwängler, AG Taf. 16,54; Zazoff, ES 1968 Nr. 109 Taf. 25; Richter, EG I 1968 Nr. 78; Zwierlein-Diehl, AA 1969, 527ff. Abb. 2; AGD II 1969 Nr. 232; Zazoff, HdArch 1983, 231 Anm. 79, 235 Anm. 115 Taf. 58,1. Abb. 324 Kastor an der Quelle, Bandachat, oben grau-braun unten weiß, Skarabäus, Inschrift: CASTVP (Castur), 1.35 cm, 3. Viertel des 5. Jh.s v. Chr., in goldenem Sammlerring, aus Slg. Beugnot, später Slg. Ionides, Slg. Klaus Müller, Bonn. IGI III 5; BdI 1834, 116 centuria III 5; Cades, Gemme etrusche 1a I 7; Furtwängler AG I Taf. 17,44, II 84; Lippold Taf. 40,3; H. Gebhart, Gemmen und Kameen (1925) 77 Abb. 103; Zazoff, Skarabäen Nr.857; Boardman, Ionides 1968 Nr. 2 Taf. 1; C. de Simone I (1968) 40 Nr. 3; LIMC III Dioskouroi/ Tinas Cliniar Nr. 93; Krauskopf, Heroen Nr. 1046. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 23 Kat. 45, Farb-Abb. 5, Abb. 41. Weihinschrift an die Dioskuren: Tarquinia RC 6848, M. Cristofani, al., Gli Etruschi (1984) 165 Abb.; LIMC III 597. Cista Ficoroni: T. Dohrn, Die Ficoronische Ciste (1972); LIMC Amykos 5 = Argonautai 10. Abb. 325 Kastor bricht vom Pfeil getroffen zusammen, Skarabäus, Inschrift: CASTVP, 1.41 cm, 3. Viertel 5. Jh. v. Chr., aus Slg. Tyszkiewicz. Berlin. FG 202; Furtwängler, AG Taf. 17,36; Zazoff, ES 1968 Nr. 858; AG II Nr. 241; Richter, EG I 1968 Nr. 858; De Simone I 40 Nr. 2; LIMC III Dioskouroi/Tinias Cliniar Nr. 85. Zum Kopf vgl. den Kopf Malavolta, Rom, Villa Giulia, aus Veji, Sprenger – Bartolini – Hirmer Taf. 187 (430/420). Abb. 326 Silen auf einem Amphorenfloß, Skarabäus, 1.70 cm, 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr. Berlin. FG 368; Furtwängler, AG Taf. 18,13; Lippold Taf. 14,3; Stiglitz, ÖJh 44, 1959, 115 Nr. 14 Abb. 72; Zazoff, ES 1968 Nr. 612; AGD II 1969 Nr. 235; Zazoff, HdArch 1983, 232 Anm. 89. Abb. 327 Ausruhender Herakles, Skarabäus, 1.56 cm, um 400 v. Chr. Berlin. FG 367; Furtwängler AG Taf. 18,11; Zazoff, ES 1968 Nr. 572; AGD II 1969 Nr. 242; Zazoff, 232 HdArch Anm. 89; LIMC V Herakles/Hercle Nr. 98*. Zu Herakles-Quellen: R. Ginouvès, Balaneutikè (1962) 362 – 373. Abb. 328 Herakles an der Quelle, Inschrift: HEPCLE (Hercle), Skarabäus, 1.6 cm, Ende 5. Jh. v. Chr. Oxford. Abguß. Furtwängler, AG Taf. 20,25; Richter, EG I 1968 Nr. 797 (5. Jh. v. Chr.); Zazoff, ES 1968, 55, 57 Nr. 67 Taf. 18 (Strenger Stil); de Simone I 72 Nr. 12; Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 220 (Spätes 5. Jh. v. Chr.); A. C. Brown, Ancient Italy before the Romans (1980) 51 Taf. 18d; LIMC V Herakles/Hercle Nr. 84b*. Abb. 329 Herakles und Meerdämon, Skarabäus, Bild 1.73 x 1.20 cm, Ende 5. Jh. v. Chr., Paris Cdm Coll. de Luynes 260. Nach Abguß IGI III 17. BdI 1834, 117 centuria III 17; Furtwängler, AG Taf. 18,18; Zazoff, ES 1968, 70 Nr. 97 Taf. 23; LIMC V Herakles/Hercle zu Nr. 96, Nr. 326*; Krauskopf, Heroen Nr. 758. Abb. 330 Herakles, das Himmelsgewölbe tragend, Inschrift: HEPCLE (Hercle), Skarabäus, Sard, 1.60 cm, spätes 5. oder frühes 4. Jh. v. Chr. Boston 27.724. Abguß.

390

XI. ETRUSKISCHE GEMMEN

Beazley – Boardman LHG 1920 Nr. 88; de Simone I 72 Nr. 17; Richter, EG I 1968 Nr. 792 (Late fifth or early fourth century B. C.); Zazoff, ES 1968 Nr. 569 (Freier Stil); LIMC V Herakles/Hercle Nr. 259. Abb. 331 Herakles auf dem Scheiterhaufen, Skarabäus, Bandachat, 1.5, Ende 5. Jh. v. Chr. London. Nach Abguß IGI V 27. BdI 1839, 102 centuria V 27; Furtwängler, AG Taf. 20,22; 51,13; Lippold Taf. 37,8; Walters Nr. 622 Taf. 11; Beazley, EVP 104 Nr. 8; Richter, AJA 61, 1957, 266 Taf. 82,11; Richter, EG I 1968 Nr. 805; Zazoff, ES 1968 Nr. 567; Krauskopf, Todesdämonen 26 Anm. 55; LIMC V Herakles/Hercle Nr. 387*. Abb. 332 Haare waschender Athlet oder Heros, Skarabäus, 1.43 cm, 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr. Wien. Furtwängler, AG Taf. 17,48; Zazoff, ES 1968 Nr. 188 Taf. 37 („2. Hälfte 4. Jh. v. Chr.“, die Spätdatierung beruht auf der Zuordnung zum „Übergangsstil“); Martini 33 Taf. 8,2 (Datierung wie Zazoff); AGWien I 1973 Nr. 40. Das gleiche Motiv früher: Neverov, StEtr 49, 1981, 20; KIE Nr. 222 mit Abb. („um 470 – 460“). Gleichzeitig, mit Drehung in die Dreiviertelansicht: Amethyst, von Skarabäus abgesägt, Vollenweider, Genf I 1967 Nr. 224 Taf. 85,9.11 (Beischrift ΠELE, „2. Hälfte 5. Jh. v. Chr.“) = Zazoff, ES 1968 Nr. 186 Taf. 37 = Zazoff, HdArch 1983, 232 Anm. 85 Taf. 58,5. Der nur im Abguß erhaltene Karneol-Skarabäus, “ehemals Slg. Dehn“, Winckelmann, Mon. ined. Nr. 125 = Furtwängler, AG Taf. 17,51 = Lippold Taf. 40,1 = Zazoff, ES 1968 Nr. 187Taf. 37 = Zazoff, HdArch 1983, 232 Anm. 86Taf. 58,7 ist nachVollenweider trotz der unterschiedlichen Materialangabe, wahrscheinlich identisch mit dem Genfer Exemplar, er wäre dann zwischenzeitlich zersägt worden. Die Herkunftsangabe „Slg. Dehn“ bezieht sich auf die Daktyliothek Dehn. Wahrscheinlich handelt es sich um den Skarabäus der Slg. Poniatowski, E. Q. Visconti, Opere, ed. G. Labus XVII, Opere varie II (1829) 378 Nr. 57. Abb. 333 Herakles und Hermes, Skarabäus, 1.68 cm, letztes Viertel 5. Jh. v. Chr. Berlin. Zazoff, ES 1968 Nr. 1093; AGD II 1969 Nr. 233; LIMC V Herakles/Hercle Nr. 147. Abb. 334 Hermes mit Kerykeion und Widder, Inschrift: MEP (Mer), Skarabäus, 1.6 cm, Ende 5. / Anfang 4. Jh. v. Chr. Oxford. Furtwängler, AG Taf. 20,17, III 186; Zazoff, ES 1968 Nr. 106 Taf. 24 (2. Hälfte 4. Jh. v. Chr.); Richter, EG I 1968 Nr. 746 (4. Jh. v. Chr.); Martini 32 Taf. 7,2 (4. Jh. v. Chr.); Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 218 (4. Jh. v. Chr., vielleicht nicht-etruskische Werkstatt in Latium oder Campanien; die Inschrift möglicherweise später im 3. Jh. eingraviert); E. Simon, Die Götter der Römer (1990) 164 Abb. 207 (mittleres 4. Jh. v. Chr.); LIMC VI Mercurius Nr. 106 (E. Simon). Die genannten Stilmerkmale noch stärker vergröbert: Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 231 (durch Mitfunde datiert: „Fourth century, perhaps earlier.“). Ein ähnlicher Fall vermutlich: Atti Taranto 17, 1977 (1978) Magna Grecia bizantina e tradizione classica Taf. 57; Krauskopf, Heroen Nr. 993a: Etruskischer Skarabäus aus Satyrion (Apulien), sich wappnender Krieger, 4. Jh. v. Chr., Beischrift ΤΗΛΕΦΟΣ im Stil römisch-kampanischer Gemmeninschriften, im 3. Jh. v. Chr. zugefügter Besitzername? Abb. 335 Kriegsgott Laran mit Wolf (?), Skarabäus, 2.7 cm, Anfang 4. Jh. v. Chr., in moderner Fassung von Elisabeth Treskow. Köln, Museum für Angewandte Kunst. Chadour – Joppien II Nr. 31. Zum Stil: Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 228.

ABBILDUNGEN 331–341

391

Abb. 336 Theseus deckt die Erkennungszeichen auf, Inschrift: These, von einem Skarabäus abgesägt (Rest der Bohrung erhalten), quergestreifter Sardonyx, 1.75 cm, Anfang 4. Jh. v. Chr., Abguß. Wien. Furtwängler, AG Taf. 17,55; Zazoff, ES 1968 Nr. 139 Taf. 30; Martini 12f. Taf. 1,1; AGWien I 1973 Nr. 43; de Simone I 83 Nr. 2. Abb. 337 Schreiner bei der Arbeit mit dem Drillbohrer, feiner Skarabäus (Clupeus mit Strichbandrahmen, Mittellinie zwischen den Elytra auf einem Grat, Zungenmuster als Basisschmuck), 1.6 cm, 1. Hälfte 4. Jh.s, aus Cortona, einst Slg. Castellani. London. Heydemann, BdI 1869, 55 (Mann durchbohrt ein Holzstück mit einem bogenbetriebenen Bohrer); J. H. Middletom, The Engraved Gems of Classical Times (1891) 105 Abb. 21 (wahrscheinlich ein Gemmenschneider); ders., The Lewis Collection of Gems and Rings (1892) 31 Abb. 4 (Gemmenschneider); E. Babelon in: Daremberg-Saglio II (1896) 1469 Abb. 3483 s. v. gemmae (Gemmenschneider, beim ersten Entwurf); Furtwängler, AG Taf. 17,21 (kein Gemmenschneider); C. Thomas, Journal of the Royal Society of Arts 60, 1912, 362f. (Gemmenschneider, an einer Werkbank mit horizontal gelagerter Achse. Der Bogen, wird über ein vom Fuß betriebenes Tretbrett bewegt, beide Hände sind frei); Walters 1926 Nr. 645 (Zimmermann, kein Gemmenschneider); Richter, EG I 1968 Nr. 771 (Zimmermann); Zazoff, ES 1968 Nr. 152 Taf. 31 (Jüngling, mit Drillbohrer arbeitend); Boardman, GGFR 380 (wahrscheinlich Zimmermann); Zazoff, HdArch 1983, 233 Anm. 95 Taf. 59,1; 400 Anm. 61 Taf. 132,4 (Steinschneider, den Bogen freihändig handhabend); Tondo – Vanni 1990, 159 Abb. a (Vanni: Gemmenschneider); MaaskantKleibrink, Pact 23, 1989 [1993] 189, 191 Abb. 1 („The identification as a gem-engraver seems possible since the device is engraved on an Etruscan scarab“). Da der Handwerker seine Geräte mit beiden Händen führt, ist die Deutung des Gemmenschneiders und Medailleurs Cecil Thomas auszuschließen; bemerkenswert bleibt an ihr, daß der Praktiker auf dieser Stufe der Glyptik eine Werkbank voraussetzt. Der Umstand, daß das Bild in einen Skarabäus geschnitten ist, spricht nicht für die Deutung als Gemmenschneider. Es kommen Darstellungen verschiedener Handwerker vor; ein Zimmermann mit Hacke: Zazoff, ES 1968 Nr. 151 Taf. 31 = Richter, EG I 1968 Nr. 772. S. o. S. 316. Abb. 338 Odysseus (?),ein Stück Fleisch zerteilend, Skarabäus, 1.59 cm, Anfang 4. Jh. v. Chr. Berlin. Zazoff, ES 1968 Nr. 116 Taf. 26 (Heros, Odysseus?, opfernd); AGD II 1969 Nr. 246 (Haruspex); Zazoff, HdArch 1983, 233 Anm. 94 Taf. 58,12 (Fleischer); Krauskopf 1995, 49 Nr. 75 (Odysseus?). Gegen die Deutung als mythischer Haruspex spricht, daß Haruspices in gesicherten Darstellungen kein Opfermesser halten, vgl. van der Meer, BABesch 54, 1979, 49–64. Gegen die Deutung als Fleischer spricht die Tracht. Verwandte Darstellungen mit Beischrift „Utuse“: Zazoff, ES 1968, 79f. Nr. 126 Taf. 28 u. Nr. 1132 (= Walters Nr. 692 Taf. 12). Abb. 339 Helena beim Weihrauchopfer, Inschrift: ELINA, von einem Skarabäus abgesägt, 1.25 cm, 1. Hälfte 4. Jh. v. Chr. Wien. Furtwängler, AG Taf. 18,32; Richter, EG I 1968 Nr. 744; Zazoff, ES 1968, 106f. Nr. 207 Taf. 40; AGWien I 1973 Nr. 46. Zur Beflügelung von Heroen in Etrurien: AGWien a. O.; Krauskopf, Todesdämonen, 27. Abb. 340 Grollender Achill, Skarabäus, 2.06 cm, 4. Jh. v. Chr. Wien. Furtwängler, AG Taf. 18,35; Zazoff, ES 1968 Nr. 192 Taf. 38: AGWien I Nr. 44. Abb. 341 Hermes und ein menschenköpfiger Vogel, von einem Skarabäus abgesägt, Bohrungsrest erhalten, 1.70 cm, 4. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin.

392

XI. ETRUSKISCHE GEMMEN

FG 371; Furtwängler AG Taf. 19,50; G. Weicker, Der Seelenvogel (1902) 12 Anm. 5 Abb. 6; Zazoff, ES 1968 Nr. 725; AGD II 1969 Nr. 234. Abb. 342 Haruspex bei der Leberschau, Inschrift: NATIS, Skarabäus, 1.53 cm, 4. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 374; Furtwängler, AG Taf. 19,8; Pallottino, StEtr 6, 1932, 559; Thulin, RE VII 2, 2432 s. v. haruspices; Zazoff, ES 1968 Nr. 215 (irrtümlich „Vogelkörper“ statt Leber, „nicht-etruskischer später Stil“); AGD II 1969 Nr. 247; A. J. Pfiffig, Religio etrusca (1975) 17; L. B. van der Meer, BABesch 54, 1979, 52 Nr. 62 Abb. 11.12 („probably from the 3rd century B.C.“, ohne Begründung); N.Thomson de Grummond – E. Simon (Hrsg.), The Religion of the Etruscans (2006) 39f. Abb. III.15 (Thomson de Grummond). Erwähnt: M. Torelli, StEtr 63, 1997 (ser. III) 244. Stil, Inschrift und Käferform (Typ C) sind etruskisch, die einfache Rahmenlinie kommt vielfach bei RundperlSkarabäen vor, denen das Bild stilistisch nahe steht. Zur Tracht des Haruspex: F. Roncalli, in: Kultureinflüsse in Etrurien 124–132. Abb. 343 Zusammenbrechender Kentaur, Skarabäus (Typ A), 1.6 cm, 4. Jh. v. Chr., aus Slg. Capranesi und Evans, Purchase, Joseph Pulitzer Bequest, 1942, New York 42.11.27. Nach Abguß IGI V 26. BdI 1839, 102 centuria V 26 (Chiron); Furtwängler AG Taf. 18, 73, III 195; Richter, New York 1956 Nr. 167 (Mitte 5. Jh. v. Chr.); Richter, EG II 1971 Nr. 754; Zazoff, ES 1968 Nr. 859 („Freier Stil“); Moret 1995, 36f., 53 Abb. 5. Gleiche Hand: Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 216 („Spätes 5. oder frühes 4. Jh. v. Chr.“, Skarabäus Typ A)= Moret 1995, 52 Abb. 4. Abb. 344 Philoktet, Skarabäus, Sardonyx, Bild 1.46 x 0.98 cm, Ende(?) 4. Jh. v. Chr. ehemals Slg. Vannutelli, verschollen. Nach Abguß IGI V 41. BdI 1839, 103 centuria 5, 41; Furtwängler, AG Taf. 18,64; Lippold Taf. 41, 15; Zazoff, ES 1968 Nr. 1195; Moret 1995, 35f., 53 Abb. 6. Zum Thema s. o. Abb. 243. Abb. 345 Odysseus und Diomedes, Skarabäus, quergestreifter Sardonyx (Typ E), 1.48 cm, Ende 4.–1. Hälfte 3. Jh. v. Chr., Wien. Abguß. AGWien I Nr. 47; Furtwängler, AG III 232; Zazoff, ES 1968 Nr. 202 Taf. 40; Moret 1995, 37 Anm. 17, 38, 41–45 Abb. 1; Moret, Palladion 1997 Nr. 27 Taf. 9. Abb. 346 Herakles auf dem Amphorenfloß, Skarabäus (Typus D), Karneol, 1.68 cm, Anfang 3. Jh. v. Chr., Slg. Gerhard, Berlin. FG 231; Furtwängler, AG Taf. 19, 40; Zazoff, ES 1968 Nr. 164 Taf. 33; AGD II 1969 Nr. 294; Moret 1995, 38, 55 Abb. 10. Abb. 347 Laokoon und seine beiden Söhne, Skarabäus (Typ D, im Flügelzwickel links zwei, rechts eine Doppellinie, Strichrand auf der Basis), 1.8 cm, Spätes 4. – frühes 3. Jh. v. Chr., ehem. Sammlungen Gerhard, Hertz, Morrison, London. Gerhard, AZ Anzeiger 1851, 95; AZ 1863, 95; Furtwängler, AG: I Taf. 64, 30; II 291f., III 205 (spätetruskisch, nicht später als 4. Jh. v. Chr.); Walters 1926 Nr.673; Richter, EG I 1968 Nr. 851; G. Uggeri, La parola del passato 16, 1961, 386–391; Zazoff, ES 1968 Nr.1040; Maaskant-Kleibrink, BABesch. 47, 1972, 135ff.; Andreae, Laokoon und die Gründung Roms (1988) Abb. 14 (bei S.45), 63ff.; F. Hiller in: Mannheimer Forschungsbericht 35, 1989, 29ff.; N. Himmelmann, Laokoon, Antike Kunst 34, 1991, 97 – 115 , 98f.;

ABBILDUNGEN 342–349

393

J.-M. Moret, Le problème des faux en glyptique, CRAI 1995, 173 – 187, 183 Abb. 6; Moret 1995, 31–50 Abb. 2; N. Himmelmann, Sperlonga. Die homerischen Gruppen und ihre Bildquellen (1995) 56–58, 72; J.-M. Moret, Le Laocoon agenouillé, RA 2002, 3- 29, 25-27 Abb. 17. Zweifel am antiken Ursprung des Skarabäus sind unbegründet (Furtwängler, Walters, Richter, Zazoff, Andreae, Hiller, Moret, Himmelmann 1995, Zwierlein-Diehl bei Himmelmann 1995). Der Verdacht der Überarbeitung bei Gerhard war durch den ungewöhnlichen Gegenstand ausgelöst (s. Furtwängler, AG II 292). Die Bestimmung als Fälschung durch Uggeri ist nicht unbeeinflußt von dem Wunsch, den Skarabäus aus der Diskussion um die vatikanische Laokoon-Gruppe auszuscheiden; die von ihm beobachteten stilistischen Diskrepanzen sind, wie hier skizziert, innerhalb der etruskischen Glyptik verständlich. Die Erwägung einer möglichen Entstehung in der Renaissance bei Maaskant-Kleibrink beruht auf der angenommenen, jedoch m. E. nicht bestehenden, Ähnlichkeit mit der Gemme Thoms, a. O. Abb. 2, 23. Zazoffs Einordnung in den Rundperlstil entspricht seiner weit gefaßte Definition des Begriffs (s. o. S. 385). Zum struppigen Haar: Zazoff, ES 1968 Nr.179 Taf. 36, Nr. 254 Taf. 48 (= Vollenweider, Genf I Nr. 233). Ein einzelner Mann im Kampf mit zwei Schlangen (Laokoon oder einer seiner Söhne?): Karneol-Skarabäus, Rundperlstil, Boardman, IR 43f. Nr. 145. Abb. 348 Iphigenie und Orest im Taurerland, Skarabäus (Typ C, die Beine flüchtig, schräge Kerbschnitte am unteren Rand der Basis nicht ringsum durchgeführt, Goldtubus in der Bohrung), 1.6 cm, Ende 4. – frühes 3. Jh. v. Chr. London, Furtwängler, AG Taf. 24,4, III 230 (Orestes wird zum Opfer geführt); Walters Nr. 950 Taf. 14 (Orest und Iphigenie auf dem taurischen Chersones?); Zazoff, ES 1968 Nr. 1146 (Orest und Iphigenie); LIMC V Iphigeneia (in Etruria) Nr. 24 (I. Krauskopf: Deutung auf Orest und Iphigenie unwahrscheinlich). Walters beschreibt den Gegenstand in der Rechten der Frau als Peitsche mit Griff und zwei Riemen; nach meiner Beobachtung am Original handelt es sich um eine einzelne leicht gebogene Furche mit Rundperlpunkten an beiden Enden, der vermeintliche zweite Riemen ist eine Gewandfalte. Ähnliche Gruppenkomposition mit Orest und Pylades, die gefesselt vor Iphigenie stehen: Glasgemmen in Berlin, FG 792 Taf. 10, FG 793. Abb. 349 Ein Liebespaar, Im freien Raum vier einzelne Buchstaben: rechts vom Kopf er Frau beginnend, rechtsläufig, mit Buchstabenfüßen nach außen, gelesen: Ε Λ Ε Δ , Ele(n)a? (eine Querhaste des des ersten Epsilon ist vom Strichrand vereckt), Karneol, Bild 1.33 x 0.96 cm, Mitte 5. Jh. v. Chr., einst Slg. Canonico Pasquini, aus Chiusi, verschollen. Nach Abguß, IGI III 41 (Brust und linke Hand der Frau am Gipsabguß beschädigt). BdI 1834, 119 centuria III 41 (Lesung: ΕΛΕΔ, Ele(n)a. Deutung: Wiedergewinnung der Helena durch Menelaos); Furtwängler, AG Taf. 19,41, III 185, 191 (liest ΡΕVΕ, d. h. links vom Kopf der Frau beginnend, Buchstabenfüße nach innen, Δ = Rho); Zazoff, ES 1968 Nr. 1041 (Lesung wie Furtwängler); de Simone I 60 Nr. 22 (ele[n]a?); LIMC IV Helena/Elina Nr. 24; LIMC VIII Menelaos/Menle Nr. 8*; Krauskopf, Heroen Nr. 1218. Zu Gesicht und Frisur der Frau vgl. den Sardonyx-Skarabäus in Florenz, Zazoff, ES 43f. Nr. 45 Taf. 14 („strenger Stil“). Ähnliche Motive auf Ringen der Fortnum-Gruppe: Boardman, BSR 34, 1966, 10–17, der Mann nackt bei Nr. XII Taf. 2,19, XIII Taf. 5 (2. Hälfte 5. Jh. v. Chr.). Ein Rundperl-Skarabäus aus einem ca. 465 – 425 v. Chr. datierten Grab: Giraud 1973, 56f. Lokalisierung des Rundperlstils in Mittelitalien: Furtwängler, AG III 200, 211; Walters 1926 XLIV; Richter, New York 1956, 45 u. EG I 182; Sena Chiesa, Aquileia 1966, 13 – 17 (wohl in Latium unter starkem etruskischen Einfluß); Martini 1971, 78f., 105. Lokalisierung in Etrurien: Zazoff, ES 1968, 105, 118f.; AGD II 112, AGWien I 13; Boardman IR 1975, 40 (späte Rundperl-Skarabäen wohl mittelitalisch); Zazoff, HdArch 1983, 241.

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XI. ETRUSKISCHE GEMMEN

Abb. 350 Mann ein Schwein verfolgend, Skarabäus, Bild 1.50 x 1.05, 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr., einst Slg. Carelli, verschollen. Nach Abguß IGI I 41 (der zwischen linkem Fuß des Mannes und Schweineschwanz wohl beschädigte Strichrand wurde in der Form des Abgusses nachgraviert). BdI 1831, 107 centuria I 41; Furtwängler, AG Taf. 19,29; Zazoff, ES 1968 Nr. 750 (Jäger). Zur Datierung vgl. das Schwein: AGWien I Nr. 52. Abb. 351 Herakles mit Keule und Bogen, Skarabäus, 1.48 cm, 1. Hälfte 4. Jh. v. Chr., Slg. Gerhard, Berlin. FG 215; Zazoff, ES 1968 Nr. 696; Richter, EG I 1968 Nr. 870; AGD II 1969 Nr. 261; Zazoff, HdArch 1983, 243 Anm. 174 Taf. 61,10. Zur Datierung vgl. die ähnliche Gestaltung des Torsos: Boardman – Vollenweider 1978 Nr. 231 = Zazoff, ES 1968, 62 Nr. 84 Taf. 20 (Mitfunde 2. Hälfte 5. – 4. Jh. v. Chr.). Abb. 352 Silen oder Satyr auf dem Amphorenfloß, Skarabäus, 1.45 cm, 4. Jh. v. Chr. Wien. Furtwängler, AG Taf. 19,35; Zazoff, ES 1968 Nr. 228 Taf. 44; AGWien I 1973 Nr. 55; Zazoff, HdArch 1983, 243 Anm. 172 Taf. 61,8. Zum Motiv s. o. Abb. 326, Abb. 346. Abb. 353 Wagenrennen, Skarabäus, 1.6, 1. Hälfte 4. Jh. v. Chr., Geschenk von F. Ficoroni an A. F. Gori, später Slg. Hamilton, London. A. F. Gori, Museum Etruscum I Taf. 198 Abb. 5 II 434; Furtwängler, AG Taf. 19,52; Walters 1926 Nr. 740 Taf. 12; Zazoff, ES 1968 Nr. 1580 (nicht etruskischer a globolo-ähnlicher Stil). M. E. etruskisch, vgl. die folgende Abb. Abb. 354 Renngespann mit Lenker, von Skarabäus abgesägt (Rest der Bohrung erhalten), 1,69 cm, 1. Hälfte 4. Jh. v. Chr. Wien. Zazoff, ES 1968 Nr. 456; AGWien I 1973 Nr. 69. Abb. 355 Athlet mit Sprunggewichten, Skarabäus, 1.40 cm, 4. Jh. v. Chr. Berlin. FG 372; Zazoff, ES 1968 Nr. 375; AGD II 1969 Nr. 270. Abb. 356 Kniender Krieger mit Schwert, Skarabäus in antikem, hohlem Goldbügel, schwarzer Bandachat mit weißen Streifen, 0.92 cm, 3. Jh. v. Chr. Wien. a) Skarabäus mit Goldbügel, b) Bild Zazoff, ES 1968 Nr. 293 Taf. 54; AGWien I 1973 Nr. 77. Zur Handlung: AGD II 1969 Nr. 335–337; AGWien I 1973 Nr. 118, 119 (hier Abb. 409). Abb. 357 Pegasus, Skarabäus, 1.35 cm, 4. Jh. v. Chr. Wien. Zazoff, ES 1968 Nr. 1171; AGWien I 1973 Nr. 83. Abb. 358 Seedämon, Skarabäus, 1.55 cm, 3. Jh. v. Chr. Wien. Furtwängler, AG Taf. 19,69; Zazoff, ES 1968 Nr. 255 Taf. 48; AGWien I Nr. 59. Abb. 359 Chimaira, Skarabäus, 1.60 cm, 3. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin.

ABBILDUNGEN 350–369

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FG 261; Zazoff, ES 1968 Nr. 392; AGD II 1969 Nr. 276; Zazoff, HdArch 1983, 244 Anm. 178 Taf. 61,13. Abb. 360 Haruspex, quergestreifter Sardonyx, 1.70 cm, Anfang 3. Jh. v. Chr., Slg. Gerhard, Berlin. FG 502; AGD II 1969 Nr. 350; Martini 1971 Kat. 51 Taf. 12, 2; Zazoff, HdArch 1983, 256 Anm. 256 Taf. 65, 11. Abb. 361 Theseus findet das Schwert des Vaters, Karneol, 1.32 cm, 1. Hälfte 3. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 387; AGD II 1969 Nr. 308; Martini 1971 Kat. 1 Taf. 1, 2; Zazoff, HdArch 1983, 256 Anm. 255 Taf. 65,9; Würzburg I 1986 Nr. 84 (Glaspaste). Abb. 362 Hermes, einen Toten beschwörend, Sard, 1.49 cm, 3. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 439; AGD II 1969 Nr. 299; Martini 1971 Kat. 122 Taf. 24, 3; Zazoff, HdArch 1983, 256 Anm. 249 Taf. 65, 6. Zum Thema: Futwängler, AG III 203, 253 – 263. Abb. 363 Prometheus, den Menschen bildend, quergestreifter Sardonyx, 1.39 cm, 1. Hälfte 3. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 456; AGD II 1969 Nr. 302; Martini 1971 Kat. 115 Taf. 23, 1; G. Tassinari, La raffigurazione di Prometeo creatore nella glittica romana, Xenia Antiqua 1, 1992, 61–116, 77 Abb. 18, 97 Cat. 20 („Erschaffung der Pandora“. Der Eindruck weiblicher Brüste täuscht, die Brust ist mit zwei Flachperlschnitten wiedergegeben). Abb. 364 Philoktet und die Schlange, Sard, 1.31 cm, 2. Hälfte 3. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 528; AGD II 1969 Nr. 311; Martini 1971 Kat. 108 Taf. 21, 6; Zazoff, HdArch 1983, 257 Anm. 262 Taf. 66, 6. Abb. 365 Maschalismos, Karneol, 1.37 cm, 1. Hälfte 3. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 457; AGD II 1969 Nr. 329; Martini 1971 Kat. 23 Taf. 7, 3; Zazoff, HdArch 1983, 256 Anm. 251 Taf. 65, 7. Abb. 366 Krieger über der Leiche des Gegners, dessen Kopf betrachtend, Besitzerinschrift: LALUS, Karneol, 1.20 cm, 1. Hälfte 3. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 116; CIL I2 2923c (H. Krummrey); Maaskant-Kleibrink, The Hague 1978, 94 Anm. 4. Zu lateinischen Inschriften auf etruskischen Gemmen: Martini 1971, 119 – 122. Abb. 367 Othryadas schreibt VIC[i oder -ctoria] auf den Schild, Karneol, 1.07 cm, 3. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 550; AGD II 1969 Nr. 326. Abb. 368 Jüngling verehrt eine Herme, Sard, 1.24 cm, 1. Hälfte 3. Jh. v. Chr., Wien Furtwängler, AG Taf. 21, 54; Martini 1971 Kat. 34 Taf. 9, 5; AGWien I 1973 Nr. 126¸ Maaskant-Kleibrink, The Hague 1978, 94 Anm. 4. Abb. 369 Gefährte des Kadmos, quergestreifter Sardonyx, 1.31 cm, 1. Hälfte 3. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin.

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XII. ITALISCHE UND RÖMISCHE GEMMEN

FG 543; AGD II 1969 Nr. 310; Martini 1971 Kat. 56 Taf. 13, 1; I. Krauskopf, Der thebanische Sagenkreis und andere griechische Sagen in der etruskischen Kunst (1974) 51f., 94 KGef 9 Taf. 20,4. Abb. 370 Junger Schmied (Hephaistos / Sethlans?), Sard, 1.22 cm, frühes 3. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 516; AGD II 1969 Nr. 351; Martini 1971 Kat. 55 Taf. 12, 6; Zazoff, HdArch 1983, 257 Anm. 259 Taf. 66,1; LIMC Hephaistos / Sethlans unter Nr. 5 (unsicher). Zu den Salierschilden vgl. Furtwängler, AG Taf. 22, 62 – 64; M. Torelli, Appius Alce. La gemma fiorentina con rito saliare e la presenza dei Claudii in Etruria, StEtr. 63 1997 (ser. III) 227 – 255. Abb. 371 Gefangener an einem Tropaion, Sard, 1.23 cm, 2. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 598; AGD II 1969 Nr. 341.

XII. ITALISCHE UND RÖMISCHE GEMMEN DES 3.–1. JAHRHUNDERTS V. CHR. Literatur AGWien I 1973, 13–17, III 1991, 8–12 (mit Konkordanz der deutschen Stilbezeichnungen mit den englischen von M. Maaskant-Kleibrink, den italienischen von G. Sena Chiesa, den französischen von H. Guiraud) Bianchetti, E., I sepolcri di Ornavasso (1895) Furtwängler, AG III 212–299 Guiraud 1988, 38 – 60 Guiraud 1995, 367–370 (französische, englische, lateinische Stilbezeichnungen) Guiraud 1996, 59 – 66, Maaskant-Kleibrink, The Hague 1978, 99 – 193 Platz-Horster, Xanten I 1987 XXVII–XXIX; II 1994, 33–40 (Vergleichende Tafeln zu Stil und Material der antiken Gemmen aus Xanten Band I und II) Sena Chiesa, Aquileia 1966, 13–33 Sena-Chiesa, Luni 1978, 41–45 Vollenweider, Porträtgemmen 1972 / 1974, 6–119 Zazoff, HdArch 1983, 260–305 (264 Anm. 23 Fundgemmen aus datiertem Zusammenhang)

Abbildungen Abb. 372 Kopf des Mercur, Skarabäus, schwarz-weißer Bandachat, 0,85 cm, Ende 3. Jh. v. Chr., Berlin. a) Original,b) Abguß FG 381; Zazoff, ES 1968 Nr. 940; AGD II 1969 Nr. 288. Vgl. Aes grave, Sextans: Crawford Nr. 35/5 (225–217 v. Chr.).

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 370–380

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Abb. 373 Priester (Augur) am Altar, Skarabäus, quergestreifter Sardonyx, Inschrift: ANNIA CEBACTH, 1.8 cm, Ende 3./ Anfang 2. Jh. v. Chr., London. Furtwängler, AG Taf. 20, 63; Walters 1926 Nr. 952. Abb. 374 Iphigenie, als Priesterin der Diana Nemorensis, und Hirsch zu Seiten eines Altares, länglicher Skarabäus, Karneol, 1.53, Ende 3. / Anfang 2. Jh. v. Chr., Berlin. FG 379; Furtwängler, AG I Taf. 22, 18; AGD II 1969 Nr. 289; LIMC Artemis / Diana 216* (Simon); Simon, GdR 54 Abb. 66. Zur Deutung: Furtwängler, AG III 225. 231 (Diana Nemorensis); Simon, LIMC Artemis / Diana 2c, 216 – 221 (nach Furtwängler Diana Nemorensis); Simon, GdR 54f. (Diana Lucina, als ein numen mixtum der Diana vom Aventin mit Zügen der Juno Lucina vom Esquilin); M. Henig in: Henig – Scarisbrick – Whiting 1994 Nr. 132 (Diana Nemorensis oder Iphigenie). Zum Kult und Kultbild der Diana Nemorensis: A. Alföldi, AJA 64, 1960, 137–144; Fr.-H. Pairault, Mélanges d’Archéologie et d’Histoire 81, 1969, 425–471 (457–466); Crawford Nr. 486/1 (Denar des P. Accoleius Lariscolus, 43 v. Chr.); H. G. Martin, Römische Tempelkultbilder (1987) 182–191; Simon, LIMC Artemis / Diana 2b (2a das Kultbild aus Tauris); Simon,GdR 52–55 Abb. 61; Böhm 1997, 53f. Diana von Massilia: Crawford Nr. 448/3 (Denar des L. Hostilius Saserna, 48 v. Chr.); Simon, GdR 52 Abb, 62. Gemmen mit Jüngling und Hirsch am Altar: FG 853–855; Furtwängler, AG I Taf. 22, 19, II 108, III 231; Pairault, a. O. 437 Abb. 2; Hauptquelle zu den Mythen ist Servius ad Aen. 2,116 (Orest und Iphigenie); 6,136 (Orest und Iphigenie, der Zweig); 7,761 (Hippolytos-Virbius). Abb. 375 Hüftherme des Priapus, länglicher Skarabäus, Karneol-Onyx, 2.04 cm, 2. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 94. Abb. 376 Odysseus mit Weinschlauch für Polyphem, länglicher Skarabäus, Karneol-Onyx, 1.63 cm, 2. Jh. v. Chr., Wien. Zazoff, ES 1968 Nr. 214 Taf. 41; AGWien I 1973 Nr. 93; Boardman, GGA 1981, 62. Vgl. Furtwängler, AG Taf. 27, 50 (= Winckelmann, Mon. ined. Nr. 158). Boardman neigt zu der Deutung von Winckelmann, nach welcher es sich um den Sack handelt, in den Aiolos die Winde eingeschlossen hat. Abb. 377 Sich wälzendes Pferd, von Skarabäus abgeschnitten (Bohrung erhalten), Karneol, 1.45 ccm, 3. Jh. v. Chr., Wien. Furtwängler, AG Taf. 17, 67; Zazoff, ES 1968 Nr. 1466; AGWien I 1973 Nr. 92. Abb. 378 Sportler, seine Wade schabend, Skarabäus, bläulicher Chalcedon, 1.56 cm, 1. Jh. v. Chr., Wien. Zazoff, ES 1968 Nr. 297 Taf. 55; AGWien I 1973 Nr. 95; Boardman – Scarisbrick 1977, 22 zu Nr. 26. Abb. 379 Zwei Krieger stützen einen verwundeten Hopliten, Nicolo-Glasgemme, hellblau auf schwarz, 1.79 cm, 3. Jh. v. Chr., Wien. Furtwängler, AG Taf. 23,3; AGWien II 1979 Nr. 732 („2. Jh. v. Chr.“ wohl zu spät). Abb. 380 Verwundeter Krieger, Karneol, H. 1.65 cm, 3. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 570; AGD II 1969 Nr. 334; Martini 1971, 91 Kat. 141 Taf. 28,2; Moret, Palladion 1997, 69 Anm. 2 (das Schildzeichen: Palladionraub?), 105 Anm. 4, 174 Anm. 1 Taf. 85 Abb. 118.

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XII. ITALISCHE UND RÖMISCHE GEMMEN

Abb. 381 Zwei Krieger führen einen Verwundeten (Aeneas?) aus der Schlacht, Sardonyx, 2.0 x 1.4 cm, 3. Jh. v. Chr., verschollen. Nach Abguß Cades Auswahl Bonn cl. 13,49 (Kasten II). Cades IV C 71. Das schönste Exemplar des Motivs: Karneol, einst Slg. Tyszkiewicz, Furtwängler, AG I Taf. 25,12, II 125, III 235 (Die Horatier, zur Schlacht eilend). Zur möglichen Deutung auf Aeneas s. folgende Abb. 382. Zur Gruppe eines Helfers mit einem Verwundeten u. zu Abb. 386. Abb. 382 Zwei Krieger führen einen Verwundeten (Aeneas?) aus der Schlacht, Karneol, Fragment, Bildhöhe 1.47 cm, 3. Jh. v. Chr., Bari. Nach Glaspaste in Würzburg, im Sinne des Abdrucks. Zazoff, HdArch 1983, 267 Anm. 41 Taf. 75,2. Glaspaste: Würzburg I 1986 Nr. 426 (zu spät datiert); Tamma, Bari 1991 Nr. 12. Dem Deutungsvorschlag: “Aeneas” (Würzburg a. O.) zustimmend: Maaskant-Kleibrink, Aeneas 141 (140 Abb 11 = Glasgemme Hannover mit dem gleichen Motiv, BdI 1834, 128 centuria IV 89; Furtwängler, AG II 115 zu Taf. 23,39; AGD IV Hannover Nr. 354; Zazoff, HdArch 1983, 296 Anm. 175 Taf. 86,7). Abb. 383 Othryadas, Nicolo, 1.48 cm, 2. Jh. v. Chr., Florenz. Nach Glaspaste in Würzburg. Zazoff, HdArch 1983, 265 Anm. 26 Taf. 70,2; Würzburg I 1986 Nr. 118; Tondo – Vanni 1990 Intagli Nr. 78. Abb. 384 Krieger beim Stieropfer, Karneol, 2.20 cm, (frühes?) 2. Jh. v. Chr., aus Slg.Maxwell Sommerville, Philadelphia PA, University of Pennsylvania Museum of Archaeology and Anthropology. Nach Glaspaste in Würzburg. Furtwängler, AG I Taf. 22, 55, III 243; Vollenweider, Porträtgemmen 1972/ 1974, 35, 68 Anm. 17 Taf. 27, 9; Berges, Sommerville 2002 Nr. 64 (spätes 3. / frühes 2. Jh. v. Chr.); Glaspaste: Würzburg I 1986 Nr. 121 (2. Jh. v. Chr.).Die Unterschiede zwischen Glaspaste und Original beim Altar und der Flamme erklären sich am ehesten durch eine Retusche, die der Glaspastenhersteller an einem als Patrize dienenden Abguß vorgenommen hat. Zur samnitischen Kriegertracht: F. Weege, Oskische Grabmalerei. Bewaffnung und Tracht der Osker, JdI 24, 1909, 99 – 141, 141-162; A. D. Trendall, Gli indigeni nella pittura italiota, Ausst. Taranto 1971 Nr. 44 – 66; Chr. Saulnier, L’Armée et la guerre chez les peubles samnites (VIIe–IVe s.) (1983) 59 – 80; G. Schneider-Herrmann,The Samnites of the Fourth Century B. C. as depicted on Campanian Vases and in other Sources (1996). Abb. 385 Zwei Krieger, quergestreifter Sardonyx, 1.71 cm, 2. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 623; Furtwängler, AG Taf. 23, 31; AGD II 1969 Nr. 339; Martini 1971, 96f. Kat. 129 Taf. 25, 4.5; Vollenweider, GGA 226, 1974, 225. Abb. 386 Odysseus und Diomedes beim Palladionraub, quergestreifter Sardonyx (weiß und elfenbeinfarben verfärbt), 1.76 cm., 2. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 692; Furtwängler, AG Taf. 23, 49; AGD II Nr.323; Moret, Palladion 1997 Nr. 92 Taf. 21. Vgl. AGD II 1969 Nr. 324; Platz-Horster, Xanten I Nr. 36. Im gleichen Bewegungsschema: Krieger führt einen Verwundeten vom Schlachtfeld: Martini 1971, 82 Kat. 102 Taf. 20,6 (kein griechisches Vorbild für die Komposition); AGWien II 1979 Nr. 733; Moret, Palladion 1997, 58 Anm. 5 (weitere Beispiele), 66 Anm. 3, 69 Anm. 1 u. 4 Taf. 83 Abb. 112. Abb. 387 Niobide, einen Bruder schützend, dunkler Karneol, Bildseite konvex, 3.3 cm, 2. Jh. v. Chr., einst Slg. Demidoff, Privatbesitz. Nach IGI I 74 BdI 1831, 108 centuria I 74 (Die Materialangabe “schwarzer Achat” ist ein verständlicher Irrtum, da es

ABBILDUNGEN 381–398

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sich um einen dunklen Karneol handelt); Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 69 Kat. 126 Abb. 124; Boardman – Wagner 2003 Nr. 356. Abb. 388 Jupiter, quergestreifter Sardonyx, 1.90 cm, 2. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 98. Abb. 389 Junger Krieger (Mars?), Karneol, beide Seiten leicht konvex, 2.68 cm, 2. Jh. v. Chr. Wien. AGWien I 1973 Nr. 114. Abb. 390 Die reitenden Dioskuren, unten: ROMA, Denar, Rückseite, Münzstätte in Etrurien(?), 209–208 v. Chr. London BMC Republic Italy 185; Hirmer, RM Taf. 9,24; Crawford Nr. 107/1b. Abb. 391 Achill, einen Troianer opfernd (?), quergestreifter Sardonyx, 2.06 cm, (frühes?) 2. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 483; AGD II 1969 Nr. 314 („1. Hälfte 3. Jh. v. Chr.“ zu früh); Martini 1971, 104 Kat. 148 Taf. 29, 3; Zazoff, HdArch 1983, 256 Anm. 254. Abb. 392 Amor, einen Helm betrachtend, opak und durchsichtig weiß quergestreiftes Glas, 1.58 cm, (frühes?) 2. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 741 (das Motiv dort verkannt). Abb. 393 Amor, aus einer Blüte emporsteigend, Bandachat, 1.60 cm, Ende 2./ Anfang 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2721. Abb. 394 Stoßender Stier, Karneol, 1.60 cm, Anfang 1. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6576; AGD II 1969 Nr. 428. Abb. 395 Reiher, an einer Trompetenmuschel pickend, weißlicher Chalcedon, 1.28 cm, 2. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 145. Abb. 396 Tropaeum, „Onyx“,1.41 cm, 2. Jh. v. Chr., einst Slg. J.-B. Casanova, jetzt St. Petersburg?. Nach Glaspaste, Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 140. Victoriati: Crawford II 628 – 630, im Stil ähnlich z. B. Crawford Nr. 132/1 (Münzstätte Rom, 194 – 190 v. Chr.) Abb. 397 Delphin und Spitzamphora, Karneol, rund DM 1.14 cm, 2. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 150. Abb. 398 Hercules in einer von einem Kentaurengespann gezogenen Biga, Denar des M. Aurelius Cota, Rückseite, 139 v. Chr. London BMC Republic Rome 914 – 917; Hirmer, RM Taf. 10,30; Crawford Nr. 229. Beispiele für Rundperlstil (außer an Tierbeinen): Crawford 32/1: 225–214 v. Chr., 95/1a: 211–208 v. Chr., 202/1b: 154 v. Chr., 238/1: 136 v. Chr., 248/4: 133 v. Chr., 265/1: 127 v. Chr., 371/1: 82–80 v. Chr.

