Angewandtes Unternehmenscontrolling: Operative Systeme der Planung, Kontrolle und Entscheidung 9783110439793, 9783110427899

The book covers important aspects of finance and cost-oriented managerial accounting, budgeting, reporting, and operatio

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Angewandtes Unternehmenscontrolling: Operative Systeme der Planung, Kontrolle und Entscheidung
 9783110439793, 9783110427899

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Abkürzungs- und symbolverzeichnis
Teil a: unternehmensrechnung als controllingbasis
Einleitung
1. unternehmensrechnung und controlling
2. informationssysteme des finanzorientierten controllings
3. informationssysteme des kostenorientierten controllings
Zusammenfassung
Teil b: operatives controlling – ansatzpunkte und instrumente
Einleitung
1. Grundlagen des operativen controllings
2. Funktionen des operativen controllings
3. Ausgewählte instrumente des operativen controllings
Zusammenfassung
Teil c: operative planung und budgetierung
Einleitung
1. Grundlagen der operativen budgetierung
2. Traditionelle budgeterstellung
3. Budgetkontrolle
4. prozessorientierte budgetierung
Zusammenfassung
Teil d: koordination dezentraler entscheidungseinheiten
Einleitung
1. verrechnungspreise in divisionalen organisationen
2. verrechnungspreise als steuerungsinstrument
3 ermittlung der verrechnungspreise
Zusammenfassung
Teil e: berichtswesen und reporting
Einleitung
1. informationsermittlung – kennzahlen und kennzahlensysteme
2. informationsbereitstellung – internes und externes berichtswesen
3. informationsverwendung – verhaltenssteuernde aspekte des berichtswesens
Zusammenfassung
Teil f: operative entscheidungsrechnungen
Einleitung
1. Grundlagen operativer steuerung
2. kurzfristig wirksame produktionsprogrammentscheidungen
3 kurzfristig wirksame preisentscheidungen
Zusammenfassung
Teil g: anhang
Lösungshinweise
Glossar
Literatur
Stichwortverzeichnis

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Reinhard Behrens, Bernd Feuerlohn Angewandtes Unternehmenscontrolling

Reinhard Behrens, Bernd Feuerlohn

Angewandtes Unternehmens­ controlling | Operative Systeme der Planung, Kontrolle und Entscheidung

ISBN 978-3-11-042789-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-043979-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-043980-9 Library of Congress Control Number: 2018934810 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlaggestaltung: Shawn Hempel/Fotolia Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort

|

V

Vorwort Das zentrale Ziel dieses Lehrbuches besteht darin, einen Überblick über die operati­ ven Systeme der Planung, Kontrolle und Entscheidung zu gewähren. Dabei wird von einem operativen Controllingverständnis ausgegangen, das als entscheidungsorien­ tiert eingestuft werden kann. Das Controlling wird üblicherweise in die klassischen Aufgabenbereiche der Planung, der Kontrolle und der Steuerung differenziert. Wäh­ rend die Planung zukünftige Zielzustände definiert, wird mit der Kontrolle der Grad der Zielerreichung überprüft; mithilfe der (korrektiven) Steuerung sollen Maßnahmen der Zielerreichung selektiert und evaluiert werden. Auf allen drei Prozessebenen kom­ men dem Controlling sowohl in der strategischen als auch in der operativen Varian­ te entscheidungsvorbereitende bzw. entscheidungsunterstützende Funktionen zu. Im dem üblicherweise in Stabsfunktion organisierten Controlling selbst werden also kei­ ne Entscheidungen getroffen, sondern in den vom Controlling zu beratenden Linien­ stellen (vgl. Jung 2014a: 15, 38ff). Insofern ist das Controlling als internes Beratungs­ zentrum zu verstehen, das für die Entscheidungsträger innerhalb des Unternehmens Entscheidungsvorlagen zu erarbeiten und damit Entscheidungen vorzubereiten hat – und somit (zwangsläufig) Verhaltenswirkungen erzeugt bzw. erzeugen will. Da die Erarbeitung und die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informatio­ nen für das Treffen kurzfristig wirksamer Entscheidungen die operativen Kernaufga­ ben des Controllings repräsentieren, stellen sogenannte entscheidungsorientierte Controllingkonfigurationen den gemeinsamen Ausgangspunkt für alle Teile dieses Lehrbuches dar. Um den heterogenen Ausgangsqualifikationen und den spezifischen Erkenntnisinteressen Rechnung tragen zu können, sind alle Buchteile so gestaltet, dass sie jeweils für sich isoliert nachvollziehbar sind. – Einen besonderen Stellenwert besitzt der Teil A, der mit der Erläuterung der Op­ tionen der Gestaltung der Informationsversorgung eine Basis schaffen soll für das Verständnis des operativen Controllinginstrumentariums. Vor dem Hintergrund kosten- und finanzorientierter Controllingausrichtungen stellen die Ausführun­ gen zur Informationsversorgung zunächst auf die Darstellung der wichtigsten In­ formationsquellen dieser operativen Controllingausrichtungen ab. Anschließend werden mit Bezug auf die Prozessebenen der operativen Planung und der operati­ ven Kontrolle die Gegenstandsbereiche und Instrumente des operativen Control­ lings vorgestellt (Teil B). – Den Kern eines operativen Controllings, das Verhaltenswirkungen entfalten will, bilden die Budgetierung, das Berichtswesen und die operative Steuerung in den Formen der kurzfristig wirksamen Produktionsprogramm- und Preissteuerungen. Deshalb wird ein Schwerpunkt auf die Optionen der Gestaltung der operativen Budgetierung und der Budgetkontrolle gelegt (Teil C). Planung, Kontrolle und Steuerung als Prozessebenen des operativen Controllings sind mit der unterneh­ mensspezifischen Gestaltung vor allem von der Größe und der Komplexität des Unternehmens beeinflusst. Aus diesem Grunde wird den spezifischen Control­ linganforderungen in divisionalen Organisationsstrukturen besonderes Augen­

VI | Vorwort

merk geschenkt (Teil D). Im Bereich des Berichtswesens werden die Schwerpunk­ te auf die Optionen einer effizienten Gestaltung und auf die verhaltensrelevante Bedeutung operativ ausgerichteter Kennzahlen und Kennzahlensysteme gelegt (Teil E). Die Vorbereitung von kurzfristig wirksamen Produktionsprogramm- und Preisentscheidungen sind die wesentlichen Gegenstandsbereiche der operativen Steuerung. Demzufolge werden abschließend die zentralen Entscheidungsrech­ nungen im Rahmen der kurzfristigen Produktprogramm- und Preissteuerung erläutert (Teil F). Für das Studium der einzelnen Buchteile sind Grundlagenkenntnisse der Allgemei­ nen Betriebswirtschaftslehre und des betriebswirtschaftlichen Rechnungswesens von großem Vorteil. Dies betrifft insbesondere die Grundlagen der doppelten Buchführung in Konten (Doppik), die Vorschriften für die Abschlussaufstellung im Dritten Buch des Handelsgesetzbuches, und die elementaren Grundlagen der Kosten- und Leistungs­ rechnung. Daneben sind Grundlagenkenntnisse der Organisationslehre sowie der Un­ ternehmens- und Personalführung hilfreich. Für das Studium der nachfolgenden Buchteile wünschen wir Ihnen maximalen Erfolg und zumindest auch ein wenig Freude. Zur anwendungsorientierten Vertie­ fung der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten und zugleich zur Selbstkontrolle der Lernfortschritte sind den einzelnen Kapiteln Übungsaufgaben sowie Lösungen bzw. Lösungshinweise beigefügt. Die umfangreichen Quellenhinweise, das Stich­ wortverzeichnis und das angefügte Glossar sollen weitere Wege zur zielorientierten Erarbeitung der Fachinhalte bieten. Auf dem Weg zu einem veröffentlichungsfähigen Manuskript haben uns viele un­ terstützt, denen wir herzlich danken wollen. Unser besonderer Dank gilt unserer Mit­ arbeiterin Frau B.A. Uschi Huschmann für die zuverlässige und gedankenreiche Un­ terstützung bei der Erstellung der Abbildungen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ tern der Hochschulbibliothek Nordhausen sind wir für die zuverlässige und zeitnahe Materialbeschaffung und für die Einräumung außergewöhnlicher Leihfristen sehr ver­ bunden. Für die akribische und aufopferungsvolle Jagd auf den Fehlerteufel sind wir Herrn Dipl.-Hdl. Gino Azzarello dankbar – da der Fehlerteufel auch bei noch so hoher Akribie selten final eingefangen werden kann, wären entsprechende Rückmeldun­ gen (an: [email protected]) für uns recht hilfreich! Dem Senior Acquisitions Editor des Verlages, Herrn Dr. Stefan Giesen, sind wir für die ge­ duldige und verständnisvolle Zusammenarbeit ebenfalls sehr verbunden. Gern möchten wir dieses Lehrbuch unserem leider viel zu früh verstorbenen Kolle­ gen und Freund Dietmar Knies widmen, der in vielen wertvollen Gesprächen den Blick auf das Wesentliche lenken half. In der ihm eigenen ironisch-süffisanten Art beschloss er die kontroversen Fachdiskussionen regelmäßig mit der lapidaren Anmerkung: „Wer zur Fortentwicklung des eigenen Faches nichts Substanzielles mehr beizutragen hat, der schreibt ein Lehrbuch . . . “ (Prof. Dr. Dietmar Knies, † 2015). Reinhard Behrens / Bernd Feuerlohn

Inhalt Vorwort | V Abkürzungs- und Symbolverzeichnis | XIV

Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis Einleitung | 3 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.2 1.3

Unternehmensrechnung und Controlling | 5 Grundlagen der Unternehmensrechnung | 5 Teilgebiete und Informationssysteme | 5 Strom- und Bestandsgrößen | 9 Vernetzungen der Informationssysteme | 13 Entscheidungsorientierte Controllingkonfigurationen | 18 Übungsaufgaben | 22

2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.5

Informationssysteme des finanzorientierten Controllings | 24 Aufgaben und Ziele eines finanzorientierten Controllings | 24 Bilanzrechnungen | 27 Beständebilanzen | 27 Erfassung der Bestandsveränderungen | 30 Analyseansätze und zentrale Erkenntniswerte | 33 Erfolgsrechnungen | 37 Rechnungszwecke | 37 Grundlegende Formen der Erfolgsrechnung | 38 Erfolgsrechnungen nach Gesamt- und Umsatzkostenverfahren | 41 Finanzrechnungen | 47 Rechnungszwecke | 47 Grundlegende Formen der Finanzrechnung | 48 Finanzrechnungen nach direkter und indirekter Methode | 50 Übungsaufgaben | 53

3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3

Informationssysteme des kostenorientierten Controllings | 56 Aufgaben und Ziele eines kostenorientierten Controllings | 56 Kostenrechnungssysteme | 58 Rechnungszwecke | 58 Systemausprägungen | 60 Kostenauflösung | 63

VIII | Inhalt

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.5

Teilgebiete traditioneller Kosten- und Leistungsrechnungen | 66 Kostenartenrechnung | 66 Kostenstellenrechnung | 67 Kostenträgerrechnung | 71 Ergebnis- und Erfolgsrechnungen | 74 Vollkostenansätze | 75 Teilkostenansätze | 78 Übungsaufgaben | 82

Zusammenfassung | 83

Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente Einleitung | 87 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Grundlagen des operativen Controllings | 88 Das Controlling als Element des Führungssystems | 88 Strategisches und operatives Controlling | 95 Ziele, Aufgaben und Gegenstandsbereiche | 99 Regelkreis des operativen Controllings | 102 Übungsaufgaben | 108

2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4

Funktionen des operativen Controllings | 109 Anreiz- und Verhaltenswirkungen des operativen Controllings | 109 Operative Planung | 114 Formen der operativen Planung | 115 Formal- und sachzielorientierte Planung | 126 Operative Kontrolle | 132 Formen der operativen Kontrolle | 133 Abweichungsanalysen | 135 Übungsaufgaben | 139

3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3

Ausgewählte Instrumente des operativen Controllings | 140 Operative Planungsinstrumente | 140 Kostenvergleichsrechnung | 141 Nutzwertanalyse | 143 Operative Kontrollinstrumente | 147 Abweichungsursachenanalyse | 147 Forecast-Ansatz | 150 Übungsaufgaben | 152

Zusammenfassung | 155

Inhalt | IX

Teil C: Operative Planung und Budgetierung Einleitung | 159 1 1.1 1.2 1.3 1.4

Grundlagen der operativen Budgetierung | 161 Das Budget – Begriff und Charakteristika | 161 Der Budgetierungsprozess – Funktionen und Elemente | 165 Verhaltenswirkungen der Budgetierung | 171 Ansätze der Budgeterstellung | 174

2 Traditionelle Budgeterstellung | 178 2.1 Verfahrensorientierte Budgeterstellung | 178 2.1.1 Inputorientierte Budgeterstellung | 178 2.1.1.1 Fortschreibungsbudgetierung | 178 2.1.1.2 Optimierungsansätze | 181 2.1.2 Outputorientierte Budgeterstellung | 183 2.2 Problemorientierte Budgeterstellung | 184 2.2.1 Grundlagen der Plankostenrechnung | 185 2.2.2 Starre Budgetplanung | 188 2.2.3 Flexible Budgetplanung | 190 2.3 Übungsaufgaben | 192 3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 3.4

Budgetkontrolle | 194 Determinanten einer Abweichungsanalyse | 194 Gestaltung des Bezugssystems | 194 Abweichungsinterdependenzen | 195 Ermittlung der Budgetabweichungen | 198 Budgetabweichungen auf Basis der Plankostenrechnungen | 199 Budgetabweichungen auf Basis der Grenzplankostenrechnung | 205 Zusammenfassende Beurteilung | 208 Übungsaufgaben | 212

4 Prozessorientierte Budgetierung | 214 4.1 Die Prozesskostenrechnung als Grundlage | 214 4.1.1 Prozessorientierte Rechnungssysteme | 215 4.1.2 Prozesse als Erkenntnisobjekte | 217 4.1.2.1 Entwicklung einer Prozessperspektive | 217 4.1.2.2 Bildung eines Prozessgeflechts | 220 4.2 Prozessorientierte Budgeterstellung | 226 4.2.1 Ermittlung von Prozessmengen und -kosten | 227 4.2.2 Ermittlung der Prozesskostensätze | 229 4.3 Ansätze der Budgetkontrolle | 233

X | Inhalt

4.4 4.5

Zusammenfassende Beurteilung | 239 Übungsaufgaben | 241

Zusammenfassung | 243

Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten Einleitung | 249 1 1.1 1.2 1.3 1.4

Verrechnungspreise in divisionalen Organisationen | 251 Verrechnungspreiskonzepte | 251 Merkmale divisionaler Organisationen | 253 Centerkonzepte | 255 Koordinationsbedarfe in divisionalen Organisationen | 258

2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1

Verrechnungspreise als Steuerungsinstrument | 260 Funktionen der Verrechnungspreise | 260 Überblick | 260 Koordinationsfunktion | 263 Erfolgszuweisungsfunktion | 265 Risiken suboptimaler Steuerung | 266 Interne Erfolgsermittlungsfunktion versus Koordinationsfunktion | 267 Interne Erfolgsermittlungsfunktion versus Steuerminimierung | 269 Grundfragen der Gestaltung eines Verrechnungspreissystems | 272 Übungsaufgaben | 276

2.2.2 2.3 2.4

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 278 3.1 Marktorientierte Verrechnungspreise | 278 3.2 Kostenorientierte Verrechnungspreise | 282 3.2.1 Grenzkostenorientierte Verrechnungspreise | 284 3.2.2 Vollkostenorientierte Verrechnungspreise | 291 3.2.3 Verrechnungspreise mit Zuschlag | 301 3.2.3.1 Zuschlag auf den grenzkostenorientierten Verrechnungspreis | 302 3.2.3.2 Zuschlag auf den vollkostenorientierten Verrechnungspreis | 304 3.2.3.3 Fazit | 305 3.2.4 Knappheitsorientierte Verrechnungspreise | 310 3.3 Verrechnungspreise als Verhandlungsdesiderat | 316 3.4 Verrechnungspreise auf Fremdvergleichsbasis | 322 3.5 Übungsaufgaben | 327 Zusammenfassung | 330

Inhalt | XI

Teil E: Berichtswesen und Reporting Einleitung | 335 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.4

Informationsermittlung – Kennzahlen und Kennzahlensysteme | 337 Zum Begriff der Kennzahl | 337 Kennzahlen – Merkmale und Systematisierung | 339 Arten und Dimensionen der Kennzahlen | 342 Anforderungen an Kennzahlen | 347 Eigenschaften und Funktionen von Kennzahlen | 350 Ausgewählte Beispiele für operative Kennzahlen | 353 Grenzen der Aussagekraft von Kennzahlen | 357 Merkmale der Kennzahlensysteme | 359 Zum Begriff des Kennzahlensystems | 359 Systematisierung der Kennzahlensysteme | 360 Anforderungen an Kennzahlensysteme | 365 Key Performance Indicators | 367 Kennzahlensysteme als Berichtsinstrumente | 369 Übungsaufgaben | 372

2 2.1

Informationsbereitstellung – internes und externes Berichtswesen | 373 Grundgedanken eines unternehmerischen Berichtswesens und Reportings | 373 Zur Bedeutung der Kennzahlen im Berichtswesen und Reporting | 379 Berichtsmerkmale und Berichtszwecke | 381 Berichtsarten | 383 Standardberichte | 383 Abweichungsberichte | 386 Bedarfsberichte | 387 Zusammenfassung | 388 Berichtssysteme | 389 Reine Berichtssysteme | 390 Abfragesysteme | 390 Dialogsysteme | 391 Anforderungen an ein effizientes Berichtswesen | 391 Übungsaufgaben | 394

2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.6 2.7

XII | Inhalt

3 3.1 3.2 3.3 3.4

Informationsverwendung – verhaltenssteuernde Aspekte des Berichtswesens | 395 Ausprägungen der Verhaltensmodulationen | 395 Verhaltenswirkungen des Berichtswesens | 396 Verhaltensanomalien im Rahmen des Berichtswesens | 400 Übungsaufgaben | 403

Zusammenfassung | 404

Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen Einleitung | 409 1 Grundlagen operativer Steuerung | 411 1.1 Operative Steuerung als Element des Controllings | 411 1.2 Kurzfristig wirksame Entscheidungen | 413 1.2.1 Charakteristika | 413 1.2.2 Ausgewählte Einsatzbereiche operativer Steuerung | 414 1.2.2.1 Programmentscheidungen | 414 1.2.2.2 Preisentscheidungen | 417 1.3 Die Kosten- und Leistungsrechnung als Entscheidungsrechnung | 418 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5

Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 422 Kostenrechnerisches Fundament | 422 Einfache kurzfristige Erfolgsrechnungen | 423 Differenzierte kurzfristige Erfolgsrechnungen | 427 Fazit | 428 Ansätze zur Programmoptimierung | 429 Programmoptimierung bei Unterbeschäftigung | 430 Programmoptimierung bei engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkungen | 434 Make-or-Buy-Entscheidungen | 441 Make-or-Buy-Entscheidungen bei Unterbeschäftigung | 442 Make-or-Buy-Entscheidungen bei engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkungen | 444 Losgrößenoptimierung | 453 Kostenrechnerische Ausgangssituation | 454 Ermittlung der Losgröße | 455 Übungsaufgaben | 458

Inhalt |

3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.4 3.5

Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen | 460 Kostenrechnerisches Fundament | 460 Kurzfristige Preisuntergrenzen | 462 Preisuntergrenzen bei Unterbeschäftigung | 463 Preisuntergrenzen bei engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkungen | 466 Kurzfristige Preisobergrenzen | 474 Preisobergrenzen bei Unterbeschäftigung | 474 Preisobergrenzen bei engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkungen | 477 Langfristige Ergebnissicherung | 483 Übungsaufgaben | 487

Zusammenfassung | 491

Teil G: Anhang Lösungshinweise | 497 Glossar | 544 Literatur | 558 Stichwortverzeichnis | 569

XIII

XIV | Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis A AG a. o. a1 . . . an Abb. AfA aLuL At AV B b BA BAB Bd. BDE BE BEP BGA Bi bi BI bk BMF BoD BP BSC Bt+1 bzw. CAD CAM CAQ CF CIM CVA d. h. d. U. DB DB(xA ) db dbEF;i

Abnehmerdivision Aktiengesellschaft außerordentliches (Ergebnis) Menge der verfügbaren zielrelevanten Handlungsalternativen Abbildung Absetzung für Abnutzung(en) (Forderungen bzw. Verbindlichkeiten) aus Lieferungen und Leistungen Ausgabe der laufenden Periode Anlagevermögen Beschäftigung [in der Nutzwertanalyse: Punktwert] Beschäftigungsgrad Beschäftigungsabweichung Betriebsabrechnungsbogen Band Betriebsdatenerfassungssystem(e) Betriebsergebnis Break-Even-Punkt Betriebs- und Geschäftsausstattung Anlagenbelegzeit (des Produktes i) insgesamt Anlagenbelegzeit pro Leistungseinheit (des Produktes i) Istbeschäftigung Anlagenbelegzeit pro Leistungseinheit (des Konkurrenzproduktes k) Bundesministerium der Finanzen Book on Demand Planbeschäftigung Balanced Scorecard Budget für die kommende Periode beziehungsweise Computer Aided Design Computer Aided Manufacturing Computer Aided Quality Assurance Cash-Flow Computer Integrated Manufacturing Cash-Value Added das heißt (Herstell- oder Selbstkosten) des Umsatzes Periodendeckungsbeitrag bzw. Bruttoergebnis Deckungsbeitrag pro Periode (in Abhängigkeit der Absatzmenge) Stückdeckungsbeitrag Stückdeckungsbeitrag bei Eigenfertigung (des Produktes i)

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

dbFF;i DBi dbi dbk DCF Doppik DRS e E1,2 EA (xA ) EDV EFQM Ei ei Einn. EK Ek eqi etc. EVA evtl. Ez (xz ) f(. . . ) F&E f ff FE FEk FGk fi Fi FK G(xA ) G g G(x) G󸀠 (xA ) GA (xA ) GA G󸀠A (xA )

| XV

Stückdeckungsbeitrag bei Fremdfertigung (des Produktes i) Periodendeckungsbeitrag (des Produktes i) Stückdeckungsbeitrag (des Produktes i) verdrängter Stückdeckungsbeitrag (des Konkurrenzproduktes k) Discounted Cash-Flow Doppelte Buchführung in Konten Deutscher Rechnungslegungsstandard (Empfehlungen des Deutschen Standardisierungsrates) Erlös pro Leistungseinheit Endprodukte E1 , E2 Erlös der Abnehmerdivision A (in Abhängigkeit der Absatzmenge) Elektronische Datenverarbeitung European Foundation for Quality Management Periodenerlöse (des Produktes i) Stückerlöse (des Produktes i) Einnahmen Eigenkapital Einzelkosten engpassbeanspruchende Produktionsmenge (des Produktes i) et cetera (und andere) Economic Value Added eventuell Erlös der Zulieferdivision Z (in Abhängigkeit der Liefermenge) Funktion (von . . . ) Forschung und Entwicklung folgende fortfolgende Fertigerzeugnisse Fertigungseinzelkosten Fertigungsgemeinkosten benötigte Inputfaktormenge pro Einheit (des Produktes i) insgesamt benötigte Inputfaktormenge (für das Produkt i) Fremdkapital Gewinn aus Gesamtunternehmenssicht (in Abhängigkeit der Absatzmenge) Nettogewinn bzw. Betriebsergebnis Stückgewinn Gewinn (in Bezug auf die abgesetzten Menge) Grenzgewinn aus Gesamtunternehmenssicht (in Abhängigkeit der Absatz­ menge) Gewinn der Abnehmerdivision A (in Abhängigkeit der Absatzmenge) Gesamtabweichung Grenzgewinn der Abnehmerdivision A (in Abhängigkeit der Absatzmenge)

XVI | Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

GB GE ggfs. Gk GKR GKV GmbH grds. GuV GuVK GV GZ (xZ ) h HGB HK HK d. U. HP i i. d. R. i. e. i. e. S. i. S. v. i. w. S. IKR inkl. IT It+1 j JB Jg. k K k1 . . . km KA (xA ) kalk. Kap. ke;i Kf KF kg KI KIv

Globalbetrag Geldeinheiten gegebenenfalls Gemeinkosten Gemeinschafts-Kontenrahmen industrieller Verbände Gesamtkostenverfahren (der Gewinn- und Verlust-Rechnung) Gesellschaft mit beschränkter Haftung grundsätzlich Gewinn- und Verlustrechnung Gewinn- und Verlust-Konto Geldvermögen Gewinn der Zulieferdivision Z (in Abhängigkeit der Liefermenge) hour(s) / Stunde(n) Handelsgesetzbuch Herstellkosten Herstellkosten des Umsatzes Hauptprozess(e) Mindestrendite (interest) in der Regel id est (das heißt) im engeren Sinne im Sinne von im weiteren Sinne Industriekontenrahmen inklusive Informationstechnologie(n) Inflationsrate (kommende Periode) Zins- und Lagerkostensatz Jahresbedarf Jahrgang (einer Zeitschrift) Stückkosten (Gesamt-)Kosten [in der Nutzwertanalyse: Gewichtung] Gewichtungsfaktoren Kosten der Abnehmerdivision A (in Abhängigkeit der Absatzmenge) kalkulatorisch(e) Kapital engpassbezogene Mehrkosten (des Produktes i) fixe Gesamtkosten (periodische) Fixkosten Kilogramm Istkosten (der Istkostenrechnung oder der Plankostenrechnung) variable Istkosten (der Plankostenrechnung)

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

KL KLR KN Ko;i ko;i Kopt KoSt. KP KPf KPI(s) KPv KS KSv Kv kv Kv;i kv;i ḱ v;i kv;k Kvar kvar KVerr KZ(var) KZ (xZ ) KZ kZ L l LE Liquid. lmi-TP lmn-TP m2 MAIS ME MEk MGk mi Min. MJ ml n

| XVII

Leerkosten Kosten- und Leistungsrechnung(en) Nutzkosten Opportunitätskosten (des Produktes i) Opportunitätsstückkosten (des Produktes i) Gesamtkosten für die optimale Losgröße Kostenstelle(n) Plankosten Fixe Plankosten Key Performance Indicator(s) variable Plankosten Sollkosten variable Sollkosten variable Gesamtkosten variable Stückkosten variable Gesamtkosten (des Produktes i) variable Stückkosten (des Produktes i) um den Inputfaktorpreis bereinigte variable Stückkosten (des Produktes i) variable Stückkosten (des Konkurrenzproduktes k) variable Kosten variable Kosten pro Leistungseinheit verrechnete Plankosten variable Kosten der Zulieferdivision Z (pro Periode) Kosten der Zulieferdivision Z (in Abhängigkeit der Liefermenge) Kennzahl(en) Stückkosten der Zulieferdivision Z auflageproportionale Kosten (Lager- und Zinskosten) pro Periode Liter Leistungseinheit(en) Liquidität leistungsmengeninduzierter Teilprozess leistungsmengenneutraler Teilprozess Quadratmeter Marketinginformationssystem Mengeneinheit(en) Materialeinzelkosten Materialgemeinkosten maximale Absatzmenge (des Produktes i) Minute(n) Mitarbeiterjahr Milliliter endliche Anzahl (unbestimmt) / Anzahl der Serienwechsel pro Periode

XVIII | Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

NWA OECD ϕ(ai ) p pF pI PIS pk PKlmi PKP PKS PKVS PKVSvar pL;i PMlmi PMP POGi pP Pt+1 PUGi PuK PUS q.e.d. qi qk QPMS R RAVE rdbi REFA

resp. RHB RI RL RoI RoQ R&D s S.

Nutzwertanalyse Organization for Economic Co-Operation and Development Gesamtnutzen(wert) einer allgemeinen Handlungsalternative ai Angebotspreis / Marktpreis Inputfaktorpreis Istpreis (je ME) Personalinformationssystem (um Verbundeffekte) korrigierter Marktpreis Prozesskosten (leistungsmengeninduziert) Plan-Prozesskosten Prozesskostensatz Plankostenverrechnungssatz variabler Plankostenverrechnungssatz Bezugspreis pro Einheit (des Produktes i) Prozessmenge (leistungsmengeninduziert) Plan-Prozessmenge Preisobergrenze des Inputfaktors (von Produkt i) Planpreis (je ME) Ausgaben für Projekte in der kommenden Periode Preisuntergrenze (des Produktes i) Planung und Kontrolle Prozessumlagesatz quod erat demonstrandum (lat. für „was zu zeigen war“) Produktionsmenge (des Produktes i) verdrängte Produktionsmenge (des Konkurrenzproduktes k) Quantum Performance Measurement - System Reagibilitätsgrad Real Asset Value Enhancer relativer Deckungsbeitrag (des Produktes i) Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung (heutige Bezeichnung: Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung e.V.) respektive Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe Residual Income Reichmann / Lachnit - Kennzahlensystem Return on Investment Return on Quality Research and Development (Departments) variable Produktionsstückkosten (mit Auswirkung auf Finanzmittelbindung) Seite

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

s. r. o. SAP SHV SKR SLA sog. SoEk Sp. SPC Std. Stk. T€ TÄ Tab. TP TPKlmi TPKSges TPKSlmi Tz. U(ai ) U u U(x) UFE UKV USA USt. usw. UV v VA VG vgl. vs. WE Wt+1 x xA xH xI xopt

| XIX

Rechtsform der haftungsbeschränkten Gesellschaft in der Tschechischen Republik (společnost s ručením omezeným) Unternehmen SAP® (Systemanalyse und Programmentwicklung) Shareholder Value Standardkontenrahmen Service Level Agreement sogenannt(e) Sondereinzelkosten (der Fertigung bzw. des Vertriebes) Spalte Statistical Process Control Stunde(n) Stück Tausend Euro Tätigkeit(en) Tabelle Teilprozess(e) leistungsmengeninduzierte Teilprozesskosten Teilprozesskostensatz (gesamt) leistungsmengeninduzierter Teilprozesskostensatz Textziffer (Teil)Nutzen eines (Teil)Zieles auflagefixe Kosten (Umrüstkosten) pro Periode Umrüstkosten je Fertigungslos / auflagefixe Kosten je Fertigungslos Umsatzerlös (der abgesetzten Menge) Unfertige Erzeugnisse Umsatzkostenverfahren (der Gewinn- und Verlust-Rechnung) United States of America Umsatzsteuer und so weiter Umlaufvermögen Verrechnungspreis Verbrauchsabweichung Vermögensgegenstände vergleiche versus (lat. für „gegen“, „gegenüber“) Werteinheit(en) [in Tab. E2.2b steht WE für Wareneinsatz] Wachstumsrate (kommende Periode) Leistungsmenge / Herstellmenge / Fertigungslos abgesetzte Leistungsmenge / Absatzmenge der Abnehmerdivision A hergestellte Leistungsmenge Istverbrauchsmenge (Faktoreinsatz) optimale Losgröße

XX | Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

xP xz xZ(MAX) Z z. B. Z1 , Z2 ZE ZVEI € ∑

Planverbrauchsmenge (Faktoreinsatz) Liefermenge der Zulieferdivision Z maximale Kapazität der Zulieferdivision Z Zulieferdivision zum Beispiel Zwischenprodukt Z1 , Zwischenprodukt Z2 Zeiteinheit(en) Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie Euro (Zahlungsmitteleinheit) Summe

| Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Einleitung Informationen im Sinne zweckorientierter Verdichtungen einzelner Daten bilden die notwendige Grundlage aller Entscheidungen. Sie werden in einem Unternehmen zur funktionsübergreifenden bzw. zur funktionsbezogenen Planung, Steuerung und Kon­ trolle benötigt. Darüber hinaus dienen Informationen der Rechenschaft gegenüber internen und externen Informationsadressaten. Gleichermaßen sind sie für die Kapi­ taldispositionen der (aktuellen respektive potenziellen) Kapitalgeber eines Unterneh­ mens elementar. Die für das Controlling erforderlichen Informationen werden im Rah­ men der diversen Rechnungssysteme der Unternehmensrechnung hervorgebracht. In diesem grundlegenden und eher orientierenden Teil A werden in Kapitel 1 die zentralen Informationssysteme des rechnungswesenorientierten Controllings darge­ legt und die wesentlichen Vernetzungen zwischen den Informationssystemen des fi­ nanz- und kostenorientierten Controllings rekonstruiert. Die Kapitel 2 und 3 in Teil A widmen sich den Grundzügen des finanz- bzw. des kostenorientierten Controllings, und zeigen jeweils die Grundstrukturen und zentralen Erkenntniswerte der jeweili­ gen Informationssysteme der Unternehmensrechnung auf. Dabei werden hier ledig­ lich die für das operative Controlling relevanten Bereiche der Unternehmensrechnung berücksichtigt. Im Interesse dieser Orientierung werden die einzelnen Informationssysteme mit einem nicht zu hohen Detaillierungsgrad dargestellt, da die Systeme der Unterneh­ mensrechnung üblicherweise im Rahmen der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbil­ dung im Fachgebiet „Rechnungswesen“ behandelt werden – dies gilt hier insbesonde­ re für die Systematik der Doppik und für das dreistufige System traditioneller Vollkos­ tenrechnung. Insofern sind die nachfolgenden Kapitel als Einstieg in das rechnungs­ wesenorientierte Controlling zu verstehen; auch aus diesem Grunde ist dieser erste Teil A textlich und inhaltlich so gestaltet, dass die einzelnen Kapitel jeweils für sich isoliert nachzuvollziehen sind. Nach Bearbeitung von Teil A „Unternehmensrechnung als Controllingbasis“ – kennen Sie die verschiedenen Informationssysteme des finanz- und kostenorientierten Control­ lings und verstehen die wesentlichen Vernetzungen zwischen den durch die Unternehmensrech­ nung bereitgestellten Informationssystemen. – verstehen Sie die Merkmale und Aufgaben entscheidungsorientierter Controllingkonfigurationen und können die Bedeutung der Unternehmensrechnung in entscheidungsorientierten Control­ lingkonfigurationen erläutern. – können Sie die unterschiedlichen Aufgaben und Ziele des finanz- und kostenorientierten Con­ trollings nachvollziehen und hiervon ausgehend die Bezüge zu den verschiedenen Informations­ systemen rekonstruieren. – können Sie im Interesse eines finanzorientierten Controllings Finanz- und Erfolgsrechnungen auf­ stellen, miteinander verknüpfen und Aussagen zur Liquiditäts- und Erfolgssituation ableiten.

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können Sie im Interesse eines kostenorientierten Controllings Erfolgsrechnungen nach Vollund Teilkostenrechnungssystematik durchführen, miteinander verknüpfen und Aussagen zum Betriebsergebnis respektive zum Betriebserfolg ableiten. können Sie die Voraussetzungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Controlling­ ausrichtungen aufzeigen sowie diese in inhaltlicher Perspektive bezüglich ihrer Stärken und Schwächen bei der Informationsbereitstellung bewerten.

1 Unternehmensrechnung und Controlling Grundvoraussetzung für das Treffen von Entscheidungen ist die Bereitstellung der er­ forderlichen Informationen – eine zentrale Aufgabe des Controllings. Hierzu bedient sich das Controlling der Unternehmensrechnung. Kapitel 1 in Teil A gewährt einen Überblick über die Informationssysteme der Unternehmensrechnung und über die Verbindung der Unternehmensrechnung mit den entscheidungsorientierten Control­ lingkonfigurationen.

1.1 Grundlagen der Unternehmensrechnung Die Unternehmensrechnung soll mit ihren verschiedenen Informationssystemen ei­ nerseits die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens entsprechend den rechtli­ chen Vorgaben dokumentieren können, andererseits die Grundlagen für Entscheidun­ gen im Unternehmen zur Verfügung stellen.

1.1.1 Teilgebiete und Informationssysteme Die grundlegenden Aufgaben der Unternehmensrechnung bestehen also darin, die leistungs- und finanzwirtschaftlichen Prozesse eines Unternehmens zahlenmäßig ab­ zubilden und zudem eine Beurteilung der Prozesse unter ökonomischen Gesichts­ punkten zu ermöglichen. Die Erkenntnisobjekte der Unternehmensrechnung sind folglich – sowohl die betrieblichen Leistungsprozesse (Beschaffung, Produktion, Absatz), als auch – die Finanzprozesse des Unternehmens (Kapitalbindung, -freisetzung, -zuführung, -entziehung). Diese Prozesse werden von der Unternehmensleitung und den Bereichsleitungen entsprechend der jeweils dominanten Unternehmensziele gesteuert (vgl. Wöhe et al. 2016a: 65ff; vgl. zu den Erkenntnisobjekten Wöhe, Döring 2013: 27ff). Um die Informa­ tionen quantitativ und qualitativ in dem erforderlichen Maße zur Verfügung stellen zu können, bedient sich die Unternehmensrechnung verschiedener Informationssys­ teme mit jeweils unterschiedlichen Aufgabenstellungen. Mit Blick auf die Informationsadressaten der Unternehmensrechnung lässt sich die Unternehmensrechnung grob in zwei Teilgebiete unterteilen (siehe Abbil­ dung A1.1).

https://doi.org/10.1515/9783110439793-002

6 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Unternehmensrechnung

interne Unternehmensrechnung

externe Unternehmensrechnung

Abb. A1.1: Teilgebiete der Unternehmensrechnung (in Anlehnung an Ewert, Wagenhofer 2014: 3f).

Die interne Unternehmensrechnung umfasst grundsätzlich alle Informationssysteme, die für die internen Nutzer (Entscheidungsträger im Unternehmen) konzipiert sind. Die externe Unternehmensrechnung ist dagegen an unternehmensexterne Nutzer ge­ richtet, wie beispielsweise Investoren, Gläubiger, Kunden oder Lieferanten. Die maß­ gebenden Gründe für die Trennung zwischen interner und externer Unternehmens­ rechnung liegen in den unterschiedlichen Zielen, die mit dem Informationssystemen und der Informationsverwendung verbunden werden, sowie in der unterschiedli­ chen Struktur der Beziehungen zwischen Ersteller und Nutzer der Informationen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 3f): – In der externen Unternehmensrechnung sind Ersteller und Nutzer der In­ formationen i. d. R. unterschiedliche Personen bzw. Personenkreise, wobei der Ersteller naturgemäß wesentlich bessere Kenntnis über die in den Rechnungssys­ temen verwendeten Informationen hat. Das Unternehmen wird in der externen Unternehmensrechnung als der Ersteller der Informationen, also als monolithi­ scher Block aufgefasst. Der Zweck der externen Unternehmensrechnung besteht im Wesentlichen in der Rechenschaftslegung gegenüber externen Informations­ adressaten, indem Auskünfte über die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage ge­ geben und die Grundlagen für die Besteuerung durch den Fiskus geschaffen werden. Die Informationspflichten gegenüber dem Fiskus und den anderen ex­ ternen Anspruchsgruppen bedingen im Interesse der Sicherstellung der Qualität der übermittelten Informationen einen hohen Regulierungsgrad (vgl. Wöhe, Kuß­ maul 2018: 17ff). So finden sich umfangreiche steuer- oder auch handelsrechtliche Vorschriften hinsichtlich Pflicht, Umfang und Art der Rechenschaftslegung. Die (deutschen) handelsrechtlichen Vorschriften über die Rechenschaftslegung mit­ tels Buchführung und Jahresabschluss weist das Handelsgesetzbuch (HGB) in seinem 3. Buch „Handelsbücher“ aus (vgl. Baetge et al. 2017: 30ff). – Die interne Unternehmensrechnung ist keinerlei gesetzlichen Vorschriften unterworfen und orientiert sich mit ihren Rechnungszwecken im Wesentlichen an den Informationsinteressen interner Adressaten. Diese Rechnungssysteme werden von der Unternehmensleitung und dem Controlling so gestaltet, dass sie ihre Aufgaben bestmöglich erfüllen können. Ersteller und Nutzer dieser In­ formationssysteme sind unternehmensinterne Personen und Personengruppen, sodass Zielkonflikte mit Externen nicht auftreten können. Dennoch können auch in der internen Unternehmensrechnung Konflikte auftauchen, z. B. zwischen

1 Unternehmensrechnung und Controlling

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Entscheidungsträgern auf unterschiedlichen Hierarchiestufen (vgl. Wagenhofer, Ewert 2015: 49ff). Auch wird die unternehmensspezifische Gestaltung der inter­ nen Unternehmensrechnung die gewünschten Anknüpfungspunkte an die In­ formationssysteme der externen Unternehmensrechnung nicht ganz außer Acht lassen können. Die Informationssysteme der externen und internen Unternehmensrechnung ba­ sieren überwiegend auf monetären Daten; für bestimmte Zwecke werden auch nicht monetäre Daten verwendet, wie beispielsweise Mengen- oder Zeitgrößen in der Produktionswirtschaft. Damit werden direkt die Größen berichtet, die von den Entscheidungen betroffen sind – allerdings mit dem Nachteil, dass diese u. U. nicht aggregierbar sind (wie beispielsweise die Stundeneinsätze unterschiedlicher techni­ scher Anlagen). Daneben lassen sie keinen ökonomischen Vergleich der Wirkungen unterschiedlicher Handlungsalternativen zu. Die Unternehmensrechnung lässt sich in fünf typische Informationssysteme unterscheiden, die mit spezifischen Rechen- bzw. Stromgrößen operieren und auf spe­ zifische Weisen Liquiditäts-, Erfolgs- und Ergebnisbeurteilungen ermöglichen sollen (siehe Abbildung A1.2). Erfolg

Periodenerfolg

Liquidität

mehrperiodischer Erfolg

Stückerfolg

Bilanzrechnung

Erfolgsrechnung

Finanzrechnung

Investitions- und Wirtschaftlichkeitsrechnung

Kosten- und Leistungsrechnung

Vermögen/ Kapital

Erträge/Aufwendungen

Einzahlungen/ Auszahlungen

Einnahmen/ Ausgaben

Leistungen/ Kosten

Abb. A1.2: Informationssysteme der Unternehmensrechnung (in Anlehnung an Klenger 1999: 91).

Die Finanzrechnungen operieren auf der Grundlage von Zahlungsvorgängen mit Ein­ zahlungen und Auszahlungen. Gelegentlich wird in diesen Rechnungen auch der zu­ grunde liegende Fonds erweitert und mit Einnahmen und Ausgaben gerechnet. Die

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Finanzrechnungen dienen v. a. der Liquiditätsplanung und -steuerung. Sie werden so­ wohl in der internen wie auch in der externen Unternehmensrechnung (in Form der Kapitalflussrechnung) verwendet. Die Investitions- und Wirtschaftlichkeitsrechnungen werden v. a. zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Investitionen und zur Ermittlung des mehrperiodischen Erfolgs von Investitionen eingesetzt. Die dynamischen Investitionsrechnungen ope­ rieren überwiegend auf der Grundlage von Zahlungsvorgängen; statische Rechnun­ gen basieren auch auf kostenrechnerischen Größen, wie beispielsweise die Kosten­ vergleichsrechnung. Die Bilanz- und Erfolgsrechnungen haben die zentrale Aufgabe, Informationen über die Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens bereitzustellen. Die zentra­ len Rechengrößen sind Vermögen und Kapital (in den Bilanzrechnungen) sowie Erträ­ ge und Aufwendungen (in den Erfolgsrechnungen). Bilanz- und Erfolgsrechnungen erstrecken sich auf die gesamte Unternehmenstätigkeit und orientieren sich sowohl an Güterbewegungen als auch an Zahlungsvorgängen: – Die Finanzbuchhaltung erfasst und bucht sämtliche Vorfälle, die Auswirkung auf den Bestand und/oder die Zusammensetzung von Vermögen und Kapital (soge­ nannte Geschäftsvorfälle) haben. – Am Ende des Geschäftsjahrs wird aus den Bestandsveränderungen der Ver­ mögens- und Kapitalbestände die Bilanz erstellt. Zusätzlich wird in einer Er­ folgsrechnung (nämlich der Gewinn- und Verlustrechnung) das wirtschaftliche Gesamtergebnis eines Unternehmens – differenziert nach unterschiedlichen Er­ folgsquellen – ausgewiesen. Die Kosten- und Leistungsrechnungen dienen der Planung, Kontrolle und Koordi­ nation unternehmensinterner und kurzfristig wirksamer Entscheidungen. Sie sollen Informationen über die leistungswirtschaftlichen Prozesse und deren Auswirkun­ gen liefern. Hier werden lediglich die Leistungsprozesse zahlenmäßig erfasst, die sich aus dem eigentlichen Betriebszweck – losgelöst von Zahlungsvorgängen – erge­ ben. Unter abrechnungstechnisch-organisatorischen Gesichtspunkten entsprechen die Kosten- und Leistungsrechnungen der Betriebsbuchhaltung (Betriebsabrechnung oder kalkulatorische Buchhaltung). So gesehen stellen sie ein institutionalisiertes Informationsinstrument der Unternehmens- und Betriebsleitung und v. a. auch des Controllings dar. Dabei erfasst die Kostenrechnung die Einsatzseite des Produktions­ prozesses (Input) und die Leistungsrechnung die Verwertung der produzierten Leis­ tungen (Output). Kostenrechnung und Leistungsrechnung als miteinander verbun­ dene Rechnungstypen münden in der kurzfristigen Ergebnisrechnung. Die Differenz des Wertes der erzeugten Leistungen und der Kosten der verbrauchten Produktions­ faktoren ergibt das (kurzfristige) Betriebsergebnis (siehe Tabelle A1.1).

1 Unternehmensrechnung und Controlling

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Tab. A1.1: Rechentypen der Kosten- und Leistungsrechnungen (in Anlehnung an Eberlein 2010: 14ff). Rechentypen

Funktionen

Kostenrechnung

Erfassung und Verrechnung der Kosten

Leistungsrechnung

Abgrenzung, Strukturierung und Kalkulation der Produkte und Dienstleistungen

Kosten- und Leistungsrechnung

Gegenüberstellung von Leistungen und eingesetzten Kosten ausgewählter Abrechnungsperioden und/oder Kostenträger

1.1.2 Strom- und Bestandsgrößen Die leistungswirtschaftlichen Prozesse mit den Prozessschritten „Beschaffung“, „Pro­ duktion“ und „Absatz“ finden ihren Niederschlag in Güterströmen; die finanzwirt­ schaftlichen Prozesse spiegeln sich in Zahlungsströmen wider. Dabei verlaufen die Zahlungsströme entgegengesetzt zu den Güterströmen, von denen sie verursacht wer­ den – die sie aber auch begrenzen können (vgl. Jung 2016: 1028ff). Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Aufgaben und Rechnungszwecke der Informationssysteme der Unternehmensrechnungen sind die Leistungs- und Finanz­ prozesse auf ihre Liquiditäts-, Erfolgs- und Ergebniswirksamkeit hin zu untersuchen. Diese Untersuchung mündet in der Differenzierung unterschiedlicher Strom- und Be­ standsgrößen. Aus der Prüfung der Prozesse auf ihre Zahlungs-, Erfolgs- und Ergebnis­ wirksamkeit resultieren zunächst unterschiedliche Stromgrößen (vgl. Coenenberg et al. 2016b: 12ff). Zahlungswirksame Prozesse werden mit den Begriffspaaren „Auszahlung/Ein­ zahlung“ und „Ausgabe/Einnahme“ beschrieben. Diese repräsentieren die Vorgänge in einer Geldwirtschaft, die durch Transaktionen mit Unternehmensexternen entste­ hen und belegmäßig beobachtbar sind: – Die Bewegung von liquiden Mitteln wird mit dem Begriffspaar Auszahlung/ Einzahlung erfasst; sie verändern direkt den Zahlungsmittelfonds. Auszahlun­ gen bezeichnen einen Abfluss liquider Mittel (z. B. Kauf von Büromaterial gegen Barzahlung), Einzahlungen einen Zufluss liquider Mittel (z. B. Verkauf von Waren gegen Banküberweisung durch den Kunden). – Die Begriffe Ausgabe/Einnahme bewirken eine Veränderung des Geldvermö­ gensbestands und basieren damit auf einer erweiterten Fondsdefinition. Das Geldvermögen ergibt sich als Summe aus dem Zahlungsmittelbestand und den Forderungen abzüglich der Verbindlichkeiten. Ausgaben und Einnahmen be­ zeichnen den Wert von zugegangenen bzw. von veräußerten Gütern und Dienst­ leistungen. Ausgaben repräsentieren einen Abfluss liquider Mittel (Auszahlung)

10 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

und/oder eine Erhöhung der Verbindlichkeiten, während Einnahmen einen Zu­ fluss liquider Mittel (Einzahlung) und/oder eine Erhöhung der Forderungen dar­ stellen. Ausgaben und Auszahlungen bzw. Einnahmen und Einzahlungen können zum sel­ ben Zeitpunkt anfallen, diese zeitliche Deckungsgleichheit ist aber nicht zwingend. Werden die entsprechenden Beträge der Auszahlungen mit denen der Einzahlungen und die der Ausgaben mit denen der Einnahmen verrechnet, so gelangt man zu den entsprechenden Überschüssen (siehe Tabelle A1.2). Tab. A1.2: Überschussarten (in Anlehnung an Wöhe, Kußmaul 2018: 9ff). Zahlungsmittel

Geldvermögen



Summe der Einzahlungen (Periode) Summe der Auszahlungen (Periode)



Summe der Einnahmen (Periode) Summe der Ausgaben (Periode)

=

Einzahlungsüberschuss (Periode)

=

Einnahmenüberschuss (Periode)

Da Einzahlungs- bzw. Einnahmeüberschüsse als Zahlungsmittel- bzw. als Geldvermö­ genssalden keine hinreichende Aussagekraft hinsichtlich des wirtschaftlichen Erfolgs eines Unternehmens aufweisen können, werden in der Erfolgsrechnung die zahlungs­ wirksamen Prozesse auf ihre Erfolgswirksamkeit geprüft und ihrer Verursachungspe­ riode zugerechnet. Die zu ermittelnden Erträge und Aufwendungen ergeben sich aus einer Periodisierung von Einzahlungen und Auszahlungen nach den Regeln und Krite­ rien der sogenannten periodengerechten Erfolgsabgrenzung (vgl. §§ 250, 252 HGB). Ein Aufwand stellt dann eine Reinvermögensabnahme (EK-Minderung) in einer Abrech­ nungsperiode dar, während ein Ertrag eine Reinvermögenszunahme (EK-Mehrung) in einer Abrechnungsperiode widerspiegelt. Werden alle Erträge und Aufwendungen in der Erfolgsrechnung der entsprechenden Abrechnungsperiode zusammengefasst und saldiert, gelangt man zum sogenannten (Gesamt-)Erfolg. Die Begriffe „Aufwand“ und „Ertrag“ berühren also unmittelbar den Erfolg eines Unternehmens im betreffenden Geschäftsjahr; der Zeitpunkt des Aufwands bzw. des Ertrags muss dabei nicht zwin­ gend mit dem Zeitpunkt der Ausgabe bzw. der Einnahme zusammenfallen: – Kauf von Rohstoffen im Geschäftsjahr 01 gegen Barzahlung und Verbrauch des gesamten beschafften Rohstoffbestands im nachfolgenden Geschäftsjahr 02: Aus­ zahlung und Ausgabe im Geschäftsjahr 01; Aufwand im Geschäftsjahr 02. – Kauf von Rohstoffen im Geschäftsjahr 01 gegen Rechnung, die Bezahlung er­ folgt gemäß gesetztem Zahlungsziel per Banküberweisung im nachfolgenden Ge­ schäftsjahr 02; der Verbrauch des gesamten beschafften Rohstoffbestands erfolgt im Geschäftsjahr 02: Ausgabe im Geschäftsjahr 01; Auszahlung und Aufwand im Geschäftsjahr 02.

1 Unternehmensrechnung und Controlling

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Ausgehend von den dargestellten Stromgrößen resultieren Rückwirkungen auf un­ terschiedliche Bestandsgrößen in der Unternehmensrechnung. Die finanz- und leis­ tungswirtschaftlichen Prozesse spiegeln sich in den Beständebilanzen wider und beeinflussen dort Höhe und Struktur der ausgewiesenen Vermögens- und Kapitalbe­ stände (vgl. Coenenberg et al. 2016b: 74ff): – So führt die Beschaffung von Kapital (Kapitalzuführung durch Außenfinanzie­ rung) zur Erhöhung der passiven Bilanzpositionen „Eigenkapital“ und/oder „Verbindlichkeiten“, zugleich erfolgt eine Erhöhung der aktiven Bilanzposition „Zahlungsmittel“; dieser Vorgang entspricht einer erfolgsneutralen Bilanzverlän­ gerung (Aktiv-Passiv-Mehrung). – Die Investierung der verfügbaren Zahlungsmittel in (aktivierbare) Vermögensge­ genstände bewirkt eine Kapitalbindung und zugleich eine Strukturänderung im Vermögensbestand. Der Investitionsbereich nimmt in dem Maße zu, wie der Zah­ lungsmittelbestand abnimmt. Dieser Vorgang entspricht einer erfolgsneutralen Vermögensumschichtung, der Gesamtbestand an Vermögen bleibt gleich; auch Höhe und Struktur des Kapitals sind hier nicht betroffen. – Da die Beschaffung von Sachgütern üblicherweise auf Ziel erfolgt, erhöht sich der (Fremd-)Kapitalbestand um die entstandenen Lieferantenverbindlichkeiten und zugleich der Vermögensbestand im Investitionsbereich um den gleichen Betrag (simultane Kapitalzuführung und -bindung). Dieser Vorgang entspricht einer er­ folgsneutralen Bilanzverlängerung. – Der produktive Einsatz der beschafften Sachgüter im Rahmen der Leistungser­ stellung ist zunächst mit einer Vermögensumschichtung verbunden, weil der Ver­ brauchswert der eingesetzten Produktionsfaktoren in den Herstellkostenwert der hervorgebrachten unfertigen bzw. fertigen Erzeugnisse einfließt. Dieser Vorgang entspricht einer erfolgsneutralen Vermögensumschichtung, der Gesamtbestand an Vermögen und Kapital bleibt unverändert. – Mit dem Absatz der hervorgebrachten Erzeugnisse und der Realisierung von Um­ satzerlösen im Rahmen der Leistungsverwertung erfolgt ein Zahlungsmittelrück­ fluss. Der über die Herstellungskosten hinaus erzielte Gewinn entspricht dem im Rückfluss enthaltenen neu gebildeten Kapitalanteil. Dieser Vorgang führt zu ei­ ner Erhöhung des Geldvermögensbestands und zugleich zu einer Erhöhung des (Eigen-)Kapitalbestands, und zwar in Höhe des erzielten Gewinns; dies entspricht einer erfolgswirksamen Bilanzverlängerung. – Sofern die zurückgeflossenen Zahlungsmittel ausgeschüttet oder zur Ablösung von Verbindlichkeiten eingesetzt werden, liegt ein Kapitalabfluss vor. Mit die­ ser Verminderung der aktiven Bilanzposition „Zahlungsmittel“ und der passiven Bilanzposition „Eigenkapital“ in gleicher Höhe ist eine erfolgsneutrale Bilanz­ verkürzung feststellbar. Wird hingegen ein Gewinnteil nicht entnommen, so er­ gibt sich aus dem herbeigeführten Vermögens- und Eigenkapitalzuwachs die

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Möglichkeit der Innenfinanzierung, die wiederum eine erfolgsneutrale Vermö­ gensumschichtung nach sich zöge. Der Kapitalabfluss durch Ausschüttung und Schuldentilgung kann sich negativ auf den Substanzerhalt des Unternehmens auswirken. Dies gilt in besonderem Maße für einen verlustbedingten Kapitalabfluss, der dann eintritt, wenn der ein­ gesetzte Herstellkostenwert durch den realisierten Umsatzerlös nicht gedeckt wird. Dies entspräche einer erfolgswirksamen Bilanzverkürzung.

Tabelle A1.3 vermittelt einen Überblick über die geschilderten Zusammenhänge. Tab. A1.3: Strom- und Bestandsgrößen (in Anlehnung an Wöhe, Kußmaul 2018: 2). Stromgrößen

Definition

Einzahlungen

Zufluss liquider Mittel pro Periode

Auszahlungen

Abfluss liquider Mittel pro Periode

Einnahmen

Wert aller veräußerten Güter und Dienstleistungen pro Periode

Ausgaben

Wert aller zugegangenen Güter und Dienstleistungen pro Periode

Erträge

Wertezufluss in einer Geschäftsperiode

Aufwendungen

Werteverzehr in einer Geschäftsperiode

betroffene Bestandsgrößen Zahlungsmittelbestand

Geldvermögen

Eigenkapital

Auch die Kosten- und Leistungsrechnungen knüpfen an die Finanzrechnungen bzw. an die Erfolgsrechnungen an, stellen aber den Betriebszweck in den Mittelpunkt der Überlegungen (vgl. Freidank 2012: 4ff): – Unter Verwendung des pagatorischen Kostenbegriffs, der direkt auf den Aus­ zahlungen basiert, die dem Verbrauch von betriebszweckbezogenen Gütern und Dienstleistungen zugrunde liegen, ergibt sich eine Vernetzung der Kosten- und Leistungsrechnungen mit den Finanzrechnungen. – Auf der Basis eines wertmäßigen Kostenbegriffs werden mit den Begriffen „Kosten“ und „Leistung“ die betriebszweckbezogene Leistungserstellung und Leistungsverwertung erfasst, und dies losgelöst von Zahlungsvorgängen. Der wertmäßige Kostenbegriff erlaubt also einen Ansatz von Kosten, ohne dass Aus­ zahlungen anfallen; dies ist insbesondere für die Ermittlung der kalkulatorischen Kosten bedeutsam. Mit der Herleitung der Kosten und Leistungen aus den Auf­ wendungen und Erträgen ergibt sich automatisch eine Vernetzung der Kostenund Leistungsrechnungen mit den Erfolgsrechnungen.

1 Unternehmensrechnung und Controlling

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Die wertmäßige Sicht ist primär auf Güterbewegungen fokussiert; sie sollen den men­ gen- und wertmäßigen Verbrauch der Produktionsfaktoren und die damit verbundene Hervorbringung von Erzeugnissen und Dienstleistungen widerspiegeln. Hier wird – wie im Übrigen im überwiegenden Teil der Literatur auch – auf eine wertmäßige Interpretation des Kostenbegriffs abgestellt (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 49f): Während die Kosten den Wert aller verbrauchten Güter im Rahmen der Erstellung der typischen betrieblichen Leistungen darstellen, bezeichnet der Begriff „Leistung“ den Wert aller erbrachten Leistungen im Rahmen der typischen betrieblichen Tätigkeit.

1.1.3 Vernetzungen der Informationssysteme Die Informationssysteme der Unternehmensrechnung weisen vielfältige datenbezo­ gene Vernetzungen auf: – So basieren die Daten der Bilanz- und Erfolgsrechnungen auf denen der Finanz­ rechnungen, da sich die zu erfassenden Erträge und Aufwendungen aus einer Pe­ riodisierung von Einzahlungen und Auszahlungen ergeben. – Ebenso basieren die Daten der Investitions- und Wirtschaftlichkeitsrechnungen auf denen der Finanzrechnungen, soweit Zahlungsvorgänge herangezogen wer­ den. Mit dem Bezug einiger Rechnungssysteme auf kostenrechnerische Größen entsteht automatisch eine Vernetzung mit den Kosten- und Leistungsrechnungen. – Weiterhin werden die von den Kosten- und Leistungsrechnungen benötigten Da­ ten nicht neu erstellt, sondern zumindest teilweise aus den Bilanz- und Erfolgs­ rechnungen übernommen, um Doppelarbeit zu vermeiden. Diese Übernahme erfolgt üblicherweise, indem die Kosten- und Leistungsrechnungen in den für die Zwecke der Finanzbuchführung erstellten Kontenrahmen integriert wer­ den, sodass zwischen Bilanz- und Erfolgsrechnungen und Kosten- und Leistungsrech­ nungen eine enge Verzahnung der Rechnungskreise entsteht. Ein Kontenrahmen bil­ det die für alle Unternehmen eines Wirtschaftszweigs einheitliche Grundordnung für die Gliederung und Bezeichnung der Konten und soll damit die Vereinheitlichung und Vereinfachung der Buchungen gewährleisten sowie Zeit- und Betriebsvergleiche er­ möglichen. In den Kontenrahmen werden die Konten nach dem dekadischen System geordnet. Der bekannteste Kontenrahmen ist sicherlich der Industriekontenrahmen (IKR), der den seit 1950 geltenden Gemeinschaftkontenrahmen industrieller Verbän­ de (GKR) ablösen sollte. Für den Groß- und Außenhandel, für den Einzelhandel, für das Handwerk sowie für Banken und Versicherungen gibt es weitere Standardkonten­ rahmen (vgl. Coenenberg et al. 2016b: 125f).

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Der GKR orientiert sich mit seinem Aufbau am Prozessablauf der betrieblichen Leistungserstellung und integriert als sogenanntes Einkreissystem die Kosten- und Leistungsrechnung direkt in den Buchungsablauf. Der IKR hingegen folgt dem Ab­ schlussgliederungsprinzip, das der Erstellung des Jahresabschlusses zugrunde liegt. Die aktiven und passiven Bestandskonten sowie die Aufwands- und Ertragskonten werden in Anlehnung an den HGB-Abschluss angeordnet. Auf der ersten Ebene werden die Konten in Kontenklassen geteilt, wobei die Kontenklassen 0 bis 8 der Finanzbuchführung (Rechnungskreis I) vorbehalten sind. Die Kontenklasse 9 kann für die kontenmäßige Darstellung der Kosten- und Leistungsrechnungen (Rechnungs­ kreis II) genutzt werden. Hierbei wird die Kosten- und Leistungsrechnung vollkommen getrennt von den übrigen Konten der Buchführung in einer speziellen Kontenklasse durchgeführt. Da die beiden Informationssysteme im IKR eigene Kontenkreise bilden, stellt der IKR ein sogenanntes Zweikreissystem dar (siehe Tabelle A1.4). Tab. A1.4: Zweikreissystem des IKR (in Anlehnung an Fischer et al. 2015: 12ff). Inhalt der Kontenklasse

Kontenklasse

immaterielle Vermögensgegenstände, Sachanlagen Finanzanlagen Umlaufvermögen und aktive Rechnungsabgrenzung Eigenkapital, Wertberichtigungen und Rückstellungen Verbindlichkeiten und passive Rechnungsabgrenzung

0 1 2 3

Erträge betriebliche Aufwendungen weitere Aufwendungen

5 6 7

Erfolgskonten (2. Buchungskreislauf)

Ergebnisrechnungen

8

Abschlusskonten

Konten für die Integration der Kosten- und Leistungsrechnung

9



Rechnungskreise

Bestandskonten (1. Buchungskreislauf) Rechnungskreis I

4

Rechnungskreis II

Bei der Übernahme der von den Kosten- und Leistungsrechnungen benötigten Da­ ten aus den Bilanz- und Erfolgsrechnungen ist zu bedenken, dass der Aufwand aus den Erfolgsrechnungen den Verbrauch von Sachgütern, Dienstleistungen und Rech­ ten pro Periode repräsentiert. Somit stellen nicht alle Aufwendungen zugleich auch Kosten dar. Letztere beziehen sich, wie bereits erläutert, nur auf die Erstellung der üb­ lichen betrieblichen Leistungen. Der Teil des Aufwands, der keinen Kostenbestand­ teil darstellt, wird als neutraler Aufwand bezeichnet. Man unterscheidet drei Arten des neutralen Aufwands (siehe Abbildung A1.3), wobei sich die Kategorien durchaus überschneiden können.

1 Unternehmensrechnung und Controlling

Aufwand

betriebsfremd

betriebsbedingt

periodenfremd

periodenrichtig

außerordentlich

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+

gewöhnlich/üblich

Kostenbestandteil

neutraler Aufwand

Abb. A1.3: Neutrale Aufwandsarten (in Anlehnung an Haberstock, Breithecker 2008a: 22).







Betriebsfremder Aufwand ist dadurch gekennzeichnet, dass er keine direkte Be­ ziehung zur betrieblichen Leistungserstellung aufweist (wie z. B. bei einem Han­ delsunternehmen Spenden für karitative Zwecke, Kursverluste bei Wertpapieren, Reparaturen an vermieteten Gebäuden). Periodenfremder Aufwand zeichnet sich dadurch aus, dass er einer anderen als der aktuellen Rechnungsperiode zuzurechnen ist (wie z. B. Prozesskosten für ei­ nen im Vorjahr abgeschlossenen Prozess, Gewerbesteuernachzahlung für ein frü­ heres Jahr). Außerordentlicher Aufwand steht zwar im Zusammenhang mit der eigentlichen Betriebs- und Geschäftstätigkeit, stellt aber keinen normalen bzw. keinen ge­ wöhnlichen Werteverzehr dar (wie z. B. Katastrophenschäden, insolvenzbedingte Forderungsverluste, Verkäufe gebrauchter Anlagen unter Buchwert). Würde die­ ser außerordentliche Aufwand unverändert in die Kostenrechnung einfließen, wäre der Kosteneinsatz verzerrt dargestellt und die Vergleichbarkeit der Kosten­ einsätze – über mehrere Abrechnungsperioden betrachtet – beeinträchtigt, dies umso mehr, je höher die Beträge für die außerordentlichen Aufwendungen aus­ fallen. Die außerordentlichen Aufwendungen sind deshalb gegebenenfalls mit einem durchschnittlichen und periodisierten Werteverzehr in Form kalkulatori­ scher Wagniskosten zu berücksichtigen, wie beispielsweise Forderungsausfälle in Form eines Vertriebswagnisses.

Der Teil des neutralen Aufwands, der in keinem Fall einen Kostenbestandteil darstellt, wird auch als Nichtkosten bezeichnet. Allerdings existieren auch Kosten, die gar nicht als Aufwand verrechnet oder in den Erfolgsrechnungen in anderer Aufwandshöhe er­ fasst werden. Diese kalkulatorischen Kosten müssen in der Kosten- und Leistungs­

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rechnung verrechnet werden, damit in der Kostenrechnung der tatsächliche Wertever­ zehr an Produktionsfaktoren berücksichtigt wird (vgl. Thommen et al. 2017: 204 und Coenenberg et al. 2016a: 90ff; siehe auch Thommen et al. 2017: 342ff): – Als Zusatzkosten werden hier die kalkulatorischen Kosten bezeichnet, denen in Ermangelung eines Zahlungsvorgangs (und somit eines Buchungsbelegs) gar kein Aufwand in der Finanzbuchhaltung gegenübersteht. Zu dieser Gruppe gehören die kalkulatorischen Mieten und der kalkulatorische Unternehmerlohn. – Die Kosten, die dadurch entstehen, dass der gleiche Faktoreinsatz in der Fi­ nanzbuchhaltung lediglich anders (mit einem Betrag in anderer Höhe) bewertet wird als in der Kosten- und Leistungsrechnung, werden Anderskosten genannt. Klassische Beispiele hierfür sind die kalkulatorischen Abschreibungen, die kal­ kulatorischen Zinsen und die kalkulatorischen Wagnisse. Im Gegensatz zu den Zusatzkosten steht hier in jedem Falle ein (anders berechneter) Aufwand in der Finanzbuchhaltung gegenüber. Sofern Aufwand und Kosten art- und betragsgleich sind, bezeichnet man diese Auf­ wendungen als betragsgleichen Zweckaufwand oder Grundkosten. Hierbei handelt es sich um Vorgänge, die zu Ausgaben geführt haben und die sich sowohl der relevan­ ten Abrechnungsperiode zurechnen lassen, als auch der eigentlichen Betriebs- und Geschäftstätigkeit dienen und nicht außergewöhnlicher Art sind. Solche Grundkosten sind in einem Industriebetrieb üblicherweise die Lohn- und Gehaltskosten oder die Materialkosten. In Abbildung A1.4 sind die geschilderten Zusammenhänge zwischen dem Aufwand der Erfolgsrechnungen und den Kosten der Kosten- und Leistungsrech­ nungen zusammenfassend dargestellt.

gesamter Aufwand (Erfolgsrechnung)

neutraler Aufwand

Zweckaufwand art- und betragsgleiche Übernahme

in anderer Höhe verrechneter Zweckaufwand Anderskosten

Zusatzkosten

Grundkosten kalkulatorische Kosten

gesamte Kosten (Kosten- und Leistungsrechnung)

Abb. A1.4: Herleitung der Kostendaten (in Anlehnung an Freidank 2012: 17f).

1 Unternehmensrechnung und Controlling

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Da der Fokus der weiteren Erörterungen auf die Darstellung des kostenorientierten Controllings gerichtet sein soll, wird auf eine (analoge) Darstellung der Zusammen­ hänge zwischen dem Ertrag der Erfolgsrechnung und den Leistungen der Kosten- und Leistungsrechnungen verzichtet. Darüber hinaus existieren zwischen den Bilanz- und Erfolgsrechnungen einer­ seits und den Kosten- und Leistungsrechnungen andererseits vielfältige Berührungs­ punkte hinsichtlich der Generierung und Verwendung der Informationen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 5f): – So ist im Rahmen der Bilanzrechnung die Bewertung der Bestände an Roh-, Hilfsund Betriebsstoffen, der Bestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen sowie die Bewertung selbst erstellter Vermögensgegenstände erforderlich. Als Grund­ lage für diese Bewertungen von Vermögensgegenständen werden üblicherweise die Kalkulationsergebnisse der Kosten- und Leistungsrechnungen herangezogen (vgl. Eisele, Knobloch 2011: 871). – Da die Bilanz- und Erfolgsrechnungssysteme als zentrale Elemente der externen Rechnungslegung aufgrund gesetzlicher Verpflichtung ohnehin im Unterneh­ men vorhanden sind, bieten sie vielfältige Anknüpfungspunkte für die unterneh­ mensindividuelle Ausgestaltung der Kosten- und Leistungsrechnungen. So kann sich beispielsweise die verfahrenstechnische Gestaltung der Materialverbrauchs­ bewertung direkt an die (gesetzlich zulässigen) Verfahren der Materialendbe­ standsbewertung in der Bilanzrechnung anlehnen. Auch die konkrete Gestaltung einer Kostenträgerzeitrechnung kann sich direkt an den (gesetzlich zulässigen) Verfahren der Erfolgsrechnung (GuV) orientieren. Weil die Bilanz- und Erfolgsrechnungen mit ihrer systemischen Gestaltung vielfältigen handels- bzw. steuerrechtlichen Vorschriften (bilanzielle Ansatz- und Bewertungsvor­ schriften, Gestaltungsvorschriften für die Erfolgsrechnung) unterliegen, fließen mit der Anknüpfung der Kosten- und Leistungsrechnungen an die Bilanz- und Erfolgs­ rechnungen die gesetzlichen Vorschriften der externen Unternehmensrechnung auf indirektem Wege in die interne Unternehmensrechnung ein. Umgekehrt fließen mit dem Datentransfer aus den Kosten- und Leistungsrechnungen in die Bilanzrechnung kalkulatorische Größen der internen Unternehmensrechnung direkt in die externe Un­ ternehmensrechnung ein (vgl. auch Trapp 2013: 109ff). Diese Vernetzung interner und externer Unternehmensrechnung wird durch die zunehmende Bedeutung internatio­ naler Rechnungslegungsstandards weiter forciert (vgl. Eberlein 2010: 4ff).

18 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

1.2 Entscheidungsorientierte Controllingkonfigurationen Das am weitesten gefasste Verständnis von Begriff und Aufgaben eines Controllings findet sich in der US-amerikanischen Literatur: Hier wird dem Controlling neben der Berichterstattung gegenüber unternehmensexternen Informationsadressaten auch das Management Control und die interne Revision zugeordnet (vgl. Anthony, Govin­ darajan 2006: 106f). In der deutschsprachigen Literatur wird generell ein deutlich engeres Verständnis vertreten, da Controlling als ein funktionsübergreifender und funktionsbezogener Planungs-, Steuerungs- und Kontrollansatz interpretiert wird; es dient der Unterstützung der Entscheidungsprozesse im Unternehmen durch eine zielgerichtete Informationserhebung und -verarbeitung (vgl. Fischer et al. 2015: 87ff; vgl. Lorson et al. 2013: 337f). Damit entspricht das Controlling eher einem Manage­ ment Control, dessen Aufgabenstellungen im Wesentlichen in der Koordination von Entscheidungen und in der Sicherstellung der Informationsversorgung der Entschei­ dungsträger im Unternehmen zu sehen sind (vgl. Friedl 2013: 6; vgl. hierzu auch Nitzl et al. 2015: 97ff). Der Bedarf nach Entscheidungskoordination ist durch die organisatorische Not­ wendigkeit der Komplexitätsreduktion der Entscheidungen der oberen Instanzen (Un­ ternehmensführung), durch Differenzierung und Dezentralisierung der Entscheidun­ gen an nachgeordnete Instanzen der Unternehmenshierarchie determiniert. Unter Entscheidungskoordination ist die Ausrichtung oder Abstimmung differenzierter und/oder dezentralisierter Entscheidungen auf ein übergeordnetes Ziel zu verstehen (vgl. hierzu Wall 2008: 468ff; vgl. auch Jaspersen, Täschner 2012: 436ff). Hierbei ist zwischen horizontaler und vertikaler Koordination zu unterscheiden: Die vertikale Entscheidungskoordination befasst sich mit der Ausrichtung dezentralisierter Ent­ scheidungen an übergeordneten Unternehmenszielen, während die Abstimmung dif­ ferenzierter und dezentralisierter Entscheidungen auf ein übergeordnetes Ziel durch die horizontale Koordination gewährleistet werden soll. Die konzeptionelle Gestal­ tung der Entscheidungskoordination und die Versorgung der oberen Instanzen mit den zur Erreichung der Unternehmensziele erforderlichen Informationen sind als di­ rekte zu verstehen. Insofern sind die Unternehmensziele als indirekte Controllingziele zu interpretieren. Einen Überblick über entscheidungsorientierte Controllingkonfigu­ rationen gewährt Abbildung A1.5.

1 Unternehmensrechnung und Controlling

Unternehmensziele

– Koordination von Entscheidungen (konzeptionell) – Informationsversorgung der Unternehmensführung

– Koordination differenzierter und dezentralisierter Entscheidungen – Informationsversorgung der Entscheidungsträger

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indirekte Controllingziele

Controllingziele direkte Controllingziele (Problemlösungskonzepte)

spezifische Aufgabenstellungen

Gestaltung der Unternehmensrechnung

Abb. A1.5: Entscheidungsorientierte Controllingkonfigurationen (in Anlehnung an Friedl 2013: 5f).

Ein entscheidungsorientiertes Controlling umfasst die Gesamtheit der Aufgaben der zielorientierten Koordination von Entscheidungen durch die Umsetzung von Koor­ dinationskonzepten sowie die Sicherstellung der Informationsversorgung der Unter­ nehmensführung und der Entscheidungsträger – damit Entscheidungen überhaupt getroffen werden können. Umso tiefer die Instanzen in der Unternehmenshierarchie angesiedelt sind, umso geringer ist die Anzahl der durch die Entscheidungsträger beeinflussbaren Aktionsparameter und umso stärker ist der Handlungs- und Ent­ scheidungsspielraum vorstrukturiert. Zugleich nehmen die Spezifität und der Detail­ lierungsgrad der benötigten Informationen zu. Die traditionelle Literatur zum operativen Controlling beschäftigt sich überwie­ gend mit der Entwicklung und Strukturierung von Entscheidungen. Hier steht regel­ mäßig die Frage der Konzeptionierung und Strukturierung von Informationssystemen der Unternehmensrechnung im Mittelpunkt, die für bestimmte Entscheidungsbe­ reiche die bestmögliche Informationsbasis bieten. Zielkonflikte werden in diesem Zusammenhang üblicherweise nicht thematisiert, weil von einem Einpersonenkon­ text und zudem von einer Zielkongruenz zwischen Entscheidungsträger und Infor­ mationsersteller (dem Controlling in Stabsfunktion) ausgegangen wird (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 7). Durch das operative Controlling zu fundierende typische Ent­ scheidungen sind kurzfristig wirksame Entscheidungen in den Bereichen der Leis­ tungserstellung und -verwertung. Solche Entscheidungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Anpassungen an langfristig vorgegebene Aktionsparameter herbeiführen sollen; sie werden i. d. R. durch Nutzung der Informationssysteme der internen Unter­ nehmensrechnung, insbesondere der Kosten- und Leistungsrechnungen, begründet,

20 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

weil diese der Spezifität und dem Detaillierungsgrad der benötigten Informationen am ehesten entsprechen können (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 50ff). Die Unternehmens­ rechnung liefert dem Controlling aber auch Informationen für die Entscheidungen der dezentralen Entscheidungsträger, die für die Entscheidungskoordination nutzbar gemacht werden können: Je nach der Art und Weise der Informationsselektion und -aufbereitung können Entscheidungen vorstrukturiert und in eine gewünschte Rich­ tung gelenkt werden. Demzufolge können in dieser verhaltensbeeinflussenden Va­ riante die Kriterien für die Gestaltung der Unternehmensrechnung und ihrer Infor­ mationssysteme nicht mehr in der Eignung, der Vollständigkeit und Richtigkeit und der Präzision der Informationen liegen, sondern in dem Grad der Verwendbarkeit der Information für die intendierte Verhaltenssteuerung (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 10). Kurzfristig wirksame Entscheidungen sind i. d. R. gut strukturierbare Entschei­ dungen, weil sie sich als sogenannte Routineentscheidungen dadurch auszeichnen, dass eine bestimmte Anzahl von Handlungsalternativen und hinreichende Informa­ tionen über deren Handlungskonsequenzen vorliegen. Ihnen liegen klar formulierte Ziele und Lösungsalgorithmen zugrunde, mit deren Hilfe eine eindeutige Rangord­ nung der Vorzugswürdigkeit der Handlungsalternativen aufgestellt werden kann. Da solche Entscheidungen mithilfe analytisch-logischer Verfahren lösbar sind, ist der entsprechende Entscheidungsprozess automatisierbar (vgl. Reichmann et al. 2017: 12ff). Klassische Entscheidungen, die als kurzfristig wirksam angesehen werden, sind in allen Teilbereichen des Unternehmens zu finden und betreffen insbesondere die Gestaltung der Beschaffung, die Produktionsprogrammgestaltung und die Preisge­ staltung (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 53; vgl. Backhaus et al. 2010: 95ff): – Beschaffungsbereich: – Bestimmung der Beschaffungsmengen – Auswahl der Bezugsquellen und der Beschaffungswege – Bestimmung von Preisobergrenzen – Produktionsbereich: – Bestimmung der Losgrößen – Programmoptimierungen – Entscheidungen über die Annahme von Zusatzaufträgen – Absatzbereich: – Bestimmung von Preisuntergrenzen – Bestimmung von Absatzpreisen – Auswahl der Vertriebswege Auch wenn diese Entscheidungen zunächst nur einen ausgewählten Bereich des Un­ ternehmens betreffen, zeigen sie doch immer auch Folgewirkungen in anderen Unter­ nehmensbereichen. Daneben sind sogenannte integrative, ebenfalls kurzfristig wirk­ same Entscheidungen zu treffen, wie beispielsweise über die Fertigungstiefe (Wahl zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug), über den innerbetrieblichen Transport

1 Unternehmensrechnung und Controlling

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und die Lagerhaltung oder über die Verrechnungspreisgestaltung. Diese integrativen Entscheidungen berühren von vornherein mehrere Unternehmensbereiche. Die Diffe­ renzierung und Dezentralisierung der Entscheidungen an nachgeordnete Instanzen der Unternehmenshierarchie bedeutet also nicht nur eine Komplexitätsreduktion der Entscheidungen der oberen Instanzen, sondern zugleich eine Erhöhung des Bedarfs nach Entscheidungskoordination. In entscheidungsorientierten Controllingkonfigurationen gewinnen die zielge­ richtete Informationserhebung und -verarbeitung und die unternehmensspezifische Gestaltung der internen Unternehmensrechnung eine herausragende Bedeutung, können sie doch im Rahmen der Entscheidungskoordination zur zielorientierten Verhaltensbeeinflussung von Entscheidungsträgern (zumindest auf den nachge­ ordneten Ebenen der Unternehmenshierarchie) eingesetzt werden (vgl. Anthony, Govindarajan 2006: 6f). Auch hier steht die entscheidungsunterstützende Funktion des Controllings im Mittelpunkt. Es wird jedoch von einem Mehrpersonenkontext ausgegangen, wobei potenzielle interpersonelle Zielkonflikte zwischen den Entschei­ dungsträgern im Unternehmen bestehen (können). Mit Blick auf die Unternehmens­ hierarchie bedeutet die Delegation von Entscheidungskompetenzen an nachgeord­ nete Instanzen zwar die Nutzbarkeit dezentraler Fachkompetenz, aber auch einen Kontrollverlust aufgrund asymmetrisch verteilter Information. Deshalb steht bei der Beeinflussung von Entscheidungen regelmäßig die Frage nach der Konzeptionierung einer Unternehmensrechnung im Mittelpunkt, die zur Minimierung von Zielkonflik­ ten und Informationsasymmetrien zwischen Entscheidungsträgern geeignet scheint (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 6). Durch das operative Controlling zu fundierende Entscheidungskoordination mit­ tels zielorientierter Verhaltensbeeinflussung von Entscheidungsträgern kann einer­ seits durch die Gestaltung der Budgetrechnungen herbeigeführt werden. Budgets stellen aus der Perspektive der betroffenen Entscheidungsträger formalzielorientierte und in wertmäßigen Größen formulierte Pläne mit verbindlichen Vorgaben für einen definierten Zeitraum dar. Die Budgetierung beinhaltet in prozessualer Perspektive die Aufstellung, die Vorgabe und die Kontrolle der Budgets. Aus diesem Budgetierungs­ prozess ergeben sich für die betroffenen Entscheidungsträger nur bedingt beeinfluss­ bare Verhaltensparameter, die für eine Koordination der Aktivitäten der betroffenen Entscheidungsträger nutzbar gemacht werden können. Die Koordinationswirkungen der Budgetrechnungen können sich allerdings nur in dem Maße entfalten, wie es durch die Einbindung der Budgets in Anreizsysteme gelingt, verhaltenssteuernde Wirkung zu erzeugen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 400ff). Andererseits kann das operative Controlling auf Kontrollrechnungen zurückgreifen, die Abweichungen zwischen Plan- und Istwerten kenntlich machen und Kausalitäten (Ursache-Wir­ kungs-Gefüge) offenlegen kann. Eine solche Kontrolle entfaltet schon im Vorgriff der Kontrolle bei den betroffenen Entscheidungsträgern verhaltenssteuernde Wirkung, weil diese für eventuelle später festzustellende Abweichungen verantwortlich zeich­ nen müssen.

22 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in entscheidungsorientierten Control­ lingkonfigurationen eine Unternehmensrechnung mit Informationssystemen zu ent­ wickeln ist, die für die Wahrnehmung operativer Controllingaufgaben, nämlich Ent­ scheidungsfundierung und Entscheidungskoordination, geeignet erscheint. Deshalb werden in den Kapiteln 2 und 3 des Teiles A die wichtigsten, von den finanz- und kos­ tenorientierten Controllingausrichtungen genutzten Informationssysteme einer Un­ ternehmensrechnung in den typischen Ausprägungen vorgestellt.

1.3 Übungsaufgaben Die Cycle GmbH ist ein mittelständischer Industriebetrieb, der sich auf die auftragsbe­ zogene Fertigung von E-Bikes spezialisiert hat. Das Geschäftsjahr des Unternehmens entspricht dem Kalenderjahr. In der Abrechnungsperiode 03/2015 verzeichnet die Cy­ cle GmbH nachfolgend aufgeführte Geschäftsvorfälle: 1. Kauf von Rohstoffen auf Ziel (Nettobetrag 50.000 € zzgl. 19 % USt); das Zahlungs­ ziel liegt in der nachfolgenden Abrechnungsperiode 04/2015, die Rohstoffe wer­ den in der Abrechnungsperiode 03/2015 vollständig in den Produktionsprozess eingespeist. 2. Kauf von Rohstoffen gegen Barzahlung (Nettobetrag 20.000 € zzgl. 19 % USt); die Rohstoffe werden in der Abrechnungsperiode 03/2015 vollständig in den Produk­ tionsprozess eingespeist. 3. Kauf von Rohstoffen auf Ziel (Nettobetrag 10.000 € zzgl. 19 % USt); das Zahlungs­ ziel liegt in der nachfolgenden Abrechnungsperiode 04/2015, die Rohstoffe wer­ den für die Abrechnungsperiode 05/2015 vollständig bevorratet. 4. Kauf von Rohstoffen gegen Barzahlung (Nettobetrag 5.000 € zzgl. 19 % USt); die Rohstoffe werden für die Abrechnungsperiode 04/2015 vollständig bevorratet. 5. Kauf einer Fertigungsanlage auf Ziel (Nettobetrag 130.000 € zzgl. 19 % USt); das Zahlungsziel liegt in der Abrechnungsperiode 05/2015. 6. Erfassung des planmäßigen Wertverzehrs für die Abrechnungsperiode 03/2015 für die im vorherigen Vorgang beschaffte Fertigungsanlage (bilanzieller und kalkula­ torischer Abschreibungswert sind mit 4.000 € betragsgleich). 7. Erfassung eines außerplanmäßigen Wertverzehrs in Höhe von 25.000 € für die Abrechnungsperiode 03/2015 für die im Vorgang Nr. 5 beschaffte Fertigungsanla­ ge. 8. Ablösung einer Lieferantenrechnung (Nettobetrag 120.000 € zzgl. 19 % USt) für eine in der Abrechnungsperiode 01/2015 beschaffte Fertigungsanlage. 9. Verbrauch von Betriebsstoffen zum Wert von 2.000 € im Produktionsprozess; die­ se wurden vollständig in der Abrechnungsperiode 01/2015 beschafft und damals per Banküberweisung bezahlt.

1 Unternehmensrechnung und Controlling

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10. Entrichtung einer Gewerbesteuernachzahlung in Höhe von 3.500 € für das Ge­ schäftsjahr 2014 per Banküberweisung (Hinweis: Eine entsprechende Rückstel­ lung war in einer vorherigen Abrechnungsperiode nicht gebildet worden). Aufgabe 1 Beurteilen Sie die Vorgänge hinsichtlich der nur in der Abrechnungsperiode 03/2015 betroffenen Stromgrößen. Aufgabe 2 Ermitteln Sie für die Abrechnungsperiode 03/2015 den Einzahlungs- und den Einnah­ meüberschuss (ausgehend von einer Einzahlungs- und zugleich Einnahmesumme in Höhe von 300.000 €).

2 Informationssysteme des finanzorientierten Controllings Das finanzorientierte Controlling ist auf die finanzwirtschaftlichen Prozesse fokus­ siert, um die Liquiditäts- und Erfolgsbeiträge dieser Prozesse aufzeigen zu können. Kapitel 2 in Teil A vermittelt einen Überblick über die vom finanzorientierten Control­ ling zu nutzenden Bilanz-, Erfolgs- und Finanzrechnungen.

2.1 Aufgaben und Ziele eines finanzorientierten Controllings Die Aufgaben des Finanzcontrollings sind im Wesentlichen in der Sammlung und der Aufbereitung von solchen Finanzinformationen zu sehen, die zur Beeinflussung der Finanzsituation eines Unternehmens erforderlich sind. Diese Informationen werden dann im Rahmen des Finanzmanagements zur Entscheidungsanregung und -fundie­ rung von Maßnahmen zur Steuerung aller Prozesse verwendet, die die Finanzierung betreffen. Das Finanzcontrolling übernimmt insofern eine Support- bzw. Servicefunk­ tion gegenüber dem Finanzmanagement. Unter dem Begriff „Finanzmanagement“ wird die aktive und zielgerichtete Beeinflussung der Liquidität, der Finanzierung von Investitionen und der Kapitalstruktur und -bindung verstanden. Abbildung A2.1 gibt einen Überblick über die verschiedenen Dimensionen des Finanzmanagements. Finanzmanagement

Kapitalbeschaffung Deckung des Finanzmittelbedarfs

Zahlungsstromsteuerung Sicherstellung des finanziellen Gleichgewichts der Liquidität

Kapitaldisposition Optimierung der Vermögensund Kapitalstruktur/Optimierung der Liquidität

Abb. A2.1: Dimensionen des Finanzmanagements (in Anlehnung an Deimel et al. 2013: 188ff).

Die Aufgaben des Finanzmanagements bestehen zunächst in der Deckung des Finanzmittelbedarfs, der durch die Versorgung des Unternehmens mit Kapital zur Deckung von investitionsbedingtem Finanzmittelbedarf oder durch laufende, immer wiederkehrende Zahlungsverpflichtungen (beispielsweise durch Lohn- und Gehalts­ zahlungen) entstehen kann. Zugleich ist die Sicherstellung des finanziellen Gleich­ gewichts zu beachten. Dies bedeutet, dass die Finanzströme so zu steuern sind, dass

https://doi.org/10.1515/9783110439793-003

2 Informationssysteme des finanzorientierten Controllings

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einerseits die Zahlungsfähigkeit gewährleistet ist, andererseits der Bestand an li­ quiden Mitteln nicht das notwendige Maß überschreitet. Dies wird nicht allein durch bilanzielle Größen, wie die zu einem Stichtag vorhandenen liquiden Mittel, Forderun­ gen und Verbindlichkeiten bestimmt. Vielmehr wird das finanzielle Gleichgewicht – in einer dynamischen Betrachtung – durch die betragliche und zeitliche Abstimmung von Ein- und Auszahlungsströmen beeinflusst. Darüber hinaus sind die Dispositionen bei den Finanzmitteln so vorzunehmen, dass eine optimale Finanzierung gewährleis­ tet wird. Dies kann durch eine Veränderung der Kapitalstruktur, aber auch durch eine Veränderung der Vermögensstruktur erfolgen (z. B. durch Liquidation von nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenständen). Die Ziele des Finanzmanagements liegen somit vor dem Hintergrund der per­ manenten Sicherstellung des finanziellen Gleichgewichts neben der Sicherung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens in der Optimierung der Finanzierung (vgl. Jung 2014a: 514f): – Die Liquiditätssicherung umfasst die konzeptionelle Gestaltung und Abstimmung der finanziellen Planungen und die Überwachung der kurz-, mittel- und langfristi­ gen Finanzsituation. Bei der Liquiditätssicherung ist aber auch zu beachten, dass zu hohe Liquiditätsreserven (widergespiegelt durch einen relativ hohen Liquidi­ tätsgrad) die Rentabilität des Unternehmens beeinträchtigen. Insofern ist die Li­ quiditätssicherung keine Maximierungs-, sondern eine Optimierungsaufgabe des Finanzmanagements. – Die Sicherung der Rationalität und die Koordination von Investitions- und Fi­ nanzierungsentscheidungen erfordern neben einer aktiven mehrperiodischen Finanzplanung auch die Abstimmung (auch dezentraler) Investitionsentschei­ dungen mit der Unternehmensfinanzierung. Die Optimierungsaufgabe des Fi­ nanzmanagements liegt hier in der optimalen Gestaltung der vertikalen und horizontalen Kapitalstruktur. Als nebengeordnete Ziele sind die Wahrung der Unabhängigkeit, beispielsweise gegenüber Kreditgebern, und eine hohe Anpas­ sungsflexibilität an Veränderungen der Unternehmenssituation zu beachten, bei­ spielsweise durch rückgängige Nachfrage und daraus resultierend verminderte Beschäftigung. Neben der Supportfunktion gegenüber dem Finanzmanagement dient das Finanzcon­ trolling auch der Unterstützung der externen Rechnungslegung. Zur Sicherung der Verfügbarkeit verlässlicher Informationen als Grundlage für Finanzplanung, -kontrol­ le und Rechenschaftslegung bedient sich das Finanzcontrolling verschiedener mitein­ ander vernetzter Informationssysteme. Neben den Bilanz- bzw. Bestandsrechnungen kommen hier auch die verschiedenen Formen der Kapitalflussrechnung und der Er­ folgsrechnung zum Einsatz.

26 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Die auf einen Zeitpunkt bezogenen Bilanzrechnungen mit den Rechengrößen „Vermögen“ und „Kapital“ werden durch zwei zeitraumbezogene Rechnungssysteme begleitet, die zahlungs- und erfolgswirksame Prozesse detaillierter abbilden sollen. Diese Rechnungssysteme sollen Erfolgs- und Liquiditätsbeurteilungen angemessen fundieren können. Die in den beiden Rechnungssystemen während der gewählten Abrechnungsperiode erfassten Zahlungsmittel- und Erfolgsströme verändern direkt bilanzielle Vermögens- bzw. Kapitalbestandsgrößen (vgl. Fudalla et al. 2017: 27f); Abbildung A2.2 geht von der Annahme erwirtschafteter Überschüsse aus. Aktiva Bilanzrechnung Passiva

Soll Erfolgsrechnung Haben

Aufwendungen

Eigenkapital

Erträge

Soll Finanzrechnung Haben Vermögen

Veränderungen des Eigenkapitalbestands

Auszahlungen

Jahresüberschuss (Gewinn)

Einzahlungen

Σ Einzahlungsüberschuss

Σ

Σ

Σ

VerändeFremdkapital rungen des (Schulden) Zahlungsmittelbestands Σ

Σ

Abb. A2.2: Finanz-, Bestands- und Erfolgsrechnung (in Anlehnung an Coenenberg et al. 2016c: 793; vgl. auch Klenger 1999: 94).

Die beiden ergänzenden zeitraumbezogenen Rechnungssysteme tragen den über­ geordneten Unternehmenszielen Rechnung, einerseits wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, und andererseits eine Existenzgefährdung infolge von Überschuldung, Il­ liquidität oder Insolvenz zu vermeiden (vgl. Coenenberg et al. 2016c: 8ff). Alle In­ formationssysteme haben eine überwiegend vergangenheitsorientierte Dokumen­ tationsfunktion; sie bilden das Fundament für das Finanzmanagement und für die Darlegung der Zahlungsmittel- und Erfolgsflüsse (siehe Abbildung A2.3).

2 Informationssysteme des finanzorientierten Controllings

Finanzmanagement

Entscheidungen zur zielgerichteten Kapitalbeschaffung, -disposition und Zahlungsstromsteuerung

Finanzcontrolling

entscheidungsorientierte Informationsaufbereitung

Finanz-, Bestands- und Erfolgsrechnungen

Informationssammlung und -bereitstellung

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Abb. A2.3: Informationssysteme des Finanzcontrollings (eigene Darstellung).

2.2 Bilanzrechnungen Die grundlegende Voraussetzung für eine Aufstellung einer Bilanzrechnung sind Be­ standsaufnahmen des vorhandenen Vermögens und der vorhandenen Schulden im Unternehmen (Inventur). Das Ergebnis der Inventur ist das Inventar, das wiederum Grundlage ist für eine ordnungsgemäße Bilanz. Da das Inventar als detailliertes Ver­ zeichnis aller Vermögensgegenstände und aller Schulden nach Art, Menge und Wert eine Vielzahl von Einzelpositionen ausweist, verliert es an Übersichtlichkeit und an Aussagekraft. Deshalb wird zusätzlich zum ausführlichen Inventar eine Kurzfassung erstellt, die Bilanz.

2.2.1 Beständebilanzen Die Datengrundlage für die Erstellung der Bilanz wird durch das Inventar gebildet (vgl. Baetge et al. 2017: 69ff). Der Übergang vom Inventar zur Bilanz wird dabei in drei Schritten vollzogen: 1. Gleichartige Inventarpositionen werden zu Bilanzposten gebündelt, womit sich die Anzahl der Positionen erheblich verringert. 2. Diese Bilanzposten werden nur noch mit ihrem Gesamtwert ausgewiesen, alle de­ taillierten Art- und Mengenangaben fallen in der Bilanz also weg. 3. Die im Inventar in Listenform ausgewiesenen Vermögens- und Kapitalpositionen werden in eine Kontenform (Aktiva und Passiva) übertragen.

28 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Auf der Aktivseite der Bilanz werden die unterschiedlichen Vermögensformen mit den zugehörigen Vermögenswerten ausgewiesen, auf der Passivseite die Kapitalpositio­ nen. Die Bilanz gemäß § 266 HGB soll mit ihrer zusammengefassten Gegenüberstel­ lung von Vermögen und Kapital in Kontenform „auf einen Blick“ erkennen lassen, woher das Kapital stammt und wofür es eingesetzt wurde – und somit einen schnel­ len Einblick in die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens verschaffen können (sie­ he Tabelle A2.1). Tab. A2.1: Grundstruktur einer Bilanz (in Anlehnung an Wöhe, Mock 2010: 12ff). Aktiva

Bilanz

A. Anlagevermögen B. Umlaufvermögen

A. Eigenkapital B. Fremdkapital ∑

Mittelverwendung/Investierung





Passiva

∑ Mittelherkunft/Finanzierung

Die Aktivseite weist die Verwendung der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel aus; sie gibt damit Auskunft über die Mittelverwendung oder Investierung. Bei dieser Darstellung ist gemäß § 247 HGB zwischen Anlage- und Umlaufvermö­ gen zu differenzieren. Das an erster Stelle aufzuführende Anlagevermögen (AV) umfasst diejenigen Vermögensgegenstände, die repetitiv im Produktionsprozess eingesetzt werden und der Betriebs- und Geschäftstätigkeit dauerhaft dienen sol­ len. Das Umlaufvermögen (UV) hingegen repräsentiert Vermögensgegenstände, die im Rahmen des Betriebsprozesses umgesetzt werden sollen, deren Bestand sich durch Zu- und Abgänge häufig ändert. Es kommt mithin auf die wirtschaftli­ che Zweckbestimmung an, ob ein Vermögensgegenstand zum Anlage- oder Um­ laufvermögen gerechnet werden muss. Sind Gegenstände für die Eigennutzung im Unternehmen vorgesehen, gehören sie zum Anlagevermögen; zum Verkauf oder Verbrauch bestimmte Gegenstände sind dem Umlaufvermögen zuzuordnen. Das Kriterium der Dauerhaftigkeit ist entscheidend für die Abgrenzung zwischen An­ lage- und Umlaufvermögen. Die Passivseite gibt Auskunft darüber, wer das im Unternehmen verwendete Ka­ pital (siehe Aktivseite) zur Verfügung gestellt hat. Sie zeigt also die Mittelherkunft (die Vermögensquellen) oder die Finanzierung auf. Stammen die Mittel zur Fi­ nanzierung des Vermögens aus eigener Quelle, so handelt es sich um das auf der Passivseite an erster Stelle auszuweisende Eigenkapital (EK). Handelt es sich um Mittel aus Schuldverhältnissen, so sind diese an nachfolgenden Stellen als Fremd­ kapital (FK: Rückstellungen und Verbindlichkeiten) auszuweisen.

Da lediglich die finanziellen Mittel investiert werden können, die aus Eigen- und Fremdkapitalquellen auch zur Verfügung stehen, muss entsprechend der zugrun­ de liegenden Rechenlogik des Inventars die Summe der Vermögenswerte (Summe

2 Informationssysteme des finanzorientierten Controllings

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Aktivseite) der Summe der Kapitalpositionen (Summe Passivseite) entsprechen (in Anlehnung an Wöhe, Mock 2010: 12ff): Inventaralgorithmus:

Reinvermögen = Vermögen − Schulden, d. h. Vermögen = Reinvermögen + Schulden

Bilanzgleichgewicht:

AV + UV = EK + FK

Mit der Anlehnung an die Ordnungskriterien des Inventars ergibt sich gemäß § 266 HGB die in Tabelle A2.2 dargestellte grobe Gliederung für Vermögen und Kapital in der Bilanz. Tab. A2.2: Grobgliederung der Bilanz (in Anlehnung an § 266 HGB; siehe auch Wöhe, Kuß­ maul 2018: 5f). Aktiva A. I. II. III.

Bilanz

Anlagevermögen immaterielle Vermögensgegenstände Sachanlagen Finanzanlagen

A. I. II. III. IV. V.

B. Umlaufvermögen I. Vorräte II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände III. Wertpapiere IV. Kassenbestand und Guthaben bei Kreditinstitutionen

Passiva Eigenkapital gezeichnetes Kapital Kapitalrücklagen Gewinnrücklagen Gewinn-/Verlustvortrag Jahresüberschuss/-fehlbetrag

B. Rückstellungen

C. Verbindlichkeiten

C. Rechnungsabgrenzungsposten

D. Rechnungsabgrenzungsposten ∑



Die Gliederungstiefe der Bilanz ist abhängig von der Rechtsform des Unternehmens: – Große und mittelgroße Kapitalgesellschaften (und diesen gleichgestellte Perso­ nenhandelsgesellschaften) sind gemäß § 266 (1) HGB verpflichtet, die Bilanz nach dem handelsrechtlichen Gliederungsschema des § 266 (2,3) HGB aufzustellen (zur Größendifferenzierung vgl. die Kriterien gemäß §§ 267 und 267a HGB). Kleine Ka­ pitalgesellschaften dürfen die Bilanz in Anlehnung an das handelsrechtliche Glie­ derungsschema in einer verkürzten Form aufstellen, nämlich durch Verkürzung auf die mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten Posten des § 266 (2,3) HGB (zur Größenklassenzuordnung vgl. Baetge et al. 2017: 24ff). – Für Nichtkapitalgesellschaften gibt es keine handels- oder steuerrechtlichen Bilanzgliederungsvorschriften; sie haben jedoch die Vorschriften zu Form und Inhalt einer Bilanz zu beachten, die für alle Bilanzierungspflichtigen gelten.

30 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Grundsätzlich ist die Bilanz gemäß § 243 (1) HGB nach den Grundsätzen ord­ nungsgemäßer Buchführung aufzustellen. Dabei ist u. a. zu beachten, dass der Bilanzklarheit und -übersichtlichkeit Rechnung getragen wird: Dies erfordert ge­ mäß § 247 (1) HGB eine gesonderte Ausweisung und hinreichende Aufgliederung von Vermögen, Eigenkapital und Verbindlichkeiten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Inventar und die daraus abzuleiten­ de Bilanz beide die Vermögens- und Kapitalbestände eines Unternehmens zu einem bestimmten Stichtag zeigen; sie unterscheiden sich lediglich in der Darstellungsart (siehe Tabelle A2.3). Tab. A2.3: Zentrale Unterschiede zwischen Inventar und Bilanz (in Anlehnung an Wöhe, Mock 2010: 22ff). Kriterium

Inventar

Bilanz

Detaillierungsgrad Ausweisung der einzelnen Bündelung der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden Vermögensgegenstände und Schulden Ausweisung nach Arten, Mengen, Einzel- und Gesamtwerten

Ausweisung der Bilanzposten nur zu den Gesamtwerten

Darstellungsform

Listenform

Kontenform

Darstellungsziel

Ermittlung des Reinvermögens (Eigenkapital)

Gegenüberstellung von Kapitalherkunft und Kapitalverwendung

2.2.2 Erfassung der Bestandsveränderungen Die Bilanz wird nach dem Stichtagsprinzip für einen bestimmten Zeitpunkt aufge­ stellt; unmittelbar nach diesem Zeitpunkt verändern die sich ereignenden Leistungsund Finanzprozesse die Vermögens- und/oder Kapitalbestände. Im Rahmen der dop­ pelten Buchführung in Konten (Doppik) erfolgt eine systematische Erfassung dieser Veränderungen durch deren Buchung als Geschäftsvorfälle. Die Doppik schreibt so­ mit die Bilanz innerhalb eines Geschäftsjahrs kontinuierlich fort. Die buchungstech­ nisch zu erfassenden Geschäftsvorfälle ändern immer den zahlenmäßigen Umfang bestimmter Bilanzposten, wobei entsprechend der Systematik der Doppik nach jeder Buchung eines Geschäftsvorfalls das Bilanzgleichgewicht immer erhalten bleibt. Die Bilanz ist damit sowohl Ausgangspunkt als auch Ergebnis der Doppik. Sämtliche Ge­ schäftsvorfälle lassen sich auf folgende vier Grundtypen der Bestandsveränderung zurückführen (vgl. Wöhe, Kußmaul 2018: 62ff): 1. Bei einem Aktivtausch ändern sich nur Aktivposten der Bilanz; ein Aktivposten wird vermehrt, ein anderer um den gleichen Betrag vermindert. Die Bilanzsum­ me ändert sich bei einem Aktivtausch nicht und das Bilanzgleichgewicht bleibt automatisch erhalten.

2 Informationssysteme des finanzorientierten Controllings

2.

3.

4.

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Bei einem Passivtausch ändern sich nur Passivposten der Bilanz; ein Passivposten wird vermehrt, ein anderer um den gleichen Betrag vermindert. Die Bilanzsum­ me ändert sich bei einem Passivtausch nicht und das Bilanzgleichgewicht bleibt ebenfalls erhalten. Bei einer Bilanzverlängerung (Aktiv-Passiv-Mehrung) ändern sich Aktiv- und Pas­ sivposten der Bilanz; ein Aktiv- wie auch ein Passivposten wird um den gleichen Betrag vermehrt. Die Bilanzsumme nimmt auf beiden Seiten der Bilanz um den gleichen Betrag zu, sodass auch hier das Bilanzgleichgewicht erhalten bleibt. Bei einer Bilanzverkürzung (Aktiv-Passiv-Minderung) ändern sich ebenfalls Ak­ tiv- und Passivposten der Bilanz; ein Aktiv- wie auch ein Passivposten wird um den gleichen Betrag vermindert. Die Bilanzsumme nimmt auf beiden Seiten der Bilanz um den gleichen Betrag ab, sodass das Bilanzgleichgewicht erneut erhal­ ten bleibt.

Beispiele (unter Vernachlässigung der gegebenenfalls entstehenden Umsatzsteuer): 1. Aktivtausch: Kunde begleicht Rechnung in Höhe von 5.000 € gegen Barzahlung. Veränderungen der Bestände: Forderungsbestand −5.000 € und Kassenbestand +5.000 €. 2. Passivtausch: Eine Lieferantenverbindlichkeit in Höhe von 16.000 € wird mit einem in gleicher Höhe aufgenommenen Bankkredit abgelöst („Umschul­ dung“). Veränderungen der Bestände: Bestand an Lieferantenverbindlichkei­ ten −16.000 €, Bestand an Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstitutionen +16.000 €. 3. Bilanzverlängerung: Beschaffung von Gegenständen der BGA im Wert von 8.000 € auf Ziel. Veränderungen der Bestände: BGA-Bestand +8.000 €, Bestand an Liefe­ rantenverbindlichkeiten +8.000 €. 4. Bilanzverkürzung: Ablösung einer Lieferantenrechnung in Höhe von 12.000 € per Banküberweisung. Veränderungen der Bestände: Bestand Bankguthaben −12.000 €, Bestand an Lieferantenverbindlichkeiten −12.000 €. Die vier Grundtypen von Geschäftsvorfällen machen deutlich, dass Geschäftsvorfälle den betragsmäßigen Umfang bestimmter Bilanzposten ändern (siehe Abbildung A2.4). Die Buchung der Geschäftsvorfälle innerhalb eines Geschäftsjahrs schreibt die Bilanz unter Beibehaltung des Bilanzgleichgewichts kontinuierlich fort. Bei der (doppelten) Buchung in Konten ist somit die Beantwortung der Frage, um welchen Grundtypus es sich beim jeweiligen Geschäftsvorfall handelt, unerlässlich: – Welche Bilanzposten auf der Aktiv- und/oder auf der Passivseite werden durch den Geschäftsvorfall tangiert? – Bewirkt der Geschäftsvorfall eine Mehrung oder eine Minderung bei den betroffe­ nen Bilanzposten?

32 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Arten der Bestandsveränderung Aktivtausch

Aktiv-Passiv-Mehrung

Passivtausch

Aktiv-Passiv-Minderung

Bilanzsumme bleibt unverändert

Bilanzsumme wird vermehrt/vermindert

Abb. A2.4: Bestandsveränderungsarten (in Anlehnung an Wöhe, Kußmaul 2018: 62ff).

Die Erfassung der Bestandsveränderungen in einem in sich geschlossenen Buchungs­ kreislauf der Doppik erfordert folgende systematisch aufeinander aufbauende Schrit­ te, die hier nur in Bezug auf den Bestandskontenkreislauf dargestellt sind (vgl. Coe­ nenberg et al. 2016b: 116ff): – Aufstellung der Eröffnungsbilanz: Gemäß dem in § 252 (1) HGB normierten Grundsatz der Bilanzidentität hat die Eröffnungsbilanz eines nachfolgenden Ge­ schäftsjahrs hinsichtlich der Bezeichnung der Bilanzpositionen und der einzel­ nen Positionswerte mit denen der Schlussbilanz des vorhergehenden Geschäfts­ jahrs übereinzustimmen. – Für jeden in der Eröffnungsbilanz ausgewiesenen Bilanzposten ist mindestens ein Bestandskonto zu eröffnen. Bestandskonten sind Einzelabrechnungen der ver­ schiedenen Bilanzpositionen; da sie i. d. R. in der Form eines „T“ geführt werden, hat sich die Bezeichnung „T-Konten“ etabliert. – Die Buchung der Anfangsbestände in die aktiven und passiven Bestandskonten erfolgt mithilfe des Eröffnungsbilanzkontos, das (im Vergleich zur Eröffnungs­ bilanz spiegelverkehrt) alle zu eröffnenden Bestandskonten ausweist. Das Er­ öffnungsbilanzkonto hat keine weiterführende materielle Bedeutung, es dient lediglich zur formalen buchungstechnischen Eröffnung der aktiven und passiven Bestandskonten. – Buchung aller sich im Verlaufe des Geschäftsjahrs ereignenden Geschäftsvorfäl­ le entsprechend ihrer Bestandsveränderungen in den aktiven und passiven Be­ standskonten – Saldierung der Bestandskonten zum Ende des Geschäftsjahrs und Abstimmung der Buchbestände mit den Inventurbeständen; sollten zwischen Buch- und Inven­ turbestand Differenzen auftreten (beispielsweise durch Schwund, Verderb, Dieb­ stahl), bedarf die Buchführung einer nachträglichen Korrektur, da die Istbestän­ de in jedem Falle maßgeblich sein müssen. Die Sollbestände werden dann durch Korrekturbuchungen an die Istbestände angeglichen. – Buchung der (tatsächlichen) Schlussbestände in das Schlussbilanzkonto als gemeinsames Abschlusskonto und Überführung des Schlussbilanzkontos in die Schlussbilanz

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Damit ergibt sich ein geschlossener (doppischer) Buchungskreislauf vom Eröffnungsbis zum Schlussbilanzkonto. Ausgangspunkt (Eröffnungsbilanz), Ergebnis (Schlussbi­ lanz) und gegebenenfalls aus dem System der Doppik abgeleitete Zwischenergebnisse (z. B. in Form einer Bilanz für das erste halbe Geschäftsjahr) sind Beständebilanzen, die Vermögens- und Kapitalbestände gemäß Stichtagsprinzip zu einem bestimmten Zeitpunkt offenlegen.

2.2.3 Analyseansätze und zentrale Erkenntniswerte Die Grundlage für die Erstellung einer Bilanzanalyse ist eine Aufbereitung der Be­ ständebilanzen; diese Aufbereitung erfolgt durch eine Bündelung art- und fristglei­ cher Bilanzpositionen nach dem in Tabelle A2.4 dargestellten Schema. Tab. A2.4: Schema der Bilanzaufbereitung (in Anlehnung an Wöhe, Döring 2013: 852). Aktiva A. B. I. II. III.

Anlagevermögen Umlaufvermögen Mittel 1. Grades Mittel 2. Grades Mittel 3. Grades

aufbereitete Bilanz zum . . . ∑ ∑ ∑ ∑ ∑

A. B. I. II. III.

Eigenkapital Fremdkapital langfristiges FK mittelfristiges FK kurzfristiges FK

Passiva ∑ ∑ ∑ ∑ ∑

Flüssige Mittel (Mittel 1. Grades) sind Gegenstände des Umlaufvermögens, die bereits in der Form liquider Mittel bestehen oder nahezu ohne Zeitverzug in diese umgesetzt werden können, wie beispielsweise Kassenbestände, Bankguthaben oder Wertpapie­ re. Mittel 2. Grades sind Gegenstände des Umlaufvermögens, die keine flüssigen Mit­ tel darstellen, aber innerhalb einer Frist von ca. drei Monaten in liquide Mittel um­ gesetzt werden können, wie z. B. Forderungen aLuL oder Steuerüberzahlungen. Die übrigen Gegenstände des Umlaufvermögens (Mittel 3. Grades) können i. d. R. nicht innerhalb einer Frist von ca. drei Monaten in liquide Mittel umgesetzt werden. Bei der Zuordnung der einzelnen Bilanzpositionen ist nach dem Prinzip der Vorsicht zu verfahren, d. h. im Zweifel ist der höhere Mittelgrad anzunehmen. Das kurzfristige Fremdkapital zeichnet sich durch einen Fälligkeitszeitraum von ca. drei Monaten aus. Hierzu gehören Kontokorrentschulden, Verbindlichkeiten aLuL oder Verbindlichkei­ ten aus Umsatzsteuern. Mittelfristiges Fremdkapital weist eine Fälligkeit von ca. vier bis zwölf Monaten aus, während langfristiges Fremdkapital mit den zugehörigen Zah­ lungsströmen nicht innerhalb eines Jahres fällig wird, wie z. B. Pensionsrückstellun­ gen oder langfristige Darlehensschulden. Bei der Zuordnung der einzelnen Bilanzpo­ sitionen ist ebenfalls nach dem Prinzip der Vorsicht zu verfahren, d. h. im Zweifel ist

34 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

die niedrigere Fälligkeit anzunehmen; aus diesem Grunde wird mittelfristiges Fremd­ kapital häufig direkt dem kurzfristigen zugerechnet (vgl. Wöhe, Döring 2013: 851ff). Die so aufbereitete Bilanz ist nochmals übersichtlicher und lässt mit der Ermitt­ lung verschiedener zentraler Bilanzkennzahlen (siehe Tabelle A2.5) einen ersten Einblick in die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens zu (vgl. Jung 2016: 1070ff): – Als vertikale Bilanzkennzahlen lassen sich Eigenkapitalquote und Verschul­ dungsgrad als Maße für die finanzielle Unabhängigkeit und die Kreditwürdigkeit des Unternehmens sowie die Anlagenintensität als Maß für die Beurteilung der Fixkostenintensität und der Anpassungsfähigkeit des Unternehmens an unter­ schiedliche Beschäftigungen ableiten. – Als horizontale Bilanzkennzahlen lassen sich die Anlagendeckungsgrade als Ma­ ße für die Finanzierungssicherheit des AV sowie die (statischen) Liquiditätsgrade als Maße für die Zahlungsfähigkeit ermitteln. Tab. A2.5: Beispiele für die zentralen Bilanzkennzahlen (in Anlehnung an Wöhe et al. 2016a: 831ff). Eigenkapitalquote:

Eigenkapital ⋅ 100 % Gesamtkapital

Fremdkapitalquote:

Fremdkapital ⋅ 100 % Gesamtkapital

Verschuldungsgrad:

Fremdkapital ⋅ 100 % Eigenkapital

Anlagenintensität:

Anlagevermögen ⋅ 100 % Gesamtvermögen

Anlagendeckungsgrad I:

Eigenkapital ⋅ 100 % Anlagevermögen

Anlagendeckungsgrad II:

[Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital] ⋅ 100 % Anlagevermögen

Barliquidität (Liquidität I):

flüssige Mittel ⋅ 100 % kurzfristiges Fremdkapital

Liquidität II:

[flüssige Mittel + Forderungen] ⋅ 100 % kurzfristiges Fremdkapital

Liquidität III:

gesamtes Umlaufvermögen ⋅ 100 % kurzfristiges Fremdkapital

Die spezifischen Aussagewerte der ermittelten Kennzahlen ergeben sich letztlich erst durch einen Zeit- und/oder Unternehmensvergleich. Es ist also ein Vergleich mit den Kennzahlen einer Rechnungsperiode mit denen einer (oder mehrerer) Referenzpe­ riode(n) des eigenen Unternehmens oder ein Vergleich mit den durchschnittlichen Kennzahlen der jeweiligen Branche erforderlich (vgl. Fudalla et al. 2017: 225ff). Als grobe Finanzierungsregeln dürfen folgende Richtwerte für ausgewählte Bi­ lanzkennzahlen gelten, wobei die jeweilige Branchenzugehörigkeit sowie unterneh­

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mensindividuelle Spezifika durchaus Abweichungen begründen können (vgl. Wöhe, Döring 2013: 605ff): – Der Anlagendeckungsgrad I sollte nach idealtypischer Vorstellung 100 % betra­ gen, um eine sichere Finanzierung des Vermögensteils zu gewährleisten, der die wesentliche Grundlage für die Betriebs- und Geschäftstätigkeit darstellt (nämlich des Anlagevermögens). Die sogenannte „goldene Bilanzregel“ besagt, dass das langfristige Vermögen auch langfristig finanziert sein sollte. Berücksichtigt man hier nicht nur das Eigenkapital, sondern auch das langfristige Fremdkapital (An­ lagendeckungsgrad II), sollte die Kennzahl deutlich über 100 % liegen. – Die Liquidität 2. Grades (Liquidität II) sollte zu einem bestimmten Zeitpunkt und vor dem Hintergrund des vorhandenen Geldvermögens und der bestehenden Zah­ lungsverpflichtungen (als relative Liquidität) im Interesse der Sicherstellung der Zahlungsbereitschaft des Unternehmens zumindest 100 % betragen (vgl. Deimel et al. 2013: 193). Dabei wird davon ausgegangen, dass sich die Fälligkeiten der Mit­ tel 2. Grades und des kurzfristigen Fremdkapitals im Regelfall ausgleichen. – Unter Risikoaspekten sollte die Eigenkapitalquote hoch genug sein, um nicht kurzfristig als Folge erwirtschafteter Verluste in die Gefahr der Überschuldung zu geraten. Die Mehrzahl deutscher Industrieunternehmen weist eine Eigenka­ pitalquote in der Spanne von 25 % bis 40 % auf. Der Verschuldungsgrad zeigt die Relation von Fremdkapital zu Eigenkapital an und gibt damit Auskunft über die Finanzierungsstruktur. Eine sich in der Praxis herausgebildete grobe Regel besagt, dass der Verschuldungsgrad nicht höher sein sollte als 200 %, also das Fremdkapital nicht mehr als das Doppelte des Eigenkapitals betragen sollte. Die Fremdkapitalquote als alternative Kennzahl für die Betrachtung der Finanzie­ rungsstruktur sollte damit bei vereinfachter Berechnung nicht mehr als 67 % betragen. Eine hohe Eigenkapitalquote dient zwar den Zielen der Sicherheit und der finanziellen Unabhängigkeit, steht aber im Konflikt mit dem Streben nach ei­ ner hohen Eigenkapitalrentabilität. Da die Höhe der Eigenkapitalrentabilität ab­ hängig ist von der Höhe des Verschuldungsgrads (sogenannter Leverage-Effekt), muss das Finanzmanagement eine optimale Kapitalstruktur anstreben, die nur unternehmensindividuell bestimmt werden kann (vgl. Bitz et al. 2014: 519ff; vgl. Beißer 2014: 989). Eine Beständebilanz, die Vermögens- und Kapitalbestände (nur) zu einem bestimm­ ten Zeitpunkt ausweist, kann keine Planungsgrundlage hinsichtlich der Mittelher­ kunft (Woher sollen in der kommenden Abrechnungsperiode die einzusetzenden Mittel stammen?) und der Mittelverwendung (Wofür sollen die zufließenden Mittel eingesetzt werden?) liefern. Eine solche Planungsgrundlage kann die Bewegungsbi­ lanz bieten, die zwei aufeinanderfolgende Beständebilanzen (beispielsweise aktuelle Bilanz und Planbilanz) miteinander vergleicht, indem die betragsmäßigen Bewegun­ gen in den einzelnen Bilanzpositionen aufgedeckt werden. Damit lässt sich zugleich die Höhe des Kapitalbedarfs aus den geplanten Vermögensumschichtungen rekon­

36 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

struieren. Die Bewegungsbilanz zielt auf die Offenlegung von Herkunft und Verbleib der Finanzierungsmittel eines Geschäftsjahrs, ist also Instrument zur Beurteilung der Finanzierungsvorgänge und der Liquiditätspolitik eines Unternehmens. Auf der Grundlage der beiden aufbereiteten Beständebilanzen wird die Bewegungsbilanz erstellt, wobei folgende Bewegungen grundsätzlich denkbar sind (vgl. Coenenberg et al. 2016c: 809ff): – Zu- bzw. Abnahme von Aktivpositionen – Zu- bzw. Abnahme von Passivpositionen Überträgt man diese möglichen Bewegungen in die bilanzielle Systematik von Mittel­ herkunft und Mittelverwendung, ergibt sich die an Tabelle A2.6 ablesbare Grundstruk­ tur für die Bewegungsbilanz. Tab. A2.6: Schema der Bilanzbewegungen (in Anlehnung an Jung 2016: 1058). Mittelverwendung I. II.

Bewegungsbilanz

Zunahme Aktiva (Investition) Abnahme Passiva (Definanzierung)

∑ ∑

I. II.

Mittelherkunft

Zunahme Passiva (Finanzierung) Abnahme Aktiva (Desinvestition)



∑ ∑ ∑

Aus einer Nettobewegungsbilanz lassen sich erste Rückschlüsse ableiten, welche Finanzierungsvorgänge in der geplanten Abrechnungsperiode zur Sicherung der Li­ quidität beitragen. Allerdings lässt die Nettobewegungsbilanz nicht alle Finanzie­ rungsvorgänge erkennen, da interne Finanzierungen nicht aufgedeckt werden. Die Nettobewegungsbilanz verrechnet Mittelfreisetzungen durch Abschreibung und Ver­ mögensliquidation mit Mittelbindungen durch Vermögenszugang. Die Bruttobewe­ gungsbilanz hingegen legt auch diese internen Finanzierungsvorgänge offen (siehe Tabelle A2.7). Tab. A2.7: Schema der Bruttobewegungsbilanz (in Anlehnung an Bitz et al. 2014: 589ff). Mittelverwendung I. II.

Zunahme Aktiva Abnahme Passiva

Bewegungsbilanz ∑ ∑ ∑

I. II. III.

interne Finanzierung Zunahme Passiva Abnahme Aktiva

Mittelherkunft ∑ ∑ ∑ ∑

Damit lassen sich die durch die Investitionen im Anlagevermögen zusätzlichen Mittel­ bindungen rekonstruieren sowie beispielsweise der Finanzierungsanteil der Abschrei­ bungen ausweisen (in Anlehnung an Wöhe, Döring 2013: 859f):

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− = − =

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AV-Zugänge der Rechungsperiode AV-Zugänge der Rechungsperiode Nettozugang (Nettoinvestitionen) der Periode Finanzierung aus Abschreibungen zusätzliche Mittelbindung im AV

Finanzierungsanteil der Abschreibungen Finanzierungsanteil:

Abschreibungsbetrag ⋅ 100 % Nettoinvestitionen

2.3 Erfolgsrechnungen Es ist ein Wesensmerkmal eines Unternehmens, durch Leistungserstellung und Leis­ tungsverwertung, also durch einen bewussten Werteverzehr, einen höheren Wertezu­ fluss als Ergebnis dieser Prozesse zu erreichen. Die entscheidende Größe für die Be­ urteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stellt der Unternehmenserfolg dar (vgl. Jung 2016: 1076ff). Daneben ist der Unternehmenserfolg grundlegender Maßstab für die Ausschüttungsbemessung und für die Besteuerung.

2.3.1 Rechnungszwecke Das zentrale Rechnungsziel der Erfolgsrechnungen besteht in der Ermittlung des Er­ folgs eines Unternehmens in einer bestimmten Abrechnungsperiode (i. d. R. ein Ge­ schäftsjahr). Sofern die Zahlungs- und die Erfolgswirksamkeit eines Geschäftsvorfalls zeitlich auseinanderfallen und unterschiedlichen Abrechnungszeiträumen zuzuord­ nen sind, ist eine zeitliche Erfolgsabgrenzung erforderlich (vgl. Baetge et al. 2017: 539ff). Nur damit ist gewährleistet, dass Aufwendungen und Erträge genau der Ge­ schäftsperiode ihrer Verursachung zugerechnet werden: – Erfolgt im vorhergehenden Geschäftsjahr ein ausgabe- oder einnahmewirksamer Zahlungsvorgang, der (in voller Höhe oder anteilig) aufwands- oder ertragsmä­ ßig dem nachfolgenden Geschäftsjahr für eine (kalendermäßig) bestimmte Zeit zuzuordnen ist, muss die Erfolgswirkung dieses Zahlungsvorgangs durch die Bil­ dung eines transitorischen Postens der Jahresabgrenzung in das nachfolgende Geschäftsjahr transferiert werden. Diese Posten der Rechnungsabgrenzung wer­ den gemäß § 266 (2,3) HGB als letzte Positionen auf der Aktiv- bzw. Passivseite der Bilanz ausgewiesen. – Eine Jahresabgrenzung zur periodengerechten Erfolgsermittlung ist auch dann erforderlich, wenn dem abzuschließenden Geschäftsjahr noch Erträge oder Auf­

38 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

wendungen zugerechnet werden müssen, die aufgrund eines noch nicht erfolg­ ten Zahlungsvorgangs noch nicht gebucht werden konnten. Erfolgt also (voraus­ sichtlich) im nachfolgenden Geschäftsjahr ein ausgabe- oder einnahmewirksamer Vorgang, der (in voller Höhe oder anteilig) aufwands- oder ertragsmäßig dem vor­ hergehenden Geschäftsjahr zurechnen ist, muss die Erfolgswirkung des erwar­ teten Zahlungsvorgangs durch die Bildung eines antizipativen Postens der Jah­ resabgrenzung für das vorhergehende Geschäftsjahr vorweggenommen werden. Diese Posten der Rechnungsabgrenzung sind gemäß § 266 (2,3) HGB als sonsti­ ger Vermögensgegenstand auf der Aktivseite bzw. als sonstige Verbindlichkeit auf der Passivseite der Bilanz auszuweisen. Nicht allen Aufwendungen, die erst nach Abschlussstichtag zu Ausgaben führen, liegt eine an diesem Stichtag feststehen­ de Verbindlichkeit zugrunde. Für diese Verbindlichkeiten, die zwar dem Grunde, aber nicht der Höhe bzw. der Fälligkeit nach feststehen, ist eine Rückstellung zu bilden (vgl. § 249 HGB). Zudem haben die Erfolgsrechnungen das Ziel, Transparenz über die Erfolgsquellen eines Unternehmens herzustellen; dabei sollen die Veränderungen des Erfolgspoten­ zials im Zeitverlauf quantifiziert und die Ursachen der Veränderungen herausgestellt werden. Darüber hinaus stellen sie die Datengrundlage für die Ermittlung von Renta­ bilitätskennzahlen (vgl. Jung 2016: 1080ff). Da neben der Bilanz die Erfolgsrechnungen in Form der Gewinn- und Verlustrech­ nung (GuV) den zweiten zentralen Bestandteil des Jahresabschlusses darstellen, sol­ len die unterschiedlichen Verfahren der GuV im Mittelpunkt der weiteren Ausführun­ gen stehen.

2.3.2 Grundlegende Formen der Erfolgsrechnung Da mit einem Werteverzehr bzw. -zuwachs i. d. R. auch eine Veränderung von Bilanz­ positionen einhergeht (beispielsweise beim Verbrauch von Rohstoffen), kann die GuV als vertiefende Ergänzungsrechnung zur Bilanzrechnung aufgefasst werden. Die hier zu erfassenden betrieblich verursachten Eigenkapitaländerungen werden in der Doppik als Erfolgsvorgänge auf Erfolgskonten gebucht. Die betrieblich verursach­ ten Eigenkapitaländerungen können in einer Eigenkapitalmehrung oder -minderung bestehen: Betrieblich verursachte Eigenkapitalmehrungen bezeichnet man als Erträ­ ge, betrieblich verursachte Eigenkapitalminderungen als Aufwendungen. Da diese Erfolgsvorgänge jedenfalls das Eigenkapital ändern, sind die Erfolgskonten als Unter­ konten des passiven Bestandskontos „Eigenkapital“ zu behandeln. Dies hat gegen­ über der direkten Buchung auf dem Eigenkapitalkonto zwei wesentliche Vorteile (vgl. Wöhe, Kußmaul 2018: 77ff): 1. Das Eigenkapitalkonto bleibt auch in Anbetracht der Vielzahl der Erfolgsvorgänge übersichtlich, da diese in Unterkonten gebucht werden.

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2.

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39

Die zentralen Erfolgsquellen (wesentliche Aufwands- und Ertragsarten) werden mit ihren Erfolgsbeiträgen direkt sichtbar.

Die Anzahl und die inhaltliche Abgrenzung der Erfolgskonten hängen von der un­ ternehmensspezifischen Betriebs- und Geschäftstätigkeit sowie vom jeweiligen Infor­ mationsbedarf des Unternehmens ab. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jede Aufwands- und jede Ertragsart die Einrichtung mindestens eines Erfolgskontos ver­ langt. Dieser Erfolgskontenkreislauf wird als zweiter Buchungskreislauf bezeichnet. Als Bindeglied zwischen dem ersten und dem zweiten Buchungskreislauf fungiert das passive Bestandskonto „Eigenkapital“. Die Aufwands- und Ertragskonten haben als Unterkonten des passiven Bestands­ kontos „Eigenkapital“ keine Anfangsbestände und werden als Erfolgskonten über ein eigenes Abschlusskonto, dem Gewinn- und Verlustkonto (GuVK), abgeschlossen. Ist die Summe der Aufwendungen größer als die Summe der Erträge, handelt es sich um einen Verlustsaldo; sofern die Summe der Erträge größer als die Summe der Auf­ wendungen ist, liegt ein Gewinnsaldo vor. Dieser Saldo aus dem GuVK wird als zu­ sammengefasste Eigenkapitalmehrung (Gewinn) oder als zusammengefasste Eigen­ kapitalminderung (Verlust) in das passive Bestandskonto Eigenkapital gebucht (siehe Tabelle A2.8). Tab. A2.8: GuV in Kontenform (in Anlehnung an Wöhe, Kußmaul 2018: 80). S

GuV-Konto

alle Salden aus Aufwandskonten Saldo: EK (Gewinn)

H alle Salden aus Ertragskonten



S

GuV-Konto

alle Salden aus Aufwandskonten ∑

H

alle Salden aus Ertragskonten Saldo: EK (Verlust) ∑



Diese Kontoform der GuV ist allerdings ausschließlich im Jahresabschluss von Per­ sonengesellschaften zulässig. Zudem müssen Personengesellschaften ihre GuV (wie auch die Bilanz) im Normalfall nicht veröffentlichen. Für Kapitalgesellschaften gilt grundsätzlich eine Publizitätspflicht, allerdings bestehen größenabhängige Erleichte­ rungen. Demnach müssen beispielsweise kleine Kapitalgesellschaften lediglich eine verkürzte GuV mit einem sogenannten Rohergebnis ohne Publizitätspflicht erstellen, während große Kapitalgesellschaften eine vollständige GuV zu veröffentlichen haben (vgl. Baetge et al. 2017: 610ff). Den Kapitalgesellschaften ist gemäß § 275 (1) HGB die (inventarähnliche) Staffel­ form zwingend vorgeschrieben. Eine solche GuV nimmt eine Ordnung der Erfolgsvor­ gänge nach ihrer Wirkung in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen vor, listet einzelne Ertrags- und Aufwandspositionen untereinander auf und bildet durch Verrechnung wirkungsgleicher Erträge und Aufwendungen verschiedene Teilergebnisse (siehe Ta­ belle A2.9).

40 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Tab. A2.9: GuV-Grundmuster in Staffelform (hier nach GKV, in Anlehnung an Bitz et al. 2014: 312ff). + ± + + = − = − − − + − = ± − =

Umsatzerlöse Bestandsveränderungen aktivierte Eigenleistungen sonstige betriebliche Erträge betriebsgewöhnliche Erträge Materialaufwand Rohergebnis Personalaufwand Abschreibungen sonstige betriebliche Aufwendungen Finanzerträge Finanzaufwendungen Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit außerordentliches Ergebnis Steuern Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag

Betriebsergebnis (BE)

Finanzergebnis

Das Grundmuster zeigt, dass die Verrechnung der Erträge und Aufwendungen aus dem üblichen Betriebsprozess das Betriebsergebnis hervorbringt. Die Verrechnung der Finanzerträge und -aufwendungen ergibt das Finanzergebnis. Aus dem Betriebsund dem Finanzergebnis resultiert das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit. Durch Verrechnung dieses Ergebnisses mit dem außerordentlichen Ergebnis (das auf die Verrechnung der außerordentlichen Erträge mit den außerordentlichen Aufwen­ dungen zurückgeht) und den Steuerzahlungen ergibt sich als Gesamtergebnis der Jah­ resüberschuss bzw. der Jahresfehlbetrag. Bei der Erstellung der GuV besteht ein grundsätzliches Saldierungsverbot, d. h. wesensgleiche Positionen (wie beispielsweise Zinserträge und Zinsaufwendungen) dürfen in der GuV entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Vollständigkeit, Klarheit und Übersichtlichkeit nicht miteinander verrechnet werden. Ausgenommen hiervon sind die sogenannten internen Saldierungen, wie z. B. gewährte Preisnachläs­ se, die den Umsatzerlös direkt mindern dürfen. Zudem dürfen kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften gemäß § 276 (1) HGB einzelne Positionen miteinander zu einem Rohergebnis verrechnen. Da die GuV in Staffelform gemäß § 275 (1) HGB nach zwei verschiedenen Verfah­ ren – nach dem Gesamtkostenverfahren (GKV) oder nach dem Umsatzkostenverfah­ ren (UKV) – aufgestellt werden kann, werden diese beiden Formen der Erfolgsrech­ nung mit ihren spezifischen Erfolgsausweisen hier näher betrachtet (vgl. hierzu auch Kesten 2015: 690ff).

2 Informationssysteme des finanzorientierten Controllings

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2.3.3 Erfolgsrechnungen nach Gesamt- und Umsatzkostenverfahren Die beiden Verfahren kommen zu denselben Teilergebnissen und zu demselben Ge­ samtergebnis (vgl. § 275 (2,3) HGB). Sie unterscheiden sich lediglich in der Form der Darstellung des Betriebsergebnisses; im GKV erfolgt diese Darstellung in den Positio­ nen 1 bis 8, im UKV in den Positionen 1 bis 7 (siehe Tabelle A2.10). Tab. A2.10: GuV in Staffelform nach GKV und nach UKV: Darstellung des BEs (in Anlehnung an Baet­ ge et al. 2017: 606f). Nr. GKV

Nr. UKV

1. 2.

1. + Umsatzerlöse 2. − Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachter Leistungen 3. = Bruttoergebnis vom Umsatz 4. − Vertriebskosten 5. − allgemeine Verwaltungskosten 6. + sonstige betriebliche Erträge

+ Umsatzerlöse ± Bestandsveränderungen

3. + andere aktivierte Eigenleistungen 4. + sonstige betriebliche Erträge 5. Materialaufwand 5. a) − Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren 5. b) − Aufwendungen für bezogene Leistungen 6. Personalaufwand 6. a) − Löhne und Gehälter 6. b) − Sozialabgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung, davon für Altersversorgung 7. Abschreibungen 7. a) − Abschreibungen auf immaterielle Gegenstände des Anlagevermögens und des Sachanlagevermögens sowie auf aktivierte Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs 7. b) − Abschreibungen auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, soweit diese die in der Kapitalgesellschaft üblichen Abschreibungen überschreiten 8. − sonstige betriebliche Aufwendungen = Betriebsergebnis

7. − sonstige betriebliche Aufwendungen

= Betriebsergebnis

42 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Ab den Positionen 9 des GKV und 8 des UKV sind beide Verfahren identisch (siehe Tabelle A2.11). Tab. A2.11: GuV in Staffelform nach GKV und nach UKV: weitere Ergebnisdarstellungen (in Anlehnung an Bitz et al. 2014: 310ff). GKV UKV Betriebsergebnis + + + − −

Erträge aus Beteiligungen* Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens* + sonstige Zinsen und ähnliche Erträge* Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens* Zinsen und ähnliche Aufwendungen*

=

= Finanzergebnis = Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit + außerordentliche Erträge − außerordentliche Aufwendungen = außerordentliches Ergebnis − Steuern von Einkommen und Ertrag − sonstige Steuern = Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag * Davon-Vermerke: aus verbundenen Unternehmen bzw. an verbundene Unternehmen

In der Staffelform sind per Nummerierung als Zwischenergebnisse das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und das außerordentliche Ergebnis sowie als Ge­ samtergebnis der Jahresüberschuss bzw. der Jahresfehlbetrag vorgesehen. Der Aus­ weis des Betriebs- und Finanzergebnisses ist per Nummerierung in der Staffelform nicht vorgeschrieben. Daneben dürfen bestimmte Posten des Betriebsergebnisses zu einem sogenannten Rohergebnis zusammengefasst werden (siehe Tabelle A2.12).

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Tab. A2.12: GuV in Staffelform nach GKV und nach UKV: Rohergebnis (in Anlehnung an Baetge et al. 2017: 617f). Nr. GKV

Nr. UKV

1. 2.

+ ±

Umsatzerlöse Bestandsveränderungen

1. 2.

+ −

3. 4. 5. 5. a)

+ +

3. 6.

= +

5. b)



andere aktivierte Eigenleistungen sonstige betriebliche Erträge Materialaufwand Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren Aufwendungen für bezogene Leistungen

Umsatzerlöse Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachter Leistungen Bruttoergebnis vom Umsatz Sonstige betriebliche Erträge

=

Rohergebnis



=

Rohergebnis

Mit den unterschiedlichen Darstellungen des Betriebsergebnisses entwerfen GKV und UKV unterschiedliche Bezüge zu den Kosten- und Leistungsrechnungen (vgl. Eber­ lein 2010: 152ff; vgl. Götze 2010: 132ff): – Das GKV (siehe § 275 (2) HGB) intendiert mit seiner Darstellung des Betriebser­ gebnisses eine Gegenüberstellung der Gesamtleistung einer Abrechnungsperiode und der gesamten Aufwendungen. Dabei werden die Aufwendungen in Anleh­ nung an die eingesetzten Produktionsfaktoren nach Aufwandsarten gegliedert. Diese produktionsfaktorbezogene Gliederung ist typisch für die Kostenarten­ rechnung, womit sich eine Vernetzung mit der ersten Stufe traditioneller Kostenund Leistungsrechnung ergibt (siehe Tabelle A2.13). Tab. A2.13: Mengengerüst des GKV (in Anlehnung an Eberlein 2010: 152ff). Pos.

Darstellung des Betriebsergebnisses nach GKV

1 2 3 4

± + +

Absatzleistung Lagerleistung innerbetriebliche Leistung sonstige Leistung

Gesamtleistung der Abrechnungsperiode

5 6 7 8

− − − −

Materialaufwand Personalaufwand Abschreibungen sonstiger Aufwand

Gesamtaufwand der Abrechnungsperiode

=

Betriebsergebnis (BE)

44 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis



Das UKV (siehe § 275 (3) HGB) zielt mit seiner Darstellung des Betriebsergebnis­ ses auf eine Gegenüberstellung von Umsatzerlösen (als zentrale Leistungsart) und den hierfür eingesetzten Herstellkosten als zentralen Kosteneinsatz. Deshalb wer­ den hier die Aufwendungen nicht nach den Aufwandsarten, sondern als Kosten nach den Verursachungsbereichen gegliedert, wie es in der Kostenstellenrech­ nung als zweite Stufe traditioneller Kosten- und Leistungsrechnung üblich ist (siehe Tabelle A2.14).

Tab. A2.14: Mengengerüst des UKV (in Anlehnung an Eberlein 2010: 152ff). Pos.

Darstellung des Betriebsergebnisses nach UKV

1 2 3 4 5

− = − −

Absatzleistung Herstellkosten der Absatzleistung Bruttoergebnis Vertriebskosten allgemeine Verwaltungskosten

6 7

+ −

sonstige betriebliche Erträge sonstige betriebliche Aufwendungen

=

Betriebsergebnis (BE)

} } } } } } } }Bezug zur Absatzmenge } } } } } } }

Während sich das UKV mit den zentralen Positionen von vornherein auf die abgesetzte Menge bezieht, werden im GKV alle Aufwendungen erfasst, unabhängig davon, ob die hervorgebrachten Leistungen am Markt abgesetzt wurden. Damit sich in der GuV nach GKV die Aufwendungen und die Leistungen auf das gleiche Mengengerüst (nämlich auf die gesamte Herstellmenge) beziehen, benötigt das GKV zwei Korrekturposten: Zur Erfassung der Lagerleistungen dient Position 2 (Bestandsveränderungen), zur Erfas­ sung der innerbetrieblichen Leistungen wird Position 3 (andere aktivierte Eigenleis­ tungen) herangezogen. Da die Erfolgsvorgänge in der Doppik im Interesse der Klarheit und Übersichtlich­ keit in einem möglichst differenzierten Erfolgskontensystem erfasst werden, bedarf es bei der Erstellung der GuV der Überführung der vielfältigen Aufwands- und Ertrags­ arten in die GuV einer positionsgerechten Zuordnung der einzelnen Aufwendun­ gen und Erträge. Insoweit die Zuordnung wahlweise erfolgen kann, ist aufgrund pe­ riodenübergreifender Vergleichbarkeit der Grundsatz der Stetigkeit zu beachten. Die grundlegenden Zuordnungen werden im Folgenden ausgehend vom GKV dargelegt (vgl. Baetge et al. 2017: 620ff): – Position 1 (Umsatzerlöse) nach GKV und nach UKV sind namentlich und auch betraglich identisch: Hier sind gemäß § 277 (1) HGB die betriebstypischen Net­ toerlöse unter Abzug der gewährten Preisnachlässe auszuweisen. Nicht betriebs­ typische Erträge, wie beispielsweise Erträge aus der Vermietung von Werkswoh­ nungen oder Erträge aus dem Kantinenbetrieb, dürfen hier nicht ausgewiesen

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werden; Gleiches gilt für Erträge aus der Liquidation von technischen Anlagen. Diese Erträge sind unter Position 4 des GKV bzw. unter Position 6 des UKV (sons­ tige betriebliche Erträge) aufzuführen. Unter Position 2 (Bestandsveränderungen) nach GKV sind die Bestandsverände­ rungen bei den UFE und bei den FE, bewertet zu den Herstellungskosten, auszu­ weisen. Dabei sind Abschreibungen nur insoweit zu berücksichtigen, als sie die übliche Höhe nicht überschreiten. Eine aufzuführende Bestandsminderung hat einen Aufwandscharakter und geht auf eine im Vergleich zur Produktionsmenge höhere Absatzmenge zurück. Umgekehrt geht eine auszuweisende Bestandsmeh­ rung auf eine im Vergleich zur Produktionsmenge geringere Absatzmenge zurück; die erbrachte Lagerleistung ist als Ertrag einzustufen. Position 3 (andere aktivierte Eigenleistungen) entspricht einer auszuweisen­ den Bestandsmehrung in Bezug auf Leistungen, die von vornherein nicht für den Absatz bestimmt sind. Zu solchen zu aktivierenden Eigenleistungen gehören bei­ spielsweise Großreparaturen oder selbst erstellte Sachanlagen. Position 4 (sonstige betriebliche Erträge) nach GKV und die gleichnamige Po­ sition 6 nach UKV stimmen mit den hier zu erfassenden Erträgen grundsätzlich überein. Diese Sammelposition umfasst alle Erträge, die zwar betriebsüblich sind, aber nicht den vorgenannten drei GKV-Positionen zurechenbar sind und zudem weder außerordentliche noch Finanzerträge darstellen. Klassische Beispiele für solche Erträge sind Erträge aus dem Kantinenbetrieb, Erträge aus der Liquidati­ on von technischen Anlagen, Erträge aus Wechselkursgewinnen, Erträge aus Zu­ schreibungen auf Anlage- oder Umlaufvermögen oder Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen. Unter Position 5 (Materialaufwand) nach GKV sind einerseits unabhängig des Einsatzbereichs alle Aufwendungen für die RHB und für die bezogenen Waren auf­ zuführen, und zwar unter Berücksichtigung der üblichen Abschreibungen (ins­ besondere übliche Inventurdifferenzen aufgrund irregulärer Bestandsminderun­ gen). Andererseits werden hier die Aufwendungen für bezogene Leistungen mit materialähnlichem Charakter erfasst; hierzu gehören beispielsweise die Aufwen­ dungen für bezogene Montagearbeiten oder für bezogene Musterobjekte. Insofern der Dienstleistung der Materialcharakter fehlt, ist der entsprechende Aufwand in Position 8 des GKV (sonstige betriebliche Aufwendungen) zu erfassen. In Position 6 (Personalaufwand) nach GKV finden sich alle Personalaufwendun­ gen des Unternehmens, die auf Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen und Ta­ rifverträge zurückgehen. Daneben sind hier auch die Sozialabgaben sowie die Aufwendungen für die Altersversorgung (z. B. aufgrund von Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen) aufzuführen. Zusätzliche Aufwendungen, die keine di­ rekten Lohn- und Gehaltsbestandteile sind (wie beispielsweise die Erstattung von Fahrtkosten), sind in Position 8 des GKV (sonstige betriebliche Aufwendungen) zu erfassen.

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Position 7 (Abschreibungen) nach GKV erfasst den Kapitalaufwand in Form der Abschreibungen. Hier werden zum einen die planmäßigen und die außerplan­ mäßigen Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände des Anlage­ vermögens und der Sachanlagen aufgeführt. Eine Verrechnung mit den Zuschrei­ bungen (die im Übrigen in der GKV-Position 4 zu erfassen sind) ist aufgrund des Saldierungsverbots unzulässig. Zum anderen sind hier die Abschreibungen auf die Gegenstände des Umlaufvermögens auszuweisen, sofern diese Abschrei­ bungen den üblichen Betrag wesentlich überschreiten oder ungewöhnlich selten sind. Die üblichen Abschreibungen auf Umlaufvermögen werden in der GKV-Posi­ tion 2 (Abschreibungen auf UFE und FE), in der GKV-Position 5 (Abschreibungen auf andere Vorräte) oder in der GKV-Position 8 (Abschreibungen auf Forderungen) erfasst. Position 8 (sonstige betriebliche Aufwendungen) nach GKV erfasst als Sam­ melposition alle weiteren Aufwendungen aus betriebsgewöhnlicher Tätigkeit, sofern sie nicht einem der vorgenannten Posten zurechenbar sind und nicht in einen nachgeordneten Ergebnisbereich (insbesondere zum Finanzergebnis) gehören. Klassische Beispiele für solche Aufwendungen sind Mieten und Pach­ ten, Beiträge und Gebühren, Versicherungsprämien, Kommunikationskosten, Rechtsberatungskosten, Bewirtungskosten, Bürokosten, Reisekosten oder Perso­ nalkosten, die keine Lohn- und Gehaltsbestandteile darstellen.

In der GuV nach UKV werden aufgrund des Kostenstellenbezugs teilweise andere Zu­ ordnungen vorgenommen (vgl. Baetge et al. 2017: 631ff). So stellen beispielsweise die in der GKV-Position 8 erfassten Bürokosten im UKV keine sonstigen betrieblichen Auf­ wendungen dar, weil sie i. d. R. den verursachenden Bereichen (Herstellung, allgemei­ ne Verwaltung, Vertrieb) zugeordnet werden können: – Position 1 (Umsatzerlöse) nach UKV entspricht auch inhaltlich der namensglei­ chen GKV-Position 1. – In Position 2 (Herstellungskosten des Umsatzes) nach UKV sind alle Auf­ wendungen enthalten, die zur Realisierung der Umsatzerlöse eingesetzt werden mussten, unabhängig von der Aufwandsart. In diesen Herstellungskosten sind somit Material-, Personal- und Abschreibungsaufwendungen enthalten, insoweit sie dem Herstellbereich zurechenbar und für die Umsatzrealisierung eingesetzt wurden. Zudem können in die Herstellungskosten unter Beachtung des Stetig­ keitsgrundsatzes anteilig allgemeine Verwaltungskosten, Sozialkosten, Aufwen­ dungen für freiwillige soziale Leistungen und für die Altersversorgung, Zins­ aufwendungen sowie Betriebssteuern (soweit sie den Herstellbereich betreffen) eingerechnet werden. – Position 3 (Bruttoergebnis vom Umsatz) nach UKV ergibt sich aus der Verrech­ nung der ersten beiden Positionen, indem die Umsatzerlöse um die eingesetzten Herstellungskosten des Umsatzes vermindert werden.

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– –

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In Position 4 (Vertriebskosten) nach UKV werden alle Material-, Personal- und Abschreibungsaufwendungen ausgewiesen, die direkt oder indirekt dem Ver­ triebsbereich zurechenbar sind. Hierzu gehören nicht nur die Werbe-, Reise- und Vertreterkosten, sondern auch die Aufwendungen für Ausgangslager oder Aus­ gangsfrachten. Unter Position 5 (allgemeine Verwaltungskosten) nach UKV sind die Material-, Personal- und Abschreibungsaufwendungen auszuweisen, die dem Verwaltungs­ bereich direkt oder indirekt zuzurechnen sind, wie beispielsweise die Kosten der Geschäftsführung oder die Aufwendungen für die Personalverwaltung und das Finanz- und Rechnungswesen. Die in Position 6 (sonstige betriebliche Erträge) nach UKV zu erfassenden Er­ träge stimmen mit der GKV-Sammelposition 4 grundsätzlich überein. Position 7 (sonstige betriebliche Aufwendungen) nach UKV erfasst als Sam­ melposition wie die gleichnamige GKV-Position 8 alle weiteren Aufwendungen aus betriebsgewöhnlicher Tätigkeit. Aufgrund des Kostenstellenbezugs des UKV ist diese Position allerdings enger gefasst, weil sich ein Teil der sonstigen betrieb­ lichen Aufwendungen nach GKV den verursachenden Bereichen (Herstellung, all­ gemeine Verwaltung, Vertrieb) zuordnen lassen.

In der betriebspraktischen Anwendung ist das GKV einfacher umzusetzen, da auf­ grund des Kostenartenbezugs sämtliche Daten direkt aus dem System der Doppik übernommen werden können. Das UKV hingegen stellt mit seinem Kostenstellenbe­ zug die aussagefähigere Variante der GuV dar, benötigt aber eine zumindest rudimen­ täre Kostenstellenrechnung als Grundlage, die insbesondere in kleineren Unterneh­ men nicht immer vorzufinden ist. Da hier den Umsatzerlösen nur die Selbstkosten der Absatzmenge gegenübergestellt werden, ist im Gegensatz zum Gesamtkostenver­ fahren eine gesonderte Ausweisung produktspezifischer Erfolgsbeiträge zumindest möglich (vgl. Ruhnke, Simons 2012: 269f).

2.4 Finanzrechnungen 2.4.1 Rechnungszwecke Finanzrechnungen haben das Ziel, Transparenz über die Zahlungsmittelströme eines Unternehmens herzustellen; dabei sollen die Veränderungen des Liquiditätspotenzi­ als im Zeitverlauf quantifiziert und die Ursachen der Veränderungen herausgestellt werden. Die unzureichende Liquiditätsorientierung der Bilanz- und Erfolgsrechnun­ gen lässt einen solchen Einblick in die Finanzlage des Unternehmens nicht zu (vgl. Wagenhofer 2017: 226ff): – Die Bilanz als stichtagsbezogene Bestandsrechnung ist rein statischer Natur – die Liquidität wird jedoch durch dynamische Vorgänge in Form von Ein- und Auszah­

48 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

lungsströmen bestimmt. Zwar sind in der Bilanzrechnung neben dem Bestand an liquiden Mitteln auch die liquiditätsrelevanten Forderungen und Verbindlichkei­ ten erfasst (und entsprechend in der Erfolgsrechnung berücksichtigt), allerdings unter Ausblendung ihrer tatsächlichen Zahlungswirksamkeit. Beispiel (hier unter Vernachlässigung der entstehenden Umsatzsteuer): Geschäftsvorfall „Verkauf von Waren auf Ziel“ In der Doppik führt dieser Geschäftsvorfall zu einer Erhöhung der Forderungen aLuL. Es werden ein Ertrag und zugleich eine Einnahme gebucht, ohne dass im Leistungs­ zeitpunkt tatsächlich eine Einzahlung (Zunahme des Zahlungsmittelbestands) vor­ liegt. Ein solcher Geschäftsvorfall verbessert zwar die Ertragslage (ausgewiesen in der Erfolgsrechnung), aber zumindest im Leistungszeitpunkt nicht die Liquiditätslage des Unternehmens (Finanzrechnung). Der Geschäftsvorfall darf somit bei der Liquiditäts­ beurteilung (noch) nicht berücksichtigt werden. – Zudem nicht erkennbar sind die unmittelbar nach Bilanzstichtag erfolgenden, liquiditätsrelevanten, zahlungswirksamen Erträge (beispielsweise durch Bar­ verkäufe) und zahlungswirksamen Aufwendungen (beispielsweise durch Lohnund Gehaltszahlungen). Da die Bilanzveröffentlichung i. d. R. erst einige Monate nach dem Stichtag erfolgt, ist ihre Aussagekraft unter Liquiditätsaspekten sehr begrenzt. – Daneben wird die Zahlungsbereitschaft eines Unternehmens nicht nur durch die vorhandenen Mittel 1. und 2. Grades bestimmt, sondern auch durch die noch nicht ausgeschöpften Kreditpotenziale, die jedoch weder in der Bilanz noch im An­ hang auszuweisen sind. – Die Bilanz- und Erfolgsrechnungen sind nicht nur Ergebnisse der Erfassung der Geschäftsvorfälle einer Abrechnungsperiode, sondern auch die gewünschten Er­ gebnisse der gestalterischen Ausschöpfung von Ansatz- und Bewertungswahl­ rechten (vgl. Wöhe, Mock 2010: 263ff). In Anbetracht der Ermessensspielräume des Bilanzierenden können diese Rechnungssysteme kein objektives Bild der tat­ sächlichen Vermögens- und Schuldenlage bieten, sodass sie als Instrumente der Liquiditätsbeurteilung nur in begrenztem Rahmen verwendbar sind. Mit den Informationen aus den Bilanz- und Erfolgsrechnungen ist also nicht sicherge­ stellt, dass z. B. ein drohender Zahlungsengpass und somit ein Grund für den Insol­ venzantrag gemäß § 18 der Insolvenzordnung rechtzeitig erkannt werden kann.

2.4.2 Grundlegende Formen der Finanzrechnung Da mit den in der Finanzrechnung zu erfassenden Zahlungsmittelströmen auch ei­ ne Veränderung von Bilanzpositionen einhergeht (beispielsweise Ablösung von Ver­ bindlichkeiten durch Banküberweisung), kann die Finanzrechnung als vertiefende

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Ergänzungsrechnung zur Bilanzrechnung verstanden werden. Vor dem Hintergrund des gewählten Betrachtungszeitraums wird zwischen retrospektiven und prospekti­ ven Finanzrechnungen unterschieden (vgl. Coenenberg et al. 2016c: 806ff): – Retrospektive Finanzrechnungen in der Form von Kapitalflussrechnungen sind vergangenheitsorientiert und ziehen i. d. R. vorliegende Bilanz- und Erfolgsrech­ nungen als Datengrundlage heran. Sie sind daher objektiv nachprüfbar, können jedoch nicht als Prognoseinstrument dienen. Die Kapitalflussrechnung ist Be­ standteil des Konzernabschlusses gemäß § 297 (1) HGB. Auch die kapitalmarkt­ orientierten Kapitalgesellschaften, die nicht zur Aufstellung eines Konzernab­ schlusses verpflichtet sind, haben den Jahresabschluss gemäß § 264 (1) HGB um eine Kapitalflussrechnung zu erweitern. – Prospektive Finanzrechnungen in der Form von Finanzplänen basieren auf PlanGewinn- und Verlustrechnungen. Sie sind zukunftsorientiert, dienen der Progno­ se und Planung und sind zur Beurteilung der zukünftigen Zahlungsbereitschaft eher geeignet. Ein Finanzplan stellt dar, welche Finanzmittel zu welchen Ter­ minen im Planungszeitraum benötigt werden und woher diese bezogen werden sollen; bestehende oder zu erwartende Finanzierungslücken (Unterdeckungen) sollen durch einen Finanzplan aufgedeckt werden. Da die retrospektiven Finanzrechnungen in der Form von Kapitalflussrechnungen so­ wohl in der internen wie auch in der externen Unternehmensrechnung verwendet wer­ den, sollen diese im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen stehen. Die Kapitalflussrechnung stellt Herkunft und Verwendung der liquiden Mittel dar. Sie ist eine Cashflow-Rechnung, die Zahlungsmittelflüsse abbildet, und nicht etwa Kapitalflüsse, wie der Begriff „Kapitalflussrechnung“ anzudeuten scheint. Die Kapi­ talflussrechnung ist also eine Finanzierungsrechnung, die alle Veränderungen der Finanzmittelbestände durch Ein- und Auszahlungen (Cashflows) einer Abrechnungs­ periode lückenlos darstellt. Sie liefert damit wichtige Informationen bezüglich der Fi­ nanzlage, insbesondere der liquiden Mittel und der Veränderung der Vermögensstruk­ tur eines Unternehmens (vgl. Coenenberg et al. 2016c: 796ff). Bei der Darstellung der Kapitalflussrechnung sind die Zahlungsströme gemäß den Empfehlungen des Deutschen Standardisierungsrats (DRS 2) getrennt nach den Cashflows aus der laufenden Geschäftstätigkeit, aus der Investitionstätigkeit (einschließlich Desinvestitionen) und aus der Finanzierungstätigkeit darzustellen. Hierbei entspricht die Summe der Cashflows aus diesen drei Tätigkeitsbereichen der Veränderung des Finanzmittelfonds in der Berichtsperiode, soweit diese nicht auf Wechselkurs- oder sonstigen Wertänderungen beruhen. Damit wird die Kapitalfluss­ rechnung in drei Cashflow-Bereiche gegliedert (vgl. Buchholz 2017: 195ff): – Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit (operativer Cashflow) – Cashflow aus der Investitionstätigkeit – Cashflow aus der Finanzierungstätigkeit

50 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Als Datenbasen dienen die Erfolgs- und die Bilanzrechnungen. Um die Cashflows zu ermitteln, werden alle Einzahlungen und Auszahlungen einer Periode betrachtet und ihrer Wirkung nach entsprechend zugeordnet.

2.4.3 Finanzrechnungen nach direkter und indirekter Methode Im Bereich der laufenden Geschäftstätigkeit ist der Cashflow nach einer der folgenden Methoden darzustellen (vgl. Wöhe, Döring 2013: 651ff, siehe Abbildung A2.5): – nach der direkten Methode, indem Einzahlungen und Auszahlungen unsaldiert angegeben werden, oder – nach der indirekten Methode durch retrograde Ermittlung, indem in einer Überlei­ tungsrechnung das Periodenergebnis um zahlungsunwirksame Aufwendungen und Erträge, um Bestandsänderungen bei Posten des Nettoumlaufvermögens (oh­ ne Finanzmittelfonds) und um alle Posten, die Cashflows aus der Investitionsoder Finanzierungstätigkeit sind, bereinigt wird.

Cashflow-Rechnungen

direkte Methode

indirekte Methode

Einzahlungen − Auszahlungen

Gewinn/Verlust +/− Abschreibungen/ Zuschreibungen +/− Zunahme/Abnahme Rückstellungen

Abb. A2.5: Methoden der CF-Rechnung (in Anlehnung an Wöhe, Döring 2013: 651ff).

Tabelle A2.15 zeigt die indirekte und direkte Berechnung des Kapitalflusses und der Cashflows im Vergleich.

2 Informationssysteme des finanzorientierten Controllings

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Tab. A2.15: Indirekte und direkte CF-Rechnungen im Vergleich (in Anlehnung an Bitz et al. 2014: 598ff). indirekte Methode

direkte Methode

1. 2.

1. 2.

3. 4. 5. 6. 7.

8.

+ Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag ± Abschreibungen/Zuschreibungen auf Gegenstände des Anlagevermögens ± Zunahme/Abnahme von Rückstellungen ± sonstige zahlungswirksame Aufwendungen/Erträge ∓ Gewinn/Verlust aus Anlagenabgängen ∓ Zunahme/Abnahme der Vorräte, Forderungen und sonstigen Aktiva ± Zunahme/Abnahme der Verbindlichkeiten und sonstigen Passiva = CF aus laufender Geschäftstätigkeit

9.

+ Einzahlungen korrigiert um Gewinn und Verlust aus Anlagenabgang 10. − Auszahlungen für Investitionen in das Anlagevermögen 11. = CF der Investitionstätigkeit 12. + Einzahlungen aus Kapitalerhöhungen und Zuschüsse der Gesellschafter 13. − Auszahlungen an Gesellschafter, z. B. Dividenden 14. + Einzahlungen aus der Aufnahme von Krediten 15. − Auszahlungen für die Tilgung von Krediten 16. = CF der Finanzierungstätigkeit 17. + zahlungswirksame Veränderungen der Finanzmittelbestände (8 + 11 + 16) 18. ± wechselkursbedingte und sonstige Wertänderungen des Finanzmittelbestands 19. + Finanzmittelbestand am Anfang der Periode 20. = Finanzmittelbestand am Ende der Periode

3.

4.

+ Einzahlungen von Kunden − Auszahlungen an Lieferanten und Beschäftigte + sonstige Einzahlungen (keine Investitions- und Finanzierungstätigkeiten) − sonstige Auszahlungen (keine Investitions- und Finanzierungstätigkeiten)

5.

= CF aus laufender Geschäftstätigkeit

6.

+ Einzahlungen aus Abgängen des Anlagevermögens − Auszahlungen für Investitionen in das Anlagevermögen

7. 8.

= CF der Investitionstätigkeit

9.

+ Einzahlungen aus Kapitalerhöhungen und Zuschüsse der Gesellschafter 10. − Auszahlungen an Gesellschafter, z. B. Dividenden 11. + Einzahlungen aus der Aufnahme von Krediten 12. − Auszahlungen für die Tilgung von Krediten 13. = CF der Finanzierungstätigkeit 14. + zahlungswirksame Veränderungen der Finanzmittelbestände (5 + 8 + 13) 15. ± wechselkursbedingte und sonstige Wertänderungen des Finanzmittelbestands 16. + Finanzmittelbestand am Anfang der Periode 17. = Finanzmittelbestand am Ende der Periode

52 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis





Die indirekte Methode verwendet den Jahresüberschuss und verrechnet die­ sen mit den nicht zahlungswirksamen Aufwendungen, wie insbesondere den Abschreibungen und den Einstellungen in die Rückstellungen. Zudem werden zahlungsunwirksame Erträge herausgerechnet, wie beispielsweise die Zuschrei­ bungen oder Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen. Daraus ergibt sich der Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit. Im Anschluss wird der Cash­ flow aus der Investitionstätigkeit gebildet. Hier werden die Einzahlungen aus dem Abgang von Anlagevermögen ermittelt und um Auszahlungen für den Er­ werb von Anlagevermögen reduziert. Im Anschluss daran wird der Cashflow der Finanzierungstätigkeit ermittelt. Dabei werden Einzahlungen aus Kapitalerhö­ hungen und Zuschüssen der Gesellschafter oder Einzahlungen aus der Kredit­ aufnahme zusammengefasst, und reduziert um Auszahlungen an Gesellschafter oder für die Tilgung von Krediten. Um den Finanzmittelbestand der betrachte­ ten Periode zu ermitteln, werden die gebildeten drei Cashflows addiert und um wechselkursbedingte Wertveränderungen bereinigt. Diese Summe, erhöht um den Anfangsbestand der Periode, ergibt den Finanzmittelbestand am Ende der Periode. Die direkte Methode berechnet den Cashflow nicht über den Jahresüberschuss der Gewinn- und Verlustrechnung. Sie betrachtet die Veränderungen aus Ein- und Auszahlungen, die nur bedingt aus dem Jahresabschluss hervorgehen. Dafür wer­ den die Einzahlungen von Kunden (beispielsweise aus Warenverkäufen) addiert und um entsprechende Auszahlungen reduziert. Daraus ergibt sich der Cashflow der laufenden Geschäftstätigkeit. Im Anschluss wird der Cashflow der Investiti­ onstätigkeit gebildet. Hier werden, wie bei der indirekten Berechnung, die Ein­ zahlungen aus dem Abgang von Anlagevermögen um Auszahlungen für Investi­ tionen in das Anlagevermögen reduziert. Der Cashflow der Finanzierungstätigkeit wird ebenfalls in der direkten und indirekten Methode gleich berechnet. Der Fi­ nanzmittelbestand ergibt sich dann, genau wie bei der indirekten Methode, aus der Summe der Cashflows, vermehrt um den Anfangsbestand und korrigiert um wechselkursbedingte Wertveränderungen.

In der Unternehmenspraxis findet die indirekte Methode häufiger Anwendung, da bei dieser Methode die Cashflows aus dem Jahresüberschuss ermittelt werden kön­ nen. Die beiden Cashflow-Rechnungen zeigen, dass Finanzrechnungen in Form von Kapitalflussrechnungen – als vergangenheitsorientierte Rechnungssysteme die Zahlungsströme unter­ schiedlichen Tätigkeitsbereichen zuordnen und somit die Wirkungen auf den Gesamtbestand liquider Mittel auf die jeweiligen Cashflow-Bereiche zuschreiben können.

2 Informationssysteme des finanzorientierten Controllings



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als periodenbezogene Rechnungssysteme die Ursachen für die Veränderung des Finanzmittelbestands und somit die vermögensseitigen Quellen für die Verände­ rung der Liquiditätskennzahlen aufdecken können.

Mit diesen Eigenschaften sind die Cashflow-Rechnungen ein wesentlicher Informati­ onspool des finanzorientierten Controllings, dessen wesentliche Aufgaben gerade in der Sammlung und der Aufbereitung solcher Informationen bestehen, die zur Liquidi­ tätssicherung unabdingbar sind. Darüber hinaus stellt der Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit (operativer Cashflow) im Rahmen der dynamischen Liquiditätsbe­ urteilung eine wichtige finanzwirtschaftliche Strömungsgröße zur Rekonstruktion der Innenfinanzierungskraft des Unternehmens dar. Die Innenfinanzierungskraft be­ zeichnet die Fähigkeit eines Unternehmens, finanzielle Überschüsse zu erwirtschaf­ ten, um Schulden zu tilgen, Investitionen zu tätigen und Gewinne auszuschütten (vgl. Bitz et al. 2014: 541ff).

2.5 Übungsaufgaben Die Cycle GmbH hat per Inventur für den 31.12.2014 folgende Bestände (in €) ermittelt: BGA Forderungen aLuL Bankguthaben USt-Verbindlichkeiten

80.000 20.000 26.000 31.000

UFE Kasse Verb. aLuL

20.000 4.000 51.000

Im Geschäftsjahr 2015 verzeichnet die Cycle GmbH nachfolgend aufgeführte Ge­ schäftsvorfälle: 1. Kauf von UFE auf Ziel (Nettobetrag 30.000 € zzgl. 19 % USt); das Zahlungsziel liegt im Jahr 2016, die UFE werden in der Abrechnungsperiode 2015 vollständig in den Produktionsprozess eingespeist. 2. Verkauf von FE auf Ziel (Nettobetrag 50.000 € zzgl. 19 % USt); das Zahlungsziel liegt im Jahr 2016. 3. Verkauf von FE gegen Banküberweisung im selben Jahr (Nettobetrag 100.000 € zzgl. 19 % USt). 4. Banküberweisung eines Kunden zum Ausgleich einer Ford. aLuL (Nettobetrag 10.000 € zzgl. 19 % USt). 5. Barkauf von Büromaterial (Nettobetrag 150 € zzgl. 19 % USt). 6. Kauf von Gegenständen der BGA auf Ziel (Nettobetrag 20.000 € zzgl. 19 % USt); das Zahlungsziel liegt im Jahr 2016.

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7.

Banküberweisung an einen Lieferanten zum Ausgleich einer Verbindlichkeit aLuL (Nettobetrag 15.000 € zzgl. 19 % USt). 8. Schlussbestand an UFE laut Inventur: 15.000 € (alle anderen Schlussbestände stimmen mit den Salden der Konten überein). Aufgabe 1 Stellen Sie auf Basis der Inventurergebnisse für den 31.12.2014 die Eröffnungsbilanz für den 01.01.2015 auf und ermitteln Sie als zentrale Bilanzkennzahlen den Verschul­ dungsgrad, die Anlagenintensität, den Anlagendeckungsgrad I und die Liquidität II. Aufgabe 2 Erläutern Sie kurz die mit den oben genannten Geschäftsvorfällen herbeigeführten Bestandsveränderungen in der Bilanz. Gehen Sie dabei auf die Erfolgs- und Zahlungs­ wirksamkeit der Vorgänge ein. Aufgabe 3 Stellen Sie die Ergebnisse der Erfolgs- und Finanzrechnung gegenüber. Stellen Sie die Schlussbilanz für den 31.12.2015 auf und ermitteln Sie als zentrale Bilanzkennzahlen den Anlagendeckungsgrad I und die Liquidität II. Aufgabe 4 Die Cycle GmbH übermittelt Ihnen zur Erstellung einer GuV alle relevanten Daten (in €) für die Abrechnungsperiode 2016 sowie die Aufteilung der Kosten auf die Kos­ tenverursachungsbereiche gemäß BAB: Arten

Beträge

Schlüssel laut BAB Herstellung : allgemeine Verwaltung : Vertrieb

Einkauf von UFE Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe (für Herstellung) Löhne/Gehälter

500.000

1:0:1

40.000

1:0:0

300.000

2:1:1

soziale Aufwendungen

80.000

2:1:1

Raumkosten

50.000

2:1:1

Abschreibungen

4.000

2:1:1

sonstige betriebliche Aufwendungen

12.000

2:1:1

sonstige betriebliche Erträge

10.000



Umsatzerlöse



2 Informationssysteme des finanzorientierten Controllings

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Bestandsveränderung bei den FE/UFE oder bei den Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen liegen gemäß Inventur zum Ende der Abrechnungsperiode 2016 nicht vor. Ermitteln Sie das Betriebsergebnis nach dem UKV und nach dem GKV. Aufgabe 5 Die Cycle GmbH übermittelt Ihnen zur Ermittlung des CF aus der laufenden Geschäfts­ tätigkeit alle relevanten Daten (in €) für die Abrechnungsperiode 2016: Jahresüberschuss Zunahme des Vorratsbestands Verluste aus Anlagenabgängen Abschreibungen auf Gegenstände des AV Zuschreibungen auf Gegenstände des AV Zuführungen zu den Rückstellungen Abnahme des Verbindlichkeitsbestands

1.200.000 155.000 45.000 55.000 15.000 95.000 225.000

Stellen Sie die CF-Rechnung nach der indirekten Methode auf.

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings Das kostenorientierte Controlling ist auf die leistungswirtschaftlichen Prozesse fokus­ siert, um die Ergebnis- und Erfolgsbeiträge dieser Prozesse aufzeigen zu können. Das Kapitel 3 in Teil A gewährt einen Überblick über die vom kostenorientierten Control­ ling zu nutzenden Kosten- und Leistungsrechnungen.

3.1 Aufgaben und Ziele eines kostenorientierten Controllings Die Aufgaben des Kostencontrollings sind im Wesentlichen in der Sammlung und der Aufbereitung von solchen Kosteninformationen zu sehen, die zur Kostenbe­ einflussung erforderlich sind. Diese Informationen werden im Rahmen des Kos­ tenmanagements zur Entscheidungsanregung und -fundierung von Maßnahmen zur Kostenbeeinflussung verwendet. Das Kostencontrolling übernimmt somit eine Supportfunktion gegenüber dem Kostenmanagement. Unter dem Begriff „Kostenma­ nagement“ wird die aktive und zielgerichtete Beeinflussung von Kostenniveau, Kos­ tenverlauf und Kostenstruktur verstanden. Während das Kostenniveaumanagement eine zielgerichtete Beeinflussung der Kostenhöhe intendiert, besteht die Zielsetzung des Kostenverlaufsmanagements in der Optimierung bzw. Flexibilisierung der Kosten­ reagibilität. Das Kostenstrukturmanagement zielt auf die optimale Kostenallokation und beinhaltet die Gestaltung des Verhältnisses zwischen den verschiedenen Kosten­ kategorien. Abbildung A3.1 gibt einen Überblick über die verschiedenen Dimensionen des Kostenmanagements.

https://doi.org/10.1515/9783110439793-004

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings

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Kostenmanagement

Dimensionen

Ziele

Einflussfaktoren (Beispiele)

Kostenniveau

Kostenverlauf

Reduktion der angefallenen Kosten

Optimierung/ Flexibilisierung der Kostenreagibilität

– Menge der Produktionsfaktoren – Wert der Produktionsfaktoren

– Beschäftigung – Sprünge durch Unstetigkeit im Wertgerüst, Komplexität – Remanenz/Präkurrenz der Kostenänderung

Kostenstruktur

optimale Allokation/ Verwendung/ Dimensionierung der Kosten

– zeitlicher Horizont des Kostenanfalls (variabel/fix) – Zurechenbarkeit der Kosten (Einzel-/ Gemeinkosten) – Entstehungszusammenhang (Primär-/ Sekundärkosten)

Abb. A3.1: Dimensionen des Kostenmanagements (in Anlehnung an Götze 2010: 271ff).

Die drei Dimensionen des Kostenmanagements werden durch kostenverursachen­ de Leistungspotenziale (Kostenbestimmungsfaktoren) bedingt. Diese fungieren als Gestaltungsparameter des Kostenmanagements beispielsweise hinsichtlich Menge, Qualität, Preis, Programm oder Beschäftigungsgrad. Eine Veränderung wirkt sich di­ rekt auf die Kostensituation als primäres Gestaltungsobjekt aus. Damit sind Entschei­ dungen über ihren Einsatz immer zukunftsorientiert (z. B. Entscheidungen zu Diver­ sifikationsgrad, Produktdifferenzierung, Fertigungstiefe, Produktionsverfahren). Ein strategisch ausgerichtetes Kostenmanagement wird hier in den frühen Phasen der Produktentwicklung gestaltend tätig, um der zeitlichen Diskrepanz zwischen Kosten­ determinierung und Kostenverursachung gerecht werden zu können (vgl. Götze 2010: 271f). Die traditionellen Kosten- und Leistungsrechnungen dienen dem Kosten­ controlling primär als Instrumentarium zur Bereitstellung bzw. Generierung von In­ formationen über die Kosteneinsätze des Unternehmens. Traditionelle Kosten- und Leistungsrechnungen zeichnen sich durch die Verwendung von Istkosten und durch deren Erfassung und Verrechnung in dem klassischen Drei-Stufen-System der Kos­ tenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung aus. Damit haben diese Kostenund Leistungsrechnungen eher eine vergangenheitsorientierte Dokumentations- und Verrechnungsfunktion; gleichwohl stellen sie eine wichtige Informationsgrundlage für Planungen und v. a. für kurzfristig wirksame Entscheidungen bereit (siehe Abbil­ dung A3.2).

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Kostenmanagement

Entscheidungen zur zielgerichteten Kostenbeeinflussung

Kostencontrolling

entscheidungsorientierte Informationsaufbereitung

Kosten- und Leistungsrechnungen

Informationssammlung und -bereitstellung

Abb. A3.2: Informationssysteme des Kostencontrollings (eigene Darstellung).

3.2 Kostenrechnungssysteme 3.2.1 Rechnungszwecke Die Kosten- und Leistungsrechnungen sollen einen fundierten Einblick in die be­ trieblichen Prozesse der Leistungserstellung und -verwertung geben. Im Einzelnen nehmen die Kosten- und Leistungsrechnungen nachfolgende Aufgaben wahr (vgl. Schweitzer et al. 2016: 49ff): 1. Planungs- und Dispositionsaufgaben: Bereitstellung entscheidungsrelevanter Daten für dispositive Zwecke, wie beispielsweise – Auswahl der Transportmittel und -wege, – Wahl zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug, – Wahl zwischen Kauf, Miete oder Leasing von Vermögensgegenständen, – Entscheidung über Annahme oder Ablehnung eines Auftrags, – Wahl zwischen Losgrößen in der (Serien-)Fertigung. 2. Kalkulationsaufgaben: – Ermittlung der Selbstkosten einer Leistungseinheit, einer bestimmten Leis­ tungsmenge (beispielsweise eines Fertigungsloses) oder einer Abrechnungs­ periode – Bewertung der Bestände an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, an fertigen und unfertigen Erzeugnissen sowie Bewertung selbst erstellter Vermögensgegen­ stände – Ermittlung von Verrechnungspreisen für innerbetriebliche respektive kon­ zerninterne Leistungen – Bestimmung von Preisober- und/oder Preisuntergrenzen 3. Kontrollaufgaben: Die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit der innerbetrieblichen Leistungserstellungs­ prozesse dient der Überwachung der Zielerreichung, sowohl unternehmens- bzw. betriebsweit, als auch bereichsbezogen. Die Kontrollaufgaben können im Rahmen

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings

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von periodischen Vergleichen, von Betriebs- und Branchenvergleichen, aber auch im Rahmen von Soll-Ist-Vergleichen wahrgenommen werden. So kann die Gegen­ überstellung von geplanten Sollkosten und tatsächlich entstandenen Istkosten Kostenabweichungen aufzeigen, beispielsweise in ausgewählten Kostenstellen. Die Kosten- und Leistungsrechnungen liefern hier das Datenmaterial zur Bewer­ tung der gegenwärtigen Kostensituation und zur Beobachtung der betrieblichen Entwicklung. Die Kontrolle des mengen- und wertmäßigen Verzehrs an Produktionsfaktoren und der damit verbundenen Hervorbringung von Leistungen erfolgt mithilfe fol­ gender grundlegender Kennzahlen (in Anlehnung an Heinen 1981: 375ff). Produktivität: Wirtschaftlichkeit:

Output Input Sollkosten Istkosten

oder oder

Faktorausbringungsmenge Faktoreinsatzmenge Faktorausbringungsmenge Istkosten (Faktorpreise)

Während die (Teil-)Produktivitäten die mengenmäßigen Ergiebigkeiten spezifischer Faktoreinsätze zum Ausdruck bringen sollen, stellt die Wirtschaftlichkeit auf eine mo­ netäre Messung von Leistungen, bewertet zu den Istkosten der Faktoreinsätze, ab. Mit der Wirtschaftlichkeit wird das Streben zum Ausdruck gebracht, ein bestimmtes Leis­ tungsvolumen mit minimalem Kosteneinsatz hervorzubringen bzw. mit einem vor­ gegebenen Kosteneinsatz ein höchstmögliches Leistungsvolumen zu realisieren (vgl. Gutenberg 1958: 31f). In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird die Wirtschaftlichkeitskennzahl nicht einheitlich definiert. Mit dem hier verwendeten Begriff wird Wirtschaftlichkeit als streng innerbetriebliche Kennzahl verstanden, die nicht durch Einflussfaktoren auf dem Absatzmarkt, wie beispielsweise Angebotspreise und Erträge, beeinflusst ist. In dieser Form bedeutet Wirtschaftlichkeit eine Kostenwirtschaftlichkeit, die durch das Verhältnis der (geplanten) Sollkosten zu den tatsächlich verursachten Istkosten für ein bestimmtes Leistungsvolumen in einer Abrechnungsperiode bestimmt werden kann. Diese Kostenwirtschaftlichkeit ist zentrales Element der Plankostenrechnung, die im Rahmen der Budgetierung eingesetzt wird. Das Wirtschaftlichkeitsstreben er­ fordert einen Vergleich des mit Faktorpreisen gewichteten Faktorverzehrs (Kosten) mit den aus dem betrieblichen Leistungserstellungsprozess erzielten Ergebnissen (Leis­ tungen im Sinne von Leistungsmengen). Diese Kostenwirtschaftlichkeit ergibt sich aus dem Verhältnis der Faktorausbringungsmenge zu den Kosten des eingesetzten Fak­ tors. Die Kostenwirtschaftlichkeit ist umso höher, je geringer der Kosteneinsatz für ei­ ne hervorgebrachte Leistungsmenge bzw. für eine hervorgebrachte Leistungseinheit ausfällt (vgl. Heinen 1981: 18f.). Die Ermittlung einer solchen Kostenwirtschaftlich­ keit ist wesentliches Rechnungsziel der Kostenträgerrechnung. Demzufolge gewinnt der für traditionelle Kostenrechnungssysteme typische stufenweise Aufbau (Kosten­ arten-, Kostenstellen-, Kostenträgerrechnung) für die Rekonstruktion der Kostenwirt­ schaftlichkeiten überragende Bedeutung (siehe hierzu Kapitel 3.3 in Teil A). In Bezug

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auf die Kontrolle der Kostenwirtschaftlichkeiten ist allerdings zu bedenken, dass die Wirtschaftlichkeit als Kennzahl durch die Preise für die Produktionsfaktoren am Be­ schaffungsmarkt determiniert ist. Die unterschiedlichen Aufgaben der Kosten- und Leistungsrechnungen zeigen, dass sie einerseits als entscheidungsorientierte Zukunftsrechnungen, andererseits als kontrollorientierte Vergangenheitsrechnungen zu konfigurieren sind. Die konkrete systemische Ausgestaltung der Kosten- und Leistungsrechnungen ist unternehmens­ spezifisch und abhängig von dem jeweils formulierten Rechnungsziel (ausführlich hierzu Gegg 2017: 35ff).

3.2.2 Systemausprägungen Kostenrechnungssysteme sind dadurch charakterisiert, dass sie die Bereitstellung von spezifischen Kosten- und Leistungsinformationen zum Gegenstand haben. Sie unter­ scheiden sich 1. einerseits durch den Aufbau der Auswertungsrechnungen und dem Vorgehen bei der Kosten- und Leistungserfassung, 2. andererseits durch die Nutzung spezieller Kostenzurechnungsprinzipien und den gewählten Zeiträumen und Zeitpunkten bei der Informationsverarbeitung. Grundlegend für den Aufbau der Kostenrechnungssysteme sind zwei maßgebliche Kostengliederungen (vgl. Haberstock, Breithecker 2008a: 57f): Nach der Art der Verrechnung der Kosten ist zwischen Einzelkosten (Ek) und Gemeinkosten (Gk) zu unterscheiden. Diese Einteilung der Kosten ist für die Vollkos­ tenrechnung grundlegend: 1. Einzelkosten sind alle Kosten, die sich der einzelnen Leistungseinheit unmittelbar zurechnen lassen; sie sind somit i. d. R. mengenvariabel. Diese direkten Kosten bedürfen nicht der Verrechnung über die Kostenstellenrechnung. Neben diesen Einzelkosten gibt es noch Kosten, die nicht einem einzelnen Kostenträger, son­ dern nur einem Auftrag zurechenbar sind; sie sind somit i. d. R. auftragsvariabel. Diese werden als Sondereinzelkosten (SoEk) bezeichnet. Zu unterscheiden sind die SoEk der Fertigung (z. B. Kosten für Spezialwerkzeuge oder Konstruktionskos­ ten) und die SoEk des Vertriebs (z. B. Versandkosten oder Provisionen). 2. Gemeinkosten sind Kosten, die weder dem einzelnen Kostenträger, noch dem ein­ zelnen Auftrag direkt zugerechnet werden können. Die Gemeinkosten betreffen die Gesamtheit der Kostenträger oder den Betrieb insgesamt. Diese indirekten Kosten werden daher abrechnungstechnisch über die einzelnen Kostenstellen geleitet und mithilfe ausgewählter Bezugsgrößen verteilt. Kosten, die vom Cha­ rakter her eigentlich Einzelkosten sind, deren gesonderte Erfassung jedoch in keinem angemessenen Verhältnis zum Informationsgewinn bzw. zur Steigerung der Kalkulationsgenauigkeit stehen würde, werden ebenfalls als Gemeinkosten verrechnet (sogenannte unechte Gemeinkosten).

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings

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Die Untersuchung der Kosten nach ihrem Verhalten bei Beschäftigungsschwan­ kungen führt zu der Unterscheidung zwischen variablen und fixen Kosten. Diese Einteilung der Kosten ist für die Teilkostenrechnung grundlegend. Die Beschäftigung bezeichnet die in Anspruch genommene Kapazität. Sie wird in Leistungs- oder Zeit­ einheiten gemessen, wie beispielsweise in Ausbringungsmengen, in Maschinen- oder Arbeitsstunden (in Anlehnung an Haberstock, Breithecker 2008a: 57f): Beschäftigungsgrad b: 1.

2.

eingesetzte Kapazität (LE/ZE) ⋅ 100 % vorhandene Kapazität (LE/ZE)

Variable Kosten sind Kosten, die sich in ihrer Höhe direkt mit der Beschäftigung verändern. Der Reagibilitätsgrad R differenziert hier nochmals den Kostenverlauf bei unterschiedlichen Beschäftigungen: Entspricht die prozentuale Kostenände­ rung der prozentualen Beschäftigungsänderung (R = 1), so liegt ein proportio­ naler Verlauf der variablen Kosten vor; steigen die variablen Kosten in stärkerem (geringerem) Maße als die Beschäftigung, liegt ein progressiver (degressiver) Kos­ tenverlauf vor. Fixe Kosten sind Kosten, die beschäftigungsneutral anfallen; sie werden auch als Bereitschaftskosten bezeichnet. Durch ihren festen und konstanten Charakter las­ sen sich Fixkosten nicht kurzfristig innerhalb einer Periode abbauen (absolut fixe Kosten). Sofern die Fixkosten in ihrer Höhe von bestimmten Beschäftigungsinter­ vallen abhängig sind, handelt es sich um intervallfixe Kosten. Die Beschäftigungs­ neutralität ist bei diesen also nur innerhalb bestimmter Beschäftigungsinterval­ le gegeben. In einer mittel- bis langfristigen Perspektive lassen sich fixe Kosten durch Auf- oder Abbau der Betriebsbereitschaft durchaus in einem gewissen Rah­ men beeinflussen bzw. durch kurzfristig wirksame Entscheidungen (beispielswei­ se bezüglich Eigenfertigung oder Fremdbezug) flexibilisieren und damit steuern.

Nach der Art der zur Verfügung gestellten Kosteninformationen lassen sich zeitbezo­ gene und umfangbezogene Kostenrechnungssysteme unterscheiden: 1. Nach dem Zeitbezug der verrechneten Kosten ist zwischen Istkostenrechnungs­ systemen, Normalkostenrechnungssystemen und Plankostenrechnungssystemen zu differenzieren. 2. Nach dem Sachumfang der auf die Kalkulationsobjekte verrechneten Kosten ist zwischen Vollkostenrechnungen und Teilkostenrechnungen zu unterscheiden. Unter Vollkostenrechnung wird ein Kostenrechnungssystem verstanden, das alle Kosten auf die Kostenträger umlegt. In der Teilkostenrechnung werden nach dem Verursachungsprinzip nur die durch die Kostenträger verursachten Kosten auf die Kostenträger verteilt. Die Istkostenrechnungen beziehen sich auf die Erfassung der Istkosten der vergan­ genen Abrechnungsperiode und werden aus dem tatsächlichen Verbrauch abgelei­ tet. Die Normalkostenrechnungen bilden kostenbezogene Durchschnittswerte aus den

62 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

vergangenen Perioden ab und stellen somit auf durchschnittliche Istkosten ab. Plan­ kosten sind dagegen unter der Annahme ordnungsgemäßer Betriebsabläufe im Vor­ aus bestimmte Kosteneinsätze mit Vorgabecharakter. Während Ist- und Normalkos­ tenrechnungen vergangenheitsorientiert sind, sind die Plankostenrechnungen eher zukunftsorientiert ausgerichtet. Sowohl Ist-, Normal- als auch Plankostenrechnungen lassen sich in Form von Voll- oder Teilkostenrechnungen durchführen. Tabelle A3.1 stellt eine Übersicht der in den Kosten- und Leistungsrechnungen verwendeten Rech­ nungssysteme dar. Tab. A3.1: Rechnungssysteme der KLR (in Anlehnung an Jung 2014a: 81; Macha 2010: 11; Haber­ stock, Breithecker 2008a: 173). Ausmaß der Kostenverrechnung

Zeitbezug der Kostendaten Vergangenheitsorientierung

Zukunftsorientierung

Istkosten

Normalkosten

Plankosten

Verrechnung der vollen Kosten auf die Kalkulationsobjekte

Vollkostenrechnung auf Istkostenbasis

Vollkostenrechnung auf Normalkostenbasis

Vollkostenrechnung auf Plankostenbasis

Verrechnung der variablen Kosten auf die Kalkulationsobjekte

Teilkostenrechnung auf Istkostenbasis

Teilkostenrechnung auf Normalkostenbasis

Teilkostenrechnung auf Plankostenbasis

Im Rahmen der Vollkostenrechnungen werden alle Kostenbestandteile erfasst und auf die entsprechenden Kostenträger verrechnet. Dazu zählen sowohl die durch den Kostenträger direkt verursachten Kosten, als auch ein (Gemein-)Kostenanteil, der nicht direkt durch den Kostenträger verursacht wurde. Dabei müssen die Gemein­ kosten nach teilweise unzureichend verursachungsgerechten Verteilungsschlüsseln auf die Kostenstellen und auf die Kostenträger umgelegt werden, was in der Folge zu einer mangelhaften Kalkulation der Kostenträger führen kann. Durch die Vollkos­ tenrechnung kann somit weder die Kostenverursachung noch das Kostenverhalten aussagekräftig abgebildet werden. Trotz dieser Probleme kann auf die traditionelle Vollkostenrechnung mit den drei Stufen Kostenarten-, Kostenstellen- und Kosten­ trägerrechnung nicht verzichtet werden. Zum einen werden vollkostenrechnerische Kalküle zur Vorratsbewertung für die Handels- und Steuerbilanz, zur Bewertung selbst erstellter Anlagen sowie zur Ermittlung von Verrechnungspreisen benötigt. Zum anderen stellt die traditionelle Vollkostenrechnung die Datengrundlage für die Gestaltung weiterer Kostenrechnungssysteme. Die Systeme der Teilkostenrechnungen ordnen den Kalkulationsobjekten nicht die Gesamtkosten zu, sondern nur die entscheidungsrelevanten Kosten. Unter ent­ scheidungsrelevanten Kosten werden variable Kosten verstanden, deren Höhe unmit­

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telbar vom Beschäftigungsgrad abhängig ist. Damit folgen die Teilkostenrechnungen dem Verursachungsprinzip. Insbesondere bei kurzfristig wirksamen Entscheidungen kommt der Teilkostenrechnung eine hohe Bedeutung zu, da sie nur die variablen Kosten ins Entscheidungskalkül einbezieht. In Bezug auf Entscheidungen über die Annahme von Zusatzaufträgen oder über die Gestaltung von Preisuntergrenzen sind die Teilkostenrechnungen besonders geeignet, die Mängel der Vollkostenrechnung zu kompensieren. Um die betrieblichen Prozesse der Leistungserstellung und Leistungsverwertung zahlenmäßig abzubilden, bedarf es als Grundform jeder Kosten- und Leistungsrech­ nung der Vollkostenrechnung auf Istkostenbasis. Um aber als Entscheidungsgrund­ lage genutzt werden zu können, ist diese Form der Vollkostenrechnung zumindest zur Teilkostenrechnung auf Istkostenbasis (insbesondere in Form einer Deckungs­ beitragsrechnung) auszubauen. Eine solche Ergänzung traditioneller Vollkostenrech­ nung um eine Teilkostenrechnung erfordert jedoch eine sogenannte Kostenauflösung, d. h. eine Aufspaltung der Gesamtkosten in variable und fixe Kostenbestandteile.

3.2.3 Kostenauflösung Im Rahmen einer Kostenauflösung wird in einer Kostenstelle jede einzelne Kostenart in ihre fixen und variablen Bestandteile aufgelöst. Kombiniert man die beiden Kriteri­ en der Kostenunterteilung (Verrechnungsart und Beschäftigungsbezug) miteinander, so lässt sich feststellen, dass Einzelkosten aufgrund ihrer direkten Zurechenbarkeit zu den Kostenträgern i. d. R. in voller Höhe variabel sind, während Gemeinkosten hinge­ gen nur zu einem gewissen Anteil variabel und zu dem restlichen Anteil fixer Natur sind (siehe Tabelle A3.2). Tab. A3.2: Differenzierung der Kosten (in Anlehnung an Eisele, Knobloch 2011: 801). Kriterien Verrechnungsart Beschäftigungsbezug Beschäftigungsgrad

Differenzierung der Kosten Einzelkosten variable Kosten progressiv (R > 1), proportional (R = 1), degressiv (R < 1)

Gemeinkosten fixe Kosten absolut-fix, sprungfix (intervallfix)

Das Problem der Kostenauflösung bezieht sich somit im Wesentlichen auf die Auflösung der Gemeinkosten. Stehen Kostendaten aus den zurückliegenden Abrech­ nungsperioden zur Verfügung, bieten sich grafische, statistische sowie mathemati­ sche Verfahren der Kostenauflösung an (vgl. Freidank 2012: 53ff; vgl. Eisele, Knob­ loch 2011: 894ff). Alle Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf Basis von

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Vergangenheitsdaten und den feststellbaren Beziehungen zwischen Kostenhöhe und dazugehörigem Beschäftigungsgrad auf die Höhe der fixen bzw. der variablen Kosten schließen. Es müssen demzufolge hinreichende Beschäftigungsschwankungen in der Vergangenheit aufgetreten sein, sodass die Kosten bei verschiedenen Beschäftigungs­ graden ermittelbar sind. Bei der grafischen Kostenauflösung wird eine Menge von empirisch ermittelten Gesamtkosten- und Beschäftigungspunkten in ein Streupunktdiagramm übertragen, um mithilfe einer linearen Funktion die im Streuungsdiagramm erkennbare Grund­ tendenz des Zusammenhangs zwischen fixen und variablen Kostenanteilen beschrei­ ben zu können. Im Rahmen der statistischen Kostenauflösungsverfahren erfolgt die Bestim­ mung der Kostenfunktion mithilfe von Regressionsanalysen. Ihre einfachste Form ist die lineare Einfachregression, die die Beziehung zwischen zwei Variablen (z. B. Kos­ ten und Beschäftigung) analysiert und dabei einen proportionalen Zusammenhang zwischen abhängiger und unabhängiger Variablen unterstellt. Die hier bekannteste Methode ist die der kleinsten Quadrate, die die Summe der Quadrate der einfachen Ab­ weichungen zwischen der gesuchten Geraden und den tatsächlich gemessenen Wer­ ten minimiert. Die mathematischen Verfahren schließen an die vorgenannten Methoden an und ermitteln auf Basis spezifischer Grundannahmen fixe und variable Kostenantei­ le. Im Rahmen der sogenannten linearen Methode wird ein linearer Verlauf der Ge­ samtkostenfunktion unter Zugrundelegung absolut fixer Kosten und proportionaler variabler Kosten (R = 1) unterstellt. Demzufolge entsprechen die variablen Kosten pro Beschäftigungseinheit der Steigung der linearen Gesamtkostenfunktion. Die zur Differenzbildung benötigten beiden Wertepaare sind im Interesse einer möglichst ge­ nauen Kostenspaltung so auszuwählen, dass 1. die beiden Bezugsgrößenwerte möglichst weit auseinanderliegen und zugleich 2. die ausgewählten Werte repräsentativ sind, d. h., kein verwendetes Wertepaar darf das Ergebnis einer außerordentlichen Situation sein. Die Reagibilitätsmethode geht hingegen davon aus, dass ein linearer Verlauf der Ge­ samtkostenfunktion mit einem absolut fixen Kostensockel nicht per se zu unterstellen ist. Sie untersucht mithilfe des Reagibilitätsgrads die Kostenfunktion hinsichtlich ih­ res Verhaltens bei Beschäftigungsschwankungen. Der Reagibilitätsgrad R bezeichnet die prozentuale Kostenänderung im Verhältnis zur prozentualen Beschäftigungsän­ derung (in Anlehnung an Eberlein 2010: 163ff): Reagibilitätsgrad R:

K2 − K1 x2 − x1 : ⋅ 100 % K1 x1

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings

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Ein Reagibilitätsgrad in Höhe von Null zeigt, dass sich die untersuchte Kostenart voll­ ständig beschäftigungsfix verhält. Bei einem Reagibilitätsgrad in Höhe von Eins ver­ hält sich die untersuchte Kostenart vollständig beschäftigungsvariabel (proportional; siehe Tab. A3.2). Der Reagibilitätsgrad in dem Intervall [0 < R < 1] offenbart, dass sich die untersuchte Kostenart teilweise beschäftigungsfix und teilweise beschäftigungs­ variabel verhält. In diesem Falle kann der Reagibilitätsgrad zur Kostenspaltung bzw. -auflösung verwendet werden (vgl. Eberlein 2010: 164). Folgendes Beispiel, in dem die Beschäftigung in Leistungseinheiten gemessen wird, soll dieses Verfahren verdeutlichen: Beschäftigung (LE)

Kosten (€)

x1 x2

K1 K2

1.000 1.200

100.000 108.000

108.000 − 100.000 1.200 − 1.000 : ⋅ 100 % 100.000 1.000 R = 0,08 : 0,2 ⋅ 100 % = 40 %

R=

Beschäftigung (LE) x1

1.000

K 1 = 100.000

x2

1.200

K 2 = 108.000

Kostenauflösung (€) K var = 100.000 ⋅ 0,4 = 40.000; K f = 60.000 K var = 108.000 ⋅ 0,4 = 43.200; K f = 64.800

Bei einem Reagibilitätsgrad von 0 < R < 1 (wie in diesem Beispiel) steigen die varia­ blen Kosten in einem geringeren Maße als die Beschäftigung, es liegt also ein degres­ siver Verlauf der Gesamtkostenfunktion vor (siehe Tab. A3.2). Bei einem Reagibilitäts­ grad R > 1 steigen die variablen Kosten in einem größerem Maße als die Beschäfti­ gung, womit ein progressiver Verlauf der Gesamtkostenfunktion vorläge. Im Rahmen der linearen Methode ermitteln sich – ausgehend vom selben Bei­ spiel – die variablen und fixen Kostenanteile an den Gesamtkosten wie folgt: variable Durchschnittskosten: Beschäftigung (LE) x1

1.000

K 1 = 100.000

x2

1.200

K 2 = 108.000

K2 − K1 108.000 − 100.000 = = 40 €/LE x2 − x1 1.200 − 1.000

Kostenauflösung (€) K var = 1.000 ⋅ 40 = 40.000; K f = 60.000 K var = 1.200 ⋅ 40 = 48.000; K f = 60.000

66 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

3.3 Teilgebiete traditioneller Kosten- und Leistungsrechnungen Von besonderer Bedeutung für das Verständnis der Kosten- und Leistungsrechnungen ist der für traditionelle Rechnungssysteme typische stufenweise Aufbau (siehe Abbil­ dung A3.3). Kostenerfassung

Kostenverrechnung

Gemeinkosten Kostenartenrechnung

Kostenstellenrechnung

Kostenträgerrechnung

Einzelkosten

Erfassungsrechnung

Verteilungsrechnung

Kalkulations- und Betriebsergebnisrechnung

Abb. A3.3: Stufen traditioneller Kostenrechnung (in Anlehnung an Freidank 2012: 94f; Eisele, Knob­ loch 2011: 827).

3.3.1 Kostenartenrechnung Die Kostenartenrechnung liefert die Grundlagen für die darauf aufbauende Kosten­ stellen- und Kostenträgerrechnung. Ihre primären Aufgaben bestehen in der syste­ matischen mengen- und wertmäßigen Erfassung, Gliederung und Zuordnung aller Kostenarten, wie z. B. Personalkosten, Materialkosten, Abschreibungen etc. (vgl. Schweitzer et al. 2016: 108ff). Ergänzend sind im Rahmen der Kostenartenrechnung zur Grundlegung der Vollkostenrechnungssysteme die Kosten auf ihre Zurechenbar­ keit auf Kostenträger zu untersuchen; dies führt zu der Differenzierung zwischen Einzel- und Gemeinkosten. Zur Vorbereitung der Teilkostenrechnungssysteme sind die Kosten auf ihre Beschäftigungsabhängigkeit zu prüfen, was in der Unterscheidung zwischen fixen und variablen Kosten mündet.

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings

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Da die Kostenartenrechnung die Informationsgrundlage der Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung darstellt, kommt der Ausgestaltung der Kostenartenrechnung eine fundamentale Bedeutung zu. Es ist im Interesse einer möglichst hohen Kontrollund Kalkulationsgenauigkeit sicherzustellen, dass die Kosten nach den folgenden Grundsätzen erfasst werden (vgl. Haberstock, Breithecker 2008a: 61f): 1. Eindeutigkeit und Überschneidungsfreiheit: Alle Kostenarten müssen klar und nachvollziehbar definiert sein, sodass die einzelnen Kosteneinsätze eindeutig nur einer Kostenart zugeordnet werden können. Deshalb ist darauf zu achten, dass auf einer Hierarchiestufe der Kostenartengliederung keine verschiedenen Ordnungs­ kriterien nebeneinander verwendet werden. 2. Vollständigkeit und Einheitlichkeit: Alle Kosten müssen in der Gliederung der Kostenarten zu systematisieren sein. Aus Gründen der Vergleichbarkeit der Ergeb­ nisse ist es wichtig, dass die gleichen Kostengüter in jeder Abrechnungsperiode den gleichen Kostenarten zugerechnet werden Um diesen Grundsätzen gerecht werden zu können, erfolgt im ersten Zugriff der Kos­ tenartenrechnung meist eine Differenzierung der Kostenarten nach den verbrauchten Produktionsfaktoren. Ihren praktischen Niederschlag finden die genannten Grundsät­ ze bei der Formulierung der Kostenartenpläne, deren Struktur unternehmensspezi­ fisch entsprechend den jeweiligen Informationsbedürfnissen angelegt ist.

3.3.2 Kostenstellenrechnung Die Kostenstellenrechnung ist der zweite Teilbereich der Kostenrechnung. Im Gegen­ satz zur Kostenartenrechnung, die entstandene Kosten sachlich gliedert, erfolgt im Rahmen der Kostenstellenrechnung eine örtliche Zuordnung der in der Kostenarten­ rechnung erfassten Kosten und Kosteneinsätze (vgl. Schweitzer et al. 2011: 139ff). Die Orte der Verrechnung, d. h. die Orte, an denen die Kosten angefallen sind, wer­ den als Kostenstellen (KoSt.) bezeichnet. Die Kostenstellen einer betrieblichen Orga­ nisation lassen sich nach funktionellen und nach abrechnungstechnischen Kriterien systematisieren. Das funktionelle Kriterium führt zu Kostenstellen wie Material, Ferti­ gung, Verwaltung, Vertrieb und allgemeinen Kostenstellen. Nach dem abrechnungs­ technischen Kriterium gelangt man beispielsweise zu Hilfs- bzw. Vorkostenstellen und Haupt- bzw. Endkostenstellen (siehe Abbildung A3.4).

68 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Differenzierung der Kostenstellen

Vorkostenstellen

allgemeine Hilfskostenstellen

bereichsbezogene Hilfskostenstellen

Erbringung innerbetrieblicher Leistungen: Kostenverrechnung auf die Empfangskostenstellen

Endkostenstellen

Hauptkostenstellen

Nebenkostenstellen

produktbezogene Leistungen: Kostenverrechnung auf die Kostenträger

Abb. A3.4: Differenzierung der Kostenstellen (in Anlehnung an Freidank 2012: 140ff).

Insgesamt darf die Einteilung der Kostenstellen nicht zu grob (z. B. Kostenstelle Be­ trieb), aber auch nicht zu differenziert sein, da durch zunehmende Differenzierung nicht notwendigerweise angemessene Informationsgewinne entstehen. Sämtliche in einer Organisation vorhandenen Kostenstellen werden in einem Kostenstellenplan zusammengefasst. Die Gliederung der Kostenstellen richtet sich grundsätzlich nach den Erfordernis­ sen der Kostenplanung und -kontrolle. Bei der Implementierung der Kostenstellen im Betrieb sind folgende Grundsätze der Kostenstelleneinteilung unbedingt einzuhalten (vgl. Eisele, Knobloch 2011: 827f): 1. Eindeutigkeit und Überschneidungsfreiheit: Jede Kostenstelle muss eindeutig de­ finiert sein, damit keine Überschneidungen der einzelnen Kostenstellen möglich sind und so die Zuordnung der Kosten eindeutig wird. 2. Identität von Kostenstelle und Verantwortungsbereich: Nur wenn eine Identität zwischen Kostenstelle und Verantwortungsbereich vorliegt, ist eine wirksame Durchführung der Kostenkontrolle und -steuerung möglich. 3. Aussagekräftige Bezugsgrößen: Für jede Kostenstelle müssen sich genaue Maß­ stäbe als Bezugsgrößen der Kostenverursachung bestimmen lassen, denn sie determinieren die Genauigkeit der Gemeinkostenverrechnung über die Gemein­ kostenzuschläge sowie die Genauigkeit der Sollkosten im Rahmen der Plankos­ tenrechnung. Die zentralen Aufgaben der Kostenstellenrechnung liegen 1. in der möglichst verursachungsgerechten Verteilung der Gemeinkosten auf die im Betrieb vorhandenen Kostenstellen (vgl. Haberstock, Breithecker 2008a: 47ff). Die

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings

2.

3.

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Gemeinkosteneinsätze sollen also dort registriert werden, wo sie entstanden sind. Die hier eingesetzten wesentlichen Instrumente sind der Betriebsabrechnungs­ bogen (BAB) und die innerbetriebliche Leistungsverrechnung. Damit gewährt die Kostenstellenrechnung einen Einblick in die innere Kostenstruktur eines Betriebs oder einer Abteilung. in der Vorbereitung der Kalkulation (Kostenträgerstückrechnung) und der kurz­ fristigen Erfolgsrechnung (Kostenträgerzeitrechnung). Durch die Kostenvertei­ lung auf die Kostenstellen wird hinsichtlich der nachfolgenden Kalkulation er­ reicht, dass einem Produkt die Kosten derjenigen Stellen zugerechnet werden können, die es durchlaufen hat. Dies geschieht über sogenannte Kalkulations­ sätze (Gemeinkostenzuschlagssätze), die im Betriebsabrechnungsbogen (i. d. R. jährlich neu) ermittelt werden. Die Kostenstellenrechnung hat damit die Aufgabe der Vorbereitung der Kalkulation von Verrechnungs- bzw. Angebotspreisen. in der Kontrolle der Wirtschaftlichkeit der einzelnen Teilbereiche und Kostenstel­ len (Kostenkontrolle) durch Planung der Gemeinkosten und Überwachung der Kostenbudgets (Soll-Ist-Vergleiche).

Die Gemeinkostenzuschlagssätze erfüllen in diesen Kontexten eine doppelte Funk­ tion: Einerseits ermöglichen sie (beispielsweise im Rahmen der Zuschlagskalkulati­ on) die Zurechnung der Gemeinkosten auf die Kostenträger; andererseits räumen sie – kostenstellenbezogen – eine Kontrolle der Gemeinkosteneinsätze ein, wie beispiels­ weise im Rahmen der Normalkostenrechnung. Das zentrale abrechnungstechnische Instrument zur Verteilung der Gemeinkos­ ten auf die Kostenstellen und zur Ermittlung der Kalkulationssätze ist der BAB. Im diesem werden grundsätzlich nur Gemeinkosten verrechnet, da die Einzelkosten ex definitione verursachungsgerecht den Kostenträgern direkt zugerechnet werden kön­ nen. Gleichwohl werden die Einzelkosten im BAB dann aufgeführt (nicht aber verrech­ net), wenn sie als Bezugsgröße zur Bildung der Gemeinkostenzuschlagssätze benötigt werden. Die Vorgehensweise bei der Erstellung einer Betriebsabrechnung im BAB lässt sich in folgende Schritte gliedern (vgl. Eisele, Knobloch 2011: 832ff): 1. Verteilung der primären Gemeinkosten auf die Kostenstellen 2. Verteilung der sekundären Gemeinkosten auf die Hauptkostenstellen (innerbe­ triebliche Leistungsverrechnung) 3. Ermittlung der Summe der Gemeinkosten je Hauptkostenstelle und Bildung von Kalkulationssätzen für jede Kostenstelle Für die Verteilung der Gemeinkosten ist zunächst ihre Unterscheidung in primäre und sekundäre Gemeinkosten maßgeblich. Primärkosten sind Kosten, die durch den Verzehr von Gütern oder Dienstleistungen anfallen, die von außerhalb des Unterneh­ mens bezogen werden. Sekundärkosten sind Kosten, die beim Verzehr innerbetriebli­ cher Leistungen entstehen. Innerbetriebliche Leistungen sind für den Betrieb notwen­

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dige Leistungen, die nicht vom Markt bezogen, sondern selbst hervorgebracht werden und ausschließlich betriebsintern verbraucht bzw. genutzt werden. Sie sind im Rah­ men der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung entsprechend den beanspruchten Leistungsumfängen den leistungsempfangenden Kostenstellen zuzurechnen. Die Verteilung der primären Gemeinkosten auf die Kostenstellen sollte möglichst nach dem Verursachungsprinzip erfolgen. Sofern dieses nicht realisierbar sein sollte, kann nur noch das Proportionalitätsprinzip zur Anwendung kommen. In diesem Kon­ text wird analog zur Kostenartenrechnung nach dem Kriterium der Zurechenbarkeit – nun aber auf Kostenstellen – zwischen Kostenstelleneinzelkosten und Kostenstellen­ gemeinkosten differenziert: – Kostenstelleneinzelkosten können aufgrund von Kostenartenbelegen (z. B. Ma­ terialentnahmescheine oder Lohn- und Gehaltslisten) weitestgehend verursa­ chungsgerecht auf die Kostenstellen verteilt werden. – Kostenstellengemeinkosten können bzw. werden nicht streng verursachungsge­ recht auf die Kostenstellen verteilt, weil sie für mehrere Kostenstellen gemeinsam anfallen (echte Kostenstellengemeinkosten) oder weil eine direkte Kostenerfas­ sung mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre (unechte Kostenstellengemeinkosten). Die Verteilung dieser Kostenstellengemeinkosten erfolgt auf der Grundlage von Umlageschlüsseln, die auf indirekten Bezugsgrö­ ßen für die Kostenverursachung basieren (vgl. Eisele, Knobloch 2011: 833ff). Den Verteilungsvorgang der sekundären Gemeinkosten bezeichnet man als inner­ betriebliche Leistungsverrechnung. Die zentralen Probleme der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung ergeben sich in zweierlei Perspektive: 1. Einerseits besteht die Möglichkeit, dass bestimmte Vorkostenstellen mehrere in­ nerbetriebliche Leistungen hervorbringen, die dann auch getrennt abgerechnet werden müssen. 2. Zum anderen besteht ein Problem bei der Verrechnung innerbetrieblicher Leis­ tungen darin, dass die leistungserbringenden Kostenstellen im Allgemeinen auch untereinander Leistungen austauschen. Bei den Verfahren der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung ist zunächst zwi­ schen einseitigen und gegenseitigen Verfahren zu differenzieren (vgl. Freidank 2012: 147ff): – Die einseitigen Verfahren in der Form des Anbauverfahrens und des Stufenlei­ terverfahrens berücksichtigen bei der Verrechnung nur Leistungsströme in eine Richtung. Die beiden Verfahren unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der Ein­ beziehung der Vor- und Hilfskostenstellen in der Leistungsverrechnung. Beim

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings



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Anbauverfahren werden nur diejenigen Leistungen berücksichtigt, die die Vor­ kostenstellen weitergeben. Das Stufenleiterverfahren berücksichtigt neben den direkten Leistungsströmen zusätzlich die innerbetrieblichen Leistungen der Vor­ kostenstellen untereinander, jedoch nur in eine Richtung. Dieses Abrechnungs­ verfahren hat zur Folge, dass alle innerbetrieblichen Leistungen, die Vorkosten­ stellen an andere vorgelagerte Kostenstellen erbringen, nicht verrechnet werden (können). Die Vorkostenstellen müssen daher im BAB so geordnet werden, dass die an vorgelagerte Stellen erbrachten Leistungsströme möglichst gering ausfal­ len. Genauere Verrechnungsergebnisse liefert das Simultanverfahren, das die gegen­ seitigen Austauschbeziehungen der Vorkostenstellen abbildet und anhand eines Gleichungssystems mathematisch löst.

Ein wichtiges Instrument für die später folgende Kalkulation der betrieblichen Leis­ tungen stellen die Zuschlagssätze für die Gemeinkosten dar. Sie sind das Binde­ glied zwischen Kostenstellenrechnung und Kostenträgerrechnung und unterstützen die Verrechnung der Gemeinkosten auf die Kostenträger. Im Interesse einer möglichst hohen Kalkulationsgenauigkeit sind je Kostenstelle möglichst aussagekräftige Be­ zugsgrößen für die Gemeinkostenverursachung auszuwählen. Neben den Einzelkos­ ten in Form der Material- bzw. Fertigungseinzelkosten kommen hier Maschinenstun­ den oder auch die Herstellkosten des Umsatzes in Betracht (vgl. Eisele, Knobloch 2011: 859ff). Bei der Ermittlung der Kalkulationssätze bleiben die Sondereinzelkosten unbe­ rücksichtigt, da sie als auftragsbezogene Einzelkosten die Zuschlagssätze verzerrten.

3.3.3 Kostenträgerrechnung Bei der Kostenträgerrechnung handelt es sich um die dritte und letzte Stufe der Kos­ ten- und Leistungsrechnung. Sie baut auf den Daten der Kostenarten- und Kosten­ stellenrechnung auf. Das Ziel der Kostenträgerrechnung ist die Verteilung der ver­ ursachten Kosten auf die Kostenträger, damit die Kosten- und Leistungsrechnung insbesondere ihren Kalkulations- und Kontrollaufgaben gerecht werden kann (vgl. Schweitzer et al. 2016: 174ff). Unter einem Kostenträger sind die Leistungen zu verstehen, durch deren Erstellung ein Werteverzehr entstanden ist bzw. Kosten verursacht wurden. Diese Kos­ ten sind den jeweiligen Kostenträgern zuzurechnen. Nach der Art der Aufträge bzw. dem Abnehmer der Leistung lassen sich die Kostenträger, wie in Abbildung A3.5 dar­ gestellt, nach Absatzleistungen sowie innerbetrieblichen Leistungen differenzieren.

72 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Kostenträger

Absatzleistungen

Auftragsbestimmte Leistungen (Kundenauftrag)

Leistungen für einen (anonymen) Zielmarkt (Lagerauftrag)

innerbetriebliche Leistungen

aktivierbare Eigenleistungen (z. B. Anlagenauftrag)

nicht aktivierbare Leistungen (sog. Gemeinkostenauftrag)

Abb. A3.5: Differenzierung der Kostenträger (in Anlehnung an Eisele, Knobloch 2011: 869).

Die Kostenträgerrechnung kann stück- oder auch zeitbezogen durchgeführt werden und gliedert sich damit in die Kostenträgerstückrechnung und die Kostenträgerzeit­ rechnung. Die Selbstkostenermittlung für die einzelnen Produkte bzw. Dienstleistun­ gen bezeichnet man als Kostenträgerstückrechnung oder auch Kalkulation, die u. a. für die Preisbildung grundlegend ist. Werden die Kosten je Abrechnungsperiode aus­ gewiesen, handelt es sich um eine Kostenträgerzeitrechnung. Die Kostenträgerrechnung kann sich auf drei Betrachtungszeitpunkte (soge­ nannte Kalkulationszeitpunkte) beziehen (vgl. Freidank 2012: 155): 1. Die (meist auftragsindividuelle) Vorkalkulation ist die auf Grundlage von erwarte­ ten, geschätzten oder geplanten Mengen und Preisen (Plandaten) durchgeführte Berechnung der Herstell- und Selbstkosten pro Leistungseinheit bzw. pro Auftrag. 2. Bei der Zwischenkalkulation erfolgt eine Kalkulation begleitend zum Fertigungs­ prozess. Sie wird i. d. R. bei Kostenträgern mit einer mehrperiodischen Ferti­ gungsdauer durchgeführt. Ihre Zwecke liegen im Wesentlichen in der laufenden Kostenkontrolle und in der Ermittlung von Daten für Teilabrechnungen. 3. Die Nachkalkulation ist eine reine Kontrollrechnung, die nach der Leistungser­ stellung zur Ermittlung der tatsächlich entstandenen Istkosten (pro Leistungs­ einheit, pro Auftrag oder pro Periode) durchgeführt wird. Hier werden die Her­ stell- und Selbstkosten nach Beendigung des Produktionsprozesses auf Basis tatsächlich realisierter Mengen und Preise ermittelt. Ihre Funktionen sind die Kontrolle der Vorkalkulation, die Wirtschaftlichkeitskontrolle, die Abweichungs­ analyse zwischen Vor- und Nachkalkulation, die Bestandsbewertungen in der Bilanzrechnung und die Abrechnung öffentlicher Aufträge. In der Kostenträgerstückrechnung werden mithilfe verschiedener Kalkulationsver­ fahren die Herstell- und Selbstkosten je betrieblicher Leistungseinheit ermittelt. In Abhängigkeit des jeweiligen Fertigungsverfahrens lassen sich verschiedene Kalkula­ tionsverfahren differenzieren, die in Tabelle A3.3 im Überblick dargestellt sind.

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings

| 73

Tab. A3.3: Überblick über die Kalkulationsverfahren (in Anlehnung an Eisele, Knobloch 2011: 888). Kalkulations­ verfahren

Divisionskalkulation Divisions­ kalkulation i. e. S.

Äquivalenz­ ziffern­ kalkulation

Fertigungs­ verfahren

Massen­ fertigung

Charakteristika einheitliche Produkte

Zuschlagskalkulation, Maschinenstundensatz­ rechnung

Kuppelkalkulation, Restwert- oder Verteilungs­ rechnung

Sorten­ fertigung

Einzel­ fertigung

Serien­ fertigung

Kuppelfertigung

artverwandte Produkte

verschieden­ artige Produkte in mehrstufigen Prozessen

verschieden­ artige Produkte in begrenzter Anzahl

verbundene Mehrprodukt­ fertigung

Die hier dargestellten Kalkulationsverfahren stellen i. d. R. Systeme der Vollkosten­ rechnung dar. Da sich ein Kostenanteil an den Gesamtkosten nur als Gemeinkosten über eine teilweise unzureichend verursachungsgerechte Schlüsselung in der Kosten­ stellenrechnung und mithilfe von pauschalen Zuschlagssätzen verteilen lässt, ist eine verursachungsgemäße Zurechnung der Gemeinkosten auf die Kostenträger nicht ge­ währleistet. Selbst die Standardaufgabe der Vollkostenrechnung, die Preiskalkulati­ on, kann damit nur unzureichend erfüllt werden. Durch die Fixkostenproportionalisierung (siehe Abbildung A3.6) reduzieren sich die Verrechnungssätze mit steigendem Leistungsvolumen. Dadurch werden Unternehmensbereiche mit einem hohen Beschäftigungsgrad durch sinkende Ver­ rechnungspreise stärker belastet, während Bereiche mit einem geringen Beschäfti­ gungsgrad mit höheren Verrechnungspreisen ausgestattet werden. Bei rückläufiger Beschäftigung besteht dann die Gefahr, dass die Absatzpreise zu hoch kalkuliert werden. Gesamtkosten Einzelkosten

Gemeinkosten

direkte Verrechnung

Verrechnung durch pauschale Gemeinkostenzuschläge (Proportionalisierung)

Proportionalisierung der variablen Kosten

Proportionalisierung der fixen Kosten

Abb. A3.6: Fixkostenproportionalisierung in der Vollkostenrechnung (in Anlehnung an Drosse 2014: 54f).

74 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

In Bezug auf die Kalkulation nach Vollkostenlogik bedeutet die Differenzierung der Kosten nach ihrem Verhalten bei Beschäftigungsschwankungen, dass bei steigender Beschäftigung die beschäftigungsneutralen Kosten auf eine größere Anzahl hervorge­ brachter Leistungseinheiten verteilt werden können. Dadurch entfällt auf jede einzel­ ne Leistungseinheit ein entsprechend geringerer Kostenanteil (Effekt der Stückkos­ tendegression). Umgekehrt entfällt bei sinkender Beschäftigung ein entsprechend höherer Kostenanteil auf jede einzelne Leistungseinheit. Die Kalkulationsverfahren auf Vollkostenbasis sind demzufolge bei einem hohen Fixkostenanteil an den Gesamt­ kosten aufgrund der Proportionalisierung der Fixkosten durch unzureichende Aussa­ gekraft gekennzeichnet (vgl. Eisele, Knobloch 2011: 891ff). Als System der Teilkostenstückrechnung kann hier die Ermittlung des Stückde­ ckungsbeitrags (db) im Rahmen der Deckungsbeitragsrechnung angesehen werden, weil die Fixkosten bei der Kalkulation unberücksichtigt bleiben (in Anlehnung an Schweitzer et al. 2016: 207): db = Angebotspreis p (LE) − variable Kosten pro LE [kvar ] In der Kostenträgerzeitrechnung werden alle in einer Abrechnungsperiode anfallen­ den Kosten gegliedert und den Erträgen gegenübergestellt. Diese verschiedenen Ver­ fahren der Ergebnis- und Erfolgsrechnung werden im folgenden Kapitel auf der Basis von Istvollkosten und von Istteilkosten näher erläutert.

3.4 Ergebnis- und Erfolgsrechnungen Im Rahmen der Kostenträgerzeitrechnung werden die Kosten auf einen Abrechnungs­ zeitraum bezogen. Die Kostenträgerzeitrechnung wird oft auch als Betriebsergebnis­ rechnung oder als kurzfristige Erfolgsrechnung bezeichnet, da den Kosten einer Ab­ rechnungsperiode die Leistungen bzw. Erlöse gegenübergestellt werden. Die Kostenträgerzeitrechnung hat eine Steuerungs- und Kontrollfunktion und dient der laufenden (periodenbezogenen) Überwachung der Wirtschaftlichkeit. Sie soll das entsprechende Datenmaterial sowohl für dispositive Zwecke (kurzfristige Produktions- und Absatzentscheidungen) als auch für Kontrollzwecke (Vergleich von Plan- mit Istwerten) bereitstellen. Damit auf negative Einflüsse möglichst zügig re­ agiert werden kann, sollten den Abrechnungszeiträumen relativ geringe Zeitspannen (i. d. R. ein Monat) zugrunde gelegt werden. Die Durchführung der Kostenträgerzeit­

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings

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rechnung kann sowohl auf Vollkosten- als auch auf Teilkostenbasis erfolgen. Abbil­ dung A3.7 zeigt die verschiedenen Verfahren im Überblick. Kostenträgerzeitrechnungen

Vollkostenbasis

GuV Gesamt- oder Umsatzkostenverfahren

BAB II Zuschlagskalkulationen

Teilkostenbasis

einstufige Fixkostendeckungsrechnungen

mehrstufige Fixkostendeckungsrechnungen

Abb. A3.7: Überblick über die Kostenträgerzeitrechnungen (in Anlehnung an Eisele, Knobloch 2011: 987f).

3.4.1 Vollkostenansätze Die Kostenträgerzeitrechnung kann in Anlehnung an die handelsrechtlichen Vorga­ ben zur Gewinn- und Verlustrechnung (vgl. §§ 275ff. HGB) mithilfe des Gesamtkos­ tenverfahrens (GKV) oder mithilfe des Umsatzkostenverfahrens (UKV) durchgeführt werden; beide Verfahren führen zum selben (Betriebs-)Ergebnis. Das Gesamtkosten­ verfahren hat den gravierenden Nachteil, dass durch die Kostenartenorientierung ei­ ne kostenträgerbezogene Gegenüberstellung von Kosten und Erlösen nicht möglich ist und somit keine Informationen über den Erfolg von Produkten oder Produktgruppen generiert werden können. Beim Umsatzkostenverfahren hingegen werden den Um­ satzerlösen nur die Selbstkosten der Absatzmenge gegenübergestellt, sodass hier ei­ ne gesonderte Ausweisung kostenträgerbezogener Erfolgsbeiträge zumindest einge­ räumt wird (vgl. Ruhnke, Simons 2012: 177ff). Daneben bietet sich eine Betriebsergebnisrechnung auf Istkostenbasis an, die abweichend von der üblichen Abrechnungsperiode externer Rechnungslegung auf der Basis von Gemeinkostenzuschlagssätzen das Betriebsergebnis sowie die Anteile der Kostenträger am Betriebsergebnis ermittelt. Dabei sind zunächst die in einer Ab­ rechnungsperiode anfallenden Kosten, wie in Abbildung A3.8 gezeigt, zu gliedern.

76 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Materialeinzelkosten MGk (Zuschlag auf Basis der Materialeinzelkosten)

Materialkosten

Fertigungseinzelkosten FGk (Zuschlag auf Basis der Fertigungseinzelkosten)

Herstellkosten

Fertigungskosten Selbstkosten

Sondereinzelkosten der Fertigung

Verwaltungs-Gk (Zuschlag auf Basis der Herstellkosten) Vertriebs-Gk (Zuschlag auf Basis der Herstellkosten)

Verwaltungs- und Vertriebskosten

Sondereinzelkosten des Vertriebs Abb. A3.8: Zusammensetzung der Selbstkosten (in Anlehnung an Freidank 2012: 167).

Die Gemeinkosten werden hier üblicherweise auf der Basis einer Zuschlagskalkula­ tion verrechnet. Im Rahmen der Zuschlagskalkulation unterscheidet man je nach Ge­ nauigkeitsgrad zwischen der summarischen und der differenzierenden Variante. Bei der summarischen Zuschlagskalkulation werden die gesamten Gemeinkosten der Ab­ rechnungsperiode durch einen einzigen Zuschlagssatz verrechnet. Da es sich um ein sehr globales Kalkulationsverfahren handelt, kann dieses Verfahren nur bei relativ ge­ ringem Gemeinkostenanteil zur Anwendung kommen. Die Anwendung der differen­ zierenden Zuschlagskalkulation setzt eine Aufspaltung der Gemeinkosten nach den klassischen Kostenverursachungsbereichen voraus, was in der Unterscheidung zwi­ schen Material-, Fertigungs-, Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten mündet (vgl. Haberstock, Breithecker 2008a: 156ff). Bei der Ermittlung der Zuschlagssätze bleiben

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings

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die Sondereinzelkosten der Fertigung unberücksichtigt, da sie als auftragsbezogene Sonderkosten nicht regelmäßig entstehen (vgl. Eisele, Knobloch 2011: 859ff). Die Betriebsergebnisrechnung baut üblicherweise auf der differenzierenden Va­ riante auf und weist das Betriebsergebnis insgesamt wie auch die Anteile der einzel­ nen Kostenträger am Betriebsergebnis aus. Die Betriebsergebnisrechnung in der Form des BAB II operiert direkt auf Basis des Betriebsabrechnungsbogens der Kostenstellen­ rechnung (BAB I), aus dem die Einzel- und Gemeinkosten der Abrechnungsperiode und zudem die aktuellen Gemeinkostenzuschlagssätze entnommen werden können. Mithilfe der im BAB I ermittelten Kalkulationssätze werden die Gemeinkosten den für die einzelnen Kostenträger direkt zurechenbaren Einzelkosten mittelbar zugeschla­ gen. Auf diese Weise lassen sich die Selbstkosten insgesamt und die Selbstkostenan­ teile der einzelnen Kostenträger ermitteln und den Umsatzerlösen (Daten aus der Dop­ pik) – nach Kostenträgern sortiert –gegenüberstellen. Tabelle A3.4 verdeutlicht diese Vorgehensweise. Tab. A3.4: Schema der Betriebsergebnisrechnung auf Basis eines BAB (in Anlehnung an Eber­ lein 2010: 154f). Schema + = + + =

Materialeinzelkosten MGk (Gemeinkostenzuschlag auf MEk) Materialkosten (1) Fertigungseinzelkosten FGk (Gemeinkostenzuschlag auf FEk) Fertigungskosten (2)

∑ Istkosten

Kostenträger 1

... ... ... ... ... ...

... ... ... ... ... ...

... ... ... ... ... ...

...

Kostenträger n

Herstellkosten der Erzeugung: (1) + (2)

...

...

...

±

Bestandsveränderungen

...

...

...

=

Herstellkosten des Umsatzes

...

...

...

+

...

...

...

...

...

...

+

Verwaltungs-Gk (Gemeinkostenzuschlag auf HK d. U.) Vertriebs-Gk (Gemeinkostenzuschlag auf HK d. U.) SoEk der Fertigung/des Vertriebs

...

...

...

=

Selbstkosten des Umsatzes (3)

...

...

...

Umsatzerlöse (4)

...

...

...

Betriebsergebnis (BE) (4) − (3)

...

...

...

+

Eine solche periodenbezogene Nachkalkulation auf Istvollkostenbasis kann zwar das Betriebsergebnis für die zurückliegende Abrechnungsperiode insgesamt sowie die

78 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Anteile der Kostenträger am Betriebsergebnis ausweisen. Es lassen sich jedoch keine kurzfristig wirksamen Entscheidungen begründen. Hierzu bedarf es der Ergänzung der Vollkostenrechnung um eine Teilkostenrechnung. Die Entwicklung der Teilkos­ tenrechnung beruht gerade auf den Problemen der Vollkostenrechnung, für operative Entscheidungsprobleme die richtigen Informationen zur Verfügung stellen zu können (vgl. Freidank 2012: 300ff). Diese Probleme liegen im Wesentlichen begründet in der wenig verursachungsgerechten Verteilung der Gemeinkosten, insbesondere im Rah­ men der Primär- und Sekundärverteilung (Kostenstellenrechnung) sowie im Rahmen der pauschalen Verrechnung der Gemeinkosten auf die Kostenträger (Kostenträger­ rechnung). In den Teilkostenrechnungen werden deshalb nur die Kostenanteile auf die Kostenträger umgelegt, die diesen eindeutig zugerechnet werden können.

3.4.2 Teilkostenansätze Die wesentlichsten Auswirkungen der Ergänzung der Voll- um eine Teilkostenrech­ nungssystematik beziehen sich auf die Kostenträgerrechnung. In der Kostenartenund in der Kostenstellenrechnung sind jedoch die entsprechenden Voraussetzun­ gen für die weitere Verrechnung zu schaffen (vgl. Drosse 2014: 125ff): – In der Kostenstellenrechnung als Bindeglied zwischen Kostenarten- und Kos­ tenträgerrechnung ist unter Beibehaltung der funktionalen Gliederung des BAB (nach Kostenverursachungsbereichen und Kostenstellen) zumindest eine Auf­ spaltung der Gemeinkosten in variable und fixe Bestandteile durchzuführen (so­ genannter Teilkosten-BAB). Die Kalkulationssätze sind wie im Vollkosten-BAB aufgebaut, allerdings beziehen sie sich hier nur auf den variablen Gemeinkosten­ anteil. Alternativ können die Kostenstellen auch von vornherein mit einem Bezug zu den zu kalkulierenden Kostenträgern aufgestellt werden; dann wäre nach den hergestellten bzw. angebotenen Leistungsgruppen und -arten zu differenzieren. Die aufgeführten Grundsätze der Kostenstellenbildung blieben davon unberührt. – Nach dem Verursachungsprinzip werden nur die variablen Kosten auf die Kosten­ träger verrechnet. Aus diesem Grunde ist im Rahmen der Kostenartenrechnung ei­ ne Auflösung der Gesamtkosten des Unternehmens (und der Kostenbereiche und -stellen) nach dem Beschäftigungsbezug in fixe und variable Kostenbestandteile durchzuführen. Die Teilkostenrechnungssysteme berücksichtigen (zumindest im ersten Verrech­ nungsschritt) ausschließlich die variablen Kosten und umgehen somit das Problem der kalkulationsungenauen Proportionalisierung der Fixkosten. Als zentrale Rech­ nungssysteme fungieren hier die Deckungsbeitragsrechnungen für Kostenträger (auf Istkostenbasis). Sie untersuchen die Fixkostendeckungsanteile der einzelnen Kostenträger und lassen sich als zeitbezogene Rechnungssysteme in ein- und mehr­ stufige Systeme differenzieren (siehe Abbildung A3.9).

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings

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Rechnungssysteme der Fixkostendeckung

einstufige Rechnungssysteme – = – =

Umsatzerlöse variable Kosten des Umsatzes DB Fixkostenblock Erfolg

mehrstufige Rechnungssysteme Aufspaltung des Fixkostenblocks

stufenweiser DB mit höherer Aussagekraft

Abb. A3.9: Rechnungssysteme der Fixkostendeckung (in Anlehnung an Eisele, Knobloch 2011: 900, 906; vgl. Klenger 1999: 99).

Die einfachste Variante der Deckungsbeitragsrechnungen bietet die einstufige De­ ckungsbeitragsrechnung, auch als Direct Costing bezeichnet. Ausgangspunkt dieser Deckungsbeitragsrechnung ist der Umsatzerlös eines Kostenträgers. Diesem Umsatz­ erlös werden (nur) die variablen Kosten gegenübergestellt, die zur Erzielung des Umsatzerlöses eingesetzt werden mussten. Es handelt sich dabei im Allgemeinen um Fertigungsmaterialkosten, um Fertigungslöhne und um Sondereinzelkosten. Die Differenz zwischen dem Umsatzerlös und diesen variablen Kosten des Umsatzes bezeichnet man als Deckungsbeitrag. Er bezeichnet den Differenzbetrag, den die Kos­ tenträger zur Deckung der fixen Kosten, der Ertragssteuern und zur Gewinnerzielung beitragen. Je nach Komplexität des Leistungsspektrums und gefordertem Genauigkeitsgrad der Kalkulation lässt sich diese einstufige zur mehrstufigen Deckungsbeitragsrech­ nung, auch Fixkostendeckungsrechnung genannt, ausbauen. Während in der einstu­ figen Variante der Fixkostenblock als Gesamtsumme nicht weiter zerlegt wird, nimmt die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung eine Analyse des Fixkostenblocks nach dem Kriterium der Zurechenbarkeit auf Kostenträger und Kostenträgergruppen vor. Ausgangspunkt der zu bildenden Kostenhierarchie sind die einzelnen Leistungsar­ ten. Fasst man mehrere Leistungsarten zusammen, kommt man zu Leistungsgrup­ pen. Werden die Leistungsgruppen weiter aggregiert, könnte die nächsthöhere Ebene durch Betriebsbereiche oder Sparten repräsentiert werden. Die letzte Stufe bildet das Unternehmen als kostenverursachende Einheit. Diesen einzelnen Hierarchiestufen werden die Fixkosten so weit wie möglich verursachungsgerecht zugeordnet. Grund­ sätzlich gilt hier, dass Fixkosten, die ursächlich mit mehreren Stufen zusammenhän­ gen, der jeweils höheren Stufe zuzurechnen sind. In der betriebspraktischen Anwen­ dung hat sich eine Differenzierung in drei bis fünf Ebenen durchgesetzt (vgl. Eisele, Knobloch 2011: 904ff). Eine Aufspaltung des Fixkostenblocks auf nur drei Ebenen mündet in der Unterscheidung zwischen Produktfixkosten, Produktgruppenfixkosten und Unternehmensfixkosten (siehe Abbildung A3.10).

80 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Aufspaltung des Fixkostenblocks Kf

Produktfixkosten

Produktgruppenfixkosten

Unternehmensfixkosten

Zurechenbarkeit zu der Gesamtzahl der LE eines Produkts

Zurechenbarkeit zu der Gesamtzahl der LE einer Produktgruppe

keine Zurechenbarkeit zu Produkt bzw. Produktgruppe

Abb. A3.10: Aufspaltung des Fixkostenblocks (in Anlehnung an Coenenberg et al. 2016a: 226ff; Ei­ sele, Knobloch 2011: 904ff).

Die Fixkosten werden also im Unterschied zur einstufigen Variante den Teilbereichen zugeordnet, die diese Kosten verursacht haben. Der Teil der Fixkosten, der sich keinem Bereich eindeutig zuordnen lässt, wird als Unternehmensfixkosten oder Restfixkosten bezeichnet; er ist von allen Kostenträgern zu decken. Tabelle A3.5 verdeutlicht diese Vorgehensweise. Tab. A3.5: Dreistufige Deckungsbeitragsrechnung (in Anlehnung an Coenenberg et al. 2015: 226ff). Schema



Kostenträgergruppe A

...

Kostenträger 1

Kostenträger 2

...



Umsatzerlöse variable Kosten des Umsatzes

... ...

... ...

... ...

=

Deckungsbeitrag I

...

...

...



Produktfixkosten

...

...

...

=

Deckungsbeitrag II

...

...

...



Produktgruppenfixkosten

...

...

=

Deckungsbeitrag III

...

...



Unternehmensfixkosten

...

=

Erfolg

...

Durch diese differenziertere Vorgehensweise werden tiefere Einblicke in die Erfolgs­ strukturen des Leistungsspektrums ermöglicht: Je nach Einteilung der Ebenen las­ sen sich detaillierte Deckungsbeiträge stufenweise ermitteln. Diese Deckungsbeiträge beurteilen die Profitabilität von Produktarten bzw. Leistungsarten und Produkt- bzw. Leistungsgruppen. Alle mehrstufigen Rechnungssysteme zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit dem bzw. den gewählten Kalkulationsobjekten einen Entscheidungsbe­

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings

|

81

zug herstellen und den stufenweisen Deckungsbeitrag wie auch den Erfolg mit unter­ schiedlichen Bezugsgrößen ausweisen. Dabei wird regelmäßig eine eindeutige Trenn­ barkeit zwischen fixen und variablen Kosten unterstellt. Sobald durch die Analyse des Fixkostenblocks nach dem Kriterium der Zurechenbarkeit auf Kostenträger und Kostenträgergruppen eine differenziertere Betrachtung der Fixkosten angestrebt wird, tauchen in den Rechnungssystemen zudem Probleme der eindeutigen Zurechenbar­ keit der Fixkosten auf die Kalkulationsobjekte auf. Daneben bleibt die Abbaufähigkeit fixer Kosten (sogenannte Kostenremanenz) weitestgehend unberücksichtigt. Die konsequente Fortführung der Deckungsbeitragsrechnungen führt zur Breakeven-Analyse als Instrument der Gewinnplanung und -kontrolle (vgl. Kesten 2015: 690ff; vgl. Coenenberg et al. 2016: 329ff). Der Break-even-Punkt stellt die Absatzmenge dar, bei der der Umsatz einer Abrechnungsperiode (oder eines Kostenträgers) genau den fixen Kosten der Periode (oder eines Kostenträgers) zuzüglich der angefallenen variablen Kosten entspricht. Mit der Absatzmenge im Break-even-Punkt wird also ein Gewinn in Höhe von Null realisiert. Sinkt die Absatzmenge unter diese kritische Men­ ge, wird ein Verlust erwirtschaftet. In den Break-even-Modellen werden regelmäßig als vereinfachende Ausgangsbedingungen ein Reagibilitätsgrad bei den variablen Kosten in Höhe von 1 (proportionaler Kostenverlauf) sowie Fixkosten in der Form absolut fixer Kosten unterstellt (vgl. kritisch hierzu Hoberg 2014b: 759ff). Unter diesen Ausgangs­ voraussetzungen lassen sich in Abhängigkeit der abgesetzten Leistungsmenge x ei­ nes Kostenträgers folgende Betrachtungen anstellen (vgl. Belkin 2015: 45; vgl. auch Schweitzer et al. 2016: 579ff): Gewinn:

G(x) = Umsatz U(x) − Gesamtkosten K(X) = DB − Fixkosten

[Periode]

G(x) = p ⋅ x − [(kvar ⋅ x) + Kf ] = DB − Kf G(x) = [p − kvar ] ⋅ x − Kf = DB − Kf BEP:

G(x) = 0

DB = Kf

U(x) = K(x)

[db ⋅ x] = Kf ,

d. h. x = (Kf : db)

Im Break-even-Modell mit den genannten Ausgangsbedingungen bezüglich der varia­ blen und fixen Kostenverläufe bedeutet dies (sofern die anderen Daten jeweils kon­ stant bleiben) – eine Senkung (Erhöhung) des Angebotspreises eine Erhöhung (Verringerung) der BEP-Menge, – eine Verringerung (Erhöhung) des Fixkostensockels eine Verringerung (Erhö­ hung) der BEP-Menge, – eine Senkung (Erhöhung) der variablen Kosten je LE eine Verringerung (Erhö­ hung) der BEP-Menge (vgl. Belkin 2015: 45ff).

82 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

3.5 Übungsaufgaben Aufgabe 1 Die Cycle GmbH übermittelt Ihnen zur Erstellung einer Betriebsergebnisrechnung im Rahmen des BAB II alle relevanten Daten des BAB I und der Buchführung für die Ab­ rechnungsperiode 2014 (in €): Einzelkosten

Produkt A (x H = x A )

Produkt B (x H = x A )

Fertigungsmaterial Fertigungslöhne

50.000 140.000

25.000 50.000

25.000 90.000

Ist-MGk-Zuschlagssatz Ist-Verwaltungs-GK-Zuschlagssatz

150 % 15 %

Ist-FGk-Zuschlagssatz Ist-Vertriebs-GK-Zuschlagssatz

130 % 7,5 %

495.000

325.000

Umsatzerlöse

Erstellen Sie eine Betriebsergebnisrechnung mit dem Betriebsergebnis insgesamt, so­ wie mit den Anteilen der einzelnen Kostenträger am Betriebsergebnis. Aufgabe 2 Im Rahmen der Kostenauflösung in den Hauptkostenstellen der Cycle GmbH werden in der Abrechnungsperiode 2014 folgende Reagibilitätsgrade für die Gemeinkosten er­ mittelt: Materialgemeinkosten: R = 65 % Verwaltungsgemeinkosten: R = 20 %

Fertigungsgemeinkosten: R = 40 % Vertriebsgemeinkosten: R = 40 %

Nehmen Sie auf Basis der Daten aus Aufgabe 1 eine Kostenauflösung vor und transfor­ mieren Sie die Betriebsergebnisrechnung (Vollkostenrechnung) der vorherigen Aufga­ be in ein Direct Costing (Teilkostenrechnung). Aufgabe 3 Die Cycle GmbH bietet drei artverwandte Produkte an; in der Betriebsergebnisrech­ nung (Vollkostenrechnung) wurden diese in der Abrechnungsperiode 2015 mit folgen­ den Daten erfasst: Produkt A: Produkt B: Produkt C:

Selbstkosten d. U. 400.000 €; Umsatzerlös 800.000 €; Absatzmenge 10.000 LE Selbstkosten d. U. 380.000 €; Umsatzerlös 400.000 €; Absatzmenge 5.000 LE Selbstkosten d. U. 150.000 €; Umsatzerlös 350.000 €; Absatzmenge 7.000 LE

Im Fixkostenblock sind unternehmensfixe Kosten in Höhe von 202.500 € und pro­ duktgruppenfixe Kosten für die Produkte A und B in Höhe von 150.000 € enthalten; die restlichen Fixkosten sind den drei Produkten als produktfixe Kosten mit jeweils gleichem Anteil zuzurechnen. Ermitteln Sie die Stückdeckungsbeiträge db I und db II sowie den Erfolg der Ab­ rechnungsperiode auf Basis einer dreistufigen Deckungsbeitragsrechnung. Die Kos­ tenauflösung ist mit einem Reagibilitätsgrad von 45 % durchzuführen.

Zusammenfassung Die Generierung der Entscheidungen im Unternehmen bedarf der Information. Für entscheidungsorientierte Controllingkonfigurationen ist deshalb die zielgerichtete Informationserhebung und -verarbeitung grundlegend. Die durch das operative Con­ trolling vorzunehmende unternehmensspezifische Gestaltung der Unternehmens­ rechnung und ihrer Informationssysteme besitzt eine herausragende Bedeutung, da hiermit der Grad der Verwendbarkeit der Informationen für die zu treffende Entschei­ dung beeinflusst wird. Darüber hinaus kann – im Rahmen der Entscheidungskoordi­ nation – die unternehmensspezifische Gestaltung der Unternehmensrechnungssyste­ me zur zielorientierten Verhaltensbeeinflussung von Entscheidungsträgern eingesetzt werden. Das Finanzcontrolling und auch das Kostencontrolling befassen sich als ent­ scheidungsorientierte Konfigurationen mit Fragen der konzeptionellen Gestaltung und Nutzung der Informationssysteme der Unternehmensrechnung, um den Anfor­ derungen des Finanz- und Kostenmanagements nachkommen zu können. Vor dem Hintergrund spezifischer Controllingziele, die in ausgewählten Liquiditäts-, Erfolgsund Ergebnisbeurteilungen münden, fallen in beiden Controllingausrichtungen Auf­ gaben der zielorientierten Informationsbeschaffung und -auswertung ebenso an wie das Entwickeln und Bereitstellen von Modellen und Entscheidungshilfen für das Finanz- bzw. Kostenmanagement. Die finanzorientierten Controllingausrichtungen rücken – eher unternehmensbe­ zogen – die finanzwirtschaftlichen Prozesse in den Mittelpunkt der Betrachtungen, um auf Basis der zahlungs- und erfolgswirksamen Ströme die bestandsverändernden Wirkungen auf Vermögens- und Kapitalbestände aufzeigen zu können. Die kosten­ orientierten Controllingausrichtungen hingegen stellen – eher betriebsbezogen – auf die leistungswirtschaftlichen Prozesse ab, um auf Basis der hieraus resultierenden mengen- und wertmäßigen Ströme das Ergebnis der gewöhnlichen Betriebs- und Geschäftstätigkeit aufzeigen und Einblicke in die Erfolgsstrukturen des Leistungs­ spektrums gewähren zu können. Finanzorientierte Controllingausrichtungen nutzen für ihre Zwecke die Finanz-, Bestands- und Erfolgsrechnungen, um auf Basis der Verknüpfung dieser zeitpunkt- und zeitraumbezogenen Rechnungssysteme Aussa­ gen zum Erfolg einer Abrechnungsperiode und zur (stichtagsbezogenen) Liquidität des Unternehmens treffen zu können. Kostenorientierte Controllingausrichtungen hingegen konzentrieren sich auf die Rechnungssysteme der Voll- und Teilkostenrech­ nungen, um Aussagen zum Betriebsergebnis und zur Profitabilität der Leistungen ableiten zu können. Die von den entscheidungsorientierten Controllingkonfigurationen herangezo­ genen Informationssysteme der Unternehmensrechnung weisen vielfältige Vernet­ zungen auf. Diese betreffen einerseits die Datenherkunft, andererseits aber auch die

https://doi.org/10.1515/9783110439793-005

84 | Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis

Datenverwendung. Alle Informationssysteme rekurrieren letztlich – wenn auch in unterschiedlicher Weise – auf Zahlungsströme: – Die verschiedenen Systeme der Finanz- und Erfolgsrechnungen sollen eine Fun­ dierung der Erfolgs- und Liquiditätsbeurteilungen gewährleisten, indem die während der gewählten Abrechnungsperiode erfassten Zahlungsmittel- und Er­ folgsströme nach ihrer Wirkung geordnet werden. In den retrospektiven Finanz­ rechnungen erfolgt dies, indem die Zahlungsströme unterschiedlichen Tätigkeits­ bereichen zugeordnet werden, um somit die Wirkungen auf den Gesamtbestand liquider Mittel den verschiedenen Cashflow-Bereichen (der laufenden Geschäfts­ tätigkeit, der Investitionstätigkeit und der Finanzierungstätigkeit) zuschreiben zu können. In den (ebenfalls retrospektiven) Erfolgsrechnungen wird dies um­ gesetzt, indem in den GuV-Rechnungen die Erfolgsströme nach ihrer Wirkung unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen zugeordnet werden, um durch Verrech­ nung wirkungsgleicher Erträge und Aufwendungen verschiedene Teilergebnisse, insbesondere das BE, ermitteln zu können. – Mit der Ableitung der (wertmäßigen) Kosten und Leistungen aus den Aufwendun­ gen und Erträgen der Erfolgsrechnung ergibt sich eine indirekte Anlehnung der traditionellen Kosten- und Leistungsrechnungen an die Finanzrechnungen. Die verschiedenen Systeme der Kosten- und Leistungsrechnungen sollen eine Fun­ dierung der Betriebserfolgsbeurteilung und eine Kalkulation der Kostenträger ge­ währleisten, indem die Kostenströme der gewählten Abrechnungsperiode erfasst werden, um sie einer Kostenverrechnung zuführen zu können. Diese Kostenver­ rechnung nimmt zunächst eine Kostenverteilung vor, um auf den resultierenden Daten aufbauend eine Kalkulations- und Betriebsergebnisrechnung entwickeln zu können. Da die Bilanz- und Erfolgsrechnungssysteme als Elemente der externen Unterneh­ mensrechnung sowieso im Unternehmen vorhanden sind, bieten sie automatisch An­ knüpfungspunkte für die unternehmensindividuelle Ausgestaltung der internen Un­ ternehmensrechnung. Mit dieser Anknüpfung fließen gesetzlichen Vorschriften der externen Unternehmensrechnung in die interne Unternehmensrechnung. Umgekehrt fließen mit dem Datentransfer aus der internen Unternehmensrechnung in die exter­ ne Unternehmensrechnung – wie beispielsweise mit der Verwendung kostenrechne­ rischer Kalkulationsergebnisse für bilanzielle Bewertungen – kalkulatorische Größen der internen Unternehmensrechnung direkt in die externe Unternehmensrechnung.

| Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Einleitung Funktionsübergreifende bzw. funktionsbezogene Planung, Steuerung und Kontrol­ le sind elementare Gegenstandsbereiche eines Unternehmenscontrollings. Sie sind als Teilprozesse im Rahmen des Führungssystems in Unternehmen anzusehen. Die­ sen Prozessebenen des Controllings liegen Entscheidungsunterstützungsfunktionen zugrunde, d. h. das Controlling hat als eine der Kernaufgaben die Entscheidungsko­ ordination in vertikaler und horizontaler Richtung innerhalb des Unternehmens zu erfüllen. In Teil B werden die Ansatzpunkte und Instrumente des operativen Controllings dargelegt. Die Erläuterungen sind an den entscheidungsorientierten Controlling­ konfigurationen ausgerichtet. Als wesentliche Aufgaben des operativen Controllings werden hier neben der Entscheidungsvorbereitung die Koordination von Entschei­ dungen auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen angesehen. In einem ersten Schritt werden mit der Erläuterung des Begriffs und der Gegen­ standsbereiche sowie mit der Darstellung der im operativen Controlling verfolgten Ziele die Grundlagen gelegt (siehe Teil B, Kapitel 1). Die Grundidee, Controlling als kybernetisches Regelungs- und Steuerungssystem zu begreifen, beschließt Kapitel 1 in Teil B. Das Kapitel 2 in Teil B widmet sich den Funktionen des operativen Control­ lings, wobei die Anreiz- und Verhaltenswirkungen ebenso als Funktionsbereich des operativen Controllings aufgefasst werden wie die operative Planung und die opera­ tive Kontrolle. Ausgewählte Instrumente des operativen Controllings, v. a. im Bereich der operativen Planung und Kontrolle, sind Gegenstand der Erörterung in Teil B, Ka­ pitel 3. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse. Nach Bearbeitung von Teil B „Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente“ – kennen Sie die begrifflichen Grundlagen, Ziele und Gegenstandsbereiche des operativen Con­ trollings und Sie verstehen die wesentlichen Zusammenhänge zwischen diesen Bereichen. – können Sie die Schnittstellen und die Abgrenzung zum strategischen Controlling erläutern und sind in der Lage, die Anreiz- und Verhaltenswirkungen im Bereich des operativen Controllings darzustellen. – können Sie die Unternehmensplanung anhand ihrer zentralen Merkmale erläutern sowie zwi­ schen sach- und formalzielorientierter Planung unterscheiden. – kennen Sie die verschiedenen Formen der operativen Kontrolle, können einen Soll-Ist- bzw. einen Soll-Wird-Vergleich durchführen und zwischen methodisch bedingten und dispositiv bedingten Abweichungen unterscheiden. – können Sie eine Kostenvergleichsrechnung auf ein betriebspraktisches Problem hin selbststän­ dig anwenden, und erkennen den Aussagewert der Kostenvergleichsrechnung vor dem Hinter­ grund unterschiedlicher Ausgangsannahmen. – können Sie eine Nutzwertanalyse auf der Basis eines vorgegebenen Sachverhalts entwerfen und die Aussagekraft in Bezug auf die unterstellten Bewertungsparameter beurteilen. – sind Ihnen die grundlegenden Abweichungsursachen bekannt und Sie können den ForecastAnsatz im Vergleich zu retrospektiven Abweichungsursachenanalysen erläutern sowie einen vorgegebenen Forecast nachvollziehen. https://doi.org/10.1515/9783110439793-006

1 Grundlagen des operativen Controllings Controlling kann im übergreifenden Sinne als integrativer Bestandteil des unterneh­ merischen Führungsprozesses angesehen werden. Dem Controlling obliegt es, die gesetzten Zielvorstellungen des Unternehmens unterstützend realisieren helfen zu können unter Heranziehung vielfältiger Instrumente und Hilfsmittel. Jung definiert Controlling als „[. . . ] ein funktionsübergreifendes Steuerungsinstrument, das den unternehmerischen Entscheidungs- und Steuerungsprozess durch zielgerichtete In­ formationserarbeitung und -verarbeitung unterstützt.“ (Jung 2014a: 8).

1.1 Das Controlling als Element des Führungssystems Der gesamtunternehmerische Entscheidungs- und Steuerungsprozess wird mithilfe des Controllings in den einzelnen Teilbereichen des Unternehmens zielorientiert ko­ ordiniert. Eine Systematisierung des Controllings im Unternehmen lässt sich anhand von vier Grundkategorien vornehmen (siehe Abbildung B1.1): 1. nach dem Zeitbezug 2. nach den Funktionen im Unternehmen 3. nach den Einsatzfaktoren 4. nach dem Organisationstypus Controlling

nach dem Zeitbezug

nach Funktionen

nach Einsatzfaktoren

nach Organisationen

z. B.: – strategisches Controlling – operatives Controlling

z. B.: – Produktionscontrolling – Vertriebscontrolling – Marketingcontrolling – Beschaffungscontrolling – EDV-Controlling – Logistikcontrolling

z. B.: – Finanzcontrolling – Personalcontrolling – Investitionscontrolling – Anlagencontrolling

z. B.: – gewinnorientierte Unternehmen – Non-ProfitOrganisation – öffentliche Verwaltung

Abb. B1.1: Ausgewählte Teilgebiete des Controllings (in Anlehnung an Deimel et al. 2013: 18).

Die zentralen Aufgaben des Controllings sind die Ermittlungs- und Dokumentati­ onsfunktion, die Kontrollfunktion, die Vorgabe- und Steuerungsfunktion sowie die https://doi.org/10.1515/9783110439793-007

1 Grundlagen des operativen Controllings

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Willensbildung

Planungs- und Beratungsfunktion (vgl. Jung 2014a: 11). Diese zentralen allgemeinen Aufgaben dienen der Informationsversorgung und letztendlich der Entscheidungs­ unterstützung der Unternehmensführung. Betrachtet man die Führungsprozesse innerhalb eines Unternehmens, lassen sich diese grob in folgende drei Teilprozesse untergliedern (siehe Abbildung B1.2): 1. Planung und Entscheidung 2. Steuerung 3. Kontrolle

Planung und Entscheidung

Zielbildung

– Zielformulierung – Zielkonkretisierung – Zielstrukturierung

Problemstellung

– Lageanalyse – Lageprognose – Problemformulierung

Handlungsalternativenermittlung

– Handlungsalternativensuche – Wirkungsprognose

Bewertung und Auswahl

– Handlungsalternativenbewertung – Rangordnung der Vorzugswürdigkeit – Handlungsalternativenauswahl

Sollwerte

Durchsetzung

Willensdurchsetzung

Ausführung Steuerung Istwerte

Vergleich und Analyse

– Soll-Ist-Vergleich – Abweichungsanalyse – ggf. Zielanpassung

Kontrolle

Abb. B1.2: Überblick über die Führungsteilprozesse (in Anlehnung an Söhnchen 2010: 26).

90 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Um Planungsaktivitäten in Gang zu setzen, bedarf es der vorhergehenden Bildung und Festlegung von Zielen. Diese Zielformulierungen bestehen mindestens aus der Angabe von Zielgröße(n), angestrebtem Zielausmaß und Zeitraum bzw. -punkt der Realisierung. Sie basieren i. d. R. auf der Analyse einer vorfindbaren Ausgangssitua­ tion (Status quo) mit solider Datenlage (Referenzalternative), der eine spezifische Problemstellung zugrunde liegt. Mittels der zur Verfügung stehenden Informatio­ nen werden Handlungsalternativen entwickelt, die eine Verbesserung gegenüber der Referenzhandlungsalternative (Status quo) bzw. eine Beseitigung des vorliegenden Problems herbeiführen sollen. Anhand von Präferenzen, die sich aus dem Zielsystem des bzw. der Entscheidungsverantwortlichen ergeben, wird eine Bewertung und Aus­ wahl unter den zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen vorgenommen und somit eine Entscheidung vorbereitet. Die Durchsetzung und Ausführung der als optimal eingestuften Handlungsal­ ternative kann als Steuerungsprozess angesehen werden. Der Vergleich mit der sogenannten Referenzalternative (Unterlassungsalternative, d. h. Alternative des Nichthandelns in einer Entscheidungssituation) und die Analyse der realisierten Ergebnisse (Zielerreichungsgrade) mit den avisierten Handlungskonsequenzen in der Planung sind Elemente des Kontrollprozesses, der Zielabweichungen feststellen soll (vgl. Klein, Scholl 2011: 93ff). Der Führungsteilprozess „Steuerung“ beinhaltet folglich im Anschluss an den Führungsteilprozess „Planung und Entscheidung“ sowohl die Durchsetzung der als optimal (bestmöglich) angenommenen Handlungsalternativen, als auch deren Umsetzung und den Vergleich mit dem angestrebten Zielausmaß. Die Analyse der real vorfindbaren Zielausprägung ist Gegenstand des Führungsteilpro­ zesses „Kontrolle“ (vgl. Huch et al. 2004: 273). Die im Führungsprozess herbeizuführenden (Teil-)Entscheidungen lassen sich in isolierte oder sukzessiv zu treffende untergliedern. Horizontal und vertikal wirksa­ me Entscheidungen lassen sich zudem nach sachlichen und zeitlichen Gesichtspunk­ ten differenzieren (siehe Tabelle B1.1).

1 Grundlagen des operativen Controllings

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Tab. B1.1: Formen der Differenzierung von Entscheidungen (in Anlehnung an Friedl 2013: 12). Formen der Differenzierung

Abgrenzungskriterien

Beispiele

horizontal sachlich

Funktionen

Absatz-, Produktions-, Beschaffungsentscheidungen Entscheidungen für inländische oder ausländische Märkte Produkt-, Programm-, Potential-, Prozessentscheidungen Entscheidungen für verschiedene Abteilungen

Regionen Objekte Organisationseinheiten

vertikal

zeitlich

Entscheidungen aufeinanderfolgender Perioden (Entscheidung für Periode 1, Periode 2 usw.)

sachlich

Instrumentalrealisation Geltungsbereich Detaillierungsbereich

zeitlich

Entscheidungen unterschiedlicher zeitlicher Reichweite (kurz-, mittel- und langfristige Entscheidungen)

Ziel-, Maßnahmenentscheidungen Unternehmungs-, Bereichsentscheidungen Entscheidungen über Produktarten, Produktgruppen

Alle Führungsteilsysteme werden maßgeblich durch das Controlling eines Unterneh­ mens im Rahmen der Entscheidungsfindung, -realisierung und -kontrolle koordinie­ rend unterstützt. Das Controllingsystem ist hierbei eingebettet in das gesamtunter­ nehmerische Planungs-, Kontroll- und Steuerungssystem und beinhaltet wesentliche Teile und Aufgaben des gesamtunternehmerischen Informationsversorgungssystems (siehe Abbildung B1.3).

92 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente Informationen Führungssystem Controllingsystem:

Planungs- und Kontrollsystem

Informationsversorgungssystem ergebniszielorientierte Koordination

Informationen

güterwirtschaftlicher Prozess Gütereinsatz (Input)

Güterdurchsatz (Throughput)

Güterausstoß (Output)

finanzwirtschaftlicher Prozess Auszahlungen/Ausgaben

Einzahlungen/Einnahmen

Abb. B1.3: Koordinationsorientierter Controllingansatz (in Anlehnung an Söhnchen 2010: 26).

In herkömmlicher Auffassung ist Controlling somit als dispositiv-derivativer Aufga­ benbereich innerhalb des Unternehmens anzusehen und als Subfunktion der Unter­ nehmensführung interpretierbar. Dem Controlling wird im eigentlichen Sinne keine eigenständige Übernahme und Durchführung von Führungsentscheidungen zugeord­ net, es soll diese jedoch umfassend vorbereiten und eine Unterstützung zur Durchset­ zung von Entscheidungen auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen ermöglichen (vgl. hierzu auch Nitzl et al. 2015: 97ff). Controlling im Allgemeinen wird ferner die In­ formationsbereitstellung im Rahmen des sogenannten Informationsversorgungssys­ tems des Unternehmens beigemessen. Die vom Controlling verarbeiteten Daten aus dem betrieblichen (internen und externen) Rechnungswesen und aus den verschiede­ nen Funktionsbereichen des Unternehmens können als generelle Datenquellen ziel­ entsprechend eingesetzt werden. Die vom Controlling ermittelten und abgerufenen Daten basieren – einerseits auf den leistungswirtschaftlichen Prozessen (Realgüterebene), – andererseits auf den finanzwirtschaftlichen Prozessen (Nominalgüterebene), bei denen eine ergebnisorientierte Analyse a. des Betriebsergebnisses und des Erfolgs

1 Grundlagen des operativen Controllings

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sowie b. des Geld-Vermögens-Saldos und des Cashflow-Saldos durch entspre­ chende Unternehmensrechnungssysteme vonstattengeht (siehe Abbildung B1.4). Güterdurchsatz (Throughput) Gütereinsatz (Input)

Güterausstoß (Output) Unternehmen

Werteeinsatz

Werteausstoß

finanzwirtschaftliche Kategorien

leistungswirtschaftliche Kategorien

Auszahlungen

Aufwand Kosten Leistung

Ausgaben

Ertrag

finanzwirtschaftliche Kategorien Einnahmen

Einzahlungen

Kosten- und Leistungsrechnung Betriebsergebnis Erfolgsrechnung Erfolg Buchführung

Ausgaben-/Einnahmenrechnung GV-Saldo Auszahlungs-/Einzahlungsrechnung CF-Saldo

Abb. B1.4: Grundgrößen des betrieblichen Rechnungswesens (in Anlehnung an Känel 2008: 105).

Wie anhand von Abbildung B1.4 ersichtlich, werden im Rahmen der Kosten- und Leis­ tungsrechnung die leistungswirtschaftlichen Kategorien „Kosten“ und „Leistung“ herangezogen, um schlussendlich das Betriebsergebnis des Unternehmens ermit­ teln zu können. Ferner werden im Rahmen der Buchführung Aufwand und Ertrag im Rahmen der Erfolgsrechnung herangezogen, um den Erfolg des Unternehmens zu erfassen. Die Darstellung des Geld-Vermögens-Saldos basiert auf den finanzwirt­ schaftlichen Kategorien „Ausgaben“ und „Einnahmen“ (Ausgaben- und Einnahmen­ rechnung). Einzahlungen und Auszahlungen als weitere finanzwirtschaftliche Kate­ gorien werden zudem im Rahmen der Auszahlungs- und Einzahlungsrechnung zur Ermittlung des Cashflow-Saldos benötigt. Die ergebniszielorientierte Koordination der Informationen, die aus dem Pla­ nungs-, Kontroll- und Steuerungssystem als auch aus dem Informationsversorgungs­ system herausgefiltert und über die Unternehmensrechnungssysteme ermittelt wer­ den, kann als grundlegende Zielsetzung und primäre Kernfunktion des Controllings angesehen werden (siehe Abbildung B1.5).

94 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

primäre Kernfunktion des Controllings

Koordination

Planungs-, Kontroll- und Steuerungsfunktion

Informationsfunktion

sekundäre Kernfunktionen des Controllings Abb. B1.5: Kernfunktionen des Controllings (in Anlehnung an Schierenbeck, Lister 2001: 9).

Die klassischen Informationssysteme der Unternehmensrechnung, also die Rech­ nungssysteme der Buchführung und der Kosten- und Leistungsrechnung ergänzt um die betriebliche Statistik, bilden den Kernbereich der gegenwartsbezogenen In­ formationsverarbeitung in Unternehmen. Die Informationen beziehen sich auf das laufende Geschäftsjahr. Im Zusammenwirken mit den Informationen des abgelaufe­ nen Geschäftsjahrs, also den vergangenheitsbezogenen Informationen, bilden diese die Grundlage des operativen Controllings. Mit anderen Worten: Man kann das inter­ ne Rechnungswesen als zentralen Informationspool für das operative Controlling ansehen. Formalisiert findet man dieses interne Rechnungswesen in den sogenann­ ten Unternehmensrechnungen (Kosten-Leistungsrechnungen, Erfolgsrechnungen, Ausgaben- und Einnahmenrechnungen, Auszahlungs- und Einzahlungsrechnungen) wieder. Die vergangenheitsbezogenen und die gegenwartsbezogenen Informationen gemeinsam stellen die Voraussetzung für die Entwicklung und Planung zukünftiger Aktivitäten dar, also für die unmittelbar kommenden Geschäftsjahre. Zukunftsbezo­ gene Informationen werden teilweise als Frühwarndaten in der Gegenwart herangezo­ gen. Diese sollen im laufenden Geschäftsjahr aufgrund der Auswertung vorgenomme­ ner Prognosen wichtige Trends und Entwicklungen aufzeigen, die Gegenmaßnahmen zur Verhinderung von Abweichungen in den kommenden Geschäftsjahren erforder­ lich machen können (siehe Abbildung B1.6).

1 Grundlagen des operativen Controllings

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95

Controlling

Planung

Frühwarnung

zukunftsbezogene Informationen

Steuerung … Informationssysteme der Unternehmensrechnung Buchführung

KLR

Statistik

Zielgebiet Strategien

gegenwartsbezogene Informationen vergangenheitsbezogene Informationen

Unternehmen

Unternehmen

Unternehmen

Zeit abgelaufenes Geschäftsjahr

laufendes Geschäftsjahr

kommende Geschäftsjahre

Abb. B1.6: Rechnungswesen und Controlling (in Anlehnung an Känel 2008: 107).

1.2 Strategisches und operatives Controlling Zentrales Abgrenzungsmerkmal für die Unterscheidung des operativen vom strate­ gischen Controlling ist die zeitliche Dimension, d. h. die jeweiligen Fristigkeiten im Bereich der Zielvorgaben und Planungsgrundlagen. Für das operative Controlling be­ deutet diese Differenzierung, dass die primäre Koordinationsaufgabe der Planungs-, Kontroll- und Steuerungsfunktion und auch die Informationsversorgungsfunktion sich über einen kurzfristigen Betrachtungszeitraum (i. d. R. ein Jahr) erstrecken (vgl. Deimel et al. 2013: 18). Das Controllingsystem kann strategische und operative Aufgaben unter den Prämissen realisieren, dass Planung, Kontrolle und Steuerung sowie Informationsver­

96 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

sorgung zeitgleich und in ihren Wechselwirkungen zusammenhängend einbezogen werden (siehe Tabelle B1.2). Wichtigstes Differenzierungsmerkmal für die Controlling­ ebenen ist der Zeitbezug (vgl. auch Wente 2013: 897ff). Tab. B1.2: Strategisches und operatives Controlling im Vergleich (in Anlehnung an Joos 2014: 6). Kriterien

Controllingebene strategisches Controlling

operatives Controlling

vorherrschende Zielgrößen

Existenzsicherung und Entwicklung des Unternehmens

Gewinnerzielung und Liquiditätssicherung

Zeitbezug

langfristig, zukunftsorientiert

kurz- bis mittelfristig, gegenwartsorientiert

primäre Orientierung

extern (Umwelt)

intern (Unternehmen)

verwendete Daten

quantitativ und qualitativ

quantitativ

Handlungsspielraum (Freiheitsgrad)

hoch

niedrig

Integration des Topmanagements

laufend

fallweise

Aus der Differenzierung nach dem Zeitbezug ist ersichtlich, dass das operative Con­ trolling gegenwartsorientiert ist und sich im Wesentlichen an Zahlen und Ergebnis­ sen aus der Vergangenheit und der Gegenwart orientiert (vgl. Deimel et al. 2013: 18). Der kurz- und mittelfristige Planungshorizont orientiert sich hierbei an einer Jahres­ planung bzw. an Zwei- bis Dreijahresplanungen. Die primäre Orientierung des ope­ rativen Controllings liegt hierbei im Wesentlichen auf internen Informationsquellen, z. B. der Finanzbuchhaltung, der Kosten- und Leistungsrechnung usw. Bei den Da­ ten, die beim operativen Controlling aus der Vergangenheit und der Gegenwart her­ angezogen werden, handelt es sich in überwiegender Zahl um monetäre quantitative Daten. Die Handlungsspielräume (Freiheitsgrade) des operativen Controllings gegen­ über dem strategischen Controlling sind eher als niedrig einzustufen, da die operati­ ven Pläne einen eng definierten Handlungsrahmen vorgeben (vgl. Ewert, Wagenho­ fer 2014: 50ff). Nur bei signifikanten Vorkommnissen, die durch den Einsatz opera­ tiver Instrumente festgestellt wurden, wird die Unternehmensführung fallweise un­ terrichtet. Im Mittelpunkt der Betrachtungen des operativen Controllings stehen die Sicherung und Realisierung der operativen Ziele sowie die Optimierung der Unterneh­ mensprozesse. Sogenannte Kosten-Nutzen-Relationen sind wesentlicher Bestandteil zur Beurteilung dieser Ziele. Generell sind die Ziele des operativen Controllings Ableitungen aus den zugrunde gelegten Zielvorstellungen des Unternehmens (vgl. Wente 2013: 897f). Diese Grund­ prinzipien des Unternehmens determinieren die Strategie- und Steuerungsziele, aus denen sich die leistungswirtschaftlichen wie auch die sozial-personalen Ziele ab­ leiten. Diese wiederum wirken in den Controllingbereich hinein, da die Ziele des

1 Grundlagen des operativen Controllings

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Controllings auch darin bestehen, die Erfolgsentstehung und die Erfolgsverwendung sowie die Liquiditätssicherung zu erfassen, zu analysieren und gegebenenfalls Op­ timierungsmaßnahmen zu entwickeln und den Entscheidungsträgern vorzutragen (siehe Abbildung B1.7). Ziele der Unternehmung

Grundprinzipien (z. B. Existenzsicherung und Entwicklung)

Strategie-/Steuerungsziele

leistungswirtschaftliche Ziele

(Zeit-/Chancen-/ Synergieorientierung) sozial-personale Ziele gesellschaftsbezogene Ziele, Ziele für das „Personal“

Leistungen/Produkte, Potenziale, Verfahren finanzwirtschaftliche/ wertbezogene Ziele Ziele des Controllings

Aufgaben des Controllings

Erfolgsentstehung/ -verwendung, Liquiditätssicherung

Führungsunterstützung Koordinationsverbesserung

strategische Sicht

operative Sicht

verbesserte Erreichung aller Ziele der Unternehmung

(monetäre) Ergebnisoptimierung

Führungsteilsystemgestaltung und -nutzung (Planung, Kontrolle, Informationsversorgung usw.) Abb. B1.7: Unternehmensziele sowie Ziele und Aufgaben des Controllings (in Anlehnung an Steinle, Bruch 1998: 22).

98 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Die primäre Kernfunktion des Controllings besteht in der Koordination differenzierter und dezentraler Entscheidungen, die auf Instanzenebene getroffen werden. Das heißt, direkte Controllingziele bestehen darin, geeignete Konzepte zur Entscheidungsko­ ordination als auch Konzepte für die Sicherstellung der Informationsversorgung der Instanzen zu entwickeln und umzusetzen. Indirekte Controllingziele sind durch die verfolgten Unternehmensziele repräsentiert, d. h. das Controlling hat auf der Maßnah­ men-, Ressourcen- und Zielplanungsebene dafür zu sorgen, dass durch die Überprü­ fungen der jeweiligen spezifischen Unternehmensteilpläne eine entsprechende ergeb­ nisorientierte Umsetzung erfolgreich realisiert wird (siehe Tabelle B1.3). Tab. B1.3: Komponenten der entscheidungsorientierten Controllingkonzeption (in Anlehnung an Friedl 2013: 6). spezifische Problemstellung

Koordination differenzierter und dezentralisierter Entscheidungen von Instanzen

Controllingziele direkte Controllingziele (Problemlösungsansatz)

indirekte Controllingziele

Umsetzung und Einsatz von Konzepten zur Entscheidungskoordination und Sicherstellung der Versorgung der Instanzen mit Informationen

Unternehmungsziele

Eine Überprüfung der Zielerreichungsgrade setzt auf der Ebene operationalisierter re­ levanter, mit höheren Detaillierungsgraden ausgestatteter Unterziele an. Hierbei han­ delt es sich um konkretisierte Ableitungen aus Oberzielen (offizielle Ziele), die einen geringen Detaillierungsgrad aufweisen. Es bedarf aber einer weiteren Ableitung dieser Unterziele auf die Ebene der Handlungsalternativen, die in jedem Fall quantifizier­ bar sein müssen (siehe Abbildung B1.8). offizielle Ziele (abstrakt)

konkrete „relevante“ Unterziele

auf der Ebene der Handlungsalternativen quantifizierbare Unterziele

Abb. B1.8: Entwicklung operationaler Ziele (in Anlehnung an Hanssmann 1978: 37).

1 Grundlagen des operativen Controllings

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Langfristige Entscheidungen, die aus der Vergangenheit herrühren, schränken die Möglichkeiten operativer Zielsetzungen und den aus ihnen abgeleiteten Maßnahmen erheblich ein. Ein Vorteil des operativen Controllings gegenüber dem strategischen Controlling besteht darin, dass das Eintreten prognostizierter Ergebnisse i. d. R. mit großer Gewissheit unterstellt werden kann, da wohldefinierte, deterministische Fra­ gestellungen zugrunde liegen. Die Entscheidungssituationen sind aufgrund siche­ rer Planungsdaten gut strukturiert und besitzen in vielen Unternehmensbereichen eher repetitiven Charakter. Der Detailliertheitsgrad der Informationen im Rahmen des operativen Controllings ist ein wesentlich höherer als beim strategischen Control­ ling. Das Ziel der operativen Steuerung liegt in der optimalen Nutzung vorfindbarer (Erfolgs-)Potenziale. Präzision, Verbindlichkeit und Operationalität von Planung und Kontrolle sind grundlegende Voraussetzungen eines wirksamen operativen Control­ lings. Ein Hauptproblem des operativen Controllings ist darin zu sehen, dass die Un­ ternehmensteilpläne sachlich und zeitlich so zu koordinieren sind, dass die vorgege­ benen Zielsetzungen mit hohen Zielerreichungsgraden realisiert werden können. In diesem Kontext können sowohl vielfältige Messgrößen als auch unterschiedliche Be­ zugszeiträume hinderlich sein.

1.3 Ziele, Aufgaben und Gegenstandsbereiche Ausgangspunkt des operativen Controllings sind die Ziele, Programme und entwi­ ckelten Maßnahmen der strategischen Planung mit den sich hieraus ergebenen Teil­ planungen im operativen Bereich. Insgesamt ist die strategische Planung mit den operativen (Teil-)Planungen eng verknüpft. Strategische Ziele werden mit langfristi­ gen Zielwerten verbunden. Zur Erreichung dieser Ziele werden strategische Aktionen definiert, die zur langfristigen Erreichung der gesteckten Ziele beitragen sollen. So wird auf eine optimale Ressourcenverteilung hingewirkt. „Das operative Controlling zielt auf die Wahrnehmung von Controllingaufgaben zur Unterstützung der operati­ ven Führung des Unternehmens ab. Es ist auf interne Aspekte des Unternehmens aus­ gerichtet und befasst sich mit den Dimensionen Aufwand/Ertrag, Kosten/Leistungen, Einnahmen/Ausgaben und Einzahlungen/Auszahlungen.“ (Fischer et al. 2015: 5) Die Ziele des operativen Controllings bestehen in der Überprüfung der durch die ope­ rative Planung vorgegebenen Ergebnisgrößen, also in der Erfassung und Messung quantitativer Größen. Da sich Ziele niemals direkt messen lassen können, wird durch die Erfassung und Feststellung der sogenannten Zielerreichungsgrade auf der Mit­ telebene diese Messung indirekt realisiert. Hierbei wird im Endeffekt die in Anspruch genommene Einsatzmenge der zur Verfügung stehenden Mittel zur Realisierung der vorgegebenen Ziele als Bezugsgröße herangezogen. Der Prozess der Messung erfolgt i. d. R. durch den Einsatz geeigneter Kennzahlen. Das zentrale Ziel des operativen Controllings ist die möglichst effiziente Ausnutzung der Erfolgspotenziale. Im Bereich

100 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

des strategischen Controllings wird die nachhaltige Sicherung der Unternehmens­ existenz als vorrangiges Ziel verfolgt. Dieses soll dadurch erreicht werden, dass das Unternehmen gegenüber Veränderungen der Unternehmensumwelt anpassungsfä­ hig gestaltet wird. Demgegenüber verfolgt das operative Controlling in erster Linie die Realisierung der Zielgrößen „Erfolg“ und „Liquidität“, die zur Sicherung der Erfolgs­ potenziale als wesentlich eingestuft werden. Die Erfolgsermittlung greift auf Größen der Bilanz- und Erfolgsrechnung des externen Rechnungswesens und der Kostenund Leistungsrechnung als Teilbereich des internen Rechnungswesens zurück. Die Zielgröße „Cashflow“ (Finanzierungsrechnung) und die Zielgröße „Barliquidität“ (Fi­ nanzrechnung) konkretisieren das Oberziel „Liquidität“ im Bereich des operativen Controllings. Die wesentliche Aufgabe des operativen Controllings liegt darin begründet, ope­ rative Planungsprozesse zu unterstützen und geeignete Kontrollmechanismen zu etablieren, die es ermöglichen sollen, laufende Managementaktivitäten steuern und koordinieren zu können. Die bedeutsamen Bezugsgrößen des operativen Control­ lings sind quantitative Daten, die erst in unterschiedlichen Unternehmensrechnungs­ systemen erfasst und aufbereitet werden (Kosten und Leistungen, Erlöse, Umsätze, Deckungsbeiträge etc.). Insofern kommt der kurzfristigen Erfolgssicherung un­ ter gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Barliquidität besondere Bedeutung hinzu. Tabelle B1.4 bietet einen Überblick über mögliche Zielsetzungen des operativen Con­ trollings. Tab. B1.4: Zentrale Zielsetzungen des operativen Controllings (in Anlehnung an Jung 2014a: 375). – Sicherung des kurzfristigen Unternehmenserfolgs – angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals – Erhöhung des Umsatzes – Erschließung eines bestimmten neuen Teilmarkts – Erweiterung des Produktangebots – Anpassung der Preise – Kapazitäts- und Beschäftigungsanpassungen

– Sicherung der Liquidität – optimales Kosten-Leistungs- bzw. Aufwands-Ertrags-Verhältnis – Erhöhung des Marktanteils – Entwicklung und/oder Einführung bestimmter neuer Produkte – Anpassungen an veränderte Marktsituationen – Intensivierung der Werbung und Verkaufsförderung

Als kurzfristig zu realisierende Zielgrößen des operativen Controllings werden vorran­ gig Gewinn, Eigenkapitalrentabilität und Wirtschaftlichkeit im Bereich der Leistungs­ erstellung angesehen (vgl. Fischer et al. 2015: 5). Der Wirkungsbereich des operativen Controllings liegt innerhalb des Unternehmens, da interne Prozesse mittels operati­ ver Planung, Kontrolle und Steuerung gelenkt werden: „Die als Ergebnis der strate­ gischen Planung verabschiedete Strategie bildet den Orientierungs- und Handlungs­ rahmen für das operative Controlling. Im Rahmen des operativen Controllings geht es nicht um die Strukturierung, sondern um die Ausschöpfung der Erfolgspotenziale des

1 Grundlagen des operativen Controllings

| 101

Unternehmens.“ (Joos-Sachse 2006: 43). Abbildung B1.9 illustriert diesen Zusammen­ hang. Oberziele

nachhaltige Existenzsicherung

Controllingsystem

strategisches Controlling

Umfeld Teilsysteme Unterdes Control- nehmen lings und deren Zielgrößen

Chancen Risiken Stärken Schwächen

Erfolgspotenzial

Gewinn

Liquidität

operatives Controlling

Erfolgsrechnung

Erträge Aufwendungen

Jahresüberschuss

Kostenrechnung

Leistungen Kosten

Betriebsergebnis

Bestandsrechnung

Vermögen Kapital

Eigenkapital

Finanzrechnung

Einzahlungen Auszahlungen

Barliquidität/Cashflow

Abb. B1.9: Abgrenzung strategisches und operatives Controlling (in Anlehnung an Günther 1997: 68).

Die Gegenstandsbereiche und Aufgaben des operativen Controllings leiten sich aus den Vorgaben des strategischen Controllings ab. Aufgrund des endlichen Planungs­ zeitraums der operativen Planungsperiode (i. d. R. auf ein Geschäftsjahr bezogen) ist bei Abweichungen, die durch Überprüfungen festgestellt wurden, eine Korrek­ tur in Form von kurzfristigen Anpassungen möglich. Eine generelle Verwerfung der Planungsinhalte und -vorgaben sollte hierbei ausgeschlossen sein. Insgesamt lassen sich die Gegenstandsbereiche und Aufgaben des operativen Controllings wie folgt zusammenfassen (vgl. Preißler 2014: 6): – Abrufung, Zusammenführung, Dokumentation, Speicherung und Aufbereitung sowie Interpretation von Daten in allen Unternehmensteilbereichen – Informationsversorgung der einzelnen Unternehmensteilbereiche – Unterstützung bei der Entwicklung/Erstellung von Teilplänen in den einzelnen Unternehmensteilbereichen und bei der Festlegung von Gesamt- und Teilzielen im operativen Bereich – Unterstützung bei der Erstellung von Budgets – Entscheidungsunterstützung im operativen Bereich – Erstellung von Abweichungsanalysen – Durchführung von Prognosen und Simulationen – Erstellen und Durchführung von Soll-Ist-Vergleichen

102 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

– –

Überprüfung der Übereinstimmung operativer Planungen mit den strategischen Planungen Aufzeigen von operativen Steuerungseingriffen bei erheblichen Zielverfehlungen.

Ferner sollen Erfolgsengpässe im Rahmen des operativen Controllings durch Soll-IstAbweichungsanalysen ermittelt und durch kurzfristig wirksame Maßnahmen besei­ tigt werden. Die Aufgabenbereiche des Controllings lassen sich, wie Abbildung B1.10 zeigt, als vernetzte Elemente darstellen. Steuerung Handlungsalternativen Entscheidungsunterstützung Planung

Kontrolle Ziele

Controlling

Soll

+

Ist



Abweichung

Information Informationserfassung, Informationsaufbereitung

Unternehmen Geschäftsbetrieb Umwelt Abb. B1.10: Bausteine des Controllings (in Anlehnung an Känel 2008: 109).

1.4 Regelkreis des operativen Controllings Die Grundidee, Unternehmen ließen sich als eine Anzahl miteinander vernetzter Re­ gelkreise interpretieren, kam mit der Entwicklung der Wissenschaft der Kybernetik durch Wiener (vgl. Wiener 1948) und der Informations- und Kommunikationstheorie durch Shannon/Weaver (vgl. Shannon, Weaver 1949) in den 1940er-Jahren auf. Im Zu­ sammenwirken mit der Systemtheorie in den 1960er-Jahren entwickelten zahlreiche

1 Grundlagen des operativen Controllings

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Autoren in den Wirtschaftswissenschaften Ansätze zur Übertragung der grundlegen­ den Bestandteile dieser Theorien auf betriebswirtschaftliche Sachverhalte. Einer der bekanntesten Protagonisten dieser Adaption und Weiterentwicklung der kyberneti­ schen und systemtheoretischen Grundideen in der Betriebswirtschaftslehre ist Antho­ ny Stafford Beer, der als Begründer der Managementkybernetik gilt (vgl. Beer 1959). Der Begriff Kybernetik wurde erstmals 1947 und in gedruckter Form 1948 von Wiener und anderen beteiligten Wissenschaftlern für das Gebiet der Regelungs- und Nachrichtentheorie als Terminus technicus eingeführt. Die etymologische Herleitung der Bezeichnung „Kybernetik“ haben diese Wissenschaftler aus dem griechischen Wort kybernetes (Steuermann) gebildet. Inhaltlich sollte dieser Begriff für Systeme verwendet werden, die durch Rückkoppelungsmechanismen gekennzeichnet sind (vgl. Wiener 1968: 32). Diese Grundkonzeption fand auch Berücksichtigung bei der Entwicklung der „General System Theory“ von Ludwig von Bertalanffy, der als einer der Begründer der Systemtheorie angesehen wird, die er erstmals 1950 publizierte. In seiner Einschätzung ist Kybernetik eine Theorie „[. . . ] of control systems based on communication (transfer of information) between system and environment and within the system, and control (feedback) of the system’s function in regard to envi­ ronment.“ (Bertalanffy 1950: 21) Aus Sicht der Kybernetik können Unternehmen als sich selbst steuernde (kyberne­ tische) Regelungssysteme aufgefasst werden. Kybernetische Systeme im Allgemei­ nen sind durch folgende typische Eigenschaften gekennzeichnet: – Selbstregelung – Anpassung – Lernfähigkeit – Selbstdifferenzierung – Automatisierbarkeit. Kann ein System ohne externe Beeinflussungen (Steuerungen) einen Sollwert reali­ sieren, spricht man von Selbstregelung. Ist ein System nicht nur in der Lage, einen Sollwert konstant zu realisieren, sondern auch, diesen im Zeitverlauf an geänderte Zu­ sammenhänge anzugleichen, handelt es sich um die Eigenschaft „Anpassung“. Man bezeichnet diesen Prozess auch als dynamisches Gleichgewicht bzw. Fließgleichge­ wicht. Das erfahrungsgestützte Ableiten von Konsequenzen für zukünftiges System­ verhalten wird unter den Begriff „Lernfähigkeit des Systems“ subsumiert. Hierbei geht es v. a. um sogenannte Rückkoppelungen im System. Besitzt ein System die Fähigkeit, selbstständig strukturelle Evolutionen und Differenzierungen vorzunehmen, so han­ delt es sich um die Eigenschaft „Selbstdifferenzierung“. Relevant ist diese Eigenschaft v. a. bei selbstständiger Anhebung des Komplexitäts- und Organisationsniveaus, die direkte Auswirkungen auf die Anpassungs- und Lernfähigkeit des Systems haben. Die Substitution menschlicher Eingriffe durch automatisierte (Teil-)Systeme innerhalb des Unternehmens, die kybernetische Eigenschaften aufweisen (z. B. Informations-

104 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

und Kommunikationssysteme), wird unter der Eigenschaft „Automatisierbarkeit“ zusammengefasst (vgl. Wieser 1965: 626ff). Die Interpretation von Unternehmen aus kybernetischer Sicht führt zu der Ein­ schätzung, dass Unternehmen als Regelsysteme aufgefasst werden sollten. Prinzipi­ ell handelt es sich bei Unternehmen um Organisationen, die aufgrund der Austausch­ beziehungen mit der Unternehmensumwelt einen gewissen Grad an Störanfälligkeit aufweisen. Im Rahmen der betriebsüblichen Prozesse in Unternehmen fallen nur dann Kor­ rekturentscheidungen an, wenn die gemessenen betrieblichen Ergebnisse mit den Sollwerten verglichen werden und es zu Abweichungen kommt. Diese Entschei­ dungen werden auf unteren Hierarchieebenen getroffen. Können diese Korrektur­ entscheidungen die festgestellten Abweichungen nicht beseitigen helfen, können also erhebliche und nachhaltige Störungen aufgetreten sein, so sind auf höheren Hierarchieebenen Anpassungsentscheidungen mit Korrekturen der Zielvorgaben erforderlich. Eine der wesentlichen Aufgaben des Controllings besteht in diesem Zusammenhang in der systembildenden und systemkoppelnden vertikalen und ho­ rizontalen Koordination. Erhöhen sich die Zentralisations-, Diversifizierungs- und Internationalisierungsgrade, kommt dem Controlling hierbei eine übergeordnet wich­ tige Bedeutung zu. Dem Controllingsystem obliegt es in diesem kybernetischen Steuerungssystem, die Prozessbereiche „Planung“, „Realisation“ und „Kontrolle“ mithilfe geeigneter Instrumente zwischen den einzelnen Teilsystemen zu koordinie­ ren. Gekennzeichnet sind solche kybernetischen Systeme im Bereich des Controllings durch Regelkreise, die als Hauptcharakteristikum die Selbststeuerung aufweisen. Steuerung wiederum ist gekennzeichnet durch das Prinzip der Vorwärtskopplung (Feedforward-Schleifen), welches Störgrößen bereits eliminieren hilft, bevor sie Aus­ wirkungen im Realisationsprozess hervorrufen. Zusätzlich zu diesen Steuerungs­ vorgängen hat die Regelung im Regelkreis des Controllings ebenfalls eine erhebli­ che Bedeutung (ausführlich hierzu vgl. Baetge 1974: 23ff). Ihr liegt das Prinzip der Rückwärtskopplung (Feedback-Schleifen) zugrunde. Dieses weist nachträglich auf notwendige Korrektureingriffe hin, also bei schon eingetretenen und durch Störun­ gen hervorgerufenen Abweichungen. Regelung ist im Gegensatz zur Steuerung nicht auf detaillierte Kenntnisse potenzieller Störgrößen und aus ihnen ableitbarer Kon­ sequenzen angewiesen. Abbildung B1.11 stellt diesen kybernetischen Regelkreis im Controlling anhand der Planung, Realisation und Kontrolle einer innovativen Wachs­ tumsstrategie in einem Unternehmen in allgemeiner Form dar.

1 Grundlagen des operativen Controllings

Stellort

Umfeld Produktionsankündigung eines Konkurrenten

Aktion F&EProjekte

Planung innovative Wachstumsstrategie

Messort

Störgrößen

Entwicklungsbereich

| 105

Unternehmen knappe Ressourcen

betriebliches Informationssystem

Regelstrecke neue Produkte

Umsetzung

Regelgröße realisiertes Wachstum

Stellgröße Wachstumsziel Realisation

Feedforward

Feedback Regler betriebswirtschaftliches Instrumentarium

Planung

Kontrolle

Realisation Kontrolle

Abb. B1.11: Controlling als kybernetisches System (in Anlehnung an Günther 1991: 53).

Die Planungs-, Realisations- und Kontrollprozesse sind im zeitlichen Ablauf untrenn­ bar miteinander verbunden, d. h., dass bestimmte Phasen innerhalb dieser Prozesse unmittelbar an andere Phasen nachfolgender Prozesse gekoppelt sind. Innerhalb des kybernetischen Regelkreisansatzes im Controlling lassen sich die Bestandteile des Planungs- und Kontrollprozesses, wie in Abbildung B1.12 dargestellt, differenzieren:

Planung

generelle Zielplanung

Realisation

Kontrolle

strategische Planung

operative Planung

operative Zielrealisierung: Gewinnerzielung und Liquiditätssicherung

Realisation

Zielrevision

strategische Kontrolle

operative Kontrolle

Anreizsystem

Abb. B1.12: Der Planungs- und Kontrollprozess im kybernetischen Controllingkreislauf (in Anlehnung an Coenenberg et al. 2016a: 40).

106 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Ausgehend von einem einfachen Regelkreis ist zu bedenken, dass die Regelung von Betriebsprozessen die Vorgabe von Zielen voraussetzt. Diese Ziele sollten auf einer hinreichend guten Informationsgrundlage entwickelt werden, da sie Ausgangspunkt für das Treffen von Entscheidungen sind. Der in Abbildung B1.13 gezeigte Ablauf ist dann zu unterstellen:

zielsetzendes System Rückmeldung von dauerhaften starken Störungen

Anpassungsentscheidungen bzw. Sollwertänderungen

Regler

Entscheidungsinstanz

Stellgrößen (Korrekturentscheidungen)

Führungsgröße Zielvorgabe Sollwertableitung

Soll-Ist-Vergleich

Regelgrößen

Istwert-Erfasser Regelstrecke Störgrößen

Aktivitäten (Betriebsprozesse)

Output

Abb. B1.13: Einfacher Controlling-Regelkreis (in Anlehnung an Huch et al. 2004: 230).

1.

2.

3.

Die Entscheidungsinstanz (Regler) steuert unter Hinzuziehung der vorgegebenen Ziel- und Sollwerte durch den Einsatz von Stellgrößen (Korrekturentscheidungen) die Betriebsprozesse. Die realiter ermittelten Ergebnisse dieser Betriebsprozesse werden als Regelgrö­ ßen bezeichnet, die über einen sogenannten Istwert-Erfasser den betreffenden Entscheidungsinstanzen gemeldet werden; sie münden in einem Soll-Ist-Ver­ gleich. Innerhalb des Regelkreises können nach Art und Umfang der Abweichungen entweder Korrekturentscheidungen oder Rückmeldungen über dauerhaft star­ ke Störungen (die notwendige Anpassungsentscheidungen hervorrufen) an das zielsetzende System (Bereichsleitung oder Unternehmensleitung) vorgenommen werden.

1 Grundlagen des operativen Controllings

4. 5.

|

107

Dem Regler in diesem einfachen Regelkreis obliegt die Leitung ohne ausführende Funktion. Der Begriff der Regelstrecke repräsentiert die reinen Aktivitäten und steht für die Betriebsprozesse.

Im operativen Controlling lässt sich dieser Regelkreis, wie in Abbildung B1.14 erkenn­ bar, konkreter mit insgesamt neun Phasen darstellen. Umsetzung

operative Planung

operative Kontrolle und Steuerung 6 Abweichungsanalyse Was war die Ursache?

1

2

3

4

5

8

9

Ziele, PlanPrämissen erstellung

Plangenehmigung

Ausführung

Plan/IstVergleich

Berichtswesen

Korrekturmaßnahmen

Was kann – Jahresunter den budget gegebenen – MehrVorausjahressetzungen plan erreicht – Kennwerden? zahlen – Maßnahmenkataloge – Budgetbericht

durch verantwortliche Entscheidungsträger

– Umsetzung der geplanten Maßnahmen – Mitarbeiterführung und -motivation

Regelmäßige Kontrolle der Ziel7 erreichung Vorschaurechnung

Information der Entscheidungsträger

Was sollte in welcher Form geändert werden?

Wie wirkt sich das aus?

Abb. B1.14: Operativer Controlling-Regelkreis (in Anlehnung an Eisl et al. 2008: 779).

Die neun Phasen, die bis einschließlich Phase 5 in zeitlicher Abfolge aufeinander auf­ bauen, beinhalten jeweils die Vorwärtskopplungs- und Rückkopplungsschleifen. Die Zusammenführung der Ergebnisse in den Phasen 5, 6 und 7 ist Grundlage für die Er­ stellung der jeweiligen Berichte für die verantwortlichen Entscheidungsträger (vgl. hierzu Teil E). Diese wiederum können in Phase 9 eine Revision der Ziele und Prä­ missen sowie Korrekturmaßnahmen initiieren.

108 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

1.5 Übungsaufgaben Aufgabe 1 Benennen Sie die wesentlichen Gegenstandsbereiche und Aufgaben des operativen Controllings. Aufgabe 2 Beschreiben Sie den Ablauf eines einfachen Regelkreises im operativen Controlling.

2 Funktionen des operativen Controllings Die Funktionen des operativen Controllings lassen sich in einem ersten Zugriff auf die Anreiz- und Verhaltenswirkungen eingrenzen. Hinzu kommen als weitere Optionen die operative Planung und die operative Kontrolle. Die Anreiz- und Verhaltenswirkun­ gen des operativen Controllings sind eng verbunden mit den Prozessen der Budgetie­ rung in den einzelnen Funktionsbereichen des Unternehmens.

2.1 Anreiz- und Verhaltenswirkungen des operativen Controllings Die Anreiz- und Verhaltenswirkungen im Rahmen des operativen Controllings zielen primär auf die Beseitigung von Zielabweichungen und Informationsasymmetrien ab. Zu differenzieren ist zwischen Anreizsystemen und den hieraus abzuleitenden Verhal­ tenswirkungen. Die Anreizmechanismen eines Anreizsystems sollen vornehmlich auf der Ebene der Entscheidungsträger Wirkung entfalten. Anreize beziehen sich also auf die Leis­ tungserbringung von Entscheidungsträgern. Die Leistung von Entscheidungsträgern lässt sich unterscheiden in den Bereich der Entscheidungsleistung und in den Bereich der Umsetzungsleistung: – Unter der Entscheidungsleistung versteht man die Handlung des Entscheidungs­ trägers, die sich auf den erwarteten Zielerreichungsgrad der Entscheidungen aus­ wirken. – Mittels der Umsetzungsleistung kann der Entscheidungsträger die realisierten Zielerreichungsgrade beeinflussen. Die Ausrichtung der Leistung der Entscheidungsträger auf die Gesamtzielausrichtung des Unternehmens mittels motivierender Eingriffe soll im Idealfall suboptimale Ent­ scheidungen verhindern. Gleichzeitig soll eine mögliche Priorisierung von Individual­ zielen gegenüber den Unternehmensgesamtzielen beseitigt werden (vgl. Friedl 2013: 331ff). Im Rahmen der Gestaltung von Anreizsystemen hat das Controlling eine Über­ prüfung der Effektivität und der Effizienz der Anreizsysteme vorzunehmen. Hierauf aufbauend sind Entscheidungen über die Ausprägungsgrade der Basiselemente von Anreizsystemen (siehe Abbildung B2.1) zu treffen (vgl. Friedl 2013: 332). Diese vier Basiselemente sind 1. Bemessungsgrundlagen, 2. Belohnungen, 3. Belohnungsregeln, 4. Ausschüttungsregeln.

https://doi.org/10.1515/9783110439793-008

110 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Anforderungen an ein Anreizsystem

Belohnung Befriedigung der Motive

Bemessungsgrundlage

Belohnungsregel

Ausschüttungsregel

Anreizkompatibilität

Transparenz

Aktualität

Controllability

Wesentlichkeit

langfristige Orientierung

Aktualität intersubjektive Überprüfbarkeit Absicherung gegen Kollusion

Abb. B2.1: Anforderungen an die Basiselemente eines Anreizsystems (in Anlehnung an Friedl 2013: 332).

Die Bemessungsgrundlagen beziehen sich auf Kontroll- und Anreizaspekte, auf die Aktualität der eingesetzten Anreize sowie auf deren intersubjektive Überprüfbarkeit – und letztendlich auch auf die Vermeidung von Absprachen Beteiligter (Absicherung gegen Kollusionen). Die Bemessungsgrundlagen sollen ein Indikator für die Erfassung der Leistung von Anreizempfängern sein, für die eine Belohnung zur Verfügung ge­ stellt werden soll. Sie legen gleichzeitig das Ausmaß der Anreizgewährung fest. Auf der Ebene der Gewährung von Anreizen für Entscheidungsträger lassen sich diese Be­ messungsgrundlagen in zwei Teilaspekte differenzieren (vgl. Hirsch 2007: 62ff): 1. aktienkursorientierte Bemessungsgrundlagen 2. kennzahlenorientierte Bemessungsgrundlagen Die Belohnungen der Entscheidungsträger anhand der Orientierung an unterneh­ mensbezogenen Aktien sollen die Ziele der Anspruchsgruppe „Shareholder“ (Ei­ genkapitalgeber) mit dem Handeln der Entscheidungsträger eng verknüpfen. Diese aktienkursorientierten Bemessungsgrundlagen können im Aktienkurs selbst oder im Kursverlauf einer Aktienoption liegen. Die kennzahlenorientierten Bemessungs­ grundlagen verzichten auf eine direkte und unmittelbare Verbindung der Anreizge­ währung mit den Aktienkursverläufen. Stattdessen werden wertorientierte Kennzah­ len und Werttreiber als Bemessungsgrundlage herangezogen, die gleichzeitig auch auf die Erfüllung der Shareholderinteressen abzielen. Die Werttreiber mit Eignung zur Bemessungsgrundlage können operativer oder finanzieller Art sein. Ihre Rele­ vanz wird an der adäquaten Widerspiegelung ihrer Bedeutung für die Wertsteigerung aus Sicht des Unternehmens gemessen. Mit kennzahlenorientierten Anreizsystemen

2 Funktionen des operativen Controllings

| 111

lassen sich kurzfristig die Einsätze der Entscheidungsträger zur Wertsteigerung des Unternehmens steuern. Das Basiselement der Belohnungen zielt auf die Befriedigung der intrinsischen und extrinsischen Motive ab (vgl. Friedl 2013: 333). Extrinsische Belohnungen werden nach erfolgreicher Ausführung von übertragenen Aufgaben gewährt, wobei sie mate­ rieller oder immaterieller Art sein können. Intrinsische Belohnungen sind direkt mit der Realisierung von Aufgaben und deren Erfüllung verbunden und weisen einen im­ materiellen Charakter auf (siehe Tabelle B2.1). Tab. B2.1: Gestaltung von Belohnungen (in Anlehnung an Friedl 2013: 333). Gestaltungsparameter

alternative Gestaltungsformen

Art der Belohnung

1.

Art der Prämie

2.

extrinsisch – materiell – Prämie – Dienstwagen – Büroausstattung – Incentive-Reisen – immateriell – Beförderung – zunehmende Verantwortung – zunehmende Autonomie – Anerkennung intrinsisch

3. 4. 5.

Zahlung Aktien Aktienoptionen

Die Belohnungsregeln legen fest, in welcher Form die Belohnung für eine oder mehrere Ausprägungen der Bemessungsgrundlagen bestimmt wird. Sie sollten trans­ parent gestaltet und von den Betroffenen wahrnehmbar sein, und daher für sie als wesentlich eingestuft werden können. Die Belohnungsregeln beschreiben letztlich einen funktionalen Zusammenhang zwischen der Höhe der Belohnung in Abhängig­ keit von der Ausprägung der Bemessungsgrundlagen. Unterstellt wird hierbei i. d. R. ein proportionaler Kontext, der sich in einer linearen Belohnungsfunktion wider­ spiegelt, d. h. mit zunehmender Höhe der Anreize soll auch eine höhere Motivation bewirkt werden. Die Ausschüttungsregeln sollten stets aktualisiert sein und gleichzeitig eine langfristige Orientierung aufweisen. Sie legen fest, wann die zu gewährenden Beloh­ nungen an die Betreffenden ausgeschüttet werden sollen. Der Zeitpunkt der Gewäh­ rung sollte im Rahmen des operativen Controllings unmittelbar nach der Beurteilung liegen bzw. periodisch angelegt sein, um eine hohe Anreizwirkung entfalten zu kön­ nen.

112 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Das Zusammenwirken der Determinanten menschlichen Handelns mit den Ele­ menten der Anreizsysteme verdeutlicht Abbildung B2.2. Person: Bedürfnisse, Motive, Ziele

Motivation

Handlung

Ergebnis

Folgen: – langfristige Ziele – Fremdbewertung – Selbstbewertung – gewährte Anreize

Situation: Gelegenheiten, Anreize

Anreize

Bemessungsgrundlage

Belohnungsfunktion Anreizsystem

Abb. B2.2: Determinanten und Verlauf motivierten Handelns (in Anlehnung an Lingnau, Willenba­ cher 2013: 13).

Hervorzuheben ist, dass die Belohnungsfunktion im Idealfall eine Rückwirkung auf die langfristig verfolgten Ziele nicht nur des Individuums, sondern auch des Unterneh­ mens entfaltet. Hinsichtlich der aus dem Anreizsystem abzuleitenden Verhaltenswir­ kungen ist im Rahmen des operativen Controllings eine Differenzierung erforderlich in die Verhaltenswirkungsbereiche – Planung und – Kontrolle. Die operative Planung als Verhaltenswirkungsbereich kann den Individuen im Be­ reich der Planungsprozesse dazu dienen, ihre eigenen Wertkonstellationen einflie­ ßen zu lassen und gleichzeitig hierdurch ihre eigenen Werte transparent zu gestal­ ten. Dies erhöht aufseiten der anderen Planungsbeteiligten die Akzeptanz und bietet darüber hinausgehend in Konfliktsituationen die Möglichkeit, sachlich fundiert und nicht emotional zu diskutieren. Im Bereich der operativen Planung ist die Aufteilung der Kompetenzen zwischen den Entscheidungsträgern und den Unterstellten als rela­ tiv flexibel einzustufen. Daher kann die Einbindung der Mitarbeiter auf unteren hier­ archischen Ebenen das Gefühl vermitteln, tragender Bestandteil des unternehmeri­ schen Gesamtgeschehens zu sein. Anhand der beiden Dimensionen „Einstellung zur Notwendigkeit einer aktiven Gestaltung der Realität“ und „Einschätzung der Sinnhaf­

2 Funktionen des operativen Controllings

| 113

tigkeit der Planung“ lassen sich vier idealtypische Planer herauskristallisieren (sie­ he Abbildung B2.3). Einstellung zur Notwendigkeit einer aktiven Gestaltung der Realität hoch

Antiplaner

Planungsintellektueller

Planungsasket

programmatischer Fantast

niedrig niedrig

hoch

Einschätzung der Sinnhaftigkeit der Planung

Abb. B2.3: Planertypen (in Anlehnung an Weber, Schäffer 2016: 279).