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XII. ITALISCHE UND RÖMISCHE GEMMEN

Abb. 399 Hirte, einen Ziegenbock zum Altar führend, Karneol, 1.57 cm, 1. Hälfte 3. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 125. Abb. 400 Laufender Satyr, schwarzbrauner Jaspis, konvex, Inschrift: MAEN(ius) P(h)ILEMO, 1.24 cm, 2./1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1060. Abb. 401 Zwerg als Gladiator, Karneol, flach, Bild 1.02 cm, 1. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1125. Eine konvexe, runde amethystfarbene Glaspaste mit einem Zwerg als Schmied in diesem Stil stammt aus einem Grab in Volterra, das ca. 230/20 bis Mitte des 1. Jh.s v. Chr. belegt war: E. Fiume, StEtr 27, 1959, 259f. Nr. 54 Abb. 8; Zazoff, HdArch 1983, 264 Anm. 23. Abb. 402 Rinderherde, Karneol, flach, 1.33 cm, 2. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 133. Abb. 403 Kopf einer Göttin (wohl Diana), Karneol, flach, 1.47 cm, 1. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1078. Rundperl- und linearer Stil auf Münzen: Crawford Nr. 191/2, 194/2 (169–158 v. Chr., grob), 291/1, 306/1 (114 oder 113 v. Chr. und 108 oder 107 v. Chr., fein) Abb. 404 Kopf eines Kriegers oder des Mars, Sard, flach, 1.47 cm, 1. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. AGD II 1969 Nr. 405; Vollenweider, Porträtgemmen 1972/ 1974, Taf. 9,14. Abb. 405 Kopf eines jungen Mannes, Sard, stark konvex, Besitzerinschrift: C. AVFI, 1.22, Ende 2. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 349; CIL I2 3618 (H. Krummrey); Würzburg I 1986 zu Nr. 138. Abb. 406 Bildhauer und Herme, Nicolo, weiß auf schwarz, flach, 1.25 cm, Ende 2. /Anfang 1. Jh. v. Chr., Wien. Abguß. AGWien I 1973 Nr. 131. Abb. 407 Goldstater, Münzstätte Rom, 225 – 212 v. Chr., London a) Vorderseite: Janusförmiger Kopf der Dioskuren b) Rückseite: Eidopfer. Im Bodensegment: ROMA. BMC Republic, Romano-Campanian Nr. 75, 76; Crawford I Nr. 28/1, 29/1 II 715. Die Rückseite: A. Alföldi, Hasta summa imperiis, AJA 1959, 1 – 27, 20 –23 Taf. 6, 1-4; J. Bleicken, Coniuratio. Die Schwurszene auf den Münzen und Gemmen der römischen Republik, JNG 13, 1963, 51–70, 60f. Taf. 7, 1.2 (vgl. H. U. Instinsky, Schwurszene und Coniuratio, JNG 14, 1964, 83 – 87); Hirmer, RM Taf. 7,14; Simon, GdR 38 Abb. 41; Maaskant-Kleibrink, Aeneas 140 Abb. 10 („Aeneas und Turnus“ sc. Latinus?); E. Simon, Zur Lanx von Stráže: Szenen aus dem ersten Jahr der römischen Republik, in: G. Brands al. (Hrsg.) Rom und seine Provinzen. Gedenkschrift für Hanns Gabelmann. Beih. BJb 53 (2001) 189–196, 194f. Taf. 42, 2; E. Simon, Die Lanx von Stráže, Anodos. Studies of Ancient World 1, 2001, 197–207, 200 Abb. 3 re. Zum Thema: ThesCRA III (2005) 6. f. Eid, 237–246 (F. Graf). Zu Livius I 24, 3-9: R. M. Ogilvie, A Commentary on Livius Books 1 – 5 (1965, 21970) 110 – 112. Denar und Aureus, Rückseite, zwei Priester halten ein Ferkel über einem Altar, Umschrift: Foedus p[opuli] r[omani]

ABBILDUNGEN 399–415

401

qum Gabinis: BMCRepublic II 55 Anm. 2, 56 Nr. 4492, 4493 III Taf. 64, 18 (ca. 16 v. Chr., Münzmeister C. Antistius Vetus); II 98 Nr. 4660 Taf. 71,11 (ca. 8 v. Chr., Münzmeister C. Antistius Reginus). Zum Muskelpanzer: G. Waurick, Untersuchungen zur historisierenden Rüstung in der römischen Kunst, JbRGZM 30, 1983, 265 – 301 passim. Zum Charakter der Sabiner: Livius 1, 18, 1 mit Kommentar von Ogilvie; Aeneis 8, 638 mit Kommentaren von K. W. Gransden, Virgil Aeneid Book VIII (1976) und C. J. Fordyce, P. Vergili Maronis Aeneidos libri VII-VIII (1977); Vergil, Georg. 3, 531f.. Abb. 408 Eidopfer, braune Glasgemme, konvex, in Draufsicht rund, Dm 1.50 cm, H ca. 0.4 cm, Bildseite konvex, Rückseite flach, in modernem Goldring, Ende 3. Jh. v. Chr., Berlin. FG 1135; Furtwängler, AG Taf. 27,34. Replik (wohl gleiche Form) braune Glasgemme, Genf: Bleicken (zu Abb. 407) 62f. Nr. 6 Taf. 8, 17; Vollenweider Porträtgemmen 58, 61f.Taf. 40,1; Vollenweider, Genf II 1976/1979 Nr. 90 Taf. 88. Gleiche Stilrichtung: Berlin FG 1136, Bleicken a. O. Taf. 8, 18. Die Eidopferszene wird auf späteren Münzen (Bleicken a. O. Nr. 2 – 5 Taf. 7, 2 – 10; Taf. 8, 11 – 14, 15, 16) und Gemmen (Furtwängler, AG II 136 zu Taf. 27, 34; AGWien II 1979 Nr. 1098) wiederholt und variiert, wobei auch mit einer veränderten Bedeutung zu rechnen ist. Zum Eidopfer auf der Silber-Lanx von Stráže aus dem 2. Jh. n. Chr.: Simon (zu Abb. 407) mit Deutung auf Brutus und Poblicola. Abb. 409 Kniender Krieger mit Schwert, Sard, beidseitig konvex, in Draufsicht rund, Dm 1.28 cm, 3. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1972 Nr. 119. Abb. 410 Silen mit Ziege, Sard, flach (Form 8), 1.80 cm, 3. Jh. v. Chr., Boston 27.726. Abguß. Furtwängler, AG Taf. 20, 70; Beazley – Boardman, LHG Nr. 92; Richter, EG I 1968 Nr. 761. Abb. 411 Papposilen mit Bacchuskind, Sard, 2.0 cm, 3. Jh. v. Chr., London. Abguß. Walters 1926 Nr. 1024 Taf. 15. Abb. 412 Reiter auf steigendem Pferd, roter Jaspis, konvex, 1.90 cm, 2. Jh. v. Chr., verschollen. Nach Glaspaste, Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 127. Vgl. Crawford Nr. 239/1 (136 v. Chr.); Böhm 1997, 75 Taf. 29, 2 Abb. 413 Satyr mit Napf und Pedum, Karneol, konvex, 2.04 cm, Ende 2. Jh. v. Chr., verschollen. Nach Glaspaste, Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 103. Abb. 414 Odysseus als Bettler, Sard, flach, 1.56 cm, Ende 2. / Anfang 1. Jh. v. Chr., verschollen. Nach Glaspaste, Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 106. Abb. 415 Verwundete Amazone, Sosikles-Typus, Nicolo, blaugraue auf hellbrauner Schicht, 1.33 cm, Ende 2. / Anfang 1. Jh. v. Chr., Paris Cdm Inv. A 3966. Abguß. G. Platz-Horster, in: H. Beck – P. C. Bol – M. Bückling (Hrsg.), Polyklet. Ausst. Liebieghaus, Frankfurt a. M. (1990) 574f. Kat. 95. Zur Schulter vgl. Münzen: Crawford Nr. 287/1 (115/114 v. Chr.), Nr. 312/1 (106 v. Chr.).

402

XII. ITALISCHE UND RÖMISCHE GEMMEN

Abb. 416 Sitzender Faustkämpfer rechts ein fliegender Vogel (Taube?), dunkel-violett-braunes Glas, Bildseite konvex, 1.52 cm, Ende 2. /Anfang 1. Jh. v. Chr., Göttingen. Abguß. AGD III Göttingen Nr. 408; N. Himmelmann, Herrscher und Athlet (1989) 151 Abb. 58 a, b; W. Geominy – St. Feldmann, Zum Bronzenbild des sitzenden Faustkämpfers im Museo Nazionale Romano, Stadion XV 2, 1989, 139–165, 155 Abb. 9a, b (Entellus, dessen Kampf mit Dares beim Heiligtum der Venus Erycina stattfand, der die Taube heilig ist? Vgl. Vergil, Aeneis 5,362-484); J. Bartels, al., Sportschau. Ausst. AKM Bonn 17. Juni–31. Oktober 2004, 104 Abb. 79 zu Kat. 27 (W. Geominy). Abb. 417 Gefesselter Amor vor einem Tropaion, Sardonyx, stark konvex, 1.60 cm, Ende 2. Jh. v. Chr., verschollen. Nach Glaspaste, Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 98. Zum Thema: E. Simon, Der bestrafte Cupido und Psyche, Ktema 25, 2000, 143–148. Abb. 418 Philoktet, Karneol, 1.29 cm, 1. Hälfte 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 349; Furtwängler, AG Taf. 10,29; AGD II 1969 Nr. 397; N. Himmelmann, AA 1996, 475 Anm. 3. Deutung des Torso von Belvedere als Philoktet: A. Andrén, Opuscula Archaeologica 7, 1952, 1–45, bes. 33–45; E. Simon, Philoktetes - ein kranker Heros, in: H. Cancik – H. Lichtenberger – P. Schäfer (Hrsg.) Geschichte - Tradition - Reflexion. Festschrift für M. Hengel (1996) 15–39, 36–39. Abb. 419 Tod der Medusa, Karneol, Bildseite leicht konvex, längsdurchbohrt, 2.02 cm, 2. Jh. v. Chr., Slg. K. Müller, Bonn. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 25f. Kat. 54 Abb. 50. Abb. 420 Büste einer Dea Panthea, violette Glaspaste von einem unbekannten Original, Bild 1.15 cm, Ende 2. / Anfang 1. Jh. v. Chr., Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 102. Abb. 421 Büste eines Kithara spielenden Silen, bräunlicher Karneol, beide Seiten leicht konvex, 2.43 cm, spätes 2. – frühes 1. Jh. v. Chr., Slg. K. Müller, Bonn. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 26 Kat. 55 Farb-Abb. 6. Abb. 422 Porträt eines Priesters, Karneol, flach, 1.70 cm, Ende 3. / frühes 2. Jh. v. Chr., Paris Cdm. Nach Glaspaste in Würzburg. Richter, EG I 1968 Nr. 647; Würzburg I 1986 Nr. 136. Zum Stil vgl. Crawford Nr. 38/5, 39/2. Abb. 423 Gepanzerter Reiter, Amethyst, 2.60 cm, 3. Jh. v. Chr., verschollen. Nach Glaspaste, Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 125; Vollenweider, GGA 245, 1993, 50 (2. Jh. v. Chr., Aemilius Paullus?); Böhm 1997, 17 Taf. 7, 10. Abb. 424 Reiterkampf, Karneol, flach, 1.90 cm, 3. Jh. v. Chr., Berlin. FG 6498; AGD II 1969 Nr. 343; Vollenweider, Genf II 1976/1979, 163 Anm. 2 zu Nr. 165. Abb. 425 Reiterkampf, stark konvexer Sard, Bild 2.24 cm, Ende 4. / frühes 3. Jh. v. Chr., verschollen. Nach Glaspaste, Würzburg.

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 416–426

403

a) Ganzes Bild, b) u. c) Details Würzburg I 1986 Nr. 124; Vollenweider, GGA 245, 1993, 50 (3. Jh. v. Chr.); Böhm 1997, 18 Anm. 119. Hinweise zum Schild: Zwierlein-Diehl, 138. BWPr (1999), 47 Anm. 49. Abb. 426 Triton, rotbrauner Sard, 1.51 cm, 3. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 354; AGD II 1969 Nr. 217; Vollenweider, GGA 226, 1972, 224 („gehört... in den italischen Bereich, ja vielleicht jenen des Sextus Pompeius“. Was die Datierung angeht, zu spät); G. Platz-Horster, MüJb 46, 1995, 16 Abb. 20.

XIII – XVI. RÖMISCHE GEMMEN Literatur Allgemein

Furtwängler, AG III 289–371 Guiraud 1996 Maaskant-Kleibrink, M., A Survey of Glyptik research in publication during 1960–1968, BABesch 44, 1969, 166–180 passim Maaskant-Kleibrink, M., A Critical Survey of Studies on Glyptik Art published between ca. 1970–1980, BABesch 58, 1983, 145–177 passim Sena Chiesa – Facchini 1985 Sena Chiesa, Opus et materia: pietre, serie iconografiche e variazioni di gusto nella glittica di età romana, in: PACT 23, 1989 [1993], 281–299 Zazoff, HdArch 1983, 260–348

Griechische Gemmenschneider in Rom

Furtwängler, Künstlerinschriften Moret, J.-M., Le problème des faux en glyptique: À propos de l’hermès de Dioskouridès et du scarabée avec Laocoon, CRAI 1995, 173–189 Plantzos 1999, 92–97. Richter, EG II 1971, 129–153 Vollenweider, Steinschneidekunst Vollenweider, GGA 238, 1986, 176–178, 183–185 Zazoff, HdArch 1983, 281–290, 316–323 Zwierlein-Diehl 1980, 30–37; Würzburg I 1986, 24–28, 93–118; Meistergemmen 1988; AA 1990 Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 339–341

Politische Symbole

Gagetti, E., Due anelli da vecchi scavi e l’iconografia glittica dell’ „anello dell’adozione“. Una nota, in: Sena Chiesa, Modello romano 129–150 Guiraud 1996, 115–133 Hekster, Hercules, Omphale, and Octavian’s „Counter-Propaganda“, BABesch 79, 2004, 159–166

404

XIII.–XIV. RÖMISCHE GEMMEN

Laubscher, H.P., Motive augusteischer Bildpropaganda, JdI 89, 1974, 242–259 Maderna-Lauter, C., Glyptik, in: Kaiser Augustus 1988, 441–473 Schneider, R.M., Augustus und der frühe römische Triumph, JdI 105, 1990, 167–205 Sena Chiesa, Ottaviano capoparte Sena Chiesa, Arte e Prestigio 2003 Vollenweider, Porträtgemmen, passim Weiß, C., Virgo, Capricorn und Taurus. Zur Deutung augusteischer Symbolgemmen, JdI 109. 1994, 353–369

Fundgemmen

Borhy, L. – Számadó, E., Gemmák, Gemmás Gyürük És Ékserek Brigetóban. Acta Archaeologica Brigetionensia I 4 (2003) Buora, M. – Prenc, F. (Hrsg.), Gemme romane da Aquileia / Römische Gemmen aus Aquileia.Ausst. Walheim (Ldkrs. Ludwigsburg) 1996 Chaves Tristan, F. – Casal Garcia R., Problematica de la glitica en España: estado de la cuestion, in: PACT 23, 1989 [1993], 313–331 Dembski, Carnuntum 2005 Dimitrova-Milčeva, Die Gemmen und Kameen vom unteren Donaulimes in Bulgarien, BJb Beih. 38, 283–287 Gesztelyi, T., Vésett ékkövek Pannoniában (Geschichte der Gemmen in Pannonien) (1998) Gesztelyi, UNM 2000, 5–12 Gesztelyi, T., Gemstones and Finger Rings from Brigetio. Collections of the Kuny Domokos Museum of Tata 6. (2001) Gesztelyi, T., Luxus Gemmarum. Római kori vésett ékkövek Brigetióbol. Antike Gemmen von Brigetio. Ausst. Ungarisches Nationalmuseum 5. 11. 2004–31. 1. 2005 (2004) Guiraud 1988 Guiraud, H., Intaglios from Dura-Europos, Yale University Art Gallery Bulletin 44, 1992, 48–85 Guiraud, H., Intailles gallo-romaines découvertes en Alsace, Cahiers alsaciens d’archéologie, d’art et d’histoire 48, 2005, 31–52 Hamburger, A. Gems from Caesarea Maritima, Atiqot 8 (Jerusalem 1968) Henig, Corpus 1978 Henig, M. – Whiting, M., Engraved Gems from Gadara in Jordan. The Sa’d Collection of Intaglios and Cameos (1987) Krug, Fundgemmen I–IV Krug, Köln 1981 Mandrioli Bizzarri, A. R., Gemme antiche da Claterna (Bo) al Museo Civico Archeologico di Bologna, in: PACT 23, 1989 [1993], 217–238 Middleton, Sh. H., Engraved Gems from Dalmatia (1991) Platz-Horster, Bonn 1984 Platz-Horster, Xanten I 1987, II 1994 Roscam, P., Bull. de l’Institut Historique Belge de Rome 43, 1973, 11f. Anm. 2 Schmidt, E. M., Gemmen und Glaspasten in der Prähistorischen Staatssammlung, München, Bayerische Vorgeschichtsblätter 36, 1971, 216–244 Sena Chiesa, Aquileia 1966 Sena Chiesa, G. (Hrsg.), Gemme di età romana da scavo in Italia Settentrionale (in Arbeit) Sena Chiesa, G., Glittica Padana. Gemme incise e impressioni di gemme in Calvatone-Bedriacum, in: Sena Chiesa, Modello romano 15–42 Sena Chiesa, Luni 1978, 17–26 Sena Chiesa – Facchini 7–14 Zazoff, HdArch 1983, 261–268; 307–314

LITERATURHINWEISE

405

Fundgemmen aus datierten Kontexten (Auswahl)

D’Ambrosio, Oplontis (bis 79 n. Chr.) Bordenache Battaglia, G., Corredi funerari di età imperiale e barbarica del Museo Nazionale Romano (1983) I, II, VI, VII, XII (1. Jh. v.–2. Jh. n. Chr.) Dembski, G., Die Minervabüste auf einer Karneolgemme aus St. Pölten, in: P. Scherrer, Landeshauptstadt St. Pölten. Archäologische Bausteine, Öster.Arch.Inst. Sonderschr. 22 (1991) 97f. ( 3.– 4. Jh. n. Chr.) Dimitrova-Milčeva 1980, 7–10 u. passim (1. Jh. v.–4. Jh. n. Chr.) Egger, R. – Kenner, H., Carinthia I 146, 1956, 67 Abb. 49; 148, 1958, 122 Abb. 45; 151, 1961, 123f. Abb. 67; 159, 1969, 340–353 (Magdalensberg, ca. 20 v. Chr.–frühclaudisch) Franzius, Beschläge einer Gladiusscheide und Teile eines cingulum aus Kalkriese, Landkreis Osnabrück, Germania 77, 1999,567–608 (Datum der Schlacht: 9 n. Chr.) Gonzenbach, Vindonissa 1952 (1. Jh. n. Chr.) Guiraud 1988 (passim, 1. Jh. v.–3. Jh. n. Chr.) Henig, Corpus 1978 (passim, 1.–3. Jh. n. Chr.) Henig, Bath 1988 (2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) Johns, C., in: C. Johns, al., The Snettisham Roman Jeweller’s Hoard (1997) 85–99 (Schlußmünze 155 n. Chr.) Kühlborn, J. S., in: Kaiser Augustus 1988, 599f. Nr. 442–449 (Oberaden 11–8/7 v. Chr., Haltern bis 9 n. Chr.) Maaskant-Kleibrink, Velsen 1980 (Velsen I: ca. 15–55 n. Chr. u. 3. Jh. n. Chr.; II: ca. 40–68 n. Chr.) Maaskant-Kleibrink, Snettisham 1992 u. 1997 (Schlußmünze 155 n. Chr.) Noll, R., Ein Verwahrfund aus Seewalchen am Attersee, Oberösterreich, ÖJh 39, 1952, 61–70 (Schlußmünze 229 n. Chr.) Noll, R., Das römerzeitliche Gräberfeld von Salurn (1963) Taf. 14, 15 (Belegdauer Mitte 2.–Mitte 4. Jh. n. Chr.) Pannuti I 1983 (Vesuvstädte, bis 79 n. Chr.) Platz-Horster, Bonn 1984 (passim, 2.–3. Jh. n. Chr.) Riha, E., Der römische Schmuck aus Augst und Kaiseraugst. Forschungen in Augst 10 (1990) (Anfang 1. Jh.–3./4. Jh. n. Chr.) Simonett, Chr., Tessiner Gräberfelder (1941) Taf. 14,1–10 (ca. 100 v.–37 n. Chr.) Steiger, R., Gemmen und Kameen im Römermuseum Augst, AntK 9, 1966, 29–49 (1.–3. Jh. n. Chr.) Trummer, R., Gemmae Aguntinae, ÖJh 53, 1981/82, 190–210 (Nr. 1–4 vorflavisch) Ulbert, G., Römische Gemmen und Glaspasten vom Auerberg, Bayerische Vorgeschichtsblätter 35, 1970, 83–94 (ca. 10–50 n. Chr.) Zienkiewicz, Caerleon 1986 (vier Gruppen, ca. 75–85, 85–100/110, 100/110–160, 160–230 n. Chr.)

Tonabdrücke aus dem Nomophylakeion in Kyrene

(96 /75 v. Chr.(?) bis nach 89–96, 115–117 (?) n. Chr.) G. Maddoli, Le cretule del Nomophylakeion di Cirene, Annuario della Scuola Archeologica di Atene 41–42 (n. s. 25–26), 1963–64, 39–145 D. Salzmann, Porträtsiegel aus dem Nomophylakeion in Kyrene, BJb 184, 1984, 141–166. Plantzos 1999, 28f.

Gemmenabdrücke auf Keramik

Grassi, M. T., Ceramica a vernice nera con impressioni di gemme da Calvatone-Bedriacum, in Sena Chiesa, Modello romano 43–58 Grünewald, M., Ein Keramikfragment mit Gemmenabdrücken aus Traismauer (Niederösterreich), Bayerische Vorgeschichtsblätter 45, 1980, 227f.

406

XIII.–XIV. RÖMISCHE GEMMEN

Heres, G., Tonlampen mit Gemmenabdruck, FuB 12, 1970, 137–139 Volonté, M., Terra sigillata con impressioni di gemme da Calvatone-Bedriacum, in Sena Chiesa, Modello romano 59–72 Wynia, S.L., Ein Terra-Sigillata-Boden mit Gemmenstempel aus Vechten, Berichten van de Rijksdienst voor het Oudheidkundig Bodemonderzoek 19, 1969, 279–281 (mit Liste der Gemmenstempel auf römischer Keramik)

Stile

AGWien I 1973, 13–17, III 1991, 8–12 (mit Konkordanz der deutschen Stilbezeichnungen mit den englischen von M. Maaskant-Kleibrink, den italienischen von G. Sena Chiesa, den französischen von H. Guiraud) Guiraud 1988, 48–60 Guiraud 1995, 367–370 (Stilbezeichnungen französisch, englisch [Maaskant], lateinisch) Guiraud 1996, 66–75 Maaskant-Kleibrink, The Hague 1978, 124–345 Platz-Horster, Xanten I 1987 XXVII–XXIX; II 1994, 33–40 (Vergleichende Tafeln zu Stil und Material der antiken Gemmen aus Xanten Band I und II)

Werkstätten

AGWien II 11, 414; III 1991, 15f., 361 Dimitrova-Milčeva, A., Die Gemmen und Kameen vom unteren Donaulimes in Bulgarien, in: Studien zu den Militärgrenzen Roms II. 10. Internat. Limeskongr. in der Germania Inferior. BJb Beih. 38 (1977) 283–287; vgl. Dimitrova-Milčeva 1980, 13f. (Novae) Gesztelyi, UNM 2000, 18–22 Guiraud 1996, 76–78 Krug, Trier 1995, 189–192 Platz-Horster, Xanten I 1987, XXIX–XXXII, II 1994, 40 Sena Chiesa, Aquileia 1966 Sena Chiesa, Luni 1978, 17f. Sena Chiesa–Facchini 1985, 10–14 Tudor, D., Pietre gravate descoperite La Romula, Apulum 6, 1967, 209–229

Juweliere

Pompeji: Gemmen aus dem Haus des Pinarius Cerialis (Regio III 4,4): V. Spinazzola, Pompei alla luce degli scavi nuovi di via dell’Abbondanza (1953) 689–709, die Gemmen: 708f. Abb. 677, 678 (Gemmenwerkstatt); U. Pannuti, Pinarius Cerialis gemmarius Pompeianus, BdA 60, 1975, 178–190 (Gemmenwerkstatt); Pannuti I 1983 Nr.3 u. 4 (gleiche Hand), 7, 31, 32, 51, 54, 71, 74, 92, 93, 104, 122, 142, 148, 157, 165, 168, 170, 176, 188, 195, 215, 217, 261, 270, 274, 325, 335, 337; Zazoff, HdArch 1983, 266 (Gemmenwerkstatt), Sena Chiesa – Facchini 1985, 11 Anm. 65 (gemmarius). AGWien III 1991, 15 Anm. 37 (Juwelier); A. Krug, Gymnasium 99, 1992, 88 (Händler). Pompeji: Gemmen aus der „casa del Gemmario“ (Regio II 9,2): A. d’Ambrosio – E. De Carolis (Hrsg.), I monili dall’ area Vesuviana (1997) 21, 48–51 Nr. 113–123 Taf. 10–11. Herculaneum: Gemmen aus der „casa del Gemmario“ (früher: „casa della ricamatrice“), Insula orientalis II 10: Pannuti I 1983, Nr. 8, 43, 49, 55, 75, 83, 90, 98, 128, 130, 147, 153, 154, 181, 249, 267, 338, 340, 348; A. Maiuri, Ercolano. I nuovi scavi (1927–1958) I (1958) 463f. Taf. IV a u. XL; P. G. Guzzo – A. Wieczorek (Hrsg.), Pompeji. Die Stunden des Untergangs. Ausst. Riess-Engelhorn-Museen, Mannheim 2005, 53–55 (T. Rocco).

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT Abbildungen Abb. 427 Männliches Porträt, T. Quinctius Flamininus (Vollenweider), Granat, signiert von Daidalos, ΔΑΙΔΑΛΟC, 2.6 cm, frühes 2. Jh. v. Chr., aus Slg. de Clercq, Paris, Cdm. De Ridder, De Clercq 1911 Nr. 2854; Vollenweider, Porträtgemmen 70–72 Taf. 44, 45,1; Cdm II 2003 Nr. 2. Münzporträt des Flamininus: Vollenweider, Porträtgemmen Taf. 45,3; Hirmer, GM Taf. 175, 579. Abb. 428 Kithara spielender Achill, Amethyst, signiert von Pamphilos, ΠΑΜΦΙΛΟΥ, 1.7 cm, 1. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Paris, Cdm. Nach Cades, Incisori 108. Chabouillet Nr. 1815; Stosch 1724 Taf. 47; Furtwängler, AG Taf. 49,18; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 27 Taf. 16,6–8; Richter, EG II 1971 Nr. 686; G. Heres, Der leierspielende Achill. Studien zu einem römischen Gemmenmotiv, Eirene 11, 1973, 99ff. Taf. A 1. Kopie des frühen 18. Jh.s: Würzburg I 1986 Nr. 870. Die „Medusa des Pamphilos“ halte ich für modern: Würzburg I 1986, 115f. zu Nr. 155; ZwierleinDiehl, Künstlerinschriften 340 Anm. 142. Abb. 429 Asklepios und Hygieia, Karneol, signiert von Heios, ΗεΙΟV, 1.90 cm, etwa 60–50 v. Chr.; aus Slg. Franz von Timoni, 1865. Wien. Abguß. AGWien I 1973 Nr. 205; Würzburg I 1986, 41 Anm. 131 u. a.; Weltkunst 23, 1988, 3646 Abb. 1. Simon, GdR 21 Abb. 12; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 541; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 341f. Abb. 430 Diomedes und Odysseus mit dem gefangenen Dolon, Sard, signiert von Heios, ΗεΙΟV, 1.5 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., aus Slg. Blacas, London. Nach Abguß Cades, Incisori 66. Walters 1926 Nr. 965. Richter, EG II 1971 Abb. 298; Moret 1997, 125f. Anm. 3 Taf. 99 Abb. 190. Replik in Boston: Beazley – Boardman, LHG Nr. 110. Abb. 431 König Kodros, dunkelviolette Glasgemme, auf der Binde: ΚΩΔΡΟΣ ΒΑΣΙΛΕVΣ, signiert von Heios, ΗεΙΟV, 2.1 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Heidelberg, Archäologisches Institut. Hampe, Neuerwerbungen 1971, 111–117 Nr. 147 Taf. 109; Zazoff, HdArch 1983, 341 Anm. 278 Taf. 109,2 (Datierung in hadrianische Zeit, ebenso für Taf. 109,3.4 und Aspasios, s. jedoch u. Abb. 435, 436 u. M. Henig, ClR 35, 1985, 165); Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3646 Abb. 6; S. Höcker – L. Schneider, Phidias (1993) 46; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 341f. mit Anm. 154; Boardman, WAA 2006, 232, 255 Abb. 442b. U.Kron, Die zehn attischen Phylenheroen, AM 5. Beih. (1976) 221f. lehnt die Beziehung auf das Marathon-Weihgeschenk ab, weil das Vorbild der Gemme gegen Ende des 5. Jh.s zu datieren sei. Die erwähnten hellenistischen Züge lassen jedoch eine Feindatierung des Vorbildes nicht zu. Zum Marathon-Weihgeschenk: V. Strocka, Künstlerlexikon der Antike II (2004) 214f. s. v. Pheidias. Kopie (der zugrundeliegenden Steingemme?): Daktyliothek Poniatowski Nr. 313, Berlin, Platz-Horster, Calandrelli Taf. 16. Abb. 432 Diana und Hirsch, Karneol, signiert von Heios, ΗεΙΟV, 1.9 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., aus Slg. Carlisle 1890, London. Nach Abguß Cades, Incisori 68.

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

Stosch 1724 Taf. 36, nach Glaspaste in seinem Besitz (später im British Museum: A. H. Smith, A Catalogue of Engraved Gems in the British Museum [London 1888] Nr. 765); Furtwängler, AG I Taf. 22,41, II 109; Dalton, Postclassical Periods 1915 Nr. 596 Taf. 21; Vollenweider, Steinschneidekunst 18 Anm. 13 Taf. 8,4; dies., Genava n. s. XVIII/1, 1970, 53 Anm. 21; Hampe, Neuerwerbungen 1971, 116 Taf. 108, 1; LIMC II Artemis/Diana Nr. 225*. Dalton datiert den Karneol in das 18. Jh. in der irrigen Annahme, der Stein kopiere die Glaspaste Stosch in Berlin (Furtwängler Beschreibung 1896 Nr. 9744); diese ist vielmehr ebenso wie die Glaspaste ex Stosch in London ein Abdruck des Karneols, der zu Stoschs Zeit verschollen war, s. Furtwängler, a. O., den Dalton nicht zitiert. Eine erneute Prüfung des Originales bestätigte die von Furtwängler, AG, mitgeteilten Beobachtungen, mit denen er seine frühere Auffassung (Künstlerinschriften 273f.), die Inschrift sei modern, korrigiert. Der Rand der Gemme ist modern nachgeschliffen, der (auf dem Abguß noch vorhandene) Strichrand nur unter dem Bodensegment und (am Original rechts) bis in Höhe der Brust des Hirsches erhalten. Die ganze Oberfläche, einschließlich des Bodesegments mit der Inschrift ist überpoliert, um Beschädigungen zu beseitigen, von denen kleine Reste dennoch erhalten sind. Zu verschiedenen Schreibweisen von Signaturen, s. u. zu Abb. 435. Nach dieser früh bekannten Signatur wurden andere Heios-Inschriften gefälscht, so auf zwei modernen Kopien der Medusa des Solon in Leningrad, bei Hampe, a. O. (bei Abb. 431) Taf. 108,5.6. Möglicherweise echt ist die ΗΕΙΟΥ-Signatur auf einem verschollenen antiken Nicolo mit Büste der Athena Lemnia, Cades, Incisori 67; Furtwängler, AG Taf. 32,32; R. Hampe, a. O. 116 Nr. 2 Taf. 108. Ein sicheres Urteil wäre nur anhand des Originales möglich, zumal beim Cadesabguß die Möglichkeit besteht, daß die Inschrift in der Matrize nachgraviert wurde, vgl. Würzburg I 1986 zu Nr. 148. Abb. 433 Mädchen am Brunnen, quergestreifter Sardonyx, dunkelbraun mit weißem Streifen, 1.77 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Wien. a) Original, b) Abguß AGWien I 1973 Nr. 295 (der Gestus der erhobenen Hand dort verkannt). Beazley führt das Motiv auf ein Gemälde oder Marmorrelief des 5. Jh.s zurück, Beazley – Boardman, LHG Nr. 134. Abb. 434 Hermes, quergestreifter Sardonyx, dunkelbraun mit weißem Streifen, 1.18 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Wien. a) Original, b) Abguß AGWien I 1973 Nr. 185. Abb. 435 Porträtbüste eines vornehmen Barbaren, Karneol, signiert von Aspasios, ΑΣΠΑΣΙΟΥ, 1.76 cm, ca. 60–50 v. Chr., Gift of Rupert L. Joseph, 1950, New York 50.43. Abguß. Richter, New York 1956 Nr. 493 (Aspasios II, 2. Jh. n. Chr.); Vollenweider, Steinschneidekunst 30f. Taf. 21,1–3; Richter, EG II 1971 Nr. 645; Zazoff, HdArch 1983, 323 Taf. 96,6 (wie Richter); Würzburg I 1886, 99/4 zu Nr. 144; G. Bordenache Battaglia, La gemma di Aspasios, Bollettino di Numismatica s. I 8, 14-15, 1990, 219–248, 241–246 (Aspasios I, Ende 2./Anfang 1. Jh. v. Chr.); Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 341. Während die Sigmata der späteren Signaturen sichelförmig sind, haben sie hier die vierstrichige Form (die Endpunkte der Hasten sind durch Rundperlpunkte markiert, die sehr dünnen, bei Richter EG II 1971 Nr. 645 nicht erkennbaren Schräghasten sind am Original sichtbar). Mit Vollenweider halte ich diese Gemme für das früheste Werk des Meisters, der auch die Athenabüste, Abb. 436, die Bacchusherme und die Sarapisbüste schuf. Auch Solon wechselt vom vierstrichigen zum runden Sigma. Abb. 436 Büste der Athena Parthenos des Phidias, roter Jaspis, signiert von Aspasios, ΑCΠΑCΙΟΥ, 3.0 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr.; einst Slg. Rondanini, dann Kardinal Ottoboni (†1740), vor 1760 in der kaiserlichen Slg. in Wien

ABBILDUNGEN 433–441

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(Winckelmann). Mußte als angeblich italienischer Besitz aufgrund des Friedensvertrages von St. Germain 1921 an Italien abgegeben werden. Rom, Museo Nazionale Romano (Medagliere), Palazzo Massimo. Winckelmann, Description cl. 2,190 (Glaspaste Stosch); Vollenweider, Steinschneidekunst 31 Taf. 22,3.4; Richter, EG II Nr. 642 (Aspasios I, augusteisch); Zazoff, HdArch 322 Taf. 96,1 (Aspasios I, hadrianisch); M. Guarducci, Epigrafia Greca III 522ff. Abb. 213 a.b; Würzburg I 1986, 99/1 zu Nr. 144; Bordenache Battaglia, a. O. (bei Abb. 435) 219–248 (Aspasios II, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr.). Zur Geschichte: Eichler – Kris 1927, 16 Anm. 4; Oberleitner 1958, 29f.; A. Bernhard-Walcher in AGWien III 1991, 37; Bordenache Battaglia, a. O. Abb. 437 Nike/Victoria mit Quadriga emporschwebend, Kameo, Sardonyx, weiß auf hellbraun, signiert von Rufus (über dem obersten Pferdekopf), ΡΟΥΦΟC εΠΟεΙ, 2.5 cm, 50–40 v. Chr., St. Petersburg. Vollenweider, Steinschneidekunst 28f. Taf. 19,1.2; Richter, EG II 1971 Nr. 689; Neverov, Cameos 1971 Abb. 37; Neverov, Kamei 1988 Nr. 33; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 540f.; Kagan – Neverov, Catherine II Nr. 88/38. Abb. 438 Nike/Victoria mit Quadriga emporschwebend, Karneol, 2.56 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 214, III 1991, 317. Abb. 439 Victoria in einem von zwei Pferden gezogenen Streitwagen, Kameo, Sardonyx, weiß auf braun, signiert von Sostratos, CΩCΤΡΑΤΟV, 2.36 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., einst Slg. Kardinal Pietro Barbo (Papst Paul II.), dann Lorenzo Medici, Neapel. Nach Glaspaste in Würzburg. Furtwängler, AG Taf. 57,5; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 33 Anm. 39; 34 Anm. 48 Taf. 26,1.2; Richter, EG II 1971 Nr. 700; T. Ritti, in Tesoro di Lorenzo 1973, 44f. Nr. 7 Abb. 2; Würzburg I 1986 Nr. 16; Pannuti II 1994 Nr. 148. Zum Motiv: W.-R. Megow, BJb 186, 1986, 475ff. Nr. 10. Abb. 440 Eros mit Pantherbiga, Kameo, Sardonyx, elfenbeinfarbene auf durchscheinend hellbrauner Schicht, signiert von Sostratos, CΩCΤΡΑΤΟV, H 1.6 cm, B noch 1.8 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., London. Furtwängler, AG Taf. 57,7; Walters 1926 Nr. 3462; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 33 Taf. 24,1–3; Richter, EG II 1971 Nr. 701; Würzburg I 1986, 56/2. Eros/Amor mit Panthergespann: Glasgemme, Kopenhagen, Furtwängler, AGTaf. 36,12; Sarkophag, München und Relief, Vatikan, F. Matz, Die dionysischen Sarkophage, ASR IV 2 (1975) 199ff. Nr. 84, 84A Taf. 98,2; 99,1; 102. Während das Gespann auf dem Kameo einen Renn- oder Streitwagen zieht, ist es auf den Reliefs ein langestreckter Wagen, in dem Selene sitzt und ein Amor mit Fackel steht; eine solche Ergänzung kommt für den Kameo aus Platzgründen nicht in Frage. Die beiden Sostratos-Kameen gehörten zu einer Reihe von Kameen, die L. Curtius, Falsche Kameen, AA 1944/45, 2–18, dem Matz, a. O. folgt, als RenaissanceArbeiten bestimmt hat. Zu Unrecht, wie sich von Fall zu Fall herausstellte: S. M. Waulina, Klassische und frühhellenistische Elemente auf antiken Kameen der Staatlichen Ermitage, Trudy Gosudarstvennogo Ermitaža 7, 1962, 232ff. (russ. m. deutscher Zusammenfassung); Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 32 Anm. 38; 34 Anm. 48; 35 Anm. 52; Würzburg I 1986, 42 Anm. 155; Nr. 16, 17. Abb. 441 Victoria, einen Stier opfernd, Karneol, signiert von Sostratos, CΩCΤΡΑΤΟV, 1.1 cm, um 20 v. Chr., Slg. Stosch, Carlisle, London. Nach Glaspaste in Würzburg. Natter, Traité 1754 45f. Taf. 29 (... il n’y a point de doute qu’un habile homme qui fait des reliefs parfaitement bien dessinés & executés, ne soit capable de graver aussi en creux, & qu’un bon Artiste en creux ne puisse aussi réussir à graver en relief, ...); Furtwängler, AG Taf. 49,19; Dalton, Postclassical Periods 1915 Nr. 770; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 36 Taf. 27,2.8; Richter, EG II 1971 Nr. 702; Würzburg I 1986, 56/5, Nr. 156 u. Taf. 175,46. Daß Meister der Gemmenschneidekunst sowohl Intaglien wie Kameen schnitten, betont

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

Vollenweider, GGA 238, 1986, 177, 183f. contra Zazoff, HdArch 1983, 290. Aurei mit stieropfernder Victoria: BMC Republic II 550 Nr. 308 Taf. 119,9; Hirmer, RM Taf. 34,138. Abb. 442 Mysterienweihe von Eros und Psyche, Kameo, blass braune auf schwarzer Schicht, signiert von Tryphon, ΤΡΥΦΩΝ εΠΟεΙ, 4.5 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., aus Slg. P. P. Rubens, Marlborough, Boston 99.101, H. L. Pierce Fund. Furtwängler, AG Taf. 57,11; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 36f. Taf. 28,1; M. van der Meulen, Petrus Paulus Rubens Antiquarius (1975) 84–85; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 342; Boardman, Marlborough Nr. 160. Abb. 443 Artemis, ein Altarfeuer entzündend, Amethyst, signiert von Apollonios II, ΑΠΟΛΛΩΝΙΟΥ, 2.57 cm, Mitte bis 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Neapel. Nach Glaspaste in Würzburg. J. Spon, Miscellanea eruditae Antiquitatis ...(Lyon 1685) 122 (= hier Abb. 881); Furtwängler, AG Taf. 49,8; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 43 Anm. 36, 63 Anm. 83 Taf. 37,1.3; Richter, EG II 1971 Nr. 639; Zazoff, HdArch 1983, 206 Anm. 82 Taf. 53,8; Würzburg I 1986 Nr. 143 u. Taf. 169 Abb. 22–24; Jaffé, Aspects 1993, 104 Abb. 40 (Zeichnung von Rascas de Bagarris, Kopie nach Alphonse Chacon ca. 1590, Paris, Bibliothèque Nationale, NAL Vol. 4232 p. 75); 108f. Abb. 51; Pannuti II 1994 Nr. 72. Abb. 444 Theseus als Sieger über den Minotauros, Horizontal geschichteter Sardonyx, signiert von Philemon, ΦΙΛΗΜΟΝΟC, 2.50 cm, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Wien. Stosch 1724 Taf. 51; Furtwängler, AG Taf. 49,22; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 44 Taf. 40,2.6; Richter, EG II 1971 Nr. 721; AGWien I 1973 Nr. 489; Zazoff, HdArch 1983, 287f. Anm. 129 Taf. 81,5; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3648, 3651 Abb. 30. Zum statuarischen Vorbild: G. Horster, Statuen auf Gemmen (1970) 91ff.; J. Boardman, Griechische Plastik. Die klassische Zeit (1987) 114 Abb. 72. Abb. 445 Herakles und eine Nymphe, Amethyst, signiert von Teukros, ΤεΥΚΡΟΥ, 2.5 cm, letztes Viertel 1. Jh. v. Chr., aus Slg.Peiresc, Andreini, Florenz. Stosch 1724 Taf. 58; Furtwängler, AG Taf. 49,25; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 43 Taf. 37,3–5; Richter, EG II 1971 Nr. 705; AGWien I 1973 zu Nr. 542 Taf. 92; Zazoff, HdArch 1983, 288 Anm. 131 Taf. 81,6; Würzburg I 1986, 25 Nr. 157; Tondo – Vanni 1990, Intagli Nr. 29; Jaffé, Aspects 1993, 112f. Abb. 63; M. van der Meulen, Nicolas-Claude Fabri de Peiresc and Antique Glyptic, in: Brown 1997, 198, 212, 218 App. 1.12.12 (Brief von Rubens an Peiresc, ca. 1635); Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 323, 325. Abb. 446 Kopf der Medusa, Chalcedon signiert von Solon, ΣΟΛΩΝΟΣ, 3.0 cm, 70–50 v. Chr., London. Nach Glaspaste in Würzburg. Walters 1926 Nr. 1829; Vollenweider, Steinschneidekunst 47ff. Taf. 45,1. 2; Richter, EG II 1971 Nr. 694; Zazoff, HdArch 1983, 319 Taf. 93,4; Würzburg I 1986 Nr. 153 u. Taf. 172,35, 36, 39; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3647 Abb. 9, 3649; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 544; Spier, Hellenistic Gems 1991, 92f. Taf. 10,4; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 338 Anm. 116. Ciceroporträt des Solon: Würzburg I 1986, 114,2; AGWien III 1991 Nr. 2615; Zwierlein-Diehl, Antikisierende Gemmen 374–377. Hier Abb. 942. Abb. 447 Büste einer Mänade, einen Thyrsos schulternd, antike violette Glasgemme, signiert von Solon, CΟΛΩΝ, Oberfläche korrodiert, 2.5 cm, 30–20 v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. Nach Abguß Reinhardt – Stosch cl. 2, 1533. FG 6269; Furtwängler, Künstlerinschriften 165–167; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 47ff. Taf. 51,2; Richter, EG II 1971 Nr. 697; Zazoff, HdArch 1983, 319 Anm. 85 Taf. 93,5; Würzburg I 1986, 114/5; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3647 Abb. 10, 3649; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 544; Spier, Hellenistic Gems 1991, 94 Taf. 10, 8.

ABBILDUNGEN 442–452

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Abb. 448 Büste der (Octavia-)Diana, großer brauner, quergestreifter Sard, Schau- oder Schmuckstück, 5.6 cm, um 30 v. Chr., Aus Slg. Arundel, Slg.Marlborough. London GR 1954.11–6.1. Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 53ff. Taf. 51,3; 52,1 (Zuweisung an Solon); Boardman, GGFR 365, Farbtaf. 363,1; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3647 Abb. 11, 3649; LIMC II Artemis/Diana Nr. 190*; Spier, Hellenistic Gems 1991, 94 Taf. 10,9; Boardman, WAA 2006, 255 Abb. 442c. Die von Vollenweider als Alternative erwogene Deutung auf die Augustustochter Iulia (39 v. Chr.–14 n. Chr.) ist auszuschließen, da der Intaglio nicht ein 9 bis äußerst 12jähriges Mädchen darstellen kann. Allerdings steht es in der Tradition dieser Angleichung an die Göttin, wenn Iulia auf späteren Denaren als Diana dargestellt wird: BMC Empire I 21, 104 Taf. 4,2 (13 v. Chr., C.Marius). – Die Zuweisung eines langhaarigen Jünglingskopfes mit Siegerbinde („Apollo“) im Anschluß an die Diana, Spier, Hellenistic Gems 1991, 94f. Taf. 10,6.7, leuchtet wegen des unterschiedlichen Haar- und Gewandstiles nicht ein. Abb. 449 Büste des Octavian-Mercur, großer Achat, Fragment, Schau- oder Schmuckstück, 4.5 cm, um 30 v. Chr., einst Slg. Marlborough, Robinson, Ionides, J. Paul Getty Museum, Malibu. Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 53f. Taf. 53,1 (Zuweisung an Solon); Boardman, Ionides 1968, 28, 94 Nr. 19, Frontispiz; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3649f. Abb. 22; Spier, Hellenistic Gems 1991, 94 Taf. 10,10; Boardman, Marlborough Nr. 287. Zum Octavian/Augustus-Porträt: P. Zanker, Studien zu den Augustus-Porträts. I Der Actium-Typus (Göttingen 1973); K. Fittschen, Die Bildnisse des Augustus, in: G. Binder (Hrsg.), Saeculum Augustum III (Darmstadt 1991) 161–186; D. Boschung, Die Bildnisse des Augustus (1993). Abb. 450 Sommerhore, großer Sard, Schau- oder Schmuckstück, 8.82 cm, ca. 30–20 v. Chr., aus der alten kurbrandenburgischen Sammlung, Berlin. FG 6712; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 53 Taf. 51,1 (Zuschreibung an Solon); AGD II Nr. 464; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3648f. Abb. 12; LIMC VII Pax Nr. 12 (E. Simon). Abb. 451 Diomedes, das Palladion raubend, signiert von Solon, CΟΛΩΝ εΠΟΙεΙ, Bild 1.95 cm, letztes Drittel 1. Jh. v. Chr., um 1600 in Italien, verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 154B; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 50 Anm. 20 Taf. 49,1; Richter, EG II 1971 Nr. 696; Zazoff, HdArch 1983 320 Anm. 86 Taf. 93,6; Zwierlein-Diehl, Glasgemmen 1985, 3305, 3307 Abb. 32;Würzburg I 1986 Nr. 154 A und Taf. 172f. Abb. 37, 39; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 544; Moret 1997, 144–146 Nr. 224 Taf. 45; Jaffé, Reproducing and Reading Gems in Rubens’ Circle, in: Brown 1997, 189f. Abb. 21 (Zeichnung ca. 1620, Bibliothèque Geneviève, Paris, Ms. Chaduc 1628 fol. 203). Beziehung auf Octavian: H. P. Laubscher, Motive der augusteischen Bildpropaganda, JdI 89, 1974, 256f. Abb. 452 Theseus mit Schwert und Keule, Nicolo in Goldring, 1.8 cm, signiert von Solon,CΟΛΩΝΟC, letztes Drittel 1. Jh. v. Chr., aus Pompeji, Neapel. Furtwängler, AG III, 354 Abb. 196; Siviero 91 Nr. 378 Taf. 225 a.b, Farbtaf. 211; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 47–50 Taf. 47,1.2.7 (Marc Anton als Theseus); Richter, EG II 1971 Nr. 697; H. P. Laubscher, JdI 89, 1974, 249 Abb. 10, 251f. (Marc Anton als Hercules. Hiernach die Abb.); Zazoff, HdArch 1983, 319 Anm. 85 Taf. 93,5 (Marcus Antonius als Herakles); Würzburg I 1986, 114/4; Weiß 1996, 15; O. Hekster, Hercules, Omphale, and Octavian’s “Counter-Propaganda, BABesch 79, 2004, 159–166, 160 Abb. 2 (Zweifel an der Deutung als M. Antonius. 163 Abb. 5 ist nicht antik, s. AGWien III 317 Nr. 270). Gegen die Deutung als Marc Anton: Diehl, Gymnasium 74, 1967, 564; Sena Chiesa, AJA 71, 1967, 421; Gross, GGA 220, 1968, 54.