Der programmatische Fantast hält Planung zwar für sinnvoll (also hohe Ein­ schätzung der Sinnhaftigkeit der Planung), schätzt aber die Notwendigkeit der aktiven Gestaltung der betrieblichen Realität für seine Person als eher gering ein. Dieser Entscheidungsträgertypus sollte vom Controlling zur Durchsetzung der sich in den Plänen manifestierenden Willensbekundungen verpflichtet werden. Das Bestreben des Planungsintellektuellen bezüglich der Gestaltung der Reali­ tät besteht darin, dass er eine Planung mit hohem Detaillierungsgrad vornimmt. Das Controlling findet in diesem Entscheidungsträgertypus den idealen Kommu­ nikationspartner, da beide Seiten eine Art Detailversessenheit als Charakteristi­ kum aufweisen. Einzig das Hinterfragen des Umfangs der Planbarkeit im Sinne einer Rationalitätssicherung berührt die Einschätzung der Sinnhaftigkeit der Pla­ nung. Charakteristisch für einen Planungsasketen ist die Ablehnung der Planung selbst wie auch die unzureichende Mitwirkung an der Gestaltung der Realität. Dis­ kontinuitäten (schnelle Veränderung der Parameter des Unternehmensumfelds) und hohe Wissensdefizite (z. B. hervorgerufen und angesiedelt im Forschung- und Entwicklungsbereich eines Unternehmens) unterstützen und manifestieren diese

114 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente



Einstellung. Dem Controlling obliegt es, mit diesem Entscheidungsträgertypus die Chancen und Grenzen der Planbarkeit auszuloten und sie ihm entsprechend zu vermitteln. Die Gestaltung der Realität ist für den Antiplaner das Hauptanliegen. Allerdings basieren die Grundlagen dieser Gestaltung nicht auf Plänen, d. h. dieser Entschei­ dungsträgertypus stuft Planungsaktivitäten als überflüssigen Ballast ein, der die operative und aktive Gestaltung der Realität behindert. Dem Controlling kommt hier die Aufgabe zu, dem Antiplaner die Bedeutung der Planung näherzubringen. Gleichzeitig soll ihm die Notwendigkeit der Begrenzung seines nicht von den Plä­ nen geleiteten Handelns verdeutlicht werden.

Hinsichtlich der Verhaltenswirkungen des Controllings im Bereich der operativen Kontrolle ist von einer verhaltenssteuernden Funktion durch Ergebniskontrollen der verantwortlichen Entscheidungsträger auszugehen. Die Verhaltenssteuerungsfunkti­ on der Kontrolle tritt dann in Erscheinung, wenn im Unternehmen dezentral zu tref­ fende Entscheidungen koordiniert werden müssen. Dieser Sachverhalt bedeutet, dass mindestens ein Entscheidungsträger und eine ihm übergeordnete Leitungsinstanz in dieser Entscheidungssituation vorhanden sind. Der Vorteil des dezentralen Entschei­ dungsträgers liegt in seinem Informationsvorsprung begründet, den er aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Entscheidungsbereich gegenüber der Leitungsinstanz be­ sitzt. Um der Gefahr von möglichen Zielkonflikten und Informationsasymmetrien be­ gegnen zu können, können Leitungsinstanzen Ergebniskontrollen zur Steuerung des Verhaltens der dezentralen Entscheidungsträger durchführen (vgl. Söhnchen 2010: 188). Die Gefahr von Ergebniskontrollen liegt prinzipiell in dem Aufzeigen von De­ fiziten, die dem verantwortlichen Entscheidungsträger zugerechnet werden. Positiv gewendet kann allerdings aus der Ergebniskontrolle auch eine Verhaltenssteuerung abgeleitet werden, die auf Lernprozesse des Entscheidungsträgers abzielen.

2.2 Operative Planung Im Allgemeinen geht es bei der Planung in Unternehmen „[. . . ] um die systematisch vorbereitete Festlegung von Zielen und der zu ihrer Erreichung notwendigen Maß­ nahmen [zielorientierten Aktionen an Aktionsobjekten] mit oder ohne Potentialän­ derungen. Unternehmensplanung ist hiernach systematische Zukunftsgestaltung der Unternehmung und umfasst Planaufstellung und Planverabschiedung.“ (Hahn, Hun­ genberg 2001: 45). In einer engeren Betrachtungsperspektive handelt es sich bei Pla­ nung um eine „[. . . ] systematische Entscheidungsvorbereitung [. . . ] zur Bestim­ mung künftigen Geschehens. Unternehmensplanung bedeutet sodann systematische Vorbereitung der Zukunftsgestaltung der Unternehmung.“ (Hahn, Hungenberg 2001: 47; Hervorhebung im Original).

2 Funktionen des operativen Controllings

|

115

2.2.1 Formen der operativen Planung Planung im weitesten Sinne verfolgt in Unternehmen folgende Hauptzwecke: – Orientierung des Geschehens im Unternehmen an den festgelegten bzw. vorgege­ benen Zielen – Risikofeststellung und Risikominderung durch entsprechende Analysen – Entwicklung von Maßnahmen zur Handhabung von Komplexitäten – Bereitstellung von Lösungsvorstellungen zur Reduktion von Zeitengpässen durch Erhöhung der Flexibilität in den Aktionsfeldern – Verhinderung von sogenannten Ad-hoc-Entscheidungen durch strukturierte Auf­ bereitung der Planungsvorgaben. Zur Unterstützung der Planungsprozesse kann das operative Controlling Folgendes beitragen: – Erarbeitung von Planungsgrundsätzen, die Handlungsanweisungen zur Umset­ zung strategischer Pläne in die operativen Pläne umfassen – Koordination der einzelnen Funktionsbereiche mit ihren Teilplänen – Mitgestaltung und Überwachung des zeitlichen Ablaufs des Planungsprozesses an sich. Man kann also unter dem Begriff der Planung im allgemeinen Sinne eine systema­ tische gedankliche Vorwegnahme künftigen Geschehens verstehen. Planung stellt dabei eine zielorientierte Vorgehensweise dar bei der Ermittlung von Handlungs­ alternativen, bei deren Beurteilung und bei der Auswahl der in einer bestimmten spezifischen Entscheidungssituation als maßgeblich angesehenen (also optimalen) Handlungsalternative. Planung berücksichtigt somit nicht nur die Zielvorgaben von Entscheidungsträgern, sondern im besonderen Maße auch die Parameter der Um­ welt (Rahmenbedingungen). Diese sind in den meisten Fällen unmittelbar vor einer Entscheidung und nach Abschluss des Planungsprozesses als unbeeinflussbarer Teil des sogenannten Entscheidungsfelds anzusehen. Das Entscheidungsfeld umfasst den Aktionsraum der zielrelevanten Handlungsalternativen wie auch den Zustandsraum zielrelevanter Umweltzustände sowie die Ergebnisfunktion, die einzelne Handlungs­ alternativen und einzelne Umweltzustände mittels einer mathematischen Operation miteinander verbindet (vgl. Klein, Scholl 2011: 1ff; vgl. auch Heinen 1971: 118f). Die Ziele, die durch die verantwortlichen Entscheidungsträger auf den jewei­ ligen Instanzenebenen vorgegeben werden oder durch höhere Instanzen delegiert wurden, determinieren die zur Verfügung stehenden zielrelevanten Handlungsalter­ nativen und die zielrelevanten Umweltzustände. Die strategische Planung, die in den Verantwortungsbereich des strategischen Managements fällt, schafft den Rahmen für die operative Planung, die wiederum vom operativen Management verantwortet wird – indem die strategischen Ziele operationalisiert (handhabbar gemacht) werden

116 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

(sogenannte Transformation in operative Ziele). Die zentrale Aufgabe der operativen Planung liegt also in der Umsetzung der strategischen Vorgaben. Erfolgspotenziale des Unternehmens sollen auf der operativen Ebene effizient ausgeschöpft werden. Zentraler Gegenstand der operativen Planung ist somit die Planung und Steuerung des Unternehmenserfolgs als auch die Sicherung der Liquidität. Folgende Merkmale lassen sich für eine Differenzierung der Planung in Unter­ nehmen heranziehen: – Planungshorizonte – Planungsobjekte – Planungsinhalte – Planungsphasen – Planungsebenen – Planungsverfahren – Planungsarten. Die Planungshorizonte (auch: Planungsstufen) führen zu einer Differenzierung der Unternehmensplanung in strategische, taktische und operative Planung. Der Pla­ nungshorizont grenzt den Planungszeitraum (kurzfristig, mittelfristig und langfris­ tig), in dem die Planungsobjekte und Planungsinhalte festgelegt werden, ein (siehe Tabelle B2.2). Tab. B2.2: Planungsstufen (in Anlehnung an Stelling 2009: 5). zeitlich sachlich

langfristig

Unternehmen Bereiche bzw. Projekte Details (Stellen, Produkte etc.)

strategische Planung

mittelfristig

kurzfristig

taktische Planung operative Planung

Für eine operative Planung kann die Planung für eine kurzfristige Planungsperiode (ein Geschäftsjahr) z. B. wie in Abbildung B2.4 dargestellt aussehen.

2 Funktionen des operativen Controllings

| 117

1. Prognose für das laufende Jahr und das Folgejahr; „strategische“ strategische Fünf-Jahres-Planung Planungssitzung Mrz Bekanntgabe des Investitionsbudgets für das Folgejahr und Kontingente für die restlichen vier Jahre

Apr

Feb

Mai Jun

Jan

monatliche Berichterstattung

Dez

Jul

2. Prognose für das laufende Jahr und das Folgejahr Investitionshauptanträge für das Folgejahr

Nov

Aug Okt

F&E-Ressourcenplanung für fünf Jahre

Sep

„operative“ Planungs3. Prognose für das laufende Jahr; sitzung Zwei-Jahres-Planung; Budgetierung für das Folgejahr

Abb. B2.4: Beispiel für die Gestaltung einer kurzfristigen Planungsperiode (in Anlehnung an Lorson et al. 2013: 218).

Betrachtete Gegenstände (Ziele, Maßnahmen und Ressourcen) und Verantwortungs­ bereiche (Zuordnung auf Entscheidungsträger) werden auch als Planungsobjekte be­ zeichnet, die der Planung zugrunde gelegt werden. Hierbei handelt es sich z. B. um Funktionsbereiche des Unternehmens, Kostenstellen, Kostenträger usw. Diesen Pla­ nungsobjekten lassen sich mittel- oder unmittelbar auch Entscheidungsträger zuord­ nen. Jeder Planungsprozess beinhaltet Ziele (z. B. Umsatz, Kosten, Gewinn etc.), die durch Maßnahmen erreicht werden sollen unter Maßgabe der hierfür notwendigen Mitteleinsätze (Ressourcen). Hieraus ergeben sich die Zielplanung, die Maßnahmen­ planung und die Ressourcenplanung (siehe Abbildung B2.5). Ziele Was?

Maßnahmen Wer? Wie? Wann?

Ressourcen Wie viel?

Abb. B2.5: Planungsobjekte (in Anlehnung an Prell-Leopoldseder 2011: 36).

118 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Die Zielplanung umfasst sowohl die Zielfestlegung des gesamten Unternehmens als auch die Planung der Ziele in den einzelnen Funktionsbereichen (Teileinheiten) des Unternehmens. Daher gelten gemäß SMART-Konzept für die Zielplanung konkrete An­ forderungen an die Ziele selbst (siehe Tabelle B2.3). Tab. B2.3: Anforderungen an die Zielgestaltung (in Anlehnung an Prell-Leopoldseder 2011: 37). S

specific

Ziele müssen präzise formuliert werden.

M

measurable

Ziele müssen messbar sein. Messbarkeit bedeutet, dass die Zielerreichung an Maßstäben beurteilt werden kann. Daher sind für alle Managementebenen Beurteilungsmaßstäbe festzulegen (z. B. quantitative Angaben, Rangordnungen, allgemeine Beschreibungen, Zeitpunkte).

A

achievable

Ziele müssen erreichbar sein. Nur wenn sie von den zuständigen Stellen akzeptiert werden, wirken sie motivierend. Nichts demotiviert mehr als unerreichbare Ziele.

R

realistic

Ziele müssen realistisch bzw. realisierbar sein. Übermäßig hoch gesteckte Ziele bewirken normalerweise bei Mitarbeitern, sie gar nicht erst angehen zu müssen.

T

timely

Ziele müssen terminiert sein und nach Prioritäten gereiht werden. Was ist am wichtigsten?

Die Planungsinhalte umfassen Mengen- und Wertgerüste wie auch andere Merkmale, die hinsichtlich der Planungsobjekte geplant und in Budgets eingefasst werden (z. B. Personaleinsatzplanung, Maschinenplanung etc.). Für eine funktionierende Unter­ nehmensplanung ist es notwendig, dass alle Teilaspekte eines Planungssystems Be­ rücksichtigung finden. Eine zielorientierte Festlegung der Verteilung und des Vollzugs arbeitsteilig zu vollziehender Planungsaufgaben wird anhand festzulegender Grund­ sätze vorgenommen (vgl. Hahn, Hungenberg 2001: 45ff): – eindeutige Abgrenzung der Planungskompetenzen – Abstimmung der Teilpläne im Bereich der strategischen und operativen Planung – Planungskontinuität (Ermöglichung von Periodenvergleichen) – Ausschluss einer Zielsetzungsanpassung während der Abrechnungsperiode (Aus­ nahme besteht bei unrealistischen Annahmen für die ursprüngliche Planung) – zwangsweises Entstehen von Abweichungsanalysen aus Planung und Sollermitt­ lung – Aussagefähigkeit und Zuverlässigkeit der Analysen und Prognosen – Überprüfung der im Planungsprozess entwickelten möglichen Handlungsalterna­ tiven – logisch-konsistenter Aufbau der Planung – Teilpläne entsprechen den Ansprüchen Vollständigkeit, Verbindlichkeit, Wirt­ schaftlichkeit, Flexibilität und Kontrollierbarkeit – Einhaltung des Gegenstromverfahrens (um mindestens zwei Führungsebenen gleichermaßen bei der Verabschiedung der Ziel- und Zielerreichungsvorstellun­ gen in Rahmen einer Planungskonferenz zu beteiligen).

2 Funktionen des operativen Controllings

|

119

Zudem werden die folgenden konstitutiven Merkmale für Planung im allgemeinen Sin­ ne identifiziert: – bewusste Führungshandlung – rationaler, zielorientierter und informationsverarbeitender Prozess – Zukunftsbezogenheit. In Anlehnung an Hahn/Hungenberg kann die Planung im Rahmen des Führungspro­ zesses in Unternehmen in folgende Planungsphasen unterteilt werden (vgl. Hahn, Hungenberg 2001: 33f): – Phase 1: Problemstellungsphase – Phase 2: Suchphase – Phase 3: Beurteilungs- und Bewertungsphase – Phase 4: Entscheidungsphase. Allerdings wird diese vierte Phase wird nicht in allen Planungskonzeptionen der Planung selbst zugerechnet (vgl. Steinle, Bruch 1998: 281). Die ersten drei Phasen repräsentieren die Planaufstellung, die vierte Phase die Plan­ verabschiedung. Die Realisations- und Kontrollphase (Phasen 5 und 6) als weitere Bestandteile eines Führungsprozesses werden bei der Planung nicht in die nähere Betrachtung einbezogen. Auch Bircher definiert die Planung dahingehend, dass sie ein „[. . . ] systematischer, informationsverarbeitender, von Führungskräften getrage­ ner und soziale Interaktionsprozesse einschließender Prozeß der qualitativen, quanti­ tativen und zeitlichen Bestimmung zukünftiger Ziele, Mittel und Verfahren zur unmit­ telbaren Gestaltung und Lenkung des operationellen Systems [. . . ]“ ist (Bircher 1989: 1505). Man unterscheidet verschiedene Planungsebenen. Die strategische Planung dient dem Erkennen und dem Aufbau von strategischen Erfolgspotenzialen. Die Um­ welt wird als veränderbar und beeinflussbar angesehen. Bei der operativen Planung geht es – weitaus konkreter und detaillierter – um die Ausschöpfung vorhandener Erfolgspotenziale. Die operative Planung ist weitaus stärker an Kalenderzeitperioden gebunden und umfasst die Umsetzung von Sach- und Formalzielen (vgl. hierzu Ka­ pitel 2.2.2). Zwischen der strategischen und der operativen Planung ist die taktische Planung angesiedelt, die einer Strukturplanung zur Abstimmung von Langfrist- und Kurzfristplanung entspricht. In der Unternehmensplanung werden folgende Planungsverfahren unterschie­ den, wobei diese gerade für die Budgetierung eine maßgebliche Bedeutung erlangen (vgl. exemplarisch Weber et al. 2009: 26f). – Die retrograde Planung beinhaltet einen Top-down-Ansatz, d. h. die Planung er­ folgt hierarchisch von oben nach unten. Die strategischen Ziele, das Gesamtbud­ get sowie die zu realisierenden Sollgrößen werden zentral von der Unternehmens­ leitung festgelegt. Die nachgeordneten Hierarchieebenen sollen diese globalen

120 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Vorgaben konkretisieren und in detaillierten Teilplänen umsetzen (siehe Abbil­ dung B2.6). Zentrale

Bereich 1

Teilbereich A

Bereich 2

Teilbereich B

Teilbereich C

Teilbereich D

Abb. B2.6: Schematische Darstellung der Top-down-Planung (in Anlehnung an Weber et al. 2009: 26).



Im Rahmen der progressiven Planung – auch als Bottom-up-Planung bezeich­ net – wird aus den Teilplänen in den einzelnen Funktionsbereichen durch de­ ren Aggregation die Unternehmensgesamtplanung gebildet. Diese dezentrale Pla­ nung basiert auf den Zielen und Maßnahmen, die in den einzelnen Bereichen durch die verantwortlichen Entscheidungsträger entwickelt werden. Da diese Pla­ nung von unten nach oben hierarchisch angelegt ist und somit die Mitarbeiter auf unteren hierarchischen Ebenen in die Planung eingebunden werden, sind (im Vergleich zur retrograden Planung) ein höheres Maß an Identifikation und Moti­ vation sowie ein höherer Realitätsbezug zu erwarten (siehe Abbildung B2.7). Zentrale

Bereich 1

Teilbereich A

Teilbereich B

Bereich 2

Teilbereich C

Teilbereich D

Abb. B2.7: Schematische Darstellung der Bottom-up-Planung (in Anlehnung an Weber et al. 2009: 27).



Die iterative Planung – auch Gegenstromplanung genannt – versucht, die jeweiligen Vorteile der retrograden und progressiven Planung zu vereinen. Als Ausgangspunkt der iterativen Planung wird die langfristige Planung des Unter­

2 Funktionen des operativen Controllings

|

121

nehmens herangezogen. Deren angestrebte Ergebnisse werden beim iterativen Planungsverfahren nicht als auf die hierarchisch untergeordneten Ebenen her­ unterzubrechende Vorgaben verstanden, sondern als vorläufiges und revidiertes Orientierungsraster herangezogen. Die iterative Planung greift damit zuerst auf einen Top-down-Ansatz zurück. Nach Durchlauf der Top-down-Planung durch die Hierarchieebenen in den einzelnen Funktionsbereichen des Unternehmens wird diese mit der gegenläufigen, progressiven Planung kombiniert (Anpassung der Pläne von unten nach oben mit einer schrittweisen Änderung, Ergänzung und Aggregation). Der Vorteil dieser iterativen Planung liegt in der sukzessiven vertikalen Anpassung der Planungen durch Informationsaustausch; dies führt idealtypisch zu einer detaillierteren Gesamtplanungskonstellation (siehe Abbil­ dung B2.8). Zentrale

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Teilbereich A

Teilbereich B

Bereich 2

Teilbereich C

Teilbereich D

Abb. B2.8: Schematische Darstellung der Gegenstromplanung (in Anlehnung an Weber et al. 2009: 27).

Die Koordination von Plänen kann hierarchieübergreifend, in zeitlicher und sach­ licher Abfolge oder aber auf derselben hierarchischen Ebene und in derselben Pla­ nungsfrist vorgenommen werden. Hieraus ergeben sich folgende koordinierende Pla­ nungsarten: – Bei der seriellen Planung wird auf Basis festgelegter Teilpläne agiert, die sich ohne Überlappung aneinander anschließen. Diese einzelnen Teilpläne werden keiner Revision unterzogen, sodass der nachfolgende Teilplan erst mit der voll­ ständigen Realisation des vorherigen Teilplans beginnt. Daher spricht man bei der seriellen Planung auch von einer sogenannten Anschlussplanung. Voraus­ setzung für diese serielle Planung ist, dass der alte Teilplan vollständig realisiert wurde. Grundvoraussetzung für dieses Prinzip sind Pläne gleicher Zeitdauer, die zeitlich rigide nacheinander geordnet werden können. Insofern kann die seriel­ le Planung nur für kurzfristige Planungen zweckmäßig eingesetzt werden (siehe Abbildung B2.9).

122 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente Aufstellungsjahr

Planjahre

serielle Planung 2016

2015

2017

2016 2017

2018

rollierende Planung 2015

2016

2016

2017

2018

2017

2018

2019

2018

2019

2017

Abb. B2.9: Chronologische Aufeinanderfolge von Plänen (in Anlehnung an Joos 2014: 47).



Bei der rollierenden Planung wird der Planungszeitraum rollierend um eine Frist hinausgeschoben, wobei der geplante Zeitabschnitt konstant bleibt. Nur für den ersten Zeitraum wird eine detaillierte Planung, für die nachfolgenden Zeit­ räume werden Grobplanungen innerhalb eines Planungszyklus vorgenommen. Mit dieser Vorgehensweise soll im darauffolgenden Zeitraum eine Revision der Planungsparameter ermöglicht werden, d. h. aufgrund der aktuell zur Verfügung stehenden Daten der Planungsrealisation lassen sich kurzfristige Anpassungen vornehmen und für die anderen Planungszyklen fortschreiben. Die zeitliche Inte­ gration von aufeinanderfolgenden Planungszyklen ist ein wesentliches Merkmal der rollierenden Planung; sie erweitert die serielle Planung um ein gewisses Maß an Überlappung (siehe Abbildung B2.10).

Planungszyklus 1

Planungszyklus 2

Planungszyklus 3

Jahr 1 genau

Jahr 2 grob

Jahr 3 grob

Jahr 2 genau

Jahr 3 grob

Jahr 4 grob

Jahr 3 genau

Jahr 4 grob

Abb. B2.10: Prinzip der rollierenden Planung (in Anlehnung an Fiedler, Gräf 2012: 109).

Jahr 5 grob

2 Funktionen des operativen Controllings

| 123

Gemeinsam ist der rollierenden und der revolvierenden Planung, dass der Anpassungsrhythmus bei diesen beiden Planungsarten übereinstimmt. Sie un­ terscheiden sich allerdings im Ausmaß der Revision der ursprünglichen Planung. Die revolvierende Planung aktualisiert nicht nur die Fortschreibung der Pla­ nungsinhalte und -vorgaben, sondern überprüft den gesamten Planungsansatz hinsichtlich seiner Gültigkeit. Die Überprüfung sämtlicher Planungsprämissen wie auch die Überprüfung der Auswirkungen innerhalb der Teilpläne ermöglicht eine zyklische Korrektur und Aktualisierung des gesamten Planungssystems. Hieraus ergibt sich allerdings ein wesentlich erhöhter Aufwand gegenüber den anderen, vorgenannten Planungsarten (siehe Abbildung B2.11).



konsekutive Planung 1

2

3

4

n 1

2

3

2 1

3

4

n ...

rollierende Planung 1

4

n

2

3

4

n

1

2

3

4

n ...

Zeit

Vorbereitungsphase

Abb. B2.11: Formen der zeitlichen Koordination operativer Planungsprozesse (in Anlehnung an Lor­ son et al. 2013: 218).

Die operative Planung bezieht sich auf alle Ertrags-, Liquiditäts- und Bestandsgrößen, die als systematische Vorbereitung der Geschäftsaktivitäten in der Folgeperiode (meist ein Geschäftsjahr) berücksichtigt werden sollten. Die Festlegung quantitativer Bud­ gets als Aushandlungsergebnis des operativen Managements mit der Unternehmens­ leitung intendiert den Einbezug der jeweiligen Teilplanungsverantwortlichen. Damit kann der Ressourceneinsatz in personeller, maschineller und finanzieller Hinsicht zielgerichtet gesteuert werden. Die aus den Planungsaktivitäten resultierenden quan­ titativen Budgets sind als Zielpläne zu interpretieren (so auch Steinle, Bruch 1998: 359f), die für die ergebnis- und liquiditätsorientierte Steuerung eines Unternehmens herangezogen werden (siehe Abbildung B2.12).

124 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Ergebnisplan

Kostenträgerplanung

Betriebsergebnis + Austauschergebnis bilanziell/kalkulatorisch + Abgrenzungsergebnis + neutrales Ergebnis = Unternehmensergebnis – Steuern = Jahresüberschuss

Erlöse – variable Kosten = Deckungsbeitrag – fixe Kosten = Betriebsergebnis

Herstellkosten + Verwaltungsgemeinkosten + Vertriebsgemeinkosten + Sondereinzelkosten = Selbstkosten Kosten- und Leistungsrechnung

Kostenstellenplanung Planbilanz

Finanzplan (direkt) Passiva

AnlageVermögen/ Umlaufvermögen

Eigenkapital/ Fremdkapital

Produktionsprogrammplanung

Aktiva

Kostenarten

Einzelkosten

Gemeinkosten

Zuschlags-/Verrechnungssätze

Erfolgsplan/Plan-GuV

Einzahlungen – Auszahlungen = Cashflow

operativer Plan (Mengengerüst)

Forschungs-und Entwicklungsplanung

Investitionsplanung

Personalplanung

Absatz- und Umsatzplanung

Produktionsplanung

Beschaffungsplanung

Abb. B2.12: Überblick über die operativen Teilpläne (in Anlehnung an Fiedler, Gräf 2012: 104).

Nur wenn die einzelnen Teilplanungen in ihren wechselseitigen Abhängigkeiten be­ züglich der Auswirkungen auf die Unternehmensgesamtplanung hinreichend berück­ sichtigt werden, lassen sich die einzelnen Planungselemente sinnvoll in den jeweili­ gen Ergebnis-, Finanz-, und Erfolgsplänen als auch in der Planbilanz verdichten bzw. abbilden. Auftretende Zielkonflikte zwischen den einzelnen Planungselementen der einzelnen Teilplanungen bei Kenntnis der wechselseitigen Abhängigkeiten sind eher lösbar, da sie bereits auf der operativen Planungsebene und nicht erst bei der Reali­ sation erkannt werden. Abbildung B2.13 zeigt die Verzahnung zwischen strategischer und operativer Planung sowie zwischen strategischer und operativer Kontrolle.

2 Funktionen des operativen Controllings

| 125

strategische Planung

– originäre strategische Planung in Geschäftseinheiten – jährlicher Strategiecheck (mit evtl. Adjustierung der Ziele und Strategien)

operative Planung

– operative Zielsetzung – Detailplanung in den Einheiten/Teilplanabstimmung – Konsolidierung/Budgetierung

operative Kontrolle

– Soll-Ist-Vergleich/Abweichungsanalysen – Forecasting – Erfolgskontrolle

strategische Kontrolle

– vierteljährliche Strategie-Reviews (Prämissen-, Fortschritts- und Erfolgskontrolle) – sporadische Strategie-Audits (grundsätzliche Infragestellung)

Abb. B2.13: Verzahnung von strategischer und operativer Planung und Kontrolle (in Anlehnung an Steinle, Bruch 1998: 354).

Die operative Planung weist bezüglich der einzelnen Planungselemente einen hohen Detaillierungsgrad auf, da es sich hier zum einen um die direkte, geplante Umsetzung von vorgegebenen spezifizierten Handlungszielen handelt. Zum anderen können die Auswirkungen des Handelns (Handlungskonsequenzen) in ihrer Ergebnisausprägung direkt ursächlich zugeordnet werden, d. h. die Messung mittels Kennzahlen erfasst quantitative Ergebnisse zielgerichteten Handelns. Die enge Verbindung zwischen ope­ rativer Planung und operativer Kontrolle mit den Feedbackschleifen zur strategischen Planung ist Abbildung B2.14 zu entnehmen.

126 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

strategische Programme, Maßnahmen

operative Planung

Realisierung

operative Kontrolle

strategische Kontrolle Feedback zur strategischen Planung Abb. B2.14: Prozess der operativen Planung und Kontrolle (in Anlehnung an Fiedler, Gräf 2012: 98).

Zeitintensive operative Planungsprozesse sollten möglichst mit einem engen Zeitras­ ter versehen werden, damit das Unternehmen überhaupt noch im Gesamtplanungs­ zeitraum auf Störungen und Abweichungen reagieren kann. Gleichzeitig wird hier­ durch die Gemeinkostenbelastung in einem vertretbaren Rahmen gehalten. Sofern durch eine festgestellte Abweichung vorgegebene Grenzwerten überschritten wur­ den, sollte eine systematische Abweichungsursachenanalyse durchgeführt werden, um dem Entstehen von abweichungsbedingten Kosten frühzeitig entgegenwirken zu können (vgl. Lorson et al. 2013: 22f; zur Abweichungsursachenanalyse vgl. Kapi­ tel 3.2.1).

2.2.2 Formal- und sachzielorientierte Planung Prinzipiell können in ökonomischen Zielkonzeptionen die Ziele in die Kategorien For­ malziele und Sachziele eingeteilt werden. „Sachziele ergeben sich aus der gesamtwirtschaftlichen Funktion betriebswirt­ schaftlicher Betätigung. Sie bestehen in der planmäßigen Erstellung von Leistungen (Gütern, Diensten) zur Befriedigung des Bedarfes.“ (Heinen 1971: 90 [Hervorhebung im Original]). Die Sachziele finden ihre Konkretisierungen in den Produktions- und Absatzprogrammen der jeweiligen Unternehmen mit der Ausrichtung auf bestimmte Märkte oder geografische Räume sowie in der Tiefe der Leistungserstellung (vgl. aus­ führlich Bleicher, Hahn 1989: 901). Diese unternehmerischen Entscheidungen wer­ den von Formalzielen geleitet; sie bestimmen damit das wirtschaftliche Handeln (vgl. Heinen 1971: 90). Formalziele können als angestrebte monetäre Zustände (nominale Aspekte der Unternehmensprozesse) bezeichnet werden und sind letztlich das Ergeb­

2 Funktionen des operativen Controllings

| 127

nis monetär bewerteter Sachzielplanungen. Die Produktion eines Produkts A als Sach­ ziel ruft z. B. die Realisierung von Umsätzen für dieses Produkt A hervor. Idealtypisch werden sowohl Formalziele als auch Sachziele von Unternehmen ohne Priorisierung verfolgt, jedoch überwiegen realiter die Formalziele. Die Formal- und Sachziele innerhalb eines Unternehmens werden in hierarchi­ schen Zielsystemen geordnet (vgl. Hamel 1992: 2634ff). Abbildung B2.15 zeigt die Wir­ kungszusammenhänge von Sach- und Formalzielen innerhalb der Zielkonzeption ei­ nes Unternehmens auf. Zielkonzeption

Sachziele

Formalziel

Produktziele

Erfolgsziele

Liquiditätsziele

Absatz

Kapitalrentabilität Gewinn : Kapital

Kapitalliquidität Liquidität : Kapital

Umsatzgewinn Kapitalumsatz × Gewinn : Umsatz Umsatz : Kapital

finanzieller KapitalEinnahmenliquidität × umschlag Liquidität : Einnahmen Einnahmen : Kapital

Produktion

Beschaffung

Anlage- Umlaufvermövermö+ gen gen

Umsatz

Erlös –

Aufwand

ZahlEinAusSchulnahmen gaben den ungs+ – – mittelbestand

Leistungsziele Abb. B2.15: Finale Relation zwischen Leistungszielen (in Anlehnung an Berthel 1993: 952).

Die sachzielorientierte Planung hat reale Objekte (Produkte, Dienstleistungen) sowie Aktivitäten (Handlungen) im Rahmen der Unternehmensprozesse zum Gegenstand. Mit der sachzielorientierten Planung werden Festlegungen u. a. im Bereich der Pro­ duktions- und Absatzprogramme vorgenommen. Sie dient letztendlich der Planung von Aktivitäten eines Unternehmens in der nächsten Planungsperiode (meist bezo­ gen auf ein Geschäftsjahr). Die Orientierungspunkte bei den Objekten und Handlun­

128 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

gen dieser Planung (Planungsinhalte) bilden primär die zu planenden Mengen. Die Planungsinhalte umfassen u. a. (vgl. Prell-Leopoldseder 2011: 38): – Marktvolumen und Absatz, – Produktionsmengen, – Materialbeschaffungsmengen, – Kapazität und Kapazitätsauslastung, – Neuprodukteinführungen, – Qualität der Produkte, – Bestände, – Fertigungstiefe, – Absatzwege, – Werbung und Verkaufsförderung, – Rohstoff-, Maschinen- und Arbeitsproduktivitäten etc. Diese Planungsinhalte in Form von sogenannten Aktionsplänen sind auf allen Pla­ nungsebenen des Unternehmens vorzufinden (vgl. Fischer et al. 2015: 67ff). Das Sach­ ziel der operativen Planung und der operativen Kontrolle selbst liegt in der Abstim­ mung und Ergebnisüberprüfung der Unternehmensteilplanungen (welche in einem Unternehmensgesamtplan münden) und in der Erstellung von Berichten für diese Unternehmensteilplanungsabstimmungen und -überprüfungen (so auch Hamel 1992: 2634ff, siehe Tabelle B2.4).

2 Funktionen des operativen Controllings

| 129

Tab. B2.4: Ziele für Planungs- und Kontrollsysteme (in Anlehnung an Wall 1999: 129). Sachziele

Formalziele plan-/ berichtsgebunden („produktgebunden“)

– – – – – –

Plan 1 Plan 2 ... Bericht 1 Bericht 2 ...

– – – – –



– – – – – –

Wahrscheinlichkeit Wahrheitsgehalt Prüfbarkeit Genauigkeit Vollständigkeit der Informationsdar­ stellung Bedeutung der Informationen für das PuK-Problem Aktualität Objektivität i. S. v. Unpersönlichkeit Objektivität i. S. v. Nachvollziehbarkeit Formatierung Anpassung an das Subjekt (schriftliche) Dokumentation

planungs- und kontrollsystemgebunden

disponibel

zwingend

– Benutzerfreundlichkeit (Einfachheit der Handhabung, Antwortzeitverhalten ...) – Übereinstimmung zwischen Planungs- und Führungsprinzipien – Standardisierung – ...

– Gesamtheit und Vollständigkeit der Teilplanungen, Teilpläne, Teilkontrollen, Teilberichte – zielorientierte Koordination von Teilplanungen, Teilplänen, Teilkontrollen, Teilberichten – Verbindlichkeiten der PuK-Organisation – Flexibilität (auch der IT-Unterstützung) – Wirtschaftlichkeit des PuK-Systems – Wirtschaftlichkeit der PuK-Unterstützung – bedarfsgerechte Informa­ tionsbereitstellung (Funktionalität, Verfügbarkeit, Ausfallsicherheit ...) – ...

Das Vorliegen eines operativen Gesamtplans (Mengengerüst), der in Abbildung B2.12 als Ergebnis der einzelnen Teilplanungen in den Funktionsbereichen eines Unterneh­ mens dargestellt wird, ist als Grundvoraussetzung für die Kostenstellen- und Kosten­ trägerplanung sowie für die Ermittlung des Ergebnisplans einzustufen. Dieser wie­ derum stellt über die Ermittlung des Betriebsergebnisses eine Ausgangsbedingung für den Erfolgsplan bzw. für die Plan-GuV dar. Bei den vorgegebenen und zu entwickelnden Zielen, die im operativen Controlling auf ihre Zielerreichungsgrade hin untersucht werden, bestehen bestimmte Zielrela­ tionen (siehe Abbildung B2.16).

130 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Maß der Zielverträglichkeit zwischen zwei Zielen Interdependenzrelation ––



0

+

++

absolut negativ

negativ

keine

positiv

absolut positiv

Zielantinomie

Zielkonkurrenz

Zielneutralität

Zielkomplementarität

Zielidentität

Ziele schließen sich gegenseitig vollkommen aus

Zielerfüllung 1 beeinträchtigt Zielerfüllung 2 negativ

Ziele sind völlig unabhängig voneinander

Ziele beeinträchtigen sich gegenseitig positiv

Ziele sind deckungsgleich

Präferenzrelation

Instrumentalrelation

Abb. B2.16: Zielbeziehungen (in Anlehnung an Lingnau, Willenbacher 2014: 15).

Die Zielrelationen lassen sich generell in drei Kategorien unterteilen: 1. Verträglichkeitsbeziehungen 2. Hierarchische Zielbeziehungen 3. Präferenzbeziehungen Die Kategorie der Verträglichkeitsbeziehungen erlangt gegenüber den beiden ande­ ren Kategorien höhere Bedeutung, da hier die am häufigsten anzutreffenden Zielbe­ ziehungen erfasst werden. Für das operative Controlling spielt die Zielneutralität eine untergeordnete Rolle. Ziele, die sich bei der Zielrealisation gegenseitig nicht beeinflus­ sen, bedürfen keiner weiteren Betrachtung. Ziele, die sich gegenseitig positiv beein­ flussen und somit komplementär zueinander sind, bedürfen ebenfalls keiner weiteren Analyse, da sie im Sinne des Zielsystems des Entscheidungsträgers eine entsprechen­ de Zielerreichung aufweisen. Weisen zwei oder mehrere Ziele bezüglich der Zielreali­ sation identische (kongruente) Werte auf, spricht man von einer Zielidentität. Die problematischen Zielbeziehungen sind im Bereich der sogenannten Zielkon­ flikte anzutreffen. Zielkonflikte differenziert man in die beiden Bereiche „Zielkonkur­ renz“ und „Zielantinomie“. Bei Letzterer schließen sich simultan verfolgte Ziele ge­ genseitig vollkommen aus, d. h. die Realisation des einen Zieles verhindert in Gänze die Realisation eines Zieles oder mehrerer anderer Ziele, die simultan verfolgt wer­ den. Bei der Zielkonkurrenz hingegen führt ein höherer Zielerreichungsgrad des ei­ nen Zieles automatisch zu einem verringerten Zielerreichungsgrad des anderen simul­ tan verfolgten Zieles. Diese Kategorie der Zielkonflikte (mit den beiden Ausprägungen Zielantinomie und Zielkonkurrenz) ist im Rahmen des operativen Controllings die ent­

2 Funktionen des operativen Controllings

| 131

scheidende, zumal ein Zielkonflikt häufig erst durch Erfassung der konkreten Zielwer­ te (Istwerte) während einer Betrachtungsperiode offenbar wird. Hierarchische Zielbeziehungen (Ober-Unterziel-Beziehungen) sind durch ein Abhängigkeitsverhältnis (Mittel-Zweck-Verhältnis) gekennzeichnet. Die Unterziele sind dem Oberziel hierarchisch untergeordnet, d. h. die Unterziele (Mittel) liefern im Idealfall zur Oberzielrealisation (Zweck) einen Realisationsbeitrag. Die Einteilung von Zielen in Haupt- und Nebenziele entspricht der Kategorisie­ rung mithilfe sogenannter Präferenzbeziehungen. Hierbei wird vom Entscheidungs­ träger einem Ziel gegenüber einem anderen Ziel eine Vorzugswürdigkeit zugeord­ net, d. h. das eine Ziel (Hauptziel) wird durch die Präferierung dominant gegenüber dem anderen. Beispielhaft kann die Realisation eines Periodengewinns das verfolgte Hauptziel sein, mit dem Nebenziel der Erreichung eines möglichst hohen Marktan­ teils. Im Gegensatz zur sachzielorientierten Planung bezieht sich die formalzielorien­ tierte Planung auf die von den Sachzielen hervorgerufenen monetären Ergebnisse. Aspekte des Erfolgs und der Liquidität von Handlungsalternativen, die im Planungs­ prozess herausgearbeitet wurden, stehen im Fokus. Gegenstand ist also die Bestim­ mung der wertmäßigen Ergebnisse, die sich an den Kosten und Erlösen der erstellten Leistungen (Sachziele) orientieren. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang folgen­ de Planungsinhalte (vgl. Fischer et al. 2015: 68; vgl. auch Prell-Leopoldseder 2011: 38): – Umsatz und Umsatzentwicklung – Investitionen – Ergebnisse und Ergebnisentwicklungen – Kosten und Kostenentwicklungen. Hieraus ergibt sich das in Abbildung B2.17 dargestellte Grundschema für eine opera­ tive Planung.

132 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Sachzielplanung

Formalzielplanung Absatzplanung

Fertigwarenplanung

Einzahlungsplanung Fertigungsprogrammplanung Sortimentsplanung Produktionsmengenplanung

Fertigungsablaufplanung Zwischenlagerplanung

periodenbezogene Ablaufplanung (Verfahrensplanung, Losgrößenplanung, Reihenfolgenplanung, Maschinenbelegungsplanung, Terminplanung)

Eingangslagerplanung Beschaffungs- und Bereitstellungsplanung

Erlösplanung

Liquiditätsplanung

Erfolgsplanung

Kostenplanung

Betriebsmittelplanung Personalplanung Materialplanung

Auszahlungsplanung

Abb. B2.17: Grundschema einer operativen Planung (in Anlehnung an Weber, Schäffer 2016: 302).

Die formalzielorientierte Planung, die ergebniszielorientiert ausgerichtet ist, analy­ siert die finanzwirtschaftlichen Wirkungen im Rahmen der Verfolgung von Liqui­ ditäts- und Rentabilitätszielen. Sie steht insofern für einen nominalen Handlungs­ spielraum, der durch Maßnahmen auf der operativen Planungsebene (Einzahlungs-, Erlös-, Liquiditäts-, Erfolgs-, Kosten- und Auszahlungsplanung) konkretisiert werden muss. Daher wird die formalzielorientierte Planung auch oft mit der Budgetierung gleichgesetzt.

2.3 Operative Kontrolle Kontrolle ist immer als notwendige Ergänzung der Planung zu verstehen, wobei das Feststellen von Istgrößen und deren Dokumentation als grundlegend anzusehen sind.

2 Funktionen des operativen Controllings

|

133

Sie dient der Ermittlung von Handlungsergebnissen im Sinne einer Durchführungsbzw. Ergebniskontrolle. Die Hauptzwecke der Kontrolle sind (vgl. Hahn, Hungen­ berg 2001: 48) – im Allgemeinen die Verbesserung des Führungsprozesses, – im Speziellen die Sicherung der Planerfüllung.

2.3.1 Formen der operativen Kontrolle Im Bereich der operativen Kontrolle werden einerseits personen- und bereichsbezo­ gene Kontrollen durchgeführt. Die Gegenstände der personenbezogenen Kontrolle sind die durch die Mitarbeiter in den Funktionsbereichen des Unternehmens vorge­ nommenen Tätigkeiten. Die bereichsbezogene Kontrolle hingegen befasst sich mit der Überprüfung der realisierten Ergebnisse in den Funktionsbereichen. Daneben wer­ den andererseits im Bereich der operativen Kontrolle sogenannte Maßnahmen- und objektbezogene Kontrollen durchgeführt. Im Bereich der durchzuführenden Maß­ nahmen werden sowohl die Fortschritte als auch die Ressourceneinsätze einer Über­ prüfung unterzogen. Gleichermaßen ist es Aufgabe der operativen Kontrolle, die Maßnahmen und Objekte hinsichtlich der angestrebten Ergebnisse abschließend zu kontrollieren (siehe Abbildung B2.18). operative Kontrolle

personen- und bereichsbezogene Kontrolle

Tätigkeitskontrolle

maßnahmen- und objektbezogene Kontrolle

Ergebniskontrolle

Selbstkontrolle

Fortschritts-/ Mitteleinsatzkontrolle

Abschlusskontrolle

Periodenkontrolle

Fremdkontrolle

Abb. B2.18: Überblick über die operativen Kontrollformen (in Anlehnung an Jung 2014a: 382).

134 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Die Kontrolle der Maßnahmenwirksamkeit erfolgt im Rahmen des vorgegebenen Zeithorizonts (Realisationsperiode) durch das Gegenüberstellen von Kontroll- und Vergleichsgrößen (siehe Tabelle B2.5). Tab. B2.5: Kontroll- und Vergleichsgrößen operativer Kontrolle (in Anlehnung an Fischer et al. 2015: 83). Kontrollgröße Vergleichsgröße

Istgröße

Wirdgröße

Sollgröße













Istgröße

Wirdgröße

Sollgröße

Ex-post-Kontrolle Kontrolle von realisierten Istgrößen

Prämissenkontrolle Kontrolle der Antizipation von zugrunde liegenden Ausgangsannahmen

Ex-post-Ergebniskontrolle Vergleich von Sollgrößen mit realisierten Istgrößen derselben Periode zur Ermittlung der Zielerreichung

Prognosekontrolle Verträglichkeitsprüfung von prognostizierten Größen

Planfortschrittskontrolle Gegenüberstellung der vorgegebenen Sollgrößen mit prognostizierten Wirdgrößen Zielkontrolle Überprüfung der im Rahmen der Antizipation gesetzten Sollgrößen auf ihre Verträglichkeit

Bei der Ex-post-Kontrolle wird vergangenheitsbezogen kontrolliert, ob die ange­ strebten Planziele einer abgelaufenen Planungsperiode realisiert werden konn­ ten. Die Prämissenkontrolle beinhaltet die Überprüfung von Entwicklungen (Wirdgrö­ ßen) mit den tatsächlichen Ergebniswerten (Istgrößen) anhand der zugrunde lie­ genden Ausgangsannahmen. Die nachträgliche Kontrolle der realisierten Istwerte mit den Planwerten, der sogenannte Soll-Ist-Vergleich, dient der Feststellung der tatsächlichen Zielerrei­ chungsgrade von Realisationshandlungen. Es handelt sich in diesem Fall um eine sogenannte Ex-post-Ergebniskontrolle. Die Prognosekontrolle wird durchgeführt, um die prognostizierten Handlungs­ konsequenzen verschiedener Handlungsalternativen und andererseits prognos­ tizierte Entwicklungsverläufe von Daten zu überprüfen. Während der Planrealisation wird anhand von Soll- und Wirdgrößen der Erwar­ tungswert kontrolliert. Anhand von vorher definierten Zwischenzielen lassen sich eventuell Anhaltspunkte für Zielabweichungen lokalisieren, um zeitnah notwen­ dige Korrekturmaßnahmen einleiten zu können. Die Zielkontrolle dient der Überprüfung von Zielverträglichkeitsbeziehungen, da hierbei ein Vergleich der angestrebten Werte der Zielgrößen (Sollgrößen) unter­

2 Funktionen des operativen Controllings

|

135

einander vorgenommen wird. Einzig bei der Feststellung von Zielantinomien und Zielkonkurrenzen (gemeinsam bezeichnet als Zielkonflikt) kann es zu einer Neu­ formulierung bzw. Anpassung der im Vorfeld festgelegten Ziele kommen (vgl. Fi­ scher et al. 2015: 83ff). Prinzipiell dienen diese Kontrollformen zur Feststellung von Zielabweichungen, wobei der Zeitpunkt der Abweichungsanalyse (z. B. am Ende eines Quartals) die Mög­ lichkeit eröffnet, eine vergangenheitsorientierte oder zukunftsorientierte Analyse durchzuführen. Im letzteren Fall spricht man von einer sogenannten Forecast-Analy­ se (siehe Abbildung B2.19). 01.01.

01.03.

31.12.

vergangenheitszukunftsorientierte Abweichungsanalyse orientierte Ab(Forecast-Analyse/Erwartungsrechnung) weichungsanalyse Zeitpunkt der Abweichungsanalyse Abb. B2.19: Formen der Abweichungsanalyse (in Anlehnung an Preißler 2014: 79).

2.3.2 Abweichungsanalysen Bei Soll-Ist-Vergleichen bzw. Plan-Ist-Vergleichen handelt es sich um Vergleiche der ex post tatsächlich feststellbaren, gemessenen Kennzahlenwerte mit den ex ante ge­ planten Kennzahlenwerten. Das Ziel dieser Vergleiche besteht im Allgemeinen darin, Zielverfehlungen feststellen und einen Korrekturmechanismus initiieren zu können (vgl. Koch 2013: 488). Bei dieser Form der Abweichungsanalyse werden die Istdaten grundsätzlich durch das betriebliche Rechnungswesen (z. B. mithilfe der Finanzbuch­ haltung oder der Betriebsabrechnung) ermittelt. Im Rahmen der Soll-Ist-Vergleiche werden diese dann mit den Zielgrößen (z. B. Umsatz, Gewinn, Rentabilität, Kosten etc.) verglichen, d. h. die geplanten Sollwerte werden mit den real vorzufindenden Istwerten zum aktuellen Messzeitpunkt zueinander in Relation gesetzt (vgl. JoosSachse 2006: 50). Abbildung B2.20 zeigt das Grundschema eines solchen Soll-Ist-Ver­ gleichs.

136 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Unternehmensleitung

Controller

Ziel Was wollen wir erreichen?

Richtwerte Was könnte erreicht werden?

Plan Was soll erreicht werden?

Korrekturmaßnahmen Wie können Korrekturen eingeleitet werden?

Soll Was kann erreicht werden? Abweichungsanalyse Wo liegen die Abweichungen? Ist Was wurde erreicht? Abb. B2.20: Grundschema eines Soll-Ist-Vergleichs (in Anlehnung an Jung 2014a: 387).

Die Ermittlung der Istwerte basiert auf einer informationellen Abbildung der Kontroll­ objekte, wobei die Vergleichbarkeit von Soll und Ist in sachlicher wie auch in zeitlicher Hinsicht zu beachten sind. Bei dem Vergleich der Soll- und Istwerte handelt es sich um eine Ermittlung von eventuell vorhandenen Abweichungen. Basierend auf den rechentechnisch festgestellten Abweichungen vom Soll wird bei der Analyse der Ab­ weichungen versucht, mittels der Ermittlung und Analyse der Abweichungsursachen und der möglichen Auswirkungen erforderliche Maßnahmen abzuleiten (vgl. hierzu Kapitel 3.2.1). Die in Tabelle B2.6 aufgeführten Arbeitsschritte sind im Rahmen des Soll-Ist-Vergleichs durchzuführen.

2 Funktionen des operativen Controllings

| 137

Tab. B2.6: Schritte beim Soll-Ist-Vergleich (in Anlehnung an Preißler 2014: 72). 1

Ermittlung von Richtzahlen/Messzahlen

2

Ableitung von Planwerten und Umrechnen auf Sollwerte

3

Aufzeigen der Istwerte

4

Erkennen und Analyse von Abweichungen (gemessen an den Planwerten/Sollwerten)

5

Ermittlung der Abweichungsursachen

6

Definieren von Korrekturmaßnahmen

7

Abwägen der Korrekturmaßnahmen

8

Vorschläge von Korrekturlösungen

9

Herbeiführen von Lösungsentscheidungen

10 Veranlassen, Einleiten und Durchführen der getroffenen Korrekturmaßnahmen 11 Überprüfen der eingeleiteten Korrekturmaßnahmen/Rückkopplung

Als wesentliche Anforderung an einen operativen Soll-Ist-Vergleich wird die regelmä­ ßige Auswertung der Ergebnisse angesehen, um rechtzeitige Gegensteuerungsmaß­ nahmen (inklusive Maßnahmen zur Zielanpassung) einleiten zu können. Mithilfe der Vorgabe- und Kontrollgrößenkombinationen lassen sich unterschiedliche Kontroll­ arten ermitteln (siehe Tabelle B2.7). Tab. B2.7: Überblick über die Kontrollarten (in Anlehnung an Stelling 2009: 7). Vorgabegröße Kontrollgröße

Istgröße Wirdgröße Sollgröße

Istgröße

Wirdgröße

Sollgröße

Betriebs- und Zeitvergleich Prämissenkontrolle Realisations- bzw. Ergebniskontrolle

Prognosekonsistenzkontrolle Planfortschrittskontrolle

Zielkonsistenzkontrolle

Die Analyse der aufgetretenen Abweichungen, die sich durch diese Kontrollarten fest­ stellen lassen, ist zum einen in einen rechentechnischen und zum anderen in einen in­ haltlichen Teil der Abweichungsanalyse zu unterscheiden (vgl. Weber, Schäffer 2016: 285): – Der rechentechnische Teil einer Abweichungsanalyse wird maßgeblich durch operative Instrumente für die problemspezifische Informationsversorgung ge­ währleistet. Zu nennen sind hier die Kontroll-, Koordinations-, Entscheidungsund Prognoserechnungen (vgl. hierzu die Abbildung B3.1). – Der inhaltliche Teil einer Abweichungsanalyse ist letztlich eine Rekonstruktion tatsächlicher Geschäftsvorfälle, basierend auf den ermittelten Werten. Die ermit­ telten Werte selbst lassen allerdings keine Rückschlüsse auf die Abweichungsur­

138 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

sachen zu. Um diese Ursachen zu ergründen, bedarf es zusätzlicher Informatio­ nen von den Verantwortlichen in den jeweiligen Leistungsbereichen; diese sind vom Controlling vor Ort einzuholen (vgl. hierzu Teil B, Kapitel 3.2.1). Zusammenfassend sind die inhaltlichen Wirkzusammenhänge bei den Soll-Ist-Ver­ gleichen in Abbildung B2.21 dargestellt: Plan/Soll

Ist

Abweichung

Plan/Soll

Ist

Ermittlung der monatlichen Plan-/Sollwerte über

Erfassung der monatlichen Istwerte durch

Saisonkurven (Umsätze, Deckungsbeiträge)

Umsatzstatistiken

aktuelle Bezugsgrößen (variable Kosten)

Produktionsstatistiken

1/12 Jahreswerte (Fixkosten)

Personalstatistiken

neuestes Planstellensoll (Personal)

Lohn-/Gehaltsabrechnungen

Neuester Monatsforecast (Finanz)

Buchungen Abweichungsanalyse

Abb. B2.21: Plan-Soll-Ist-Vergleiche (in Anlehnung an Steinle, Bruch 1998: 371).

Die zuvor erläuterten Soll-Ist-Vergleiche werden i. d. R. monatlich durchgeführt. Die ermittelten Ergebnisse werden an die zuständigen Entscheidungsträger in den ein­ zelnen Prüfungsbereichen des Unternehmens auf unterschiedlicher Hierarchieebene weitergeleitet. Solche Soll-Ist-Vergleiche zeigen lediglich Abweichungen auf, die zum Zeitpunkt der Kontrolle festgestellt werden konnten. Werden aufgrund der tatsächlich festgestellten Planabweichungen die Planwer­ te angepasst, spricht man von sogenannten Soll-Wird-Vergleichen (auch als PlanWird-Vergleiche bezeichnet). Beim Soll-Wird-Vergleich ist der Gesamtjahresplan

2 Funktionen des operativen Controllings

| 139

(Sollgröße) Gegenstand, der mit den voraussichtlichen Istgrößen verglichen wird. Voraussichtlich bedeutet in diesem Kontext, dass es sich um eine Prognose über die anzunehmende Entwicklung der Istwerte auf das Gesamtjahr bezogen handelt. Daher spricht man in diesem Zusammenhang auch von sogenannten Vorschaurechnungen bzw. vom sogenannten Forecast (vgl. hierzu Teil B, Kapitel 3). Aus den Soll-WirdVergleichen lassen sich eventuell zusätzliche korrigierende operative Maßnahmen ableiten (z. B. Aufstockung der Investitionssumme, Personaleinstellungsstopp, kurz­ fristige Produktionskapazitätsanpassung). Aufgrund des (aus Sicht des Controllings) hohen Arbeitsaufwands zur Ermittlung der voraussichtlichen Istwerte werden diese Vorschaurechnungen i. d. R. nur quartalsweise durchgeführt (vgl. Jung 2014a: 389).

2.4 Übungsaufgaben Aufgabe 1 Benennen und erläutern Sie anhand der beiden Dimensionen „Einstellung zur Notwendigkeit einer aktiven Gestaltung der Realität“ und „Einschätzung der Sinn­ haftigkeit der Planung“ die vier Grundkategorien von Planertypen. Welche Heraus­ forderungen ergeben sich in Anbetracht der unterschiedlichen Planertypen für das Controlling? Aufgabe 2 Erläutern Sie die drei Planungsverfahren im Rahmen des operativen Controllings. Aufgabe 3 Erläutern Sie die beiden grundsätzlich unterschiedlichen Herangehensweisen im Rahmen der vergangenheitsbezogenen Abweichungsanalyse.

3 Ausgewählte Instrumente des operativen Controllings Operative Controllinginstrumente werden zielgerichtet zur Analyse und Beseitigung von Erfolgsengpässen, der kurzfristigen Umsetzung von Maßnahmen zur Erfolgsop­ timierung, zur Transformation strategischer Planungselemente in die operativen Pla­ nungsprozesse sowie zur Durchführung von Soll-Ist-Vergleichen eingesetzt.

3.1 Operative Planungsinstrumente Die Instrumente des operativen Controllings sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Messungen betrieblicher Sachverhalte für einen eng umrissenen Zeitraum bewerk­ stelligen sollen (kurzfristiger Zeithorizont). Oftmals handelt es sich um quantitati­ ve Verfahren, die die leistungswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Prozesse abbilden helfen. Im Bereich des operativen Controllings geht man davon aus, dass die Ressourcen und die jeweiligen Kapazitäten weitgehend als konstant angenommen werden können. Der zentrale Fokus liegt auf der finanziellen Analyse des Betriebsge­ schehens, wobei hier ein direkter Zusammenhang zwischen der Realgüter- und der Nominalgüterebene existiert (vgl. hierzu auch Teil B, Kapitel 2.2.2). Die Instrumente des operativen Controllings dienen nicht primär dazu, eine Perspektivenorientierung für das Unternehmen zu bieten; sie sollen v. a. die Überprüfung der Erreichung vorge­ gebener Ziele, die Wirksamkeitsmessung operativer Maßnahmen und das frühzeitige Aufzeigen von Abweichungen ermöglichen (siehe Abbildung B3.1).

https://doi.org/10.1515/9783110439793-009

3 Ausgewählte Instrumente des operativen Controllings

|

141

Controllinginstrumente

Nutzung durch die Unternehmensführung

Instrumente für die Systemplanung und -steuerung

Prognoserechnungen (z. B. Plankostenrechnung)

Instrumente für das Projektmanagement

Entscheidungsrechnungen (z. B. Teilkostenrechnung)

Nutzung durch das Controlling

Instrumente für das Management von Koordinationsprozessen

Koordinationsrechnungen (z. B. Budgetierungen)

Instrumente für die problemspezifische Informationsversorgung

Kontrollrechnungen (z. B. traditionelle Kostenrechnungen)

Abb. B3.1: Klassifikation der Instrumente des Controllings (in Anlehnung an Friedl 2013: 93).

Die operative Planung wird durch unterschiedliche Instrumente unterstützt. Diese lassen sich in ihrer Anwendung den einzelnen Planungsphasen zuordnen. An die­ ser Stelle soll exemplarisch auf Instrumente für sichere Erwartungen – nämlich auf die Kostenvergleichsrechnung und auf das Scoring-Modell in Form der Nutzwertana­ lyse – eingegangen werden.

3.1.1 Kostenvergleichsrechnung Kostenvergleichsrechnungen sind statische Verfahren im Rahmen der Wirtschaftlich­ keitsrechnungen. Sie untersuchen einzelne oder mehrere Investitionsobjekte auf ihre Kostenwirksamkeit hin. Sie werden generell den Investitionsrechnungen zugeordnet. Die Gegenstände der Kostenvergleichsrechnungen können zum einen Erweiterungs­ investitionsobjekte, zum anderen auch Ersatzinvestitionsobjekte sein. In Entschei­ dungssituationen sind Kostenvergleichsrechnungen dann anzuwenden, wenn fol­ gende Voraussetzungen gegeben sind (vgl. Huch et al. 2004: 112f und 131f): – Die Handlungsalternativen rufen ausschließlich und direkt Kosten hervor und wirken so auf das Erfolgsziel eines Unternehmens. – Die Handlungsalternativen rufen keine langfristig wirksamen Änderungen bei den Kapazitätsverfügbarkeiten hervor.

142 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente



Die im Bereich des Entscheidungsfelds notwendigen Informationen sind mit hin­ reichender Sicherheit ermittelbar bzw. vorhanden.

Wenn also die Handlungsalternativen ausschließlich Kostenwirkungen beinhalten, zudem eine Entscheidung im Rahmen fixer Kapazitäten zu treffen ist, und die Infor­ mationsbasis als hinreichend sicher gilt, dann können Kostenvergleichsrechnungen eingesetzt werden. Beispiele hierfür sind Losgrößenplanungen, die Verfahrenswahl in der Fertigung oder die Wahl zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug. Die Kostenmi­ nimierung ist hierbei das vorrangige Ziel. Dabei bleiben qualitative Größen außerhalb der Betrachtung, weil sie in ihrer quantitativen Erfassung zumindest mit Problemen behaftet sind. Die Anwendbarkeit der Kostenvergleichsrechnungen ist durch die eng gefassten Prämissen im Rahmen der operativen Planung in erheblichem Maße einge­ schränkt. Die wichtigsten zur Anwendung kommenden Prinzipien sind die Entscheidungs­ relevanz der einzubeziehenden Kosten und die Beachtung von Engpässen bei der Ent­ scheidung über die Vergabe von knappen Kapazitäten. Letztlich sind für die zu tref­ fende Entscheidung nur die Kosten relevant, die sich eben durch diese Entscheidung verändern würden bzw. sich überhaupt verändern lassen. Als relevante Kosten sind hier zu berücksichtigen (vgl. Fischer et al. 2015: 18; vgl. auch Coenenberg et al. 2016a: 74f und 90ff): – im Bereich der Betriebskosten die Personalkosten, Materialkosten, Instand­ haltungs- und Reparaturkosten, die Raumkosten und die Energiekosten; die Betriebskosten zeichnen sich dadurch aus, dass sie teilweise variablen Charakter (wie z. B. Materialkosten), teilweise auch fixen Charakter (wie z. B. Personalkos­ ten) besitzen. – im Bereich der Kapitalkosten die kalkulatorischen Abschreibungen (auf Basis ei­ ner linearen Wertminderung) sowie die kalkulatorischen Zinsen für das durch­ schnittlich gebundene Kapital (auf Basis einer Durchschnittswertverzinsung); die Kapitalkosten werden üblicherweise als rein fixe Kosten interpretiert. Für die Beurteilung der Handlungsalternativen werden jeweils die durchschnittli­ chen Kosten während der geschätzten Nutzungsperiode (Planungsperiode) als Ver­ gleichsbasis herangezogen (vgl. Jung 2014a: 114). Angenommen wird hierbei, dass sich die betriebliche Erlössituation durch die Wahl einer zielrelevanten Handlungs­ alternative nicht verändert. Die Kostenvergleichsrechnung wird insbesondere zur Be­ wertung von Handlungsalternativen im Investitionsbereich unter der Maßgabe eines relativ niedrig verfügbaren Investitionsbudgets eingesetzt. Die Handlungsalternative mit den niedrigsten durchschnittlichen Kosten ist als optimale Handlungsalternati­ ve auswählen, da sie den höchsten durchschnittlichen Periodenerfolg garantiert (vgl. Weber, Schäffer 2016: 322ff und 352f; vgl. kritisch hierzu Hoberg 2014a: 76). Folgendes Beispiel soll die Systematik der Kostenvergleichsrechnung verdeutli­ chen (Angaben in €):

3 Ausgewählte Instrumente des operativen Controllings

| 143

Bezeichnung

Investitionshandlungs­ alternative 1

Investitionshandlungs­ alternative 2

Anschaffungskosten

160.000

220.000

Restwert

0

0

Nutzungsdauer (= Planungsperioden)

4

4

Zinssatz (in %)

10

10

Anlagenkapazität (in LE)

50.000

50.000

Kapazitätsauslastung/Planungsperiode (in LE)

40.000

40.000

variable Stückkosten

6,60

7,40

sonstige fixe Kosten/ Planungsperiode

13.000

14.200

kalkulatorische Abschreibung

40.000

55.000

gebundenes Kapital

80.000

110.000

8.000

11.000

61.000

80.200

Summe variable Kosten

264.000

296.000

Summe der Gesamtkosten

325.000

376.200

kalkulatorische Zinsen Summe fixe Kosten

Der Berechnung liegen folgende Ermittlungsmethoden zugrunde: Gesamtkosten = Summe variable Kosten + Summe fixe Kosten Gesamtkosten = variable Betriebskosten + fixe Betriebskosten + (fixe) Kapitalkosten Gesamtkosten = Summe Betriebskosten + Summe Kapitalkosten Kapitalkosten = kalkulatorische Abschreibungen + kalkulatorische Zinsen kalkulatorische Abschreibungen = [Investition − Restwert] : Nutzungsdauer durchschnittliche Kapitalbindung = [Investition + Restwert] : 2 kalkulatorische Zinsen = durchschnittliche Kapitalbindung ⋅ Zinssatz In diesem Beispiel wäre die Investitionshandlungsalternative 1 aufgrund ihrer niedri­ geren durchschnittlichen Gesamtkosten die zu präferierende Handlungsalternative.

3.1.2 Nutzwertanalyse Die Nutzwertanalyse, auch bezeichnet als Punktverfahren oder auch Multifaktoren­ technik, ist ein analytisches Bewertungsverfahren, das vorrangig während der Pla­ nungsprozesse eingesetzt wird. Die Nutzwertanalyse kann in die Kategorie der soge­ nannten Scoring-Verfahren einsortiert werden (siehe auch Hoffmeister 2008: 276ff). Ausgehend von vorgegebenen Zielsetzungen sollen mehrere sich gegenseitig aus­ schließende Handlungsalternativen auf Basis umfangreicher Bewertungskriterien bezüglich ihrer Zielerreichungen in eine Rangordnung der Vorzugswürdigkeit ge­ bracht werden (vgl. Eschenbach, Siller 2011: 112ff; vgl. auch Jung 2014a: 136ff, Wall 1999: 191ff).

144 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Der Vorteil der Nutzwertanalyse gegenüber anderen Entscheidungsverfahren liegt im Wesentlichen darin, dass im Rahmen dieses Verfahrens nicht nur quantifizierbare Größen, sondern auch nicht quantifizierbare Größen berücksichtigt werden können. Dieser Sachverhalt ist insofern relevant, als dass nicht alle Handlungskonsequenzen der in einer Entscheidungssituation vorhandenen zielrelevanten Handlungsalterna­ tiven z. B. in quantitativen monetären Größen (oder in einer anderen Quantifizie­ rungsdimension) dargestellt werden können. Die Nutzwertanalyse kann daher als ein Verfahren zur Analyse einer Menge komplexer Handlungsalternativen angesehen werden, die den Zweck verfolgt, die Elemente dieser Menge entsprechend dem Prä­ ferenzsystem des Entscheidungsträgers hinsichtlich eines vorliegenden mehrdimen­ sionalen Zielsystems in eine Rangordnung zu überführen (vgl. Zangemeister 1970: 45; vgl. auch Leist 1989: 1259ff und Bechmann 1978: 26ff). Wesentliche Voraussetzung für die Durchführung einer Nutzwertanalyse ist, dass sich die Anzahl (Menge) der zielrelevanten Handlungsalternativen aus der Festlegung der Ziele durch den Ent­ scheidungsträger ergibt. Die Menge zielrelevanter Handlungsalternativen bezeichnet man auch als Aktionsraum. Es gibt unterschiedliche Darstellungs- und Variationsmöglichkeiten für die Durchführung einer Nutzwertanalyse. Allen Darstellungsformen sind jedoch die formalisierten Schritte zur Durchführung einer Nutzwertanalyse gemeinsam (siehe Abbildung B3.2). 1

Situationsanalyse

2

3

Teilziele festlegen

Gewichtungsfaktoren der Teilziele

Oberziel definieren

4

Bewertungsskala (B)

bewerteter Zielerreichungsgrad

10: sehr gut 6: gut 3: befriedigend

Handlungsalternativen a1 Gewich- PunktTeilziel tung (K) wert (B) B × K B11 B11 × k 1 g1 k1 B12 B12 × k 2 g2 k2

0: ungünstig

a2

an

Punktwert (B) B × K B21 B21 × k 1 B22 B22 × k 2

Punktwert (B) B × K Bn1 Bn1 × k 1 Bn2 Bn2 × k 2

g3

k3

B13

B13 × k 3 B23

B23 × k 3 Bn3

Bn3 × k 3

g4

k4

B14

B14 × k4 B24

B24 × k4 Bn4

Bn4 × k4

g5

k5

B15

B15 × k 5 B25

B25 × k 5 Bn5

Bn5 × k 5

U(a1)

U(a2)

U(an)

Gesamtnutzen ∑ φ (ai)

5 Teilnutzen bestimmen

6 Gesamtnutzen ermitteln

Abb. B3.2: Schritte der Nutzwertanalyse (in Anlehnung an Lorson et al. 2013: 301f; Jung 2014a: 136ff).

3 Ausgewählte Instrumente des operativen Controllings















|

145

Schritt 1: Situationsanalyse (Oberzielfestlegung). Die Nutzwertanalyse beginnt mit einer Situationsanalyse, die den Zweck verfolgt, ein Oberziel (z. B. Beschaf­ fung einer Fertigungsanlage) in einer Entscheidungssituation festzulegen. Schritt 2: Festlegung abgeleiteter Teilziele. Zur Präzisierung dieses Oberziels wird eine Festlegung abgeleiteter Teilziele (z. B. Anschaffungskosten, Wartungsinten­ sität, Energiekosten, Fertigungskapazität etc.) vorgenommen. Schritt 3: Festlegung der Gewichtungsfaktoren der Teilziele. Anschließend wird eine Gewichtung der Teilziele hinsichtlich ihrer Bedeutung aus Sicht des Ent­ scheidungsträgers durchgeführt. Eine Normierung der Zielgewichtung auf 1 bzw. 100 dient einzig der vereinfachten Handhabung und Übersichtlichkeit, sie stellt aber keine allgemeine verbindliche Verfahrensvorschrift dar. Schritt 4: Ermittlung des bewerteten Zielerreichungsgrads. Anhand einer Be­ wertungsskala werden den Handlungsalternativen hinsichtlich der gemessenen Zielerreichungsgrade Punktwerte zugeordnet. Die Bewertungsskala sollte aus Verfahrensvereinfachungsgründen ebenfalls normiert sein. Üblicherweise wird eine Skala von 0 bis 10 zugrunde gelegt. Die Bewertungsskala entspricht an dieser Stelle einer Höhenpräferenz in Form einer Extremierungsvorschrift, sodass die di­ mensionsbehafteten Handlungskonsequenzen (Zeit-, Geld-, Gewichts-, Mengen-, Längeneinheiten etc.) in dimensionsbereinigte (Teil-)Nutzwerte transformiert werden. Diese Anwendung der Höhenpräferenz ist notwendig, um entsprechend einer Amalgamationsregel (Verschmelzungsregel) die Zusammenfassung der Teil­ nutzenwerte zu einem Gesamtnutzenwert einer jeden Handlungsalternative zu ermöglichen. Schritt 5: Bestimmung der Teilnutzenwerte. Durch die Multiplikation der Punkt­ werte mit den zugeordneten Gewichtungsfaktoren ergeben sich für die jeweiligen Handlungsalternativen bezüglich der Teilziele die sogenannten Teilnutzenwerte. Schritt 6: Aggregation der Teilnutzenwerte zum (Gesamt-)Nutzenwert. Durch die Aggregation (z. B. durch Addition) der Teilnutzenwerte einer jeden Handlungsal­ ternative ergibt sich deren Gesamtnutzenwert. Schritt 7: Festlegung der Vorzugswürdigkeit der Handlungsalternativen (Rang­ ordnung). Anhand einer Handlungsmaxime zur Festlegung der Vorzugswürdig­ keit kann abschließend eine Rangordnung der Handlungsalternativen erstellt werden (vgl. hierzu insbesondere Hanusch 2011: 175f; siehe auch Herbig 2016: 12ff und Landauer 1996: 330ff).

Die Handlungsmaxime legt fest, nach welcher Präferenz die Höhe des Gesamtnut­ zenwerts zu einer eindeutigen Rangordnung der Vorzugswürdigkeit führen soll (z. B. „je höher, desto besser“, oder aber: „je niedriger, desto besser“). Diese Festlegung ist abhängig von den vom Entscheidungsträger festgelegten Zielgrößen (auch bezeichnet als Zielinhalte, Zielarten). So kann gemäß der verfolgten Zielsetzung (Angabe der Ziel­ größe mit entsprechender Präferenz der Höhe) der höchste Gesamtnutzenwert für die bestmögliche (optimale) Handlungsalternative stehen. Bei einer Zielgröße „Kosten“

146 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

wird die Präferenz darin liegen, dass niedrigere Kosten (i. d. R.) als besser eingestuft werden. Das Beispiel zur Beschaffung einer Fertigungsanlage in Abbildung B3.3 soll die Vorgehensweise und die Ermittlung der bestmöglichen (optimalen) Handlungsalter­ native im Rahmen einer Nutzwertanalyse noch einmal verdeutlichen. 1

Situationsanalyse

2

Oberziel definieren (Erwerb einer neuen Fertigungsanlage)

3

Teilziele festlegen

Gewichtungsfaktoren der Teilziele

4

Bewertungsskala (B)

bewerteter Zielerreichungsgrad

10: sehr gut 6: gut 3: befriedigend

Handlungsalternativen a1 Teilziel Anschaffungskosten Wartungsintensität Erweiterungsmöglichkeit Fertigungskapazität Ernergiekosten

Gewich- Punkttung (K) wert (B) B × K 0,9 3 30 %

Gesamtnutzen ∑ φ (ai)

0: ungünstig

a2

a3

Punktwert (B) 4

B×K 1,2

Punktwert (B) 8

B×K 2,4 5

10 %

5

0,5

5

0,5

2

0,2

15 %

8

1,2

2

0,3

2

0,3

25 %

9

2,25

4

1

2

0,5

20 %

1

0,2

10

2

7

1,4

Teilnutzen bestimmen

6 5,05

5,00

4,80

Gesamtnutzen ermitteln

bestmögliche (optimale) Handlungsalternative in dieser Entscheidungssituation: a1 Abb. B3.3: Exemplarische Nutzwertanalyse (eigene Darstellung).

3 Ausgewählte Instrumente des operativen Controllings

| 147

Die Rangordnung der Vorzugswürdigkeit würde in diesem Beispiel wie folgt festgelegt werden: – Rangplatz 1: Handlungsalternative a 1 – Rangplatz 2: Handlungsalternative a 2 – Rangplatz 3: Handlungsalternative a 3

3.2 Operative Kontrollinstrumente Die operativen Kontrollinstrumente dienen in erster Linie als Hilfsmittel zur Überprü­ fung der realisierten Ergebnisse im Rahmen der Planvorgaben. Die Feststellung von Abweichungen ist eine der elementaren Aufgaben der operativen Kontrolle. Die meis­ ten der operativen Kontrollinstrumente sind vergangenheitsorientiert, da sie schon realisierte Ergebnisse als Analysegegenstand haben. In diese Kategorie fällt auch die nachfolgend explizierte Abweichungsursachenanalyse. Das Instrument des Forecasts hingegen versucht, Planungsvorgaben auf die Zukunft, z. B. durch statistische Extra­ polation, zu übertragen.

3.2.1 Abweichungsursachenanalyse Festgestellten Abweichungen können unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen. Die Genauigkeit der Ursachenanalyse hängt maßgeblich mit der zur Verfügung ste­ henden Zeit zusammen. Da im operativen Bereich bereits nach einer relativ kurzen Zeitspanne bekannt sein sollte, weshalb es zu einer Abweichung gekommen ist, sind Ergebnisse von Abweichungsursachenanalysen nach mehr als 2 bis 3 Wochen für die Initiierung von Steuerungseingriffen meist als irrelevant einzustufen. Deshalb sind Abweichungsursachenanalysen mit einem sehr hohen zeitlichen Intensitätsgrad versehen. Je schneller die Ursachen von Abweichungen festgestellt werden können, desto präziser und schneller lassen sich diese durch Korrekturmaßnahmen bearbei­ ten. Prinzipiell lassen sich zwei Ursachenbereiche für Abweichungen identifizieren, nämlich die methodisch bedingten Abweichungen und die dispositiv bedingten Ab­ weichungen (siehe Abbildung B3.4).

148 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

Abweichungsursachen

methodisch bedingte Abweichungen

dispositiv bedingte Abweichungen

ungenaue Istwerte (Erfassungsfehler)

ungenaue Sollwerte (Planungsfehler)

menschliches Fehlverhalten

Unvollständigkeit

Unzulänglichkeiten im Planungsprozess

unklare oder unrealistische Zielvorgaben

Mehrfachzählungen

falsche Prognosen

notwendige Anpassungsmaßnahmen

Kompetenzenüberschreitungen

Übertragungsfehler

falsche Dispositionen

Mängel in der Datenaufbereitung

Versäumnisse

bewusste Manipulation

Abb. B3.4: Systematik der Abweichungsursachen bei Soll-Ist-Vergleichen (in Anlehnung an Lorson et al. 2013: 225).

Hinsichtlich der Kategorie der methodisch bedingten Abweichungen kann die Ab­ weichungsunterteilung verfeinert werden, indem man die beiden Ergebnisbereiche als Unterkategorien heranzieht: – Istwerte – Sollwerte So können z. B. bei den Istwerten Erfassungsfehler vorliegen, wie z. B. Übertragungs­ fehler (von einer Instanz zu einer anderen Instanz, z. B. durch flüchtige Weitergabe von falschen Werten). Diese können für eine Verfälschung der Ergebnisse verantwort­ lich sein. Bezüglich der Sollwerte handelt es sich hingegen in den meisten Fällen um sogenannte Planungsfehler. Bereits im Planungsprozess angelegte Unzulänglichkei­ ten können zu verfälschten bzw. ungenauen Sollwerten führen. Ebenfalls können Pro­ gnosen als Grundlage für die Bestimmung der Sollwerte fehlerbehaftet gewesen sein, sodass es auch hierdurch bereits im Planungsstadium zu ungenauen Sollwerten kom­ men kann.

3 Ausgewählte Instrumente des operativen Controllings

|

149

Die zweite Kategorie im Rahmen der Systematisierung der Abweichungsursachen umfasst die dispositiv bedingten Abweichungen, die – durch menschliches Fehlverhalten aufseiten der Entscheidungsträger sowie – durch das Auslassen notwendiger Anpassungsmaßnahmen hervorgerufen werden. Menschliches Fehlverhalten der Entscheidungsträger sind bei­ spielsweise unpräzise oder zu hoch angesetzte, unrealistische Zielvorgaben, zum an­ deren bewusstes Fehlverhalten (manipulatives Verhalten) oder unbewusstes Fehlver­ halten (Versäumnisse, falsche Dispositionen und Kompetenzüberschreitungen). Festgestellte Abweichungen lassen sich aber auch nach der Zuschreibung der Verantwortung systematisieren: – Verantwortbare Abweichungsursachen sind in den Ziel-, Planungs-, Umsetzungsund Messfehlerbereichen anzutreffen. – Nicht verantwortbare Abweichungsursachen liegen außerhalb einer mittel- und unmittelbaren Zuordnungsmöglichkeit. Sie sind häufig in Form von Störungen (z. B. technisch-bedingte Störungen, durch Lieferanten verursachte Materialver­ sorgungsengpässe etc.) festzustellen, die wiederum zu Ergebnisabweichungen führen (siehe Abbildung B3.5).

Abweichungen

zu verantwortende Abweichungen

nicht zu verantwortende Abweichungen

Zielfehler

Das Ziel war realistisch nicht erreichbar.

Planungsfehler

Nicht alle Bestimmungsfaktoren wurden berücksichtigt.

Schätzbzw. Rechenfehler

Umsetzungsfehler

Fehler in der Ausführung

falscher Sollwert

Messfehler

falscher Istwert

falsche Messung bzw. falsches Messverfahren

Abb. B3.5: Abweichungen nach Verantwortungsgesichtspunkten und Prozessursachen (in Anleh­ nung an Eschenbach, Siller 2011: 237).

Die Kenntnis der konkreten Abweichungsursache(n) ist Grundvoraussetzung für die Korrektur- bzw. für die Anpassungsentscheidungen (siehe hierzu Kapitel 1.2 in Teil F). Dies betrifft z. B. auch die Entscheidungen hinsichtlich der Gestaltung des Anreizsys­ tems (vgl. hierzu Kapitel 2.1 in Teil B).

150 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

3.2.2 Forecast-Ansatz Die zuvor erwähnten Vergleichsformen (siehe Abbildung B2.23) haben als zeitliche Bezugsebene überwiegend vergangenheitsbezogene Informationen; sie können dem­ zufolge nur Abweichungen aufdecken, die in der Vergangenheit aufgetreten sind. Jedoch sind Entscheidungen über Maßnahmen und Ressourceneinsätze weitestge­ hend irreversibel. Vor diesem Hintergrund kann der Forecast-Ansatz, der zukünftige Entwicklungen per statistischer Extrapolation der Daten aus der Vergangenheit einzu­ binden versucht, als Lösungsansatz zur Beseitigung der Nachteile der vergangenheits­ bezogenen Vergleichsformen interpretiert werden. Der Forecast (Vorschaurechnung, Erwartungsrechnung) als zukunftsorientiertes Abweichungsanalyseinstrument kann auch als aktualisierende Planung aufgefasst werden (siehe Abbildung B3.6).

Forecastzeitraum +

Forecastzeitpunkt 3 Plan Forecast



4

1

5

2

Abb. B3.6: Schrittweise Erarbeitung der Vorschaurechnung (des Forecasts) (in Anlehnung an Steinle, Bruch 1998: 373).

Eine aktualisierende Planung stellt dabei nicht nur eine einfache Fortschreibung der ermittelten Trends oder eine simple Prognose dar, die sich aus den ermittelten Ist­ werten ergibt. Die Basis für die zukunftsgerichtete Abweichungsanalyse (bestehend aus der Abweichungsanalyse und dem Forecast) sind die auf das angestrebte Ausmaß verdichteten (teilweise kumulierten) Plan-, Ist- und Abweichungsgrößen (siehe Tabel­ le B3.1): – Mithilfe dieser Größen lässt sich durch Fortschreibung (statistische Extrapolati­ on) eine Entwicklung aufzeigen, die zeigt, was passieren würde, wenn keine ge­ eigneten Maßnahmen zur Gegensteuerung getroffen werden würden. – Gleichzeitig lässt sich ermitteln, welche schon getroffenen Gegenmaßnahmen zur Verhinderung von Abweichungen Wirkung entfaltet haben – und in welchem Aus­ maß. Die zum Zeitpunkt des Aufstellens des Forecasts erkennbaren und zukünftig zu erwar­ tenden Abweichungsgründe werden somit feststellbar, sodass Maßnahmen für den

| 151

3 Ausgewählte Instrumente des operativen Controllings

Planungszeitraum zur Verringerung der Planwertabweichung initiiert werden kön­ nen. Die Zeiträume des Forecasts lassen sich wie folgt differenzieren: – monatlicher Forecast zum Jahresende, v. a. durchgeführt bei Kosten, Deckungs­ beiträgen, Cashflow, Absatzzahlen, Umsätzen und Bestandserfassungen – monatlich oder in anderen zeitlichen Abständen durchzuführender rollierender Forecast, der den Planungszeitraum von mehreren Monaten umfasst, v. a. im Be­ reich der detaillierten Teilpläne der Funktionsbereiche wie z. B. im Bereich der Produktionsplanung (vgl. Schöb 2015: 59) – Milestone-orientierter Forecast im Hinblick auf das zeitliche Ende von Projekten.

Tab. B3.1: Von der Abweichungsanalyse zur Erwartungsrechnung (in Anlehnung an Preiß­ ler 2014: 79). Zahlen des Unternehmens

Daten (in €) operativer Soll-Ist-Vergleich

Erwartungsrechnung

Plan

Abweichung

Soll

Ist

neuer Plan*

Erwartung

Absatz (LE) Umsatz Vertriebskosten Deckungsbeiträge Cashflow * nur in Ausnahmefällen, wenn Planungsprämissen entscheidend verändert und überholt sind

Der Forecast ist gleichermaßen auch als sogenanntes rollierendes Planungsverfah­ ren aufzufassen, das über die Planungsperiode (z. B. ein Geschäftsjahr) hinausgehen kann (vgl. hierzu Kapitel 2.2.1 in Teil B). In dieser Hinsicht entspricht der Forecast dem bereits erläuterten Soll-Wird-Vergleich (vgl. hierzu Kapitel 2.3 in Teil B). Die Gefahren einer Forecast-Planung bestehen einerseits darin, dass mit der statistischen Extrapo­ lation zukünftige Daten zu hoch angesetzt werden und somit eine Unerreichbarkeit der Plandaten hervorgerufen wird. Andererseits könnte die statistische Extrapolation auch dazu führen, dass die Ressourceneinsätze nur suboptimal gesteuert werden – z. B. mit der Wirkung einer zu hohen oder einer zu geringen Produktionsleistung (vgl. hierzu Kapitel 1.3 in Teil C).

152 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

3.3 Übungsaufgaben Aufgabe 1 Berechnen Sie im Rahmen einer Kostenvergleichsrechnung – die kalkulatorische Abschreibung, – das durchschnittlich gebundene Kapital, – die kalkulatorischen Zinsen, – die Summe fixer Kosten, – die Summe variabler Kosten, – die Summe der Gesamtkosten für die beiden nachfolgend aufgeführten Investitionshandlungsalternativen. Bezeichnung

Investitionshandlungs­ alternative 1

Investitionshandlungs­ alternative 2

Anschaffungskosten (€)

320.000

290.000

Restwert (€)

0

0

Nutzungsdauer (= Planungsperioden)

5

5

10

10

100.000

100.000

80.000

80.000

Zinssatz (in %) Anlagenkapazität (in LE) Kapazitätsauslastung/Planungsperiode (in LE) variable Stückkosten (€) sonstige fixe Kosten/Planungsperiode (€)

4,50 26.000

5,40 28.200

kalkulatorische Abschreibung gebundenes Kapital kalkulatorische Zinsen Summe fixe Kosten Summe variable Kosten Summe der Gesamtkosten

Aufgabe 2 Würde sich die in Aufgabe 1 zu präferierende Handlungsalternative ändern, wenn a. bei der Investitionshandlungsalternative 1 aufgrund der voraussichtlichen Liqui­ dation am Ende der Nutzungsdauer ein Restwert in Höhe von 60.000 € unterstellt werden kann (unter Annahme ansonsten gleicher Bedingungen)? b. bei der Investitionshandlungsalternative 2 aufgrund der voraussichtlichen Liqui­ dation am Ende der Nutzungsdauer ein Restwert in Höhe von 60.000 € unterstellt werden kann (unter Annahme ansonsten gleicher Bedingungen)? c. beide Fälle a. und b. gleichzeitig zu unterstellen wären (unter Annahme ansons­ ten gleicher Bedingungen)?

3 Ausgewählte Instrumente des operativen Controllings

| 153

d. bei der Investitionshandlungsalternative 2 aufgrund der Gewinnung eines neu­ en Materiallieferanten variable Stückkosten in Höhe von 4,65 €/LE angenommen werden dürfen und zudem am Ende der Nutzungsdauer der Restwert in Höhe von 60.000 € unterstellt werden kann (unter Annahme ansonsten gleicher Bedingun­ gen)?

Aufgabe 3 Überlegen Sie auf Basis der Daten in Aufgabe 1, bei welcher Kapazitätsauslastung in der Planperiode sich ein Vorteilhaftigkeitswechsel bezüglich der zu präferierenden Handlungsalternative einstellen würde. Gehen Sie bei Ihren Überlegungen von linea­ ren Kostenfunktionen (Reagibilitätsgrad 1) der beiden Investitionsalternativen mit ab­ solut-fixen Kosten aus (siehe hierzu Teil A, Kapitel 3.2.2). Aufgabe 4 Berechnen Sie im Rahmen der nachfolgenden Nutzwertanalyse die Teilnutzenwerte und die Gesamtnutzenwerte der einzelnen Handlungsalternativen. Ermitteln Sie die bestmögliche (optimale) Handlungsalternative durch Aufstellen einer Rangordnung der Vorzugswürdigkeit. Teilziele

Gewich­ tung (K)

Handlungsalternativen (alternative Gabelstapler) a1 Punkt­ wert (B)

Anschaffungskosten Wartungsintensität Tragfähigkeit Batteriekapazität Hubhöhe

40 % 8% 20 % 12 % 20 %

7 1 1 2 4

a2 B⋅K

Punkt­ wert (B) 8 8 2 3 1

a3 B⋅K

Punkt­ wert (B)

B⋅K

5 7 9 3 6

Gesamtnutzen ∑ ϕ(a i )

Bestmögliche (optimale) Handlungsalternative in dieser Entscheidungssituation: Rangordnung der Vorzugswürdigkeit: 1. Rangplatz: 2. Rangplatz: 3. Rangplatz:

Aufgabe 5 Die Cycle GmbH mit Sitz in Hamburg ist ein international agierender Hersteller qualitativ hochwertiger Teile für den Maschinen- und Fahrzeugbau (wie z. B. Getrie­ beteile, Wellen, Zahnräder usw.). Schon seit einigen Monaten erfüllt die Strimberg­

154 | Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente

stahl GmbH, ebenfalls in Hamburg ansässig, als Stammlieferant für den Chrom-Vana­ dium-legierten Vergütungsstahl nach DIN EN 10083 (internationale Bezeichnung: AFNOR: 50CrV4, 51CV4) die Produktqualitätsanforderungen nicht mehr normgerecht. Dies nahm die Geschäftsleitung der Cycle GmbH zum Anlass einer Neuausrich­ tung des bisherigen Sourcing-Konzepts: Zukünftig soll auf ein Global-Sourcing-Kon­ zept umgestellt werden, aber weiterhin auf Basis nur einer Bezugsquelle (SingleSourcing-Ansatz). Von diesem Strategiewechsel verspricht sich die Geschäftsleitung generell die Option, mögliche Kostensenkungspotenziale durch die Beschaffung in sogenannten Low-Cost-Countrys ausschöpfen zu können. Als Ergebnis einer ersten Analyse des weltweiten Beschaffungsmarkts für den Chrom-Vanadium-legierten Vergütungsstahl wurden drei internationale Beschaf­ fungsalternativen (Lieferanten) herausgefiltert: 1. Lieferant 1 mit Werkssitz in den Vereinigten Staaten von Amerika (Norfolk in Vir­ ginia – Ostküste), 2. Lieferant 2 mit Werkssitz in der Volksrepublik China (Hafenstadt Qingdao) 3. Lieferant 3 mit Werkssitz in Irland (Dublin). Alle drei potenziellen Lieferanten können die Produktqualitätsanforderungen gemäß DIN EN 10083 erfüllen, sodass Differenzen bei der Produktqualität (zunächst) ausge­ schlossen werden können. Zur weiteren Analyse der Beschaffungsalternativen werden dem Beschaffungscontrolling der Cycle GmbH als Auswahlkriterien vorgeschlagen: – der Materialeinstandspreis (je niedriger, desto besser) – die Transportkosten (je niedriger, desto besser) – die Kapitalbindungskosten für den zu bevorratenden Material-Lagerbestand (je niedriger, desto besser) – das Wechselkursänderungsrisiko (je niedriger, desto besser) Ermitteln Sie aus Sicht der Cycle GmbH mittels einer Nutzwertanalyse den bestmögli­ chen (optimalen) Lieferanten: a. Nehmen Sie die Gewichtungen der Teilziele und die Punktbewertungen der Be­ schaffungsalternativen nach eigenem Ermessen vor. Achten Sie hierbei auf sach­ logische Konsistenz, Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit Ihrer Bewertungen. Begründen Sie die Bewertungen der Beschaffungsalternativen. b. Nehmen Sie eine kritische Reflexion der Aussagekraft Ihrer Nutzwertanalyse vor.

Zusammenfassung Dem operativen Controlling obliegt die zentrale Aufgabe, Ziel- und Planvorgaben hin­ sichtlich ihrer Erfüllungsgrade zu kontrollieren. Gleichzeitig liegt eine der wesent­ lichen Aufgaben des operativen Controllings darin, die Entscheidungsinstanzen auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen des Unternehmens im Bereich der kurzfris­ tigen Planung, Steuerung und Kontrolle zu unterstützen. Hierzu steht dem operativen Controlling eine vielfältige Anzahl von Instrumen­ ten und Methoden zur Verfügung. Controlling im Allgemeinen wie auch das operati­ ve Controlling im Speziellen können als kybernetische Systeme der Regelung und Steuerung aufgefasst werden. Die Grundidee, die sich hinter diesem Ansatz verbirgt, ist, dass sich Unternehmen auch als ein System vernetzter Regelkreise interpretieren lassen. Im Bereich des operativen Controllings bedeutet dies, dass die operative Pla­ nung sich mit den Zielen und Prämissen der Betriebsprozesse auf unterschiedlichen Ebenen befasst. Hieraus ergibt sich dann die Planerstellung, die wiederum durch die zuständigen und verantwortlichen Entscheidungsträger genehmigt werden müssen. Die Ausführung dieser entwickelten operativen Pläne bezeichnet man als Realisati­ onsphase. Durch Soll-Ist-Vergleiche wird eine regelmäßige Kontrolle der Zielerreichung durchgeführt. Die Ergebnisse des Vergleichs können in einer vergangenheitsbezo­ genen Abweichungsanalyse oder in einer zukunftsbezogenen Vorschaurechnung hinsichtlich der Analyse der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge münden. Diese In­ formationen werden durch unterschiedliche Berichte an die zuständigen und ver­ antwortlichen Entscheidungsträger übermittelt, die gegebenenfalls Korrekturmaß­ nahmen im operativen Bereich initiieren. Bei schwerwiegenden und nachhaltigen Störungen wären die übergeordneten Entscheidungsinstanzen hinsichtlich der Not­ wendigkeit zur Durchführung von Anpassungsentscheidungen zu informieren. Die Anreizwirkungen und die Ansätze zur Steuerung des Verhaltens (in operati­ ver Perspektive) von Entscheidungsträgern und Mitarbeitern im Ausführungsbereich sind durch vielfältige nicht monetäre und monetäre Belohnungen gekennzeichnet. Operative Planung hat den Schwerpunkt planerischer Aktivitäten im Bereich der For­ malzielplanung, die allerdings ohne die simultane Planung der Sachziele (im Wesent­ lichen in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen) nicht auskommen kann. Die operative Kontrolle ist verantwortlich für die Überprüfung der Ergebnisse. Hierfür werden unterschiedliche kennzahlenbasierte Vergleichsformen herangezo­ gen. Die Unterstützung der Entscheidungsinstanzen wird v. a. durch den Einsatz von Entscheidungsverfahren (z. B. Kostenvergleichsrechnung, Nutzwertanalyse etc.) gewährleistet. Der elementare Bereich der Analyse der Ursachen von Abweichungen liefert den verantwortlichen Entscheidungsinstanzen hilfreiche Informationen, um retrospektiv wie auch prospektiv Entscheidungen hinsichtlich der eingetretenen bzw. zu erwartenden Handlungskonsequenzen beurteilen zu können. https://doi.org/10.1515/9783110439793-010

| Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Einleitung Die Budgetierung ist eines der bedeutendsten Mittel, um Organisationen dezentral zu steuern. Die Budgetierung umfasst einen komplexen Prozess, der von der Budgeter­ stellung über die Budgetabstimmung und -verabschiedung bis hin zur Budgetkontrol­ le mithilfe von Kennzahlen reicht. Die Budgeterstellung als eine Funktion der Budge­ tierung dient im Wesentlichen der operativen Umsetzung von strategischen Plänen. Durch die Vorgabe von Zielen, z. B. hinsichtlich der Leistungen und der Kosten, kön­ nen sich Steuergrößen und damit Verantwortlichkeiten entwickeln. Budgets sollen v. a. Entscheidungsrechte festlegen und das Verhalten der Budgetverantwortlichen lenken. Die Budgetierung wird unterschieden in vielerlei Ausführungen und Arten. Grundlegend kann zwischen der strategischen und der operativen Budgetierung, oder auch zwischen der konventionellen Budgetierung und der modernen Budgetierung unterschieden werden. Beide Differenzierungen beruhen allerdings auf wenig trenn­ scharfen Systematisierungskriterien. Im Bereich der operativ ausgerichteten Budge­ tierung lässt sich mittels der zu budgetierenden Unternehmenseinheiten eine klarere Unterscheidung zwischen traditioneller und prozessorientierter Budgetierung generieren: Während in der prozessorientierten Budgetierung die Prozesse den zen­ tralen Budgetfokus bilden, ist die traditionelle Budgetierung auf die Budgeterstellung und -kontrolle von Unternehmensbereichen, Abteilungen und Abteilungsbereichen fokussiert. Besondere Bedeutung besitzt hier die Kostenstelle als Budgetierungsein­ heit, weil sie eine direkte Verbindung der Budgetrechnung mit den Systemen der internen Unternehmensrechnung einräumt, insbesondere mit ausgewählten Kosten­ rechnungssystemen. In Teil C werden die Erstellung der Budgets und die Mechanismen der Budget­ kontrolle in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt. Hinsichtlich der Budgeter­ stellung kann grundsätzlich zwischen problem- und verfahrensorientierten Techni­ ken unterschieden werden (siehe Teil C, Kapitel 2). Hiervon ausgehend werden die Ansätze der Budgetkontrolle und die Mechanismen der Abweichungsanalyse erörtert (siehe Teil C, Kapitel 3), wobei die kostenstellenbezogene Abweichungsanalyse auf­ grund ihrer verhaltenssteuernden Wirkung besonderen Stellenwert genießt. Auf der Basis der zentralen Probleme traditioneller Budgetierung werden schließlich ausführ­ lich die Mechanismen sowie die Chancen und Risiken einer Prozessorientierung ver­ deutlicht (siehe Teil C, Kapitel 4). Nach Bearbeitung von Teil C „Operative Planung und Budgetierung“ – sollten Sie die Budgetierung und das Budget mit den wesentlichen verhaltenssteuernden Aspek­ ten rekonstruieren, die Einsatzbedingungen der problem- im Vergleich zur verfahrensorientier­ ten Budgeterstellung erläutern und die Systeme der Plankostenrechnung als rechentechnische Grundlagen der problemorientierten Budgeterstellung unterscheiden können.

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160 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung









sollten Sie grundlegende Problembereiche einer inputorientierten Budgeterstellung erkennen und die Verbesserungsvorschläge zur fortschreibenden Budgeterstellung kritisch reflektieren können. Darüber hinaus können Sie die wichtigsten methodischen Defizite der problemorientier­ ten Budgeterstellung, insbesondere das der Fixkostenproportionalisierung, veranschaulichen. sollten Sie die Systematik der Abweichungsanalyse charakterisieren und die Bedeutung des Be­ zugssystems für eine Abweichungsanalyse hervorheben können. Darüber hinaus können Sie ei­ ne Abweichungsanalyse in Bezug auf eine Kostenstelle durchführen, und die Analyseergebnisse kritisch beurteilen. Mithilfe der Plankostenrechnungssysteme können Sie festgestellte Budget­ abweichungen in Einzelabweichungen differenzieren. sollten Sie eine prozessorientierte Perspektive auf das Unternehmen entwickeln, eine Tätigkeitsund Bezugsgrößenanalyse durchführen sowie Teilprozess- und Hauptprozesskostensätze gene­ rieren können. Diese Kostensätze können Sie zwecks kostenstellenbezogener Budgetkontrolle von verfahrensorientiert ermittelten Budgets verwenden und Einsparpotenziale bei den Gemein­ kosten identifizieren. sollten Sie die wesentlichen Unterschiede und Verbindungen zwischen prozessorientierter und traditioneller Budgetierung erkennen können. Darüber hinaus können Sie die Einsatzbedingun­ gen sowie die Chancen und Risiken einer prozessorientierten Budgetierung im Vergleich zu den inputorientierten Verfahren kritisch beurteilen.

1 Grundlagen der operativen Budgetierung Der Begriff „Budget“ lässt sich etymologisch auf das altfranzösische Wort bougette (Escoffier 2000: 85) zurückführen, das sich mit „kleine Geldbörse“ übersetzen lässt (vgl. Weber 2005: 218, hier mit direktem Bezug zu Bernard Escoffier). Hieraus lässt sich laut Weber in Bezug auf Budget und Budgetierung die Erkenntnis ableiten, dass die Größenangabe der Geldbörse auf einen fundamentalen Sachverhalt der Budgetierung hinweist: auf den Umgang mit knappen bzw. begrenzten Mitteln in Entscheidungs­ situationen. Der zur Verfügung stehende Mittelvorrat (bestehend aus Einsatzmenge, Einsatzmöglichkeiten und Restriktionen, z. B. in Form von Nebenbedingungen) be­ grenzt hierbei die Anzahl der zielrelevanten Handlungsalternativen (Aktionsraum).

1.1 Das Budget – Begriff und Charakteristika Budgets sind prinzipiell als begrenzte Mittelzuweisungen interpretierbar (vgl. We­ ber 2005: 218). In der Literatur finden sich unterschiedliche Auslegungen des Begriffs „Budget“: – Einerseits wird die Auffassung vertreten, dass unter einem Budget die Gegenüber­ stellung von Einnahmen und Ausgaben im Sinne eines Finanzplans oder Etats zu verstehen ist (vgl. Heinen 1981: 869ff). – Andererseits wird von einem deutlich umfassenderen Verständnis des Begriffs „Budget“ ausgegangen: Man versteht darunter alles, was sich im Lebensgang ei­ nes Unternehmen in Zahlen fassen lässt (vgl. exemplarisch Amann, Petzold 2014: 142ff). Letztgenannte Auffassungen stellen auf die wesentlichste Eigenschaft von Budgets ab, nämlich auf ihren Bezug zur Zukunft. Hiermit ist das Budget unverkennbar mit dem Budgetplan verbunden. In der Literatur werden diese beiden Begriffe häufig auch syn­ onym verwendet. Im Unterschied zum Begriff der operativen Planung (und der sich hieraus ergebenden Teilpläne), bei der konkrete, abgeleitete Maßnahmen- und Akti­ onspläne entwickelt werden sollen, handelt es sich beim Budget um ein aus der ope­ rativen Planung resultierendes Planungsergebnis. Dieses wird Organisationseinhei­ ten (Entscheidungseinheiten) als wertmäßige (monetäre) Richtgröße (v. a. in Form von Kostengrößen) mit einer vereinbarten Bandbreite für eine Planungsperiode vorgege­ ben (vgl. Heuer 2011: 218f; vgl. Troßmann 2018: 197ff). Mithilfe dieser wertmäßigen Richtgrößen sollen die Entscheidungseinheiten für ihren Zuständigkeitsbereich kon­ krete input- und outputorientierte Maßnahmen zur Realisierung angestrebter, vorge­ gebener Ziele entwickeln und umsetzen. Ein Budget kann somit als quantitatives Ergebnis operativer Handlungsplanun­ gen (Maßnahmen- und Ressourcenpläne) angesehen werden (vgl. Rickards 2007: 53). https://doi.org/10.1515/9783110439793-012

162 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Als grundlegende inhaltliche Bestimmung des Begriffs Budget hat sich die Definiti­ on von Horváth etabliert: „Ein Budget ist für uns ein formalzielorientierter, in wert­ mäßigen Größen formulierter Plan, der einer Entscheidungseinheit für eine bestimm­ te Zeitperiode mit einem bestimmten Verbindlichkeitsgrad vorgegeben wird. Budgets gibt es somit auf allen Planungsstufen und für alle Planungstätigkeiten.“ (Horváth et al. 2015: 120) Heinen bezeichnet im Rahmen der Finanzplanung von Unternehmen Budgets als „Vorgabe kapitalwirtschaftlicher Prognosewerte“ (Heinen 1981: 870) zur Entscheidungskoordination der verantwortlichen hierarchischen Stellen (Entschei­ dungseinheiten). Er weist damit auf den zentralen organisatorischen Aspekt der Ko­ ordinationsnotwendigkeit hin. Wesentlicher Zweck der Entwicklung und Aufstellung von Budgets in Unternehmen liegt in der Steuerung von Entscheidungseinheiten. Budgets sind durch drei grundlegende Charakteristika gekennzeichnet (vgl. Troßmann 2018: 201ff): 1. Zunächst determiniert der Sachinhalt die jeweilige Budgetart, d. h., je nach sach­ lichem Bezugsrahmen (Bereichs-, Funktions-, Projektbudgets) sind die Budgets zweckgebunden und schränken damit die Entscheidungsspielräume der Ent­ scheidungseinheiten (Handlungsrestriktionen) ein. 2. Weiterhin sind Budgets an Gültigkeitszeiträume gebunden. Hiermit ist die Zeit­ spanne gemeint, für die ein Budget einer Entscheidungseinheit überantwortet wird. Als zeitliche Bezugsgröße wird im Rahmen der operativen Planung i. d. R. ein Geschäftsjahr unterstellt. Diese Festlegung der Gültigkeit von Budgets für ei­ nen vorher festgelegten Zeitraum schränkt ebenfalls die Entscheidungsspielräu­ me der Entscheidungseinheiten ein, sodass am Ende des Budgetzeitraums mithil­ fe von Abweichungsanalysen eine Budgetkontrolle vorgenommen werden kann. 3. Als drittes Charakteristikum lässt sich die organisatorische Zuordnung von Bud­ gets anführen. Während in der operativen Planung bei der Aufstellung von (Teil-)Plänen die Zuständigkeiten unterschiedlich verteilt sein können, wird ein Budget definitionskonsequent einer einzigen Entscheidungseinheit (Organisati­ onseinheit) zugewiesen. Insgesamt lässt sich ein Budget als formale Größe inhaltlicher, zeitlicher und orga­ nisatorischer Art umschreiben. Ihrem Charakter nach lassen sich Budgets prinzipi­ ell auch als Kennzahlen interpretieren, also als Größen, die betriebliche Sachverhal­ te in verdichteter Form quantitativ abbilden. Bei detaillierterer Betrachtung lassen sich Budgets zunächst in monetäre und nicht monetäre unterscheiden. Bei monetä­ ren Budgets geht man von den erwarteten Umsatz- und Kostenauswirkungen aus. Bei den nicht monetären bzw. physischen Budgets wird die Menge von Sachgütern (Ma­ schinen, Rohstoffe) oder auch die Anzahl der Mitarbeiter festgelegt. Weitere Möglich­ keiten der Differenzierung der Budgets orientieren sich an folgenden vier Kriterien (vgl. Jung 2014a: 384f): 1. Umfang der Wertvorgaben 2. Art der Entscheidungseinheit

1 Grundlagen der operativen Budgetierung | 163

3. 4.

Geltungsdauer des Budgets Verbindlichkeitsgrad des Budgets

Differenziert man die Budgets nach dem Umfang der Wertvorgaben, kann zwischen Budgets auf Vollkosten- und auf Teilkostenbasis unterschieden werden. Im Rahmen der Budgetierung auf Vollkostenbasis werden Vollkostenwerte vorgegeben, während bei der auf Teilkostenbasis nur die variablen Kosten vorgegeben und die Fixkosten „an der budgetierten Einheit vorbei“ in die Erfolgsrechnung übernommen werden. Da in den Vollkostenwerten auch Gemeinkosten enthalten sind, bedarf es zentraler Bezugs­ größen, die für die Gemeinkostenbemessung herangezogen werden können; eine Ein­ wirkungsmöglichkeit der Entscheidungsträger auf diese Bezugsgrößen besteht i. d. R. jedoch nur in begrenztem Maße. Andererseits sind Vollkostenwerte für die Bestands­ bewertung und für die Kalkulation unabdingbar (vgl. Schweitzer et al. 2016: 691ff). Eine Differenzierung der Budgets nach den Entscheidungseinheiten entspricht dem Systematisierungsversuch anhand organisatorischer Aspekte (vgl. Amann, Pet­ zold 2014: 147ff; vgl. Friedl 2013: 195ff). Hier sind zunächst die Funktionsbudgets zu nennen: Gemäß einer funktionalen Gliederung des Unternehmens werden den ein­ zelnen Funktionsbereichen Budgets zugeordnet; hierbei handelt es sich z. B. um die funktionalen Budgets im Bereich der Beschaffung, der Fertigung, der Verwaltung so­ wie des Vertriebs. Orientiert man sich hingegen organisatorisch an den Sparten einer Organisation, ist zu bedenken, dass die unterschiedlichen Spartenkonzeptionen auch unterschiedliche Formen der Spartenbudgetierung erfordern (vgl. Rieg 2015: 148ff): – Costcenter weisen eine Kostenstellenstruktur auf und haben eine interne Ausrich­ tung hinsichtlich ihrer Gegenstandsbereiche (Kosteneinsätze und deren Zuord­ nungsmöglichkeiten sowie Verursachungszuschreibungen). Ihnen werden die er­ forderlichen Ressourcen zentral zugewiesen. – Profitcenter können unter Berücksichtigung vordefinierter Restriktionen und bei festgelegten Kapazitäten die Mitteleinsätze zur Gewinnerzielung selbst bestim­ men. Mitteleinsätze für Erweiterungen werden zentral verteilt; hier ist v. a. die ex­ terne Ausrichtung dieses Centerkonzepts an den Gegenstandsbereichen (Absatz, Umsatz) von Bedeutung. – Investmentcenter sind dadurch gekennzeichnet, dass der Spartenleitung auch die Entscheidungskompetenz über den Investitionsbereich hinsichtlich der eigenen Sparte obliegt. Neben den Funktions- und Spartenbudgets lassen sich organisatorisch auch Projekt­ budgets für Entscheidungseinheiten bilden. Projektbudgets sind dadurch gekenn­ zeichnet, dass sie i. d. R. befristet auf den Planungszeitraum der Projekte erstellt und zugewiesen werden (vgl. Hammer 2015: 236). Bei langfristigen Projekten besteht die Problematik der Ermittlung des Budgetansatzes v. a. in der Festlegung der Ge­ samtkosten und der Zuordnung der Kosten auf die Projektablaufabschnitte. Zeitliche

164 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Über- oder Unterschreitungen können erhebliche Budgetabweichungen implizieren (vgl. Jung 2014a: 605ff). Betrachtet man die Budgets nach der Geltungsdauer, so wird deutlich, dass die Wahl der Budgetperiode abhängig ist vom Beschäftigungszyklus des Unternehmens und von den Erfordernissen im Rahmen der Unternehmenssteuerung und -kontrolle. Grundsätzlich spricht man im Zusammenhang mit Budgets von sogenannten Jahres­ budgets, die nach einer Analyse der Vorjahre in Abhängigkeit von den festgestellten und geplanten Veränderungen auf die Monate, Quartale usw. aufgeteilt werden. Saiso­ nale und andere betriebsspezifische Schwankungen können somit in den Monatsbud­ gets Berücksichtigung finden. Die Mehrjahresbudgets werden insbesondere für große Investitionen und für langfristig durchzuführende Projekte erstellt (vgl. Hammer 2015: 236). Die Erstellung unterjähriger Budgets erfolgt v. a. für die Durchführung kleinerer Projekte als auch für zeitlich begrenzte Marketingaktivitäten. Die Differenzierung der Budgets nach dem Verbindlichkeitsgrad führt zu einer Klassifizierung in drei Kategorien (vgl. Amann, Petzold 2014: 142f; vgl. Friedl 2013: 197): 1. Flexible Budgets: Die Bewilligungshöhe des Budgets passt sich den Änderungen der Einfluss- und Bezugsgrößen an, die von der Leitung der Entscheidungsein­ heit nicht beeinflussbar sind. Die flexiblen Budgets sind also abhängig von der Beschäftigung und der Ausbringung (Bezugsgrößen) sowie von nicht steuerbaren externen Parametern aus Sicht des Unternehmens, wie z. B. Konjunkturlage, Ent­ wicklung der Konkurrenzsituation etc. (Einflussgrößen). 2. Absolut starre Budgets: Die Bewilligungshöhe ist nicht anpassungsfähig an Ver­ änderungen bezüglich der Bezugsgrößen und der Einflussgrößen. Hierbei handelt es sich de facto um Zuteilungen, die einzig durch eine Entscheidung der Unterneh­ mensführung festgelegt werden und unbedingt eingehalten werden sollen. Eine Unterteilung der Budgetabweichungen in vertretbare und nicht vertretbare Teil­ abweichungen ist nicht möglich. Solche absolut starren Budgets sind v. a. in den Bereichen der Forschung und Entwicklung vorzufinden. 3. Relativ starre Budgets: Veränderungen der zugrunde liegenden Bezugsgrößen (v. a. der Beschäftigung) lassen sich in eng gefassten Toleranzgrenzen berück­ sichtigen. Hier können die Budgetvorgaben allerdings nur fallweise durch Bean­ tragung der nachträglichen Aufstockung (Nachtragsbudgets) angepasst werden, wobei hierarchisch übergeordnete Entscheidungseinheiten hierüber befinden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Budgets üblicherweise in konkreten Zielgrößen ausgedrückt werden, die von einem Entscheidungsträger in einem fest­ gelegten Zeitraum erfüllt werden müssen. Die Vorgabe eines Budgets orientiert sich an organisatorischen Gegebenheiten (Entscheidungseinheiten, z. B. Bereiche, Funk­ tionen oder Projekte), jedoch nicht an Handlungen. Es werden also Entscheidungs­ spielräume delegiert, da den Verantwortlichen der Entscheidungseinheiten die Auf­ gabe zugewiesen wird, sich innerhalb zuvor festgelegter Kompetenzen nach einem

1 Grundlagen der operativen Budgetierung | 165

Budget zu richten. Diese Budgetwerte stützen sich auf Planungs- und Prognosewerte, die sich z. B. aus Produktpreisen, Absatzmengen und Faktorpreisen zusammensetzen. Budgets haben also Vorgabecharakter und sind planungsorientiert.

1.2 Der Budgetierungsprozess – Funktionen und Elemente Die Budgetierung (nachfolgend gleichgesetzt mit dem Begriff des Budgetprozesses) verfolgt grundsätzlich den Zweck des Entwickelns und Aufstellens von Budgets als Budgetierungsergebnis für Entscheidungseinheiten in Unternehmen. Hieraus lassen sich für die Budgetierung vier grundsätzliche Aufgaben ableiten (vgl. Rieg 2015: 15): 1. Vorgabe eines Leistungsmaßstabs 2. Festlegung von Zielen für die nächste Geschäftsperiode 3. Abstimmung der betrieblichen Teilbereiche aufeinander 4. Prognose der finanziellen Entwicklung. Die Vorgabe eines Leistungsmaßstabs entspricht der Überprüfung des Budgetansat­ zes selbst. Die in der operativen Planung zugrunde gelegten Ziele werden mithilfe der Budgetkontrolle überprüft. Es lassen sich z. B. über Effizienzanalysen die Zielerrei­ chungsgrade (Effizienz der Mitteleinsätze) einer budgetierten Entscheidungseinheit feststellen (Abweichungsanalysen). Dies bedeutet, dass die Leistung der betroffenen Mitarbeiter einer Entscheidungseinheit und v. a. die Leistung des verantwortlichen Leiters dieser Entscheidungseinheit an der effizienten Verwendung der zugewiesenen Budgetmittel gemessen werden. Die Festlegung der Ziele als Gegenstand der Budgetierung wird aus der ope­ rativen Planung für die nächste Geschäftsperiode abgeleitet. Diese Ziele dienen als Gradmesser für den festzulegenden Budgetumfang (Mittelvorrat), der einer Entschei­ dungseinheit zugebilligt wird. Anhand des konkreten Einsatzes der Mittel durch den Budgetverantwortlichen wird die Erfolgswirksamkeit der initiierten Maßnahmen mit den Ressourceneinsätzen im Bereich einer budgetierten Entscheidungseinheit mess­ bar – und somit die Ermittlung der Zielerreichungsgrade am Ende einer Planungspe­ riode (Budgetzeitraum) ermöglicht. Eine zentrale Bedeutung kommt der Koordination (Abstimmung) der betriebli­ chen Teilbereiche zu, da Wechselwirkungen prinzipiell unterstellt werden können (z. B. zwischen den Bereichen „Beschaffung“, „Produktion“ und „Absatz“). Das Zusammenwirken unterschiedlicher betrieblicher Teilbereiche beeinflusst die fest­ zulegenden Budgetansätze (verfügbarer, disponibler Budgetansatz durch den verant­ wortlichen Leiter einer Entscheidungseinheit) maßgeblich, zumal Ressourcendop­ pelungen unter allen Umständen vermieden werden sollten – und dies bereits im Rahmen der Planerstellung. Die Prognosen zur finanziellen Entwicklung repräsentieren die Fortschrei­ bungs- oder Aufstockungsnotwendigkeiten einzelner Budgets über den bisherigen

166 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Ansatz hinaus. Allerdings kann es aufgrund dieser Prognosen auch zu Budgetkürzun­ gen in nachfolgenden Budgetperioden kommen (vgl. Rieg 2015: 124). Die Budgetierung verfolgt als operatives Controllinginstrument das Ziel der Steue­ rung von dezentralen Entscheidungseinheiten; ihr werden damit folgende Einzel­ funktionen zugeordnet (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 400ff; vgl. Jung 2014a: 11): – Motivationsfunktion: Die Motivationsfunktion stellt auf die Motivation der Ent­ scheidungsträger ab, die Budgetvorgaben einzuhalten. Sie soll in Anbetracht der Informationsasymmetrien zwischen der Unternehmensleitung und den Budget­ verantwortlichen eine Ausrichtung der Entscheidungseinheiten auf die Unterneh­ mensziele bewirken. Durch Mitarbeit an der Budgetplanung sollen Mitarbeiter zur Zielerreichung motiviert werden. Die Motivationsbeeinflussung wird mithilfe von Performancemessung, Beurteilung und Entlohnung realisiert. Daneben kann die intrinsische Motivation der Verantwortlichen aufgrund größerer Entscheidungsund Handlungsspielräume gefördert werden, wodurch Eigeninitiative und Leis­ tungsbereitschaft forciert werden können. – Orientierungsfunktion: Im Rahmen der Orientierungsfunktion wird die Budget­ vorgabe als Orientierungshilfe verstanden, wenn die Unternehmensziele mit den Interessen der dezentralen Einheiten abgeglichen werden. Da hier Planungs- und Prognosewerte sowie zukünftige Erfolgskomponenten einfließen, ist diese Funk­ tion eher zukunftsorientiert ausgerichtet. – Prognosefunktion: Zukünftige Handlungen sollen auf eine passende Verwen­ dung begrenzter finanzieller Mittel ausgerichtet werden. Dadurch werden even­ tuelle Unsicherheiten verringert und die Qualität von Entscheidungen erhöht. – Allokationsfunktion: Diese Funktion basiert auf der Prognose von monetären und nicht monetären Mitteln, die auf Unternehmensbereiche aufgeteilt werden. – Vorgabe- und Initiierungsfunktion: Vorgabe von Zielen an die Teilbereiche des Unternehmens, die die Maßnahmen initiieren sollen, durch welche die gesetzten Ziele erreicht werden sollen – Kontrollfunktion: Vergleich der vorgegebenen Budgets mit den Istbudgets durch eine Abweichungsanalyse am Ende der Budgetperiode – Koordinationsfunktion: Die Koordinierungsfunktion stellt auf die gegenseitigen Abhängigkeiten der Entscheidungen dezentraler Einheiten ab. In diesem Kontext kann die Budgetierung verhaltenssteuernde Wirkung entfalten. Um die Entschei­ dungsträger auf die Realisation der Unternehmensziele einzustellen, muss eine gegenseitige Abstimmung und Koordination von Tätigkeiten der zu budgetieren­ den Bereiche erfolgen, um bestimmte Ziele zu erreichen. In welchem Umfang die Budgetierung diese Funktionen wahrnehmen kann, ist von zahlreichen Faktoren abhängig, wie der Wahl des Budgetverfahrens, der Realisati­ onsmöglichkeiten der Budgetvorgaben, den Umweltunsicherheiten, der Informati­ onsqualität und letztlich auch von der Art und Weise der Budgetkommunikation. Die Koordinationswirkungen der Budgetierung können sich allerdings nur in dem Maße

1 Grundlagen der operativen Budgetierung | 167

entfalten, wie es durch die Einbindung der Budgets in Anreizsysteme gelingt, verhal­ tenssteuernde Wirkung zu erzeugen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 400ff). Über die Steuerungsfunktion hinausgehend ist ein großer Nutzen der Budgetierung darin zu sehen, dass das Unternehmen gewissermaßen zur Analyse von Zusammenhän­ gen und zukünftigen Entwicklungen gezwungen wird. Somit wird zukunftsorientiert gedacht, was sich positiv bei der Planung der Budgets auswirken kann. Außerdem werden die Abhängigkeiten der Einflussgrößen genauer analysiert. Das Unternehmen kann frühzeitig seine Potenziale und eventuelle Schwachstellen erkennen und diese in seine Planung einfließen lassen (vgl. Rieg 2015: 47f). Betrachtet man die Budgetierung als Prozess (siehe Abbildung C1.1), setzt sich dieser aus vier zentralen Elementen zusammen (vgl. Eisl et al. 2012: 87): 1. Budgetvorbereitung 2. Budgeterstellung 3. Budgetverabschiedung 4. Budgetkontrolle

Rahmenbedingungen der Budgetperiode Vorschaurechnung laufendes Jahr – Erfolgsrechnung – Finanzrechnung – Bilanz – Kennzahlen – Vergleich mit Plan und Vorjahr

Koordination, Integration, Kommunikation, Motivation

Ziele, Prämissen

Strategie strategische Ziele und Maßnahmen

Budgetverabschiedung

Budgeterstellung

Budgetvorbereitung

operative Rahmenziele und Vorgaben für die Budgetierung

Budgetbericht

Erfolgsplan Leistungsbudget (Kostenrechnung)

Plan-GuV

Finanzplan, Planbilanz

– Absatz- und Umsatzplan – Beschaffungsplan – direkter – Produktionsplan Finanzplan – Personalbedarfsplan – Cashflow– Investitionsplan statement … – Planbilanz

Budgetgenehmigung Budgetpräsentation und Genehmigung durch Geschäftsführung und Aufsichtsrat

Kennzahlen Feedbackschleifen (Budgetkontrolle) Abb. C1.1: Budgetierung als Prozess (in Anlehnung an Eisl et al. 2012: 87).

168 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Im Rahmen der Budgetvorbereitung sind die grundlegenden Beeinflussungspara­ meter (z. B. Rahmenbedingungen der Budgetperiode, die Vorschaurechnung als auch die zugrunde gelegten strategischen Ziele und Maßnahmenbündel), die einen direk­ ten Bezug auf das zu planende Budget besitzen, so zu analysieren, dass eindeutige operative Rahmenziele und Vorgaben für die Budgetierung abgeleitet werden können. Vor dem Hintergrund der strategischen Zielgröße „Unternehmenserfolg“ (als Differenz zwischen Erlösen und Kosten) liegt der Fokus der Budgetierung auf der Planung von Erlösen und Kosten. Zur Abstimmung der Unternehmensaktivitäten ist es erforderlich, dass separate Budgets in ein übergeordnetes Budgetsystem (Masterbudget) eingeord­ net werden können. Die Budgeterstellung kann prinzipiell retrograd oder progressiv erfolgen (vgl. Weber et al. 2009: 26f; vgl. hierzu auch Teil B): – Die retrograde Budgetierung als Top-down-Planung stellt die Ableitung einzel­ ner Erfolgspläne aus einer festgelegten übergeordneten Erfolgsgröße dar. Proble­ matisch ist dieser Top-down-Ansatz hinsichtlich der Gefahren eines mangelnden Realitätsbezugs der vorgegebenen Budgets und der möglicherweise begrenzten Akzeptanz in den so budgetierten Entscheidungseinheiten. – Bei der progressiven Budgetierung als Bottum-up-Planung erfolgt die Budget­ planung genau umgekehrt, also zunächst für die untere Hierarchieebene. Grund­ legende Voraussetzung für den Bottum-up-Ansatz ist allerdings eine hohe Iden­ tifikation der Basisebenen mit den Unternehmenszielen. Ansonsten könnte die Budgetermittlung mit den Tendenzen zu einer unzureichenden Koordination der Budgets und zu geringen Leistungsanforderungen erfolgen. – Die Kombination aus retrograder und progressiver Budgetierung mit dem Ziel der Kombination der verfahrensspezifischen Vorteile (und dem Ziel der Ausschal­ tung der verfahrensspezifischen Nachteile) erfolgt im Rahmen des Gegenstrom­ verfahrens, auch als iterative Budgetierung bezeichnet. Hier definiert die Un­ ternehmensleitung Eckdaten für das zu erstellende Budget, die von den unteren Hierarchieebenen eigenverantwortlich erfüllt und konkretisiert werden. Das Ge­ genstromverfahren setzt jedoch neben der Zielvorgabe ein hohes Maß an Kommu­ nikations- und Dialogfähigkeit zwischen den Hierarchieebenen voraus.

1 Grundlagen der operativen Budgetierung |

169

In Abbildung C1.2 wird der Abstimmungsprozess bei der iterativen Budgetierung ex­ emplarisch dargestellt.

Bekanntgabe der generellen Richtlinien

Sind sie klar und schlüssig?

Ja

Ja Nein

Linienmanager unterbreiten Vorschläge

Nein

Übernimmt Unternehmensführung die Verantwortung? Nein

Controller überprüft Vorschläge

Ja

Ist es machbar?

Zurücksenden zur Überarbeitung

Unternehmensführung überprüft die Vorschläge

Sind die Vorschläge so gut, wie es erwartet werden kann?

Zurücksenden zur Überarbeitung

Nein

Ja

Genehmigung und Umsetzung der Vorschläge

Zurücksenden zur Überarbeitung Abb. C1.2: Iterative Budgetabstimmung (in Anlehnung an Hammer 2015: 238).

Mit der Budgetierung wird eine Zuweisung von Einzel- bzw. Teilbudgets auf die Ver­ antwortungsbereiche geleistet. Folglich ist das Gesamtbudget die Summe aus Einzelbzw. Teilbudgets. Im Rahmen der Budgeterstellung ist zunächst festzulegen, welcher Wert als Vorgabegröße für die Teilbudgets definiert werden soll. Dies wiederum ist von zwei Determinanten abhängig, nämlich einerseits von der mengen- und wertmä­ ßigen Bestimmbarkeit des Outputs eines Entscheidungsbereichs und andererseits von der spezifischen Art der üblichen Leistungserstellungs- bzw. Leistungsverwertungs­ prozesse (vgl. Camillus 1984: 5, siehe Abbildung C1.3).

170 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung Process

measurable

known

unknown

Type I most manufacturing departments (focus on input-output relationships – efficiency)

Type II some staff departments such as legal some marketing departments (focus on outputs – effectiveness)

Type III some staff departments such as personnel (focus on process – procedures and practices)

Type IV some R&D departments (focus on input – resource allocation)

Outputs

not measurable

Abb. C1.3: Typen von Entscheidungseinheiten zur Gestaltung des Budgets (in Anlehnung an Horváth et al. 2015: 128 und Camillus 1984: 5).

Ausgehend von der Kombination der beiden Budgetdeterminanten lassen sich folgen­ de typische Teilbudgets mit zugehörigen Vorgabegrößen identifizieren: – Teilbudgets nach Typ I sind am einfachsten zu bewerten, da die wert- und men­ genmäßige Bestimmung des Outputs möglich ist (z. B. Produktionsbudget); der Vorgabefokus wird hier auf die Input-Output-Relation gelegt. – Teilbudgets nach Typ II lassen die detaillierte Bestimmung des Outputs zu, aber nicht die der Prozesse (z. B. Marketingbudget), weshalb es hier naheliegt, den be­ werteten Output als Vorgabe zu wählen. – Bei Teilbudgets des Typs III ist der Prozess bestimmbar, aber nicht der Output (z. B. Verwaltungsbudget), weshalb input- und/oder prozessorientierte Größen als Grundlagen zur Festlegung eines Budgets herangezogen werden. – Teilbudgets nach Typ IV beziehen sich auf Entscheidungseinheiten, die we­ der Output noch Prozesse angemessen definieren können (z. B. Grundlagenfor­ schungsbudget), womit nur der Input als Vorgabegröße bestimmt werden kann. Die Budgetverabschiedung schließt mit der Budgetgenehmigung der Budgetentwür­ fe durch die zuständigen Leitungsinstanzen (i. d. R. Geschäftsführung und Aufsichts­ rat). Die Kontrolle der Budgets u. a. mithilfe von Abweichungsanalysen überprüft während und am Ende der Budgetperiode die realisierten Maßnahmen und Ressour­ ceneinsätze im Rahmen des Budgets. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Budgetierung die Vorbe­ reitung, Erstellung, Verabschiedung, Umsetzung, Kontrolle und Anpassung von Bud­

1 Grundlagen der operativen Budgetierung | 171

gets einschließt (Wala et al. 2016: 243). Die Budgets gemäß Typ IV sind in der Anwen­ dungspraxis am schwierigsten festzulegen. Angesichts der fehlenden Möglichkeit zur Messung des Outputs und der Variabilität der Leistungserstellungs- bzw. Leistungs­ verwertungsprozesse (nicht repetitiv und nicht standardisiert) können sie regelmäßig nur pauschal geplant werden. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich in Anbetracht der grundlegenden Planbarkeit (Messbarkeit respektive Bekanntheit der Prozesse) auf die Teilbudgets nach Typ I, II und III.

1.3 Verhaltenswirkungen der Budgetierung Mit der Erstellung von Budgets im Rahmen der Budgetierung wird im Allgemeinen eine Verhaltenssteuerung verbunden. Diese Steuerung bezieht sich v. a. auf die Leiter der Entscheidungseinheiten, die Budgetverantwortung übertragen bekommen haben. Im Wesentlichen geht es um die Übertragung von Entscheidungsverantwortung auf die hierarchisch unteren Ebenen. Hofmann schreibt hier den Budgetierungssystemen vor dem Hintergrund, dass mit der Zuweisung von Budgetverantwortung die Ent­ scheidungsträger einen höheren Autonomiegrad übertragen bekommen, die verhal­ tenssteuernde Wirkung im Bereich der Alternativenauswahl zu (vgl. Hofmann 2001: 12ff). Die Übertragung von Entscheidungsverantwortung als Motivationsinstrument ermöglicht den Budgetverantwortlichen die eigenverantwortliche Entwicklung von Alternativen beim Ressourceneinsatz und bei der Mittelverwendung in ihren bud­ getierten Entscheidungseinheiten. Der kausale Zusammenhang zwischen Budget bzw. Budgetierung und den Verhaltensweisen der Budgetverantwortlichen (Entschei­ dungsträger) wird in Abbildung C1.4 dargestellt. Budget Budgetierung

Anstrengung bei der Entscheidungsfindung

Anstrengung bei der Entscheidungsumsetzung

weitere Einflussgrößen

Entscheidungsleistung = erwartete Budgeterreichung

Umsetzungsleistung = realisierte Budgetabweichung

Abb. C1.4: Gestaltungsdimensionen und Instrumente zur Verhaltenssteuerung (in Anlehnung an Friedl 2013: 221).

Die Gestaltung der Budgets und der Budgetierung ist so vorzunehmen, dass die Ent­ scheidungsträger in den dezentralen Entscheidungseinheiten motiviert werden, das

172 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Niveau ihrer Anstrengungen zu erhöhen und somit positive Wirkungen hervorgerufen werden im Leistungsbereich, und zwar hinsichtlich der Entscheidungs- und Umset­ zungsleistungen (vgl. Friedl 2013: 221). Generell lassen sich die Verhaltenswirkun­ gen von Budgets und der Budgetierung in unterschiedliche Gegenstandsbereiche un­ terteilen: – monetäre und nicht monetäre Leistungsanreizgestaltung – organisationales Lernen (Lerneffekte) – Wirkungen und Rückkoppelungswirkungen der Budgetkontrolle Weber et al. unterteilen die Leistungsanreizgestaltung in drei Kategorien (vgl. Weber et al. 2009: 41f): – Bei der monetären Anreizgestaltung mit Anbindung an die operative Pla­ nung handelt es sich um die klassische Form der Anreizgestaltung. Es findet eine Verknüpfung der Planwerte mit monetären Anreizen für die Leiter der dezentralen Entscheidungseinheiten statt, um eine positive Beeinflussung des Verhaltens vor­ zunehmen und in der Folgewirkung den Planungserfolg sicherstellen zu können. Diese Belohnungsform ruft allerdings in vielen Fällen opportunistisches Verhal­ ten hervor, welches in der Planerstellungsphase zu überhöhten Budgetansätzen führt (vgl. auch Ewert, Wagenhofer 2014: 394ff). – Eine zweite Form besteht in der monetären Anreizgestaltung ohne Anbindung an die operative Planung. Als Reaktion auf die Kritik am ersten Ansatz wer­ den hierbei Budgetwerte und Entlohnung entkoppelt. Die Budgetierung an sich bleibt bestehen, sie dient aber nicht mehr der Ermittlung von Prämien. Die mo­ netäre Gestaltung sieht bei diesem Ansatz wie folgt aus: Die Anreize steigen pro­ portional zur jeweils erzielten (Jahres-)Leistung des Budgetverantwortlichen, al­ lerdings vollständig losgelöst von den realisierten Planwerten. Die Entlohnungen erfolgen ausschließlich aufgrund echter erbrachter Leistungen. Diese Anreizge­ staltung sollte sich idealerweise an einer Langfristplanung orientieren. Ausge­ schlossen werden kann mit diesem Ansatz eine kurzfristige Orientierung an der Ergebnispolitik betreffender Instanzen. Da hier keine direkte Kopplung an ein Prä­ miensystem mehr existiert, ist eine Überprüfung der Planwerte durch übergeord­ nete hierarchische Ebenen umso wichtiger – denn sie repräsentieren die einzigen Kontroll- und Korrekturinstanzen. – Bei der dritten Kategorie handelt es sich um eine nicht monetäre Anreizge­ staltung der operativen Planung. Diese Anreizgestaltung soll das opportunis­ tische Verhalten und die dadurch entstehenden negativen Effekte begrenzen. Symptomatisch für diesen Ansatz ist ebenfalls, dass keine direkte Kopplung der operativen Planung mit einem Belohnungssystem stattfindet. Die Bindung und Identifikation an die Ziele des Unternehmens wird dadurch erzeugt, dass eine ethisch-moralische Verpflichtung zur Umsetzung der vorgegebenen Ziele etabliert wird. Hierbei handelt es sich um einen generischen Prozess, d. h., die Bindung an diese Ziele wird sich erst im Zeitverlauf verfestigen, mit dem Nebeneffekt, dass

1 Grundlagen der operativen Budgetierung | 173

eine stärkere Identifikation mit den Zielen des Unternehmens hervorrufen wird als bei monetär orientierten Anreizsystemen. Im Sinne eines organisationalen Lernens ist durch die Verantwortungsübertragung auf die Leiter von Entscheidungseinheiten durch die Gewährung von Budgets ei­ ne Art Lerneffekt feststellbar: Durch die wiederholte Erstellung und Überwachung von Budgets über einen längeren Zeitraum lernt der Budgetverantwortliche einer Entscheidungseinheit mit längeren Planungshorizonten umzugehen und Zukunftsvi­ sionen der Unternehmensleitung zu quantifizieren. Hierdurch kann der Budgetver­ antwortliche frühzeitig potenzielle Problemfelder in seinem Zuständigkeitsbereich und an deren Schnittstellen erkennen und Schwierigkeiten vermeiden helfen (vgl. Rickards 2007: 53). Die Budgetkontrolle soll über die Rückkopplungswirkungen zur weiteren Leis­ tungssteigerung motivieren. Allerdings kann eine (auch nur angedrohte) Kontrolle schon im Vorgriff der Kontrolle bei den betroffenen Entscheidungsträgern verhal­ tenssteuernde Wirkung entfalten, weil diese für eventuelle später festzustellende Abweichungen verantwortlich zeichnen müssen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 392ff). Je intensiver der Budgetverantwortliche einer Entscheidungseinheit im Vorfeld am Zielbildungsprozess beteiligt wird, desto größer ist die Akzeptanz der Ziele selbst. Wird zudem den Budgetverantwortlichen ein größerer Entscheidungs- und Ermes­ sensspielraum zugebilligt, umso mehr kann er kurzfristig auf Veränderungen der Umweltvariablen reagieren und entsprechende Gegenmaßnahmen initiieren. Diese Reaktionsmöglichkeiten sind allerdings bei einem detaillierteren und verbindlicher gestalteten Budget eingeschränkter. Hieraus ergibt sich das Dilemma, dass höhere Verbindlichkeits- und Detaillierungsgrade der Budgets zwar die Koordinationswir­ kung erhöhen, aber zugleich die Reaktionsmöglichkeiten der Budgetverantwortli­ chen und deren Motivation zu selbstständigem Handeln beeinträchtigen können (vgl. Busse von Colbe 1989: 180f). Damit die Budgets das Ziel der Steuerung von dezentralen Entscheidungseinhei­ ten realisieren können, sollten nach Auffassung von Stelling im Rahmen des Budgetie­ rungsprozesses folgende zehn Gebote der Budgetierung beachtet werden (vgl. Stel­ ling 2009: 242; vgl. auch Horváth et al. 2015: 130): 1. Budgets sollten als erreichbare Planungsergebnisse gestaltet sein, aber trotzdem eine Herausforderung für die budgetierte Entscheidungseinheit darstellen. 2. Leitendes Ziel der budgetierten Entscheidungseinheit sollte die Einhaltung des Budgets sein. 3. Budgets sollten im Interesse der Akzeptanz und der Realitätsgerechtigkeit in ei­ nem Gegenstromverfahren entwickelt werden. 4. Mit den Budgetverantwortlichen sollten im Rahmen des Budgetierungsprozesses individuelle Zielerreichungsgrade vereinbart werden. Budgetzuweisungen sollten an den erwarteten Leistungen ausgerichtet sein und nicht nach dem „Gießkan­ nenprinzip“ erfolgen.

174 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

5.

Je Entscheidungseinheit sollte nur ein Budget vorgegeben werden (keine „Schat­ tenbudgets“). 6. Während der Budgetperiode sollte das Budget im Interesse seiner Verbindlichkeit möglichst nicht verändert werden. Budgetnachschüsse sollten nur in Ausnahme­ fällen in Betracht gezogen werden. 7. Soll-Ist- bzw. Ist-Soll-Vergleiche sollten aussagekräftig sein, und die Istdaten soll­ ten idealtypischer Weise den Plandaten entsprechen. 8. Der Budgetverantwortliche sollte als Erster die Ergebnisse einer Abweichungs­ analyse erhalten, um bei Abweichungen sofort Gegenmaßnahmen einleiten zu können. 9. Das Budget sollte eine Abweichungstoleranz beinhalten. Bei Verletzung der Tole­ ranzgrenzen sollte die übergeordnete Hierarchieebene informiert werden. 10. Abweichungen vom Budget sollten keine demotivierenden Sanktionen, sondern Lernprozesse auslösen.

1.4 Ansätze der Budgeterstellung Die Mehrzahl der operativen Verfahren der Budgeterstellung wählt sich als Bezugs­ punkt die zu erbringenden Leistungen in der nachfolgenden Planungsperiode (vgl. Horváth et al. 2015: 128). Dabei ist zu unterscheiden, ob und inwieweit eine Prognose und Planung der von der Budgetierungseinheit zu erbringenden Leistung möglich ist (vgl. Küpper et al. 2013: 436ff): – Ist diese nicht hinreichend präzise fassbar und/oder quantifizierbar, wird im Rah­ men der Budgeterstellung die Outputseite nicht näher untersucht. Die Budgeter­ stellung konzentriert sich dann – im Wesentlichen vom bisherigen Leistungsni­ veau ausgehend – auf die Inputseite und stellt Budgets bezüglich der verfügbaren Ressourceneinsätze auf. – Sofern eine Prognose und Planung der von der Budgetierungseinheit zu erbrin­ genden Leistung möglich ist, erfolgen die Budgetvorgaben (vorwiegend für den Vertriebsbereich) entweder durch die Planung von Leistungsvorgaben und (Um­ satz-)Erlösen, und/oder eine Budgetermittlung mithilfe der verschiedenen Instru­ mente der Kostenplanung (vorwiegend für den Produktionsbereich). In letzterem Falle stellt sich zudem die zentrale Frage nach dem verfügbar zu gestaltenden Res­ sourceneinsatz in Abhängigkeit eines (vor-)bestimmten Leistungsvolumens. Im Rahmen der operativen Budgeterstellung sind die vorhandenen Kapazitäten als höchstens bedingt veränderbares Datum (nämlich soweit kurzfristig beeinflussbar) für die Kostenplanung anzunehmen (vgl. Jung 2014a: 372 und 628f). In diesen Kon­ text sind lediglich kurzfristig realisierbare kapazitätsbezogene Anpassungsmaßnah­ men einzubeziehen (vgl. Wöhe et al. 2016a: 308ff; vgl. Jung 2016: 507ff) – und später

1 Grundlagen der operativen Budgetierung | 175

bei der Analyse der Abweichungen zu berücksichtigen (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 258ff; vgl. Eberlein 2010: 382). Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der traditionellen Budgetierung zwi­ schen zwei grundlegenden Techniken der Budgeterstellung zu unterscheiden, näm­ lich zwischen problem- und verfahrensorientierten Techniken. Standardisierte Prozesse in dem zu budgetierenden Bereich begünstigen die problemorientierten Techniken, die an die Handlungsprobleme von Entscheidungsträgern anschließen. Notwendig hierfür sind Informationen über die Input-Output-Relationen in dem zu budgetierenden Bereich. Die problemorientierte Technik wird demzufolge hauptsäch­ lich bei standardisierten Prozessen im direkten Leistungsbereich eingesetzt. Stehen Input-Output-Relationen nicht zur Verfügung, oder werden die Prozesse aufgrund eines geringeren Standardisierungsgrads komplexer, werden tendenziell eher verfah­ rensorientierte Techniken eingesetzt. Der Vorteil der verfahrensorientierten Technik im Gegensatz zur problemorientierten Technik ist gerade darin zu sehen, dass hier kei­ ne Beziehung zwischen Input und Output hergestellt werden muss (vgl. Eberlein 2010: 343). Diese Techniken beschreiben Prozessprinzipien, mit deren Hilfe die Budgetvor­ gaben über die Entwicklung von Verfahrensschritten und Verhaltensempfehlungen ermittelt werden. Sie werden vor allem bei nicht standardisierten Prozessen (z. B. in Forschungs- und Entwicklungsbereichen) angewendet. Gemäß der Ableitungsrichtung eines Budgets lassen sich input- und outputori­ entierte Budgetierungsverfahren unterscheiden (vgl. Küpper et al. 2013: 438ff): – Die Ableitungsrichtung problemorientierter Verfahren ist rein outputorientiert: Auf Basis des durch marktanalytische Methoden (z. B. Absatz- und Bedarfsvorher­ sagen) prognostizierten Absatzprogramms wird auf die notwendigen Inputfakto­ ren geschlossen (Prognosemodelle). Alternativ kann ausgehend vom angestreb­ ten Produktions- bzw. Absatzprogramm der notwendige Input zur Erreichung des angestrebten Outputs mittels funktionaler Methoden der Produktions- und Kostenplanung bestimmt werden (Entscheidungsmodelle). Die unterschiedli­ chen problemorientierten Verfahren sind auch deshalb innerhalb der internen Unternehmensrechnung entwickelt worden. So existieren in einigen Kosten­ rechnungssystemen problemorientierte Verfahren, mit deren Unterstützung sich Einzel- und Gemeinkosten in (Haupt-)Kostenstellen der verschiedenen Funkti­ onsbereiche planen lassen. Hierbei kann die Beschäftigung als bedeutendste Kosteneinflussgröße gelten, die durch verschiedene Bezugs- oder Prozessgrö­ ßen als Maßstäbe der Kostenverursachung (z. B. Anzahl Arbeitsverrichtungen, Maschinenstunden etc.) präzisiert werden kann. Auf Basis analytischer Erkennt­ nisse oder empirischer Daten lassen sich dann ein- oder mehrvariable funktionale Kostenzusammenhänge ableiten. Die Ergebnisse der Kostenplanung werden in Kostenstellenplänen zusammengefasst, welche die Zusammensetzung der Ge­ meinkosten einer Stelle, deren Planverbrauchsmengen und -preise sowie die Aufteilung in fixe und variable Anteile verdeutlichen. Die Trennung in fixe und variable Kostenbestandteile ermöglicht eine flexible Budgetierung, denn mithilfe

176 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung



der tatsächlichen Ausprägungen der Bezugs- und Prozessgrößen lassen sich die Plankosten in sogenannte Sollkosten umrechnen. Verfahrensorientierte Budgetierungstechniken definieren ein festes Ablaufsche­ ma für die Budgetableitung. Zu unterscheiden ist hier zwischen input- und outputorientierten Verfahren. Während inputorientierte Verfahren davon aus­ gehen, dass der Output ein Datum ist, sind outputorientierte Verfahren auf die Veränderbarkeit der Leistungen und deren Kosten fokussiert.

Nach der Ausgangsbasis des Budgetansatzes ist eine Trennung in analytische und Ex-post-plus-Techniken erforderlich. Während bei den Ex-post-plus-Verfahren ledig­ lich Budgetwerte vergangener Budgetierungsprozesse fortgeschrieben werden, bildet bei den analytischen Verfahren die Nullbasis den Ausgangspunkt: Vergangene Bud­ getansätze werden kritisch analysiert und hinterfragt. Ein – durch inhaltlichen Bezug und kostenmäßige Konsequenzen charakterisiertes – Budgetierungsverfahren ist im Hinblick auf seinen Anwendungsrhythmus zudem periodisch oder auch aperiodisch einsetzbar (siehe Abbildung C1.5). Budgeterstellung

problemorientierte Techniken

Ansätze

Ableitungsrichtung Budget

Anwendungsrhythmus

Beispiele

outputorientiert

verfahrensorientierte Techniken

inputorientiert

outputorientiert

periodisch

periodisch

aperiodisch

periodisch

aperiodisch

Plankostenbudgetierung

Fortschreibungsbudgetierung

Gemeinkostenwertanalyse

Programmbudgetierung

Zero-BaseBudgeting

Abb. C1.5: Ansätze der Budgeterstellung (in Anlehnung an Küpper et al. 2013: 438 und 447).

Eine besondere Rolle nimmt hier die prozessorientierte Budgetierung ein, die vor­ zugsweise ausgehend von den inputorientierten Planungsergebnissen einen stärke­ ren Leistungsbezug herstellen möchte. Insofern ist die prozessorientierte Technik als integrativer Ansatz zu verstehen, der mit dem Fokus auf die Gemeinkostenbudgetie­ rung tendenziell eher problem- und outputorientiert und aufgrund des hohen zeitli­ chen Aufwands meist aperiodisch ausgerichtet ist.

1 Grundlagen der operativen Budgetierung | 177

Nach einer in der Anwendungspraxis durchgeführten empirischen Erhebung zeigte sich, dass die inputorientierte Fortschreibungsbudgetierung einen herausra­ genden Stellenwert einnimmt, gefolgt von den problemorientierten Verfahren. Mo­ derne und eher strategisch ausgerichtete Budgetierungsverfahren wie das des Beyond Budgeting hingegen kommen vergleichsweise selten zum Einsatz (vgl. Rieg 2009: 169; vgl. auch Weber, Schäffer 2008: 13). Vor diesem Hintergrund und nach der Ableitungs­ richtung der Budgets bzw. auf Basis der Differenzierung in problem- und verfahrens­ orientierte Techniken werden in Teil C, Kapitel 2 ausgewählte Budgetierungsverfahren vorgestellt.

2 Traditionelle Budgeterstellung Das wesentliche Merkmal der hier als „traditionell“ eingestuften Verfahren der Bud­ geterstellung ist deren Fokus auf die Budgetierung von räumlich abgrenzbaren Ent­ scheidungseinheiten, wie z. B. Bereiche, Abteilungen, Abteilungsbereiche oder Kos­ tenstellen. In vielen Fällen können in solchen Entscheidungseinheiten problemorientierte Budgetierungstechniken nicht eingesetzt werden, da diese die Erfüllung ganz be­ stimmter Anwendungsvoraussetzungen benötigen: Es müssen nämlich physische und monetär messbare Prozessergebnisse feststellbar sein, die relativ gleichartig und in relativ hohen Mengen (z. B. im Rahmen einer Großserienfertigung) hervorgebracht werden (vgl. Rieg 2009: 168, und Rieg 2015: 45). Sind diese Anwendungsvorausset­ zungen nicht gegeben, bieten sich zur traditionellen Budgeterstellung verfahrensori­ entierte Techniken an, da diese auf die Feststellung von Input-Output-Relationen in dem zu budgetierenden Bereich verzichten können.

2.1 Verfahrensorientierte Budgeterstellung Häufig lässt sich das Prozessergebnis nur relativ schwer messen (wie z. B. in den Be­ reichen der Forschung und Entwicklung), der Ressourceneinsatz hingegen durchaus. Daher setzt eine Gruppe verfahrensorientierter Budgetierungstechniken am Ressour­ ceneinsatz an (inputorientierte Verfahren). Outputorientierte Verfahren hingegen versuchen, trotz der genannten Messproblematiken auf leistungsbezogene Budgetbe­ gründungen abzustellen.

2.1.1 Inputorientierte Budgeterstellung Inputorientierte Verfahren gehen davon aus, dass der Output als unveränderliches Datum vorgegeben ist und deshalb keiner weiterführenden Betrachtung unterworfen werden muss. Das Budget wird demzufolge lediglich von den Einsatzfaktoren für ein bereits hervorgebrachtes Leistungsniveau ausgehend erstellt. Diese Einsatzfaktoren bilden den Ausgangspunkt der Analyse, wobei inputorientierte Verfahren periodisch oder auch aperiodisch vorgehen können. 2.1.1.1 Fortschreibungsbudgetierung Die Fortschreibungsbudgetierung, auch als Planfortschreibung bezeichnet, ist die einfachste Budgetierungsmethode. Sie basiert als periodisch anwendbare Methode

https://doi.org/10.1515/9783110439793-013

2 Traditionelle Budgeterstellung |

179

auf Istwerten oder Durchschnittswerten bezüglich des Ressourceneinsatzes von ver­ gangenen Perioden (vgl. Amann, Petzold 2014: 145). Dabei wird der Ressourceneinsatz i. d. R. auf die finanzielle Ressourcendimension reduziert. Diese Werte können ent­ weder unverändert in die kommende Periode als Budget übernommen werden oder sie werden als Budgetwerte vergangener Budgetierungsprozesse auf der Basis ex­ terner Einflussgrößen, wie z. B. Inflationsraten oder Konjunkturverlaufskennzahlen, inkremental fortgeschrieben (Ex-post-plus-Verfahren). Auf interne Einflussgrößen, wie z. B. das Leistungsprogramm, beziehen sich die Werte meist nur in begrenztem Rahmen oder gar nicht. Allerdings kann der neue Budgetansatz durch unternehmens­ politisch begründete Zu- oder Abschläge verändert werden (Incremental Budgeting). Das künftige Budget (B t+1 ) setzt sich also aus mehreren Bestandteilen zusammen (vgl. Küpper et al. 2013: 448): – Ausgabe der laufenden Periode [A t ]; – reelles (prozentuales) Wachstum [(1 + W t+1 )]; – (prozentuale) Inflationsrate [(1 + I t+1 )]; – geplante Ausgaben für kommende Projekte [P t+1 ]: B t+1 = A t ⋅ (1 + W t+1 ) ⋅ (1 + I t+1 ) + P t+1 Die Planfortschreibung basiert eher auf pragmatischen Überlegungen, weshalb be­ stehende Werte häufig nicht mehr verändert werden (vgl. Troßmann 2018: 208f). Da man mit der inkrementalistischen Herangehensweise an die Allokation knapper Res­ sourcen i. d. R. eher Verteilungskompromisse finden kann, liegen die wesentlichen Vorteile der Fortschreibungsbudgetierung in der Reduzierung von Konflikten und in dem Ausgleich von Interessen. Dadurch entsteht eine durch relativ zügige Entschei­ dungsprozesse gekennzeichnete dauerhafte stabile Budgetierung (vgl. Amann, Pet­ zold 2014: 142f). Allerdings kann man sie nicht als Budgetplan im ursprünglichen Sinne bezeich­ nen, da das Budget nicht aus zukünftigen Leistungserwartungen, sondern aus in­ putbezogenen Vergangenheitswerten generiert wird. Die Ressourcenallokation ist damit nicht zwingend bzw. zumindest nicht stringent an das zu realisierende Leis­ tungsvolumen ausgerichtet. Da bei der Fortschreibungsbudgetierung eine Analyse bisheriger Budgetvorgaben unterbleibt, können eventuell bestehende Ineffizienzen nicht aufgedeckt werden (vgl. Amann, Petzold 2014: 145). Zudem ist eine Extrapo­ lation vergangener Daten nur dann zielführend, wenn die grundlegende Prämisse einer strukturellen Konstanz erfüllt ist. Da sich das Budget der Folgeperiode als Fort­ schreibung des bisherigen Budgets ergibt, besteht die latente Gefahr, dass die Budget­ vorgaben sukzessive erhöht werden – und dies ohne systematische Prüfung, ob die Erhöhung vor dem Hintergrund des zu erbringenden Leistungsniveaus gerechtfertigt erscheint (siehe Abbildung C2.1).

180 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung Budgetbetrag

(3)

usw.

(2) (3) (2) (1)

t0

t1

t2

Zeit

(1) Budget aus der Vergangenheit (2) Zuschlag für Wachstum (3) Zuschlag für Preissteigerungen

Abb. C2.1: Budgetfortschreibung nach dem Ex-post-plus-Verfahren (in Anlehnung an Rieg 2015: 46 und Küpper et al. 2013: 448).

Umgekehrt zeigt sich in der Anwendungspraxis, dass die Fortschreibungsbudgets bei rückläufiger Geschäftstätigkeit meist nicht in gleichem (im Sinne von proportionalem) Maße sinken. Dieser Effekt wird als Sperrklinkeneffekt (Ratchet Effect) bezeichnet. Zudem kann es zur Abwendung eventuell drohender Budgetkürzungen durch die zu budgetierenden Entscheidungseinheiten zu ineffektiver Ressourcenverwendung kommen, bekannt unter dem sogenannten „November- oder Dezemberfieber“ (vgl. Rieg 2015: 47; vgl. auch Troßmann 2018: 208f). Im Rahmen einer Fortschreibungsbudgetierung stehen Ressourcenallokation und Ressourcenverwendung also in der Gefahr, Ineffektivitäten bzw. Ineffizienzen im Un­ ternehmen zu befördern. Auch wenn konfliktträchtige gravierende Veränderungen des Ausgangszustands bzw. des „alten Budgets“ vermieden werden, kann die Koor­ dinationsfunktion der Budgetierung mittels eines solchen Verfahrens i. d. R. nicht in angemessenem Maße erfüllt werden. Der relativ hohe praktische Anwendungswert geht im Wesentlichen zurück auf Stabilität, Verlässlichkeit, Einfachheit, Routinisie­ rung und Schnelligkeit des gesamten fortschreibenden Budgetierungsprozesses (vgl. Küpper et al. 2013: 448).

2 Traditionelle Budgeterstellung | 181

2.1.1.2 Optimierungsansätze In der wissenschaftlichen Sphäre, aber v. a. in der Anwendungspraxis werden ver­ schiedene instrumentelle Differenzierungen der Fortschreibung erörtert bzw. einge­ setzt, um drohender Ineffektivität bzw. den zu vermutenden Ineffizienzen der her­ kömmlichen Fortschreibungsbudgetierung entgegenzuwirken. Zur Eindämmung des Sperrklinkeneffekts wurde in japanischen Unternehmen das sogenannte Kaizen Budgeting entwickelt, das im Rahmen der Budgetfortschrei­ bung die Budgets in der Annahme von Lern- und Erfahrungskurveneffekten um einen bestimmten Prozentsatz kürzt. Dabei wird den zu budgetierenden Entscheidungsein­ heiten bewusst nicht vorgegeben, wie die Kürzung (bei unverändertem Leistungsni­ veau) im Einzelnen realisiert werden kann. Damit soll die dezentrale Kompetenz der Mitarbeiter hinsichtlich der realisierbaren Kostensenkungspotenziale ausgeschöpft werden (vgl. Rickards 2007: 126ff). Einen noch weitergehenden Verbesserungsansatz bietet die Gemeinkostenwertanalyse: Im Rahmen dieser Methode wird der Res­ sourceneinsatz systematisch hinterfragt und auf kostengünstigere Lösungen geprüft. Analog zur Methode der Wertanalyse wird auch bei der Gemeinkostenwertanalyse das Verhältnis von Kosten und Nutzen jeder gemeinkostenverursachenden Leistung untersucht. Ziel ist hier also nicht primär eine operative Budgetierung einer Ent­ scheidungseinheit, sondern das systematische Suchen und Auffinden effizienterer Ressourceneinsätze und -verwendungen (vgl. Küpper et al. 2013: 449f). Insofern ist diese Methode hier von nur untergeordneter Bedeutung. Darüber hinaus beinhaltet diese Methodik die Gefahr, als sogenannte „Rasenmähermethode“ (Rieg 2015: 47) in den Budgetierungseinheiten auf erhebliche Akzeptanzprobleme zu stoßen (vgl. Troß­ mann 2018: 208f). Zudem ist der ressourcenseitige Grenznutzen der Methode umso geringer, je häufiger sie eingesetzt wird – und insbesondere dann nicht mehr gegeben, wenn sie periodisch eingesetzt wird (vgl. Joos-Sachse 2006: 276). Um den stabilen Charakter der Fortschreibungsbudgetierung mit ihren Vorteilen weiterhin nutzen zu können, aber die mangelnde Anpassungsfähigkeit solcher Bud­ gets an sich ändernde Umstände in der Planungsperiode zu reduzieren, werden ver­ schiedene Flexibilisierungsansätze vorgeschlagen. Eine flexible Fortschreibungs­ budgetierung berücksichtigt bereits zum Zeitpunkt der Budgeterstellung mögliche alternative Verläufe der Geschäftstätigkeiten und integriert Entscheidungen, die un­ ter bestimmten Bedingungen ausgelöst werden (vgl. Rollberg 2012: 188ff). Die flexible Fortschreibungsbudgetierung erlaubt damit eine schnellere Anpassung an Umweltund Unternehmensveränderungen. Folgende drei Ansätze stehen grundsätzlich zur Disposition (vgl. Rieg 2015: 125f): 1. Anpassung des (übergeordneten) Planungssystems: Eine Verkürzung der Budgetzeiträume und – damit direkt verbunden – ein häufigerer Durchlauf des Budgetierungsprozesses erhöht zwar den Aufwand für den Budgetierungspro­

182 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

2.

3.

zess pro Periode, zieht aber die Budgetentscheidung näher an den zu regeln­ den Aufgabenanforderungsbereich. Je kürzer die Prognosezeiträume über den zu erwartenden Ressourceneinsatz, desto besser die Informationslage und um­ so höher die Prognosegenauigkeit. Die Fortschreibungsbudgetierung kann somit hinsichtlich der vorzugebenden Budgetwerte präzisiert werden. Je ungenauer das Lagebild über die zu budgetierende Einheit, desto robuster müssen die Budget­ vorgaben gestaltet sein, um auch bei unterschiedlichen Situationsentwicklungen noch zielkonform auszufallen. Fortschreibungsbudgetierung mit Sicherheitsreserven: Um ressourcenseitig fle­ xibel auf veränderte Anforderungen reagieren zu können, bietet sich auch die Bevorratung von Budgetreserven an. Solche Budgetreserven können in der Be­ vorratung von Kapazitäts- und/oder Lagerbestandsreserven bestehen, aber auch quantitative und qualitative Personalreserven umfassen. So kann der Einsatz von Mitarbeitern mit einem relativ breiten Qualifikations- und Erfahrungsspektrum eine flexible Anpassung an veränderte Situationsbedingungen im Planungszeit­ raum ohne Budgetanpassung ermöglichen. Allerdings stehen solche Sicherheits­ reserven, die letztlich Budgetüberhänge herbeiführen, im Widerspruch mit dem betriebswirtschaftlichen Postulat einer möglichst minimalen Kapitalbindung, so wie es auch z. B. im Just-in-Time- oder Kanban-Konzept zum Ausdruck kommt. Fortschreibungsbudgetierung auf Basis einer Eventualplanung: Bereits zum Zeitpunkt der Budgeterstellung werden mehrere unterschiedliche Budgets her­ ausgearbeitet, die auf unterschiedlichen Planungsprämissen basieren. Bei der Budgetverabschiedung wählt man dann jenes, das den aktuellen Planungsprä­ missen am ehesten entsprechen kann. Die Erstellung mehrfacher Budgets er­ fordert zwar einen höheren Planungsaufwand, kann aber den Vorteil bieten, alternative Entwicklungen in dem zu verabschiedenden Budget berücksichtigen zu können.

Die wichtigste Form der Eventualplanung stellt die in der strategischen Planung zu verortende Szenarioplanung dar. Sie soll dazu dienen, sich im Rahmen der Bud­ geterstellung von einer zu engen Anlehnung an eine Trendfortschreibung von Ver­ gangenheitswerten zu lösen und den Blick für Chancen und Risiken der Budgetfort­ schreibung zu öffnen. In der Anwendungspraxis beschränkt man sich aus Gründen der Praktikabilität und unter der Hinnahme des Risikos, relevante Szenarien auszu­ blenden, meist auf wenige (i. d. R. drei) Szenarien. Ein Ausgangsszenario stellt als sogenanntes Trendszenario dabei regelmäßig die wertmäßige Fortschreibung der bisherigen Entwicklung dar, das um ein nach bisherigen Ermessen Worst- und ein Best-Case-Szenario ergänzt wird (vgl. Rieg 2015: 126f; vgl. Jung 2014a: 328ff). Die zu antizipierenden Ausprägungen zukünftiger Planungsperioden sind im We­ sentlichen von der Wahl der spezifischen Parameter und Prämissen des budgetbe­ gründenden Szenarios abhängig. Dies kann u. U. dazu missbraucht werden, die eigene Position im Budgetierungsprozess zu untermauern bzw. die anderer zu unterminie­

2 Traditionelle Budgeterstellung | 183

ren (vgl. Rieg 2015: 129). Eine flexible Fortschreibung kann jedoch helfen, frühzeitig verschiedene Zukunftsoptionen transparenter zu gestalten und in die fortschreiben­ de Budgetgestaltung zu integrieren. Demgegenüber steht die Gefahr, dass der Auf­ wand für die Budgeterstellung durch zu viele Szenarien ein unangemessenes Ausmaß annimmt. Daneben kann die flexible Anpassung an die jeweils aktuellen Gegeben­ heiten, also an die konkrete Markt-, Wettbewerbs- und Unternehmenssituation, eine unzureichende Verbindlichkeit des fortgeschriebenen Budgets suggerieren, unter der wiederum die Koordinationsfunktion der Budgetierung zumindest leiden könnte. Die Fortschreibungsbudgetierung büßt damit zumindest teilweise ihre hohen praktischen Anwendungswerte ein.

2.1.2 Outputorientierte Budgeterstellung Bei den outputorientierten Verfahren setzt die Budgetbildung direkt an der zu er­ bringenden Leistung an. Im Unterschied zu den wertanalytischen Verfahren wie dem Kaizen Budgeting oder der Gemeinkostenwertanalyse liegt hier die leitende Intenti­ on allerdings nicht in der Identifikation von Kosteneinsparpotenzialen (vgl. Küpper et al. 2013: 452f; vgl. Joos-Sachse 2006: 289). Vielmehr liegen die leitenden Fragen in denen nach dem „richtigen“ Leistungsbündel und nach den hierfür zwingend not­ wendigen Kosteneinsätzen. Outputorientierte Verfahren stellen damit auf die grund­ sätzliche Veränderbarkeit der Leistungen und der hierfür notwendigen Kosten sowie auf leistungsbezogene Budgetbegründungen ab (vgl. Amann, Petzold 2014: 146). Das in Theorie und Anwendungspraxis am weitesten verbreitete Instrument ist das soge­ nannte Zero-Base-Budgeting. Dieses Verfahren soll der klassischen Planfortschrei­ bung entgegenwirken, indem vergangene Daten und vergangene Aktivitäten erst gar nicht in die Budgeterstellung einbezogen werden. Das Zero-Base-Budgeting wurde von Phyrr für das US-amerikanische Unterneh­ men Texas Instruments entwickelt und ist als Analyse- und Planungsprozess zu ver­ stehen, der das Budget ausgehend vom Wert Null vollständig neu begründet (vgl. Pyhrr 1970: 111ff). Der Lösungsansatz baut auf der Erkenntnis der Tendenz steigender Gemeinkostenanteile an den Gesamtkosten sowie auf der Tatsache auf, dass Ge­ meinkostenleistungen einen wichtigen Teil der Gesamtleistung des Unternehmens darstellen. Ähnlich wie bei den analytischen Verfahren bildet also die Nullbasis den Ausgangspunkt: Vergangene Budgetansätze werden allerdings nicht nur kritisch analysiert und hinterfragt; wie der Begriff „Zero-Base“ andeutet, wird hier das Unter­ nehmen mit seinem Gesamtbudget und bereichsweise mit den Teilbudgets von Grund auf neu gestaltet – als ob es bisher gar nicht existierte. Bei der Budgetaufstellung werden die Denkansätze der Wertanalyse und der Kosten-Nutzen-Analyse explizit berücksichtigt (vgl. Horváth et al. 2015: 136ff). Faktisch wird geprüft, welche qualita­ tiven und quantitativen Leistungsbündel erforderlich wären, um eine Neugründung des Unternehmens zu ermöglichen (vgl. Schroeter 2002: 224ff).

184 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Mit dem Zero-Base-Budgeting wird zunächst rekonstruiert, welche Ziele durch das Unternehmen zu verfolgen sind und welche Leistungen hierfür erforderlich sind (vgl. Küpper et al. 2013: 454). Die Budgets der Leistungen hängen dann u. a. davon ab, mit welchem Leistungsniveau und welcher Leistungsqualität die Leistungen erbracht wer­ den sollen. Ordnet man dann diese Leistungen und die benötigten Budgets in eine Rangfolge, wird im Vergleich zum verfügbaren Gesamtbudget erkennbar, welche Leis­ tungen realisierbar sind – und welche nicht (mehr). Diese Trennlinie wird durch die sogenannte Budgetschnittlinie gekennzeichnet (vgl. Schroeter 2002: 233ff). Das Ziel des Zero-Base-Budgeting liegt damit primär in der Anpassung der Budgets an die strategischen und operativen Ziele des Unternehmens. Damit soll vermieden werden, dass Ineffizienzen über eine Fortschreibungsbudgetierung in zukünftige Perioden un­ reflektiert transportiert werden (vgl. Amann, Petzold 2014: 145). Aus der grundlegen­ den Herangehensweise wird deutlich, dass das Zero-Base-Budgeting als relativ auf­ wändiges Verfahren eher als strategisches und aperiodisches Budgetierungsverfahren einsetzbar erscheint (vgl. Joos 2014: 351; vgl. Troßmann 2018: 214ff; vgl. Horváth et al. 2015: 139ff). Hinsichtlich der Frage, an welcher Stelle der Budgetschnitt erfolgen soll­ te, bietet das Zero-Base-Budgeting-Instrument jedoch keine weitere Hilfestellung (vgl. Joos-Sachse 2006: 287). Das zentrale Problem dieses Verfahrens wird – neben dem hohen Aufwand – vor­ rangig darin zu sehen sein, zu einer durch alle Führungskräfte eines Unternehmens akzeptierten Rangfolge der Leistungen eines Unternehmens zu gelangen (vgl. Amann, Petzold 2014: 146). Aus Gründen der Praktikabilität wird eine Kompromisslösung be­ züglich der Rangfolge der Leistungen und der zuzuordnenden Budgets kaum zu ver­ meiden sein – was den zentralen Nachteil der Fortschreibungsbudgetierung, nämlich die Beförderung von Ineffizienzen, wiederum nicht zwingend ausräumt. Gleichwohl kann das grundsätzliche Überdenken der Budgetsachverhalte – ähnlich wie die sze­ nariogestützte Budgetfortschreibung – den Blick auf grundlegende Belange des Un­ ternehmens lenken und bei der Anpassung an die Markt-, Wettbewerbs- und Unter­ nehmenssituation helfen (vgl. Troßmann 2018: 217f).

2.2 Problemorientierte Budgeterstellung Die Basis einer problemorientierten Budgeterstellung bildet die Prognose und Pla­ nung des Absatzprogramms, der Absatzmengen (vgl. Rickards 2007: 78ff) sowie der Umsatzerlöse (vgl. Weber, Schäffer 2016: 306; vgl. Horváth et al. 2015: 131). Auf Grund­ lage einer Planbeschäftigung ist eine Leistungs- und Kostenplanung für den Materialund Fertigungsbereich zu entwickeln (vgl. Küpper et al. 2013: 439ff). Die Bestimmung des Materialbedarfs erfolgt über programmgebundene Methoden (vgl. Rickards 2007: 69ff). Fertigungs- und Beschaffungsbudgets werden demzufolge durch Absatzmengen determiniert und sind infolgedessen outputorientierte Teilbudgets (vgl. Rieg 2009: 168, Rieg 2015: 45).

2 Traditionelle Budgeterstellung | 185

2.2.1 Grundlagen der Plankostenrechnung Die Instrumente der Kostenplanung sind die am weitesten entwickelten Instrumen­ te der problemorientierten Budgeterstellung (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 255ff). Unter Zuhilfenahme unterschiedlicher kostenrechnerischer Verfahren der internen Unternehmensrechnung, wie denen der Plankostenrechnung und der Grenzplankos­ tenrechnung, lassen sich Kosteneinsätze – insbesondere Gemeinkosteneinsätze – für (Haupt-)Kostenstellen in den Bereichen Absatz, Produktion und Beschaffung sowie etwas weniger exakt in den Verwaltungskostenstellen planen (vgl. auch Rieg 2015: 46, siehe Abbildung C2.2).

Gesamtbudget

beinhaltet

Produktionskostenbudget

Vertriebskostenbudget

Verwaltungskostenbudget

weitere Budgets

Einzelkostenbudgets (Fertigungsmaterial/ Fertigungslohn)

Gemeinkostenbudgets Abb. C2.2: Bereiche problemorientierter Budgetermittlung (in Anlehnung an Ewert, Wagenho­ fer 2014: 405).

In den folgenden Darstellungen soll zunächst die Budgeterstellung im Produktions­ bereich im Mittelpunkt stehen, da hier der klassische Einsatzbereich der genannten Rechnungssysteme zu finden ist (vgl. Küpper et al. 2013: 441ff). Die Ergänzung um ei­ ne prozessbezogene Kostenplanung mittels einer Prozesskostenrechnung kann dabei zu einer Erhöhung der Planungspräzision beitragen (siehe hierzu Teil C, Kapitel 4). Die Aufgaben der Steuerung und Kontrolle von Kosten in Kostenstellen im Pro­ duktionsbereich werden im Wesentlichen durch Normal- und Plankostenrechnungen wahrgenommen. Während die Normalkostenrechnungen vergangenheits- und kon­ trollorientiert ausgerichtet sind, zeichnen sich die Plankostenrechnungen durch eine stärker zukunftsorientierte und damit budgetierungsbezogene Gestaltung aus. Bei­ de Rechnungssysteme sind als Systeme der Vollkostenrechnung ausgerichtet und bauen direkt auf den Ergebnissen der Kostenstellenrechnung auf, zumal sie sich an die Struktur des Betriebsabrechnungsbogens anlehnen (vgl. Haberstock, Breithe­ cker 2008a: 174ff).

186 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Mit der Verwendung vergangenheitsbezogener Referenzgrößen wollen die Nor­ malkostenrechnungen die unzureichenden Möglichkeiten der Kostenkontrolle in der Istkostenrechnung ausräumen (vgl. Haberstock, Breithecker 2008a: 174f). Die primären Ziele der Plankostenrechnungen hingegen liegen in der Vorgabe von Kosteneinsätzen in Kostenstellen auf der Grundlage fester Planpreise (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 643ff). Damit lässt sich zugleich die Kostenkontrolle der Normal­ kostenrechnungen präzisieren, da mit der Verwendung von Planpreisen mögliche Preisabweichungen herausgefiltert werden können. Hierbei wird mit unterschied­ lichen Systemen der Plankostenrechnung operiert. Historisch betrachtet steht am Beginn der Entwicklung die starre Plankostenrechnung, die die einfachste Form dar­ stellt. Später wurde diese zur flexiblen Plankostenrechnung verfeinert, und zwar zu­ nächst als Vollkostenrechnung und zuletzt als Teilkostenrechnung (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 255ff; vgl. Haberstock, Breithecker 2008b: 9ff). Grundsätzlich sind in der Plankostenrechnung die gleichen Überlegungen anzustellen wie in der Istkostenrech­ nung. Es ist auch hier zwischen den Stufen der Kostenarten-, der Kostenstellen- und der Kostenträgerrechnung zu differenzieren. Ebenso wie bei der Istkostenrechnung werden die Einzelkosten nach Kostenträgern und die Gemeinkosten nach Kostenstel­ len bestimmt (vgl. Joos 2014: 265). Lediglich hinsichtlich des Zeitbezugs der Kosten liegen erhebliche Unterschiede vor: Die Plankostenrechnung ist ein Verfahren, bei dem im Voraus bestimmte und bei planmäßigem Betriebsablauf als erreichbar ange­ sehene Plankosten vorgegeben und später mit den tatsächlich angefallenen Kosten verglichen werden. Plankosten haben Vorgabecharakter und sind somit zukunftsori­ entiert. Basis ihrer Festlegung ist ein angestrebter optimaler Betriebsablauf. Die Voraussetzungen einer solchen Kostenplanung ist die Einteilung des Be­ triebs in Kostenstellen und die Auswahl von kostenbeeinflussenden Bezugsgrößen (vgl. Haberstock, Breithecker 2008b: 258ff). Die Beschäftigung in den Kostenstellen wird in der Plankostenrechnung als wichtigster Einflussfaktor der Kostenverursa­ chung angenommen. Sie bezeichnet die während einer Abrechnungsperiode realisier­ te oder noch zu realisierende Leistung. Dabei ist die Beschäftigung als zentrale Kosten­ einflussgröße durch verschiedene Bezugsgrößen, wie beispielsweise Fertigungs- oder Maschinenzeiten, Rüstzeiten, oder Durchsatzgewichte zu präzisieren. Diese müssen zu den Kostenarten in einer möglichst proportionalen Beziehung stehen. Häufig sind aber gleichzeitig mehrere unterschiedliche Kostenbestimmungsfaktoren messbar (so sind z. B. wechselnde Losgrößen nicht durch eine einzige Bezugsgröße abbildbar). Für die Kostenplanung sind dann mehrere Bezugsgrößen pro Kostenstelle notwen­ dig (vgl. Joos 2014: 279ff). Sofern die Festlegung solcher Bezugsgrößen in einigen Kostenverursachungsbereichen problematisch sein sollte, da sich deren Leistungen zumindest nicht in herkömmlichen Formen quantifizieren lassen, wäre der Anlass gegeben, eine prozessorientierte Budgetierung in Erwägung zu ziehen (siehe hierzu Teil C, Kapitel 4). Ausgehend von der Bezugsgröße bzw. den Bezugsgrößen sind auf der Basis physi­ kalisch-technischer Zusammenhänge, statistischer Regressionsanalysen empirischen

2 Traditionelle Budgeterstellung | 187

Daten sowie analytischer Erkenntnisse funktionale Kostenzusammenhänge mit einer oder mehreren Variablen zu entwickeln. Es sind für sämtliche Kostenstellen die Plan­ beschäftigungen festzulegen, die sich an den festgelegten Bezugsgrößen orientieren. Zudem sind für alle einzusetzenden Produktionsfaktoren Planpreise festzulegen. Die Einzelkosten sind aufgrund ihrer direkten Zurechenbarkeit auf die Kostenträger i. d. R. je Kostenträger, die Gemeinkosten hingegen je Kostenstelle zu planen (vgl. Ewert, Wa­ genhofer 2014: 642). Diese Kostenplanung kann sich auf folgende Planungsgrundla­ gen beziehen (vgl. Eberlein 2010: 344): – betriebliche Daten für die Leistungserstellung, die zur Berechnung von Planver­ brauchsmengen oder Verbrauchsfunktionen dienen können – Probeläufe und Musterproduktionen – Vergangenheits- und Erfahrungswerte – Schätzungen – aggregierte Informationsgrundlagen, wie z. B. Verbrauchskennzahlen. Die zu planenden Einzelkosten lassen sich dann durch Multiplikation der Planpreise mit den direkt den Kostenträgern zurechenbaren Planverbrauchsmengen ermitteln. Damit ergeben sich die Planeinzelkosten wie folgt (vgl. auch Ewert, Wagenhofer 2014: 644ff und Joos 2014: 267): Planeinzelkosten (Einsatzfaktor) = Planpreis pP ⋅ Planmenge xP Die zu planenden Gemeinkosten erhält man analog durch Multiplikation der Plan­ preise mit den Planverbrauchsmengen, die nicht direkt den einzelnen Kostenträgern zurechenbar sind, sondern zuvor über die Kostenstellenrechnung verteilt werden (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 649ff). Die im Rahmen der Plankostenrechnungen (in der Vollkostenvariante) erfolgende Budgetplanung für Kostenstellen ermittelt die Plankosten i. d. R. nur hinsichtlich der Gemeinkosten. Es werden also Gemeinkos­ tenbudgets vorgegeben, da sich die zu planenden Einzelkosten direkt den Kostenträ­ gern zurechnen lassen. Auch die Abweichungsanalyse (Ermittlung von Budgetabwei­ chungen, siehe Teil C, Kapitel 3.2) bezieht sich somit lediglich auf ein vorgegebenes Gemeinkostenbudget. Bei der Festlegung der Planungsdetailliertheit offenbart sich ein grundlegendes Dilemma: Je höher die Planungspräzision (und damit später auch der Informati­ onsgehalt der Abweichungsanalyse), desto höher fällt der Planungsaufwand aus. Im Interesse eines Ausgleichs zwischen Planungspräzision und Planungsaufwand wird empfohlen, die Anzahl der zu planenden Gemeinkostenarten durch Gruppenbildung oder auch durch Vernachlässigung zu reduzieren, zumal sich in der betrieblichen Praxis erkennen lässt, dass ein relativ geringer Anteil der Kostenarten einen relativ hohen wertmäßigen Kostenanteil determiniert (vgl. Rieg 2015: 87f). Auf Basis der Plankostenermittlung kann entweder eine starre oder eine flexible Budgetplanung erfolgen (vgl. Deimel et al. 2013: 91). In diesem Kontext zeichnen sich flexible Budgets im Unterschied zu den starren Budgets durch den Vorzug aus, dass sie kostenrechne­

188 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

risch einer Anpassung an veränderten Beschäftigungen unterzogen werden können (vgl. Fischer et al. 2015: 434ff).

2.2.2 Starre Budgetplanung In der starren Budgetplanung werden für jede Kostenstelle die zu planenden Ge­ meinkosten (KoSt.-Plankosten Kp ) lediglich für einen einzigen, konstant gehaltenen Beschäftigungsgrad, nämlich für die Planbeschäftigung, ermittelt. Unter der Plan­ beschäftigung Bp ist die geplante, vorgegebene Beschäftigung einer Kostenstelle für einen zuvor festgelegten Zeitraum zu verstehen. Die Höhe der Planbeschäftigung kann sich an der Kapazität (dem technisch-organisatorischen Leistungsvermögen in einem bestimmten Zeitabschnitt) orientieren, kann sich aber auch an der voraussichtlich maximal erreichbaren Beschäftigung, an einer Engpassstelle, oder an angepassten Erwartungswerten orientieren (vgl. Joos 2014: 280). In allen Fällen ist für jede Kos­ tenstelle mindestens eine Planbezugsgröße festzulegen. Die Istbeschäftigung Bi hingegen bezeichnet die gemessene, tatsächliche Beschäftigung einer Kostenstelle während einer Abrechnungsperiode. Die starre Plankostenrechnung nimmt keine Umrechnung der Plankosten auf die jeweilige Istbeschäftigung vor, d. h. sie kennt im Unterschied zur flexiblen Plankostenrechnung keine sogenannten Sollkosten. Sämt­ liche andere Größen, die auf die geplante Kostenhöhe einen Einfluss haben (z. B. Produktionsverfahren, Seriengröße, Intensitäten und Werkstoffqualitäten), bleiben unverändert – also starr (vgl. Joos 2014: 266). Der Maßstab für die Beschäftigung ist der Beschäftigungsgrad b. Diesen erhält man durch Division der eingesetzten Kapazität durch die vorgehaltene Kapazität (in Anlehnung an Haberstock, Breithecker 2008a: 31ff): Beschäftigungsgrad b =

eingesetzte Kapazität ⋅ 100 % vorhandene Kapazität

Die Höhe des Beschäftigungsgrads hängt von den kapazitätsbegrenzenden Engpässen ab, wie z. B. (vgl. Haberstock, Breithecker 2008b: 35ff) – den technischen Anlagen und Maschinen des Betriebs und den zur Verfügung ste­ henden Materialien, – den verfügbaren Arbeitskräften und ihrer Produktivität, – der Organisation des Betriebs und des Fertigungsablaufs. Die KoSt.-Plankosten Kp sind Kosten, bei denen die Mengen und Preise der für eine geplante Beschäftigung benötigten Produktionsfaktoren ebenfalls geplante Größen sind. Plankosten sind also geplante Gesamtkosten der Planperiode bei Planbeschäf­ tigung. Sie haben Vorgabecharakter. Um die Preisschwankungen bei den benötigten Produktionsfaktoren zu neutralisieren, werden bei der Ermittlung der Istkosten die Istmengen mit geplanten Verrechnungspreisen bewertet, die während der Planungs­ periode nur in Ausnahmefällen geändert werden sollten. Die sich bei der späteren

2 Traditionelle Budgeterstellung

| 189

Analyse ergebenden Kostenabweichungen enthalten daher keine Preisabweichungen. Die Istkosten Ki der Plankostenrechnung sind im Unterschied zur Istkostenrechnung also Kosten, bei denen das Mengengerüst auf Istgrößen und das Preisgerüst auf Plan­ größen basiert (vgl. Haberstock, Breithecker 2008b: 260): Istkosten Ki (Istkostenrechnung) = Istpreis Pi ⋅ Istmenge xi Istkosten Ki (Plankostenrechnung) = Planpreis Pp ⋅ Istmenge xi Den Plankostenverrechnungssatz PKVS (Plankalkulationssatz) einer Kostenstelle erhält man, indem man die zu planenden Gemeinkosten einer Kostenstelle durch die Planbeschäftigung dividiert. Dieser entspricht bei der starren Plankostenrechnung ei­ nem Vollkostensatz, da keine Trennung zwischen variablen und fixen Kosten vorge­ nommen wird (vgl. Joos 2014: 267): Plankostenverrechungssatz PKVS (Vollkostensatz) =

KoSt.-Plankosten KP Planbeschäftigung BP

Dieser Plankalkulationssatz einer Kostenstelle bezeichnet somit den zu planenden Gemeinkosteneinsatz in Bezug auf eine Beschäftigungseinheit. Die starre Budgeter­ stellung wird mit der Ermittlung der Planeinzelkosten und der Planbeschäftigung an­ hand des nachfolgenden Beispiels für eine Fertigungshauptkostenstelle dargestellt (die Ermittlung der Plangemeinkosten erfolgt in Anlehnung an dieses Beispiel in Teil C, Kapitel 2.2.3). Bei der Cycle GmbH wird der Fertigungsbereich gemäß Kostenstellen­ plan aus der Kostenstellenrechnung mit vier Hauptkostenstellen und mit folgenden Maximal- und Normalbeschäftigungen erfasst: Kapazität

KoSt. I

KoSt. II

KoSt. III

KoSt. IV

maximale Kapazität [LE] Normalkapazität [LE]

2.800 2.800

3.300 3.000

2.950 2.800

3.000 2.000

In der Kostenarten- und Kostenstellenrechnung für das Jahr 2015 wurden für die Fer­ tigungshauptkostenstelle IV (Montage) bei einer Ausbringung von 2.000 LE und bei einer Beschäftigung von 1.000 Maschinenstunden folgende Kostenarten mit den fol­ genden Kosteneinsätzen ausgewiesen: Gemeinkostenart Energiekosten kalkulatorische Abschreibungen Wartung/Reparatur Gehälter Sozialkosten allgemeine Bürokosten ∑ Gk

∑ [€] 30.000 10.000 8.000 40.000 20.000 3.600 111.600

Einzelkostenart

∑ [€]

Fertigungslöhne Fertigungsmaterial

52.000 196.000

∑ Ek

248.000

190 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Es werden zunächst auf der Grundlage einer kapazitätsorientierten und einer engpass­ orientierten Planung die Planeinzelkosten bestimmt. Für die kapazitätsorientierte Pla­ nung wird als Bezugsgröße die maximale Kapazität der KoSt. IV (3.000 LE) herangezo­ gen. Die engpassorientierte Planung richtet sich an dem Kapazitätsengpass des Ferti­ gungsbereichs aus, also an der maximalen Kapazität der Engpass-KoSt. I (2.800 LE). Planeinzelkosten sind als die direkt den Kostenträgern zurechenbare Planverbräuche auf die geplanten Leistungsmengen umzurechnen. Den Kostenstellen-Plankosten als zu planende Gemeinkosten fehlt diese direkte Zurechenbarkeit, weshalb sie über ei­ nen zu bildenden Stundensatz hochgerechnet werden müssen. Hierzu ist zunächst die Planbeschäftigung zu ermitteln, die hier – einen proportionalen Zusammenhang unterstellend – mithilfe eines Stundenfaktors pro Leistungseinheit generiert wird: Daten

kapazitätsbezogene Planung

engpassbezogene Planung

Planbezugsgröße

3.000 LE

2.800 LE

Planeinzelkosten Fertigungslöhne Fertigungsmaterial Summe

78.000 € 294.000 € 372.000 €

72.800 € 274.400 € 347.200 €

Planbeschäftigung B P 1.500 Std. bei 0,5 Std./LE

1.400 Std.

Die so ermittelte Planbeschäftigung stellt nun die Grundlage für die Ermittlung der zu planenden Gemeinkosten in dieser Kostenstelle dar (siehe Fortführung dieses Bei­ spiels in Teil C, Kapitel 2.2.3).

2.2.3 Flexible Budgetplanung Im Rahmen der flexiblen Budgetplanung (auf Basis der flexiblen Plankostenrechnung als Vollkostenrechnung) ist – getrennt für jede Kostenart und für jede Kostenstelle – der Plankosteneinsatz durch die Planbeschäftigung zu dividieren. Damit erhält man den Plankalkulationssatz auf Vollkostenbasis für jede Kostenart und für jede Kosten­ stelle. Für Zwecke der Kostenkontrolle werden die Plankostenarten kostenstellenweise in fixe und variable Kosten aufgespaltet, sodass eine aussagefähige Kostenkontrolle auf Kostenstellenebene möglich wird. Beim Übergang von der Kostenstellenrech­ nung zur Kostenträgerstückrechnung wird jedoch jeder Kostenträger mit Vollkosten belastet, d. h. mit verrechneten Plankosten. Die Grundidee der flexiblen Plankosten­ rechnung ist in der Kostenaufspaltung zu sehen, d. h. in der Auflösung der Kostenein­ sätze bei den Gemeinkostenarten in die fixen und variablen Bestandteile (vgl. Haber­ stock, Breithecker 2008b: 16). Im Rahmen der Gemeinkostenplanung wird zunächst unter der Annahme struk­ tureller Konstanz der variable Anteil der Kostenstellen-Plankosten ermittelt (vgl. Joos

2 Traditionelle Budgeterstellung |

191

2014: 267ff und Haberstock, Breithecker 2008b: 260ff): KoSt.-Plankosten (var.) KPv =

∑ variable Gemeinkosten ⋅ Planbeschäftigung Bp Istbeschäftigung Bi

Die gesamten Kostenstellen-Plankosten ergeben sich dann aus der Addition der zu planenden variablen und der zu planenden fixen Gemeinkosten (vgl. Joos 2014: 267ff und Haberstock, Breithecker 2008b: 260ff): KoSt.-Plankosten KP = fixe Plankosten KPf + variable Plankosten KPv Der Plankostenverrechnungssatz wird in der flexiblen Plankostenrechnung nicht mehr als Vollkostensatz, sondern nunmehr als Teilkostensatz definiert (vgl. Joos 2014: 267ff und Haberstock, Breithecker 2008b: 260ff): Plankostenverrechungssatz PKVSvar (Teilkostensatz) =

KoSt.-Plankosten KPv Planbeschäftigung BP

Dadurch wird es möglich, periodisch für unterschiedliche Istbeschäftigungsgrade die entsprechenden Kostenstellen-Plankosten in der Form von Sollkosten zu ermitteln, um diese im Rahmen einer Abweichungsanalyse den Istkosten gegenüberstellen zu können (vgl. Joos 2014: 267ff und Haberstock, Breithecker 2008b: 260ff): Sollkosten KS =

variable Plankosten KPv ⋅ Istbeschäftigung Bi + fixe Plankosten KPf Planbeschäftigung BP

Sollkosten KS = PKVSvar ⋅ Bi + KPf Diese flexible Budgeterstellung wird mit der Ermittlung der Kostenstellen-Plankosten durch die Fortführung des Beispiels aus Teil C, Kapitel 2.2.2 dargestellt. In der Fertigungshauptkostenstelle IV (Montage) wurde im Jahr 2015 (bei einer Ausbringung von 2.000 LE und einer Beschäftigung von 1.000 Maschinenstunden) für alle Gemeinkostenarten eine Reagibilitätsuntersuchung durchgeführt. Die ermittelten Reagibilitätsgrade führten im Rahmen einer direkten Kostenauflösung zu den folgen­ den fixen und variablen Kostenbestandteilen bei den Gemeinkosten: Gemeinkostenart

R [%]

Energiekosten kalkulatorische Abschreibungen Wartung/Reparatur Gehälter Sozialkosten allgemeine Bürokosten

93,34 0 75 0 0 55,56

∑ Gk

∑ [€]

fixe Gemeinkosten [€]

variable Gemeinkosten [€]

30.000 10.000

2.000 10.000

28.000 0

8.000 40.000 20.000 3.600

2.000 40.000 20.000 1.600

6.000 0 0 2.000

111.600

75.600

36.000

Ausgehend von einer kapazitätsorientierten und einer engpassorientierten Planung gelangt man bezüglich der beiden Planbeschäftigungen zu den nachfolgend aufge­ führten Kostenstellen-Plankosten mit den jeweiligen variablen und fixen Plankosten­ anteilen:

192 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Daten

kapazitätsbezogene Planung

engpassbezogene Planung

Planbezugsgröße Planbeschäftigung B P bei 0,5 Std./LE fixe Plankosten K Pf variable Plankosten K Pv KoSt.-Plankosten K P PKVS

3.000 LE 1.500 Std.

2.800 LE 1.400 Std.

75.600 € 54.000 € 129.600 € 86,40 €/Std.

75.600 € 50.400 € 126.000 € 90,00 €/Std.

Die Unterschiedlichkeit der Plankostenverrechnungssätze (als Vollkostensätze) geht allein auf die Verteilung konstanter fixer Plankosten (die als absolut-fix interpretiert werden) auf unterschiedliche Planbeschäftigungen zurück. Die so ermittelten Kosten­ stellen-Plankosten stellen als flexible Budgetansätze für die Fertigungshauptkosten­ stelle IV die Grundlage für eine Abweichungsanalyse in dieser Kostenstelle dar (siehe hierzu die Fortführung dieses Beispiels in Teil C, Kapitel 3.2.1).

2.3 Übungsaufgaben Aufgabe 1 Die Cycle GmbH ist ein mittelständischer Industriebetrieb, der sich auf die auftragsbe­ zogene Fertigung von E-Bikes spezialisiert hat. Das Geschäftsjahr des Unternehmens entspricht dem Kalenderjahr. Für die Cycle GmbH soll das Budget für das kommen­ de Geschäftsjahr nach dem Ex-post-plus-Verfahren fortgeschrieben werden. Folgende Daten sind hierbei heranzuziehen: – Ausgaben des laufenden Geschäftsjahrs: 80 M€ – geplante Ausgaben für das kommende Geschäftsjahr: 5.952 T€ – reales Wachstum 3 %, Inflationsrate 2 % Ermitteln Sie das Budget und nehmen Sie zu dieser Budgetierungsform kritisch Stel­ lung. Aufgabe 2 In der Fertigungshauptkostenstelle I (Vormontage) der Cycle GmbH werden im Quar­ tal 3/2015 bei einer Beschäftigung von 2.200 Std. im Rahmen der Plankostenrechnung folgende Istfertigungsgemeinkosten ermittelt: ∑ Gk [€]

fixer Anteil [€]

variabler Anteil [€]

191.000

75.000

116.000

2 Traditionelle Budgeterstellung | 193

Ermitteln Sie die Kostenstellen-Plankosten für die für das Quartal 4/2015 erwartete Planbeschäftigung in Höhe von 2.400 Std. Berechnen Sie die Sollkosten für eine Ab­ weichung um ±10 %, und den Plankostenverrechnungssatz. Aufgabe 3 In der Fertigungshauptkostenstelle VI (Endmontage) der Cycle GmbH wird für das Quartal 4/2015 bei einer Ausbringung von 2.750 LE und einer entsprechenden Beschäf­ tigung von 550 Std. für die Fertigungsgemeinkosten eine Kostenauflösung mit den fol­ genden Ergebnissen durchgeführt: Gemeinkostenart Hilfsstoffe Betriebsstoffe kalkulatorische Abschreibungen Gehälter/Sozialkosten allgemeine Bürokosten Hilfslöhne Wartung/Instandhaltung ∑ Gk

∑ [€]

fixer Anteil [€]

variabler Anteil [€]

12.000 8.000 5.000 85.000 3.000 7.000 3.500

2.000 1.000 5.000 85.000 1.000 1.500 1.500

10.000 7.000 − − 2.000 5.500 2.000

123.500

97.000

26.500

Ermitteln Sie für die Fertigungshauptkostenstelle die Kostenstellen-Plankosten mit den fixen und variablen Anteilen für das Quartal 1/2016 auf der Grundlage a. einer kapazitätsorientierten Planung mit einer Ausbringungsmenge in Höhe von 3.000 LE, und b. einer engpassorientierten Planung mit einer Ausbringungsmenge in Höhe von 2.800 LE. Bestimmen Sie jeweils die Planbeschäftigungen und die zugehörigen Plankostenver­ rechnungssätze (PKVS).

3 Budgetkontrolle Die Gestaltung einer Abweichungsanalyse setzt zunächst zwei grundsätzliche Über­ legungen voraus: 1. In welcher Art und Weise ist das Bezugssystem für die Kontrolle zu gestalten? Hier ist vorab festzulegen, welche Bezugsbasis herangezogen und in welcher Art die Kontrolle durchgeführt wird (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 312ff; vgl. Weber et al. 2009: 32ff); 2. In welcher Weise sollen die Haupteinflussgrößen (Preis und Menge) mit ihren in­ terdependenten Wirkungen auf die Abweichungen im Rahmen der Abweichungs­ analyse berücksichtigt werden (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 314ff)?

3.1 Determinanten einer Abweichungsanalyse 3.1.1 Gestaltung des Bezugssystems Zunächst ist bei der Gestaltung des Bezugssystems zu entscheiden, ob eine Abwei­ chungsanalyse auf der Basis eines Voll- oder eines Teilkostenrechnungssystems erfolgen soll. Dies ist einerseits von den verfügbaren Systemen der internen Unter­ nehmensrechnung, andererseits vom Analyseobjekt abhängig (vgl. Joos 2014: 287 und 293; vgl. Egger, Winterheller 2007: 165ff): – Sofern die Abweichungsanalyse auf das Analyseobjekt „Kostenstelle“ zielt, bietet sich im Interesse der Vollständigkeit der Analyse die Verwendung von Daten aus der Vollkostenrechnung (mit der Differenzierung zwischen Einzel- und Gemein­ kosten) an (vgl. hierzu die Ausführungen in Teil C, Kapitel 3.2). – Konzentriert sich die Abweichungsanalyse auf das Analyseobjekt „Kostenträger“, bietet sich die Verwendung von Daten aus der Teilkostenrechnung (mit der Diffe­ renzierung zwischen variablen und fixen Kosten) an, um von vornherein einer die Analyse verfälschenden Fixkostenproportionalisierung entgegenzuwirken. Die Analysen auf Teilkostenbasis sind periodenbezogen auf die finanzielle Gesamt­ schau der Maßnahmen aller Unternehmensbereiche (Master Budget) ausgerichtet (vgl. Fischer et al. 2015: 432f). Eine Ausrichtung der Abweichungsanalyse auf das Analy­ seobjekt „Kostenträger“ bedeutet, dass auf einer ersten Stufe als Einflussgrößen der Periodendeckungsbeitrag und die auf die Abrechnungsperiode bezogenen Fixkosten in den Blick genommen werden (vgl. Rieg 2015: 89). Mit dem Einsatz einer mehrstu­ figen Deckungsbeitragsrechnung lassen sich sowohl die Deckungsbeiträge als auch die Fixkosten der unterschiedlichen Fixkostenschichten genauer analysieren (vgl. Eisl et al. 2012: 178ff). Die Analyse des Deckungsbeitrags ist grundsätzlich perioden- und leistungsartenbezogen möglich. Im Interesse einer möglichst differenzierten Abwei­ https://doi.org/10.1515/9783110439793-014

3 Budgetkontrolle | 195

chungsanalyse können die Deckungsbeiträge nicht nur für das Unternehmen insge­ samt, sondern auch differenziert für einzelne Kundengruppen, einzelne Marktregio­ nen oder auch ausgewählte Vertriebsorganisationen (oder auch auf der Basis einer mehrdimensionalen Deckungsbeitragsrechnung für ausgewählte Merkmalkombina­ tionen) erfolgen (vgl. Egger, Winterheller 2007: 118ff und 166ff). Meist werden die De­ ckungsbeitragsanalysen zur differenzierten Beurteilung der Kostenträger um Gewinn­ schwellenanalysen ergänzt (vgl. Prell-Leopoldseder 2011: 96ff). Hier steht allerdings weniger die Anreizwirkung, sondern vielmehr die sachliche Koordination im Vorder­ grund (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 404f). Aus diesem Grunde spielen Analysen auf Teilkostenbasis hier eine nur untergeordnete Rolle – die Abweichungsanalyse wird deshalb primär auf das Analyseobjekt Kostenstelle bezogen. Hinsichtlich der zu wählenden Bezugsbasis einer Abweichungsanalyse ist grund­ sätzlich denkbar, das Bezugssystem in vier unterschiedlichen Varianten zu gestalten (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 312ff): – Ist-Plan-Vergleich auf der Basis von Plangrößen – Ist-Plan-Vergleich auf der Basis von Istgrößen – Plan-Ist-Vergleich auf der Basis von Istgrößen – Plan-Ist-Vergleich auf der Basis von Plangrößen In den Erörterungen in den Kapiteln 3.2 bis 4.3 in Teil C wird die Abweichungsana­ lyse regelmäßig auf einen Ist-Plan- oder Plan-Ist-Vergleich auf der Basis von Plangrö­ ßen abgestellt. Hinsichtlich der Haupteinflussgrößen (insbesondere Preis und Menge) auf die Abweichungen ist vorab festzulegen, ob eine additive oder eine multiplikative Verknüpfung der Einflussfaktoren angenommen werden darf (vgl. Ewert, Wagen­ hofer 2014: 316f; vgl. Heuer 2011: 232f, siehe Abbildung C3.1). In jedem Fall ist für eine Abweichungsanalyse, die Gesamt- und Teilabweichun­ gen differenziert ermitteln will, ein angemessenes Berichtssystem erforderlich, das neben dem spezifischen Bezugssystem für die Kontrolle die definierten Plan- bzw. Vor­ gabegrößen genauso wie eine verursachungsgerechte Erfassung der Istkosteneinsät­ ze dokumentieren kann (vgl. hierzu Teil E). Zudem bedarf es eines nachvollziehbaren und tragfähigen funktionalen Zusammenhangs zwischen der Kontrollgröße und den jeweiligen Einflussgrößen.

3.1.2 Abweichungsinterdependenzen In vielen Fällen lässt sich eine multiplikative Verknüpfung abweichungsrelevan­ ter Einflussfaktoren feststellen, wie z. B. Arbeitszeit und Lohnsatz, Materialeinsatz­ menge und Materialeinstandspreis oder Absatzmenge und Erlös. Damit entstehen Abweichungsüberschneidungen aufgrund der Interdependenzen der Bestimmungs­ faktoren, sogenannte Abweichungen höherer Ordnung (vgl. Joos 2014: 287ff; Egger, Winterheller 2007: 165f). Diese Abweichungen sind nicht mehr einem Einflussfak­

196 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

tor eindeutig zurechenbar. Zur Durchführung einer Abweichungsanalyse bei Abwei­ chungen höherer Ordnung stehen mehrere Methoden zur Verfügung, die sich im Wesentlichen in dem Zurechnungsumfang der Abweichung höherer Ordnung auf die Abweichungen erster Ordnung unterscheiden (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 316ff; vgl. Küpper et al. 2013: 273ff). In dem nachfolgenden Beispiel wird davon ausgegangen, dass sich die Material­ kosten für die Materialart A aus der multiplikativen Verbindung von Faktorpreis und Faktormenge ergeben (vgl. Koch 2013: 490): Planung der Einzelkosten für Materialart A für Planperiode 2015 – Planverbrauchsmenge 10.000 LE (xP ) – Planpreis 20 €/LE (PP ) Istdaten für 2014 – Istverbrauchsmenge 14.000 LE (xi ) – Istpreis 23 €/LE (Pi ) Auf der Basis der genannten Ausgangsdaten ergeben sich – im ersten Zugriff – folgen­ de Gesamt- und Teilabweichungen: Gesamtabweichung Ki (Istkostenrechnung)

14.000 ⋅ 23 = 322.000

−KP (Plankostenrechnung)

10.000 ⋅ 20 = 200.000 +122.000

Preis

Pi Abweichung 2. Grades

Preisabweichung PP

Mengenabweichung

xP

xi

Menge

Abb. C3.1: Multiplikative Verknüpfung abweichungsrelevanter Einflussfaktoren (in Anlehnung an Joos 2014: 289; Stelling 2009: 92).

3 Budgetkontrolle |

197

Die in diesem Beispiel festgestellte Gesamtabweichung (in Höhe von 122 T€) wird mit­ hilfe von drei in der betrieblichen Praxis häufig angewandten Methoden (auf Basis des Ist-Plan-Vergleichs) erklärt, nämlich mithilfe der kumulativen Methodik, der alternati­ ven Methodik sowie der differenziert-kumulativen Methodik (vgl. Stelling 2009: 92ff). Nach der kumulativen Methodik wird die Gesamtabweichung als Summe der Teilabweichungen interpretiert. Dabei werden die Abweichungen höherer Ordnung (hier in Höhe von 12 T€ [4.000 LE ⋅ 3 €/LE]) den Einflussgrößen zugeordnet, die bei der Untersuchung zuerst betrachtet werden: – Wird zunächst die Mengenabweichung (4.000 LE) abgespaltet, gelangt man zu ei­ ner Kostenabweichung in Höhe von 80.000 € [4.000 LE ⋅ 20 €/LE]. Daraus resul­ tiert eine Preisabweichung in Höhe von 42.000 € [14.000 LE ⋅ 3 €/LE]. – Wird zunächst die Preisabweichung (3 €/LE) abgespaltet, gelangt man zu einer Preisabweichung in Höhe von 30.000 € [10.000 LE⋅3 €/LE]. Daraus resultiert eine Kostenabweichung in Höhe von 92.000 € [4.000 LE ⋅ 23 €/LE]. In beiden Fällen ergibt sich als Summe der Teilabweichungen wieder die Gesamtab­ weichung. Die Analyseergebnisse dieser Methode hängen auch davon ab, in welcher Reihenfolge die abweichungsrelevanten Einflussfaktoren in die Untersuchung einbe­ zogen werden. Bei der hier zu treffenden Reihenfolgeentscheidung sollte im Interesse einer möglichst objektiven Abweichungsanalyse beachtet werden, dass zunächst die Einflussgrößen aufgenommen werden, die nicht unmittelbar im Verantwortungsbe­ reich des Kostenstellenleiters zu verorten sind. Damit wird den zuletzt einbezogenen Einflussgrößen keine Abweichung höheren Grades zugerechnet. Alternativ könnte man nach der sogenannten symmetrischen Methode die Abweichungen höhe­ rer Ordnung gleichmäßig auf die Abweichungen erster Ordnung verteilen, womit das Problem der Reihenfolgeentscheidung ausgeräumt wäre (vgl. Ewert, Wagenho­ fer 2014: 321f). Bei der alternativen Methodik werden die ergebnisverzerrenden Abweichungen höheren Grades ausgeklammert, sodass die Summe der Teilabweichungen nicht die Gesamtabweichung widerspiegeln kann. Es wird jeweils nur eine Einflussgröße be­ trachtet, alle anderen werden, ausgehend von Plangrößen, konstant gesetzt. Da die Abweichungen höheren Grades ausgeklammert sind, spielt auch die Reihenfolge der Einflussgrößen bei der Teilabweichungsermittlung keine Rolle mehr. Auf der Basis eines Ist-Plan-Vergleichs lässt sich eine Kostenabweichung in Höhe von 80.000 € [4.000 LE ⋅ 20 €/LE] und eine Preisabweichung in Höhe von 30.000 € [10.000 LE ⋅ 3 €/LE]. Damit bleibt eine Restabweichung in Höhe von 12.000 € [4.000 LE ⋅ 3 €/LE] unbeachtet. Im Rahmen der differenziert-kumulativen Methodik werden die Abweichun­ gen höherer Ordnung gesondert ausgewiesen. Die Gesamtabweichung wird hier

198 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

mit Teilabweichungen untersetzt, wobei in unterschiedliche Ordnungen zu unter­ scheiden ist. Die Anzahl der Einflussgrößen entspricht dabei der Anzahl der Ord­ nungsstufen (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 268ff). Im gegebenen Beispiel sind es zwei Einflussgrößen und somit zwei Ordnungsstufen. Die Abweichungen ersten Grades entsprechen dabei immer den Teilabweichungen der alternativen Metho­ dik. In dem angeführten Beispiel gelangt man somit zu einer Kostenabweichung in Höhe von 80.000 € [4.000 LE ⋅ 20 €/LE] und zu einer Preisabweichung in Höhe von 30.000 € [10.000 LE ⋅ 3 €/LE]. Die verbleibende Restabweichung in Höhe von 12.000 € [4.000 LE ⋅ 3 €/LE] wird als Abweichung höheren Grades erfasst. Diese ist bedingt durch das parallele Zusammenwirken zweier Einflussfaktoren (Preisdiffe­ renz und Mengendifferenz). Die wesentlichen Vorteile der differenziert-kumulativen Methodik sind darin zu sehen, dass einerseits die Summe der Teilabweichungen die Gesamtabweichung widerspiegelt, eine Reihenfolgeentscheidung über die abwei­ chungsrelevanten Einflussfaktoren jedoch nicht erforderlich ist, und demzufolge die Analyseergebnisse auch nicht beeinträchtigen kann. Andererseits werden Abwei­ chungen höheren Grades nicht ergebnisverzerrend einzelnen Teilabweichungen und einzelnen Einflussfaktoren zugeschrieben (vgl. Küpper et al. 2013: 276ff). Ergänzun­ gen der differenziert-kumulativen Methodik bieten verschiedene weitere Methoden: Bei diesen wird der separate Ausweis der Abweichungen höheren Grades nach einer spezifischen Regel zur Wahl der Bezugsgrößen vorgenommen, mit denen die durch die Kosteneinflussgrößen herbeigeführten Veränderungen gewichtet werden (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 323; vgl. Friedl 2013: 242ff).

3.2 Ermittlung der Budgetabweichungen Die Anwendung der Abweichungsanalyse auf das Analyseobjekt Kostenstelle zielt auf die Ermittlung von Budgetabweichungen. Es handelt sich hier um eine Analyse der Gemeinkosteneinsätze in den einzelnen Kostenstellen, die von einer additiven Ver­ knüpfung der Einflussfaktoren ausgeht (vgl. Joos 2014: 294). Hier sollen die Abwei­ chungen herausgefiltert werden, die von den Untersuchungsbereichen auch tatsäch­ lich beeinflusst werden können. Aus diesem Grunde sind die Teilabweichungen, die nicht von der Kostenstelle verursacht und von der Kostenstellenleitung beeinflusst werden können, vorab zu separieren. Deshalb sind für alle Bereiche ohne direkten Marktzugang die Preisabweichungen bei den eingesetzten Faktormengen zu eliminie­ ren, indem die Analyse allein auf Planpreise abgestellt wird (siehe Abbildung C3.2).

3 Budgetkontrolle | 199

Gesamtabweichung

Istkosten zu Istpreisen

Istkosten zu Planpreisen

Plankosten zu Planpreisen

Faktoren: – Istpreise – Istmenge

Faktoren: – Planpreise – Istmenge

Faktoren: – Planpreise – Planmenge

Preisabweichung

Budgetabweichung

Abb. C3.2: Darstellung der Gesamtabweichung (in Anlehnung an Eberlein 2010: 379).

Die auf solche Budgetabweichungen fokussierten Abweichungsanalysen stellen regel­ mäßig auf einen Ist-Plan-Vergleich ab (vgl. Kohlmann 2015: 44).

3.2.1 Budgetabweichungen auf Basis der Plankostenrechnungen Den Ausgangspunkt solcher Abweichungsanalysen bilden die sogenannten verrech­ neten Plankosten, die auf Grundlage des PKVS die zu verrechnende Gemeinkosten­ summe bei der Istbeschäftigung angeben. Sie errechnen sich aus der Multiplikation von Plankosten und der Relation zwischen Ist- und Planbeschäftigung, oder aus der Multiplikation von Plankostenverrechnungssatz und Istbeschäftigung (vgl. Joos 2014: 267): verrechnete Plankosten Kverr : KP ⋅ (Bi : BP ) = PKVS ⋅ Bi Die Differenz zwischen diesen geplanten KoSt.-Plankosten Kp bei Istbeschäfti­ gung Bi und den tatsächlich angefallenen Kosten in der Kostenstelle Ki entspricht der Gesamtkostenabweichung (Über- oder Unterdeckung) in der Kostenstelle. Die­ se Gesamtabweichung kann aufgrund der unterstellten Planpreise zwar nicht durch Preisschwankungen bei den Einsatzfaktoren bedingt sein, wird aber nur dann eine rei­ ne verbrauchsbedingte Abweichung darstellen, wenn sich tatsächlich (wie eingangs angenommen) keine Beschäftigungsänderung in der Abrechnungsperiode ergeben hat (vgl. Joos 2014: 267 und Stelling 2009: 83): Gesamtabweichung GA = Istkosten Ki − verrechnete Plankosten Kverr

200 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Diese Sachverhalte werden mit der Fortführung des Beispiels aus der Fertigungs­ hauptkostenstelle IV der Cycle GmbH (Montage) aus Teil C, Kapitel 2.2.3 illustriert: In der Fertigungshauptkostenstelle IV der Cycle GmbH (Montage) wurde im Jahr 2015 aufgrund der Verfehlung der geplanten Absatz- und Produktionsmenge (mit nur 2.400 LE) eine tatsächliche Beschäftigung in Höhe von 1.200 Maschinen­ stunden bei einem tatsächlichen, zu Planpreisen bewerteten Gemeinkosteneinsatz von 130.000 € erbracht. Damit ergeben sich folgende Werte für die verrechneten Plankosten und die Gesamtabweichungen: Daten

kapazitätsbezogene Planung

Istbeschäftigung B i Istkosten K i

engpassbezogene Planung

1.200 Std. 130.000 €

PKVS verrechnete Plankosten Kverr Gesamtabweichung GA

86,40 €/Std. 103.680 € +26.320 €

90,00 €/Std. 108.000 € +22.000 €

Im Rahmen einer grafischen Rekonstruktion (in Bezug auf die engpassbezogene Planung) ergibt sich das in Abbildung C3.3 gezeigte Bild. Kosten (€)

Ki 130.000

Kverr

KP 126.000

GA

Kverr 108.000

PKVS Bi 1.200 Std.

BP 1.400 Std.

Beschäftigung (Std.)

Abb. C3.3: Grafische Darstellung der gesamten Budgetabweichung (in Anlehnung an Joos 2014: 267).

3 Budgetkontrolle | 201

Da im Plankostenverrechnungssatz als Vollkostensatz (neben variablen) auch fixe Kostenbestandteile enthalten sind, die in den verrechneten Plankosten proportiona­ lisiert werden, ist die Differenz zwischen den Istkosten und den verrechneten Plan­ kosten für Kontrollzwecke dann kaum aussagekräftig, wenn die Vergleichswerte auf unterschiedlichen Beschäftigungen beruhen. Die Budgetkontrolle auf Grundlage der starren Plankostenrechnung unterliegt also dem grundlegenden Mangel der Fixkos­ tenproportionalisierung (vgl. Deimel et al. 2013: 92ff). Fixe Kosten sind definitions­ gemäß beschäftigungsneutral zu behandeln, dürfen also (als Bestandteil eines Voll­ kostensatzes) nicht in Abhängigkeit zur Beschäftigung gestellt werden. Demzufolge ist die starre Plankostenrechnung nur bei recht geringen Beschäftigungsschwankun­ gen als Kontrollrechnung einsetzbar. Sind die Beschäftigungsschwankungen jedoch größer, sollte bzw. muss die flexible Plankostenrechnung zur Anwendung gelangen. Vergleicht man die Istkosten einer Kostenstelle mit den zugehörigen Sollkosten aus der flexiblen Plankostenrechnung sowie den verrechneten Plankosten, erhält man die Einzelabweichungen in Form der Verbrauchs- und Beschäftigungsabweichung. Unter den Abweichungen versteht man hier die Differenzen, die sich aus der Gegen­ überstellung von Ist- und Planwerten ergeben (vgl. Haberstock, Breithecker 2008b: 260ff). Als Verbrauchsabweichung VA ist nun nur noch die Differenz zwischen Ist­ kosten (der Plankostenrechnung) und den Sollkosten bei einem bestimmten Beschäf­ tigungsgrad zu verstehen (vgl. Joos 2014: 269): Verbrauchsabweichung VA = Istkosten Ki − Sollkosten KS Verbrauchsabweichung VA = Ki − (PKVSvar ⋅ Bi + KPf ) Die Verbrauchsabweichung kennzeichnet die Kostenabweichung, die im Verantwor­ tungsbereich des Kostenstellenleiters zu verorten ist. Sie bezeichnet einen tatsächli­ chen beschäftigungsunabhängigen Mehr- bzw. Minderverbrauch bei den Einsatzfak­ toren, der im Falle eines Mehrverbrauchs durch einen ineffizienten Ressourceneinsatz hervorgerufen wird (vgl. Deimel et al. 2013: 95ff). Eine der Ermittlung der Verbrauchs­ abweichung folgende Abweichungsanalyse muss dann zeigen, welche Ursachen die Abweichung hat (z. B. Schwund, erhöhter Ausschuss etc.). Diese Analyse erfolgt daher differenziert nach den eingesetzten Kostenarten. Für eine zweckgerichtete Steuerung ist die gesamte Verbrauchsabweichung aller­ dings noch in einzelne Spezialabweichungen zu differenzieren (vgl. Stelling 2009: 101ff). Hierzu gehören insbesondere die seriengrößenbedingte und die intensitäts­ bedingte Teilabweichung. Die Seriengrößenabweichung steht in direktem Zusam­ menhang mit der Auftragsfertigung und resultiert aus der Veränderung der Relation zwischen Rüstzeit und Ausführungszeit. Die Intensitätsabweichung steht in direktem Zusammenhang mit der Unterstellung linearer Kostenfunktionen, gleichwohl gele­ gentlich nicht lineare Zusammenhänge zwischen Kosteneinsatz und Einflussgröße

202 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

existieren. Solche Abweichungen können aber auch auf kurzfristige kapazitätsbezo­ gene Anpassungsmaßnahmen zurückzuführen sein (vgl. Wöhe et al. 2016a: 308ff; vgl. Jung 2016: 507ff). Diese wären mithilfe spezifischer Verbrauchsfunktionen in Bezug auf die einzelnen Faktoreinsatzarten bei unterschiedlichen Produktionsintensitäten aufzuklären (vgl. Eberlein 2010: 382). Die noch verbleibende Differenz zwischen den Sollkosten (der flexiblen Plankos­ tenrechnung) und den verrechneten Plankosten (der starren Plankostenrechnung) ist als Beschäftigungsabweichung BA zu verstehen (vgl. Joos 2014: 271): Beschäftigungsabweichung BA = Sollkosten KS − verrechnete Plankosten Kverr Beschäftigungsabweichung BA = (PKVSvar ⋅ Bi + KPf ) − (PKVS ⋅ Bi ) Die Beschäftigungsabweichung gibt an, welche Kostendifferenz zwischen der Kosten­ stellenrechnung und der Kostenträgerrechnung entsteht, wenn mit dem Plankalkula­ tionssatz weiter gerechnet wird. Insofern kann sie als Kalkulationsfehler aufgrund der Fixkostenproportionalisierung interpretiert werden (vgl. Joos 2014: 272): (unzulässiger) Proportionalisierungsbetrag: Reichweite der Proportionalisierung: (BP − Bi ) = (1.400 − 1.200) = 200 (PKVS − PKVSvar ) = 90 − 36 = 54 (unzulässiger) Proportionalisierungsbetrag ⋅ Reichweite der Proportionalisierung: 54 ⋅ 200 = +10.800 (BA) In Fortführung des Beispiels für die Fertigungshauptkostenstelle IV der Cycle GmbH (Montage) gelangt man im Rahmen der Abweichungsanalyse zu folgenden Daten: Daten

kapazitätsbezogene Planung

Istbeschäftigung B i Istkosten K i

engpassbezogene Planung

1.200 Std. 130.000 €

verrechnete Plankosten Kverr PKVS var fixe Plankosten K Pf Sollkosten K S Verbrauchsabweichung VA Beschäftigungsabweichung BA

103.680 € 36,00 €/Std. 75.600 € 118.800 € +11.200 +15.120

108.000 € 36,00 €/Std.

+11.200 +10.800

Bei Übereinstimmung von Plan- und Istbeschäftigung ist die Beschäftigungsabwei­ chung gleich Null, da in diesem Falle die Proportionalisierung der Fixkosten zufällig „richtig“ erfolgt: BA = 0 wenn Bi = BP

bzw.

wenn (PKVSvar ⋅ Bi + KPf ) = (PKVS ⋅ Bi )

3 Budgetkontrolle |

203

Die mengenmäßige (nicht mehr preisbedingt beeinflusste) Gesamtabweichung er­ gibt sich immer als Summe aus Verbrauchs- und Beschäftigungsabweichung (vgl. Stel­ ling 2009: 84): Gesamtabweichung GA = VA + BA Das Beispiel für die Abweichungsanalyse für die Fertigungshauptkostenstelle IV der Cycle GmbH (Montage) zeigt somit folgendes Gesamtbild (vgl. Stelling 2009: 84): Daten

kapazitätsbezogene Planung

Istbeschäftigung B i Istkosten K i

engpassbezogene Planung

1.200 Std. 130.000 € +11.200 +15.120 +26.320

Verbrauchsabweichung VA Beschäftigungsabweichung BA Gesamtabweichung GA

+11.200 +10.800 +22.000

Die zugehörige grafische Rekonstruktion ist Abbildung C3.4 zu entnehmen (vgl. auch Koch 2013: 489). Kosten (€)

zu hoch verrechneter Fixkostenanteil Ki

Kverr VA

KP PKVSvar

KS GA

BA K Pf

zu gering verrechneter Fixkostenanteil PKVS Bi 1.200 Std. Bi < B P Bi > B P Bi = B P

Beschäftigung BP (Std.) 1.400 Std.

Kverr < K S (zu geringe Fixkostenverrechnung) Kverr > K S (zu hohe Fixkostenverrechnung) Kverr = K S(Fixkostenverrechnung richtig)

Abb. C3.4: Grafische Darstellung der gesamten Budgetabweichung mit den Teilabweichungen (in Anlehnung an Weber, Schäffer 2016: 152; Joos 2014: 272).

204 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Die flexible Plankostenrechnung eignet sich mit der Ermittlung von preisunabhän­ gigen Kostenvorgabewerten als kostenstellenbezogenes Budgetierungsinstrument, insbesondere in den direkten Leistungsbereichen. Zudem kann sie – bedingt durch die differenzierte Bestimmung der Einzelabweichungen – eine relativ aussagefähi­ ge Kostenkontrolle in den budgetierten Kostenstellen ermöglichen (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 259ff). Allerdings unterstellt die flexible Plankostenrechnung im Rahmen von Kostenvorgabe und -kontrolle einen Reagibilitätsgrad von 1 bei den variablen Gemeinkosten in den Kostenstellen. Variable Kosten verhalten sich aber nur zum Teil proportional zur jeweils gewählten Bezugsgröße. Darüber hinaus kann die Höhe des variablen Kosteneinsatzes auch von mehreren Bezugsgrößen abhängen, was das Rechnungssystem zumindest verkompliziert. In Abbildung C3.5 werden die auf Basis der bisher vorgestellten Kostenbegriffe erörterten Abweichungsarten zusammenfassend dargelegt. Kostenvergleiche und Abweichungsarten

Kostenbegriff A

Abweichungsart

Kostenbegriff B

Istkosten K i (Istkostenrechnung)

Gesamtabweichung 1

Plankosten K P (Plankostenrechnung)

Istkosten K i (Istkostenrechnung)

Preisabweichung (Basis Istmenge)

Istkosten K i (Plankostenrechnung)

Istkosten Ki (Plankostenrechnung)

Gesamtabweichung 2 (ohne Preisabweichung) = Budgetabweichung

verrechnete Plankosten Kverr (Plankostenrechnung)

Istkosten K i (Plankostenrechnung)

Verbrauchsabweichung = Budgetabweichung 1

Sollkosten K S (Plankostenrechnung)

Sollkosten K S (Plankostenrechnung)

Beschäftigungsabweichung = Budgetabweichung 2

verrechnete Plankosten Kverr (Plankostenrechnung)

Abb. C3.5: Kostenvergleiche und Abweichungsarten – Übersicht (eigene Darstellung).

3 Budgetkontrolle | 205

3.2.2 Budgetabweichungen auf Basis der Grenzplankostenrechnung Die Budgetvorgabe ausschließlich für variable Gemeinkosteneinsätze kann unter der Verwendung der Grenzplankostenrechnung erfolgen. Die Grenzplankostenrechnung stellt eine Weiterentwicklung der Deckungsbeitragsrechnung auf Basis von Planwer­ ten dar. Ihr Aufbau und Ablauf entspricht dem auf Vollkosten basierenden flexiblen Plankostenrechnungssystem. Der einzige Unterschied der flexiblen Plankostenrech­ nung auf Teilkostenbasis zur flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis be­ steht in der Behandlung der Fixkosten. Die flexible Plankostenrechnung als Teilkostenrechnung dividiert nicht die ge­ samten Plankosten, sondern lediglich die proportionalen Plankosten durch die Plan­ beschäftigung. Sie generiert mit dem Grenzplankostenverrechnungssatz einen Plankostenverrechnungssatz auf Teilkostenbasis, der dem variablen Plankostenver­ rechnungssatz der flexiblen Plankostenrechnung entspricht (vgl. Stelling 2009: 85): Grenzplankostenverrechnungssatz PKVSvar =

Plankosten KPv Planbeschäftigung BP

Für die Zwecke der Kostenkontrolle werden die Plankosten kostenstellenweise in fi­ xe und variable Kosten aufgespaltet, sodass eine aussagefähige Kostenkontrolle auf Kostenstellenebene ermöglicht wird. Die Vorgehensweise entspricht im Rahmen der Kostenstellenrechnung damit der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis. Ebenso wie in der Kostenstellenrechnung erfolgt auch in der Kostenträgerstückrech­ nung eine Trennung der fixen und variablen Kostenbestandteile, es wird also mit Plan­ kalkulationssätzen gearbeitet, die lediglich die variablen Plankosten umfassen. Die fixen Kostenelemente gehen periodisch unmittelbar en bloc in den kurzfristigen Be­ triebserfolg ein. Sie werden also nicht auf die einzelnen Leistungseinheiten weiterver­ rechnet. In der flexiblen Plankostenrechnung als Grenzkostenrechnung stehen die ver­ rechneten Plankosten und die Sollkosten in gleicher Höhe gegenüber, d. h. in der Grenzkostenrechnung gibt es definitionsgemäß (aufgrund der ausgeschalteten Fix­ kostenproportionalisierung) keine Beschäftigungsabweichung. Es werden nur die va­ riablen Kosten geplant und kontrolliert. Damit ergibt sich eine Beschäftigungsabwei­ chung in Höhe von Null. Die Verbrauchsabweichung der Grenzplankostenrechnung ist identisch mit der Verbrauchsabweichung aus der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis (vgl. Joos 2014: 269): Verbrauchsabweichung VA = variable Istkosten Kiv − variable Sollkosten KSv Verbrauchsabweichung VA = Kiv − (PKVSvar ⋅ Bi ) Im Rahmen einer grafischen Rekonstruktion ergibt sich somit im Vergleich zur fle­ xiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis das in Abbildung C3.6 ersichtliche neue, vereinfachte Bild:

206 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

variable Kosten (€)

K iv

K Sv

KP v

VA

K Sv

PKVSvar Bi 1.200 Std.

BP 1.400 Std.

Beschäftigung (Std.)

Abb. C3.6: Grafische Darstellung der Budgetabweichung in der Grenzplankostenrechnung (in Anleh­ nung an Stelling 2009: 85).

Eine ergänzende Kontrolle der Fixkosten kann hier über eine Nutz- und Leerkosten­ analyse erfolgen (vgl. Heuer 2011: 110ff; vgl. Wala et al. 2016: 310f). Diese beruht auf ei­ nem unterstellten linearen Zusammenhang zwischen der gewählten Beschäftigungs­ bezugsgröße und des Nutzenkosteneinsatzes: Bei zunehmender Beschäftigung nimmt die Nutzung der bereitgestellten und fixkostenverursachenden Kapazität in gleichem Maße zu, wie die nicht in Anspruch genommene bereitgestellte Kapazität abnimmt. Die Nutzkosten können somit als Fixkosten verstanden werden, die für die in An­ spruch genommene Kapazität anfallen. Leerkosten bezeichnen folglich den Anteil der Fixkosten für die bereitgestellte, aber nicht genutzte Kapazität (vgl. Kesten 2015: 690; vgl. auch Eberlein 2010: 385). Sofern die Planbeschäftigung im Rahmen einer kapazitätsorientierten Pla­ nung der verfügbaren Maximalkapazität (b = 100 %) entspricht, ist die in der flexi­ blen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis ermittelte Beschäftigungsabweichung mit dem Leerkostenanteil identisch (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 332; vgl. Deimel et al. 2013: 95; vgl. Eberlein 2010: 385). Im Beispiel für die Fertigungshauptkostenstelle IV der Cycle GmbH (Montage) lässt sich die (in Bezug auf die engpassbezogene Planung) festgestellte Beschäfti­ gungsabweichung in Höhe von +10.800 € wie in Abbildung C3.7 dargestellt rekon­ struieren.

3 Budgetkontrolle | 207

Kosten (€)

Kverr KS

KI VA KS BA

PKVSvar Kf KL

KN PKVS Beschäftigung (Std.) Bi

BP (= Bmax)

BA = KL wenn BP = Bmax Bi 1.200 K N = K f ⋅ ―― = 75.600 ⋅ ――––– = 64.800 1.400 BP K L = K f – K N = + 10.800 Abb. C3.7: Zusammenhang zwischen Leerkosten und Beschäftigungsabweichung (in Anlehnung an Eberlein 2010: 385f).

Der wesentliche Vorteil der Budgetierung auf Grenzplankostenbasis wird damit of­ fensichtlich: Hier stimmen – entgegen dem flexiblen Ansatz auf Vollkostenbasis – Budgetzuweisung und Kontrollwert hinsichtlich der Bezugsgröße (Beschäftigung) überein. Auch hier ist die festgestellte gesamte Verbrauchsabweichung durch eine Aufspaltung in weitere Teilabweichungen erforderlich, wie z. B. in Seriengrößenund Intensitätsabweichung (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 259ff; vgl. Wala et al. 2016: 308ff). Budgetzuweisung und Kontrollwert beziehen sich jedoch nur auf den variablen Kostenanteil.

208 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

3.3 Zusammenfassende Beurteilung Die vorgestellten Rechnungssysteme der kostenstellenbezogenen Budgetkontrolle setzen gemeinsam an der verrechnungs- und beschäftigungsbezogenen Differenzie­ rung der Kosten an (siehe Tabelle C3.1). Tab. C3.1: Differenzierung der Kosten (in Anlehnung an Eisele, Knobloch 2011: 801; Haberstock, Breithecker 2008a: 58). Kriterien

Differenzierung der Kosten

Verrechnungsbezug

Einzelkosten vs. Gemeinkosten

Beschäftigungsbezug

variable vs. fixe Kosten

Budgeterstellung und Budgetkontrolle auf Basis der flexiblen Rechnungssysteme schalten von vornherein Preisabweichungen aus, erfordern aber eine Auflösung der Gemeinkosten in fixe und variable Bestandteile. Nur auf diese Weise wird es möglich, eine Aufspaltung der gesamten Budgetabweichung in aussagekräftigere Teilab­ weichungen herbeizuführen, nämlich in eine Beschäftigungsabweichung und eine Verbrauchsabweichung (siehe Abbildung C3.8). Gesamtabweichung

Istkosten zu Istpreisen

Istkosten zu Planpreisen

Sollkosten zu Planpreisen

Plankosten zu Planpreisen

Faktoren: – Istpreise – Istmenge

Faktoren: – Planpreise – Istmenge

Faktoren: – Plankosten – Istmenge

Faktoren: – Planpreise – Planmenge

Preisabweichung

Verbrauchsabweichung

Beschäftigungsabweichung

Budgetabweichung

Abb. C3.8: Teilabweichungen der Budgetabweichung (in Anlehnung an Deimel et al. 2013: 97; Eber­ lein 2010: 382; Eisl et al. 2012: 181).

3 Budgetkontrolle |

209

Eine Auflösung der Gemeinkosten wird im Allgemeinen aber nur dann möglich sein, wenn die Beschäftigung als zentrale Kosteneinflussgröße durch angemessene Be­ zugsgrößen präzisiert und quantifiziert werden kann (wie z. B. durch Zeit- oder Leis­ tungseinheiten). Diese Bezugsgrößen müssen zu den Kostenarten in einer möglichst proportionalen Beziehung stehen. Sind aber gleichzeitig mehrere unterschiedliche Kostenbestimmungsfaktoren feststellbar, so sind im Interesse der Präzision der Rech­ nungssysteme auch mehrere Bezugsgrößen pro Kostenstelle notwendig, was Budget­ planung und -kontrolle recht aufwändig gestalten könnte. Sind umgekehrt angemes­ sene Bezugsgrößen für die Beschäftigung nicht identifizierbar bzw. quantifizierbar, ist eine Budgetierung auf der Plankostenrechnung nicht mehr möglich. In einem solchen Fall wäre eine prozessorientierte Budgetierung in Erwägung zu ziehen. Zudem erfor­ dert eine Auflösung der Gemeinkosten, dass die Beschäftigung in der Vergangenheit in einem größeren Bereich geschwankt hat, da sich ansonsten die Abhängigkeit der Kosten bei abweichenden Beschäftigungsgraden nicht ermitteln lässt. Dabei ist zu be­ denken, dass in den Kostengrößen auch störungsbedingte Abweichungen enthalten sein können, was die Genauigkeit der Kostenauflösung negativ tangiert. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass eine Auflösung der Gemeinkosten aufgrund ihrer Vergangenheitsorientierung lediglich Aussagekraft hinsichtlich der Kosten­ zusammensetzung in der Vergangenheit entfalten kann. Die zukünftige Kostenzu­ sammensetzung kann sich aber schon durch relativ unerhebliche Einflüsse (z. B. durch die Beschaffung einer neuen Maschine) maßgeblich verändern. Eine beson­ dere Problematik im Rahmen der Kostenauflösung und damit auch in den Plan­ kostenrechnungssystemen insgesamt (wie auch in der Deckungsbeitragsrechnung) stellt die sogenannte Kostenremanenz dar. Die Kostenremanenz beschreibt den Ef­ fekt nahezu gleichbleibender Kosten trotz rückläufiger Beschäftigung. So können z. B. bei einem kurzfristigen Beschäftigungsrückgang die vorhandenen technischen Anlagen und Maschinen aus ökonomischen Gründen nicht sofort stillgelegt oder li­ quidiert und die betroffenen Arbeitnehmer aus rechtlichen und sozialen Gründen nicht sofort entlassen werden. Trotz Beschäftigungsrückgang sinkt also der Kos­ tenanteil nicht in gleichem Maße, wie er bei steigender Beschäftigung zunehmen würde. Die vorgestellten Rechnungssysteme der Budgeterstellung und Budgetkontrolle zeichnen sich durch spezifische Charakteristika und Einsatzbedingungen aus, wobei der zentrale Vorteil der Plankostenrechnung gegenüber der Normalkostenrechnung zunächst in der Ausschaltung von Preisabweichungen durch die Verwendung von fes­ ten Planpreisen zu lokalisieren ist. Gleichwohl sind die Grundlagen auch für die Plan­ kostenrechnungssysteme, die eine Planung und Kontrolle der Gemeinkosten je Kos­

210 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

tenstelle intendieren, ebenfalls in der traditionellen Vollkostenrechnung zu finden, nämlich – in der Kostenartenrechnung mit der notwendigen Erfassung der Gemeinkosten­ arten und der notwendigen Differenzierung der Kosten je Kostenstelle mit ihren jeweiligen Beträgen nach ihrem Verrechnungs- und Beschäftigungsbezug. – in der Kostenstellenrechnung mit der Summe der Gemeinkosten je Kostenstelle als Ergebnis aus den Primär- und Sekundärverteilungen. Die wesentlichen Mängel der Budgeterstellung und Budgetkontrolle auf Vollkosten­ basis sind damit schon in den vorgeschalteten Rechnungssystemen der Vollkosten­ rechnung verankert, insbesondere mit der unzureichenden verursachungsgerechten Verteilung der Gemeinkosten in den Primär- und Sekundärverteilungen. In der teilkos­ tenbasierten Budgeterstellung und Budgetkontrolle werden diese Probleme zwar aus­ geschaltet, indem (zunächst) nur der den Kostenträgern tatsächlich eindeutig zure­ chenbare (variable) Teil der Kosten berücksichtigt wird. Allerdings unterstellen auch die Teilkostenrechnungssysteme aus Vereinfachungsgründen regelmäßig einen (rela­ tiv unrealistischen) proportionalen Kostenverlauf und zudem eine eindeutige Trenn­ barkeit zwischen fixen und variablen Kosten. Die Planung und Kontrolle der Gemeinkosten je Kostenstelle erfolgt in den Plan­ kostenrechnungen jeweils auf der Grundlage eines Voll- oder eines Teilkostensatzes (siehe Tabelle C3.2). Tab. C3.2: Gegenüberstellung der Plankostenverrechnungssätze (in Anlehnung an Eberlein 2010: 386). Verrechnungssätze

fixe Gemeinkosten

variable Gemeinkosten

PKVS

Vollkostensatz (siehe K verr )

PKVSvar



Teilkostensatz (siehe K s )

Das flexible Rechnungssystem besitzt gegenüber der starren Rechnung zwar den erheblichen Vorteil, die fehlerhafte Proportionalisierung der Fixkosten durch die Ver­ wendung von Teilkostensätzen (PKVSvar ) zu vermeiden (vgl. Eberlein 2010: 386). Die starre Plankostenrechnung ist lediglich zur beschäftigungsunabhängigen Planung und Kontrolle der Gemeinkosten je Kostenstelle geeignet – sie lässt sich also nur bei einem sehr geringen Gemeinkostenanteil und/oder bei unerheblichen Beschäfti­ gungsabweichungen in einer Kostenstelle einsetzen (siehe Abbildung C3.9).

3 Budgetkontrolle |

211

Plankostenrechnungen auf Vollkostenbasis

starre Plankostenrechnung

flexible Plankostenrechnung

Problem: Proportionalisierung der fixen Gk im PKVS und in den Kverr

relativer Vorteil: Ausschaltung der Proportionalisierung fixer Gk im PKVSvar und in den K S

Einsatzbereich: Beschäftigungsunabhängige Planung und Kontrolle der Gemeinkosten in KoSt.

Einsatzbereich: Beschäftigungsabhängige Planung und Kontrolle der Gemeinkosten in KoSt.

Voraussetzungen: Vernachlässigbarer fixer Gemeinkostenanteil und/oder keine nennenswerten Beschäftigungsabweichungen, d. h. Bi ≈ B P

Voraussetzungen: Differenzierung zwischen fixen und variablen Gemeinkosten und Festlegung der zentralen Kostenbestimmungsfaktoren

Abb. C3.9: Gegenüberstellung der Plankostenrechnungen auf Vollkostenbasis (in Anlehnung an Joos-Sachse 2006: 238 und 243).

Sofern die wesentlichen Kostenbestimmungsfaktoren bekannt, präzisierbar und auch quantifizierbar sind, kann die flexible Plankostenrechnung eine beschäftigungsab­ hängige Planung und Kontrolle der Gemeinkosten je Kostenstelle durchaus gewähr­ leisten. Ihr wesentlicher Vorzug liegt in der simultanen Ausschaltung von Preis- und Beschäftigungsabweichungen, sodass kostenstellenweise reine Verbrauchsabwei­ chungen offengelegt werden können (ohne jedoch deren detaillierte Ursachen aufklä­ ren zu können). Allerdings werden auch im flexiblen Rechnungssystem aus Vereinfa­ chungsgründen regelmäßig ein (relativ unrealistischer) proportionaler Kostenverlauf und eine eindeutige Trennbarkeit zwischen fixen und variablen Gemeinkosten ange­ nommen. Ebenso ist eine Grenzplankostenrechnung zwar für die Zwecke „Planung“ und „Kontrolle der Gemeinkosten“ in den Kostenstellen sehr gut geeignet, da die Fixkos­ ten nur periodenweise für einzelne Kostenstellen überwacht werden (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 263f). Zugleich ist allerdings durch die Vernachlässigung der Fixkosten die Ermittlung von preisunabhängigen Kosten-Vorgabewerten zu problematisieren, weil damit der Einsatz als kostenstellenbezogenes Budgetierungsinstrument gefähr­ det ist. Darüber hinaus sind die kritischen Aspekte zu bedenken, die im Rahmen der Beurteilung der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis erörtert wurden.

212 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

3.4 Übungsaufgaben Aufgabe 1 In der Fertigungshauptkostenstelle I (Vormontage) der Cycle GmbH wird für die Ab­ rechnungsperiode Dezember 2015 die Materialeinzelkostenplanung für die Material­ art A auf Basis einer Planmenge in Höhe von 110.000 LE und zu einem Planpreis in Höhe von 45 €/LE durchgeführt. Nach Abschluss der Planperiode ist bei einer tatsäch­ lichen Bezugsmenge in Höhe von 120.000 LE der tatsächliche Preis für den Einsatzfak­ tor aufgrund einer Preiserhöhung des Lieferanten mit 48 €/LE festzustellen. Ermitteln Sie im Rahmen eines Ist-Plan-Vergleichs die Gesamtabweichung und die Teilabwei­ chungen nach der kumulativen, nach der alternativen sowie nach der differenziertkumulativen Methodik. Aufgabe 2 Für die Abrechnungsperiode (zugleich Geschäftsjahr) 2015 erfasst die Cycle GmbH in der Teilkostenrechnung nachfolgend aufgeführte Plan- und Istdaten für die zentralen Einflussgrößen einer Deckungsbeitragsanalyse (zu dem Beispiel vgl. Eberlein 2010: 391ff): Daten

Plandaten

Istdaten

Absatzmenge [LE] Umsatzerlös [€] variable Kosten des Umsatzes [€]

1.000 400.000 250.000

1.200 360.000 300.000

Die drei Haupteinflussgrößen auf die Höhe des Deckungsbeitrags und auf mögliche Differenzen zwischen Ist- und Planwerten sind die Absatzmengen, die Umsatzerlöse, und die variablen Kosten. Führen Sie eine Abweichungsanalyse in Bezug auf den Pe­ riodendeckungsbeitrag auf der Basis eines Plan-Ist-Vergleichs durch. Gehen Sie hier mithilfe der differenziert-kumulativen Methode vor. Bereiten Sie vorab das Datenma­ terial für den Einsatz dieser Methode auf! Aufgabe 3 Für die Fertigungshauptkostenstelle I (Vormontage) der Cycle GmbH wird für eine ausgewählte Abrechnungsperiode sowohl eine kapazitätsbezogene als auch eine eng­ passbezogene Planung vorgenommen. Folgende Planwerte sind anzunehmen: Daten

kapazitätsbezogene Planung

engpassbezogene Planung

Planbeschäftigungsgrad Planbezugsgröße KoSt.-Plankosten − davon fixe Plankosten

100 % 10.000 Std. 50.000 € 12.000 €

70 % 7.000 Std. 38.600 € 12.000 €

3 Budgetkontrolle | 213

Zum Ende der Abrechnungsperiode beträgt der tatsächliche Beschäftigungsgrad 80 % der zur Disposition stehenden Kapazität. Die Istkosten werden im Rahmen der Plan­ kostenrechnung mit 40 T€ berechnet. Ermitteln Sie für die beiden genannten Pla­ nungsansätze die Plankostenverrechnungssätze, die Gesamtabweichungen sowie die Verbrauchs- und Beschäftigungsabweichungen. Aufgabe 4 In Fertigungshauptkostenstelle VI (Endmontage) der Cycle GmbH wird für das Quar­ tal 2/2016 mit einem Plankostenverrechnungssatz in Höhe von 35 €/Std. (Vollkosten­ satz) kalkuliert. Die Planbeschäftigung je Quartal beträgt 2.400 Std. Für alle Gemein­ kostenarten der Kostenstelle ist ein Reagibilitätsgrad in Höhe von 70 % ermittelt wor­ den. a. Ermitteln Sie die Kostenstellen-Plankosten mit den variablen und fixen Anteilen. b. Wie hoch sind die Beschäftigungs- und Verbrauchsabweichungen bei einer Ist­ beschäftigung in Höhe von 1.920 [2.760] Std. und Istkosten (der Plankostenrech­ nung) in Höhe von 65.400 [98.500] € im Quartal 2/2016?

4 Prozessorientierte Budgetierung Die Basis einer prozessorientierten Budgeterstellung wird durch die Prozesskosten­ rechnung gebildet: Mit der in diesem Rechnungssystem kostenstellenübergreifenden Sicht auf den Ressourceneinsatz sollen Budgets erstellt werden, die prozessorientiert ermittelt werden und sich damit von den typischen Einflussgrößen der verfahrensund problemorientiert ermittelten Budgets distanzieren. Bei der Budgeterstellung geht man über die der Kostenstellenrechnung entlehnten, traditionell funktionsbezo­ genen Kostenverantwortungsbereiche hinaus. Als zentrale Hilfsmittel für eine solche Budgeterstellung dienen sogenannte Prozesse (vgl. Schweitzer et al. 2016: 366ff): Mit ihnen soll eine höhere Transparenz hinsichtlich des Kosteneinsatzes, insbesondere bezüglich der Gemeinkosten, sowie eine höhere Detaillierung der Budgetermittlung erreicht werden. Zudem können prozessorientiert ermittelte Budgets eine Kontrollgrö­ ße für problem- und v. a. verfahrensorientiert ermittelte Budgets bieten (vgl. Horváth et al. 2015: 129).

4.1 Die Prozesskostenrechnung als Grundlage Die Prozesskostenrechnung stellt kein geschlossenes und einheitliches Konzept dar, sondern kann eher als Methodik angesehen werden, die unterschiedliche Anwen­ dungs- und Gestaltungsmöglichkeiten in der kostenstellenübergreifenden Kostenpla­ nung, Kostenkontrolle und Kostensteuerung anbietet (vgl. Britzelmaier 2017: 274ff). Zu unterscheiden ist hier zwischen 1. der Prozesskostenrechnung als Instrument der (meist auftragsbezogenen) Kalku­ lation, und 2. der Prozesskostenrechnung als Instrument des Gemeinkostenmanagements. In dem hier relevanten Kontext soll die Prozesskostenrechnung nicht mit dem Fokus auf die Effekte in der Kostenträgerstückrechnung (Allokations-, Komplexitäts- und Degressionseffekt), sondern als Instrument des Gemeinkostenmanagements, und damit auch als Instrument der Budgeterstellung und -kontrolle, näher betrachtet wer­ den. In diesem Zusammenhang bestehen die Aufgaben der Prozesskostenrechnung darin, die Planung, die Kontrolle und die Steuerung v. a. in den gemeinkosteninten­ siven Bereichen zu verbessern und die Budgetierung in Bezug auf die Gemeinkos­ ten leistungsbezogener zu gestalten. Mit Erreichung dieser Ziele kann zugleich auch zur Kostentransparenz sowie zur Gemeinkostenreduktion beigetragen werden (vgl. Fi­ scher et al. 2015: 238ff).

https://doi.org/10.1515/9783110439793-015

4 Prozessorientierte Budgetierung | 215

4.1.1 Prozessorientierte Rechnungssysteme Ausgangspunkt für die Entwicklung der Prozesskostenrechnung war ein tiefgreifen­ der Wandel im Prozess der betrieblichen Leistungserstellung: Durch die beschleu­ nigte technologische Entwicklung Anfang der 1980er-Jahre war der Leistungserstel­ lungsprozess durch einen zunehmenden Automatisierungsgrad gekennzeichnet. Da­ durch bedingt hat sich auch ein Wandel der Kostenstruktur ergeben, der sich durch die erhebliche Zunahme der Gemeinkostenanteile an den Gesamtkosten auszeichnet (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 160ff). Vor dem Hintergrund dieser veränderten Kos­ tenstrukturen kann die traditionelle Kostenrechnung mit ihren überwiegend wert­ abhängigen Bezugsgrößen ihren Aufgaben – insbesondere in Bezug auf die Kalku­ lation – nicht mehr gerecht werden. Die traditionellen Zuschlagsgrundlagen wie die Material- oder die Fertigungseinzelkosten sind kaum noch in einem kausalen Zusam­ menhang mit der Entstehung und Verursachung der Gemeinkosten zu sehen. So be­ tragen die Gemeinkostenzuschlagssätze in hochtechnisierten Betriebsbereichen nicht selten mehrere tausend Prozent (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 162). Bereits kleine Än­ derungen der Zuschlagsbasis, etwa als Konsequenz von Lohnerhöhungen, können dann signifikante und verfälschende Auswirkungen auf die Kalkulation haben (vgl. Remer 2005: 17ff). Das damit steigende Risiko operativer Fehlentscheidungen forcier­ te die Entstehung prozessorientierter Rechnungssysteme, nämlich des Activity Based Costings und der Prozesskostenrechnung (vgl. Weber, Schäffer 2016: 161ff). Mayer beschreibt den Zusammenhang zwischen diesen beiden prozessorientier­ ten Rechnungssystemen als „[. . . ] zwei Varianten einer Grundidee.“ (Mayer 1998: 133). Diese gemeinsame Idee ist die Fokussierung auf Prozesse – und eben nicht auf funk­ tionale Organisationseinheiten, wie es der traditionellen Kostenrechnung insbeson­ dere mit der Kostenstellenrechnung zu eigen ist (vgl. Horváth & Partner 1998: 68). Die in der traditionellen Kostenrechnung favorisierte funktionsorientierte Perspektive versperrt die Sicht auf abteilungsübergreifende Prozessabläufe. Da die Planungs-, Kontroll- und Steuerungsinstrumente nur auf einzelne Segmente eines Geschäftspro­ zesses gerichtet sind, fehlt eine prozessadäquate Kosten-, Ressourcen- und Zeitsteue­ rung. Als Folge entstehen hohe Durchlaufzeiten für Geschäftsprozesse und ein un­ verhältnismäßig hoher Ressourcenaufbau in den Gemeinkostenbereichen (vgl. Coe­ nenberg et al. 2016a: 163f). Die prozessorientierten Rechnungssysteme intendieren deshalb eine verursachungsgerechtere und nach Mengen und Werten differenziertere Ermittlung der Kosten für Leistungen, die im gesamten Leistungsprozess angefallen sind oder anfallen werden.

216 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Prozessorientierte Kostenrechnungen sind grundsätzlich als Ergänzung zur traditionellen Kostenrechnung zwischen Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung einzuordnen. Die Unterschiede zwischen den beiden Rechnungssystemen beruhen auf unterschiedlichen Entwicklungsbedarfen in Deutschland und in den USA Anfang der 1980er-Jahre (vgl. Horváth & Partner 1998: 67). So wurde in den USA die Ent­ wicklung des Activity Based Costings nicht nur auf die Anwendung in den indirekten Leistungsbereichen hin vorangetrieben. Zugleich sollten mit diesem Rechnungssys­ tem methodische Defizite in den Bereichen der Planung, Steuerung und Kontrolle im Produktionsbereich beseitigt werden (vgl. Joos 2014: 351). Defizite, die als solche im deutschsprachigen Raum aufgrund der vorhandenen Plankostenrechnungssysteme nicht erkennbar waren (vgl. Mayer 1998: 133). Die zentralen Unterschiede liegen (auch demzufolge) in den folgenden drei Bereichen: 1. Einsatzbereiche: Die Prozesskostenrechnung betrachtet bei der Verrechnung der Gemeinkosten vorrangig die indirekten Leistungsbereiche (vgl. Schweitzer et al. 2016: 368f), während das Activity Based Costing sowohl in den direkten als auch in den indirekten Leistungsbereichen Anwendung findet (vgl. Mayer 1998: 133). 2. Tiefe der Prozesshierarchie: Die Prozesskostenrechnung operiert mit mindes­ tens zwei Hierarchieebenen, nämlich zumindest mit Haupt- und Teilprozessen; das Activity Based Costing kennt keine derartige Strukturierung, sondern ledig­ lich Activities (vgl. Horváth & Partner 1998: 73). 3. Prozessarten: Das Activity Based Costing unterscheidet nicht – wie die Prozess­ kostenrechnung – in leistungsmengeninduzierte (lmi) und leistungsmengenneu­ trale (lmn) Prozesse (vgl. Joos 2014: 358). Da die Prozesskostenrechnung mittlerweile zum Standardverfahren der Abbildung von Prozessen in verschiedensten Geschäftsbereichen avanciert ist (vgl. Ewert, Wa­ genhofer 2014: 674) und sich mit der Differenzierung bezüglich der Prozesshierar­ chie und -arten am ehesten als Budgetierungsrechnung eignet (vgl. Horváth & Part­ ner 1998: 5), soll dieses Rechnungssystem im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen stehen. Die bestehenden Kostenrechnungssysteme werden durch die Prozesskostenrech­ nung nicht substituiert, sondern eher sinnvoll ergänzt, weil die Prozesskostenrech­ nung durch ihre vorgangsbezogene bzw. prozessorientierte Sichtweise der Techni­ sierung der Leistungsprozesse eher gerecht werden kann (vgl. Wala et al. 2016: 448ff). Der Leistungsprozess lässt sich im Hinblick auf das gesamte Betriebsgeschehen als ei­ ne Aufeinanderfolge von Aktivitäten bzw. Prozessen vorstellen, angefangen vom Ma­ terialeinkauf bis hin zum Vertrieb der Erzeugnisse bzw. zum Absatz der Dienstleistun­ gen. Ein Prozess ist dabei im Allgemeinen als eine Kette von Aktivitäten zu verstehen, die auf die Erbringung eines Leistungsoutputs ausgerichtet und mit ihrem Ressour­ ceneinsatz analysierbar ist.

4 Prozessorientierte Budgetierung | 217

Die Prozesskostenrechnung war also ursprünglich für indirekte Leistungsberei­ che entwickelt worden. Zu den indirekten Leistungsbereichen zählen die Tätigkeiten und Vorgänge, die nicht unmittelbar an der zum Absatz bestimmten Leistung erfol­ gen bzw. Informationsbereitstellung zum Gegenstand haben (vgl. Götze 2010: 217). Hier werden Prozesse, z. B. Vorleistungs-, Betreuungs- und Abwicklungsprozesse, mit ihren Ressourceneinsätzen rekonstruiert (vgl. Mayer 1998: 135). Die Prozesskos­ tenrechnung setzt den Fokus auf die abteilungs- und kostenstellenübergreifende Betrachtung von Prozessen (vgl. Freidank 2012: 373), ohne diese jedoch an wert- oder zeitabhängige Bezugsgrößen zu binden, wie z. B. Fertigungs- und Maschinenstunden oder Einzel- bzw. Herstellkosten (vgl. Freidank 2012: 370). Dies schafft Transparenz bezüglich der Kostenanteile und -höhe der einzelnen Prozesse und ermöglicht ge­ gebenenfalls bei der Feststellung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen die Zu­ ordnung auf z. B. Produkte, Aufträge oder Kunden (vgl. Weber, Schäffer 2016: 161ff). Die Prozesskostenrechnung knüpft an die traditionelle Kostenarten-, Kostenstellenund Kostenträgerrechnung an und greift damit Wesenszüge der Vollkostenrech­ nung auf. Neben traditionellen Auswertungsobjekten wie Kostenstellen und -träger können in einer prozessbezogenen Kostenrechnung jedoch vielfältige neue Auswer­ tungsobjekte treten. Der Einsatz einer Prozesskostenrechnung eignet sich v. a. bei repetitiven (häufig wiederkehrenden) Tätigkeiten mit hinreichendem Kostenvolumen und überschaubarer Komplexität (vgl. Joos 2014: 355; vgl. Götze 2010: 219; vgl. Wala et al. 2016: 450ff). Zum Verständnis der prozessorientierten Budgeterstellung werden die beiden maßgeblichen Schritte, die Prozessanalyse und die Prozesskostenbestimmung (vgl. Britzelmaier 2017: 276ff), in Kapitel 4.2 in Teil C beispielhaft erläutert.

4.1.2 Prozesse als Erkenntnisobjekte Mit einer prozessorientierten Perspektive auf das Unternehmen lassen sich, ausge­ hend von Geschäftsprozessen, diverse Hauptprozesse, Teilprozesse und Aktivitäten bzw. Tätigkeiten ableiten. 4.1.2.1 Entwicklung einer Prozessperspektive Die Geschäftsprozesse werden auch als Mega- oder Kernprozesse bezeichnet. Sie definieren die Aufgabengebiete eines Unternehmens und haben i. d. R. mehrere Kos­ tentreiber. Kostentreiber sind als Quantifizierungsgrößen der maßgebende Faktor für die Kostenverursachung durch die Inanspruchnahme von Prozessen (siehe Abbil­ dung C4.1).

218 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Megaprozesse (Geschäftsprozesse)

Beschaffungsprozess

Kundenauftragsabwicklung

Logistikprozess



Managementprozesse

Hauptprozesse

Lieferantenpflege

Sortimentspflege

Warenbestellung

Warenannahme

Teilprozessebene 1 (Standards of performance) Bestellprognose erstellen

Teilprozessebene 2 (Aktivitätenebene)

– Aktivität 1 – Aktivität 2 – usw.

Bestellprognose prüfen

Bestellung aufgeben

Tätigkeitsanalyse/Teilprozessermittlung Die Verdichtung von Teilprozessen zu Hauptprozessen kann über eine oder mehrere Ebenen erfolgen. Die Anzahl der Teilprozessebenen wird durch die spezifischen Informationsbedürfnisse determiniert.

Abb. C4.1: Prozessebenen (in Anlehnung an Remer 2005: 37).

Die Hauptprozesse untergliedern den Geschäftsprozess in verschiedene kostenstel­ lenübergreifende Abläufe. Jeder Hauptprozess ist mit genau einem Kostentreiber aus­ gestattet. Die Hauptprozesse wiederum sind in Teilprozesse untergliedert. Teilprozes­ se beinhalten Aktivitäten bzw. Tätigkeiten, die in Kostenstellen ausgeführt werden. Die einzelnen Arbeitsfolgen ergeben sich – unabhängig von den Kostenstellen – als logische Schritte eines Hauptprozesses. Sie sollten funktional entlang der Leistungs­ erstellung gegliedert sein. Hauptprozesse erstrecken sich i. d. R. über Kostenstellenund Abteilungsgrenzen hinweg (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 166f; vgl. Wala et al. 2016: 451). So finden sich für den Hauptprozess „Materialbestellung abwickeln“ be­ stellrelevante Teilprozesse und Tätigkeiten in unterschiedlichen Abteilungen (siehe Abbildung C4.2).

4 Prozessorientierte Budgetierung | 219

Hauptprozess: Materialbestellung abwickeln

Bedarf melden

Lieferanten suchen

Eingangslager Bedarf melden Ware abholen

Bestellung auslösen

Liefertermine überwachen

Einkaufsabteilung Lieferanten suchen Bestellung auslösen Liefertermine überwachen

Wareneingang prüfen

Ware abholen

Qualitätskontrolle Wareneingang prüfen

Rechnungen prüfen und buchen

Rechnungen bezahlen

Buchhaltung Rechnungen prüfen und buchen Rechnungen bezahlen

Abb. C4.2: Teilprozesse des Hauptprozesses „Materialbestellung abwickeln“ (in Anlehnung an Rieg 2015: 117).

Ein Teilprozess bezieht sich also immer entlang der Prozesskette auf die Aktivitä­ ten, die in bestimmten Kostenstellen ausgeführt werden (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 166f). Durch die Aggregation der Teilprozesse ergibt sich der Hauptprozess. Diese Pro­ zesse sind kostenstellenübergreifend und entsprechen geplanten Workflows. Sie sind ähnlich aufgebaut wie die Arbeitspläne in der Fertigung. Der Unterschied liegt in der Struktur der entsprechenden Kostenstellen: Während die Fertigungshauptkostenstel­ len immer auf einer homogenen Leistungsbezugsgröße aufbauen (Drehen, Fräsen, Bohren), werden in den leistungsunterstützenden Bereichen i. d. R. verschiedenarti­ ge Aktivitäten ausgeführt (Angebote einholen, Lieferanten auswählen, Bestellungen ausführen usw.). Die einzelne Tätigkeit ist im Prinzip eine weitere Ebene von Teilpro­ zessen. Im Prozessmodell können, je nach Informationsbedürfnis, mehrere Teilprozess­ ebenen definiert werden. Die Tiefe der Zerlegung in Teilprozesse ist von mehreren Faktoren abhängig: Eine zu dezidierte Zerlegung verursacht einerseits einen relativ hohen Analyseaufwand und zieht die Gefahr der Intransparenz des Modells nach sich – zumal auch die Gefahr besteht, dass sich durch laufende Anpassungen das Prozessmodell auf der sehr detaillierten Ebene sehr häufig ändern muss. Die Pflege des Prozessmodells wird also bei mehrstufigen Teilprozessen recht aufwändig (vgl. Rieg 2015: 116). Andererseits bilden zu wenige Teilprozesse die Kostenverursachung

220 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

nicht detailliert genug ab, sodass eine zu grobe Teilprozessstrukturierung die Ge­ fahr zu hoher Informationsverluste für die intendierte Kostenplanung und -kontrolle impliziert. 4.1.2.2 Bildung eines Prozessgeflechts Da die Prozesskostenrechnung ein nach unternehmensindividuellen Bedingungen und Erwägungen frei konfigurierbares Kostenmanagementinstrument ist, existiert kein allgemeingültiges Schema für die Vorgehensweise der Prozesskostenrechnung (vgl. Remer 2005: 50f). Gleichwohl hat sich in der Anwendungspraxis folgende Schrittsystematik für die Bildung eines Prozessgeflechtes durchgesetzt: 1. Auswahl der in die Prozesskostenrechnung einzubeziehenden Bereiche 2. Tätigkeitsanalyse und Identifikation der Teilprozesse in den ausgewählten Berei­ chen und Kostenstellen (Tätigkeitsanalyse) 3. Ermittlung der Kostenreiber der Teilprozesse in den ausgewählten Kostenstellen (Bezugsgrößenanalyse) 4. kostenstellenübergreifende Identifikation der Hauptprozesse. Die Prozesskostenrechnung kann sich auf das gesamte Unternehmen erstrecken, kann sich aber auch nur auf ausgewählte gemeinkostenintensive Bereiche beschränken, wie z. B. auf den Forschungs- und Entwicklungsbereich oder den Beschaffungsbe­ reich. Weil es sich bei der Durchführung der Prozesskostenrechnung um ein sehr auf­ wändiges Vorhaben handelt, ist auf der Grundlage von Kosten-/Nutzenüberlegungen zu entscheiden, welche Bereiche in die Prozesskostenrechnung einzubeziehen sind. Daneben sind eventuelle Restriktionen hinsichtlich der Möglichkeiten der Datener­ hebung zu berücksichtigen. Hier ist zu empfehlen, zunächst mit den Bereichen zu beginnen, in denen dringend aussagekräftige Kosteninformationen erforderlich sind und/oder eine einfache Erhebung von Maßgrößen der Kostenverursachung möglich ist (vgl. Eberlein 2010: 235; vgl. Mayer 1998: 70ff). Die Tätigkeitsanalyse soll ein lückenloses Bild über die Leistungen der Kosten­ stellen und über die zugehörigen Ressourceneinsätze liefern. Tätigkeiten sind die kleinsten zu erfassenden, Kapazitäten in Anspruch nehmenden Bestandteile von Ak­ tivitäten eines Mitarbeiters in einer Kostenstelle (vgl. Remer 2005: 55; vgl. Britzelmai­ er 2017: 280). Im Rahmen einer Tätigkeitsanalyse sind deshalb alle kostenrelevanten Verrichtungen in den ausgewählten Bereichen zu erfassen, zu beschreiben und zu bewerten. Dabei ist zu analysieren, welche Tätigkeiten mit welchen Mitteln inner­ halb der Kostenstellen im Einzelnen ausgeführt werden, und welches Ergebnis damit erreicht wird. Eine solche Tätigkeitsanalyse ist dreistufig aufgebaut und umfasst 1. die Analyse der Inputfaktoren der jeweiligen Kostenstelle, z. B. Arbeitszeitvolu­ men der Mitarbeiter und sachliche Ausstattung,

4 Prozessorientierte Budgetierung | 221

2.

3.

die Erhebung und Analyse der von den Mitarbeitern zu verrichtenden Tätigkeiten nach Standardisierungsgrad (repetitiv versus individuell), nach Leistungsbezug (direkt, indirekt, ohne) und nach beanspruchter Kapazität (z. B. Tätigkeitsdauer, Grad der Beanspruchung der Potenzialfaktoren), die Analyse des Outputs der Kostenstelle, z. B. Anzahl durchgeführter Tätigkeiten.

Diese dreistufige Tätigkeitsanalyse erfordert eine akribische Informationsbeschaf­ fung. Am Beginn einer solchen Informationsbeschaffung steht i. d. R. die Sichtung und Auswertung der vorhandenen Unterlagen, wie z. B. Stellenbeschreibungen, Ab­ laufpläne, Organigramme, Kalkulationen und Statistiken oder auch REFA-Arbeitszeit­ studien. Die weitere konkrete Informationsbeschaffung kann dann auf unterschiedli­ che Arten und ggf. auch kombiniert erfolgen (vgl. Götze 2010: 222): – Befragungen der Kostenstellenleiter und/oder der Mitarbeiter hinsichtlich der kostenstellenbezogenen Tätigkeiten und der tätigkeitsbeeinflussenden Faktoren. Daneben kann auch die Selbstanalyse genutzt werden, indem die Mitarbeiter der untersuchten Kostenstellen die benötigten Informationen auf vorgefertigten Formularen vermerken. – Beobachtungen, insbesondere mittels der Multimomentmethode. Diese Methode ist ein in der Praxis recht häufig eingesetztes Stichprobenverfahren, mit dem bei einem relativ geringen Zeitaufwand statistisch gesicherte Mengen- und Zeitanga­ ben erhoben werden können. So könnten z. B. Aussagen über die Häufigkeit bzw. die Dauer von unregelmäßig auftretenden Tätigkeiten generiert werden, um von der Analyse der Einzelfälle induktiv auf die Gesamtheit der Ereignisse schließen zu können. Allgemeingültige und operationale Regeln für den Detaillierungsgrad der Analyse existieren nicht. Da die Qualität der Tätigkeitsanalyse die Qualität der Prozesskosten­ rechnung und der prozessbasierten Budgetierung determiniert, ist die Tätigkeitsana­ lyse mit möglichst hohem Genauigkeitsgrad durchzuführen – wobei der Arbeits- und Zeitaufwand im Wesentlichen von der Größe und der Struktur des zu untersuchen­ den Bereichs abhängen wird (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 675ff). In jedem Fall soll­ ten bereits vor Beginn der Informationsbeschaffung rudimentäre Vorstellungen über potenzielle Prozesse und deren Kosteneinflussgrößen vorliegen, um die konkrete In­ formationsbeschaffung zielorientiert gestalten zu können. Da die Gesamtkapazität ei­ nes indirekten Leistungsbereichs regelmäßig durch die gesetzlich und/oder tariflich begrenzte und organisatorisch verfügbare (Gesamt-)Arbeitszeit determiniert ist, sind die Arbeitszeiten der Mitarbeiter von besonderer Bedeutung (vgl. Rieg 2015: 116). Ein wichtiges Untersuchungsfeld im Rahmen der Tätigkeitsanalyse ist deshalb die Mes­ sung des Zeitbedarfs der Tätigkeiten, die in Relation zur gesamten Kapazität der Kos­ tenstelle zu erheben ist.

222 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Da die Tätigkeiten und Aktivitäten innerhalb einer Kostenstelle häufig sehr vielfäl­ tig sind, ist es notwendig, diese im nächsten Schritt zu Teilprozessen zu aggregieren. Unter einem Teilprozess versteht man eine Zusammenfassung sachlich zusammen­ gehöriger Tätigkeiten, die innerhalb der gleichen Kostenstelle erbracht werden (vgl. Britzelmaier 2017: 276ff). Ein Teilprozess ist i. d. R. die kleinste Einheit, die mengenund wertmäßig erfasst wird. Als Teilprozesse können je nach Art der Kostenstelle ne­ ben rein physischen Teilprozessen, wie z. B. Materialeinlagerung, auch wertmäßige Vorgänge, wie z. B. Abschreibung oder Kapitalverzinsung, definiert werden. Jeder Teil­ prozess muss jedoch eindeutig einer Kostenstelle zurechenbar sein. Aufgrund der He­ terogenität der Leistungen gibt es in den indirekten Leistungsbereichen im Allgemei­ nen mehrere verschiedene Teilprozesse pro Kostenstelle. Nachdem die Teilprozesse identifiziert sind, ist die Gesamtkapazität der Kostenstelle, z. B. die gesamten Anwe­ senheitsstunden, den einzelnen Teilprozessen zuzuordnen. Die Zusammenführung mehrerer, sachlich zusammengehöriger Teilprozesse – meist verschiedener Kosten­ stellen – erfolgt dann später in Hauptprozessen (siehe Abbildung C4.3). HP

HP

1

2

Verdichtung zu Hauptprozessen

Generierung von Teilprozessen

TP 1.1

TP 1.2

TP

TP

1.3

2.1

Kostenstelle 1

TP 2.2

Kostenstelle 2

TP

TP

3.1

3.2

TP 3.3

TP 3.4

Kostenstelle 3

Tätigkeitsanalyse Abb. C4.3: Zusammenführung von Teil- zu Hauptprozessen (in Anlehnung an Joos 2014: 353; Schweitzer et al. 2016: 384).

Im Anschluss an die Tätigkeitsanalyse sind alle Aktivitäten und Teilprozesse zu un­ tersuchen, ob sich in Bezug auf die von der Kostenstelle zu erbringenden Leistun­ gen mengenvariabel verhalten, oder ob sie unabhängig davon mengenfix anfallen. Im Rahmen dieser Bezugsgrößenanalyse fungieren sogenannte Kostentreiber als Mess­ größe für die Anzahl der durchgeführten Aktivitäten und als Maßstab der Kostenverur­ sachung (vgl. Schweitzer et al. 2016: 383). Kostentreiber sind Bezugsgrößen, die men­

4 Prozessorientierte Budgetierung |

223

genmäßig erfassbar sind und einen nachvollziehbaren und willkürfreien Zusammen­ hang zwischen Maßgröße und zu messenden Sachverhalt garantieren (vgl. Coenen­ berg et al. 2016a: 167ff). Die Kostentreiber haben damit die gleiche Funktion wie die be­ schäftigungsbezogenen Bezugsgrößen in der flexiblen Plankostenrechnung, weshalb für den Bereich der Fertigung die Kostentreiber meist identisch mit den Bezugsgrößen der flexiblen Plankostenrechnung sind. Zur systematischen Identifikation der Kosten­ treiber sollten im Vorfeld die Erfahrungen der Mitarbeiter genutzt werden, um alle Haupteinflussgrößen auf die Kostenverursachung ohne zeitintensive Untersuchun­ gen bestimmen zu können. Darauf aufbauend kann die Korrelationsanalyse genutzt werden, mit der Abhängigkeiten zwischen einer Zielgröße, z. B. Ressourceneinsatz, und möglichen Einflussgrößen (Kostentreiber) zu bestimmen sind (vgl. Stelling 2009: 156ff). Abschließend werden i. d. R. Aktivitäten mit demselben Kostentreiber zu einem Teilprozess zusammengefasst. Auf der Basis einer solchen Bezugsgrößenanalyse gelangt man zu einer diffe­ renzierten Einordnung der Teilprozesse einer Kostenstelle: Teilprozesse können leis­ tungsmengeninduzierte (lmi) oder leistungsmengenneutrale (lmn) Teilprozesse sein (vgl. Britzelmaier 2017: 278f; vgl. Remer 2005: 31): – Bei leistungsmengeninduzierten Teilprozessen ist die direkte Zuordnung ei­ nes Kostentreibers möglich. Kosten, die in ihrer Höhe in einem kausalen Zusam­ menhang zur Anzahl der durchgeführten Teilprozesse stehen, bezeichnet man demzufolge als leistungsmengeninduzierte Kosten (lmi-Kosten); lmi-Kosten fal­ len v. a. bei repetitiven Tätigkeiten an, wie z. B. bei der Rechnungsprüfung mit der Anzahl der Rechnungen bzw. der Rechnungspositionen als Kostentreiber. Die hier zu entwickelnden Bezugsgrößen müssen das Mengen- und Wertgerüst der leistungsmengeninduzierten Teilprozesse möglichst präzise abbilden. – Daneben gibt es Teilprozesse, für die plausible und aussagefähige Maßgrößen nicht entdeckt werden können (insbesondere für Aktivitäten der Geschäftsfüh­ rung oder der Bereichs- bzw. Abteilungsleitung). Für diese leistungsmengenneu­ tralen Teilprozesse kann somit kein direkter Kostentreiber identifiziert werden. Derartige Prozesskosten werden als leistungsmengenneutrale Kosten (lmn-Kos­ ten) bezeichnet. Da lmn-Teilprozesse zur Unterstützung der lmi-Teilprozesse dienen, werden die lmn-Kosten i. d. R. auf die Imi-Teilprozesse der jeweiligen Kostenstelle verrechnet. Der Umfang der lmn-Teilprozesse nimmt i. d. R. mit zu­ nehmender organisatorischer Distanz des Analysebereichs zum direkten Leis­ tungsbereich und mit zunehmender Entfernung von den unteren Ebenen der Unternehmenshierarchie zu – denn hier fallen in erster Linie unregelmäßig dis­ positive, innovative und kreative Tätigkeiten, also individuelle Tätigkeiten an.

224 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Um die Gemeinkosten möglichst verursachungsgerecht abbilden und verrechnen zu können, operiert man analog zur Anzahl der Teilprozesse in einer Kostenstelle mit mehreren Kostentreibern. Im nachfolgenden Beispiel sind die möglichen Ergebnisse einer Tätigkeits- und Bezugsgrößenanalyse für die Hauptkostenstelle Einkauf exemplarisch dargestellt. Die Teilprozesse Nr. 1 bis Nr. 3 wurden als lmi-Prozesse, der Teilprozess Nr. 4 als lmn-Pro­ zess identifiziert (die Fortführung des Beispiels mit der Ermittlung der Teilprozessgrö­ ßen folgt in Teil C, Kapitel 4.2.2): Kostenstelle Einkauf Bezeichnung

Analyseergebnisse (Jahr 2015)

Nr. Teilprozesse

Bezugsgröße (Kostentreiber)

1 2

Angebote Bestellungen

3 4

Angebotseinholung Bestellung/ Eingangskontrolle Rechnungsprüfung Abteilungsleitung

Positionen −

Menge

Teilprozessgrößen Aktivitätskosten (€) lmi lmn gesamt

1.200 300.000 3.500 70.000 10.000 100.000 − 40.000 510.000

Die Zusammenfassung einzelner Teilprozesse zu einem übergeordneten und verbin­ denden Hauptprozess generiert eine Prozesskette. Mit einem Hauptprozess werden mehrere, sachlogisch zusammengehörige Teilprozesse bezeichnet. Sie stellen die we­ sentlichen Vorgänge in den Leistungsbereichen dar (vgl. Posluschny, Treuner 2009: 17; vgl. Remer 2005: 55). Ziel der Verdichtung der Teilprozesse zu Hauptprozessen ist es, Kostenwirkungen zu ermitteln, die nur durch Zusammenfassung von aufeinanderfol­ genden Teilprozessen zu evaluieren sind, wie z. B. die Höhe des Kosteneinsatzes bei Abwicklung eines Kundenauftrags vom Einkauf, über die Logistik und Produktion bis hin zum Vertrieb. Im Zuge der Verdichtung der Teilprozesse zu Hauptprozessen lassen sich also Teilprozesse identifizieren, die einerseits der durchführenden Kostenstelle und andererseits dem übergeordneten Hauptprozess zugerechnet werden können. Ab­ bildung C4.4 zeigt ein für die Prozesskostenrechnung typisches Prozessgeflecht mit Hauptprozessen, Teilprozessen und Tätigkeiten:

4 Prozessorientierte Budgetierung |

Hauptprozess 1

Hauptprozess 2

100 %

40 % 60 %

100 %

100 %

Teilprozess 1

Teilprozess 2

Teilprozess 1

Teilprozess 2

Hauptprozess 3

100 %

100 %

Teilprozess 3 (lmn)

Hauptprozess 4

100 %

Teilprozess 1

Teilprozess 2

225

100 %

Teilprozess 3

Teilprozess 1

Teilprozess 1 (lmn)

TÄ1 TÄ2 TÄ3 TÄ4 TÄ5

TÄ1 TÄ2 TÄ3 TÄ4

Kostenstelle 1

Kostenstelle 2

TÄ1

TÄ2

Kostenstelle 3

TÄ1 TÄ2 TÄ3 TÄ4

TÄ1 TÄ2 TÄ3 TÄ4

Kostenstelle 4

Kostenstelle 5

TÄ = Tätigkeit Abb. C4.4: Beispiel für ein Prozessgeflecht (in Anlehnung an Remer 2005: 31).

Ein Teilprozess kann in einem, aber auch in mehreren übergeordneten Hauptprozes­ sen zum Einsatz kommen (wie in Abbildung C4.4 Teilprozess 2 aus KoSt. 1). Umgekehrt kann ein Hauptprozess auch durch allein einen Teilprozess widergespiegelt werden (wie in Abbildung C4.4 Hauptprozess 3). Dies wird durch die Prozesskette definiert (vgl. Remer 2005: 31). Hauptprozesse sind damit kostenstellenübergreifende Vorgän­ ge, die das Gemeinkostenvolumen beeinflussen. In den einzelnen Kostenstellen der Prozesskette werden die Aktivitäten bestimmt. Die Aktivitäten wiederum nehmen Res­ sourcen in Anspruch, die bewertet werden. Dadurch ist es möglich, die im Hauptpro­ zess enthaltenen Teilprozesse zu bewerten, da sich die Kostensätze aus den Kosten der einzelnen Kostenstellen ergeben. Somit können die einzelnen Prozesse des Unter­ nehmens (ähnlich wie Produkte) kalkuliert werden. Ein Hauptprozess muss dabei nicht zwingend auf das betrachtete Unternehmen beschränkt bleiben. Zentrale Logistikprozesse eines Industriebetriebs können durch eine Verknüpfung mit Prozessen von Lieferanten oder Kunden beliebig ausgeweitet werden. Im Prozessmodell sollten jedoch generell nicht mehr als zehn Hauptprozes­ se gebildet werden. Dieses Vorgehen beinhaltet zwar eine Informationsreduktion, hat jedoch den Vorteil einer größeren Übersichtlichkeit über das Unternehmensgesche­ hen (vgl. Rieg 2015: 116). Zudem lässt sich mit der Kenntnis der Kosten der zentralen Hauptprozesse eines Unternehmens erfahrungsgemäß schon ca. 80 % des Gemein­ kostenvolumens planen und kontrollieren (vgl. Horváth 2015: 234ff).

226 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

4.2 Prozessorientierte Budgeterstellung Bei der prozessorientierten Budgetierung kann grundsätzlich nach dem Bottom-upoder dem Top-down-Verfahren vorgegangen werden (vgl. Götze 2010: 220ff). – Das Top-down-Verfahren geht von einer Verteilung der gesamten Kapazität der Kostenstelle auf die Prozesse aus. Durch die Division der Kapazitäten durch die Prozessmenge erhält man die verfügbaren Kapazitätsanteile je Tätigkeitsausfüh­ rung (siehe Abbildung C4.5). Hauptprozess 1

Hauptprozess 2

Top-down

Verteilung der Kapazitäten auf die Teilprozesse

Teilprozess 1

Teilprozess 2

Teilprozess 1

Teilprozess 2

Teilprozess 1

Verteilung der Teilprozesskapazitäten auf Tätigkeiten

TÄ1 TÄ2 TÄ3 TÄ4

TÄ1 TÄ2 TÄ3 TÄ4

Kostenstelle 1

Kostenstelle 2

TÄ1

TÄ2

Kostenstelle 3

TÄ = Tätigkeit Abb. C4.5: Prozessorientierte Budgetierung nach Top-down-Verfahren (in Anlehnung an Götze 2010: 221f).



Beim Bottom-up-Prinzip werden zunächst die in den Kostenstellen anfallenden Tätigkeiten erfasst und zu Teilprozessen verdichtet. Um die in Anspruch genom­ menen Kapazitäten der betrachteten Kostenstelle planen zu können, wird die Zeit­ dauer für die Ausführung der Teilprozesse mit der Anzahl der durchzuführenden Prozesse (Prozessmengen) multipliziert. Bei der Summierung aller innerhalb der Kostenstelle betrachteten Tätigkeiten erhält man dann die benötigte Kapazität für die zu erbringenden Prozesse (siehe Abbildung C4.6).

4 Prozessorientierte Budgetierung |

Hauptprozess 1

227

Hauptprozess 2

Bottom-up

Verdichtung von Teilprozessen zu Hauptprozessen

Teilprozess 1

Teilprozess 2

Teilprozess 1

Teilprozess 2

Teilprozess 1

Zusammenfassung der Tätigkeiten zu Teilprozessen

TÄ1 TÄ2 TÄ3 TÄ4

TÄ1 TÄ2 TÄ3 TÄ4

Kostenstelle 1

Kostenstelle 2

TÄ1

TÄ2

Kostenstelle 3

TÄ = Tätigkeit Abb. C4.6: Prozessorientierte Budgetierung nach Bottom-up-Verfahren (in Anlehnung an Göt­ ze 2010: 215).

Alternativ kann auch nach dem Gegenstromverfahren vorgegangen werden, bei dem sowohl von der Haupt- als auch von der Teilprozessebene ausgehend geplant wird (vgl. Götze 2010: 228). Die wesentlichen Grundlagen der prozessorientierten Budgetie­ rung liegen in allen Fällen in der Planung der Prozessmengen und der Prozesskosten (vgl. Götze 2010: 222f).

4.2.1 Ermittlung von Prozessmengen und -kosten Die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Festlegung der Bezugsgrößenmengen und der Planung der zugehörigen Prozesskosten ähnelt sehr stark derjenigen zur Bestim­ mung der Planbeschäftigung in der flexiblen Plankostenrechnung. Unter der Festle­ gung der Bezugsgrößenmenge je Teilprozess versteht man die Planung der Prozess­ menge, d. h. die Bestimmung der erwarteten Häufigkeit des betrachteten Teilprozesses innerhalb eines definierten Zeitraums. Die Häufigkeit der Ausführungen des Teilpro­ zesses hängt dabei von der Anzahl der leistungsverursachenden Maßgrößen ab. Die Planprozessmenge ist Ausdruck der Kapazität einer Kostenstelle und zeigt, wie häufig ein Teilprozess innerhalb einer Zeitspanne durchgeführt werden soll (vgl. Schweitzer et al. 2016: 383ff). Die Festsetzung der Bezugsgrößenmengen orientiert sich wie in der problemorientierten Budgetierung am Ausgleichsgesetz der Planung, das dem Minimumsektor bei der Planung Priorität einräumt: Die Leistungsmengen der Kostenstellen werden damit in Abhängigkeit vom Minimumsektor festgelegt. Er be­ stimmt bei gegebenen Kapazitäten als Engpass die maximal mögliche Prozessmenge.

228 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Bei der Prozessmengenplanung wird die gleiche Methodik wie bei der Ermittlung der Planbezugsgrößen im Rahmen der Grenzplankostenrechnung angewendet. Zweck­ mäßigerweise wird man jedoch einen längeren Betrachtungszeitraum wählen, um Verzerrungen durch kurzfristige Ereignisse auszuschließen. Der Planungszeitraum beträgt deshalb (und auch aufgrund der Kompatibilitäten zu anderen Systemen der Unternehmensrechnung) i. d. R. ein Jahr. Die Prozesskosten berücksichtigen die Summe der Gemeinkosten, die durch eine ganz bestimmte Aktivität innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausgelöst wird. Die Veränderung der Gemeinkosten wird durch die Veränderung der Bezugsgröße erklärt, wobei ein Reagibilitätsgrad in Höhe von 1 und damit ein proportionaler Kostenverlauf unterstellt wird (vgl. Horváth et al. 2015: 239ff): Beispiel Werden für das Folgejahr in der Kostenstelle „Einkauf“ statt 3.000 Einzelbestellun­ gen nur noch 2.000 geplant, so ist mit der Reduktion des Teilprozesses „Einzelbestel­ lungsausführung“ um 1.000 Einheiten auch von einer Abnahme der beanspruchten Personalkapazität und der beanspruchten Prozesskosten um ebenfalls ein Drittel aus­ zugehen. Da jedoch ein überwiegender Teil der Prozesskosten fixer Art ist (das gilt insbesondere für die Personalkosten), zeigen sie bei Über- bzw. bei Unterschreitung von Kapazitäts­ grenzen ein sprungfixes Verhalten, sodass ein treppenförmiger Verlauf der (fixen) Ge­ meinkosten vorliegt. Die längerfristige Gestaltungsfähigkeit der (fixen) Gemeinkosten hängt von der Kenntnis der Kosten und deren Bindungszwängen ab. Der Nutzen der Prozesskostenrechnung besteht hier darin, diese Gestaltungsfähigkeit der Gemein­ kosten – insbesondere die Abbaufähigkeit – aufzudecken. Die Prozesskostenplanung ist allein nach dem angestrebten Ressourceneinsatz bei unterschiedlicher Leistungs­ erstellung und nicht unter Berücksichtigung einer erwarteten Kostenremanenz durch­ zuführen. Wenn also die Prozessmenge um ein Drittel zurückgeht, sind (idealtypisch) auch die geplanten Kapazitäten und die geplanten Kosten entsprechend zu reduzieren (vgl. Schweitzer et al. 2016: 392ff). Zur Planung der (jährlichen) Prozesskosten stehen verschiedene Methoden zur Verfügung (vgl. Götze 2010: 222f): – bei Anwendung der analytischen Methode werden für jeden Prozess auf Basis der Planprozessmengen alle Kostenarten mithilfe technisch-kostenwirtschaftli­ cher Analysen geplant. Diese Methode liefert die genauesten Ergebnisse, ist aber auch relativ zeitaufwändig. – Eine weitere Möglichkeit zur Ermittlung der Plankosten je Prozess besteht dar­ in, nur die dominanten Kostenarten, z. B. die Personalkosten, für jeden Prozess analytisch zu planen. Die verbleibenden Kostenarten werden ausgehend von den Normalkosten der Kostenstelle, d. h. ausgehend von den vergangenheitsbezoge­ nen durchschnittlichen Istkosten, proportional zu den dominierenden Kosten auf die Prozesse verteilt.

4 Prozessorientierte Budgetierung | 229



Die Gesamtkostenmethode ist die ungenaueste, da hier die Gesamtkosten der Kos­ tenstelle über geeignete Schlüssel, wie z. B. die Anzahl der Mitarbeiter, den Pro­ zessen zugeordnet werden.

Auf Basis der Prozessmengen- und Prozesskostenplanung werden im nächsten Schritt die verschiedenen Prozesskostensätze ermittelt.

4.2.2 Ermittlung der Prozesskostensätze Um sämtliche Kosten prozessanteilig umlegen zu können, muss zunächst ermit­ telt werden, was die einmalige Ausführung bzw. Inanspruchnahme eines Prozes­ ses kostet. Dazu werden sogenannte Prozesskostensätze gebildet (vgl. Coenen­ berg et al. 2016a: 172ff). Prozesskostensätze können als durchschnittliche Kosten pro Prozessinanspruchnahme aufgefasst werden, die vereinfachend von Kostentreibern direkt-proportional abhängen und der Abwicklung einer einzelnen Prozesseinheit zurechenbar sind. Sie sind wie folgt zu ermitteln (vgl. Joos 2014: 355; Eberlein 2010: 239f): Prozesskostensatz PKS:

Planprozesskosten PKP Planprozessmenge PMP

Die Kostensätze der leistungsmengeninduzierten Teilprozesse erhält man, indem die geplanten Prozesskosten eines Teilprozesses durch die zugehörigen geplanten Teilprozessmengen dividiert werden (vgl. Joos 2014: 358; Schweitzer et al. 2016: 384): Teilprozesskostensatz TPKSlmi :

Planteilprozesskosten TPKlmi Planteilprozessmenge TPMlmi

Solche Teilprozesskostensätze lassen sich lediglich für repetitive Tätigkeiten bilden, die durch ein Mengen- oder Zeitgerüst quantifizierbar sind. Da für die leistungsmen­ genneutralen Teilprozesse definitionsgemäß keine Maßgrößen gefunden werden können, werden deren Kosten i. d. R. innerhalb der Kostenstelle proportional zu den leistungsmengeninduzierten Prozesskosten umgelegt – denn sie dienen der Unter­ stützung der leistungsmengeninduzierten Teilprozesse. Damit gibt es auch in der Prozesskostenrechnung analog zu den Gemeinkostenzuschlagssätzen der traditio­ nellen Vollkostenrechnung einen Umlagesatz (vgl. Joos 2014: 358; Schweitzer et al. 2016: 384f): Prozessumlagesatz PUS:

Planprozesskosten PKlmi ⋅ TPKSlmi ∑ Planprozesskosten PKlmi

Diese Verrechnung über einen Umlagesatz entspricht der Interpretation der leis­ tungsmengenneutralen Teilprozesse als sekundäre Bereitschaftsfunktionen für alle leistungsmengeninduzierten Teilprozesse einer Kostenstelle. Durch die geschilderte

230 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Vorgehensweise der Umlage der lmn-Kosten proportional zu den lmi-Kosten eines Teilprozesses erhält man für jeden leistungsmengeninduzierten Teilprozess einen Teilprozesskostensatz (lmi), einen Prozessumlagesatz (lmn) und einen Gesamtkos­ tensatz für den Teilprozess (vgl. Joos 2014: 358; Schweitzer et al. 2016: 385): Gesamt-Teilprozesskostensatz TPKSges :

Teilprozesskostensatz TPKSlmi + Prozessumlagesatz PUS

Für das in Teil C, Kapitel 4.1.2.2 dargestellte Beispiel zur Tätigkeits- und Bezugsgrö­ ßenanalyse für die Hauptkostenstelle „Einkauf“ ergeben sich folgende Teilprozess­ größen (sofern hier Planwerte unterstellt werden): Kostenstelle Einkauf Bezeichnung

Analyseergebnisse (Jahr 2015)

Nr. Teilprozesse

Bezugsgröße (Kostentreiber)

1 2 3 4

Menge

Teilprozessgrößen

Aktivitätskosten (€) lmi

Angebotseinholung Angebote 1.200 300.000 Bestellung/ Bestellungen 3.500 70.000 Eingangskontrolle Rechnungsprüfung Positionen 10.000 100.000 Summe der lmi-Kosten 470.000 Abteilungsleitung Summe der lmn-Kosten 40.000 510.000

lmn

gesamt

250,00 21,28 271,28 20,00 1,70 21,70 10,00

0,85

10,85

280,00 23,83 303,83

Der gesamte Teilprozesskostensatz drückt aus, was die einmalige Inanspruchnahme eines Teilprozesses kostet, wenn die leistungsmengeninduzierten und die umgeleg­ ten leistungsmengenneutralen Kosten berücksichtigt werden. Je nach Anwendungs­ zweck stehen so Prozessteilkosten (lmi-Teilprozesskostensatz) oder Prozessvollkosten (gesamter Teilprozesskostensatz) zur Verfügung, sodass eine Auswertung je nach in­ dividuellem Rechenzweck durchgeführt werden kann. Auch die Prozesskostenrechnung kommt – wie das obige Beispiel offenbart – nicht ohne pauschale Schlüsselung der Gemeinkosten aus. An die Stelle der her­ kömmlichen Gemeinkostenverteilung bei der Zuschlagskalkulation tritt hier das Ver­ rechnen auf Basis mengen- oder zeitbezogener Leistungsdaten. Dies wird (analog zu der Problematik steigender Gemeinkostenanteile in der traditionellen Vollkos­ tenrechnung) dann ungenau, wenn in einzelnen Kostenstellen ein sehr hoher fixer Gemeinkostenanteil vorliegt, der über Umlagesätze verteilt werden muss (vgl. Brit­ zelmaier 2017: 281; vgl. Schweitzer et al. 2016: 390). Eine Variante zur Verrechnung leistungsmengenneutraler Kosten besteht darin, diese Kosten in einer kostenstel­ lenübergreifenden Sammelposition zusammenzufassen und dann im Rahmen der Kalkulation mittels prozentualer Zuschläge auf die Gesamtsumme der Hauptprozess­ kosten zu verteilen. Der Vorteil dieser Variante ist darin zu sehen, dass die durch Fixkostenproportionalisierung bedingte verfälschte Kosteninformation zumindest

4 Prozessorientierte Budgetierung | 231

auf Teilprozessebene eliminiert wird. Nachteilig ist die mehr oder weniger willkür­ liche Festlegung der Bezugsgröße, mit deren Hilfe die lmn-Kosten dann prozentual auf die Hauptprozesskosten umgelegt werden (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 173f). Ferner steht diese Vorgehensweise unter dem Generalverdacht, dass die lmn-Kosten als unwiderruflich gegeben betrachtet und einer weiteren Analyse entzogen werden (vgl. Götze 2010: 230f). Nach welcher Vorgehensweise die lmn-Kosten verrechnet werden sollten, lässt sich pauschal nicht beantworten. Je nach Kostenrechnungszweck lassen sich beide Varianten favorisieren. So sollte im Rahmen der kurzfristig wirksamen Entscheidun­ gen (z. B. auf Basis von Kostenvergleichen) nur mit lmi-Prozesskostensätzen operiert werden, um Kosteninformationen nicht unnötig zu verzerren (vgl. Ewert, Wagenho­ fer 2014: 673f; vgl. Coenenberg et al. 2016a: 172ff). Für eine kostenstellenbezogene Budgetkontrolle durch eine Prozessorientierung kann jedenfalls eine kostenstellen­ übergreifende Sammlung der lmn-Kosten nicht in Betracht kommen. Hier können im Interesse der Vergleichbarkeit der Kostenbudgets nur die Prozessvollkosten (gesamter Teilprozesskostensatz) als Beurteilungsmaßstab für die Kostenplanung und -kontrol­ le eingesetzt werden. Ausgehend von einer bestimmten Hauptprozessmenge können nun auf der Basis der Teilprozesskostensätze die Voll- bzw. die Teilkostenplanungen für die Kostenstel­ len aufgestellt werden (siehe Abbildung C4.7). Kostenstellen Materialbereich

Auftragsabwicklung

Prozesse Versand

Prozessmengen

Prozesskostensatz

Prozesskosten

….

€ je Bestellung

….

….

€ je Auftrag

….

….

€ je …

….

Kostentreiber Kostenstellenkosten Abb. C4.7: Kostenplanungen für die Kostenstellen (in Anlehnung an Fischer et al. 2015: 255ff).

Analog zur vorgestellten Prozesskostenkalkulation der Teilprozesse kann eine Haupt­ prozesskostenkalkulation durchgeführt werden. Dazu müssen genauere Informatio­ nen über die Art und Menge der Kostentreiber der aggregierten Prozesse vorliegen. Besonderes Augenmerk ist hier auf die Kostentreiber Komplexität und Varianten­

232 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

vielfalt zu legen (vgl. Freidank 2012: 369f; vgl. Schweitzer et al. 2016: 390ff; vgl. Göt­ ze 2010: 225ff): – Im Falle einer relativ hohen Komplexität ist der Funktionsbereich der Material­ wirtschaft hinsichtlich des Ressourceneinsatzes besonders betroffen, da mit hö­ herer Komplexität der Kosteneinsatz für Bestellung, Wareneingangskontrolle, La­ gerung, Bestandsüberwachung und Materialausgabe zunimmt. – Durch eine relativ hohe Variantenvielfalt sind hinsichtlich des Ressourceneinsat­ zes nahezu alle Bereiche betroffen (z. B. erhöhter Kosteneinsatz für Arbeitsvorbe­ reitung, Materiallagerung, Umrüstungen, Qualitätskontrollen, Logistik, Vertrieb und Rechnungswesen). Ebenso wie bei der Zusammenfassung der Teilprozesse zu Hauptprozessen kann man auch bei den Prozesskostensätzen vorgehen. Die Hauptprozesskostensätze erhält man durch Addition der Prozesskostensätze aller (hier: n) Teilprozesse, die in den Haupt­ prozess eingehen (vgl. auch Götze 2010: 225ff): Hauptprozesskostensatz PKSges :

Gesamt-Teilprozesskostensatz TPKSges

(1)

+ Gesamt-Teilprozesskostensatz TPKSges

(2)

+ Gesamt-Teilprozesskostensatz TPKSges (. . .) + Gesamt-Teilprozesskostensatz TPKSges

(n)

Da mehrere Teilprozesskostensätze über eine definierte Prozesskette addiert werden, ergeben sich kostenstellenübergreifende Hauptprozesskostensätze (vgl. Ewert, Wa­ genhofer 2014: 678f). Voraussetzung dieser Vorgehensweise ist jedoch, dass die Teil­ prozesse (vgl. Fischer et al. 2015: 249) – entweder den gleichen Kostentreiber aufweisen (wie bei der Zusammenfassung von Aktivitäten zu Teilprozessen) oder – solche Teilprozesse zusammengefasst werden, deren Kostentreiber in einem fes­ ten Verhältnis zueinander stehen (Gesetz der Austauschbarkeit der Maßgrößen). Die Übernahme sämtlicher Kostentreiber von Kostenstellen auf die unternehmenswei­ te Hauptprozessebene würde die Prozesskostenrechnung sehr aufwändig und intrans­ parent gestalten. Die Prozessverdichtung führt daher gleichzeitig zu einer Reduzie­ rung der Kostentreiber auf wenige ausgewählte Maßgrößen. Im Idealfall wird für jeden Hauptprozess nur ein einziger Kostentreiber identifiziert. Die Transparenz der Abläu­ fe erhöht sich, d. h. bisher nicht sichtbare kostenstellenübergreifende Zusammen­ hänge werden auch für die Budgetierung erkennbar (siehe Abbildung C4.8).

4 Prozessorientierte Budgetierung | 233

Gesamtbudget

Budget für Bereich 1

Budget für Bereich 2



Budget für Bereich n

Aufgabe 1/ Teilprozess 1

Aufgabe 1/ Teilprozess 1



Aufgabe 1/ Teilprozess 1

Prozess 1

Aufgabe 2/ Teilprozess 2

Aufgabe 2/ Teilprozess 2



Aufgabe 2/ Teilprozess 2

Prozess 2

Aufgabe n/ Teilprozess n

Aufgabe n/ Teilprozess n



Aufgabe n/ Teilprozess n

Prozess n

Budgetbereich 1 Abb. C4.8: Zusammenhang zwischen Budget- und Prozessbereichen (in Anlehnung an Fischer et al. 2015: 247f).

Die Prozesskostenrechnung entspricht damit eher als die traditionelle Kostenrech­ nung einem bereichsübergreifenden, ressourcenorientierten und zumindest tenden­ ziell vernetzten Denken.

4.3 Ansätze der Budgetkontrolle Eine prozessorientierte Budgetkontrolle kann entweder kostenstellenübergreifend auf der Hauptprozessebene oder aber in traditioneller Weise am Budget der Kosten­ stelle ansetzen (siehe Abbildung C4.9).

234 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

funktionale Sicht

KoSt. 1

TP 1.1 Personalkosten; übrige Stellenkosten TP 1.n

KoSt. 2

KoSt. 3

TP 2.1

TP 3.1

Hauptprozess 1 Material beschaffen

TP 2.2

TP 3.2

Hauptprozess 2 Aufträge bearbeiten

TP 2.n

TP 3.n

Hauptprozess n …

Prozesssicht Abb. C4.9: Zusammenhang zwischen Bereichs- und Prozessbudgetierung (in Anlehnung an Fischer et al. 2015: 247f).

Grundlegende Voraussetzung für eine prozessorientierte Budgetkontrolle ist eine transparente und den aktuellen Verhältnissen entsprechende Gestaltung des Pro­ zessmodells (vgl. Rieg 2015: 116). Dieses sollte einen angemessenen Ausgleich zwi­ schen dem Detaillierungsgrad mit Prozessanzahl und -tiefe auf der einen Seite, sowie dem Aufwand für die Modellpflege auf der anderen Seite herstellen. Da die Pflege der Haupt- und Teilprozesse eine kontinuierliche und aufwändige Aufgabe darstellt, ist es zunächst wichtig, nicht zu viele Varianten eines Hauptprozesses zu bestimmen. Auch hinsichtlich der Bestimmung der Teilprozesse ist relativ robust vorzugehen, da sonst ständig Änderungen anfielen. Die Angemessenheit des Ausgleichs zwischen De­ taillierungsgrad und Aufwand für die Modellpflege wird im Wesentlichen bestimmt von der Informationspräzision, die eine prozessorientierte Budgetkontrolle an das Prozessmodell stellt. Während in der funktionalen Organisation dem Leiter des budgetierten Bereiches (i. d. R. Kostenstellenleiter) die Budgetverantwortung obliegt, ist in der Prozessorgani­ sation eine Art Prozesseigentümer erforderlich, der die Verantwortung für den Pro­ zesskostensatz innehat (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 190; vgl. Horváth et al. 2015: 239ff). So wie die Budgetverantwortlichen in der funktionalen Organisation idealty­ pisch Teilproduktivitäten und Wirtschaftlichkeit ihres budgetierten Bereichs optimie­ ren, obliegt den Prozesseigentümern (idealtypisch) die Aufgabe, die Abläufe entlang der Prozesskette zu optimieren (vgl. Stelling 2009: 160ff). Durch die mengen- und wertmäßige Erfassung der von den verrechneten Prozessen beanspruchten Ressour­ cen können sich dann Budgetgutschriften für die einzelnen Kostenstellen ergeben, die Aussagen über die Beschäftigung und die Effizienz der jeweiligen Kostenstelle erlau­ ben. In diesem Sinne lässt sich ausgehend von der Prozessperspektive eine Steuerung der nach traditionellem Verfahren aufgestellten Budgets einräumen, zumal die Kos­ tenstellenleiter tendenziell dazu neigen, einen Ressourcenbestand vorzuhalten, der jeder außerordentlichen Belastung gewachsen sein kann (vgl. Küpper et al. 2013: 448).

4 Prozessorientierte Budgetierung | 235

In der klassischen funktionsorientierten Perspektive auf Kostenstellen bietet sich die prozessorientierte Budgetkontrolle v. a. als ergänzendes Instrument zur Budgeter­ stellung und zur Budgetkontrolle von Kostenstellen an, die aufgrund ihrer Spezifika einer klassischen Fortschreibungsbudgetierung unterworfen sind. In diesem Kontext lässt sich zugleich der gemeinkostensteuernde Charakter der Prozesskostenrech­ nung erkennen (vgl. Stelling 2009: 162ff). Das nachfolgende Beispiel (Werte gerundet) für die Kostenstelle Einkauf zeigt eine gesamte Arbeitskapazität in Höhe von 11 Mitarbeiterjahren (MJ), die im Abrech­ nungszeitraum 2015 für die Abwicklung von vier Teilprozessen eingesetzt wird. Insgesamt sind Personal- und übrige Stellenkosten (Sachkosten) in Höhe von 1,1 M€ entstanden. Bei einer Durchschnittsbetrachtung (unabhängig vom jeweiligen Mitar­ beiter) sind pro MJ 100.000 € verwendet worden: Kostenstelle Einkauf Ist-Daten

Jahr

Personalkosten Abschreibungen EDV-Kosten sonstige Sachkosten Summe Kosten MJ Kosten je MJ MJ = Mitarbeiterjahr

Ermittlung Prozesskosten der Teilprozesse der Kostenstelle Einkauf

Jahr

TP-Nr. Teilprozesse (TP)

Kosten gesamt

TP TP TP TP

Lieferanten betreuen estellungen abwickeln Rahmenverträge verhandeln brufe aus Rahmenverträgen

Prozess- Bezeichnung menge Kostentreiber . .

Kapazität in MJ

Lieferanten Einzelbestellungen Verträge Abrufe

, , , ,

Summen

,

. . . . .

Kosten je Prozess . .

.

Aus den über die Teilprozessmenge und über die Kapazität zugerechneten Teilpro­ zesskosten ergeben sich die Teilprozesskostensätze, z. B. für die Bestellabwicklung ein Kostensatz von 140 €/Bestellung, oder für den Abruf aus Rahmenvertrag ein Kos­ tensatz von ca. 56 €/Abruf. Die Teilprozesse 1 und 2 sind Bestandteile des kostenstel­ lenübergreifenden Hauptprozesses Einzelbestellungsabwicklung und fließen mit den Kosteneinsätzen in diesen Hauptprozess ein:

, , , ,

236 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Verdichtung zu Hauptprozess Einzelbestellung abwickeln Kostentreiber: Anzahl der Einzelbestellungen TP-Nr.