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

Abb. 453 Mars im Tanzschritt, Sardonyx, Fragment, signiert: ΚΟΙΝΤΟC ΑΛεΞΑ εΠΟΙεΙ, „Quintus, Sohn des Alexas, hat es gemacht“, 2 x 1 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., einst Slg. Vettori, Florenz, Slg. Gavin Todhunter, Privatbesitz. a) Original, b) Abdruck Furtwängler, Künstlerinschriften 258f.; Richter, EG II Nr. 681; Christie’s South Kensington. Antiquities. Including an English Private Collection of ancient Gems, Part II. Wednesday 29 october 2003 lot 299; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 325f. u. Abb. 6, 7. Zum Motiv vgl. AGWien I 1973 Nr. 175, hier Abb. 569. Kameofragment des Alexas, London Walters Nr. 3553; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 40 Taf. 30,3; Richter, EG II 1971 Nr. 636. Abb. 454 Aphrodite des Aulos und Mars-Fragment des Quintus (s. Abb. 453 und 455). Francesco Vettori, Dissertatio glyptographica sive gemmae duae vetustissimae emblematibus et graeco artificis nomine insignitae quae exstant Romae in Museo Victorio explicatae, et illustratae (Rom 1739). Frontispiz mit Stich von Paullus Pilaja nach Zeichnung von Hieronymus Odam 1735; s. Zazoff, SF 120 Abb. 33, 121 Taf. 32,1, Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 325 u. Abb. 5. Abb. 455 Aphrodite und Eros, Sard, Oberfläche weißlich braun verbrannt und krakeliert durch Leichenbrand, signiert von Aulos: ΑVΛΟC, 2.25 cm, Mitte–3. Viertel 1. Jh. v. Chr., aus Slg. Vettori, Slg. Towneley, London. Dalton, Postclassical Periods 1915 Nr. 643; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 40 Taf. 33,1; 32,1.2; Richter, EG II 1971 Nr. 653; G. Bühler, Eine Nike des Aulos, AA 1972, 117–122, 119 Abb. 1 (Œuvreliste); Zazoff, SF 1983, 121 Taf. 32,1; Zazoff, HdArch 1983, 286 Anm. 117 Taf. 80,6; J. Rudoe, in: M. Jones (Hrsg.) Why Fakes Matter: Essays on Problems of Authenticity (1992) 26f., 31 Abb. 13, 14; A. Krug, in: Festschrift Herrmann Fillitz, AK 60, 1994, 32 Abb. 3. Bei der genannten Zahl von 9 Werken lasse ich aus: a) Herakleskopf im Typus des Herakles des Gnaios, Karneol, Slg. Beverley, Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 43 Taf. 33,8.10; Bühler, a. O. Nr. 8, es wäre am Original und im Vergleich mit signierten Werken zu prüfen, ob die von Bracci I 1784, 171 überlieferte Zuschreibung durch G. Pichler an (Carlo) Costanzi richtig ist; b) Hahn und Henne, Karneol, Berlin, Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 41 Taf. 33,7.9; Bühler, a. O. Nr. 11; Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 35 Anm. 221 Nr. 10, die Signatur ist wahrscheinlich ΗΥΛ]ΛΟΥ zu ergänzen; c) Eros mit Füllhorn, Bergkristall, Privatbesitz, Genf; Boardman – Scarisbrick 1977 Nr. 62; C. Weiß, in: G. Erath – M. Lehner – G. Schwarz (Hrsg.), Komos, Festschrift für Thuri Lorenz zum 65. Geburtstag (1997) 155–163. Die Signatur weicht von den übrigen ab: sie ist ohne Rundperlenden, sehr vorsichtig und flach, mit teilweise aus mehreren Schnitten gebildeten Hasten graviert; sie ähnelt der im 17., spätestens Anfang 18. Jh. zugefügten Pseudosignatur des Aesculap Strozzi, London, Würzburg I 1986 Nr. 168 (Nr. 68, Nr. 475: frühe PseudoAulos-Inschriften in anderem Ductus). Vielleicht hat der Steinschneider, der die Inschrift gravierte, damit eine richtige Zuweisung an Aulos ausgesprochen. Abb. 456 Eros, an ein Tropaion gefesselt, Amethyst, tief violett, beidseitig konvex, in Draufsicht rechteckig mit abgerundeten Ecken, Oberfläche nachantik überpoliert, wodurch ein Teil des linken Oberarmes verloren ging, signiert von Aulos, ΑΥΛΟΥ, 1.65 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., aus Slg. Carlisle, London. Natter, Traité 1754 Taf. 24; Bracci I 1784 Taf. 32; Furtwängler, AG Taf. 49,27; Dalton, Postclassical Periods 1915 Nr. 659; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 41 Taf. 33,1.2.4; Richter, EG II 1971 Nr. 650; Zazoff, HdArch 1983, 286 Anm. 114 Taf. 80,6. Hyazinth, einst Slg. Orsini, Leiden: Bühler (bei Abb.455) Nr. 3; Faber, Commentarius 67 (als Besitzerinschrift gedeutet); Nolhac 1884, 154 Nr. 12; Furtwängler, Künstlerinschriften 254 Nr. 2; Maaskant-Kleibrink, Den

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Haag Nr. 1158. – Sard, Quadriga, einst Slg. Baron Morpeth, Paris, verschollen: Bühler (bei Abb.455) Nr. 9; Stosch 1724 Taf. 16; Winckelmann, Description cl. 6, 133 (Glaspaste Stosch, ehemals Berlin); Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, Taf. 33,5; Zazoff, HdArch 1983, 287 Anm. 121 Taf. 80,10. Abb. 457 Büste einer Amazone, Fragment, Schaustück oder Pyxisdeckel, Chalcedon-Onyx, hochstehender Rand aus elfenbeinfarbener Schicht, der Bildgrund durchsichtig, ganz leicht gelb-bräunlich getönt, signiert von Kleon, ΚΛΕΩ[ΝΟC] oder ΚΛΕΩ[Ν] , H 3.60 cm, B 6.65 cm, letztes Drittel 1. Jh. v. Chr., Museum Wiesbaden 7948. Furtwängler, AG Taf. 61,37; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 55; Richter, EG II 1971 Nr. 679; A. Krug, Städel Jahrbuch 6, 1977, 19–26; AGWien II 1979 Taf. 78; LIMC I (1981) Amazones Nr. 629*; Zazoff, HdArch 1983, 320 Anm. 91 Taf. 93,8; A. Krug, in: Künstlerlexikon der Antike I (2001) 418. Verschollene Gemme, Apollo, mit Signatur des Kleon (im Genitiv): Bracci I 1784 Taf. 47; Furtwängler, AG II 276; Würzburg I 25f. Nr. 9. Abb. 458 Büste der Roma und Victoriastatue, Schmuck- oder Schaustück, dunkelgrünes Plasma, 3.70 cm, letztes Drittel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1071 (Zuweisung an Kleon); Simon, Augustus (1986) 232 Abb. 295; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3649 Abb. 20; Kaiser Augustus 1988, 469 Kat. 258 (C. Maderna-Lauter); ZwierleinDiehl, AA 1990, 545 Abb. 6. Abb. 459 Porträt eines hellenistischen Herrschers, Karneol, signiert von Dioskurides, ΔΙΟCΚΟΥΡΙΔΟΥ, Bild 1.6 cm, Original oder Kopie des 18. Jh.s? London. Abguß Cades, Incisori 58. Vollenweider, Steinschneidekunst 63 Anm. 83 Taf. 98,10; Würzburg I 1986, 102, 12c; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 340 mit Anm. 137 (3) Abb. 11. Zur Stern-Symbolik: H. Kyrieleis in: Studien zur klassischen Archäologie, Festschrift zum 60. Geburtstag von Friedrich Hiller (1986) 55ff. Die von Stosch pulizierten Repliken: Granat, Utrecht, Stosch 1724 Taf. 25; Maaskant-Kleibrink, The Hague 1978, 29f. Abb. 20 a, b, 21. Würzburg I 1986, 101/12b.; Amethyst, London, Stosch 1724 Taf. 26; MaaskantKleibrink, The Hague 1978, 31 Abb. 22; Würzburg I 1986, 101/12a. Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 340 Anm. 137 (1,2). Abb. 460 Bellerophon zähmt Pegasos, Karneol, signiert von Dioskurides, [ΔΙΟCΚΟ]ΥΡΙΔΟΥ, DM 1.6 cm, ca. 60 v. Chr., Francis Bartlett Donation, Boston 27.737. Beazley – Boardman, LHG Nr. 135; Vollenweider, Steinschneidekunst 62 Anm. 82 Taf. 68,6; Richter, EG II 1971 Nr. 669; Zazoff, HdArch 1983, 317 Anm. 66 Taf. 91,8; Würzburg I 1986, 101/6; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 340. Abb. 461 Bellerophon zähmt Pegasos. Karneol, 1.27 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I Nr. 291. Abb. 462 Herakles bindet den Kerberos, arabischer Sardonyx, signiert von Dioskurides, ΔΙΟCΚΟΥΡΙΔΟΥ, 2.45 cm, ca. 40–30 v. Chr., aus altem kurbrandenburgischen Besitz. Berlin. a) Gesamtansicht, b) Detail: Signatur FG 11062; L. Beger, Thesaurus Brandenburgicus Selectus III (1701) 192; Stosch 1724 Taf. 31; Furtwängler, Künstlerinschriften 149–153; Furtwängler, AG Taf. 52,5; Vollenweider Steinschneidekunst 60ff. Anm. 74, 62 Anm. 78f. Taf. 61,3.4; Richter, EG II 1971 Nr. 665; Zwierlein-Diehl 1980, 31 Taf. 8, 47; Zazoff, HdArch 1983, 316 Taf. 91,4; Würzburg I 1986, 101/1; E. Lemburg-Ruppelt, RM 91, 1984, 89–113 Taf. 45,1;

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

Zwierlein-Diehl, AA 1990, 542f. Abb. 1.2; Oberleitner 1991, 63f. Abb. 45; Meyer, Prunkkameen 2000, 69f. Abb. 135; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften, 331 Abb. 8, 9. Benvenuto Cellini, La vita I, XXVVII...un cammeo: in esso intagliato uno Ercole che legava il trifauce Cerbero. Questo era di tanta bellezza e di tanta virtù ben fatto, che il nostro gran Michelagnolo ebbe a dire non aver mai veduto cosa tanto maravigliosa. (ed. L. Bellotto [1996] 96f.); Ch. Hülsen, AmtlBer 39, 1918, 129–134; E. Lemburg-Ruppelt, a. O. 91 Anm. 10. Das Attribut „dreiköpfig“ kann konventionell sein, muß nicht gegen die Identifzierung mit dem Kameo, auf dem Kerberos zweiköpfigen ist, sprechen. Herakles-Kerberos-Kameen: Richter, New York 1956 Nr. 637 (aus Slg. Milton Weil 1932); St. Petersburg, Neverov, Kamei 1988 Nr. 163 (1792 aus Slg. des Duke of Saint Morys). Intaglio-Glasgemme: FG 4198. Kameo-Kopien des 16. und 17. Jh.s: Furtwängler, Künstlerinschriften 150f. Amethyst-Intaglio, 1. Hälfte 18. Jh.: Würzburg I 1986 Nr. 871. Ein in Stichen des 16. und 17. Jahrhunderts ohne Besitzerangabe publizierter Kameo mit dem gleichen Motiv, ohne Inschrift, wurde früher (Tölken, Furtwängler, Hülsen) mit dem Kameo des Dioskurides identifiziert; Lemburg-Ruppelt führt ihn auf die Slg. Grimani in Venedig (die später größtenteils in die am Ende des 18. Jh.s aufgelöste Slg. Nani, Venedig, überging) zurück und nimmt an, daß dies der 1792 aus der Slg. des Duke of Saint Morys erworbene Kameo in St. Petersburg ist. Der Kameo in Florenz, Giuliano – Micheli 1989 Nr. 78; Tondo – Vanni 1990, 39f., 119 Nr. 83 („16. Jh.“) ist wahrscheinlich eine Kopie des Petersburger, da er die dort durch Beschädigung verkürzte Maulpartie des Löwenfells übernimmt. Von den von Lemburg-Ruppelt 98 Anm. 37 ohne Quellenangabe erwähnten Herakles-Kerberos-„Kameen“ von Paul II. und Orsini war nur ersterer ein Kameo: Inventar Barbo, 1457, Tesoro di Lorenzo 1973, 88 Z 36f. Orsinis Stein war ein Karneol-Intaglio: Nolhac 1884, 157 Nr. 82; Faber, Commentarius 1606, 43: (Karneol mit Hercules als Sieger über Ungeheuer, Nolhac 1884, 153 Nr. 1) Eiusdem argumenti alteram Corniolam habet idem Fulvius, pulcherrimam, & artificiosissimam; in qua similiter sculptus est Hercules, Cerberum fune ligatum tenens, & tria eius capita diversis vicibus elidens... (Nolhac 1884, 157 Nr. 82). Der Karneol-Intaglio Orsinis ist folglich von dem Kameo Cellinis zu trennen. Abb. 463 Herakles bindet den Kerberos, Glaskameo, weiß auf braun, 2.17 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II Nr. 1026. Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 31 Taf. 8,48. Abb. 464 Diomedes raubt das Palladion, Karneol, signiert von Dioskurides, ΔΙΟCΚΟΥΡΙΔΟΥ,1.75 cm, ca. 40–30 v. Chr., Chatsworth, Slg. des Duke of Devonshire. Baudelot de Dairval, Lettre [1712] 1717, 9 Abb. 8 (= Würzburg I 1986 Taf. 172 Abb. 39; Zazoff, SF 1983, 21 Abb. 6; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 324, 343 Abb. 14); Furtwängler, AG Taf. 49,1; 50,12; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 61f. Taf. 62; Richter, EG II 1971 Nr. 664; Moret 1997 Nr. 226. Für die Ausleihe der Vollenweider-Aufnahme danke ich Jean-Marc Moret. Abb. 465 Bacchus, weiße, durchsichtige Glasgemme, 3.52 cm, ca. 30–20 v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. AGD II 1969 Nr. 445; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 543 Abb. 3. Abb. 466 Büste des Demosthenes, Amethyst, signiert von Dioskurides, ΔΙΟCΚΟΥΡΙΔΟΥ, 2.0 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., einst Slg. Lelio Pasqualini(?), Boncampagni – Ludovisi (principi di Piombino), Tyskiewicz, Arthur Evans, Privatbesitz. Nach Cades, Incisori 47. Winckelmann, Monumenti antichi inediti I (1767) XCI (ed. Eiselein VII 15 Nr. 16); Bracci II 1786 Taf. 69; G. Sangiorgi, Der Demosthenes des Dioskurides, Pantheon 19, 1937, 144f.; Vollenweider, Steinschneidekunst 57 Taf. 57,1–3. 5; Richter, EG II 1971 Nr.672; Zazoff, HdArch 1983, 317 Taf. 91,6. Würzburg I 1986, 101/3; Jaffé, Aspects 1993, 109f. Abb. 52; L. Pirzio Biroli Stefanelli, Collezionisti e incisori in pietre dure a Roma nel XVIII e XIX secolo, ZKW 59, 1996, 183–197, 196 Abb. 15; Jaffé, Reproducing and Reading Gems in Rubens’ Circle, in: Brown 1997, 184 Abb. 7.

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Abb. 467 Büste der Io, Karneol, signiert von Dioskurides, ΔΙΟCΚΟΥΡΙΔΟΥ, 1.65 cm, ca. 40–30 v. Chr., einst Slg. Duca di Bracciano (Bracci), dann in der ersten Slg. Stanislas Poniatowski, Florenz, Museo Archeologico. Nach Abguß Cades, incisori 46. Bracci II 1786 Taf. 63; E. Q. Visconti, Opere, ed. G. Labus XVII, Opere varie II (1829) Catalogo delle gemme antiche di S. A. il Sig. Principe Stanislao Poniatowski 372–386, 377 Nr. 50; Vollenweider, Steinschneidekunst 63 Taf. 67,1 (Karneol Florenz). 4 (Abguß); 93,3; Richter, EG II Nr. 671; Neverov, Poniatowski 1981, 184f. Nr. 2; Zazoff, HdArch 1983, 317 Taf. 91,5; Zwierlein-Diehl, Chalcedonstatuette 1985, 28. Würzburg I 1986, 101, 9; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3648 Abb. 15, 3650 und AA 1990, 544. Furtwängler, Künstlerinschriften 215 zweifelte an der Identität des Karneols in Florenz mit dem hier nach dem Abguß abgebildeten Karneol aus Slg. Bracciano, Slg. Poniatowski; Vollenweider teilt die Zweifel nicht; Platz-Horster, Calandrelli 124, 128 C 41 empfiehlt eine Überprüfung. Abb. 468 Büste der Minerva, Bergkristall, beidseitig konvex, signiert von Eutýches, εΥΤΥΧΗC / ΔΙΟCΚΟΥΡΙΔΟΥ/ ΑΙΓεΑΙΟC εΠΟΙ / εΙ, 3.72 cm, ca. 20–10 v. Chr., Berlin. a) Abguß, b) Original FG 2305; Stosch 1724 Taf. 34; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 67f., 81 Taf. 72,1.2; AGD II Nr. 456: Richter, EG II 1971 Nr. 677; Würzburg I 1986, 29; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3649f. Abb. 18; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 321f. Abb. 1. Zur Erwerbung: A. Furtwängler, Neuer Fälschungen von Antiken (1899) 37f. Abb. 469 Autograph des Cyriacus von Ancona mit Beschreibung der Gemme des Eutyches (Abb. 468) und Abschrift der Signatur, ca. 1445, Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, cod. Vat. Lat. 5237, 515v. AGD II, 170 Abb. 20, 21. B. Ashmole, Cyriac of Ancona, Proceedings of the British Academy 45, 1957, 25–41, 38–40; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 321f. Abb. 2. Der Erstbesitzer Giovanni Dolfin, latinisiert Johannes Delphinus († 1485): ABI II 212, 202. Den Vornamen Jo(hannes) gibt auch G. B. de Rossi, BdI 1853, 54 in seiner Transkription des Autographs des Cyriacus Anconitanus. Die Diskrepanz zu „Bertutius Delphinus“ in cod. Vaticanus lat. 5252 f. 10 r. AGD II Abb. 18 kann ich nicht aufklären. Abb. 470 Büste des Mercur, Amethyst, beidseitig konvex, 2.84 cm, 30–20 v. Chr., Wien. Abguß. AGWien I 1973 Nr. 420. Erwähnt: Boardman, GGA 1981, 63. Abb. 471 Porträt des Drusus maior, türkisblauer Glaskameo mit Resten von Goldauflage, signiert von Heróphilos, ΗΡΟΦΙΛΟC / ΔΙΟCΚΟΥΡΙΔ[ΟΥ], 5.82 x 4.74 cm, um oder bald nach 20 n. Chr., Wien. Eichler – Kris 1927 Nr. 12 Taf. 6 (Tiberius); Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 65 Taf. 69,1 (Augustus); Richter, EG II 1971 Nr. 675; AGWien II 1979 Nr. 1035, III 1991, 319f. (Drusus I); Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 33, 36 Taf. 9,54; H. Jucker, BABesch 57, 1982, 105 Abb. 15 (Germanicus, im Vergleich mit dem Offizier Nr. 3 des Grand Camée, hierzu jedoch u. Abb. 633); Zazoff, HdArch 1983, 316 Anm. 58 Taf. 91,1 (Tiberius); Oberleitner 1985 Abb. 32 (Tiberius?); Oberleitner 1991, 67 Anm. 64, 75 Abb. 54, 76, 2.1 (Goldauflage); Zwierlein-Diehl, Glasgemmen 1985, 3303 Abb. 7; Megow 1987 Nr. C 19 (Germanicus, postum, 19/20 n. Chr.); Oberleitner 1991, 67 Anm. 64, 75f. Abb. 54; Meisterwerke 2005 Nr. 76 (A. Bernhard-Walcher). Zuweisung des Originales zweier Glaskameen mit Augustusporträt an Herophilos: Weiß 2005, 232–239. Abb. 472 Triton, Nereide und Eroten, Karneol, unten beschädigt, signiert von Hyllos, ΥΛΛΟΥ, 1.8 cm, 40–30 v. Chr., aus Slg. Marlborough, Boston 99.103. Nach Abguß, Cades, Incisori 87.

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

Marlborough Gems 1815 I Taf. 40; Story Maskelyne 1870 Nr. 187; Reinach Taf. 111; Furtwängler, AG Taf. 65,27; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 69ff. Taf. 77,1.2; Richter, EG II 1971 Nr. 713; ZwierleinDiehl, Divus Augustus 1980, 34f. Anm. 221 (Œuvre-Liste Nr. 2); Zazoff, HdArch 1983, 318 Anm. 76 Taf. 92,9; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3650 Abb. 21; Boardman, Marlborough Nr. 187. Zu Hyllos ferner Würzburg I 1986, 517. Zur fragmentierten Signatur s. o. zu Abb. 455. Löwe, Karneol, Cyprus Museum Nicosia aus Salamis, signiert: ΥΛΛΟΥ. Fasti Archaeologici 8, 1953 Nr. 258 Abb. 2; A. H. S. Megaw, JHS 74, 1954, 175 Taf. 11a; Vollenweider 69 Taf. 77,6; Boardman, GGFR Taf. 1014; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 341. Abb. 473 Nereide auf einem Seedrachen reitend, Karneol, signiert von Hyllos, ΥΛΛΟΥ, Bild 2.5 x 1.98 cm, ca. 20–10 v. Chr., verschollen. Nach Abguß, Gerhard VIII 611. Burlington FAC 1904 M 85; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 70 Taf. 77,5; Richter, EG II 1971 Nr. 714. Kopie: Daktyliothek Poniatowski Nr. 61, Berlin, Platz-Horster, Calandrelli Taf. 12. Abb. 474 Apollobüste, Karneol, oben bestoßen, signiert von Hyllos, ΥΛΛΟΥ, 2.0 cm, Anfang 1. Jh. n. Chr., aus Slg. Lorenzo Medici, (seine Besitzerinschrift links. LAV. R. MED.), dann Fulvio Orsini, Herzog von Orleans, St. Petersburg. Abguß. Inventario di Lorenzo 1492 f. 25 (s. Ritti); Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 71 Taf. 81,1.3; Richter, EG II 1971 Nr. 708; T. Ritti, in: Tesoro di Lorenzo 1973, 58f. Nr. 28 Abb. 21; Neverov, Intaglios 1976 Nr. 113; Zazoff, HdArch 1983, 318 Anm. 73 Taf. 92,6; Würzburg I 1986 zu Nr. 220. S. u. Abb. 882. Abb. 475 Büste eines lachenden Satyrs, Kameo, weiße auf hellbrauner Schicht, signiert von Hyllos, ΥΛΛΟC / ΔΙΟCΚΟΥΡΙΔΟΥ / εΠΟΙ εΙ , 1.76 cm, Anfang 1. Jh. n. Chr., Berlin. FG 11063; Furtwängler, AG Taf. 52,2; Richter, EG II 1971 Nr. 709; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 70 Taf. 80,1–3; Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 34f. Taf. 10,58–61; Zazoff, HdArch 1983, 317f. Anm. 71 Taf. 92,4; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3649f. Abb. 17 und AA 1990, 544 Abb. 5. S. u. Abb. 616. Abb. 476 Ölgießer, Granat, signiert von Gnaios, ΓΝΑΙΟΥ, 1.8 cm, ca. 30–20 v. Chr., aus Slg. Apostolo Zeno, Stosch, Bessborough, Marlborough, Baltimore, Walters Art Gallery 42.109. Abguß. Borioni – Venuti 1736 Taf. 75; Natter 1754 Taf. 25; Furtwängler, Künstlerinschriften 237–239; Furtwängler, AG I Taf. 50,9; II 314; III 346; D. Kent Hill, Apollo 162, August 1975, 100–103; Würzburg I 1986, 106/2 zu Nr. 148 (Œuvreliste); G. Platz-Horster, JWAG 51, 1993, 11–21; Boardman, Marlborough Nr. 621. Nach anderer Auffassung salbt der Athlet seine rechte Schulter: J. Bartels, al., Sportschau. Ausst. AKM Bonn 2004 Kat. 1–3 (A. Bohne). Da die Gemme zwei Beschädigungen im Bereich der rechten Hand aufweist (Platz-Horster 18), kann sie zur Lösung der Frage nicht beitragen. Plantzos 1999, 95f. schließt irrtümlich aus Namen wie „Gnaios“ und „Felix“, die Gemmenschneider seien italischer Herkunft; hierzu o. zu Abb. 296. Abb. 477 Kopf des Herakles, Aquamarin, Oberkopf in Gold ergänzt, signiert von Gnaios, ΓΝΑΙΟC, 2.55 cm, 30–20 v. Chr., Slg. Strozzi, Blacas, London. Abguß. Faber Commentarius 1606, 65f.; Stosch 1724 Taf. 23; Furtwängler, AG Taf. 49,20; Walters 1926 Nr. 1892 Taf. 24; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 45 Taf. 42,1.2.4; Richter, EG II 1971 Nr. 656; Zazoff, HdArch 1983, 288 Anm. 134 Taf. 81,8; Würzburg I 1986 Nr. 148 u. Abb. 30. Abb. 478 Porträt einer Königin (Kleopatra Selene?), Karneol, signiert von Gnaios, ΓΝΑΙΟΥ, 1.68 cm, um 20 v. Chr., Slg. Marchese Alessandro Gregorio Capponi, Museo Kircheriano, Slg. Este. Rogers Fund 1910, New York 10.110.1. Nach Glaspaste in Würzburg.

ABBILDUNGEN 473–482

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Lippert1 II 1, 302; Richter, New York 1956 Nr. 463; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 45 Taf. 43,1–3; Richter, EG II 1971 Nr. 659; Zazoff, HdArch 1983, 289 Anm. 137 Taf. 82,3; Würzburg I 1986 Nr. 149; M.-L. Ubaldelli, Dactyliotheca Capponiana. Bollettino di Numismatica Monografia 8.1 (2001) Nr. 233 (erworben am 29. März 1737). Porträt des M. Antonius mit Signatur des Gnaios: Boardman, Ionides 1968, 27, 93f. Nr. 18; Boardman, GGFR 1970, 365, 372 Abb. 1013; Zazoff, HdArch 1983, 289 Anm. 136 Taf. 82,1. Abb. 479 Büste eines späthellenistischen Herrschers (Juba II.?), Karneol, signiert von Dalion, ΔΑΛΙΟΝ, fast rund 1.0 x 1.1 cm, 30–20 v. Chr., Florenz. Nach Abguß, Cades, incisori 4. Agostini I 1685 Taf. 41 = Zazoff, SF 1983, 38 Taf. 14,4; Richter, EG II 1971 Nr. 662; Zazoff, HdArch 1983, 321 Anm. 98 Taf. 95,1; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 555f. Abb. 14. Abb. 480 Nereide einen Hippokampen besteigend, Ametyst, signiert von Dalion, ΔΑΛΙΩΝ, 2.8 cm, 30–20 v. Chr., einst Slg. Natter, Slg. De Smeth, Utrecht. Furtwängler, AG Taf. 49,30; Richter, EG II 1971 Nr. 661; Maaskant-Kleibrink, The Hague 1978 Nr. 1167 (hiernach die Abb.); Zwierlein-Diehl, AA 1990, 555f. Anm. 75. Abb. 481 Nereide (Thetis) auf Hippokampen, Glaspaste des 18. Jh.s von einem Aquamarin, der in den Revolutionswirren 1796/1800 entwendet wurde, signiert von Thamyras, ΘΑΜΥΡΟΥ, 2.66 cm, letztes Viertel 1. Jh. v. Chr., wohl um 10 v. Chr., einer von zwölf Edelsteinen am Krippenreliquiar, Wien, Weltliche Schatzkammer. a) Glaspaste, b) Abguß O. Kurz, An Engraved Gem signed by Thamyras, in: Album amicorum J. G. Van Gelder (1973) 211–214 Abb. 1–3; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3652 Abb. 31–33; Zwierlein-Diehl, Thamyras 1989, 425–427 Taf. 67,3.4; AGWien III 1991 Nr. 2537; s. u. XIX E. Abb. 482 Palladionraub des Odysseus und Diomedes, Karneol, signiert von Felix, ΦΗΛΙΞ εΠΟΙ εΙ, Besitzerinschrift des Calpurnius Severus, ΚΑΛΠΟΥΡΝΙΟΥ ΣεΟΥΗΡΟΥ, 2.9 cm, letztes Viertel 1. Jh. v. Chr., einst Slg. Kardinal Pietro Barbo (Papst Paul II.), Slg. Thomas Howard, 2nd Earl of Arundel, Slg. Marlborough, Slg. Evans, Slg. Captain Spencer-Churchill, Oxford 1966.18081. a) Original, b) Abguß Furtwängler, Künstlerinschriften 233–235 Taf. 27,7; Furtwängler AG Taf. 49,4 und 50,11; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 44 Taf. 39,1.2; Boardman, GGFR 363 Abb. 2 (Farbe), Taf. 1015 (Abguß); Richter, EG II 1971 Nr. 720; Zazoff, HdArch 1983 287 Taf. 81,4; Würzburg I 1986 27f., 113 zu 154, 116 zu 155, 368; LIMC III (1986) Diomedes Nr. 42 (J. Boardman); M.-L. Vollenweider, Un portrait en camée de Drusus le Jeune au Cabinet des Médailles de Paris, et l’œuvre du graveur Felix, RA 1987, 265–278, 273–278 Abb. 16–17; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3647 Abb. 7, 3648; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 541; Boardman, Diffusion 1994, 289 Abb. 7.64; Moret, Palladion 1997, 170f. Nr. 256, 243–245, u. passim Taf. 52; Henig – MacGregor 2004, cat. 10.20; Boardman, WAA 2006, 255 Abb. 443; Boardman, Marlborough Nr. 341. Zur Herkunft des Intaglios: Inventar des Kardinals Pietro Barbo von 1457 mit Erwähnung der Inschriften: E. Müntz, Les arts à la cour des papes II, Paul II. (Paris 1879) 245 (Wiederabdruck in: Tesoro di Lorenzo 1973, 104); G. Pollard, Burlington Magazine 119, 1977, 572 Abb. 54 u. 55, 574; M. Vickers, Gazette des Beaux-Arts VIe periode, tome 101, 125e année, mars 1983, 97ff. Abb. 1 u. 2; Henig – MacGregor 2004, 5–8. Beziehung des Motivs auf Augustus: H. P. Laubscher, JdI 89, 1974, 256f. Der Kameo des Felix mit Porträt des Drusus minor: Cdm II 2003 Nr. 88.

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

Werke des Anteros: Aquamarin, Chatsworth, Slg. Duke of Devonshire, Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 43 Taf. 38,1.3; Richter, EG II 1971 Nr. 637; Zazoff, HdArch 1983, 287 Anm. 124 Taf. 81,1. Kameofragment, London, Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 44 Taf. 38,2.4. Abb. 483 Rückenbüste des Claudius, Amethyst, signiert von Skylax, CΚΥΛΑΚΟC, 1.7 cm, 41–54 n. Chr., aus Pantikapaion, St. Petersburg. a) Original, b) Abguß Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 79 Taf. 92,2.4.5; Richter, EG II 1971 Nr. 691; Neverov, Intaglios 1976 Nr. 131; Zazoff, HdArch 1983, 321 Anm. 99 Taf. 95,3. Würzburg I 1986 291/2; Böhm 1997, 39 Taf. 16,3; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 342. Sardonyxkameo, verschollen, Hercules leierspielend, signiert von Skylax, CΚΥΛΑΚΟC, 2,2 cm, Mitte 1. Jh. n. Chr.: Stosch 1724 Taf. 59; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 79 Taf. 92,1.3; Richter, EG II 1971 Nr. 692; Würzburg I 1986, 291/1. Ein Skylax zugewiesenes Tiberius-Porträt: hier Abb. 500. Falsche Signaturen: Würzburg I 1986 Nr. 874, 875; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 336 Anm. 98, 342 Anm. 155. Abb. 484 Porträt der Iulia, Tochter des Kaisers Titus, Aquamarin in karolingischer Fassung, signiert von Euodos, εΥΟΔΟC εΠΟΙ εΙ, 5.2 cm, ca. 80–90/1 n. Chr., Paris Cdm. Nach Glaspaste in Würzburg. Panofsky, Suger 1979, 62, 190 Abb. 25. Saint - Denis I–III (1973–1977) I 90 no. 4,2, II 22–27, III 25f. Taf. 8 a, b; Zazoff, HdArch 1983, 321 Anm. 100 Taf. 95,4; Würzburg I 1986 Nr. 146; Saint-Denis 1991, 92–98 Nr. 13; Hildesheim 1993, II 295–297 Nr. V 33 (D. Gaborit-Chopin); M. van der Meulen, in Brown 1997, 207 Abb. 18 (Zeichnung von Peiresc); 19 (Original), 225f. Quelle 3.7, Dreikönigenschrein 72f. Anm. 186; Sena Chiesa, Gemme 2002, 62f. Abb. 6 (E. Poletti Ecclesia); Cdm II 2003 Nr. 145. Vgl. Abb. 854. Abb. 485 Porträt eines Römers, Sard, 1.60 cm , 60–50 v. Chr., Berlin. FG 6538; AGD II Nr. 412. Porträts des Skopas und Agathopus: „Hyazinth” (Granat?), Leipzig, Grassi-Museum für angewandte Kunst, und Aquamarin, Florenz; Vollenweider, Porträtgemmen 87ff. Taf. 59,4–6 und 152f. Taf. 112,1–3. Zur Datierung des Agathopus: Verf., AA. 1990, 541f. Die Signatur des Skopas ist noch in hellenistischer Weise, ohne Rundperlpunkte an den Hastenenden geschrieben; auch die des Agathopus ist in der flüchtigen hellenistischen Manier geschnitten, hat jedoch Endpunkte an einigen Hasten, vgl. Furtwängler, Künstlerinschriften 203., 292f. Abb. 486 Porträt eines Römers, Karneol, 1.29 cm, 60–50 v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6537; AGD II Nr. 414. Abb. 487 Männliches Porträt, Karneol, signiert von Agathangelos, ΑΓΑΘΑΝΓεΛΟΥ, 2.0 cm, um 40 v. Chr.; der zugehörige, von Furtwängler in Zeichnung publizierte, antike Goldring ist jetzt nicht mehr vorhanden; einst im Besitz eines Polen (Venuti), von M. A. Sabbatini, der Comtesse de Luneville (Winckelmann), Ph. Hackert, Berlin. FG 6984; R. Venuti, Collectanea antiquitatum romanarum quas ... exhibet Antonius Borioni, Roma (1736) 48 Taf. 68, vgl. Zazoff, SF 121f. Taf. 32,2 u. 3; Winckelmann, Description cl. 4, 186 (Glaspaste Stosch); Furtwängler, Künstlerinschriften 167–173, 170 Zeichnung des Ringes; Furtwängler AG Taf. 47,40; AGD II 1969 Nr. 418; Vollenweider, Porträtgemmen 155f.Taf. 114, 115,1; Platz-Horster, Calandrelli 125 C 4. Goethe u. Hackert: Femmel – Heres Z. 292,1, Z. 299 (S. 225,1), Z. 306, 1; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 339; Platz-Horster, Calandrelli 12f.. Repliken: Vollenweider, Porträtgemmen Taf. 115,5 u.6; 4.8 u. 9; 3 u. 7; Cdm II 2002 Nr. 22. Münzporträts des Sextus Pompeius: Hirmer, RM Taf. II Abb. 103V; Vollenweider, Porträtgemmen Taf. 116 u. 121.

ABBILDUNGEN 483–496

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Abb. 488 Porträt des Pompeius Magnus, Material unbekannt, Bild 1.45 cm, 70–50 v. Chr., verschollen. Nach dunkelblauer Glaspaste in Würzburg, Reliefabdruck. Würzburg I 1986 Nr. 530; Zwierlein-Diehl, Glasgemmen 1985, 3304f. Abb. 20. Abb. 489 Porträt Caesars, Karneol, Bild 1.63 cm, wohl vor 44 v. Chr., Inschrift M. T. C., im 18. Jh. zugefügt, verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 532. Abb. 490 Porträt Ciceros, Karneol, 1.65 cm, ca. 45–40 v. Chr., verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Zwierlein-Diehl, Glasgemmen 1985, 3306 Abb. 27; Würzburg I 1986 Nr. 535. Zum Ciceroporträt: P. Zanker, I Ritratti di Marco Tullio Cicerone. Visione, autorappresentazione, interpretazione, in: E. Narducci (Hrsg.), Cicerone Prospettiva 2000. Atti del I Symposium Ciceronianum Arpinas, Arpino 5 maggio 2000 (2001) 16–58. Abb. 491 Porträt des M. Porcius Cato, Amethyst, 2.95 cm, 50–40 v. Chr., Rogers Fund 1911, New York 11.195.6. Richter, New York 1956 Nr. 469; Vollenweider, Porträtgemmen, 120–132 passim Taf. 77 (Julius Caesar); Zwierlein-Diehl, AA 1973, 272ff., 275 Abb. 8 (M. Porcius Cato). Rundplastische Porträts Catos: ZwierleinDiehl, a. O. 284–286 Abb. 9; V. M. Strocka, Freiburger Universitätsblätter 163, 2004, 53f. Abb. 6. Abb. 492 Porträt des M. Iunius Brutus, schwarzer Jaspis, Bild 1.50 cm, 43/42 v. Chr., verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 537. Abb. 493 Porträt des Marcus Antonius, Material unbekannt, Bild 1.47 cm, 44–42 v. Chr., verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 538; Zwierlein-Diehl, Glasgemmen 1985, 3304f. Abb. 22. Abb. 494 Porträt des Marcus Antonius, Karneol, Bild 1.40 cm, ca. 30–20 v. Chr., verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 539; Zwierlein-Diehl, Glasgemmen 1985, 3305 Abb. 23. Abb. 495 Porträt des Octavian, Karneol, Bild 1.34 cm, ca. 43–36 v. Chr., einst (noch?) Slg. des Herzogs von Devonshire. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 553. Zum Typus: Vollenweider, Porträtgemmen 218–220 Taf. 157,2 u. 5, 3 u. 4, Taf. 158. Die Siegelabdrücke aus Nea Paphos sind erst teilweise publiziert: H. Kyrieleis, Bildnisse des Kaisarion. Zu Siegelabdrücken aus Nea Paphos, Akten des XIII. internationalen Kongresses für klassische Archäologie Berlin 1988, 456f.; H. Kyrieleis, Ptolemäische Porträts auf Siegelabdrücken aus Nea Paphos (Zypern), in: Archives et Sceaux 1996 315–320 (315 Anm. 1 Bibliographie); H. Kyrieleis, Ägyptische Bildelemente auf Siegelabdrücken aus Nea Paphos (Zypern), Städel-Jahrbuch 19, 2004, 109–116. Abb. 496 Porträt des Octavian, Karneol, Bild 1.70 cm, um 30 v. Chr., Florenz. Nach Glaspaste in Würzburg. Abbildung im Seitensinn des Abdruckes. Würzburg I 1986 Nr. 558; Zwierlein-Diehl, Glasgemmen 1985, 3305 Abb. 25.

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

Abb. 497 Porträt der Iulia, Karneol oder Sard, Bild 1.35 cm, ca. 25/21 v. Chr., verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg Würzburg I 1986 Nr. 583; Zwierlein-Diehl, Glasgemmen 1985, 3305 Abb. 24. Simon, Augustus 76 Abb. 93. Zu den historischen Ereignissen: Kienast, Augustus 133f. Abb. 498 Rückenporträt des Marcellus, Plasma, Bild 2.82 cm, 30–15 v. Chr., wohl 23 v. Chr. oder bald danach, verschollen, einst Slg. Borioni. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 574; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 546f. Abb. 9. Abb. 499 Gestaffelte Büsten des Drusus minor und Germanicus gegenüber jener der Livilla, Karneol, 1.40 cm, 4–5 n. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 525 III 1991, 318 Nr. 525; M.-L. Vollenweider, Gnomon 1984, 285; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3651 Abb. 26; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 550; Zwierlein-Diehl, Herimannkreuz 1992, 388f. Abb. 500 Panzerbüste des Tiberius, bräunliches Plasma, 2.62 cm, 14 n. Chr. oder wenig später., Slg. Klaus Müller, Bonn. W.-R. Megow, AA 1989, 443ff. Abb. 1, 2 (Zuweisung an Skylax); G. Platz-Horster, Kaiser Tiberius. Ein neuer Kameo für die Antikensammlung, Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 29, 1992, 389–398, 394 Anm. 8; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 43 Kat. 105 Farb-Abb.13, Abb. 97 a, b: Zum Porträttypus: Zanker, in: Fittschen – Zanker I 13f. mit Anm. 8. Abb. 501 Porträtbüste der Livia, Karneol, Bild 1.95 cm, 14–22/23 n. Chr., Florenz. Nach Glaspaste in Würzburg. Gori I Taf. 5,11 = Reinach Taf. 7; Würzburg I 1986 Nr. 582. Glyptische Porträts der jungen Livia: Hier Abb. 612 (Kameo aus Petescia); Megow 1987, B 9–11 mit der Datierung von E. Simon, DLZ 88, 1967, 636. Abb. 502 Porträt des Vespasian, Karneol, Bild 1.88 cm, wohl 70/71 n. Chr., verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 588. Abb. 503 Octavian als Sol-Apollo mit dem Viergespann, Karneol, 2.8 x 2.6 cm, um 30 v. Chr., einst Slg. Lorenzo di Medici, Besitzerinschrift . LAV. R. MED. Neapel. a) Gesamtbild b) Detail, Kopf des Octavian-Sol-Apollo im Sinne des Abdrucks. Giuliano, in: Tesoro di Lorenzo 1973, 59f. Nr. 29 Taf. 22; Würzburg I 1986 Taf. 86 zu Nr. 491; LIMC II s. v. Apollon / Apollo Nr. 417 (E. Simon); Pannuti II 1994 Nr. 128; E. Simon, Augustus 1986, 21 Abb. 8 (die Würzburger Glaspaste); M. Bergmann, Die Strahlen der Herrscher (1998) 104, 126 Taf. 20,6. Zu Augustus und Apollo: J. Gagé, Apollon romain 479–522, passim; E. Simon, Die Portlandvase (1957) 30–44; Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 39–42; Kienast, Augustus 230–238, 461f. u. passim; P. Zanker, Der Apollontempel auf dem Palatin: Ausstattung und politische Sinnbezüge nach der Schlacht von Actium, in: Città e Architettura nella Roma Imperiale, Analecta Romana Suppl. 10 (1983) 21–40; Simon, Augustus 1986, 19–25, 162–165, 266; Zanker, Augustus 1987, 57–61; Bergmann, a. O.124f. Abb. 504 Symbole der Priesterämter des Augustus, Glaskameo, hellblau auf ultramarinblau, 3.7 x 2.1 cm, 37–31 v. Chr., Köln, Römisch-Germanisches Museum 72,153.

ABBILDUNGEN 497–513

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Zwierlein-Diehl, Simpuvium Numae 409–412 Taf. 76,3.4; Simon, Augustus 1986, 164 Abb. 214; R. M. Schneider, Bunte Barbaren (1986) 70; Zanker, Augustus 1987, 59 Abb. 39; K. Painter – D. B. Whitehouse in: Newby – Whitehouse 1991, 34; Amulette 1992, 40 Taf. 32,20. Abb. 505 Octavian-Neptun mit Hippokampengespann, Besitzerinschrift des Popi(l)lius Albanus: ΠΟΠΙΛ ΑΛΒΑΝ, Sard, 1.9 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., aus Hadrumetum, ehem. Slg. Tyszkiewicz, Boston Acc. no. 27.733, Francis Bartlett Donation. Abguß. Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 51 Anm. 23 Taf. 49,2; H. P. Laubscher, JdI 89, 1974, 249 Abb. 9 (Deutung des Schwimmers als M. Antonius); T. Hölscher, Klio 67, 1985, 97 Abb. 10; Simon, Augustus 1986, 114 Abb. 149; Zanker, Augustus 1987, 103 Abb. 82 (der Schwimmer: Sextus Pompeius oder M. Antonius); Kaiser Augustus 1988 Kat. 247 (C. Maderna-Lauter); Zwierlein-Diehl, Thamyras 1989, 425 Taf. 67,5. Abb. 506 Symbole der Seesiege des Octavian, Karneol, 1.3 cm, um oder bald nach 31 v. Chr., aus Xanten, Bonn, RLM. Platz-Horster, Xanten I Nr. 144; II 254; E. Zwierlein-Diehl, Gnomon 41, 1990, 643f.; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 33 Kat. 71 Abb. 63. Abb. 507 Octavian als Sieger über Ägypten, Karneol, 1.34 cm, um oder bald nach 31 v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1089. Vgl. Octavian-Neptun: AGWien II 1979 Nr. 1088; Platz-Horster, Xanten I Nr. 150. Abb. 508 Mars vor der thronenden Venus, rötlicher Sard, 9.07 cm, 3. Viertel 1. Jh v. Chr., Dreikönigenschrein, Köln, Dom. Abguß. Dreikönigenschrein Kat. 65. Abb. 509 Venus legt das Schwert des Mars an, Sard, 2.12 cm, letztes Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 427. Abb. 510 Die Victoria der Curie, Glaskameo, weiß auf dunkelbraun, 1.77 cm, letztes Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. Eichler – Kris 1927 Nr. 40 Taf. 14; AGWien II 1979 Nr. 1017; Kaiser Augustus 1988 Kat 257 (C. MadernaLauter). Zur Statue: T. Hölscher, Victoria Romana (1967) 6–17. Abb. 511 Die Victoria der Curie mit clupeus virtutis, Inschrift S C (Senatus consulto), Glasintaglio, honigfarben, 1.02 cm, letztes Drittel 1. Jh. v. Chr. (bald nach 27 v. Chr.), Wien. AGWien II 1979 Nr. 649; Kaiser Augustus 1988 Kat. 256 (C. Maderna-Lauter). Replik (aus gleicher Form?): Finogenowa, Puschkin Mus. 1993 Nr. 37. Abb. 512 Die Victoria der Curie über Caesars Ring, quergestreifter Bandachat, 1.91 cm, letztes Drittel 1. Jh. v. Chr., Oxford. Abguß. Henig – MacGregor 2004 cat. 4.27. Abb. 513 Parther übergeben Feldzeichen an die Victoria in der Curie, blaues Glas, Bild 2.46 x 1.86 cm, 20 v. Chr. oder bald danach, 1831 im Besitz von Lord Northampton, verschollen. Nach Abguß IGI II 69. BdI 1831, 111 centuria II 69 („vetro azzurro di lord Northampton“); Cades II N 61 (ohne Besitzerangabe);

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

Lippold Taf. 33,2; T. Hölscher, Victoria Romana (1967) 17, 181 VG 14 (Berlin) Taf. 1,13 (Northampton, nach Cades Heidelberg Nr. 1368); R. M. Schneider Bunte Barbaren (1986) 39f. mit Anm. 168 Taf. 18,2; R. M. Schneider, JdI 105, 1990, Augustus und der frühe römische Triumph 167–205, 199 Abb. 27. Der Erstbesitzer, Spencer Joshua Alwyne Compton, second Marquess of Northampton (1790–1851) hatte sich auf Glasgemmen spezialisiert: Henig – Scarisbrick–Whiting 1994, XIX (D. Scarisbrick). Nach den Ermittlungen von Schneider 1986 befindet sich die Glasgemme nicht in der Slg. Northampton, Castle Ashby (jetzt Compton Wynyates,Tysoe/Warwick) und ist nicht in deren Inventaren verzeichnet. Der hieraus gezogene Schluß, die blaue Glasgemme ehemals Slg. Northampton sei identisch mit der weißen aus Slg. Stosch in Berlin ist nicht richtig. Replik, wohl aus gleicher Form, weniger scharf: Weiße Glasgemme Berlin, ehemals Slg. Sabatini, Slg. Stosch, D. de Rossi – P. A. Maffei, Gemme antiche figurate III (1708) Taf. 68; Winckelmann, Description (1750) cl. 2,1109; FG 2816; Furtwängler, AG Taf. 37,25; Roscher, ML III 354 Abb. 25, 356 s. v. Nike (Zeichnung nach Gipsabguß); F. Studniczka, RM 25, 1910, 35 Abb. 8 (Zeichnung nach Roscher, Kontrolle am Original); C. Vermeule, AJA 61, 1957, 245 Taf. 75 Abb. 27; P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder (1987) 191 Abb. 147; Kaiser Augustus 1988 Kat. 264 (C. Maderna-Lauter). Abb. 514 Parther übergeben Feldzeichen an den römischen Adler, Karneol, 1.30 x 1.12 cm, 20 v. Chr. oder bald danach, Besitzer zum Zeitpunkt der Erstpublikation unbekannt, verschollen. Nach IGI II 68. BDI 1831, 111 centuria II 68; C. Dulière, Lupa Romana (1979) II 74 Cat. no. G 22 Abb. 65. Abb. 515 Personifikation der besiegten Parthia, Sard, 1.35 cm, letztes Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 221. Abb. 516 Angelnder junger Pan auf dem Capricorn übers Meer reitend, hellorangefarbener Karneol, 1.74 x 1.96 x 0.15 cm, letztes Drittel 1. Jh. v. Chr., wohl 30–20 v. Chr., gefunden 1990 im Schulhof der St.-GeorgsVolksschule, Jesuitengasse 14, Augsburg, Augsburg, Römisches Museum. L. Bakker – M. Herrmann, Erneute Ausgrabungen an der Jesuitengasse 14 in Augsburg, in: Das archäologische Jahr in Bayern 1990 (1991) 82ff. Abb. 54 oben; E. Simon, Archäologischer Kalender 1997, 8.–21. Dezember (Pan, „das All“ als Symbol der Weltherrschaft des im Zeichen des Steinbocks Geborenen, mühelos angelnd in der aurea aetas); B. u. M. Overbeck, Bacchus und seine Welt auf antiken Gemmen (2005) 118f. Publii Nigidii Figuli operum reliquiae, ed. A. Swoboda (1889, Nachdr. 1964) 122–125; vgl. E. J. Dwyer, Augustus and the Capricorn, RM 80, 1973, 59–67 (66f. Text.) Ein nur in Zeichnung publizierter Sardonyx aus Palestrina zeigt einen angelnden Zwerg auf dem Capricorn, F. J. Dölger, ΙΧΘΥΣ III (1922) Taf. 67,6, V (1943) 253. Hier ist das Motiv in die Märchenwelt der Zwerge übertragen, die offenbar nicht nur Menschen sondern auch Pan nachahmen. Sard in Utrecht: Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 41 Taf. 34,1.2 (Zuweisung an Aulos); AGD II zu Nr. 445 (Werkstatt des Dioskurides); Maaskant-Kleibrink, The Hague 1978, Nr. 1166 (nicht Aulos zuzuweisen); Simon, Augustus 1986, 163 Abb. 213 (Deutung als Venus und Anchises). Abb. 517 Angelnder Pan auf Capricorn, Kameo, weiß auf braun, 3.2 cm, letztes Drittel 1. Jh. v. Chr., Slg. Beverley, Alnwick Castle. Nach Abguß IGI IV 13. BdI 1834, 123 centuria IV 13 (Satiro sopra un caprone marino. Cammeo nella collezione Beverley); Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 60 Taf. 61,1.2 (Zuweisung an Dioskurides, Deutung als Octavian); Simon, Augustus 159 Abb. 210, 247; Meyer, Prunkkameen 2000, 68f. Abb. 134.

ABBILDUNGEN 514–524

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Abb. 518 Kopf des Octavian/Augustus über Capricorn, Delphin, gelbe Glasgemme, 1.03 cm, ca. 40–20 v. Chr., Florenz. Nach Glaspaste in Würzburg. WürzburgI1986Nr.557;C.Weiß,Virgo,CapricornundTaurus.ZurDeutungaugusteischerSymbolgemmen, AA 109, 1994, 353–369, 359 Abb. 7. Münzen mit Capricorn: K. Kraft, Zum Capricorn auf den Münzen des Augustus, JbNum 17, 1967, 17–27 = H. Castritius – D. Kienast (Hrsg.), K. Kraft, Gesammelte Aufsätze zur antiken Geldgeschichte und Numismatik (1985) I 262–272; Kaiser Augustus 1988, Nr. 337, 338, 340 (W. Trillmich). Abb. 519 Augustus bei Abnahme der Reiterparade, verfärbter Sard, Bild 1.35 x 1.17 cm, letztes Drittel 1.Jh. v. Chr., 1839 Slg.Currié, Florenz. Nach IGI VI 64. BdI 1839, 64; Zazoff, HdArch 1983, 328f. Anm. 154 Taf. 100,4 („Investitur eines Kronprinzen durch ... Augustus“). Zur transvectio equitum: St. Weinstock, Römische Reiterparade, Studi e Materiali di Storia delle Religioni 13, 1937, 10–24; RE VI A 2 (1937) 2178–2187 s. v. transvectio equitum (St. Weinstock); P. Veyne, Iconographie de la „transvectio equitum“ et des lupercales, REA 62, 1960, 99–112; H. Gabelmann, Die ritterliche Trabea, JdI 92, 1977, 322–374, 326f.; S. Demougin, L’ordre équestre sous les Julio-Claudiens (1988) 151–156, 213f.; F. Rebecchi (†), Per l’iconografia della transvectio equitum. Altre considerazioni e nuovi documenti, in: S. Demougin – H. Devijver (†) – M.-T. Raepsat-Charlier (Hrsg.), L’Ordre équestre. Histoire d’une aristocratie (1999) 191–211. Abb. 520 C. Caesar zu Pferd, horizontal geschichteter Sardonyx, dunkelbraun, weiß, hellbraun, 3.46 cm, um 8 v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 515; Simon, Mainzer Zeitschrift 71/27, 1976/77, 108 Abb. 33c; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3648 Abb. 16, 3651; Meisterwerke 2005 Nr. 81, 2 (A. Bernhard-Walcher). Abb. 521 C. und L. Caesar als principes iuventutis, Karneol, Bild 1.20 cm, 2 v.–4 n. Chr., Florenz. Nach Glaspaste in Würzburg. Vollenweider, SchwMübl 13/114, 1964, 78ff. Abb. 6; Zwierlein-Diehl, Simpuvium Numae 1980, 413 Taf. 77,6; Zazoff, HdArch 1983, 328f. Anm. 154 Taf. 100,5; Würzburg I 1986 Nr. 492; Simon, Augustus 1986, 68 Abb. 81; Simon, Ausgewählte Schriften II 47 Abb. 3.14 Abb. 522 Fortuna Panthea, konvexer Amethyst, in Draufsicht rechteckoval, in antikem Goldring, Gemme 1.77 cm, Ringdurchmesser senkrecht mit Gemme 2.56 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. a) Bild, b) Ringform AGWien II 1979 Nr. 1076. Abb. 523 Bauer und Pferd, Karneol, Inschrift: INHUMANUS, 1.37 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 303; CIL I2 3702 (H. Krummrey). Abb. 524 Zwei Skelette an einer Weinamphora, Sard, 1.40 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Berlin. FG 6518; AGD II 1969 Nr. 421; N. Himmelmann, Pantheon 31/3, 1973, 234 Abb. 5/1; K. M. D. Dunbabin, JdI 101, 1986, 222 Abb. 35.

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Abb. 525 Das Oktoberroß, Karneol, 1.21 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1139; Simon, GdR 141 Abb. 176. Zum Fest auch: Scullard 1985, 165, 271f., 274. Abb. 526 Büste der Diana, hellbrauner Chalcedon, 1.51 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1052. Erwähnt: Henig – Scarisbrick – Whiting 1994 zu Nr. 93; Dreikönigenschrein 1999, zu Kat. 101. Abb. 527 Aeneas mit Anchises und Ascanius aus Troia fliehend, Karneol, 1.0 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6495; AGD II 1969 Nr. 530; Würzburg I 1986 Nr. 424. Münzen Caesars und Octavians mit Aeneas und Anchises: Crawford Nr. 458 (Rundperlstil) u. 494/3. Abb. 528 Romulus mit Tropaeum, Nicolo in modernem Goldring, 1.28 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1083. Abb. 529 Pygmäe im Kampf mit einem Kranich, Karneol, 1.19 cm, 2. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1123. Abb. 530 Eberjagd, quergestreifter Sardonyx, 1.37 cm, Inschrift LVPVS, Mitte 1. Jh. v. Chr., Berlin. FG 6501; AGD II 1969 Nr. 411. Abb. 531 Bauer vor einem Totenschädel, Sard, 1.20 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Wien. Furtwängler, AG Taf. 30,47; AGWien I 1973 Nr. 312. Abb. 532 Komödienschauspieler (Pornoboskos), Sard, 1.30 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 321. Erwähnt: Vollenweider, Genf II 1976/1979 zu Nr. 327. Abb. 533 Bacchischer Zug, Karneol, 1.10 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 308; R. Fellmann Brogli, Gemmen und Kameen mit ländlichen Kultszenen (1996) 193 G 226 Taf. 48. Abb. 534 Eurykleia erkennt Odysseus, Karneol, 1.07 cm, 2.–3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 281. Abb. 535 Das Sirenenabenteuer des Odysseus, Karneol, 1.94 cm, Ende 1. Jh. v. / Anfang 1. Jh. n. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6880; Furtwängler, AG Taf. 43,23; Lippold Taf. 44, 1; AGD II 1969 Nr. 476. Abb. 536 Amorettenhandel, Plasma, 1.18 cm, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 200.

ABBILDUNGEN 525–549

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Abb. 537 Amoretten auf einem Segelschiff, Karneol, 2.30 cm, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6800; Furtwängler, AG Taf. 42,55; Lippold Taf. 27,2; AGD II 1969 Nr. 452. Abb. 538 Gladiatorenkampf im Amphitheater, Karneol, 1.55 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 7737; AGD II 1969 Nr. 482; Zazoff, HdArch 1983, 329 Anm. 154 Taf. 100,7; Würzburg I 1986 Nr. 474. Abb. 539 Komödiendichter und Schauspieler, Sard, 1.4 cm, 1. Hälfte 1. Jh. n. Chr., aus Slg. Towneley, London. Walters 1926 Nr. 2183; Richter, EG II 1971 Nr. 359. Abb. 540 Prachtamphora, Granat, 1.35 cm, 1. Jh. v. /1. Jh. n. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 2353; Furtwängler, AG Taf. 46,69; AGD II 1969 Nr. 507. Abb. 541 Komödienszene, Koch mit Gans, Karneol, 1.32 cm, 2.–3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1101. Abb. 542 Fischer, Amethyst, 1.40 cm, Ende 1. Jh. v. / Anfang 1. Jh. n. Chr., Berlin. FG 6908; AGD II 1969 Nr. 480. Abb. 543 Hephaistos arbeitet an den Waffen für Achill, Karneol, 2.17 cm, 1. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 165. Abb. 544 Bärenkampf, Karneol, 1.52 cm, Ende 1. Jh. v. / Anfang 1. Jh. n. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 7738; AGD II 1969 Nr. 481. Zur Datierung: Maaskant-Kleibrink, Velsen Nr. 12, 18, 24; Kaiser Augustus 1988 Kat. 449 (aus Haltern, terminus post quem non: 9 n. Chr.). Abb. 545 Ein Dioskur mit seinem Pferd, Karneol, 1.20 cm, Ende 1. Jh. v. /Anfang 1. Jh. n. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 490. Abb. 546 Stehender Mars mit Victoriola, Lanze, Schwert und Schild, Karneol, 1.38 cm, 1./2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2768. Abb. 547 Pferderennen im Circus, roter Jaspis, 1.68 cm, 1. Jh. n. Chr., Berlin. FG 8487; AGD II 1969 Nr. 483. Abb. 548 Rückenbüste des Aesculap, Amethyst, 1.65 cm, 1. Viertel 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 2678; AGD II 1969 Nr. 356. Abb. 549 Frauenporträt, hellgelblicher Chalcedon, 1.40 cm, ca. 40 v. Chr.–Jahrhundertwende, aus Slg. de Montigny, Berlin. FG 6543; AGD II 1969 Nr. 496.

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

Abb. 550 Büste des Apollo, Karneol, 1.27 cm, 1. Viertel 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Gans, Berlin. AGD II 1969 Nr. 357. Abb. 551 Zwei Pygmäen im Kampf mit Kranichen, Karneol, 1.87 cm, 1. Jh. n. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 7588; Furtwängler, AG Taf. 46,8; AGD II 1969 Nr. 500. Abb. 552 Auffindung und Deutung des caput Oli, Karneol, 1.18 cm, Ende 2. / frühes 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 405; AGD II 1969 Nr. 348 (dort zu früh datiert, ebenso Nr. 346, 347 vgl. AGWien I 1973 Nr. 131); Himmelmann, Pantheon 31/3, 1973, 230, 234 Abb. 4/2. Zur Sage: Furtwängler, AG III 247; R. M. Ogilvie, A commentary on Livy books 1–5, (1970) 211f. zu Livius 1,55,5–6. Abb. 553 Victoria mit Kranz und Palmzweig, umgeben von Schreibtafel, Szepter, Globus und Ruder(?), Sard, 1.63 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1074. Auf den Sieg bei Thapsos und den bevorstehenden Triumph Caesars spielen Szepter, Globus, Füllhorn und Steuerruder, Victoriabüste und Victoria mit Biga bzw. Quadriga auf Münzen des T. Carisius von 46 v. Chr. an, Crawford Nr. 464/3–6. Abb. 554 Sinnende Frau vor einem Naiskos des Priap, Karneol, 2.12 cm, 2. Viertel 1. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6893; Furtwängler, AG III 344 Anm. 4; AGD II 1969 Nr. 408; R. Fellmann Brogli, Gemmen und Kameen mit ländlichen Kultszenen (1996) 194 G 231 Taf. 50. Das Bild der Rückseite, eine von Phallen umgebene Schnecke mit der Inschrift INVICTA MESSAL[ina] CLAUDI[i] wurde in nachantiker Zeit (1590 nach Jaffé) eingeschnitten, s. Barb, Diva Matrix 197, 218 Anm. 64 („ ... a group of [Renaissance?] forgeries“); D. Jaffé, in: Brown 1997, 189f. Abb. 20, 193 Anm. 36. Die Inschrift ist wohl eine Anspielung auf Juvenal, sat. 6,115–132. Auch AGWien I 1973 Nr. 537 ist nicht antik. Abb. 555 Fortuna mit Füllhorn und Steuerruder, stark konvexer, dreischichtiger Sardonyx, 1.84 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 208. Abb. 556 Tanzender Satyr, Karneol, 3.6 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., am unteren Kreuzende eines silbernen Vortragekreuzes (um 1750/60), Xanten, Dom St. Viktor. Platz-Horster, Xanten I 1987 Nr. 170. Abb. 557 Büste einer Mänade, Karneol, 1.98 cm, 2. Viertel 1. Jh. v. Chr., alter kurbrandenburgischer Besitz, Berlin. FG 6912; AGD II 1969 Nr. 382; Würzburg I 1986 Nr. 254; erwähnt: Middleton, Wright Coll. 2001 zu Nr. 20. Abb. 558 Silen mit Doppelflöten, Karneol, 1.32 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6833; AGD II 1969 Nr. 377; Zazoff, HdArch 1983, 292 Anm. 154 Taf. 83,10. Abb. 559 Actaeon überrascht Diana beim Bade, bläulicher Chalcedon, 1.16 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6435; AGD II 1969 Nr. 371.

ABBILDUNGEN 550–570

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Abb. 560 Die Sommerhore auf dem Hundsstern (Sirius) reitend, Karneol, 1.45 cm, letztes Drittel 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6748; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 36 Anm. 65 (Zuweisung an Sostratos); AGD II Nr. 465; Würzburg I 1986 Nr. 271. Abb. 561 Siegreicher Diskobol, Amethyst, 1.95 cm, letztes Drittel 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6911; Furtwängler AG Taf. 44,28; AGD II Nr. 478; Würzburg I 1986 Nr. 470. Zum Thema: G. Horster, Statuen auf Gemmen (1970). Abb. 562 Heuschrecke auf Weinblatt, Karneol, 1.13 cm, Ende 1. Jh. v. / Anfang 1. Jh. n. Chr., aus Aquileia, Wien. AGWien I 1973 Nr. 535. Abb. 563 Iulische Venus und Adler Jupiters, Karneol, 1.47 cm., 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 189; erwähnt: Vollenweider, Genf II 1976/79, 450 Anm. 2. Zum Thema: Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 82–84; Zwierlein-Diehl, 138. BWPr 1999, 36f. Abb. 564 Papposilen auf einem Kentauren reitend, Karneol, 1.82 cm, 1. Hälfte 1. Jh. v. Chr., aus Slg.Bose, Berlin. FG 6481; AGD II 1969 Nr. 376. Abb. 565 Tanzende Mädchen, Material unbekannt, Bild 1.8 x 1.4 cm, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr., verschollen. Nach Cades Heidelberg XVIII cl. 16,1567. Cades Rom II H 1. Abb. 566 Apollo und Marsyas, Plektron aus Plasma, 1. Jh. n. Chr., Berlin. a) Vorderseite des Plektron in Kameotechnik, Akanthoskelch über einem rundlichen Wurzelstock mit Blattüberfall, 3.57 x 3.70 cm, b) Rückseite mit Intagliobild, Bildhöhe 1.48 cm FG 11371; AGD II 1969 Nr. 468. Abb. 567 Apollo im Lorbeerbaum, Amethyst, 1.04 cm, 1. Jh. n. Chr., aus Slg. August Kestner, Hannover. Nach Cades Heidelberg XVII cl. 15, 1479. AGD IV Hannover Nr. 765; LIMC II Apollon/Apollo Nr. 259. Abb. 568 Ehepaar, Domitian und Domitia? Chalcedon, 1.36 cm, 70–ca. 80 n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1091. Abb. 569 Mars im Tanzschritt, Sard, 1.36 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 175. Zu den Salii: Scullard 1985, 44f., 130–134, 274; Simon, GdR 141f.; s. o. zu Abb. 453. Abb. 570 Neptun, Karneol, 1.54 cm, 1. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 164.

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

Abb. 571 Herme des Jupiter, dunkelroter Karneol, 1.18 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 158. Vgl. Denare Crawford Nr. 447/ 1a, b. Abb. 572 Priester des Bacchus, Karneol, 1.69 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 229. Abb. 573 Voranstürmende Minerva, Nicolo mit hellblauer auf dunkelblauer Schicht, 1.21 cm, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 182. Abb. 574 Spes, Sard, 1.45 cm, 1. Jh. n. Chr., London. Nach Glaspaste in Würzburg. Walters 1926 Nr. 1761 Taf. 23; Würzburg I 1986 Nr. 331. Abb. 575 Amor lenkt ein Gespann aus Löwe und Ziegenbock, Karneol, 1.53 cm, Ende 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6786; Furtwängler, AG Taf. 42,35; AGD II Nr. 448. Abb. 576 Minerva stimmt zugunsten Orests ab, Karneol, 3.10 cm, 1. Jh. n. Chr., aus dem Besitz Herzog Karls von Lothringen (1712–1780), Wien. G. Hafner, Iudicium Orestis. Klassisches und Klassizistisches, 113. BWPr 1958, 27, 29 Abb. 17, 31f. Anm. 3 Nr. 10; AGWien I 1973 Nr. 418; A. Bernhard-Walcher, in: Charles-Alexandre de Lorraine. Gouverneur général des Pays-Bas autrichiens. Katalog der Europalia-Ausstellung, Brüssel 1987, 352f. Nr. VII 41; ders. in: AGWien III 1991, 31. Abb. 577 Isis in Vorderansicht mit Situla und Sistrum, 1.53 cm, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Original verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Zwierlein-Diehl, Glasgemmen 1985, 3303 Abb. 10; Würzburg I 1986 Nr. 272. Abb. 578 Hercules wird von Amor gebunden, Karneol, 3.54 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 268. Abb. 579 Bärtiger Hirte und Ziege, Sard, 1.48 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6504; AGD II 1969 Nr. 406; N. Himmelmann-Wildschütz, Pantheon 31/3, 1971, 235 Abb. 6/1. Zum Motiv: H. Guiraud, Bergers et paysans dans la glyptique romaine, Pallas 29, 1982, 39–56. Abb. 580 Opfer an Priapus, Achat, 1.93 cm, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Florenz. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 437. Abb. 581 Archaistische Herme des Priapus, Achat, 2.20 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Florenz. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 262.

ABBILDUNGEN 571–592

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Abb. 582 Komödienmasken, quergestreifter Sardonyx, Bild 2.12 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., einst Slg. Marlborough, verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Furtwängler, AG Taf. 65,17; Lippold Taf. 61,16; Würzburg I 1986 Nr. 604; Boardman, Marlborough Nr. 671. Abb. 583 Sistrum, Plasma, Bild 1.63 cm, Ende 1. Jh. v.–1. Jh. n. Chr., verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 691. Abb. 584 Esel im Schneckenhaus von einer Heuschrecke gelenkt, Karneol, 1.15 cm, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr., in Albanien gefunden, Slg. J. G. v. Hahn, Wien. AGWien III 1991 Nr. 2132. Abb. 585 Eine Grille spielt die phrygische Flöte, Karneol, 1.54 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6525; AGD II 1969 Nr. 424. Abb. 586 Zwei Kühe, Karneol, 1.80 cm, 1. Hälfte 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 3249; Furtwängler, AG Taf. 45,1; AGD II 1969 Nr. 429. Abb. 587 Hahn, Heuschrecke und Krabbe, Karneol, 1.23 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. FG 6593; Furtwängler, AG Taf. 29,65; Lippold, Gemmen Taf. 96,1; AGD II 1969 Nr. 433. Abb. 588 Tierkreiszeichen, dunkelroter Karneol, beidseitig geschnittenes Amulett, Vorderseite 1.25 x 1.10 cm, Rückseite 1.08 x 0.91 cm, Dicke 0.38 cm, Ende 1. Jh. v. / Anfang 1. Jh. n. Chr., Slg. K. Müller, Bonn a) Vorderseite: Ziegenfisch (capricornus), Jungfrau (virgo) und Stier (taurus), b) Rückseite: Waage (libra), Skorpion (scorpio) und Fische (pisces). W.-R. Megow, AA 1989, 448–451 Abb. 5 u. 6; H. G. Gundel, Zodiakos. Tierkreisbilder im Altertum (1992) 267f. Kat. 216,1 mit Abb.; C. Weiß, AA 1994, 355f. Abb. 2a,b, 367; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002 41 Kat. 100 Abb. 92 a,b. Zur Bedeutung des Sternbilds virgo: E. Simon, Zum Fries der Myterienvilla bei Pompeji, JdI 76, 1961, 111–172, 136–152; E. Simon, Redeunt Saturnia Regna, in: M. Gnade (Hrsg.), Stips votiva. Papers presented to C. M. Stibbe (1991) 193–197, 196. Abb. 589 Kopfkombination, Achatonyx, 0.97 cm, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Florenz. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 622. Abb. 590 Phantasievogel, Karneol, 1.06 cm, Mitte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2112. Abb. 591 Glückssymbole, Karneol, 1.17 cm, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1181. Abb. 592 Zeichenutensilien, Inschrift: C. PRECILI FUSCI, „Siegel des C. Precilius Fuscus“, Nicolo, 1.20 cm, 1.–2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2156; Guiraud 1996, 172f.

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XIII. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEN REPUBLIK UND FRÜHEN KAISERZEIT

Abb. 593 Arzt, Patient und Asklepios, Sard, 2.1 cm, 1.–frühes 2. Jh. n. Chr., London. Walters 1926 Nr. 2176 Taf. 27; Richter, EG II 1971 Nr. 362; A. Krug, Die Gemme eines Arztes, Medizinhistorisches Journal 17, 1982, 390–392, 392 Abb. 2. Abb. 594 Arzt und Patient, Nicolo, 1.17 cm, 1. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1100. Abb. 595 Thronende Minerva mit Maske, Sard, Inschrift: HEROPHILI OPOBALSAMUM, 1.9 cm, 2.–3. Viertel 1. Jh. v. Chr., London. Walters 1926 Nr. 1366 Taf. 19. Zum Arzt Herophilos und zu Augensalben: A. Krug, Heilkunst und Heiltum (1984) 61–63, 111f. Zum Minervafest: Scullard 1985, 143–146; Simon, GdR 173. Abb. 596 Geldwechsler, Material unbekannt, 1.3 x 1.0 cm, 1. Hälfte 1. Jh. v. Chr., verschollen. Nach Daktyliothek Gerhard, Bonn XXV 1723. Furtwängler, AG Taf. 25,27; Lippold Taf. 57,12. Abb. 597 Wasserorgel, Sard, Besitzerinschrift: AM (in Ligatur) V V, 1.3 cm, 1 Jh. v. Chr., aus Slg. Poniatowski, Slg. Hertz, London. Abguß. Cades XI L 71 (Slg. Poniatowski); Furtwängler, AG Taf. 25,28; H. Degering, Die Orgel, ihre Erfindung und ihre Geschichte bis zur Karolingerzeit (1905, Facsimile 1989) 81f. Taf. 7,5; Walters 1926 Nr. 1051 Taf. 15; J. Perrot, L’Orgue de ses origines hellenistiques à la fin du XIIIe siècle (1965) 117f. Taf. 8,2; Neverov, Poniatowski 1981, 184f. Nr. 25. Zur Wasserorgel s. auch: F. Jakob, Die Orgel des Hellenismus und ihre Ausläufer, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart Bd. 7 (1997) 914–916; Nachbau einer spätantiken Wasserorgel, in: C. Stiegemann – M. Wemhoff (Hrsg.), Kunst und Kultur der Karolingerzeit (Ausst. Paderborn 1999) II 862–865 Kat. XI.49. Abb. 598 Porträt des Sokrates, Achat, 2.17 cm., 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., im 18. Jh. Slg. des Landgrafen von HessenKassel. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 502. Abb. 599 Porträt des Demosthenes, Amethyst, punische Inschrift: Naso(?), 1.18 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 343. Abb. 600 Porträt einer Römerin, Material unbekannt, Bild 1.32 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., verschollen. Amethyst nachahmende Glaspaste in Würzburg. Zwierlein-Diehl, Glasgemmen 1985, 3306 Abb. 26; Würzburg I 1986 Nr. 550. Abb. 601 Porträt einer Römerin, Plasma, 1.34 cm, letztes Viertel 1. Jh. n. Chr., aus Aquileia, Wien. AGWien I 1973 Nr. 523. Abb. 602 Porträt eines Mädchens, Material unbekannt, Bild 0.72 cm, 1. Jh. v. / 1. Jh. n. Chr., verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 603.

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE DER IULISCH-CLAUDISCHEN ZEIT Literatur Bühler 1973 Furtwänger, AG III 314–324 Megow 1987 Megow. W-R., Zur Frage der Funktion kaiserzeitlicher Kameen, in: Avisseau-Broustet 1997, 71–82 Möbius, Kaiserkameen 1975/1985 Oberleitner 1985 Sena Chiesa, L’Alloro di Livia 2004

Abbildungen Abb. 603 Augustus als Sieger von Actium mit Symbolen der Ehrungen von 27 v. Chr., Kameo, Sardonyx, weiß und grau auf braunem Grund, Goldpartikel auf dem linken Steinbock in der Hand des linken Tritons erhalten, 6 x 6.6 cm, nach 27 v. Chr., spätaugusteisch(?), Wien. Eichler – Kris 1927 Nr. 5 Taf. 7; T. Hölscher, Klio 67, 1985, 97f. Abb. 11; Oberleitner 1985, 35 Abb. 17; Megow 1987 A 11 Taf. 7,19; Zanker, Augustus 1987, 102 Abb. 81; Kaiser Augustus 1988 Kat. 246 (C. Maderna-Lauter); Oberleitner 1991, 75f. Abb. 58. Abb. 604 Porträt des Augustus in der von Capricornprotomen getragenen corona civica, Kameo, hellgraubraun, weiß, hellgraubraun, 2.44 cm, ca 10–14 n. Chr., Berlin. FG 11074 Taf. 66; AGD II Nr. 491; Megow 1987, 164 A 12. Abb. 605 Porträt des Augustus in der von Capricornprotomen getragenen corona civica, Kameo, braun, weiß, braun, 2.3 cm, ca. 10–14 n. Chr., Gift of Milton Weil, 1929, New York 29.175.4. Richter, New York 1956 Nr. 649; Megow 1987, 164 zu A 12 Taf. 7,21. Abb. 606 Adler mit Palmzweig und corona civica, Kameo, Sardonyx, braun auf weiß, H 11 cm, B 10 cm, bald nach 27 v. Chr., Wien. Eichler – Kris 1927 Nr. 4 Taf. 2; H. Appuhn, Das Mittelstück vom Ambo König Heinrichs II. in Aachen, AK 32, 1966, 70–73; G. Hafner, Der Adlerkameo und die „Auffindung des Telephos“, Aachener Kunstblätter 38, 1969, 213–242 („2. Jh. v. Chr.“; die von Hafner beobachteten hellenistischen Elemente sind bei einem griechischen Künstler der frühaugusteischen Zeit nicht überraschend); Oberleitner 1985, 38 Abb. 20, 21; Simon, Augustus 1986, 155f. Taf. 13; Zanker, Augustus 1987, 98f. Abb. 77; Megow 1987 A 91 Taf. 26 (mit Datierung in claudische Zeit. Jedoch: Die Farbgebung ist augusteisch, das ähnliche Randornament bei dem Claudiuskameo in Windsor Castle, Megow 1987 A 76 Taf. 25, erklärt sich leicht, wenn dessen Schöpfer es von dem in der kaiserlichen Schatzkammer befindlichen Adlerkameo kopiert hat); Meisterwerke 2005 Nr. 74 (A. Bernhard-Walcher).

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

Abb. 607 Porträt des Octavian, Kameo-Fragment, weißlicher Onyx auf Goldplatte montiert, 3.30 x 2.65 cm, 43–38 v. Chr., aus der Sammlung Henry Oppenheimer (London), Wien. Vollenweider, Porträtgemmen, 220f. Taf. 159; Megow 1987, A 4 Taf. 1,7.8; AGWien III 1991 Nr. 2467; Oberleitner 1992, 331. Abb. 608 Büste des Augustus in Feldherrntracht, Kameo, dreischichtiger Sardonyx, braun, milchweiß, dunkelbraun, 8 x 7 cm, bald nach 20 v. Chr., im Zentrum des Lotharkreuzes, Aachen, Domschatz. A. Furtwängler, BJb 114/115, 1906, 189–192 Taf. 5 = Kleine Schriften II 294–297 Taf. 29 (hält den Oberkörper für nackt, dagegen richtig Hausmann 1981); Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 68 Taf. 74,2; Möbius, Kaiserkameen 1975/1985, 11f.; Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 13 Anm. 5, 14, 30f. Taf. 8,49; Hausmann 1981, 590f. Abb. 46 („mit Adlerszepter, Panzer, Paludamentum und Lorberkranz“); E. Simon, Augustus (1986) 155 Abb. 205 (Deutung des Adlerstabes als aquila); Megow 1987 A 9 Taf. 2,2.5; U. Hausmann, RM 97, 1990, 383–393, 388–393 Taf. 114,2; 115,2. Das Kreuz: Abb. 858. Abb. 609 Augustus als Alexander-Jupiter, Kameo, Sardonyx weiß auf braun, das untere Ende des Szepters ist ausgebrochen, der Bruch überschliffen, der Adlerkopf fehlt, 7 x 5,5 cm, ca. 30–20 v. Chr.; magische Inschriften später zugefügt, ca. 2. Jh. n. Chr., Wien. Eichler – Kris 1927 Nr. 20 Taf. 7 (Claudius); Möbius, Kaiserkameen 31 (3. Jh. n. Chr.?); Megow 1987, 284f. C 28 Taf. 28,2 (Germanicus); Oberleitner 1985, 52f., 59 Abb. 41 (Claudius); Boschung, Gnomon 63, 1991, 259 und Boschung, Augustus 1993 Kat. 48 Taf. 48 (Augustus); Zwierlein-Diehl, 138. BWPr (1999) 31–33 Abb. 43. Zum Alexandervorbild: D. Kienast, Gymnasium 76, 1969, 430ff.; ders., Augustus 342, 346, 461, 463; Zwierlein-Diehl, Divus Augustus1980, 38, 45; Zu den Zeus/Jupiter-Attributen: G. Platz-Horster, Eros mit den Waffen des Zeus, Münchner Jahrbuch 46, 1995, 7–24, bes. 14–20. Zur Vergilstelle: E. Norden, Ein Panegyricus auf Augustus in Vergils Aeneis (1899), in: Kleine Schriften zum klassischen Altertum (1966) 422–436. Abb. 610 Gemma Augustea, Empfang des Tiberius und Germanicus durch Augustus nach dem Sieg über die Pannonier (wohl Ende 9 n. Chr.), Kameo, Sardonyx, weiß auf braun, 19 x 23 cm, 10–12 n. Chr., Wien. Zur Geschichte: Antonio Averlino Filarete’s Tractat über die Baukunst, hrsg. und bearb. von W. von Oettingen, Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik N. F. III (1890) 659 (de Mély 1894, 71; Kähler 33 Anm. 25); G. Belhomme, Le camayeu, ou notice sur l’ancien trésor Saint-Saturnin de Toulouse, Mémoires de la Société archéologique du Midi de la France 1840, 151–184; F. de Mély, Le Grand Camée de Vienne, Gazette archéologique 11, 1886, 244–253 (Identifizierung mit dem Kameo in Wien); F. de Mély, Le „Camayeul“ de Saint-Sernin et le Grand Camée de Vienne, in: Mémoires de la Société archéologique du Midi de la France 15, 1894, 66–98; J. Schwartz, Le Camée de Vienne et la Renaissance Italienne, in: Bulletin de la Faculté des Lettres de Strasbourg, Mai–Juin 1951, 360–365; J. Schwartz, Renaissance et Archéologie, note sur une interprétation erronée d’un camée antique, La Revue des Arts 2, 1952, 15–17; Eichler – Kris 9, 52f. Nr. 7. H. Kähler, Alberti Rubeni Dissertatio de Gemma Augustea (Berlin 1968) 22f.; Van der Meulen, Rubens 1975, 37–39, 44–47, 49f., 157–161 Kat. G 82 Taf. 2 u. 3; M. van der Meulen, Rubens Copies I (1994) 158–177 Appendix II (Beschreibungen der Gemma Augustea und des Grand Camée durch Peiresc und Aleandro), II (1994) Nr. 164. Literaturangaben: Albert Rubens, Dissertatio de Gemma Augustea (ca. 1643), in: Alberti Rubeni, Petri Pauli F., De re vestiaria veterum praecipue de lato clavo libri duo et alia eiusdem Opuscula posthuma, ...(1665) 212–219; H. Kähler, Alberti Rubeni Dissertatio de Gemma Augustea (1968) 33–35 Anm. 29, 30, 42, dort Taf. 2 die Zeichnung, nach S. 20 die Radierung von P. P. Rubens; Megow 1987 A 10 Taf. 3, 4, 5,1–4.6.7, 6,2.3,5.6.

ABBILDUNGEN 607–610

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Im folgenden werden von den bei Kähler und Megow genannten nur namentlich erwähnte Autoren nochmals angeführt: Mariette 1750 I 350–354; Furtwängler, AG I Taf. 56, II 257f., III 314; Eichler – Kris 1927 Nr. 7 Taf. 4; J. Schwartz, RevPhil 19 (71), 1945, 57–69, 61 (Biga); C. Küthmann, AA 1950/51, 89–103; G. Bruns, MdI 6, 1953, 99 (Biga); E. Will, Latomus 13, 1954, 597–603; W. B. Kaiser, SchwMbll 18, 1968, 25–36; Möbius, Kaiserkameen 46f.; G. Waurick, Untersuchungen zur historisierenden Rüstung in der römischen Kunst, JbZMusMainz 30, 1983, 265–301, 265–285. Ergänzend bzw. weiterführend kommen zu den Literaturangaben bei Kähler und Megow hinzu: J. Pollini, Studies in Augustan „Historical“ Reliefs (Ph. D. Berkeley 1978) 173–254; Oberleitner 1985, 40–44; Zwierlein-Diehl, Chalcedonstatuette 1985, 31 (Stil); E. Simon, Die drei Horoskope der Gemma Augustea, Quaderni ticinesi di numismatica e antichità classiche 15, 1986, 179–196; Simon, Augustus 1986, 156–161; LIMC III (1986) s. v. Bendis (E. Simon); Zanker, Augustus 1987, 232–236; T. Hölscher in: Kaiser Augustus 1988, 371–373 Nr. 204; D. Boschung, Die Bildnistypen der iulisch-claudischen Kaiserfamilie. Ein kritischer Forschungsbericht, JRA 6, 1993, 58; P. Scherrer, ÖJh 58, 1988, 115–128; Kuttner Dynasty 1994, 188; H. Prückner in: G. Erath – M. Lehner – G. Schwarz (Hrsg.), Komos. Festschrift für Thuri Lorenz zum 65. Geburtstag (1997) 119–124; Zwierlein-Diehl, 138. BWPr (1999) 440f.; D. Boschung, Militärische Aspekte im Bild des Kaisers, in: H. von Hesberg (Hrsg.), Das Militär als Kulturträger in römischer Zeit (1999) 205f. Abb. 7; Meyer, Prunkkameen 2000, 59–80 (Datierung: claudisch); D. Boschung, Gens Augusta (2002) 15, 188, 196 Taf. 4,1; Sena Chiesa, Arte e Prestigio 2003, 408, 410 Abb. 24; Meisterwerke 2005 Nr. 75 (A. Bernhard-Walcher). Zum verlorenen Togatus am linken Rand: Vermutlich um störende Beschädigungen zu verschönern, wurden Teile dieser vielleicht nur mehr teilweise erhaltenen Gestalt weggeschliffen. Erhalten ist ein weißer, schräg beschliffener Streifen entlang der oberen Unterarmkante des Tiberius. Eine ca. 0,45 cm breite Schleiffurche folgt der Richtung der Lanze und – verschmälert – dem Radumriß; beiderseits des Szepters und hinter dem Rad sind Gewandfalten erkennbar. Unter der Fußspitze des Tiberius zwischen den Radspeichen der Rist eines von der Seite gesehenen Schuhes. Am linken Rand die Spitze eines halb nach rechts gewandten Lederschuhs mit dünner Sohle. Der Schuh ist von gleicher Art wie der des Tiberius, die Figur als Togatus zu ergänzen. Sie reicht Tiberius die Rechte; der von Rubens zu einer Buchrolle ergänzte vermeintliche Rest ist der unbeschädigte Daumen des Tiberius, Reste von seinem Zeige- und Mittelfinger sind unterhalb erhalten. Die Hand des Togatus umschließt die des Tiberius mit oben liegendem (beschliffenem) Daumen und von unten nach oben greifenden Fingern, wobei Ringfinger und kleiner Finger schmal hinter dem Mittelfinger gestaffelt sind (Zwierlein-Diehl 138. BWPr [1999] 41 Abb. 53 mit Anm. 183). Aus dem Gestus der Hände ergibt sich, daß der Togatus ein Sterblicher sein muß, nicht der Genius Senatus sein kann. Es ist, nach dem einleuchtenden Vorschlag von Möbius, Drusus minor: Tiberius steht so zwischen seinen beiden Söhnen, dem leiblichen und dem Adoptivsohn . Zum Bärtigen rechts: Die linke Hand ist zur Faust geschlossen, der Daumen liegt auf der Spitze des Zeigefingers. Für ein Attribut fehlt 1. der Raum, 2. sind weder an der Hand noch auf der Schulter (wo Rubens die Hand der Göttin zeichnet) nachträgliche Schleifspuren erkennbar. Die Hand ist auf der Rubens-Zeichnung (Kähler Taf. 2) im Prinzip richtig wiedergegeben, auf dem Stich (Kähler nach S. 20) mit einem Stabrest ergänzt. Denare mit sidus Iulium: BMC Empire I 59 Nr. 323–328 Taf. 6,5–8; Kaiser Augustus 1988 Nr. 339. – Romulus mit Tropaion: P. Zanker, Forum Augustum 17 Abb. 41. – Zu Quirinus: Simon, Augustus 1986, 95–97. – Zum Capricorn: T. Hölscher, JbRGZM 12, 1965, 59–73; G. Radke, in: Antike und Universalgeschichte. Festschrift Hans Erich Stier zum 70. Geburtstag (1972) 257–279; E. J. Dwyer, Augustus and the Capicorn, RM 80, 1973, 59–67; G. Radke, Fasti Romani: Betrachtungen zur Frühgeschichte des römischen Kalenders (1990) 74–85; T. Barton, JRS 85, 1995, 33–51. Radke nimmt an, Augustus sei am 17. Dezember des vorcaesarischen Kalenders geboren, man habe das Datum später umgerechnet. Es ist jedoch nicht einsichtig, warum man das getan haben sollte, wenn dieses Datum nun, im iulianischen Kalender, im Capricorn lag. Cicero änderte seinen Geburtstag nicht (Hölscher 72, Barton 44); S. Terio, Der Steinbock als Herrschaftszeichen des Augustus (2006). – Hermes mit Schwert: Oakley, AntK 25, 1982, 44–47; vgl. Schefold, Die Göttersage in der klassichen und hellenistischen Kunst (1981) 37 Abb. 31; LIMC V 319

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

Nr. 368 mit Dionysoskind, 356 Nr. 832–836 im Gigantenkampf (Gérard Siebert). – Zur Datierung des Einzuges des Tiberius, Sueton, Tib. 17; C. Degrassi, Inscriptiones Italiae XIII.2 (1963) 114f.; E. Hohl, Die Siegesfeiern des Tiberius, SbBerlin 1952,1, 3–24, bes. 17, 24; Gasparri, Aedes Concordiae(1979) 17–19; Pollini 223–225. Abb. 611 Rundplastisches Augustusköpfchen aus Glas, dunkelgrauer Kern aus kristallisierter Fritte mit opakem türkisfarbenen Glasüberfang, H: 4.7 cm, spätaugusteisch, Köln, Römisch-Germanisches Museum Inv. 64,33. H. Hellenkemper, in: Glas der Caesaren 1988, 21f. Nr. 1; Salzmann, Antike Porträts im RömischGermanischen Museum Köln. Wissenschaftliche Kataloge des RGM 5, 1990, 150–153 Nr. 3; Boschung, Augustus 1993 Kat. 110 Taf. 203; K. Dahmen, Untersuchungen zu Form und Funktion kleinformatiger Porträts der römischen Kaiserzeit (2001) 29f., 166 Kat. 71 Taf. 71. Zur Augenform mit Iriskreis und sichelförmiger Pupille: Dreikönigenschrein 1999 zu Nr. 24. Zu Türkis und Lapsilazuli als Steinen der Venus: Zwierlein-Diehl, Herimannkreuz 1992, 382. Abb. 612 Porträtbüste der Livia, Karneol in antikem Goldring, Oberseite mit Fassung 3.31 x 2.78 cm, ca. 38–30 v. Chr., aus dem Schatzfund von Petescia, Berlin. Abguß. FG 11066; Furtwängler, AG III 318; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 68 Taf. 75,1.3; Greifenhagen, Schmuckarbeiten I Taf. 58,5; 59,2; 60,10–11; Zwierlein-Diehl, Chalcedonstatuette 29f. (30–20 v. Chr.); Zwierlein-Diehl, 138. BWPr (1999) 24f. Abb. 29, 30. Abb. 613 Capita iugata des Augustus und der Livia, Kameo aus türkisfarbenem Glas mit Goldauflage, 2.38 x 1.93 cm, ca. Zeitenwende–14 n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1034; III 1991, 319; Zwierlein-Diehl, Glasgemmen 1985, 3302 Abb. 3 (Farbe); Simon, Augustus 1986, 161f. Taf. 12,3; Oberleitner 1985 Abb. 27; Megow 1987 Nr. A 15; Oberleitner 1991, 75f. Abb. 59; Bartman 1999, 8 Abb. 8, 193 Cat. 109. Ein seltener Fall, in dem die antike Steingemme bekannt ist, von der die Form für den Glaskameo (über eine Zwischenform) gewonnen wurde. Es war kein Kameo, sondern ein Intaglio, der selbst verschollen, aber im Gipsabguß der Glaspaste Stosch erhalten ist. Der Glaskameo ist also ein Positivabdruck des Intaglios (nicht „imitation“ wie Bartmann versteht): Winckelmann, Description / Reinhardt – Stosch cl. 4,202; J. J. Bernoulli, Die Bildnisse der römischen Kaiser II 1 (1886) 50, 81, 95 Taf. 27,1; FG 964; O. Neverov; Gemme dalle collezioni Medici e Orsini, Prospettiva 29, 1982, 2–13, 11 Abb. 75, 76 (Abguß, mit irrtümlicher Angabe „Prasio ... Firenze, Museo Archeologico“. Man vergleiche die Fehlstelle über dem Ohr des Augustus); Brown, Cameo 1997 105f. Anm. 32. Winckelmann, der die Glaspaste Stosch für antik hält, verweist auf den ähnlichen Intaglio Orsinis, Gallaeus, Imagines Taf. 39 (aus Slg. Pietro Bembo), hier Abb. 827, auf dem Augustus älter aussehe als auf der Glaspaste. Die Zeichnung von Th. Gallé (Brown, Cameo 1997, 94 Abb. 12; Bartmann 1999, 8 Abb. 7) kommt der Glaspaste Stosch näher als der gedruckte Stich. Wenn der Zeichner die Alterszüge verstärkt hat, wäre die Identität des verschollenen Intaglios mit dem des Orsini möglich; beweisbar ist sie nicht. Die von Bartmann irrtümlich auf den Glaskameo bezogene Angabe „ex Pietro Bembo, ex Fulvio Orsini“, könnte dann auf den zugrundeliegenden Stein-Intaglio zutreffen. Nachantike Kopien sind ein Karneol und ein Smaragdplasma in Florenz: Reinach Taf. 74; Gori II Taf. 99,1 (= Tassie – Raspe Nr. 11347; Tondo – Vanni 223 Nr. 93) u. Gori II Taf. 99,2 (= Tassie – Raspe Nr. 11346). Abb. 614 Porträt des Divus Augustus im Strahlendiadem, Kameo, Sardonyx, weiß auf braun, 6.69 x 4.94 cm, bald nach 14 n. Chr., Fassung: Mailand 1550–1560, Köln, Römisch-Germanisches Museum 70,3. a) Original, b) Gipsabguß. Furtwängler, AG III 317 Abb. 160, 321; Möbius Kaiserkameen 1975/1985, 12 Abb. 1; Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 12–53 Taf. 1–3 Abb. 1–7, Taf. 11 Abb. 63, Taf. 14,1–3; Hausmann, 1981, 592;