Teilprozesse (TP)

Kosten gesamt in €

im Jahr Anteil auf Hauptprozess in %

TP TP ... TP ... TP ...

in €

Lieferanten betreuen estellungen abwickeln areneingang Rechnung begleichen Hauptprozesskosten gesamt: Kosten je Hauptprozess:

Die prozessorientierte Budgetierung zeichnet sich nun dadurch aus, dass kein fort­ geschriebenes inputorientiertes Budget geplant wird, das Sach- und Personalkosten als Eingangsgrößen plant, sondern die Budgetierung stärker leistungsbezogen entwi­ ckelt. Dabei bilden die geplanten Prozessmengen die Leistungen ab, die die Kos­ tenstelle Einkauf erbringen soll. Die prozessorientierte Budgetierung beginnt also bei der Planung der Prozessmengen, und ermittelt erst auf dieser Basis das zuzuweisende Budget. Sofern nun für die kommende Planungsperiode 2016 in der Hauptkostenstelle eine Verschiebung innerhalb der Teilprozessmengen erfolgen soll, weil aus kosten­ rechnerischen Erwägungen eine Abnahme von Einzelbestellungen (TP 2) zugunsten eines zunehmenden Abrufs aus Rahmenverträgen (TP 4) vorgesehen ist, resultieren bei gleichen Bearbeitungszeiten für die Tätigkeiten der Teilprozesse und unveränder­ ten Teilprozesskostensätzen neue Kapazitätsbedarfe für die einzelnen Teilprozesse. Dabei gilt (vgl. Rieg 2015: 117ff): Planprozesskosten = Planprozessmenge ⋅ Planprozesskostensatz (konstant) Leerkapazität = bisherige Kapazität − Plankapazität In Bezug auf die Teilprozesse 2 und 4 ergeben sich folgende neue Kapazitätsbedarfe und Kostenzuordnungen: – Die Abnahme der Einzelbestellungen (TP 2) um 2.000 Einzelbestellungen (von vorher 5.000 auf nunmehr 3.000) bewirkt eine Kapazitätsreduktion um 2,8 MJ und ein Kostenreduktionspotenzial in Höhe von 208.000 €. – Die Zunahme der Abrufe aus Rahmenverträgen (TP 4) um 2.000 Abrufe (von vor­ her 4.500 auf nunmehr 6.500) bewirkt einen zusätzlichen Kapazitätsbedarf von 1,1 MJ und einen zusätzlichen Kosteneinsatz in Höhe von 111.111 €; Den Effekt der Prozessmengenänderungen zeigt nachfolgende Tabelle (Werte gerun­ det):

4 Prozessorientierte Budgetierung | 237

Planung der Prozessmengen und resultierende Prozesskosten TP-Nr. Teilprozesse (TP) TP 1 TP 2 TP 3 TP 4

Planprozess­ menge

Lieferanten betreuen 50 Bestellungen 3.000 abwickeln Rahmenverträge 10 verhandeln Abrufe aus 6.500 Rahmenverträgen

Bezeichnung Kostentreiber

Planjahr 2016 Kapazität Kosten in MJ gesamt

Lieferanten 0,6 Einzelbestellung 4,2

Kosten je Prozess

62.500 € 420.000 €

1.250,0 € 140,00 €

Verträge

0,2

20.000 €

2.000,00 €

Abrufe

3,6

361.111 €

55,56 €

Summe 8,6 Leerkapazität 2,4 Reduktionsbedarf in %:

863.611 € 236.389 € 21,5 %

Die Prozessmengenänderungen bei den Teilprozessen führen im Ergebnis der Prozess­ kostenrechnung zu einer Leerkapazität von 2,4 MJ und zu einem Leerkostenbetrag in Höhe von ca. 236.000 €. Dies entspricht im Vergleich zum Budget des Vorjahrs (1,1 M€) einem Kostenreduktionspotenzial in Höhe von ca. 21,5 %. Daneben sind die Rückwirkungen auf die Kosten des kostenstellenübergreifenden Hauptprozesses Ein­ zelbestellungsabwicklung zu berücksichtigen – die Teilprozesse 1 und 2 fließen nun­ mehr planmäßig mit einem Kostenanteil von 62.500 € (TP 1) bzw. 420.000 € (TP 2) in den Hauptprozess ein. Ausgehend von dieser prozessbezogenen Betrachtung kann die Leerkapazität wieder auf das bereichsbezogene Budget (hier der Hauptkostenstelle „Einkauf“) transformiert werden. Mit der Umsetzung des Reduktionsbedarfs von 21,5 % durch anteilige Reduktion der Kosteneinsätze für alle Kostenarten ergibt sich nachfolgen­ des Budget für die kommende Planungsperiode 2016: Ist- und Zeitbudget Kostenstelle „Einkauf“ Ableitung Zeitbudget

Ist 2015

Ziel 2016

Annahme: anteilige Reduktion um 21,5 % Personalkosten Abschreibungen EDV-Kosten sonstige Sachkosten

ursprünglicher Budgetansatz 850.000 € 75.000 € 150.000 € 25.000 €

neuer Budgetansatz 667.336 € 58.883 € 117.765 € 19.628 €

Summe Kosten

1.100.000 €

863.611 €

Reduktionsbedarf

236.389 €

21,5 %

Bei den Personalkosten der Hauptkostenstelle „Einkauf“ wäre mit einem Budgetan­ satz in Höhe von ca. 667.000 €, bei den Abschreibungen mit einem Budgetansatz in Höhe von ca. 59.000 € zu planen. Allerdings ist hierbei zu bedenken, dass gerade bei diesen Kostenarten in der Kostenstelle nur eine bedingte Abbaubarkeit besteht, da es

238 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

sich um absolut- oder sprungfixe Gemeinkosten handelt (vgl. Schweitzer et al. 2016: 396). Gleichwohl machen die offengelegten Leerkapazitäten deutlich, dass (bei an­ sonsten gleichbleibenden Bedingungen) in dieser Kostenstelle zumindest mittelfristig Kapazitäten abgebaut werden können (vgl. Rickards 2007: 131). Die beispielhafte Verbindung zwischen prozessorientierter und bereichs- bzw. kostenstellenbezogener Budgetierung hebt hervor, dass eine prozessorientierte Bud­ getierung im Vergleich zur inputorientierten (Bereichs-)Budgetierung eine detail­ lierte und zielgerichtete Planung betrieblicher Ressourcen ermöglicht. Da die prozessorientierte Budgetierung auf der Basis inputorientierter Sachverhalte aus der Kostenarten- und Kostenstellenrechnung und der inputorientierten Fortschrei­ bungsbudgetierung mit dem Prozessbezug eine outputorientierte Perspektive für die Mittelzuweisung entwerfen kann, bietet sich zur Prüfung der rein inputorientiert er­ mittelten Budgets ein Abgleich mit den prozessorientiert ermittelten Budgets an (siehe Abbildung C4.10). Planung der Leistungen (Output)

verfügbare Personalkapazität

Planung der Personalund Sachkosten (Input)

Planung der Bearbeitungszeit je Prozess Planung der benötigten Prozesse

Prozesskapazität

Summe Plankosten

Kosten je MJ

Prozesskosten Summe benötigte Personalkapazität

Abgleich Kapazitätsangebot und -nachfrage

Abgleich inputorientiertes Budget mit prozessorientiertem Budget

Summe Prozesskosten aller Prozesse

Abb. C4.10: Abgleich zwischen inputorientiertem und prozessorientiertem Budget (in Anlehnung an Rieg 2015: 121).

Da die benötigten Prozesse und Kapazitäten nicht primär aus Vergangenheitsdaten, sondern aus Leistungsgesichtspunkten abgeleitet werden, können mit dem Budget­ abgleich Über- und Unterkapazitäten transparenter gestaltet werden. Pauschale Mit­ telzuweisungen durch einfache Fortschreibungsbudgetierung sind nur noch dann erforderlich, wenn auch im prozessorientiertem Sinne keine repetitiven Prozesse erkennbar sind, oder eine detaillierte Tätigkeits- und Bezugsgrößenanalyse zu auf­

4 Prozessorientierte Budgetierung |

239

wändig erscheint. Mit dem gezielten Einwirken auf die Höhe der in dem betrachteten Bereich anfallenden Gemeinkosten kann die Prozesskostenrechnung zugleich die Ge­ meinkostenwertanalyse und das Zero Base Budgeting unterstützen. Denn diese bei­ den Instrumente intendieren ja gerade eine Senkung des (Gemein-)Kosteneinsatzes bei gleichbleibendem Nutzen – wenn auch mit anderen methodischen Zugängen (vgl. Amann, Petzold 2014: 147).

4.4 Zusammenfassende Beurteilung Die zentrale rechentechnische Grundlage für eine prozessorientierte Budgetierung wird durch die Prozesskostenrechnung bereitgestellt. Ihrem Charakter nach gehört sie zu den Kostenrechnungssystemen auf Vollkostenbasis. Sie ist kein völlig neu­ es Kostenrechnungsinstrument, sondern baut auf der traditionellen Einteilung in Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung auf. Die kostenrechnerische Gesamtsicht auf das betriebliche Handeln bleibt erhalten und wird nicht – wie bei der funktionsorientierten traditionellen Kostenrechnung – zerschlagen. Das besondere Merkmal des Prozesskostenansatzes ist seine kostenstellenübergreifende Betrach­ tung. Diese kann insbesondere dazu beitragen, die Schnittstellenprobleme zwischen verschiedenen Abteilungen zu überwinden – Schnittstellenprobleme, die insbeson­ dere in der kostenstellen- und bereichsübergreifenden Koordination zu sehen sind. Durch die kostenstellenübergreifende Sichtweise ist zu erwarten, dass das stellenbe­ zogene Denken zugunsten einer abteilungsübergreifenden, ganzheitlichen Perspek­ tive des Gemeinkostenmanagements in den Hintergrund tritt (vgl. Rieg 2015: 123; vgl. Coenenberg et al. 2016a: 189). Die in der Vollkostenrechnung kritisierte Proportionalisierung der Gemein­ kosten entfällt zumindest teilweise bei der Prozesskostenrechnung (vgl. Britzelmai­ er 2017: 281). Stattdessen werden die wesentlichen Leistungsprozesse aufgedeckt und die hierfür anfallenden Kosten zugerechnet, um sie dann nach jeweiliger Nut­ zungshäufigkeit der Prozessleistung zu verteilen. In der Prozesskostenrechnung steht dabei – im Unterschied zur traditionellen Kostenrechnung – der Prozess im Zentrum der Betrachtung. Da durch die Erbringung der Prozesse Ressourceneinsätze verur­ sacht werden, sind nicht der jeweiligen Kostenstelle, sondern den Prozessen Kosten zuzuordnen. Durch die strenge Prozesssichtweise wird zumindest ein Teil der Ge­ meinkosten leistungsbezogen verrechnet. Die Prozesskostenrechnung bietet die Möglichkeit, den Grad der Kapazitätsaus­ lastung, die durch die einzelnen Prozesse beanspruchten Produktionsfaktoren und letztlich die Kosteneinsätze transparenter zu gestalten (vgl. Amann, Petzold 2014: 147). Durch eine konsequente prozessbezogene Sichtweise kann die Diskussion im Rahmen der Kostenstellenplanung versachlicht werden, da sich die geplanten Kos­ teneinsätze allein nach den geplanten Prozessmengen der leistungsmengenindu­ zierten Prozesse richten. Infolge dieser systemimmanenten Kosten- und Leistungs­

240 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

transparenz kann der Prozesskostenansatz einerseits zu einer gezielten Evaluation von Kostensenkungsmaßnahmen beitragen. Andererseits kann ein kostenbewusstes Handeln bezüglich der Inanspruchnahme gemeinkostenverursachender Ressourcen und im Hinblick auf die konkrete Leistungserstellung und -bereitstellung forciert werden (vgl. Rieg 2015: 123). Dabei ist allerdings der relativ hohe Aufwand für eine Budgetierung auf Basis der Prozesskostenrechnung zu beachten (vgl. Friedl et al. 2017: 525): – So wird der insbesondere mit der Tätigkeits- und Bezugsgrößenanalyse verbun­ dene hohe Einführungsaufwand häufig als der entscheidende Grund für den ge­ nerellen Verzicht auf diese Budgetrechnung genannt. – Ebenso ist die dauerhafte Nutzung der Prozesskostenrechnung mit einem rela­ tiv hohen Aufwand verbunden, z. B. bedingt durch die permanente Pflege des Prozessmodells und durch das relativ hohe Datenvolumen, das im Rahmen der Prognose, der Planung und der Kontrolle erhoben und verarbeitet werden muss. Sofern eine Budgetierung auf Basis der Prozesskostenrechnung erfolgt, dann aufgrund dieses Aufwands tendenziell aperiodisch (vgl. Rieg 2015: 120). Die Prozesskostenrechnung eignet sich v. a. zur Bewertung und Beurteilung der indi­ rekten Leistungsbereiche (mit einem hohen Gemeinkostenanteil), und insbesondere dort, wo häufig wiederkehrende Tätigkeiten erkennbar sind. Ebenso wie die flexible Plankostenrechnung auf Teil- oder Vollkostenbasis kann auch die Prozesskostenrech­ nung hier eine effektive Kostenkontrolle und Abweichungsanalyse ermöglichen. Der Vorteil der Prozesskostenrechnung besteht allerdings darin, dass eine Kontrolle auf Teil- oder Hauptprozessebene durchgeführt werden und somit über die Kostenstel­ lengrenzen hinausgehen kann (vgl. Weber, Schäffer 2016: 161ff). Für die indirekten Leistungsbereiche mit einem hohen Anteil nicht repetitiver Tätigkeiten (wie z. B. im Controlling selbst), ist die Prozesskostenrechnung allerdings weitestgehend ungeeignet, da keine hinreichend eindeutige Identifikation von Kos­ tentreibern erfolgen kann (vgl. Britzelmaier 2017: 280). Dies wiederum führt zu unver­ hältnismäßig hohen Prozessumlagesätzen (PUS) und damit zu einem ähnlichen Ver­ teilungsproblem bezüglich der Gemeinkosten wie schon in der traditionellen Vollkos­ tenrechnung (vgl. Schweitzer et al. 2016: 392ff). In den wichtigsten gemeinkostenin­ tensiven Bereichen lässt sich somit auch die Prozesskostenrechnung nur bedingt ein­ setzen. Mit der Konzentration auf repetitive und gut strukturierte Abläufe eignet sich eine prozessorientierte Budgetierung nicht für innovative, kreative oder dispositive Tätigkeiten, wie z. B. im Bereich der Forschung und Entwicklung oder der Unterneh­ mensführung (vgl. Götze 2010: 219), – sie kann damit bei der Fortschrittsbudgetierung indirekter Bereiche nur bedingt helfen. Weiterhin ist bei der prozessorientierten Budgetierung zu bedenken, dass sie bei einigen Sachverhalten eher von Plausibilitätsüberlegungen denn von sachlogischer Konsistenz geleitet ist (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 680ff; vgl. Schweitzer et al. 2016: 392ff):

4 Prozessorientierte Budgetierung | 241



Neben der problematischen Schlüsselung der fixen Gemeinkosten mithilfe von Prozessumlagesätzen (den Gemeinkosten-Zuschlagssätzen traditioneller Voll­ kostenrechnung entsprechend) wird von einer eindeutigen Abgrenzbarkeit von Prozessen und zurechenbaren Prozesskosten sowie von der Abhängigkeit der Prozesskosten von nur einer Bezugsgröße ausgegangen. Darüber hinaus wird mit dem unterstellten Reagibilitätsgrad bei den Gemeinkosten in Höhe von 1 ein einfacher proportionaler Zusammenhang zwischen einer als Kostentreiber ausge­ wählten Bezugsgröße und den Prozesskosten ausgegangen. Es ist in Anbetracht der fixen Anteile an den Gemeinkosten und aufgrund des Effekts der Kostenre­ manenz jedoch nicht davon auszugehen, dass mit sinkender Prozessmenge auch die Prozesskosten in gleichem Maße sinken können. Eine aus der Prozessmenge abgeleitete Änderung des prozessorientierten Budgets könnte insofern durch die budgetierte Einheit als nicht realisierbar eingestuft werden – und damit nicht mehr verhaltenssteuernd wirken. Ebenso darf nicht davon ausgegangen werden, dass (aufgrund des „Stückkostendegressionseffekts“) mit steigender Prozessmen­ ge auch die Prozesskosten in gleichem Maße steigen werden.

Es bleibt also bei der Erkenntnis (die schon im Rahmen der problemorientierten Bud­ getierung gewonnen wurde), dass die Gemeinkosten mit ihrem fixen Kostenanteil nicht proportionalisiert werden dürfen, denn es handelt sich ja um fixe Kosten (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 173ff). Zudem können sie als Gemeinkosten den Kostenträ­ gern nicht zugerechnet werden, auch nicht über kompliziert gestaltete Umwege, wie hier über die Prozessmengen (vgl. Schweitzer et al. 2016: 392ff). Trotz des insgesamt eher heuristischen Charakters der Prozesskostenrechnung kann sie mit den Plau­ sibilitätsüberlegungen den Blick in kritischer Manier auf die Gemeinkostenbeträge und die dahinterstehenden Prozessen lenken (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 188ff; vgl. Rickards 2007: 131).

4.5 Übungsaufgaben Aufgabe 1 In der Materialhauptkostenstelle I (Einkauf von Materialien der Klassen A und B) der Cycle GmbH führt die im Jahr 2015 durchgeführte Tätigkeits- und Bezugsgrößenana­ lyse zu den folgenden Ergebnissen: Ermitteln Sie die Teilprozessgrößen und beurteilen Sie die Verwendungsoptionen so­ wie die Aussagekraft der Teilprozesskostensätze. Aufgabe 2 In der Materialhauptkostenstelle I (Einkauf von Materialien der Klassen A und B) der Cycle GmbH wird für die Planungsperiode 2016 im Interesse der Ausschöpfung von Mengenrabatten ein höherer Abruf aus Rahmenverträgen geplant. Demzufolge wird mit folgenden Teilprozessmengen kalkuliert:

242 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung

Kostenstelle „Einkauf“ Bezeichnung

Analyseergebnisse (Jahr 2015)

Nr.

Aktivitäten

Bezugsgröße (Kostentreiber)

Menge

Aktivitäts­ kosten (€)

1 2 3 4 5 6 7

Lieferantenbetreuung Einzelbestellungen ausführen Materialeingangskontrolle Rahmenverträge verhandeln Bestellungen aus Rahmenverträgen Rechnungsprüfung Abteilungsleitung

Lieferanten Einzelbestellungen Einzelbestellungen Rahmenverträge Bestellabrufe Rechnungen −

30 2.000 2.000 20 1.500 3.500 −

30.000 240.000 160.000 20.000 90.000 35.000 230.000 805.000

Kostenstelle „Einkauf“ Bezeichnung

Analyseergebnisse (Jahr 2015)

Nr.

Teilprozesse

Bezugsgröße (Kostentreiber)

Menge

1 2 3 4 5

Lieferantenbetreuung Einzelbestellungen/Eingangskontrolle Rahmenverträge verhandeln Bestellungen aus Rahmenverträgen Rechnungsprüfung

Lieferanten Einzelbestellungen Rahmenverträge Bestellabrufe Rechnungen

30 1.500 25 2.500 3.500

Ermitteln Sie mithilfe der Teilprozesskostensätze des Vorjahrs 2015 ein prozessorien­ tiertes Budget. Bei Anwendung der inputorientierten Fortschreibungsmethode würde ein Ge­ meinkostenbudget in Höhe von 814 T€ veranschlagt werden – nehmen Sie zu diesem Budgetansatz (auf der Basis Ihres prozessorientierten Budgetansatzes) kritisch Stel­ lung. Aufgabe 3 Eine prozessorientierte Budgetierung ist – im Vergleich zur inputorientierten Fort­ schreibungsmethode – mit einem relativ hohen Aufwand verbunden. Nehmen Sie vor diesem Hintergrund ausführlich Stellung zu den Chancen und Risiken der prozessori­ entierten Budgetierung.

Zusammenfassung Die Budgetierung als zentrales Instrument dezentraler Steuerung in Unternehmen kann in der operativ ausgerichteten Variante in eine traditionelle und in eine pro­ zessorientierte Budgetierung unterschieden werden. Bei der traditionellen Budge­ tierung liegt der Fokus auf der Budgeterstellung und der Budgetkontrolle für Kosten­ stellen als Budgetierungseinheit. Hiermit kann eine die Budgetierung unterstützende Verbindung zu Kostenrechnungssystemen hergestellt werden. Bei der prozessorien­ tierten Budgetierung hingegen bilden Prozesse den zentralen Budgetfokus. Sie kann v. a. zur Kontrolle von inputorientiert ermittelten Budgets eingesetzt werden. Im Rahmen der traditionellen Budgetierung kann wiederum zwischen problemund verfahrensorientierten Techniken der Budgeterstellung unterschieden wer­ den. Die problemorientierte Erstellung findet v. a. bei standardisierten Prozessen Anwendung. Sie zeigt relativ exakte Lösungen für Handlungsprobleme von Entschei­ dungseinheiten auf. Voraussetzungen sind jedoch detaillierte Kenntnisse über die Input-Output-Beziehungen. Sind diese nicht vorhanden, können (nur noch) verfah­ rensorientierte Techniken herangezogen werden. Diese Techniken stehen insbeson­ dere mit der Fortschreibungsbudgetierung in der Gefahr, dass die Budgetvorgaben sukzessive erhöht werden, weil sich die Ressourcenallokation nicht an den zukünfti­ gen Leistungserwartungen, sondern an inputbezogenen Vergangenheitswerten aus­ richtet. Die Koordinationsfunktion der Budgetierung kann mittels solcher Verfahren i. d. R. nicht angemessen erfüllt werden. Mit der Gegenüberstellung der problem- und verfahrensorientierten Techniken zeigt sich ein grundlegendes Dilemma der Budgetierung (vgl. Rieg 2015: 45f): – in den Einsatzbereichen, in denen Budgets aufgrund der Heterogenität und v. a. der mangelnden Messbarkeit des Outputs als Steuerungsinstrument unbedingt benötigt werden (wie z. B. im Bereich der Forschung und Entwicklung), ist die Budgetermittlung aufgrund nicht generierbarer Erkenntnisse über Input-OutputRelationen relativ schwierig – es fehlen angemessene Bezugsgrößen für eine Bud­ getplanung. Dies verleiht der in der Anwendungspraxis weit verbreiteten Fort­ schreibungsbudgetierung eine relativ geringe Koordinationswirkung. – Sind solche Bezugsgrößen vorhanden, weil der Output als physisch fassbares und quantifizierbares Ergebnis und der Ressourceneinsatz durch Input-Output-Bezie­ hungen rekonstruiert werden kann (wie z. B. im Bereich der Fertigung), ist die Bedeutung der Budgets als Steuerungsinstrument relativ gering – weil in diesen Fällen der Ressourceneinsatz durch andere Steuerungsgrößen wie z. B. Durch­ laufzeiten oder Stückdeckungsbeiträge detaillierter und effizienter gelenkt wer­ den kann (vgl. Weber, Schäffer 2016: 161ff). Ausgehend von diesem übergeordneten Dilemma ist in Bezug auf die problemorien­ tierte Technik der Budgetierung ein weiteres Dilemma erkennbar: https://doi.org/10.1515/9783110439793-016

244 | Teil C: Operative Planung und Budgetierung





Die den problemorientierten Verfahren zugrunde liegenden Kostenrechnungs­ systeme unterliegen in der Vollkostenvariante dem klassischen Problem der Fix­ kostenproportionalisierung – was die Budgetermittlung und -kontrolle verfälscht (vgl. Schweitzer et al. 2011: 392ff). Demzufolge ist zunächst dieser sachlogische Fehler zu eliminieren, indem Budgetzuweisung und Kontrollwert hinsichtlich der Bezugsgröße (Beschäftigung) kompatibel gestaltet werden, nämlich durch die Er­ mittlung der Sollkosten. Dazu wiederum ist eine Auflösung der Gemeinkosten in fixe und variable Bestandteile erforderlich. Dies allerdings gestaltet sich dann als relativ aufwändig bzw. nicht hinreichend aussagekräftig, wenn a. die Beschäfti­ gung als zentrale Kosteneinflussgröße nicht durch angemessene Bezugsgrößen präzisiert und quantifiziert werden kann, b. die identifizierten Bezugsgrößen zu den Kostenarten in einer nicht proportionalen Beziehung stehen, oder aber c. gleichzeitig mehrere unterschiedliche Kostenbestimmungsfaktoren feststellbar sind. Die den problemorientierten Verfahren zugrunde liegenden Kostenrechnungssys­ teme in der Teilkostenvariante konstruieren zwar eine Identität von Budgetzu­ weisung und Kontrollwert hinsichtlich der beschäftigungsbezogenen Bezugsgrö­ ße (vgl. Eberlein 2010: 386). Budgetzuweisung und Kontrollwert beziehen sich jedoch nur auf den variablen Kostenanteil, sodass diese Vorgehensweise mit dem Generalverdacht verbunden wird, dass die Fixkosten als unabänderlich betrach­ tet und einer weiteren Analyse entzogen werden.

Vor dem Hintergrund des übergeordneten Dilemmas werden auch die Bedeutung der prozessorientierten Budgetierung – und zugleich ein drittes Dilemma – deutlich: Der relativ hohe praktische Anwendungswert der inputorientierten Fortschreibungs­ budgetierung, bedingt durch Stabilität der Budgets sowie durch Einfachheit und Schnelligkeit des Budgetierungsprozesses kann nicht verdecken, dass die Ressour­ cenallokation mit hoher Wahrscheinlichkeit nur suboptimal erfolgen kann. Eine pro­ zessorientierte Budgetierung kann hier als Kontrollinstrument der fortgeschriebenen inputorientierten Budgets greifen, da auf der Grundlage einer Prozessmengenplanung erst das zuzuweisende Budget ermittelt wird (vgl. Rickards 2007: 131). Im Vergleich zur inputorientierten (Bereichs-)Budgetierung wird eine zielgerichtete Planung der Ressourcen eingeräumt. Da das Budget auf geplanten Prozessmengen basiert, ist es vom Charakter her stärker leistungsbezogen. Mit dieser Outputorientierung soll das prozessorientierte Budget Reduktionspotenziale bei den Gemeinkosten offenbaren. – Doch bei näherer Betrachtung des zugrunde liegenden Rechnungssystems, der Prozesskostenrechnung, wird deutlich, dass auch hier der den Vollkostenrech­ nungssystemen innewohnende Fehler der Fixkostenproportionalisierung nicht eliminiert wird. Auf Basis einer pauschalen Schlüsselung der fixen Gemeinkosten werden im Rahmen der Ermittlung der Teilprozesskostensätze Vollkostensätze definiert – mit dem unterstellten proportionalen Beziehungsgefüge zu Prozess­

4 Zusammenfassung |



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mengen werden Fixkosten automatisch als beschäftigungsabhängige Kosten in­ terpretiert. Lässt man statt der sachlogischen Konsistenz den nachvollziehbaren Plausibili­ tätsüberlegungen der prozessorientierten Budgetierung den Vortritt, bleibt immer noch das Grundproblem, dass das zugrunde liegende Rechnungssystem für die indirekten Leistungsbereiche mit einem hohen Anteil nicht repetitiver Tätigkei­ ten (wie z. B. im Bereich der Forschung und Entwicklung) weitestgehend unge­ eignet ist. Denn in diesen Bereichen ist regelmäßig eine hinreichend eindeutige Identifikation von Kostentreibern nicht möglich. Dies wiederum führt zu unver­ hältnismäßig hohen Prozessumlagesätzen und damit zu einem ähnlichen Vertei­ lungsproblem bezüglich der Gemeinkosten wie in der traditionellen Vollkosten­ rechnung.

Mit der Konzentration auf repetitive und strukturierte Abläufe eignet sich eine prozess­ orientierte Budgetierung nicht für innovative oder dispositive Tätigkeiten – sie kann damit bei der Kontrolle inputorientiert ermittelter Budgets der indirekten Bereiche nur bedingt helfen.

| Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Einleitung Planung, Kontrolle und Steuerung als Controllingfunktionen sind mit der unterneh­ mensspezifischen Gestaltung v. a. von der Größe und der Komplexität des Unterneh­ mens abhängig. Als herausragende Merkmale für eine hohe Komplexität lassen sich insbesondere die Heterogenität des Leistungsspektrums und die Heterogenität und Tiefe der Produktionsprozesse benennen. Viele Großunternehmen haben auch aus Gründen der Komplexitätsbewältigung (und auch aufgrund der Optimierung der Con­ trollingfunktionen) von einer funktionalen auf eine divisionale Organisationsstruktur umgestellt (vgl. Macharzina, Wolf 2017: 493; vgl. Vahs 2012: 165). Insbesondere in gro­ ßen, divisional organisierten und international agierenden Unternehmen stellt sich die Frage, wie die Controllingfunktionen in Anbetracht begrenzter Kapazitäten für de­ ren Ausübung effektiv und effizient wahrgenommen werden können (vgl. Macharzina, Wolf 2017: 494). Ebenfalls erwächst hieraus die Frage nach geeigneten Steuerungsin­ strumenten (vgl. Horváth et al. 2015: 389ff). Divisionale Organisationsstrukturen zeichnen sich v. a. durch eine Dezentralisie­ rung von Kompetenzen, Funktionen und Verantwortungen aus. Dies wiederum hat Rückwirkungen auf die Art der Gestaltung der Controllingfunktionen. Dezentral or­ ganisierte Unternehmen sind gefordert, auch die Verantwortung für die (dezentrale) Planung an die gebildeten Entscheidungseinheiten des Unternehmens zu delegieren (vgl. Rieg 2015: 148ff). Teil D befasst sich mit der Thematik der Verrechnungspreise als Planungs- und Steuerungsinstrument in divisionalen Organisationen. Da die Gestaltung eines Ver­ rechnungspreissystems in Zusammenhang mit der spezifischen divisionalen Organi­ sationsform zu betrachten ist, werden zunächst die wesentlichen organisatorischen Aspekte der Dezentralisierung und der Konfiguration dezentraler Entscheidungsein­ heiten erläutert (siehe Teil D, Kapitel 1). Vor dem Hintergrund der Koordinationsbedar­ fe in divisionalen Organisationen werden anschließend die wichtigsten Funktionen der Verrechnungspreise erörtert (siehe Teil D, Kapitel 2); hier wird deutlich, dass die Mehrfachzielsetzung der Verrechnungspreise verschiedene Risiken suboptimaler Ko­ ordination in sich trägt. Ausgehend von den grundlegenden Gestaltungsbereichen eines Verrechnungspreissystems werden die verschiedenen Methoden der Verrech­ nungspreisermittlung vorgestellt (siehe Teil D, Kapitel 3). Dabei stehen mit Blick auf die spezifische Koordinationswirkung der jeweiligen Verrechnungspreise die mög­ lichen Konfliktpotenziale zwischen der Koordinationsfunktion und der Funktion der Erfolgszurechnung im Fokus der Erörterungen. Da auch die Methoden der Ver­ rechnungspreisermittlung von der potenziellen Vernetzbarkeit interner und externer Unternehmensrechnungen berührt sein können, sind hier ausgehend vom Fremd­ vergleichsgrundsatz auch die wichtigsten steuerrechtlichen Rahmenbedingungen zu betrachten.

https://doi.org/10.1515/9783110439793-017

250 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Nach Bearbeitung von Teil D „Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten“ – sollten Sie die verschiedenen divisionalen Organisationsformen anhand der zugestandenen Au­ tonomiegrade der Entscheidungseinheiten differenzieren und die Bedeutung der Verrechnungs­ preise für die unternehmensweite Koordination der Entscheidungen erläutern können. – sollten Sie aus den potenziellen Zielkonflikten zwischen der Koordinations- und der Erfolgser­ mittlungsfunktion der Verrechnungspreise die Risiken suboptimaler Steuerung ableiten und mit­ hilfe von Beispielen erklären können. Zudem können Sie eine Einschätzung entwickeln, wie die Ermittlungsmethode als eine Grundsatzentscheidung zur Gestaltung eines Verrechnungspreis­ systems vor dem Hintergrund spezifischer Autonomiegrade der Entscheidungseinheiten zu kon­ figurieren ist. – sollten Sie die Ausgangsbedingungen für die Anwendung der betriebswirtschaftlichen Methoden der Ermittlung von Verrechnungspreisen erläutern und in Bezug auf die Koordinations- und der Erfolgsermittlungsfunktion der Verrechnungspreise kritisch beurteilen können. Sie können aus­ gehend vom Fremdvergleichsgrundsatz die steuerrechtlich zulässigen Standardmethoden der Verrechnungspreisermittlung darstellen und Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede im Vergleich zu den betriebswirtschaftlichen Ermittlungsalgorithmen identifizieren. – sollten Sie die grundlegenden Problembereiche der Verrechnungspreisbildung erkennen und den Grad der Koordinationswirkung kritisch reflektieren können. Darüber hinaus können Sie die wichtigsten methodischen Defizite der Verrechnungspreisbildung veranschaulichen. Sie erken­ nen die Mechanismen knappheitsorientierter und verhandlungsorientierter Verrechnungspreis­ lösungen und können diese Ermittlungsalgorithmen bezüglich der Koordinations- und der Er­ folgsermittlungsfunktion beurteilen. – sollten Sie das der Vollkostenrechnung systemimmanente Problem der Fixkostenproportiona­ lisierung auf die vollkostenorientierte Verrechnungspreisermittlung in differenzierter Weise übertragen können. Die resultierenden Beeinträchtigungen der Koordinations- und Erfolgser­ mittlungsfunktion können Sie rekonstruieren und argumentativ auf die Verrechnungspreise mit Zuschlag ausweiten. – sollten Sie mit dem Interesse einer potenziellen Vernetzung der internen mit der externen Unter­ nehmensrechnung erläutern können, welche Methoden der Verrechnungspreisbildung am ehes­ ten in Betracht kommen und welche Nachteile hinsichtlich der Koordinations- und der Erfolgser­ mittlungsfunktion zu erwarten sind.

1 Verrechnungspreise in divisionalen Organisationen Die divisionale Organisation wird auch als Sparten- oder Geschäftsbereichsorganisa­ tion bezeichnet. Hier wird das Unternehmen in rechtlich und/oder betriebswirtschaft­ lich relativ unabhängige Geschäftsbereiche unterteilt. Da divisionale Organisationen die grundlegende Bedingung der Dezentralisation erfüllen, ist sie Voraussetzung für die Verwendung von Verrechnungspreisen (vgl. Küpper et al. 2013: 515; vgl. Machar­ zina, Wolf 2017: 495). Die Voraussetzung wiederum für den Einsatz einer divisionalen Organisationsstruktur selbst ist ein gewisses Geschäftsvolumen; deshalb ist diese Or­ ganisationsstruktur eher in größeren Unternehmen vorzufinden, wie beispielsweise bei der Siemens AG (im Jahr 2011) mit weltweit ca. 360.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von ca. 73,5 Milliarden Euro (vgl. Vahs 2012: 165 und 174; vgl. Coenen­ berg et al. 2016a: 721ff).

1.1 Verrechnungspreiskonzepte Als zentrales Steuerungsinstrument für divisional organisierte Unternehmen werden sogenannte Verrechnungspreise vorgeschlagen; diese stellen Wertansätze für Leistun­ gen dar, die innerhalb einzelner Unternehmensbereiche erstellt und bezogen werden (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 722). Das Instrument des Verrechnungspreises ist in der Betriebswirtschaftslehre jedoch keinesfalls neu: – So sind Verrechnungspreise in der traditionellen Vollkostenrechnung im Rah­ men der Betriebsabrechnung und der Erstellung des Betriebsabrechnungsbo­ gens als Grundlage für die Verrechnung innerbetrieblich erbrachter Leistungen erforderlich. Hier dienen die Verrechnungspreise allerdings eher in retrospekti­ ver Manier der kostenrechnerischen Bewertung und Abrechnung innerbetrieb­ lich erbrachter Leistungen zwischen einzelnen Kostenstellen, Betriebsbereichen und Betrieben (vgl. Freidank 2012: 147ff; vgl. Eisele, Knobloch 2011: 832ff; vgl. Jung 2016: 1138f). – Auch die Verwendung von Verrechnungspreisen im Interesse einer gesamtziel­ orientierten Koordination von Unternehmensbereichen war mit dem von Schma­ lenbach entwickelten Konzept der pretialen Lenkung (Pretium = Preis, Wert) und der inhärenten Idee der fiktiven Übertragung des Marktes auf die einzelne Unternehmung bereits intendiert (vgl. Küpper et al. 2013: 515f, vgl. Coenenberg et al. 2016a: 724). Das Konzept der pretialen Lenkung zeichnet sich dadurch aus, dass „[. . . ] die Oberleitung den nachgeordneten Dienststellen weitgehen­ de Selbständigkeit lässt und sich nur besonders wesentliche Entscheidungen

https://doi.org/10.1515/9783110439793-018

252 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

vorbehält, dafür aber die Leistungen und Dienststellen bewertet, in der Regel aufgrund von Abteilungs-Erfolgsrechnungen.“ (Schmalenbach 1909: 165). Zur Lenkung der nachgeordneten Dienststellen soll ein Lenkpreis dienen, der „[. . . ] den besonderen Zweck hat, die Maßnahmen eines Betriebes oder einer Dienst­ stelle, insbesondere alle vorkommenden Wahlvorgänge, mit dem Ziel optimaler Wirtschaft zu beeinflußen.“ (Schmalenbach 1948b: 9). Die dezentralen Entschei­ dungen sollen also so getroffen werden, dass der höchste Grad der Wirtschaft­ lichkeit erreicht wird (vgl. Schmalenbach 1948a: 14). Verrechnungspreise sind im Konzept der pretialen Lenkung folglich als Lenkpreise zu verstehen, die sich nicht wie herkömmliche Marktpreise durch Marktmechanismen bilden, sondern von Entscheidungsträgern (der „Oberleitung“) zur Erzielung einer bestimmten Wirkung festgesetzt werden. Im Zusammenhang mit den Controllingfunktionen in großen, divisional organisierten und international agierenden Unternehmen gewinnt das Verrechnungspreiskonzept allerdings eine neue Qualität: – Mit ihrer betriebswirtschaftlichen Bedeutung für die Ermittlung sogenannter Transfermengen (Zuliefer- und Absatzmengen) einzelner Unternehmenseinhei­ ten sind sie grundlegend für die Beschäftigung in den transferbeteiligten Un­ ternehmenseinheiten. Sie beeinflussen damit die zentrale Bezugsgröße für eine problemorientierte (outputorientierte) Budgetierung und sind somit elementarer Bestandteil operativer Planung (siehe hierzu Teil C, Kapitel 2.2). – Damit stellen sie auch die Grundlage für Entscheidungen hinsichtlich der Res­ sourcenallokationen und Ressourcenzuteilungen, auch in strategischer Perspek­ tive (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 573; vgl. Kluge 2013: 236; vgl. Coenenberg et al. 2016a: 723). Wenn die Bewertung der Faktoreinsatzmengen in den Unter­ nehmenseinheiten zu festen Verrechnungspreisen erfolgt, sind die durch eine Abweichungsanalyse feststellbaren Abweichungen nur noch durch Mengenab­ weichungen bedingt (siehe hierzu Teil C, Kapitel 3.1). Die Verrechnungspreise stellen damit neben der Budgetierung ein weiteres bedeu­ tendes Mittel der dezentralen Planung, Kontrolle und Steuerung dar. Der Fokus der Verrechnungspreise ist allerdings vorrangig auf die horizontale und vertikale Koordination von Entscheidungen dezentraler Unternehmenseinheiten gerich­ tet (vgl. Weber 2008: 443f). Die Aufspaltung eines großen, international agierenden Unternehmens in einzelne, dezentrale organisierte Unternehmenseinheiten führt, bedingt durch die unterschiedlichen fachbezogenen Zugänge in der Literatur, zu vielfältigen Bezeichnungen für die Unternehmenseinheiten: – So werden mit Blick aus dem Marketing die Unternehmenseinheiten häufig als Geschäftsbereiche, Sparten, oder Divisionen bezeichnet – hier steht die Speziali­

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sierung der Organisation aus der Perspektive des Absatzmarktes im Vordergrund (vgl. z. B. Vahs 2012). Mit Blick aus dem Controlling werden die Unternehmenseinheiten eher als Di­ visionen oder Center bezeichnet – hier stehen die Entscheidungskompetenzen der Unternehmenseinheiten aus Sicht des Controllings im Mittelpunkt (vgl. z. B. Friedl 2013). Aus der Perspektive des konzernweiten Controllings verändert sich der Blick auf die Unternehmenseinheiten und deren Bezeichnungen nochmals, weil es sich hier um rechtlich selbstständige Einheiten handelt, die jede für sich Träger von Rechten und Pflichten sind (meist dann als Profitcenter oder Divisionen bezeich­ net; vgl. z. B. Kluge 2013).

Vor dem Hintergrund der hier relevanten Thematiken der Gestaltung eines Verrech­ nungspreissystems und der steuernden Wirkung von Verrechnungspreisen ist jenseits der begrifflichen Vielfalt wesentlich, dass mit der divisionalen Gestaltung der Orga­ nisation eines Gesamtunternehmens dezentrale Entscheidungseinheiten mit un­ terschiedlichen Verantwortungs- und Entscheidungskompetenzen konfiguriert wer­ den – was einen Bedarf an horizontaler und vertikaler Koordination impliziert.

1.2 Merkmale divisionaler Organisationen Die divisionale Organisation ist durch zwei wesentliche Merkmale gekennzeichnet, die zu Steuerungsproblemen führen und somit die Notwendigkeit der Verrechnungs­ preise als Steuerungsinstrument begründen: – Ein wichtiges Merkmal ist die Objektspezialisierung. Die Organisationsein­ heiten der zweiten Hierarchieebene (siehe Abbildung D1.1) werden dabei nach Objekten, wie beispielsweise nach Kunden, Kundengruppen, Produkten, Pro­ duktgruppen oder auch Regionen gebildet (vgl. Deyhle 2010: 79ff). Die so ent­ stehenden Organisationseinheiten werden als Geschäftsbereiche, Sparten oder auch Divisionen bezeichnet. Die Divisionen werden dabei mit unterschiedlichen Kompetenzen und Funktionen betraut und bilden so relativ autonome Berei­ che, die auf der dritten Ebene i. d. R. funktional gegliedert sind (vgl. Macharzina, Wolf 2017: 496ff; vgl. Vahs 2012: 165ff). Abbildung D1.1 soll die Grundstruktur einer divisionalen Organisation nach Produktgruppen veranschaulichen (vgl. Vahs 2012: 166).

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Unternehmensleitung 1. Ebene Zentralbereiche

Division A Produktgruppe 1

Division B Produktgruppe 2

Division C Produktgruppe 3

Einkauf

Einkauf

Einkauf

Produktion

Produktion

Produktion

Absatz

Absatz

Absatz

2. Ebene Objektprinzip

3. Ebene Funktionsebene

Abb. D1.1: Grundstruktur einer divisionalen Organisation (Produktgruppen) (in Anlehnung an Vahs 2012: 166).



Das Betrauen der Divisionen mit Kompetenzen, Funktionen und somit auch einer gewissen Verantwortung wird auch als Dezentralisation bezeichnet und ist ein weiteres wichtiges Merkmal der divisionalen Organisation (vgl. Deyhle 2010: 79ff). Hierbei werden Kompetenzen, die originär der Unternehmensführung selbst zu­ stehen, hierarchieabwärts an die Sparten verlagert. Mit der Verlagerung der Ent­ scheidungskompetenzen an die jeweiligen Bereichsleiter kann einerseits die Un­ ternehmensführung um eher operative und kurzfristig wirksame Entscheidungen entlastet werden, sodass eine Konzentration auf die strategischen und langfristig wirksamen Entscheidungen erfolgen kann. Diese Entlastungsfunktion gewinnt mit zunehmender Internationalisierung, Größe und Komplexität des Unterneh­ mens an Bedeutung (vgl. Coenenberg 2016a: 729ff; vgl. Macharzina, Wolf 2017: 496ff). Andererseits kann dem Bottom-up-Prinzip entsprechend die Fach- und Sachkompetenz der unteren Hierarchieebenen für den Entscheidungsprozess nutzbar gemacht werden.

Eine divisionale Gestaltung der Organisation führt im Ergebnis zu einer Aufspaltung des Gesamtunternehmens in einzelne Unternehmenseinheiten oder -bereiche, die als dezentrale Entscheidungseinheiten fungieren. Diesen werden jedoch nicht alle Funk­ tionen zugeordnet. So werden z. B. Funktionen, die für die Realisierung einer einheit­

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lichen Unternehmensstrategie wesentlich sind oder divisionsübergreifend gleichartig sind, in sogenannten Zentralabteilungen zusammengefasst. Die Zentralabteilungen spielen bei der Koordination bzw. Steuerung des Unternehmens eine wichtige Rol­ le – insbesondere dann, wenn diese über die Art und Weise der Festlegung der Ver­ rechnungspreise bestimmen kann oder bei Verhandlungen das Recht besitzt, sie bei Nichteinigung festzulegen (vgl. Küpper et al. 2013: 518f). Daneben können die Autonomiegrade, also die Entscheidungs- und Handlungs­ spielräume der Divisionen, durchaus unterschiedlich gestaltet sein. Die Ziele bei der Gestaltung der divisionalen Organisationsstruktur bleiben jedoch darin bestehen, die Divisionen so autonom wie möglich zu gestalten und sie mit den grundlegenden Funk­ tionen auszustatten, die für ihre Betriebs- und Geschäftstätigkeit notwendig sind. Der Idealtypus einer divisionalen Organisationsstruktur ist dann realisiert, wenn die Un­ ternehmensführung nur die strategische Führung innehat und sich aus der operativen Betriebs- und Geschäftstätigkeit der Divisionen vollkommen zurückzieht. Der Dezen­ tralisationsgedanke und die Bildung von Organisationseinheiten nach dem Objekt­ prinzip stellen die Grundlage für die sogenannten Centerkonzepte als spezifische Aus­ prägungen der divisionalen Organisationsstruktur dar (vgl. Küpper et al. 2013: 518f).

1.3 Centerkonzepte Centerkonzepte unterscheiden die Organisationseinheiten nach Umfang ihrer Verant­ wortlichkeit bzw. Kompetenzen. Die Center werden deshalb auch oft als Responsibil­ ity-Center bezeichnet und spielen bei der Bewältigung von Steuerungsproblemen in dezentralisierten Unternehmen eine erhebliche Rolle (vgl. Anthony, Govindar­ ajan 2006: 128ff). Je nach Umfang ihrer Verantwortlichkeit unterscheidet man in Service-, Cost-, Profit-, Revenue- und Investmentcenter (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 494; vgl. Rieg 2015: 148f): – Costcenter sind Organisationseinheiten, bei denen sich die Planung, Kontrol­ le und Steuerung ausschließlich auf die Kosteneinsätze bezieht. Im Grunde sind Costcenter als besondere (umfassende) Hauptkostenstellen zu verstehen, zu de­ nen u. a. auch Produktionsstätten ohne Zugang zum Absatzmarkt gehören. Die Verantwortung der Führungsinstanz eines Costcenters beschränkt sich dabei auf die Steuerung der Kosten im Beschaffungs- und Produktionsbereich (Einhaltung der Plankosten und Kostenminimierung) und auf die Effizienz der Leistungser­ stellung (vgl. Schulte-Zurhausen 2012: 272).

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Ein Servicecenter ist im Grundsatz ein Costcenter in einer besonderen Ausprä­ gung: Servicecenter zeichnen sich durch interne und rein leistungsunterstüt­ zende Funktionen aus, so wie es beispielsweise für Personal-, Controlling-, oder Rechtsabteilungen charakteristisch ist. Die Leistungen der Servicecenter sind weniger gut messbar als die der klassischen Costcenter, sodass sich die Entschei­ dungsrechte meist auf den Beschaffungsbereich begrenzen (vgl. Deyhle 2010: 82ff; anders Rieg 2015: 148f). Die Führungsinstanz eines Revenuecenters ist im Gegensatz zum Costcenter aus­ schließlich für die verursachten Umsatzerlöse verantwortlich. Ein Beispiel für ein Revenuecenter ist der Absatzbereich einer funktionalen Organisationsform, wie er in der dritten Hierarchieebene in Abbildung D1.1 dargestellt ist (vgl. Fischer et al. 2015: 320). Ein Profitcenter beschreibt eine Organisationseinheit, die sowohl für die entstan­ denen Kosten als auch für die erwirtschafteten Erlöse verantwortlich ist. Profit­ center sind somit für ihren Erfolg bzw. ihr Bereichsergebnis verantwortlich, wel­ ches auch als Beurteilungsgröße zugrunde gelegt wird. Die Profitcenter werden, wie auch die Sparten, nach dem Objektprinzip gegliedert. Dabei entstehen weit­ gehend autonome Teilbereiche und die Führungsinstanz eines solchen Profitcen­ ters verfügt über weitreichende Entscheidungskompetenzen (vgl. Jung 2014a: 49; vgl. Fischer et al. 2015: 320). Eine Sparte der divisionalen Organisation kann so­ mit als Profitcenter verstanden werden, da die Profitcenter- bzw. Spartenleitung für ihren Objektbereich die volle wirtschaftliche Verantwortung tragen. Um die­ se unternehmerische Autonomie zu gewährleisten, haben diese im Gegensatz zu Costcentern einen weitgehend freien Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärk­ ten (vgl. Jung 2014a: 49; vgl. Vahs 2012: 165). Investmentcenter haben als Organisationseinheit die Aufgabe, auf Basis ei­ nes zugewiesenen Kapitalvolumens eine bestimmte Kapitalverzinsung zu erwirt­ schaften. Solche Investmentcenter sind demzufolge meist größere, hinsichtlich des Kapitaleinsatzes abgrenzbare Geschäftsbereiche (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 732).

Mit den verschiedenen Centerkonzepten werden unterschiedliche Zielgrößen de­ finiert und unterschiedliche Entscheidungskompetenzen zugeordnet (siehe Abbil­ dung D1.2).

1 Verrechnungspreise in divisionalen Organisationen

Profitcenter

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Centertyp Servicecenter

Revenuecenter

Costcenter

Investmentcenter

Zielgröße Kostendeckung, Einhaltung bzw. Unterschreitung des Budgets

Umsatzerlös (Produkt/Produktgruppe)

Kostendeckung, Gewinn/Erfolg Einhaltung bzw. Unterschreitung der Plankostenverrechnungssätze

Rendite (in Bezug auf das eingesetzte Kapital)

Entschei- Beschaffung dungsrechte

Absatz

Beschaffung, Produktion

Beschaffung, Produktion, Absatz

Kapitaleinsatz, Beschaffung, Produktion, Absatz

Beispiele Rechtsabteilung

Vertriebsbereich Dänemark für Produkt/Produktgruppe Pkw

Produktion Pkw-Achsen

Vertriebsniederlassung Oldenburg

Geschäftsbereich Neufahrzeuge

Gewinnvorgabe Renditevorgabe PuK aus Kostenvorgabe Erlösvorgabe und Kostenvorgabe und Vergleich mit und Vergleich mit und Vergleich mit Sicht der und Vergleich mit Vergleich mit den Istkosten den Istgewinn der Istrendite Zentrale den Istkosten dem Isterlös (Produkt/Produktgruppe) Autonomiegrad

gering

hoch

Abb. D1.2: Überblick über die Center-Konzepte (Quelle: in Anlehnung an Rieg 2015: 149; Coenenberg et al. 2016a: 731f).

Die in der divisionalen Organisationsstruktur zu bildenden Center können mit ihrer spezifischen Ausprägung erst dann konfiguriert werden, wenn – die jeweiligen unternehmensinternen Leistungsströme rekonstruiert sind und – die marktfähigen Leistungen der Unternehmenseinheiten herausgefiltert sind (vgl. Rieg 2015: 149). Die Gegenüberstellung der verschiedenen Centertypen zeigt, dass die Profit- und In­ vestmentcenter aufgrund ihres weitestgehend freien Marktzugangs mit einem rela­ tiv hohen Autonomiegrad ausgestattet sind (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 731f; vgl. Rieg 2015: 148f). Der fehlende freie Zugang zu Absatzmärkten der Costcenter schränkt deren Autonomiegrad schon erheblich ein, weil sich die Entscheidungskompetenzen dann nur noch auf den Inputbereich beschränken können (vgl. Rieg 2015: 148f).

258 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

1.4 Koordinationsbedarfe in divisionalen Organisationen Planung und Kontrolle in solchen Unternehmen mit einer divisionalen Organisati­ onsstruktur betonen deutlicher den Zweck der Verhaltenssteuerung. Innerhalb der Center dominiert eine eher eigenständige Planung und Kontrolle mit dem Ziel der (dezentralen) Entscheidungsfindung (vgl. Rieg 2015: 150). Die den divisionalen Or­ ganisationseinheiten zugestandenen Entscheidungskompetenzen bedingen zwar einerseits eine verstärkte Fokussierung auf die Kernkompetenzen und eine erhöhte Marktnähe und Flexibilität der Divisionen, sind andererseits aber auch mit einem Kernproblem verbunden, nämlich einem zentralen Koordinationsbedarf (vgl. Coe­ nenberg et al. 2016a: 733f; vgl. Vahs 2012: 169ff): – Ein wesentlicher Grund für den Koordinationsbedarf in dezentralisierten Unter­ nehmen besteht in dem potenziellen zielwidrigen Verhalten der Centerleitung. Dies liegt dann vor, wenn die Divisionsleitung Ziele oder Strategien verfolgt, die den Gesamtunternehmenszielen widersprechen; dies wird auch als Spartenego­ ismus oder bereichsbezogener Opportunismus bezeichnet (vgl. Preißner 2010: 406ff). Diese Form opportunistischen Verhaltens ist typisch für dezentralisierte Organisationen, in denen Entscheidungen durch weitgehend autonome Bereiche wie Profitcenter getroffen werden (vgl. Deyhle 2010: 80ff). – Auch wenn die Teilbereiche eigene Entscheidungen treffen, ist eine vollständige Trennung dann nicht gewollt, sofern zwischen den Unternehmenseinheiten Inter­ dependenzen bestehen. Ressourcen-, Markt- oder Leistungsverflechtungen kön­ nen sich in ihrem synergetischen Zusammenspiel positiv auf den Unternehmens­ erfolg auswirken. Damit entsteht Koordinationsbedarf durch die sogenannten Verbundbeziehungen zwischen den Unternehmenseinheiten (vgl. Friedl 2013: 295ff). Hierbei wird unterschieden in: Ressourcenverbund, Marktverbund und Prozessverbund (vgl. Brühl 2016: 348f). Nutzen ein oder mehrere Bereiche bei­ spielsweise gemeinsam eine knappe Ressource, so entsteht eine Konkurrenzsi­ tuation hinsichtlich der Ressourceninanspruchnahme; diese löst einen Koordi­ nationsbedarf aus. Der Koordinationsbedarf beim Prozessverbund entsteht durch die Notwendigkeit der zielorientierten Abstimmung des internen Lieferungs- und Leistungsaustauschs zwischen den Centern. In international agierenden Unter­ nehmen ist eine funktionierende Koordination von besonderer Bedeutung, zumal neben der eventuell erforderlichen Währungsumrechnung beispielsweise kultu­ relle und auch Sprachbarrieren die Abstimmung zweier Unternehmenseinheiten in unterschiedlichen Ländern zusätzlich erschweren können (vgl. Macharzina, Wolf 2017: 885ff).

1 Verrechnungspreise in divisionalen Organisationen

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259

Die durch die Dezentralisierung geschaffenen Autonomiegrade bei den dezentralen Einheiten können also – bei naturgemäß begrenzten Möglichkeiten der Kontrolle durch die Zentrale – mit Problemen verbunden sein, die der Delegation immanent sind. Diese Delegationsprobleme können in vertikaler Perspektive in einer unzurei­ chenden Abstimmung der Handlungen und Entscheidungen auf die Gesamtunterneh­ mensziele zu finden sein. In horizontaler Perspektive besteht die Gefahr aufwändiger, unzureichender oder sogar fehlender Abstimmung der Handlungen und Entschei­ dungen der dezentralen Einheiten untereinander (vgl. Rieg 2015: 150). Der Fokus der Koordination besteht somit in der Abstimmung dezentraler Ent­ scheidungen im Hinblick auf die Gesamtunternehmensziele. Dieser Koordinations­ bedarf soll durch Einsatz geeigneter Steuerungsinstrumente gedeckt werden. Die Grundidee der Steuerung durch Verrechnungspreise ist die Koordination der Center über Marktmechanismen. Ziel dabei ist es, durch die Verrechnungspreise zwischen den Organisationseinheiten Marktbedingungen zu schaffen, sodass diese sich auto­ matisch den Bedingungen des Marktes anpassen. Vorbild dabei ist der Markt selbst, auf dem ständig Entscheidungen hinsichtlich des Angebots und der Nachfrage durch den Preis abgestimmt werden (vgl. Deyhle 2010: 101ff). In diesem Interesse wird ver­ sucht, im Unternehmen einen fiktiven Markt zu etablieren.

2 Verrechnungspreise als Steuerungsinstrument Verrechnungspreise sind Wertansätze für innerbetrieblich erstellte Leistungen (Pro­ dukte, Zwischenprodukte, Dienstleistungen), die von einem Unternehmensbereich erstellt und von einem anderen Unternehmensbereich bezogen werden (vgl. Coe­ nenberg et al. 2016a: 722; vgl. Weber 2008: 439). Den Verrechnungspreisen kommt demzufolge in einer dezentralen Organisationsstruktur mit autonomen Bereichen, die in einem intensiven Leistungsaustausch miteinander stehen, besondere Bedeu­ tung zu. Solche Bereiche sind v. a. Profit- und Costcenter innerhalb eines (Gesamt-) Unternehmens (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 567ff); aus diesem Grunde stehen diese Centertypen im Mittelpunkt der Betrachtungen in Teil D, Kapitel 2.

2.1 Funktionen der Verrechnungspreise 2.1.1 Überblick Verrechnungspreise im ursprünglichen Sinne sind als Preise unternehmensinterner Dienstleistungsbereiche zu verstehen. Sie werden – über diesen Bedeutungsgehalt hinausgehend – auch als Transfer- oder Lenkpreise bezeichnet. Hierbei versteht man unter Transferpreisen interne Preise für Leistungstransfers; die Bezeichnung „Lenkpreise“ zielt stärker auf die Hauptfunktion der Verrechnungspreise ab, nämlich auf die Koordinationsfunktion (vgl. Horváth et al. 2015: 285). Liegt ein Leistungs­ transfer zwischen rechtlich selbstständigen Profitcentern vor, kommt den Verrech­ nungspreisen auch eine steuerrechtliche Relevanz zu (vgl. Brühl 2016: 368ff; vgl. Coenenberg et al. 2016a: 730f). Den Verrechnungspreisen als Steuerungsinstrument kommt immer dann eine relativ hohe Bedeutung zu, wenn die Leistungstransfers zwi­ schen den Bereichen besonders intensiv sind, d. h. wenn vielfältige innerbetriebliche Leistungen zwischen den Bereichen ausgetauscht werden (müssen) oder zwecks be­ trieblicher Leistungserstellung gemeinsame Ressourcen genutzt werden müssen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 569ff). Die Koordination der Center soll nun über einen fiktiven Markt erreicht werden, auf dem Verrechnungspreise für die Abstimmung zwischen Angebot und Nachfrage sorgen sollen. Diese über den fiktiven Markt herbeigeführte Koordination kann je­ doch nur dann zielführend erfolgen, wenn zwischen den Centern sogenannte Syner­ giepotenziale wie beispielsweise bessere Kapazitätsauslastungen realisiert werden können. Verrechnungspreise müssen also dazu führen, dass es zu einer bestmögli­ chen Realisierung von Synergiepotenzialen kommt (vgl. Fischer et al. 2015: 455ff; vgl. Horváth et al. 2015: 287f). Verrechnungspreise können verschiedene interne und externe Funktionen erfül­ len, die in Abbildung D2.1 zusammengefasst sind (vgl. auch Steinmann 2013: 313): https://doi.org/10.1515/9783110439793-019

2 Verrechnungspreise als Steuerungsinstrument |

261

Funktionen der Verrechnungspreise

interne Funktionen

externe Funktionen

Koordination dezentraler Unternehmenseinheiten

externe Erfolgsermittlung

interne Erfolgsermittlung dezentraler Unternehmenseinheiten

Minimierung der Steuerlast (Gesamtunternehmen)

Anreizgestaltung (für die dezentralen Leitungsfunktionen)

Preisrechtfertigung

Abb. D2.1: Funktionen der Verrechnungspreise (in Anlehnung an Weber, Schäffer 2016: 220).

Externe Funktionen der Verrechnungspreise sind dann angesprochen, wenn durch die Verrechnungspreise die Interessen von Unternehmensexternen tangiert werden, beispielsweise die der Öffentlichkeit, des Fiskus oder der Kapitalgeber (vgl. Weber, Schäffer 2016: 221f). Folgende drei Funktionen lassen sich zuordnen: 1. externe Er­ folgsermittlung, 2. Preisrechtfertigung und 3. Steuerminimierung: 1. Neben der internen Erfolgsermittlung können die Verrechnungspreise auch für die externe Erfolgsermittlung im Rahmen der Rechnungslegung verwendet wer­ den. So lassen sich auf Basis der Verrechnungspreise die bilanziellen Wertansätze für die fertigen und halbfertigen Erzeugnisse ermitteln (vgl. Horváth et al. 2015: 301f). 2. Auf den Märkten der Netzindustrie, z. B. auf den Telekommunikations- oder Energiemärkten, können die Verrechnungspreise auch zur Preisrechtfertigung eingesetzt werden. Da die Preise auf diesen Märkten von der Bundesnetzagentur reguliert werden, müssen die Unternehmen ihre Kosteneinsätze gegenüber der Regulierungsbehörde nachweisen. Die Verrechnungspreisgestaltung für Leistun­ gen, die aus anderen Teilbereichen bezogen werden, beeinflussen die Gesamt­ kosten des Unternehmens und damit auch die angesetzten Preise. Mithilfe der Verrechnungspreise können die Netzindustrien ihre Kosten ermitteln und die da­ durch bedingten Preise legitimieren bzw. legalisieren (vgl. Weber, Schäffer 2016: 222f). 3. In international agierenden Unternehmen, bei denen i. d. R. interne grenzüber­ greifende Leistungsaustauschbeziehungen bestehen, kommt den Verrechnungs­ preisen im Rahmen der Steuerminimierung eine wichtige Funktion zu. Die exter­ nen Funktionen der Verrechnungspreise sind in dem hier zu erörternden Kontext nur bedingt von Belang. Diese Funktionen – wie z. B. die der Optimierung der Steuerlast – werden aufgrund der Tatsache, dass Divisionen keine rechtlich

262 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

selbstständigen Einheiten darstellen, häufig auch in der Literatur nicht weiter betrachtet (vgl. z. B. exemplarisch Coenenberg 2016a: 730, siehe auch: Wala et al. 2016: 392ff; Friedl 2013: 285ff; anders Kluge 2013: 231ff). Gleichwohl kann die eher in Konzernunternehmen relevante Steuerminimierungs­ funktion der Verrechnungspreise Rückwirkungen auf die internen Funktionen be­ sitzen (vgl. Weber, Schäffer 2016: 228ff). In der Theorie versucht der Konzern als Konglomerat rechtlich selbstständiger Unternehmen die Gesamtsteuerlast so gering wie möglich zu halten. Hierzu werden die Verrechnungspreise so angesetzt, dass die Gewinne überwiegend den Konzernunternehmen in den Sitzstaaten mit geringerer Körperschaftsteuer zugerechnet werden (vgl. Brühl 2016: 368ff). Sollte sich ein Kon­ zern für eine Steuerminimierung entscheiden, erwirtschaften die Unternehmen in Hochsteuerländern kaum Gewinne. Somit steht das Interesse an einer Steuermini­ mierung mit den Interessen an der verursachungsgerechten Gewinnermittlung und an der gewinnbezogenen Anreizgestaltung im Konflikt (vgl. Ossadnik 2009: 246). Um den möglichen Gewinnverschiebungen vorzubeugen, wurden von der Organiza­ tion for Economic Cooperation and Development (OECD) und den nationalen Fisken steuerliche Empfehlungen und Vorschriften erarbeitet, die den Rahmen der Verrech­ nungspreisgestaltung einschränken und der Gewinnverschiebung entgegenwirken. Für die Konzerne gilt es, diese Vorschriften einzuhalten, um strafrechtliche Kon­ sequenzen und eine Doppelbesteuerung zu vermeiden (vgl. Brühl 2016: 368ff; vgl. Stelling 2009: 271f) Interne Funktionen berühren die unternehmensinternen Interessen (vgl. Weber, Schäffer 2016: 221). Die beiden wichtigsten Funktionen sind dabei die Koordinationsund Erfolgsermittlungsfunktion (siehe Abbildung D2.2). Die Anreizgestaltung für die Entscheidungsträger gehört im Grunde zur Koordinationsfunktion. Wie erläutert, ist es das zentrale Ziel der Koordination, durch den Einsatz der Verrechnungspreise de­ zentrale Entscheidungen der Divisionsleiter im Hinblick auf die Unternehmensziele abzustimmen. Die Bereichsleiter sollen dazu motiviert werden, solche Entscheidun­ gen zu treffen, die auch den Zielen des gesamten Unternehmens dienen. Die Koor­ dinationsfunktion schließt somit auch immer eine Motivations- oder Anreizfunktion mit ein (vgl. Küpper et al. 2013: 516; vgl. Hofmann 2001: 57). In diesem Kontext kann die Koordinationsfunktion eng mit der Erfolgsermittlungsfunktion vernetzt sein (vgl. Götze 2010: 243f); die Erfolgsermittlungsfunktion soll eine präzise Ermittlung der Teil­ erfolge der Unternehmenseinheiten und eine verursachungsgerechte Zuordnung der Teilerfolge auf Unternehmenseinheiten gewähren (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 724f). Sofern – eine solche präzise und verursachungsgerechte Erfolgsermittlung möglich ist, und – es keine unternehmensweiten Suboptima aufgrund dezentraler Optimierungs­ überlegungen gibt, und demzufolge die Summe der optimalen Teilergebnisse dem optimalen Gesamtergebnis entspricht,

2 Verrechnungspreise als Steuerungsinstrument

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können die Teilerfolge als Beurteilungsgrundlage für eine Anreizgestaltung in Form erfolgsabhängiger Vergütungen der Leitungen der Unternehmenseinheiten dienen (vgl. Kluge 2013: 234ff). Entsprechend den Grundüberlegungen der Anreiz-BeitragsTheorie können die materiellen Vorteile für die dezentralen Entscheidungsträger durch eine erfolgsabhängige Vergütung dazu beitragen, deren Handlungen und Ent­ scheidungen auf die Erreichung der Unternehmensziele zu fokussieren (in Fortfüh­ rung von Ridder 2015: 51ff; vgl. auch Hirsch 2007: 60ff und Laux 2006: 521ff): Annahme Σ Teiloptima = Gesamtoptimum

Koordinationsfunktion

Erfolgszuweisungsfunktion

präzise/verursachungsgerechte dezentrale Erfolgsermittlung

erfolgsabhängige Vergütung der Divisionsleitungen

Abstimmung der Handlungen und Entscheidungen dezentraler Einheiten auf die Unternehmensziele Abb. D2.2: Zusammenhang interner Verrechnungspreisfunktionen (eigene Darstellung).

2.1.2 Koordinationsfunktion Bei der Betrachtung von Verrechnungspreisen als Steuerungsinstrument steht die Ko­ ordinationsfunktion als eine der wichtigsten Funktionen im Mittelpunkt der Betrach­ tung. Wie im Kontext der Centerkonzepte bereits erwähnt, tragen die Profitcenter die Verantwortung für ihr jeweiliges Bereichsergebnis, das auch zu ihrer Beurteilung her­ angezogen wird. Da dieses Bereichsergebnis ganz wesentlich durch die Preise für die Einsatzfaktoren determiniert wird, haben die Verrechnungspreise einen unmittelba­ ren Einfluss auf das Ergebnis der Center. Verrechnungspreise bieten somit einen An­ satz für die Koordination bzw. Steuerung der Center im Sinne der Unternehmensfüh­ rung (vgl. Fischer et al. 2015: 456f; vgl. Götze 2010: 243). Idealtypischerweise richten die Bereichsleiter ihr Verhalten und ihre Entschei­ dungen an der Maximierung des Bereichserfolgs aus, da dieser für eine negative bzw. positive Beurteilung ausschlaggebend ist (vgl. Kühl, Hildenbrand 2014: 987). Dabei können Entscheidungen, die aus Sicht der Centerleitung als optimal erschei­

264 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

nen, aus der Perspektive des Gesamtunternehmens nicht zwangsläufig als optimale, sondern durchaus als suboptimale Entscheidungen klassifiziert werden. So könnte ein Center daran interessiert sein, mithilfe einer Niedrigpreisstrategie Konkurrenten auszuschalten, um weitere Marktanteile zu gewinnen – was jedoch mit der Hoch­ preisstrategie als Unternehmensstrategie im Widerspruch stehen könnte. Mithilfe der Verrechnungspreise können nun Entscheidungen der Center im Sinne des Ge­ samtunternehmens beeinflusst und aufeinander abgestimmt werden (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 570f). Durch die „richtige“ Verrechnungspreisgestaltung sollen die optimalen Entscheidungen der dezentralen Einheiten gleichzeitig optimal für das Gesamtunternehmen sein. Wird der Verrechnungspreis „falsch“ gewählt, optimiert lediglich der Teilbereich seinen Gewinn, während das Gesamtunternehmen noch Optimierungsspielraum besitzt (vgl. Horváth et al. 2015: 302ff). Die Effektivität dieser Koordinationsfunktion ist jedoch an bestimmte (kumu­ lativ zu erfüllende) Voraussetzungen geknüpft: – Es liegt eine Dezentralisierung auf Basis einer Profitcenter-Organisation vor. – Es liegen Leistungsverflechtungen zwischen den Centern vor. – Die dezentralen Entscheidungen werden durch Verrechnungspreise determiniert. – Eine bedingungslose Akzeptanz der Verrechnungspreise durch die Center darf vorausgesetzt werden. Die Erfüllung der Koordinationsfunktion setzt auch eine Akzeptanz der Verrechnungs­ preise bei den Bereichsleitern voraus, denn nur wenn diese die Verrechnungspreise akzeptieren und als „fair“ empfinden, richten sie ihre Handlungen und Entscheidun­ gen an den Verrechnungspreisen aus (vgl. Kluge 2013: 255, 274 und 287f). Freiräume und Möglichkeiten zur Manipulation schränken die Akzeptanz der Verrechnungs­ preise ganz wesentlich ein (vgl. Friedl 2013: 290). Wie bereits dargelegt, kann die Koordinationsfunktion in die Komponenten der Motivations- und Anreizfunktion zerlegt werden. Im Rahmen der Koordinationsfunktion erfolgt die bereits erwähn­ te Abstimmung der Divisionen auf das Gesamtziel des Unternehmens. Dabei sollen Verrechnungspreise als Steuerungsinstrument die Ressourcen, Produktionsfaktoren oder auch finanziellen Mittel einer optimalen Nutzung zuführen, sodass ein Gesamt­ optimum erreicht wird (vgl. Küpper et al. 2013: 516). Durch den zielorientierten Einsatz von Verrechnungspreisen kann nun das Bereichsergebnis und das Entscheidungsverhalten der Bereichsleiter gesteuert wer­ den (vgl. Götze 2010: 243f). Denn der Verrechnungspreis stellt nicht nur einen inter­ nen Preis dar, der den Erlös der liefernden Division angibt, sondern spiegelt auch die (betragsgleichen) Kosten des empfangenden Bereichs wider. Die Bedeutung der Ver­ rechnungspreise als Steuerungsinstrument gehen insbesondere auf deren mengenund programmbezogene Wirkungen zurück (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 576ff): Wie auf einem echten Markt führen hohe Verrechnungspreise i. d. R. dazu, dass die abneh­ mende Unternehmenseinheit ihre Nachfrage nach einer bestimmten Leistung verrin­ gert, indem sie die benötigte Leistung durch eine andere substituiert, ein anderes Pro­

2 Verrechnungspreise als Steuerungsinstrument | 265

duktionsprogramm wählt, oder aber selbst ein geringeres Auftragsvolumen annimmt. Verrechnungspreise haben also eine Wirkung auf die Produktionsmenge und das Pro­ duktionsprogramm der Unternehmenseinheiten. Im Rahmen der Motivationsfunktion sollen den Bereichsleitern Anreize gegeben werden, aus eigener Motivation heraus höhere Leistungsniveaus anzustreben. Grund­ lage für den Anreiz ist der Bereichserfolg, der letztlich auch zur Beurteilung ihrer Leis­ tung dient. Da der Bereichserfolg an bestimmte Vor- und Nachteile für die Bereichsma­ nager geknüpft ist, wie beispielsweise die Gehaltshöhe oder die Ressourcenzuteilung, bildet dieser die Basis zur Anreizgestaltung. Um den Bereichserfolg beurteilen zu kön­ nen, bedarf es jedoch zuerst einer Erfolgsermittlung in den jeweiligen Bereichen, wel­ che im Rahmen der Erfolgsermittlungsfunktion erläutert werden soll. Die Erfolgser­ mittlungsfunktion trägt in gewisser Weise mit zur Motivation bei, da durch sie die Erfolgsbeiträge der Divisionen zum Gesamterfolg sichtbar werden (vgl. Brühl 2012: 337; vgl. Horváth et al. 2015: 304).

2.1.3 Erfolgszuweisungsfunktion Innerhalb der divisionalen Organisation werden Verrechnungspreise auch benötigt, um die Erfolge der Divisionen bestimmen zu können, sofern Leistungsverflechtun­ gen zwischen den Divisionen bestehen. Die Erfolgsermittlungsfunktion gewährleistet hierbei eine Spaltung des Gesamterfolgs in einzelne Teilerfolge und die Zuordnung der Teilerfolge auf die Divisionen. Im Idealfall dienen die Teilerfolge der Divisio­ nen nicht nur als Beurteilungsgrundlage im Rahmen der Anreizgestaltung, sondern auch als Entscheidungsgrundlage für strategische Maßnahmen, Ressourcenallokatio­ nen und Ressourcenzuteilungen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 573; vgl. Kluge 2013: 236; vgl. Coenenberg et al. 2016a: 729f). Auch wenn die Bereichsleiter der dezentralen Unternehmen frei in ihren Entschei­ dungen sind, werden sie letztendlich an dem Erfolg ihrer Division gemessen. Die Of­ fenlegung des Beitrags zum Gesamterfolg soll die Motivation der einzelnen Berei­ che erhöhen (vgl. Brühl 2012: 337f). Gleichzeitig können sich defizitäre Teilbereiche nicht hinter einem positiven Gesamtergebnis „verstecken“. Da durch die interne Er­ folgsermittlung die Bereichserfolge ermittelt werden können, hängt diese Funktion eng mit der Anreizgestaltung für die Bereichsleitungen zusammen (vgl. Weber, Schäf­ fer 2016: 221). In Bezug auf die Koordination der dezentralen Einheiten wurde bereits festgehalten, dass die Bereichsleitungen jene Entscheidungen treffen, die für ihren Be­ reich optimal sind. Dieser Effekt wird verstärkt, sobald der Bereichserfolg die Grundla­ ge der Entlohnung oder Aufstiegsmöglichkeiten der Bereichsmanager darstellt. Nicht nur durch die Offenlegung ihres Erfolgs oder Misserfolgs sind sie bestrebt, ihren Ge­ winn zu maximieren, sondern auch die persönlichen Interessen gelten als Anreiz, die „richtigen“ Entscheidungen zu treffen.

266 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Aus diesem Kontext wird deutlich, dass die Teilerfolge möglichst exakt vonein­ ander abzugrenzen sind, ansonsten würden sie ihre Funktionen nicht oder nur in be­ grenztem Maße wahrnehmen können. Die Teilerfolge sollten so aussagekräftig sein, dass sie eine verlässliche Entscheidungsgrundlage für die genannten Entscheidungen der Unternehmensführung darstellen. Weiterhin werden durch eine klare Abgren­ zung der Teilerfolge die Verantwortlichkeitsbereiche klar definiert, Erfolgsbeiträge aufgedeckt, sowie Kostentransparenz und Kostenbewusstsein gefördert. Eine klare Erfolgsabgrenzung wird i. d. R. umso schwieriger, desto intensiver die Leistungs­ verflechtungen zwischen den Divisionen gestaltet sind (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 569f). In Kapitel 1.4 in Teil D wurden bereits die Verbundbeziehungen (Ressourcenver­ bund, Marktverbund, Prozessverbund) genannt, welche im Grunde schwer auflösbare Verflechtungssituationen zwischen den Divisionen abbilden. So können die Divisio­ nen beispielsweise um knappe Ressourcen konkurrieren, wie z. B. um die Dienstlei­ tung einer Spezialabteilung, oder auf einem gemeinsamen Absatzmarkt auftreten. Die Synergieeffekte, die durch die Nutzung einer gemeinsamen Leistung entstehen (z. B. durch gemeinsame Nutzung eines Markennamens) führen zu einem Erfolg, der den einzelnen Divisionen nicht mehr eindeutig und verursachungsgerecht zugeschrieben werden kann. Ziel der Unternehmensführung ist es, durch den Einsatz von Verrechnungspreisen eine Erfolgszuweisungsfunktion wahrzunehmen und Teilerfolge exakt abzugrenzen zu können; gleichermaßen soll jedoch auch die Koordinationsfunktion aufgrund des Koordinationsbedarfs gewährleistet werden. Eine angemessene Ausschöpfung beider Funktionen kann sich jedoch (insbesondere im Prozess der Preisermittlung) als pro­ blematisch erweisen.

2.2 Risiken suboptimaler Steuerung In den Ausführungen zu den internen und externen Verrechnungspreisfunktionen wurde bereits auf potenzielle Konfliktbeziehungen zwischen einzelnen Funktionen hingewiesen. Konzentriert sich die Unternehmensführung auf die Erfüllung einer be­ stimmten Funktion, führt dies i. d. R. zu einer Vernachlässigung einer anderen Funkti­ on. Eine Mehrfachzielsetzung ist schwierig zu realisieren, da es nicht möglich ist, alle Funktionen mit ihrer optimalen Wirkung auszuschöpfen (vgl. Weber, Schäffer 2016: 223). Zielkonflikte lassen sich insbesondere zwischen der internen Erfolgsermittlungs­ funktion einerseits und der Koordinationsfunktion sowie der Funktion der Steuermi­ nimierung andererseits identifizieren.

2 Verrechnungspreise als Steuerungsinstrument | 267

2.2.1 Interne Erfolgsermittlungsfunktion versus Koordinationsfunktion Folgendes Beispiel veranschaulicht den potenziellen Zielkonflikt zwischen der Er­ folgsermittlungs- und der Koordinationsfunktion (in Anlehnung an Coenenberg et al. 2016a: 735ff). Ein dezentral organisiertes Unternehmen besteht – vereinfachend angenom­ men – aus nur zwei Teilbereichen: – Die Division Z produziert Elektromotoren als Zwischenprodukt, die lediglich un­ ternehmensintern an die abnehmende Division A vertrieben werden. – Die Division A montiert diese Elektromotoren an ihren ansonsten selbst produ­ zierten E-Bikes und setzt diese schließlich am Zielmarkt ab; pro veräußertem E-Bike wird genau ein Elektromotor benötigt. Abbildung D2.3 stellt die Kosten, Erlöse und Erfolge der jeweiligen Divisionen sowie des Gesamtunternehmens in Abhängigkeit der verkauften Menge an E-Bikes und der damit produzierten Menge an Elektromotoren dar. Eine Ausschussproduktion soll per Annahme nicht vorliegen, der Verrechnungspreis v sei von der Zentrale mit 100 €/LE vorgegeben. Abnehmerdivision A abgesetzte E-Bikes

Kosten

interner Bezug (v =

Lieferdivision Z produzierte E-Bikes

Kosten

Erlöse

Erfolg

preis/LE

Gesamtunternehmen Erlöse (v =

Erfolg

Erfolg Division Z





Erfolg Division A

Gesamterfolg

Abb. D2.3: Beispiel für eine suboptimale Koordination durch Verrechnungspreise (in Anlehnung an Coenenberg et al. 2016a: 735ff; vgl. Brühl 2016: 344ff).

268 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten





Für die Produktion von 100 E-Bikes entstehen bei der Division A Produktions-, Montage- und Vertriebskosten in Höhe von 60.000 €, die zur Hälfte aus Fixkos­ ten und zur Hälfte aus variablen Kosten bestehen. Wenn die Division A die Pro­ duktion um jeweils 100 Einheiten anhebt, erhöhen sich die variablen Kosten um jeweils 30.000 €. Zusätzlich entstehen Kosten aus dem innerbetrieblichen Leis­ tungsaustausch mit der Division Z. Da der Verrechnungspreis für einen Elektro­ motor mit 100 € bestimmt ist, entstehen bei der Division A für die Produktion von 100 E-Bikes Gesamtkosten in Höhe von 70.000 €. Wird die Produktionsmenge je­ weils um 100 Einheiten gesteigert, so erhöht sich diese Kostensumme um jeweils 40.000 €. Der Angebotspreis für das E-Bike, der sich durch Angebot und Nachfra­ ge bildet, soll mit steigender Produktionsmenge – also mit steigendem Angebot – sinken. Die Multiplikation der Anzahl abgesetzter E-Bikes mit dem jeweiligen An­ gebotspreis ergibt den Verkaufserlös. Vermindert man diesen um die Gesamtkos­ ten, so ergibt sich der Erfolg (Gewinn) der Division A. Für die Produktion von 100 Elektromotoren entstehen bei der Division Z Kosten in Höhe von 15.000 €, in denen 10.000 € Fixkosten und 5.000 € variable Kosten enthalten sind. Bei einer Produktionserhöhung um jeweils 100 Stück steigen die variablen Kosten um jeweils 5.000 €. Die Erlöse ergeben sich aus der Multiplikati­ on der veräußerten Elektromotoren und dem festgelegten Verrechnungspreis von 100 € pro Stück.

Aus der Planungsrechnung der Division A geht hervor, dass sich der Gewinn mit 98.000 € – unter der Voraussetzung eines nicht gesättigten Marktes – mit einer Ab­ satzmenge von 400 E-Bikes maximieren lässt. Die interne Erfolgsermittlung verleitet die Divisionsleitung dazu, 400 Elektromotoren von der Division Z beziehen zu wollen. Die Lieferdivision weist damit einen Gewinn in Höhe von 10.000 € aus. Der Gewinn des Gesamtunternehmens beläuft sich somit in der Summe auf 108.000 €. Aus der Ge­ samtunternehmenssicht ist diese Entscheidung der Divisionsleitung A nicht optimal, da bei einer Absatzmenge von 500 E-Bikes sogar ein unternehmensweiter Gewinn in Höhe von 110.000 € hätte erzielt werden können. Das Beispiel zeigt das potenziell konfliktbehaftete Beziehungsgefüge zwischen der Koordinations- und der Erfolgsermittlungsfunktion: Durch die Motivation, den ei­ genen Bereichsgewinn zu maximieren, wurde aus Sicht des Gesamtunternehmens in der Division A eine suboptimale Entscheidung getroffen. Eine Anreizgestaltung, die auf eine Vergütung der Divisionsleitung in Abhängigkeit des Divisionserfolgs abstellt, würde diesen Konflikt noch weiter verschärfen. In diesem Fall wäre die Divisionslei­ tung noch stärker motiviert, den Teilbereichsgewinn zu maximieren (vgl. auch Weber, Schäffer 2016: 224; vgl. Brühl 2016: 344ff). Worauf dieses Steuerungsdefizit zurückzu­ führen ist, und ob hier eventuell der Verrechnungspreis falsch angesetzt wurde, wird aus diesem Beispiel allerdings nicht ersichtlich.

2 Verrechnungspreise als Steuerungsinstrument

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Die Erläuterungen der internen Funktionen zeigen, dass die Koordinationsfunk­ tion mit der Erfolgsermittlungsfunktion in einem potenziellen Konflikt steht. Einer­ seits wird versucht, den Verrechnungspreis so anzusetzen, dass die auf ihm beruhen­ den Entscheidungen optimal für das Gesamtunternehmen sind. Andererseits werden mithilfe der Verrechnungspreise die Bereichserfolge ermittelt, sodass die Bereichslei­ tungen bestrebt sind, Entscheidungen zu treffen, die zwar optimal für ihre Division, eventuell aber nicht optimal für das Gesamtunternehmen sind. Bei einer erfolgsorien­ tierten Vergütung der Divisionsmanager wird dieser Konflikt zusätzlich verschärft.

2.2.2 Interne Erfolgsermittlungsfunktion versus Steuerminimierung Folgendes Beispiel veranschaulicht den Zielkonflikt zwischen der Erfolgsermittlungs­ funktion und der Steuerminimierung. Dabei ist zu bedenken, dass international agie­ rende Unternehmen und rechtlich selbstständige Unternehmenseinheiten in ihrem jeweiligen Sitzstaat als Steuersubjekt zu behandeln sind. Abbildung D2.4 stellt ver­ einfachend dar, wie ein international agierendes Unternehmen seine Steuerlast durch eine Gewinnverlagerung minimieren kann (vgl. Brühl 2016: 368ff). Vorab sei angemerkt, dass – die Unternehmenseinheiten I und II als rechtlich selbstständige Unternehmens­ einheiten gelten sollen, und dass – die beispielhafte Konstellation nur der Illustration des Zielkonflikts dienen soll, und in dieser Form aufgrund des sogenannten Fremdvergleichsgrundsatzes in der Realität strafbar wäre (vgl. Horváth et al. 2015: 302ff; vgl. auch Martini 2007: 22). Land A: Steuer 40 %

Land B: Steuer 10 %

Zwischenprodukt 1.000 LE

Endprodukt 1.000 LE

Selbstkosten der Unternehmenseinheit 50.000 €

Lieferumfang: 1.000 LE

Markt Erlöse 80.000 €

Verrechnungspreis: 50 €/LE

Erlöse 50.000 €

Kosten 50.000 €

Erfolg 0€

Erfolg 30.000 €

Steuerlast 0€

Erfolgsverlagerung

Steuerlast 3.000 €

Abb. D2.4: Exemplarische Erfolgsverlagerung durch Verrechnungspreise (Teil 1) (in Anlehnung an Brühl 2016: 368ff).

270 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Die Unternehmenseinheit I ist in einem Hochsteuerland (Land A) mit einem Steuer­ satz von 40 % auf den Gewinn verortet, während die Unternehmenseinheit II in einem Niedrigsteuerland (Land B) mit einem Steuersatz von 10 % seinen Sitz innehat: – Die Unternehmenseinheit I stellt eine Zwischenproduktmenge von 1.000 Leis­ tungseinheiten zu Selbstkosten in Höhe von 50.000 € her. Die Zwischenprodukte werden von Unternehmenseinheit II abgenommen, das aus den 1.000 Zwischen­ produkten 1.000 Endprodukte produziert und diese am Zielmarkt veräußert. Beträgt der Verrechnungspreis 50 € pro Zwischenprodukt, erzielt Unternehmens­ einheit I Erlöse in Höhe der Selbstkosten von 50.000 € und erwirtschaftet als steuerliche Bemessungsgrundlage einen Erfolg in Höhe von 0 €. – Unternehmenseinheit II verursacht durch den internen Leistungsaustausch Kos­ ten in Höhe von 50.000 € (weitere Kosten durch z. B.Montage, Vertrieb etc. wer­ den hier vernachlässigt). Die Endprodukte können für 80.000 € am Markt abge­ setzt werden, sodass ein steuerrechtlich relevanter Gewinn in Höhe von 30.000 € entsteht. Das Gesamtunternehmen hat den Gesamtgewinn im steuergünstigeren Land B erwirt­ schaftet bzw. dorthin verschoben, wodurch die geringstmögliche Steuerlast in Höhe von 3.000 € fällig wird. Das Ziel, die Steuerlast zu minimieren, ist zwar erreicht; doch in der Folge bleibt der Erfolgsbeitrag der Teilbereiche am Gesamtunternehmens­ erfolg ohne jede Aussagekraft, da der Verrechnungspreis bewusst in einer Höhe an­ gesetzt wurde, bei der die Unternehmenseinheit I keinen Gewinn erzielt. Die Funkti­ on der Anreizgestaltung durch die erfolgsabhängige Vergütung der Bereichsmanager ist hinfällig, da kein verursachungsgerechter (und somit „fairer“) Bewertungsmaß­ stab mehr existiert. Gleichzeitig kann es zu einem Motivationsverlust kommen, denn die Unternehmenseinheit I kann trotz größter Bemühungen nie einen Gewinn erzie­ len, wenn die Verrechnungspreise entsprechend den jeweiligen Kosteneinsätzen an­ gepasst werden. Gleichermaßen resultierte ein Motivationsverlust in der Unterneh­ menseinheit II, da ihr – unabhängig der tatsächlichen Leistung – immer der gesamte Erfolgsbeitrag zugeschrieben wird. In diesem Zusammenhang ist der Fremdvergleichsgrundsatz (dealing at arm’s length principle) als Einschränkung bei der Festlegung der Verrechnungspreise noch einmal aufzugreifen. Das Ziel der Verrechnungspreisbestimmung liegt im Beispiel of­ fensichtlich darin, den gesamten Gewinn der Unternehmenseinheit II im Niedrigsteu­ erland zuzuweisen, wodurch die Steuerlast des Gesamtunternehmens minimiert wird. Wäre dies in dem Maße erlaubt, würde dem Land A ein erhebliches Maß an Steuerein­ nahmen entzogen werden. Der Fremdvergleichsgrundsatz beruht auf dem Gedanken, dass die Preise für unternehmensinterne Transaktionen in einer Höhe angesetzt wer­ den müssen, als würde die Transaktion zwischen fremden Unternehmen stattfinden. Der Verrechnungspreis soll quasi dem Marktpreis entsprechen, um eine realitätsnahe steuerliche Bemessungsgrundlage zu finden (vgl. Weber, Schäffer 2016: 233f; vgl. Mar­ tini 2007: 22). Internationale Steuerverträge, die auf den Verrechnungspreisrichtlinien

2 Verrechnungspreise als Steuerungsinstrument | 271

der OECD sowie des OECD-Musterabkommens beruhen, beinhalten diesen Grundsatz als integralen Bestandteil (vgl. Brühl 2012: 357). Für das Beispiel könnte der Fremdvergleichsgrundsatz bedeuten, dass der ver­ wendete Verrechnungspreis bei einem Fremdvergleichswert in Höhe des Marktprei­ ses von 80 €/LE nicht korrekt bestimmt wurde. Bei einem steuerrechtlich zulässigen Verrechnungspreis von 80 €/LE würde der Unternehmenseinheit I im Land A ein Ge­ winn in Höhe von 30.000 € zugewiesen, sodass im Hochsteuerland A eine Steuerlast in Höhe von 12.000 € (30.000 € ⋅ 0,4) resultierte (siehe Abbildung D2.5). Land A: Steuer 40 %

Land B: Steuer 10 %

Zwischenprodukt 1.000 LE

Endprodukt 1.000 LE

Selbstkosten der Unternehmenseinheit 50.000 €

Lieferumfang: 1.000 LE

Markt Erlöse 80.000 €

Verrechnungspreis: 80 €/LE

Erlöse 80.000 €

Kosten 80.000 €

Erfolg 30.000 €

Erfolg 0€

Steuerlast 12.000 €

Erfolgsverlagerung

Steuerlast 0€

Abb. D2.5: Exemplarische Erfolgsverlagerung durch Verrechnungspreise (Teil 2) (in Anlehnung an Brühl 2016: 368ff).

Das Unternehmen II im Niedrigsteuerland weist dann keinen Gewinn aus, da die Er­ löse genau die Kosten decken. Das Gesamtunternehmen hat im Beispiel aber Steuern im Niedrigsteuerland in Höhe von 3.000 € entrichtet, die nicht fällig gewesen wären; daraus resultieren folgende Konsequenzen (vgl. Brühl 2016: 369ff): – Der sich auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes ergebende Betrag in Höhe von 12.000 € wäre nachträglich zu entrichten. – Zusätzlich wird ein Strafbetrag in Höhe von mindestens 10 % und maximal 200 % des nachzuzahlenden Betrags in Höhe von 12.000 € fällig; der Strafprozentsatz hängt von dem Grad der Vorsätzlichkeit der Steuerhinterziehung ab. Im Steuerrecht existieren verschiedene Verrechnungspreismethoden, die der Ermitt­ lung eines Verrechnungspreises unter fremdvergleichskonformen Bedingungen die­ nen sollen. Dabei ist jene Methode zu wählen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz am ehesten entspricht (siehe hierzu Kapitel D3.4). International agierende Unterneh­ men mit rechtlich selbstständigen Unternehmenseinheiten sind im Kontext mit der Verrechnungspreisgestaltung jedenfalls mit den Anforderungen des Fremdvergleichs­

272 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

grundsatzes konfrontiert und – grundsätzlich – vor die Entscheidung gestellt, ob eine aussagekräftige Erfolgsermittlung und die Möglichkeit der Anreizgestaltung durch ei­ ne erfolgsabhängige Vergütung zugunsten einer Steuerminimierung aufgegeben wer­ den soll – oder andersherum.

2.3 Grundfragen der Gestaltung eines Verrechnungspreissystems Es stellt sich somit die grundlegende Frage, wie Verrechnungspreise ermittelt bzw. festgelegt werden müssen, damit sie zu einer optimalen Zielerreichung beitragen kön­ nen. Diese Gestaltung eines Verrechnungspreissystems ist auf die unternehmens­ spezifischen Bedürfnisse hin auszurichten (vgl. Friedl et al. 2013: 556f; vgl. Hof­ mann 2001: 36ff). Ein solches System stellt die Rahmenbedingungen für die operative Umsetzung der Verrechnungspreise auf und setzt wichtige Grundsatzentscheidungen voraus (siehe Abbildung D2.6).

Funktion(en) der Verrechnungspreise

Art der Festlegung der Verrechnungspreise

Methode(n) der Verrechnungspreisermittlung Grundsatzentscheidungen bei der Gestaltung eines Verrechnungspreissystems Anzahl gleichzeitig gültiger Verrechnungspreise

Gestaltung der Verrechnungspreisdokumentation Grad der Transaktionsfreiheit der Unternehmenseinheiten

Abb. D2.6: Gestaltung eines Verrechnungspreissystems – Grundsatzentscheidungen (eigene Dar­ stellung).

2 Verrechnungspreise als Steuerungsinstrument

| 273

Nachfolgend werden die wichtigsten Elemente eines Verrechnungspreissystems kurz erläutert: Die prioritär gewünschten Funktionen der Verrechnungspreise stellen einen wichtigen Bestandteil eines Verrechnungspreissystems dar. Aufgrund der Konfliktbe­ ziehungen zwischen den Funktionen muss die Unternehmensführung entscheiden, ob die einzelnen Bereichsgewinne genau bestimmt werden sollen oder ob vorzugs­ weise die Teilbereiche koordiniert werden sollen (vgl. Kühl, Hildenbrand 2014: 985ff). In diesem Zusammenhang muss die Unternehmenssituation mit ihrer spezifischen Centerorganisation intensiv analysiert werden, um eine Entscheidung bezüglich der wichtigsten Funktion treffen zu können. In eher strategischer Perspektive sollte – an­ dersherum vorgehend – die Gestaltung der Center an die mit höchster Priorität zu er­ füllenden Funktionen ausgerichtet werden. Die Verrechnungspreismethoden, nach denen die Verrechnungspreise be­ stimmt werden, bilden den Kern des Systems. Man unterscheidet zwischen den steu­ errechtlichen und betriebswirtschaftlichen Methoden. Da im Rahmen des operativen Controllings vornehmlich die betriebswirtschaftlichen Methoden herausragende Be­ deutung besitzen, werden vorrangig diese erörtert (so auch z. B. Wala et al. 2016: 394; Friedl 2013: 285ff). Dabei ist allerdings immer zu bedenken, dass steuerrechtli­ che Anforderungen an den Ermittlungsalgorithmus durchaus Rückwirkungen auf die Anwendung der betriebswirtschaftlichen Methoden zeigen können – zumindest im­ mer dann, wenn die zu ermittelnden Verrechnungspreise aufgrund einer intendierten Vernetzung der internen mit der externen Unternehmensrechnung steuerrechtlichen Vorschriften genügen sollen (vgl. Weber, Schäffer 2016: 228ff). Die betriebswirtschaft­ lichen Methoden lassen sich in drei Kategorien ordnen, nämlich marktpreis-, kosten-, und verhandlungsbasierte Ermittlungsmethoden. Sie greifen auf unterschiedliche Informationsgrundlagen zurück (siehe Abbildung D2.7). Methoden der Verrechnungspreisermittlung

auf Basis externer Informationen

marktorientiert

auf Basis interner Informationen

verhandlungsorientiert

grenzkostenorientiert vollkostenorientiert knappheitsorientiert

Abb. D2.7: Methoden der Verrechnungspreisermittlung (in Anlehnung an Brühl 2016: 352).

274 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Einer empirischen Untersuchung zufolge genießen die kostenorientierten Verrech­ nungspreismethoden, gefolgt von den marktorientierten Methoden, in der Anwen­ dungspraxis den höchsten Stellenwert (vgl. Brühl 2016: 351; vgl. Stelling 2009: 269f). Es sind jedoch auch Mischformen denkbar und mitunter sind die Arten nicht im­ mer eindeutig voneinander abzugrenzen (vgl. Weber, Schäffer 2016: 228ff; vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 574). So werden die knappheitsorientierten Verrechnungspreise teilweise auch als eigenständige Kategorie aufgeführt (vgl. Friedl et al. 2013: 561) und vor dem Hintergrund ihres nutzenbezogenen Lenkmechanismus auch als nutzenori­ entierte Preise bezeichnet (vgl. Huch et al. 2004: 310f). Hier werden sie den kosten­ orientierten Verrechnungspreismethoden zugeordnet, weil sie primär aus internen Kosteninformationen abgeleitet werden. Kostenorientierte Verrechnungspreismetho­ den werden immer dann angewendet, wenn die Voraussetzung eines vollkommenen Marktes für die Anwendung der marktorientierten Methoden nicht gegeben ist – was häufig der Fall ist. Die Daten für die Bestimmung von Verrechnungspreisen kostenori­ entierter Art stammen direkt aus der internen Unternehmensrechnung und können daher relativ schnell und einfach ermittelt werden (vgl. Ossadnik 2009: 253). Da sich die Verrechnungspreise nicht aus dem Mechanismus von Angebot und Nachfrage er­ geben, ist insbesondere zu klären, auf welcher Basis sie angesetzt werden und welche Auswirkungen dies für die Erfolgsbestimmung der Unternehmenseinheiten hat (vgl. Preißner 2010: 402ff). Die Frage nach der Anzahl der Verrechnungspreise, die gleichzeitig verwendet werden, stellt die nächste Grundsatzentscheidung dar: – Hier ist zu entscheiden, ob derselbe Verrechnungspreis für Liefer- und Abneh­ merdivision Gültigkeit haben soll, oder ob sogenannte duale Verrechnungsprei­ se zum Einsatz kommen sollen. Duale Verrechnungspreise bezeichnen getrenn­ te, unterschiedliche Verrechnungspreise für Liefer- und Abnehmerdivision (vgl. Brühl 2012: 362); so könnte die liefernde Unternehmenseinheit einen Marktpreis für die Leistung als Verrechnungspreis ansetzen, während die abnehmende Un­ ternehmenseinheit lediglich die variablen Kosten als Verrechnungspreis heran­ zieht (vgl. Wala et al. 2016: 409ff). In der Anwendungspraxis können solche dua­ len Verrechnungspreise nur eine relativ geringe Akzeptanz gewinnen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 603f). Einerseits wird ein und dieselbe Leistung mit zwei Ver­ rechnungspreisen bewertet, woraus zwangsläufig die nur unbefriedigend zu be­ antwortende Frage nach dem „richtigen“ Preis resultiert. Andererseits wird mit den unterschiedlichen Preisen für dieselbe Leistung der Erfolgsausweis bei den beteiligten Unternehmenseinheiten verzerrt. Daneben ist auch der deutlich hö­ here Aufwand für die Erfassung und Dokumentation des doppelten Preissystems in der Unternehmensrechnung zu bedenken (vgl. Wala et al. 2016: 409ff). – Weiterhin ist festzulegen, ob unterschiedliche Verrechnungspreise für interne und externe Zwecke zum Einsatz kommen sollen, um mit den jeweiligen Verrech­ nungspreisen die unterschiedlichen Verrechnungspreisfunktionen angemessen ausschöpfen zu können. In einem solchen Fall wird von two sets of books gespro­

2 Verrechnungspreise als Steuerungsinstrument

| 275

chen (vgl. Horváth et al. 2015: 302). Auch hier ist der höhere Aufwand durch die Trennung der internen von der externen Unternehmensrechnung in die Entschei­ dung einzubeziehen. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob und in welchem Maße die einzelnen Unterneh­ menseinheiten Transaktionsfreiheiten besitzen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 574f). Welche Unternehmenseinheiten dürfen Leistungen an externe Unternehmen veräu­ ßern bzw. von externen Unternehmen beziehen, und welche Unternehmenseinheiten dürfen dies nur intern? In dem Beispiel in Teil D, Kapitel 2.2.1, Abb. D2.3 darf die Divi­ sion Z ihre produzierten Elektromotoren lediglich unternehmensintern an die abneh­ mende Division A veräußern; diese Grundsatzentscheidung der Zentrale stellt einen wesentlichen Teil des Verrechnungspreissystems dar. Daneben muss die Unternehmensführung eine langfristig stabile Verrechnungs­ preisdokumentation festlegen, die gegebenenfalls auch steuerrechtlichen Vorschrif­ ten genügen kann. Diese Dokumentation stellt in der Anwendungspraxis immer wie­ der ein Problem dar, da aufgestellte Verrechnungspreise im Nachhinein oft nicht mehr nachvollzogen werden können (vgl. Horváth et al. 2015: 305f). Die funktionale Ausgestaltung eines Verrechnungspreissystems ist nicht zuletzt davon abhängig, welche Instanz die Verrechnungspreise festlegt bzw. final über eine Festlegung verfügen darf. Der Verrechnungspreis kann entweder gemäß Top-downPrinzip durch direkte Vorgabe der Zentrale bestimmt werden, oder gemäß Bottom-upPrinzip unter den Divisionen ausgehandelt werden (vgl. Wöhe et al. 2016a: 203f). Die Verhandlungen können dabei selbstständig erfolgen oder entsprechend dem Gegen­ stromverfahren unter Mitwirkung der Zentrale (vgl. Friedl 2013: 326f). Welche Art der Festlegung des bzw. der Verrechnungspreise letztendlich zum Einsatz kommt, hängt von den beabsichtigten Funktionen und den vorherrschenden Anwendungs­ bedingungen ab. Wird der Preis z. B. durch die Zentrale festgelegt, kann diese ihn so bestimmen, dass die von ihr angestrebten Funktionen möglichst gut erfüllt wer­ den. Verhandlungen hingegen fördern den Informationsaustausch und den Entschei­ dungsspielraum der Divisionen, können jedoch auch Konfliktsituationen zwischen den Divisionen hervorrufen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 607f). Die Ermittlung eines Verrechnungspreises, mit dem eine gesamtzieloptimale Koordination der dezentralen Entscheidungseinheiten erreicht wird, gehört auch deshalb zu einer intensiv unter­ suchten Fragestellung in der Betriebswirtschaftslehre (vgl. Küpper et al. 2013: 518f). Die Aufstellung eines Verrechnungspreissystems erfordert in jedem Falle eine möglichst präzise Rekonstruktion des Leistungsaustauschs zwischen den beteilig­ ten Unternehmenseinheiten (vgl. Schweitzer et al. 2016: 515f). Dabei beschränken alle Mess- und Bewertungsprobleme den Einsatz eines Verrechnungspreissystems (vgl. Hofmann 2001: 56). So ist beispielsweise bei einer angebotenen Dienstleistung oftmals nur der Grad der Leistungsbereitstellung, nicht aber der Grad der Leistungser­ stellung messbar. Daneben sind Einflussfaktoren wie Loyalität oder Vertrauen kaum quantifizierbar.

276 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Die unterschiedlichen Elemente eines Verrechnungspreissystems zeigen deut­ lich, dass eine Vielzahl grundlegender Entscheidungen getroffen werden muss. Die Aufstellung eines Verrechnungspreissystems sollte schon deshalb durch intensive Vorarbeiten gekennzeichnet sein. Diese Entscheidungen sind deswegen so evident, weil sie maßgeblich die Koordination und den Erfolg des gesamten Unternehmens beeinflussen und zusätzlich – bedingt durch die aufgeführten Zielkonflikte – mit Nachteilen verbunden sein können. Damit ist zugleich auch die Gültigkeitsdauer eines festgelegten Verrechnungspreises angesprochen (vgl. Hofmann 2001: 37): die Gültigkeitsdauer eines Verrechnungspreises wird mit der Notwendigkeit korrelieren, die Auswirkungen eines verwendeten Verrechnungspreises hinsichtlich seines Ziel­ beitrags zu prüfen.

2.4 Übungsaufgaben Aufgabe 1 Die Cycle AG ist ein Konzernunternehmen, das mit seinen Unternehmenseinheiten die Herstellung und den Absatz von Fahrrädern aller Arten vereinigt hat. Innerhalb der Cycle AG ist das in Wilhelmshaven ansässige Profitcenter E-Bike-Systems GmbH mit der auftragsbezogenen Fertigung von elektronisch unterstützten Fahrrädern für Großkunden betraut. Die für die E-Bikes benötigten Elektromotoren werden von dem in Tschechien ansässigen Profitcenter Electronica s. r. o. bezogen. In der Cycle AG ist über einen einmaligen Zusatzauftrag eines Großkunden zu ent­ scheiden. Bei der Lieferung von 1.000 E-Bikes (in einer Discountervariante) könnte ein Umsatzerlös in Höhe von 150.000 € realisiert werden. Das Profitcenter E-Bike-Sys­ tems verfügt über die erforderlichen Kapazitäten. Für jedes E-Bike würde genau ein Elektromotor von der Electronica bezogen, auch bei der Electronica sind die notwen­ digen Kapazitäten verfügbar. Bei der Electronica verursachte der Zusatzauftrag variable Herstellkosten für die 1.000 Elektromotoren in Höhe von 90.000 €. Sofern die Electronica die Elektromo­ toren auf dem heimischen Markt absetzte, entstünden ihr zusätzliche variable Ver­ packungskosten in Höhe von 16.000 €. Allerdings könnte sie dann Umsatzerlöse in Höhe von 120.000 € generieren. Im Profitcenter E-Bike-Systems verursachte der Zu­ satzauftrag variable Montagekosten für die 1.000 E-Bikes in Höhe von 40.000 €. So­ fern die Elektromotoren nicht bei dem Profitcenter Electronica bezogen würden, ent­ stünden zusätzliche variable Kosten für die Qualitätsprüfung in Höhe von 10.000 €. Dem Zusatzauftrag seien Fixkosten in Höhe von 10.000 € bei dem Profitcenter Electronica s. r. o. sowie Fixkosten in Höhe von 20.000 € bei dem Profitcenter E-BikeSystems GmbH zurechenbar. Zeigen Sie mithilfe einer stückbezogenen Kostenrechnung die unzureichende Koordinationswirkung eines Verrechnungspreises, der dem Marktpreis entspricht.

2 Verrechnungspreise als Steuerungsinstrument | 277

Interpretieren Sie Ihre stückbezogenen Rechnungen vor dem Hintergrund der soge­ nannten Verbundeffekte. Aufgabe 2 Gehen Sie von der in Aufgabe 1 geschilderten Ausgangssituation aus und nehmen Sie zudem an, dass die konzerninterne Transaktion zu dem Verrechnungssatz in Höhe von 120 €/LE zustande kommt. Zeigen Sie mithilfe der Erfolgsrechnungen der beiden rechtlich selbstständigen Unternehmen den steuerlichen Effekt der Transaktion. Ge­ hen Sie dabei von einem vorläufigen Erfolgsausweis (vor Transaktionsbuchung) in Hö­ he von 100.000 € je Konzernunternehmen aus. Vereinfachend nehmen Sie bitte einen pauschalen Gewinnsteuersatz von 20 % in Tschechien und von 50 % in Deutschland an. Illustrieren Sie – den Fremdvergleichsgrundsatz missachtend – den steuerlichen Effekt der Gewinnverlagerung bei Bevorzugung des Niedrigsteuerlands. Setzen Sie zur Illustration einen geeigneten Verrechnungssatz Ihrer Wahl an.

3 Ermittlung der Verrechnungspreise Die Mehrfachzielsetzung der Verrechnungspreise stellt ein wesentliches Problem bei deren Gestaltung dar. Es ist nicht möglich, mit einem Verrechnungspreis alle Funk­ tionen gleichermaßen zu erfüllen. Wie in Teil D, Kapitel 2.2.1 erläutert bestehen in interner Perspektive v. a. Zielkonflikte zwischen der Koordinations- und Erfolgser­ mittlungsfunktion. Verrechnungspreise, die eine gesamtzielorientierte Steuerung der Divisionen bewirken können, sind also nicht zwangsläufig auch zur Abgrenzung aussagekräftiger Bereichserfolge geeignet (vgl. Küpper et al. 2013: 516f; vgl. Weber, Schäffer 2016: 224ff). Nachfolgend sollen die Methoden der Verrechnungsermittlung speziell im Hinblick auf die Koordinations- und Erfolgszuweisungsfunktion der Ver­ rechnungspreise dargestellt werden. Mit dem Blick auf eine potenzielle Vernetzung der internen mit der externen Unternehmensrechnung wird herausgestellt, welche Nachteile die steuerrechtlich zulässigen Verrechnungspreisermittlungen bzgl. der Koordinations- und der Erfolgsermittlungsfunktion in sich tragen.

3.1 Marktorientierte Verrechnungspreise Bei der Anwendung von marktpreisorientierten Verrechnungspreisen bildet der Marktpreis der innerbetrieblichen Leistung den Ausgangspunkt für die Ermittlung des Verrechnungspreises (siehe Abbildung D3.1). Es soll somit eine Koordination durch Märkte erfolgen und die Divisionen sollen sich wie selbstständige Unternehmen am Markt verhalten (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 735; Fischer et al. 2015: 458ff). Gesamtunternehmen mit zwei Divisionen Zulieferdivision Z

v

Abnehmerdivision A

p

externer Markt für die Leistung von Z p = Marktpreis v = Verrechnungspreis Abb. D3.1: Marktpreisorientierte Verrechnungspreisermittlung (eigene Darstellung).

https://doi.org/10.1515/9783110439793-020

Zielmarkt

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 279

Durch die Verwendung von Marktpreisen als Verrechnungspreise würde der Markt­ mechanismus in geradezu idealer Weise auf das Gesamtunternehmen mit den einzel­ nen Divisionen übertragen. Für diese Übertragung muss allerdings ein vollkommener Markt vorherrschen, woran insbesondere die Erfüllung verschiedener Einsatzbedin­ gungen geknüpft sind (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 576f): – Zunächst einmal muss ein externer Markt für die Leistung oder für ein vollständi­ ges Substitut der Leistung bestehen. Die Divisionen (Abnehmer- und Lieferdivisi­ on) müssen freien Zugang zum externen Markt haben. Ihre Transaktionen dürfen den Marktpreis nicht tangieren, da sie ansonsten in der Lage wären, den Verrech­ nungspreis indirekt zu beeinflussen. Die Marktkapazitäten sind sowohl auf der Beschaffungs-, als auch auf der Absatzseite unbeschränkt. – Weiterhin muss der Verrechnungspreis um Marktpreisschwankungen bereinigt sein. Nur kurzfristig gültige Niedrigpreise, die beispielsweise dem Interesse eines Markteintritts geschuldet sind, können für langfristige Lieferungs- und Leistungs­ beziehungen zwischen den Divisionen nicht geeignet sein (vgl. Fischer et al. 2015: 461f). – Der Marktpreis darf nicht zu hohen Schwankungen unterliegen und muss als Ver­ rechnungspreis rechnerisch erfassbare Synergieeffekte aufgrund von Verbund­ vor- und -nachteilen berücksichtigen; rechnerisch nicht erfassbare Synergieeffek­ te (wie z. B. Liefersicherheit, Qualitätssicherheit, Gefahr des Geheimnisverlusts) dürfen in keinem erheblichen Maße vorliegen (vgl. Weber, Schäffer 2016: 226f; vgl. Wala et al. 2016: 395ff). Je besser diese Anforderungen erfüllt sind, desto eher eignet sich der Marktpreis als Verrechnungspreis (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 577). Das nachfolgende Beispiel soll illustrieren, in welcher Weise die Verrechnungspreise die Divisionen koordinie­ ren können (vgl. hierzu Wala et al. 2016: 396ff). Es zeigt, dass marktpreisorientierte Verrechnungspreise unter Erfüllung der genannten Bedingungen die Koordinationsund Erfolgsermittlungsfunktion in hohem Maße wahrnehmen können. Die zuliefernde Division Z produziert eine Leistung (Zwischenprodukt), die von der abnehmenden Division A zu einem Endprodukt fertiggestellt und am Zielmarkt (zu dem üblichen Angebotspreis in Höhe von 200 €/LE) angeboten wird. Das Zwi­ schenprodukt (Leistung der Division Z) wird am externen Markt zu einem Preis von 120 €/LE in beliebiger Menge gehandelt. Der Division Z (Lieferdivision) entstehen va­ riable Kosten in Höhe von 90 €/LE. Die variablen Kosten der Division A (Abnehmerdi­ vision) betragen – im ersten Fall 20 €/LE, – im zweiten Fall 40 €/LE.

280 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Die Division A hat über einen einmaligen Zusatzauftrag zu einem Preis von 150 €/LE zu entscheiden; dabei ist davon auszugehen, dass beide Divisionen über die notwen­ digen Kapazitäten verfügen können. Die Division Z hat zu entscheiden, ob die hierzu benötigte Leistung an die Division A geliefert werden soll. Die in dem Beispiel ange­ strengten Optimierungsüberlegungen stellen auf die Kalküle der Teilkostenrechnung ab, da mit der Annahme oder Ablehnung eines Zusatzauftrags eine kurzfristig wirksa­ me Entscheidung fundiert werden soll – also eine Entscheidung, die nur auf variablen Kostenanteilen basieren darf (vgl. Freidank 2012: 300ff; siehe hierzu auch Teil F, Ka­ pitel 1.3). Bei einem marktpreisorientiertem Verrechnungspreis in Höhe von 120 €/LE für die Leistung der Division Z ergibt sich die in Abbildung D3.2 dargestellte Teilkosten­ rechnung (hier in der Form einer Stückdeckungsbeitragsrechnung). Division Z (in )

Fälle

Division A (in )

Verrechnungspreis − variable Kosten

Verkaufspreis − variable Kosten

=d

− variable Kosten =d

Gesamtunternehmen (in €)

Fall 1

Fal

Fall



Fall 2

Verkaufspreis − variable Kosten Division − variable Kosten Division = Stückdeckungsbeitrag db Abb. D3.2: Beispiel für eine Integration der Verrechnungspreise in die Teilkostenrechnung (in Anleh­ nung an hierzu Wala et al. 2016: 396ff).

Sofern als Entscheidungskriterium allein der Stückdeckungsbeitrag herangezogen wird, kann das Beispiel aufzeigen, dass der Marktpreis die Koordinationsfunktion optimal erfüllt (vgl. Wala et al. 2016: 396ff): – In Fall 1 erzielen beide Divisionen einen positiven Stückdeckungsbeitrag, beide Divisionen werden also liefern (falls Division A den Zusatzauftrag nicht aus an­ deren Gründen ablehnen sollte). Der gesamte Stückdeckungsbeitrag entspricht dann der Summe der Teildeckungsbeiträge aus den Divisionen (10 € + 30 € = 40 €).

3 Ermittlung der Verrechnungspreise |



281

In Fall 2 ermittelt Division A einen negativen Deckungsbeitrag aufgrund der höhe­ ren variablen Kosten und wird demzufolge den Zusatzauftrag ablehnen. Dies ist auch die optimale Entscheidung aus der Perspektive des Gesamtunternehmens, da Division Z das Zwischenprodukt zu 120 €/LE nun selbst am Markt absetzen kann und einen Stückdeckungsbeitrag in Höhe von 30 €/LE erwirtschaften kann. Dies würde dann auch dem gesamten Stückdeckungsbeitrag entsprechen, da die Division A keinen zusätzlichen Stückdeckungsbeitrag erwirtschaftete. Würde die Division A den Zusatzauftrag in Fall 2 trotz des negativen Stückdeckungsbeitrags annehmen, entstünde aus Sicht des Gesamtunternehmen ein Stückdeckungsbei­ trag in Höhe von nur 20 €/LE. Auch aus der Perspektive des Gesamtunterneh­ mens wäre demzufolge eine Annahme des Zusatzauftrags durch Division A nicht optimal.

Der Marktpreis kann also ein geeignetes Steuerungsinstrument zur Koordination der Divisionen bilden und auch eine angemessene Zuweisung der Teilerfolge ermögli­ chen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Marktpreise durch ein hohes Maß an Objektivität gekennzeichnet sind und eine geringe Manipulierbarkeit aufweisen (vgl. Wala et al. 2016: 399). Dies führt meist zu einer hohen Akzeptanz bei den Bereichs­ managern, was – wie bereits erwähnt – für eine funktionierende Koordination der Divisionen wichtig erscheint (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 576). In der Anwendungspraxis sind die genannten Einsatzbedingungen jedoch meist nicht gegeben. Daher müssen Unternehmen zur Ermittlung marktpreisorientier­ ter Verrechnungspreise meist auf Näherungslösungen zurückgreifen (Coenenberg et al. 2016a: 735ff). Zudem führen marktpreisorientierte Verrechnungspreise unter realistischen Umweltbedingungen zu keiner gesamtzieloptimalen Koordination. Dies liegt u. a. daran, dass Unternehmen eher unvollkommenen Märkten gegenüberste­ hen. So existiert i. d. R. kein einheitlicher Marktpreis für das Zwischenprodukt und es können unterschiedliche Güter mit unterschiedlichen Preisen für die interne Zwi­ schenleistung in Betracht kommen. Weiterhin ist eine Koordination über den Marktpreis nur dann geeignet, wenn keine oder nur geringe Synergieeffekte erzielt werden (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 577). Jedoch entsteht in divisionalen Organisationen gerade durch die Erzielung von Synergieeffekten ein wirtschaftlicher Vorteil gegenüber dem vollkommenen Markt, denn sonst bräuchte man die Divisionen ja nicht in das Gesamtunternehmen integrie­ ren. Dabei sind Synergieeffekte als Zielbeiträge zu verstehen, die nur bei interner Lie­ ferbeziehung zwischen den Divisionen auftreten. Beispiele hierfür sind eingesparte Absatz- und Beschaffungskosten bei internem Leistungsaustausch oder die Nutzung eines gemeinsamen Markennamens. Bestehen diese Effekte, kann der Marktpreis die Koordinationsfunktion nicht erfüllen und muss angepasst werden. Bei der Anpassung können die genannten Absatz- und Beschaffungskosten entsprechend berücksichtigt

282 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

werden, da diese monetär erfassbar sind: Marktpreis p − + − + =

externe Absatznebenkosten (Verbundvorteil) interne Absatznebenkosten (Verbundnachteil)

} } } } absatzbedingte Verbundeffekte } } } } }

interne Beschaffungsnebenkosten } } } } (Verbundvorteil) beschaffungsbedingte Verbundeffekte } externe Beschaffungsnebenkosten } } } (Verbundnachteil) } korrigierter Marktpreis pk

Marktpreis und korrigierter Marktpreis bilden dann ein Intervall, in dem alle zur Ko­ ordination geeigneten Verrechnungspreise liegen (vgl. Friedl 2013: 295ff). Eine Kor­ rektur um die nicht monetär erfassbaren Synergieeffekte ist jedoch kaum möglich; in solchen Fällen ist eine optimale Wahrnehmung der Koordinationsfunktion nicht mehr gewährleistet. Zur Erfolgsermittlung hingegen eignen sich marktorientierte Verrechnungsprei­ se durchaus, weil die Divisionen direkt an den Marktbedingungen gemessen werden. Sie gewährleisten damit eine aussagekräftige Erfolgszurechnung, welche zur Beurtei­ lung der Divisionsleitung geeignet ist (vgl. Fischer et al. 2015: 461ff).

3.2 Kostenorientierte Verrechnungspreise Ein kostenorientierter Verrechnungspreis findet v. a. dann Anwendung, wenn die Di­ visionen keinen freien Zugang zum externen Markt haben, oder ein externer Markt für die Leistung oder für ein vollständiges Substitut der Leistung nicht besteht, oder aber das Kriterium der Vollkommenheit durch den vorhandenen externen Markt nicht in angemessener Weise erfüllt werden kann (vgl. Wöhe et al. 2016a: 203f). Für die kos­ tenorientierte Verrechnungspreisermittlung ergibt sich somit die in Abbildung D3. ge­ zeigte Ausgangssituation (vgl. Friedl 2013: 299; Fischer et al. 2015: 463ff). Gesamtunternehmen mit zwei Divisionen Zulieferdivision Z

v

Abnehmerdivision A

Zielmarkt

v = Verrechnungspreis Abb. D3.3: Kostenorientierte Verrechnungspreisermittlung (eigene Darstellung).

Da ein vollkommener Markt insbesondere für eine interne Leistung naturgemäß kaum vorfindbar ist, werden kostenorientierte Verrechnungspreise in der Anwendungspra­

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 283

xis am häufigsten eingesetzt (vgl. Brühl 2016: 354f; vgl. Stelling 2009: 269f); dies gilt nicht nur für die Verrechnungspreisermittlung für den Leistungsaustausch zwischen Divisionen, sondern in besonderem Maße auch für die Verrechnung innerbetriebli­ cher Leistungen zwischen Kostenstellen (vgl. Weber 2008: 439; vgl. Jung 2016: 1138f). Der Vorteil kostenorientierter Verrechnungspreise gegenüber marktorientierten Ver­ rechnungspreisen ist allein darin zu sehen, dass sie i. d. R. relativ einfach aus der inter­ nen Unternehmensrechnung, insbesondere der Kosten- und Leistungsrechnung, ab­ geleitet werden können. Sie sind also relativ schnell und mit relativ geringem Aufwand für die Erhebung der erforderlichen Daten ermittelbar (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 463ff; vgl. Wala et al. 2016: 401). Da der marktseitige Preisbildungsmechanismus fehlt, bilden die (wertmäßigen) Kosten für die Erstellung einer Leistung die Grundlage für die kostenorientierten Ver­ rechnungspreise. Grundsätzlich können kostenorientierte Verrechnungspreise aus Ist- oder Plankosten abgeleitet werden (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 583f): – Wird der Verrechnungspreis auf der Basis von Istkosten bestimmt, werden die Kosten des leistenden Bereichs auf den leistungsbeziehenden Bereich übertragen. Bei grenzkostenorientierten Verrechnungspreisen werden die variablen Stück­ kosten verrechnet, während bei vollkostenorientierten Verrechnungspreisen zu­ sätzlich Fixkosten bzw. Fixkostenanteile verrechnet werden. Die Verwendung von Istkosten führt zwar zu einer präziseren Wiedergabe der Kosten, allerdings enthalten sie auch sämtliche Ineffizienzen der zuliefernden Division. Da die Kos­ ten (ganz oder teilweise) durch den Verrechnungspreis an die Abnehmerdivision weitergegeben werden und diese damit (ganz oder teilweise) das Risiko bezüglich möglicher Kostenschwankungen trägt, besteht für die Zulieferdivision kein An­ reiz zu einer Erhöhung ihrer Effizienz (vgl. Friedl et al. 2013: 568; vgl. Brühl 2016: 353f). Außerdem weiß die Abnehmerdivision erst nach Leistungserstellung, wie hoch der Verrechnungspreis tatsächlich ausfällt. Sie kann ihn während der Auf­ tragserstellung nicht für die Fundierung kurzfristig wirksamer Entscheidungen nutzen, womit bei der Verwendung von Istkosten die Koordinationsfunktion der Verrechnungspreise nur bedingt ausgefüllt werden kann. Werden die Istkosten in der Form von Vollkosten vollständig übertragen, sinkt der Verrechnungspreis mit steigender Absatzmenge, da die Fixkosten wertmäßig auf eine höhere Produk­ tionsmenge verteilt werden (Effekt der Fixkostendegression). Beziehen mehrere Divisionen dasselbe Zwischenprodukt von der liefernden Einheit, so besteht (zu­ mindest theoretisch) ein Anreiz der abnehmenden Bereiche, besonders hohe Mengen zu ordern, um den Verrechnungspreis zu reduzieren – was allerdings aus Perspektive des Gesamtunternehmens zu einem Suboptimum führen könnte. Da­ neben sind die resultierenden Probleme bezüglich des Kapazitätsmanagements der liefernden Einheit zu bedenken (vgl. Friedl et al. 2013: 568). – Wird der Verrechnungspreis hingegen auf Basis der Plankosten festgelegt, wer­ den lediglich die geplanten Kosten weiterverrechnet. Die Differenz zwischen Planund Istkosten verbleibt erfolgswirksam bei der Lieferdivision. Sollten also die tat­

284 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

sächlichen Kosten höher sein als die vorab geplanten Kosteneinsätze, verbleiben die Mehrkosten bei der liefernden Division. Das Kostenrisiko ist damit bei der Lie­ ferdivision verankert. Dies hat die Vorteile, dass auch die Lieferdivision einen An­ reiz zu effizientem Handeln wahrnimmt und die Abnehmerdivision den Verrech­ nungspreis als Planungsdatum verwenden kann (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 584; vgl. Wala et al. 2016: 360f). Ein grundlegendes Problem stellen hier die so­ genannten Leerkosten dar, die dem liefernden Bereich entstehen, falls seine Ka­ pazitäten nicht ausgeschöpft werden (siehe hierzu Teil D, Kapitel 3.2.2). Dies ist bezüglich des Kapazitätsmanagements der liefernden Einheit insofern problema­ tisch, als dass der abnehmende Bereich die Kapazitätsauslastung, bspw. durch Marketing- oder Vertriebsaktivitäten, viel besser beeinflussen kann als der liefern­ de Bereich selbst (vgl. Friedl et al. 2013: 568). Grundsätzlich sollten kostenorientierte Verrechnungspreise aus Plankosten ab­ geleitet werden, da letztlich nur diese als Planungsdatum verwendbar sind (vgl. Brühl 2016: 361f; vgl. Huch et al. 2004: 310). Nach dem Umfang der in eine sol­ che Verrechnungspreisbildung einbezogenen Kosten unterscheidet man zunächst in grenzkosten- und vollkostenorientierte Verrechnungspreise.

3.2.1 Grenzkostenorientierte Verrechnungspreise Grenzkostenorientierte Verrechnungspreise werden auf Basis der Grenzkosten der Lie­ ferdivision angesetzt. Dies bedeutet, dass die Kosten, die bei der Produktion einer zu­ sätzlichen Einheit entstehen, als Verrechnungspreis angesetzt werden (vgl. Küpper et al. 2013: 522). Dadurch ergibt sich für die Lieferdivision folgende Entscheidungssi­ tuation: Solange die Kosten einer zusätzlich produzierten Einheit kleiner sind als der Verrechnungspreis, den die Abnehmerdivision entrichten muss, sind Produktion und Absatz der Zulieferleistung profitabel. Um einen grenzkostenorientierten Verrechnungspreis finden zu können, sind zunächst die am Leistungsaustausch beteiligten Unternehmenseinheiten zu iden­ tifizieren; in den nachfolgenden Beispielen soll in Anlehnung an das sogenannte Hirshleifer-Modell immer vom einfacheren Fall der Beteiligung zweier Divisionen ausgegangen werden (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 585ff; vgl. Weber, Schäffer 2016: 225): – Zum einen die produzierende oder zuliefernde Division Z, die ein Zwischenpro­ dukt herstellt, das lediglich auf dem internen Markt an Division A zu einem grenz­ kostenorientierten Verrechnungspreis veräußert wird, und – zum anderen die abnehmende Division A, die pro empfangenem Zwischenpro­ dukt genau ein Endprodukt herstellt und am Zielmarkt absetzt.

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 285



Daneben wird angenommen, dass die Zulieferdivision Z ausreichende Produkti­ ons- und Lagerkapazitäten besitzt, um jeder Nachfrage der abnehmenden Divisi­ on gerecht werden zu können (vgl. Friedl et al. 2013: 564).

Die Liefer- bzw. Absatzmengen sind so aufeinander abzustimmen, dass das Gesamt­ ergebnis des Unternehmens maximiert wird. Diese grundlegende Aufgabe der Men­ genabstimmung kommt dem Verrechnungspreis v zu: – Er soll so festgelegt sein, dass beide Divisionen genau die Liefer- bzw. Absatzmen­ gen wählen, die aus der Perspektive des Gesamtunternehmens ein Gewinnmaxi­ mum garantieren (vgl. Weber, Schäffer 2016: 225); – Er soll so gesetzt sein, dass Liefer- und Abnehmerdivision die gleiche Menge als sogenannte Transfermenge wählen (vgl. Friedl 2013: 298ff). Mit dem Ziel der Bestimmung einer Gewinnfunktion für das Gesamtunternehmen sind zunächst die Kosten- und Erlösfunktionen für die beteiligten Unternehmensein­ heiten zu ermitteln; dabei wird die Erlösfunktion der Division Z als lineare Erlösfunk­ tion in Abhängigkeit der gelieferten Menge xz interpretiert: Ez (xz ) = v ⋅ xz

[Erlös der Zulieferdivision Z]

Bei Vorliegen einer ebenfalls linearen Erlösfunktion der Division A wäre dann zur Er­ reichung des Gewinnmaximums einfach die Liefer- bzw. Absatzmenge als Transfer­ menge zu wählen, die dem Kapazitätsmaximum der Division A entspricht. Deshalb wird im folgenden Beispiel (Beträge in €, Mengen in LE) von einer nicht linearen Er­ lösfunktion der Division A und vom einfacheren Fall linearer Kostenfunktionen beider Divisionen A und Z ausgegangen (in Anlehnung an Brühl 2016: 352ff): EA (xA ) = (100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA KA (xA ) = 25.000 + 10 ⋅ xA KZ (xZ ) = 105.000 + 20 ⋅ xZ

[Erlös der Abnehmerdivision A]

[Kosten der Abnehmerdivision A] [Kosten der Zulieferdivision Z]

Aus den linearen Kostenfunktionen ist ersichtlich, dass die liefernde Division Fixkos­ ten in Höhe von 105.000 € und die abnehmende Division in Höhe von 25.000 € zu decken hat. Die Entscheidung aus Gesamtunternehmenssicht bezüglich der festzule­ genden optimalen Produktionsmengen xA und xZ stellt auf jene Produktionsmengen ab, die den Unternehmensgewinn maximieren. G = EA − [KA + KZ ]

[Gewinn aus Gesamtunternehmenssicht]

Gemäß den Annahmen des Hirshleifer-Modells liefert die Division Z das Zwischenpro­ dukt lediglich auf dem internen Markt an Division A; die Division A wiederum benötigt

286 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

und bezieht pro Endprodukt genau ein Zwischenprodukt von Division Z – eine mögli­ che Ausschussproduktion bei der Division A bleibt also außerhalb der Optimierungs­ überlegungen. Somit gilt in Bezug auf die Mengen für die Zwischen- und Endprodukte: xz = xA

[Transfermenge]

Diese gleiche Menge wird auch als Transfermenge bezeichnet. Die sich aus dem in­ ternen Leistungsaustausch ergebenden Erlöse der Division Z (aufgrund der Lieferun­ gen an Division A) sowie die zusätzlichen Kosten der Division A (aufgrund des Bezugs von Division Z) heben sich gegenseitig auf, da dieselbe Transfermenge zu demselben Verrechnungspreis bewertet wird: EZ (xZ ) = v ⋅ xZ

[Erlös der Zulieferdivision Z aus interner Lieferung]

KA (xZ ) = v ⋅ xZ

[Kosten der Abnehmerdivision A aus interner Lieferung]

Kosten und Erlöse aus dem internen Leistungsaustausch brauchen folglich nicht in der Gewinnfunktion des Gesamtunternehmens berücksichtigt werden. Damit resul­ tiert in Abhängigkeit der Transfermenge folgende Gewinnfunktion aus Gesamtunter­ nehmenssicht: G(xA = xZ ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [25.000 + 10 ⋅ xA + 105.000 + 20 ⋅ xA ] G(xA = xZ ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [130.000 + 30 ⋅ xA ] Das Gewinnmaximum und die zugehörigen optimalen Liefer- bzw. Absatzmengen er­ geben sich bei einer Steigung dieser Gewinnfunktion in Höhe von Null (da die Ablei­ tung zweiter Ordnung bei positiven Transfermengen immer kleiner als Null sein wird, handelt es sich um ein Maximum): G󸀠 (xA = xZ ) = 100 − 0,01 ⋅ xA − 30 = −0,01 ⋅ xA + 70 = 0 xA = xZ = 7.000 LE Die gewinnmaximierende optimale Transfermenge aus Gesamtunternehmenssicht beträgt also 7.000 Leistungseinheiten für xA bzw. xZ . Nun stellt sich aus den Per­ spektiven der beiden Divisionen – wieder mit dem Blick auf das jeweilige Gewinn­ maximum – die Frage, für welche Liefer- bzw. Absatzmengen sich die Teilbereiche entscheiden. Die Gewinnfunktion der Division Z ist durch den Verrechnungspreis aus inter­ ner Lieferung durch den Parameter v als Element der Erlösfunktion gekennzeichnet: GZ (xZ ) = EZ − KZ

[Gewinn der Zulieferdivision Z aus interner Lieferung]

GZ (xZ ) = [v ⋅ xz ] − [105.000 + 20 ⋅ xZ ]

3 Ermittlung der Verrechnungspreise |

287

Der Verrechnungspreis v entspricht als grenzkostenorientierter Verrechnungspreis den Kosten für jedes zusätzlich produzierte Zwischenprodukt xZ . Da es sich um ei­ ne lineare Kostenfunktion handelt, ist der Betrag für die Grenzkosten konstant; mit jedem zusätzlich produzierten Zwischenprodukt generiert die Division Z Kosten in Höhe von 20 €, sodass der Verrechnungspreis v mit 20 €/LE anzusetzen ist: GZ (xZ ) = [20 ⋅ xz ] − [105.000 + 20 ⋅ xZ ]

[Gewinn der Zulieferdivision Z]

GZ = −105.000 Die Division Z weist demnach – egal welche Menge produziert und an A geliefert wird, unabhängig von der festzulegenden Transfermenge – immer einen Verlust in Höhe von 105.000 € aus. Dieser Verlust stellt exakt die Fixkosten der Division Z dar, da mit dem Verrechnungspreis lediglich die Grenzkosten, die bei linearen Kostenfunktionen den konstanten variablen Stückkosten entsprechen, verrechnet werden; der Divisi­ on Z wird somit nur der variable Kosteneinsatz erstattet (vgl. Horváth et al. 2015: 304). Die Gewinnfunktion der Division A resultiert aus den erwirtschafteten Erlösen vermindert um die Kosten der Division A und vermindert um den zu dem Verrech­ nungspreis v bewerteten Leistungsbezug aus der Division Z: GA (xA ) = EA − KA − [v ⋅ xz ]

[Gewinn der Abnehmerdivision A; v = 20 €/LE; xZ = xA ]

GA (xA ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [25.000 + 10 ⋅ xA ] − [20 ⋅ xA ] Das Gewinnmaximum und die zugehörige optimale Absatzmenge (zugleich optimale Transfermenge) ergeben sich bei einer Steigung dieser Gewinnfunktion in Höhe von Null (da die Ableitung zweiter Ordnung bei positiven Transfermengen immer kleiner als Null sein wird, handelt es sich um ein Maximum): G󸀠 (xA ) = 100 − 0,01 ⋅ xA − 30 = 0 xA = 7.000 LE Die gewinnmaximierende optimale Absatzmenge der Division A beträgt also 7.000 Leistungseinheiten für xA und entspricht damit exakt der gewinnoptimalen Transfer­ menge aus Gesamtunternehmensperspektive. Durch die Division A wird damit folgen­ der Gewinnbeitrag erwirtschaftet: GA (xA = 7.000) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [25.000 + 10 ⋅ xA ] − [20 ⋅ xA ] GA (xA = 7.000) = 455.000 − 95.000 − 140.000 = 220.000 Bei einem Verrechnungspreis in Höhe von v = 20 €/LE verhält sich die Division A wie ein Mengenanpasser, da sie die Produktionsmenge dem durch die Grenzkosten der Di­ vision Z vorgegebenen Verrechnungspreis anpasst und somit ihr Ergebnis optimiert.

288 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Das Ergebnis des abnehmenden Teilbereichs muss lediglich um den Verlustbetrag der Division Z in Höhe von 105.000 € (zugleich Fixkosten der Division Z) vermindert wer­ den, um dem maximalen Gesamtergebnis zu entsprechen: G(xA = xZ ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [130.000 + 30 ⋅ xA ] G(xA = 7.000) = 455.000 − 340.000 = 115.000 G = GA + GZ = 220.000 + (−105.000) = 115.000

(q. e. d.)

Das Beispiel wurde so gewählt, dass der abnehmende Teilbereich ohne das Eingreifen der Zentrale die gewinnoptimale Menge mithilfe des Verrechnungspreises bestimmen kann. Die Zulieferdivision Z weist dann immer – unabhängig von der Menge – einen Verlust in Höhe der Fixkosten aus, da der Verrechnungspreis als konstanter Grenz­ kostenbetrag genau die konstanten variablen Stückkosten der Lieferdivision deckt; die Erfolgsrechnungen sind dann mit folgenden Daten ausgestattet: Daten (€)

Division Z

Division A

Gesamtunternehmen (∑)

Verrechnungspreis

v = 20 €/LE; xA = xZ = 7.000 LE

Erlöse (extern) Transfererlöse Transferkosten fixe Kosten variable Kosten Gesamtkosten

– 140.000 – 105.000 140.000 245.000

455.000 – 140.000 25.000 70.000 235.000

455.000 ±0 ±0 130.000 210.000 340.000

Erfolgsausweis

−105.000

+220.000

+115.000

Liegen allerdings nicht lineare Kostenfunktionen zugrunde, dann variieren die Grenzkosten in Abhängigkeit der Liefer- bzw. Absatzmengen. Der optimale Verrech­ nungspreis lässt sich dann nur noch direkt im Kontext mit der optimalen Leistungs­ austauschmenge bestimmen. Würde die Zentrale den Verrechnungspreis vorgeben, der sich aus der optimalen Menge ergibt, würden beide Teilbereiche dieselbe optima­ le Menge ermitteln. Dies setzte jedoch voraus, dass die Zentrale die optimale Menge bereits kennt, um den optimalen Preis ermitteln zu können (Grenzkosten = Grenz­ erlös) – sodass sie dann die Liefer- bzw. Absatzmenge auch direkt vorschreiben könn­ te (vgl. Küpper et al. 2013: 523f; vgl. Wala et al. 2016: 404). Unter Annahme eines degressiven Verlaufs der variablen Kosten der Zulieferdivision und einer linearen Er­ lösfunktion EZ ergibt sich das in Abbildung D3.4 dargestellte Bild hinsichtlich der Ableitung des Verrechnungspreises aus der optimalen Menge.

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 289

KZ

(var)

; EZ EZ = v1 · x 1

EZ = v2 · x 2 KZ

2(var)

KZ

1(var)

= EZ

KZ

2

= EZ

(var)

1

v2

v1

xZ KZ v1 =

1(var)

xZ

1

xZ

1

KZ v2 =

xZ 2

2(var)

xZ

2

Abb. D3.4: Verrechnungspreisermittlung bei degressivem Verlauf der variablen Kosten (eigene Dar­ stellung).

Das aufgeführte Beispiel auf Basis linearer Kostenfunktionen hat gezeigt, dass grenz­ kostenorientierte Verrechnungspreise unter strengen Restriktionen zum optimalen Ergebnis aus Gesamtunternehmenssicht führen und somit die Koordinations- bzw. Lenkungsfunktion erfüllen können. In der Anwendungspraxis sind jedoch die rigi­ den Bedingungen hierfür, nämlich – das Vorliegen linearer Kostenfunktionen, – eine Beschränkung der liefernden Division auf eine interne Leistungsaustausch­ beziehung, sowie – die Irrelevanz von Kapazitätsbeschränkungen in den Produktions- und Beschaf­ fungsbereichen der Divisionen üblicherweise nicht gegeben (vgl. Küpper et al. 2013: 522f). Ein optimales Ergebnis mithilfe grenzkostenorientierter Verrechnungspreise wird deshalb nur in wenigen Fäl­ len erreicht (vgl. Wala et al. 2016: 404). Die Transfermengen, die aus der Perspektive des Gesamtunternehmens optimal sind, werden allein von den abnehmenden Berei­ chen festgelegt, während die liefernde Division hier relativ unselbstständig wirkt (vgl. Brühl 2016: 354f). Die liefernde Einheit besitzt hinsichtlich der Produktionsmengen­ bestimmung keine faktische Entscheidungsautonomie und weist immer – unabhän­

290 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

gig von der Produktionsmenge – einen Verlust in Höhe ihrer Fixkosten aus. Für Unter­ nehmenseinheiten, die Leistungen anbieten, für die es keinen Markt gibt oder für die sie keinen Marktzugang haben, sollte zur Vermeidung einer Autonomieillusion von vornherein ein Lieferzwang ausgesprochen werden (vgl. Brühl 2016: 355; vgl. Wala et al. 2016: 404). Bei dem Vorliegen nicht linearer Kostenfunktionen wird die Koordina­ tionsfunktion automatisch aufgegeben, da die Zentrale schon durch die Bestimmung des Verrechnungspreises auch die optimale Produktionsmenge bestimmt. Eine Steue­ rung über den Verrechnungspreis an sich ist somit nicht mehr nötig, da die Zentrale die Transfermenge auch einfach diktieren könnte. Der gewünschte Effekt der Dezen­ tralisation ist hinfällig, da die Entscheidung von der Leitung getroffen wird und ei­ ne Entlastung bezüglich ihrer Aufgaben nicht erfolgt (vgl. Küpper et al. 2013: 522f). Zudem können Grenzkosten das Koordinationsproblem zwar in Bezug auf kurzfristig wirksame Entscheidungen lösen, sind für langfristige Entscheidungen jedoch unge­ eignet; dies zeigt schon die Tatsache, dass der Fixkostenblock der Division Z bei den Optimierungsüberlegungen hinsichtlich der Transfermenge gar keine Rolle spielt (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 584ff). Aus Sicht der Erfolgsermittlungsfunktion sind grenzkostenorientierte Verrech­ nungspreise noch kritischer zu betrachten, da der Lieferdivision in jedem Fall ein Ver­ lust in Höhe der fixen Kosten entsteht. Dem liefernden Bereich werden nur die varia­ blen Kosten ersetzt, während der beziehende Bereich der gesamte aus dem Verkauf des Endprodukts stammende Gewinn zugerechnet wird (vgl. Ossadnik 2009: 254). Die Abnehmerdivision verzeichnet damit einen Gewinn, der nur zu einem gewissen Anteil durch deren eigene Leistung erwirtschaftet wurde (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 587). Beide Erfolgsausweise sind damit verzerrt und zumindest der liefernde Bereich kann – einerseits nicht auf Basis seines Erfolgs beurteilt werden, – andererseits kann der regelmäßige Ausweis eines Verlusts zu einem erheblichen Motivationsverlust führen (vgl. Brühl 2016: 355; vgl. Wala et al. 2016: 404). Die Gefahr der Demotivation bei der Lieferdivision wird umso größer sein, je hö­ her der erforderliche Fixkosteneinsatz zur Herstellung der Liefermenge ausfällt (vgl. Wala et al. 2016: 404). Da keine interne Erfolgsermittlung auf Leistungsbasis exis­ tiert, fällt zudem die Funktion der Anreizgestaltung durch eine erfolgsabhängige Vergütung weg. Bei dem Divisionsmanager der Division Z besteht keinerlei Anreiz, in Produktionsanlagen zu investieren, die die variablen Stückkosten senken und da­ für die Fixkosten erhöhen, selbst wenn dies aus Gesamtunternehmenssicht zu einer weiteren Gewinnoptimierung führen würde. Gleichzeitig würde ineffiziente Arbeit, die auf die variablen Kosten erhöhend wirkt, nicht durch eine Prozessverbesserung eliminiert werden, da der Erfolg der liefernden Einheit dadurch nicht berührt wird; denn die variablen Kosten werden der Lieferdivision ja sowieso in voller Höhe durch die Abnehmerdivision ersetzt (vgl. Friedl et al. 2013: 564).

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 291

Abschließend kann festgehalten werden, dass der abnehmende Bereich die divi­ sionale Organisationsform eines Profitcenters besitzen sollte, sobald die strengen Voraussetzungen für eine Ausschöpfung der Koordinationsfunktion gegeben sind. Durch die Optimierung der Transfermengen wird gleichzeitig der Gesamtgewinn ma­ ximiert. Die Wahl eines Profitcenters für den liefernden Bereich ist nicht geeignet: – Zum einen kann er seine Erlöse nicht beeinflussen, – zum anderen weist er bei jeder Produktionsmenge einen Verlust in Höhe seiner Fixkosten aus. Um den zu erwartenden Ineffizienzen vorzubeugen, kann die Organisationsform ei­ nes Costcenters geeignet sein, weil der Bereich dann bei der optimalen Liefermenge von 7.000 Leistungseinheiten hinsichtlich der entstehenden Gesamtkosten bewertet würde. Dann wäre die liefernde Einheit zumindest motiviert, die für die Produktion der Liefermenge einzusetzenden Gesamtkosten zu minimieren (vgl. Friedl et al. 2013: 564).

3.2.2 Vollkostenorientierte Verrechnungspreise Beim Ansatz von Vollkosten als Verrechnungspreise sollen die gesamten Kosten der Lieferdivision, die sich aus den Fixkosten und den variablen Kosten zusammenset­ zen, ersetzt werden. Der Verrechnungspreis entspricht hier den durchschnittlichen Gesamtkosten pro produzierter Einheit (also den Stückkosten), sodass sämtliche Kos­ ten durch die Erlöse gedeckt werden (vgl. Küpper et al. 2013: 528). Die liefernde Di­ vision soll nach dieser Methode aus dem internen Leistungsaustausch zwar keinen Gewinn, aber idealtypischer Weise auch keinen Verlust, also einen Erfolg in Höhe von Null erwirtschaften. Da die Stückkosten der Division Z in ihrer Höhe abhängig sind von der in An­ spruch genommenen Kapazität bei der Zulieferdivision, sind nun im Unterschied zu der Ermittlung eines grenzkostenorientierten Verrechnungspreises Informationen über Beschränkungen der Produktions- und Lagerkapazitäten bei der Zulieferdivi­ sion grundlegend. Um überhaupt eine Deckung der gesamten Kosten der Zulieferdi­ vision gewährleisten zu können, ist der Verrechnungspreis auf Basis der maximalen Kapazität der liefernden Division zu ermitteln (vgl. Brühl 2016: 357). Um einen vollkostenorientierten Verrechnungspreis bestimmen und die Grund­ idee der vollkostenorientierten Verrechnungspreise darstellen zu können, wurde das Beispiel aus dem vorherigen Abschnitt dahingehend modifiziert, dass Informationen über Kapazitätsbeschränkungen bei der Zulieferdivision vorliegen – was zweifelsohne den Realitätsgehalt erhöht. Erneut wird in dem Beispiel (Beträge in €, Mengen in LE) von einer nicht linearen Erlösfunktion der Division A und vom einfacheren Fall li­

292 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

nearer Kostenfunktionen beider Divisionen A und Z ausgegangen (in Anlehnung an Brühl 2016: 357ff): EA (xA ) = (100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA KA (xA ) = 25.000 + 10 ⋅ xA

[Erlös der Abnehmerdivision A]

[Kosten der Abnehmerdivision A]

KZ (xZ ) = 105.000 + 20 ⋅ xZ

[Kosten der Zulieferdivision Z]

Die liefernde Division hat nach wie vor einen Fixkostenanteil in Höhe von 105.000 € zu decken; dabei wird die Erlösfunktion der Division Z wiederum als lineare Erlös­ funktion in Abhängigkeit der gelieferten Menge xz interpretiert: Ez (xz ) = v ⋅ xz

[Erlös der Zulieferdivision Z]

Die Höhe des Verrechnungspreises v hängt nun von der verfügbaren Maximalkapa­ zität der Lieferdivision Z ab. Deshalb wird weiterführend angenommen, dass die Lie­ ferdivision ihre Vollkosten auf Basis einer Maximalkapazität xZ(MAX) in Höhe von 7.000 Leistungseinheiten berechnet; im Beispiel in Teil D, Kapitel 3.2.1 entsprach also die grenzkostenorientiert ermittelte optimale Transfermenge zufällig der Maximalka­ pazität der Division Z. Die vollen Kosten pro Leistungseinheit und der Verrechnungs­ preis v ergeben sich damit wie folgt: KZ (xZ = 7.000) = 105.000 + 20 ⋅ 7.000 = 245.000 kZ = 35 €/LE = v

[Vollkosten der Division Z]

[Stückkosten und Verrechnungspreis der Zulieferdivision Z]

Die vollen Kosten pro Leistungseinheit ergeben sich also aus den variablen Kosten in Höhe von 20 €/LE (vorheriger grenzkostenorientierter Verrechnungspreis) und aus fi­ xen Kosten je LE in Höhe von 15 €/LE [105.000 € : 7.000 LE]. Die Wirkungen dieses neuen Verrechnungspreises v = 35 €/LE sollen nun in den drei nachfolgenden Fäl­ len unter unterschiedlichen Ausgangsannahmen herausgestellt werden: Fall 1: Transfermenge xA = xZ = 7.000 LE wird nicht angepasst Unter dieser Annahme erzeugt der Verrechnungspreis bei der Zulieferdivision Z fol­ gende Gewinnsituation: GZ (xZ ) = EZ − KZ

[Gewinn der Zulieferdivision Z aus interner Lieferung]

GZ (xZ ) = [v ⋅ xz ] − [105.000 + 20 ⋅ xZ ] GZ (xZ ) = [35 ⋅ xz ] − [105.000 + 20 ⋅ xZ ] GZ = ±0

3 Ermittlung der Verrechnungspreise |

293

Die Division Z weist nun im Vergleich zum Beispiel aus Teil D, Kapitel 3.2.1 kei­ nen Verlust in Höhe der Fixkosten aus, sondern nunmehr einen Erfolg in Höhe von Null; denn mit dem intern erwirtschafteten Erlös in Höhe von 245.000 € wird der vol­ le Kosteneinsatz für die intern erbrachte Leistung (ebenfalls in Höhe von 245.000 €) gedeckt. Allerdings ist dieser Erfolgsbeitrag nicht (mehr) unabhängig von der festzu­ legenden Transfermenge zu interpretieren, da die Stückkosten in ihrer Höhe von der Liefermenge abhängig sind (siehe hierzu die Fälle 2 und 3). Bei der Abnehmerdivision A bewirkt – sofern auf eine auf den neuen Verrech­ nungspreis reagierende mengenbezogene Optimierung verzichtet wird – der Voll­ kostenverrechnungspreis folgende Gewinnsituation: GA (xA ) = EA − KA − [v ⋅ xz ]

[Gewinn der Division A; v = 35 €/LE; xZ = xA ]

GA (xA ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [25.000 + 10 ⋅ xA ] − [35 ⋅ xA ] GA (xA ) = 455.000 − 95.000 − 245.000 = 115.000 GA (xA ) = 455.000 − 340.000 = 115.000 Das Ergebnis des abnehmenden Teilbereichs (vorher 220.000 €) sinkt um den vor­ herigen Verlustbetrag der Division Z in Höhe von 105.000 € (zugleich Fixkosten der Division Z), da dieser im Rahmen des vollen Kostenersatzes nun der Division A zuge­ rechnet wird. Die mit der Transfermenge verbundenen Kosten und Erlöse brauchen aus Ge­ samtunternehmenssicht wiederum nicht berücksichtigt werden, da dieselbe Menge erneut zu demselben Verrechnungspreis bewertet wird (dies gilt auch für die Fälle 2 und 3): EZ (xZ ) = v ⋅ xZ [Erlös der Zulieferdivision Z aus interner Lieferung; v = 35 €/LE] KA (xZ ) = v ⋅ xZ [Kosten der Abnehmerdivision A aus interner Lieferung; v = 35 €/LE] Damit resultiert aus Gesamtunternehmenssicht in Abhängigkeit der Liefer- bzw. Ab­ satzmenge folgende unveränderte Gewinnsituation: G = EA − [KA + KZ ] [Gewinn aus Gesamtunternehmenssicht; xA = xZ ] G(xA ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [25.000 + 10 ⋅ xA + 105.000 + 20 ⋅ xA ] G(xA ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [130.000 + 30 ⋅ xA ] G(xA ) = 455.000 − 340.000 = 115.000 Das Gesamtergebnis entspricht also dem Ergebnis der abnehmenden Division; die Er­ folgsrechnungen weisen dann die nachfolgend dargestellten Daten aus:

294 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Daten (€)

Division Z

Division A

Gesamtunternehmen (∑)

Verrechnungspreis

v = 35 €/LE; xA = xZ = 7.000 LE

Erlöse (extern) Transfererlöse Transferkosten fixe Kosten variable Kosten Gesamtkosten

– 245.000 – 105.000 140.000 245.000

455.000 – 245.000 25.000 70.000 340.000

455.000 ±0 ±0 130.000 210.000 340.000

Erfolgsausweis

±0

+115.000

+115.000

Aus der Perspektive des Gesamtunternehmens kann sich (bei gegebener Fallkonstel­ lation) die Gewinnsituation nicht ändern, weil mit der Veränderung des vorgegebenen Verrechnungspreises lediglich Erfolgsbeiträge der beiden Divisionen Z und A ausge­ tauscht werden. Bei dieser ersten Fallkonstellation wird jedoch vernachlässigt, dass die Division A aufgrund des erhöhten Verrechnungspreises durch erneute Mengen­ optimierung eine Anpassung der Transfermenge auslösen wird. Dieser Mengeneffekt wird in Fall 3 nachgezeichnet; zunächst sollen die Wirkungen einer deutlich reduzier­ ten Transfermenge aufgezeigt werden. Fall 2: verringerte Transfermenge mit xA = xZ = 3.500 LE Eine solch stark reduzierte Transfermenge bewirkt bei der Zulieferdivision Z folgende Gewinnsituation: GZ (xZ ) = EZ − KZ

[Gewinn der Division Z aus interner Lieferung]

GZ (xZ ) = [35 ⋅ xz ] − [105.000 + 20 ⋅ xZ ] GZ (xZ ) = 122.500 − 175.000 GZ = −52.500 Die Division Z weist nun im Vergleich zu Fall 1 nicht mehr einen Erfolg in Höhe von Null, sondern einen Verlust in Höhe von 52.500 € aus. Der Verlust umfasst allerdings wie bei dem grenzkostenorientierten Verrechnungspreis nicht den gesamten Fixkos­ tenbetrag, sondern nur den Teil der Fixkosten, der als sogenannter Leerkostenan­ teil KL aufgrund des durch die vorgegebene Transfermenge bedingten Beschäftigungs­ grads für die Betriebs- und Geschäftstätigkeit der Division Z nicht genutzt werden kann: KF = KL + KN

KN = KF ⋅ b

b = (3.500 : 7.000) ⋅ 100 % = 50 %

KL = KF − [KF ⋅ b] KL = 105.000 − [105.000 ⋅ 0,5] = 52.500

3 Ermittlung der Verrechnungspreise |

295

Bei einer Transfermenge, die von der Maximalkapazität abweicht, wird der Zu­ lieferdivision also trotz des vollkostenorientierten Verrechnungspreises nicht mehr der gesamte Vollkostenumfang, sondern nur der abzüglich der Leerkosten ersetzt. Die in Anbetracht des Beschäftigungsgrads tatsächlich einzusetzenden Kosten pro Leis­ tungseinheit sind damit wie folgt zu bestimmen: KZ (xZ = 3.500) = 105.000 + 20 ⋅ 3.500 = 175.000 kZ = 50 €/LE

[Vollkosten der Division Z]

[tatsächlich einzusetzende Stückkosten der Division Z]

Mit dem vollkostenorientierten Verrechnungspreis v = 35 €/LE wird die hier entste­ hende Differenz beim Verrechnungsbetrag [50 €/LE−35 €/LE = 15 €/LE] nicht erstat­ tet; dies ergibt bei einer Liefermenge in Höhe von nur 3.500 LE den Leerkostenbetrag in Höhe von 52.500 € [3.500 ⋅ (50 − 35)], der trotz Vollkostenorientierung durch die Division Z zu tragen ist – oder anders ausgedrückt: Bei einer Transfermenge, die von der Maximalkapazität nach unten abweicht, wird durch die Abnehmerdivision allein der Nutzkostenanteil übernommen. Bei der Abnehmerdivision A bewirkt die reduzierte Transfermenge folgende Ge­ winnsituation: GA (xA ) = EA − KA − [v ⋅ xz ] [Gewinn der Division A; v = 35 €/LE; xZ = xA ] GA (xA ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [25.000 + 10 ⋅ xA ] − [35 ⋅ xA ] GA (xA ) = 288.750 − 60.000 − 122.500 = 106.250 Das Ergebnis des abnehmenden Teilbereichs (im Fall 1 noch 115.000 €) sinkt um 8.750 €. Damit resultiert aus Gesamtunternehmenssicht bezüglich der verringer­ ten Liefer- bzw. Absatzmenge folgende Gewinnsituation: G = EA − [KA + KZ ] [Gewinn aus Gesamtunternehmenssicht; xA = xZ ] G(xA ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [25.000 + 10 ⋅ xA + 105.000 + 20 ⋅ xA ] G(xA ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [130.000 + 30 ⋅ xA ] G(xA ) = 288.750 − 235.000 = 53.750 Dieses Gesamtergebnis entspricht wiederum der Summe der Divisionsergebnisse: G = GA + GZ = 106.250 + (−52.500) = 53.750

(q. e. d.)