ABBILDUNGEN 611–620

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H. Jucker, BABesch 57, 1982, 100f. Abb. 1, 2; Simon, Augustus 1986, 161 Taf. 12,1; Boschung, Augustus 1993, 7 Anm. 65, 90 Anm. 433 Taf. 222,2; Bergmann, Strahlen 1998, 108, 112 Taf. 22,2. Zur Fassung: R. Joppien, KölnJb 17, 1980, 54–58; Y. Hackenbroch, Renaissance Jewellery (1979) 41 Abb. 81 A,B. Münzporträts des Ptolemaios III: Kyrieleis, Ptolemäer 1975, 28ff. Taf. 17,1–4. Sesterze mit Sitzstatue des Divus Augustus: Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 29 Taf. 5,14.15; Bergmann, Strahlen 1998, 107 Taf. 20,3. Abb. 615 Divus Augustus, Intaglio, Material unbekannt, Bild 2.06 cm, ca. 34–37 n. Chr., verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 42 Taf. 5,11; Würzburg I 1986 Nr. 564; Bergmann, Strahlen 1998, 116 Taf. 22,4. Abb. 616 Satyrbüste des Hyllos, vgl. Abb. 475. Gipsabguß, Hilfsaufnahme schräg von vorn. Abb. 617 Divus-Augustus-Kameo, vgl. Abb. 614. Gipsabguß, Hilfsaufnahme schräg von vorn. Abb. 618 Antonia minor (36 v.–37 n. Chr.) mit Divus-Augustus-Büste über Globus und Füllhorn, Karneol, Fragment, 1.8 cm, 37 n. Chr., im Jahr der Ernennung zur Priesterin des Divus Augustus oder postum. London. Walters 1926 Nr. 1977; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 75 Taf. 86,4–6; Simon, DLZ 88, 1967, 637; Zwierlein-Diehl, Divus Augustus Taf. 13,77; Bergmann, Strahlen 1998, 105 Taf. 21,1 (Göttin). Abb. 619 Livia mit der Büste des Divus Augustus, Kameo, Sardonyx, opakweiß auf bräunlichem, durchscheinendem Grund, 9 x 6.6 cm, 14–29 n. Chr., Wien. a) der Kameo in emaillierter Goldfassung (2. Viertel 17. Jh.), b) Detail: Büste des Divus Augustus. Eichler – Kris 1927 Nr. 9 Taf. 5 („Der flüchtig eingravierte Löwe auf dem Tympanon ... wohl eine Zutat neuerer Zeit [1619 erwähnt]“); M. Bieber, RE 2. Reihe IV 1 (1931) 61 s. v. Stola; Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 14 Anm. 13, 42 –44 Taf. 12,73 u.74; R. Winkes, AA 1982, 133 Abb. 2; Oberleitner 1985, 46f. Abb. 28; Megow 1987 B 15 Taf. 9; B. I. Scholz, Untersuchungen zur Tracht der römischen matrona (1992) 31f., 67 Gl. 1; Boschung, Augustus 1993, 7 Anm. 65, 90 Anm. 433 Taf. 222,3; Bergmann, Strahlen 109, 118 Taf. 21,5; 22,1; Bartman 1999, 104 Abb. 79; 193 Cat. 110; Meyer, Prunkkameen 2000, 110, 112 Abb. 214. Abb. 620 Livia mit der Büste des Divus Augustus, Kameofragment (unten fehlt etwa ein Drittel), Türkis, H 3.1 cm, B 3.8 cm, 14–29 n. Chr., ehemals Slg. Marlborough, Boston, Museum of Fine Arts 99.109, H. L. Pierce Found. Polacco, Il volto di Tiberio (1955) 64ff. Taf. 8; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 75 Taf. 86,1–3; E. Simon, DLZ 88, 1967, 637; W. H. Gross, GGA 220, 1968, 58; Richter, EG II 1971 Nr. 503; Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 42 Anm. 293; R. Winkes, AA 1982, 131–138; Zwierlein-Diehl, Chalcedonstatuette 1985, 31 mit Anm. 51; Megow 1987, B 19 Taf. 10,5; Boschung, Gnomon 63, 1991, 259; Zwierlein-Diehl, Herimannkreuz 1992, 388 mit Anm. 8; Boschung, Augustus 1993, 90 Anm. 433 Kat. 212 Taf. 204,1.2; Bartman 1999, 83 Abb. 68, 69; Sena Chiesa, L’Alloro di Livia 2004, 793 Anm. 9, 798; Boardman, Marlborough Nr. 403. Die Benennung der männlichen Büste als „Tiberius“ (Polacco, Richter, Megow) ist nicht haltbar, der Kopf hat die Frisur des Primaporta-Typus (Winkes, a. O. 137 Abb. 12 in allerdings vergröbernder Zeichnung; Boschung). Ein retrospektives Porträt des regierenden Kaisers Tiberius als Knabe (vorgreifend mit corona civica ausgestattet) ist nicht möglich. Ebenso auszuschließen ist Bartmans Deutung der Büste als Drusus maior. Zu den Frisuren des Drusus maior und Tiberius s. Boschung, Bildnistypen 51, 56–58. Die Benennung

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

Livia und Augustus wurde zuerst von Vollenweider ausgesprochen. Gross erwägt, ob die Frau Antonia minor, die zweite Priesterin des Divus Augustus sein könne, dagegen spricht die charakteristische Biegung des Nasenrückens. Abb. 621 Augustus, „Kameo Strozzi-Blacas“, vierschichtiger Sardonyx, 12.8 x 9.3 cm, ca. 20–30 n. Chr., London. Walters 1926 Nr. 3577 Taf. 38; Furtwängler, AG III 316 Abb. 159; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 60, 67 Anm. 11, 68 Anm. 17, 79 Anm. 78 Taf. 60,1 (Zuschreibung an Dioskurides wie Furtwängler); Kyrieleis 1971, 169f. mit Anm. 25 Abb. 5, 180 (tiberianisch-claudischer Typus, ursprünglich bekränzt); Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 19 mit Anm. 34, 30, 32 Taf. 9,52 (Zuschreibung an Dioskurides nicht möglich); Möbius, Kaiserkameen, 25; Hausmann 1981, 591f.; Megow 1987 Nr. A 18 Taf. 8. (frühtiberisch); Sena Chiesa, Arte e Prestigio 2003, 406f. Abb. 21. Abb. 622 Augustus, „Kameo Arundel-Marlborough-Evans“, zweischichtiger Sardonyx, 3.7 x 2.6 cm, claudisch (41–54 n. Chr.), Purchase, Joseph Pulitzer Bequest, 1942, New York 42.11.30. Richter, New York 1956 Nr. 648 Taf. 73; H. Möbius, Alexandria und Rom, AbhBayrAk N. F. Heft 59, 22 Taf. IV 8; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 67 Anm. 10, 68 Anm. 17, 79 Anm. 78 Taf. 72,3; Kyrieleis, Kameo Gonzaga 1971, 170 Abb. 6 (tiberianisch-claudisch); Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 13f. mit Anm. 9, 30, 32, 37 Anm. 239 Taf. 9,53 (claudisch); Hausmann 1981, 592; Megow 1987 Nr. A 29 Taf. 28,3 (claudisch); Boardman, Marlborough Nr. 481. Abb. 623 Divus Augustus, Kameo, weißer Onyx, ursprünglich zweilagig, Fragment einer Büste(?), unterhalb des Halsansatzes beschnitten, auf moderner Stoffunterlage, 4.6 x 3.9 cm, claudisch (41–54 n. Chr.), Florenz. Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 65 Anm. 3 Taf. 69,7 (tiberisch, wohl von Herophilos); Gross, GGA 220, 1968, 57 (claudisch); Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 33 Taf. 10,57 (claudisch); Vollenweider, Deliciae Leonis 1984, 175; Megow 1987 Nr. A 26 Taf. 32,3; Giuliano – Micheli 1989 Nr. 147; Tondo – Vanni 1990, Cammei Nr. 19; Boschung, Augustus 1993, 90 Anm. 433. Vollenweiders Zuschreibung, der ich a. O. zustimmte, scheint mir nun, selbst wenn Herophilos der jüngste Sohn des Dioskurides war, aus chronologischen Gründen eher unwahrscheinlich. Vielleicht die Arbeit eines Herophilos-Schülers. Abb. 624 Gestaffelte Porträts von Tiberius und Livia, weißer Onyx auf modernem Chalcedongrund, 5.8 x 4.8 cm, 14–22/23 n. Chr., Florenz. Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 69 Anm. 26 Taf. 76,3; H. Kyrieleis, BJb 171, 1971, 173, 180, 181 Abb. 13; Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 19, 50, 42f. Taf. 12,75; Megow 1987 Nr. A 49 Taf. 10,10; Giuliano – Micheli 1989 Nr. 159;Tondo – Vanni 1990, Cammei Nr. 22 („Probabilmente sec. XVII“); B. I. Scholz, Untersuchungen zur Tracht der römischen matrona (1992) 69 Gl. 5 (Die angedeutete postume Datierung des Liviaporträts ergibt keinen Sinn). Gemmenporträts der Livia mit Nodusfrisur: AGWien I 1973 zu Nr. 550; Würzburg I 1986 Nr. 581, 582; hier Abb. 612. Abb. 625 Büsten des Drusus maior und der Antonia minor, Kameo, Sardonyx, 2.5 x 2.1 cm, wohl claudisch (41– 54 n. Chr.), zwischen den Büsten später zugefügte, byzantinische Inschrift: ΑΛΦΗΟΣ ΣΥΝ ΑΡΕΘΩΝΙ. Im Mittelalter in einem Kloster der französischen Provinz, vor 1724 durch Bernard de Montfaucon in das Antikenkabinett des Klosters von Saint-Germain-des-Prés (Paris) gebracht, aus Slg. M. E. Chitrowo seit 1804 in St. Petersburg. B. de Montfaucon, L’ Antiquité expliquée III (1724) 26f.Taf. 7,2 (Germanicus und Agrippina maior); Mariette 1750, I 438f. Bracci I 1784 Taf. 14; Köhler, Abhandlung über die geschnittenen Steine mit den Namen

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der Künstler (1851) 84–86; H. Brunn, Geschichte der griechischen Künstler II (1859) 597f.; Furtwängler, Künstlerinschriften 268; Neverov, Cameos 1971 Nr. 73; Kiss 1975, 96 Abb. 301 (aus Anlaß der Hochzeit 16/15 v. Chr. geschaffen); Jucker, Mél. Collart 1976, 262 Anm. 140; AGWien II 1979 zu Nr. 1035; Megow 1987, C 10 Taf. 10,12 (Privatporträts? wohl um 20 n. Chr.); Würzburg I 1986 zu Nr. 862; Neverov, Kamei 1988 Nr. 68; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 449f. (auch zum Bildtypus); Dreikönigenschrein 73f. Abb. 36. 37; Zwierlein-Diehl, AG im MA Abb. 10; s. u. S. 258, 262. Zum Bildtypus: Platz-Horster, Capita opposita. Zur Inschrift: Obsolet ist Montfaucons Erklärung, das zweite Wort sei verschrieben statt ΑΡΕΘΟΥΣΗ, die Inschrift vergleiche die Dargestellten mit dem Flußgott Alpheios und der von ihm geliebten Nymphe Arethusa; der Kameo sei ein Geschenk der Athener an Germanicus gewesen. Bei Mariette und Bracci gelten Alpheios und Arethon als Signaturen zweier Künstler; Köhler, dem Brunn folgt, deutet sie als Stifternamen. Furtwängler spricht unter irrtümlicher Berufung auf Brunn von einem Künstler Alpheos. Neverov hält die Namen für eine später zugefügte Besitzerinschrift. Alle gehen davon aus, daß die Inschrift antik ist. Für byzantinischen Ursprung spricht die Schreibung Ἀλφηός statt Ἀλφειός, also Η statt des damals gleichlautenden ΕΙ. Der Name „Arethon“ ist nur in unsicherer Lesung als Name eines Flusses in Epirus überliefert (Livius 43,22). Einen Lösungsvorschlag verdanke ich Sonja Schönauer. Unter der Voraussetzung, daß der Gemmenschneider zwei Buchstaben seiner Vorlage falsch abgeschrieben oder falsch gehört hat, ΑΡΕΘΩΝΙ statt ΑΓΑΘΩΝΙ, könnten zwei sizilische Märtyrer, Alpheios und Agathon gemeint sein, die mit anderen unter Valerian (253– 260) in Leontinoi das Martyrium erlitten, vgl. F. Halkin, Bibliotheca hagiographica graeca I (1957) Nr. 57 u. 59. Zur Umdeutung durch byzantinische Beischrift vgl. Abb. 756. Abb. 626 Drusus maior und seine Kinder, Phalera, blaues Glas, DM 3.9 cm, 10–9 v. Chr., Wien. Abguß. AGWien II 1979 Nr. 1037; III 1991, 320–323; D. Boschung, Römische Phalerae mit Porträtbüsten, BJb 187, 1987, 193–258, 213–218 Kat. 35–42 (Claudius mit Antonia, Octavia und Britannicus, s. jedoch AGWien III); S. Künzl, Archäologisches Korrespondenzblatt 23, 1993, 96 (wie Boschung). Abb. 627 Porträt der Antonia minor, rundplastisches Köpfchen aus Lapislazuli, H: 3,7 cm, Ende 1. Jh. v. Chr., am Henkel einer Lapislazulikanne von Dionysio Miseroni (1651), Wien. R. Distelberger, Dionysio und Ferdinand Eusebio Miseroni, Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien 75, 1979, 109–188, bes. 140ff. Abb. 118–123; AGWien III 1991 Nr. 2536 Taf. 165f.; Distelberger 2002, 307f. Nr. 191. Die Kanne: Abb. 906. Abb. 628 Porträt der Livilla, Tochter des Drusus maior und der Antonia minor, Lapislazuli, einst rundplastisch oder Hochrelief (Hinterkopf nicht erhalten), H 2.55 cm, bald nach 4/5 n. Chr., als Kopf Christi am Herimannkreuz (1036 oder1049) eingesetzt, Köln, Kolumba. a) Original, b) Gipsabguß U. Bracker-Wester, Der Christuskopf am Herimannkreuz – ein Bildnis der Kaiserin Livia, in: Rhein und Maas (Ausstellung Köln 1973) II 177ff.; Megow 1987, 36, 133 Anm. 423, 289 D 4; Zwierlein-Diehl, Herimannkreuz 1992. Die Identifizierung stützt sich auf das gesicherte Porträt der Livilla Abb. 499. Das Kreuz: hier Abb. 855. Abb. 629 Porträt der Livilla, Kameo, Hochrelief, aus blauem Glas, H: 1.36 cm, bald nach 4/5 n. Chr., Wien. a) Vorderansicht, b) rechtes Profil AGWien II 1979 Nr. 1040, III 1991, 324; E. Simon, Augustus (1986) 162 Taf. 12,5; Megow 1987, 293 D 18; Zwierlein-Diehl, Herimannkreuz 1992, 388f. Abb. 5, 6. Abb. 630 Porträt der Livilla, Kameo, Hochrelief, Chalcedononyx, weiß auf hellgrau, signiert: ΣΑΤΟΡΝΕΙΝΟΥ, „(Werk) des Saturninus“, H 3.0 cm, 14–31 n. Chr., Paris, Cdm. Gipsabguß.

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

a) Vorderansicht b) linkes Profil Furtwängler, AG III 320, 358 (Antonia minor); Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 75f. Taf. 85,1.2.4 (Antonia minor); Möbius, Kaiserkameen 21 (nicht Antonia); Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 36f., 43 Anm. 306 Taf. 11,67–69 (Livilla); Zazoff, HdArch. 1983, 316 Anm. 59 Taf. 91,2 (Antonia); Megow 1987, 294 D 20 Taf. 7,18 (Antonia); Zwierlein-Diehl, Herimannkreuz 1992, 388f.; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 544; Cdm II 2003 Nr. 78. Abb. 631 Porträt des Germanicus, Kameofragment, Sardonyx, zweischichtig, signiert: ΕΠΙΤΥΝΧΑ[ΝΟΥ], „(Werk) des Epitynchanos“, 1.8 x 2.1 cm, um oder bald nach 4 n. Chr., London. Nach Glaspaste in Würzburg. Walters 1926 Nr. 3592 Taf. 39; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 77 Taf. 88,4; Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 28, 36 Taf. 11,65; Zazoff, HdArch 1983, 316 Anm. 59 Taf. 91,3. Megow 1987, 277 C 14 Taf. 6; Zwierlein-Diehl, AA 1990, 541f. Die Glaspaste: Würzburg I 1986 Nr. 4. Die Grabinschrift: CIL VI 2, 3943. Germanicus, Kameo Wallmoden, hier Abb. 951. Abb. 632 Porträtbüste des Drusus minor, Kameo, zweischichtiger Sardonyx, weiß auf rötlich braun, in antiker Goldfassung, die in einen Gegenstand eingesetzt war (Fibel?, Kranz?), 2.2 x 1.6 cm, um 20 n. Chr., aus der Nekropole von Kertsch, Mitfunde aus der 1. Hälfte des 1. Jh.s n. Chr., St. Petersburg,. N. Garschin-von Engelhardt, Eine Kertscher Kamee mit dem Bildnis Drusus des Jüngeren, JdI 41, 1926, 239–246; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 77 Taf. 88,3.5; Neverov, Cameos 1971 Nr. 82; Kiss 1975, 102 Abb. 330; Megow 1987, C 30 Taf. 10,6; Neverov, Kamei 1988 Nr. 76. Abb. 633 Die Söhne des Germanicus vor Tiberius, „Gemma Tiberiana“,“Le Grand Camée de la Sainte-Chapelle“, „Le Grand Camée de France“, Sardonyx von fünf Lagen, braun, weiß, rötlich, weiß, dunkelrötlich auf braunem Grund, 31 x 26.5 cm, 23–29 n. Chr., Paris, Cdm. Aus der Literatur vor Bernoulli 1886, Jucker 1976 und Megow 1987 werden nur Artikel wiederholt, deren Verfasser im Text namentlich angeführt sind. Zur Geschichte: Gassendi, Peiresc 151–153; Fauris de Saint-Vincens, Correspondance inédite de Peiresc avec Jérôme Aléandre (Paris 1819) 71–82; Babelon 1897, 129–131; H. Stern, Peiresc et le Grand Camée de France, Revue des Arts 6, 1956, 255f.; van der Meulen, Rubens 1975 passim, 142–146 G 63 Taf. 1; Cameos in Context 1993,59, 64 Abb. 4.11 (C. Mango and M. Mundell Mango, Rekonstruktion der byzantinischen Fassung, s. jedoch Durand 2001); 78–82 (Chr. White, Gemälde des Grand Camée von P. P. Rubens); J. Durand – M. P. Lafitte (Hrsg.), Le Trésor de la Sainte-Chapelle, catalogue de l’exposition 31 mai–27 août 2001 (Paris Musée du Louvre) 90–95 (M. Avisseau-Broustet, J. Durand); M. van der Meulen, Rubens Copies I (1994) 158–177 Appendix II (Beschreibungen der Gemma Augustea und des Grand Camée durch Peiresc und Aleandro), II (1994) Nr. 168. Zur Deutung: JeanTristan de Saint-Amant, Commentaires historiques contenants en abrégé les vies, éloges et censures des empereurs ... (1. Aufl. Paris 1635) 81–89; Albert Rubens, Dissertatio de Gemma Tiberiana (1655), in: Alberti Rubeni, Petri Pauli F., De re vestiaria veterum praecipue de lato clavo libri duo et alia eiusdem Opuscula posthuma, ... (1665) 189–211; J. J. Bernoulli, Die Bildnisse der römischen Kaiser und ihrer Angehörigen I (1886) 275–299 (mit Tabelle der früheren Deutungen seit Peiresc 1619); Babelon 1897 Nr. 264 Taf. 28; Furtwängler, AG I Taf. 60, II 268–271; L. Curtius, RM 1934, 119–156; J. Gagé, REA 37, 1935, 165–183; B. Schweitzer, Klio 34, 1942, 328–356; F. Poulsen, Probleme der römischen Ikonographie. Archaeologisk-kunsthistoriske Meddelelser II 1 (1937) 32–42; A. W. Byvanck, Historia 9, 1943, 25–32 u. 55–59; J. Charbonneaux, RA 29–30, 1948 [1949] 170–186; H. Möbius, Festschrift F. Zucker 1954, 265– 274 (= Studia Varia [1967] 226–238); V. Poulsen, Claudische Prinzen (1960) 30–38; K. Jeppesen, Neues zum Rätsel des Grand Camée de France, Acta Jutlandica 44:1 (1974) (24 n. Chr., 3 = L. Aelius Seianus, s. u. 1993); Kiss, Princes 1975, 131–136; H. Jucker, JdI 91, 1976, 211–250 (mit Tabelle der Deutungen seit

ABBILDUNGEN 631–635

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Bernoulli); Megow 1987 A 85 Taf. 32,5–10; 33; K. Fittschen, I Ritratti di Germanico, in: G. Bonamente – M. P. Segoloni (Hrsg.), Germanico: La Persona, la Personalità, il Personaggio. Atti del Convegno Macerata – Perugia, 9–11 maggio 1986 (1987) 214, 216, 218 Abb. 32, 43, 45 (23–29 n. Chr.); D. Boschung, Die Bildnisse des Caligula (1989) 64–70 (23–29 n. Chr.); Boschung, Augustus 1993, 195 Kat.-Nr. 216 Taf. 205,4; D. Hertel, BJb 190, 1990, 654–664, 659–661 (rez. Boschung 1989; 3 = Germanicus, Zeit Caligulas); K. K. Jeppesen, RM 100, 1993, 141–175 (28 n. Chr.; 3 = L. Aelius Seianus; contra: Poulsen 1937, 36; Jucker 1976, 213); D. Boschung, Die Bildnistypen der iulisch-claudischen Kaiserfamilie. Ein kritischer Forschungsbericht, JRA 6, 1993, 47 Anm. 46, 58, 61–63, 65; B. Andreae in: D. Rößler – V. Stürmer, Modus in Rebus. Gedenkschrift für Wolfgang Schindler (1995) 93–96 (13 = Julus); J.-B. Giard, Le Grand Camée de France (1998) (3 = Germanicus, 10 = Divus Iulius Caesar, 11 = Augustus); Dreikönigenschrein zu Nr. 21 (zu 8); Bergmann, Strahlen 1998, 108–110 (zu 10); Zwierlein-Diehl, 138. BWPr 1999, 42f.; Andreae, Odysseus 1999, 222f.; D. Boschung, Militärische Aspekte im Bild des Kaisers, in: H. von Hesberg (Hrsg.) Das Militär als Kulturträger in römischer Zeit (1999) 206f. Abb. 9; Meyer, Prunkkameen 2000, 11–28 (1 = Nero [Jedoch: das Profil des Tiberius ist gut erhalten. Die ursprüngliche Länge der Nackenhaare entspricht der auf Münzen tiberischer Zeit seit 22/23 n. Chr., s. Giard II 1988 Nr.70, 78–80, 103f., 107, 109, 141, 142, 149; ZwierleinDiehl, Divus Augustus 1980, 32f., 35; schon 4–5 n. Chr: AGWien I Nr. 525, hier Abb. 499], 2 = Octavia, 3 = Mars, 4 = Fama, 5 = Romulus, 6 = Agrippina minor, 7 = Enkel des Claudius, 8 = dessen Mutter Claudia Antonia, 9 = Armenier, 10 = Divus Claudius [Auf der Basis des in Claudius umbenannten Augustusporträts, Boschung, Augustus Nr. 164], 11 = Germanicus, 12 = Drusus minor, 13 = Polos. Datierung 58 n. Chr. Umarbeitung 325 n. Chr: 1 = Konstantin [der jedoch weder Stoppelhaar noch Bart trug, weshalb sich die Umarbeitung erübrigt hätte]. Vermutungen zu Überarbeitungen stützen sich offenbar ausschließlich auf den Abguß; Unterschneidungen der Köpfe werden, außer bei 12, durchweg als Überarbeitung gedeutet); D. Boschung, Gens Augusta (2002) 16, 196 Taf. 4,2; Sena Chiesa, Arte e Prestigio 2003, 408, 411 Abb. 25; Cdm II 2003 Nr. 275; Chr. Witschel, Klio 86, 2004, 523–525 (rez. Meyer, Prunkkameen 2000). Zur engen Verbindung von Bonus Eventus und Fortuna bzw. Felicitas: Der weibliche (Fortuna- oder Felicitas-) Kopf auf Denaren des Jahres 68 n. Chr. mit Beischrift BON EVENT: P.-H. Martin; Die anonymen Münzen des Jahres 68 n. Christus (1974) 26–28, 52f., 74 Nr. 40. 42. 43; P. E. Arias in: LIMC III s. v. Bonus Eventus Nr. 8, 9; mit Umschrift BON EVENT ET FELICITAS: Martin, a. O. 74 Nr. 47; Arias, a. O. zu Nr. 8. Für die begriffliche Verbindung von Bonus Eventus und Fortuna spricht auch die römische Benennung zweier Statuen des Praxiteles auf dem Kapitol (Plinius, nat. hist. 36,23); Furtwängler, Meisterwerke 580f.; ZwierleinDiehl, Chalcedonstatuette 1985, 32 Anm. 60; Dreikönigenschrein zu Nr. 21. Abb. 634 Caligula und Roma auf gemeinsamem Thron, Fragment eines Kameos, Sardonyx, weiß auf bläulich braun, Reste von Goldauflage auf Haar und linkem Zeigefinger der Roma, H 11 cm, B 10 cm, 37–41 n. Chr., Wien. Eichler – Kris 1927 Nr. 6 Taf. 3; H. Kyrieleis, AA 1970, 492–498. (Caligula, nicht Augustus); Oberleitner 1985 Abb. 25; Megow 1987 A 60 Taf. 15,3; 16,1; D. Boschung, Die Bildnisse des Caligula (1989) Kat. 34 Taf. 30; Oberleitner 1991, 75f. Abb. 62; Meyer, Prunkkameen 81f. Abb. 164 (für M. der früheste „Beleg für römische Großkameen“, da er die Gemma Augustea in claudische, den Grand Camée in neronische Zeit datiert); D. Boschung, Gens Augusta (2002) 15 Taf. 4,3; Meisterwerke 2005 Nr. 77 (A. Bernhard-Walcher). Abb. 635 Gemma Claudia: Füllhornbüsten von Claudius und Agrippina minor gegenüber jenen von Germanicus und Agrippina maior, Kameo, Sardonyx mit fünf abwechselnd braunen und weißlichen Schichten, Goldpartikel zwischen linkem Füllhorn und Adlerflügel und im Kranz des Germanicus, H 12 cm B 15.2 cm, um 49 n. Chr., Wien. a) Original, b) Abguß Eichler – Kris 1927 Nr. 19 Taf. 9; S. Fuchs, RM 51, 1936, 212–237 Taf. 28–33 (Benennung der Porträts); Oberleitner 1985 Abb. 37, 38; Megow 1987 Kat. A 81 Taf. 31; Oberleitner 1991, 75f. Abb. 63; Boschung, Bildnistypen 61 Anm. 117; S. Künzl, AKorrBl 24, 1994, 289–297 (Die anhand von Photos und eines Abgusses,

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XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

ohne Betrachtung des Originals, vorgetragene Hypothese, die beiden linken Büsten seien überarbeitet, ist nicht stichhaltig. Aus dem hochrechteckigen Kopf des Caligula mit seiner hohen Stirn hätte sich das vorliegende Claudiusporträt nicht schneiden lassen; das kleine Auge des Claudius mußte naturgemäß anders dargestellt werden als die übrigen; s. auch Dreikönigenschrein 114 Anm. 315); D. Boschung, Gens Augusta (2002) 190f., 197; Sena Chiesa, Arte e Prestigio 2003, 406f. Abb. 22; G. Guillaume-Coirier, Journal des Savants 2004, 21–60 (Erweitert die Theorie von Künzl durch neue Hypothesen, u. a. die unhaltbare Deutung des rechten männlichen Porträts als Augustus); Meisterwerke 2005 Nr. 79 (A. Bernhard-Walcher). Abb. 636 Porträtbüste des Claudius, hellgrauer Chalcedon, Fragment, H 14.5 cm, 41–54 n. Chr., Wien. Furtwängler, AG III 321 Abb. 165; Eichler – Kris 1927 Nr. 18 Taf. 8; H. Jucker, Julisch-claudische Kaiserund Prinzenporträts als Palimpseste, JdI 96, 1981, 236–316, 309–311 Abb. 77–78 (Claudiusporträt mit korrigierter Frisur); Oberleitner 1991, 52 Abb. 34; Megow 1987 A 78 Taf. 21,2–4; 22,1 (umgearbeitetes Caligulaporträt, Beschreibung der Veränderungen); Boschung, Caligula 1989 51–53 Kat. 36 Taf. 30,4 (umgearbeitetes Caligulaporträt, dessen Frisur die obere Lage des Stirnhaares entspricht); Meisterwerke 2005 Nr. 78 (A. Bernhard-Walcher). Abb. 637 Porträt des Claudius, vierschichtiger Sardonyx, Bruchstelle vom Ansatz der Kranzschleife bis zum Kinn, geglättet, die Spitze des Kranzes durch Nachschliff verloren, 3.8 x 4.15 cm, 41–54 n. Chr. Einst am Reliquiar des René Ier d’Anjou in der Basilica von Saint-Nicolas-de-Port (s. u. Abb. 860), Slg. Cook, Slg. Merz, Antikensammlung der Universität Bern. H. Jucker, in: Jucker – Willers 1982 Nr. 167; Vollenweider, Deliciae Leonis 1984 Nr. 297; Megow 1987 A 69 Taf. 24,5; Willers – Raselli-Nydegger 2003, 45 Nr. 17, 152f. Nr. 156. Zum Reliquiar s. u. S. 263f.. Abb. 638 Claudius auf dem Adler, dreischichtiger Sardonyx, ca. 10.7 x 11.5 cm, mit Fassung 13 x 13.5 cm, 41–54 n. Chr., aus der Abtei Saint-Èvre zu Toul 1684 erworben, Paris, Cdm. Babelon 1897 Nr. 265 Taf. 29; H. Jucker, JBBernHistMus 39/ 40, 1959/60, 277–280 Taf. 6,1.2; Megow 1987 A 80, Taf. 27,1; Dreikönigenschrein 76, 78 Abb. 41; Avisseau-Broustet 2000, 94f.; Cdm II 2003 Nr. 120. Abb. 639 Thronender Nero und Agrippina minor, Sardonyx, 8.04 x 6.45 cm, 54–59, wohl bald nach 54 n. Chr., Dreikönigenschrein, Köln, Dom. Furtwängler, AG, III 325 Anm. 1; H. Möbius, AA 63/64, 1948/49, 111–118 Abb. 2.3; ders., SchwMbll 16, 1966, 115–117; ders., KölnJb 9, 1967/68, 23f. Taf. 3,1; ders., Kaiserkameen 1975/1985, 33f.; E. Simon, JdI 75, 1960, 145 Anm. 32, 147 Abb. 9; M.-L. Vollenweider, Der Jupiter-Kameo. Württembergisches Landesmuseum Stuttgart (1964) 6, 11 Anm. 18 u. 20, 12 Anm. 27 Taf. 4,1; Megow 1987 A 98 Taf. 35,1.2. M. Bergmann, 15. TrWPr. 1993, 6 Taf. 1,3 (Abguß); Dreikönigenschrein Kat. 1. Abb. 640 Nero und Agrippina als Triptolemos und Ceres, Kameo, Sardonyx mit drei gefleckten Lagen, H 8.3 B 7.8 cm, Reliefgrund hinter Nero ergänzt, der rechte Arm und die Kranzschleife Neros fehlen, 54–59 n. Chr., wohl bald nach 54, Paris, Cdm. Babelon 1897, 144f. Nr. 276 Taf. 30; Simon, Die Portlandvase (1957) 61 Taf. 31,1; Megow 1987 A 86 Taf. 27,3; Dreikönigenschrein 76, 78 Abb. 40, 113, 116; Avisseau-Broustet 2000, 85; Cdm II 2003 Nr. 105 („Claudius und Messalina“; die Porträts möglicherweise aus früheren – des Agrippa und der Julia? – umgearbeitet. Der lituus am Wagenkasten spricht m. E. für einen Kaiser). Abb. 641 Das Alabastron aus Stift Nottuln in Berlin. Glücksverheißung für einen neugeborenen Prinzen, wohl Marcellus (42–23 v. Chr.), Sardonyx mit vier Lagen, H: 9 cm, 50–30 v. Chr.

ABBILDUNGEN 636–644

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a) Seite mit demNeugeborenen, b) Seite mit Venus, c) Gipsabguß, photographische Abrollung. FG 11362; Furtwängler, AG III 336–339; E. Simon, Die Portlandvase (1957) 54f.; Ch. Picard, Les Trophées Romaines (1957) 327f.; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 25 Taf. 14,1; Bühler 1973 Nr. 68 Taf. 20; Fr. Ghedini, L’Alabastron di Berlino: Un dono di Caligula a Cesonia?, RM 94, 1987, 197–203 Taf. 107; Zwierlein-Diehl, Das Onyx-Alabastron aus Stift Nottuln in Berlin, 138. BWPr (Berlin 1999); Meyer, Prunkkameen 2000, 52–54, 56f. (Das Kind: Enkel des Claudius, Datierung 50/51 n. Chr. [Ohne Kenntnis des 138. BWPr.]); Krone und Schleier 261 Nr. 132. Zur Datierung der Actiumprägung: 31 (oder früher?)–27 v. Chr.: W. Trillmich, in: M. Hofter (Hrsg.), Kaiser Augustus und die verlorene Republik, Ausst. Berlin 1988, zu Nr. 323. Zu Stempeln klassizistischer und hellenistischer Art innerhalb der Serie: Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 27. Abb. 642 Die Portlandvase, Kameoglas, H 24.5 cm, DM 17.7 cm, bald nach 30 v. Chr., London GR 1945.9-27.1. a) Seite mit Amor, b) Seite mit Venus E. Simon, Die Portlandvase (Mainz 1957); D. E. L. Haynes, The Portlandvase (London 1964, 21975); E. Simon, Drei antike Gefäße aus Kameoglas in Corning, Florenz und Besançon, in: JGS 6, 1964, 13–33, bes. 19; H. Möbius, Die Reliefs der Portlandvase und das antike Dreifigurenbild, AbhBayerAk N. F. 61 (1965); Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 62; B. Ashmole, JHS 87, 1967, 1–17; F. L. Bastet, Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 18, 1967, 1–29; C. W. Clairmont, AJA 72, 1968, 280–281; E. L. Brown, AJA 76, 1972, 379–391; E. B. Harrison, in: Essays in Memoriam O. Brendel, 1976, 131–142; J. G. F. Hind, JHS 99, 1979, 20–25; L. Polacco, in: Studi e Materiali 6. Alessandria e il mondo ellenistico-romano. Studi in onore die Achille Adriani (Rom 1984) 729–743; Simon, Augustus 1986, 162–165 Taf. 14, 15; F. Felten, RM 94, 1987, 205–222; D. B. Harden, K. S. Painter, in: Glas der Caesaren 1988, 53–67; H. Meyer, Boreas 12, 1989, 123–134; N. Williams, The Breaking and Remaking of the Portland Vase, 1989; D. B. Whitehouse (Hrsg.), Journal of Glass Studies 32, 1990 (Beiträge von J. C. Freestone, W. Gudenrath, K. Painter, D. Whitehouse. 172–176, tabellarische Übersicht über die Deutungen); K. Painter – D. B. Whitehouse, The Portland Vase, in: M. Newby – K. Painter (Hrsg.), Roman Glass. Society of Antiquaries of London. Occasional Papers XIII, 1991, 33–45; S. J. Harrison, The Portland Vase revisited, in: JHS 112, 1992, 150–153; J. Welzel, Die Amphore des Kaisers, Ausst. Glasmuseum Wertheim u. a., 1992; G. Platz-Horster, Nil und Euthenia. 133. BWPr, 1992, 29; D. Whitehouse, K. Painter, The P. V.: An Aspect of Roman Cameo Cutting, in: Cameos in Context, 1993, 3–24; D. E. L. Haynes, JHS 115, 1995, 146–152; J. G. F. Hind, JHS 115, 1995, 155–155; B. Fehr, Hephaistos 13, 1995, 109–124; J. G. F. Hind, in: G. R. Tsetskhladze (Hrsg.), New Studies on the Black Sea Littoral, 1996, 59–62; R. Lierke, Antike Glastöpferei, 1999, 67–89 passim; E. Simon, in: R. Lierke, Antike Glastöpferei (1999) 89–96; Zwierlein-Diehl, 138. BWPr, 1999, 26; Meyer, Prunkkameen 2000, 54–56 (die Träumende = Antonia, Tochter des Claudius, Datierung: neronisch. [Man vergleiche jedoch den kontrastierenden Stil neronischer Kameen, hier Abb. 639, 640]); E. Zwierlein-Diehl, in: Der Neue Pauly Bd. 10 (2001) 186–189 s. v. Portlandvase; W. Gudenrath – V. Tatton-Brown, Catalogue of Greek and Roman Glass in the British Museum II. Non-blown and early blown glass (in Druck), Nr. 740 (Portlandvase), Nr. 469 (Bodenscheibe); S. Walker, The Portland Vase (2004). Abb. 643 Atias Traum, quergestreifter Sardonyx, Bild 1.48 x 1.14 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., ehemals Slg. Southesk, Slg. Joseph Bard, verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 434. Abb. 644 Die Onyxkanne in Saint Maurice d’Agaune, Achat, grau, olivgrün, braun, H 15.65 cm. a) Seite mit Thronender und Dienerin mit Kanne, b) Onyxkanne mit mittelalterlicher Fassung und Verschluß. Seite mit Venus am Grabmal (nach Simon 1957 Taf. 34). Furtwängler, AG III 339f.; P. Schazmann, Zeitschrift für Schweizerische Archaeologie und Kunstgeschichte

442

XIV. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND KAMEOGEFÄSSE

7, 1945, 1–21; E. Simon, Die Portlandvase (1957) 64–74; Ch. Picard, Gazette des Beaux-Arts 53,1959, 193–214; Ch. Picard, Zeitschrift für Schweizerische Archaeologie und Kunstgeschichte 20, 1960, 1–7; Vollenweider, Steinschneidekunst 1966, 55 Taf. 55f. (1. Hälfte oder Mitte 1. Jh. v. Chr., Arbeit des Solon?); Bühler 1973, 51–53 Nr. 35 Farb-Taf. II; F. Ghedini, Rivista di Archeologia 11, 1987, 68–74; G. Schwarz, Helvetia archaeologica 85, 1991, 17–30; G. Schwarz, RM 99, 1992, 265–299, 277–284; E. Simon, RM 105, 1998, 305–314; Zwierlein-Diehl, 138. BWPr. 1999, 25f. Abb. 645 Ausfahrt des Triptolemos und der Ceres, Lekythos, fünfschichtiger Sardonyx, H 15.3 cm, 54–59, wohl bald nach 54 n. Chr., aus dem Besitz der Isabella d’Este in Mantua, Braunschweig, Herzog Anton UlrichMuseum. Furtwängler, AG III 338f. (Claudius); G. Bruns – A. Fink, Das Mantuanische Onyxgefäß, Kunsthefte des Herzog Anton Ullrich-Museums 5, 1950, 1–20 (Caracalla u. Julia Domna); E. Simon, Die Portlandvase (1957) 56–61 Abb. 5, Taf. 29 (Nero u. Agrippina minor, Göttin mit Fackeln: Astarte, Flügelfrau: Virgo); dies. JdI 76, 1961, 150f., 158 Abb. 30; Bühler 1973, 65–67 Nr. 74 Taf. 23; E. La Rocca, L’età d’oro di Cleopatra. Indagine sulla Tazza Farnese (1984) 69–81 (Claudius, Göttin mit Fackeln: Hekate, die Gruppe rechts: vier Jahreszeiten); Isabella d’Este 1994, 282 (sp. 3, 2), 306 Kat.-Nr. 99 (A. Bernhard-Walcher); E. Simon, Zaberns Archäologischer Kalender 1996, 12.–25. 2. und 26. 8.–8. 9; Brown, Cameo 1997, 93 Abb. 10; H. Tait, The Renaissance Cameo-Cut Vase and Its Antecedents, in Brown 1997, 109–126, 113f. Abb. 3. Abb. 646 Venus und Adler, Sardonyx, 2.7 cm, 3. Viertel 1. Jh. v. Chr, aus Slg. Pierre Crozat, duc Louis d’Orleans, St. Petersburg. Neverov, Cameos 1971 Nr. 39 (hiernach die Abb.); Neverov, Kameen 1981 Nr. 10; Neverov, Kamei 1988 Nr. 54; Zwierlein-Diehl, 138. BWPr (1999) 337 Abb. 51; Kagan – Neverov, Catherine II 136 Kat. 155/62. Abb. 647 Venus, zweilagiger Sardonyx, 9.2 cm, 2. Hälfte 1. Jh. n. Chr., einst am Reliquiar des René Ier d’Anjou in Saint-Nicolas-de-Port (s.u. Abb. 860), Paris, Cdm. Babelon 1897 Nr. 42; Dreikönigenschrein 77–80, 87 Abb. 43 (zu spät datiert); Zwierlein-Diehl, Claudius, 41 Nr. 5. Abb. 648 Amor kämpft mit einer Gans, 1.9 cm, spätes 1. Jh. v. / frühes 1. Jh. n. Chr., aus Slg. Pierre Crozat, Duc Louis d’Orleans, St. Petersburg. Neverov, Kamei 1988 Nr. 185. Abb. 649 Amores peinigen Psyche im Beisein des Bacchus, Sardonyx, 2.4 cm, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr., aus Slg. Grimani, St. Petersburg. Furtwängler, AG Taf. 57,14; Neverov, Kamei 1988 Nr. 41. Abb. 650 Amor und Psycheschmetterling, Karneolonyx, 2.1 cm, spätes 1. Jh. v. / frühes 1. Jh. n. Chr, Dreikönigenschrein, Köln, Dom. Dreikönigenschrein Kat. Nr. 6. Abb. 651 Bacchus und Ariadne, dreischichtiger Sardonyx, 4.6 cm, 1. Hälfte 1. Jh. n. Chr., Fassung Mailand 1560– 1570 (Hackenbroich), Wien. Eichler – Kris Nr. 46; Simon, JdI 76, 1961, 133 Abb. 15; Y. Hackenbroich, Renaissance Jewellery (1979) 45 Abb. 96; Oberleitner 1985 68 Nr. 55.

ABBILDUNGEN 645–659

443

Abb. 652 Büste der Diana, zweischichtiger Sardonyx, 3.5 cm, 1. Jh. n. Chr., in Goldfassung als Anhänger mit Kette (Länge 49 cm), 3. Jh. n. Chr., aus einem Grabfund von S. Pietro Incariano bei Verona, zusammen mit Eichler – Kris Nr. 96 und einer Münze des Caracalla, Wien. Eichler – Kris Nr. 42; Oberleitner 1985, 67 Abb. 53; Dreikönigenschrein 141 Abb. 66. Zu Diana: Simon, GdR 51–58, 266f., 294f. Abb. 653 Apollo und Marsyas, zweischichtiger Sardonyx, 2.5 cm, (wohl 2. Hälfte) 1. Jh. n. Chr., Dreikönigenschrein, Köln, Dom. Dreikönigenschrein Kat. Nr. 4. Abb. 654 Persephone, Chalcedonstatuette, H. 10.20 cm, Ende 1. Jh. v. Chr., aus der römischen Grabkammer in KölnWeiden, Berlin. FG 11363; Zwierlein-Diehl, Chalcedonstatuette 1985 (die dort vorgeschlagene Ergänzung ist durch die Untersuchung von A. Filges hinfällig); A. Filges, Standbilder jugendlicher Göttinnen (1997) 130, 286 Kat.Nr. 212 (Persephone/Isis – Typus Jerusalem/Kyrene). Abb. 655 Urteil über Orest, Sardonyx, 3.9 cm, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr., St. Petersburg Furtwängler, AG Taf. 58,4; G. Hafner, 113. BWPr. (1958) 13 Abb. 6; Neverov, Cameos 1971 Nr. 36; Neverov, Kameen 1981 Nr. 14; LIMC I (1981) Aletes Nr. 4* (E. Simon); Neverov, Kamei 1988 Nr. 30. Zum Thema: W. Gauer, AA 1969, 76–88; G. de Luca, I monumenti antichi di Palazzo Corsini in Roma (1976) 122–132 Nr. 73; C. Wölfel, Mythos und politische Allegorie auf Tafelsilber der Kaiserzeit (FU Berlin, Digitale Dissertation, 2002) 110–113. Abb. 656 Kybelefest, Sardonyx, 2.7 cm., 3. Viertel 1. Jh. v. Chr., St. Petersburg. Neverov, Cameos 1971 Nr. 15 (hiernach die Abb.); Neverov, Kamei 1988 Nr. 29; Zwierlein-Diehl 138. BWPr (1999) 27 Abb. 34. Abb. 657 Manteltänzerin, Sardonyx, 2.4 cm, 2. Hälfte 1. Jh. v. Chr., Dreikönigenschrein, Köln, Dom. Dreikönigenschrein Kat. Nr. 3. Abb. 658 Fischer im Boot, Sardonyx, 2.2 cm, 1. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2465.

XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT, 1./2.–5. JAHRHUNDERT N. CHR. Abb. 659 Büste des Traian (98–117 n. Chr.), Sard, 1.73 cm, verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 760. Vom gleichen Original: Vollenweider, Genf II 1976/1979 Nr. 234; H. Jucker, JbBerlMus 26, 1984, 65 Abb. 30 (Typus III).

444

XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT

Abb. 660 Büste der Matidia (vor 69–119 n. Chr.), Nicolo, 1.45 cm, Bild ca. 1.15 cm, Inschrift PIETAS (im Abdruck seitenrichtig), ca. 115–117 n. Chr., in Goldring des 18. Jahrhunderts, aus den Sammlungen Sir J. C. Robinson, Wyndham Francis Cook, Melvin Godman, Privatbesitz K. Müller, Bonn. C. H. Smith – C. A. Hutton, Catalogue of the Antiquities in the Collections of the late Wyndham Francis Cook, Esqre. (1908) 23 Nr. 78 Taf. 4 (ex Robinson); Zwierlein-Diehl Siegel 2002, 44 Kat. 107 Abb. 99. Abb. 661 Büste des Hadrian (117–138 n. Chr.), Chalcedon, 2.25 cm, verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 761. Abb. 662 Büste des Antinoos, schwarzer Sard, Fragment, nach ergänzter Glaspaste in Würzburg, 3.10 cm, 130–138 n. Chr., einst Slg.Marlborough, Privatbesitz. A. F. Gori – G. F. Zanetti, Le gemme antiche di Antonio Maria Zanetti (Venedig 1750)Taf. 22; Seltman, Hesperia 17, 1948, 77–85 Taf. 27,6; 28,20; Clairmont, Die Bildnisse des Antinous (1966) 30–34 Taf. 1,e.f; Würzburg I 1986 Nr. 764, H. Meyer, Antinoos (1991) 157f. IC7; J. Ch. Gaffiot – H. Lavagne (Hrsg.), Hadrien. Trésors d’une villa impériale (1999) 261 Nr. 101 (H. Lavagne); Boardman, Marlborough Nr. 500. Auf der aus einer retuschierten Form gewonnenen Glaspaste fehlt die am Original vorhandene griechische Inschrift am linken Rand des Fragments: Antō[(das Omega unsicher) ; sie wurde zu Antō[nianos?] ergänzt und auf den Bildhauer Antonianos aus Aphrodisias bezogen, der das Antinoos-Silvanus-Relief signierte (1907 bei Lanuvium gefunden, G. E. Rizzo, Ausonia 3, 1908, 3–17. Rom, Palazzo Massimo alle Terme, Leihgabe), und als Signatur des mit diesem identischen Gemmenschneiders (Seltman), oder als Verweis auf den Schöpfer des Reliefs gedeutet (Clairmont, Lavagne). Beides scheint sehr unwahrscheinlich (Boardman). Besitzerinschrift? Abb. 663 Büsten des Antoninus Pius und des Marc Aurel, Nicolo, griechische (Besitzer?-)Inschrift: GI(...) GI(...), 2.00 cm, 147–149 n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 1725. Abb. 664 BüstedesMarcAurel(geb.121n.Chr.)alsMercur,NicoloinBarockfassung,2.58cm,ca.138–144n.Chr.,Wien. AGWien I 1973 Nr. 422; AGWien III 1991 zu Nr. 1724 u. S. 317; Meisterwerke 2005 Nr. 81,3 (A. BernardWalcher). Abb. 665 Porträt einer Römerin mit Haartracht der Faustina minor, Aquamarin, 1.86 cm, Mitte bis 3. Viertel 2. Jh. n. Chr., in Gold-Emailfassung mit Perlen als Anhänger (H 4.00 cm), um 1580, aus Slg. Praun, MertensSchaaffhausen, Privatbesitz. a) Aquamarin in Fassung b) Aquamarin-Intaglio Murr, Cabinet Praun Nr. 821; Zwierlein-Diehl, Praun I 379f. Nr. 211; Praun II 82f. Abb. 76, 77, ZwierleinDiehl, in: E. Simon, al, Nachrichten aus dem Martin-von-Wagner-Museum, AA 1995, 560–562 Abb. 77 a u. b. Glaspaste: Würzburg I 1986 Nr.826. Abb. 666 Septimius Severus (193–211 n. Chr.) und Familie, Karneol, 2.25 cm, 208–210 n. Chr., verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 778. Vom gleichen Original: Glaspaste in Rom, Thermenmuseum, Richter, EG II 1971 Nr. 578. Abb. 667 Büste des Caracalla (211–217 n. Chr.), Aquamarin, 2.55 cm, Beschädigungen an Ober- und Hinterkopf, Nacken und Unterkante. Wien. AGWien III 1991 Nr. 1728.

ABBILDUNGEN 660–673

445

Abb. 668 Plautilla, Gemahlin des Caracalla, Nicolo in antikem Goldring, die Inschrift F(ulvia/ae) C(ai) bezeichnet Publia Fulvia Plautilla als Tochter des Gaius Fulvius Plautianus, 1.83 cm, 202–205 n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 1729. Abb. 669 Beidseitig geschnitten, Karneol, 2.36 cm, 235 n. Chr., Wien. a) Porträtbüste des Maximinus I. Thrax (235–238 n. Chr.), 1. Typus, b) Hercules im Kampf mit dem Löwen. AGWien III 1991 Nr. 1730. Abb. 670 Familienporträt, horizontal geschichteter Sardonyx, griechische Inschriften: Viel Glück Pancharis mit deiner Gemahlin Basilissa und Paulina! Leben (ist) der eine Gott, 3.10 cm, Mitte bis 3. Viertel 3. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 1733; Meisterwerke 2005 Nr. 81,4 (A. Bernard-Walcher). Abb. 671 Porträtbüste der armenischen Prinzessin Warazadukta (Warazducht), Granat, à cabochon, griechische Umschrift: Königin Warazadukta, (Siegel der) Hermione, (meine) Seele, 1.85 cm, um 330 n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 1731. Abb. 672 Porträtbüste Constantins I., des Großen (306–337 n. Chr.), Amethyst, beide Seiten konvex, die Unterseite stark, 3.71 cm, 326 n. Chr. oder später (Constantinus I. trägt das edelsteingeschmückte Diadem auf Münzen seit 326), aus der Slg. Dr. Ph. Lederer, Berlin. R. Delbrück, Spätantike Kaiserporträts 153 Taf. 74,3; A. Greifenhagen, Berliner Museen, N. F. Sonderheft (1960) 19 Abb. 11 (wie Delbrück); M. R. Alföldi, Die constantinische Goldprägung (1963) 129 Taf. 36,300; AGD II 1969 Nr. 545 (Constantinus I., Vergleich mit dem Goldmultiplum, Alföldi, a. O. Nr. 141 Taf. 18,230 [unter irrtümlicher Berufung auf Alföldi] sowie Hinweis auf das zweireihige Diadem aus perlenförmigen Steinen, Delbrück, a. O. Taf. 3,31); Richter, EG II 1971 Nr. 606; R. Calza, Iconografia romana imperiale. Da Carausio a Giuliano (287–363 d. C.) (1972), 306f. Nr. 213 Taf. 104,378; J. D. Breckenridge, in: Age of Spirituality (1979) 24f. Nr. 17; J. D. Breckenridge, Gesta 18/1, 1979, 9–12, 10 Abb. 7; Zazoff, HdArch 1983, 328 Anm. 149 Taf. 100,3; H. Beck – P. C. Bol (Hrsg.), Spätantike und frühes Christentum. Ausst. Liebighaus Frankfurt 1983/84 (1983) Nr. 43 (D. Stutzinger); H. P. L’Orange – R. Unger, Das spätantike Herrscherbild von Diokletian bis zu den Konstantin-Söhnen 284–361 n. Chr. (1984) 129; G. Platz-Horster, BJb 201, 2001, 57 Anm. 16f. (zum „purpurfarbenen“ Amethyst als Gemmenstein für Herrscherporträts); S. Ensoli – E. La Rocca, Aurea Roma. Dalla città pagana alla città cristiana (2000) 77 (Ensoli), 556 Abb. 211 (seitenverkehrt); A. Donati – G. Gentili (Hrsg.) Costantino il Grande: la civiltà antica al bivio tra Occidente e Oriente. Ausst. Rimini 13 marzo – 4 settembre 2005, 222 Nr. 31 (G. Gentili). Calza 1972 (richtiggestellt von Breckenridge 1979) und L’Orange – Unger 1984 identifizieren diesen 1924 aus der Slg. Dr. Ph. Lederer erworbenen Amethyst-Intaglio irrtümlich mit dem Amethyst der Slg. Stosch, FG 2343 (=A. Effenberger, Byzantinische Kostbarkeiten aus Museen, Kirchenschätzen und Bibliotheken der DDR, Ausst. Bode-Museum, Berlin 1977, Nr. 121 Taf. 37), der nach Furtwängler, AG Taf. 48,37, II 231 eine Kopie des Amethysts in Leipzig, AG Taf. 48,35 ist. Delbrück, Alföldi, Calza, Breckenridge und L’Orange – Unger identifizieren das Porträt mit Constantius II. (337–360 n. Chr). Abb. 673 Büste Alarichs II. (484–507 n. Chr.), Saphir, Umschrift: ALARICUS REX GOTHORUM, 2.06 cm, in goldener Ringfassung des 16. Jh.s, wahrscheinlich aus der Sammlung des Grafen Ulrich von Montfort zu Tettnang (†1574), dann Schloß Ambras, Wien.

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XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT

AGWien III 1991 Nr. 1732. Nachtrag zur Literatur: J. D. Breckenridge, Gesta 18/1, 1979, 14f. Abb. 15 (Bildunterschrift vertauscht mit Abb. 14). Abb. 674 Porträtbüste eines Philosphen (Bias?), ein fehlendes Stück am Oberkopf in Gold ergänzt, roter Jaspis, Signatur: ΗΥΠΕΡΕ/ΧΙΟΥ, „(Werk) des Hyperechios“, in Draufsicht fast rund 1.97 x 2.02 cm, 2. Jh. n. Chr., aus Ägypten, Berlin. Greifenhagen, BerlMus. NF Sonderheft 1969, 17–19 Abb. 10; AGD II 1969 Nr. 540; Vollenweider in: Boardman – Vollenweider 1978 zu Nr. 281; Zazoff, HdArch 1983, 322 Anm. 106 Taf. 96,4; ZwierleinDiehl, Künstlerinschriften 342. Abb. 675 Schreitende Löwe, gelber Jaspis, Signatur: ΗΥΠΕΡΕΧΙΟΥ, „(Werk) des Hyperechios“, 2.20 cm, 2. Jh. n. Chr., in einem Sarkophag in Makedonien gefunden, Boston 23.589. Nach Gipsabguß. Beazley – Boardman, LHG Nr. 115; Richter, EG II 1971 Nr. 719; Zazoff, HdArch 1983, 322 Anm. 106 Taf. 96,5. Abb. 676 Kahlköpfige Maske, roter Jaspis, in antikem hohlen Goldring, Gemme 1.07 cm, Ringdurchmesser senkrecht 1.93, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr., bei Saloniki in dem Amazonensarkophag, Paris, Louvre 2119, gefunden. Wien. a) Draufsicht mit Intaglio, b) Ringprofil. AGWien III 1991 Nr. 2083. Abb. 677 Stehender Bacchus mit Kantharos undThyrsos, Sard in antikem Silberring, Gemme 1.71 cm, Ringdurchmesser senkrecht 2.52 cm, 3. Jh. n. Chr., aus Göttweig, Bez. Krems, Wien. AGWien II 1979 Nr. 1383. a) Draufsicht mit Intaglio, b) Ringprofil. Abb. 678 Stehende Venus pudica, Verfärbter Karneol(?) in antikem Goldring, die Gemme 1.15 cm, Ringdurchmesser senkrecht 2.29 cm, Gewicht 13,87g, 4. Jh. n. Chr., Wien. a) Draufsicht mit Intaglio, b) Ringprofil. AGWien III 1991 Nr. 2811. Abb. 679 Ein siegreicher Kaiser (Traian, 98–117 n. Chr.) sprengt zu Pferd über besiegte Barbaren hinweg, dunkelroter Jaspis, 2.23 cm, Anfang 2. Jh. n. Chr., Berlin. FG 7031; AGD II 1969 Nr. 537; Zazoff, HdArch 1983 Anm. 134 Taf. 98,9; Würzburg I 1986 Nr. 757. Abb. 680 Kopf des olympischen Zeus des Phidias, Karneol, 1.52 cm, 2. Viertel 2. Jh. n. Chr., Berlin. AGD II 1969 Nr. 511; Zazoff, HdArch 1983, 341 Anm. 277 Taf. 109,1; M Cremer, KölnJb 28, 1995, 157 Anm. 9. Abb. 681 Archaistische Büste des Bacchus, Karneol, verschollen, einst Slg. Orsini, Bild 2.15 cm, 2. Viertel 2. Jh. n. Chr. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 716. Abb. 682 Gorgoneion im Tierkreis, Plasma, 2.11 cm, 2. Jh. n. Chr., Paris, Cdm. Nach Glaspaste in Würzburg. Chabouillet Nr. 2382; Würzburg I 1986 Nr. 752.

ABBILDUNGEN 674–694

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Abb. 683 Statue der Ceres von einem Elefantengespann gezogen, Nicolo, 2.08 cm, Mitte 2. Jh. n. Chr., Berlin. FG 6745; AGD II 1969 Nr. 523; Zazoff, HdArch 1983, 329 Anm. 154 Taf. 100,8. Vgl. Würzburg I 1986 Nr. 758. Abb. 684 Bonus Eventus im Profil, Plasma, 1.50 cm, 1. Hälfte 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1322. Abb. 685 Mars und Venus, horizontal geschichteter Sardonyx, Inschrift: AMOR, 2.19 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1203. Abb. 686 Venus als Morgenstern, Sard, 1.71 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1459. Vgl. Würzburg I 1986 Nr. 332; C. Weiß, JdI 109, 1994, 355 Abb. 5, 357. Abb. 687 Isis vor dem Pharos von Alexandria, ultramarinblaue Glasgemme, 2.56 cm, frühes 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 973. Abb. 688 Die beiden Nemeseis von Smyrna, roter Jaspis, griechische Inschrift: Gedenke des Agathemeros, 1.43 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1217. Abb. 689 Mars Ultor mit Schild und Lanze (im Abdruck seitenrichtig), roter Jaspis, 1.2 cm, 2. Jh. n. Chr., aus Xanten, Bonn, RLM. Platz-Horster, Xanten I Nr. 113. Abb. 690 Mercur mit Caduceus und Geldbeutel, Schildkröte, Hahn und Widder, Karneol, 1.3 cm, 2.–frühes 3. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1310. Abb. 691 Schreitender Pan, Karneol, 1.58 cm, 2.–frühes 3. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr.1406. Abb. 692 Büste des Serapis, mit Horn des Ammon und Strahlen des Sol, Dreizack des Neptun und Schlange des Aesculap, Karneol, 1.26 cm, 2. Viertel 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1251. Abb. 693 Büste der Kybele mit Mauerkrone über gekreuzten Füllhörnern, Sard, 1.50 cm, verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 720. Abb. 694 Gegenständige Büsten des Serapis und der Isis, roter Jaspis, 1.74 cm, 2. Jh. n. Chr., aus Aquileia, Wien. AGWien II 1979 Nr. 1199; AGWien III 1991, 343.

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XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT

Abb. 695 Castor und Pollux einander gegenüberstehend, Karneol, 1.72 cm, 2./3. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 1618. Abb. 696 Stehende Aequitas, Karneol, Inschrift: LAUC, 1.48 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1590. Abb. 697 Venus Victrix, Bergkristallring mit ovaler Bildfläche, Bild 2.86 cm, Außenmaße des Rings H 3.65 cm, B 4.30 cm, innere Weite 1.40 x 1.35 cm, 2.–3. Jh. n. Chr., aus einem Grab in Lommersum-Hausweiler, Kr. Euskirchen, Bonn, RLM. a) Bild, b) Ring J. Röder, BJb 65, 1965, 235–274, 236 Abb. 1; Platz-Horster, Bonn 1984 Nr. 69; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002 Kat. 66 Abb. 60 a,b. Abb. 698 Hermes, Euridike und Orpheus, Karneol, 1.3 x 1.1 cm, 2. Jh. n. Chr., München. Vgl. zum Motiv: Bronzemünzen von Hadrianopolis in Thrakien aus der Zeit Gordians III. (238–244 n. Chr.), LIMC IV Eurydike I 6 = Hebros 19* (Hinweis B. Oberbeck). Abb. 699 Gegenständige Büsten eines Ehepaares, roter Jaspis, in Draufsicht achteckig, Besitzerinschrift: ΦΟΡΤΟΥΝΑΤΟΥ, 1.13 cm, 3. Viertel 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 1734. Erwähnt: Platz-Horster, Capita opposita 218 Anm. 17. Meine Vermutung, daß es sich bei Ehepaargemmen um Ringsteine von Freigelassenen handeln könne, gilt nur für summarisch, ähnlich dem vorliegenden Intaglio, meist in roten Jaspis geschnittene Gemmen. Abb. 700 Büsten des Septimius Severus und seiner Söhne Caracalla und Geta, roter Jaspis in antiker Goldfassung als Anhänger, ca. 1.45 cm, 209–211 n. Chr., Dreikönigenschrein, Köln, Dom. Dreikönigenschrein Kat. 261. Vgl. Martin – Höhne 2005 Nr. 64. Abb. 701 Thronende Roma, Nicolo, 6.2 cm, um 330 n. Chr., Paris, Cdm. Chabouillet Nr. 2071; Richter, EG II 1971 Nr. 110; Zwierlein-Diehl, Constantinopolis 1997, 92 Abb. 15. Abb. 702 Thronende Constantinopolis, Plasma, 1.2 cm, letztes Viertel 4. Jh. n. Chr., Dreikönigenschrein, Köln, Dom. Abguß. Zwierlein-Diehl, Constantinopolis 1997, 86 Abb. 4; Dreikönigenschrein Kat. 231. Karneol mit Constantinopolis aus der gleichen Werkstatt: Boardman – Wagner 2003 Nr. 312 (ebenfalls mit ausgebreiteten Armen, angelehnten Attributen, kreuzverziertem Polster). Abb. 703 Bonus Eventus, Karneol, 1.30 cm, 1./2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2779. Abb. 704 Ein Jäger zu Pferd im Kampf mit einem Löwen, Karneol, 2.13 cm, spätes 1.–frühes 2. Jh. n. Chr., Berlin. FG 7741; AGD II 1969 Nr. 538; Zazoff, HdArch 1983, 344 Anm. 299 Taf. 111,10. Vgl. MaaskantKleibrink, The Hague 1978 Nr. 890; Henig, Corpus 1978 Nr. 640 (Fund von Bath); Pannuti I 1983 Nr. 252; Zienkiewicz, Caerleon 1986 Nr. 23, 24.

ABBILDUNGEN 695–714

449

Abb. 705 Mars mit Tropaeum und Lanze, roter Jaspis, 1.47 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2771. Abb. 706 Gladiator, roter Jaspis, 1.37 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 1702. Abb. 707 Feldzeichenträger (signifer), Karneol, 1.43 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 1714. Abb. 708 Caracalla und Geta beim Opfer, Karneol, 2.07 cm, 197–204, angeblich aus Philippopolis, Wien. AGWien III 1991 Nr. 1652. Abb. 709 Darstellungen aus dem Kult der Donaureiter, Karneol, 2.67 cm, 2. Jh. n. Chr., aus dem Besitz von Erherzog Leopold Wilhelm (1614–1662), Wien. AGWien II 1979 Nr. 1187. Abb. 710 Bilder des Mithraskultes, Heliotrop, Ende 1.–2. Jh. n. Chr., Florenz, Museo archeologico. Nach Glaspaste in Würzburg. a) V: Stieropfer des Mithras, Bild 2.34 cm, b) R: Löwe und Planeten, Bild 1.85 cm M. J. Vermaseren, Corpus Inscriptionum et Monumentorum Religionis Mithriacae (1960) II Nr. 2354 Abb. 653 a, b; R. Merkelbach, Mithras (1984), 82, 393 Abb. 165 a, b; Würzburg I 1986 Nr. 736; A. Mastrocinque, Studi sul Mitraismo (1998), 1–24 Abb. 1 (Zeichnung); R. Gordon, Small and miniature reproductions of the Mithraic icon: reliefs, pottery, ornaments and gems, in: M. Martens – G. De Boe (Hrsg.), Roman Mithraism: the Evidence of the Small Finds (2004), 259–283, 278 Abb. 20; Michel 2004, 99, 103 Taf. 55,1; C. Weiß, Jahrbuch des freien deutschen Hochstifts 2004, 133f. Abb. 8, 9 (Rückseite); Vgl. Karneol, vermutlich aus Aquileia, Udine; A. Mastrocinque, in: Römische Gemmen aus Aquileia. Ausst. Walheim 1996, 45–48; Mastrocinque 1998, 2 Anm. 5, 17–24. Abb. 711 Die Tyche von Antiocheia, Nicolo, 1.51 cm (Bild 1.25 cm), Zeit des Alexander Severus (222–235 n. Chr.) oder früher, einst Slg. E. Visconti, Wien. AGWien II 1979 Nr. 1189; AGWien III 1991, 324, 344; LIMC I Antiocheia Nr. 115 (J. Balty); M. Meyer, Die Personifikation der Stadt Antiocheia (2006) 189, 440 G 36 Taf. 31. Zum Thema auf Gemmen: Horster 1970, 101–107; M. Meyer l. c. 186–191; 432–442; zur Statuengruppe 207–221. Abb. 712 Personifikation der Provinz Dakien, Nicolo, 1.41 cm, Bild1.19 cm, frühes 2, Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1593. Abb. 713 Hahnenopfer des Amor, Nicolo, 1.40 cm, Bild 1.10 cm, Anfang 2. Jh. n. Chr., aus Aquileia, Wien. AGWien II 1979 Nr. 1338. Abb. 714 Reitender Amor auf Hasenjagd, Nicolo, Besitzerinschrift: AULUS SIRI (servus), 1.59 cm, Bild 1.25 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1344.

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XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT

Abb. 715 Salus und Aesculap, rotbrauner Jaspis, in Draufsicht achteckig, griechische Inschrift: „Viel Glück, Macarier“, 1.14 cm, Bild 0.93 cm, 3. Jh. n. Chr., Wien. Henkel 1913, 320 Anm. 2; AGWien II 1979 Nr. 1200. Abb. 716 Jupiter und Luna, Nicolo, 1.38 cm, Bild 0.99 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1196. Abb. 717 Fortuna und Mercur, Sard in antikem Eisenring, 1.41 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1208. Abb. 718 Reitender Sol, Karneol, 1.82 cm, 2. Hälfte 2.–1. Hälfte 3. Jh. n. Chr., Dreikönigenschrein, Köln, Dom. Abguß. Dreikönigenschrein Nr. 193. Abb. 719 Münzbild mit Prunkwagen im Tierkreis, Sard, 1.36 cm, 107 n. Chr. oder wenig später, aus Slg. Marlborough, Baltimore, Walters Art Gallery 42.1107. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 848; AA 1995, 564; Boardman, Marlborough Nr. 274. Vgl. AGWien III 1991 Nr. 1773. Abb. 720 Thronender Jupiter, Chalcedon, 1.24 cm, Ende 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1224. Abb. 721 Die kapitolinische Trias, Juno, Jupiter und Minerva, Karneol, 1.86 cm, 2. Jh. n. Chr., Dreikönigenschrein, Köln, Dom. Abguß. Dreikönigenschrein Nr. 177. Abb. 722 Büste des Serapis zwischen Standarten über dem Legionsadler, 1.35 cm, Karneol, 2./3. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1249. Zu „Soldatengemmen“: Krug, Fundgemmen IV 1980, 123f.; Platz-Horster, Xanten I 1987, XXIVf. Abb. 723 Diana von Ephesos zwischen Sonnenstern und Mondsichel, Symbolen der Aeternitas, Karneol, 1.31 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1455. Abb. 724 Dea Panthea, Karneol, 1.14 cm, 2. Jh. n. Chr., vermutlich in Istanbul erworben, Privatbesitz. G. Platz-Horster, BJb 174, 1974, 570–575. Abb. 725 Minerva Panthea, Plasma, 1.2 cm, 2. Jh. n. Chr., London. Abguß. Walters 1926 Nr. 1753. Abb. 726 Die römische Wölfin mit den Zwillingen, roter Jaspis, 1.07 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 1641.

ABBILDUNGEN 715–736

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Abb. 727 Die Bache von Lavinium mit dreißig Ferkeln, Karneol, 1.32 cm, 2. Viertel 2. Jh. n. Chr., Florenz. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 754. Abb. 728 Circusspiele des Septimius Severus, Karneol, 1.6 cm, um 202 n. Chr. oder wenig später, Berlin. Nach Glaspaste in Würzburg. FG 7097; Würzburg I 1986 Nr. 842. Abb. 729 Ein Hahn zieht einen von einer Maus gelenkten Wagen, roter Jaspis, 1.57 cm, 2. Jh. n. Chr., aus Slg. v. Stosch, Berlin. AGD II 1969 Nr. 555. Abb. 730 Kopfkombination, dunkelroter Jaspis, 1.17 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2101. Abb. 731 Phantastischer Hippalektryon, roter Jaspis, 1.45 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2125. Ein griechischer Vorläufer: Boardman, GGFR 2001 Taf. 1060. Abb. 732 Neujahrsglückwunsch für Kaiser Commodus, Bergkristall, Rand bestoßen, Umschrift, die eingeklammerten Großbuchstaben sind auf der Goldfassung ergänzt, Kleinbuchstaben in Klammern sind Ergänzungen der Abkürzungen: FELI(CI IMP)ERA(TORI) ANNUM N(OVUM) FA(usTUM FELIC)EM. Auf den Münzen: SC, VICTO(ria), COMM(odus) ANT(oninus) P(ius) FEL(ix), 185–192 n. Chr., einst Slg. Marcantonio Sabbatini, v. Stosch, Berlin. FG 8100; Rossi – Maffei I (1707) 113–130 mit Abb. „Raggionamento sopra l’iscrizione, e i simboli d’un’ antico cristallo steso in lettera al Sig. Cavaliere Fr. Alessandro Albani, Nipote della Santità di Nostro Signore Papa Clemente XI. In data de’ 23. Novembre 1707.“; Winckelmann, Description (1760) cl 4,274; AGD II 1969 Nr. 561; G. Heres, FuB 14, 1972, 185; A u. E. Alföldi, Die Kontorniatmedaillons (1990) 14 Taf. 243,4. Abb. 733 Hand, am Ohrläppchen zupfend, schwarzer Jaspis, in Draufsicht rund, griechische Umschrift: ΜΝΗΜΟ/ ΝΕΥΕ, „gedenke (mein)“, DM 0.75 cm, in antikem Goldring, 2. Jh. n. Chr., Berlin. AGD II 1969 Nr. 562; Greifenhagen, Schmuckarbeiten II 81 Taf. 60,15–16. Abb. 734 Hund, einen Hasen jagend, Karneol, 1.08 cm, 2. Hälfte 2.–1. Hälfte 3. Jh. n. Chr., aus Aquileia, Wien. AGWien III 1991 Nr. 1803. Abb. 735 Der ägyptische Gott Min, Gott der Zeugungskraft, stark konvexer Karneolonyx, 1.35 cm, (1.–?) 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2793. Zur Gruppe vgl. Weiß 1996 Nr. 391. Abb. 736 Der Berg Argaios in Kappadokien, unterhalb ein weidendes Pferd, darüber zwei Sterne als Symbole der Dioskuren, zu den Seiten Minerva und Fortuna, Karneol, 1.36 cm, 3. Jh. n. Chr., Wien. AGWien II 1979 Nr. 1213.

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XV. RÖMISCHE GEMMEN DER SPÄTEREN KAISERZEIT

Abb. 737 Paris und seine Herde, Nicolo-Glasgemme, 1.61 cm, 1. Hälfte 3. Jh. n. Chr. nach Abdruck einer Gemme des 1. Jh.s n. Chr., aus dem „Schmuckladen vor dem Legionslager in Bonn, Bonn RLM. Platz-Horster, Bonn 1984 Nr. 23; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 46 Kat. 110 Abb. 101. Zur Werkstatt: PlatzHorster Bonn 1984, 11–16; G. Sena Chiesa, Archaeologia Classica 38–40, 1986–88, 287; Platz-Horster, Xanten I 1987, XXII, II 1994, 26; Krug, Trier 1995, 183; Gesztelyi, UNM 2000, 20. Abb. 738 1) Zwei Jagdhunde beißen in einen toten Hasen, darüber ein Adler, roter Jaspis, 1.45 cm. Wien. AGWien III 1991 Nr. 1805. Ferner vom Jagd-Meister: 2) Adler mit Schlange, roter Jaspis, aus der Umgebung von Gadara, Henig – Whiting 1987 Nr. 345. Abb. 739 3) Adler frißt von einem toten Hasen, der auf einem flachen Rundaltar liegt, roter Jaspis, 1,52 cm, aus Caerleon, National Museum of Wales. Zienkiewicz, Caerleon 1986 Nr. 71 (Gruppe B II, ca. 160–230 n. Chr.). Abb. 740 4) Ein Jagdhund beißt von links in einen toten Hasen, roter Jaspis, 1.2 cm, aus Xanten, Xanten. Platz-Horster, Xanten I (1987) Nr. 140, mit Zuweisung zweier weiterer motivgleicher Steine an die gleiche Werkstatt: Roter Jaspis, Oxford, Ashmolean Museum (Hinweis von S. Middleton, dort jedoch nach freundlicher Auskunft von M. Vickers nicht vorhanden); 5) Jaspis aus Xanten, Ph. Houben – F. Fiedler, Denkmaeler aus Castra Vetera und Colonia Traiana in Houben’s Antiquarium zu Xanten (1839) 63 Taf. 42,20 (Zeichnung, der aus schräggestellten Flachperlschnitten gebildete Grund ist deutlich); Platz-Horster, Xanten II (1994) 17 Abb. 1. Abb. 741 6) Ein Jagdhund beißt von rechts in einen toten Hasen, brauner Jaspis, 1.6 cm, aus dem Bereich der Canabae in einer Schicht von der Wende des 2. zum 3. Jh. n. Chr., Györ. T. Gesztelyi, A györi Xántus János Múzeum gammgyüjteménye, Arrabona 39, 2001, 135–160, 144 Nr. 6, 157 Abb. 6; T. Gesztelyi, Antike Gemmen im Museum von Györ (Raab), in: Pannonica provincialia et archaeologica. Eugenio Fitz octogenario dedicata (2003) 113–126, 121 Nr. 6. Die Photovorlagen für Abb. 741 (6) und 750 (17) verdanke ich T. Gesztelyi. Vgl. 7) Roter Jaspis, Sena Chiesa, Aquileia 1966 Nr. 1187 Taf. 60,1193 (Abb. vertauscht). Abb. 742 8) Hund einen erlegten Hasen beißend. Tonabdruck,1.4 cm, aus Doliche(?), Rijksmuseum Leiden. M. Maaskant-Kleibrink, BABesch 46, 1971, 48 Abb. 81, 49f. Nr. 70. Abb. 743 9) Jagdhund, roter Jaspis, 0,94 cm, aus Ägypten, Wien. AGWien III 1991 Nr. 1893. Abb. 744 10) Jagdhund einen Eber stellend, roter Jaspis, 1.43 cm, laut Inventarangabe in Aquileia gefunden, Wien. AGWien III 1991 Nr. 1798. Ferner: 11) Adler über Hasen und Hund, roter Jaspis, 1.7 cm, in Silberring aus Oescus (Moesien, Bulgarien), Dimitrova-Milčeva 1980 Nr. 212. Abb. 745 12) Springende Ziege unter einem Bäumchen, Rundtempelchen auf Felsen, Karneol, 1.15 cm, aus Aquileia, Aquileia.

ABBILDUNGEN 737–752

453

Sena Chiesa, Aquileia 1966 Nr. 1140 (mit Hinweis auf die Ähnlichkeit mit dem Stil der Werkstatt der roten Jaspisgemmen). M. Henig, The Huntsman Intaglio from South Shields, Archaeologia Aeliana 4. ser, vol. 49, 1971, 227 Anm. 60. Abb. 746 13) Opfernder vor einem Rundtempelchen auf Felsen, über das sich ein Baum neigt, roter Jaspis, 1.9 cm, aus Corbridge, Northumberland, Corbridge. Henig, Archaeologia Aeliana 4. ser, vol. 49, 1971, 227; Henig, Corpus 1978, 33f. Nr. 493. Die Photovorlagen für Abb. 746, 747, 749 verdanke ich M. Henig. Abb. 747 14) Opfernder (nur ein Stück des Unterschenkels und des Fußes erhalten) vor einem Rundtempelchen auf Felsen, darin eine Statuette, roter Jaspis, Fragment H 1,5 cm, aus Chesterholm-Vindolana, Northumberland, Chesterholm-Vindolana. Henig, Corpus 1978 Nr. App. 60. Abb. 748 15) Jäger mit erlegtem Hasen und Jagdhund vor einem Baum, roter Jaspis, 2.0 cm, aus South Shields, Co. Durham, Museum of Antiquities of the University and Society of Antiquaries of Newcastle upon Tyne. M. Henig, The Huntsman Intaglio from South Shields, Archaeologia Aeliana 4. ser, vol. 49, 1971, 215–230. Henig, Corpus 1978 Nr. 184. Zu den Stiefeln: AGWien I 1973 Nr. 312. Abb. 749 16) Heimkehrender Jäger mit erlegtem Hasen, roter Jaspis, 1,7 cm, Castlesteads, Cumberland. Henig, Corpus 1978 Nr. 185. Abb. 750 17) Silvanus mit Hund, roter Jaspis, 1.55 cm, Debrecen. Gesztelyi, Debrecen 1987 Nr. 45; Gesztelyi, UNM 2000, 19. Ferner: 18) Silvanus mit Hund, roter Jaspis, 1.5 cm, Chesterholm Northumberland. Henig, Corpus 1978 Nr. App. 3 Taf. 24.

XVI. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND GEFÄSSE DER SPÄTEREN KAISERZEIT Abb. 751 Büste des Traian, milchfarbener bis gelblicher Chalcedon, H 8.8 cm, um 100 n. Chr., Berlin Inv. 1979,5. H. Jucker, JbBerlMus 26, 1984, 17–78 (Typus II „Bürgerkronentypus“); Megow 1987, A 122 Taf. 39,8– 10; 40,1–3; W.-D. Heilmeyer, Antikenmuseum Berlin. Die ausgestellten Werke (1988) 350. Näheres zur vermuteten mittelalterlichen Umdeutung: E. Zwierlein-Diehl in: G. Platz-Horster (Hrsg.), Mythos und Macht – Erhabene Bilder in Edelstein. Kolloquium zur Ausstellung, Berlin 26.07. – 28. 10. 2007. Abb. 752 Hadrian von Roma bekränzt, in einem von Adlern gezogenen Wagen, vierschichtiger Sardonyx, 18.5 x 21.5 cm, 117–138 n. Chr., Berlin. FG 11056; W. B. Kaiser, Die Göttin mit der Mauerkrone, SchwMüBl 18, 1968, 25–36, 26 Abb. 1; Möbius, Kaiserkameen 38; Megow 1987, A 128 Taf. 42,11.12, 43.1; W.-D. Heilmeyer, Antikenmuseum Berlin. Die ausgestellten Werke (1988) 372f. Nr. 1.

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XVI. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND GEFÄSSE DER SPÄTEREN KAISERZEIT

Abb. 753 Iulia Domna als Victoria, mehrschichtiger Sardonyx, 16.3 x 10.7 cm, um 200 n. Chr., Kassel Inv. Ge 236. Megow 1987, B 52 Taf. 46,8. 47,2. 48,12 (nimmt Umarbeitung aus einem Porträt der Faustina minor an; die Julia-Domna-Frisur hätte sich jedoch aus keiner ihrer Frisuren schneiden lassen); Chr. Höcker, Antike Gemmen. Kataloge der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel Nr. 15 (1987/88) Nr. 125 Farbtaf. II; Sena Chiesa, Arte e Prestigio 2003, 416–418 Abb. 31. Abb. 754 Porträtkopf des Severus Alexander, blauer Chalcedon, H 2.9 cm, 226–235 n. Chr., St. Petersburg. W. Stegmann, AA 1930, 11–15 Abb. 10–15; Neverov, Cameos 1971 Nr. 91; Megow 1987, A 168; Neverov, Kamei 1988 Nr. 468. Zum Porträt: Fittschen – Zanker I Nr. 99. Abb. 755 Constantinus I. und seine Familie, dreischichtiger Sardonyx, 8.5 x 10.7 cm, ca. 318–320 oder 323 n. Chr., „Ada-Kameo“, auf dem Einband von 1499 des karolingischen Ada-Evangeliars, Trier, Stadtbibliothek Hs 22. Zählung der Büsten von links nach rechts („li.“ u. „re.“ vom Beschauer aus); Furtwängler, AG III 323f. Abb. 167; Bruns, Staatskameen 29–31 Abb. 26; A. Alföldi, TrZ 19, 1950, 41–44; J. M. Toynbee, TrZ 20, 1951, 175–177; M. R. Alföldi, Die constantinische Goldprägung (1963) 127f. Taf. 36,303; W. B. Kaiser, Schriftenreihe zur Trierischen Landesgeschichte und Volkskunde 13, Festgabe für W. Jungandreas (1964) 24–35; A. N. Zadoks-Josephus Jitta, BABesch 41, 1966, 98f. Abb. 9; W. von Sydow, Zur Kunstgeschichte des spätantiken Porträts im 4. Jahrhundert n. Chr. (1969) 58 (folgt Bruns); Calza 1972 Nr. 97, 152, 167, 207 Taf. 83,292; Gallien in der Spätantike, Ausst. Mainz (1980) Nr. 7, Umschlagbild; Möbius, Kaiserkameen 1975 / 1985, 38f.; Spätantike und frühes Christentum Nr. 45 (D. Stutzinger); L’Orange 1984, 127, 147 Taf. 74a (M. Wegner); Spier, Late Antique Cameos 1993, 44 Anm. 18; Trier. Kaiserresidenz und Bischofssitz. Ausst. Rheinisches Landesmuseum Trier 1994 Nr. 34 (L. Schwinden); Sena Chiesa, „Croce di Desiderio“ 1995, 430, 439 Abb. 1; Sena Chiesa, Gemme 2002, 4; Sena Chiesa, Arte e Prestigio 2003, 417, 419 Abb. 32; A. Donati – G. Gentili (Hrsg.) Costantino il Grande: la civiltà antica al bivio tra Occidente e Oriente. Ausst. Rimini 13 marzo – 4 settembre 2005, 315f. Nr. 184. Zu den Lebensdaten: Kienast, Kaisertabelle 305f., 310, 312, 314. Eine von Reiner Nolden freundlich ermöglichte Betrachtung des Originals ergab keine Anhaltspunkte für die von A. Alföldi angenommene Umarbeitung aus einem claudischen Kameo (zustimmend: Möbius, Sena Chiesa; ablehnend: Toynbee, Kaiser). 1) Die weiße Partie mit den Büsten und der Wagenbrüstung ist nicht tiefer gelegt. Die braunen Kränze und Stirnjuwelen liegen höher als die oberste braune Schicht bei den Adlern, ohne daß ein mehr als von der Sache her nötiger Höhenunterschied zu den Haarpartien bestünde. Die weiße Schicht ist re. dicker als li. und verläuft nach li. leicht abfallend. Das Relief der Köpfe 1,2 ist daher flacher als das von 3–5. Die Köpfe sitzen fassadenartig auf glatt belassenen Sockeln, deren Höhe von li. nach re. zunimmt. 2) Nichts weist darauf hin, daß die Adler Attribute hielten; lediglich zwei Krallenspitzen sind abgebrochen (Fuß 2: 1. Kralle, Fuß 3: 2. Kralle). Die Schwungfedern des 1. Flügels (re. Flügel des li. Adlers) sind nicht tiefer gelegt; daß sie aus der weißen Lage bestehen, liegt am Schichtverlauf. Die braune Schicht ist hier nur dünn, schon der li. Rand des davorstehenden Oberschenkels des Adlers ist weiß. Die Wiedergabe der Schwungfedern beim 1. Flügel durch einreihige Schrägstrichelung findet sich ebenso bei den Schwänzen und den unteren Schwungfedern des abgespreizten Flügels Nr. 3 (li. Flügel des re. Adlers). Daneben finden sich noch drei weitere Arten der Schwungfedergestaltung: Flügel 2: Mittelgrat mit beidseitiger Fiederung, Flügel 3 oberste Feder: eine Furche als Kiel, beidseitige Fiederung, Flügel 4: Doppellinie für den Kiel, beidseitige Fiederung. Das jeweils für die Fiederung verwendete Werkzeug ist das gleiche. Nichts berechtigt dazu, die als schön und frühkaiserzeitlich empfundene Wiedergabe der Schwungfedern 4 (li. Flügel des re. Adlers) einem claudischen Originalkameo, den Rest einer Umarbeitung zuzuschreiben.

ABBILDUNGEN 753–760

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Abb. 756 Kaiserpaar. Constantinus II. (Caesar 317, Augustus 337–340) und seine Frau? Oder Honorius (395–423, Hochzeit 398) und Maria?, „Kameo Rothschild“, zweischichtiger Sardonyx, weiß auf dunkelbraun, annähernd kreisförmig, DM 15.0 cm, um 335 n. Chr.?, Paris, Slg. Rothschild. Durch byzantinische Inschriften (des 9.oder 10. Jh.s nach Mango) als die Heiligen Sergios und Bakchos gedeutet (Martyrium unter Maximian, 297 oder 305 n. Chr. in Syrien). R. Delbrück, Die Consulardiptychen (1929) 258–261 Nr. 66 Abb. 1, Taf. V; R. Delbrück, Spätantike Kaiserporträts (1933) 206f.; Bruns, Staatskameen 31–34 Abb. 27; É. Coche de la Ferté, Le Camée Rothschild un chef-d’œuvre du IVe siècle après J.-C. (1957) (hiernach die Abb.); Calza 1972 Nr. 223 Taf. 108,396; Möbius, Kaiserkameen 23; Engemann, Glyptik 1979, 304; C. Mango u. M. Mundell Mango in: Cameos in Context 1993, 61f. Abb. 4.10; Sena Chiesa, Arte e Prestigio 2003, 417f. Abb. 33. Abb. 757 Ein Alexander ähnlicher Herrscher (Constantinus I. oder einer seiner Söhne?) über besiegte Feinde reitend, Fragment, mehrschichtiger Sardonyx, H 15.0 cm, B 19.0 cm, ca. 2. Viertel 4. Jh. n. Chr. (um 325/26 M. R. Alföldi), gefunden in Kusadak bei Mladenovac, Belgrad, National Museum. Furtwängler, AG III 453–458; G. Rodenwaldt, JdI 37, 1922, 17–38; Bruns, Staatskameen 19–22 Abb. 14; M. R. Alföldi, Die constantinische Goldprägung (1963) 127 Anm. 3; R. Bianchi Bandinelli, Rom und das Ende der Antike (1971) 348 Abb. 329; Age of Spirituality Nr. 71 Taf. II (R. Brilliant); Spätantike und frühes Christentum Nr. 46 (D. Stutzinger); L’Orange 1984, 120; Möbius, Kaiserkameen 43–44; A. P. Jugoslawien 1987/1988 Nr. 233; Spier, Late Antique Cameos 1993, 44 Anm. 19; Sena Chiesa, Arte e Prestigio 2003, 414f. Abb. 28. Zum Diadem: M. R. Alföldi, Die constantinische Goldprägung (1963) 93, 126; Alföldi Numismatik I 174. Abb. 758 Reiterkampf: Gefangennahme des Valerian (253–260) durch Schapur I. (241–272), dreilagiger Sardonyx, 6.8 x 10.3 cm, um oder bald nach 260 n. Chr., Paris Cdm. Babelon 1897 Nr. 360; B. M. Feletti Maj, Iconografia romana imperiale da Severo Alessandro a M. Aurelio Carino (1958) 218f. Nr. 287 Taf. 38,128; Möbius, Kaiserkameen 44; R. Göbl. Der Triumph des Sâsâniden Šahpuhr über die Kaiser Gordianus, Philippus und Valerianus (1974) 8, 15, 33–38 Taf. 2,6; H. von Gall, Das Reiterkampfbild in der iranischen und iranisch beeinflußten Kunst parthischer und sasanidischer Zeit (1990) 56–59 Taf. 19 (Schapur II. [309–379] und Iovianus [363–364 n. Chr.]); L. Trümpelmann, Zwischen Persepolis und Firuzabad (1992) 43 Abb. 69, 46; R. Gyselen, Catalogue des sceaux, camées et bulles sassanides de la Bibliothèque nationale I (1993) 198; Cdm II 2003 Nr. 257; Boardman, WAA 2006, 260 Abb. 455. Schapur I trägt nicht die offizielle, von den Münzbildern bekannte Krone. Von Gall schlägt deshalb die Benennung Schapur II. vor. Es handelt sich jedoch um eine reduzierte Krone mit Wangenklappen (Göbl) bzw. einen Helm mit Elementen der Krone (Trümpelmann). Eine solche Krone trägt Schapur I. auf dem Felsrelief von Dârâb (Göbl, Gyselen). Dies gilt auch, wenn die Krone aus derErstfassung des Reliefs für den Vater Schapurs I., Ardaschir I. (224–241), übernommen wurde, wie L.Trümpelmann, Das Sasanidische Felsrelief von Dârâb. Iranische Denkmäler 6 (1975), annimmt. Abb. 759 Porträtbüste einer Frau, dreischichtiger Sardonyx, mit hauchdünner orangefarbener Schicht auf Wange und Haar, 2.32 cm, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2468. Abb. 760 Porträtbüste einer Frau, zweischichtiger Sardonyx, 2.45 cm, 1. Drittel 3. Jh. n. Chr., Dreikönigenschrein, Köln, Dom.

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XVI. KAMEEN, RUNDPLASTIK UND GEFÄSSE DER SPÄTEREN KAISERZEIT

Dreikönigenschrein Nr. 27. Gemmen aus gleicher Werkstatt mit ähnlich eckigen Falten: Dimitrova-Milčeva 1980 Nr. 298 Abb. 297 aus Durostorum (Silistra) (= Megow 1987 F 27 Taf. 50,13); F. Sternberg, Auktion XII 1982 (Zürich) Nr. 974; Berry Gems 1969 Nr. 230 (= Megow 1987 F 40 Taf. 51,9; Dreikönigenschrein 157 Abb. 69); Aachen, Münsterschatz, Karlsbüste, Megow 1987 F 14 Taf. 48,3. Beispiele für weibliche Kameenbüsten des späten 2.–mittleren 3. Jh.s. n. Chr: Eichler – Kris 1927 Nr. 78, 80, 84 Taf. 16; Vollenweider, Genf II 1976/79 Nr. 264, 265, 265bis; Dimitrova-Milčeva 1980, 19; W. R. Megow, Kameen im Rheinischen Landesmuseum Bonn, BJb 186, 1986, 457–486, 471, 473, 475 Nr.7 u. 9; Megow 1987 Taf. 46, 48, 50, 51 passim; Neverov, Kamei 1988 Nr. 273–284; Henig, Content 1990 Nr. 68–85; Pannuti II 1994 Nr. 210–212; G. Sena Chiesa, Croix de Didier 1997, 108–112 Abb. 18, Gesztelyi, UNM 2000, 21; Cdm II 2003 Nr. 244, 245, 247–250. Abb. 761 Porträtbüste eines jungen Offiziers, zweilagiger Onyx, gelblich braune auf milchig durchscheinender Schicht, 2.6 x 1.7 cm, letztes Viertel 2. Jh. n. Chr.; Slg. Müller, Bonn. Megow 1987 A 137 Taf. 45 (Commodus?); K. Fittschen, Prinzenbildnisse antoninischer Zeit (1999) 63 Anm. 337 („... hat ... typologisch und physiognomisch nichts mit der Ikonographie des Commodus zu tun“). Abb. 762 Juno und Jupiter, mehrschichtiger Sardonyx, 14.6 x 10.2 cm, 2.–frühes 3. Jh. n. Chr., Stuttgart, Landesmuseum. M.-L. Vollenweider, Der Jupiter-Kameo (1964) (Claudius und Agrippina minor); H. Möbius, SchMüBl 16, 1966, 110–124; Möbius, Kaiserkameen 34 (Septimius Severus); Megow 1987, A 132 Taf. 47,1 (Marc Aurel u. Faustina minor); D. Boschung, Gnomon 63, 1991, 258 (Idealfiguren). Abb. 763 Büste der Minerva, 2.12 cm, in antiker Goldfassung als Anhänger, 2.Jh. n. Chr., die Fassung 3. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2461. Zu Minerva-Kameen des 3. Jh.s n. Chr: G. Sena Chiesa, Croix de Didier 1997, 108–112 Abb. 19–21. Abb. 764 Venus in Vorderansicht mit Delphin, 1.65 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2459. Abb. 765 Trauernder Amor, brauner Jaspis, 2.34 cm, 3. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2460 Abb. 766 Bacchus und Ariadne, zweischichtiger Sardonyx, hell- auf dunkelelfenbeinfarben, auf eine graugrüne Achatscheibe geklebt, 1.77 cm mit Rest einer Eisenfassung, 3. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2458; J. Spier, Late Antique Cameos, in: Cameos in Context 1993, 50. Abb. 767 Haupt der Medusa, zweischichtiger Sardonyx, 1.50 cm, 3. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2463. Abb. 768 Ein Paar Ohrringe mit Medusa-Kameen, Gesamthöhe 1.00 cm, 3. Jh. n. Chr., St. Petersburg. Neverov, Kamei 1988 Nr. 337, 338.