296 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Die Erfolgsrechnungen bei reduzierter Transfermenge wären damit wie folgt ge­ staltet: Daten (€)

Division Z

Division A

Gesamtunternehmen (∑)

Verrechnungspreis

v = 35 €/LE; xA = xZ = 3.500 LE

Erlöse (extern) Transfererlöse Transferkosten fixe Kosten variable Kosten Gesamtkosten

– 122.500 – 105.000 70.000 175.000

288.750 – 122.500 25.000 35.000 182.500

288.750 ±0 ±0 130.000 105.000 235.000

Erfolgsausweis

−52.500

+106.250

+53.750

Aus der Perspektive des Gesamtunternehmens hat sich die Gewinnsituation deutlich verschlechtert, weil ohne mengenbezogene Optimierungsüberlegungen die Absatz­ menge einfach (per Annahme) halbiert wurde. Wie bei der ersten Fallkonstellation wird vernachlässigt, dass die Division A aufgrund des erhöhten vollkostenorientier­ ten Verrechnungspreises eine Anpassung der Transfermenge durch Mengenoptimie­ rung auslösen wird. Aus der zweiten Fallkonstellation geht bereits hervor, dass die Optimierung der Transfermenge, die mit einem Abweichen von der Maximalkapazität nach unten einhergeht, bei der Lieferdivision Leerkosten hervorrufen und einen Ver­ lust in Höhe der Leerkosten auslösen wird. Dieser Optimierungseffekt wird in Fall 3 dargelegt. Fall 3: Optimierte Transfermenge bei Vollkostenverrechnungspreis Die optimierungsbezogenen Wirkungen des vollkostenorientierten Verrechnungsprei­ ses v = 35 €/LE zeigen sich zunächst in der Gewinnfunktion der Division A: GA (xA ) = EA − KA − [v ⋅ xz ] [Gewinn der Abnehmerdivision A; v = 35 €/LE; xZ = xA ] GA (xA ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [25.000 + 10 ⋅ xA ] − [35 ⋅ xA ] Das Gewinnmaximum und die zugehörige optimale Absatzmenge sind wiederum bei einer Steigung dieser Gewinnfunktion in Höhe von Null festzustellen (da die Ablei­ tung zweiter Ordnung bei positiven Transfermengen immer kleiner als Null sein wird, handelt es sich um ein Maximum): G󸀠 (xA ) = 100 − 0,01 ⋅ xA − 45 = −0,01 ⋅ xA + 55 = 0 xA = 5.500 LE

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 297

Die gewinnmaximierende optimale Absatzmenge der Division A beträgt also 5.500 Leistungseinheiten für xA . Durch die Division A wird damit folgender Gewinnbeitrag erwirtschaftet: GA (xA = 5.500) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [25.000 + 10 ⋅ xA ] − [35 ⋅ xA ] GA (xA = 5.500) = 398.750 − 80.000 − 192.500 = 126.250 Die Gewinnfunktion der Division Z ergibt sich bei einem vollkostenorientierten Ver­ rechnungspreises v = 35 €/LE mit: GZ (xZ ) = EZ − KZ

[Gewinn der Division Z aus interner Lieferung]

GZ (xZ = 5.500) = [35 ⋅ xz ] − [105.000 + 20 ⋅ xZ ] GZ (xZ = 5.500) = 192.500 − 215.000 = −22.500 Bei der divisionsübergreifenden Betrachtung ist der Gesamtgewinn dann wie folgt zu ermitteln: G = GA + GZ = 126.250 + (−22.500) = 103.750 Da Kosten und Erlöse aus dem internen Leistungsaustausch nach wie vor nicht in der Gewinnfunktion des Gesamtunternehmens berücksichtigt werden müssen, resul­ tiert in Abhängigkeit der Transfermenge folgende Gewinnfunktion aus Gesamtun­ ternehmenssicht: G = EA − [KA + KZ ]

[Gewinn aus Gesamtunternehmenssicht]

G(xA = xZ ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [25.000 + 10 ⋅ xA + 105.000 + 20 ⋅ xA ] G(xA = xZ ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [130.000 + 30 ⋅ xA ] Da sich die Gewinnfunktion aus Gesamtunternehmenssicht im Vergleich zur grenz­ kostenorientierten Betrachtung nicht ändert, behalten das Gewinnmaximum und die zugehörigen optimalen Liefer- bzw. Absatzmengen auch in der vollkostenorientierten Betrachtung ihre Gültigkeit: G󸀠 (xA = xZ ) = 100 − 0,01 ⋅ xA − 30 = −0,01 ⋅ xA + 70 = 0 xA = xZ = 7.000 LE Die gewinnmaximierende optimale Transfermenge aus Gesamtunternehmenssicht beträgt also 7.000 Leistungseinheiten für xA bzw. xZ . In der Division A wird also hin­ sichtlich der Transfermenge mit 5.500 LE eine suboptimale Entscheidung getroffen. Dies spiegelt sich in dem mit 11.250 € geringeren Gesamtergebnis wider: G(xA = xZ ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [130.000 + 30 ⋅ xA ] G(xA = 7.000) = 455.000 − 340.000 = 115.000 G(xA = 5.500) = 398.750 − 295.000 = 103.750

298 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Auch in der Erfolgsrechnung aus Gesamtunternehmensperspektive ist der entspre­ chende Effekt zu erkennen: Daten (€)

Division Z

Division A

Gesamtunternehmen (∑)

Verrechnungspreis

v = 35 €/LE; xA = xZ = 5.500 LE

Erlöse (extern) Transfererlöse Transferkosten fixe Kosten variable Kosten Gesamtkosten

– 192.500 – 105.000 110.000 215.000

398.750 – 192.500 25.000 55.000 272.500

398.750 ±0 ±0 130.000 165.000 295.000

Erfolgsausweis

−22.500

+126.250

+103.750

Daneben weist die Division Z aus dem internen Leistungsaustausch nach wie vor nicht den idealtypischerweise gewünschten Erfolg in Höhe von Null, sondern – wie im vor­ herigen Fall – einen Verlust in Höhe der Leerkosten KL aus: KL = KF − [KF ⋅ b]

b = (5.500 : 7.000) ⋅ 100 % = 78,5714 %

(gerundet)

KL = 105.000 − [105.000 ⋅ 0,785714] = 22.500 Die in Anbetracht des Beschäftigungsgrads tatsächlich einzusetzenden Kosten pro Leistungseinheit ergeben sich mit: KZ (xZ = 5.500) = 105.000 + 20 ⋅ 5.500 = 215.000 kZ = 39,1 €/LE

[Vollkosten der Division Z]

[tatsächlich einzusetzende Stückkosten der Zulieferdivision Z]

Fazit zu den drei Fallkonstellationen Auf Basis der Fälle 1, 2 und 3 lässt sich im Ergebnis feststellen (vgl. auch Ewert, Wa­ genhofer 2014: 590ff): – Die Zulieferdivision Z weist – sobald die Abnehmerdivision mit der aus ihrer Per­ spektive festgelegten optimalen Transfermenge von der Maximalkapazität der Zu­ lieferdivision abweicht – immer einen Verlust in Höhe der Leerkosten aus, da lediglich die Nutzkosten im Verrechnungspreis berücksichtigt werden. Eine voll­ ständige Deckung der gesamten Kosten der Zulieferdivision lässt sich durch Ver­ wendung eines vollkostenorientierten Verrechnungspreises nur dann erreichen, wenn die Abnehmerdivision mit der von ihr festgelegten optimalen Transfermen­ ge die Maximalkapazität der Zulieferdivision ausschöpft. – Da der vollkostenorientierte Verrechnungspreis mit seinem Betrag naturgemäß höher ausfällt als der grenzkostenorientierte Verrechnungspreis, resultiert bei den Optimierungsüberlegungen der Abnehmerdivision eine geringere Transfer­

3 Ermittlung der Verrechnungspreise |

299

menge, die nicht der optimalen Transfermenge aus Gesamtunternehmensper­ spektive entsprechen kann. Vollkostenorientierte Verrechnungspreise führen damit zu einem bereichsübergreifenden Suboptimum. Würden andererseits die in Anbetracht des Beschäftigungsgrads tatsächlich einzusetzenden Kosten pro Leistungseinheit als Verrechnungspreis herangezogen, würde die Abnehmer­ division mit Kosten belastet, für die sie gar nicht verantwortlich ist. Dies führt zu einer Beeinträchtigung der für eine funktionierende Koordination notwendigen Akzeptanz bei der Abnehmerdivision. Zwar wird in Fall 1 die Koordinationsfunktion mithilfe eines vollkostenorientier­ ten Verrechnungspreises erfüllt, jedoch unter Verzicht einer Anpassung der Transfer­ menge der Division A an den erhöhten Verrechnungspreis, also unter Verzicht einer erneuten Mengenoptimierung. Hier ist zu berücksichtigen, dass anteilige Fixkosten der liefernden Einheit, die von ihrer Natur her irrelevant für die kurzfristig wirksa­ men Entscheidungen der Abnehmer sein sollten, in variable Kosten der abnehmenden Einheiten umgewandelt werden. Im Vergleich zum grenzkostenorientierten Verrech­ nungspreis erhöhen sich damit die im vollkostenorientierten Verrechnungspreis und damit die im Entscheidungskalkül der Abnehmerdivision zu berücksichtigen Kosten. Dies führt dazu, dass eine geringere Menge nachgefragt wird und dadurch das Ge­ samtergebnis von dem optimalen Ergebnis abweicht. Während also grenzkostenorien­ tierte Verrechnungspreise ein optimales Ergebnis grundsätzlich unterstützen können, führen vollkostenorientierte Verrechnungspreise durch die Einberechnung der für die Entscheidung irrelevanten Fixkosten zu einer Abweichung vom optimalen Gesamter­ gebnis (vgl. Friedl et al. 2013: 564; vgl. Brühl 2016: 360). Die in Fall 3 durchgeführte Op­ timierung der Menge führt allerdings nicht nur aus Gesamtunternehmenssicht zu ei­ ner suboptimalen Transfermenge; eine Ermittlung ist zudem hier nur möglich, weil es nur zwei Divisionen gibt, die mit linearen Kostenfunktionen ausgestattet sind. In der Unternehmensrealität gibt es jedoch häufig nicht nur einen Abnehmer, sondern eine Vielzahl, die auch nicht lineare Kostenfunktionen besitzen können. Je nachdem, wie sich die Nachfragesituation innerhalb der abnehmenden Einheiten darstellt, könn­ ten diese pro Bestellzyklus auch variierende Zwischenproduktmengen nachfragen. Aus der Frage, wie die Fixkosten dann „gerecht“ auf die Abnehmer aufgeteilt wer­ den sollen, ergibt sich die nächste Problemstellung. Die Problemkomplexität erhöht sich nochmals, sobald die liefernde Division mehr als nur ein Zwischenprodukt pro­ duziert und die Fixkosten aus verschiedenen Ursprungsquellen auf eine Vielzahl von abnehmenden Einheiten aufgeteilt werden sollen. In letzter Konsequenz führt dies dazu, dass die Zuteilung der Fixkosten auf einem hohen Maß von Willkür beruht (vgl. Küpper et al. 2013: 528).

300 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Aus diesen Erörterungen ist bereits erkennbar, dass vollkostenorientierte Verrech­ nungspreise hinsichtlich der Erfolgsermittlungsfunktion eher ungeeignet sind. Bei den Verrechnungspreisen auf der Basis von Vollkosten lässt sich im Grundsatz genau­ so argumentieren, wie bei denen auf der Basis von Grenzkosten. Zwar weist der liefern­ de Bereich im Idealfall keinen Verlust aus, jedoch wird nach wie vor dem abnehmen­ den Bereich der Gesamtgewinn zugeschrieben, der aber nur zu einem gewissen Teil durch eigene Leistung erzielt wurde. Bei der Division Z wird bei der Verwendung eines vollen Ersatzes der variablen Kosten und der Nutzkosten als Teil der Fixkosten keiner­ lei Anreiz zu einem wirtschaftlichen Handeln geboten, das die variablen Kosten redu­ zierte. Die Division A wiederum wird mit dem vollkostenorientierten Verrechnungs­ preis so gestellt, als ob eine Eigenfertigung vorliegen würde – ohne dass allerdings die Kosten der ungenutzten Kapazität durch die Division A getragen werden müssen. Der liefernde Bereich kann damit genauso wenig wie der abnehmende Bereich auf Basis des Teilerfolges beurteilt werden. Daraus folgt, dass auch eine erfolgsabhängige Anreizgestaltung bei vollkostenorientierten Verrechnungspreisen nicht konstruierbar erscheint (vgl. Brühl 2016: 359ff); zumal der liefernden Einheit hinsichtlich der festzu­ legenden Transfermengen noch immer keine faktische Entscheidungsautonomie zu­ gestanden ist (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 590ff). Insofern sind Verrechnungspreise nach Vollkostenprinzip eher für Costcenter geeignet. Für die entgeltregulierten Netz­ industrien ist die Nutzung vollkostenorientierter Verrechnungspreise ebenfalls durch­ aus sinnvoll, da der Ausweis eines Gewinns wegfällt und die vollen Kosten im Rah­ men einer Preisrechtfertigung offengelegt werden können (Friedl et al. 2013: 565); dies gilt auch für alle anderen Bereiche, in denen eine Preisrechtfertigung erforderlich ist. Liegt die liefernde Einheit in einem Hochsteuerland und die abnehmende Einheit in einem Niedrigsteuerland, können vollkostenorientierte Verrechnungspreise die Steu­ erlast erheblich senken, da der steuerbare Gewinn dem Niedrigsteuerland zugeordnet wird. Hierbei sind jedoch die Einschränkungen bezüglich der steuerlichen Verrech­ nungspreisgestaltung zu beachten (siehe hierzu Teil D, Kapitel 3.4). Abschließend kann festgehalten werden, dass – analog zu den Überlegungen im Kontext des grenzkostenorientierten Verrechnungspreises (siehe hierzu Teil D, Kapitel 3.2.1) – die Wahl eines Profitcenters für den liefernden Bereich nicht geeignet ist. Zum einen kann er seine Erlöse nicht beeinflussen und zum anderen kann er unabhän­ gig der Transfermenge keinen Gewinn erwirtschaften. Die Organisationsform eines Costcenters sollte hier eher geeignet sein, weil die liefernde Einheit dann zumindest motiviert sein könnte, die für die Produktion der Liefermenge einzusetzenden Gesamt­ kosten zu reduzieren. Für die Abnehmer hingegen eignet sich die Wahl eines Profitcen­ ters. Wenn der Erfolg der liefernden Einheit – im Idealfall – gleich Null ist, entspricht der Gewinn der abnehmenden Einheit gleichzeitig dem Gewinn des Gesamtunterneh­ mens (Friedl et al. 2013: 564f).

3 Ermittlung der Verrechnungspreise |

301

Das grundlegende Problem bei der Verwendung von vollkostenorientierten Ver­ rechnungspreisen besteht also in der Verrechnung der Fixkosten. Die Verrechnung der Fixkosten kann einerseits die Koordinationsfunktion behindern, und beeinträch­ tigt andererseits die Erfolgsermittlungsfunktion in ganz erheblichem Maße. Letztere Problematik wurde auch schon in Bezug auf die Verwendung von grenzkostenorien­ tierten Verrechnungspreisen konstatiert (siehe hierzu Teil D, Kapitel 3.2.1).

3.2.3 Verrechnungspreise mit Zuschlag Wie gezeigt wurde, kann die spezifische Art und Weise der Verrechnung der Fixkosten im kostenorientierten Verrechnungspreis die Erfolgsermittlungsfunktion in nur unzu­ reichendem Maße unterstützen (vgl. Brühl 2016: 359f): – Bei den grenzkostenorientierten Verrechnungspreisen resultiert für die Zuliefer­ division in der eigenen Erfolgsrechnung immer ein Verlust in Höhe der Fixkos­ ten, weil diese gar nicht verrechnet und demzufolge durch die Abnehmerdivision nicht erstattet werden. Die Zulieferdivision bleibt faktisch eine unselbstständige Einheit, deren Erfolgsrechnung kaum Aussagewert entfalten kann; sie kann damit als Grundlage für eine erfolgsabhängige Vergütung nicht einsetzbar sein. Zudem ist die Erfolgsermittlung bei der Abnehmerdivision verfälscht, weil diese mit den von ihr genutzten Fixkosteneinsätzen gar nicht belastet wird. – Bei den vollkostenorientierten Verrechnungspreisen führt die Fixkostenverrech­ nung dazu, dass dem liefernden Bereich nur im Idealfall kein Verlust zugeord­ net wird; im Standardfall verzeichnet die Lieferdivision einen Verlust in Höhe der Leerkosten. Im Unterschied zu den grenzkostenorientierten Verrechnungspreisen fällt der Verlustausweis also letztlich nur geringer aus. Die Verrechnungspreise mit Zuschlag versuchen, diese Problematik zu lösen. Sie in­ tendieren mit dem Zuschlag eine „gerechtere“ Erfolgszuweisung, sodass der Verrech­ nungspreis eine Erfolgsermittlung gewähren kann, ohne seine Koordinationsfunktion einzubüßen. Ausgangspunkt für die Zuschlagsgestaltung können die grenz- oder die vollkostenorientierten Verrechnungspreise sein (siehe Abbildung D3.5).

302 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

kostenorientierte Verrechnungspreise

Vollkostenbasis

ohne Zuschlag

mit Zuschlag

Teilkostenbasis (Grenzkosten)

ohne Zuschlag

mit Zuschlag

Abb. D3.5: Kostenorientierte Verrechnungspreise mit Zuschlag (in Anlehnung an Eberlein 2010: 285).

Die mit einem Gewinnzuschlag versehenen Verrechnungspreise werden gelegentlich auch als Cost-Plus-Verrechnungspreise bezeichnet (vgl. Friedl 2013: 316; vgl. Fischer et al. 2015: 468ff). Verrechnungspreise mit Zuschlag gibt es in vielen unterschiedli­ chen Varianten (vgl. Stelling 2009: 261ff); hier sollen lediglich die Grundvarianten aufgeführt werden, die mit einem Zuschlag auf den grenz- oder auf den vollkosten­ orientierten Verrechnungspreis agieren. 3.2.3.1 Zuschlag auf den grenzkostenorientierten Verrechnungspreis Bildet der grenzkostenorientierte Verrechnungspreis den Ausgangspunkt, so wird ein periodischer Globalbetrag (GB) auf den grenzkostenorientierten Verrechnungspreis aufgeschlagen. Man gelangt somit zu einem „two-step-pricing“ (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 760; vgl. Wala et al. 2016: 409ff), also zu einem zweistufigen Verrechnungs­ preis (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 594f). Der Globalbetrag soll die durch fehlende Fixkostenverrechnung herbeigeführte Verzerrung in den Erfolgsrechnungen der bei­ den Divisionen zumindest teilweise ausgleichen. Zudem soll er der Lieferdivision eine Rendite einräumen, die der im Unternehmen üblichen Mindestrendite entspricht (vgl. Brühl 2016: 355f). Der Betrag soll zwar von der Transfermenge abhängig bleiben, aber auf Basis ei­ ner Kostenplanung der Zulieferdivision, einer Kapazitätsplanung der Abnehmerdivi­ sion und auf Basis einer Kapazitätsabsprache zwischen Liefer- und Abnehmerdivision gebildet werden. Mit dem Vorhalten einer Kapazität durch die Zulieferdivision trägt nur die Zulieferdivision das Fixkostenrisiko – dies ändert auch der mengenabhängi­ ge Globalbetrag nicht; allerdings wird das Fixkostenrisiko um die verrechneten Nutz­

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 303

kosten reduziert (vgl. Brühl 2016: 356). Der Zweck des Globalbetrags ist hier darin zu sehen, eine angemessene Aufteilung der Kosten und des Gewinns zwischen den Divi­ sionen herbeizuführen. Deshalb wird der Betrag auf Grundlage einer Kapazitätspla­ nung der Abnehmerdivision und einer Kapazitätsabsprache mit der Zulieferdivision ermittelt, die wie eine langfristige Liefervereinbarung wirken soll (vgl. Ewert, Wa­ genhofer 2014: 594). Daneben kann die durch die Zulieferdivision bereitgestellte Kapa­ zität und der damit verbundene Fixkosteneinsatz mit einer Mindestrendite i verzinst werden. Hinsichtlich des konkreten Ermittlungsalgorithmus und der Höhe des fest­ zulegenden Globalbetrags besteht jedoch ansonsten „große Flexibilität“ (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 594). In dem Beispiel zu dem grenzkostenorientierten Verrechnungspreis in Höhe von 20 €/LE (siehe Teil D, Kapitel 3.2.1), in dem die Zulieferdivision Z unabhängig von der Transfermenge bisher immer einen Verlust in Höhe der Fixkosten ausweist, soll nun ein Globalbetrag zum Zuge kommen. Der Globalbetrag soll auf eine Kapazitätsreser­ vierung in Höhe von 75 % und einer Mindestrendite in Höhe von 15 % hin veranschlagt werden (in Anlehnung an Brühl 2016: 356): KF = 105.000 [Fixkosten der Zulieferdivision Z] KN = KF ⋅ b

b = 75 %;

GB = [KF ⋅ b] + [KF ⋅ i]

i = 15 % [Globalbetrag für Zulieferdivision Z]

GB = KN + [KF ⋅ i] GB = 78.750 + 15.750 = 94.500 Damit ändern sich nur die Erfolgsrechnungen der beiden Divisionen A und Z: Die Zulieferdivision Z wird um den Globalbetrag bessergestellt, während das Ergebnis der Abnehmerdivision A um den Globalbetrag sinkt: Daten (€)

Division Z

Verrechnungspreis

v = 20 €/LE; xA = xZ = 7.000 LE

Erlöse (extern) Globalbetrag Transfererlöse Transferkosten fixe Kosten variable Kosten Gesamtkosten

– +94.500 140.000 – 105.000 140.000 245.000

455.000 −94.500 – 140.000 25.000 70.000 235.000

130.000 210.000 340.000

Erfolgsausweis

−10.500

+125.500

+115.000

−105.000

+220.000

+115.000

Erfolgsausweis ohne Globalbetrag

Division A

Gesamtunternehmen (∑)

455.000 ±0 ±0

Auch wenn der Globalbetrag die Erfolgsermittlungsfunktion durchaus unterstützen kann, weil er die Verzerrungen in den Erfolgsrechnungen der Divisionen zumin­ dest teilweise zurücknimmt, so bleibt doch bei solchen Lieferdivisionen, die mit

304 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

ihren Zwischenprodukten keinen Marktzugang haben, ein grundlegendes Problem bestehen: Sofern der Globalbetrag nicht durch die Zentrale vorgegeben wird, sondern auf Aushandlungen zwischen den Divisionen erfolgt, fehlt der Zulieferdivision eine der Position der Abnehmerdivision entsprechende Verhandlungsposition. Damit ist zu erwarten, dass der Globalbetrag die Erfolgsermittlungsfunktion nur in sehr be­ grenztem Maße unterstützen kann (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 594f; vgl. Wala et al. 2016: 411). Zudem wird davon ausgegangen, dass der Globalbetrag bei der Ermittlung der optimalen Transfermenge unberücksichtigt bleibt. 3.2.3.2 Zuschlag auf den vollkostenorientierten Verrechnungspreis Sofern der vollkostenorientierte Verrechnungspreis den Ausgangspunkt für den Zu­ schlag bildet, ist eine Verzerrung in den Erfolgsrechnungen der beiden Divisionen durch eine fehlende Fixkostenverrechnung nicht mehr feststellbar. Gleichwohl kann eine Verzerrung in den Erfolgsrechnungen der beiden Divisionen entstehen, wenn nur der Nutzkostenanteil verrechnet wird (siehe Teil D, Kapitel 3.2.2, Fall 3). Soll der Zu­ lieferdivision über den Fixkostenersatz hinaus die Möglichkeit eingeräumt werden, einen Gewinn zu erwirtschaften, so muss in den Verrechnungspreis auf den vollen Selbstkosteneinsatz ein Gewinn eingerechnet werden. Der Gewinn wird i. d. R. in Form eines prozentualen Gewinnzuschlags auf den vollen Selbstkosteneinsatz durch die Unternehmensführung festgelegt (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 595). Damit liegt die Verantwortung für den Erfolgsausweis wiederum eher bei der Zentrale – und nicht in den Teilbereichen (vgl. Friedl et al. 2013: 566f). Der Zweck des Gewinnzuschlags ist hier darin zu sehen, eine angemessene Aufteilung des von beiden Divisionen erwirt­ schafteten Gewinns auch zwischen den Divisionen herbeizuführen (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 761). In dem Beispiel zu dem vollkostenorientierten Verrechnungspreis in Höhe von 35 €/LE (siehe Teil D, Kapitel 3.2.2, Fall 3), in dem die ZulieferdivisionZ bei einer sub­ optimalen Transfermenge in Höhe von 5.500 LE einen Verlust in Höhe der Leerkos­ ten KL ausweist, soll nun ein Gewinnzuschlag in Höhe von 40 % zum Zuge kommen. Die vollen Kosten pro Leistungseinheit ergeben sich bei der Maximalkapazität xZ(MAX) in Höhe von 7.000 LE wie folgt (in Anlehnung an Brühl 2012: 343ff): KZ (xZ = 7.000) = 105.000 + 20 ⋅ 7.000 = 245.000 [Vollkosten der Zulieferdivision Z] kZ = 35 €/LE

[Stückkosten der Zulieferdivision Z]

Der um den Gewinnzuschlag zu erhöhende Stückkostenbetrag ergibt den neuen Ver­ rechnungspreis mit Zuschlag: g = 35 ⋅ 0,4 = 14 [Stückgewinn der Zulieferdivision Z] v = kZ + g = 35 + 14 = 49 Die Wirkungen dieses Verrechnungspreises v = 49 €/LE sollen nun in den Erfolgs­ rechnungen herausgestellt werden; dazu ist zunächst die Transfermenge zu optimie­

3 Ermittlung der Verrechnungspreise |

305

ren. Die optimierungsbezogenen Wirkungen des Verrechnungspreises v = 49 €/LE zei­ gen sich zunächst in der Gewinnfunktion der Division A: GA (xA ) = EA − KA − [v ⋅ xz ] [Gewinn der Abnehmerdivision A; v = 49 €/LE; xZ = xA ] GA (xA ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [25.000 + 10 ⋅ xA ] − [49 ⋅ xA ] Das Gewinnmaximum und die zugehörige optimale Absatzmenge sind wiederum bei einer Steigung dieser Gewinnfunktion in Höhe von Null festzustellen (da die Ablei­ tung zweiter Ordnung bei positiven Transfermengen immer kleiner als Null sein wird, handelt es sich um ein Maximum): G󸀠 (xA ) = 100 − 0,01 ⋅ xA − 59 = −0,01 ⋅ xA + 41 = 0 xA = 4.100 LE Die gewinnmaximierende optimale Absatzmenge der Division A beträgt nunmehr 4.100 Leistungseinheiten für xA . Die Erfolgsrechnungen zeigen damit folgende Da­ tenlage: Daten (€)

Division Z

Division A

Gesamtunternehmen (∑)

Erlöse (extern) Transfererlöse Transferkosten fixe Kosten variable Kosten Gesamtkosten

– 200.900 – 105.000 82.000 187.000

325.950 – 200.900 25.000 41.000 266.900

130.000 123.000 253.000

Erfolgsausweis (v = 49 €/LE)

+13.900

+59.050

+72.950

Erfolgsausweis (v = 35 €/LE)

−22.500

+126.250

+103.750

325.950 ±0

Durch die Division Z wird also mittels des nochmals per Zuschlag erhöhten Voll­ kostenverrechnungspreises ein Gewinnbeitrag erwirtschaftet. Sofern – wie hier – der Globalbetrag auf den grenzkostenorientierten Verrechnungspreis die Summe aus Fixkostenverrechnung und Gewinnzuschlag auf den vollkostenorientierten Verrech­ nungspreis nicht überschreitet, wird die Zulieferdivision Z mit dem Zuschlag auf den vollkostenorientierten Verrechnungspreis in der Erfolgsrechnung nochmals besser ge­ stellt. Allerdings wirkt der erhöhte Vollkostenverrechnungspreis erneut reduzierend auf die Transfermenge, was aus Gesamtunternehmensperspektive das Abweichen von dem Transfermengenoptimum weiter erhöht; dies spiegelt sich dann auch in dem nochmals um ca. 30 T€ verringerten Gesamtergebnis wider. 3.2.3.3 Fazit Die Grundidee der Ausstattung der Verrechnungspreise mit einem Zuschlag liegt dar­ in, die mit dem kostenorientierten Verrechnungspreis unzureichend ausgeschöpfte

306 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Erfolgsermittlungsfunktion zu stärken. Denn nur ein präzise und verursachungsge­ recht ermittelter Teilerfolg der Unternehmenseinheiten kann die Grundlage für eine Anreiz- und Motivationswirkung bieten. Grenzkostenorientierte Verrechnungspreise haben den Vorteil, dass sie unter strengen Ausgangsbedingungen die Ermittlung einer aus Gesamtunternehmensper­ spektive optimalen Transfermenge und somit eine Koordinationswirkung einräumen können – allerdings mit dem erheblichen Nachteil, dass die Erfolgszuweisung zu den Liefer- und Abnehmerdivisionen stark verzerrt wird. Die diese Verzerrung aus­ gleichende divisionsinterne Erfolgsumverteilung durch den Globalbetrag tangiert das Transfermengenoptimum nicht – zumindest dann nicht, wenn der Globalbe­ trag bei der Ermittlung der optimalen Transfermenge nicht berücksichtigt wird (vgl. Brühl 2016: 355f). Unter dieser Bedingung kann der Globalbetrag dazu beitragen, dass mit dem grenzkostenorientierten Verrechnungspreis die Erfolgsermittlungsfunktion besser wahrgenommen werden kann, ohne gleichzeitig die Koordinationsfunktion zu beeinträchtigen: Daten (€)

Division Z

Division A

Gesamtunternehmen (∑)

grenzkostenorientierter Verrechnungspreis Erfolgsausweis ohne Globalbetrag Erfolgsausweis mit Globalbetrag

−105.000 −10.500

+220.000 +125.500

+115.000 +115.000

In welchem Maße die Erfolgsermittlungsfunktion jedoch ausgeschöpft werden kann, hängt von der Frage ab, ob die Höhe des Globalbetrags eine verursachungsgerech­ te Aufteilung der Kosten und Gewinne zwischen den Divisionen gewährleisten kann. Dies wiederum ist nicht unwesentlich durch die Kapazitätsplanung der Abnehmerdi­ vision und der Kapazitätsabsprache mit der Lieferdivision beeinflusst. Aufgrund der ungleichen Verhandlungspositionen ist jedoch nicht unbedingt von einem angemes­ senen Betrag auszugehen. Da bei einer erfolgsorientierten Vergütung der Divisionslei­ tungen dieses Problem zusätzlich verschärft würde, müsste der Globalbetrag durch die Zentrale vorgegeben werden, was diese wiederum mit operativen Aufgaben be­ lastete (vgl. Friedl et al. 2013: 559f). Daneben läge die Verantwortung für den Er­ folgsausweis damit eher bei der Zentrale als bei den Teilbereichen (vgl. Weber, Schäf­ fer 2016: 226). Neben der negativen Rückwirkung auf die Entlastungsfunktion ist auch zu bedenken, dass ein zentral festgesetzter Globalbetrag die Teilerfolge nicht mehr auf die originären wirtschaftlichen Beiträge der Divisionen abstellt. Dies wiederum könnte zu einer unzureichenden Akzeptanz der Erfolgsverteilungen führen, und im Ergebnis zu einer Beeinträchtigung der Koordinationsfunktion (vgl. Ewert, Wagenho­ fer 2014: 595ff).

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 307

Vollkostenorientierte Verrechnungspreise haben zunächst den Vorteil, dass sie die Erfolgszuweisung zu den Liefer- und Abnehmerdivisionen nicht so stark verzerren, wie dies bei den grenzkostenorientierten Verrechnungspreisen der Fall ist – allerdings mit dem erheblichen Nachteil, dass sie aus Gesamtunternehmensperspektive an Ko­ ordinationswirkung Einbußen erleiden, weil sie zu suboptimalen Transfermengen und zu geringeren Gesamtergebnissen führen. Dies zeigt sich auch in den zusammen­ gefassten Ergebnisrechnungen: Daten (€)

Division Z

Division A

Gesamtunternehmen (∑)

vollkostenorientierter Verrechnungspreis Erfolgsausweis ohne Gewinnzuschlag Erfolgsausweis mit Gewinnzuschlag

−22.500 +13.900

+126.250 +59.050

+103.750 +72.950

Der maßgebliche Grund für die Ermittlung suboptimaler Transfermengen bei Verwen­ dung vollkostenorientierter Verrechnungspreise liegt in der der Vollkostenrechnung systemimmanenten Proportionalisierung der Fixkosten (vgl. Brühl 2016: 358). Die Berücksichtigung von Fixkostenanteilen bei der Transfermengenoptimierung führt dazu, dass die Abnehmerdivision aufgrund des (im Vergleich zum grenzkosten­ orientierten Verrechnungspreis) höheren Preises eine geringere Transfermenge nach­ fragt. Damit bleiben automatisch Kapazitäten bei der Zulieferdivision ungenutzt. Der entstehende Leerkostenanteil wiederum bedeutet aus Sicht der Zulieferdivision einen Verlust in der Erfolgsrechnung. Die mittels des Gewinnaufschlags herbeizuführende Aufteilung des von beiden Divisionen erwirtschafteten Gewinns zwischen den Divi­ sionen kann zwar den Leerkostenverlust ausgleichen und der Division Z ebenfalls eine Gewinnerwirtschaftung einräumen. Doch diese durch den erhöhten Verrechnungs­ preis herbeigeführte Aufwertung der Erfolgsermittlungsfunktion geht sofort zulasten der Koordinationsfunktion: Mit jeder weiteren Erhöhung des grenzkostenorientierten Verrechnungspreises – sinkt die Transfermenge bzw. entfernt sich die Transfermenge weiter von der op­ timalen Transfermenge; – sinkt das Gesamtergebnis bzw. entfernt sich das Gesamtergebnis weiter von dem maximalen Gesamtergebnis (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 595ff). Eine gleiche Wirkung wäre im Übrigen auch bei dem mit einem Globalbetrag ausge­ statteten grenzkostenorientierten Verrechnungspreis festzustellen, wenn der Global­ betrag bei der Ermittlung der Transfermenge berücksichtigt würde. Die suboptimale Wirkung des (im Vergleich zum grenzkostenorientierten Ver­ rechnungspreis) höheren Verrechnungspreises wird ausgehend von den aufgeführten Erlös-, Kosten-, Deckungsbeitrags-, Gewinn- und Grenzgewinnfunktionen mit einer

308 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

stück- und periodenbezogenen Betrachtung nochmals rekonstruiert: G = EA − [KA + KZ ]

[Gewinn aus Gesamtunternehmenssicht]

G(xA = xZ ) = [(100 − 0,005 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [130.000 + 30 ⋅ xA ] G󸀠 (xA = xZ ) = 100 − 0,01 ⋅ xA − 30 = −0,01 ⋅ xA + 70 e(xA = xZ ) = (100 − 0,005 ⋅ xA )

[Grenzgewinn]

[Erlös pro LE]

Hierbei wird davon ausgegangen, dass bei höheren Mengen der Preis gesenkt werden muss. Der Stückdeckungsbeitrag ergibt sich aus dem Erlös pro LE vermindert um die variablen Kosten pro LE: db = e − kvar (€)

[Deckungsbeitrag pro LE]

Aus Gesamtunternehmenssicht sind variable Kosten in Höhe von 30 €/LE zu berück­ sichtigen. Der periodische Deckungsbeitrag DB ist zu berechnen mit: DB(xA = xZ ) = db ⋅ xA

[Deckungsbeitrag pro Periode]

Aus Gesamtunternehmenssicht sind fixe Kosten in Höhe von 130.000 €/Periode zu decken. Der periodische Gewinn ergibt sich dann mit: G(xA = xZ ) = DB − KF

[Deckungsbeitrag pro Periode]

Sowohl eine Betrachtung auf Basis der Teilkostenrechnung mit den Stückdeckungs­ beiträgen wie auch mit den periodischen Deckungsbeiträgen zeigt das aus Gesamtun­ ternehmensperspektive verbleibende Optimierungspotenzial, wenn die Division A allein aus ihrer Perspektive eine Optimierung der Transfermengen vornimmt: Transfermenge (LE)

E (€/LE)

kvar (€/LE)

db (€/LE)

DB (€)

G (€)

G󸀠 (€/LE)

0 7.000 5.500 4.100

0 65,00 72,50 79,50

30,00 30,00 30,00 30,00

−30,00 +35,00 +42,50 +49,50

±0 +245.000 +233.750 +202.950

−130.000 +115.000 +103.750 +72.950

+70,00 ±0 +15,00 +29,00

Abbildung D3.6 zeigt die Grenzgewinne des Gesamtunternehmens (ohne Berücksich­ tigung der Kosten und Erlöse aus dem internen Leistungsaustausch) bei unterschied­ lichen Verrechnungspreisen und zugehörigen (aus der Perspektive von Division A op­ timierten) Transfermengen:

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 309

Erlöse (€); Kosten (€)

Gʹ(x

70

A)

= –0,01 · x A + 70

v = 49

Vollkosten mit Gewinnzuschlag

v = 35

Vollkosten

v = 20

Grenzkosten

xA 0 LE

xA 4.100 LE

Transfermenge

xA 5.500 LE

xA 7.000 LE

xA = xZ (Transfermenge)

Grenzgewinn

xA = 0

Gʹ(x

A)

x A = 4.100

Gʹ(x

= 29 A)

x A = 5.500

Gʹ(x

A)

x A = 7.000

Gʹ(x

A

= 70 = 15

)=0

Abb. D3.6: Suboptimale Wirkung von Zuschlägen (in Anlehnung an Brühl 2016: 358).

Auch hier lässt sich das Optimierungspotenzial (aus Sicht des Gesamtunternehmens) erkennen: jeder Zu- oder Aufschlag auf den grenzkostenorientierten Verrechnungs­ preis in Höhe von 20 €/LE führt automatisch zu einem Suboptimum bezüglich der Transfermenge und bedingt gleichermaßen automatisch ein Abweichen vom maxi­ malen Gesamtergebnis. Der mit der suboptimalen Transfermenge eingegangene Er­ gebnisnachteil ist jeweils auf die nicht ausgeschöpfte positive Grenzgewinndifferenz (z. B. zwischen Voll- und Grenzkostenverrechnungspreis: 15 − 0 = 15 €) zurückzu­ führen, die sich betragsgleich als Verrechnungspreisdifferenz widerspiegelt (z. B. zwi­ schen Voll- und Grenzkostenverrechnungspreis: 35 − 20 = 15 €). Hinsichtlich der Koordinationsfunktion sind Cost-Plus-Verrechnungspreise auf Basis von Vollkosten also sehr kritisch zu betrachten, da sie die gleichen Schwächen wie Verrechnungsprei­ se auf Vollkostenbasis aufweisen. Der Gewinnzuschlag verstärkt diese Schwächen, da er prozentual auf die Vollkosten aufgeschlagen wird. Je höher die Zulieferdivision die Kosten ansetzt, desto höher wird der damit verbundene Gewinn. Durchläuft eine Leis­

310 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

tung dabei mehrere Divisionen, kann dies dazu führen, dass der Kosteneinsatz eska­ liert (vgl. Fischer et al. 2015: 472ff). Vollkostenorientierte Verrechnungspreise aller Art können keine entscheidungs­ relevanten Informationen zur Verfügung stellen, weil sie eine Fixkostenproportio­ nalisierung – hier mit 15 €/LE – verursachen (vgl. hierzu auch Teil F, Kapitel 1.3). Dieser grundlegende Mangel der Vollkostenrechnung, der auch schon im Kontext mit der Budgetkontrolle mithilfe der Plankostenrechnung moniert wurde (siehe Teil C, Ka­ pitel 3.2 und 3.3), ist also auch im Rahmen der Verrechnungspreisbestimmung wieder­ zufinden. Abschließend bleibt festzustellen, dass die im Vollkostenverrechnungspreis wirksamen Zu- oder Aufschläge (auf den grenzkostenorientierten Verrechnungspreis) zwar die Defizite hinsichtlich der Erfolgsermittlungsfunktion begrenzen können – aber immer nur zulasten der Koordinationsfunktion, die schon von vornherein regel­ mäßig nicht auf Basis optimaler Transfermengen wahrgenommen werden kann. In den Erörterungen und Beispielen in den Kapiteln 3.2.1 und 3.2.2 in Teil D wurde stets angenommen, dass die Kapazitäten der liefernden Einheit ausreichen, um die optimale Transfermenge zu produzieren. Wenn nun zudem davon ausgegangen wird, dass – die zuliefernde Division Z ihre Zwischenprodukte lediglich auf dem internen Markt veräußern kann bzw. darf und – daneben Kapazitätsrestriktionen der Lieferdivision in die Optimierungsüberle­ gungen einbezogen werden müssen, dann sind gegebenenfalls auch sogenannte Opportunitätskosten zu berücksichtigen (vgl. Brühl 2012: 348f). Da solche knappheitsorientierten Verrechnungspreise nur rela­ tiv selten Anwendung finden (vgl. Brühl 2016: 363), sollen diese hier nur kurz erläutert werden.

3.2.4 Knappheitsorientierte Verrechnungspreise Grundsätzlich lassen sich aus der Perspektive der Lieferdivision folgende vier Fäl­ le konstruieren, in denen knappheitsorientierte Verrechnungspreise (siehe Abbil­ dung D3.7) relevant werden könnten (vgl. Friedl et al. 2013: 554f; vgl. Ossadnik 2009: 256): 1. nur interne Lieferung möglich; ausreichend freie Kapazitäten sind verfügbar 2. externer Marktzugang möglich; ausreichend freie Kapazitäten sind verfügbar 3. externer Marktzugang möglich; ausreichend freie Kapazitäten sind nicht verfüg­ bar 4. nur interne Lieferung möglich; ausreichend freie Kapazitäten sind nicht verfügbar Der erste Fall entspricht genau den Voraussetzungen, die im Rahmen der grenz­ kostenorientierten Verrechnungspreise angenommen werden. Daher entspricht der

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 311

knappheitsorientierte Verrechnungspreis dem Wert der Grenzkosten. Auch im zwei­ ten Fall reichen die Kapazitäten der liefernden Einheit aus, um den externen und internen Markt zu bedienen. Es entstehen Opportunitätskosten in Höhe von Null, da durch eine interne Lieferung kein externes Geschäft verdrängt wird. Der knapp­ heitsorientierte Verrechnungspreis entspricht wiederum den Grenzkosten (vgl. Friedl et al. 2013: 552). Im dritten Fall reichen die Kapazitäten der liefernden Einheit nicht aus, um interne und externe Nachfragen zu bedienen. Es müssen nun die Opportuni­ tätskosten berücksichtigt werden, die entstehen, wenn ein internes Geschäft durch ein Geschäft aus externem Marktzugang verdrängt wird. Der diese Knappheitssitua­ tion angemessen filternde Verrechnungspreis entspricht dem Marktpreis (vgl. Friedl et al. 2013: 553ff). Im vierten Fall hat die Lieferdivision keinen externen Markt verfüg­ bar und kann schon den Zwischenproduktbedarf des abnehmenden Bereichs nicht vollständig decken. Dies bedeutet, dass die Endprodukte des abnehmenden Bereichs, für die das Zwischenprodukt geliefert werden kann, andere Endprodukte verdrängen. Es entstehen Opportunitätskosten in Höhe des höchsten relativen Deckungsbeitrags, der für die letzte begrenzte Kapazitätseinheit erzielt werden kann. Auch hier stellen die Optimierungsüberlegungen auf die Kalküle der Teilkostenrechnung ab, da eine kurzfristig wirksame Entscheidung fundiert werden soll – also eine Entscheidung, die nur auf den variablen Kostenanteilen basieren darf (vgl. Freidank 2012: 300ff; vgl. hierzu auch Teil F, Kapitel 1.3). Abweichend von den bisherigen Beispielen muss es also Konkurrenzsituationen zwischen den End- und den Zwischenprodukten geben, d. h., es werden mehrere End­ produkte, die den Einsatz mehrerer Zwischenprodukte erfordern, am Zielmarkt abge­ setzt (vgl. Brühl 2016: 362). Gesamtunternehmen mit zwei Divisionen Zulieferdivision Z mit Kapazitätsrestriktionen

v

Abnehmerdivision A

p

Zielmarkt

p = Marktpreis v = Verrechnungspreis Abb. D3.7: Knappheitsorientierte Verrechnungspreisermittlung (eigene Darstellung).

Der knappheitsorientierte Verrechnungspreis setzt sich dann aus der Summe des Grenzkostenbetrags und des relativen Deckungsbeitrages zusammen (vgl. Küpper et al. 2013: 520; anders Horváth et al. 2015: 303). Er soll damit den Nutzen des zu bewertenden Gutes zum Ausdruck bringen, um eine engpassorientierte Lenkung einzuräumen (vgl. Huch et al. 2004: 310). Bei mehr als einem Engpass lässt sich der

312 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Knappheitspreis nur noch mithilfe linearer Programmierung ermitteln; dies liefert sogenannte Schattenpreise, die gewinnoptimale Entscheidungen ermöglichen (vgl. Horváth et al. 2015: 304). Nachfolgendes Beispiel, das die einfachste Ausgangskonfiguration mit zwei Endprodukten, zwei Zwischenprodukten und genau einem Engpass widerspiegelt, soll diesen Rechnungsalgorithmus verdeutlichen (in Anlehnung an Wala et al. 2016: 405ff; vgl. auch Brühl 2016: 361ff). Die beiden Endprodukte E1 und E2 setzen sich aus den Zwischenprodukten Z1 und Z2 wie folgt zusammen: Zwischenprodukte

Z1 Z2

Endprodukte E1

E2

1 3

4 1

Die Transfermengengleichheit (xA = xZ ) ist also nicht mehr gegeben. Die Abnehmerdi­ vision A veräußert die beiden Endprodukte E1 und E2 zu dem Marktpreis p1 = 44 €/LE und zu dem Marktpreis p2 = 50 €/LE. Die variablen Kosten der Lieferdivision Z betra­ gen 3 €/LE für das Zwischenprodukt Z1 und 8 €/LE für das Zwischenprodukt Z2 . So­ fern man (variable) Kosten der Weiterverarbeitung bei der Abnehmerdivision A für das Endprodukt E1 in Höhe von 5 €/LE und für das Endprodukt E2 in Höhe von 10 €/LE unterstellt, gelangt man aus der Perspektive von A zu folgender stückbezogener Teil­ kostenrechnung: Daten (€)

Endprodukte E1

E2

Erlöse/LE Kosten der Weiterverarbeitung/LE variable Kosten/LE (für Z1 und Z 2 ) variable Kosten/LE (gesamt)

44 5 27 [1⋅3+3⋅8] 32

50 10 20 [4⋅3+1⋅8] 30

Stückdeckungsbeitrag db

12

20

Für das Zwischenprodukt Z1 soll nun die Kapazitätsrestriktion angenommen werden, dass in der Lieferdivision Z für eine Abrechnungsperiode nicht mehr als 20.000 LE hergestellt werden können. In Bezug auf (nur) diesen Engpass ist ein rela­ tiver Stückdeckungsbeitrag zu ermitteln:

3 Ermittlung der Verrechnungspreise |

Daten (€)

313

Endprodukte E1

E2

Anzahl Z 1 : LE Stückdeckungsbeitrag

1 12

4 20

relativer Stückdeckungsbeitrag

12 [12 : 1]

5 [20 : 4]

Der knappheitsorientierte Verrechnungspreis für den Engpass (dies ist hier das Zwi­ schenprodukt Z1 ) ergibt sich aus der Summe des Grenzkostenbetrags und des re­ lativen Stückdeckungsbeitrags. Der relative Stückdeckungsbeitrag spiegelt die Opportunitätskosten wieder, wenn die andere Handlungsalternative präferiert wür­ de – nämlich hier die Herstellung bzw. der Absatz von Endprodukt E2 . Der knapp­ heitsorientierte Verrechnungspreis für nicht vorhandene Engpässe entspricht nach wie vor dem Grenzkostenbetrag (siehe Teil D, Kapitel 3.2.1): Daten (€)

Zwischenprodukte Z1

Z2

Grenzkosten/LE relativer Stückdeckungsbeitrag

3 12

8 –

v

15

8

Ausgehend von dem knappheitsorientierten Verrechnungspreis für den Engpass (v = 15 €/LE) ergibt sich aus der Perspektive der Abnehmerdivision A für die beiden End­ produkte folgende stückbezogene Teilkostenrechnung: Daten (€)

Endprodukte E1

E2

Erlöse/LE Kosten für Z1 : LE (v = 15 €/LE) Kosten für Z2 : LE (v = 8 €/LE) Kosten der Weiterverarbeitung/LE variable Kosten/LE (gesamt)

44 15 24 5 44

50 60 8 10 78

Stückdeckungsbeitrag

±0

−28

314 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

In Anbetracht der Stückdeckungsbeiträge der beiden Endprodukte wird die Abneh­ merdivision A ausschließlich (wenn überhaupt) das Endprodukt E 1 produzieren, da die Produktion und der Absatz des Endprodukts E 2 den Erfolg verringerten. Auch mit Produktion und Absatz des Endprodukts E 1 kann die Abnehmerdivision keinen Ge­ winn erwirtschaften, weil lediglich die variablen Kosteneinsätze für die Hervorbrin­ gung dieses Endprodukts gedeckt werden; ihr entsteht also zumindest ein Verlust in Höhe der nicht gedeckten Fixkosten. Sofern die Division A ausschließlich das Endprodukt E1 produzierte, würde A das Zwischenprodukt Z1 in der Abrechnungsperiode mit den verfügbaren 20.000 LE (Ka­ pazitätsrestriktion) und das Zwischenprodukt Z2 dann mit 60.000 LE von der Divisi­ on Z beziehen. Der knappheitsorientierte Verrechnungspreis v = 15 €/LE lenkt den gesamten, an das Endprodukt E1 gebundenen Erfolg in den Engpassbereich der Zu­ lieferdivision Z; dort entsteht mit der Lieferung von Z1 – ein Erlös für Z1 mit Ez (xz ) = v ⋅ xz = 20.000 LE ⋅ 15 €/LE = 300.000 €, – ein variabler Kosteneinsatz für Z1 in Höhe von 60.000 € [20.000 LE ⋅ 3 €/LE] und demzufolge – ein Deckungsbeitrag für Z1 in Höhe von 240.000 € [20.000 LE ⋅ 12 €/LE]. Hierbei ist weiterführend zu bedenken, dass die knappheitsorientierten Verrech­ nungspreise lediglich zur engpassorientierten Lenkung dienen. Der durch das End­ produkt E1 realisierte Deckungsbeitrag wird durch die Division Z nur deshalb aufge­ nommen, um die knappen Kapazitäten in das profitablere Endprodukt zu lenken. Weil der Division Z realiter gar nicht Kosten in Höhe des knappheitsorientierten Verrech­ nungspreises entstehen, könnte, nachdem der Lenkungsmechanismus gegriffen hat, der „Lenkungsgewinn“ auch ganz oder anteilig als Transfer zurück an die Ab­ nehmerdivision A fließen. Mit der Lieferung von Z2 entsteht bei Z ein Deckungsbeitrag in Höhe von Null, da genau und nur die variablen Kosten mit dem Verrechnungspreis in Höhe von 8 €/LE ersetzt werden. Da die liefernde Einheit keinen direkten Einfluss auf die Transfermengen nehmen kann, besitzt sie faktisch keine Entscheidungsauto­ nomie; zur Vermeidung einer Autonomieillusion sollte deshalb von vornherein ein Lieferzwang festgelegt werden (vgl. Brühl 2016: 354). Knappheitsorientierte Verrechnungspreise können eingesetzt werden, sobald Engpässe bei der Lieferdivision vorliegen, da sie die Transfermengensteuerung eng­ passorientiert ausrichten. Insofern können sie einen Beitrag zur Wahrnehmung der Koordinationsfunktion leisten. Gleichwohl sind knappheitsorientierte Verrech­ nungspreise für langfristige Entscheidungen ungeeignet; dies zeigt sich u. a. daran, dass die Fixkostenblöcke der beiden Divisionen bei den Optimierungsüberlegungen nicht einbezogen werden (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 584ff). Sofern keine Eng­ pässe bestehen, werden automatisch grenzkostenorientierte Verrechnungspreise mit höherer Priorität verwendet, weil dann schon diese die Koordination gewährleisten –

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 315

zumindest bei Vorliegen linearer Kostenfunktionen (vgl. Brühl 2016: 363). Im Falle nicht linearer Kostenfunktionen kommt der Koordinationsfunktion keine Bedeutung mehr zu, da die Zentrale durch die dann erforderliche Bestimmung des Verrech­ nungspreises die Produktionsmenge ebenfalls bestimmt. Das elementare Problem knappheitsorientierter Verrechnungspreise besteht analog zu den grenzkostenorien­ tierten Verrechnungspreisen darin, dass die Verrechnungspreise erst dann ermittelt werden können, wenn das Koordinationsproblem, zu dessen Lösung sie einen Beitrag leisten sollen, bereits gelöst ist. Existieren mehrere Kapazitätsrestriktionen, muss die Zentrale nicht nur alle Restriktionen, sondern auch alle Interdependenzen (Erlöse, variable Kosten, Kapazitätsbelastungen) zwischen den Bereichen kennen. Eine Lö­ sung würde voraussetzen, dass alle wesentlichen Entscheidungen von der Zentrale getroffen werden müssen – der gewünschte Effekt der Dezentralisation wäre dann nicht mehr gegeben (vgl. Küpper et al. 2013: 522f). Wie das Beispiel offenbart, sind knappheitsorientierte Verrechnungspreise über­ haupt nicht dazu geeignet, den Erfolg der Divisionen präzise und verursachungsge­ recht zu ermitteln (vgl. Brühl 2016: 363). Betrachtet man nur den Engpass (hier Z1 ), so – wird der Lieferdivision der gesamte Deckungsbeitrag zugeordnet, – während der beziehende Bereich einen Deckungsbeitrag in Höhe von Null ver­ zeichnet, also einen Verlust in Höhe der fixen Kosten registrieren muss. Beide Divisionen können diese Erfolgszuordnung überhaupt nicht beeinflussen. Die Erfolgsermittlungsfunktion kann durch knappheitsorientierte Verrechnungspreise in keiner Weise ausgefüllt werden (vgl. Wala et al. 2016: 407). In Bezug auf die Nich­ tengpässe (hier Z2 ) kommen wiederum die Problemaspekte zum Tragen, die bereits im Kontext mit den grenzkostenorientierten Verrechnungspreisen thematisiert wur­ den: Der liefernde Bereich bekommt nur die variablen Kosten verrechnet, während der beziehende Bereich den gesamten aus dem Absatz des Endprodukts stammen­ den Gewinn erwirtschaftet – einen Gewinn, der nur zu einem gewissen Teil durch ihren Leistungsbeitrag erzielt wurde (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 587). Da bei Ver­ wendung knappheitsorientierter Verrechnungspreise eine verursachungs- bzw. leis­ tungsgerechte Erfolgszuordnung zu den Divisionen nicht eingeräumt wird, ist zudem eine Anreizgestaltung durch eine erfolgsabhängige Vergütung der Divisionsleitungen unmöglich. Da weder der liefernde noch der abnehmende Bereich auf Basis der Erfolgsauswei­ se beurteilt werden können, ist im Rahmen der Gestaltung der divisionalen Organi­ sation die Wahl eines Profitcenters für beide Bereiche nicht anzuraten. Um möglichen Ineffizienzen entgegenzuwirken, kann die Organisationsform eines Costcenters eher geeignet sein, weil dann beide Einheiten zumindest motiviert wären, die Gesamtkos­ ten für ein bestimmtes Leistungsvolumen zu reduzieren (vgl. Friedl et al. 2017: 565ff).

316 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

3.3 Verrechnungspreise als Verhandlungsdesiderat Verrechnungspreise können auch durch bilaterale Verhandlungen zwischen Unter­ nehmensbereichen festgelegt werden. Man spricht dann von Verrechnungspreisen auf Verhandlungsbasis. Diese Ermittlungsmethode von Verrechnungspreisen gewährleis­ tet die höchstmögliche Entscheidungsautonomie beider Divisionen, da auf die Vor­ gaben durch eine Zentrale verzichtet wird. Der Vorteil liegt darin, dass zueinander in Beziehung stehende liefernde und abnehmende Einheiten über die jeweils beste Informationsbasis verfügen. Sind die Divisionen bei den Verhandlungen frei, so ha­ ben verhandelte Verrechnungspreise eine motivationsfördernde Wirkung (vgl. Klu­ ge 2013: 286): Die Mitwirkung an der Verrechnungspreisgestaltung fördert die Motiva­ tion der Bereichsleiter durch die ihnen übertragene Verantwortung. Daneben führt dies i. d. R. auch zu einer hohen Akzeptanz in den Divisionen, was wiederum Vor­ aussetzung für eine effektive Koordination und Verhaltenssteuerung ist. Andererseits wird mit der zugestandenen Entscheidungsautonomie den Divisionen von vornherein die Möglichkeit eingeräumt, Entscheidungen herbeizuführen, die aus Divisionssicht zwar optimal, aus Gesamtunternehmensperspektive jedoch suboptimal sind. Sofern aus der Verhandlung ein anderes Ergebnis resultiert als der Verrechnungspreis, der die Koordinationsfunktion bestmöglich erfüllt, kommt es zu Fehlentscheidungen aus Sicht des Gesamtunternehmens (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 605). Damit verhandelte Verrechnungspreise die motivationsfördernde Wirkung entfal­ ten können, sind allerdings verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen, die allesamt auf eine möglichst gleichverteilte Verhandlungsmacht zwischen den Divisionen ab­ stellen (vgl. Brühl 2016: 367): – Voraussetzung für die Verhandlungen über den Verrechnungspreis ist, dass die Divisionen ihre Geschäfte auch am externen Markt abschließen dürfen – und somit eine Verweigerung der internen Lieferung möglich ist. Wenn ein Kontrahie­ rungszwang für die interne Leistung bestünde, würde man den Divisionen von Anfang an die Verhandlungsmacht entziehen – es bräuchte also nicht verhandelt werden. Weiterhin werden durch den Einfluss günstiger Angebote am externen Markt die Divisionen dazu angeregt, vorteilhaftere Bezugs- und Verwertungsal­ ternativen zu suchen. Somit sind die Verhandlungen über den Verrechnungspreis immer auch durch eine gewisse marktseitige Koordination geprägt (vgl. Wala et al. 2016: 412). – Als Verhandlungsgrundlage werden i. d. R. Marktpreise verwendet; den Verhand­ lungspartnern müssen deshalb alle preisrelevanten Informationen verfügbar sein (vgl. Friedl 2013: 326). Weitere Voraussetzung ist, dass keine der Divisionen ei­ ne Monopolstellung am externen Markt besitzt, damit die Verrechnungspreise

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 317

nicht ausschließlich zugunsten dieser ausgehandelt werden (vgl. Ewert, Wagen­ hofer 2014: 606). Sind die Divisionen mit gleicher Verhandlungsmacht ausgestattet, könnten die Ver­ rechnungspreise grundsätzlich so verhandelt werden, dass der größtmögliche Ge­ samtgewinn erzielt wird. Damit würde die Koordinationsfunktion automatisch opti­ mal erfüllt. Auch wenn das jeweilige Verhandlungsergebnis kaum vorhersehbar ist, so werden die Verhandlungen voraussichtlich zu einem Verrechnungspreis führen, der in dem folgenden Intervall zwischen Preisunter- und Preisobergrenze zu lokali­ sieren ist (vgl. Wala et al. 2016: 412): – Preisuntergrenze: ist der Mindestpreis, den die zuliefernde Einheit für die Trans­ fermenge eines Zwischenprodukts als noch akzeptabel einstuft. Die Preisunter­ grenze aus der Perspektive der Lieferdivision ergibt sich als Maximum folgender Vergleichswerte: [erzielbarer Preis pro Leistungseinheit des Zwischenprodukts auf dem externen Markt; variable Stückkosten des Zwischenprodukts]. – Preisobergrenze: ist der Höchstpreis, den die abnehmende Einheit für die Trans­ fermenge eines Zwischenprodukts als noch akzeptabel einstuft. Die Preisober­ grenze aus der Perspektive der Abnehmerdivision ergibt sich als Minimum folgender Vergleichswerte: [einzusetzender Preis pro Leistungseinheit des Zwi­ schenprodukts auf dem externen Markt; vorläufiger Stückdeckungsbeitrag des Endprodukts vor Abzug der Bezugskosten des Zwischenprodukts]. Eine Einigung der beiden Verhandlungsparteien über den Verrechnungspreis kommt dann zustande, wenn die interne Transaktion beiden Parteien einen Vorteil ge­ genüber der bestmöglichen Handlungsalternative verspricht (vgl. Ewert, Wagenho­ fer 2014: 605). Das nachfolgende Beispiel soll die Intervallbildung verdeutlichen; dabei wird davon ausgegangen, dass mit der Verhandlung über den Verrechnungs­ preis eine kurzfristig wirksame Entscheidung fundiert werden soll – also eine Ent­ scheidung, die nur auf variablen Kostenbestandteilen basieren darf. Deshalb stellen die Überlegungen hinsichtlich der Identifikation des Einigungsbereichs auf die Kal­ küle der Teilkostenrechnung ab (vgl. Freidank 2012: 300ff; vgl. hierzu auch Teil F, Kapitel 1.3). Die in Abbildung D3.8 dargestellte Ausgangssituation sei gegeben (vgl. auch Ewert, Wagenhofer 2014: 605f).

318 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Gesamtunternehmen mit zwei Divisionen Zulieferdivision Z

p1

externer Absatzmarkt für die Leistung von Z

v

p3 Abnehmerdivision A

Zielmarkt

p2

externer Beschaffungsmarkt für die Leistung von Z

p = Marktpreis v = Verrechnungspreis Abb. D3.8: Verhandlungsorientierte Verrechnungspreisermittlung (eigene Darstellung).

Die Abnehmerdivision A und die Zulieferdivision Z verhandeln über den Verrech­ nungspreis v eines Zwischenprodukts. Die konstanten Grenzkosten bei Z betragen 80 €; der Absatzpreis des Endprodukts (p3 ) beträgt 250 €/LE. Um diesen Absatzpreis realisieren zu können, sind bei A Grenzkosten der Fertigstellung in Höhe von 45 € ein­ zusetzen. Der vorläufige Stückdeckungsbeitrag des Endprodukts vor Abzug der (va­ riablen) Bezugskosten des Zwischenprodukts beträgt bei A 205 €/LE (250 € − 45 €). Sofern den beiden Divisionen in der Ausgangssituation keine Beschaffungs- bzw. Absatzalternativen verfügbar sind, erstreckt sich der Einigungsbereich auf [80;205]: – Fall 1: Sofern die Zulieferdivision Z das Zwischenprodukt für 145 €/LE (p1 ) am externen Markt absetzen kann, entstünden mit der Lieferung an die Division A Opportunitätskosten in Höhe von 65 €/LE (145 € − 80 €). Somit schrumpft der Einigungsbereich auf [145;205]. – Fall 2: Sofern die Zulieferdivision Z das Zwischenprodukt für 145 €/LE (p1 ) am externen Markt absetzen kann, und zudem die Division A das Zwischenprodukt für 160 €/LE (p2 ) am externen Markt beziehen kann, dann verringert sich der Ei­ nigungsbereich auf [145;160].

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 319

Abbildung D3.9 veranschaulicht die Einigungsbereiche unter Berücksichtigung der entstehenden Opportunitätskosten. kvar (Z)

p1(Z)

p2(A)

145

160

vorläufiger db (A)

p3(A)

205

250

v [€/LE] 80

Einigungsbereich (Ausgangssituation) Opportunitätskosten (Z)

Einigungsbereich (Fall 1)

Einigungsbereich Opportunitätskosten (A) Opportunitätskosten (Z) (Fälle 1 und 2) Abb. D3.9: Einigungsbereiche und Opportunitätskosten (in Anlehnung an Ewert, Wagenhofer 2014: 606).

Wenn die Zulieferdivision Z das Zwischenprodukt für 145 €/LE (p1 ) am externen Markt absetzen, und die Division A das Zwischenprodukt für 130 €/LE (p2 ) am ex­ ternen Markt beziehen kann, gibt es keinen Einigungsbereich mehr; beide Divisionen hätten nun profitablere Handlungsalternativen zur Verfügung: – Division Z: Absatz des Zwischenprodukts zu p1 = 145 €/LE – Division A: Bezug des Zwischenprodukts zu p2 = 130 €/LE Diese Konstellation stellte auch aus Gesamtunternehmensperspektive die optimale Entscheidung dar, weil der gesamte Stückdeckungsbeitrag im Vergleich zu einem in­ ternen Liefer- bzw. Abnahmezwang höher ausfiele. Die nachfolgend aufgeführten Er­ folgsrechnungen stellen dies noch einmal heraus: Daten (€)

Division Z

Stückerlöse (extern) variable Stückkosten Stückdeckungsbeitrag db Gesamtunternehmen (∑)

145 80 65

Division A 250 45+130 = 175 75 140

Bei einem internen Liefer- bzw. Abnahmezwang verringerte sich der gesamte Stück­ deckungsbeitrag um den nicht ausgeschöpften Preisvorteil, also um die Differenz zwi­ schen p2 und p1 (130 €/LE − 145 €/LE = −15 €/LE):

320 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Daten (€)

Division Z

Stückerlöse (extern) variable Stückkosten Stückdeckungsbeitrag db Gesamtunternehmen (∑)

145 80 65

Division A 250 45+145 = 190 60 125

Innerhalb des Einigungsbereichs ist das Verhandlungsergebnis kaum antizipierbar, da es von verschiedenen situativen und individuellen Gegebenheiten abhängig ist (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 606; vgl. Brühl 2016: 367f): – Hier spielt zunächst die Verhandlungsmacht der beteiligten Partner, bedingt durch die im Verhandlungsmoment verfügbaren Handlungsalternativen, eine wesentliche Rolle. – Daneben sind auch die für die Verhandlungsvorbereitung und -durchführung ver­ fügbaren Ressourcen der beteiligten Partner für das Verhandlungsergebnis maß­ geblich; so könnte ein umfangreicherer Ressourcenbestand Informationsvorteile gegenüber der anderen Verhandlungspartei begründen. – Nicht zuletzt spielt auch das individuelle Verhandlungsgeschick der beteiligten Partner eine Rolle hinsichtlich des erzielbaren Verhandlungsergebnisses (vgl. Kluge 2013: 287f). Weiterhin ist zu bedenken, dass die Verhandlungsvorbereitung und -durchführung als zeit- und ressourcenintensive Prozesse die Divisionsleitungen von der originären Betriebs- und Geschäftstätigkeit ablenken (vgl. Brühl 2016: 368). Daneben können aufgrund der konträren Interessenlagen durch die Verhandlungen vielerlei Konflikte entstehen, die wiederum umfangreiche Bedarfe bezüglich der Konfliktlösungen be­ gründen können; meist ist sogar eine Schlichtungsstelle oder zumindest ein offizielles Prozedere der Konflikthandhabung erforderlich (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 608). Da bei den zu verhandelnden Verrechnungspreisen von vornherein kein Kontrahie­ rungszwang für die interne Leistung bestehen darf, stellt sich die grundlegende Frage nach einer geeigneten Vorgehensweise für den Fall, dass die Verhandlungen gar nicht oder nicht in akzeptablem Zeitrahmen zu einem Verhandlungsergebnis in Form eines vereinbarten Verrechnungspreises führen. Hier ist aus der Perspektive der Zentrale ein Dilemma erkennbar (vgl. Brühl 2016: 368): – Greift sie nicht in den Verhandlungsprozess ein, fehlt mit dem ausstehenden Ver­ handlungsergebnis die Grundlage für die operative Betriebs- und Geschäftstätig­ keit der Unternehmenseinheiten;

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 321



Greift sie in den Verhandlungsprozess ein, um eine Liefer- bzw. Abnahmever­ pflichtung durchzusetzen, gibt sie das Prinzip der Dezentralisation auf, und zwar mit zu erwartenden Akzeptanzproblemen bei den Divisionsleitungen.

Aufgrund dieses drohenden Dilemmas und der potenziellen Gefahr, dass (aus Ge­ samtunternehmensperspektive) suboptimale Verhandlungsergebnisse resultieren können, werden die Verhandlungen zwischen den Divisionen nicht immer als voll­ kommen freie Verhandlungen, sondern gelegentlich auch als sogenannte gelenkte Verhandlungen konfiguriert (vgl. Friedl 2013: 327). Gelenkte Verhandlungen könnten eingerichtet werden, indem beispielsweise – die Zentrale als gleichberechtigte dritte Partei an den Verhandlungen mitwirkt und/oder – der zwischen den Divisionen ausgehandelte Verrechnungspreis nur bei Zustim­ mung durch die Zentrale Gültigkeit erlangt. Solche durch die Zentrale gelenkten Verrechnungspreisverhandlungen können zwar die Koordinationsfunktion stärken, schränken aber auch die Entscheidungsautono­ mie der Divisionen und die motivationsfördernde Wirkung der Verhandlungen ein. Je rigider die Verhandlungslenkung durch die Zentrale gestaltet ist, desto größer wird die Gefahr sein, dass das Verhandlungsergebnis auf unzureichende Akzeptanz in den Divisionen stößt – womit die effektive Koordination und Verhaltenssteuerung gefähr­ det ist. Aufgrund des in den Verrechnungspreisverhandlungen enthaltenen Konflikt­ potenzials ist sogar auch die Einrichtung einer Koordinationsstelle denkbar, die bei Nichteinigung zwischen den Verhandlungsparteien die Kompetenz zur Festsetzung der Verrechnungspreise besitzt (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 767f). Es besteht jedenfalls keine Gewähr, dass die Divisionen einen Preis aushan­ deln, der aus Sicht der Unternehmensführung hinsichtlich der Wahrnehmung der Koordinationsfunktion als optimaler Verrechnungspreis gelten darf. Die Wahrschein­ lichkeit ist groß, dass die Divisionen „spartenegoistisch“ verhandeln und damit einen Preis aushandeln, der aus Sicht des Gesamtunternehmens nicht optimal ist (vgl. Schweitzer et al. 2016: 520f). Zudem ist zu bedenken, dass der Verrechnungs­ preis von situativen und individuellen Gegebenheiten abhängig ist, sodass die Er­ folgszuweisungsfunktion nur bedingt erfüllt werden kann (vgl. Wala et al. 2016: 368). Gleichwohl spricht nach Auffassung von Brühl „[. . . ] viel für die Hypothese, dass die Informationsvorteile von Divisionsmanagern in Verbindung mit einer erhöh­ ten Motivation zu einem Vorteil für das Gesamtunternehmen führen.“ (Brühl 2012: 354).

322 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

3.4 Verrechnungspreise auf Fremdvergleichsbasis Die bisher erläuterten betriebswirtschaftlichen Ansätze der Verrechnungspreisermitt­ lung zeichnen sich allesamt dadurch aus, dass mithilfe des Verrechnungspreises eine Transfermenge abgleitet werden soll, die aus der Perspektive des Gesamtunterneh­ mens ein Gewinnmaximum gewährleisten kann. Die Koordinations- und die Erfolgs­ ermittlungsfunktion als Grundlage für die Anreizgestaltung stehen hier im Zentrum der Betrachtung der Ermittlungsmethoden. Sofern die Unternehmenseinheiten eines Gesamtunternehmens wirtschaftlich und auch rechtlich selbstständige Einheiten darstellen, können die Verrechnungspreise nicht nur Koordinations- und Erfolgser­ mittlungsfunktionen wahrnehmen, sondern auch zur Steuerminimierung beitragen (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 771). Aus diesem Grunde unterliegen die Ermittlungs­ methoden in steuerrechtlicher Hinsicht verschiedenen Vorgaben, die bei der Verrech­ nungspreisgestaltung beachtet werden müssen. Diese Vorgaben betreffen Konzernunternehmen und basieren auf dem Fremd­ vergleichsgrundsatz. Dieser Grundsatz beruht auf dem Gedanken, dass ein Kon­ zernunternehmen mit einer Leistung für ein konzernfremdes Unternehmen eine ge­ winnorientierte Transaktion darstellt (vgl. Brühl 2016: 370f). Dieser Gedanke wird nun auch auf Transaktionen zwischen den Konzernunternehmen gelten, d. h. dass die Preise für interne Transaktionen in der Höhe angesetzt werden müssen, als würde die Transaktion zwischen fremden Unternehmenseinheiten stattfinden: „The arm’s length principle requires that compensation for any intercompany transaction shall conform to the level that would have applied had the transaction taken place between unrelated (third) parties under similar conditions.“ (OECD 2010: 37). Der zwischen den Konzernunternehmen geltende Verrechnungspreis soll dabei einem Marktpreis entsprechen, um eine angemessene Bemessungsgrundlage ermit­ teln zu können (vgl. Weber, Schäffer 2016: 227; vgl. Martini 2007: 22). Der sogenannte Fremdvergleich dient zur Prüfung, ob die eingesetzte Ermittlungsmethode einen Ver­ rechnungspreis generiert, der den Anforderungen der Finanzbehörden entsprechen kann (vgl. BMF 1983: Tz. 2.2). Der Fremdvergleichsgrundsatz ist deshalb integraler Be­ standteil internationaler Steuerverträge, die auf den Verrechnungspreisrichtlinien der OECD sowie des OECD-Musterabkommens beruhen (vgl. OECD 2010: 33ff). Allerdings ist zu bedenken, dass es den Fremdvergleichspreis nicht gibt. In der Regel lassen sich in der Anwendungspraxis höchstens Bandbreiten für den Preis bestimmen, der als fremdüblich angesehen werden kann (vgl. Fischer et al. 2015: 477). Zur Überprüfung, ob ein Verrechnungspreis den steuerrechtlichen Vorgaben ent­ sprechend bestimmt wurde, ist die Verrechnungspreisermittlung in verwertbarer Wei­ se zu dokumentieren (vgl. Fischer et al. 2015: 479f). Die Dokumentationsanforderun­

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 323

gen erstrecken sich auf eine Sachverhalts- und eine Angemessenheitsdokumentation. Während im Rahmen der Sachverhaltsdokumentation Arten und Inhalte der Trans­ aktionen offenzulegen sind, ist durch die Angemessenheitsdokumentation die Be­ achtung des Fremdvergleichsgrundsatzes nachzuweisen. Hieraus ergeben sich zwei weitere Problembereiche: 1. Einerseits kommt es in der Anwendungspraxis häufig vor, dass die Ermittlungen der Verrechnungspreise nicht vorschriftsmäßig dokumentiert werden (vgl. Hor­ váth et al. 2015: 305ff). Zudem mangelt es an einer eindeutigen Definition hinsicht­ lich des Anforderungskriteriums der Verwertbarkeit; diese Einschätzung obliegt damit regelmäßig der Steuerverwaltung. Sollte diese die Dokumentation als „im Wesentlichen unverwertbar“ einstufen, muss das Unternehmen zusätzlich einen Strafbetrag entrichten, der sich zwischen 5 und 10 % des nachzutragenden Wertes bewegt, mindestens jedoch 5.000 € beträgt (Schnorberger 2012: 2011). 2. Andererseits kann es, obwohl die Bedingungen des Fremdvergleichsgrundsatzes eingehalten wurden, zu unterschiedlichen Interpretationen bezüglich der doku­ mentierten Inhalte kommen. Dies liegt häufig an den komplexen Zusammenhän­ gen bei Verrechnungspreisproblemen, die im Nachhinein schwer nachzuvollzie­ hen sind oder später aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden können (vgl. Horváth et al. 2015: 305ff). Sollten zwei Steuerverwaltungen aus verschiede­ nen Ländern unterschiedliche Sichtweisen vertreten, so kann dies durchaus ei­ ne Doppelbesteuerung zur Folge haben (vgl. Brühl 2016: 370f; vgl. Stelling 2009: 271f). Aus diesen Gründen wird in der Anwendungspraxis häufig im Rahmen eines mutual agreement process eine einvernehmliche Lösung mit den Steuerbehörden hinsichtlich der Verrechnungspreisgestaltung und der Art der Dokumentation angestrengt (vgl. Stelling 2009: 271f). Diese Verrechnungspreisvereinbarungen basieren i. d. R. auf den international anerkannten Methoden der Verrechnungspreisermittlung im Konzern. Als solche Methoden dürfen die sogenannten Standardmethoden des Fremdver­ gleichs gelten, nämlich (vgl. Weber, Schäffer 2016: 227f): – die Preisvergleichsmethode (comparable uncontrolled price method), – die Wiederverkaufspreismethode (resale price method) und – die Kostenaufschlagsmethode (cost plus method). Diese Verrechnungspreismethoden sollen der Ermittlung eines Verrechnungspreises unter fremdvergleichskonformen Bedingungen dienen (siehe Abbildung D3.10). Unter Verwendung dieser Standardmethoden ist jede Transaktion zwischen den Konzern­ unternehmen zu prüfen, ob der angesetzte Verrechnungspreis auch aus steuerrecht­ licher Perspektive angemessen erscheint. Dabei ist jene Methode zu wählen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz am ehesten entspricht; gegebenenfalls können auch meh­ rere Methoden gleichzeitig angewendet werden (vgl. Brühl 2016: 374).

324 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Konzern mit zwei Unternehmenseinheiten Unternehmenseinheit Z

p2

Unternehmenseinheit A

Zielmarkt

p1 Kostenaufschlag (Kosten für Z)

Wiederverkauf (Angebotspreis A)

Preisvergleich (Angebotspreis Z)

v p = Marktpreis v = Verrechnungspreis Abb. D3.10: Ansatzpunkte steuerrechtlich zulässiger Ermittlungsmethoden (eigene Darstellung).

Die drei Standardmethoden gelten zwar prinzipiell als gleichwertige Methoden, al­ lerdings legt der leitende Gedanke des Fremdvergleichsgrundsatzes nahe, den Ver­ rechnungspreis vorrangig auf der Basis marktbezogener Informationen, also mittels der Preisvergleichsmethode zu ermitteln (vgl. Kluge 2013: 75f). Hinsichtlich des Er­ mittlungsalgorithmus der steuerrechtlich zulässigen Standardmethoden lassen sich diese am ehesten folgenden betriebswirtschaftlichen Ermittlungsmethoden zuordnen (siehe Abbildung D3.11).

Methoden der Verrechnungspreisermittlung

Preisvergleichsmethode steuerrechtlich zulässige Methoden

marktorientierte Verrechnungspreise

Wiederverkaufspreismethode



Kostenaufschlagsmethode

kostenorientierte Verrechnungspreise mit Zuschlag

betriebswirtschaftliche Methoden (Auswahl)

Abb. D3.11: Steuerrechtlich zulässige und betriebswirtschaftliche Ermittlungsmethoden (in Anleh­ nung an Brühl 2016: 371).

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 325

Grenz- und vollkostenorientierte Verrechnungspreise ohne Zuschlag sowie ver­ handlungsorientierte Verrechnungspreise sind also nicht mit den steuerrechtlichen Standardmethoden kompatibel. Umgekehrt findet die Wiederverkaufspreismethode hinsichtlich ihres Ermittlungsalgorithmus keine Entsprechung bei den üblichen betriebswirtschaftlichen Ermittlungsmethoden. Da das Steuerrecht mit dem Fremd­ vergleichsgrundsatz eine realitätsgerechte steuerliche Bemessungsgrundlage entwi­ ckeln will, konzentrieren sich die verschiedenen steuerrechtlich zulässigen Metho­ den der Verrechnungspreisermittlung allein auf die Erfolgsermittlungsfunktion. Insofern werden hier die potenziellen Zielkonflikte zwischen der Koordinationsund der Erfolgsermittlungsfunktion tendenziell verschärft (vgl. Kluge 2013: 341). Im Rahmen der Preisvergleichsmethode werden die Transaktionen zwischen den Konzernunternehmen auf die Transaktionsart und auf die Herkunft der Trans­ aktionspartner untersucht; hieraus können im Ergebnis die vier in Tabelle D3.1 aufge­ führten Konstellationen resultieren. Tab. D3.1: Preisvergleichsansätze (in Anlehnung an Brühl 2016: 372). Vergleichsansatz

Art gleichartige Transaktionen

Transaktionen nicht gleichartig

Außenvergleich

originärer Preisvergleich

modifizierter Preisvergleich

Innenvergleich

konzerninterner Preisvergleich

modifizierter interner Preisvergleich

Bei einem Außenvergleich wird der Verrechnungspreis der Transaktion mit Trans­ aktionspreisen zwischen konzernunabhängigen Dritten, mit Börsenpreisen oder branchenüblichen Preisen verglichen. Zunächst ist in der Preisvergleichsmethode festzustellen, ob die zum Vergleich ausgewählten Transaktionen auch tatsächlich gleichartig sind, oder ob es Hinweise für eine Ungleichartigkeit gibt. Diese Prüfung ist anhand folgender Kriterien durchzuführen (vgl. BMF 1983: Tz. 3.3.1): – Art, Qualität und Mengen der Transaktionsgüter – Transaktionskonditionen (Preis, Liefer- und Zahlungsmodalitäten des Geschäfts) – Handelsstufe, Absatzmarkt der Lieferung sowie allgemeine Marktverhältnisse Sofern die Transaktionen hinsichtlich der Kriterien gleiche Merkmale aufweisen, kann der Transaktionspreis als Verrechnungspreis gelten (originärer Preisvergleich); unterscheiden sich die Transaktionen, sind zumindest entsprechende korrigierende Anpassungen des Verrechnungspreises vorzunehmen (modifizierter Preisvergleich). Bei einem Innenvergleich stammt die Referenzgröße für die Prüfung des Verrech­ nungspreises der Transaktionen aus Geschäften des Konzernunternehmens mit kon­ zernfremden Unternehmen; diese Referenzgröße ist also eine eher konzernindivi­ duelle Größe. Bei gleichartigen Transaktionen erfolgt damit ein konzerninterner Preisvergleich. Ist eine Gleichartigkeit nicht feststellbar, so ist auch hier die kon­

326 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

zernindividuelle Referenzgröße so zu korrigieren, dass die fehlende Gleichartigkeit der Transaktionen kompensiert wird (modifizierter konzerninterner Preisvergleich). Wird der Verrechnungspreis auf der Basis von Marktpreisen ermittelt, so ist zunächst von relativ geringen Zielkonflikten zwischen der Koordinations- und der Erfolgser­ mittlungsfunktion auszugehen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 576). Gleichwohl ist die Preisvergleichsmethode als marktpreisorientierte Verrechnungspreismethode auf­ grund der steuerlich hohen Vergleichbarkeitsanforderungen in der Anwendungs­ praxis selten in der Reinform umsetzbar (vgl. Kluge 2013: 341). In allen Preisvergleichsfällen kommt als Ausgangsgröße für die Ermittlung ei­ nes steuerrechtlich zulässigen Verrechnungspreises ein Marktpreis zum Zuge – dies ist auch bei der Wiederverkaufspreismethode der Fall; allerdings wird hier als marktbezogene Ausgangsgröße der Marktpreis herangezogen, der im Rahmen des Weiterverkaufs durch die abnehmende Unternehmenseinheit A realisiert wird. Der Verrechnungspreis für die von der Unternehmenseinheit Z erbrachte Leistung wird im Rahmen einer Rückrechnung wie folgt ermittelt (vgl. Brühl 2016: 373):

− − =

Wiederverkaufspreis Kosten bis zum Wiederverkauf Gewinnaufschlag Verrechnungspreis

Die Rückrechnung des Wertschöpfungsbeitrags der Unternehmenseinheit A wird um­ gesetzt, indem die von A eingesetzten Kosten bis zum Wiederverkauf am Zielmarkt und der von der Unternehmenseinheit A geltend gemachte oder branchenübliche Gewinnaufschlag vom Wiederverkaufspreis abgezogen werden (vgl. Kluge 2013: 318). Diese Methode eignet sich nur dann zur Verrechnungspreisermittlung, wenn sich bei der Unternehmenseinheit A der Kosteneinsatz bis zum Wiederverkauf mit hinreichen­ der Präzision ermitteln lässt. Dies wird im Allgemeinen dann der Fall sein, wenn das abnehmende Konzernunternehmen keine umfangreichen Weiterverarbeitungen vor­ nimmt, die kostenrechnerisch nur mit hohem Aufwand rekonstruierbar sind – wenn also das abnehmende Konzernunternehmen vorwiegend mit Vertriebsaufgaben be­ fasst ist (vgl. Broecker 2001: 116f). Die Kostenaufschlagsmethode soll vorwiegend dann zur Anwendung kommen, wenn für den konzerninternen Leistungsaustausch kein Marktpreis ermittelbar ist, weil es sich beispielsweise um konzerninterne, kundenindividuelle Leistungen han­ delt (wie z. B. Verwaltungsdienstleistungen oder technische Dienstleistungen). Auch wenn die Kostenaufschlagsmethode von ihrem Wesen her eigentlich nicht dem Grund­ gedanken des Fremdvergleichs entsprechen kann, findet sie nicht nur bei immateri­ ellen Leistungen, sondern bei recht vielen unterschiedlichen Leistungsarten Anwen­ dung. Sie wird aufgrund der Verfügbarkeit der Daten, die i. d. R. direkt aus der internen Unternehmensrechnung abgeleitet werden können, den anderen beiden Standardme­ thoden des Fremdvergleichs deutlich vorgezogen (vgl. Hummel, Pedell 2009: 582). Die Kostenaufschlagsmethode entspricht im Wesentlichen den betriebswirtschaftli­

3 Ermittlung der Verrechnungspreise | 327

chen grenz- bzw. vollkostenorientierten Verrechnungspreismethoden mit Zuschlag. Ausgangspunkt sind die Daten der internen Unternehmensrechnung der liefernden Unternehmenseinheit Z, denen als Ausgangsgrößen entweder die vollen oder nur die variablen Selbstkosten entnommen werden (vgl. Brühl 2016: 373):

+ =

Selbstkosten (Voll- oder Teilkosten) Gewinnaufschlag Verrechnungspreis

Der Fremdvergleich erfordert hier von der liefernden Unternehmenseinheit Z, dass diese sowohl den Kosteneinsatz wie auch den Gewinnaufschlag genauso kalkuliert, als handelte es sich um eine Transaktion mit einem konzernfremden Unternehmen; zumindest sollte die Kalkulation betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen (vgl. Brühl 2016: 374). Damit der so zu ermittelnde Verrechnungspreis den Anforde­ rungen der Finanzbehörden entsprechen kann, sind als Ausgangsgröße regelmäßig die vollen Selbstkosten heranzuziehen, da davon auszugehen ist, dass mit der Kal­ kulation der volle Kosteneinsatz gedeckt werden soll. Denkbar ist als Ausgangsgröße jedoch auch ein Teilkostenbetrag, wenn beispielsweise ein ruinöser Preiswettbewerb den durchsetzbaren Marktpreis auf eine Preisuntergrenze reduziert, die einen Fixkos­ tenersatz zumindest vorübergehend nicht einräumen kann (vgl. BMF 1983: Tz. 2.2). Auch bei dieser Methode ist der Gewinnaufschlag als branchenüblicher Gewinnauf­ schlag oder so wie bei vergleichbaren Transaktionen zu bemessen. Neben den hier aufgeführten Standardmethoden des Fremdvergleichs gibt es wei­ tere Methoden, die die Gewinne der Konzernunternehmen rekonstruieren, um damit eine Ermittlung des konzerninternen Verrechnungspreises zu ermöglichen (vgl. We­ ber, Schäffer 2016: 228; vgl. Coenenberg et al. 2016a: 773). Diese sogenannten Gewinn­ methoden gelten jedoch gegenüber den Standardmethoden als nachrangig, d. h. sind Standardmethoden zur Verrechnungspreisbestimmung auf eine Transaktion prinzipi­ ell anwendbar, dann ist diesen auch der Vorzug zu gewähren (vgl. OECD 2010: 60).

3.5 Übungsaufgaben Aufgabe 1 Gehen Sie von der in Aufgabe 1 (Teil D, Kapitel 2.4) geschilderten Ausgangssituation aus und nehmen Sie nun an, dass der Verrechnungspreis für die geplante konzernin­ terne Transaktion durch die beiden Center ausgehandelt werden soll. Identifizieren Sie die Einigungsbereiche, wenn die Verbundeffekte berücksich­ tigt bzw. nicht berücksichtigt werden. Gibt es in dieser Situation einen Verrechnungs­ preis, der aus der Sicht des Gesamtunternehmens die Koordinationsfunktion optimal erfüllt? Begründen Sie Ihre Einschätzung mit Bezug auf den Begriff der Opportunitäts­ kosten.

328 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Aufgabe 2 Gehen Sie von der in Aufgabe 1 (Teil D, Kapitel 2.4) geschilderten Ausgangssituation aus. In der Cycle AG ist wiederum über einen einmaligen Zusatzauftrag eines Groß­ kunden zu entscheiden: Bei der Lieferung von 1.000 E-Bikes könnte ein Umsatzerlös in Höhe von 300.000 € realisiert werden. Das Profitcenter E-Bike-Systems GmbH ver­ fügt über die erforderlichen Kapazitäten. Für jedes E-Bike würde genau ein Elektromo­ tor von der Electronica s. r. o. bezogen, auch bei der Electronica sind die notwendigen Kapazitäten verfügbar. Als Verrechnungspreis wird von der Zentrale ein vollkosten­ orientierter Preis vorgegeben. Im Rahmen der Vollkostenrechnungen der beiden Konzernunternehmen werden folgende Daten bezüglich des Zusatzauftrags ermittelt: Daten (€)

Kostenrechnung Electronica

Kostenrechnung E-Bike-Systems

variable Auftragskosten/LE auftragsanteilige Fixkosten/LE Verrechnungspreis/LE Selbstkosten pro LE

100 150 250 250

60 90 250 400

a. Zeigen Sie die Kostenstrukturen für das Profitcenter E-Bike-Systems und für die Cycle AG mit den variablen und fixen Kostenanteilen an den Gesamtkosten auf. Entscheiden Sie aus der Sicht des Profitcenters E-Bike-Systems über Annahme bzw. Ablehnung des Zusatzauftrags im Rahmen einer Teilkostenrechnung. Beurteilen Sie anschließend mit Bezug auf den Sachverhalt der Fixkostenpropor­ tionalisierung Ihre Entscheidung aus der Perspektive des Gesamtunternehmens. b. Ermitteln Sie mithilfe der steuerrechtlich zulässigen Standardmethoden steuer­ rechtlich grundsätzlich in Betracht kommende Verrechnungspreise, wenn – Fall 1: das Profitcenter E-Bike-Systems im Verkauf der Fertigprodukte übli­ cherweise einen Verkaufserlös erzielt in Höhe von 500 €/LE und in dem Ver­ kaufserlös ein branchenüblicher Gewinnanteil in Höhe von 25 % enthalten ist. – Fall 2: das Profitcenter Electronica beim Verkauf der Zwischenprodukte am heimischen Markt einen branchenüblichen Gewinnaufschlag von 20 % auf die vollen Selbstkosten geltend macht. – Fall 3: das Profitcenter Electronica beim Verkauf der Zwischenprodukte am heimischen Markt einen branchenüblichen Gewinnaufschlag von 150 % auf die Teilkosten geltend macht. Aufgabe 3 Die Cycle AG ist ein Unternehmen mit einer divisionalen Organisationsstruktur. In­ nerhalb des Unternehmens ist das in Wilhelmshaven ansässige Profitcenter E-BikeSystems mit der auftragsbezogenen Fertigung von elektronisch unterstützten Fahrrä­ dern für Großkunden betraut. Die für die E-Bikes benötigten Elektromotoren werden

3 Ermittlung der Verrechnungspreise |

329

von dem neu gegründeten, in Oldenburg ansässigen Center Electronix bezogen. Über die konkrete Art dieses Centers ist in der Cycle AG noch nicht abschließend entschie­ den worden; jedenfalls soll das neu gegründete Center die Versorgung des Centers E-Bike-Systems mit den dort benötigten Elektromotoren sicherstellen – und hat des­ halb keinen freien Zugang zum externen Markt. Die Electronix kann mit ihren Produk­ tions- und Lagerkapazitäten jeder Nachfragemenge des Profitcenter E-Bike-Systems entsprechen. Das Profitcenter E-Bike-Systems als Abnehmerdivision hat für die E-Bikes eine Preisabsatzfunktion ermittelt mit EA (xA ) = (500 − 0,04 ⋅ xA ) ⋅ xA

[Erlös der „E-Bike-Systems“]

Aus der Preisabsatzfunktion ist erkennbar, dass der Preis mit zunehmender Angebots­ menge sinkt. Pro empfangenem Zwischenprodukt von der Zulieferdivision Electronix stellt die E-Bike-Systems genau ein Endprodukt her und setzt dieses am Zielmarkt ab; bezüglich der Transfermenge gilt also: xz = xA

[Transfermenge]

Die Herstellung eines Endprodukts verursacht bei der E-Bike-Systems variable Stückkosten in Höhe von 30 €/LE. Daneben sind periodische Fixkosten in Höhe von 100.000 € zu decken. Bei der Zulieferdivision Electronix entstehen durch die Her­ stellung eines Zwischenprodukts variable Stückkosten in Höhe von 70 €/LE. Zudem fallen Fixkosten pro Periode in Höhe von 70.000 € an: a. Stellen Sie die für eine Transfermengenoptimierung relevanten Kosten-, Erlösund Gewinnfunktionen auf. b. Führen Sie eine Transfermengenoptimierung auf Basis eines grenzkostenorien­ tierten Verrechnungspreises durch. c. Führen Sie eine Transfermengenoptimierung auf Basis eines vollkostenorien­ tierten Verrechnungspreises durch; das Center Electronix ermittelt seine Stück­ kosten auf Basis einer verfügbaren Maximalkapazität pro Periode in Höhe von 7.000 LE. Ermitteln Sie die im Center Electronix entstehenden Leerkosten. d. Stellen Sie für die Aufgabenteile b. und c. die Erfolgsrechnungen für die beiden Center und für die Cycle AG als Gesamtunternehmen auf. Wie änderten sich die Erfolgsrechnungen im Aufgabenteil b., wenn ein (transfermengenneutraler) Glo­ balbetrag in Höhe von 60.000 € vereinbart wäre? e. Beurteilen Sie Ihre Ergebnisse mit Bezug auf die Koordinations- und Erfolgser­ mittlungsfunktion der Verrechnungspreise. Welche konkrete Gestaltung schla­ gen Sie für das Center Electronix vor? Begründen Sie Ihren Vorschlag.

Zusammenfassung Die Größe und die Komplexität von Unternehmen erfordern zwecks Komplexitäts­ bewältigung die Schaffung dezentraler Entscheidungseinheiten. Die verschiedenen Centerkonzepte bieten hier unterschiedliche Möglichkeiten der Delegation von Ent­ scheidungs- und Handlungsspielräumen an dezentrale Einheiten. Der Fokus der Koordination dieser Entscheidungseinheiten besteht in der Abstimmung dezentraler Entscheidungen im Hinblick auf die Gesamtunternehmensziele. Im Rahmen dieser Koordination nehmen Verrechnungspreise eine doppelte Rolle ein. – Einerseits sollen durch den Einsatz der Verrechnungspreise die dezentralen Ent­ scheidungen auf die Erreichung der Unternehmensziele ausgerichtet werden. – Andererseits soll durch den Einsatz der Verrechnungspreise eine präzise Spal­ tung des Gesamterfolgs in einzelne Teilerfolge und die verursachungsgerechte Zuordnung der Teilerfolge auf die dezentralen Entscheidungseinheiten ermög­ licht werden. Die Teilerfolge der Entscheidungseinheiten können dann als Be­ urteilungsgrundlage im Rahmen der Anreizgestaltung dienen und somit die Koordinationsfunktion unterstützen; daneben können sie auch als Entschei­ dungsgrundlage für die unternehmensweite Ressourcenallokation verwendet werden. Vor dem Hintergrund dieser hohen Anforderungen an das Instrument der Verrech­ nungspreise ist ein erstes grundlegendes Dilemma erkennbar, das an die Mehrfach­ zielsetzung der Verrechnungspreise geknüpft ist. – Mit der Verwendung nur eines einzigen Verrechnungspreises lassen sich nicht alle Funktionen in gleicher Güte erfüllen und zudem – sind potenzielle Zielkonflikte zwischen der Funktion der internen Erfolgsermitt­ lung einerseits und der Koordinationsfunktion sowie der Funktion der Steuermi­ nimierung andererseits erkennbar. Ausgehend von diesem grundlegenden Dilemma ergeben sich besondere Anforde­ rungen an die eingesetzte Methodik der Verrechnungspreisermittlung. Grundsätzlich sind hier markt-, kosten-, oder verhandlungsorientierte Ermittlungsmethoden denk­ bar. Mit der Anwendung der verschiedenen Methoden ergeben sich weitere metho­ dengebundene Dilemmata. 1. Der Marktpreis als Referenzgröße für den zu bildenden Verrechnungspreis bietet den besten Wert hinsichtlich der Koordination der Entscheidungseinheiten und auch hinsichtlich der Erfolgsermittlung in den Entscheidungseinheiten: Markt­ preise sind durch ein hohes Maß an Objektivität gekennzeichnet, weisen eine ge­ ringe Manipulierbarkeit auf, genießen auch deshalb ein hohes Maß an Akzeptanz in den Entscheidungseinheiten – was der Koordinationsfunktion sehr zuträglich ist. In der Anwendungspraxis sind jedoch die recht rigiden Einsatzbedingungen https://doi.org/10.1515/9783110439793-021

3 Zusammenfassung |

2.

3.

4.

331

nicht gegeben, zumal vollkommene Märkte eher als theoretische Konstrukte gel­ ten dürfen. Insofern sind häufig eher interne Kostendaten als „Second-Best-Refe­ renzgrößen“ für den zu bildenden Verrechnungspreis heranzuziehen. Bei den für die Verrechnungspreisbildung zu verwendenden Kostendaten bie­ ten die Grenzkosten den besten Wert hinsichtlich der Koordination der Ent­ scheidungseinheiten. Aber auch hier gilt, dass die rigiden Bedingungen für eine funktionierende Koordination (wie beispielsweise die Irrelevanz von Kapazitäts­ beschränkungen oder das Vorliegen linearer Kostenfunktionen) in der Anwen­ dungspraxis meist nicht gegeben sind. Dies gilt gleichermaßen für die mit einem Globalbetrag ausgestatteten grenzkostenorientierten Verrechnungspreise. Da­ neben ist zu bedenken, dass grenzkostenorientierte Verrechnungspreise ohne Globalbetrag systematisch zu einer erheblichen Verzerrung der Teilerfolge der Entscheidungseinheiten führen. Auch der zwischen den Entscheidungseinhei­ ten auszuhandelnde Globalbetrag wird diese Verzerrung nicht mit angemessener Präzision heilen können, zumal eine Gleichverteilung der Verhandlungsmacht zwischen den Entscheidungseinheiten nicht anzunehmen ist. Der mit Opportunitätskosten versetzte knappheitsorientierte Verrechnungs­ preis kann die Erfolgsermittlungsfunktion in keiner Weise erfüllen und ist zudem als Koordinationsinstrument nur insoweit brauchbar, als dass er zur engpassori­ entierten Lenkung der Transfermengen dienen kann. Somit bleibt nur der Rückgriff auf Vollkostendaten als Referenzgrößen für den zu bildenden Verrechnungspreis. Zwar wird damit die Verzerrung der Teilerfol­ ge im Vergleich zu den grenzkostenorientierten Verrechnungspreisen reduziert, weil mit den Nutzkosten zumindest ein Teil der Fixkosten verrechnet wird. Dies geschieht allerdings zulasten der Koordinationsfunktion, was in besonderem Ma­ ße für die vollkostenorientierten Verrechnungspreise mit Gewinnzuschlag gilt: denn jeder Aufschlag auf den grenzkostenorientierten Verrechnungspreis führt zwangsläufig zu einem Suboptimum bezüglich der Transfermenge und demzufol­ ge zu einer Abweichung vom maximalen (unternehmensweiten) Gesamtergebnis.

Es zeigt sich also immer wieder das Ausgangsdilemma: Die Mehrfachzielsetzung der Verrechnungspreise kann durch keinen Ermittlungsalgorithmus adäquat umge­ setzt werden. Auch unterschiedliche Verrechnungspreise für die am Leistungsaus­ tausch beteiligten Entscheidungseinheiten (duale Verrechnungspreise) können das Ausgangsdilemma nicht heilen, führen sie doch ebenfalls zu einer Erfolgsverzerrung und auch deshalb zu relativ geringer Akzeptanz in den Entscheidungseinheiten. Der generelle Verzicht auf eine Referenzgröße durch potenziell konfliktbehaftete Ver­ handlungen über den Verrechnungspreis beinhaltet wiederum die als relativ evident einzustufende Gefahr, dass die Entscheidungseinheiten bereichsegoistisch verhan­ deln und demzufolge Verrechnungspreise festlegen, die aus der Perspektive des Ge­ samtunternehmens suboptimal sind (vgl. auch Schweitzer et al. 2016: 520ff).

332 | Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten

Daneben ist zu bedenken, dass zumindest die kostenorientierten Verrechnungs­ preise mit ihrer modelltheoretischen und mathematisch geprägten Sicht den Ent­ scheidungseinheiten nur eine „Scheinautonomie“ zugestehen (vgl. Weber, Schäf­ fer 2016: 226). – Entscheidungseinheiten, die Leistungen anbieten, für die es keinen Markt gibt, oder für die sie keinen Marktzugang haben, wirken an der Bestimmung des Trans­ fermengenoptimums gar nicht mit. Zur Vermeidung einer Autonomieillusion soll­ te deshalb von vornherein ein Kontrahierungszwang bestehen (vgl. Brühl 2016: 354 und 365). – Entscheidungseinheiten, die Leistungen beziehen, sind bei der Bestimmung des Transfermengenoptimums nur indirekt autonom – denn für das zu ermittelnde Transfermengenoptimum ist allein der Verrechnungspreis bzw. dessen Ermitt­ lungsmethodik maßgeblich. Insofern könnte die Zentrale – wenn sie mit der Gestaltung des Verrechnungspreissystems den Ermittlungsalgorithmus für den Verrechnungspreis sowieso vorgibt – auch gleich die gesamtoptimale Lösung an die Entscheidungseinheiten kommunizieren. In Anbetracht der geschilderten Dilemmata der nach betriebswirtschaftlichen Er­ mittlungsmethoden gebildeten Verrechnungspreise führt die überwiegende Mehr­ heit international agierender (Konzern-)Unternehmen kein two sets of books, tren­ nen also nicht zwischen Verrechnungspreisen für interne und externe Zwecke (vgl. Brühl 2016: 377). Da im Rahmen der Standardmethoden des Fremdvergleichs die Kos­ tenaufschlagsmethode mit den Vollkosten als Ausgangsgröße überragenden (steu­ errechtlichen) Stellenwert genießt (vgl. Hummel, Pedell 2009: 582), dominieren in der Anwendungspraxis vollkostenorientierte Verrechnungspreise. Sie stellen offen­ sichtlich einen akzeptablen Kompromiss zwischen den steuerrechtlich zulässigen Standardmethoden und den betriebswirtschaftlichen Ermittlungsmethoden dar (vgl. Weber, Schäffer 2016: 229).

| Teil E: Berichtswesen und Reporting

Einleitung Entscheidungen setzen die Bereitstellung der für die Entscheidungen relevanten und erforderlichen Informationen voraus – eine zentrale Aufgabe des Controllings. Hier­ zu bedient sich das Controlling vielfältiger Instrumente und Rechnungssysteme (vgl. Teil A). Ein zentrales Instrument des Controllings zur Erfüllung der Informationsauf­ gabe stellt das gesamte Berichtswesen im Unternehmen dar. Hierbei ist zu bedenken, dass die Orte der Informationsentstehung und -verwendung naturgemäß auseinan­ derfallen müssen. Das Berichtswesen nimmt insofern eine Vermittlungsfunktion ein, da es als Bindeglied zwischen Informationsentstehungs- und Informationsverwen­ dungsort fungiert (vgl. Jung 2014a: 143). Dieser Anforderung trägt das Berichtswesen einerseits mit den unterschiedlichen Berichtsarten und Berichtssystemen, anderer­ seits mit einer zielorientierten Verdichtung der zu transportierenden Daten und Infor­ mationen Rechnung. Teil E dieses Buches befasst sich mit den Thematiken der Informationsermittlung, der Informationsbereitstellung und der Informationsverwendung. Die Kerngrundlage für die Interpretation der betrieblichen Abläufe und deren Auswirkungen im Hinblick auf die zu treffenden kurzfristigen (Korrektur- bzw. Anpassungs-)Entscheidungen bil­ det die Messung der Zielerreichungsgrade mittels Kennzahlen (vgl. Jung 2014a: 157). In Teil E erhalten Sie zunächst einen Überblick über die Kennzahlen und Kennzahlen­ systeme, vornehmlich in ihrer operativen Ausrichtung (siehe Teil E, Kapitel 1). Im Wei­ teren werden die Grundlagen eines Berichtswesens und Reportings in Unternehmen dargelegt (siehe Teil E, Kapitel 2). Hierbei stehen die Probleme der Informationsver­ dichtung durch Kennzahlen bzw. durch Kennzahlensysteme und auch die Optionen der effizienten Gestaltung des Berichtswesens im Fokus der Betrachtungen. In Bezug auf die Informationsverwendung werden die möglichen verhaltenssteuernden Aspek­ te des Berichtswesens und die Grenzen der Verhaltenssteuerung herausgestellt (siehe Teil E, Kapitel 3). Nach Bearbeitung von Teil D „Berichtswesen und Reporting“ – sollten Sie die leitenden Grundideen des Berichtswesens und des Reportings kennen sowie die Berichtszwecke und -merkmale differenziert darstellen können. – sollten Sie die unterschiedlichen Berichtsarten und Berichtssysteme vor dem Hintergrund der spezifischen Zielsetzungen voneinander abgrenzen und die herausragende Relevanz der Kenn­ zahlen und der Kennzahlensysteme für das Berichtswesen und Reporting erkennen können. – sollten Sie die für die Berichtspraxis kritischen Aspekte des Einsatzes von Kennzahlen und Kenn­ zahlensystemen rekonstruieren und die grundlegenden Anforderungen an solche Formen der In­ formationsverdichtung erkennen können. – sollten Sie die Vor- und Nachteile von Kennzahlensystemen und die Anforderungen an ein effizi­ entes Berichtswesen in Unternehmen darlegen und kritisch reflektieren können. – sollten Sie die Verhaltenswirkungen von Berichten charakterisieren und einen konzeptionellen Bezugsrahmen für die Unterstützung der Verhaltenswirkungen des Berichtswesens entwerfen können. https://doi.org/10.1515/9783110439793-022

336 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

– –

sollten Sie mögliche Verhaltensanomalien im Berichtswesen erkennen und diese Grenzen der Verhaltenssteuerung ihren Bezugspunkten zuordnen können. sollten Sie vor den Hintergründen der verhaltenssteuernden Aspekte und der im Berichtswesen handelnden Akteure das gesamte Berichtswesen in Bezug auf seine grundlegenden Funktionen kritisch hinterfragen können.

1 Informationsermittlung – Kennzahlen und Kennzahlensysteme Ebenso wie zu dem Begriff „Controlling“ gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Be­ deutungsinhalte, mit denen der Begriff der Kennzahl ausgestattet wird. Aus diesem Grunde werden zunächst die Begriffe Kennzahl und Kennzahlensystem einer genaue­ ren Betrachtung unterzogen.

1.1 Zum Begriff der Kennzahl Gladen (vgl. Gladen 2014: 9) beschreibt Kennzahlen als quantitative Informationen, die formale Eigenschaften besitzen sollten, um aussagefähige Vergleiche zu ermög­ lichen. Die formalen Anforderungen leiten sich aus den Verhaltenseigenschaften der Informationsempfänger, den Entscheidungsträgern der Unternehmen oder den Mitar­ beitern ab (vgl. Gladen 2014: 4f): – Die Verhaltenseigenschaften bestimmen den subjektiven Informationsbedarf und die Bereitschaft, die jeweiligen Kennzahlen zu verwenden. – Der objektive Informationsbedarf bestimmt die inhaltlichen Anforderungen an die Kennzahlen (vgl. Gladen 2014: 7). Kennzahlen sollen eine Informationsent­ lastung durch Verdichtung ermöglichen. Die Informationen aus der Unternehmensrechnung an sich stellen noch keine Kenn­ zahlen dar, sondern lediglich sogenannte Basiszahlen, die erst durch Aggregation der Informationen zu aussagefähigen Kennzahlen werden (vgl. Gladen 2014: 11). Der Kennzahlenbegriff und damit auch das Verständnis von Kennzahlen durch­ lief im Laufe der Zeit eine vielseitige Entwicklung. Zunächst wurden Kennzahlen als ein Analysehilfsmittel betrachtet, das die finanzielle Sicherheit und die Wirtschaft­ lichkeit in Betrieben erkennen lässt (vgl. Reichmann et al. 2017: 38). Nach dem De­ finitionsvorschlag von Bouffier aus dem Jahre 1952 sind als Kennzahlen solche Zah­ len und Zahlenverhältnisse zu bezeichnen, die einen erkenntnisgenerierenden Cha­ rakter aufweisen und somit einen spezifischen Aussagewert hervorrufen (vgl. Bouf­ fier 1952: 28); diese wurden im weiteren zeitlichen Verlauf als Relativzahlen inter­ pretiert. Damit war die Informationsaufgabe der Kennzahlen begründet: Kennzahlen (auch Kennziffern benannt) sollen relevante betriebswirtschaftliche Sachverhalte und Tatbestände knapp zum Ausdruck bringen (vgl. Reichmann et al. 2017: 38f). Gleich­ wohl wird der Begriff der Kennzahl unterschiedlich beschrieben: – Reichmann et al. charakterisieren Kennzahlen wie folgt: „Kennzahlen werden als jene Zahlen betrachtet, die quantitativ erfassbare Sachverhalte in konzentrierter Form erfassen.“ (Reichmann et al. 2017: 39). Dieses umfassende Begriffsverständ­ nis wird auch von Küpper et al. vertreten (vgl. Küpper et al. 2013: 471). https://doi.org/10.1515/9783110439793-023

338 | Teil E: Berichtswesen und Reporting







Weber/Schäffer bezeichnen Kennzahlen als „[. . . ] quantitative Daten, die als be­ wusste Verdichtung der komplexen Realität über zahlenmäßig erfassbare be­ triebswirtschaftliche Sachverhalte informieren sollen.“ (Weber, Schäffer 2016: 177). Damit lehnen sie sich an die Beschreibung von Lachnit an (vgl. Lachnit 1979: 15ff). Auch Preißler definiert den Begriff sehr ähnlich; er beschränkt sich jedoch auf Zahlen, die Verhältnisse oder Relationen beschreiben: „Unter Kennzahlen ver­ steht man im Allgemeinen eine Verhältniszahl oder Relation, die in zusammen­ fassender, teilweise auch in vergröbernder Weise Zusammenhänge der wirtschaft­ lichen Arbeitsweise eines Unternehmens erläutert und veranschaulicht“ (Preißler 2014: 105). Auch Sandt beschreibt Kennzahlen als „[. . . ] jede Art von quantitativer Informati­ on, die über unternehmensinterne oder unternehmensexterne Sachverhalte Aus­ kunft geben [. . . ].“ (Sandt 2004: 10).

Da mit den Begriffsverständnissen von Preißler und Sandt lediglich Verhältnis- und Relationszahlen in den Fokus der Betrachtungen gerückt werden, orientieren sich die Ausführungen in Teil E an der umfassenderen Definition von Reichmann. In der deut­ schen Literatur wird generell davon ausgegangen, dass nur relevante Kennzahlen er­ hoben werden. Daher wird weitestgehend nur der Begriff „Kennzahl“ verwendet. Im angelsächsischen Raum werden für den im deutschen Sprachraum gängi­ gen Begriff „Kennzahl“ als Synonyme die Begrifflichkeiten „Performance Measure“ (Leistungsmessung) und „Performance Indicator“ (Leistungsindikator) verwendet. Dabei wird zwischen Performance Indicator (vgl. Fitz-Gibbon 1990: 19ff) und Key Performance Indicator (KPI; Schlüsselleistungsindikator) differenziert (vgl. Nee­ ly et al. 1995: 80ff). Kennzahlen für die Geschäftsführung werden in der Balanced Scorecard von Kaplan/Norton (1997) als Key Performance Indicator (KPI) definiert. Der Begriff „Key“ beschreibt die Wichtigkeit im Hinblick auf die Zielerfüllung. Perfor­ mance Indicators hätten hier keine Auswirkungen auf das System. Dies verdeutlicht, dass Kennzahlen für verschiedene Prozesse des Unternehmens auch verschiedene Er­ kenntniswerte generieren. Neben dem Begriff „Key Performance Indicator“ werden in der Anwendungspraxis viele weitere Begriffe synonym verwendet, wie beispielswei­ se der Begriff „Lead Performance Indicator“ und der Begriff „Value Driver“ im Value Based Management. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Kennzahlen genutzt werden können, um in konzentrierter Form wichtige Zusammenhänge und Informationen auf­ zuzeigen. Insofern gibt es mittlerweile einen allgemein akzeptierten und relativ ein­ heitlichen Kennzahlenbegriff (vgl. Reichmann et al. 2017: 40). Reichmann weist aber auch darauf hin, dass die angelsächsischen Begriffe gegenüber dem deutschen Be­ griff inhaltlich kürzer greifen, weisen sie doch generell nur eine Informations- und Warnfunktion auf. Demgegenüber können Kennzahlen, die in Kennzahlensystemen mit anderen Kennzahlen in einer wohldefinierten Relation zueinander gestellt wer­

1 Informationsermittlung – Kennzahlen und Kennzahlensysteme | 339

den, einen erheblich höheren Erklärungsbeitrag liefern (vgl. Reichmann et al. 2017: 41f; vgl. auch Schroeter 2002: 265).

1.2 Kennzahlen – Merkmale und Systematisierung Kennzahlen und Kennzahlensysteme können bei der Controllingaufgabe der horizon­ talen Koordination eingesetzt werden, denn durch Kennzahlen können alle quantifi­ zierbaren Sachverhalte gesteuert werden. Über Kennzahlensysteme lassen sich auch Verknüpfungen zwischen verschiedenen Größen berücksichtigen. Damit kann sowohl eine sehr lockere als auch eine sehr eng geknüpfte Koordination durch Kennzahlen er­ folgen. Die Art ist abhängig von der Anzahl und der Wertgrößenvorgabe der Kennzah­ len. Der Nachteil der Kennzahlen ist in der Vernachlässigung nicht oder nur schwer quantifizierbarer Sachverhalte zu sehen (wie z. B. Umweltschutz, Mitarbeiterfortbil­ dung, oder Instandhaltung), da als Steuerungsgrößen üblicherweise wertorientierte Größen wie z. B. Gewinn, Rentabilität und Liquidität gewählt werden. Die Steuerung als Aufgabe des Controllings soll die Erreichung gewünschter Ziele gewährleisten. Ziele sollten durch Kennzahlen soweit wie möglich numerisch beschrieben und damit operationalisiert werden. Der Grad der Zielerreichung wird darauf aufbauend mithilfe von Kennzahlen messbar (vgl. Wördenweber 2013: 8). Es besteht also ein enger Zusammenhang, eine Wechselwirkung zwischen Kennzahlen und Zielen (siehe Abbildung E1.1):

Kennzahlen

Ziele

Abb. E1.1: Wechselwirkungen zwischen Zielen und Kennzahlen (in Anlehnung an Wördenweber 2013: 8).

Synonym für den Begriff „Kennzahl“ werden in betriebswirtschaftlichen Kontexten auch Begriffe wie „Kontrollgrößen“, „Messgrößen“, „Kennziffern“ oder „Kenngrößen“ verwendet. Bei Kennzahlen handelt es sich um quantitative Daten, die als bewusste Verdichtung der komplexen Realität durch Messungen über zahlenmäßig erfassba­ re ökonomische Sachverhalte zu interpretieren sind. Sie sind also Aggregationen einer funktional begrenzten Informationsmenge (vgl. Lorson et al. 2013: 186; vgl. Friedl 2013: 256). Ihnen kommt somit eine komplexitätsreduzierende Bedeutung zu. Es gibt drei konstitutive Elemente, die Kennzahlen erfüllen sollten, damit sie ver­

340 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

wertbare und aussagekräftige Ergebnisse hervorbringen können (vgl. Reichmann et al. 2017: 40f; vgl. hierzu auch Teil E, Kapitel 1.2.3): – Informationscharakter: Kennzahlen erlauben Urteile über Sachverhalte und Zu­ sammenhänge. – Quantifizierbarkeit: Kennzahlenmessungen erlauben zulässige Aussagen. – Komplexitätsreduktion: Kennzahlen erlauben eine vereinfachte Abbildung kom­ plexer Strukturen. Die verschiedenen Kennzahlen werden sowohl auf der Gesamtunternehmensebene (also auf den gesamten Prozess- und Strukturebenen) als auch auf der Ebene betrieb­ licher Teileinheiten (also auf den Funktionsebenen der Unternehmensbereiche Pro­ duktion, Vertrieb, Logistik, Personal, Beschaffung, Materialwirtschaft etc.) eingesetzt. Der Einsatz auf der Gesamtunternehmensebene ist hinsichtlich der intendierten Aus­ sagewerte der Kennzahlen mit eher strategischen Erkenntnisinteressen verbunden. Beim Kennzahleneinsatz auf den Funktionsebenen hingegen stehen hinsichtlich der Aussagewerte eher operative Aspekte im Vordergrund. Kennzahlen sollen Informationen über die betriebliche Situation bereitstellen und so dem Entscheidungsträger eine Grundlage für seine Entscheidung bieten (vgl. z. B. Reichmann et al. 2017: 40). Daher werden sowohl strategisch relevante Kennzah­ len und Kennzahlensysteme, als auch operativ relevante Kennzahlen und Kennzah­ lensysteme verwendet. Operative Kennzahlen hängen mit ihren spezifischen Ausprä­ gungen allerdings sehr stark von der konkreten Fallkonstellation ab, sind aber für das Controlling häufig nützlicher als z. B. strategisch bedeutsame Finanzkennzahlen. Nachfolgende vier Beispiele sollen diesen Tatbestand verdeutlichen: 1. So ist z. B. beim Kommissionieren kleinerer Lagerteile die Kennzahl „Picks pro Person/Tag“ sinnvoll; bei größeren Teilen z. B. die Kennzahl „Tonnen pro Per­ son/Tag“. 2. Bei stark manuell geprägten Tätigkeiten ist exempli causa die Kennzahl „Vorgänge pro Person/Tag“ sinnvoll, also z. B. Auftragsbearbeitungen pro Person/Tag oder durchgeführte Rechnungsprüfungen pro Person/Tag. 3. Beim Einsatz von technischen Anlagen ist der Auslastungsgrad der Anlagen als Kennzahl eine maßgebliche Größe. 4. In der Produktion ist beispielsweise die Analyse von Haupt- und Nebenzeiten mit Kennzahlen zielführend, also die Ermittlung der Durchlaufzeiten, der Lagerzei­ ten, der Rüstzeiten etc. Die Kennzahlen besitzen im Allgemeinen dann einen deskriptiven Charakter, wenn sie Informationen über bedeutsame entscheidungsrelevante betriebliche Tatbestän­ de hervorbringen. Hierunter fallen v. a. Prämissen, Restriktionen in Form von Ne­ benbedingungen oder auch Erfolgsfaktoren. Einen normativen Charakter erlangen Kennzahlen, wenn sie Ziele oder Vorgaben ausdrücken. Dieses ist immer dann der Fall, wenn der Kennzahlenwert einen zu erreichenden Wert (anzustrebender Zieler­

1 Informationsermittlung – Kennzahlen und Kennzahlensysteme | 341

reichungsgrad) symbolisiert, also z. B. Umsatzziele, Mengenverbrauchsziele etc. (vgl. Friedl 2013: 257). In einem ersten Zugriff lassen sich Kennzahlen in drei übergeordnete betriebswirt­ schaftlich relevante Kategorien unterscheiden: – (Teil-)Produktivitätskennzahlen – Wirtschaftlichkeitskennzahlen – Rentabilitätskennzahlen. Bei (Teil-)Produktivitätskennzahlen handelt es sich um mengenmäßige Ansät­ ze (Kennzahlen) als spezielle Maße für die rationale Durchführung von Produkti­ ons(teil)prozessen auf der technisch-organisatorischen Ebene. Sie stellen also Maße für die technische Güte von Produktionsalternativen dar. Diese Messgrößen werden im Leistungserstellungsbereich von Unternehmen eingesetzt, z. B. in Form von Kennzah­ len wie „Maschinenproduktivität“, „Arbeitsproduktivität“, „Rohstoffproduktivität“ etc.; sie haben als Bezugsgrößen die Beschaffungsmärkte. Eine Ermittlung einer Ge­ samtproduktivitätskennzahl ist methodisch nicht seriös durchführbar – u. a. bedingt durch messtheoretische Anforderungen hinsichtlich der Zulässigkeit von Aussagen über numerische Vergleiche von Intervallen, Differenzen sowie Einzelmaßen auf kardinalem Messniveau. Daher ist eine sinnvolle Verschmelzung z. B. einer Arbeits­ produktivität – gemessen in Output (Leistungseinheiten) zu Input (Zeiteinheit) – mit einer Rohstoffproduktivität – gemessen in Output (Gewichtseinheit) in Relation zu Input (ebenfalls Gewichtseinheit) – nicht möglich, denn das Ergebnis hätte keinen sinnvollen Messbeitrag hervorgebracht (vgl. Meyer 2011: 103). Normiert sind diese (Teil-)Produktivitätskennzahlen i. d. R. durch den Quotienten [ME/ME]. Bei Wirtschaftlichkeitskennzahlen handelt es sich um wertmäßige Ansätze (Kennzahlen) als spezielle Maße für die rationale Bewertung von Produktions(teil)pro­ zessen auf der ökonomischen Ebene. Sie stellen also Maße für die ökonomische Er­ giebigkeit von Produktionsalternativen dar. Diese Messgrößen werden im Leistungs­ erstellungsbereich von Unternehmen eingesetzt, z. B. in Form von Kennzahlen wie „Kostenwirtschaftlichkeit“ (bzw. „Kosteneffizienz“), „Arbeitswirtschaftlichkeit“ (bzw. „Arbeitseffizienz“), „Materialwirtschaftlichkeit“ (bzw. „Materialeffizienz“); sie haben als Bezugsgrößen auch die Beschaffungsmärkte. Normiert sind diese Wirtschaftlich­ keitskennzahlen durch den Quotienten [ME/WE] für die kostenwirtschaftlichen Kenn­ zahlen. Bei Rentabilitätskennzahlen handelt es sich um wertmäßige Ansätze (Kennzah­ len) als spezielle Maße für die rationale Bewertung (des Verzinsungsgrads) des einge­ setzten Kapitals auf der ökonomischen Ebene (inklusive der Verwertungsebene). Sie stellen also Maße für die ökonomische Ertragskraft des in einem Unternehmen einge­ setzten Kapitals oder des erzielten Umsatzes dar. Diese Messgrößen werden sowohl im Leistungserstellungs- als auch im Leistungsverwertungsbereich von Unternehmen eingesetzt, z. B. in Form von Kennzahlen wie Eigenkapitalrentabilität, Gesamtkapi­ talrentabilität etc.; sie haben als Bezugsgrößen sowohl die Beschaffungs- als auch

342 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

die Absatzmärkte. Normiert sind diese Rentabilitätskennzahlen durch den Quotien­ ten [WE/WE].

1.2.1 Arten und Dimensionen der Kennzahlen Damit aussagekräftige Kennzahlen ermittelt werden können, müssen die Kennzah­ lenarten und die jeweiligen Zusammensetzungen der Kennzahlen bekannt sein (vgl. Meyer 2011: 22). Kennzahlen können nach unterschiedlichen Kriterien klassifiziert werden, wobei zu beachten ist, welchen Mehrwert die jeweilige Klassifizierung in sich trägt. Reichmann unterscheidet Kennzahlen nach folgenden Kriterien (vgl. Reich­ mann et al. 2017: 40f): – Informationsbasis – statistische Form – Zielorientierung – Objektbereich – Handlungsbezug. Nach Auffassung von Weber/Schäffer ist die statistische Klassifizierung am häu­ figsten vertreten; die Klassifizierung nach monetären und nicht monetären, lokalen und globalen sowie vorlaufenden und nachlaufenden Kennzahlen wird ebenfalls mit­ einbezogen (vgl. Weber, Schäffer 2016: 178). Die letztgenannten Kennzahlen bestim­ men bzw. geben das Ergebnisziel eines Unternehmens wieder. Unter vorlaufenden Kennzahlen sind solche Kennzahlen zu verstehen, die das zukünftige Finanzergeb­ nis beeinflussen und somit als potenzielle Steuerungskennzahlen zur Beeinflussung des Finanzergebnisses gelten dürfen. Nachlaufende Kennzahlen sollen lediglich über Ergebnisse von zu erfassenden Sachverhalten berichten und entfalten daher keine steuernde Wirkung in Unternehmen. Küpper et al. hingegen greifen die rein statistische Klassifizierung als einzige Art der Klassifizierung auf (vgl. Küpper et al. 2013: 471ff). Diese ist die einzig mathe­ matisch festgelegte Klassifizierungsmöglichkeit von Kennzahlen und lässt eine Unter­ teilung in zwei Klassen zu: Kennzahlen (als Oberbegriff) lassen sich hiernach prinzi­ piell in Einzelkennzahlen und als strukturierte Verknüpfung mehrerer Kennzahlen in Kennzahlensystemen unterteilen. Die Einzelkennzahlen wiederum sind in zwei Grup­ pen klassifizierbar (vgl. auch Jung 2014a: 158): – Kennzahlen als Absolutzahlen (Grundzahlen) und – Kennzahlen als Verhältniszahlen (relative Zahlen). Zu den absoluten Zahlen werden die Einzelzahlen, Summen, Differenzen und die Mit­ telwerte gezählt, die sich ohne weitere Berechnungen den betrieblichen Unterlagen entnehmen lassen (vgl. Posluschny 2007: 10). Werden Kennzahlen als absolute Zahlen konstruiert, so sollen sich mit ihnen einzelne Sachverhalte erfassen lassen, die nicht

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mit anderen Sachverhalten verknüpft werden. Sie drücken in diesem Sinne ein absolu­ tes Zahlenergebnis aus. Hierbei handelt es sich größtenteils um sogenannte Bestandsund Bewegungszahlen, die in unterschiedlichen Zusammenhängen in den einzelnen betrieblichen Bereichen eingesetzt werden, um Werte eines Betrachtungsgegenstands zu erfassen. Diese Grundzahlen werden direkt von der Unternehmensrechnung oder durch sonstige Informationsquellen als Einzelzahlen zur Verfügung gestellt (siehe Ab­ bildung E1.2). Sie drücken (als Einzelzahl) nur die vorhandene Höhe eines Bestands oder eines Bewegungsbereichs aus (vgl. Deimel et al. 2013: 185; vgl. Steger 2017: 3; vgl. Küpper et al. 2013: 471). Hierzu zählen u. a. Einzelzahlen über den Kassenbestand, die kalkulatorischen Kosten, den Anlagenbestand, den Fuhrpark, die Anzahl der beschäf­ tigten Mitarbeiter usw. (vgl. auch Jung 2014a: 158).

Kennzahlen

Einzelkennzahlen

Kennzahlensysteme

Absolutzahlen (Grundzahlen) Bestands- und Bewegungszahlen

Verhältniszahlen (relative Zahlen)

Gliederungszahlen

Beziehungszahlen

Verursachungszahlen

Einzelzahlen

Summen

Differenzen

Messzahlen (Indexzahlen)

Entsprechungszahlen

Mittelwerte

Abb. E1.2: Kennzahlen und Kennzahlensysteme (in Anlehnung an Preißler 2014: 105).

Indirekt werden die Grundzahlen in Form von Summen (Additionsverfahren), Dif­ ferenzen (Substraktionsverfahren) und Mittelwerten (arithmetische Mittelwerte oder auch Mediane) gebildet. Hierzu werden z. B. unterschiedliche Größen aus der Finanzund Kapitalflussrechnung oder der Gewinn- und Verlustrechnung herangezogen. Bei den Summen handelt es sich dementsprechend beispielsweise um Bilanzsummen

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oder Gesamtkostensummen etc., bei den Differenzen z. B. um Geldvermögensbestän­ de, Betriebsergebnisse und die Cashflows und bei den Mittelwerten um Durchschnitts­ werte im Bereich des Materialverbrauchs, des Lagerbestands oder im Personalbereich um durchschnittliche Anzahl der Belegschaftsmitglieder (vgl. Preißler 2008: 12; vgl. Wördenweber 2013: 11). Tabelle E1.1 zeigt einige Beispiele für solche absoluten Zahlen. Tab. E1.1: Beispiele für absolute Kennzahlen (in Anlehnung an Preißler 2008: 13). absolute Zahlen Einzelzahlen

Summen

Differenzen

Mittelwerte

Bezeichnung

Kapazität

Betriebsergebnis

Beispiel

1.000 Std.

Zahl der Mitarbeiter in Fertigung und Vertrieb 500 Mitarbeiter

Durchschnittsalter der Mitarbeiter 40 Jahre

1.000.000 €

Auch wenn die Gruppe der Absolutzahlen durchaus Erkenntnisse über Grundsachver­ halte liefern kann, basieren sie in den meisten Fällen auf zeitraum- bzw. zeitpunktbe­ zogenen Messungen. Die von ihrer Reichweite her bedeutsameren Kennzahlen sind in der zweiten Gruppe der Verhältniszahlen zu finden. Dies hängt u. a. damit zu­ sammen, dass diese Kennzahlen einen höheren Aussage- bzw. Erkenntniswert hin­ sichtlich der Analyse gemessener ökonomischer Sachverhalte aufweisen. Dies liegt v. a. an den Konstruktionseigenschaften dieser Kennzahlen. Bei den Verhältniszahlen (relative Zahlen) werden auf unterschiedliche Art und Weise Sachverhalte miteinan­ der in Verbindung gebracht. Sie setzen Daten auf Grundlage der absoluten Zahlen in ein Verhältnis (vgl. Posluschny 2007: 10) und spiegeln die betriebswirtschaftlich rele­ vanten Zusammenhänge zwischen zwei Größen wider (vgl. Bussiek et al. 1993: 33f). Die Verhältniszahlen können wiederum in drei Zahlenarten unterteilt werden (vgl. Jung 2014a: 159; vgl. Küpper et al. 2013: 471). In Tabelle E1.2 werden für die drei Kenn­ zahlenbereiche der Verhältniszahlen (Gliederungs-, Beziehungs-, und Mess- bzw. In­ dexzahlen) Beispiele genannt. Tab. E1.2: Beispiele für Verhältniskennzahlen (in Anlehnung an Preißler 2008: 13). Verhältniszahlen

Bezeichnung

Beispiel



Gliederungszahlen

Beziehungszahlen

Indexzahlen

Investitionsquote Bildung (Anzahl neuer Schulungen zu Gesamtzahl der Schulungen) 10 %

Bildungskosten je Mitarbeiter

Umsatz des Unternehmens 2015 zu Basis 2014 (Index = 100) Index 2015 = 105

2.000 €

Kennzahlen, die als Gliederungszahlen angelegt sind, zeichnen sich im Allge­ meinen dadurch aus, dass sie eine Teilmenge in Relation zu einer Gesamtmen­ ge setzen, also z. B. Materialkosten in Relation zu den Gesamtkosten, sodass der

1 Informationsermittlung – Kennzahlen und Kennzahlensysteme | 345





Zähler immer Teil des Nenners ist. Es wird also der relative Anteil an einem Ge­ samtsachverhalt gemessen und in Prozentangaben ausgedrückt. Vorteil der Glie­ derungszahlen ist, dass Größenverhältnisse und strukturelle Beziehungen darge­ stellt werden können. Bei den Beziehungszahlen wird prinzipiell ein Verhältnis verschiedenartiger, aber in sachlich sinnvoller Beziehung stehender Größen abgebildet. Sie verknüp­ fen sachlogisch zusammengehörige Zahlenwerte miteinander. Es werden somit Teilmengenwerte ins Verhältnis gesetzt, wobei aber keiner der beiden Werte eine übergeordnete Gesamtgröße repräsentiert. Hierbei unterscheidet man weiterge­ hend in Verursachungszahlen sowie in Entsprechungszahlen (vgl. Preißler 2014: 105). Verursachungszahlen sollen Sachverhalte erfassen helfen, bei denen die re­ lative Veränderung des Kennzahlenwerts durch eine der beiden herangezogenen Größen hervorgerufen wurde. Bei den Entsprechungszahlen soll der Kennzahlen­ quotient ein unterstelltes relatives Verhältnis der beiden herangezogenen Größen belegen. Diese Kategorie der Beziehungszahlen stellt in der betrieblichen An­ wendungspraxis einen Großteil der eingesetzten Kennzahlen dar; sie besitzen überragende Bedeutung – auch und gerade im operativen Controlling. Die dritte Unterkategorie bei den Verhältniszahlen sind die Messzahlen, auch als Indexzahlen oder Messziffern bezeichnet. Hierbei werden Verhältnisse gleichar­ tiger Größen erfasst, die sich meist nur durch den Erhebungszeitpunkt bzw. -zeit­ raum unterscheiden. Indexzahlen (z. B. Lohnkostenindex) beziehen im Gegensatz zu den statischen Gliederungs- und Beziehungszahlen die zeitliche Komponente mit ein und zeigen Veränderungen in einem zeitlichen Ablauf. Hier werden Zah­ len mit gleicher Ermittlungsmethode und gleichem Ursprung miteinander vergli­ chen. Eine Zahl gilt als Bezugsgröße. In Bezug auf die Aussagekraft ist evident, dass die Bezugsgröße nicht durch unbeeinflussbare Ereignisse oder Umstände manipuliert ist, da ansonsten die Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben wäre (vgl. Preißler 2008: 14ff). Da diese Kennzahlen bedeutsam für die Abbildung von Trend­ entwicklungen respektive von Prognosen für Entscheidungseinheiten in Unter­ nehmen sind, werden sie regelmäßig eingesetzt und ausgewertet.

Eine andere Systematisierung von Kennzahlen nach sachlogisch-inhaltlichen Ge­ sichtspunkten vor dem Hintergrund operativer Relevanz schlagen Weber/Schäffer vor. Sie entwickeln differenzierte Kennzahlenarten unter der Maßgabe finanziel­ ler und nicht finanzieller Ausrichtungen (vgl. Weber, Schäffer 2016: 178; vgl. auch Rieg 2009: 163ff): – Die wichtigsten monetären Kennzahlen sind nach dieser Systematisierung die Fi­ nanzkennzahlen (Liquiditäts-, Erfolgs- und Renditekennzahlen). Sie bilden das Grundgerüst monetärer Kennzahlen, die den Erfolg eines Unternehmens ausdrü­ cken sollen. So wird z. B. der Kapitalumschlag in einem Unternehmen durch den Quotienten [Umsatz : investiertes Kapital] ermittelt. Auch die Deckungsbeitrags­ kennzahlen gehören in diese Kategorie. Der Deckungsbeitrag gemessen in € ergibt

346 | Teil E: Berichtswesen und Reporting









sich, indem von den Umsatzerlösen die Einzelkosten und variablen Gemeinkos­ ten subtrahiert werden. Die zweite Kategorie sind die Markt- und Kundenkennzahlen. Sie sind für Unter­ nehmen deshalb von großer Bedeutung, da die Gewinnziele eines Unternehmens nur realisiert werden können, wenn Produkte und Dienstleistungen auf den Ziel­ märkten angeboten werden, die von Kunden nachgefragt werden. Die jeweiligen spezifischen Marktbedingungen sowie das Verhalten von Mitwettbewerbern be­ einflussen diesen Bereich in erheblichem Maße. Kennzahlen für diese aus Sicht von Unternehmen gleichermaßen eminent wichtige Kategorie sind z. B. Kunden­ zufriedenheit, Akquisitionserfolge, Marktanteile etc. Die Kundenakquisitionsrate z. B. läßt sich in Prozent durch den Quotienten [Anzahl neuer Kunden : Anzahl alter Kunden] multipliziert mit 100 ermitteln. Prozesskennzahlen, die den Erstellungsprozess von Produkten und Dienstleis­ tungen erfassen sollen, sind zur Steuerung eben dieser Prozesse unabdingbar. Bekannte Kennzahlen sind z. B. Fehlerquoten, Prozesszeiten, Durchlaufzeiten, Kapazitätsauslastungsgrade etc. Die Fehlerquote in Prozent ist z. B. ermittelbar durch den Quotienten [Ausschuss der Periode/Produktionsmenge der Periode] multipliziert mit 100. Eine weitere Kategorie sind die Mitarbeiterkennzahlen. Da Mitarbeiter auch das Know-how eines Unternehmens (Erfahrungswerte, individuelles und kollektives Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten etc.) begründen und repräsentieren und die Mitarbeiter durch ihre Tätigkeiten den Erfolg eines Unternehmens grundlegend beeinflussen können, kommt diesen Kennzahlen ebenfalls eine besondere Bedeu­ tung zu. Jeder Leistungserstellungs- und -verwertungsprozess ist ohne den Ein­ satzfaktor „menschliche Arbeit“ undenkbar. Personalwirtschaftliche Kennzahlen sollen Auskunft geben über den Qualifikationsstand, die Verfügbarkeit des Ein­ satzfaktors bis hin zur sogenannten Mitarbeiterzufriedenheit oder auch den Kran­ kenstand der Mitarbeiter. Der Krankenstand ergibt sich beispielsweise in Prozent durch die [Anzahl der krankheitsbedingten Ausfalltage : Gesamtzahl der Jahres­ arbeitstage der Mitarbeiter] multipliziert mit 100. Da Unternehmen in Konkurrenzsituationen mit Wettbewerbern auf Märkten agie­ ren, ist eine Erfassung des Innovationsbereichs wichtig. Die in diesem Bereich eingesetzten Innovationskennzahlen geben Auskunft über die zukünftige Inno­ vationsfähigkeit von Unternehmen. Bekannte Kennzahlen sind hier die Innova­ tionsrate, die Investitionsquote im Innovationsbereich, die Anzahl der Patente, die Entwicklungszeiten etc. Die Innovationsrate z. B. ist periodenbezogen ermit­ telbar in Prozent durch das Verhältnis [Umsatz mit neu eingeführten Produkten (oder auch Dienstleistungen bzw. ebenso bei hybriden Produkten, bei denen ei­ ne Dienstleistung an ein neues Produkt strukturell gekoppelt ist) : Gesamtumsatz des Unternehmens] multipliziert mit 100.

1 Informationsermittlung – Kennzahlen und Kennzahlensysteme |

347

Alle vorgenannten Kennzahlenbereiche können Einfluss auf die Finanzkennzahlen nehmen; sie sind vorlaufende Kennzahlen und zeitigen erst zukünftig Auswirkungen im Finanzbereich eines Unternehmens: – Im Bereich nicht finanzieller Kennzahlen gehören die sogenannten Struktur­ kennzahlen zu den zentralen Kennzahlen. Sie geben Auskunft über Größen­ ordnungen und sich im Zeitverlauf nur unerheblich verändernde Merkmale (in Teilbereichen) des Unternehmens. So können z. B. die Anzahl unterschiedlicher Materialarten und Teilearten in der Beschaffung, aber ebenso der Umsatz und die Anzahl der Mitarbeiter etc., als strukturelle Kennzahlen angesehen werden, die grobe Rückschlüsse z. B. auf die Größe eines Unternehmens zulassen. – (Teil-)Produktivitätskennzahlen sollen die Leistungserstellung abbilden. Hier­ unter kann man z. B. den Ressourceneinsatz pro Leistungseinheit (z. B. Material­ menge einer Materialart pro Stück), die Anzahl verpackter Produkte pro Zeitein­ heit, oder die Ausbringungsmenge pro Zeiteinheit je Maschine oder Anlage etc. fassen. – Die zuvor schon allgemein erläuterte Kategorie der Wirtschaftlichkeitskennzah­ len benennt Rieg (vgl. Rieg 2009: 163ff) als ebenfalls nicht finanzielle Kennzah­ lenart. Hierunter versteht er die durch monetäre Bewertung von Mengen mit Prei­ sen hervorgerufenen Kennzahlen. Zu nennen sind hier z. B. Deckungsbeiträge pro Leistungseinheit, Kosten des Einsatzfaktors „menschliche Arbeit“ pro Zeiteinheit, Energieeinsatzkosten von Maschinen pro Zeiteinheit etc. – Schlussendlich nennt Rieg (vgl. Rieg 2009: 163ff) die Qualitätskennzahlen als weitere Kategorie nicht finanzieller Kennzahlen. Hierbei handelt es sich größten­ teils um Kennzahlen, die die Eigenschaften und Merkmale von Produkten und Dienstleistungen beschreiben. Als Beispiele seien an dieser Stelle die Reklamati­ onsquoten pro Produktreihe, die Ausschussquoten, die Lebensdauer von Produk­ ten, oder die mit dem Qualitätscontrollinginstrument Statistical Process Control (SPC) in Echtzeit erfassten statistischen Fehlerhäufigkeiten genannt.

1.2.2 Anforderungen an Kennzahlen Kennzahlen sollten strukturell so konstruiert sein, dass sie prinzipiell als Vergleichs­ kennzahlen entwickelt sind und eingesetzt werden können. Die drei nachfolgenden Vergleichsformen haben sich als evident herausgestellt (vgl. Jung 2014a: 160f; vgl. Steinmüller et al. 2000: 365): 1. Zeitvergleich: Vergleich der aktuellen Ausprägungen der Kennzahlen mit denen aus der Vergangenheit. Das vorrangige Ziel ist hier das Erkennen von (Fehl-)Ent­ wicklungen (z. B. Fehldispositionen) 2. Konkurrenzvergleich (Betriebs- und Abteilungsvergleich): Vergleich von Kenn­ zahlen eines Unternehmens mit den Kennzahlen von konkurrierenden Unter­ nehmen (eventuell auch über Branchengrenzen hinweg, z. B. im Rahmen eines

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3.

Benchmarkings). Auch innerhalb eines Unternehmens kann dieser Konkurrenz­ vergleich durchgeführt werden, indem beispielsweise zwei oder mehrere (gleich­ artige) Center eines Unternehmens miteinander verglichen werden. Ein solcher Vergleich zielt auf eine Herausstellung der relativen Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens ab, setzt aber voraus, dass die Vergleichbarkeit nicht durch verschiedene Betriebsgrößen, durch verschiedene Fertigungstiefen und -weisen, oder durch verschiedene Beschäftigungsgrade beeinträchtigt ist (vgl. Jung 2014a: 161). Soll-Ist-Vergleich: Vergleich der ex post tatsächlich aufgetretenen Ausprägungen der Kennzahlen mit den ex ante geplanten Kennzahlen – mit dem Ziel der Fest­ stellung von Zielverfehlungen.

Bei letztgenannter Vergleichsform handelt es sich um die in der Anwendungspraxis am häufigsten anzutreffende Kategorie, da sie auch der Vorbereitung von Abwei­ chungsanalysen dienen kann (vgl. Jung 2014a: 161; vgl. auch Teil C, Kapitel 3). Damit Kennzahlen in der Anwendungspraxis zielführend eingesetzt werden kön­ nen, kann man folgende Kriterien als Beurteilungsmaßstäbe heranziehen (vgl. Küp­ per et al. 2013: 480f; vgl. Preißler 2014: 103f; vgl. Wördenweber 2013: 14f; vgl. Lorson et al. 2013: 186f): – Zunächst dürfen Kennzahlenermittlungen eine effiziente Arbeitsausführung im Alltagsablauf nicht behindern, d. h., wird der Aufwand zur Ermittlung (Messung) eines Ergebnisses (Kennzahlenwert) so groß, dass Aufwand und Ertrag in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zueinander stehen, kann eine Kennzahl als unge­ eignet deklariert werden. Ferner sollten Kennzahlen grundsätzlich Leistungsmes­ sungen – und nicht Verhaltensmessungen – der an der Leistungserstellung betei­ ligten Mitarbeiter intendieren. – Kennzahlen müssen einen Zielwert, Zielkorridore, sowie einen Zeitraum für die Zielerreichung aufweisen, damit reliable und valide Ergebnisse resultieren kön­ nen. – Die Kennzahlen sollten grundsätzlich kommentiert werden, damit der Informa­ tionsempfänger die ermittelten Werte angemessen einschätzen kann. Hierzu ist es auch erforderlich, dass die Kennzahlen eindeutig beschrieben sind. Die visua­ lisierte Darstellungsform sollte einfach gehalten und für die Empfänger schnell nachvollziehbar sein. – Ein wesentlicher Aspekt bei der Ermittlung der Kennzahlenwerte ist die eindeu­ tige Festlegung der Erfassungs- und Berichtsverantwortung. Eine Rekonstruktion der Ermittlung und eine eindeutige Verantwortungszuschreibung im Falle einer Fehlmessung bzw. bei nicht eindeutigen Messergebnissen sollten in jedem Fall gewährleistet sein. – Die Vorgehensweise und Verantwortlichkeit bezüglich der Umsetzung von Maß­ nahmen zur Einflussnahme des gemessenen Sachverhalts, also z. B. bei Anpas­

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sungsmaßnahmen im Bereich der Zielverfehlungen im Produktionsbereich (z. B. geplante Losgröße wurde nicht realisiert), muss eindeutig geregelt sein. Die Ermittlung und Auswertung der Kennzahl muss verifiziert und validiert sein, eine prinzipielle Überprüfung der Kennzahlenwerte (Kontrolle) ist also unabding­ bar. Vergleichskennzahlen (intern/extern) sollten zur Überprüfung bzw. Bestätigung der Leistungsfähigkeit der Kennzahl vorhanden sein. Hierunter ist zu verstehen, ob eine Kennzahl auch genau das erfasst, was sie erfassen soll, oder ob nicht in­ tendierte Beeinflussungen zu einer Verfälschung der Werte führen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an situative Einflussgrößen, die eine Vergleichbarkeit mit Werten aus der Vergangenheit nicht zulassen (also einmalige Störgrößen, die zu einer Ergebnisverfälschung beitragen). Kennzahlen sollten generell mit Verbesserungsmaßnahmen bzw. -programmen verknüpft sein, da sie oftmals als Ergebnisse Abweichungen aufdecken, die ge­ rade im operativen Bereich von Unternehmen (z. B. in der Fertigung) erhebliche Konsequenzen zeitigen können (Produktionsstillstände, fehlerhafte Produkte etc.).

Vor diesem Hintergrund hat Preißler eine Checkliste zur Überprüfung der Eignung respektive. Berechtigung von Kennzahlen entwickelt, die in Tabelle E1.3 dargestellt ist (vgl. hierzu auch Schäffer, Weber 2016: 210ff). Tab. E1.3: Prüfliste für Kennzahlen (in Anlehnung an Preißler 2014: 101). Checkfragen

ja

nein

Ist die Aussagekraft der Kennzahl erkennbar und ist sie eindeutig definiert (eindeutig verifizierbar)?





Hat die Kennzahl tatsächlich einen echten Informationsgehalt?





Ist die Höhe der entstehenden Kosten für die Ermittlung der Kennzahl bekannt und steht sie im angemessenen Verhältnis zum Nutzen dieser Kennzahl?





Ist die Kennzahl wirtschaftlich?





Gibt es kostengünstigere und/oder aussagefähigere alternative Kennzahlen?





Sind die heranzuziehenden Größen bekannt und ermittelbar?





Gibt es Branchenkennzahlen bzw. andere Vergleichsmöglichkeiten?





Können eindeutige Schlüsse und Konsequenzen aus der Kennzahl gezogen werden?





Ist die Kennzahl aktuell, zweckbezogen und richtig?





Ist die Kennzahl empfängerorientiert aufbereitet?





Sind die Informationsempfänger bekannt?





Sind Veränderungen erkennbar und interpretierbar?





Besteht eine einfache, klar geregelte Datenerfassung?





Sind Interventionspunkte festgelegt?





350 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

Diese Liste soll nicht nur der Überprüfung der Berechtigung vorhandener, sondern auch prospektiv zur Entwicklung und Evaluation von Kennzahlen dienen.