ABBILDUNGEN 761–772

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Abb. 769 Verschlungene Hände unter einer Rosenguirlande, griechische Inschrift ΟΜΟΝΟΙΑ, ὁμόνοια, zweilagiger Sardonyx, elfenbeinfarben auf grau, 1.06 cm, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2473; Zwierlein-Diehl 1993, 474f., 484 Taf. 104,3. Vgl. V. Orlinski-Raidl, Gemmen aus der Sammlung Jiří Karásek von Lvovice, ÖJh 23/24, 2000–2001, 97–99. Abb. 770 Epsilon, griechische Inschrift ΤΗΚΑΛΗ / Ε / ΧΡΥΣΟΥΝ, „der Schönen ein goldenes Epsilon“, Kameo, dreilagiger Sardonyx, weiß, mittelbraun, hellgrau, 1.89 cm, 2. Jh. n. Chr., Slg. Müller, Bonn. Zwierlein-Diehl, Colliers 1993, 474f., 484 Taf. 104,2; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 42, 91 Kat. 102 Abb. 94. Abb. 771 „Rubensvase“, honigfarbener Achat, H 19.0 cm, um 400 n. Chr., Slg. Louis I. duc d’Anjou, P. P. Rubens, Baltimore 42.562. M. C. Ross, The Rubens Vase, Its History and Date, JWAG 1943, 9–39; Early Christian and Byzantine Art. An Exhibition held by The Baltimore Museum of Art, April 25 – June 22. Organized by the Walters Art Gallery (1947) Nr. 543; D. Harden – J. Toynbee, „The Rothschild Lycurgus Cup“, Archaeologia 97, 1959, 179–212, 201f. Taf. 74; Bühler 1973, 77 Nr. 109 Taf. 37; Age of Spirituality Nr. 313 (K. Reynolds Brown). Abb. 772 Lykurgosbecher, opak grünes Glas, im Durchlicht purpurrot, H mit Metallringfassung 16.5 DM außen max. 13.2 cm, DM innen max. 12.2 cm, 4. Jh. n. Chr., antiker Fuß fehlt, mit Randfassung und Fuß aus vergoldeter Bronze (19. Jh.), aus Slg. Lord Rothschild, London BM MLA 1958.12–2.1 E. Coche de la Ferté, Le verre de Lycurgue, MonPiot 48, 1956, 131–162; D. Harden – J. Toynbee, „The Rothschild Lycurgus Cup“, Archaeologia 97, 1959, 179–212 Taf. 59–75; Glas der Caesaren 1988 Nr. 139 (K. Painter); LIMC VI (1992) Lykurgos I Nr. 51*; J. Welzel, „Becher aus Flechtwerk von Kristall“. Diatretgläser, ihre Geschichte und Schleiftechnik. Ausst. Glasmuseum Rheinbach u.a. 1994, 17–24 (Nachbildung in Schleiftechnik aus einem dickwandigen Rohling); G. D. Scott, JGS 37, 1995, 51–64 (vermutlich geblasener Rohling mit 12–14 mm Wandstärke, Beobachtungen zu Schleifspuren der Rädchen mit Detailaufnahmen. [Die hypothetische Werkbank Abb. 23 wäre mit antiker Technik, d. h. ohne biegsame Welle, nicht funktionstüchtig, s. u. S. 320]); Lierke 1999, 126–129 (Theorie der Herstellung durch Pressen auf der Töpferscheibe). Vgl. Jagdsitula, Venedig, Schatz von San Marco: H. R. Hahnloser (Hrsg.), Il Tesoro di San Marco (1965) Nr. 13; H. Hellenkemper (Hrsg.) Der Schatz von San Marco in Venedig, Ausst. Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln 1984 (1984) 85, 88 Abb. 1a (K. Reynolds Brown); H. Tait, in: Brown 1997, 120–123 Abb. 12, 13; J. Welzel, Die Situla im Domschatz von San Marco in Venedig, KölnJb 35, 2002, 391–407.

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XVII. MAGISCHE AMULETTE Literatur Amulette 1992 Betz, H. D. (Hrsg.), The Greek Magical Papyri in Translation. Including the Demotic Spells (1986) Bonner 1950 Brashear, W. M., The Greek Magical Papyri: an Introduction and Survey; Annotated Bibliography (1928–1994) in: ANRW II 18, 5 (1995) 3380–3684 Daniel, R. W., Some Magical Gems in the British Museum, ZPE 142, 2003,139–142 Delatte – Derchain 1964 Goodenough, E. R., Jewish Symbols in the Greco-Roman Period (1953) II 208–296, III Abb. 1005–1209 King, Gnostics 1887 Macarius – Chifletius 1657 Mastrocinque, Gemme gnostiche 2002 Mastrocinque, A. (Hrsg.), Sylloge gemmarum gnosticarum I, Bolletino di Numismatica, Monografia 8.2.1, anno 2003 (2004) Merkelbach, Abrasax Michel, BM 2001, 2001/03, 2004 Michel, S., Der Pantheos auf Magischen Gemmen, Vorträge aus dem Warburg-Haus 6 (2002) 1–40 PGM Philipp 1986 Quack, J. F., Beiträge zu den ägyptischen Dekanen und ihrer Rezeption in der griechisch-römischen Welt, Orientalia Lovaniensia Analecta, Leuven (in Druck). Quack, J. F., Gnomon 76, 2004, pp. 257–262 (rez. Michel, BM 2001) Waegemann, M., Amulet and Alphabet. Magical Amulets in the First Book of Cyranides (1987) Zwierlein-Diehl, Les intailles magiques, Pallas (in Druck)

Abbildungen Abb. 773 Stehende Isis, Skarabäus, Karneol, 2.32 cm, 1. Jh. v. Chr., „aus Sparta“, ehemals Slg.Rhusopulos (Athen), München. a) Bild, b) Käferrücken AGD I 1 Nr. 346; A. M. Nagy, Gemmae magicae selectae, in: Mastrocinque, Gemme gnostiche 2002, 153– 179, 168–170 Abb. 19. Zur Gruppe: Zazoff, HdArch 1983, 204f. Anm. 69; 355 Anm. 46 Taf. 112,1–3; AGWien III 18 mit Anm. 62. Zum Thema: S. Eitrem, Die magischen Gemmen und ihre Weihe, Symbolae Osloenses 19, 1939, 57–85; Michel 2004, 4–6; M. Smith, Relations between Magical Papyri and Magical Gems, in: Papyrologica Bruxellensia 16, 1979, 129–136. Abb. 774 V: Thronender Sarapis, Skarabäus, Osirismumie, R. und Rand: Inschriften (ohne Abb.), schwarzer Jaspis, 1.80 cm, 2.Jh. n. Chr., The Art Museum, Princeton University. Abguß. Forbes, Princeton Nr. 144; Amulette 1992, 33 Taf. 30 Abb. 15, 16. Vgl. Michel 2004, 58f. Taf. 12,1. Zum Chabrach-Logos. C. Bonner, The Numerical Value of a Magical Formula, The Journal of Egyptian Archaeology 16, 1930, 6–9.

ABBILDUNGEN 773–784

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Abb. 775 V: Helios, R: ΑΒΡΑCΑΞ (ohne Abb.), Karneol, 1.23 cm , 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2208. Abb. 776 Begrüßung des Sonnengottes durch den Hahn, Heliotrop, 2.0 cm, 2. Jh. n. Chr., Berlin, Ägyptisches Museum. Philipp 1986 Nr. 32; Amulette 1992, 29 Taf. 28 Abb. 12 Abb. 777 Sarapis-Zeus und Sarapis-Hades, Achat, Inschrift: ὁ πιστὸς εἰ[ατ]ήριον, „der Gott, auf den man Vertrauen setzen darf; das Mittel zur Heilung (oder: der Gott der Heilstätte)“ (Merkelbach), 2.55 cm, 2. Jh. n. Chr., Köln, Institut für Altertumskunde der Universität. Abguß im Sinne des Originals. Amulette 1992 Nr. 1; R. Merkelbach, ZPE 102, 1994, 296; R. Merkelbach, Isis regina – Zeus Sarapis (2001) 594 Abb. 121, vgl. 78 §137. Abb. 778 Hekate und Aphrodite, Hämatit, 3.45 cm, 2. Hälfte 2–1. Hälfte 3. Jh. n. Chr., Wien V: Hekate auf dem Löwen, Inschrift mit „Hekate“, R: Aphrodite Anadyomene, Bildhöhe 3.0 cm AGWien III 1991 Nr. 2182. Abb. 779 Die dreigestaltige Hekate-Selene, Gorgoneion, Aphrodite, Hämatit, 2.76 cm. 2. Jh. n. Chr., Wien. V: Die drei Chariten über einem Gorgoneion, R: Aphrodite Anadyomene über Hekate, Bildhöhe 2.33 cm. AGWien III 1991 Nr. 2183 Abb. 780 Sonnengott und Liebeszauber, Heliotrop, H: 2,35 cm, 2. Jh. n. Chr., aus Ägypten, Wien. V: Harpokrates in der Sonnenbarke, R: Inschrift: Liebeszauber für Didyme. AGWien III 1991 Nr. 2195; Michel 2004, 210, 293. Abb. 781 Schutzamulett, Sard, 3.30 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. V: Ouroboros, Harpokrates auf der Lotosblüte in der Sonnenbarke, magische Inschriften, R: Charakteres und griechische Bitte um Schutz. AGWien III 1991 Nr. 2194. Abb. 782 Harpokrates in der Sonnenbarke vom Pavian begrüßt, dunkelgrüner Jaspis, 1.44 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2185; Michel 2004, 272. Abb. 783 V: Horus-Helios auf drei Löwen, R: Inschrift: ΕVΤΠΙΑCΚΑΗΠΙΟC, mit zwei Verschreibungen statt: ΕVΤΧΙ ΑCΚΛΗΠΙΟC, εὐτυχῇ Ἀσκληπιός „Asklepios sei glücklich“; da Asklepios im Nominativ steht ist das erste Wort eher als Konjunktiv denn als Imperativ zu verstehen (ohne Abb.), dunkler Heliotrop, 2.81cm, 2. Jh. n. Chr., Bonn, Franz Joseph Dölger-Institut Inv. 68. J. Engemann, RAC 11 (1979) 287. s. v. Glyptik (Zeichnung); Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 50f. Kat. 114, Farb-Abb. 15 a.b. Abb. 784 Osiris-Canopus, roter Jaspis in antikem Goldring, 1.20 cm, 1. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2190; Michel 2004, 254.

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XVII. MAGISCHE AMULETTE

Abb. 785 V: Isis-Aphrodite zwischen Seth und Anubis, Osirismumie, R: Inschrift (ohne Abb.), Hämatit, 2.28 cm, 2. Jh. n. Chr., aus Ägypten, Wien. AGWien III 1991 Nr. 2178 (die dort geäußerte Vermutung, daß Seth als feindliche Macht gemeint sei, halte ich nicht mehr für richtig); Michel 2004, 45, 251 Liste 4.1d, vgl. Taf. 86,5. Zur Versöhnung von Horus und Seth: Merkelbach, Abrasax III 18–20, 23, 42–44, 202, 214f. Hämatit, London, British Museum: Michel, BM 2002 Nr. 275; Michel 2004, 78 Taf. 32,4. Abb. 786 Isis und Osirismumie, schwarzer Jaspis, 1.86 cm, 2./ 3. Jh. n. Chr., aus Ägypten, Wien. D. Wortmann, Kosmogonie und Nilflut, BJb 166, 1966, 62–112, 65 Abb. 2; AGWien III 1991 Nr. 2179. Abb. 787 V: „Bes Pantheos“, R: Erzengelnamen (ohne Abb.), Heliotrop, 4.30 cm, 2. (–1. Hälfte 3.?) Jh. n. Chr., einst im Besitz von Erzherzog Leopold Wilhelm, Wien. Macarius – Chifletius 74 Taf. 6,24. AGWien III 1991 Nr. 2217; Amulette 1992, 19 Taf. 24,1. Abb. 788 V: „Bes Pantheos“, R: Götter, Inschriften (ohne Abb.), oben dunkelgrüner, unten rotbrauner Jaspis, 2.70 cm, 2. Jh. n. Chr., Slg. Müller, Bonn. Zazoff, HdArch 1983, 359 Anm. 63 Taf. 115; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 50, Kat. 113 Abb. 104 a, b. Vgl. Michel, BM 2001 Nr. 290; Michel 2004, 84 Taf. 42,1 (zum „Pantheos“ dort 79–84). Abb. 789 V: Hahnenköpfiger Schlangenbeiniger Iao, R: Inschrift: ΑΒΛΑΝΑΘΑΝΑΛΒΑ (ohne Abb.), Heliotrop, 2.24 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2231. Amulette 1992, 32Taf. 29 Abb. 13. Zum ägyptischen Vorbild der Schlangenbeine: J. C. Darnell, The Enigmatic Netherworld Books of the Solar-Osirian Unity. Cryptographic Compositions in the Tombs of Tutankhamun, Ramesses VI and Ramesses IX (2004) 231, 385–390 pl. 29. Abb. 790 V: Sarapis mit Sonnenschlange statt des Kopfes, R: ΑΒΡΑCΑΞ (ohne Abb.), Hämatit, 1.44 cm, 2. Jh. n. Chr. Wien. AGWien III 1991 Nr. 2241; Amulette 1992, 32f. Taf. 29 Abb. 14; Michel 2004, 328, unter Nr. 46.4, letztes Beispiel. Abb. 791 Amulett für Romana, Heliotrop, 2.96 cm, 2. Jh. n. Chr., Franz Joseph Dölger-Institut, Bonn, Inv. 69. V: Die dreigestaltige Hekate. Buchstaben und Charakteres, R: Geburt des Sonnengottes in Gestalt einer geflügelten, falkenköpfigen Schlange. Inschriften. Auf dem Rand: Über dem Skarabäus beginnend, Buchstabenfüße zur Rückseite hin: ΑΒΛΑΝΑΘΑΝΑΛΒΑΦVΛΑΞΟΝΡWΜΑΝΑΝ, Ablanathanalba beschütze Romana J. Engemann, RAC 11 (1979) 287f. s. v. Glyptik (Zeichnung); Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 51 Kat. 115, Farb-Abb. 16 a.b. Abb. 792 V: Harpokrates-Chnubis, R: Inschrift (ohne Abb.), Hämatit, Fragment, 1.27 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2229. Zum Zahlwert von „Chnubis“: Amulette 1992, 28f. Abb. 793 Schwarzer Steatit, ca. 2.15 cm, 2. Jh. n. Chr. (Fundschicht), Athen, Agora Excavations. V: Thronender falkenköpfiger Gott. Oben eine Fehlstelle, in der vermutlich die Sonnenscheibe zu ergänzen ist, da die Inschrift diesen Platz ausspart. Inschrift ΑΔWΝΑΙ, Charakteres, R: ΑΒΛΑ/ΝΑΘΑ/ΝΑΛ/ΒΑ T. Leslie Shear, Hesperia 7,1938, 359 Abb. 19, 360f.

ABBILDUNGEN 785–802

461

Abb. 794 V: Heliōros, Chalcedon, Bild 2.14 cm, 2. Jh. n. Chr., einst Slg. Moszynski, Dresden, verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. AGWien III 1991 Nr. 854; Amulette 1992, 26f. Taf. 27,9. Zum Motiv: Michel 2004, 7f. Abb. 795 Chnubis-Amulett, grüner Jaspis, 2.47 cm, Bild R: 1.74 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. V: Die löwenköpfige Chnubis-Schlange, ΧΝΟVΒΙC, R: Das Chnubis-Zeichen, ΑΒΡΑΜΜΑWΘ AGWien III 1991 Nr. 2221. Abb. 796 Amulett gegen Ischias, Hämatit, 2.63 cm, 2. Hälfte 2.–1. Hälfte 3. Jh. n. Chr., Slg. Müller, Bonn. V. Ouroboros, darin Schnitter, R: Rückseite: NNNN / [Ι]CXIWN / ] ZZZ[ Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 52 Kat. 118, Abb. 107. Abb. 797 Eidechse, Heliotrop, 1.60 cm, Inschrift: ΚΑΝCΕΘΟVΛΕΘΗΡ, 2. Hälfte 2.–1. Hälfte 3. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2252. Zu den Quellen: T. Panofka, Gemmen mit Inschriften, AbhAkBerlin 1851, 385–519, 474–476; H. Drexler, Philologus 58, 1899, 610–616; Bonner 1950, 69–71; Michel 2004, 157f. Abb. 798 Skorpion-Amulett, gelber Jaspis, 1.44 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. V: Skorpion, die Waage haltend, R: IAW in Uroboros. AGWien III 1991 Nr. 2257. Zum Thema: S. Eitrem, Der Skorpion in Mythologie und Religionsgeschichte, Symbolae Osloenses 7, 1928, 52–82, bes. 68, 70; Bonner 1950, 77f.; Michel 2004, 162–164. Abb. 799 V: Herakles im Löwenkampf, R: K K K (ohne Abb.), roter Jaspis, 1.16 cm , 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2212. Zur Interpretation: Bonner 62–64; Michel 2004, 178f. Die griechische Beschwörungsformel bei Marcellus, de medicamentis 28,23 (um 400 n. Chr.) und auf Ringen, s. W. Drexler, Philologus 58, 1899, 608f. Abb. 800 V: Ibis als Phönix von Tieren umringt, R: ΠΕ / ΠΤΕ, pépte, „verdaue!“ und Chnubis-Zeichen (ohne Abb.), Hämatit, 2.60 cm, 3. Jh. n. Chr., Slg. Müller, Bonn Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 52 Kat. 119, Abb. 108 (mit Deutung der Tiere im Sinne Wortmanns). Zum Ibis: A. A. Barb, Magica Varia, Syria 49, 1972, 343–370, 357–362; Amulette 1992, 84f. Nr. 22; Michel 2004, 200f. Zu den Tieren: D. Wortmann, BJb 166, 1966, 73–75; Michel 2004, 74–76. Gemmen in London, British Museum und Cambridge, Lewis Collection: A. A. Barb, Abraxas-Studien, in: Hommages à Waldemar Deonna, Coll. Latomus XXVII (1957) 67–86, 81–86; Henig, Lewis 1975 Nr. 244; Merkelbach, Abrasax I 22f.; Michel 2004, 64f. Taf. 25,1. Abb. 801 Uterus-Amulett, Hämatit, H: 2,26 cm, 2. Hälfte 2.–1. Hälfte 3. Jh. n. Chr., Köln, Institut für Altertumskunde der Universität. Amulette 1992 Nr. 24. Abb. 802 Milchstein,V:dreiköpfigeSchlange,R: ΑΛΒΕC/ΧΝΟΥΒΙ / ΒΙΕΝΟΘ(ohneAbb.),gelblichelfenbeinfarbener Chalcedon, 2.70 cm, 2. Jh. n. Chr., Köln, Institut für Altertumskunde, der Universität. Amulette 1992 Nr. 18.

462

XVIII. FRÜHCHRISTLICHE GEMMEN

Die Textstelle: F. De Mély – Ch.-Em. Ruelle, Les lapidaires de l’antiquité et du moyen âge II (Paris 1898) 177, 12; Halleux – Schamp 171 (36.1). Abb. 803 Kinderamulett, als Anhänger gelocht, Serpentin, 2.54 cm, 2. Jh. n. Chr.; Köln, Institut für Altertumskunde der Universität. V: Harpokrates auf dem Schoß der Isis, ΑΘΘΑΒ/ΑΘΑΘ, R: Bes, ΤΑCΒΕΡΒΕΡΕΤΑC Amulette 1992 Nr. 2. Zum Typus: Bonner 1950 145, 196; Michel 2004, 187 Taf. 11,2.3. aththabaththa: hebr. „Du bist Vater“: Jacoby zu PGM IV 1075; Bonner a. O und Brashear 1995, 3578 (Lesung fraglich). Abb. 804 Salomon-Amulett, Hämatit, 3.62 cm, spätes 4. / frühes 5. Jh. n. Chr., München. V: Salomon zu Pferd ersticht einen weiblichen Dämon, im freien Raum oben Inschrift: CΟΛ(ΟΜ)WΝ, R: Inschrift: CΦΡΑΓΙC ΘΕΟV, „Siegel Gottes“. AGD I 3, 1972 Nr. 2913 (Brandt); J. Garbsch – B. Overbeck, Spätantike zwischen Heidentum und Christentum (1989) Nr. A 8; Zwierlein-Diehl, Constantinopolis 1997, 88 Abb. 9. Vgl. Bonner 1950, 208– 211, 302 Nr. 295–297; Michel 2004, 146–148 Taf. 90. Abb. 805 Salomon-Amulett, Hämatit, zur Rückseite hin abgeschrägt, 2.0 x 1.7 x 0.35 cm, spätes 4. / frühes 5. Jh. n. Chr., Slg. Müller, Bonn. V: Salomon zu Pferd ersticht einen weiblichen Dämon. Inschrift dem Rand folgend, links unten beginnend: CΟΛΟΜWΝ CICINI „Salomon, Hl. Sininnios!“ R:CΦΡΑ / ΓΙCΘ / ΕΟV, „Siegel Gottes“ (ohne Abb.). Vgl. Hämatit in Oxford, Ashmolean Museum, V: Salomonreiter, R: Inschrift „Sisinis“, Spier, Byzantine Amulets 1993, 37 Taf. 6e; Michel 2004, 147 Anm. 766, 324, 44.1.d (8).

XVIII. FRÜHCHRISTLICHE GEMMEN Literatur Age of Spirituality 1979 passim Calvini Marini, M., Una gemme incisa tardoromana, BdA 50, 1965, 163–159 Dalton, Early Christian Antiquities 1901, 1–35 Dalton, Finger Rings 1912 Dalton, Postclassical Periods 1915 Dölger, F. J., ΙΧΘΥΣ I (21928) 262–337; V (1943) 234–326 Early Christian and Byzantine Art. An Exhibition held by The Baltimore Museum of Art, April 25 – June 22. Organized by the Walters Art Gallery (1947) Elbern, V. H., An Early Christian Rock Crystal Intaglio, Allen Memorial Art Museum Bulletin 24, 1966, 35–42 Engemann, Glyptik 1979 Klauser, Th., Studien zur Entstehungsgeschichte der christlichen Kunst I 1. JbAC 1, 1958, 21–23; IV 12, JbAC 4, 1961, 128–145, bes. 139–145 Klauser, Th., Die Äusserungen der alten Kirche zur Kunst, in: Atti del VI Congresso Internazionale di Archeologia Cristiana, Ravenna 23–30 settembre 1962 (1965) 223–242, bes. 226f., 235, 237f.

LITERATURHINWEISE

463

Klauser, Th., Erwägungen zur Entstehung der altchristlichen Kunst, Zeitschrift für Kirchengeschichte, N. F. 14, 76. Bd., 1965, 1–11 Kornbluth, G., „Early Byzantine“ Crystals: An Assessment, JWAG 52/53, 1994/95, 23–32 Krug, A., Eine frühbyzantinische Amulettgemme, in: K. M. Cialowicz – J. A. Ostrowski (Hrsg.), Les civilisations du bassin méditerranéen. Hommages à Joachim Sliwa (2000) 395–402 Leclerq, H., Gemmes, in: F. Cabrol – H. Leclerq, Dictionnaire d’Archéologie chrétienne VI (1924) 794– 864 Lerner 1977 Mango, C. – Mundell Mango, M., Cameos in Byzantium, in: Cameos in Context 1993, 57–76 Ross, Dumbarton Oaks Spier, J., Un anillo bizantino-occidental en el Museo Lazaro Galdiano, Goya, Revista de Arte 216, 1990, 328–330 Spier, J., Medieval, Byzantine Magical Amulets and their Tradition, Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 56, 1993, 25–62 Spier, J., Late Antique Cameos, in: Cameos in Context 1993, 43–54 Spier, J., Early Christian Gems and their Rediscovery, in: Brown 1997, 33–43 Spier, J., Late antique, early Christian and Jewish Gems (in Druck) Wessel, K., Ein verkanntes Denkmal der frühbyzantinischen Kaiser-Ikonographie. Der „Apostel-Intaglio“ in der Münchener Staatlichen Münzsammlung, JbAC 24, 1981, 131–139 Zazoff, HdArch 1983, 374–386 Zwierlein-Diehl, Constantinopolis 1997

Clemens von Alexandria

Altendorf, H.-D., Die Siegelbildvorschläge des Clemens von Alexandrien. Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche 58, 1967, 129–138 Clemens Alexandrinus I Protrepticus und Paedagogus, O. Stählin – L. Früchtel – U. Treu, Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte Bd. 12 (1905, 31972) Clemens von Alexandreia, Mahnrede an die Heiden. Der Erzieher. Übers. von O. Stählin, Bibliothek der Kirchenväter 2. Reihe Br. 7 u. 8 (1934) Effenberger, A., Frühchristliche Kunst und Kultur. Von den Anfängen bis zum 7. Jahrhundert (1986) 22f. Eizenhöfer, L., Die Siegelbildvorschläge des Clemens von Alexandrien und die älteste christliche Literatur, JbAC 33, 1960, 51–69 Eizenhöfer, L., Zum Satz des Clemens von Alexandrien über das Siegelbild des Fischers, JbAC 6, 1963, 173f. Engemann, J., RAC VII s. v. Fisch, Fischer, Fischfang, 1026f. Finney, P. C., Images on Finger Rings and Early Christian Art, Dumbarton Oaks Papers 41, 1987, 181– 186 Maser, P., Die Siegelbildvorschläge des Clemens von Alexandrien und das spätantike rabbinische Judentum, Wissenschaftliche Zeitschrift. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Gesellschaftsund sprachwissenschaftliche Reihe 22, 1973, 65–70

Siegel des Augustinus

Pellegrino, M. – Alimonti, T. – Carrozzi, L., Opere di Sant’Agostino XX/1. Le Lettere I 1 (21992) 510– 513 (ep. 59) Waterton, E., On Episcopal Rings, The Archaeological Journal 20, 1863, 224–238, 225

464

XVIII. FRÜHCHRISTLICHE GEMMEN

Abbildungen Abb. 806 Adam und Eva, Karneol, 1.58 cm, 2. Hälfte 1.–Anfang 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2169. Abb. 807 Ein Magier (einer der Heiligen Drei Könige), roter Jaspis, 1.27 cm, 2. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2170. Abb. 808 Jonas, vom Seeungheuer ausgespieen, Karneol, in Draufsicht achteckig, 1.97 x 1.97 cm, 2. Jh. n. Chr., Köln, Institut für Altertumskunde der Universität. Amulette 1992 Nr. 35. Abb. 809 Guter Hirte?, Karneol, 1.50 cm, 3. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2171. Abb. 810 Guter Hirte, Karneol, 1.50 cm, 3.–4. Jh. n. Chr., Aus Slg. Sir Arthur Evans, angeblich in Catania erworben, Baltimore, Walters Art Gallery 42.1343. Abguß. Early Christian and Byzantine Art. Exh. 1947 Nr. 568 Taf. 78. Abb. 811 XP, Christogramm, Karneol in antikem Goldring, 0.9 cm, 3. Jh. n. Chr., in O-Szöny (Brigetio) gefunden, Wien. AGWien III 1991 Nr. 2172. Vgl. Spier 1997, 34 Abb. 2. Abb. 812 Prokopios-Amulett, magisches Amulett, Hämatit, 3.0 x 1.4 cm, 4./5. Jh. n. Chr., London, British Museum. V: Hl. Prokopios, R: Inschrift: ΑΓ/ΙΕ/ΠΡΟ/ΚΟ/ΠΙ, „Heiliger Prokopios!“ Bonner 1950 Nr. 334Taf. 18; Michel, BM 2001 Nr. 470; Zwierlein-Diehl, MariaeVerkündigung am Feueraltar: Eine mittelalterliche Gruppe von Gemmen, Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 59/60, 2005/2006, 62 Abb. 45. Zu Prokopios: Lexikon für Theologie und Kirche3 VIII 612 (M.-B. v. Stritzky); Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon XVI (1999) 1271f. (E. Sauser). Abb. 813 Grüner Jaspis mit braunen Flecken, 1.79 cm, spätes 4. Jh. n. Chr., München. V: Thronender Christus mit Kreuz im Segensgestus. R: griechische Inschrift XPICTOC. AGD I 3, 1972 Nr. 2889 (Brandt); J. Garbsch – B. Overbeck, Spätantike zwischen Heidentum und Christentum (1989) Nr. A 11; Zwierlein-Diehl, Constantinopolis 1997, 87 Abb. 7 a, b. Abb. 814 Christi Einzug in Jerusalem, Karneol, 0.6 cm, Ende 4. / Anfang 5. Jh. n. Chr., Utrecht. Maaskant-Kleibrink, The Hague 1978 Nr. 1144 Taf. 176; Zwierlein-Diehl, Constantinopolis 1997, 89 Abb. 10. Abb. 815 Taufe Christi, Bergkristall, 2.2 cm, 5. Jh. n. Chr., verschollen, ehemals Bonn, AKM. Nach Abguß. Mandel-Elziga, Bonn 1985 Nr. 71; Zwierlein-Diehl, Constantinopolis 1997, 90f. Abb. 12. Vgl. gleiches Motiv, gleiche Werkstatt: Bergkristall, New York, Age of Spirituality 1979 Nr. 395 (L. Kötzsche); Kornbluth 1994/95, 24f. Nr. 7 Abb. 1–2, 29.

ABBILDUNGEN 806–823

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Abb. 816 Thronender Christus, Bergkristall, Inschrift: ΕΜΜΑΝΟ(υηλ), 2.5 cm, in Goldfassung als Anhänger, 6. Jh. n. Chr., Washington, Dumbarton Oaks Collection. Ross, Dumbarton Oaks I Nr. 115 Taf. 58 (Syria, sixth century); Kornbluth 1994/95, 24 Nr. 9, 27 Abb. 13, 30. Zwierlein-Diehl, Constantinopolis 1997, 88 Abb. 8. Die Lokalisierung in Syrien durch Ross stützt sich teils auf die Fundortangabe „Antiochia“, teils auf den Vergleich mit Salomon-Amuletten, letztere sind jedoch in Ägypten entstanden. Zur Hinterlegung mit Gold vgl. E. Bielefeld, Gymnasium 79, 1972, 437. Abb. 817 Einer der Magier vor der thronenden Maria mit dem Kind, oben ein Kreuz, Bergkristall in Goldfassung als Anhänger, H mit Öse 3.5 cm, 6. Jh. n. Chr., Washington, Dumbarton Oaks Collection. Ross, Dumbarton Oaks II Nr. 179 M Taf. 98 (Constantinople (?), late sixth century), Kornbluth 1994/95, 24 Nr. 12, 26 Abb. 15. Abb. 818 Engel vor dem Grab Christi, Bergkristall in Goldfassung als Anhänger, H mit Öse 3.1 cm, 6. Jh. n. Chr., Washington, Dumbarton Oaks Collection. Ross, Dumbarton Oaks II Nr. 179 L Taf. 98 (Constantinople (?), late sixth century); Kornbluth 1994/95, 24 Nr. 11, 26 Abb. 14. Abb. 819 Thronende Maria mit Kind in Vorderansicht, Chalcedon, 2.1 cm, 6. Jh. n. Chr.?, London. Dalton, Early Christian Antiquities 1901 Nr. 92; Dalton, Postclassical Periods 1915 Nr. 558 Taf. 18. Abb. 820 Thronende Maria mit Kind im Profil, schwarzgrauer Jaspis, 1.42 cm, 6. Jh. n. Chr., Wien. AGWien III 1991 Nr. 2174. Abb. 821 Erzengel mit Stabkreuz, Nicolo nachahmende Glasgemme, 2.41 cm, 6.–frühes 7. Jh. n. Chr., Köln, Institut für Altertumskunde der Universität. Amulette 1992 Nr. 36. Abb. 822 Investitur eines Knaben (Valentinianus III.) durch den Augustus (Honorius), unter Assistenz des Caesars (Constantius III.), Sardonyx, 11.8 cm, Bildbreite 10.5 cm, Inschrift FL.ROMVL.VEST.FECIT, 420/421 n. Chr., St. Petersburg. R. Delbrueck, Spätantike Kaiserporträts (1933) 211–214 Abb. 73 (hiernach die Abb.), Taf. 111,1; Engemann, Glyptik 1979, 294–296; Zazoff, HdArch 1983, 323 Anm. 108 Taf. 96,7. Abb. 823 Petrus und Paulus zu Seiten des Kreuzes, darüber die Büste Christi, dreischichtiger Sardonyx, Inschrift: ΕΜΜΑ/ΝΟVΗΛ, 9.80 cm, (1. Hälfte?) 6. Jh. n. Chr., aus Slg. Lanckoroński, ehemals Wien Inv. IX 2607, im Jahr 2000 an die Erben nach Anton Graf Lanckoroński zurückgegeben, kam als Geschenk der Familie Lanckoroński in die Staatlichen Kunstsammlungen im Königsschloß Wawel in Kraków (Zamek Królewski na Wawelu). AGWien III 1991 Nr. 2173; Kornbluth 1994/95, 30.

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XIX. GEMMENSCHICKSALE Abb. 824 Frontseite des Dreikönigenschreines, um 1200, Köln, Dom. Zur Geschichte des Ptolemäerkameos: Brown Cameo 1997, 88–93; Dreikönigenschrein 50–61, zur mittelalterlichen Deutung dort 87–97. Abb. 825 Der Ptolemäerkameo an seinem mittelalterlichen Platz auf der Trapezplatte des Dreikönigenschreines. Photomontage. Abb. 826 Zeichnung des Ptolemäerkameos im Bericht über den Diebstahl von 1574, Domchronik des Goswin Gymnich, Abschrift von Petrus Schonemann (1664). Historisches Archiv der Stadt Köln, Sign.: Chroniken und Darstellungen Nr. 259v., Detail. Vgl. Dreikönigenschrein 53 Anm. 119, 54f. Abb. 26, 27. Abb. 827 Capita jugata des Augustus und der Livia, Plasma, verschollen, einst Besitz von Pietro Bembo, dann Fulvio Orsini. Gallaeus, Imagines Taf. 39 (hiernach die Abb.); Faber, Commentarius 22f. „Caput Augusti senilem aetatem repraesentans & LIVIAE uxoris eius, ex gemma anulari, ovalis formae, quae vulgari idiomate Prasma dicitur, expressum est: ... (Zuweisung an Dioskurides. Hervorragende Qualität der Gemme) ... fuitque olim Petri Bembi Cardinalis (Ludovicus Demontosius erwähne eine ähnliche Gemme in Frankreich, die vermutlich eine Kopie sei)“; Enea Vico, Discorsi sopra le medaglie de gli antichi (1. Aufl. 1555) Paris 1619, 93; Nolhac 1884, 154 Nr. 23 (Inventar der Slg. Orsini Prasma ovata con lettere d’Augusto et Livia, ligata in anello, dal Bembo); Brown, Cameo 1997, 94 Abb. 11. Vielleicht identisch mit dem Original, von dem der Glaskameo Abb. 613# abgedrückt wurde. Abb. 828 „Kameo Gonzaga“, Michel Ange de la Chausse, Romanum Museum sive Thesaurus eruditae antiquitatis ... ( Rom 1690) 15f. Taf. 18 Alexander Magnus eiusque Mater Olympias. Ex Achate antiqua in Tesauro Christinae Augustae (seitenverkehrt zum Original). Abb. 829 Raphael Trichet du Fresne mit dem Kameo Gonzaga in der Rechten, Stich nach einem Gemälde von Sébastien Bourdon 1653, Leningrad, Ermitage. (Seitenverkehrt zum Original). Neverov, Dai tesori d’arte di Cristina di Svezia, Xenia 7, 1984, 79 Abb. 2; Brown, Cameo 1997 96 Abb. 15 (nach: Galerie du Palais Royal gravée d’ après les tableaux des différents écoles qui la composent ... [Paris 1786–1808] vol 3), hiernach die Abb. Abb. 830 Rekonstruktion der byzantinischen Fassung des Grand Camée. Nach: J. Durand – M. P. Lafitte, Le trésor de la Sainte-Chapelle, catalogue de l’exposition 31 mai – 27 août 2001 (Paris Musée du Louvre), 95 Abb. 3 (J. Durand). Abb. 831 Die Reichsreliquien, Gemälde,1.90 x 0.90 m, von Friedrich Juvenel (1645–1647). In der Mitte das Reliquiar mit dem Span von der Krippe, auf dem Deckel als äußerster Stein rechts der Saphir des Thamyras mit Nereide auf einem Hippokampen. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Gm 557.

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 824–834

467

O. Kurz, An Engraved Gem signed by Thamyras, in: Album Amicorum J. G. Van Gelder (1973) 211 Abb. 3; Zwierlein-Diehl, Meistergemmen 1988, 3652 Abb. 31, 32 (in Farbe); AGWien III Taf. 169. Abb. 832 Innenseite der Tazza Farnese, Zeichnung von Muhammad b. Mahmud Shah al-Khayyam, zwischen 1409 und 1433, Staatsbibliothek Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Diez’sche Klebebände, A fol. 72. E. Kühnel, Malernamen in Berliner „Saray”-Alben, Kunst des Orients 3, 1959, 66–77, 73 Abb. 10 (hiernach die Abb.); H. Blanck, Eine persische Pinselzeichnung nach der Tazza Farnese, AA 1964, 307–312; Tesoro di Lorenzo 1973 Abb. 41; K. Parlasca, Neue Beobachtungen zu den hellenistischen Achatgefäßen aus Ägypten, in: The J. Paul Getty Museum Journal 13, 1985, 19–21; E. Simon, Alexandria – Samarkand – Florenz – Rom. Stationen der Tazza Farnese in: H. Altrichter (Hrsg.), Bilder erzählen Geschichte. Rombach Historiae VI (1994) 15–28 = Ausgewählte Schriften (1998) I 238–254 Abb. 6; B. Brentjes, Die „Tazza Farnese“ und ihre Wege durch Iran, AMI 28, 1995/96, 319–327, 325 Abb. 2. Abb. 833 „The Portland Museum“. Titelblatt des Auktionskataloges von Mr. Skinner and Co., 24th April – 7th June 1786. E. Simon. Die Portandvase (1957), Titelblatt (hiernach die Abb.). Abb. 834 Die Fragmente der Portlandvase nach ihrer Zerstörung am 7. Feburar 1845. Aquarell von T. Hosmer Shepherd. D. E. L. Haynes, The Portlandvase (London 1964, 21975) Taf. XVI; N. Williams, The Breaking and Remaking of the Portland Vase (1989) 6.

XX. ANTIKE GEMMEN IM MITTELALTER Literatur Gemmenfunde in Bädern

Dunbabin, K. M. D., Baiarum grata voluptas. Pleasures and Dangers of the Baths, Papers of the British School at Rome 57, 1989, 6–46, bes. 35–40 (Bad-Dämonen und ihre Abwehr) Guiraud 1995, 370–373, 400f. Henig, Bath 1988 Zienkiewicz, Caerleon 1986, 117–119

Antike Gemmen im Mittelalter

Ament, H., Zur Wertschätzung antiker Gemmen in der Merowingerzeit, Germania 69, 1991, 401–424 Babelon 1894, 206–227 Demay, G., Des pierres gravées dans les sceaux du moyen âge (1877) Dreikönigenschrein 62–102 Elbern, V. H., Gemma, in: Enciclopedia dell’Arte Medievale VI 483–488 Evans, J., Magical Jewels of the Middle Ages and the Renaissance (1922, reprint 1976) Flaccomio, G., Le Gemme incise, in: Il Duomo di Monza (1989) 49–54 Forster, O. H., Kölner Kunstsammler vom Mittelalter bis zum Ende des bürgerlichen Zeitalters (1931) 13 mit Abb. 3 (Gemmensiegel)

468

XX. ANTIKE GEMMEN IM MITTELALTER

Frazer, M., Oreficerie altomedioevali, in: Il Duomo di Monza (1989) 15–48 Fuchs, S. – Werner, J., Die langobardischen Fibeln aus Italien (1950) C 24–C 26 Taf. 41 Gerra, C., „Arca ... gemmis quae compta coruscat“ in: Studi in Onore di Aristide Calderini e Roberto Paribeni III (1956) 775–798 [Gemmen am Goldaltar in S. Ambrogio, Mailand] Greenhalgh, M., The Survival of Roman Antiquities in the Middle Ages (1989), bes. 229–232 Grünhagen, W., Bemerkungen zu den Kameen in der Krone des Königs Sancho IV. von Kastilien, MM 29, 1988, 245–253 Haseloff, G., Der Abtsstab des heiligen Germalus zu Delsberg (Delémont), Germania 33, 1955, 210–235, bes. 227–235 (Teuderigus-Reliquiar) Heckscher, W. S., Relics of Pagan Antiquity in Mediaeval Settings, Journal of the Warburg Institute 1, 1937, 204–220 Henig, Corpus 1978, 284–286 M 1–M 34 Henig, M., Archbishop Hubert Walter’s Gems, Journal of the British Archaeological Association 136, 1983, 56–61 Henig, M. – Heslop, T. A., Three Thirteenth-Century Seal Matrices with Intaglio Stones in the Castle Museum, Norwich, Norfolk Archaeology, 39/3, 1986, 305–309 Henig, M. – Heslop, T. A., The Great Cameo of St. Albans, JBAA 139, 1986, 148–154 Hiebaum Jülich 1992 Holmes, Urban T., Mediaeval Gem Stones, Speculum. Journal of Mediaeval Studies 9, 1934, 195–204 (vorwiegend zu ungeschnittenen Steinen) Kornbluth, G., Carolingian Engraved Gems: „Golden Rome is reborn“?, in: Brown 1997, 44–61 Krug, Almandinkameo 2002 Krug, Armreliquiar 1998 Krug, Aulos-Kameo 1994 Krug, Egbertschrein 2000 Krug, Berlin 1995 Krug, Goldkelch 1996 Krug, in: Hildesheim 1993 Kuske, B., Die Handelsbeziehungen zwischen Köln u. Italien im späten Mittelalter. Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst 27, 1908, 393–441 (Gemmensiegel: 432–441 Taf. 2) Mango, C. – Mundell Mango, M., Cameos in Byzantium, in: Cameos in Context 1993, 56–76 Maué, H., TECTA LEGE. LEGE TECTA. Ein mittelalterlicher Siegelstempel mit antiker Gemme, Boreas 5, 1982, 172–180 Meier, Chr., Gemma spiritalis: Methode und Gebrauch der Edelsteinallegorese vom frühen Christentum bis ins 18. Jahrhundert. Teil I (1977) Melly, E., Beiträge zur Siegelkunde des Mittelalters I (1846, Nachdruck 1972) 251–265: VI Antike Steinschnitte auf österreichischen Siegeln Nelson, Ph., Some British Medieval Seal-Matrices,The Archaeological Journal, 93, 1936, 13–44, bes. 17–25 Posse, O., Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige von 751–1806 I (1909) Rademacher, R., Fränkische Goldscheibenfibeln aus dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn(1940) Ricci, St. (Hrsg.), Il sigillo nella nostra storia e cultura. Mostra, Venezia, Museo Correr 6. 7.–31. 8. 1985 (passim) Roach Smith, Ch., Medieval Seals set with Ancient Gems, Collectanea Antiqua IV (1857) 65–79; VI (1868) 200 Roman, J., Manuel de sigillographie française (1912) 267–286 chap. XII De l’emploi des intailles ou pierres gravées Roth, H., Kunst und Handwerk im frühen Mittelalter. Archäologische Zeugnisse von Childerich I. bis zu Karl dem Großen (1986)

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 835–838

469

Saint-Denis 1975, I–III (1973–1977), 1991 Schramm, P. E., Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit 751–1190, hrsg. v. F. Mütherich (1983) Sena Chiesa, „Croce di Desiderio“ 1995 Sena Chiesa, Croix de Didier 1997 Sena Chiesa, Gemme 2002 Snijder, G. A. S., Antique and Mediaeval Gems on Bookcovers at Utrecht, The Art Bulletin 14, 1932, 5–52 Soeda, A., Gods as Magical Charms: The Use of Ancient Gems in Medieval Christian West, in: Survival of the Gods 1987, 185–192 u. Nr. 59–63 Steenbock, Der kirchliche Prachteinband im frühen Mittelalter (1965) Thorndike, L., A History of Magic and Experimental Science I – VIII (1923–1958). I-II During the First Thirteen Centuries of our Era (1923, 41947) Thorndike, L., Traditional Medieval Tracts Concerning Engraved Astrological Images, in: Mélanges Auguste Pelzer. Université de Louvain, Recueil de Travaux d’Histoire et de Philologie, 3e série, 26 (1947) 217–274 Thieme, B., Filigranscheibenfibeln der Merowingerzeit aus Deutschland, Ber.RGK 59, 1978, 383–500 Wentzel 1941, 45–52 u. passim Wentzel, H., Das byzantinische Erbe der ottonischen Kaiser. Hypothesen über den Brautschatz der Theophanu. Teil 1 u. 2, Aachener Kunstblätter 40, 1971, 15–39, bes. 37–40; 43, 1972, 11–96, bes. 68–70 Wright, Th., On Antiquarian Excavations and Researches in the Middle Ages, Archaeologia. Society of Antiquaries of London, 30, 1844, 438–457 Zwierlein-Diehl, 138. BWPr (1999) Zwierlein-Diehl, AG im MA Zwierlein-Diehl, Claudius 2003 Zwierlein-Diehl, Herimannkreuz 1992 Zwierlein-Diehl, Interpretatio Christiana 1997

Abbildungen Abb. 835 Gemmensucher, Hortus Sanitatis, Neuauflage Johannes Prüß (Straßburg 1497) tract. 5, cap. 49. Dreikönigenschrein 26 Abb. 14. Abb. 836 Venus und Amor, Ringstein, Plasma mit konvexer Bildseite in antikem Goldring, Bildhöhe des Intaglio 1.39 cm, Ring-DM senkrecht außen 2,23 cm, Intaglio 1. Jh. n. Chr., Ring 3. Jh. n. Chr., Wien. AGWien I 1973 Nr. 429. Abb. 837 Mars mit gezücktem Schwert, Nicolo, 1.25 cm, 2./3. Jh. n. Chr., in fränkischer Vierpaßfibel mit Mittelscheibe, Gold mit Filigran und Glaseinlagen auf Bronzeplatte, DM 7.5 cm, 630/40–680 Jh. n. Chr., aus Kobern (Kr. Mayen-Koblenz), Bonn, RLM. Platz-Horster, Bonn 1984 Nr. 76; Ament 1991, 419; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 36, 86 Kat. 79 Farb-Abb. 10. Abb. 838 Raub der Persephone durch Hades, Karneol, 1.26 cm, 2. Jh. n. Chr., in fränkischem Goldring, Ringhöhe 2.69 cm, 2. Hälfte 6. Jh. n. Chr., aus Bislich (Kr. Wesel), fränkisches Gräberfeld Grab 98, Bonn, RLM. a) Intaglio, b) Ringprofil. Platz-Horster, Bonn 1984 Nr. 75; Ament 1991, 414 Bislich; B. Päffgen, Die Ausgrabungen in St. Severin zu Köln I (1992) 414; U. Grote, Studien zum fränkischen Gräberfeld von Wesel-Bislich (Magisterarbeit, Bonn,1997, ungedruckt) 31f.; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 36, 86 Kat. 78 Abb. 71 a.b.