1.2.3 Eigenschaften und Funktionen von Kennzahlen Kennzahlen erfüllen durch ihre Eigenschaften eine wichtige Funktion bei der Erfas­ sung von Informationen über unternehmensspezifische Sachverhalte. Hierbei wird zwischen dem Informationscharakter, der Quantifizierbarkeit und der spezifischen Form der Aufbereitung der Information unterschieden (vgl. Reichmann et al. 2017: 39): – Der Informationscharakter beschreibt die Möglichkeit, Aussagen über bestimm­ te betriebswirtschaftliche Zusammenhänge und Sachverhalte präzise treffen zu können. – Die spezifische Form der Aufbereitung ermöglicht es, komplizierte und/oder komplexe Zusammenhänge aufzuzeigen und somit einen schnellen und umfas­ senden Überblick zu gewähren. – Durch die Quantifizierbarkeit können Sachverhalte und Zusammenhänge auf ei­ ner Skala neutral bewertet und somit der Sachverhalt oder Zusammenhang objek­ tiv abgebildet werden. Die Quantifizierbarkeit ist als konkretisierte Stufe der Messung zu verstehen, die sich ausschließlich auf kardinalem Messniveau bewegt – im Gegensatz zu einer Mes­ sung, die grundsätzlich auf allen Skalenniveaus möglich ist (vgl. Meyer 2011: 19f). Die einfachste Form des Messens erfolgt auf nominalem Niveau; die Untersuchungsob­ jekte können klassifiziert werden, indem man ihnen Kategorien bzw. Attribute zuord­ net. Ordinalmaße konstituieren eine Rangordnung (Reihenfolge) der Vorzugswürdig­ keit, sagen aber nichts über die Abstände zwischen den einzelnen Rängen aus. Bei z. B. ordinalen Nutzenfunktionen gibt der Vergleich zweier Nutzenmaße lediglich an, ob ein Ergebnis gegenüber einem anderen präferiert wird, ein Abstand kann jedoch nicht definiert werden. Auf Ordinalmaße sind die Grundrechenarten nicht sinnvoll anwendbar. Kardinale Messungen im Bereich der Intervall- oder Verhältnisskalen ent­ sprechen den Anforderungen an eine Quantifizierbarkeit von Sachverhalten. Den Kar­ dinalskalen liegen neben Äquivalenz- und Ordnungsbeziehungen auch algebraische Beziehungen zugrunde. Auf Kardinalskalen sind mindestens die vier Grundrechenar­ ten anwendbar. Innerhalb der Kardinalskalen unterscheidet man Intervallskalen und Verhältnisskalen: – Intervallskalen haben die Messqualität von Ordinalskalen und machen darüber hinaus den Vergleich von Maßdifferenzen möglich. Numerisch gleiche Interval­ le repräsentieren auch gleiche Abstände bezüglich des zu messenden Merkmals. Mit einer Intervallskala kann man Nutzenunterschiede vergleichen, nicht aber den Nutzen selbst. Auf der Basis von Intervallskalen sind Nutzenunterschiede ordnungsfähig und miteinander vergleichbar. Die Nutzenmaße selbst sind jedoch

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nur ordnungsfähig, aber nicht miteinander vergleichbar. Bei Intervallskalen sind die vier Grundrechenarten sinnvoll anwendbar bezüglich der Nutzenunterschie­ de, nicht aber bezüglich der Nutzenmaße selbst. Verhältnisskalen repräsentieren die höchste Messqualität. Bei diesen Skalen (auch Ratioskalen genannt) ist die Maßeinheit frei wählbar, aber der Nullpunkt ist festgelegt. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie zusätzlich zur Inter­ vallskala einen natürlichen Nullpunkt aufweisen. Ein echter Nullpunkt bedeutet, dass das zu messende Merkmal bei einer Ausprägung von Null nicht mehr vorhan­ den ist. Eine Verschiebung des Nullpunkts ist nicht möglich (z. B. Gewichtsmaße, Längenmaße, Geldeinheiten etc.). Demgegenüber wird bei der Intervallskala der Nullpunkt willkürlich gewählt, sodass mathematische Divisionen nicht sinnvoll anwendbar sind (z. B. ist ein Intelligenzquotient in Höhe von 120 nicht doppelt so hoch wie einer von 60).

Da mithilfe von Verhältniskennzahlen auf unterschiedliche Art und Weise Sachver­ halte miteinander anhand mathematischer Operationen (mindestens die vier Grund­ rechenarten können zum Einsatz kommen) in Verbindung gebracht werden sollen, ist bei der Messung zwingend kardinales Messniveau notwendig, um zulässige Kennzah­ lenwerte gewinnen zu können. Aus den drei genannten Eigenschaften (Informationscharakter, Quantifizierbar­ keit, spezifische Form der Aufbereitung) lassen sich fünf wichtige Funktionen von Kennzahlen ableiten (vgl. Jung 2014a: 162): 1. Anregungsfunktion: Erkennen von Auffälligkeiten und Veränderungen; es kön­ nen sowohl interne Prozesse, Bereiche oder Vorgänge miteinander verglichen werden, als auch externe Prozesse im Rahmen des Betriebsvergleichs oder der Bilanzanalyse in den Vergleich einbezogen werden (vgl. Reichmann et al. 2017: 39f). 2. Operationalisierungsfunktion: Durch die Anregungsfunktion können Auffällig­ keiten entdeckt und konkrete Messwerte in Form von Kennzahlen entwickelt wer­ den, die der Operationalisierung von Zielen dienen. 3. Vorgabefunktion: Die operationalisierten Messwerte können über die Vorgabe­ funktion von Kennzahlen als spezifische Zielvorgaben definiert und somit anhand der Kennzahlen konkret vorgegeben werden. 4. Steuerungsfunktion: Über die Steuerungsfunktion von Kennzahlen können ge­ setzte Ziele anhand von Kennzahlen verfolgt und gesteuert werden. Somit können spezielle Teilbereiche eines Unternehmens selektiert werden, die einen gewissen Zielwert erreichen müssen. Durch diese Funktion können Ziele vereinfacht und gebündelt dargestellt werden. Außerdem kann zu jedem Zeitpunkt die Zielerrei­ chung anhand von Kennzahlen gemessen werden. 5. Kontrollfunktion: ermöglicht sowohl einen internen als auch einen externen Ver­ gleich; so kann der klassische Soll-Ist-Vergleich mit Kennzahlen durchgeführt werden. Im Rahmen der Kontrollfunktion können anhand von Kennzahlen aber

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auch unternehmensübergreifende Analysen durchgeführt werden (vgl. Weber, Schäffer 2016: 178ff; vgl. Jung 2014a: 161). Troßmann systematisiert diese Funktionen von Kennzahlen nach sachlichen und or­ ganisatorischen Aspekten der Führung in Unternehmen (siehe Abbildung E1.3): Allgemeine Informationsfunktion: Kennzahlen als kompakte quantitative Information Zielbildung: Kennzahlen als operationalisierte Zielgröße Problemwahrnehmung: Kennzahlen als (Früh-)Warnindikatoren Problemstrukturierung: Kennzahlen zur Ursachenanalyse Alternativensuche: Kennzahlen zur Systematisierung von Alternativen Prognose: Kennzahlen als Bezugsgrößen Funktionen von Kennzahlen

Kennzahlenfunktionen als Instrument der sachlichen Führung

Zuordnung einer Lösungskategorie: Kennzahlen als Einordnungskriterien Konstruktion von Lösungen: Kennzahlen als Vorteilhaftigkeits-/Optimalitätskriterien für Maßnahmen isolierte Bewertung interdependenter Größen: Kennzahlen als Beurteilungsmaße von Restriktionsgrößen parametrische Lösung von Einzelproblemen: Kennzahlen zur Reduktion der Entscheidungskomplexität pauschale Kennzeichnung von Optimallösungen: Kennzahlen als Sekundärzielgröße zwischen ursprünglicher Zielgröße und konkreten Maßnahmen Kontrolle: Kennzahlen als Vergleichsgrößen

Kennzahlenfunktionen als Instrument der organisatorischen Führung

direkte Lenkung: Kennzahlenvorgabe als Generalanweisung bei bekannten Einzelmaßnahmen indirekte Lenkung: Kennzahlenvorgabe als Zielgröße bei unbekannten Einzelmaßnahmen

Abb. E1.3: Funktionen von Kennzahlen (in Anlehnung an Troßmann 2018: 130).

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Als Instrument der sachlichen Führung dienen hier Kennzahlen als operationa­ lisierte Grundlage für die Zielbildung, Problemerfassung, Prognose und Kontrolle von betrieblichen Sachverhalten. Eine direkte und indirekte Lenkungsfunktion wird Kennzahlen als Instrument der organisatorischen Führung zugeschrieben, d. h., dass die Entscheidungsträger mithilfe der Kennzahlenvorgaben bekannte, schon früher durchgeführte Einzel­ maßnahmen bzw. bei noch nicht bekannten Einzelmaßnahmen Steuerungsein­ griffe initiieren können.

Auch die Voraussetzungen für die Verwendung von Kennzahlen können mit den Eigenschaften von Kennzahlen sehr gut erfasst werden (vgl. Schroeter 2002: 266f): – Zum einen sollten Kennzahlen sowohl eine korrekte und unzweideutige, als auch eine sachlich zutreffende Bezeichnung aufweisen. Zum anderen sollten die Kenn­ zahlenwerte rechnerisch fehlerfrei ermittelbar sein. – Weiterhin sollten die Daten in einem sachlogischen Zusammenhang zur unter­ suchten Aufgabenstellung stehen; sie sollten im Interesse der Klarheit selbstver­ ständlich und übersichtlich sein. Aus diesem Grunde ist auch eine Unterschei­ dung zwischen Wert- und Mengengrößen geboten. – Alle zu einer Kennzahl gehörenden Bestandteile sind zwecks Vollständigkeit der Ermittlung zu berücksichtigen. – Um eine Vergleichbarkeit der ermittelten Kennzahlenwerte herzustellen, ist dem Grundsatz der Stetigkeit Rechnung zu tragen. Demzufolge ist es notwendig, dass der Einsatz der Kennzahlen für alle Ist- und Planperioden in gleicher Art und Wei­ se und zum gleichen Zeitpunkt stattfindet. – Die Verknüpfung einzelner Kennzahlen zu einem Kennzahlensystem sollte sich zweckgerichtet am Wertefluss sowie an der hierarchischen Stellung der Control­ lingobjekte orientieren.

1.2.4 Ausgewählte Beispiele für operative Kennzahlen Der Produktionsbereich eignet sich aufgrund der zahlreichen standardisierten und repetitiven Vorgänge hervorragend für eine Messung mit Kennzahlen. Viele Sachver­ halte sind physisch greifbar und weisen eine hohe quantitative Transparenz auf (z. B. Stückzahlen, Durchlaufzeiten, Rüstzeiten). Der Produktionsbereich repräsentiert in Industrieunternehmen einen zentralen Funktionsbereich; ihm kann man eine opera­ tive Funktion mit durchführendem Charakter zuschreiben. Den Kern der Produktions­ tätigkeiten bilden die primären, an der Wertbildung für den Kunden beteiligten Akti­ vitäten, wie Montage, maschinelle Teilebearbeitung, Materialveredlung im weiteren Sinne und Verpackung. Der Einsatz von Kennzahlen in der Fertigung eignet sich für ein operatives Controlling, das auf die Erreichung der Produktionsziele und den opti­

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malen Ressourceneinsatz fokussiert ist. Auch für die permanente Feinsteuerung der Produktion sind Kennzahlen unerlässlich. Diese geben Hinweise über plötzlich auf­ tretende Abweichungen (Fehlentwicklungen), die unmittelbar angezeigt werden (z. B. Materialverbrauchsabweichungen, temporäre Erhöhung der Durchlaufzeiten etc.). Daher sollen nachfolgend einige Kennzahlen exemplarisch vorgestellt werden, die in Fertigungsunternehmen im Produktionsbereich eine hohe Bedeutung aufwei­ sen (vgl. Klein, Schnell 2012: 47ff). Kennzahlenbereich Produktionsleistung Die Leistung der Produktion lässt sich über die produzierte Stückzahl bemessen. Da­ bei werden nur die fehlerfrei produzierten Produkte zur Messung herangezogen. We­ gen der möglichen Heterogenität des Produktionsspektrums empfiehlt es sich, die Pro­ duktionsleistung als monetäre Größe auszuweisen: Produktionsleistung (ME) = Anzahl der fehlerfrei produzierten Mengeneinheiten Produktionsleistung (€) = fehlerfrei produzierte Menge ⋅ Herstellkosten pro ME Kennzahlenbereich Produktionsqualität Als zentrale Indikatoren für die Produktionsqualität können Ausschussstückzahlen und/oder Ausschusskosten herangezogen werden: Ausschuss (€) = nicht verwertbare Produktionsmenge ⋅ Wert des Ausschusses Außerdem können Zeiten bzw. Kosten für die Nachbearbeitung fehlerhafter, aber noch zu reparierender Fertigungsteile, der Schwund an Fertigungsmaterial (sogenannter Nachbezug) sowie Zusatzkosten aufgrund fertigungsorganisatorischer Probleme (z. B. Fertigungsunterbrechungen oder -stillstände, unzureichende Materialdisposition) Aussagen zur Produktionsqualität zulassen: Nacharbeitskosten (€) = Kosten für die Reparatur fehlerhaft bearbeiteter Teile Nachbezug (€) = Mehrkosten wegen fertigungsorganisatorischer Probleme Ausschussmenge ⋅ 100 % Erzeugungsmenge Ausschuss durch Fehlerursache Ausschussstrukturquote = ⋅ 100 % gesamter Ausschuss Ausschussquote =

Liefererfüllungsgrad Zur Ermittlung werden zugesagte und tatsächlich realisierte Liefertermine gegenüber­ gestellt. Die sich ergebende Zeitspanne kann dabei in Tagen oder als Index (%) aus­

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gedrückt werden: Liefererfüllungsgrad =

Anzahl zugesagter Liefertermine ⋅ 100 % Anzahl tatsächlich realisierter Liefertermine

Termintreue Zur Ermittlung werden zugesagte und tatsächlich realisierte Aufträge gegenüberge­ stellt: Anzahl zugesagter Aufträge Grad der Termintreue = ⋅ 100 % Anzahl realisierter Aufträge Durchlaufzeit Ergibt sich aus der Zeitdifferenz zwischen dem Startzeitpunkt und dem Endzeitpunkt der Produktion. Die erforderlichen Daten liefert das im Betriebsdatenerfassungssys­ tem (BDE) durch Auswertung von Auftragsfreigaben und Auftragsrückmeldungen. Durchlaufzeit (ZE) = Endzeitpunkt − Startzeitpunkt Optimale Losgröße Zeigt die kostenoptimale Produktionsmenge in einer Serienfertigung, die den Produk­ tionsprozess als in sich geschlossener Posten oder Unterbrechung oder Umstellung des Produktionsprozesses durchläuft (siehe hierzu Teil F, Kapitel 2.4); diese Informati­ onsverdichtung soll ermöglichen, dass der relativ komplexe Tatbestand der optimalen Losgröße durch nur eine einzige Zahl als Indikator erfasst wird. Lagerbestand/Bestandsreichweite Lagerbestände unterliegen konjunktur- und saisonbedingten Schwankungen der Pro­ duktionsmenge. Deshalb wird die Relativgröße „Bestandsreichweite“ (Eindeckung) eingesetzt: Eindeckungsquote =

Bestand zum Monatsende ⋅ 100 % durchschnittlicher Abgang pro Monat

Durch Gegenüberstellung der Reichweite mit anderen vergleichbaren Fertigungen, Vorjahreswerten oder Zielwerten können Rückschlüsse auf die Güte des Fertigungs­ prozesses gezogen werden. Lagerumschlagshäufigkeit Stellt den Verbrauch pro Periode in das Verhältnis zum durchschnittlichen Lagerbe­ stand: Verbrauch in der Periode Lagerumschlagshäufigkeit = durchschnittlicher Lagerbestand

356 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

Materialeinsatz Typische Kennzahlen sind hier die Einkaufspreisrationalisierung, die Termintreue und die Teilequalität: Einkaufspreisrationalisierung (€) = tatsächlicher Einkaufspreis − geplanter Einkaufspreis Termintreue (ZE) = tatsächlicher Liefertermin − vereinbarter Liefertermin Teilequalität (€) = Anzahl fehlerhafter Teile ⋅ Herstellkostenwert pro Teil Personaleinsatz Die Planung und Kontrolle der Mitarbeiter ist eine der wichtigsten Kennzahlengrup­ pen. Die Personalbedarfsrechnung muss zukunftsorientiert erfolgen. Nur dann lassen sich adäquate Maßnahmen rechtzeitig einleiten (vgl. Klein, Schnell 2012: 53f): Fertigungsstückzahl ⋅ Fertigungszeit/Stück + Zusatzzeiten durchschnittliche Anwesenheitszeit Fertigungszeit: wird aus den Arbeitsplänen entnommen; Personalbasisbedarf =

Fertigungsstückzahlen: werden aus der Auftrags- und Lieferdatenbank entnommen; –



durchschnittliche Anwesenheitszeit: wird aus den Personalzeiterfassungssyste­ men, den Kranken- und Urlaubsstatistiken und anderen arbeitsrelevanten Daten­ quellen entnommen; Zusatzzeiten: zu planende Zu- oder Abschläge aufgrund von Fertigungsfehlern oder Rationalisierungsmaßnahmen.

Weitere Personalkennzahlen sind beispielsweise – Einsatzzeit der Mitarbeiter: Normalarbeitszeit, Mehrarbeits- und Überstunden­ kontingente, Spätarbeitszeit, Nachtarbeitszeit – Entwicklung und Qualifikation der Mitarbeiter: Verhältnis Fachkräfte/Ungelern­ te; Anzahl der durchgeführten Fortbildungsmaßnahmen, Ausbildungsquote, Übernahmequote – Engagement der Mitarbeiter: Anzahl eingereichter Verbesserungsvorschläge – Personalstruktur: Anteil direkter/indirekter Mitarbeiter, Frauenanteil, Durch­ schnittsalter, Betriebszugehörigkeit, Ausländeranteil.

1 Informationsermittlung – Kennzahlen und Kennzahlensysteme |

357

Arbeitswirtschaftlichkeit/Arbeitsproduktivität Bei der Arbeitswirtschaftlichkeit wird die Produktionsleistung in Euro ins Verhältnis zur Anzahl der eingesetzten (Fertigungs-)Mitarbeiter gesetzt: Arbeitswirtschaftlichkeit =

Produktionsleistung [Output, in GE] eingesetzte Arbeitszeit [Input, in ME]

Hingegen wird die Arbeitsproduktivität der Mitarbeiter aus dem Quotienten zwischen der erbrachten Arbeitsleistung (in ME erfasst) und der Arbeitszeit (ebenfalls in ME erfasst) der Mitarbeiter ermittelt. Die erbrachte Arbeitsleistung ergibt sich dabei als Produkt aus der gefertigten Stückzahl und einer erwarteten und ermittelten Vorgabe­ zeit: Arbeitsleistung [Output, in ME] Arbeitsproduktivität = eingesetzte Arbeitszeit [Input, in ME] Die beiden Kennzahlen werden u. a. von der Arbeitsfähigkeit und -willigkeit als auch z. B. von den Veränderungen der Fertigungstiefe und des Automatisierungsgrads be­ einflusst. Anlageneinsatz Dieser wird anhand von Kapazitätszeiten (z. B. verfügbare Kapazitätszeit, Auslas­ tungszeit) und Kapazitätsgraden beurteilt: Maximalkapazität (ZE) = theoretisch denkbare Laufzeit (365,25 Tage à 24 Std./Tag) Planbelegungszeit (ZE) = Schichtlänge [Std.] ⋅ Schichtanzahl ⋅ Arbeitstage pro Periode verfügbare Kapazität (ZE) = Planbelegungszeit − Stillstandzeiten Die Auslastungs- bzw. Nutzungszeit entspricht der Zeit, in der die Maschine tatsäch­ lich auftragsabhängig eingesetzt wird. Maschinenstundensätze gelten hier als ergän­ zende Größe der Anlageneffizienz. Durch Zeitvergleiche werden hilfreiche Hinweise auf eine Verschlechterung oder Verbesserungen der Anlagensituationen gegeben: Stundensatz (€) =

maschinenunabhängige + maschinenabhängige Kosten Maschinenlaufzeit bzw. Maschinenbelegungszeit

1.2.5 Grenzen der Aussagekraft von Kennzahlen Eine Kennzahl ist zunächst mit einer neutralen Aussage ausgestattet. Die Kennzahl gewinnt erst dann an Aussagekraft, wenn sie mit einem Unternehmensziel oder mit einer zeitlichen Konstante in Verbindung gebracht wird (vgl. Reichmann et al. 2017: 40f). Die Qualität einer Kennzahl ist abhängig von der entwickelten Ermittlungs­ logik, der Genauigkeit und der Zufälligkeit des zugrunde liegenden Informationssys­ tems (vgl. Reichmann et al. 2017: 41). Eine Kennzahl kann immer nur die Aussagekraft

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gewinnen, die aufgrund der verfügbaren Informationen und des Ermittlungsalgorith­ mus eingeräumt werden. Ist der gedankliche Hintergrund bei der Ermittlung der Kenn­ zahl sachlogisch inkonsistent, kann dies zu einer Fehlinterpretation der Kennzahl führen (vgl. Staehle 1967: 66). Liefert das zugrunde liegende Informationssystem nicht hinreichend präzise Daten, kann die Kennzahl dies nicht kompensieren. Zudem emp­ fiehlt sich eine Kombination aus qualitativen und quantitativen Informationen, um besonders genaue Aussagen erhalten zu können (vgl. Reichmann et al. 2017: 41). Eine wichtige Rolle spielen auch die Bezugsgrößen, da durch eine Fehlauswahl dieser Be­ zugsgrößen ein falsches Kennzahlenziel verursacht werden kann (vgl. Preißler 2014: 100). Kennzahlen bieten Vorteile bei der Erfassung und v. a. bei der Beurteilung von betrieblichen Sachverhalten. Es sollte aber beachtet werden, dass Kennzahlen bei ei­ ner isolierten Betrachtung eine eingeschränkte Aussagekraft erfahren. Sie ermögli­ chen zwar eine schnelle und konzentrierte Übersicht über die Vorgänge und Zusam­ menhänge von Sachverhalten in Unternehmen, können aber durch nicht erfasste bzw. unbekannte Faktoren beeinflusst werden. Somit ist es unvermeidlich, die Zusammen­ hänge zur Ermittlung der Kennzahl zu verstehen und eine einheitliche Erhebung der Daten durchzuführen. Folgende Aspekte zeigen die Grenzen der Aussagefähigkeit von Kennzahlen auf (vgl. Wördenweber 2013: 16; vgl. Troßmann 2018: 147f; vgl. Preißler 2008: 25f): – Der Betrachtungsfokus wird auf falsche, zu wenige, oder hauptsächlich vergan­ genheitsorientierte Kennzahlen gelegt. – Die inkorrekte Vorgehensweise bei der Ermittlung der Kennzahlen führt zu be­ grenzter Aussagekraft oder sogar zu Falschaussagen. – Die gegenseitige Aufhebung von Kennzahlenbestandteilen (Bezugsgrößen) führt dazu, dass der Aussagewert der Kennzahl stark sinkt und sie nicht mehr verwert­ bar ist. – Die falsche Auswahl der Kennzahlenbestandteile führt zur inkorrekten Erfassung eines zu messenden Sachverhalts. – Die Orientierung an falschen Zielen führt dazu, dass Zielgrößen keinen unmittel­ baren Bezug zu dem zu erfassenden Sachverhalt aufweisen. – Der Ermittlungsaufwand einer Kennzahl wird durch den Nutzen nicht gerechtfer­ tigt, d. h., dass ein sehr großer Ermittlungsaufwand nicht angemessen verwertba­ re Ergebnisse hervorbringt. – Die zu große Anzahl von Kennzahlen führt zu Unübersichtlichkeiten bzw. Unklar­ heiten und in der Folge zu einer Überforderung der Entscheidungsträger als Infor­ mationsadressaten (vgl. hierzu Taschner 2015: 20ff und Taschner 2013a: 75ff). – Die mangelhafte Datenaktualität einer ermittelten Kennzahl führt zu einer Desin­ formation der Entscheidungsträger als Informationsadressaten und in der Folge zu Fehlentscheidungen.

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1.3 Merkmale der Kennzahlensysteme Kennzahlen können v. a. durch eine individuelle Interpretation und durch den be­ schränkten Betrachtungshorizont an ihre Anwendungsgrenzen stoßen (vgl. Reich­ mann et al. 2017: 41). Daher ist es notwendig, ein System zu entwickeln, das mehr­ deutige Interpretationen ausschließen und die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den Systemelementen erfassen kann (vgl. Lachnit 1979: 27).

1.3.1 Zum Begriff des Kennzahlensystems Mit einem Kennzahlensystem soll ein sachlogischer oder mathematischer Zusammen­ hang über mehrere Kennzahlen dargestellt werden (vgl. Gladen 2014: 256f). Hierbei ist es wichtig, eine sinnvolle hierarchische Zusammenstellung der wichtigsten Kenn­ zahlen zu erreichen (vgl. Preißler 2008: 17); sofern dies gelingt, können die zu gewin­ nenden Erkenntnisse zur Fundierung von Entscheidungen genutzt werden: „Es ist zu beachten, dass eine kleine Auswahl von Kennzahlen, die analysiert und den unter­ nehmerischen Entscheidungen zugrunde gelegt wird, besser ist als eine Fülle ungele­ sener Zahlen.“ (Bussiek et al. 1993: 32). Nach Auffassung von Reichmann versteht man unter einem Kennzahlensystem „[. . . ] im Allgemeinen eine Zusammenstellung von quantitativen Variablen [. . . ], wo­ bei die einzelnen Kennzahlen in einer sachlich sinnvollen Beziehung zueinander stehen, einander ergänzen oder erklären und insgesamt auf ein gemeinsames über­ geordnetes Ziel ausgerichtet sind.“ (Reichmann 2011: 26f). Sandt weist darauf hin, dass es sich schon um ein Kennzahlensystem handelt, sobald mindestens zwei Kenn­ zahlen in einer Beziehung zueinander stehen, einander ergänzen oder erklären (vgl. Sandt 2004: 14; so auch Weber, Schäffer 2016: 196f). Die Planungs-, Steuerungs- und Kontrollfunktion von Kennzahlensystemen wird von Lachnit hervorgehoben, wobei dieser Kennzahlensysteme als ergänzende Instrumentarien der Unternehmensleitung einordnet (vgl. Lachnit 1979: 73ff). Damit ist auch die Begrifflichkeit des Kennzahlen­ systems, ebenso wie die der Kennzahl, nicht einheitlich definiert. Die Definition Reichmanns ist – trotzdem sie relativ häufig Verwendung findet – recht allgemein gehalten, da Kennzahlensysteme rein funktional und auf ein nicht näher definiertes übergeordnetes Ziel ausgerichtet verstanden werden. Die Definiti­ on von Lachnit ist hier insofern präziser, als dass die Ziele mit Planung, Steuerung und Kontrolle benannt werden. Kennzahlensysteme fungieren als ein Steuerungsin­ strument, dessen Aufgaben bis in die Unternehmensführung reichen. Dies zeigt die Bedeutung und den Einfluss von Kennzahlensystemen.

360 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

1.3.2 Systematisierung der Kennzahlensysteme Die Arten betriebswirtschaftlicher Kennzahlensysteme lassen sich anhand unter­ schiedlicher Systematisierungsmerkmale differenzieren (siehe Tabelle E1.4). Tab. E1.4: Arten betriebswirtschaftlicher Kennzahlensysteme (in Anlehnung an Meyer 2011: 28). Systemati­ sierungs­ merkmale

Arten betriebswirtschaftlicher Kennzahlensysteme

nach der Verknüpfung der Elemente

Rechensysteme (quantifizierte Elemente und quantifizierte Elementbeziehungen)

nach der Stellung im betrieblichen Sozialsystem

Kennzahlensysteme als

nach der Methode der Entwicklung

induktiv abgeleitete Kennzahlensysteme

deduktiv abgeleitete Kennzahlensysteme

nach der Art der zu messenden Sachverhalte

Kennzahlensysteme zur Messung von Strukturen

Kennzahlensysteme zur Messung von Prozessen

nach der zeitlichen Dimension

Kennzahlensysteme mit Plan(Soll-)Zahlen (Planungssysteme)

Kennzahlensysteme mit Istzahlen (Kontrollsysteme)

nach der Zugehörigkeit zu einer betrieblichen Funktion

Kennzahlensysteme aus der Funktion

nach der Verwendungsori­ entierung

Analysekennzahlensysteme

Zielsysteme

Beschaf­ fung

Entscheidungs­ hierarchien

Lager­ wirtschaft

Produktion

Ordnungssysteme (quantifizierte Elemente und unquantifizierte Elementbeziehungen)

Kommunikati­ onssysteme

Absatz

Kontrollsysteme

Personal­ wirtschaft

Finanz­ wirtschaft, Jahresab­ schluss

Steuerungskennzahlensysteme

Kennzahlensysteme bilden die geordnete Gesamtheit von Kennzahlen ab, die in Be­ ziehung zueinander stehen. Kennzahlensysteme informieren daher vollständig über einen Sachverhalt. Zu unterscheiden sind Kennzahlensysteme zum einen hinsichtlich der Struktur (Verknüpfung der Elemente des Kennzahlensystems), und zum anderen hinsichtlich der Anzahl der betrachteten Dimensionen.

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Nach dem Differenzierungskriterium „Struktur“ ergeben sich als Kennzahlen­ systeme zum einen die Rechensysteme, bei denen die einzelnen Kennzahlen rechen­ technisch miteinander verknüpft werden, und zum anderen die Ordnungssysteme, bei denen die einzelnen Kennzahlen sachlogisch anhand von Ordnungskriterien vernetzt werden (siehe Abbildung E1.4). Kennzahlensysteme

mit rechentechnischer Verknüpfung

mit sachlogischer Verknüpfung

Rechensysteme

Ordnungssysteme

definitionslogische/ mathematische Beziehungen (Kennzahl resultiert aus mathematischen Operationen)

empirische UrsachenWirkungs-Beziehungen (Kennzahl resultiert aus funktionalen Zusammenhängen)

Analysekennzahlensysteme

Steuerungskennzahlensysteme

Abb. E1.4: Architektur und Verwendungsart von Kennzahlensystemen (in Anlehnung an Gladen 2014: 100).

Ordnungssysteme erfassen bestimmte Aspekte eines Unternehmens, indem bestimm­ ten Sachverhalten ausgewählte Kennzahlen zugeordnet werden. Rechensysteme haben die (hierarchische) Struktur einer Pyramide, die mit einer sogenannten Spit­ zenkennzahl (als übergeordnete Kennzahl) ausgestattet ist; diese soll die wichtigs­ te Aussage des Systems vermitteln. Da die Spitzenkennzahl durch mathematische Verknüpfungen von hierarchisch untergeordneten Kennzahlenverbindungen rech­ nerisch hergeleitet wird, werden in der Kennzahlenpyramide letztlich Ursache-Wir­ kungs-Zusammenhänge abgebildet (vgl. Horváth 2015: 288f; vgl. exemplarisch Wöhe 2016a: 200f). Daneben lassen sich Kennzahlensysteme klassifizieren nach der Anzahl der er­ fassten Dimensionen (siehe Abbildung E1.5). Hier sind eindimensionale und mehr­ dimensionale Kennzahlensysteme zu unterscheiden (vgl. auch Gladen 2014: 98f).

362 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

Kennzahlensysteme

Rechensysteme (mathematische Systeme) A ― B

E ― B G ― B

:



G ― E

F ― B

Systemdimensionen

Betrachtungssachverhalt

+

C ― B

Ordnungssysteme (sachlogische Systeme)

D ― C

:

B ― H

eindimensionale Kennzahlensysteme

sachlogische Komponenten

D ― B Kennzahl 1

B ― C ⋅

H ― C

Kennzahl 11



Kennzahl 2

Kennzahl 1n

mehrdimensionale Kennzahlensysteme

Kennzahl 3

Kennzahl 31



Kennzahl 3n

Kenn- Kenn- KennKennzahl 21 zahl 22 zahl 23 … zahl 2n Abb. E1.5: Kennzahlensysteme (in Anlehnung an Steger 2017: 126).

Eindimensionale Kennzahlensysteme zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine rein monetär orientierte Spitzenkennzahl aufweisen. Sie kommen ebenso wie die mehr­ dimensionalen Kennzahlensysteme zur vertikalen Steuerung in Unternehmen zum Einsatz. Eindimensionale Kennzahlensysteme lassen sich in die Unterkategorien der erfolgsorientierten (finanzwirtschaftlichen) Kennzahlensysteme und der wertorien­ tierten Kennzahlensysteme unterteilen (vgl. Weber, Schäffer 2008: 177ff): – Zu den erfolgsorientierten Kennzahlensystemen werden im Allgemeinen der Re­ turn on Investment (RoI), das ZVEI-Kennzahlensystem, das Residual Income (RI), der Return on Quality (RoQ), oder auch der Shareholder-Value (SHV) gezählt. – Zu den bekanntesten wertorientierten Kennzahlensystemen gehören das Netz­ werkmodell von Rappaport, das Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF), das Eco­ nomic-Value-Added-Verfahren (EVA) und Cash-Value Added (CVA). Das wohl älteste und bekannteste eindimensionale Kennzahlensystem ist das DuPont-System of Financial Control (vgl. Wöhe 2016a: 200f; vgl. hierzu auch Teil B, Kapitel 2.2.2). Dieses System wurde 1919 als erstes Kennzahlensystem in der Anwen­ dungspraxis entwickelt (vgl. Horváth et al. 2015: 291f). Bei diesem Kennzahlensystem ist die Spitzenkennzahl der Return on Investment (RoI), der das oberste Unterneh­ mensziel repräsentiert. Diese Kennzahl gibt den Erfolg in Bezug auf das investierte Kapital an und setzt sich aus den multiplikativ verknüpften (Unter-)Kennzahlen der Umsatzrentabilität und des Kapitalumschlags zusammen (vgl. Gladen 2014: 93).

1 Informationsermittlung – Kennzahlen und Kennzahlensysteme |

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Das bekannteste mehrdimensionale Kennzahlensystem stellt die Balanced Scorecard (BSC) mit ihren vielfältigen Varianten dar. Der Begriff Kennzahlensystem ist – ebenso wie der Begriff „Kennzahl“ – im angelsächsischen Raum nicht eindeutig definiert. Für die mehrdimensionalen Kennzahlensysteme werden häufig auch die Begriffe „Performance Measurement“ oder „Performance-Measurement-System“ ge­ nutzt. Mehrdimensionale Kennzahlensysteme weisen jedenfalls sowohl monetäre als auch nicht monetäre (Spitzen-)Kennzahlen aus: – Grüning beschreibt ein Performance-Measurement-System als „[. . . ] ein System zur Messung und Lenkung der mehrdimensionalen, durch wechselseitige Inter­ dependenzen gekennzeichneten, strategische und operative Aspekte integrieren­ den Unternehmensperformance auf Basis eines kybernetischen Prozesses mit Ele­ menten organisationalen Lernens“ (vgl. Grüning 2002: 10). – Dagegen ist nach Gleich ein Performance-Measurement-System ein Konzept zur Steuerung und Planung, das finanzielle und nicht finanzielle Kennzahlen vereint. Die Kennzahlen sind dabei mit Einflussgrößen der langfristigen Unternehmens­ leistungsfähigkeit auf allen Leistungs- und Erfolgsebenen des Unternehmens verbunden. Diese können – bei ständiger Verfolgung der strategischen Ziele – Ansprüche der Stakeholder integrieren, flexibel sein, sich gegenseitig ergänzen und kontinuierlich verbessern. Performance Measurement wird als Aufbau und Einsatz mehrerer Kennzahlen unterschiedlicher Dimensionen beschrieben, um die Effizienz, Leistung, Leistungspotenziale und Effektivität zu bestimmen (vgl. Gleich 2001: 114f). Der Begriff Performance-Measurement-System fand im angelsächsischen Wirtschafts­ raum weite Verbreitung. In Deutschland wurde die Aufmerksamkeit auf Kennzah­ lensysteme erst seit den 1970er-Jahren gerichtet. Daher durchlief die Begrifflichkeit „Kennzahlensystem“ eine kürzere Entwicklung, als die von „Kennzahlen“ (vgl. Reich­ mann 2011: 26f). Die Begrifflichkeit „Kennzahlensystem“ kann als übergreifend be­ zeichnet werden. Die Unklarheiten hinsichtlich der konkreten Bedeutungsinhalte des Begriffs „Kennzahlensystem“ lassen sich durch den historischen Entwicklungspro­ zess der Kennzahlensysteme erklären, der in drei Stufen gegliedert werden kann (vgl. Gladen 2014: 417ff; vgl. Fischer et al. 2015: 343ff): 1. Entwicklungsstufe: Erfolgsorientierte (finanzwirtschaftliche) Kennzahlensysteme Grundlegende Unternehmensziele sind nach allgemeiner Auffassung Erfolgs- und Li­ quiditätsziele. Diese finanzwirtschaftlichen Ziele werden in den klassischen Kennzah­ lensystemen DuPont, ZVEI und RL verfolgt (vgl. Lachnit, Müller 2012: 295ff, Reich­ mann 2011: 28). Kennzahlensysteme mit dieser Ausrichtung sind jedoch häufig kriti­ siert worden: Sie gewähren nur eine Aussage über die Effizienz von Unternehmens­ einheiten, sind vergangenheitsorientiert und somit für eine zukunftsorientierte strate­ gische Unternehmenssteuerung nur in eingeschränktem Maße geeignet. Finanzwirt­

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schaftlich orientierte Kennzahlen basieren auf Bestandsgrößen der Buchführung, Bi­ lanzierung und Kostenrechnung, die durch steuerrechtlich motivierte Bewertungen beeinflusst sind bzw. relativ leicht manipuliert werden können. Daneben bewegen sich diese Systeme in einem weitestgehend starren Rahmen und sind deshalb nur schwer an unternehmensspezifische Bedingungen und Anforderungen anzupassen. Zudem werden weder das unternehmensspezifische Risiko (z. B. keine marktgängige und/oder konkurrenzfähige Produkte auf den Märkten anbieten zu können) und der Zeitwert des Geldes zum Zeitpunkt der Kennzahlenmessungen, noch der notwendige (Eigen- bzw. Fremd-)Kapitaleinsatz berücksichtigt. Der grundlegende Zusammenhang zwischen dem ermittelten Kapitalbedarf und den realisierten Kapitalrückflüssen wird so nicht angemessen abgebildet. Rein finanzwirtschaftlich geprägte Kennzahlen korrelieren also nur bedingt mit dem Unternehmenswert, zumal nicht finanzwirtschaftliche Sachverhalte (z. B. das Humankapital) durch diese Kennzahlen nicht (direkt) erfasst werden. Demzufolge sind rein finanzwirtschaftliche Kennzahlen als strategisches Steuerungsinstrument im Controlling zur Unterstützung der strategischen Ausrichtung des Unternehmens durch die Unternehmensführung nur sehr eingeschränkt verwendbar. 2. Entwicklungsstufe: Wertorientierte Kennzahlensysteme Im Rahmen einer wertorientierten Unternehmensführung ist es Aufgabe des Ma­ nagements, „[. . . ] sämtliche Entscheidungen so zu treffen und umzusetzen, dass das Vermögen der Eigentümer (Shareholder) gesteigert wird.“ (Fischer et al. 2015: 357). Der Wert des von Eigenkapitalgebern zur Verfügung stellten Kapitals wird auch als Shareholder-Value bezeichnet. Die Orientierung an einem wertorientierten Ansatz rührte aus der Kritik an den rein finanzorientierten Kennzahlensystemen (vgl. Fi­ scher et al. 2015: 357f). Durch die Betrachtung des Unternehmenswerts können bei den wertorientierten Kennzahlensystemen die Renditen für die Eigenkapitalgeber (aufgefasst als Risikoprämie für den Entgang alternativer Anlagemöglichkeiten, die z. B. risikoärmer anzusehen sind wie festverzinsliche Wertpapiere) sowie das unter­ nehmerische Risiko miteinbezogen werden. Kapital soll demnach von Unternehmen nur in Geschäftsbereiche investiert werden, die eine risikoadäquate Rendite für die Eigenkapitalgeber erwirtschaften, die über dem marktüblichen Kapitalkostenverzin­ sungsgrad liegt (vgl. Horváth et al. 2015: 210ff; vgl. Fischer et al. 2015: 357f). Dieser Ansatz hat sich trotz der Bedenken gegenüber der Gefahr unzureichender Nachhal­ tigkeit der Wertsteigerungen theoretisch und praktisch als geeignet erwiesen. Wertorientierte Kennzahlensysteme bilden gegenüber den herkömmlichen fi­ nanzorientierten Kennzahlensystemen das Risiko und den Zeitwert des Geldes ab. Durch die Verwendung von Zahlungsgrößen werden die buchhalterischen Ansät­ ze und die Bewertungsspielräume weitestgehend minimiert. Zusätzlich werden Zu­ kunftserwartungen in die Betrachtung integriert und Kapitalstrukturen abgebildet, wodurch ein sogenanntes profitables Wachstum gemessen werden kann (vgl. Gla­

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den 2014: 113ff). Diese Kennzahlensysteme berücksichtigen mit einer einzigen aussa­ gekräftigen (Spitzen-)Kennzahl sowohl das investierte Kapital, die Rendite (als Anreiz für die Eigenkapitalgeber, da der Renditesatz über den marktüblichen Kapitalkosten­ satz liegen sollte) als auch die Kapitalkosten selbst. Eine Weiterentwicklung des wertorientierten Kennzahlenansatzes stellt der RealAsset-Value-Enhancer-Ansatz dar (RAVE). Hierbei werden zusätzlich kunden-, mit­ arbeiter- und kapitalbezogene Wertbeiträge berücksichtigt (vgl. Gladen 2014: 154f). 3. Entwicklungsstufe: Performance-Measurement-Systeme Performance-Measurement-Systeme repräsentieren letztendlich den Versuch, die De­ fizite der erfolgsorientierten und wertorientierten Kennzahlensysteme durch ein ganz­ heitliches, mehrdimensionales Steuerungssystem zu ergänzen bzw. zu ersetzen. (vgl. Fischer et al. 2015: 406f) Ein wertorientierter Ansatz ist zwar notwendig und im Gro­ ßen und Ganzen als schlüssiges Konzept zu bezeichnen. Trotzdem gestaltet sich die praktische Umsetzung aufgrund der fehlenden Methodensicherheit bei der Operatio­ nalisierung bis auf die jeweiligen operativen Einheiten als schwierig (vgl. Currle 2001: 229ff). Häufig werden die rein finanzwirtschaftliche Betrachtung und die vergangen­ heitsorientierten Kennzahlen als wichtige Treiber für die Entwicklung solcher Systeme aufgeführt. Weil diese nicht vollständig sind, wurde eine Erweiterung durch die Ein­ beziehung von Mitarbeiter- und Kundenkennzahlen gefordert. Diese Defizite können als Indikator für die Notwendigkeit eines Kennzahlensystems angesehen werden, wel­ ches die wertorientierten Steuerungskonzepte mit der Unternehmensstrategie verbin­ det und ausgewogen bis in die operative Einheit konsistent umzusetzen vermag (vgl. Gladen 2014: 417f). Vor diesem Hintergrund wurden die Performance-MeasurementSysteme entwickelt, sie beurteilen die unterschiedlichen Objekte eines Unternehmens hinsichtlich der Effektivität, Effizienz, Leistung und Leistungspotenziale. Sie wer­ den individuell an der Unternehmensstrategie ausgerichtet (vgl. Gleich 2001: 11). Das Performance Measurement schließt damit die Lücke zwischen Wertorientierung, Stra­ tegie und operativer Performance und nimmt eine zentrale Rolle im Steuerungs- und Strategieprozess ein. Die bekanntesten Performance-Measurement- Modelle sind neben der Balanced Scorecard (BSC) das französische Tableau de Bord, das EFQM-Modell und das Mo­ dell der selektiven Kennzahlen. Auch weniger bekannte Modelle wie das Performance Prism, die Performance Pyramid und das Quantum-Performance-Measurement-Sys­ tem (QPMS) zählen zu den Systemen der dritten Entwicklungsstufe.

1.3.3 Anforderungen an Kennzahlensysteme Kennzahlensysteme besitzen in der Unternehmensplanung, -steuerung und -kontrol­ le einen hohen Stellenwert, wobei die Wahl eines geeigneten Systems ausschlagge­

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bend für die Unternehmensführung ist. Im Vorfeld der Auswahl eines Kennzahlen­ systems ist die Festlegung des Anwendungsbereichs als grundlegend einzustufen. Sind die entsprechenden Anforderungen an das Kennzahlensystem im Vorfeld geklärt worden und bekannt, ermöglicht das Kennzahlensystem eine komprimierte Übersicht über die wichtigsten Sachverhalte in einem bestimmten betrieblichen Kontext. Wird ein aufgrund beispielsweise falsch gesetzter Ziele ungeeignetes System gewählt, kann dies zu einer Fehlsteuerung in Unternehmen führen. Auch die Wahl der richtigen Kennzahlen ist ausschlaggebend, um zu vermeiden, dass die Entscheidungsträger den Überblick über die wichtigen Kennzahlen verlieren (vgl. Küpper et al. 2013: 480). Werden nur gewisse Kennzahlenwerte als Ziel verfolgt, könnten andere wichtige Un­ ternehmensbereiche vernachlässigt werden (vgl. Weber, Schäffer 2016: 210ff): – Als wesentliche Anforderung an Kennzahlensysteme kann deren Akzeptanz an­ gesehen werden. Daher sollten alle betroffenen Parteien in den Entstehungspro­ zess des Kennzahlensystems miteinbezogen werden. Andernfalls kann das Sys­ tem aufgrund fehlender Akzeptanz und durch nicht nachvollziehbaren Nutzen seine Funktion nicht oder nur begrenzt erfüllen. – Ein wichtiger Aspekt bei der Ermittlung der Kennzahlenwerte im Rahmen von Kennzahlensystemen ist der Ermittlungsaufwand. Dieser sollte nicht höher sein als der daraus gezogene Nutzen. Zusätzlich muss geklärt werden, in wieweit die Entscheidungsträger Einfluss auf die Auswahl und Gestaltung der Kennzahlen nehmen können. Jede Entscheidung sollte unter Beachtung der Konsequenzen und der Wechselwirkungen zwischen den Kennzahlen getroffen werden. – Darüber hinaus müssen Kennzahlen das System (z. B. das Unternehmen als Gan­ zes mit seinem Unternehmensumfeld oder z. B. auch Leistungseinheiten des Unternehmens mit seinen Wechselwirkungen in andere Teileinheiten) eindeutig und jederzeit unternehmensintern sowie unternehmensextern bestimmen und abgrenzen können. Die Entscheidungsträger müssen im Rahmen der Verwen­ dung der Kennzahlen in der Lage sein, jede Kennzahl (auch separat betrachtet in Kennzahlensystemen) fachlich richtig zu interpretieren (vgl. Staehle 1973: 338). Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass ein Kennzahlensystem als Informati­ onsinstrument viele Vorteile bietet, aber unter Berücksichtigung der genannten Voraussetzungen entwickelt werden muss. Andernfalls können unerwünschte Fehl­ steuerungen resultieren. Wichtig ist zudem, dass Entscheidungen von einem Kenn­ zahlensystem nur unterstützt werden können. Aufgrund der komplexitätsreduzie­ renden Eigenschaften der Kennzahlen und Kennzahlensysteme ist die Entscheidung selbst durch den Entscheidungsträger unter Berücksichtigung vieler, auch über das Kennzahlensystem hinausreichender Faktoren, zu treffen (vgl. Gaitanides 1979: 57ff). Bei Kennzahlensystemen sind stets bestimmte Grundsatzfragen hinsichtlich ih­ res Einsatzes zu stellen, um einen nicht mehr verhältnismäßigen Einsatz (AufwandNutzen-Relation) zu vermeiden (siehe Tabelle E1.5).

1 Informationsermittlung – Kennzahlen und Kennzahlensysteme |

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Tab. E1.5: Grundsatzfragen des Kennzahleneinsatzes (in Anlehnung an Jung 2014a: 165). Merkmale

Grundsatzfragen

Umfang

Wie ist das Verhältnis von aktiv verfolgten Kennzahlen zu berichteten Kennzahlen?

Genauigkeit

Wie viele Kennzahlen sind zu unspezifisch bzw. weisen einen zu hohen Detaillierungsgrad auf?

Orientierung

Wie ist das Verhältnis von ergebnis- zu ablauforientierten Kennzahlen gestaltet?

Verknüpfung

Können die Kennzahlen direkt (z. B. mit dem Prozesserfolg) verknüpft werden?

Einflüsse

Bei wie vielen Kennzahlen sind die Einflüsse und Abhängigkeiten untereinander ermittelt?

Bezug

Wie ist das Verhältnis zwischen monetären und nicht monetären Kennzahlen gestaltet?

Feedback

Gibt es ausreichende Rückmeldungen/Reaktionen auf die berichteten Kennzahlen?

Vergleichbarkeit

Bei wie vielen Kennzahlen bestehen Vergleichsmöglichkeiten zu anderen Unternehmen bzw. Unternehmensteilen?

Erfassung

Wie viele Kennzahlen werden schon über einen längeren Zeitraum erfasst?

Reaktionen

Wie viele Maßnahmen im Unternehmen/in den Abteilungen lassen sich als direkte Reaktion auf unbefriedigende/befriedigende Kennzahlenwertausprägungen zurückführen?

1.3.4 Key Performance Indicators Key Performance Indicators (KPIs) bezeichnen Kennzahlen, die eine Leistung oder den Erreichungsgrad hinsichtlich vorgegebener Zielsetzungen im Leistungserstel­ lungs- und Leistungsverwertungsbereich von Unternehmen messen. Der Begriff „KPI“ wird oftmals mit dem Begriff „Kennzahl“ synonym verwendet (vgl. z. B. Reichmann et al. 2017: 39), obwohl bei den KPIs die Leistungsmessung im Vordergrund steht und der Begriff „Kennzahl“ (im deutschsprachigen Raum) eine weitergehende und um­ fangreichere Bedeutung besitzt. KPIs stellen Informationen über die Auswirkungen operativer Leistungen auf die Zielerreichung dar und geben einen Hinweis darauf, wie es um die Performance eines Unternehmens bestellt ist. Für die Leistungsbe­ wertung eines ganzen Untersuchungsobjekts werden daher mehrere Indikatoren benötigt, bei denen eine Korrelation zwischen Untersuchungsobjekt und Messgröße bestehen kann (vgl. Sprotte 2009: 30; vgl. Losbichler et al. 2015: 91). Es gibt unterschiedliche Anforderungen und Voraussetzungen an die KPIs. Die Zusammenstellung in Tabelle E1.6 begrenzt diese auf insgesamt fünf zu erfüllende Rahmenbedingungen (vgl. auch Pack et al. 2014: 568ff):

368 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

Tab. E1.6: Voraussetzungen und Anforderungen für den Einsatz geeigneter KPIs (in Anlehnung an Pulverich, Schietinger 2007: 25ff). Rahmenbedingungen

wesentliche Anforderungen und Voraussetzungen

Zielvereinbarung

Festlegung eindeutig definierter Ziele

Messbarkeit

Die Zielerreichung oder -verfehlung muss durch KPIs bestimmbar sein.

Überschaubarkeit und Rationalität

Es sollten lediglich vereinzelte KPIs angewendet werden, um die Datenmenge einzugrenzen und die Transparenz zu gewährleisten.

Balance

Es sollte trotz der Anforderung an die Überschaubarkeit eine universelle Fokussierung auf gewichtige Aspekte gewährleistet sein.

Berechnung

KPIs sollten auf eine beständige Datenbasis zurückgreifen, um Ergebnisverfälschungen vermeiden zu können.

Bei Kennzahlen werden sogenannte Basiszahlen ermittelt, die einen Sachverhalt zwar sehr eingrenzend, aber doch quantitativ zutreffend abbilden können. Im Gegensatz zu den Kennzahlen berichten Key Performance Indicators über eine Realität, die sich quantitativ nur schwer abbilden lässt; sie können jedoch eine Grundlage für die Be­ trachtung und die Bewertung von Ursachen-Wirkungs-Zusammenhängen schaffen (vgl. Kaspar, Ossadnik 2014: 27; vgl. auch Richert 2006: 31). Pulverich/Schietinger fokussieren mit den von ihnen aufgeführten Anforderungen stärker auf die formellen Rahmenbedingungen zur Erstellung der KPIs. Deimel et al. gehen zwar ebenfalls von fünf Anforderungen aus, legen den Schwerpunkt jedoch eher auf die Operationalisie­ rung der KPIs (siehe Tabelle E1.7). Tab. E1.7: Anforderungen an KPIs und KPI-Targets (in Anlehnung an Deimel et al. 2013: 396). Anforderung

Erläuterung

Konkretisieriung

Relevant

KPIs müssen die Unterneh­ menszielsetzungen reflektieren.

– KPIs müssen einen signifikanten, ableitbaren/messbaren Einfluss auf den Wert haben. – KPIs sollten vorlaufend sein.

Spezifisch

KPIs müssen klar und spezifisch sein.

– Aufforderungen zu spezifischen Aktionen – Mitarbeiter müssen die KPIs als ihre eigenen Ziele verinnerlichen.

Messbar

KPIs müssen messbar sein.

– Fortschritte bei der Erreichung der KPIs werden erkennbar. – Reportingsystem notwendig

Ausführbar

KPI-Targets müssen herausfordernd und erreichbar sein.

– KPI-Targets motivieren nur, wenn sie für die Mitarbeiter realistisch/erreichbar erscheinen. – KPIs müssen beeinflussbar sein.

Terminiert

KPI-Targets müssen einen Gültigkeitszeitraum haben.

– Die Erfüllung der KPI-Targets muss in bestimmten Zeiträumen möglich sein.

1 Informationsermittlung – Kennzahlen und Kennzahlensysteme | 369

Exemplarisch sollen im Folgenden zweckmäßige KPIs im Bereich des Transportwe­ sens der Unternehmen zur Absicherung der Transportqualität (Idealwert jeweils 100 %) dargestellt werden (vgl. Bestmann 2011: 36ff und 48f; vgl. Waniczek et al. 2016: 85ff): Lieferzuverlässigkeit Dieser KPI drückt die Termintreue des Transportwesens eines Unternehmens aus: Lieferzuverlässigkeit =

∑ der termingerecht erfüllten Transportaufträge ⋅ 100 % ∑ aller Transportaufträge

Mengenabweichung Hinsichtlich der Warensendungen wird mithilfe dieses KPI der um die Fehlmengen bereinigte Anteil an allen Warensendungen ermittelt; er gibt Auskunft über den pro­ zentualen Realisationsgrad: Mengenabweichung =

∑ der Warensendungen (ohne Fehlmenge) ⋅ 100 % ∑ aller Warensendungen

Transportschäden Dieser KPI drückt die Transportqualität in Bezug auf die durch den Transport verur­ sachten Schäden aus: Transportschäden =

∑ der Warensendungen (ohne Transportschäden) ⋅ 100 % ∑ aller Warensendungen

1.3.5 Kennzahlensysteme als Berichtsinstrumente Kennzahlensysteme im Allgemeinen weisen bestimmte Charakteristika auf, die in ihrer Struktur und ihren inhaltlichen Ausrichtungen begründet sind. Nachfolgend sollen allgemeingültige Vor- und Nachteile von Kennzahlensystemen kurz zusam­ mengefasst und die wesentlichen anwendungspraktischen Probleme beim Einsatz von Kennzahlen und Kennzahlensystemen herausgestellt werden. Kennzahlen sind generell ein wertvolles Instrument der koordinierenden In­ formationsaufbereitung für Planung, Kontrolle, Steuerung und Entscheidungs­ vorbereitung. Sie ermöglichen es den Entscheidungsträgern, auf komprimierte und zielgerichtete Informationen in einem bestimmten entscheidungsrelevanten Bereich zurückgreifen zu können, um informatorische Unsicherheiten bei zu treffenden Ent­ scheidungen zu minimieren. Gleichzeitig können mithilfe von Kennzahlensystemen Kausalitäten auf analytischer Basis aufgezeigt werden. So wirken sich Veränderungen bei hierarchisch untergeordneten Kennzahlen in beispielsweise eindimensionalen Kennzahlensystemen (wie dem des Return on Investments) direkt oder indirekt auf

370 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

die Spitzenkennzahl des Kennzahlensystems aus. Ein Ursache-Wirkungs-Zusammen­ hang kann hiermit offengelegt und Ansatzpunkte für korrektive Steuerungsmaßnah­ me aufgezeigt werden (vgl. Friedl 2013: 256ff). Allerdings ist zu bedenken, dass Kennzahlensysteme meist durch eine Monoziel­ ausrichtung gekennzeichnet sind. Der Zielpluralismus der Realität wird somit nicht oder nur unzureichend widergespiegelt. Die meisten Kennzahlensysteme stellen auf eine mathematisch geprägte Beziehung der Kennzahlen ab, was wichtige, nicht quan­ tifizierbare Beziehungen ausschließt (vgl. Bauer 2015: 40ff und 100ff). Auch bei der mehrdimensionalen Balanced Scorecard (BSC) können bei Weitem nicht alle relevan­ ten Entscheidungstatbestände in den komplexitätsreduzierenden Perspektiven durch selektierte Kennzahlen adäquat erfasst werden. Bei der Anwendung der Kennzahlensysteme (inklusive der bei ihnen zum Ein­ satz kommenden Kennzahlen) zeigt sich ein weites Spektrum von Problemen, die schlussendlich aber die hohe praktische Relevanz von Kennzahlen und Kennzahlen­ systemen nicht infrage stellen können: – Eindimensionale Kennzahlensysteme zeigen eine einseitige Ausrichtung auf eine Spitzenkennzahl, z. B. auf den kurzfristig orientierten Return on Investment (RoI). – Es findet oftmals eine kritiklose Übernahme von Durchschnittswerten oder bran­ chenüblichen Richtgrößen für Konkurrenzvergleiche statt, die ergebnisverfäl­ schende Auswirkungen bei der Interpretation der Kennzahlenwerte herbeiführen können (vgl. Jung 2014a: 161). – Eine zu starke Ausrichtung auf Daten der externen Unternehmensrechnung (we­ nig differenziert, vergangenheitsorientiert, einseitig orientiert) lässt wesentliche Entwicklungen und Abweichungen in anderen Bereichen des Kennzahleneinsat­ zes außer Betracht. – Die selektive und nicht strukturierte Auswahl von Kennzahlen kann zu einer In­ formationsverkürzung und falschen Informationsverwendung führen. – Nicht zuletzt ist oftmals eine fehlende kritische Distanz zu Auswahl, Ermittlung und Aussagewert der Kennzahlen festzustellen; dies mündet in der Anwendungs­ praxis gelegentlich in einer sogenannten Kennzahlengläubigkeit, weil Kennzah­ lenwerte (fälschlicherweise) als objektive Fakten angesehen werden. Damit Kennzahlen und Kennzahlensysteme als Berichtsinstrumente ihre Funktionen erfüllen können, müssen die Entscheidungsträger die Kennzahlen fachlich richtig in­ terpretieren können (vgl. Staehle 1973: 338; vgl. auch Meyer 2011: 38). Im Interesse dieser „richtigen“ Interpretation sollten mindestens die folgenden zwei Anforderun­ gen erfüllt sein: – Erstens müssen die Ursache-Wirkungs-Beziehungen des betrachteten und zu analysierenden Systems vollständig erfasst werden. Die vollständige Erfassung setzt voraus, dass der Entscheidungsträger das relevante System (z. B. das Unter­ nehmen und das Unternehmensumfeld oder den relevanten Teilbereich wie z. B. die Produktion mit ihren Rahmenbedingungen und Wechselwirkungen mit ande­

1 Informationsermittlung – Kennzahlen und Kennzahlensysteme | 371



ren Bereichen des Unternehmens) jederzeit eindeutig bestimmen und abgrenzen kann. Des Weiteren muss bekannt sein, inwieweit und mit welcher Intensität der Entscheidungsträger einzelne Kennzahlen bzw. Kennzahlenelemente direkt oder indirekt beeinflussen kann. Zweitens müssen Entscheidungen immer auf Basis von Input-Output-Über­ legungen getroffen werden. Insbesondere der zukünftige Output (im Sinne von Nutzen) einer Entscheidung ist schwer zu quantifizieren, wie nachfolgendes Bei­ spiel zeigt. Beispiel Ein Entscheidungsträger (Leiter Personal) eines Unternehmens kommt zu dem Er­ gebnis, dass die Weiterbildungskosten gekürzt werden müssen. Kurzfristig wirkt sich eine Reduktion der Weiterbildungskosten zwar positiv auf das operative Er­ gebnis aus. Mittelfristig bis langfristig ist allerdings zu überlegen, ob die Kosten­ reduktion den Nutzen für das Unternehmen tatsächlich erhöht oder mindert. Für Unternehmen stellt das Know-how des Personals einen erfolgskritischen Faktor dar, der durch Weiterbildung ständig gepflegt und erweitert werden sollte. Ferner können fehlendes Know-how und eine mangelnde Berufserfahrung sogar maß­ gebliche Gründe für eine unzureichende Interpretation der Kennzahlen darstel­ len.

Schwierig gestaltet sich insbesondere die Aufstellung von allgemeingültigen Ur­ sache-Wirkungs-Zusammenhängen in hierarchisch strukturierten Kennzahlensys­ temen. Die Zusammenhänge basieren meist nur auf Erfahrungswerten und sind nicht empirisch bewiesen. Jeder Entscheidungsträger verfügt i. d. R. über unterschiedliche Erfahrungswerte und unterschiedliches Know-how. Demzufolge werden häufig indi­ viduelle Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge aufgestellt (vgl. Reichmann 2011: 54). Weiterhin können Ursache-Wirkungs-Beziehungen oftmals nicht vollständig abgebil­ det werden, da die Beziehungen zu vielfältig sind und sich mitunter im Zeitverlauf ändern. Durch den fehlenden empirischen Beweis haben die Zusammenhänge eher hypothetischen oder Plausibilitätscharakter. Nach dem derzeitigen Stand existiert bislang keine valide Methodik zum Beweis von allgemeingültigen Aussagen. Ein weiteres Problem der Berichtspraxis stellt die valide Messung der Kennzah­ len dar – insbesondere dann, wenn es sich um nicht finanzielle Kennzahlen handelt. Die Validität (Gültigkeit der Messergebnisse) erfordert, dass eine Kennzahl genau das misst, was sie messen soll. Andernfalls wird der zu betrachtende Sachverhalt nicht oder nur unzureichend wiedergegeben. Eine valide Messung bedingt zum einen, dass sämtliche Einflussfaktoren und Abhängigkeiten berücksichtigt werden. Zum anderen erfordert die Messung ein fachlich fundiertes Methodenwissen und eine Methoden­ kompetenz aufseiten des Anwenders. Kennzahlen liefern zwar grundsätzlich die Informationsquellen für Entscheidun­ gen, sie sind jedoch nicht in der Lage, die Entscheidungen selbst zu ersetzen (vgl. Gai­

372 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

tanides 1979: 63). In diesem Kontext ist zudem zu beachten, dass Kennzahlen oftmals durch syntaktische und/oder semantische Divergenzen gekennzeichnet sind. Die Syntax beschreibt die formale Richtigkeit der Sprache. Die syntaktische Divergenz beschreibt den Fall, dass die Rechenformel einer Kennzahl von mehreren Entschei­ dungsträgern unterschiedlich definiert wird. Die Semantik legt die Logik der Sprache fest: Mehrere Entscheidungsträger meinen z. B. namentlich zwar die gleiche Kenn­ zahl, betriebswirtschaftlich logisch wird die Kennzahl von jedem Entscheidungsträ­ ger jedoch völlig unterschiedlich interpretiert. Kennzahlensysteme mit zu vielen In­ formationen führen oftmals dazu, dass der Entscheidungsträger schnell die Übersicht verliert und nicht bzw. nur unzureichend beurteilen kann, welche der zur Verfügung stehenden Kennzahlen die „richtigen“ sind (vgl. Küpper et al. 2013: 476 und 480). Um aus der Vielzahl der Informationen die entscheidungsrelevanten Kennzahlen zu fil­ tern, müssen geeignete Analyseinstrumente eingesetzt werden. Bei der Bildung von Kennzahlensystemen ist die Anzahl der Ziele gering zu hal­ ten, da der Entscheidungsträger ansonsten schnell verleitet wird, sich auf ein ausge­ wähltes Ziel zu konzentrieren. Bei den Kennzahlensystemen mit hierarchischer Glie­ derung (z. B. RoI) sollten Zähler und Nenner der Kennzahlen so gewählt werden, dass sie den betrachteten Sachverhalt möglichst vollständig abbilden. Notwendig ist die Wahl einer geeigneten Bezugsgröße für die zu messende Größe. Soll etwa die Bedeu­ tung des Personalaufwands für den Unternehmenserfolg gemessen werden, ist z. B. der Jahresüberschuss als Erfolgsgröße nicht geeignet, da dieser nicht primär durch den Personalaufwand beeinflusst wird. Als Bezugsgröße eignet sich vielmehr der Pro­ duktionsaufwand, da dieser bei schwankender Produktion den Einfluss von Verände­ rungen des Personalaufwands auf den Jahreserfolg am besten veranschaulicht.

1.4 Übungsaufgaben Aufgabe 1 Erläutern Sie vor dem Hintergrund der Quantifizierbarkeit der zu erfassenden Sach­ verhalte die Notwendigkeit eines kardinalen Messniveaus bei Verhältniskennzahlen. Stellen Sie in diesem Kontext – auch exemplarisch – die zulässigen Aussagen auf den jeweiligen Messniveaus und die Skaleneigenschaften dar. Aufgabe 2 Erläutern Sie die drei gängigen Vergleichsformen für Kennzahlen und ihre jeweiligen Zielsetzungen.

2 Informationsbereitstellung – internes und externes Berichtswesen Das unternehmensinterne und -externe Berichtswesen repräsentiert einen wesentli­ chen Bereich des Controllings. Mithilfe der Berichte kann das Controlling maßgeblich unternehmensbezogene Entscheidungsprozesse auf den unterschiedlichen hierarchi­ schen Ebenen von Unternehmen sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Hinsicht unterstützen. In Bezug auf das operative Controlling erfahren die Berichte mit ihren aussagekräftigen Informationen im betrieblichen Berichtswesen eine besondere Be­ deutung: Sie sollen kurzfristig aufzeigen, ob die zielgerichteten Vorgaben in den je­ weiligen Bereichen erreicht wurden oder ob Steuerungsinterventionen aufgrund von z. B. Abweichungen notwendig werden. Hierzu liefert das Berichtswesen die erforder­ lichen Informationen für die Entscheidungsträger in Form unterschiedlicher Berichts­ arten.

2.1 Grundgedanken eines unternehmerischen Berichtswesens und Reportings Göpfert versieht das betriebliche Berichtswesen mit den allgemeinen Aufgaben der „[. . . ] Erzeugung und [. . . ] Übermittlung von aussagekräftigen Informationen in Ge­ stalt formalisierter Berichte für Führungskräfte und unternehmensexterne Empfän­ ger mit dem Ziel, unternehmensbezogene Entscheidungsprozesse maßgeblich zu un­ terstützen und die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachhaltig zu stärken“ (Göpfert 2002: 146). Der Begriff „Berichtswesen“ steht also in unmittelbarem Bezug zur Versorgung der Entscheidungsträger in Unternehmen mit steuerungsrelevanten Infor­ mationen (vgl. Joos-Sachse 2006: 52ff; vgl. Steinle, Bruch 1998: 375; vgl. Göpfert 2002: 146). Dem Berichtswesen wird daher eine wichtige Kommunikationsfunktion bei der Informationsweitergabe zugeschrieben (siehe Abbildung E2.1).

https://doi.org/10.1515/9783110439793-024

374 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

Managementreporting

Datentransformation, Informationsgenerierung

Informationsnutzung, Interpretation

interne und externe Unternehmensrechnungen

Unternehmensführung Interpretation

Abb. E2.1: Brückenfunktion des Reportings (in Anlehnung an Taschner 2013a: 35).

Das betriebliche Berichtswesen hat sich im Laufe der Zeit gewandelt; analog zur Un­ ternehmensrechnung wird seit einigen Jahren eine Differenzierung in eine interne und externe Ausrichtung vorgenommen, da unterschiedliche Adressatenkreise mit Infor­ mationen zu versorgen sind. Diese Adressaten können auch als Informationsnutzer bezeichnet werden. Externe Adressaten respektive Informationsnutzer sind u. a. die Shareholder oder andere Anspruchsgruppen, die mittels externer Berichterstattung über Ergebnisse des Unternehmens in Kenntnis gesetzt werden, wie z. B. mithilfe von Bilanzen und Geschäftsberichten. Innerhalb eines Unternehmens sollte unterschie­ den werden zwischen Informationsnutzern mit Führungsaufgaben und Informations­ nutzern, die mit Ausführungsaufgaben betraut sind (vgl. Taschner 2013b: 36). Den verschiedenen Führungsebenen lassen sich spezifische Entscheidungs­ ebenen und damit auch entsprechende Berichtsebenen zuordnen (siehe Abbil­ dung E2.2).

verdichteter Gesamtbericht (Gesamtergebnisbericht, verdichteter Soll-Ist-Vergleich)

Ebene der politischen Entscheidungen

Bereichsergebnisse (Soll-IstVergleich des Bereichs, Kennzahlen des Bereichs)

Ebene der strategischen Entscheidungen

Bereichsleitung

Ergebnisse der Hauptabteilungen (Soll-Ist-Vergleich der Hauptabteilungen, Kennzahlen der Hauptabteilungen)

Ebene der taktischen Entscheidungen

Hauptabteilungsleitung

Kostenstellenergebnisse (Kostenstellen-Soll-Ist-Vergleich, Kennzahlen der Kostenstellen)

Ebene der operativen Entscheidungen

Kostenstellenleitung

Berichtsebene/ Berichtsinhalte

Entscheidungsebene

375

Vorstand/ Geschäftsleitung

Führungsebene

Abb. E2.2: Berichtshierarchie im Controlling (in Anlehnung an Czenskowsky et al. 2004: 159).

Abgeleitet aus dem Begriff des innerbetrieblichen Berichtswesens kann der Begriff Managementreporting verwendet werden, wenn es sich bei den Adressaten einzig um Informationsnutzer mit Führungsaufgaben handelt. Hierbei handelt es sich um das Berichtswesen im engeren Sinne in klassischer Betrachtung, das auf die interne Unternehmensrechnung zurückgreift und daher als ein zentraler Bestandteil des Con­ trollings interpretiert werden kann. Abbildung E2.3 zeigt die moderne Auffassung des Berichtswesens im Allgemeinen:

Hierarchieebenen

Verdichtungsgrad der Berichtsinhalte

2 Informationsbereitstellung – internes und externes Berichtswesen |

376 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

Informationsnutzer

externe Informationsnutzer

interne Informationsnutzer

mit Führungsaufgaben

mit Ausführungsaufgaben

Managementreporting innerbetriebliches Berichtswesen (Reporting i. e. S.) betriebliches Berichtswesen (Reporting i.w. S.) Abb. E2.3: Berichtswesen und Managementreporting (in Anlehnung an Taschner 2013a: 36).

Werden zusätzlich Berichte erstellt, die sowohl an Informationsnutzer mit Führungs­ aufgaben als auch an interne Informationsnutzer mit Ausführungsaufgaben gerichtet sind, handelt es sich um das (klassische) innerbetriebliche Berichtswesen (Reporting im engeren Sinne). Wird die Gruppe der Adressaten um die der externen Informati­ onsnutzer erweitert, spricht man vom betrieblichen Berichtswesen bzw. vom Re­ porting im weiteren Sinne (vgl. Taschner 2013b: 2f). Das an externe Adressaten re­ spektive Informationsnutzer gerichtete Financial Reporting orientiert sich v. a. an den Informationen des externen Rechnungswesens und wird dem betrieblichen Berichts­ wesen im weiteren Sinne zugerechnet. Bei Ausrichtung der Berichtsinhalte auf wert­ orientierte Sachverhalte spricht man von einem sogenannten Value Reporting (vgl. Hierl, Blab 2014: 1015; vgl. Troßmann 2018: 164). Vor dem Hintergrund der Informationsversorgung von Entscheidungsträgern in Unternehmen lässt sich alternativ eine Anordnung des betrieblichen Berichtswe­ sens entlang des Informationsversorgungsprozesses vornehmen. Göpfert hat diese klassische Interpretation des unternehmerischen Berichtswesens vorgenommen (vgl. Göpfert 2002: 143ff). Ausgangspunkt dieser Prozesskette sind Informationsbedarfe, die aufgrund von Informationsbedarfsanalysen herausgearbeitet wurden. Hierzu wer­ den Unternehmensdaten ermittelt, in geeigneter Form gespeichert und administriert. Die Bestimmungsgrößen des Informationsbedarfs sind Abbildung E2.4 zu entneh­ men:

2 Informationsbereitstellung – internes und externes Berichtswesen |

377

Bestimmungsgrößen des Informationsbedarfs

Ziele der Unternehmung

Gestaltung der Führungsteilsysteme

Verhaltenseigenschaften der Empfänger

externe Bedingungen

Verwendbarkeit von Informationen

Merkmale des Informationsbedarfs

Berichtszwecke (Wozu?)

Was?

Wie?

Wann?

Wer?

Abb. E2.4: Informationsbedarf und Berichtsmerkmale (in Anlehnung an Taschner 2013a: 44).

Diese Datenbeschaffung und -verwaltung greift zum überwiegenden Teil auf vorhan­ dene Datensysteme (z. B. BDE, PIS, MAIS, CIM, CAD, CAM, CAQ etc.) im Unternehmen zurück. Die Daten werden üblicherweise in sogenannten relationalen Datenbanken gespeichert. Aus diesen gespeicherten Daten wiederum werden entscheidungsrele­ vante Informationen erzeugt unter Zugriff auf die Datenbanken, in denen diese Daten als Basis für die Informationen abgelegt sind (Informationserzeugung). Informatio­ nen sind dadurch charakterisierbar, dass sie für personenbezogenes, zeitabhängiges, zweck- und handlungsorientiertes Wissen stehen (vgl. Eschenbach, Siller 2011: 282). Die von Spezialisten (z. B. Controllern) zusammengestellten Informationen werden in Form von Berichten an die jeweiligen Entscheidungsträger als Informationsempfän­

378 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

ger weitergegeben (Informationsübermittlung). In der Prozessphase „Informations­ nutzung“ stellt sich heraus, in welcher Ausprägung und Güte das Berichtswesen die Informationsversorgung der Entscheidungsträger sichergestellt hat und die jeweili­ gen unterschiedlichen Berichtszwecke erfüllen konnte. Abbildung E2.5 verdeutlicht die Zuordnung des Begriffs „Berichtswesen“ anhand der Prozessbestandteile der In­ formationsversorgung: Informationsbedarf

Datenbeschaffung und -verwaltung

Informationserzeugung

Informationsübermittlung

Informationsnutzung

Berichtswesen i. e. S. Berichtswesen Berichtswesen i.w. S. Abb. E2.5: Das Berichtswesen in der Prozesskette Informationsversorgung (in Anlehnung an Göp­ fert 2002: 145).

Göpfert interpretiert das Berichtswesen im engeren Sinne alleinig als Form der Infor­ mationsübermittlung. Informationserzeugung und Informationsübermittlung stellen das Berichtswesen im klassischen Sinne dar, da durch Feedback der Informations­ empfänger die Informationserzeugung für zukünftige Berichte beeinflusst wird. Alle Prozessphasen bilden gemeinsam das Berichtswesen im weiteren Sinne, d. h., ein un­ ternehmerisches Berichtswesen reicht üblicherweise von der Phase „Datenbeschaf­ fung und -verwaltung“ bis hin zur Phase „Informationsnutzung“. Im Hinblick auf das operative Controlling geht es beim Berichtswesen im Un­ ternehmen um die zeitnahe (periodisierte oder Ad-hoc-)Zurverfügungstellung von In­ formationen für die Informationsnutzer mit Führungsaufgaben und auch für inter­ ne Informationsnutzer mit Ausführungsaufgaben. Diese Informationsversorgung ist v. a. bei nicht intendierten und nicht geplanten Entwicklungen und/oder Abweichun­ gen notwendig, um erforderliche Korrekturmaßnahmen (Steuerungsinterventionen) zu ermöglichen (siehe hierzu Teil F, Kapitel 1.2). Sind Abweichungen über die Berichte nicht feststellbar, können diese der Bestätigung des Handelns der Entscheidungsträ­ ger dienen.

2 Informationsbereitstellung – internes und externes Berichtswesen | 379

2.2 Zur Bedeutung der Kennzahlen im Berichtswesen und Reporting Kennzahlen repräsentieren die Grundlage für die Erstellung von Berichten in Unter­ nehmen. Sie sollen entsprechend ihrer Informationen über die quantifizierten betrieb­ lichen Sachverhalte den verantwortlichen Entscheidungsträgern helfen, Steuerungs­ informationen zu gewinnen, aus denen u. a. notwendige Maßnahmen im Falle einer nicht geplanten und nicht intendierten Abweichung von Vorgaben abgeleitet werden können. Berichte liefern hierfür einen bedeutenden Beitrag, da sie in komprimierter Weise mittels der Kennzahlenauswertungen Rückschlüsse auf Planerfüllungen und Entwicklungen als Erkenntnis für den Adressaten zur Verfügung stellen. Kennzahlen kommen einem Grundbedürfnis nach Sicherheit, Klarheit sowie Eindeutigkeit entge­ gen – vermitteln allerdings oft eine Scheingenauigkeit bzw. Scheinsicherheit, die im Gefolge zu Entscheidungen führen können, die die Steuerung des Unternehmens bzw. von Unternehmensteilen (auch nachhaltig) beeinträchtigen (vgl. Bauer 2015: 73). Im Rahmen des operativen Controllings wird davon ausgegangen, dass eine ziel­ gerichtete und punktgenaue Steuerung von Sachverhalten (Prozesse, Strukturen etc.) durchgeführt werden kann. Hier bleibt aber einzuwenden, dass dieses ein fast schon triviales Verständnis von Controlling impliziert, da Kennzahlen mit ihren Verdich­ tungsgraden der Informationen die Komplexität des Betrachtungsgegenstands auf wesentliche, zieladäquate Vorgaben reduzieren soll. Diese Komplexitätsreduktion wird formalisiert in Berichten zusammengefasst und dient den Entscheidungsträgern dann häufig (nicht ausschließlich) als Grundlage für zu treffende Entscheidungen. Bei nicht hin- und ausreichender Erläuterung in den Berichten können Kennzahlenwerte jedoch als scheinobjektive, weil faktenbasierte Wirklichkeitsdarstellungen interpre­ tiert werden. Daher ist es zwingend geboten, dass Kennzahlen in Berichten (auch in den Standardberichten, die routinemäßig Kennzahlenauswertungen beinhalten) durch das Controlling bewertet und kommentiert (ebenso im Sinne einer kritischen Hinterfragung) werden, um den Entscheidungsträgern die Bedeutung der Kennzah­ lenwerte zu vermitteln. Wenn Daten als Grundlagen für die Kennzahlenarbeit allzu leicht zu erheben sind, besteht immer die Gefahr, dass sogenannte Datenfriedhöfe entstehen, d. h., dass nicht steuerungsrelevante Daten gespeichert werden, die dann zu Informati­ onsüberfrachtungen in den Berichten führen können. Grundsätzlich sollten daher die Kennzahleninformationen in den Berichten kritisch auf ihre handlungsleitenden Informationen für die Entscheidungsträger hinterfragt werden.

380 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

Darüber hinaus können die Kennzahlen aufgrund ihrer Informationen, die in Be­ richten übermittelt werden, zu Störungen zwischen Sender (Controlling) und Empfän­ ger (Entscheidungsträger) führen. Die Entstehungsmöglichkeiten von Störungen im Berichtswesen sind in Abbildung E2.6 dargestellt: Sender

Kanal

Empfänger

Akzeptanz der Berichte

pragmatischmotivational

Akzeptanz der Information

pragmatisch pragmatischfunktional

Transmission der Berichte

Planung und Entscheidung der Informationsabgabe

Verstehen (Apperzeption)

semantisch Durchführung der Informationsabgabe syntaktisch

Beurteilung der Zweckorientierung

Transmission der Zeichen

Wahrnehmung Perzeption

Abb. E2.6: Entstehungsmöglichkeiten von Störungen im Berichtswesen (in Anlehnung an Söhn­ chen 2010: 69).

Die Entstehungsmöglichkeiten dieser Störungen können pragmatisch, semantisch und/oder syntaktisch beim Informationsübermittler (Sender) verankert sein. Die Per­ sönlichkeitsmerkmale des Informationsübermittlers fließen somit in die jeweiligen Berichte mit ein. Gleichermaßen werden auch die Persönlichkeitsmerkmale des In­ formationsnutzers wie auch seine Aufnahmekapazität und sein fachliches Wissen und Können in die Erstellung eines Berichts einfließen. Die Informationserkennung und die Akzeptanzbereitschaft aufseiten des Informationsnutzers werden durch die Informationsübermittlung beeinflusst (vgl. Küpper et al. 2013: 243ff).

2 Informationsbereitstellung – internes und externes Berichtswesen | 381

2.3 Berichtsmerkmale und Berichtszwecke Berichte lassen sich als Kombination der Berichtsmerkmale und der jeweiligen Merk­ malsausprägungen interpretieren. Die Berichtsmerkmale lassen sich wie folgt un­ terscheiden (siehe Tabelle E2.1): – Berichtszweck und -inhalte – Berichtsgegenstand – Informationsart – Erscheinungsweise – auslösendes Ereignis – Informationsträger – Verdichtungsgrad. Tab. E2.1: Berichtsmerkmale (in Anlehnung an Küpper et al. 2013: 231). Merkmale

Beispiele von Ausprägungen

Berichtszweck Berichtsgegenstand Informationsart Erscheinungsweise Auslösendes Ereignis Datenträger Verdichtungsgrad

Dokumentation, Planung, Kontrolle etc. Gesamtunternehmung, Beschaffung, Produktion etc. Istwerte, Prognosewerte, Vorgabewerte etc. regelmäßig/unregelmäßig Zeitablauf, Toleranzwertüberschreitung, individueller Bedarf etc. Schriftstück, Speicherkarte, CD-ROM etc. Ursprungswerte, Kennzahlen etc.



– – –



Die Berichtszwecke können im Allgemeinen in der Dokumentation betrieb­ licher Sachverhalte (Ereignisse, Routineerfassungen von betrieblichen Daten usw.), aber auch in Planungs- und Kontrollaktivitäten bestehen, bei denen in erster Linie Abweichungen von Planungsvorgaben als auch die Kontrolle von Entscheidungen im Vordergrund stehen. Jedoch ist zu beachten, dass die konkre­ ten Berichtszwecke und -inhalte letztendlich zwischen dem Berichtsempfänger (Entscheidungsträger) und dem Berichtersteller (Controlling) abgestimmt und festgelegt werden (vgl. Joos-Sachse 2006: 52). Der Berichtsgegenstand bezieht sich allgemein auf die Organisationseinheiten, aus denen Informationen in Berichten verdichtet werden. Die spezifische Information (Informationsart) kann u. a. Istwerte, Vorgabewerte, Prognosewerte, Abweichungswerte etc. umfassen. Unter dem Begriff Erscheinungsweise sind die Erstellungszeitpunkte und -zeit­ räume zu verstehen. Dieser Periodenbezug lässt sich in Kategorien regelmäßig, unregelmäßig, überjährig, unterjährig usw. einteilen. Die auslösenden Ereignisse (Zeitabläufeerfassungen, Toleranzwertüber- und Toleranzwertunterschreitungen, Bedarfe von Entscheidungsträgern usw.) rufen i. d. R. die Erstellung von Berichten hervor.

382 | Teil E: Berichtswesen und Reporting





Die Medien (Informationsträger), mit denen die Berichte an die Adressaten wei­ tergeleitet werden, können in zwei unterschiedlichen Formen vorhanden sein, z. B. als Schriftstück (Papierbericht) oder als elektronischer Datenträger und/oder in elektronischer Übermittlungsform via E-Mail oder Intranet (elektronischer Be­ richt). Der Verdichtungsgrad von Berichten wird maßgeblich durch die verwendeten Kennzahlen sowie durch die Ausgangswerte der zu messenden betrieblichen Sachverhalte bestimmt. Hierbei handelt es sich um eine hierarchiegerechte Ver­ dichtung der angeforderten Informationen, d. h., je höher die Stelle des Entschei­ dungsträgers (des Adressaten) in der Unternehmenshierarchie angesiedelt ist, desto höher ist im Allgemeinen der Verdichtungsgrad. Die Verdichtung der Infor­ mationen für höhere Hierarchieebenen ist gleichbedeutend mit der Abnahme des Detaillierungsgrades der übermittelten Informationen (vgl. Simko 2014: 28).

Die Frage nach dem Berichtszweck kann auch als grundsätzliche Frage „Wozu wird ein Bericht erstellt“ formuliert werden (vgl. Amann, Petzold 2014: 169). Die Informa­ tionsversorgung von Informationsnutzern ist hierbei der Ausgangspunkt (Zweck) von Berichten. Dieser Zweck setzt sich wiederum aus weiteren (Frage-)Dimensionen zu­ sammen, und zwar den Fragen nach (vgl. Taschner 2013a: 45; vgl. auch Belter 2015: 54ff; siehe hierzu Abbildung E2.7) – dem Inhalt der Berichte („Was“ soll berichtet werden?), – den formalen Aspekten der Berichtsgestaltung („Wie“ soll der Bericht formal aus­ sehen?), – den zeitlichen Aspekten des Berichts und der Berichterstellung („Wann“ soll be­ richtet werden und über welche Zeiträume/-punkte und wie zeitaufwändig ist die Erstellung des Berichts?) sowie – nach den beteiligten Personen („Wer“ erstellt den Bericht für welche Person und/ oder Organisationseinheit, also im weiteren Sinne für welchen Entscheidungsträ­ ger?). – Beteiligte am Reportingprozess – Organisation des Berichtswesens – Konzernreporting – „Reporting Factorys“ etc.

Was

Wer

– Informationsarten – Informationsquellen – Informationseigenschaften – Informationsgegenstand – Transformationsarten etc.

Wozu – Berichtszeiträume – Berichtszyklen – Aktualität/Zeitnähe von Berichten – Zeitaufwand des Reportings etc.

Wann

Wie

– Informationsdarstellung – technische Unterstützung bei Erstellung und Verteilung – Störungen im Berichtswesen etc.

Abb. E2.7: Gestaltungsdimensionen des Berichtswesens (in Anlehnung an Taschner 2013a: 45).

2 Informationsbereitstellung – internes und externes Berichtswesen |

383

2.4 Berichtsarten Bei Betrachtung unterschiedlicher Bezugsgrößen lassen sich Berichte in die Kategorie „Berichtsarten“ ausdifferenzieren. Hier herrscht weitgehende Einigkeit bei der Diffe­ renzierung. Bei den Bezugsgrößen handelt es sich um (vgl. Jung 2014a: 144): – Sach- bzw. Funktionsbereiche im Unternehmen (Produktion, Personal, Logistik, Beschaffung, Vertrieb etc.), – Zeitbezug der abgeforderten Sachverhalte (Istdaten, Plan- bzw. Solldaten), – Informationsträger (Medien in Papierform bzw. elektronische Form des Berichts), – Häufigkeit der Erstellung (periodische bzw. aperiodische Erscheinungsweise), – Verdichtungsgrad (Grad der Detailliertheit für die jeweiligen Adressaten), – Funktion des Berichts (Dokumentation, Ursache-Wirkungsanalysen, Vergleiche und Entwicklungen etc.). Hieraus ergeben sich drei Grundkategorien von Berichten (siehe Abbildung E2.8):

Berichtsarten

Standardberichte z. B. Routineauswertungen, Tagesberichte

starre Berichtssysteme

Abweichungsberichte

Bedarfsberichte

z. B. Mussberichte, Kannberichte, Routineberichte mit Warnpunkten

z. B. Prognoseberichte, Sonderberichte zu speziellen Themenkomplexen

Melde- und Warnsysteme

Abruf- und Auskunftssysteme

Informationssysteme

Abb. E2.8: Berichtsarten (in Anlehnung an Jung 2014a: 144).

2.4.1 Standardberichte Standardberichte stellen den Kernbereich des Berichtswesens in Unternehmen dar. Die Informationsnutzer haben aufgrund der periodischen (Tages-, Monats-, Quartals­ bericht) und routinemäßigen Erstellung bei gleichbleibendem strukturellem Aufbau

384 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

dieser Berichte keinen Einfluss auf die Berichtsinhalte, können aber die für sie rele­ vanten Informationen aus diesen Berichten selektiv entnehmen. Die Anzahl der In­ formationsnutzer dieser Berichte ist hoch, die Erstellung aufgrund des hohen Stan­ dardisierungsgrads kostengünstig. Es handelt sich um normierte Berichte, die nach Form, Inhalt, Termin gestaltet sind (vgl. Jung 2014a: 145; vgl. Britzelmaier 2017: 341f). Die Berichtsinhalte sollten sich auf die Informationen konzentrieren, die als dauerhaft steuerungsrelevant eingestuft werden (vgl. Taschner 2013a: 62). Im Rahmen eines Kos­ tencontrollings sind die Kostenstellenberichte, die Betriebsergebnisrechnungen oder auch die kurzfristigen Erfolgsrechnungen klassische Beispiele für Standardberichte. Das folgende Beispiel (siehe auch Jung 2014a: 145) zeigt den möglichen Aufbau und den möglichen Inhalt eines einfachen Standardberichtes: Cycle GmbH

Absatzzahlen der Produkte: Januar 2016

Berichtersteller:

Controllingabteilung

Produkt

Absatzmenge in Stück

Preis pro Stück in €

Umsatz in T€

Umsatz kumulativ in T€

Produkt A Produkt B Produkt C Produkt D Produkt E

3.050 4.600 3.000 2.800 1.900

40,00 20,00 17,00 25,00 30,00

122 92 51 70 57

122 214 265 335 392

Der mögliche Aufbau und der mögliche Inhalt eines differenzierter gestalteten Stan­ dardberichts sind dem nachfolgenden Beispiel (siehe auch Störmer et al. 2010: 159) zu entnehmen:

2 Informationsbereitstellung – internes und externes Berichtswesen |

Cycle GmbH Berichtersteller: Verteiler: Berichtsnummer: Berichtsstatus: Berichtszeitraum:

385

Standardbericht Finanzbuchhaltung Geschäftsführung IV/15 streng vertraulich Januar–April 2015

Bruttoumsatz − Skonto, Nachlässe

10.562.910,00 € 146.325,00 €

= Nettoumsatz − Wareneinsatz − Bestandsminderung

10.416.585,00 € 5.978.454,00 € 99.708,00 €

1,39 %

= WE nach Bestandsveränderung

6.078.162,00 €

58,35 %

− Fremdleistung − Bezugsnebenkosten − Kosten der Warenabgabe

1.033.725,00 € 445.897,00 € 223.911,00 €

9,92 % 4,28 % 2,15 %

= Deckungsbeitrag

2.634.890,00 €

25,30 %

− Personalkosten − Raumkosten − Steuern, Versicherung, Beiträge − Werbung, Reise, Fahrzeug − AfA − sonstige Aufwendungen ± a. o. Ergebnis = Ergebnis vor Steuer

1.265.715,00 € 198.921,00 € 56.999,00 € 286.237,00 € 45.327,00 € 312.626,00 € 169.734,00 € 299.311,00 €

12,20 % 1,91 % 0,55 % 2,75 % 0,44 % 3,00 %

Break-even bis April Umsatz über Break Even variable Kostenquote

9.233.231,31 € 1.183.353,69 € 74,70 %

Deckungsbeitragsquote

25,30 %

386 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

2.4.2 Abweichungsberichte Im Unterschied zu den Standardberichten werden die Abweichungsberichte nicht routinemäßig durch Zeitablauf (Terminierung) erstellt, sondern bei Über- und/oder Unterschreitung von vorher vereinbarten Toleranzwerten bei steuerungsrelevan­ ten Zielgrößen (z. B. Umsatz, Kosten, Produktqualität, verfügbare Mitarbeiteranzahl etc.). Berichtsinhalt und Berichtszeitpunkt sind demnach auf einen konkreten Ab­ weichungsvorgang begrenzt (vgl. Küpper et al. 2013: 232). Auslösende Sachverhalte für Abweichungsberichte sind z. B. Kosten-, Erlös- und Budgetabweichungen. Ab­ weichungsberichte fokussieren die Aufmerksamkeit von Entscheidungsträgern auf kritische Sachverhalte und sollen somit das Risiko einer „Informationsüberflutung“ verhindern. Sie sind informatorischer Ausdruck eines „Management by Exception“ (vgl. Joos 2014: 56). Eine Soll-Ist-Analyse führt in den nachfolgenden Beispielen zu der Feststellung von Abweichungen und im ersten Fall zu der Erstellung eines einfachen produktbe­ zogenen Abweichungsberichts (siehe auch Jung 2014a: 146): Cycle GmbH

Soll-Ist-Analyse des Umsatzes der Produkte A und D: Februar 2016

Berichtersteller:

Controllingabteilung

Produkt

Produkt A Produkt D

Umsatz

Istabweichung

maximale Abweichung in %

Soll in T€

Ist in T€

Absolut in T€

In %

130 110

122 70

8 40

6,15 36,36

5 10

Der mögliche Aufbau und der mögliche Inhalt eines differenzierter gestalteten kosten­ stellenbezogenen Abweichungsberichtes sind dem nachfolgenden Beispiel (siehe auch Störmer et al. 2010: 160) zu entnehmen:

2 Informationsbereitstellung – internes und externes Berichtswesen | 387

Cycle GmbH

Abweichungsbericht

Berichtersteller: Verteiler: Berichtsnummer: Berichtsstatus: Berichtszeitraum:

Kostenstelle 4711 Controlling 08/15 vertraulich Januar 2015

Pos.

Kostenart

Sollkosten

Istkosten

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Materialeinzelkosten Fertigungseinzelkosten Hilfslöhne Energie Raumkosten Kalk. Abschreibung Kalk. Zinskosten Instandhaltung Hilfs- und Betriebsstoffe Werkzeugkosten

99.140,63 € 126.750,00 € 22.187,50 € 84.240,00 € 56.090,00 € 22.680,00 € 15.480,00 € 27.750,00 € 8.100,00 € 5.325,00 €

110.625,00 € 128.000,00 € 24.500,00 € 91.920,00 € 55.120,00 € 22.680,00 € 15.480,00 € 29.000,00 € 7.800,00 € 6.100,00 €

−11.484,37 € −1.250,00 € −2.312,50 € −7.680,00 € 970,00 € 0,00 € 0,00 € −1.250,00 € 300,00 € −775,00 €

Summe:

467.743,13 €

491.225,00 €

−23.481,87 €

Soll-Ist-Abweichung

2.4.3 Bedarfsberichte Die Auslöser für die Bedarfsberichte sind in den kurzfristig oder sporadisch auftreten­ den Informationsbedarfen aufseiten der Informationsnutzer zu sehen. Sie sind formal und inhaltlich nicht standardisiert, da sie individuell für die Nachfrager zusammenge­ stellt werden. Diese individuelle Berichtserstellung kann sehr kostenintensiv sein, wenn sie nicht aufgrund technischer Möglichkeiten im IT-System des Unternehmens vom Nachfrager selbst erstellt und abgerufen werden kann, beispielsweise durch ei­ nen zentralen Zugriff auf relevante Datenbanken (vgl. Göpfert 2002: 149). Bedarfsberichte bieten den Vorteil, schlecht strukturierte Probleme spezifisch mit angeforderten Informationen lösen zu können. Sie werden oftmals im Gefolge von eher allgemein gehaltenen Standard- und Abweichungsberichten notwendig, damit z. B. die Ursachenanalyse von Abweichungen detaillierter betrieben werden kann (vgl. Taschner 2013a: 64). Allerdings besteht die Gefahr, dass sich eine Art unabhän­ giges Sonderberichtswesen im Unternehmen konstituieren könnte, wenn keine Ein­ schränkungen der Befugnisse und der Anlässe zur Anforderung von Bedarfsberichten aufseiten der Informationsnutzer definiert werden (vgl. Joos 2014: 56).

388 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

Das nachfolgende Beispiel zeigt einen möglichen Aufbau und einen möglichen Inhalt eines Bedarfsberichtes mit (angeforderten) Daten zur Erfolgsermittlung zu einem bestimmten Zeitpunkt (vgl. Jung 2014a: 147): Cycle GmbH

Daten zur Erfolgsermittlung: März 2016

Berichtersteller:

Controllingabteilung

Produkt

Absatzmenge Preis pro in Stück Stück in €

variable Stückkosten in €/Stück

Stück-DB Gesamt-DB in €/Stück in T€

Gesamt-DB kumulativ in T€

Produkt A Produkt B Produkt C Produkt D

3.050 4.600 3.000 2.800

25,00 12,00 10,00 17,00

15,00 8,00 7,00 8,00

45,75 82,55 103,55 125,95

40,00 20,00 17,00 25,00

45,75 36,80 21,00 22,40

./. Fixkosten in T€

80,00

= Gewinn in T€

45,95

2.4.4 Zusammenfassung Zusammenfassend lassen sich für die drei Berichtskategorien die auslösenden Mo­ mente und deren Erscheinungsweisen wie in Abbildung E2.9 darstellen: Erscheinungsweisen und auslösendes Ereignis

Standardberichte – gleichmäßige Zeitabstände – Form, Inhalt sowie Erscheinungstermin sind fest vorgegeben – „wirtschaftlichster“ Bericht

Abweichungsberichte – Fokussierung auf einen Sachverhalt – Anfertigung bei Überoder Unterschreitung einer Toleranzgrenze

Bedarfsberichte – besonderes Informationsbedürfnis – sehr variabler Erstellungsaufwand – unpräzise planbar – Grenze zwischen Standardund Bedarfsberichten durch Möglichkeiten der EDV

Abb. E2.9: Erscheinungsweisen und auslösende Momente der Berichtsarten (in Anlehnung an Fi­ scher et al. 2015: 95).

2 Informationsbereitstellung – internes und externes Berichtswesen |

389

Abschließend lässt sich noch anmerken, dass die Bedarfsfestlegung beim Standard­ bericht meistens einmalig erfolgt und kaum Modifikationen vorgenommen werden bei bereits etablierten Standardberichten. Abweichungsberichte hingegen sind durch ih­ re Bindung an Abweichungen sowie durch die Vereinbarungen zwischen Informati­ onsnutzer (Nachfrager) und Sender (z. B. die Controllingabteilung) gekennzeichnet. Bedarfsberichte sind nicht mit einer vorlaufenden Definition des Informationsbedarfs ausgestattet, da sie situativ und individuell vom Informationsnutzer angefordert und daher keiner Standardisierung zugeführt werden können (vgl. Taschner 2013a: 65).

2.5 Berichtssysteme Der Begriff „Berichtssystem“ kann im Allgemeinen als Kennzeichnung für die genutz­ te Technologie zur Berichterstellung und für die Art der Berichtsauslösung herangezo­ gen werden. Das Berichtssystem (im Sinne eines Informationssystems) ist eine dem In­ formationsbedarf in Unternehmen angepasste und geordnete Struktur aller Berichte (vgl. Horváth et al. 2015: 312f). Eine grundlegende Klassifikation der Berichtssysteme ist von Szyperski entwickelt worden (vgl. Szyperski 1975: 1907); diese wird auch heute noch herangezogen (siehe Abbildung E2.10).

Berichtssysteme

reine Berichtssysteme

Abfragesysteme

Dialogsysteme

– generatoraktive Berichtssysteme – starre und flexible Systeme

– benutzeraktive Systeme – Auskunfts- und Abrufsysteme

– Kombination aus generatorund benutzeraktiven Systemen – aktive und interaktive Dialogsysteme

Abb. E2.10: Klassifikation der Berichtssysteme (in Anlehnung an Jung 2014a: 152).



– –

Generatoraktive Berichtssysteme: Diese Systeme werden auch als „reine Berichts­ systeme“ bezeichnet mit den Unterscheidungen in starre und flexible Berichtssys­ teme. Benutzeraktive Berichtssysteme: Diese Systeme werden unterteilt in Auskunftsund Abrufsysteme. Dialogsysteme: diese Systeme stellen eine Kombination aus generator- und be­ nutzeraktiven Systemen dar (vgl. Szyperski 1975: 1907; vgl. Göpfert 2002: 149; vgl. Küpper et al. 2013: 233).

390 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

2.5.1 Reine Berichtssysteme Bei reinen oder generatoraktiven Berichtssystemen bestimmt das Berichtswesen die Art und Struktur der Berichte. Starre Berichtssysteme weisen feste Inhalte, vorgegebe­ ne Formen sowie einen festen Berichtsrhythmus auf. Flexible Berichtssysteme werden auch als parametrisierte Berichtssysteme bezeichnet, da Modifikationen der Inhalte, der Formen und der Termine und anderer Berichtsmerkmale möglich sind (vgl. Szy­ perski 1975: 1907; vgl. auch Küpper et al. 2013: 233). Zudem werden die generatorakti­ ven Berichtssysteme noch in Warn- und Meldesysteme untergliedert: – Meldesysteme beinhalten eine exzeptionelle Berichterstattung hinsichtlich vor­ gegebener Toleranzwerte, die bei Über- bzw. Unterschreiten zu einer automati­ sierten Meldung in Form eines Meldeberichts (Abweichungsbericht) führen. – Warnsysteme sind im Sinne von Frühwarnsystemen zu verstehen, die auf noch nicht eingetretene, aber wahrscheinlich eintretende Ereignisse hinweisen und somit ein rechtzeitiges Eingreifen ermöglichen können, um ein Abwenden der Über- bzw. Unterschreitungen von Toleranzgrenzen zu bewirken. Im Bereich des Qualitätscontrollings erfolgt dies beispielsweise durch den Einsatz von Qualitäts­ regelkarten, die nach diesem Prinzip der oberen und unteren Toleranz- und Warnbzw. Eingriffsgrenzen aufgebaut sind. Standard- und Abweichungsberichte sind grundsätzlich dieser Kategorie zuzuordnen.

2.5.2 Abfragesysteme Die benutzeraktiven Berichtssysteme sind dadurch gekennzeichnet, dass die Infor­ mationsnutzer selbst die Informationserstellung und -übermittlung initiieren. Zu dif­ ferenzieren ist hier zwischen den Auskunfts- und Abfragesystemen (vgl. Jung 2014a: 153f): – Bei den Auskunftssystemen wird nur auf standardisierte Fragen seitens des Sys­ tems reagiert. Hierbei ist darauf zu achten, welche Informationen bei der Einrich­ tung solcher Systeme bereits hinterlegt werden. – Abfragesysteme sind Systeme mit freier Abfragemöglichkeit durch den Informa­ tionsnutzer. Beiden Subsystemen liegen meistens mehrere zur Verfügung stehende komplexe Da­ tenbanken zugrunde. Der Kategorie der benutzeraktiven Berichtssysteme lassen sich die Bedarfsberichte zuordnen.

2 Informationsbereitstellung – internes und externes Berichtswesen | 391

2.5.3 Dialogsysteme Der Grundgedanke der Dialogsysteme liegt in einer wechselseitigen Aktivität von Sys­ tem und Informationsnutzer. Integriert sind in diese Dialogsysteme in heutigen Zeiten auch sogenannte Prognose- und Entscheidungsmodelle, die den Informationsnutzer unterstützen sollen. Der Dialog zwischen dem Berichtssystem und dem Informations­ nutzer kann – in aktiver Art und Weise erfolgen (auch als sequenzieller Dialog bezeichnet), aber auch – in interaktiver und paralleler Art und Weise (als asynchroner Dialog bezeichnet) durchgeführt werden (vgl. Küpper et al. 2013: 234). Beim aktiven Dialog sind bestimmte Interaktionspunkte (Kriterien) vorgegeben, an denen sich – im Sinne einer zielgerichteten Lenkung des Dialogs – die Kommunikati­ on zwischen System und Informationsnutzer entlang bewegt. Der interaktive Dialog läßt eine wechselseitige Ablaufunterbrechung des Dialogs zu, d. h., sowohl das Sys­ tem als auch der Informationsnutzer können den Suchprozess nach Informationen unterbrechen. Diese Unterbrechungsoption soll eine bessere Lenkung der gezielten Suche nach Informationen durch den Informationsnutzer einräumen. Der parallele Dialog ermöglicht dem Informationsnutzer die zeitgleiche und voneinander unabhän­ gige Abrufung von Informationen. Insgesamt betrachtet lässt sich festhalten, dass der Dialog in Dialogsystemen vom Programm als auch vom Informationsnutzer gesteuert werden kann (vgl. Jung 2014a: 153).

2.6 Anforderungen an ein effizientes Berichtswesen Es gibt unterschiedliche Anforderungen an ein effizientes Berichtswesen in Unter­ nehmen. Nach Jung beeinflussen folgende Aspekte die Effizienz maßgeblich (vgl. Jung 2014a: 155; vgl. auch Belter 2015: 54ff): – Empfängerorientierung: Die Berichte sollen sich an den Informationsbedürfnis­ sen der Informationsnutzer (Empfänger) orientieren, um unnötige Kosteneinsät­ ze und eine Datenüberflutung zu verhindern. Eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der zur Verfügung gestellten Informationen ist notwendig, damit dem Informationsnutzer auch prospektiv und zielgerichtet nur die für ihn relevanten Informationen in den entsprechenden Berichten zukommen.

392 | Teil E: Berichtswesen und Reporting















Wirtschaftlichkeit: Zur Verhinderung von sogenannten Datenfriedhöfen soll ein wirtschaftlicher Einsatz der Informationsbereitstellung gewährleistet werden. Die Leitmaxime fordert hier, dass so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig an In­ formationen in den Berichten zusammengestellt werden sollte. Verständlichkeit und Übersichtlichkeit: Die Berichte innerhalb des Berichts­ wesens sollten übersichtlich und klar gestaltet sein und zudem vom Informati­ onsnutzer (Nachfrager) auch verstanden werden können. Dies setzt insbesondere einen einheitlichen verständlichen Gebrauch von Fachbegriffen in den Berichten voraus. Aktualität: Bei Engpässen und/oder Abweichungen müssen die Berichtsinforma­ tionen aktuell und unverzüglich bzw. termingerecht den verantwortlichen Ent­ scheidungsträgern zur Verfügung gestellt werden; nur unter dieser Voraussetzung können kurzfristig wirksame Entscheidungen auch korrektive Wirkung entfalten. Präsentation: Unter der Präsentation ist die schriftliche und/oder mündliche Übermittlung der Berichtsinhalte zu verstehen; mit der Verwendung von Grafi­ ken und Tabellenübersichten lassen sich wesentliche Informationen besser in Berichten hervorheben und kommunizieren. Reaktionsorientierung: Die Informationen in den Berichten dienen z. B. als Grundlage für Abweichungsanalysen und sollten für geeignete Reaktionen (Steu­ erungsinterventionen) unbedingt geeignet sein; nur dann können aufgrund der gelieferten Informationen angemessene Anpassungen (z. B. auch bei den Plan­ werten) vorgenommen werden. Interpretation: Die Informationen in den Berichten sollten generell nicht un­ kommentiert bleiben, da ansonsten die Aussagekraft einzelner Kennzahlenwerte eine sehr eingeschränkte ist. Die Interpretationen des Berichterstellers (Sender) können für den Informationsnutzer (Empfänger) hilfreich sein; so können z. B. Hinweise auf zielführende Steuerungsmaßnahmen dem Informationsnutzer das Spektrum an Entscheidungsalternativen hilfreich eingrenzen helfen. Verlässlichkeit: Alle Daten innerhalb eines Berichts sollten verlässlich sein, al­ so den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Manipulierte („schöngerech­ nete“) Ergebnisse können aufgrund der hieraus fehlgeleiteten Entscheidungen fatale Auswirkungen im betrieblichen Ablauf hervorrufen. Termintreue bei den Berichten ist ein weiterer Gesichtspunkt der Verlässlichkeit von Berichten, denn Berichte sollten den Entscheidungsträgern auch zum festgelegten Termin zur Ver­ fügung stehen (vgl. Hierl, Blab 2014: 1018).

2 Informationsbereitstellung – internes und externes Berichtswesen | 393

Eine mögliche Effizienzsteigerung im Berichtswesen wird insbesondere in der Au­ tomatisierung der Datenerhebung, der Datenverarbeitung und der Informationser­ stellung lokalisiert (vgl. Weber et al. 2008: 49ff). Hierdurch werden u. a. eine hohe Flexibilität bei der Berichterstellung als auch eine hohe Qualität hinsichtlich der Kontinuität und Konsistenz der Informationen hergestellt. Moderne Datenbanksyste­ me oder sogenannte Data Warehouse-Systeme (im Sinne eines optimierten zentralen Datenbanksystems) ermöglichen unter Zuhilfenahme und Integration von Vorsys­ temen (softwareseitige Schnittstellen) eine umfassendere Zurverfügungstellung von Informationen in Unternehmen. Nach diesem Prinzip operiert u. a. die SAP-Software, die Schnittstellen zu anderen Programmen ausdrücklich aufweist und so eine Kom­ patibilität unterschiedlicher Informationssysteme ermöglicht (z. B. Integration von Excel etc.). Der Effizienzgewinn liegt also beim Automatisierungsgrad der Berich­ terstellung in der schnelleren Verfügbarkeit von Informationen aus allen Bereichen des Unternehmens. Abbildung E2.11 soll diesen Sachverhalt noch einmal verdeutli­ chen (zu den Berichtsanlässen vgl. auch Kapitel 3.2 in Teil B): Berichtsanlässe

Transformationsprozess/Datenfluss

Top-down-Planung Bottom-up-Planung

Input

Istdaten

Forecast

Anbindung Vorsysteme (Schnittstellen) manuelle Datenerfassung und -anpassung

Datenbank/Data Warehouse

Output (Berichte)

Berichtsgenerierung

Abb. E2.11: Input versus Output im Berichtswesen (in Anlehnung an Weber et al. 2008: 51).

394 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

2.7 Übungsaufgaben Aufgabe 1 Welcher spezifischen Berichtsart entsprechen die nachfolgend aufgeführten Mittei­ lungen? 1. Der Personalvorstand fordert aufgrund anstehender Tarifverhandlungen einen Bericht über die Auswirkungen von Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzun­ gen auf die Personalgesamtkosten und auf die Personalkostenstruktur an. 2. Der Bezirksleiter für die Verkaufsregion Nordwest-Niedersachsen gibt eine schrift­ liche Stellungnahme ab, weshalb der Umsatz in seinem Bezirk im vierten Quartal um 40 % unter den budgetierten Wert geblieben ist. 3. Die Controllerin Frau Huschmann berichtet am Abend an die Verkaufsabteilung über die am Tag getätigten Umsätze des Unternehmens. 4. Der Leiter der Kostenstelle „Qualitätskontrolle“ berichtet, weshalb im letzten Mo­ nat die geplanten Prüfkosten um 50 % höher ausgefallen sind als geplant. 5. Im Auftrag der Unternehmensleitung sollen die Auswirkungen einer geplanten Kurzarbeit auf das Betriebsergebnis aufgezeigt werden. 6. Der Planwert für die Beschaffungskosten von Hilfs- und Betriebsstoffen wurde im zweiten Quartal um 25 % überschritten.

Aufgabe 2 Ein effizientes Berichtswesen soll durch gezielte Informationsbereitstellung und -übermittlung die Planungs- und Kontrollprozesse in Unternehmen unterstützen. Erläutern Sie kurz die verschiedenen Anforderungen an die Berichtserstellung, damit diesem Informationsbedarf entsprochen werden kann.

3 Informationsverwendung – verhaltenssteuernde Aspekte des Berichtswesens Berichte entfalten beim Informationsnutzer (Adressat) unterschiedliche Verhaltens­ beeinflussungen. Diese Beeinflussungen können sich in unterschiedlichen Ausprä­ gungen im Berichtswesen von Unternehmen widerspiegeln.

3.1 Ausprägungen der Verhaltensmodulationen Auf der Seite der Entscheidungsträger (der internen Informationsnachfrager) können die Berichte zu einer situationsspezifischen Verhaltensmodulation führen, d. h., eine Änderung der Verhaltensform kann das Ergebnis sein. Die Modulation des Verhaltens und der inneren Prozesse (kognitive Verarbeitungsprozesse) kann sich in drei grund­ sätzlichen Ausprägungen manifestieren (vgl. hierzu Dörner 1998: 308ff): 1. Aktivierung 2. Variation der Aufmerksamkeit 3. Variation des Auflösungsgrads der Wahrnehmung Zunächst können Berichte beim Entscheidungsträger aufgrund der Informationen eine Aktivierung bewirken. Aktivierung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass (informationell betrachtet) eine Erhöhung der Wahrnehmungs- und Handlungsbe­ reitschaft des Entscheidungsträgers (Informationsnachfragers) hervorgerufen wird, er also eher bereit ist, aufgrund der ihm vorgelegten Informationen eine Entschei­ dung herbeizuführen. Gleichzeitig kann die Aktivierung eine Beschleunigung der Informationsverarbeitungsprozesse beim Entscheidungsträger bewirken, d. h., er ist konzentrierter bei der Verarbeitung der zugeführten Informationen. Weiterhin können Berichte eine Variation der Aufmerksamkeit bewirken. Dies kann sich in einer Aufmerksamkeitseinschränkung, aber auch in einer Erhöhung der Aufmerksamkeit widerspiegeln (vgl. Taschner 2013a: 75). Zuerst rufen die Berichte durch den Übermittlungsprozess fast schon automatisch eine höhere Aufmerksamkeit beim Informationsnutzer hervor. Das absichtsgerichtete Denken von Entscheidungs­ trägern jedoch kann durch die Berichte zu einer Einschränkung der Aufmerksamkeit in anderen Bereichen führen, v. a., wenn die Berichte die Entscheidungsträger in kur­ zen Abständen erreichen. Die Überflutung mit Informationen führt zu einer Verteilung der Aufmerksamkeit des Entscheidungsträgers auf unterschiedliche Sachverhalte und beeinflusst damit seine Entscheidungsfähigkeit. Die durch die Berichte permanent zu­ fließenden Informationen sollten daher von den Entscheidungsträgern angemessen verarbeitet und interpretiert werden können – und die Informationsversorgung ent­ sprechend gestaltet werden.

https://doi.org/10.1515/9783110439793-025

396 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

Und schließlich ist als dritte Modulation des Verhaltens die Variation des Auflösungsgrads der Wahrnehmung zu nennen. Interessengeleitet kann sich ein Ent­ scheidungsträger situativ Informationen in all ihren Einzelheiten genau betrachten und entsprechend verarbeiten (hoher Auflösungsgrad); sind die einzelnen Informa­ tionen für den Entscheidungsträger nicht interessant genug, wird er eher übergeord­ nete Aspekte als relevant einstufen und somit Details in den Berichten gar nicht be­ wusst zur Kenntnis nehmen (niedriger Auflösungsgrad). Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Verhaltensmodulationen aufseiten der Entscheidungsträger werden in Teil E, Kapitel 3.2 und 3.3 die verhaltenssteuernden Aspekte von Berichten sowie die Anomalien im Bereich des Berichtswesens themati­ siert.

3.2 Verhaltenswirkungen des Berichtswesens Alle Berichte und Berichtsarten verfolgen letztlich den Zweck einer Verhaltenssteue­ rung bei den Informationsnutzern. Durch die Übermittlung von Informationen in Be­ richten wird aufseiten der Entscheidungsträger ein Prozess der Aufnahme und In­ terpretation von Informationen angestoßen. Die Verhaltenssteuerung kann über die Berichtsinhalte selbst, über die Tatsache der Berichtserstellung an sich, oder aber durch die Spezifika des Berichtsprozesses (Terminierung, Häufigkeit etc.) initiiert wer­ den. Die hervorgerufenen Wirkungen können sowohl intendierter, als auch nicht in­ tendierter Art sein, d. h., beabsichtigte Wirkungen existieren neben den unbeabsich­ tigten Wirkungen gleichermaßen (vgl. Taschner 2015: 19). Eine weitere Möglichkeit der Systematisierung der Verhaltenswirkungen besteht in der Betrachtung, ob das ausgelöste Verhalten intuitiver oder affektiver Art ist. Kombiniert man diese beiden Differenzierungen, so erhält man die in Abbildung E3.1 dargestellte Klassifikation der Verhaltenswirkungen von Berichten (vgl. hierzu auch Wall 2008: 463ff).

Verhalten des Betroffenen

Auslöser der Wirkung

intendiert

nicht intendiert

reflektiv

Typ 1: deklarierte Wirkungen

Typ 3: reaktive Wirkungen

intuitiv

Typ 4: Typ 2: manipulative versteckte Wirkungen Wirkungen

Abb. E3.1: Klassifikation der Verhaltenswirkun­ gen von Berichten (in Anlehnung an Taschner 2015: 20).

3 Informationsverwendung – verhaltenssteuernde Aspekte des Berichtswesens | 397

Nachfolgend werden diese vier Wirkungsklassen kurz erläutert (vgl. hierzu Tasch­ ner 2015: 20ff und Taschner 2013a: 75ff). Deklarierte Wirkungen (Typ 1) stehen für die bewusst hervorgerufenen Wirkun­ gen aufseiten der Informationsnutzer. Sie führen zu reflektiertem, kognitiv gesteuer­ tem Verhalten, d. h., dass der ursprüngliche Zweck von Berichten erreicht wird: Die Entscheidungsträger (Informationsnutzer) können aufgrund der gelieferten Informa­ tionen Entscheidungen treffen. Gleichzeitig entfalten die Informationen im Bericht ei­ ne motivierende Verhaltenssteuerung dahingehend, dass die Informationsnutzer auf­ grund der Verfügbarkeit von Informationen in ihrem Zuständigkeitsbereich Entschei­ dungssachverhalte motivierter angehen. Auf der Seite des Berichterstellers (beispiels­ weise Mitarbeiter im Controlling) bewirkt der Termin zur Übermittlung des Berichts eine Priorisierung seiner Tätigkeiten; insofern kann auch hier eine motivierende Ver­ haltenssteuerung unterstellt werden. Die Wirkungen dieser Verhaltenssteuerung sind im Allgemeinen im Unternehmen bekannt und werden entsprechend kommuniziert. Die manipulativen Wirkungen (Typ 2) stehen für verhaltenssteuernde Wirkun­ gen, die ebenso wie die Wirkungen des Typs 1 gezielt und beabsichtigt hervorgeru­ fen werden. Der Unterschied zwischen diesen beiden Ausprägungen besteht in der Nichtauslösung kognitiv gesteuerter Reaktionen aufseiten des Informationsnutzers bei Typ 2. Im Gegensatz zu Typ 1 sollen hier die bewusst herbeigeführten verhaltens­ steuernden Wirkungen beim Informationsnutzer möglichst unerkannt bleiben, wes­ halb man von manipulativen Wirkungen spricht (vgl. hierzu auch Drews 2015: 26). Bewirkt werden soll ein Intuitionsverhalten, das beim Informationsnutzer hervorge­ rufen wird durch – inhaltliche Manipulation und/oder durch – visuelle Manipulation. Die inhaltliche Manipulation besteht in der Lenkung in eine bestimmte Interpretati­ onsrichtung durch manipulative Formulierungen und Sprachmuster im Bericht. Da­ neben können manipulative Wirkungen durch das bewusste Weglassen von Infor­ mationen oder durch eine Informationsüberfrachtung, durch Einsatz ungeeigneter Vergleichsdaten und verzerrender Skalierungen oder durch Anwendung des pyrami­ dalen Prinzips bei der Berichtserstellung erzielt werden. Eine visuelle Manipulation erfolgt durch die visuelle Hervorhebung der Wichtigkeit des Berichts oder einzelner Berichtsbestandteile, z. B. durch verwendete Symbole oder auch durch die Farbge­ bung einzelner Informationen. Schon allein die unterschiedliche Farbgebung der In­ formationen kann die Wahrnehmung beim Informationsnutzer selektiv gestalten und die Verwendung der Farbe Rot ruft eher schnelles Bearbeiten beim Informationsnut­ zer hervor, da diese im Allgemeinen mit „Dringlichkeit“ verbunden wird. Die reaktiven Wirkungen der Verhaltenssteuerung (Typ 3) sind einerseits nicht intendiert, führen andererseits aber zu reflektiertem Verhalten aufseiten der Informa­ tionsnutzer. Die Reaktion des Informationsnutzers wird darin bestehen, dass er die übermittelten Informationen (Berichtsinhalte) nicht in sein Handeln einbezieht; da­

398 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

mit ist der eigentliche Hauptzweck des Berichts verfehlt. Hierfür lassen sich folgende Ursachenkomplexe lokalisieren: – Es ist eine hohe Diskrepanz zwischen den Berichtsinhalten und dem Informati­ onsbedarf des Informationsnutzers (Nachfrager) feststellbar. Ist die Schnittmen­ ge zwischen Informationsangebot (Berichtsinhalt) und dem Informationsbedarf (Erkenntnisgewinn auf Seiten des Informationsnutzers) zu gering, führt dies als Reaktion des Informationsnutzers zur Nichtberücksichtigung der Berichtsinhalte. – Als weitere Ursache kann eine mangelnde Nachvollziehbarkeit der Berichtserstel­ lung sowie der Berichtsinhalte angeführt werden. Der Informationsnutzer sieht sich nicht in der Lage, die Informationsquellen, die Vorgehensweise bei der Auf­ bereitung der Informationen oder die Gültigkeit der Informationen nachvollzie­ hen zu können. Auch dies führt in der Folge zur Nichtberücksichtigung der Be­ richtsinhalte durch den Informationsnutzer. Nicht intendiertes und intuitives Verhalten repräsentiert den Typ 4: versteckte Wir­ kungen der Verhaltenssteuerung. Berichte können auch sogenannte versteckte Wir­ kungen beim Informationsnutzer entfalten. Da es eine unüberschaubar große Anzahl von versteckten Wirkungen gibt (vgl. ausführlich hierzu Taschner 2015: 31ff), sollen im Folgenden exemplarisch einige davon erläutert werden: – Das Phänomen der Betriebsblindheit spiegelt sich hier in der häufig nicht vor­ handenen Bereitschaft wider, sich mit Neuem oder Unvertrautem auseinander­ zusetzen. Betriebsblindheit als eingeschränkte Informationsaufnahme und/oder auch eingeschränktes Informationssuchverhalten ist insbesondere bei solchen Entscheidungsträgern anzutreffen, die hoch spezialisiertes Wissen und fachliche Erfahrung verkörpern. – Der versteckte verhaltenssteuernde Effekt der Informationsüberlastung aufseiten des Informationsnutzers nennt sich Information Overload. Menschen verfügen nur über eine begrenzte kognitive Verarbeitungskapazität. Entscheidungsträger benötigen für das Treffen von Entscheidungen einen möglichst umfangreichen Informationsstand, um Handlungsalternativen besser beurteilen zu können. In­ sofern wäre in einem ersten Zugriff eine umfassende Informationsmenge wün­ schenswert. Allerdings tritt bei ansteigender Informationsmenge im Zeitverlauf der Effekt ein, dass die Entscheidungsträger aus der Fülle der zur Verfügung gestellten Informationen aufgrund der begrenzten kognitiven Kapazität keine zielführende Selektion mehr vornehmen können. Die Entscheidungs- und Hand­ lungsfähigkeit der Entscheidungsträger wird durch die zu große Menge an zur Verfügung gestellten Informationen erheblich eingeschränkt; eine sogenannte Informationsüberlastung tritt ein und als Konsequenz eventuell das Treffen sub­ optimaler Entscheidungen. Mit zunehmenden Detaillierungsgrad der Informa­ tionen bei gleichzeitigem Anstieg der Informationsmenge steigt die Gefahr eines Information Overload beim Informationsnutzer (vgl. auch Rötzel 2014: 566f).

3 Informationsverwendung – verhaltenssteuernde Aspekte des Berichtswesens | 399





Ein übermäßiges Vertrauen (Overconfidence) in die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse kann sowohl beim Berichtersteller (Controller) als auch beim Infor­ mationsnutzer (in vielen Fällen sind es Entscheidungsträger) zu versteckten Wir­ kungen führen. Überschätzt der Controller bei der Erstellung der Berichte seine eigenen Fähigkeiten (Methoden- und Fachkompetenz), so ist die Gefahr vorhan­ den, dass er Interpretationen und Analysen in den Bericht einfließen lässt, die nicht durch weitere Experteneinschätzungen abgesichert sind. Die Selbstüber­ schätzung kann auch dazu führen, dass die gezielten Informationsabfragen beim Berichtsempfänger im Vertrauen auf die eigene Einschätzung des erforderlichen Informationsbedarfs vernachlässigt werden. Andererseits kann eine Selbstüber­ schätzung auch aufseiten des Informationsnutzers (Empfängers) verankert sein. Overconfidence spiegelt sich hier in dem häufig anzutreffenden Phänomen wi­ der, dass der Informationsnutzer (Nachfrager) versucht, ohne die Hilfe Dritter auszukommen. Im Vertrauen auf das eigene Fachwissen wird dann der abgeru­ fene Berichtsinhalt eine geringe Datenbreite als erforderlich aufweisen. Die ei­ gene Selbstüberheblichkeit hinsichtlich der Wahrnehmung eigener Fähigkeiten könnte somit Fehlentscheidungen begründen, weil beispielsweise der Informa­ tionsnutzer und zugleich Entscheidungsträger die Interpretationen komplexer Sachverhalte auf eine unzureichende Datenbasis abstellt. Ein weiterer Effekt ist die Selbstbestätigung der eigenen Annahmen (Confirmati­ on Bias). Berichtersteller und Berichtsempfänger sind nicht frei von persönlichen Meinungen, Erfahrungen und Einstellungen. Und genau diese Einstellungen und Meinungen forcieren das Phänomen, dass sowohl der Berichtersteller als auch der Berichtsempfänger nur die Informationen suchen, die eine Bestätigung der eige­ nen Annahmen ermöglichen (vgl. Drews 2015: 26). Der Berichtersteller zieht nur die Quellen als Informationssuchbasis heran, die er schon kennt und die er schon in der Vergangenheit in Anspruch genommen hat. Damit selektiert er automatisch Informationen, ohne dass der Berichtsempfänger hiervon Kenntnis erlangt. Auf­ seiten des Berichtsempfängers kann der Confirmation-Bias-Effekt im Vorfeld der Informationsnachfrage (Informationsbedarf) dazu führen, dass nur das abgefragt wird, was eigene Meinungen und Einstellungen bestätigen wird. Die Nutzung der Informationen führt in diesem Fall zu zwei Wahrnehmungsfehlern: Informatio­ nen, die den eigenen Standpunkt tendenziell unterstützen, werden als nützlicher und naheliegender eingestuft, als sie es in der Realität wirklich sind (Assimila­ tionsfehler); zum anderen können Informationen, die der eigenen Meinung und Einstellung zuwiderlaufen, als noch stärker unterschiedlich wahrgenommen wer­ den, als sie es wirklich sind (Kontrastierungsfehler).

Das Wirkungsgeflecht von Verhaltenswirkungen im Berichtswesen haben Küpper et al. vor dem Hintergrund der Wahrnehmung und des Verstehens von Informationen in Berichten durch den Berichtsempfänger mit seinem Fachwissen zusammengefasst wie in Abbildung E3.2 dargestellt:

400 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

Persönlichkeitsmerkmale des Empfängers

pragmatisch

Akzeptanz der Berichte

Pragmatischmotivational

Akzeptanz der Information

Beurteilung der Zweckorientierung

Pragmatischfunktional syntaktisch semantisch

Gestaltungsmerkmale von Berichten

Aufnahmefähigkeit des Empfängers

aufgabenbezogenes Wollen

Verhaltensreaktion (= aufnahmebezogenes Verhalten)

fachliches Können

aufgabenbezogenes Können

Verstehen (Apperzeption)

Wahrnehmung (Perzeption)

Abb. E3.2: Konzeptioneller Bezugsrahmen zur Unterstützung von Verhaltenswirkungen (in Anleh­ nung an Küpper et al. 2013: 244).

3.3 Verhaltensanomalien im Rahmen des Berichtswesens Die Verhaltensanomalien lassen sich im Berichtswesen zunächst nach ihren Bezügen systematisieren (vgl. Hirsch 2007: 144ff): – in Bezug auf den Berichtsempfänger – in Bezug auf den Berichtszyklus – in Bezug auf den Berichtsinhalt – in Bezug auf die Berichtsart. Verhaltensanomalien aufseiten der Berichtsempfänger (Entscheidungsträger) wer­ den durch zwei Phänomene hervorgerufen, die als Folge Fehlentscheidungen der Ent­ scheidungsträger zeitigen können:

3 Informationsverwendung – verhaltenssteuernde Aspekte des Berichtswesens |

1. 2.

401

Das Verhalten wird durch bestimmte Persönlichkeitsstrukturen, die auslösendes Moment unerwünschter Handlungen sind, beeinflusst. Das Verhalten unterliegt einer funktionalen Gebundenheit.

Ad (1): Verhaltensbeeinflussungen durch Persönlichkeitsstrukturen Der Anspruch des Berichtswesens, die Informationen in den Berichten unmittelbar auf die Persönlichkeit des Berichtsempfängers abzustellen und gleichzeitig seine spe­ zifischen Informationsbedarfe abzudecken, kann nur dann realisiert werden, wenn hinreichende Kenntnis über den kognitiven Stil des Entscheidungsträgers vorhan­ den ist. Ist diese Kenntnis nicht vorhanden, können die Berichte als Auslöser von nicht intendierten und unerwünschten Handlungen angesehen werden. Hinsichtlich der kognitiven Stile bei Entscheidungsträgern lassen sich zwei Grundsatzstile unter­ scheiden: 1. Der analytische Stil unterstellt, dass der Entscheidungsträger durch geordnetes, systematisches, konsistentes, logisches und diszipliniertes Denken geprägt ist. Ein analytischer Entscheidungsträger ist in der Lage, spezifische Sachverhalte kontextunabhängig zu betrachten und zu beurteilen. Er strebt hinsichtlich seiner eigenen Handlungen ein optimales Entscheidungsergebnis an. 2. Im Gegensatz hierzu steht der heuristische Stil. Dieser nimmt an, dass Entschei­ dungsträger eher einer ungeordneten, undisziplinierten sprunghaften Logik fol­ gen. Eine Isolation spezifischer Aspekte eines Sachverhalts kann er nicht vorneh­ men. Daher führt dieser kognitive Stil analytisch gesehen zum Betrachten des ganzen Sachverhalts. Einzelne Aspekte werden durch Trial-and-Error-Verfahren ergründet und beurteilt. Hirsch nennt dieses Vorgehen „Durchwursteln“ ohne In­ anspruchnahme von analytischen Modellen (vgl. Hirsch 2007: 145). Eine weitere Anomalie, die von der Persönlichkeitsstruktur des Entscheidungsträgers herrührt, ist die sogenannte Ambiguitätsintoleranz. Ambiguität bedeutet, dass ein Entscheidungsträger Unsicherheit verspürt, einer Sache Bedeutung zu geben. Mehr­ deutige Situationen sind für ambiguitätsintolerante Entscheidungsträger dadurch gekennzeichnet, dass sie von ihm nicht eindeutig und angemessen strukturiert wer­ den können, er empfindet sie daher als Bedrohungen. Der Entscheidungsträger wird darauf bedacht sein, unter allen Umständen die Bedrohlichkeit zu reduzieren, indem er ein Mehr an Informationen wichtiger einstuft als ambiguitätstolerante Entschei­ dungsträger, die mehrdeutige Situationen ohne zusätzliche Informationen bewäl­ tigen können. Ambiguitätsintolerante Entscheidungsträger sind weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass sie Informationen, die prospektiven Charakter aufweisen, eher skeptisch gegenüberstehen, da diese für sie nicht klar definiert sind, nicht bereits als bekannt eingestuft werden können und als unsicher angesehen werden (vgl. Hirsch 2007: 148).

402 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

Ad (2): Verhaltensbeeinflussungen durch funktionale Gebundenheit Von einer funktionalen Gebundenheit des Verhaltens von Entscheidungsträgern spricht man dann, wenn der Entscheidungsträger nicht in der Lage ist, bei einem Wechsel der Informationsermittlungsverfahren sein Informationsgebrauchsverhal­ ten anzupassen. So wird ein Entscheidungsträger, der bei der Betrachtung eines Sachverhalts bisher immer auf klassische Größen der internen Unternehmensrech­ nung (beispielsweise das Betriebsergebnis) als Informationsbasen zurückgegriffen hat, neueren wertorientierten Kennzahlen als Beurteilungsgrößen tendenziell kri­ tisch gegenüberstehen – es gibt also eine funktionale Gebundenheit an klassische Kennzahlen. Berichtszyklusbezogene Verhaltensanomalien werden hervorgerufen durch häufigere Konfrontationen der Entscheidungsträger mit Informationen, die ihm in kürzerer Zeit als bisher üblich über Berichte mitgeteilt werden. Er muss also mehr Informationen verarbeiten, was steigende Anforderungen an seine Informationsver­ arbeitungskapazität stellt. Der hieraus resultierende Information Overload-Effekt ist in Kapitel 3.2, in Teil E bereits ausgeführt worden. Diese Informationsüberlastung kann auch noch einen weiteren negativen Effekt im Rahmen der Entscheidungsfin­ dung beinhalten, sofern sich die zunehmenden Informationsmengen auch durch erhöhte Diversitäten der Informationen auszeichnen. Entscheidungsträger könnten dann auch überfordert werden, weil sie die Vielfalt der Einflussgrößen anhand der Unterschiedlichkeit der Informationen nicht mehr richtig einschätzen und erfassen können, sodass in der Folge ebenfalls Fehlentscheidungen resultieren können. Sind einem Entscheidungsträger in einer Entscheidungssituation alle entschei­ dungsrelevanten Informationen bekannt, ohne dass er sie systematisch in den Ent­ scheidungsprozess integrieren kann, handelt es sich um eine berichtsinhaltsbezo­ gene Verhaltensanomalie. Der Entscheidungsträger kann also keine Verbindung zwischen verfügbaren Informationen und der Entscheidung selbst herstellen. Das Treffen korrekter Entscheidungen hängt hier also nicht von der Menge der zur Ver­ fügung stehenden Informationen ab, sondern von der grundsätzlichen Fähigkeit des Entscheidungsträgers, zielgerichtet richtige Einschätzungen und Rückschlüsse aus den vorhandenen Informationen (Kennzahlen) abzuleiten. Liegt eine intellektuelle Überforderung aufseiten des Entscheidungsträgers vor, gelingt ihm auch bei einer geringen Anzahl von Informationen keine zielgerichtete Filterung der wesentlichen Informationen in einer Entscheidungssituation (vgl. Hirsch 2007: 154). Sofern Entscheidungsträger Konsequenzen für das gegenwärtige Handeln aus ak­ tuellen Kennzahlen durch (häufig unbewussten) Vergleich mit erfolgreichen Kennzah­ lenausprägungen der Vergangenheit ableiten, handelt es sich um Verhaltensanoma­ lien in Bezug auf die Berichtsart. Die Entscheidungsträger orientieren sich also an den erfolgreichen Ergebnissen der Vergangenheit, um Rückschlüsse auf ihr gegen­ wärtiges Handeln zu erlangen. Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass Entschei­ dungsträger Kennzahlenwerte, die für eine erfolgreiche Umsetzung von Maßnahmen

3 Informationsverwendung – verhaltenssteuernde Aspekte des Berichtswesens | 403

zur Erreichung von Zielvorgaben stehen, als Orientierungsraster heranziehen werden und somit ihre aktuellen Entscheidungen an den Handlungen der Vergangenheit aus­ richten – da sie bekanntlich erfolgreiche Ergebnisse hervorgebracht haben. Die sich verändernden Umweltbedingungen bleiben dann allerdings vom Entscheidungsträ­ ger unberücksichtigt (vgl. Hirsch 2007: 156).

3.4 Übungsaufgaben Aufgabe 1 Erläutern Sie die beiden Wirkungsklassen nicht intendierter Verhaltensbeeinflussun­ gen durch Berichte. Stellen Sie in diesem Kontext zwei sogenannte versteckte Wirkun­ gen dar. Aufgabe 2 Erläutern Sie die mit den Berichten bei den Entscheidungsträgern gezielt und beab­ sichtigt hervorgerufenen Verhaltenswirkungen. Aufgabe 3 Die Modulation des (Entscheidungs-)Verhaltens von Entscheidungsträgern kann sich in verschiedenen Ausprägungen manifestieren. Leiten Sie aus der Aufmerksamkeit des Informationsnutzers und aus der Wahrnehmung durch den Informationsnutzer grundlegende Anforderungen an die Berichterstattung durch das Controlling ab. Aufgabe 4 Im Controlling der Cycle GmbH wird derzeit ein abteilungseigenes Leitbild intensiv erörtert. Auslöser war ein von einer eigens eingerichteten Leitbildarbeitsgruppe per E-Mail unternehmensintern versendeter Entwurf für ein Leitbild – mit der Bitte um Feedback. Insbesondere die nachfolgend aufgeführte Passage des Entwurfs führte zu kontroversen Diskussionen: Die Controllingabteilung der Cycle GmbH versteht sich als internes Beratungs- und Servicezen­ trum, das mit seinen Berichten alle Entscheidungsträger auf allen Hierarchieebenen objektiv und umfassend mit Informationen versorgt. Hierzu werden vom Controlling Kennzahlen und Kenn­ zahlensysteme entwickelt, die eine Verdichtung der vielfältigen Informationen über die Betriebs­ abläufe ermöglichen.

Nehmen Sie zu vier Facetten dieser Leitmaxime des Berichtswesens kritisch Stellung. Berücksichtigen Sie dabei insbesondere die verhaltenssteuernden Aspekte des Be­ richtswesens.

Zusammenfassung Im Rahmen der Informationsversorgung von Entscheidungsträgern in Unterneh­ men werden im Controlling vielfältige Methoden und Instrumente eingesetzt, um die abgefragten und/oder periodisch zu berichtenden Ergebnisse von Sachverhaltserfassungen zur Verfügung stellen zu können. Das unternehmerische Berichtswesen nimmt insofern eine Vermittlungsfunktion ein, da es als Bindeglied zwi­ schen Informationsentstehungs- und Informationsverwendungsort fungiert (vgl. Jung 2014a: 143). Hierzu kann das Controlling unterschiedliche Berichtssysteme und Be­ richtsarten einsetzen, in denen den (unternehmensinternen) Entscheidungsträgern zielorientiert verdichtete und somit komplexitätsreduzierende Informationen ver­ fügbar gemacht werden. Zudem bedient das unternehmerische Berichtswesen auch externe Anspruchsgruppen. Alle Informationsadressaten können auch als Informa­ tionsnutzer bezeichnet werden, wobei innerhalb eines Unternehmens zwischen den Informationsnutzern mit Führungsaufgaben (Entscheidungsträger) und denen mit Ausführungsaufgaben unterschieden werden sollte. Externe Informationsnutzer sind u. a. die Shareholder oder andere Anspruchsgruppen, die mittels externer Bericht­ erstattung (z. B. mithilfe der Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen) über die Ergebnisse des Unternehmens in Kenntnis gesetzt werden. Die dem Informationsbedarf der Informationsnutzer angepasste Strukturierung aller Berichte erfolgt mithilfe eines zu konfigurierenden Berichtssystems (im Sinne eines Informationssystems). Bei den Warn- und Meldesystemen der generatoraktiven Berichtssysteme bestimmt das Berichtswesen die Art und Struktur der Berichte. In den Auskunfts- und Abfragesystemen der benutzeraktiven Berichtssysteme initiieren die Informationsnutzer selbst die Informationserstellung und -übermittlung; die Dia­ logsysteme mit ihren integrierten Prognose- und Entscheidungsmodellen sollen dar­ über hinausgehend dem Informationsnutzer eine zielgerichtete Informationsrecher­ che und -nutzung einräumen (vgl. Horváth et al. 2015: 315ff; vgl. Jung 2014a: 152ff). Der Kernbereich des operativen Controllings liegt im Bereich der Kennzahlenmes­ sungen und deren Übermittlung in Form unternehmensindividuell zu gestaltender Berichtsarten an die Informationsnutzer im Unternehmen. Die in den Berichten zu transportierenden Informationskategorien werden beim regelmäßig zu erstellenden Standardbericht in Abstimmung zwischen Informationsersteller und -nutzer üblicher­ weise einmalig festgelegt; Anpassungen werden i. d. R. nur ausnahmsweise zwecks Verbesserung der Informationsqualität vorgenommen. Abweichungsberichte hinge­ gen werden nur bei Verletzung der vorher zwischen Informationsersteller und -nutzer vereinbarten Toleranzgrenzen erstellt, während Bedarfsberichte situativ und indivi­ duell vom Informationsnutzer angefordert werden und keiner Standardisierung un­ terliegen (vgl. Taschner 2013a: 65).

https://doi.org/10.1515/9783110439793-026

3 Zusammenfassung

| 405

Eine übergeordnete und große Bedeutung im operativen Controlling weisen Kennzahlen und Kennzahlensysteme auf. Dies hängt v. a. damit zusammen, dass sie als Analyse- und Steuerungsinstrumentarium wichtige Informationen über das operative Geschäft eines Unternehmens liefern, die wiederum als Grundlage für zu treffende Entscheidungen herangezogen werden können. So sind nicht nur die ver­ gangenheitsorientierten Messungen durch Kennzahlen und deren Ursache-WirkungsZusammenhänge in Kennzahlensystemen, sondern auch die gegenwartsbezogenen Erfassungen der Istwerte sowie die Entwicklung der Planwerte Gegenstand eines operativen Controllings. Die Daten aus der internen Unternehmensrechnung stellen dabei für kurzfristige (unterjährige) Perioden das Grundgerüst dar, ergänzt um Da­ ten aus dem Leistungserstellungs- und Leistungsverwertungsbereich (Produktion, Transport, Beschaffung etc.) von Unternehmen. Liefern Kennzahlen bzw. Kennzah­ lensysteme Hinweise auf z. B. Zielverfehlungen, so können mit ihrer Hilfe notwendige Interventionen (Anpassungs- bzw. Korrekturmaßnahmen als Steuerungseingriffe) in­ itiiert werden. Die Kennzahlen und Kennzahlensysteme dienen also als Instrumente, um betriebliche operative Sachverhalte zeitnah erfassen und lenken zu können. Sie werden im operativen Bereich eher als horizontale Koordinationselemente in bzw. zwischen Unternehmensteilen wirksam. Als vertikales Koordinationsinstrument er­ langen sie eher Bedeutung bei strategischen Sachverhalten, die periodenübergreifend mittel- bis langfristig den Unternehmenserfolg sichern helfen sollen. Die mittels der Kennzahlen und Kennzahlensystemen herbeigeführte Komple­ xitätsreduktion, also die Verdichtung der betrieblichen Realität, ist schon deshalb notwendig, weil die Entscheidungsträger nicht alle im Controlling verfügbaren Daten sichten können, um zu treffende Entscheidungen zu begründen. Daher sind je nach den spezifischen Anforderungen der Informationsnutzer substanzielle und selektierte Informationen durch das Controlling in den Berichten zusammenzufassen und somit eine den Informationsansprüchen der Nutzer entsprechende Informationsversorgung zu gewährleisten. Wohlbegründete Entscheidungen, die auf angemessener informa­ torischer Grundlage getroffen werden, führen in den meisten Fällen nicht zu nicht in­ tendierten Folgewirkungen. Kennzahlen, Kennzahlensysteme und auch das Berichts­ wesen stehen für formale Regelungen in Unternehmen, d. h. sie sind prinzipiell nach formalen Kriterien strukturiert und sollen im Endeffekt zu einem effizienten Ablauf in Unternehmen beitragen. Innerhalb eines Unternehmens können respektive sollen Berichte eine verhal­ tenssteuernde Wirkungen entfalten. Die deklarierten Wirkungen werden bewusst hervorgerufen und auch offiziell kommuniziert. Die verschiedenen Berichte können aber auch gezielt zur Manipulation des Berichtsempfängers eingesetzt werden, um z. B. individuelle Zielvorstellungen (z. B. eines verantwortlichen Controllers) durchzu­ setzen, oder aber auch um Ergebnisse einer Organisationseinheit gegenüber anderen

406 | Teil E: Berichtswesen und Reporting

Organisationseinheiten des Unternehmens in einem „besseren Licht“ darstellen zu können. Die reaktiven Wirkungen sind von vornherein nicht intendiert, können aber zu reflektiertem Verhalten aufseiten der Informationsnutzer führen. Und nicht zuletzt können Berichte auch versteckte Wirkungen entfalten, die insbesondere in dem ver­ haltenswissenschaftlich geprägten Personalmanagement und in der modernen Per­ sonalberatungspraxis und im Coaching eine herausragende Bedeutung besitzen (vgl. z. B. Bergknapp 2009). Sie sind nicht intendiert und führen bei den Betroffenen zu intuitivem Verhalten. Diese sind insofern von hoher Bedeutung, als dass sie in unter­ schiedlichsten Ausprägungen und Kombinationen auftreten können und nicht direkt aus dem (Entscheidungs-)Verhalten abzuleiten und nur schwer zu korrigieren sind.

| Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Einleitung Das Kardinalziel einer Unternehmung ist die Existenzsicherung und Weiterentwick­ lung des Unternehmens; hieraus leitet sich die Gewinnerzielung als ein zentrales Hauptziel ab. Gewinne werden benötigt, um in einer inflationären Wirtschaft einen realen Kapitalerhalt zu gewährleisten, die Betriebs- und Geschäftstätigkeit dauerhaft aufrechtzuerhalten, das Unternehmenswachstum und Umstrukturierungsvorhaben vorantreiben oder auch die Marktposition verbessern zu können. Aufgabe der Unter­ nehmensführung ist es, die im Unternehmen ablaufenden Leistungs- und Finanzpro­ zesse so zu gestalten, dass diese Ziele bestmöglich erfüllt werden (vgl. Joos 2014: 3; vgl. Coenenberg et al. 2016a: 8ff). In diesem Kontext kann das Controlling – aus der Perspektive der Unternehmensführung – grundsätzlich als betriebswirtschaftliches Servicezentrum verstanden werden (vgl. Wermter 2014: 30f; vgl. Baier 2008: 354). Mit der Unterstützung des Controllings werden Ziele formuliert, Maßnahmen zur Durch­ führung entwickelt und umgesetzt, die Erfolge der Maßnahmen gemessen und an die Unternehmensleitung kommuniziert, sowie Abweichungen und ihre Ursachen untersucht, Korrekturmaßnahmen vorgenommen und deren Umsetzung begleitet. Selbst wenn mithilfe des strategischen Controllings effektive Maßnahmen zur Realisierung der langfristigen Ziele des Unternehmens ergriffen werden, können im „betrieblichen Alltag“ Situationen auftreten, an die es sich kurzfristig anzupassen gilt. Es ist beispielsweise kaum möglich, Absatzmengen oder Preisentwicklungen für mehrjährige Zeiträume hinreichend präzise zu antizipieren. In der Unterneh­ mensführung kann daher nur kurzfristig entschieden werden, welche Produkte in welchen Mengen zu produzieren, und zu welchen Preisen diese abzusetzen sind. Diese Problematik wird dann verschärft, wenn die Nachfrage aufgrund von betriebli­ chen Engpässen nicht vollständig bedient werden kann. An dieser Stelle greifen die Entscheidungsrechnungen als zentrale Instrumente der operativen Steuerung: Hier gilt es, das Produktionsprogramm und die Preisgestaltung an die Gegebenheiten der Geschäftsperiode so anzupassen, dass das Betriebsergebnis optimiert wird. Die kurze Einführung in die Thematik zeigt, dass die Vorbereitung von Pro­ duktionsprogramm- und Preisentscheidungen wesentliche Gegenstandsbereiche der operativen Steuerung sind. Im Rahmen von Teil F „Operative Entscheidungsrechnun­ gen“ werden ausgehend von konkreten Entscheidungssituationen die Eigenschaf­ ten kurzfristig wirksamer Produktionsprogramm- und Preisentscheidungen sowie die Art und Weise der Entwicklung einer Entscheidung dargestellt und mithilfe von Fallbeispielen illustriert. Es soll den Fragen nachgegangen werden, auf welcher Ent­ scheidungsgrundlage und nach welchen Entscheidungsregeln kurzfristige Produk­ tionsprogramm- und Preisentscheidungen getroffen werden, damit eine optimale Anpassung an die jeweilige Situation erfolgen kann. Darüber hinaus gilt es zu klä­ ren, in welcher Weise das Betriebsergebnis durch die jeweiligen Entscheidungen beeinflusst wird. In Teil F, Kapitel 1 werden zunächst die wichtigsten Einsatzbereiche https://doi.org/10.1515/9783110439793-027

410 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

der operativen Steuerung dargestellt; in diesem Zusammenhang werden auch die Merkmale kurzfristig wirksamer Entscheidung erläutert. Zum Abschluss von Teil F, Kapitel 1 wird die Kosten- und Leistungsrechnung als Grundlage für die Entwicklung kurzfristig wirksamer Entscheidungen vorgestellt. Teil F, Kapitel 2 beschäftigt sich mit den Produktionsprogrammentscheidungen. Ausgehend von den kostenrechne­ rischen Grundlagen wird gezeigt, wie Programmoptimierungsentscheidungen bei einer Unterbeschäftigung und bei einer engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkung entwickelt werden. Die Fragen nach der Eigen- oder Fremdfertigung und nach der optimalen Losgröße werden als besondere Ausprägungen der Produktionsprogramm­ entscheidung ebenfalls aufgegriffen. Teil F, Kapitel 4 konzentriert sich auf die Preis­ entscheidungen. Hier wird zunächst geklärt, welche Kosten für Preisentscheidungen entscheidungsrelevant sind. Die Bestimmung von Preisunter- und Preisobergrenzen bei einer Unterbeschäftigung und bei einer engpasswirksamen Kapazitätsbeschrän­ kung stellen den inhaltlichen Schwerpunkt von Teil F, Kapitel 4 dar. In einem kurzen Exkurs werden langfristige Preisgrenzen von den kurzfristigen abgegrenzt und die Bedeutung der Solldeckungsbeiträge für die Ergebnissicherung erläutert. Nach Bearbeitung von Teil F „Operative Entscheidungsrechnungen“ – können Sie die operative Steuerung als Teilbereich des operativen Controllings und die Entwick­ lung von Produktionsprogramm- und Preisentscheidungen als Gegenstandsbereich der operati­ ven Steuerung einordnen. – können Sie die kostenrechnerische Fundierung der kurzfristig wirksamen Entscheidungen dar­ legen. Sie erkennen die überragende Bedeutung der Teilkostenrechnungssysteme für die Pro­ gramm- und Preisentscheidungen, und können diesen Stellenwert im Vergleich zu den Vollkos­ tenrechnungssystemen exemplarisch veranschaulichen. – können Sie eine Unterbeschäftigung und eine engpasswirksame Kapazitätsbeschränkung in Be­ zug auf Programmoptimierungen und in Bezug auf Make-or-Buy-Entscheidungen kostenrechne­ risch auswerten und Entscheidungsvorlagen zur Optimierung des Betriebsergebnisses entwer­ fen. – können Sie ausgehend von einer Unterbeschäftigung und einer engpasswirksamen Kapazi­ tätsbeschränkung kurzfristige Preisuntergrenzen und kurzfristige Preisobergrenzen kosten­ rechnerisch herleiten und Entscheidungsvorlagen zur Optimierung des Betriebsergebnisses entwickeln. – können Sie das Erfordernis einer langfristigen Ergebnissicherung begründen und die diesbezüg­ lichen Beiträge der Preisgrenzen auf Vollkostenbasis und der Solldeckungsbeiträge kritisch be­ urteilen. – erkennen Sie die Notwendigkeit der Komplexitätsreduktion zur Entwicklung von Entscheidungs­ vorlagen und können die Aussagekraft der kostenrechnerisch begründeten Optimierungen vor dem Hintergrund der vielfältigen Optimierungsprämissen kritisch reflektieren.

1 Grundlagen operativer Steuerung Unabhängig von der Branche kann jedes Controlling in eine strategische und in ei­ ne operative Variante unterteilt werden. Die beiden Konzeptionen unterscheiden sich im Wesentlichen in ihren Betrachtungsfokussen. Beim strategischen Controlling steht die Effektivität (how to do the right things) im Vordergrund; beim operativen Control­ ling hingegen gilt es, die Frage nach der Effizienz (how to do the things right) zu beant­ worten (vgl. Joos 2014: 5f; vgl. Jung 2014a: 16ff).