470

XX. ANTIKE GEMMEN IM MITTELALTER

Abb. 839 Siegel Karls des Großen (König 768, Kaiser 800, † 814), Abdruck eines Intaglios mit Büste eines bärtigen Mannes, 2. Jh. n. Chr., in karolingischer (Metall-)Fassung, auf deren Rand Inschrift: + XP(ist)E PROTEGE CAROLUM REGE(m) FRANC(o)R(um), „Christus schütze Karl, den König der Franken“, 14. September 774 (nachweisbar 769–813), Paris, Nationalarchiv. Posse I 1909 Taf. 1,4 (hiernach die Abb.); Hiebaum Nr. 4; Kittel 1970, 207f. Abb. 125 li.; Schramm 1983, 148f. Nr. 2, 273; Kornbluth, in: Brown 1997, 47 Abb. 4; Dreikönigenschrein 74. Zum Porträttypus vgl. Würzburg I 1986 Nr. 809. Abb. 840 Siegel Karls des Großen, Abdruck eines Intaglios mit Büste des Serapis, wohl 2. Jh. n. Chr., 28. Juli 775 (nachweisbar 775 und 812), Paris, Nationalarchiv. Posse I 1909 Taf. 1,5 (hiernach die Abb.); Hiebaum Nr. 5; Schramm 1983, 149 Nr. 3, 273; Dreikönigenschrein 74. Abb. 841 Siegel Ludwigs des Deutschen (König in Baiern 826, in Ostfranken 833, †876), Abdruck eines Intaglios mit männlicher Büste (nicht Hadrian), 2. Jh. n. Chr., in karolingischer Metallfassung, auf dem Rand Inschrift: + XP(ist)E PROTEGE HLUDOICUM REGE(m), „Christus schütze König Ludwig“, 20. August 864 (nachweisbar 833–875), Stiftsarchiv St. Gallen. Posse I 1909 Taf. 2,8 (hiernach die Abb.); Hiebaum Nr. 10; E. Kittel, Siegel (1970) 207f. Abb. 125 re.; Schramm 1983, 178 Nr. 2, 322 Abb. 50; Dreikönigenschrein 74. Abb. 842 Siegel Arnulfs von Kärnten (König des Ostfränkischen Reiches 887, Kaiser 896, †899), Abdruck eines Intaglios mit Büste einer Mänade, 2. Viertel 1. Jh. v. Chr., in karolingischer (Metall)fassung, auf deren Rand Inschrift: ARNOLFUS GRATIA D(e)I REX, „Arnolfus von Gottes Gnaden König“, 20. Juni 889 (nachweisbar 887–889), Stiftsarchiv Osnabrück. Posse I 1909 Taf. 4,7 (hiernach die Abb.); Hiebaum Nr. 28; Schramm 1983, 182 Nr. 1. Zum Typus der Mänade vgl. hier Abb. 557. Zeitgenössisches Siegel mit Büste des unbärtigen Königs mit der Umschrift ARNOLFUS REX, mit Lorbeerkranz und gefibeltem Mantel), Posse I 1909 Taf. 4,8; Schramm 182 Nr. 2 Abb. 58 (nachweisbar 887–893). Abb. 843 Siegel der Ymagina von (Isenburg-)Limburg, Wachssiegel an einer Urkunde, einziger Abdruck eines Intaglios mit Muse und Apollo zu Seiten einer Apollostatuette auf Säulenbasis, letztes Drittel 1. Jh. v. Chr., auf dem Fassungsrand Umschrift + SIGILLUM YMAGINE DOMINE DE LIMPURCH, 4.8 x 6.2, Gemmenbild 3.5 x 4.5, 26. September 1266, Historisches Archiv der Stadt Köln, Domstift U 309. R. Kahsnitz, in: Staufer I (1977) Kat. 86, II (1977) Abb. 37; Klaus P. Decker, Zum Wappenwesen des Hauses Isenburg-Ysenburg, Der Herold Bd. 11, 29. Jg. 1986, Heft 11, 321–340, 324f.; Zwierlein-Diehl, AG im MA Abb. 5. Abb. 844 Siegel von Heinrich I., Vogt von Gera, Nereide mit Schild auf Seepferd, 1. Jh. n. Chr., Siegel 6.4 x 4.7 cm, Gemmenbild: 2.9 x 1,4 cm, Umschrift: S’ HENRICI ADVOCATI DE GERA, Vorkommen 1250–1269. O. Posse, Die Siegel des Adels der Wettiner Lande bis zum Jahre 1500 I (1903) 43 Taf. 29,1 (hiernach die Abb.). Abb. 845 Siegel des Heinrich von Suderlant, Kanonikus von St. Patroklus in Soest, 1354, Abdruck eines Intaglios mit Leda und dem Schwan, Bild 2.9 x 2.4 cm, spätes 1. Jh. v. / frühes 1. Jh. n. Chr., Umschrift: Sigillum Henrici de Suderlant. St. A. Münster, St. Patroklus in Soest.

ABBILDUNGEN 839–849

471

F. Philippi, Siegel (1914) Nr. 52 Taf. 6 (hiernach die Abb.); Hiebaum Nr. 84. Vgl. Siegel des Andreas, Archidiakon von Soissons, mit dem gleichen Motiv: Dreikönigenschrein 99f. Abb. 58a. Abb. 846 Rücksiegel von Johann Muysgin, Schöffe zu Köln, 9.August 1476, Abdruck eines Intaglios mit Apollonbüste, spätes 1. Jh. v. / frühes 1. Jh. n. Chr., Köln, Stadtarchiv Urk. 13366. B. Kuske, Die Handelsbeziehungen zwischen Köln und Italien im späten Mittelalter, Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst 27, 1908, 431–441, 440 Nr. 18 Taf. 2 (hiernach die Abb.); Hiebaum Nr. 316. Vgl. O. H. Forster, Kölner Kunstsammler vom Mittelalter bis zum Ende des Bürgerlichen Zeitalters (1931) 13 Abb. 3 (Hinweise P. Noelke). Zu Motiv und Stil: Sard in Florenz, Vollenweider, Steinschneidekunst 55 Taf. 54,1; Richter EG II Nr. 82, während dort das Nackenhaar lose herabhängt, ist es hier zum Knoten geschlungen. Abb. 847 Ring des Bischofs Arnulf von Metz, Fisch in einer Reuse flankiert von zwei Fischen, Karneol-Onyx, Ringstein in Goldring, DM 1.1 cm, 1. Jh. n. Chr., Metz. Kathedrale. Babelon, Histoire 1902, 7 (Datierung: merowingisch); F. J. Dölger, ΙΧΘΥΣ V (1943) 266–272 Taf. 302,5.8–12 (Datierung: Ende 4. / Anfang 5. Jh. n.Chr.); K. Hauck, Die Ausbreitung des Glaubens in Sachsen und die Verteidigung der römischen Kirche als konkurrierende Herrscheraufgaben Karls des Großen, Frühmittelalterliche Studien 4, 1970, 138–172, 147f., 152–160 Farb-Abb. nach S. 144, 157 Abb. 1 (Zeichnungen von T. Richters, Münster, hiernach die Abb., Datierung: spätantik). Vgl. zu Motiv, Form, Stil: runder Karneol aus Pompeji, Pannuti I 1983 Nr. 289 (frühes 1.Jh. n. Chr.). Zur Salomon-Legende: Künzig, J., Der im Fischbauch wiedergefundene Ring in Sage, Legende, Märchen und Lied, in: J. Künzig, Kleine volkskundliche Beiträge aus fünf Jahrzehnten (1972, Originalpubl. 1934) 63–81 (65–68, 69f.). Zur christlichen Fischsymbolik: J. Engemann, RAC VII 959–1097 bes. 1021–1038, 1084– 1095 s. v. Fisch, Fischer, Fischfang (zum Märchenmotiv des Kleinods im Fischbauch dort 1010 u. 1040); s. auch o. S. 9f. Abb. 848 Schlangenbeiniger mit Hahnenkopf, Inschrift ΑΒΡΑΞΑC, im Abdruck linksläufig, d. h. am Original seitenrichtig, 1.6 cm, Sekretsiegel der Margarete von Flandern, 1285, Abdruck eines Intaglios des 2.–3. Jh. n. Chr. Demay 1877 Nr. 336 Taf. 5 (hiernach die Abb.); Hiebaum Nr. 226. Die Schreibung Abraxas statt Abrasax kommt, wenn auch selten, vor: Michel, BM 2001 zu Nr. 202; ebenso die Vertauschung der Attribute: Michel, BM 2001 zu Nr. 209–212. Weitere Gemmen mit dem Schlangenbeinigen in mittelalterlichen Siegeln: Demay 1877 Nr. 337 (Rücksiegel von LudwigVII., König von Frankreich, 1174 = Hiebaum Nr. 43), Nr. 338 (Rücksiegel von Rotrou, Erzbischofs von Rouen, 1168–1184), Nr. 339 (Siegel von Marie, dame de la Ferté, 12. Jh.), Nr. 340 (Rücksiegel des Templerordens 1214 und 1235); Hiebaum Nr. 75 (Konrad II., Bischof von Hildesheim, 1235); Krug, in: Hildesheim 1993, 166 Abb. 50 (Intaglio in Ring des 7.–8. Jh.s, Paris, Louvre); Gesztelyi – Rácz Kat. 89 (Schlangenbeiniger mit Menschenkopf, Michael Gemmifisor, Kolozsvárer Bürger, 1513). Abb. 849 Schlangenbeiniger mit Hahnenkopf, Hämatit, 2.3 cm, 3. Jh. n. Chr., in mittelalterlichem Goldring, aus dem Grab eines Bischofs, Chichester, Cathedral Treasury. a) Bild, b) Zeichnung E. Waterton, On Episcopal Rings, Archaeological Journal 20, 1863, 235 Abb. 6 (Zuschreibung an Bischof Seffrid, 1125–1151); King, Antique Gems 1872, 386 Abb; King, Handbook 1885, 222 Taf. 36,3 (Ring Seffrids, der Intaglio wahrscheinlich zeitgenössisch); King, Gnostics 1887, 328 Abb. 14, 434 (hiernach Abb. b); G. F. Kunz, Rings for the Finger (1917), 272 Abb. 1 (nach Waterton); Henig, Corpus 1978, 285 Nr. M 19 (Set in a gold ring of fourteenth century type ... perhaps a medieval copy ...); Nach Rachel Moriarty, Führungsblatt (2000) vielleicht aus dem Grab von Seffrid II. (1180–1204); Zwierlein-Diehl, AG im MA

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XX. ANTIKE GEMMEN IM MITTELALTER

Abb. 14. ZumTypus: Philipp 1986 Nr. 168; AGWien III 1991 Nr. 2235. Für Photographie und Informationen danke ich Michael Moriarty, Cathedral Sub-Treasurer, Chichester. Abb. 850 Idolatria, einen Kameo anbetend, Paris, Notre Dame, Hauptportal, Nordseite, ca. 1210. Dreikönigenschrein 70 Abb. 33. Abb. 851 Teuderigus-Reliquiar, L 18.5 cm, spätes 7. Jh. (Roth), laut Inschrift auf der Rückseite von Presbyter Teuderigus zu Ehren des Hl. Mauritius gestiftet, Abtei St. Maurice d’Agaune (Kt. Wallis, Schweiz). G. Haseloff, Germania 33, 1955, 227–235; Roth 1986, 261 Taf. 1. Der Mittelkameo: Wentzel 1962, 310, 315 Abb. 15; G. Snijder 1932, 41 Abb. 30, 36–51, passim; Snijder, Germania 17, 1933, 118 Taf. 14, Abb. 1; Krug, Armreliquiar 1998, 108 Abb. 11; Sena Chiesa 1997, 112; Sena Chiesa, Gemme 2002, 58, 62f. Abb. 5 (E. Poletti Ecclesia). Abb. 852 Die „Coupe de Ptolémée“ (s. o. Abb. 233 a, b) in der verlorenen mittelalterlichen Fassung, Kupferstich. Nach: M. Félibien, Histoire de l’Abbaye Royale de Saint-Denys en France (1706) Taf. VI p. 545, a) linke, b) rechte Hälfte der Tafel. Babelon 1897, 206; V. H. Elbern, Die Goldschmiedekunst im frühen Mittelalter (1988) 86; Saint-Denis III 54–56 Taf. 36; Hildesheim 1993 II 291–293 V 31 (D. Gaborit-Chopin). Die Patene: E. Bielefeld, Eine Patene aus dem französischen Krönungsschatz, Gymnasium 79, 1972, 395–445; Saint-Denis I–III (1973– 1977) Nr. 69 Taf. 39–40; Hildesheim 1993 II 292f. V 32 (D. Gaborit-Chopin). Zur Inschrift: Der untere Teil des Fußes war durch edelsteinbesetzte Goldbänder in vier Felder geteilt, wobei nach Félibien 1706 Taf. IVF (Abb. 854) und Tristan de Saint-Amant, Commentaires (1644) II 602 (Saint-Denis III 1977 Taf. 38) ein Band je in der Mitte der Vorder- und Rückseite, die beiden anderen unter den Henkeln saßen. Félibien Taf. VI zeigt den unteren Teil des Fußes verdreht, das Feld zwischen den Edelsteinbändern zur Aufnahme der Inschrift verbreitert. Die Darstellung gibt folglich keinen Aufschluß über die Verteilung der Inschrift auf dem Fuß. Félibien hat folgenden Text HOC VAS XPE TIBI / MENTE DICAVIT TERTIUS IN FRANCOS / REGMINE KARLUS B. de Montesquious-Fezensac und D. Gaborit-Chopin nehmen an, daß der ursprüngliche konische Fuß aus dem 8. oder 9. Jahrhundert im 12. oder 13. Jahrhundert, vielleicht durch Suger, verstärkt wurde; daß die vier Edelsteinbänder, die abgeflachte Basis und die Inschrift damals zugefügt wurden. Die Inschrift halten sie für vollständig (Saint-Denis III 1977, 54–56 Nr. 69; Saint Denis 1991, 86f.). E.Q. Visconti, Il Museo Pio Clementino V (1807) 71 Anm. 1 (zustimmend: Babelon 1897, 205) hat folgende Ergänzung vorgeschlagen: Hoc vas, Christe, tibi [devota] mente dicavit tertius in Francos [sublimis] regmine Karlus E. Panofsky (Suger 1979, 217f.) stimmt dem Ergänzungsvorschlag zu, wobei er die Verse Suger zuschreibt. V. Elbern, Der eucharistische Kelch im frühen Mittelalter (1964) 10, hält die Inschrift für karolingisch und merkt an, daß qualifizierende Bestimmungen zu mente und regmine fehlen; er vermutet, daß die fehlenden Worte bei einer Restaurierung unter Suger verdeckt wurden. O. Zwierlein bemerkt Folgendes: Es handelt sich bei der von Félibien wiedergegebenen Inschrift zweifelsfrei um zwei Hexameter, die jeweils zwischen Hauptzäsur (Penthemimeres) und fünftem Versfuß (vor der bukolischen Diärese) Textausfall erlitten haben. In ihnen wird der unter karolingischen Dichtern hochgeschätzte Eugenius, Erzbischof von Toledo (†657), zitiert, der auf Ersuchen des Königs Chindasvinth eine überarbeitete Fassung des ersten Buches der Laudes Dei und der Satisfactio des Dracontius vorgelegt hat (das Hexaemeron), darüber

ABBILDUNGEN 850–856

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hinaus monostichische Zusammenfassungen zu den sechs Schöpfungstagen und unmittelbar anschließend eine ebenfalls hexametrische Abhandlung über den 7. Schöpfungstag, die er mit den beiden folgenden Widmungszeilen abschließt (Text nach Vollmer in den Mon. Germ. Hist., auct. ant. XIV, 69): Haec tibi, rex summe, iussu conpulsus herili, Servulus Eugenius devota mente dicavi. Man sieht unmittelbar, daß hier die Musterverse für die Kelch-Inschrift vorliegen (Die Ergänzung von Visconti scheint plausibel): Hoc vas, Christe, tibi, [devota] mente dicavit Tertius in Francos [sublimis] regmine Karlus. Die beiden Dedikationsverse des Eugenius hatte bereits im 8. Jh. Wigbod(us) (LThK 10, 2001, 1165) beinahe wörtlich an den Schluß seines Widmungsgedichtes an Karl den Großen gesetzt, das er seinem im Auftrage Karls verfassten Kommentar zum Octateuch beigegeben hat (Patrologia Latina 96, 1104 D; zuletzt L. Munzi, Compilazione e riuso in età carolingia. Il prologo poetico di Wigbodus, Romanobarbarica 12, 1992, 189–210, dort 202): Haec tibi, rex summe, iussu compulsus herili Servulus, ut potui, devota mente dicavi. Die heute verstümmelt überlieferte Versinschrift auf dem Fuß der „Coupe de Ptolémée“ geht also mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Karolingerzeit zurück. Im Vergleich zu ihr sind die Verse Sugers – sofern ihm nicht schwierige Eigennamen den Weg verstellten – schmuckvoller, suchen allermeist durch leoninischen Reim oder durch Wortassonanz zu bestechen. Abb. 853 Der Dreikönigenschrein, Ausschnitt aus dem Pilgerblatt des Petrus Schonemann mit dem Reliquienschatz des Kölner Domes von 1671. Auf der Trapezplatte noch die zwei stehenden und zwei knienden mittelalterlichen Engelfiguren, welche die Großgemmen halten. Der Ptolemäerkameo war schon verloren, die Bilder der seitlichen Gemmen sind nicht angedeutet. Zur Interpretatio Christiana: Dreikönigenschrein 87–102. Abb. 854 „Escrain de Charles Magne“ mit dem von Saphiren und Perlen umgebenen Aquamarin des Euodos (Abb. 484) als Bekrönung, 9. Jh. M. Félibien, Histoire de l’Abbaye Royale de Saint-Denys en France (1706) Taf. IV C p.542 (hiernach die Abb., Ausschnitt). Aquarell von Etienne-Eloi de Labarre, Paris 1794: Saint-Denis I–III (1973–1977) I u. II Nr. 4, III 25–27; Saint-Denis 1991, 92–99 Nr. 13, 93 Abb. 3; Hildesheim 1993 II 295–297 V 33 (D. Gaborit-Chopin). Abb. 855 Herimannkreuz, von Bischof Herimann und seiner Schwester Ida (1036 oder 1049) gestiftet, mit Lapislazuliköpfchen der Livilla (ca. 4/5–14 n. Chr.), Kolumba – Diözesanmuseum, Köln. Jülich 1986/87, 192; Jülich 1992, 62 Abb. 35; Dreikönigenschrein, 71–73 Abb. 34; U. Surmann, Das Kreuz Herimanns und Idas. Kolumba 4 (1999); Krone und Schleier 169f. Nr. 3 (U. Surmann); Zwierlein-Diehl, AG im MA Abb. 15. Das Lapislazuliköpfchen hier Abb. 628. Abb. 856 Goldenes Davidsbild, Statuette Ende 13. Jh./Anfang 14. Jh., Medusa-Kameo letztes Drittel 1. Jh.v. n. Chr., Löwen-Kameo frühes 13. Jh., Basel, Historisches Museum, Münsterschatz Inv. 1882.80a. R. F. Burckhardt, Der Basler Münsterschatz. Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt II (1933) 165ff. Nr. 19; J. Deér, Die Basler Löwenkamee und der süditalienische Gemmenschnitt des 12. und 13. Jahrhunderts: ein Beitrag zur Geschichte der Protorenaissance, Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und

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XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE

Kunstgeschichte 14, 1953, 129 Taf. 44,1; Kahsnitz, in: Staufer I (1977) 682 zu Nr. 867; H. C. Ackermann, Das goldene Davidsbild. Basler Kostbarkeiten 2 (1981); Dreikönigenschrein 1999, 72f. Abb. 35; B. Meles (Red.), Der Basler Münsterschatz, Ausst. New York Metr. Mus. – Basel, Hist. Mus. – München, Bayer. Nationalmus. 2001–2002 37–42 Nr. 8 (D. Eggenberger); Zwierlein-Diehl, AG im MA Abb. 16. Abb. 857 Medusa, Kameo, Sardonyx, 3.85 cm, Anfang 1. Jh. n. Chr., Dreikönigenschrein, Köln, Dom. Dreikönigenschrein 1999, 98, 130–133 Nr. 12. Köln als Zentrum des Hartsteinschliffs: Hahnloser – BruggerKoch 25. Abb. 858 Lotharkreuz, rheinisch, um 980, Stiftung Ottos II. (967–983), so Elbern, Jülich; Stiftung Ottos III. (983– 1002) nach anderen. Aachen, Domschatz. Deér 1955, 55, 70–72, 109–110Taf. 1 u. 2,2; E. G. Grimme, Der Aachener Domschatz, Aachener Kunstblätter 42, 1972, 24–28 Nr. 22 Taf. II, 15; Th. Jülich, Aachener Kunstblätter 54/55, 1986/87, 159–168, 197, 199f., 201–204 Taf. IV; V. H. Elbern, Die Goldschmiedekunst im frühen Mittelalter (1988) 111f.; U. Hausmann, RM 97, 1990, 383–393, 388–393 Taf. 114, 2; 115, 2; H. Fillitz, in: Hildesheim 1993, 176f. Abb. 63; N. Wibiral, Aachener Kunstblätter 60, 1994, 105–130; Dreikönigenschrein 75f. Abb. 38. Der Augustuskameo: Abb. 608, Der Lothar-Intaglio: Abb. 897. Abb. 859 Jupiter mit Szepter, Blitz und Adler, Sardonyx, 15.2 cm, (ca. 2. Viertel) 1. Jh. n. Chr., Paris, Cdm. Babelon 1897 Nr. 1; Evans 1922, 128; W. S. Heckscher, Journal of the Warburg Institute 1, 1937, 215f.; Megow 1987, A 87 Taf. 27,4.5; 28,1; Dreikönigenschrein 76–79 Abb. 42; Cdm II 2003 Nr. 83. Abb. 860 Armreliquiar, Stiftung von René I. von Anjou und seiner Frau Jeanne de Laval für die Kirche von SaintNicolas-de-Port bei Nancy, 1471. Lithographie: Lucien Quintard del., Lith. L. Christophe, Nancy. Nach Bretagne, Mém. del la soc. d’Archéologie Lorraine 1873, nach 351 Taf. 1 u. 2 a) Sockel, Vorderseite, Rekonstruktion des Zustandes bis Anfang 18. Jh., mit dem Venus-Kameo, b) Sockel, Rückseite. [Alexandre Marie Auguste] Bretagne – [François-Dominique de] Mory d’Elvange Le reliquaire de SaintNicolas-de-Port, Mémoires de la société d’archéologie lorraine et du musée historique lorrain, troisième série, Ier volume, 1873 (Nancy) 330–367; Babelon 1897 Nr. 42; H. Wentzel, JbPreußKunstslg. 64, 1943, 1 Abb. 1, 11f. Abb. 21. Dreikönigenschrein 1999, 77–83; Zwierlein-Diehl, Claudius 2003. Erhaltene Kameen: Staufer I Kat. 890; Megow 1987 A 99 Taf. 35,3; hier Abb. 637, 647.

XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE A. SAMMLER UND KENNER Literatur Alcouffe, D., Gemmes anciennes dans les collections de Charles V et ses frères, Bulletin monumental 131, 1973, 41–46 Berghaus, P., Der Archäologe. Graphische Bildnisse aus dem Porträtarchiv Diepenbroick. Ausst. Münster – Hannover – Berlin 1984 (1983)

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 857–860

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Daktyliotheken

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XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE

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Abbildungen Abb. 861 Herrmann tom Ring, Erythräische Sibylle, Gemälde auf Holz, 76 x 52 cm, um 1572/3. Bayerische Staatsgemäldesammlung Inv. Nr. 4644, als Leihgabe in Münster, Dommuseum. K. Hölker, Die Malerfamilie tom Ring (1927) 41–43 Taf. 17 Abb. 23. A. Lorenz (Hrsg.), Die Maler tom Ring. Ausst. Westfälisches Landesmuseum Münster, 1. 9.–10. 11. 1996 I 77–87 (A. Smits), II 280f. Nr. 23. Zum Text der Weissagung: C. de Clerq, Quelques séries italiennes de Sibylles, Bulletin de l’Institut Historique Belge de Rome 48/49, 1978/79, 105–127, bes. 111, 117. Abb. 862 „Il Calcedonio“, Diomedes, das Palladion raubend, Chalcedon, Bild 4.5 cm, um 30 v. Chr., verschollen, einst Slg. Niccolò Niccoli, Paul II., Lorenzo Medici. Nach Cades, Bonn cl. 8, 69 (Kasten II 15). Simon – Wester, JbBerlMus 7, 1965, 18 Abb. 3, 27f., 34f.; Tesoro di Lorenzo 1973, 5, 57 Nr. 26 Taf. 19, 85f.,104, 122, 125 Documenti 1–3, 6, 11, 12 (A. Pannuti), 134f., 146, 150, 160 scheda 9 (N. Dacos); Würzburg I 1986, 24 Abb. 9, 41 Anm. 124; Moret, Palladion 1997, 151–153 Nr. 231 Taf. 47. Das Ghiberti-Zitat: Klaus Bergdolt, Der dritte Kommentar Lorenzo Ghibertis: Naturwissenschaften und Medizin in der Kunsttheorie der Frührenaissance (Einleitung, Kommentierung und Übersetzung) (Weinheim 1988) LXXI–LXXIII, 32–36 (die Übersetzung leicht verändert). Kopien und Umbildungen: B. H Polak, A Leonardo Drawing and the Medici Diomedes Gem, Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 14, 1951, 303f.; N. Dacos, a. O.; Simon – Wester a.O.; F. Zöllner, Policretior manu – zum Polykletbild der frühen Neuzeit, in: Polyklet 1990. 450–472, 460, 464f. Zu Niccolò Niccoli: E Müntz, Precursori e Propugnatori del Rinascimento (1902) 76–84. Abb. 863 Diomedes, das Palladion raubend, Karneol, Signatur ΠΟΛΥΚΛΕΙΤΟΥ, Bild 1.45 x 1.15 cm, 2. Viertel 1. Jh. v. Chr. Einst im Besitz von Andreini, Florenz, vor 1724 gestohlen und verschollen Nach Abguß der Glaspaste Stosch, Reinhardt – Stosch cl. 3, 321.

ABBILDUNGEN 861–869

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Stosch 1724 Taf. 54; A. F. Gori, Monumentum sive Columbarium libertorum et servorum Liviae Augustae et Caesarum (Florenz 1727) 155; Würzburg I 1986, 24f. Abb. 8; Moret, Palladion 1997, 13–18 Nr. 8 Taf. 3, 69, 70 (Attalos I. als Diomedes, Ende 3. Jh. v. Chr.). Abb. 864 Relief-Kopie des „Calcedonio“, Marmortondo im Hof des Palazzo Medici in Florenz, erbaut 1444–1464. Simon – Wester, JbBerlMus 7, 1965, 18 Abb. 2 (hiernach die Abb.); E. Simon, Das humanistische Programm der Tondi im Hof des Palazzo Medici zu Florenz, in: E. Simon, Schriften zur Kunstgeschichte (2003) 67–119, 278–282 zu Taf. 6–16. Abb. 865 Narcissus, Intaglio, Karneol, spätes 1. Jh. v. Chr., Florenz. Nach Abguß der Glaspaste Stosch. Gori II (1732) Taf. 36,2 = Reinach Taf. 56; Winckelmann, Description cl. 3,124 und Reinhardt – Stosch cl. 3, 124 (Glaspaste Stosch FG 9865); Tassie – Raspe Nr. 8839; Furtwängler, AG Taf. 42,14; Lippold Taf. 49,1; LIMC Nr. 59. Narcissus-Gemmen: LIMC VI Narkissos Nr. 56–60 (58 = Cdm II 2003 Nr. 215). Abb. 866 Ursinus, Imagines illustrium, Titeblatt der Ausgabe von 1598, der Kupferstich: 16 x 12 cm. In ovalem Rahmen: ILLUSTRIUM IMAGINES EX ANTIQUIS MARMORIBUS NUMISMATIB. ET GEMMIS EXPRESSAE QUAE EXSTANT ROMAE MAIOR PARS APUD FULVIUM URSINUM. In der Kartusche darunter: Theodorus Gallaeus delineabat Romae ex Archetypis incidebat Antverpiae MDXCIIX. Am Fuß der Seite: ANTVERPIAE EX OFFICINA PLANTINIANA Sumptibus Theodori Gallaei. Links schüttet eine Frau im Diadem (Fortuna) Münzen aus einem Füllhorn, darunter: COPIAE CORNU. Rechts ein bärtiger Mann mit Krückstock (Chronos), darunter: FELIX ANTIQUITAS; er weist auf ein aufgeschlagenes, von einem Lorbeerkranz umgebenes Buch mit dem Text: VITA MEMORIAE HISTORIA. Das Motto ist Cicero, de orat. 2,36 entnommen: historia vero testis temporum, lux veritatis, vita memoriae, magistra vitae, nuntia vetustatis, qua voce alia nisi oratoris immortalitati commendatur? „Und die Geschichte vollends, die vom Gang der Zeiten Zeugnis gibt, das Licht der Wahrheit, die lebendige Erinnerung, Lehrmeisterin des Lebens, Künderin alter Zeiten, durch welche Stimmen, wenn nicht die des Redners, gelangt sie zur Unsterblichkeit?“(H. Merklin, Marcus Tullius Cicero, De oratore. Über den Redner. Lateinisch und Deutsch [1976] 228f.). Gemmen aus der Sammlung Orsini: s. Index B. Inventar der Sammlung Orsini: Nolhac 1884. Abb. 867 „Alexander Magnus“, Thesaurus ex Thesauro Palatino selectus, sive Gemmarum et Numismatum quae in Electorali Cimeliarchio continentur elegantiorum aere expressa, et convenienti Commentario illustrata Dispositio authore L. Begero Serenissimi Electoris Palatini Antiquario et Bibliothecario (Heidelberg 1685) 55 Taf. 1. Intaglio, Sardonyx, jetzt in St. Petersburg, Ptolemaios III. (246–221 v. Chr.)?, 3.5 cm. Furtwängler, AG Taf. 32,26 (Antiochos II); Richter, EG I 1968 Nr. 619 (Ptolemaios II.); Fleischer, Seleukiden 1991, 98 (nicht Antiochos II.); Kagan – Neverov, Catherine II. 72 Nr. 23/4 (Ptolemaios III.). Vgl. Silbertetradrachmon des Ptolemaios III.: Kyrieleis, Ptolemäer Taf. 16,4. Abb. 868 Büste des Sarapis, Intaglio in Goldring des 17.(?) Jh.s., vgl. Abb. 294. L. Beger, Thesaurus Brandenburgicus Selectus: sive Gemmarum et Numismatum Graecorum in Cimeliarchio Electorali Brandenburgico, Elegantiorum Series, Commentario Illustratae I (1696) 152. Abb. 869 Das Antikenkabinett der Kurfürsten von Brandenburg im Berliner Schloß, um 1696, Stich von S. Blesendorf. Nach Beger, Thesaurus Brandenburgicus Selectus I. AGD II 1969 Taf. III; Heres 1977, 99 Abb. 2; Heres 1981, 188.

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XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE

Abb. 870 Abrahami Gorlaei Antverpiani Dactyliotheca seu Annulorum sigillarium quorum apud Priscos tam Graecos quam Romanos usus (21609) Nr. 23 u. 24. Die beiden Gemmen waren vermutlich antik: Eine Venus victrix (der Helm in der Rechten als Doppelschlange mißverstanden) und eine richtig erkannte Spes. Zu Autor und Buch: Zazoff, SF 1983, 30–32; Berghaus 1983, 148 Nr. 15; P. Berghaus, Zu den graphischen Porträts Abraham van Goorles, munt-en penningkundig nieuws 13/5, 1989, 157–160; Maaskant-Kleibrink 1997. Abb. 871 Porträt des Paulus II. Praun, Stich von Johann Nußbiegel nach einem Miniaturbildnis von Lorenz Strauch 1598. Christoph Théophile de Murr, Description du Cabinet de Monsieur Paul de Praun à Nuremberg (Nürnberg 1797) Frontispiz. K. Achilles Syndram (Bearb.), Die Kunstsammlung des Paulus Praun (1994) 189 Nr. II 64 Abb. 23; 467 Abb. 84. Zur Gemmensammlung: Zwierlein-Diehl, Praun I u. II. Prauns Adelstitel bei Murr ist eine Rückprojektion, er wurde erst im 18. Jh. verliehen. Abb. 872 Vier gestaffelte Köpfe, Karneol, B 1.83 cm, 16. Jh., einst Slg.Praun, verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 917; Zwierlein-Diehl, Praun I 379f. Nr. 214; II Abb. 76. Gemmen ex Praun s. Index B. Abb. 873 Siegelring des Erasmus von Rotterdam, bärtige Herme, Karneol, 1.8 cm, letztes Drittel 1. Jh. v. Chr., in Goldring. Basel, Historisches Museum 1893.365. a) Abguß, b) Original E. Landolt – F. Ackermann, Das Amerbach-Kabinett. Die Objekte im Historischen Museum Basel (1991) 37 Nr. 15; R. Fellmann Brogli, Die Gemmensammlung im Münzkabinett des Historischen Museums Basel – Entstehung, Zusammensetzung und ausgewählte Beispiele, Jahresberichte Hist. Museum Basel, 1986–1990 (1992) 77–84, 79 Abb. 1–3. Abb. 874 Münz- und Gemmenkasten des Basilius Amerbach, H 45.7 x B 73.3 xT 55.8 cm, um 1578, Basel, Historisches Museum 1908.16. E. Landolt – F. Ackermann, Das Amerbach-Kabinett. Die Objekte im Historischen Museum Basel (1991) 84–88 Nr. 66; F. Ackermann, SchwMübl 42, 1992, 47–56. Abb. 875 Philipp von Stosch, Porträt, Intaglio, signiert von Girolamo Rossi: ΡΟΣΙΟΣ, 1.50 cm, um 1730, verschollen. Nach Glaspaste in Würzburg. Würzburg I 1986 Nr. 944. Vgl. J. Kagan, Philipp von Stosch in Porträts auf geschnittenen Steinen aus den Sammlungen der Leningrader Ermitage und der Berliner Museen, FuB 25, 1985, 9–15. Zu Leben und Werk: J. Chr. Strodtmann, Geschichte des Freyherrn Philipp von Stosch, Königlich Großbritannischen Ministers und Königl. Polnischen Raths zu Florenz, in: Des neuen gelehrten Europa 5. Teil (1754) 1–54 (offenbar unter Benutzung autobiographischer Aufzeichnungen); C. Justi, Winckelmann und seine Zeitgenossen II (31923) 263–275 und passim; A. Schulz, Winckelmann und seine Welt. Winckelmann-Gesellschaft Stendal, Jahresgabe 1961, 73–81; Heringa 1979; L. Lewis, Connoisseurs and Secret Agents in Eighteenth Century Rome (1961); Zazoff, SF 1983 (Karikaturen und eine Porträtzeichnung von Ghezzi dort 9–18 Taf. 2; 3; 5). Abb. 876 J. J. Winckelmann, Ölgemälde, signiert gegen links unten: „Antonius Maron fecit Romae 1768“, Weimar, Schloßmuseum. AGD II 1969 9f., 17 Anm. 10 Taf. IV; C. Tutsch, „Man muß mit ihnen wie mit einem Freund, bekannt geworden seyn ...“. Zum Bildnis Johann Joachim Winckelmanns von Anton Maron (1995).

ABBILDUNGEN 870–883

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Abb. 877 Öleingießer des Gnaios, Stich signiert: „Marc Tuscher del. J. A. Sweicart scul. Florentiae“, Unterschrift: „ATHLETA CNEII OPUS. In Hyazintho Incisum. Ex Dactyliothea Stoschiana“. Winckelmann, Description zu 455 cl. 5, 9. Winckelmann gibt die ältere irrige Lesung von Venuti: ΓΗΛΙΟΥ, er führt die Gemme als Parallele zu einer gelben Glasgemme der Slg. Stosch an, die nach seiner Meinung ebenfalls einen Athleten, in Wirklichkeit Venus in gleicher Haltung wiedergibt: FG 1554; Platz-Horster, JWAG 51, 1993, 16 Abb. 7. Abb. 878 George fourth Duke of Marlborough und seine Familie, Gemälde von Joshua Reynolds, 318 x 289 cm, 1778, Red Drawing-Room, Blenheim. a) Gesamtbild, b) Detail: die linke Hand des Herzogs mit dem Divus-Augustus-Kameo Zwierlein-Diehl, Divus Augustus 1980, 16 Taf. 4,8.9; 14,7; N. Penny (Hrsg.) Reynolds. Ausst. Royal Academy of Arts, London 1986, 279–281 Nr. 108 Taf. 137. Abb. 879 Mitglieder der Society of Dilettanti, Gemälde von Joshua Reynolds, 196.8 x 142.2 cm, 1779, gemalt für die Society, als Leihgabe im Brook’s Club. Von links nach rechts: Lord Mulgrave, Thomas Dundas (später Lord Dundas) mit Gemmenring, Earl of Seaforth mit Gemmenring, Charles Greville, Charles Crowle, der Sekretär der Society, Joseph (später Sir Joseph) Banks mit Gemmenring. N. Penny (Hrsg.), Reynolds. Ausst. Royal Academy of Arts, London 1986, 281–283 Nr. 110 Taf. 139; das Pendant, Nr. 109, zeigt Sir William Hamilton und sechs weitere Mitglieder des Society mit einem Band von W. Hamilton – J. H. W. Tischbein, Collection of engravings from ancient Vases I–IV (1791–1795). Abb. 880 Joseph Angelo de France, Zeichnung und Kupferstich von Salomon Kleiner und Johann Gottfried Haid nach einem Gemälde von Martin de Meytens, 1755. Die Photographie verdanke ich P. Berghaus, Münster. P. Berghaus, Joseph Angelo de France (1691–1761). Bankier, Diplomat, Sammler, Galeriedirektor, Lebemann, Berliner Numismatische Forschungen 4, 1990, 95–99; A. Bernhard-Walcher, Zeitschrift für Kunstgeschichte 2, 1996, 172 Abb. 14; Klesse 2001, 82 Abb. 25. Abb. 881 Hermes des Dioskurides, Artemis des Apollonios, Männerporträt des Mikon (sc. Mykon), Stich bei Jacob Spon, Miscellanea eruditae antiquitatis (Lyon 1685) 122 Hermes und Artemis zuerst beschrieben von: Ludovicus Demontosius, Gallus Romae hospes (1585) 17, wiederholt bei J. Gronovius, Thesaurus Graecarum Antiquitatum IX (1735) unter dem Titel „Ludovici Demontosiis De sculptura, caelatura, gemmarum sculptura et pictura antiquarum commentarius lib. II“ Sp. 790f.; Würzburg I 1986 zu Nr. 143 und 145 Taf. 169 Abb. 22. Zum Sard des Mikon oder Mykon: ZwierleinDiehl, Künstlerinschriften 324 Anm. 24. Abb. 882 „Hylas“, Apollo-Büste des Hyllos, einst im Besitz des Lorenzo Medici, dann des Fulvio Orsini, Gallaeus, Imagines (1598) Taf. 75. Karneol, jetzt in St. Petersburg, s.o. Abb. 474. Faber, Commentarius 1606, 47 Taf. 75 (Hylas. Apud Fulvium Ursinum in Gemma. Die nicht antike Besitzerinschrift des Lorenzo wurde vermutlich absichtlich weder erwähnt noch gezeichnet), vgl. Nolhac 1884, 154 Nr. 24; Kätzlmeier-Frank Nr. 78 (irrtümlich „moderne Gemme“). Abb. 883 „Solon“, Ciceroporträt des Solon, Karneol, einst im Besitz des Fulvio Orsini, verschollen. Gallaeus, Imagines (1598) Taf. 135. Zazoff, SF 1983, 22 Abb. 7b; Würzburg I 1986 zu Nr. 154 Taf. 173 Abb. 41; AGWien III 1991, 271/2 zu

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XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE

Nr. 2615; Zwierlein-Diehl, Antikisierende Gemmen 375 Abb. 3; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 322 Abb. 3; Kätzlmeier-Frank Nr. 138 („Abb. 135“ bezieht sich auf Gallaeus, „Wien“ vermutlich auf die Kopie hier Abb. 942). Abb. 884 Signierte Gemmen des Solon und Dioskurides. Baudelot de Dairval, Lettre sur le prétendu Solon des pierres gravées. Explication d’une médaille d’ or de la famille Cornuficia (Paris 1717) Taf. (II–XI). Zazoff, HdArch 1983. 8f. Abb. 8 u. 9; Zazoff, SF 1983, 19f. Abb. 5 u. 6, 33; Würzburg I 1986, 24, zu Nr. 153 u. 154 Taf. 172 Abb. 39; Zwierlein-Diehl, Künstlerinschriften 324, 343 Abb. 14. Die „Lettre“ ist an den Duc d’ Orleans gerichtet und im April 1712 unterzeichnet. Abb. 885 Leierspielende Muse, signiert von Onesas, Glasgemme. Florenz, Stosch 1724 Taf. 45. Vgl. Abb. 283. A. F. Gori, Monumentum sive Columbarium libertorum et servorum Liviae Augustae et Caesarum Romae detectum in Via Appia, anno MDCCXXVI (Florenz 1727) 154f.; Würzburg I 1986, 25/2. Abb. 886 Daktyliotheken des Akademischen Kunstmuseums. Antikensammlung der Universität Bonn. Von links. Impronte gemmarie dell’ Instituto di Corrispondenza Archeologica Band III–VI, aufgeschlagen: Löhrische Daktyliothek Band II, darunter: Cades, Gemme antiche con i nomi degli incisori. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 67 Abb. 122. Abb. 887 Philipp Daniel Lippert (1702–1785) im Alter von 65 Jahren, Stich von [Christian Gottlob] Geyser nach einem Gemälde von Anton Graff, 1767 (Weimar, Schloßmuseum G 369). Neue Bibliothek der schönenWissenschaften und der freyenKünste 14. Band, 1.Stück (Leipzig 1776) Frontispiz (14.2 x 8.8 cm) (hiernach die Abb.); Würzburg I 1986, 15 Abb. 4; Kockel – Graepler, Daktyliotheken (2006) 61 Abb. 1 (Chr. Kerschner). Abb. 888 Titelblatt der zweiten Auflage von Lipperts Daktyliothek, 1767. Zazoff, SF 159 Taf. 40,3. Abb. 889 Ph. D. Lippert überreicht Kaiserin Maria Theresia den Textband von „Supplement zu Philipp Daniel Lipperts Dacktyliothek bestehend aus Tausend und Neun und Vierzig Abdrücken, Leipzig bey Siegfried Lebrecht Crusius 1776“ (Lippert2 III) Titelkupfer. Zazoff, SF 160 Taf. 41,1; Würzburg I 1986, 15 Abb. 3; Kockel – Graepler, Daktyliotheken (2006) 74 Abb. 6 (Chr. Kerschner – V. Kockel). Abb. 890 Furie, Gemme, 1.35 cm, 17. oder frühes 18. Jh., Sammlung Giovanni Battista Casanova (1730–1795), Kupferstich nach Zeichnung des Besitzers. Nach Klotz, Ueber den Nutzen und Gebrauch der alten geschnittenen Steine und ihrer Abdrücke 237 Abb. IV, 242. Abb. 891 Katharina II als Minerva mit Glaspasten von Tassie und dem Katalog von Raspe. Titelkupfer von Tassie – Raspe (1791). Zazoff, SF 173 Taf. 41,4; Würzburg I 1986, 18 Abb. 5; Kockel – Graepler, Daktyliotheken (2006) 85 Abb. 7 (D. Graepler). Abb. 892 Impronte Gemmarie dell Instituto di Corrispondenza Archeologica Centuria III, 1–55. Bonn, AKM.

LITERATURHINWEISE UND ABBILDUNGEN 884–894

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Zum Unternehmen: Furtwängler, AG 1900 III 425f.; Zazoff, SF 1983, 194f.; Würzburg I 1986, 20, 40 Anm. 99; Zwierlein-Diehl, Siegel 2002, 66; Kockel – Graepler, Daktyliotheken (2006) 95–101 (M. Flecker). Abb. 893 Daktyliothek Löhr, Band I. Bonn, AKM. Zwierlein-Diehl, Siegel 2002 67f. Farb-Abb. 16, Abb. 122. Abb. 894 Lichtschirm, Oberteil, vergoldete Bronze, manganviolette Glasscheibe, in die 25 farblose, transparente Glaspasten eingelassen sind, C. G. Reinhardt, Berlin 1828. Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum 09.174. B. Mundt, Ein Lichtschirm des Klassizismus im Berliner Kunstgewerbemuseum, Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 29, 1975, 59–72; Würzburg I 1986, 20 Abb. 6.

B. KÜNSTLER UND HANDWERKER Literatur Frühe Nachahmungen in Glas

Gandert, O. F., Die Alsengemmen, 36. Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 1955 (1956) 156–222 Gandert, O. F., Eine Alsengemme in Spanien, MM 3, 1962, 177–182 Gurevich, F. D., Alsengemmen from Ancient Russian Towns, JGS 28, 1986, 24–29 Henig, M. – MacGregor, A., Three Alsen-gems in the Ashmolean Museum Oxford, Journal of the British Archaeological Association 149, 1996, 89–92 Krug, Berlin 1995, 108 Nr. 8, 118f. Schulze-Dörrlamm, M., Bemerkungen zu Alter und Funktion der Alsengemmen, Archäologisches Korrespondenzblatt 20, 1990, 215–226 Sena Chiesa, „Croce di Desiderio“ 1995, 432f. Sena Chiesa, Croix de Didier 1997, 122f., 185–217 passim Sena Chiesa, Gemme 2002, 163f., 181–218 passim Snijder, G. A. S., Antique and Mediaeval Gems on Bookcovers at Utrecht, The Art Bulletin 14, 1932, 5–52 Wentzel, H., Die „Croce del Re Desiderio“ in Brescia und die Kameen aus Glas und Glaspaste im frühen und hohen Mittelalter, in: Stucchi e Mosaici Alto Medioevali, Atti dell’ottavo Congresso di studi sull’arte dell’alto Medioevo, Vicenza 1959 (1962) 303–320 Zazoff, P., Eine Alsengemme in Alt Lübeck, Lübecker Schriften zur Archäologie und Kulturgeschichte 3, 1980, 51–55

Mittelalter und Renaissance

Babelon, Histoire 1902, 73–145 Bedocchi Melucci, A., I ritratti „all’antica“ nei portali genovesi del XV e XVI secolo, Rivista di Archeologia 12, 1988, 63–88 Deér, J, Die Basler Löwenkamee und der süditalienische Gemmenschnitt des 12. und 13. Jahrhunderts: ein Beitrag zur Geschichte der Protorenaissance, Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 14, 1953, 129–158 Distelberger 2002 Eichler – Kris 1927

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XXI. WIRKUNGSGESCHICHTE

Furtwängler, AG III 375–379 Giuliano, Motivi classici nella scultura e nella glittica di età normanna fredericiana, in: A. M. Romanini (Hrsg.), Federico II e l’arte del duecento italiano. Atti della III settimana di studi dell’arte medievale dell’università di Roma [15–20 maggio 1978] I (1980) 19–26 Giuliano, A., Simone Martini e Federico II, Rendiconti dell’Accademia Nazionale dei Lincei. Classe di Scienze morali, storiche e filologiche ser. 9, vol. 10 (1999) 159–202 Hackenbroch, Y., Renaissance Jewellery (1979) passim Hahnloser, H. R. – Brugger-Koch, S., Corpus der Hartsteinschliffe des 12.–15. Jahrhunderts (1985) Jaffé, D. Reproducing and Reading Gems in Ruben’s Circle, in: Brown 1997, 180–193 Kahsnitz 1977/1979 Kornbluth 1995 Kris, Renaissance 1929 Maaskant-Kleibrink, M., Engraved Gems and Northern European Humanists, in: Brown 1997, 228– 247 Mariette 1750, I 114–139 McCrory, M. A., Medaglie, monete e gemme: Etimologia e simbolismo nella cultura del tardo rinascimento italiano, in: M. Buora (Hrsg.) La tradizione classica della medaglia d’ arte dal rinascimento al neoclassico (1999) 39–51 McCrory, M. A., The Symbolism of Stones: Engraved Gems at the Medici Grand-Ducal Court (1537– 1609), in: Brown 1997, 158–179 McCrory, M. A., Cameos and Intaglios, in: Renaissance Jewelry in the Alsdorf Collection, The Art Institute of Chicago, Museum Studies 25/2 (2000) 55–67 Righetti, Incisori Schnackenburg–Praël, Katalog der nachantiken Kameen in der Sammlung Angewandte Kunst der Staatlichen Museen Kassel. Online-Kataloge der Staatlichen Museen Kassel (2006)