1.1 Operative Steuerung als Element des Controllings Das strategische Controlling ist mit seinen Effektivitätsbetrachtungen dem operativen Controlling vorgeschaltet. Das operative Controlling kann sich nur in jenem Rahmen bewegen, der durch das strategische Controlling definiert wurde (vgl. Horváth et al. 2015: 50ff). Aufgrund dieser engen Verzahnung zwischen strategischem und opera­ tivem Controlling ist eine organisatorische Trennung der beiden Controllingebenen auch nicht sinnvoll (vgl. Joos-Sachse 2006: 6f). Vor diesem Hintergrund werden nach­ folgend die wichtigsten Charaktereigenschaften und Aufgaben des strategischen und operativen Controllings nochmals aufgegriffen (vgl. Joos 2014: 5ff; siehe auch Teil B, Kapitel 1.2): – Das strategische Controlling ist durch seine langfristige und zukunftsorientier­ te Betrachtungsweise von i. d. R. mehr als drei Jahren gekennzeichnet. Die sich ständig verändernde Umwelt und das Bestreben der Unternehmen, sich diesen Änderungen rechtzeitig anzupassen, verdeutlichen die Notwendigkeit eines stra­ tegischen Controllings (vgl. Jung 2014a: 9ff; vgl. Piontek 2005: 19ff). Ziel die­ ser Controllingkonzeption ist es, auf Basis der Informationen aus der dynami­ schen Umwelt die Unternehmensführung beim Aufbau und bei der Steuerung von Erfolgspotenzialen zwecks langfristiger Existenzsicherung des Unternehmens zu unterstützen. Bei den Erfolgspotenzialen handelt es sich um Chancen und Risi­ ken, die nicht immer einen quantifizierbaren Charakter aufweisen können (vgl. Horváth et al. 2015: 51). Ökonomische, technologische und gesellschaftspoliti­ sche Entwicklungen sollen möglichst frühzeitig antizipiert werden, um langfris­ tige Strategien entwerfen, prüfen, durchsetzen und überwachen zu können. Stra­ tegische Controllingkonzeptionen zeichnen sich damit durch schlecht definier­ te Probleme, weiche Daten und einen relativ hohen Komplexitätsgrad aus (vgl. Ossadnik 2009: 51f; vgl. Joos-Sachse 2006: 6f). – Das operative Controlling ist durch eine kurzfristige Betrachtungsweise gekenn­ zeichnet. Die zeitliche Reichweite erstreckt sich von der operativen Einjahrespla­ nung bis zur Mittelfristplanung für maximal drei Jahre (vgl. Baier 2008: 354; vgl. Piontek 2005: 24ff). Während das strategische Controlling die Strukturierung von https://doi.org/10.1515/9783110439793-028

412 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Erfolgspotenzialen unterstützt, konzentrieren sich operative Controllingkonzep­ tionen vor dem Hintergrund gegebener Erfolgsziele auf die Ausschöpfung von Erfolgspotenzialen (vgl. Wente 2013: 897ff). Die Unternehmensaktivitäten sollen operativ so gesteuert werden, dass die Unternehmensziele, die durch das strategi­ sche Controlling formuliert werden, kurz- bis mittelfristig erreicht werden. Unge­ wollte Entwicklungen sollen durch rechtzeitige Korrekturmaßnahmen vermieden werden (vgl. Ossadnik 2009: 51; vgl. Joos-Sachse 2006: 43). Operatives Controlling zeichnet sich damit durch eher wohldefinierte Probleme und gut quantifizierbare Sachverhalte aus (vgl. Müller 2009: 185). In Anbetracht dieser konzeptionellen Konfigurationen des strategischen und des ope­ rativen Controllings lassen sich dem operativen Controlling folgende Hauptaufgaben zurechnen (vgl. Jung 2014a: 15ff; vgl. Müller 2009: 185): – Unterstützung der operativen Planung und der anschließenden Durchführung; Unterstützung der Budgetierung; Budgetkontrolle und erfolgszielbezogene ope­ rative Kontrolle – Versorgung der Entscheidungsträger mit entscheidungsrelevanten Informationen (vgl. Joos 2014: 3ff) Der Fokus der operativen Steuerung als Element des operativen Controllings liegt im Rahmen der kurzfristigen Betrachtungsweise der Einjahresplanung auf der Bereit­ stellung entscheidungsrelevanter Informationen für Entscheidungsträger inner­ halb des Unternehmens. Im Mittelpunkt steht somit die Fundierung von Entscheidun­ gen, die auf die – kurzfristige Ausschöpfung von Erfolgspotenzialen und/oder auf die – rechtzeitige Anpassung an kurzfristige Anpassungserfordernisse ausgerichtet sind (vgl. Wermter 2014: 29ff). Das strategische Controlling und die Mit­ telfristplanung des operativen Controllings finden deshalb in diesen Ausführungen keine inhaltliche Berücksichtigung. Im Zuge der Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen für die Unter­ nehmensleitung ist die operative Steuerung auf die Optimierung des Betriebsergeb­ nisses und somit auf die leistungswirtschaftlichen Prozesse ausgerichtet. Demzufolge nehmen die Kosten- und Leistungsrechnungen als Informationssysteme der internen Unternehmensrechnung die dominante Rolle bei der Entwicklung der Entscheidungs­ vorlagen ein (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 3ff); diese können der Spezifität und dem Detaillierungsgrad der benötigten Informationen am ehesten entsprechen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 50ff). Insofern ist die operative Steuerung als Ausprägung des kos­ tenorientierten Controllings zu verstehen (siehe hierzu Teil A, Kapitel 3).

1 Grundlagen operativer Steuerung

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1.2 Kurzfristig wirksame Entscheidungen 1.2.1 Charakteristika Entscheidungen, die zur operativen Steuerung im Rahmen der Einjahresplanung ge­ troffen werden, werden auch als kurzfristig wirksame Entscheidungen bezeichnet. Auch wenn Entscheidungen der operativen Steuerung die zukünftige Periode betref­ fen (sollten), wird das operative Controlling aufgrund der im Vergleich zum stra­ tegischen Controlling kurzfristigeren Betrachtungsweise als gegenwartsorientiert bezeichnet (vgl. Preißler 2014: 19). Denn zur Entscheidungsfindung werden gegen­ wartsorientierte Daten aus der internen Unternehmensrechnung, z. B. in Form von Kosten, Leistungen oder Betriebsergebnissen herangezogen (vgl. Jung 2014a: 16; vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 30f). Die Beschaffung einer Produktionsanlage, die im Rahmen eines Produktionspro­ zesses von mehreren Produkten beansprucht wird, stellt beispielsweise einen langfris­ tig wirksamen Aktionsparameter dar, da die Anlage i. d. R. über mehrere Jahre genutzt wird und sowohl die Betriebsbereitschaft als auch die Kapazität beeinflusst werden. Es ist davon auszugehen, dass bei der Auswahl der Produktionsanlage die zukünftige Produktions- und Produktpolitik berücksichtigt wurden. Es ist jedoch nicht möglich, für jede denkbare Konstellation im „betrieblichen Alltag“ Alternativpläne zu entwi­ ckeln. In den einzelnen Perioden können Bedingungen vorliegen, die zum Zeitpunkt der Anschaffung nicht berücksichtigt werden konnten und an die sich ein Unterneh­ men mit kurzfristig wirksamen Entscheidungen anpassen muss (vgl. Ewert, Wagen­ hofer 2014: 30f). Kurzfristig wirksame Entscheidungen lassen sich folglich durch drei zentrale Ei­ genschaften charakterisieren (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 30ff; vgl. Schweitzer et al. 2016: 413f): 1. Der vorliegende Potenzialfaktorbestand wird als gegeben angenommen und durch entsprechende (Korrektur-) Maßnahmen nicht beeinflusst, d. h. es han­ delt sich um eine Anpassungsentscheidung. 2. Die Entscheidungen können durch entsprechende (Korrektur-)Maßnahmen un­ mittelbar umgesetzt werden. 3. Die Auswirkungen beschränken sich auf eine Periode bzw. ein Geschäftsjahr, d. h. es handelt sich um eine Periodenentscheidung (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 50ff); gleichwohl kann sich die Entscheidung auch auf eine kürzere Periode – bei­ spielsweise auf einen Monat oder ein Quartal – beziehen (vgl. Steinle, Daum 2007: 466). Kurzfristig wirksame Entscheidungen sind i. d. R. sogenannte Routineentscheidun­ gen, weil sie sich dadurch auszeichnen, dass eine bestimmte Anzahl an Handlungs­ alternativen und hinreichende Informationen über deren Handlungskonsequenzen vorliegen. Ihnen liegen Entscheidungsmechanismen zugrunde, mit deren Hilfe eine

414 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

eindeutige Rangordnung bezüglich der Vorzugswürdigkeit der Handlungsalternati­ ven aufgestellt werden kann; insofern ist der Entscheidungsprozess automatisierbar (vgl. Reichmann 2017: 9f). Im Verlauf dieser Erörterungen basiert die Verwendung „kurzfristig“ auf der dar­ gestellten Definition von kurzfristig wirksamen Entscheidungen. Als „langfristig“ wer­ den hingegen Entscheidungen bezeichnet, die über eine Periode hinaus getroffen wer­ den.

1.2.2 Ausgewählte Einsatzbereiche operativer Steuerung Im Rahmen der operativen Steuerung lassen sich kurzfristig wirksame Entscheidun­ gen in Beschaffungsentscheidungen, in Produktionsprogrammentscheidungen und in Preisentscheidungen unterteilen. Die beiden letztgenannten Entscheidungsberei­ che stellen den inhaltlichen Schwerpunkt von Teil F dieses Buches dar, zumal opera­ tive Beschaffungsentscheidungen im Rahmen des Beschaffungscontrollings themati­ siert werden. 1.2.2.1 Programmentscheidungen Mit dem Produktionsprogramm wird festgelegt, welche Produkte in welchen Mengen in einem bestimmten Zeitraum hergestellt werden sollen. Sofern alle Produkte selbst hergestellt werden, leitet sich das Produktionsprogramm direkt aus dem Sortiment ab (vgl. Steinle, Daum 2007: 466). Es gilt das optimale Produktionsprogramm zu bestim­ men – also welche Produkte mit welchen Mengen zwecks Optimierung des Betriebs­ ergebnisses zu produzieren sind. Zu diesen Produktionsprogrammentscheidungen zählen insbesondere Programmoptimierungs-, Make-or-Buy- und Losgrößenentschei­ dungen. Im Rahmen der Programmoptimierung wird entschieden, wie sich das Pro­ duktionsprogramm in der zukünftigen Periode zusammensetzt; es muss bestimmt werden, welche Produkte ins Produktionsprogramm aufgenommen bzw. aus dem bestehenden Programm eliminiert werden. Im Rahmen der Programmoptimierungen sind zwei unterschiedliche Ausgangssituationen grundsätzlich zu differenzieren (vgl. Kalenberg 2013: 249f): 1. Innerhalb einer Programmoptimierung bei Unterbeschäftigung existieren keine betrieblichen Engpässe, d. h. die vorhandenen Produktionskapazitäten sind für die Produktion des gesamten Produktionsprogramms ausreichend. Im Normalfall liegen jedoch Absatzrestriktionen vor. Eine Absatzrestriktion existiert beispiels­ weise, sobald nur eine bestimmte Menge (Absatzhöchstmenge) von einen Produkt nachgefragt wird (vgl. Deimel et al. 2006: 304f).

1 Grundlagen operativer Steuerung | 415

2.

Innerhalb einer Programmoptimierung bei Kapazitätsbeschränkungen können aufgrund von Anlagen- und Maschinenkapazitäten, Raumkapazitäten, Arbeits­ zeiten, der begrenzten Verfügbarkeit von Rohstoffen etc. betriebliche Engpässe vorliegen (vgl. Jórasz 2009: 300f; vgl. Kalenberg 2013: 250). Betriebliche Engpässe entstehen insbesondere dann, wenn verschiedene Produkte dieselben techni­ schen oder personellen Ressourcen oder dieselben Materialbestände beanspru­ chen (vgl. Deimel et al. 2006: 305). Bei dem Vorliegen betrieblicher Engpässe können nicht alle Produkte in der nachgefragten Menge hervorgebracht werden. Das Ziel der operativen Steuerung besteht nun darin, die knappen Faktoren so ein­ zusetzen, dass eine Optimierung des Betriebsergebnisses gewährleistet wird (vgl. Fischbach 2018: 149ff; vgl. Kalenberg 2013: 250ff). Dabei ist zu berücksichtigen, in welcher Form die bestehenden Engpässe durch die jeweiligen Produkte bean­ sprucht werden. Unvorhersehbare Entwicklungen wie beispielsweise ausfallbe­ dingte Instandsetzungen von technischen Anlagen, Krankheit von Mitarbeitern oder unverschuldete Lieferengpässe können zudem unerwartete Kapazitätsbe­ schränkungen verursachen bzw. bestehende Kapazitätsengpässe ausweiten (vgl. Bloech et al. 2014: 117ff; vgl. auch Friedl et al. 2017: 304ff).

Der Grundgedanke der Make-or-Buy-Entscheidung besteht in der Überlegung, ob gewisse Güter oder Dienstleistungen selbst hergestellt (Eigenfertigung) oder vom Markt bezogen werden sollen (Fremdfertigung bzw. Fremdbezug). Wie bei der Pro­ grammoptimierung wird auch hier zwischen den beiden Ausgangssituationen der Unterbeschäftigung und der engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkung unterschie­ den. Sobald Leistungen, die in der Vergangenheit selbst hervorgebracht wurden, auch langfristig fremdbezogen werden sollen, kommt es zum Outsourcing und zu einer Verringerung der Fertigungstiefe; insofern kann das Outsourcing eine Folge einer Make-or-Buy-Entscheidung sein (vgl. Wannenwetsch 2013: 156ff; vgl. Kummer et al. 2013: 152ff). In dem hier relevanten kurzfristigen Entscheidungskontext wird die Make-or-Buy-Entscheidung lediglich auf kostenrechnerische Kalküle abgestellt; strategische Entscheidungskalküle, die beispielsweise qualitätsbezogene Aspekte in die Entscheidung integrieren, bleiben also unbeachtet (vgl. Arnolds et al. 2016: 255ff; vgl. Friedl et al. 2017: 308f). Der Produktionsprozess im Rahmen einer Serienfertigung bedarf bei der Opti­ mierung des Betriebsergebnisses einer besonderen Betrachtung, weil hier mit der zu fertigenden Losgröße eine weitere Optimierungsgröße auftritt. Die Serienfertigung untergliedert sich in die reine Serienfertigung, in die Sortenfertigung und in die Char­ genfertigung. Abbildung F1.1 stellt die verschiedenen Fertigungstypen zusammenfas­ send dar:

416 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Fertigungstypen

Einzelfertigung

Sortenfertigung

Mehrfachfertigung

Serienfertigung

Massenfertigung

reine Serienfertigung

Chargenfertigung

Abb. F1.1: Übersicht über die Fertigungstypen (in Anlehnung an Jung 2016: 495).

Eine Einzelfertigung liegt vor, sobald ein Unternehmen von einem Produkt lediglich eine Leistungseinheit produziert. Wird eine Vielzahl an Einheiten eines Produkts hergestellt, handelt es sich um eine Mehrfachfertigung. Im Rahmen einer Massen­ fertigung wird ein Produkt über einen langen Zeitraum ohne Unterbrechung des Produktionsprozesses in einer sehr hohen Stückzahl produziert. Innerhalb einer Seri­ enfertigung ist der Produktionsprozess durch die jeweils gewählte Losgröße begrenzt. Bei der Serienfertigung wird zwischen der Sortenfertigung, der reinen Serienfertigung und der Chargenfertigung differenziert (vgl. Wöhe et al. 2016a: 332ff; vgl. Jung 2016: 495f; vgl. Corsten, Gössinger 2016: 30ff): – Bei einer reinen Serienfertigung werden Produkte, bei denen im Fertigungspro­ zess partielle Übereinstimmungen bestehen, in großen Stückzahlen produziert. – Bei einer Sortenfertigung werden unterschiedliche Produktsorten aus dem glei­ chen Ausgangsmaterial hergestellt. – Die Chargenfertigung ist durch qualitative und quantitative Schwankungen der Produkte charakterisiert, da der Fertigungsprozess nicht vollständig steuerbar ist (z. B. Schmelzprozesse oder chemische Prozesse). Innerhalb einer Charge sind keine oder nur geringe Qualitätsunterschiede festzustellen; zwischen den Char­ gen können jedoch größere Qualitäts- und Mengenabweichungen auftreten. Während bei der Chargenfertigung die zu fertigende Losgröße produktionstechnisch vorgegeben ist, zeichnen sich die reine Serienfertigung und die Sortenfertigung durch eine Gestaltbarkeit des Loses aus. Die Losgröße oder auch die sogenannte Auftrags­ größe der Erzeugnisse bezeichnet die Herstellmenge, die einen Fertigungsprozess als geschlossener Posten ohne (geplante) Unterbrechung durchläuft. Nach der Fertig­ stellung einer Produktserie erfolgt eine betriebliche Umrüstung für die Herstellung anderer Produktserien. Das Umstellintervall ist dabei von der gewählten Losgröße abhängig (vgl. Jung 2016: 496ff). Im Zuge einer Umrüstung fallen durch den Serien­

1 Grundlagen operativer Steuerung

| 417

wechsel sogenannte Rüstkosten an. Darüber hinaus sind Lagerkosten, die durch die Lagerung der gefertigten Produkte bis zu ihrer Weiterveräußerung entstehen, und Zinskosten, die durch das gebundene Kapital der gelagerten Materialien anfallen, zu berücksichtigen. Ziel der Losgrößenoptimierung ist es, die periodischen Fertigungs­ kosten bei gegebenem Potenzialfaktorbestand zu minimieren (vgl. Wöhe et al. 2016a: 335f und Bloech et al. 2014: 218f). Daneben können auf der Basis der optimalen Losgrö­ ße Rückschlüsse auf die Materialbeschaffungsmengen und auf die optimale Bestell­ menge gezogen werden (vgl. Wöhe et al. 2016a: 328ff). Da der Periodenbedarf bzw. die Periodenabsatzmenge eines Produkts langfristig nicht planbar ist, ist es die Aufgabe der operativen Steuerung, die optimale Losgröße für jede neue Periode zu bestimmen. 1.2.2.2 Preisentscheidungen Das Über- bzw. Unterschreiten sogenannter kritischer Preise veranlasst das Unterneh­ men zu bestimmten Reaktionen hinsichtlich der Produktionsprogrammgestaltung. Diese Preisgrenzen lassen sich in kurz- bzw. langfristige Preisgrenzen differenzieren (vgl. Steger 2010: 75f; vgl. Steinle, Daum 2007: 467). Da in dem hier relevanten Kontext der Fokus auf der kurzfristigen Betrachtung liegt, sollen die kurzfristigen Preisgren­ zen im Zentrum der nachfolgenden Betrachtungen stehen. Hier wird grundsätzlich zwischen Preisunter- und Preisobergrenzen unterschieden (vgl. Kalenberg 2013: 270ff und 281ff): – Die Preisuntergrenze bezeichnet den kritischen Absatzpreis, bei dessen Unter­ schreitung der Verkauf von Absatzgütern das Betriebsergebnis verringert und aus kostenrechnerischer Perspektive nicht mehr erfolgen darf. – Die Preisobergrenze gibt den kritischen Beschaffungspreis an, bei dessen Über­ schreitung der Einkauf von Beschaffungsgütern aus kostenrechnerischer Sicht nicht mehr erfolgen darf, da damit das Betriebsergebnis reduziert würde. Darüber hinaus dienen Preisgrenzen insbesondere als Entscheidungskriterium, ob so­ genannte Zusatzaufträge angenommen oder abgelehnt werden sollten. Zusatzaufträ­ ge sind als Kundenaufträge zu verstehen, die – nach der Festlegung des Produktionsprogramms eingehen, mit dem verfügbaren Potenzialfaktorbestand realisiert werden können, und – sich qualitativ und/oder quantitativ von den Produkten im Produktionsprogramm unterscheiden (vgl. Friedl 2010: 357). Es handelt sich entweder um Produkte aus dem Produktionsprogramm, die zu einem Preis unterhalb des Verkaufspreises produziert und veräußert werden, oder um Pro­ dukte, die bisher nicht Bestandteil des Produktionsprogramms sind (vgl. Jung 2014a: 75). Entscheidungen über Zusatzaufträge stellen kurzfristig wirksame Entscheidungen dar, da sie die zukünftige Periode betreffen und mit dem gegebenen Potenzialfaktor­ bestand umgesetzt werden können. Wie bei den Programmentscheidungen sind auch

418 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

bei den kurzfristigen Preisentscheidungen die beiden Ausgangssituationen der Unter­ beschäftigung und der Kapazitätsbeschränkung zu berücksichtigen (vgl. Pepels 2010: 481; vgl. Steinle, Daum 2007: 468): – Auf der Basis der Preisgrenzen kann bei einer Unterbeschäftigung entschieden werden, ob freie Kapazitäten durch die Annahme von Zusatzaufträgen belegt wer­ den sollten (vgl. Joos-Sachse 2006: 225). Es gilt zudem, die kritischen Preisgrenzen der Absatz- und Beschaffungsprodukte zu bestimmen, bei deren Über- bzw. Un­ terschreitung das entsprechende Produkt nicht mehr hergestellt wird. – Beim Vorliegen einer Kapazitätsbeschränkung dienen Preisgrenzen als Ent­ scheidungsgrundlagen, ab welchem Absatz- bzw. Beschaffungspreis bestimmte Produkte aus dem Produktionsprogramm durch Produkte aus einem möglichen Zusatzauftrag verdrängt werden sollten (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 408ff; vgl. Ossadnik 2009: 213). Darüber hinaus ist die veränderte Zusammensetzung des Produktionsprogramms festzulegen, falls Produkte aufgrund einer Über- bzw. Unterschreitung der kritischen Preisgrenze nicht mehr produziert werden sollten und dadurch Kapazitäten für andere Produkte frei werden.

1.3 Die Kosten- und Leistungsrechnung als Entscheidungsrechnung Die Kosten- und Leistungsrechnung als System der internen Unternehmensrechnung nimmt eine zentrale Rolle als Entscheidungsrechnung für die operative Steuerung ein. Die grundlegende Aufgabe der Kosten- und Leistungsrechnung ist es, die im Produktionsprozess entstehenden Kosten und Leistungen zu erfassen, diese Daten aufzubereiten und geeignete Planungs- und Kontrollinformationen zur Steuerung der Wirtschaftlichkeit der Unternehmung bereitzustellen. Die Kostenrechnung be­ fasst sich primär mit der Ermittlung der Kosten; sie betrachtet also den durch die Leistungserstellung bedingten und monetär bewerteten Verbrauch an Produktions­ faktoren. Die Leistungsrechnung bewertet in Form von Zeit-, Mengen- und Qualitäts­ größen die betrieblichen Leistungen. Sie erfasst demnach die Entstehungsseite des Produktionsprozesses bzw. das Ergebnis der innerbetrieblichen Leistungsverwertung und -erstellung (vgl. Weber, Schäffer 2016: 139f; vgl. Steger 2010: 81). Für die opera­ tive Steuerung und die in Teil F, Kapitel 1.2 dargestellten Entscheidungsbereiche ist dementsprechend die Kostenrechnung von besonderer Bedeutung, da Kosten un­ mittelbar das Betriebsergebnis beeinflussen – das es zu optimieren gilt. Dennoch ist auch der Stellenwert der Leistungsrechnung nicht zu unterschätzen. Kosten können nur auf die entsprechenden Produkte verteilt werden, wenn Produktionszeiten, Pro­ duktionsmengen und -qualitäten festgehalten wurden. Nachfolgend wird der Fokus jedoch aus genanntem Grund auf der Kostenrechnung liegen.

1 Grundlagen operativer Steuerung |

419

Innerhalb der Kostenrechnung wird zwischen unterschiedlichen Kostenrech­ nungssystemen unterschieden, die sich nach zwei Kriterien differenzieren lassen (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 72f): – Hinsichtlich des Zeitbezugs der verrechneten Kosten (vergangenheits- oder zu­ kunftsbezogen) wird zwischen Istkosten-, Normalkosten- und Plankostenrech­ nungssystemen unterschieden. – In Bezug auf den Umfang der verrechneten Kosten wird zudem zwischen Vollkos­ ten- und Teilkostenrechnungssystemen unterschieden. Aus der Kombination der beiden Kriterien ergeben sich sechs Grundtypen von Kosten­ rechnungssystemen (siehe Tabelle F1.1). Tab. F1.1: Rechnungssysteme der KLR (in Anlehnung an Jung 2014a: 81; Macha 2010: 11; Haberstock, Breithecker 2008a: 173). Ausmaß der Kostenverrechnung

Zeitbezug der Kostendaten Vergangenheitsorientierung

Zukunftsorientierung

Istkosten

Plankosten

Normalkosten

Verrechnung der vollen Kosten auf die Kalkulationsobjekte

Vollkostenrechnung Vollkostenrechnung Vollkostenrechnung auf Istkostenbasis auf Normalkostenbasis auf Plankostenbasis

Verrechnung der variablen Kosten auf die Kalkulationsobjekte

Teilkostenrechnung Teilkostenrechnung Teilkostenrechnung auf Istkostenbasis auf Normalkostenbasis auf Plankostenbasis

Die unterschiedlichen Kostenrechnungssysteme basieren zunächst auf unterschied­ lichen Datengrundlagen. Die Istkostenrechnung verwendet tatsächliche in der Ver­ gangenheit angefallene Kosten. Die Normalkostenrechnung operiert mit den Durch­ schnittskosten vergangener Perioden, um beispielsweise saisonale Schwankungen zu vermeiden (vgl. Steger 2010: 81). Die Plankostenrechnung verwendet zukunftsbezo­ gene Kosten. Mithilfe von prognostizierten Absatzmengen werden die Einsatzmengen der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, die Maschinenkapazitäten und der Personalbedarf geplant (vgl. Macha 2010: 12; vgl. Kalenberg 2013: 29). Für die Festlegung der Preise schließt die Plankostenrechnung immer zwingend auch eine Istkostenrechnung mit ein (vgl. Jung 2014a: 82ff). Neben unterschiedlichen Datengrundlagen verwenden die Kostenrechnungs­ systeme unterschiedliche Verrechnungsmodalitäten. In der Vollkostenrechnung werden sämtliche in der Abrechnungsperiode anfallenden Kosten auf die einzelnen Produkte verteilt – unabhängig davon, ob sie einem Kostenträger verursachungs­ gerecht zugerechnet werden können. Es werden also sowohl variable als auch fixe

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Kosten auf die Kostenträger übertragen (vgl. Macha 2010: 12). In der Teilkostenrech­ nung wird dem Kostenverursachungsprinzip stärker Rechnung getragen, indem den Kostenträgern nur ein Teil der Gesamtkosten (nämlich i. d. R. in Form der variablen Kosten) zugeordnet wird; geschieht dies in Form der variablen Kosten, ist die Teilkos­ tenrechnung automatisch identisch mit der Grenzkostenrechnung (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 73). Es stellt sich nun die grundlegende Frage, welches Kostenrechnungssystem ent­ scheidungsrelevante Kosteninformationen für kurzfristig wirksame Entscheidungen und damit für die operative Steuerung liefert. Entscheidungsrelevante Kosten sind jene Kosten, die in ihrer Höhe durch die Entscheidung beeinflusst werden (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 39ff). Fixkosten sind für Anpassungsentscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb einer Periode irrelevant, da sie unabhängig von der Leistungserstel­ lung und der Beschäftigung anfallen. Die Vollkostenrechnung ist für kurzfristige Ent­ scheidungen somit weitestgehend ungeeignet, da sie Fixkosten auf die Kostenträger überträgt und dadurch (künstlich) proportionalisiert (vgl. Joos 2014: 222ff; vgl. Eisele, Knobloch 2011: 891). Die Übertragung der Fixkosten auf die Kostenträger verleitet in der Vollkostenrechnung schnell zur (falschen) Annahme, dass diese Kosten wegfal­ len, wenn die Kostenträger aus dem Programm eliminiert werden. Zudem müssen in Mehrproduktbetrieben Gemeinkosten zumindest teilweise willkürlich geschlüsselt werden, damit sie den einzelnen Produkten als Kostenträger überhaupt zugeordnet werden können (vgl. Weber, Schäffer 2016: 149f; vgl. Eisele, Knobloch 2011: 891f). Die Teilkostenrechnung überträgt lediglich die von der Leistungserstellung und der Be­ schäftigung abhängigen variablen Kosten auf die Kostenträger. Die Fixkosten werden als Kostenblock zusammengefasst und zulasten des Betriebsergebnisses verrechnet (vgl. Jórasz 2009: 279; vgl. Piontek 2005: 292ff). Die Teilkostenrechnungen umgehen somit das Problem der kalkulationsungenauen Proportionalisierung der Fixkosten. Eine Teilkostenrechnung ist demnach für kurzfristige Entscheidungen eher geeignet als die Vollkostenrechnung. Hinsichtlich des Zeitbezugs ist für die kurzfristige erfolgs­ zielorientierte operative Planung und Steuerung eine Plankostenrechnung sinnvoll, da sie zukunftsorientiert ausgerichtet ist und gleichzeitig die aktuellen Istkosten ein­ bezieht. Sie wählt damit einen Mittelweg zwischen der Prognose erwarteter und der Planung angestrebter Kosten. Die Istkosten- und Normalkostenrechnungen sollten als vollständig vergangenheitsorientierte Rechnungen eher nicht eingesetzt werden (vgl. Weber, Schäffer 2016: 149ff). In den Kapiteln 2 und 3 in Teil F wird ausführlich er­ läutert, wie kurzfristige Produktionsprogramm- und Preisentscheidungen auf der Ba­ sis von variablen Kosten getroffen werden können. Als zentrale Rechnungssysteme fungieren hier die Deckungsbeitragsrechnungen für Kostenträger (vgl. Eisele, Knob­ loch 2011: 900, 906).

1 Grundlagen operativer Steuerung





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Es lässt sich zusammenfassend festhalten, dass kurzfristig wirksame Entscheidungen im Rahmen der operativen Steuerung kostenrechnerisch fundiert werden. Bei diesen operativen Steuerungsentschei­ dungen handelt es sich um reine Anpassungsentscheidungen auf der Basis ei­ nes gegebenen Potenzialfaktorbestands. Sie können durch Maßnahmen, deren Auswirkungen sich auf eine Periode beschränken, unmittelbar umgesetzt wer­ den. Als Entscheidungsrechnung für die kurzfristige Steuerung ist eine Kostenrech­ nung in Form einer Plankostenrechnung auf Teilkostenbasis besser geeignet als eine Vollkostenrechnung, da sie lediglich die beschäftigungsabhängigen varia­ blen Kosten auf die Kostenträger überträgt. Fixkosten stellen in diesem Kontext irrelevante Kosten dar, da sie beschäftigungsunabhängig sind und (per Annah­ me) immer in der gleichen Höhe anfallen. Im Fokus stehen die variablen Kos­ ten, die bei Beschäftigungsänderungen, beispielsweise ausgelöst durch operative Steuerungsentscheidungen, in ihrer Höhe variieren. Im Vergleich zur Vollkosten­ rechnung verzichtet eine Teilkostenrechnung auf eine Proportionalisierung der Fixkosten.

Die variablen Kosten stellen also die Entscheidungsgrundlage für kurzfristig wirksa­ me Entscheidungen dar. Im Rahmen der Erörterungen der Programm- und Preisent­ scheidungen (siehe Teil F, Kapitel 2 und 3) wird stets angenommen, dass es sich bei den variablen Kosten um proportionale Kosten, d. h. linear steigende variable Kosten, handelt. Die Plankostenrechnung auf Teilkostenbasis entspricht unter dieser Annah­ me der Grenzplankostenrechnung.

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen Die kurzfristig wirksamen Entscheidungen im Produktionsbereich zielen auf die Er­ mittlung optimaler Produktionsprogramme und optimaler Fertigungslose (vgl. Stein­ le, Daum 2007: 466). Hier gilt es, auf der Basis rein kostenrechnerischer Überlegungen Programm-, Make-or-Buy- und Losgrößenentscheidungen zu treffen, die zur Optimie­ rung des Betriebsergebnisses beitragen können.

2.1 Kostenrechnerisches Fundament In Teil F, Kapitel 1 wurde aufgezeigt, dass die Grenzplankostenrechnung als Teilkos­ tenrechnungssystem entscheidungsrelevante Informationen für kurzfristige Entschei­ dungen liefern kann. Kurzfristige Programmentscheidungen werden demnach auf der Basis von variablen Kosten getroffen (vgl. Corsten, Gössinger 2016: 127f): – Zu den variablen Kosten im Produktionsbereich gehören alle Kosten, die von der Leistungserstellung abhängig sind; hierbei handelt es sich im Allgemeinen um die Fertigungsmaterialkosten, um die Fertigungslöhne und um die Sondereinzel­ kosten. Konkret sind dies i. d. R. Rohstoffkosten, Lohneinzelkosten in Form von Akkordlöhnen, Transportkosten, Verpackungskosten oder auch Anteile der Ferti­ gungsgemeinkosten. – Den Fixkosten werden i. d. R. Abschreibungs- oder Leasingkosten einer techni­ schen Anlage, Miet-, Gehalts-, Werbe- oder auch Entwicklungskosten zugeordnet. Diese Kosten fallen unabhängig von der Leistungserstellung an; sie sind daher kurzfristig nicht beeinflussbar (vgl. Preißner 2010: 100ff). In der Anwendungspraxis bereitet es meist Schwierigkeiten, alle variablen Kosten vollständig und präzise zu bestimmen. Variable Gemeinkosten müssen zudem häu­ fig willkürlich geschlüsselt werden, damit sie den einzelnen Produkten zugeordnet werden können (vgl. Jung 2014a: 60ff). So gestaltet sich beispielsweise die Übertra­ gung der variablen Fertigungskosten einer von mehreren Produkten beanspruchten technischen Anlage auf die einzelnen Produkte schwierig, da eine präzise und ver­ ursachungsgerechte Zuordnung i. d. R. nicht gegeben ist. Im Verlauf der weiteren Erörterungen wird stets angenommen, dass die variablen Kosten der jeweiligen Pro­ dukte vollständig bekannt sind.

https://doi.org/10.1515/9783110439793-029

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 423

Zur Fundierung kurzfristiger Programmentscheidungen stellt die Teilkostenrech­ nung mit den Deckungsbeitragsrechnungen bedeutsame Rechnungssysteme zur Ver­ fügung. Sie sind als kurzfristige Erfolgsrechnungen anzusehen, die sich stets auf eine Abrechnungsperiode beziehen. Ihre Hauptaufgabe ist die kurzfristige Planung und Kontrolle des Betriebsergebnisses (vgl. Kalenberg 2013: 209). In Tabelle F2.1 sind die drei typischen Varianten der Deckungsbeitragsrechnung aufgeführt. Tab. F2.1: Varianten der Deckungsbeitragsrechnung (in Anlehnung an Jung 2014a: 73; Steger 2010: 391). Deckungsbeitragsrechnungen (Teilkostenrechnungssystem) auf Basis variabler Kosten einstufige Deckungsbeitragsrechnung

mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung

auf Basis von Einzelkosten Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten

In Teil F, Kapitel 2.1 werden nochmals die ein- und die mehrstufige Deckungsbeitrags­ rechnung aufgegriffen (vgl. hierzu auch Teil A, Kapitel 3.4.2), um mithilfe eines Bei­ spiels illustrieren zu können, dass der Einsatz einer Vollkostenrechnung zu Fehlent­ scheidungen führen kann (vgl. Drosse 2014: 54f). Die Deckungsbeitragsrechnung auf der Basis relativer Einzelkosten wird aufgrund ihres relativ geringen praktischen An­ wendungswerts (vgl. Jung 2014a: 80) hier nicht behandelt.

2.1.1 Einfache kurzfristige Erfolgsrechnungen Die einfachste Variante der kurzfristigen Erfolgsrechnung bietet die einstufige De­ ckungsbeitragsrechnung, auch als Direct Costing oder Grenzkostenrechnung bezeich­ net. Sie unterscheidet nur zwischen variablen und fixen Kosten, wobei sie auf eine Verrechnung der Fixkosten auf die Kostenträger verzichtet (vgl. Jung 2014a: 74; vgl. Exler 2015: 240ff). Der Deckungsbeitrag ergibt sich aus der Differenz der Erlöse und der variablen Kosten eines Produkts (oder mehrerer Produkte). Er stellt somit den Beitrag der Kostenträger zur Deckung der fixen Kosten, der Ertragssteuern und zur Gewinnerzielung dar (vgl. Preißler, Preißler 2015: 120, vgl. Preißner 2010: 132ff). Der Deckungsbeitrag kann als Stückdeckungsbeitrag oder als Gesamt- bzw. Peri­ odendeckungsbeitrag gebildet werden. Der Stückdeckungsbeitrag sagt aus, welcher Fixkostenbetrag mit einer produzierten und veräußerten Leistungseinheit eines Pro­ dukts gedeckt wird. Der Gesamtdeckungsbeitrag sagt aus, welcher Fixkostenbetrag

424 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

insgesamt innerhalb einer Periode gedeckt wird; er stellt das sogenannte Bruttoergeb­ nis dar. Werden vom Bruttoergebnis die fixen Gesamtkosten abgezogen, verbleibt das Nettoergebnis als Betriebsergebnis (vgl. Steger 2010: 392f): DB = E − Kv



Gesamtdeckungsbeitrag/Bruttogewinn

db = e − kv



Stückdeckungsbeitrag



Betriebsergebnis/Nettogewinn

G = DB − Kf

Als Periodendeckungsbeitrag wird nachfolgend der Gesamtdeckungsbeitrag eines einzelnen Produkts bezeichnet. Bei einem positiven Stückdeckungsbeitrag übersteigen die Stückerlöse eines Produkts dessen variable Stückkosten. In diesem Fall werden mit jeder produzierten Leistungseinheit die ohnehin anfallenden fixen Gesamtkosten in Höhe des Stück­ deckungsbeitrags gedeckt. Allgemein gilt somit: Ein positiver Stückdeckungsbeitrag verbessert das Betriebsergebnis (vgl. Deimel et al. 2017: 308f). Ist der Stückdeckungs­ beitrag eines Produkts gleich null, deckt es mit seinen Erlösen genau die variablen Kosten. Das Produkt leistet weder einen Beitrag zur Fixkostendeckung, noch ver­ schlechtert es das Betriebsergebnis. Rein kostenrechnerisch betrachtet ist es irrele­ vant, ob das Produkt produziert wird oder nicht. Bei einem negativen Stückdeckungs­ beitrag kann ein Produkt mit seinen Erlösen die entstehenden variablen Kosten nicht decken. Mit jeder produzierten Einheit verschlechtert sich das Betriebsergebnis um die Höhe des (negativen) Stückdeckungsbeitrags. Sofern keine absatz- oder produk­ tionsbezogenen Verbundbeziehungen zu anderen Produkten mit positivem Stückde­ ckungsbeitrag bestehen, wäre – rein kostenrechnerisch betrachtet – ein Produkt mit negativem Stückdeckungsbeitrag aus dem Produktionsprogramm zu eliminieren (vgl. Adam 2013: 351). Ein Produkt sollte kurzfristig mindestens die Deckung seiner variablen Kosten ge­ währleisten (db = 0). Decken in einem Mehrproduktbetrieb alle Produkte lediglich ihre variablen Kosten, ist der Gesamtdeckungsbeitrag gleich null, und es entsteht ein Periodenverlust in Höhe der fixen Gesamtkosten. Dies kann ein Unternehmen i. d. R. nur kurzfristig kompensieren. Produkte mit positivem Stückdeckungsbeitrag werden daher kurzfristig ins Produktionsprogramm aufgenommen, da sie einen Teil der Fix­ kosten decken und somit das Betriebsergebnis verbessern. Die Erwirtschaftung eines Betriebsgewinns ist nicht entscheidend. Vielmehr ist es das Ziel, auf Basis des Produk­ tionsprogrammes das Betriebsergebnis zu optimieren. Erst unter der Berücksichti­ gung eines langfristigen Zeithorizonts der Entscheidung sollten die einzelnen Produk­ te einen ausreichend hohen positiven Stückdeckungsbeitrag erwirtschaften, sodass der Gesamtdeckungsbeitrag die fixen Gesamtkosten übersteigt (DB > Kf ) und dadurch ein Betriebsgewinn erzielt wird (vgl. Steinle, Daum 2007: 464f). Nachfolgendes Bei­ spiel soll nochmals die überragende Bedeutung der kurzfristigen Erfolgsrechnung für (kurzfristig wirksame) Produktionsprogrammentscheidungen illustrieren und zeigen, dass eine Vollkostenrechnung zu Fehlentscheidungen führen kann (vgl. Joos 2014: 222ff; vgl. Eisele, Knobloch 2011: 892f; zu dem Beispiel vgl. Macha 2010: 193f).

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 425

Beispiel In einem Mehrproduktbetrieb soll das Sortiment bestehend aus drei Produktarten für das kommende Geschäftsjahr geprüft werden. Folgende Informationen stehen hierzu zur Verfügung: Produkt

A

B

C



variable Stückkosten Absatzpreis pro LE maximale Absatzmenge

50 € 145 € 1.000 LE

20 € 80 € 1.000 LE

30 € 95 € 1.000 LE

100 € 320 € 3.000 LE

Je Geschäftsjahr fallen fixe Kosten in Höhe von 200.000 € an. Für die Produktion lie­ gen keine betrieblichen Engpässe vor. Auf Basis einer Vollkostenrechnung würden die Stückerfolge wie folgt berechnet: Produkt

A

B

C



variable Stückkosten (€) + fixe Stückkosten (€) = Stückkosten (€) Verkaufspreis (€/LE) Stückerfolg (€)

50 100 150 145 −5

20 40 60 80 20

30 60 90 95 5

100 200 300 320 20

Hinweis: Die Vollkostenrechnung unterscheidet nicht zwischen variablen und fixen Kosten. Die Fix­ kosten werden proportionalisiert und auf die einzelnen Produkte übertragen. Entsprechend dem Ver­ fahren der Zuschlagskalkulation sind hier die fixen Gesamtkosten gemäß dem Anteil der variablen Stückkosten an der Summe der variablen Stückkosten auf die einzelnen Produkte verteilt worden, d. h. 50 % (100.000 €) werden auf Produkt A, 20 % (40.000 €) auf Produkt B und 30 % (60.000 €) auf Produkt C übertragen.

Für das kommende Geschäftsjahr wird geschätzt, dass von jedem Produkt 1.000 Leis­ tungseinheiten abgesetzt werden können. Im Rahmen einer Vollkostenrechnung re­ sultierte damit folgende Ergebnisrechnung: Produkt

A

B

C



Umsatzerlöse (€) − Kosten (€) = Gewinn/Verlust (€)

145.000 150.000 −5.000

80.000 60.000 20.000

95.000 90.000 5.000

320.000 300.000 20.000

Es liegt nun nahe, das Produkt A für das anstehende Geschäftsjahr aus dem Sortiment zu nehmen, da es einen vermeintlichen Verlust in Höhe von 5.000 € generiert; durch die Eliminierung des Produkts A könnte ein (höherer) Gewinn in Höhe von 25.000 € erwirtschaftet werden. Am Ende des so geplanten Geschäftsjahrs ist jedoch ein Verlust in Höhe von 75.000 € zu konstatieren. Da es sich bei der intendierten Programmoptimierung um eine kurzfristig wirk­ same Entscheidung handelt, hätte anstelle einer Vollkostenrechnung ein System der

426 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Teilkostenrechnung verwendet werden sollen. In dem Mehrproduktbetrieb wurde also eine kurzfristig wirksame Entscheidung auf ein falsches Kostenrechnungssystem ab­ gestellt. Schon die Grenzkostenrechnung deckt die offensichtliche Fehlentscheidung auf: Produkt

A

B

C

∑ mit Produkt A

∑ ohne Produkt A

Umsatzerlöse (€) − variable Kosten (€) = Deckungsbeitrag (€) − fixe Gesamtkosten (€) = Gewinn/Verlust (€)

145.000 50.000 95.000 – –

80.000 20.000 60.000 – –

95.000 30.000 65.000 – –

320.000 100.000 220.000 200.000 20.000

175.000 50.000 125.000 200.000 −75.000

Der Periodendeckungsbeitrag des Produkts A beträgt 95.000 €; dies bedeutet, dass das Produkt A innerhalb der Periode Fixkosten in dieser Höhe gedeckt hätte. Durch die Eliminierung fiel der Gesamtdeckungsbeitrag des Unternehmens von 220.000 € auf 125.000 €, d. h. die Produkte B und C konnten die fixen Gesamtkosten in Höhe von 200.000 € nur noch mit einem Anteil in Höhe von 125.000 € decken. Es entsteht ein Verlust in Höhe der nicht gedeckten fixen Kosten von 75.000 €. Die Vollkosten­ rechnung lieferte also eine ungeeignete Datengrundlage, da die fixen Gesamtkosten proportionalisiert und auf die Produkte verteilt wurden. Bei kurzfristig wirksamen Entscheidungen dürfen Fixkosten nicht einbezogen werden, da sie ex definitione un­ abhängig vom Beschäftigungsgrad anfallen. Die Anwendung der Grenzkostenrech­ nung als Teilkostenrechnungssystem hätte hier nicht zu einer Fehlentscheidung ge­ führt: da alle Produkte einen positiven Periodendeckungsbeitrag besitzen, hätten zur Erzielung eines optimalen Betriebserfolgs alle Produkte im Sortiment bleiben müssen. Der Verwendung der Grenzkostenrechnung liegen einigen Prämissen zugrunde, die auf ihre Aussagekraft beschränkend wirken: Einerseits können in der betriebli­ chen Anwendungspraxis Schwierigkeiten bei der Bestimmung der variablen Kosten auftreten; andererseits werden stets linear steigende Erlöse und linear steigende varia­ ble Kosten angenommen, also ein Reagibilitätsgrad von 1 unterstellt (vgl. Exler 2015: 240). Ein weiterer großer Nachteil der Grenzkostenrechnung besteht zudem darin, dass der Fixkostenblock eventuell teilweise auf einzelne Kostenträger verrechnet wer­ den könnte, aber letztendlich als unveränderlicher Gesamtbetrag interpretiert und vom Bruttoergebnis subtrahiert wird. Die potenzielle Zurechenbarkeit der Fixkosten auf die Kostenträger wird damit ignoriert (vgl. Ossadnik 2009: 174). Die nachfolgend zu erläuternden differenzierten kurzfristigen Erfolgsrechnungen versuchen, diesen Man­ gel zu kompensieren.

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 427

2.1.2 Differenzierte kurzfristige Erfolgsrechnungen Differenzierte kurzfristige Erfolgsrechnungen in Form der mehrstufigen Deckungsbei­ tragsrechnungen – auch stufenweise Fixkostendeckungsrechnung genannt – ist eine Weiterentwicklung der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung. Wie die einstufige De­ ckungsbeitragsrechnung unterscheidet auch sie zwischen variablen und fixen Kosten. Der Fixkostenblock wird allerdings nicht en bloc dem Bruttoerfolg gegenübergestellt (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 228f). Die Fixkosten werden in Fixkostenschichten ge­ gliedert, die wiederum unterschiedlichen Bezugsobjekten (Produkten, Produktgrup­ pen, Kostenstellen, Bereichen und dem Gesamtunternehmen) zugerechnet werden. Die Fixkosten werden so verrechnet, dass sie für das entsprechende Bezugsobjekt Ein­ zelkosten darstellen (vgl. Steger 2010: 427). So beziehen sich beispielsweise die Ab­ schreibungskosten einer technischen Anlage, an der ein Produkt gefertigt wird, nur auf das dort gefertigte Produkt. Die Personalkosten des Vertriebsleiters hingegen be­ ziehen sich auf das gesamte Unternehmen (vgl. Ossadnik 2009: 174). Tabelle F2.2 ver­ anschaulicht, dass für die einzelnen Bezugsobjekte jeweils ein Deckungsbeitrag er­ rechnet wird. Tab. F2.2: Schema der differenzierten kurzfristigen Erfolgsrechnungen (in Anlehnung an Jung 2014a: 76). Gesamterlöse −

variable Gesamtkosten

=

Deckungsbeitrag I (Bruttoergebnis)



Produktfixkosten (gegliedert nach einzelnen Produktarten)

=

Deckungsbeitrag II



Produktgruppenfixkosten (gegliedert nach Produktgruppen)

=

Deckungsbeitrag III



Kostenstellenfixkosten (gegliedert nach Kostenstellen)

=

Deckungsbeitrag IV



Bereichsfixkosten (gegliedert nach Unternehmensbereichen)

=

Deckungsbeitrag V



Unternehmensfixkosten (nicht weiter aufteilbare Fixkosten)

=

Nettoergebnis

428 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Der Deckungsbeitrag I entspricht dem Bruttoergebnis der einstufigen Deckungsbei­ tragsrechnung; er ergibt sich aus der Differenz von Erlösen und variablen Kosten. Im zweiten Schritt wird der Deckungsbeitrag II gebildet, der sich aus der Differenz des Deckungsbeitrags I und jenen Fixkosten ergibt, die direkt einem Produkt als Einzel­ kosten zugeordnet werden können. Mithilfe des Deckungsbeitrags II kann erkannt werden, ob ein Produkt in der Lage ist, seine eigenen Fixkosten zu decken. Ist der Deckungsbeitrag II eines Produkts positiv, deckt das entsprechende Produkt neben den Produktfixkosten auch Produktgruppenfixkosten. Die Erfolgsträger können auf diese Weise schnell erkannt werden (vgl. Jung 2014a: 78). Ähnliches gilt für die De­ ckungsbeiträge III, IV und V: Mit ihrer Hilfe ist erkennbar, welche Produktgruppen, Kostenstellen bzw. Unternehmensbereiche das Nettoergebnis in welcher Weise beein­ flussen. Darüber hinaus kann bestimmt werden, in welchem Umfang sich das Netto­ ergebnis verändert, wenn beispielsweise bestimmte Produkte oder Produktgruppen aus dem Produktionsprogramm entfernt werden (vgl. Deimel et al. 2017: 315ff).

2.1.3 Fazit Die bisherigen Erläuterungen zeigen, dass fixe Kosten für kurzfristige Entscheidun­ gen entscheidungsirrelevant sind. Sobald Fixkosten einzelnen Produkten oder Pro­ duktgruppen zugeordnet werden können, sind sie für kurzfristige Produktionspro­ grammentscheidungen im Rahmen der differenzierten kurzfristigen Erfolgsrechnung von Bedeutung (vgl. Götze 2010: 160). Exemplarisch wird nochmals ein Produkt be­ trachtet, das den einzigen „Nutzer“ einer technischen Anlage darstellt. Die kalkula­ torischen Abschreibungen der technischen Anlage werden im Rahmen einer differen­ zierten kurzfristigen Erfolgsrechnung als Produktfixkosten eingestuft: – Erwirtschaftet das Produkt einen positiven Deckungsbeitrag I, deckt es neben den variablen Kosten auch Produktfixkosten. – Ist der Deckungsbeitrag I geringer als die in der Periode anfallenden Produktfix­ kosten, erwirtschaftet das Produkt einen negativen Deckungsbeitrag II und damit einen Verlust. Diesem Verlust kann entgegengewirkt werden, indem die technische Anlage liquidiert und das Produkt nicht mehr hergestellt wird. Dies widerspräche allerdings der De­ finition von kurzfristig wirksamen Entscheidungen (siehe hierzu Teil F, Kapitel 1.2), da der Potenzialfaktorbestand durch eine solche Veräußerung verändert würde. Den­ noch können insbesondere auf Basis der Deckungsbeiträge II und III Produktions­ programmentscheidungen getroffen werden, da sie defizitäre Produkte bzw. Produkt­ gruppen offenlegen. Bei den entsprechenden Produkten bzw. Produktgruppen wä­ ren zumindest Überlegungen zur Eliminierung anzustrengen (vgl. Götze 2010: 161).

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen |

429

Im Rahmen der einfachen kurzfristigen Erfolgsrechnung könnte das verlustbringende Produkt nicht identifiziert werden, da die Fixkosten dort als Gesamtblock dem Brut­ toergebnis gegenübergestellt werden. Der wesentliche Kritikpunkt an der kurzfristigen Erfolgsrechnung besteht darin, dass Kosten nur sehr unscharf in fixe und variable Bestandteile aufgeteilt werden kön­ nen. Die differenzierte kurzfristige Erfolgsrechnung versucht zwar, die Schwächen der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung durch die Verrechnung der Fixkosten zu behe­ ben. Eine Verrechnung der Fixkosten auf die Bezugsobjekte ist bezüglich der Verursa­ chungsgerechtigkeit jedoch anzuzweifeln, da sie regelmäßig eine pauschale Schlüsse­ lung erfordert (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 233). Dennoch ist die differenzierte kurz­ fristige Erfolgsrechnung als Controllinginstrument grundsätzlich besser geeignet, da sie eben differenziertere Informationen bereitstellen und auch für langfristige Pro­ grammentscheidungen eingesetzt werden kann (vgl. hierzu Teil F, Kapitel 3.4): Abschließend lassen sich folgende grundlegende Sachverhalte festhalten: – Der Deckungsbeitrag kann im Rahmen der kurzfristigen Erfolgsrechnungen als Stück- oder Gesamtdeckungsbeitrag ausgedrückt werden. Erlöse und variable Kosten von Kostenträgern werden gegenübergestellt, um deren Beitrag zur Fix­ kostendeckung zu bestimmen. – Differenzierte kurzfristige Erfolgsrechnungen können darüber hinausgehend ei­ nen Einblick in den Grad der Fixkostendeckung von Produkten, Produktgruppen, Kostenstellen bzw. Unternehmensbereichen bieten. Sie können insbesondere de­ fizitäre Produkte bzw. Produktgruppen identifizieren. – Damit ein Produkt kurzfristig ins Produktionsprogramm aufgenommen werden kann, muss es zumindest seine variablen Kosten decken. Produkte mit einem po­ sitiven Stückdeckungsbeitrag leisten einen Beitrag zur Fixkostendeckung; sie ver­ bessern das Betriebsergebnis. Erzielen Produkte einen negativen Stückdeckungs­ beitrag, sind sie (kostenrechnerisch betrachtet) aus dem Produktionsprogramm zu eliminieren.

2.2 Ansätze zur Programmoptimierung Im Rahmen der kurzfristig wirksamen Entscheidungen, die der Optimierung des Pro­ duktionsprogramms dienen, ist festzulegen, welche Produkte in welchen Mengen pro­ duziert werden sollen. Das Produktionsprogramm ist dabei auf die rentabelsten Pro­ dukte auszurichten, um das Betriebsergebnis zu optimieren (vgl. Fischbach 2017: 149ff; vgl. Kalenberg 2013: 248f). Diese kurzfristig wirksamen Entscheidungen sind grundsätzlich darauf abzustellen, ob eine Unterbeschäftigung oder ob eine engpass­ relevante Kapazitätsbeschränkung vorliegt (vgl. Jung 2016: 471). Nachfolgend wird auf Basis eines Beispiels die Systematik kurzfristiger Programmoptimierungsentschei­

430 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

dungen erläutert (zu dem Beispiel vgl. Fischbach 2017: 149ff). Dieses Beispiel wird im Rahmen der weiteren Ausführungen erweitert und modifiziert. Dabei wird unterstellt, dass sowohl die variablen Kosten als auch die Erlöse innerhalb der betrachteten Peri­ ode konstant bleiben.

2.2.1 Programmoptimierung bei Unterbeschäftigung Eine Unterbeschäftigung liegt vor, wenn die gesamte Nachfrage nach einem bestimm­ ten Produkt mit dem gegebenen Potenzialfaktorbestand gedeckt werden kann. Es lie­ gen demnach keine betrieblichen Engpässe vor. Es bestehen jedoch i. d. R. Absatzre­ striktionen, weil die Nachfrage begrenzt ist. Als Planungs- und Kontrollinstrument wird zunächst die in Teil F, Kapitel 1.3 erläuterte Grenzkostenrechnung verwendet. Beispiel Die Cycle GmbH ist ein mittelständischer Industriebetrieb, der sich auf die Fertigung von Fahrrädern und Fahrradteilen aller Art spezialisiert hat. In dem Mehrprodukt­ betrieb werden u. a. unterschiedliche Fahrradrahmen hergestellt: Produkt A (Rah­ men für Herrenräder), Produkt B (Rahmen für Damenräder) und Produkt C (Rahmen für Rennräder). Alle drei Produkte durchlaufen im Rahmen ihrer Fertigung dieselbe technische Anlage, die innerhalb einer Periode (Geschäftsjahr) über 2.300 Stunden (138.000 Minuten) zur Verfügung steht. Pro Geschäftsjahr kann die Cycle GmbH ma­ ximal 30.000 kg Rohstoffe mobilisieren, die während des Produktionsprozesses der drei Produkte verwertet werden. Es fallen fixe Gesamtkosten in Höhe von 100.000 € an. Für die kommende Periode soll auf Basis nachfolgend aufgeführter Informationen eine Programmoptimierung durchgeführt werden: Produkt

A

B

C

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge Belegzeit der Anlage je LE benötigte Rohstoffmenge je LE

104 € 74 € 2.600 LE 20 Min. 5 kg

60 € 35 € 4.000 LE 10 Min. 2 kg

142 € 100 € 1.000 LE 30 Min. 3 kg

Zur Ermittlung des optimalen Produktionsprogramms sind zwei Schritte erforder­ lich: Schritt 1: Bestimmung der Stückdeckungsbeiträge Die Stückdeckungsbeiträge der drei Produkte werden aus der Differenz der Stücker­ löse und der variablen Stückkosten des jeweiligen Produkts gebildet. Es wäre auch

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen |

431

möglich, mit dem Periodendeckungsbeitrag eines Produkts zu operieren. Der Stück­ deckungsbeitrag kann jedoch bei Bestehen eines betrieblichen Engpasses zur Ermitt­ lung des relativen Deckungsbeitrags direkt verwendet werden. dbA = eA − kv;A = 104€ − 74€ = 30€ dbB = eB − kv;B = 60€ − 35€ = 25€ dbC = eC − kv;C = 142€ − 100€ = 42€ Alle drei Produkte weisen einen positiven Stückdeckungsbeitrag auf, d. h. der Stücker­ lös übersteigt die variablen Stückkosten. Somit erhöht sich der Gesamtdeckungsbei­ trag mit steigender Produktmenge (vgl. Jung 2016: 471ff). Produkt A deckt neben den variablen Stückkosten pro abgesetzter Einheit einen Fixkostenanteil von 30 €; Glei­ ches gilt für Produkt B bzw. Produkt C mit einem Anteil in Höhe von 25 € bzw. von 42 €. Für die Programmoptimierungsentscheidung bedeutet dies, dass bei verfügbaren Ka­ pazitäten (Unterbeschäftigung) jedes Produkt mit positivem Stückdeckungsbeitrag ins Produktionsprogramm aufgenommen und bis zur jeweiligen Absatzhöchstmenge produziert werden sollte – denn jedes Produkt mit positivem Stückdeckungsbeitrag deckt Fixkosten und trägt somit einen Anteil zur Verlustminderung bzw. zur Gewinn­ erzielung bei (vgl. Jung 2014a: 74, vgl. Kalenberg 2013: 250; vgl. Adam 2013: 221f). Schritt 2: Überprüfung auf engpasswirksame Kapazitätsbeschränkungen Alle Produkte mit einem positiven Stückdeckungsbeitrag können nur dann mit der maximalen Absatzmenge hergestellt werden, wenn keine engpasswirksamen Kapa­ zitätsbeschränkungen existieren. Im zweiten Schritt muss daher geprüft werden, ob betriebliche Engpässe vorhanden sind. Im vorliegenden Beispiel sind Kapazitätsbe­ schränkungen mit der verfügbaren Anlagenlaufzeit und mit der verfügbaren Rohstoff­ menge zu berücksichtigen: Fertigungszeit/Produkt

A

B

C

maximale Absatzmenge Anlagenbelegzeit je LE benötigte Fertigungszeit

2.600 LE 20 Min. 52.000 Min.

4.000 LE 10 Min. 40.000 Min.

1.000 LE 30 Min. 30.000 Min.

BA = mA ⋅ bA = 2.600 LE ⋅ 20 Min. = 52.000 Min. BB = mB ⋅ bB = 4.000 LE ⋅ 10 Min. = 40.000 Min. BC = mC ⋅ bC = 1.000 LE ⋅ 30 Min. = 30.000 Min. 52.000 Min. + 40.000 Min. + 30.000 Min. = 122.000 Min.

432 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Rohstoffmenge/Produkt

A

B

C

maximale Absatzmenge Rohstoffmenge je LE benötigte Rohstoffmenge

2.600 LE 5 kg 13.000 kg

4.000 LE 2 kg 8.000 kg

1.000 LE 3 kg 3.000 kg

FA = mA ⋅ fA = 2.600 LE ⋅ 5 kg = 13.000 kg FB = mB ⋅ fB = 4.000 LE ⋅ 2 kg = 8.000 kg FC = mC ⋅ fC = 1.000 LE ⋅ 3 kg = 3.000 kg 13.000 kg + 8.000 kg + 3.000 kg = 24.000 kg Um die Produkte A, B und C mit den Absatzhöchstmengen herstellen zu können, müs­ sen insgesamt eine Anlagenlaufzeit in Höhe von 122.000 Minuten und ein Rohstoff­ bestand in Höhe von 24.000 kg verfügbar sein. Da in der Planperiode beide Kapazi­ tätsanforderungen erfüllt werden können (nämlich mit einer Anlagenlaufzeit in Höhe von 138.000 Minuten und einem Rohstoffbestand in Höhe von 30.000 kg), sind alle Produkte des Produktionsprogramms mit der maximalen Absatzmenge herzustellen. Dabei sollte zur Reduktion der Zins- und Lagerkosten für die zu beschaffenden Roh­ stoffe lediglich der für die Herstellung der Absatzmengen benötigte Rohstoffbestand bezogen werden (vgl. Wöhe et al. 2016a: 326ff). Die Absatzhöchstmengen entsprechen den Produktionsmengen, das optimale Produktionsprogramm für die kommende Periode wäre wie folgt zu gestalten: Produkt

A

B

C

maximale Absatzmenge Fertigungsmenge

2.600 LE 2.600 LE

4.000 LE 4.000 LE

1.000 LE 1.000 LE

Abschließend können die Auswirkungen des festgelegten Produktionsprogrammes auf den Erlös, auf die Kosten und auf das Betriebsergebnis der geplanten Periode re­ konstruiert werden. Der Periodenerlös eines Produkts ergibt sich aus der Multiplikation der Produk­ tionsmenge (hier zugleich Absatzmenge) mit den Stückerlösen eines Produkts. Die Summe der Periodenerlöse der Produkte A, B und C stellt den gesamten Periodenerlös der Cycle GmbH dar: EA = qA ⋅ eA = 2.600 LE ⋅ 104 € = 270.400 € EB = qB ⋅ eB = 4.000 LE ⋅ 60 € = 240.000 € EC = qC ⋅ eC = 1.000 LE ⋅ 142 € = 142.000 € E = EA + EB + EC = 270.400 € + 240.000 € + 142.000 € = 652.400 €

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 433

Die variablen Kosten eines Produkts ergeben sich aus der Multiplikation der Produk­ tionsmenge mit den variablen Stückkosten eines Produkts. Die Summe der variablen Kosten der Produkte A, B und C stellt die variablen Gesamtkosten der Periode der Cycle GmbH dar: Kv;A = qA ⋅ kv;A = 2.600 LE ⋅ 74 € = 192.400 € Kv;B = qB ⋅ kv;B = 4.000 LE ⋅ 35 € = 140.000 € Kv;C = qC ⋅ kv;C = 1.000 LE ⋅ 100 € = 100.000 € Kv = Kv;A + Kv;B + Kv;C = 192.400 € + 140.000 € + 100.000 € = 432.400 € Das Bruttoergebnis bzw. der Gesamtdeckungsbeitrag ergibt sich aus der Differenz der Periodenerlöse und der variablen Gesamtkosten: DB = E − Kv = 652.400 € − 432.400 € = 220.000 € Ebenso stellt die Summe der Periodendeckungsbeiträge aller Produkte des Produk­ tionsprogramms den Gesamtdeckungsbeitrag der Cycle GmbH dar. Der Periodende­ ckungsbeitrag eines Produkts ergibt sich aus der Multiplikation der Produktionsmen­ ge (hier zugleich Absatzmenge) mit dem Stückdeckungsbeitrag: DBA = qA ⋅ dbA = 2.600 LE ⋅ 30 € = 78.000 € DBB = qB ⋅ dbB = 4.000 LE ⋅ 25 € = 100.000 € DBC = qC ⋅ dbC = 1.000 LE ⋅ 42 € = 42.000 € DB = DBA + DBB + DBC = 78.000 € + 100.000 € + 42.000 € = 220.000 € Der Gesamtdeckungsbeitrag beträgt 220.000 €, wenn die maximalen Absatzmengen produziert und abgesetzt werden können. Das Nettoergebnis bzw. das Betriebsergeb­ nis der Cycle GmbH ergibt sich aus der Differenz des Bruttoergebnisses und der fixen Gesamtkosten: G = DB − Kf = 220.000 € − 100.000 € = 120.000 € Sofern die Cycle GmbH die Produkte A, B und C mit den Absatzhöchstmengen pro­ duziert, erwirtschaftet sie ein positives Betriebsergebnis von 120.000 €. Unter den gegebenen Voraussetzungen stellt dieser Wert das maximal mögliche Nettoergebnis dar.

434 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

2.2.2 Programmoptimierung bei engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkungen Sobald engpasswirksame Kapazitätsbeschränkungen bestehen, können nicht mehr alle Produkte mit der maximal möglichen Absatzmenge hergestellt werden – aufgrund der betrieblichen Engpässe entstehen Konkurrenzsituationen. Es ist zwecks Optimie­ rung des Betriebsergebnisses zu entscheiden, welche Produkte den Engpass in wel­ chem mengenmäßigen Umfang in Anspruch nehmen dürfen (vgl. Pepels 2010: 480; vgl. Kalenberg 2013: 250). Sofern ein betrieblicher Engpass besteht, bietet der absolute Deckungsbeitrag keine hinreichenden Informationen hinsichtlich der Entscheidung bezüglich der Engpassbelegung. In diesen Fällen muss die Grenzkostenrechnung zu einer relativen Deckungsbeitragsrechnung bzw. zu einer engpassbezogenen De­ ckungsbeitragsrechnung erweitert werden. Der relative Deckungsbeitrag eines Pro­ dukts als Entscheidungskriterium für die Engpasssteuerung ergibt sich aus der Di­ vision des Stückdeckungsbeitrags und der Beanspruchung des Engpasses pro her­ vorgebrachter Leistungseinheit (vgl. Jung 2016: 472f; vgl. Adam 2013: 225). Je nach spezifischem Engpassfaktor können unterschiedliche Ausprägungen des relativen De­ ckungsbeitrags resultieren (vgl. auch Steinle, Daum 2007: 466): relativer Deckungsbeitrag = Engpassfaktor Maschine: Engpassfaktor Material: Engpassfaktor Fläche:

Euro Stückdeckungsbeitrag [ ] Engpassbelastung des Produkts Engpasseinheit Euro Stückdeckungsbeitrag [ ] Maschinenbelegungszeit Minute Stückdeckungsbeitrag Euro [ ] Materialbedarf kg Euro Stückdeckungsbeitrag [ 2 ] Flächenbedarf m

Der relative Deckungsbeitrag gibt die Deckung der fixen Gesamtkosten pro ge­ nutzter Engpasseinheit eines Produkts an. Produkte mit einem höheren relativen Deckungsbeitrag werden gegenüber Produkten mit einem geringeren relativen De­ ckungsbeitrag bezüglich der Engpassbelegung bevorzugt, da bei gleicher Engpass­ nutzung (einer Einheit) ein höherer Anteil der fixen Gesamtkosten gedeckt wird (vgl. Bloech et al. 2014: 118f; vgl. Friedl et al. 2017: 317ff). Zur Illustration der Programm­ optimierung bei engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkungen wird das aus Teil F, Kapitel 2.2.1 bekannte Beispiel der Cycle GmbH entsprechend modifiziert (zu dem Bei­ spiel vgl. Fischbach 2017: 151ff): Zunächst soll eine einzige Kapazitätsbeschränkung als Engpass wirksam werden; anschließend werden zwei Kapazitätsbeschränkungen als Engpässe gesetzt. Beispiel Das in Teil F, Kapitel 2.2.1 dargestellte Fallbeispiel wird wieder aufgegriffen. Allerdings steht nun die von allen drei Produkten beanspruchte technische Anlage aufgrund der höheren Wartungsintervalle in der kommenden Periode (Geschäftsjahr) nur mit

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 435

80.000 Minuten zur Verfügung. Alle anderen Bedingungen des Fallbeispiels bleiben unverändert (siehe Teil F, Kapitel 2.2.1): Produkt

A

B

C

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge Belegzeit der Anlage je LE benötigte Rohstoffmenge je LE

104 € 74 € 2.600 LE 20 Min. 5 kg

60 € 35 € 4.000 LE 10 Min. 2 kg

142 € 100 € 1.000 LE 30 Min. 3 kg

Für die kommende Periode soll wiederum eine Programmoptimierung durchgeführt werden. Zur Ermittlung des optimalen Produktionsprogramms sind nun vier Schritte erforderlich; die ersten beiden Schritte sind bereits aus der Programmoptimierung bei einer Unterbeschäftigung bekannt: Schritt 1: Bestimmung der Stückdeckungsbeiträge Die Ergebnisse aus Teil F, Kapitel 2.2.1 können übernommen werden, alle drei Produkte weisen einen positiven Stückdeckungsbeitrag auf: dbA = eA − kv;A = 104 € − 74 € = 30 € dbB = eB − kv;B = 60 € − 35 € = 25 € dbC = eC − kv;C = 142 € − 100 € = 42 € Schritt 2: Überprüfung auf engpasswirksame Kapazitätsbeschränkungen Die Ergebnisse bezüglich der Anlagenbelegzeit und der Rohstoffmenge aus Teil F, Ka­ pitel 2.2.1 können übernommen werden; um die Produkte A, B und C mit den Absatz­ höchstmengen herstellen zu können, müssen nach wie vor eine Anlagenlaufzeit in Höhe von 122.000 Minuten und ein Rohstoffbestand in Höhe von 24.000 kg verfügbar sein. BA = mA ⋅ bA = 2.600 LE ⋅ 20 Min. = 52.000 Min. BB = mB ⋅ bB = 4.000 LE ⋅ 10 Min. = 40.000 Min. BC = mC ⋅ bC = 1.000 LE ⋅ 30 Min. = 30.000 Min. 52.000 Min. + 40.000 Min. + 30.000 Min. = 122.000 Min. FA = mA ⋅ fA = 2.600 LE ⋅ 5 kg = 13.000 kg FB = mB ⋅ fB = 4.000 LE ⋅ 2 kg = 8.000 kg FC = mC ⋅ fC = 1.000 LE ⋅ 3 kg = 3.000 kg 13.000 kg + 8.000 kg + 3.000 kg = 24.000 kg Da in der Planperiode die Kapazitätsanforderung mit einer verfügbaren Anlagenlauf­ zeit in Höhe von nur 80.000 Minuten nicht mehr erfüllt werden kann, besteht ein be­ trieblicher Engpass (die Rohstoffmengenverfügbarkeit stellt nach wie vor keinen Eng­

436 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

pass dar). Es können somit nicht mehr alle Produkte des Produktionsprogramms mit der maximalen Absatzmenge hergestellt werden. In Bezug auf den betrieblichen Eng­ pass „Anlagenlaufzeit“ entsteht eine Konkurrenzsituation zwischen den drei Produk­ ten. Diese Konkurrenzsituation ist auf den Zielkonflikt zwischen den drei Handlungs­ alternativen (Herstellung des Produkts A, Herstellung des Produkts B und Herstellung des Produkts C) zurückzuführen und kann mithilfe der relativen Deckungsbeitrags­ rechnung aufgelöst werden. Schritt 3: Ermittlung des engpassspezifischen relativen Deckungsbeitrags Da die Anlagenlaufzeit den betrieblichen Engpass darstellt, muss mithilfe des relati­ ven Deckungsbeitrags ermittelt werden, welches Produkt pro Fertigungsminute den größten Fixkostenanteil deckt. Sobald der Stückdeckungsbeitrag negativ ist, ist auch der relative Deckungsbeitrag negativ; Produkte mit einem negativen Deckungsbeitrag sind demzufolge bereits in Schritt 1 eliminiert worden. Der relative Deckungsbeitrag bildet sich bei dem hier gegebenen Engpass als Quotient des Stückdeckungsbeitrags und der Anlagenbelegzeit je Leistungseinheit eines Produkts (vgl. Jung 2016: 472f; vgl. Adam 2013: 225): Produkt

A

B

C

Stückdeckungsbeitrag Anlagenbelegzeit je LE relativer Deckungsbeitrag

30 € 20 Min. 1,50 €/Min.

25 € 10 Min. 2,50 €/Min.

42 € 30 Min. 1,40 €/Min.

rdbA = dbA : bA = 30 € : 20 Min. = 1,50 €/Min. rdbB = dbB : bB = 25 € : 10 Min. = 2,50 €/Min. rdbC = dbC : bC = 42 € : 30 Min. = 1,40 €/Min. Das Produkt A deckt mit jeder genutzten Engpasseinheit (Minute) Fixkosten in Höhe von 1,50 €. Das Produkt B deckt mit jeder Minute, in der es die Anlage in Anspruch nimmt, Fixkosten in Höhe von 2,50 €; Produkt C deckt mit jeder Engpassminute Fix­ kosten in Höhe von 1,40 €. Schritt 4: Festlegung der Produktionsrangfolge Die den Engpass beanspruchenden Produkte können entsprechend ihres relativen Deckungsbeitrags in einer Rangordnung dargestellt werden. Das Produkt mit dem höchsten relativen Deckungsbeitrag wird bis zur Absatzhöchstmenge hergestellt. Sind anschließend noch Kapazitäten vorhanden, wird das Produkt mit dem zweithöchsten relativen Deckungsbeitrag produziert. Diese Prioritätensetzung wird so lange fort­ geführt, bis die Kapazität des Engpassfaktors ausgeschöpft ist (vgl. Fischbach 2017: 151ff):

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen |

Produkt

A

B

C

maximale Absatzmenge Belegzeit der Anlage je LE Stückdeckungsbeitrag relativer Deckungsbeitrag

2.600 LE 20 Min. 30 € 1,50 €/Min.

4.000 LE 10 Min. 25 € 2,50 €/Min.

1.000 LE 30 Min. 42 € 1,40 €/Min.

Produktionspriorität

2

1

3

437

Obwohl das Produkt C mit 42 € den größten Stückdeckungsbeitrag der drei Produkte generiert, wird es bei dem vorliegenden Engpass aufgrund des kleinsten relativen De­ ckungsbeitrags mit der geringsten Produktionspriorität ausgestattet. Das Produkt B hingegen besitzt mit 25 € den kleinsten Stückdeckungsbeitrag, jedoch nutzt es den Engpass mit 10 Minuten pro Leistungseinheit relativ kurz, sodass es von den drei Pro­ dukten den größten relativen Deckungsbeitrag ausweist. Dies unterstreicht noch ein­ mal, dass bei einer engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkung Entscheidungen auf der Basis des relativen Deckungsbeitrags zu treffen sind. Um den optimalen Periodenerfolg zu generieren, wird Produkt B bevorzugt pro­ duziert. Für die Absatzhöchstmenge von 4.000 Leistungseinheiten müssen insgesamt 40.000 Minuten [4.000 LE ⋅ 10 Min./LE] der Anlagenlaufzeit in Anspruch genommen werden. Da die Kapazität der technischen Anlage insgesamt 80.000 Minuten beträgt, kann Produkt B mit der Stückzahl der Absatzhöchstmenge produziert werden. Die verbleibende Kapazität der Anlage beträgt anschließend noch weitere 40.000 Ferti­ gungsminuten. Das Produkt A ist in der Produktion dem Produkt C vorzuziehen, da es einen größeren relativen Deckungsbeitrag besitzt. Um vom Produkt A die Absatz­ höchstmenge produzieren zu können, würde allerdings eine Anlagenlaufzeit in Hö­ he von 52.000 Minuten [2.600 LE ⋅ 20 Min./LE] benötigt. Die Produktionsmenge bei Produkt A beträgt daher lediglich 2.000 Einheiten [40.000 Min. : 20 Min./LE]. Das Produkt C mit dem kleinsten relativen Deckungsbeitrag kann nicht mehr in das Pro­ duktionsprogramm aufgenommen werden, da die Kapazität der technischen Anlage erschöpft ist. Das optimale Produktionsprogramm für die kommende Periode wäre somit wie folgt zu gestalten: Produkt

A

B

C

Produktionspriorität Anlagenbelegzeit gesamt Fertigungsmenge

2 40.000 Min. 2.000 LE

1 40.000 Min. 4.000 LE

3 0 Min. 0 LE

Die Aufstellung der Produktionsrangfolge besitzt einen eher groben Planungscha­ rakter, d. h. die Cycle GmbH weiß, dass sie ihr Betriebsergebnis optimiert, wenn sie

438 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

2.000 Leistungseinheiten des Produkts A und 4.000 Leistungseinheiten des Produkts B produziert und absetzt. Auf dieser Informationsbasis kann die Anlagenbelegzeit für die anstehende Periode produktbezogen geplant werden. Für den Periodenerfolg ist es zunächst irrelevant, in welcher Reihenfolge die optimalen Produktionsmengen produziert werden. Da Produkt A und B i. d. R. nicht zeitlich versetzt nachgefragt wer­ den, wird die Produktion abwechselnd erfolgen. Ausgehend von einer Serienfertigung wäre in einem weiteren Schritt eine Losgrößenoptimierung anzustrengen, um die Pro­ duktionskosten zu minimieren (vgl. hierzu die Ausführungen Teil F, Kapitel 2.4). Abschließend können die Auswirkungen des festgelegten Produktionsprogramms auf den Erlös, auf die Kosten und auf das Betriebsergebnis der geplanten Periode rekonstruiert werden. Der Periodenerlös der Cycle GmbH ist im Vergleich zur Unterbeschäftigung (vgl. Teil F, Kapitel 2.2.1) von 652.400 € auf 448.000 € gesunken: EA = qA ⋅ eA = 2.000 LE ⋅ 104 € = 208.000 € EB = qB ⋅ eB = 4.000 LE ⋅ 60 € = 240.000 € EC = qC ⋅ eC = 0 LE ⋅ 142 € = 0 € E = EA + EB + EC = 208.000 € + 240.000 € + 0 € = 448.000 € Aufgrund der Kapazitätsbeschränkung sind die Produktions- und Absatzmengen beim Produkt A um 600 Leistungseinheiten und beim Produkt C um 1.000 Leis­ tungseinheiten zu reduzieren. Daraus resultiert eine Erlöseinbuße beim Produkt A [600 LE ⋅ 104 € = 62.400 €] und beim Produkt C [1.000 LE ⋅ 142 € = 142.000 €]. Die Kapazitätsbeschränkung führte damit zu einer gesamten Erlöseinbuße in Höhe von 204.400 € (= 62.400 € + 142.000 €). Die variablen Gesamtkosten der Periode sind im Vergleich zur Unterbeschäftigung (vgl. Teil F, Kapitel 2.2.1) von 432.400 € auf 288.000 € gesunken: Kv;A = qA ⋅ kv;A = 2.000 LE ⋅ 74 € = 148.000 € Kv;B = qB ⋅ kv;B = 4.000 LE ⋅ 35 € = 140.000 € Kv;C = qC ⋅ kv;C = 0 LE ⋅ 100 € = 0 € Kv = Kv;A + Kv;B + Kv;C = 148.000 € + 140.000 € + 0 € = 288.000 € Aufgrund der geringeren Produktionsmengen beim Produkt A [600 LE ⋅ 74 € = 44.400 €] und beim Produkt C [1000 LE ⋅ 100 € = 100.000 €] sind die variablen Gesamtkosten um 144.400 € [44.400 € + 100.000 €] gesunken. Das Bruttoergeb­ nis bzw. der Gesamtdeckungsbeitrag ist im Vergleich zur Unterbeschäftigung (vgl. Teil F, Kapitel 2.2.1) von 220.000 € auf 160.000 € gesunken: DB = E − Kv = 448.000 € − 288.000 € = 160.000 €

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 439

Alternativ kann der Gesamtdeckungsbeitrag auch direkt auf Basis der Periodende­ ckungsbeiträge der einzelnen Produkte berechnet werden. Der Gesamtdeckungsbei­ trag der Cycle GmbH entspricht dann der Summe der einzelnen Periodendeckungs­ beiträge der Produkte: DBA = qA ⋅ dbA = 2.000 LE ⋅ 30 € = 60.000 € DBB = qB ⋅ dbB = 4.000 LE ⋅ 25 € = 100.000 € DBC = qC ⋅ dbC = 0 LE ⋅ 42 € = 0 € DB = DBA + DBB + DBC = 60.000 € + 100.000 € + 0 € = 160.000 € Der geringere Gesamtdeckungsbeitrag ist eine unvermeidbare Folge der Kapazitätsbe­ schränkung, da mit der Wirksamkeit des Engpasses Produkte mit positiven Stückde­ ckungsbeiträgen aus dem Produktionsprogramm verdrängt werden (vgl. hierzu das Beispiel in Teil F, Kapitel 2.1.1: Die Folgen der Eliminierung eines Produkts mit po­ sitivem Stückdeckungsbeitrag wurden hier bereits verdeutlicht). Die Periodenerlöse sind um 204.400 € und die variablen Gesamtkosten um 144.400 € gesunken, so dass auch der Gesamtdeckungsbeitrag um 60.000 € [204.400 €−144.400 €] gesunken ist. Durch den Engpass sinkt also im Vergleich zur Unterbeschäftigung (vgl. Teil F, Kapi­ tel 2.2.1) die Fixkostendeckung um 60.000 €. Damit sinkt auch das Betriebsergebnis von vorher 120.000 € auf nunmehr 60.000 €: G = DB − Kf = 160.000 € − 100.000 € = 60.000 € Diese Differenz von 60.000 € wurde bereits im Kontext des geringeren Gesamtde­ ckungsbeitrags aufgedeckt. Auch wenn das Betriebsergebnis bei dem vorliegenden Engpass im Vergleich zur Unterbeschäftigung um 60.000 € geringer ausfällt, han­ delt es sich (unter den gegebenen Bedingungen) nach wie vor um ein optimales Betriebsergebnis – denn alle anderen Mengenkombinationen der Produkte A, B und C unterschreiten (unter Berücksichtigung des Engpasses) dieses Betriebsergebnis. In der bisherigen Fallkonstruktion haben die Kapazitätsbeschränkungen zu ge­ nau einem Engpass geführt. Sobald mehrere Engpässe bestehen, ist die relative De­ ckungsbeitragsrechnung keine geeignete Entscheidungsrechnung mehr, da mehrere Engpässe die Komplexität der Lösungssuche erhöhen (vgl. Friedl et al. 2017: 318ff). Deshalb wird das zu Beginn von Kapitel 2.2.1 dargestellte Fallbeispiel nochmals auf­ gegriffen und so modifiziert, dass die Kapazitätsbeschränkungen einen weiteren Eng­ pass wirksam werden lassen. Beispiel Nach wie vor steht die von allen drei Produkten beanspruchte technische Anlage auf­ grund der höheren Wartungsintervalle in der kommenden Periode (Geschäftsjahr) nur mit 80.000 Minuten zur Verfügung. Darüber hinaus kann die Cycle GmbH für die an­ stehende Periode aufgrund der drohenden Insolvenz eines Lieferanten lediglich einen

440 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Rohstoffbestand in Höhe von 12.000 kg mobilisieren. Alle anderen Bedingungen des Fallbeispiels bleiben unverändert (siehe Teil F, Kapitel 2.2.1). Für die Produktion der Absatzhöchstmengen der Produkte A, B und C werden in der Planperiode nach wie vor eine Anlagenlaufzeit mit 120.000 Minuten und ein Roh­ stoffbestand mit 24.000 kg benötigt: BA = mA ⋅ bA = 2.600 LE ⋅ 20 Min. = 52.000 Min. BB = mB ⋅ bB = 4.000 LE ⋅ 10 Min. = 40.000 Min. BC = mC ⋅ bC = 1.000 LE ⋅ 30 Min. = 30.000 Min. 52.000 Min. + 40.000 Min. + 30.000 Min. = 122.000 Min. FA = mA ⋅ fA = 2.600 LE ⋅ 5 kg = 13.000 kg FB = mB ⋅ fB = 4.000 LE ⋅ 2 kg = 8.000 kg FC = mC ⋅ fC = 1.000 LE ⋅ 3 kg = 3.000 kg 13.000 kg + 8.000 kg + 3.000 kg = 24.000 kg Aufgrund der Kapazitätsbeschränkungen existieren nunmehr zwei betriebliche Eng­ pässe. Der relative Deckungsbeitrag eines Produkts könnte nun auf Basis der Anlagen­ belegzeit oder auf Basis der Rohstoffmenge gebildet werden. Anlagenbelegzeit: rdbA = dbA : bA = 30 € : 20 Min. = 1,50 €/Min. rdbB = dbB : bB = 25 € : 10 Min. = 2,50 €/Min. rdbC = dbC : bC = 42 € : 30 Min. = 1,40 €/Min. Rohstoffmenge: rdbA = dbA : bA = 30 € : 5 kg = 6 €/kg rdbB = dbB : bB = 25 € : 2 kg = 12,50 €/kg rdbC = dbC : bC = 42 € : 3 kg = 14 €/kg Das optimale Produktionsprogramm für die kommende Periode unterläge damit fol­ genden Prioritäten: Produkt

A

B

C

relativer Deckungsbeitrag (Anlage) Priorität (Engpass Anlage)

1,50 €/Min. 2

2,50 €/Min. 1

1,40 €/Min. 3

relativer Deckungsbeitrag (Rohstoff) Priorität (Engpass Rohstoff)

6,00 €/kg 3

12,50 €/kg 2

14,00 €/kg 1

Die Prioritätenverteilung unterscheidet sich bei beiden Engpässen, sodass der re­ lative Deckungsbeitrag seine koordinierende Funktion verliert. Mit den vorhandenen Informationen ist es nicht möglich, das optimale Produktionsprogramm zu bestim­ men. Sofern sich das Produktionsprogramm aus nur zwei Produkten (somit aus zwei

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 441

Variablen) zusammensetzt, kann die optimale Produktionsmengenkombination un­ ter Berücksichtigung der Restriktionen grafisch ermittelt werden (vgl. Jung 2016: 473ff; vgl. Corsten, Gössinger 2016: 260ff). Da das Produktionsprogramm in der betrieblichen Realität jedoch meist eine Viel­ zahl unterschiedlicher Produkte beinhaltet, ist eine grafische Lösung nur in den we­ nigsten Fällen möglich. Auch das Produktionsprogramm der Cycle GmbH besteht aus drei Produkten und somit aus drei Variablen. In diesem Fall kann das optimale Pro­ duktionsprogramm nur mithilfe mathematischer Verfahren der linearen Optimie­ rung bestimmt werden, wie z. B. mithilfe der Simplexmethode (vgl. Heinrich 2013: 223ff; vgl. Jung 2016: 475ff). Eine Vertiefung der linearen Algebra ist im Rahmen des hier gegebenen inhaltlichen Zusammenhangs jedoch nicht zielführend, sodass auf ei­ ne detaillierte Betrachtung der mathematischen Programmoptimierung bei mehreren betrieblichen Engpässen verzichtet wird. Fazit – Liegen keine Kapazitätsbeschränkungen vor, wird jedes Produkt mit einem positi­ ven Stückdeckungsbeitrag ins Produktionsprogramm aufgenommen und mit der Absatzhöchstmenge hergestellt. – Existiert ein betrieblicher Engpass, werden kurzfristige Programmoptimierungs­ entscheidungen auf Basis relativer Deckungsbeiträge getroffen. Der relative De­ ckungsbeitrag eines Produkts bildet sich als Quotient des Stückdeckungsbeitrags und der Engpassnutzung je Einheit des Produkts. Er gibt an, welchen Fixkosten­ betrag eine Einheit eines Produkts pro genutzter Engpasseinheit deckt. Die Pro­ duktionsrangfolge richtet sich nach der Höhe der relativen Deckungsbeiträge.

2.3 Make-or-Buy-Entscheidungen Die Make-or-Buy-Entscheidung als besondere Ausprägung der Programmentschei­ dung stellt auf die Festlegung ab, welche Produkte in der kommenden Abrechnungs­ periode selbst hergestellt und welche Produkte fremdbezogen werden sollen. Sie wird auf Basis vielfältiger Gründe getroffen: Neben den Kosten und dem Beschäftigungs­ grad gewinnen v. a. die Qualität der fremdbezogenen oder eigengefertigten Produkte, das technische Know-how, das Image des Unternehmens, die Beschaffbarkeit und Versorgungssicherheit der fremdbezogenen Produkte oder auch Risiken jeglicher Art (z. B. Transportrisiken) entscheidungsrelevante Bedeutungen (vgl. Preißler, Preißler 2015: 184; vgl. Jung 2016: 334). Als kurzfristig wirksame Entscheidung zielt die Make-or-Buy-Entscheidung je­ doch vorrangig auf die Optimierung des Betriebsergebnisses. Nachfolgend wird deshalb die Systematik der Make-or-Buy-Entscheidungen auf der Basis von Kosten und Beschäftigungsgraden vorgestellt, zumal die anderen Einflussfaktoren deutlich

442 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

schwieriger zu erfassen und zu quantifizieren sind. Es wird stets angenommen, dass ein Produkt sowohl in der Eigenfertigung als auch in der Fremdfertigung Stückerlöse in der gleichen Höhe erzielen kann. Aus Teil F, Kapitel 1.2.2 ist bereits bekannt, dass als Ausgangssituationen eine Unterbeschäftigung oder engpasswirksame Kapazitäts­ beschränkungen vorliegen können.

2.3.1 Make-or-Buy-Entscheidungen bei Unterbeschäftigung Bei einer kurzfristigen Make-or-Buy-Entscheidung im Rahmen einer Unterbeschäfti­ gung gilt grundsätzlich folgende Entscheidungsregel: Es wird selbst gefertigt, wenn der Bezugspreis (inklusive der Transaktions- und Transportkosten) die variablen Stückkosten der Eigenfertigung übersteigt; es wird fremdbezogen, wenn die varia­ blen Stückkosten der Eigenfertigung den Bezugspreis übersteigen. Im Rahmen einer langfristigen Entscheidung wird selbst gefertigt, wenn der Bezugspreis den gesamten Stückkosten entspricht oder diese übersteigt; es wird fremdbezogen, wenn die Stück­ kosten den Bezugspreis übersteigen (vgl. Steinle, Daum 2007: 469; vgl. Preißler, Preiß­ ler 2015: 184f). Nachfolgend wird auf Basis des Ausgangsbeispiels zur kurzfristigen Programmoptimierung (vgl. Teil F, Kapitel 2.2.1) die Systematik der Make-or-Buy-Ent­ scheidung bei einer Unterbeschäftigung erläutert. Beispiel Im Rahmen der Vorbereitung der Programmoptimierungsentscheidung bei Unterbe­ schäftigung hat das Controlling der Cycle GmbH festgestellt, dass die drei Produkte A, B und C mit ihren jeweiligen Absatzhöchstmengen in das Produktionsprogramm auf­ genommen werden sollten (vgl. Teil F, Kapitel 2.2.1). Es fallen fixe Gesamtkosten in Höhe von 100.000 € an: Produkt

A

B

C

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge

104 € 74 € 2.600 LE

60 € 35 € 4.000 LE

142 € 100 € 1.000 LE

Die Cycle GmbH hat das Produkt D (Rahmen für Kinderräder) in den vergangenen Pe­ rioden fremdfertigen lassen. Da die Cycle GmbH noch genügend Kapazitäten für eine Eigenfertigung der maximalen Absatzmenge in Höhe von 2.000 Leistungseinheiten verfügbar hätte, wird die Fremdfertigung zur Disposition gestellt: Bei einer Fremdfer­ tigung beträgt der Bezugspreis für Produkt D 40 €/LE; zudem fallen zusätzlich 2 €/LE als Verpackungs- und Transportkosten an. Bei einer Eigenfertigung entstünden varia­ ble Stückkosten in Höhe von 41 €/LE. Unabhängig der Eigen- oder Fremdfertigung des Produkts können dieselben Stückerlöse in Höhe von 50 €/LE erzielt werden. Mit

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 443

dem Ziel der Optimierung des Betriebsergebnisses soll zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug entschieden werden. Im Rahmen der Anwendung der oben genannten Entscheidungsregel wird in zwei Schritten vorgegangen: Schritt 1: Prüfung der Vorteilhaftigkeit der Alternativen Der Stückdeckungsbeitrag der beiden Alternativen wird aus der Differenz der (glei­ chen) Stückerlöse und der variablen Stückkosten resp. der Bezugskosten des Produkts gebildet: dbEF,D = eD − kv;D = 50 € − 41 € = 9 € dbFF;D = eD − pL;D = 50 € − 42 € = 8 € Der Stückdeckungsbeitrag ist sowohl bei einer Eigenfertigung als auch bei einer Fremdfertigung positiv, sodass beide Alternativen aus kostenrechnerischer Perspek­ tive grundsätzlich in Betracht kämen. Schritt 2: Ermittlung der Kostendifferenz zwischen den Alternativen Die Kostendifferenz der beiden Alternativen ergibt sich aus der Gegenüberstellung von Bezugspreis bei Fremdfertigung und variablen Stückkosten bei Eigenfertigung: Produkt D Bezugspreis bei Fremdfertigung (€) − variable Stückkosten bei Eigenfertigung (€) = Kostendifferenz je LE (€)

42 41 1

Wird Produkt D selbst hergestellt, hätte die Cycle GmbH mit jeder hervorgebrachten Leistungseinheit im Vergleich zur Fremdfertigung einen Kostenvorteil in Höhe von 1 €/LE. Das Kosteneinsparpotenzial bei einer Eigenfertigung läge also bei 2.000 € [2.000 LE ⋅ 1 €/LE]. Die Erlöse haben keinen Einfluss auf das Betriebsergebnis, da sie (per Annahme) bei einer Eigenfertigung in derselben Höhe erzielt werden wie bei einem Fremdbezug. Sie sind somit entscheidungsirrelevant. Die Fixkosten der Cycle GmbH werden bei der Entscheidungsfindung ebenfalls nicht berücksichtigt, da sie – per Annahme – auch dann anfallen, wenn das Produkt D fremdbezogen wird (vgl. Arnolds et al. 2016: 265f). Das optimale Produktionsprogramm für die kommende Periode wäre also wie folgt zu gestalten: Produkt

A

B

C

D

Stückdeckungsbeitrag Produktionsmenge fremdbezogene Menge

30 € 2.600 LE –

25 € 4.000 LE –

42 € 1.000 LE –

9€ 2.000 LE 0 LE

444 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Abschließend können die Auswirkungen des festgelegten Produktionsprogrammes auf das (optimierte) Betriebsergebnis der geplanten Periode rekonstruiert werden: DBA = 2.600 LE ⋅ 30 € = 78.000 € DBB = 4.000 LE ⋅ 25 € = 100.000 € DBC = 1.000 LE ⋅ 42 € = 42.000 € DBD = 2.000 LE ⋅ 9 € = 18.000 € DB = 78.000 € + 100.000 € + 42.000 € + 18.000 € = 238.000 € G = 238.000 € − 100.000 € = 138.000 € Sollte in einer zukünftigen Periode ein Lieferant gefunden werden können, der das Produkt A, B, C oder D zu einem günstigeren Bezugspreis liefern kann als die in der Eigenfertigung anfallenden variablen Stückkosten, sollte dieses Produkt fremdbezo­ gen werden – allerdings lediglich aus kostenrechnerischer Perspektive.

2.3.2 Make-or-Buy-Entscheidungen bei engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkungen Grundsätzlich gilt, dass auch bei einem betrieblichen Engpass bisher selbst gefertigte Produkte immer dann fremdbezogen werden sollten, wenn der Bezugspreis geringer ist als die variablen Stückkosten (pL < kv ). Bei gleichbleibenden Stückerlösen führt die Kosteneinsparung durch den Fremdbezug zu einem verbesserten Betriebsergeb­ nis. Gleichzeitig werden bisher gebundene Kapazitäten disponibel, die von Produkten mit einem positiven Stückdeckungsbeitrag genutzt werden können, die aufgrund des Engpasses bisher nicht bzw. nicht mit ihrer maximalen Absatzmenge produziert wer­ den konnten. Durch diese Maßnahme der Programmoptimierung wird das Betriebser­ gebnis noch weiter verbessert. Abweichend von diesen Fallkonstruktionen wird nun folgende Ausgangssituati­ on betrachtet: Mehrere Produkte konkurrieren um einen Engpass und mindestens ein Produkt kann sowohl selbst hergestellt als auch fremdbezogen werden. Zu berücksich­ tigen ist hier insbesondere die Konstellation, dass die Eigenfertigung kostengünstiger ist als die Fremdfertigung (pL > kv ): – Wird das Produkt fremdbezogen, entstehen einerseits Kostennachteile im Ver­ gleich zur Eigenfertigung, da der Bezugspreis größer ist als die in der Eigenferti­ gung entstehenden variablen Kosten. Andererseits beansprucht das Produkt bei einer Fremdfertigung keine Engpasseinheiten, sodass andere Produkte diese nut­ zen und einen Periodendeckungsbeitrag erwirtschaften können. – Wird das Produkt selbst hergestellt, nimmt es Engpasskapazitäten in Anspruch, wodurch die Periodendeckungsbeiträge anderer Produkte verdrängt bzw. verrin­ gert werden.

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 445

Unter diesen Gegebenheiten reicht es nicht mehr aus, lediglich den Bezugspreis mit den variablen Stückkosten eines Produkts zu vergleichen (vgl. Arnolds et al. 2016: 267f). Die verdrängten Periodendeckungsbeiträge stellen Opportunitätskosten dar, die bei der Make-or-Buy-Entscheidung berücksichtigt werden müssen (vgl. Steinle, Daum 2007: 468). Nachfolgend wird auf Basis des Beispiels zur kurzfristigen Pro­ grammoptimierung bei Kapazitätsbeschränkungen (vgl. Teil F, Kapitel 2.2.2) die Sys­ tematik dieser Make-or-Buy-Entscheidungen in Bezug auf unterschiedliche Ausgangs­ situationen erläutert. Beispiel – Ausgangssituation 1 Im Rahmen der Vorbereitung der Programmoptimierungsentscheidung bei Kapazi­ tätsbeschränkungen hat das Controlling der Cycle GmbH festgestellt, dass die drei Produkte A, B und C im Rahmen ihrer Fertigung dieselbe technische Anlage bean­ spruchen; diese steht innerhalb einer Periode (Geschäftsjahr) mit 100.000 Minuten zur Verfügung: Produkt

A

B

C

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge Belegzeit der Anlage je LE

104 € 74 € 2.600 LE 20 Min.

60 € 35 € 4.000 LE 10 Min.

142 € 100 € 1.000 LE 30 Min.

Es fallen fixe Gesamtkosten in Höhe von 100.000 € an. Für die Produktion der Pro­ dukte A, B und C in ihren Absatzhöchstmengen sind insgesamt 122.000 Minuten er­ forderlich (vgl. Teil F, Kapitel 2.2.1): BA = mA ⋅ bA = 2.600 LE ⋅ 20 Min. = 52.000 Min. BB = mB ⋅ bB = 4.000 LE ⋅ 10 Min. = 40.000 Min. BC = mC ⋅ bC = 1.000 LE ⋅ 30 Min. = 30.000 Min. 52.000 Min. + 40.000 Min. + 30.000 Min. = 122.000 Min. Die Cycle GmbH hat aufgrund ihrer Ausweitung des Beschaffungsmarkts einen Lie­ feranten gefunden, der das Produkt B in beliebiger Menge zu einem Bezugspreis von 45 €/LE liefert. Das Produkt kann bei Fremdbezug ebenfalls zu einem Preis von 60 €/LE abgesetzt werden. Mit dem Ziel der Optimierung des Betriebsergebnisses hat das Controlling eine Make-or-Buy-Entscheidung vorzubereiten. Im Rahmen einer Unterbeschäftigung wäre eine Eigenfertigung von Produkt B günstiger, weil die variablen Stückkosten geringer sind als der Bezugspreis. Da in der beschriebenen Ausgangssituation jedoch ein Engpass vorliegt, würden bei einer Eigenfertigung des Produkts B Deckungsbeiträge der anderen Produkte verdrängt werden. Zur Ermittlung des optimalen Produktionsprogramms sind zwei Schritte erforderlich; der erste Schritt ist bereits aus der Make-or-Buy-Entscheidung bei einer Unterbeschäftigung bekannt:

446 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Schritt 1: Prüfung der Vorteilhaftigkeit der Alternativen Zunächst werden die Stückdeckungsbeiträge des Produkts B bei einer Eigenfertigung und bei einer Fremdfertigung gegenübergestellt: dbEF,B = eB − kv;B = 60 € − 35 € = 25 € dbFF;B = eB − pL;B = 60 € − 45 € = 15 € Der Stückdeckungsbeitrag ist sowohl bei einer Eigenfertigung als auch bei einer Fremdfertigung positiv, sodass aus kostenrechnerischer Perspektive grundsätzlich beide Alternativen in Betracht zu ziehen sind. Für die Make-or-Buy-Entscheidung ist die Differenz der beiden Stückdeckungsbeiträge entscheidend. Da die Cycle GmbH sowohl bei Eigenfertigung als auch bei Fremdfertigung dieselben Stückerlöse erzielt, können die Erlöse keinen Einfluss auf den Stückdeckungsbeitrag nehmen; sie sind also entscheidungsirrelevant. Somit ist die Kostendifferenz der variablen Kosten, d. h. die Differenz zwischen variablen Stückkosten und Bezugspreis, für die Stückde­ ckungsbeitragsdifferenz maßgeblich (vgl. Friedl et al. 2017: 325ff). Schritt 2: Ermittlung der engpassbezogenen Kostenvorteile Die Differenz der beiden Stückdeckungsbeiträge zugunsten der Eigenfertigung ist allein durch den höheren Bezugspreis bei einer Fremdfertigung begründet. Bei der Fremdfertigung von Produkt B fallen Mehrkosten in Höhe von 10 €/LE an. Auf dieser Informationsbasis können die engpassbezogenen Mehrkosten gebildet werden. Sie werden als Quotient der Mehrkosten und der Engpassbelastung des Produkts ermittelt (vgl. auch Arnolds et al. 2016: 268ff und Kalenberg 2013: 265): engpassbezogene Mehrkosten =

Bezugspreis − variable Stückkosten Engpassbelastung des Produkts

ke;B = (pL;B − kv;B ) : bB = (45 € − 35 €) : 10 Min. = 1 €/Min. Die engpassbezogenen Mehrkosten des Produkts B betragen also 1 €/Min. Mit jeder fremdbezogenen Einheit von Produkt B entstehen zwar verlagerungsbedingte Mehr­ kosten in Höhe von 10 €/LE, jedoch wird gleichzeitig der Engpass um 10 Minuten entlastet. Mit jeder Minute, die Produkt B den Engpass nicht in Anspruch nimmt, entstehen aufgrund der Fremdfertigung zusätzliche Kosten in Höhe von 1 €. Sind die zusätzlich entstehenden Kosten pro nicht genutzter Engpasseinheit gering, ist eine Fremdfertigung vorteilhaft (vgl. Arnolds et al. 2016: 268ff). Aus Sicht der Eigenferti­ gung bedeutet dies, dass mit jeder Minute, die Produkt B den Engpass beansprucht, Kostenvorteile in Höhe von 1 € gegenüber der Fremdfertigung entstehen. Das Be­ triebsergebnis verbessert sich demnach im Vergleich zum Fremdbezug um 1 € pro genutzter Engpassminute. Aus Sicht der Eigenfertigung handelt es sich somit eher um engpassbezogene Kostenvorteile. Gleichzeitig verdrängt Produkt B mit jeder genutzten Engpassminute den relativen Deckungsbeitrag eines anderen Produkts (Opportunitätskosten). Da relative Deckungsbeiträge ebenfalls angeben, wie sich das Betriebsergebnis pro genutzter Engpasseinheit verändert, können sie mit den

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen |

447

engpassbezogenen Kostenvorteilen verglichen werden (vgl. Friedl et al. 2017: 325ff, vgl. Götze 2010: 181f). Auf Basis eines Vergleichs zwischen den engpassbezogenen Kostenvorteilen von Produkt B und den relativen Deckungsbeiträgen der Produkte A und C wird eine Produktionspriorität aufgestellt (die relativen Deckungsbeiträge der Produkte A und C wurden bereits in Teil F, Kapitel 2.2.2 berechnet). Produkt

A

B

C

maximale Absatzmenge relativer Deckungsbeitrag Veränderung des Betriebsergebnisses pro genutzter Engpassminute

2.600 LE 1,50 €/Min. 1,50 €/Min.

4.000 LE 2,50 €/Min. 1,00 €/Min.

1.000 LE 1,40 €/Min. 1,40 €/Min.

Produktionspriorität

1

3

2

Ausgehend von der verfügbaren Anlagenlaufzeit in Höhe von insgesamt 100.000 Mi­ nuten wird zunächst Produkt A mit der Absatzhöchstmenge produziert; hierfür sind insgesamt 52.000 Minuten [2.600 LE ⋅ 20 Min./LE] einzusetzen. Die verbleibende An­ lagenkapazität in Höhe von 48.000 Minuten wird mit einem Umfang von 30.000 Minu­ ten [1.000 LE ⋅30 Min./LE] für die Herstellung des Produkts C genutzt. Die verbleiben­ de Anlagenlaufzeit in Höhe von 18.000 Minuten wird dem Produkt B zugeordnet, da Produkt B nicht mehr mit einem anderen Produkt um den Engpass konkurriert und seine variablen Stückkosten geringer sind als der Bezugspreis. Das Produkt B kann noch mit 1.800 Leistungseinheiten [18.000 Min. : 10 Min./LE] durch Eigenfertigung hervorgebracht werden. Die aufgrund des Engpasses nicht ausgeschöpfte Menge in Höhe von 2.200 LE [4.000 − 1.800 LE] wird fremdbezogen, da auch bei der Fremdfertigung ein positiver Stückdeckungsbeitrag erwirtschaftet wird. Das optimale Produktionsprogramm der kommenden Periode ist also wie folgt festzulegen: Produkt

A

B

C

Anlagenbelegzeit gesamt Eigenfertigungsmenge Fremdbezugsmenge

52.000 Min. 2.600 LE 0 LE

18.000 Min. 1.800 LE 2.200 LE

30.000 Min. 1.000 LE 0 LE

Abschließend können die Auswirkungen des festgelegten Produktionsprogrammes auf das (optimierte) Betriebsergebnis der geplanten Periode rekonstruiert werden: DBA = 2.600 LE ⋅ 30 € = 78.000 € DBB = 1.800 LE ⋅ 25 € + 2.200 LE ⋅ 15 € = 78.000 € DBC = 1.000 LE ⋅ 42 € = 42.000 € DB = 78.000 € + 78.000 € + 42.000 € = 198.000 € G = 198.000 € − 100.000 € = 98.000 €

448 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Beispiel – Ausgangssituation 2 Es sollen dieselben Bedingungen wie in der Ausgangssituation 1 gelten; lediglich die Anlagenverfügbarkeit der technischen Anlage wird verändert: Die Anlage steht in der Planperiode nur mit 90.000 Minuten zur Verfügung. Für die Produktion der Produk­ te A, B und C in ihren Absatzhöchstmengen sind insgesamt 122.000 Minuten erforder­ lich. Die Cycle GmbH hat aufgrund ihrer Ausweitung des Beschaffungsmarkts für die Produkte A, B und C jeweils einen Lieferanten gefunden, die das entsprechende Pro­ dukt in beliebiger Menge liefern können. Der Bezugspreis beträgt für Produkt A 90 €, für Produkt B 45 € und für Produkt C 139 €. Die Stückerlöse sind unabhängig von Eigenfertigung bzw. Fremdbezug. Mit dem Ziel der Optimierung des Betriebsergebnis­ ses hat das Controlling eine Make-or-Buy-Entscheidung vorzubereiten. Hierzu wird die gleiche Vorgehensweise wie in der vorherigen Situation gewählt: Schritt 1: Prüfung der Vorteilhaftigkeit der Alternativen Zunächst werden die Stückdeckungsbeiträge der Produkte gegenübergestellt, die bei der Eigen- bzw. Fremdfertigung erwirtschaftet werden: dbEF;A = eA − kv;A = 104 € − 74 € = 30 € dbFF;A = eA − pL;A = 104 € − 90 € = 14 € dbEF;B = eB − kv;B = 60 € − 35 € = 25 € dbFF;B = eB − pL;B = 60 € − 45 € = 15 € dbEF;C = eC − kv;C = 142 € − 100 € = 42 € dbFF;C = eC − pL;C = 142 € − 139 € = 3 € Die Eigenfertigung wie auch die Fremdfertigung sind bei allen Produkten kostenrech­ nerisch vorteilhaft, da alle Produkte einen positiven Stückdeckungsbeitrag generie­ ren. Würde der Bezugspreis von Produkt C beispielsweise auf 143 € steigen, wäre die Fremdfertigung des Produkts C nicht vorteilhaft, da dies das Betriebsergebnis redu­ zierte. Die Stückerlöse bleiben unverändert, sodass die Stückdeckungsbeitragsdiffe­ renz zwischen Eigen- und Fremdfertigung allein auf der Kostendifferenz zwischen den variablen Stückkosten und dem Bezugspreis eines Produkts beruht. Schritt 2: Ermittlung der engpassbezogenen Kostenvorteile Im zweiten Schritt werden die engpassbezogenen Mehrkosten für jedes Produkt be­ rechnet: ke;A = (pL;A − kv;A ) : bA = (90 € − 74 €) : 20 Min. = 0,80 €/Min. ke;B = (pL;B − kv;B ) : bB = (45 € − 35 €) : 10 Min. = 1,00 €/Min. ke;C = (pL;C − kv;C ) : bC = (139 € − 100 €) : 30 Min. = 1,30 €/Min. Wird Produkt A fremdbezogen, fallen mit jeder nicht genutzten Engpassminute Mehr­ kosten aufgrund des höheren Bezugspreises in Höhe von 0,80 € an. Gleiches gilt für

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 449

Produkt B und C mit 1 €/Min. bzw. mit 1,30 €/Min. Das Produkt, bei dem die gerings­ ten Mehrkosten pro nicht genutzter Engpasseinheit anfallen, wird bevorzugt fremdbe­ zogen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass das Produkt mit den höchsten Mehrkos­ ten pro nicht genutzter Engpasseinheit bevorzugt selbst hergestellt wird. Aus Sicht der Fremdfertigung erzeugt Produkt C die höchsten engpassbezogenen Mehrkosten. Aus Sicht der Eigenfertigung besitzt Produkt C den höchsten engpassbezogenen Kosten­ vorteil, d. h. mit jeder genutzten Engpassminute kann im Vergleich zur Fremdferti­ gung ein Kosteneinsparpotenzial in Höhe von 1,30 € realisiert werden. Damit ist fol­ gende Produktionspriorität abzuleiten: Produkt

A

B

C

engpassbezogene Mehrkosten Produktionspriorität

0,80 €/Min. 3

1,00 €/Min. 2

1,30 €/Min. 1

Ausgehend von der verfügbaren Anlagenlaufzeit in Höhe von insgesamt 90.000 Mi­ nuten wird zunächst Produkt C mit der Absatzhöchstmenge produziert; hierfür sind insgesamt 30.000 Minuten [1.000 LE ⋅ 30 Min./LE] erforderlich. Die verbleibende An­ lagenkapazität in Höhe von 60.000 Minuten wird dann von Produkt B als zweites Pro­ dukt in der Produktionsrangfolge genutzt. Um die Absatzhöchstmenge produzieren zu können, wird der Engpass mit insgesamt 40.000 Minuten [4.000 LE ⋅ 10 Min./LE] beansprucht. Die verbleibenden 20.000 Minuten der Anlagenkapazität reichen nicht aus, um das Produkt A ebenfalls mit der Absatzhöchstmenge selbst hervorbringen zu können. Es wird mit 1.000 Einheiten [20.000 Min. : 20 Min./LE] selbst hergestellt, um die Restkapazität auszuschöpfen. Da die Absatzhöchstmenge beim Produkt A je­ doch 2.600 Leistungseinheiten beträgt und auch bei der Fremdfertigung ein positiver Stückdeckungsbeitrag erzielt wird, wird die Restmenge in Höhe von 1.600 Leistungs­ einheiten [2.600 − 1.000 LE] fremdbezogen. Das optimale Produktionsprogramm der kommenden Periode ist also wie folgt aufzustellen: Produkt

A

B

C

Anlagenbelegzeit gesamt Eigenfertigungsmenge Fremdbezugsmenge

20.000 Min. 1.000 LE 1.600 LE

40.000 Min. 4.000 LE 0 LE

30.000 Min. 1.000 LE 0 LE

Abschließend können die Auswirkungen des festgelegten Produktionsprogramms auf das (optimierte) Betriebsergebnis der geplanten Periode ermittelt werden: DBA = 1.000 LE ⋅ 30 € + 1.600 LE ⋅ 14 € = 52.400 € DBB = 4.000 LE ⋅ 25 € = 100.000 € DBC = 1.000 LE ⋅ 42 € = 42.000 € DB = 52.400 € + 100.000 € + 42.000 € = 194.400 € G = 194.400 € − 100.000 € = 94.400 €

450 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Beispiel – Ausgangssituation 3 Es sollen dieselben Bedingungen wie in der Ausgangssituation 1 gelten; allerdings steht die Anlage in der Planperiode mit 122.000 Minuten zur Verfügung. Da für die Pro­ duktion der Produkte A, B und C in ihren Absatzhöchstmengen insgesamt 122.000 Mi­ nuten einzusetzen sind, ist die Anlagenkapazität zwar ausreichend, aber vollständig ausgeschöpft. Die Cycle GmbH kann (nur) das Produkt B zu den gleichen Konditionen wie in der Ausgangssituation 1 fremdfertigen lassen, d. h. der Bezugspreis beträgt 45 €. Die damit disponiblen Kapazitäten in Höhe von 40.000 Minuten [4.000 LE ⋅ 10 Min./LE] könnte das Unternehmen für die Fertigung eines Zusatzauftrags einsetzen. Im Rah­ men des Zusatzauftrags könnte das Produkt N hergestellt werden: Produkt

N

Stückerlös variable Stückkosten Auftragsmenge des Zusatzauftrags Belegzeit der Anlage je LE

55 € 40 € 1.600 LE 25 Min./LE

Das Produkt N beansprucht die Anlagenkapazität mit 25 Minuten je Leistungsein­ heit, insgesamt verursachte der Zusatzauftrag eine Belegzeit der Anlage in Höhe von 40.000 Minuten [1.600 LE ⋅ 25 Min./LE]. Mit der Annahme des Zusatzauftrags stellte sich ein Engpass ein, da die Anlagenkapazität mit der Fertigung der drei Produkte A, B und C bereits ausgeschöpft ist. Die Produkte B und N konkurrieren um die Nutzung der Anlagenbelegzeit in Höhe von 40.000 Minuten. Mit dem Ziel der Optimierung des Betriebsergebnisses hat das Controlling eine Make-or-Buy-Entscheidung in Bezug auf das disponible Produkt B vorzubereiten. Die Problemstellung kann auf der Basis von zwei verschiedenen Ansätzen gelöst werden: 1. Im ersten Ansatz werden das optimale Produktionsprogramm und die Make-orBuy-Entscheidung ausgehend von den bereits bekannten engpassbezogenen Mehrkosten bzw. engpassbezogenen Kostenvorteilen ermittelt (siehe Schritt 2a); 2. Im zweiten Ansatz werden das optimale Produktionsprogramm und die Make-orBuy-Entscheidung ausgehend von den Opportunitätskosten entwickelt (siehe Schritt 2b). Unabhängig davon wird im ersten Schritt überprüft, ob positive Stückdeckungsbeiträ­ ge erwirtschaftet werden. Schritt 1: Prüfung der Vorteilhaftigkeit der Alternativen Zunächst werden die Stückdeckungsbeiträge des Produkts B bei einer Eigenfertigung und bei einer Fremdfertigung dem Stückdeckungsbeitrag des Produkts N gegenüber­

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 451

gestellt: dbEF;B = eB − kv;B = 60 € − 35 € = 25 € dbFF;B = eB − pL;B = 60 € − 45 € = 15 € dbN = eN − kv;N = 55 € − 40 € = 15 € Aus den Situationen 1 und 2 ist bereits bekannt, dass das Produkt B sowohl bei der Eigenfertigung als auch bei der Fremdfertigung positive Stückdeckungsbeiträge er­ wirtschaftet. Sollte Produkt N die Kapazitäten von Produkt B beanspruchen, würde es ebenfalls einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaften – und zwar genau in der Höhe des Stückdeckungsbeitrags des Produkts B bei einer Fremdfertigung. Aus kos­ tenrechnerischer Perspektive sind grundsätzlich alle Alternativen in Betracht zu zie­ hen. Schritt 2a: Ermittlung der engpassbezogenen Kostenvorteile Da der Lösungsweg über die engpassbezogenen Mehrkosten bzw. Kostenvorteile be­ reits bekannt ist, wird auf eine nähere Erläuterung verzichtet. Die engpassbezoge­ nen Kostenvorteile von Produkt B werden mit dem relativen Deckungsbeitrag von Pro­ dukt N verglichen: ke;B = (pL;B − kv;B ) : bB = (45 € − 35 €) : 10 Min. = 1,00 €/Min. rdbN = dbN : bN = 15 € : 25 Min./LE = 0,60 €/Min. Der engpassbezogene Kostenvorteil durch die Eigenfertigung von Produkt B ist grö­ ßer als der relative Deckungsbeitrag von Produkt N. Bei dem gegebenen Engpass wird das optimale Betriebsergebnis erwirtschaftet, wenn der Zusatzauftrag abgelehnt und die Anlagenkapazität für die Eigenfertigung des Produktes B eingesetzt wird. Schritt 2b: Ermittlung der Opportunitätskosten Im zweiten Ansatz werden die entstehenden Opportunitätskosten ermittelt. Sobald Produkt B selbst hergestellt wird, sind die Herstellung und damit auch der Absatz des Produkts N nicht möglich. Der verdrängte Deckungsbeitrag (von Produkt N) durch das Produkt B stellt den entgangenen Nutzen bzw. die sogenannten Opportunitätskos­ ten bei einer Eigenfertigung von Produkt B dar. Neben den variablen Stückkosten, die bei der Produktion von Produkt B entstehen, müssen die mit jeder produzierten Leis­ tungseinheit entstehenden Opportunitätskosten berücksichtigt werden (vgl. Arnolds et al. 2016: 267ff). Es gilt somit (der Fall [kv + ko ] = pL bleibt unbeachtet): (kv + ko ) > pL



Fremdfertigung

(kv + ko ) < pL



Eigenfertigung

Wird Produkt N vollständig verdrängt, können die 1.600 Leistungseinheiten keinen Stückdeckungsbeitrag in Höhe von 15 €/LE erwirtschaften. Damit ergeben sich die Opportunitätskosten wie folgt: Ko;B = qN ⋅ dbN = 1.600 LE ⋅ 15 € = 24.000 € ko;B = Ko;B : eqB = 24.000 € : 4.000 LE = 6 €/LE

452 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Durch die Verdrängung von Produkt N entstehen Opportunitätskosten in Höhe von 24.000 €. Mit jeder produzierten Einheit von Produkt B ergeben sich demnach Op­ portunitätsstückkosten in Höhe von 6 €/LE. Die bei der Produktion von Produkt B entstehenden variablen Stückkosten und Opportunitätsstückkosten sind in der Sum­ me geringer als der Bezugspreis von Produkt N: (35 € + 6 €) < 45 € Das optimale Betriebsergebnis wird erzielt, wenn Produkt B selbst hergestellt und der Zusatzauftrag abgelehnt wird. Das optimale Produktionsprogramm der Planperi­ ode ist also wie folgt zu gestalten: Produkt

A

B

C

N

Produktionsmenge fremdbezogene Menge

2.600 LE –

4.000 LE 0 LE

1.000 LE –

0 LE –

Mit Ablehnung des Zusatzauftrags besteht kein Engpass mehr. Die Anlagenkapazität ist zwar voll ausgeschöpft, jedoch können alle Produkte des ursprünglichen Produk­ tionsprogramms in der Absatzhöchstmenge hergestellt werden. Der Periodenerfolg ist daher identisch mit dem Periodenerfolg der Programmoptimierung bei einer Un­ terbeschäftigung (vgl. hierzu die Ausführungen in Teil F, Kapitel 2.2.1). Opportunitätskosten können insbesondere dann relativ einfach berechnet und als Entscheidungskriterium herangezogen werden, wenn zwei Produkte – wie in der vorliegenden Situation – um dieselbe Engpassmengeneinheit konkurrieren, sodass ein Produkt vollständig verdrängt wird. In den Situationen 1 und 2 konkurrieren drei Produkte um die Engpassnutzung, wobei die Produkte den Engpass in einem unter­ schiedlichen Ausmaß belasten. Um dort die Opportunitätskosten bestimmen zu kön­ nen, muss zunächst die Produktionspriorität bei einer Eigenfertigung ermittelt wer­ den. Erst anschließend kann bestimmt werden, welche Produkte in welcher Menge verdrängt werden. Auf die Erläuterung dieser Vorgehensweise wurde in den Situatio­ nen 1 und 2 verzichtet, da die Behandlung von Opportunitätskosten bei einem vorlie­ genden Engpass vertiefend in Teil F, Kapitel 3 erörtert wird; zudem stellt die Ermitt­ lung der engpassbezogenen Mehrkosten bzw. der engpassbezogenen Kostenvorteile die einfachere Variante dar. Fazit – Beim Vorliegen einer Unterbeschäftigung gilt für eine kurzfristig wirksame Makeor-Buy-Entscheidung:



Bezugspreis > variable Stückkosten (pL > kv )



Eigenfertigung;

Bezugspreis < variable Stückkosten (pL < kv )



Fremdbezug.

Sobald mehrere Produkte um einen Engpass konkurrieren und mindestens ein Produkt im Rahmen einer Eigen- oder Fremdfertigung produziert werden kann

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 453







(es gilt: pL > kv ), werden kurzfristige Make-or-Buy-Entscheidungen auf Basis der engpassbezogenen Mehrkosten bzw. der engpassbezogenen Kostenvorteile getroffen. Engpassbezogene Mehrkosten geben die Mehrkosten (aufgrund des höheren Be­ zugspreises) eines Produkts an, die bei einer Fremdfertigung pro nicht genutzter Engpasseinheit gegenüber der Eigenfertigung entstehen. Engpassbezogene Kos­ tenvorteile geben die Kostenvorteile (aufgrund der geringeren variablen Stück­ kosten) eines Produkts an, die bei einer Eigenfertigung pro genutzter Engpassmi­ nute gegenüber der Fremdfertigung entstehen. Engpassbezogene Kostenvorteile werden mit relativen Deckungsbeiträgen verglichen, um eine Produktionspriori­ tät und ein zugehöriges Produktionsprogramm entwickeln zu können, das das Be­ triebsergebnis optimiert. Konkurrieren bei einer kurzfristigen Make-or-Buy-Entscheidung mehrere Produk­ te um einen Engpass, die alle sowohl selbst hergestellt als auch fremdbezogen werden können (es gilt: pL > kv ), richtet sich die Produktionsrangfolge nach der Höhe der engpassbezogenen Kostenvorteile bzw. der engpassbezogenen Mehr­ kosten. Das Produkt mit den höchsten engpassbezogenen Kostenvorteilen wird bevorzugt selbst hergestellt. Konkurrieren mehrere Produkte um denselben Engpass und mindestens ein Pro­ dukt kann sowohl selbst hergestellt als auch fremdbezogen werden (es gilt: pL > kv ), können kurzfristige Make-or-Buy-Entscheidungen auch mithilfe von Opportunitätsstückkosten getroffen werden. Die Opportunitätsstückkosten sa­ gen aus, welcher Deckungsbeitrag bei einer Eigenfertigung mit jeder produzierten Einheit verdrängt wird. Ist die Summe von variablen Stückkosten und Opportuni­ tätsstückkosten größer als der Bezugspreis, wird das Produkt fremdbezogen. Ist der Bezugspreis größer, wird das Produkt selbst hergestellt.

2.4 Losgrößenoptimierung Im Rahmen der kurzfristig wirksamen Entscheidungen ist im Zuge einer Programmop­ timierung und bei dem Vorliegen einer Serienfertigung das sogenannte Fertigungslos festzulegen. Als Losgröße wird die Produktionsmenge einer Serienfertigung bezeich­ net, die den Produktionsprozess ohne Unterbrechung bzw. Umstellung durchläuft. Die Losgröße ist so zu wählen, dass die Produktionskosten minimiert und somit das Betriebsergebnis optimiert werden (vgl. Wöhe et al. 2016a: 335). Die wichtigsten Kos­ tenarten, die bei der Losgrößenoptimierung zu berücksichtigen sind, werden in Teil F, Kapitel 2.4.1 vorgestellt.

454 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

2.4.1 Kostenrechnerische Ausgangssituation Bei dem Wechsel von einer Produktserie auf eine andere Produktserie wird der Pro­ duktionsprozess i. d. R. unterbrochen, um die Fertigungsanlagen für den neuen Pro­ duktionsprozess umrüsten zu können; damit entstehen sogenannte Rüstkosten. Die bei einer Umrüstung entstehenden Kosten werden unabhängig von der Losgrößen­ menge eingestuft und fallen per Annahme für jedes neue Fertigungslos in derselben Höhe an. Aus diesen Gründen werden die Rüstkosten auch als auflagefixe Kosten be­ zeichnet (vgl. Bloech et al. 2014: 218f; vgl. Wöhe et al. 2016a: 335). Es handelt sich aber nicht um klassische Fixkosten, da die Summe der auflagefixen Kosten pro Periode von der Anzahl der Umrüstungsvorgänge, also der Anzahl der Serienwechsel abhängt; in­ sofern weisen sie einen variablen Charakter auf: n = JB : x U=n⋅u

→ →

Anzahl der Serienwechsel auflagefixe Kosten pro Periode

Die auflagefixen Kosten pro Periode ergeben sich damit wie folgt: U = (JB : x) ⋅ u



auflagefixe Kosten pro Periode

Je größer eine Losgröße ist, desto geringer ist die Anzahl der Serienwechsel, und umso geringer sind die auflagefixen Kosten pro Periode und pro Loseinheit; dies wird als Ef­ fekt der Auflagendegression bezeichnet (vgl. Jung 2016: 497f). Dieser Effekt kommt allerdings nur bei konstanter Fertigungsgeschwindigkeit zum Zuge. Beispiel Es werden die beiden Serienproduktvarianten A und B hergestellt. Die Jahresproduk­ tionsmenge bei A beträgt 180.000 LE, jeder Serienwechsel verursacht auflagefixe Kos­ ten in Höhe von 20.000 €. Produkt A

x = 22.500 LE

x = 90.000 LE

Jahresbedarf JB Serienwechsel n auflagefixe Kosten pro Periode U auflagefixe Kosten pro LE

180.000 LE 8 160.000 € 0,89 €/LE

180.000 LE 2 40.000 € 0,22 €/LE

Durch die gegebenenfalls erforderliche Bevorratung der Fertigerzeugnisse für den Ab­ satz entstehen Lagerkosten und Zinskosten – bedingt durch das in den Fertigerzeug­ nissen gebundene Kapital (vgl. Wöhe et al. 2016a: 335; vgl. Bloech et al. 2014: 219). Da die Lager- und Zinskosten für jedes Produkt einer Serie gleich hoch und damit von der Losgröße abhängig sind, werden sie auch als auflageproportionale Kosten be­ zeichnet (vgl. Bloech et al. 2014: 218f). Die Lager- und Zinskosten im Fertigerzeugnis­ lager ergeben sich aus der Multiplikation der variablen Herstellkosten (als Lagerbe­ standswert) mit einem zusammengefassten Zins- und Lagerkostensatz. Die fixen (Her­ stell-)Kosten sind bei der Festlegung des Lagerbestandswerts zu vernachlässigen, da

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen |

455

sie als fixe Kosten nicht in die Optimierungsentscheidung einfließen dürfen. In der An­ nahme, dass bei relativ gleichmäßigen Zugängen (durch gefertigte Lose) und Abgän­ gen (durch Absatz) in dem Fertigerzeugnislager durchschnittlich die halbe Herstell­ menge vorrätig gehalten wird, ergeben sich die Lager- und Zinskosten pro Periode mit (vgl. Wöhe et al. 2016a: 336; vgl. Jung 2016: 497; vgl. Corsten, Gössinger 2016: 500ff): L = (x ⋅ s ⋅ j) : 2



Lager- und Zinskosten pro Periode

Je kleiner eine Losgröße, desto geringer sind der durchschnittliche Lagerbestandswert und die entstehenden Lager- und Zinskosten.

2.4.2 Ermittlung der Losgröße Die Minimierung der auflagefixen und auflageproportionalen Kosten steht in einem Zielkonflikt. Eine hohe Losgröße führt einerseits zu geringen auflagefixen Kosten, an­ dererseits jedoch zu hohen auflageproportionalen Kosten. Eine geringe Losgröße führt zu hohen auflagefixen Kosten, jedoch zu geringen auflageproportionalen Kosten (vgl. Bloech et al. 2014: 218f). Es gilt, die Menge als optimale Losgröße zu ermitteln, die die Summe aus auflagefixen und auflageproportionalen Kosten minimiert (siehe Abbil­ dung F2.1). Kosten in €

Gesamtkosten

Lagerkosten (inklusive Zinskosten)

Grenzlagerkosten

optimale Losgröße

Rüstkosten Grenzrüstkosten Menge in LE

Abb. F2.1: Grafische Ermittlung der optimalen Losgröße (in Anlehnung an Wöhe et al. 2016a: 335f; Jung 2016: 496ff; Corsten, Gössinger 2016: 499ff).

Für die mathematische Herleitung der optimalen Losgröße wird die Andler’sche Los­ größenformel verwendet, die auch für die Bestimmung der optimalen Bestellmenge

456 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

verwendet werden kann (vgl. Wöhe et al. 2016a: 328ff; vgl. Wannenwetsch 2014: 105ff). U = (JB : x) ⋅ u



L = (x ⋅ s ⋅ j) : 2



auflagefixe Kosten pro Periode Lager- und Zinskosten pro Periode

Summe aus auflagefixen und auflageproportionalen Kosten: K = (JB : x) ⋅ u + (x ⋅ s ⋅ j) : 2



Gesamtkosten pro Periode

Für die Ermittlung der optimalen Losgröße sind die Stückkosten (k = K : x) zu mi­ nimieren. Dafür ist die Gleichung der Gesamtkosten nach der Menge x zu differenzie­ ren und die erste Ableitung gleich null zu setzen. Dann ergeben sich für die optimale Losgröße und für die Gesamtkosten der optimalen Losgröße folgende Ermittlungsal­ gorithmen (vgl. Wöhe et al. 2016a: 336; Jung 2016: 497f; Corsten, Gössinger 2016: 501): 2 ⋅ JB ⋅ u s⋅j

optimale Losgröße xopt :



Gesamtkosten für die optimale Losgröße Kopt :

√2 ⋅ JB ⋅ u ⋅ s ⋅ j

Beispiel Das Beispiel der Cycle GmbH wird wieder aufgegriffen; es wird eine Serienfertigung der Produkte A, B und C unterstellt. Da keine Kapazitätsbeschränkungen vorliegen dürfen, wird die Unterbeschäftigung aus Teil F, Kapitel 2.2.1 angenommen, in der die drei Produkte in ihren Absatzhöchstmengen produziert werden können. Es gelten fol­ gende Jahresbedarfe: Produkt

A

B

C

maximale Absatzmenge

2.600 LE

4.000 LE

1.000 LE

Der Jahresbedarf von Produkt A beträgt 2.600 Leistungseinheiten, wobei für die 260 Arbeitstage im Jahr ein täglich gleichbleibender Bedarf in Höhe von 10 Einheiten besteht. Um auf den Produktionsprozess von Produkt A umstellen zu können, fallen Umrüst- und Einrichtungskosten in Höhe von 350 € an. Die variablen Produktions­ stückkosten betragen 74 €/LE. Es soll die optimale Losgröße bestimmt werden bei einem zusammengefassten Zins- und Lagerkostensatz mit 25 %. Die optimale Losgröße bei Produkt A beträgt ca. 313 Leistungseinheiten, d. h. die entstehende Summe aus auflagefixen und auflageproportionalen Kosten ist minimal, wenn ca. 313 Einheiten pro Los produziert werden, bevor die Anlage umgerüstet wird. Um die Andler’sche Formel anwenden zu können, sind eine Reihe relativ un­ realistischer Voraussetzungen anzunehmen, die allesamt erfüllt sein müssen; die wichtigsten seien an dieser Stelle kurz aufgeführt (vgl. Jung 2016: 496ff; vgl. Corsten, Gössinger 2016: 500ff):

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 457

– – –

– – –

Jedes Produkt wird isoliert betrachtet, es existieren keine Kapazitätsbeschränkun­ gen. Der Periodenbedarf der Produkte ist bekannt und konstant. Das Produkt kann unendlich lange gelagert werden und es liegen keine Lager­ kapazitätsbeschränkungen vor. Es erfolgt ein relativ gleichmäßiger Lagerzugang und -abgang. Die mit der Umrüstung entstehenden Kosten sind unabhängig von der Losgrößen­ menge und fallen für jedes Fertigungslos in derselben Höhe an. Die Losdurchlaufzeiten sind konstant und jedes Los kann zu einem beliebigen Zeitpunkt aufgelegt werden. Der Bedarf an Produktionsfaktoren kann unmittelbar gedeckt werden und die Pro­ duktionsgeschwindigkeit ist unendlich groß.

Aufgrund der vielfältigen und unrealistischen Prämissen muss der betriebsprak­ tische Anwendungswert kritisch hinterfragt werden. Die Annahme, dass Kapazi­ tätsbeschränkungen grundsätzlich nicht existierten, ist im Rahmen der operati­ ven Steuerung als großer Kritikpunkt zu betrachten, da Kapazitätsbeschränkungen grundsätzlich als Voraussetzungen anzunehmen sind und deshalb einen wesentli­ chen Betrachtungsaspekt darstellen (vgl. auch Nyhuis et al. 2013: 485f). Die Losgrö­ ßenoptimierung verlangt somit nach Modellen, die Engpässe, mehrstufige Produktio­ nen, Lagerbeschränkungen, Produktionsgeschwindigkeiten, Bedarfsschwankungen oder auch inkonstante Zins- und Lagerkosten berücksichtigen können (vgl. Wöhe et al. 2016a: 336; vgl. Freidank 2012: 78; vgl. Corsten, Gössinger 2016: 500ff). Zwar ist es aufgrund der Vielzahl an Einflussfaktoren erforderlich, bestimmte Annahmen zu treffen, damit Modelle einen praktischen Anwendungswert gewinnen können. Doch die Vielzahl realitätsferner Annahmen der Andler’schen Formel führt dazu, dass sie lediglich eine grobe Vorstellung über mögliche optimale Losgrößen vermitteln kann. Fazit – Als optimale Losgröße wird die kostenoptimale Produktionsmenge in einer Se­ rienfertigung bezeichnet, die den Produktionsprozess oder Unterbrechung oder Umstellung durchläuft. Die Optimierung der Losgröße zielt darauf ab, die Summe aus auflagefixen und auflageproportionalen Kosten bei der Serienfertigung zu mi­ nimieren. – Zwischen auflagefixen und auflageproportionalen Kosten besteht grundsätzlich ein Zielkonflikt. Unter Anwendung der Andler’schen Formel kann eine optimale Losgröße berechnet werden. Die Andler’sche Formel untersteht einer Vielzahl von unrealistischen Annahmen, sodass der praktische Anwendungswert kritisch zu beurteilen ist.

458 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

2.5 Übungsaufgaben Aufgabe 1 Die Cycle GmbH fertigt vier Produkte, für die folgende Bedingungen in der anstehen­ den Planperiode gelten: Produkt

A

B

C

D

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge Anlagenbelegzeit je LE

25 € 20 € 8.500 LE 5 Min.

10 € 15 € 20.000 LE 15 Min.

40 € 30 € 4.000 LE 13 Min.

90 € 60 € 800 LE 20 Min.

Es fallen fixe Kosten in Höhe von 50.000 € an. Alle vier Produkte beanspruchen im Produktionsprozess dieselbe technische Anlage, die für die Planperiode mit 1.920 Stunden zur Verfügung steht. a. Ermitteln Sie die Stückdeckungsbeiträge der vier Produkte und interpretieren Sie diese jeweils. Zeigen Sie, ob eine engpasswirksame Kapazitätsbeschränkung vor­ liegt. b. Bestimmen Sie das Produktionsprogramm, das zu einem optimalen Betriebser­ gebnis führt. Berechnen Sie das Brutto- und das Nettoergebnis. Aufgabe 2 Weinhändler und Weingutbesitzer Krengel produziert drei verschiedene Weinsorten. Die drei Weinsorten werden aus derselben Traube gewonnen. Für die anstehende Pe­ riode stehen ihm folgende Informationen zur Verfügung: Produkt

Wein A

Wein B

Wein C

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge Traubenmenge je LE

6,00 € 3,20 € 3.100 LE 4 kg

9,10 € 5,50 € 1.500 LE 8 kg

2,95 € 1,30 € 5.200 LE 3 kg

Krengel schätzt seine Weinernte in der kommenden Periode auf 28.500 kg Trauben. Der günstige Wein C kann ohne Qualitätseinbußen von einem Weingut aus der Nähe bezogen werden. Im Falle dieser Fremdfertigung würde der Listenpreis für eine Fla­ sche (= LE) Wein C 2,60 € betragen. Hinzu kämen Verpackungskosten in Höhe von 0,20 € pro Flasche. Der Stückerlös kann sowohl bei der Eigenfertigung als auch bei der Fremdfertigung in gleicher Höhe erzielt werden. a. Ermitteln Sie die Stückdeckungsbeiträge für eine Eigen- und Fremdfertigung von Wein C und beurteilen Sie diese. Zeigen Sie, ob eine engpasswirksame Kapazitäts­ beschränkung vorliegt. b. „Der Bezugspreis für eine Flasche Wein der Sorte C ist höher als die variablen Stückkosten. Daher sollte Wein C selbst hergestellt werden.“ Nehmen Sie kurz Stellung zu dieser Aussage.

2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen | 459

c.

Bestimmen Sie das Produktionsprogramm (auf Basis engpassbezogener Mehrkos­ ten), bei dem das Betriebsergebnis optimiert wird.

Aufgabe 3 Die Cycle GmbH fertigt das Produkt W an einer Spezialmaschine, die mit einer Lauf­ zeit pro Periode in Höhe von 1.500 Stunden genutzt werden kann. Bisher wurde die Maschinenlaufzeit vollständig durch das Produkt W beansprucht. Für die kommen­ de Periode bekommt die Cycle GmbH einen scheinbar attraktiven Zusatzauftrag eines Großkunden über die Fertigung des Produkts Z angeboten; bei Annahme des Auftrags würde allerdings die Maschinenlaufzeit vollständig durch das Produkt Z in Anspruch genommen werden. Für die Produkte W und Z gelten folgende Daten: Produkt

W

Z

Stückerlöse variable Stückkosten Maschinenbelegzeit/LE

82 € 64 € 1,5 Stunden

120 € 96 € 2,0 Stunden

Die Cycle GmbH konnte nach Recherche am Beschaffungsmarkt für das Produkt W einen Lieferanten ausfindig machen, der das Produkt zu einem Angebotspreis in Höhe von 75 €/LE in beliebiger Menge liefern könnte. a. Bestimmen Sie die Opportunitätskosten, die bei der Eigenfertigung des Pro­ dukts W insgesamt und pro Leistungseinheit entstünden. b. Entwickeln Sie eine kostenrechnerisch fundierte Entscheidungsvorlage bezüglich der Annahme bzw. Ablehnung des Zusatzauftrags. Ermitteln Sie das Bruttoergeb­ nis auf Basis Ihrer Entscheidungsvorlage. Aufgabe 4 Die Cycle GmbH fertigt die zwei Produkte A und B in Serie. Die Gesamtproduktions­ menge des kommenden Jahres für das Produkt A wird mit 120.000 LE prognostiziert, die zu variablen Herstellkosten/LE in Höhe von 1.000 € hervorgebracht werden kön­ nen. Die auflagefixen Kosten pro Serienwechsel betragen 30.000 €; es wird mit einem zusammengefassten Zins- und Lagerkostensatz in Höhe von 20 % kalkuliert. a. Definieren Sie den Begriff „optimale Losgröße“. Erläutern sie den auftretenden Zielkonflikt und die sogenannte Auflagendegression. b. Bestimmen Sie die Anzahl der Serienwechsel und die auflagefixen Kosten pro Pe­ riode für die optimale Losgröße. Aufgrund der erheblichen Preisschwankungen bei den Materialien für die Herstellung von Produkt A schwanken entsprechend auch die variablen Herstellkosten/LE. Wie änderte sich die optimale Losgröße bei einer Erhöhung der Materialeinstandspreise? c. Bestimmen Sie die Zins- und Lagerkosten bei einer lagerkapazitätsbedingt reali­ sierbaren Losgröße von nur 5.000 LE. d. Welche zentralen Kostenwirkungen sind bei einer vollständigen Anpassung der Produktions- an die Absatzmengen zu erwarten?

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen Das Über- bzw. Unterschreiten kritischer Preise veranlasst zu bestimmten Reaktionen bezüglich der Programmgestaltung. Da der Betrachtungsfokus auf die kurzfristige Ent­ scheidung gelenkt ist, sollen die kurzfristigen Preisunter- und Preisobergrenzen im Zentrum der nachfolgenden Betrachtungen stehen. In einem kurzen Exkurs werden abschließend die Optionen der Ergebnissicherung und die diesbezügliche Bedeutung der Solldeckungsbeiträge erläutert.

3.1 Kostenrechnerisches Fundament Die in Teil F, Kapitel 2.1 erläuterte Bedeutung der Teilkostenrechnung für kurzfristig wirksame Entscheidungen gilt nicht nur für Produktionsprogrammentscheidungen, sondern ebenfalls für Preisentscheidungen. In gleicher Weise stellen die variablen Kosten entscheidungsrelevante Kosten für kurzfristig wirksame Preisentscheidungen dar: Fixkosten dürfen keinen Einfluss auf die Entscheidung besitzen, da sie beschäf­ tigungsunabhängig sind und kurzfristig nicht beeinflusst werden können (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 127; vgl. Steinle, Daum 2007: 467 f). Eine Verteilung der Fixkosten auf die Kostenträger, also die Proportionalisierung der Fixkosten, kann auch bei kurz­ fristigen Preisentscheidungen eine fehlerhafte Datengrundlage generieren (vgl. Dros­ se 2014: 54f). Die Teilkostenrechnungssysteme stellen die Grundlage für kurzfristige Preisent­ scheidungen dar. Die Preisgrenzen dürfen nicht jene kritische Grenze unter- bzw. über­ schreiten, bei der die Stückdeckungsbeiträge negativ werden (vgl. Joos-Sachse 2006: 224). Die Stückdeckungsbeiträge müssen mindestens gleich null sein, damit die Pro­ dukte die variablen Stückkosten decken. Denn unabhängig von einer Produktionspro­ gramm- oder Preisentscheidung gilt, dass ein Unternehmen kurzfristig auf die Fix­ kostendeckung verzichten kann. Langfristig sollten die Fixkosten mit entsprechend hohen Stückdeckungsbeiträgen gedeckt und überstiegen werden, damit das Unter­ nehmen einen Gewinn erwirtschaften kann (vgl. hierzu die Ausführungen in Teil F, Kapitel 3.4). Das nachfolgende aus Teil F, Kapitel 2.1.1 aufgegriffene Beispiel unter­ mauert die Bedeutung der Teilkostenrechnung auch für kurzfristige Preisentscheidun­ gen; es zeigt, dass eine Vollkostenrechnung zu Fehlentscheidungen führen kann (vgl. Joos 2014: 222ff; zu dem Beispiel vgl. Macha 2010: 193f). Beispiel In einem Mehrproduktbetrieb soll das Sortiment bestehend aus drei Produktarten für das kommende Geschäftsjahr in Anbetracht eines Zusatzauftrags geprüft werden; es fallen je Geschäftsjahr fixe Kosten in Höhe von 200.000 € an. Folgende Informatio­ nen stehen hierzu zur Verfügung (siehe Teil F, Kapitel 2.1.1; veränderter Absatzpreis/LE bei A): https://doi.org/10.1515/9783110439793-030

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen | 461

Produkt

A

B

C



variable Stückkosten Absatzpreis pro LE maximale Absatzmenge

50 € 160 € 1.000 LE

20 € 80 € 1.000 LE

30 € 95 € 1.000 LE

100 € 335 € 3.000 LE

In dem Mehrproduktbetrieb liegt eine Unterbeschäftigung vor; die freien Kapazitäten könnten durch einen Zusatzauftrag ausgelastet werden, mit dem ein Großkunde die Abnahme von zusätzlichen 500 Leistungseinheiten des Produkts B zu einem Preis von 50 €/LE anbietet. Es soll die Preisuntergrenze von Produkt B bestimmt werden, bei deren Unterschreitung der Verkauf des Produkts nicht mehr rentabel wäre. Auf Basis einer Vollkostenrechnung würden die Stückgewinne der einzelnen Produkte wie folgt berechnet: Produkt

A

B

C



variable Stückkosten (€) + fixe Stückkosten (€) = Stückkosten (€) Verkaufspreis (€/LE) Stückerfolg (€)

50 100 150 160 10

20 40 60 80 20

30 60 90 95 5

100 200 300 335 35

Mit Produkt B wird ein Stückgewinn von 20 € erzielt; deshalb soll der Absatzpreis um höchstens diesen Betrag gesenkt werden. Die Preisuntergrenze wird demnach bei ei­ nem Verkaufspreis von 60 € pro Einheit von B gesetzt. Der Zusatzauftrag zu einem Preis von 50 €/LE wird also abgelehnt, da zwecks Vermeidung von Verlusten nicht unter den Selbstkosten verkauft werden soll. Da es sich bei der Entscheidung über den Zusatzauftrag um eine kurzfristig wirk­ same Entscheidung handelt, hätte anstelle einer Vollkostenrechnung ein System der Teilkostenrechnung verwendet werden sollen. In dem Mehrproduktbetrieb wurde al­ so eine kurzfristig wirksame Entscheidung auf ein falsches Kostenrechnungssystem abgestellt. Auch hier deckt schon die Grenzkostenrechnung die offensichtliche Fehl­ entscheidung auf. Mit der Ablehnung des Zusatzauftrags ergibt sich das Betriebser­ gebnis wie folgt: Produkt

A

B

C



Umsatzerlöse (€) − variable Kosten (€) = Deckungsbeitrag (€) − fixe Gesamtkosten (€) = Gewinn/Verlust (€)

160.000 50.000 110.000 – –

80.000 20.000 60.000 – –

95.000 30.000 65.000 – –

335.000 100.000 235.000 200.000 35.000

Bei einer Annahme des Zusatzauftrags hätte das Betriebsergebnis folgenden Wert an­ genommen:

462 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Produkt

A

B

C



Umsatzerlöse (€) − variable Kosten (€) = Deckungsbeitrag (€) − fixe Gesamtkosten (€) = Gewinn/Verlust (€)

160.000 50.000 110.000 – –

105.000 30.000 75.000 – –

95.000 30.000 65.000 – –

335.000 100.000 250.000 200.000 50.000

Durch die Annahme des Zusatzauftrags hätte mit dem Produkt B ein um 15.000 € hö­ herer Periodendeckungsbeitrag von 75.000 € erzielt werden können. Dadurch hätte sich das Betriebsergebnis im Vergleich zur Ablehnung des Zusatzauftrags ebenfalls um 15.000 € verbessert. Dies liegt daran, dass Produkt B auch im Zusatzauftrag einen positiven Stückdeckungsbeitrag in Höhe von 30 € erwirtschaftet. Da eine Vollkosten­ rechnung als Entscheidungsgrundlage verwendet wurde, war die Preisuntergrenze zu hoch angesetzt – denn die Vollkostenrechnung überträgt auch entscheidungsirrele­ vante Fixkosten auf die Kostenträger. Auf Basis einer Teilkostenrechnung würde die Preisuntergrenze in Höhe der variablen Stückkosten (20 €) angesetzt und der Zusatz­ auftrag angenommen werden. Das Beispiel verdeutlicht, dass kurzfristige Preisgrenzen auf der Basis variabler Kosten zu ermitteln sind. Preisgrenzen lassen sich in Preisunter- und Preisobergren­ zen unterscheiden: – Die Preisuntergrenze bezeichnet den kritischen Absatzpreis eines Absatzpro­ dukts, bei dessen Unterschreitung der Absatz des entsprechenden Produkts aus kostenrechnerischer Perspektive nicht mehr zu empfehlen ist. – Die Preisobergrenze bezeichnet den kritischen Beschaffungspreis eines Inputfak­ tors, der zur Leistungserstellung benötigt wird, bei dessen Überschreitung die Be­ schaffung aus kostenrechnerischer Perspektive nicht mehr zu empfehlen ist (vgl. Schweitzer et al. 2016: 503; vgl. Kalenberg 2013: 270). In beiden Fällen wird (bei einer Unterbeschäftigung) die Produktion des betroffenen Absatzprodukts kurzfristig eingestellt. Aus kostenrechnerischer Sicht ist die kurzfris­ tige Preisunter- bzw. Preisobergrenze so zu bestimmen, dass die Produkte mindestens ihre variablen Kosten decken. In diesem Zusammenhang wird auch von (kurzfristigen) erfolgsorientierten Preisgrenzen gesprochen (vgl. Kalenberg 2013: 271f).

3.2 Kurzfristige Preisuntergrenzen Unter bestimmten Bedingungen kann durch die Unternehmensführung durchaus erwogen werden, Produkte kurzfristig zu einem Marktpreis abzusetzen, der unter­ halb der Gesamtstückkosten liegt, jedoch mindestens den variablen Stückkosten ent­ spricht (vgl. Jung 2016: 1154ff). Dies kann beispielsweise dann in Betracht kommen, wenn (vgl. Friedl et al. 2017: 333ff)

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen |

– –

463

mit der Senkung des Absatzpreises eine Absatzmengenerhöhung einhergeht und somit Lagerkapazitäten verfügbar gemacht werden können oder wenn mit der Senkung des Absatzpreises einem nachhaltigen Absatzrückgang entgegen gewirkt werden soll.

In jedem Falle gilt es, den kritischen Preis zu bestimmen, den ein Produkt keines­ falls unterschreiten sollte. Wird einem Unternehmen ein Zusatzauftrag angeboten, muss das Unternehmen bestimmen, bis zu welchem Preis der Zusatzauftrag aus kos­ tenrechnerischer Sicht angenommen werden sollte. Zu den kurzfristig wirksamen Entscheidungen, die mithilfe von kurzfristigen Preisuntergrenzen getroffen werden können, zählen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 125f) – die Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung von Zusatzaufträgen, – die Entscheidung über die Elimination eines Produkts aus dem Produktionspro­ gramm bei Preisänderungen und – die Veränderung der Zusammensetzung des Produktionsprogramms bei Preisän­ derungen. Aus Teil F, Kapitel 2 ist bereits bekannt, dass grundsätzlich unterschieden werden muss, ob eine Unterbeschäftigung oder eine engpasswirksame Kapazitätsbeschrän­ kung vorliegt. Mit Hilfe des Beispiels der Cycle GmbH wird exemplarisch erläutert, wie kurzfristige Preisuntergrenzen in verschiedenen Situationen zu bestimmen sind. Während die Preisuntergrenzen nachfolgend unter der Annahme konstanter variabler Kosten stets für eine Periode berechnet werden, können die Absatzpreise und damit auch die Erlöse durch die Unternehmen sehr kurzfristig verändert werden. Die Cha­ raktereigenschaft der Periodenentscheidung bezieht sich daher auf die Bestimmung der Preisuntergrenze, nicht aber auf die Entscheidung der Absatzpreisveränderung bestimmter Produkte. Es wird darüber hinaus angenommen, dass keine Erlösinterde­ pendenzen zwischen den Produkten bestehen.

3.2.1 Preisuntergrenzen bei Unterbeschäftigung Liegt eine Unterbeschäftigung vor, entspricht die kurzfristige Preisuntergrenze eines Produkts seinen variablen Stückkosten. In diesem Fall wird ein Stückdeckungsbei­ trag von null erwirtschaftet, wodurch das entsprechende Produkt die variablen Kos­ ten deckt: PUGi = kv;i → dbi = 0 Sobald Stückerlöse unterhalb der Preisuntergrenze erzielt werden, wird der Stück­ deckungsbeitrag negativ und das Betriebsergebnis verschlechtert sich. Die Annahme eines Zusatzauftrags oder die Fortführung der Leistungserstellung ist dann kosten­ rechnerisch gesehen nicht mehr sinnvoll. Sobald Stückerlöse oberhalb der Preisun­

464 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

tergrenze erzielt werden, wird der Stückdeckungsbeitrag positiv, und das Betriebser­ gebnis verbessert sich (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 388f; vgl. Ossadnik 2009: 208). Die variablen Stückkosten werden auch als absolute Preisuntergrenze bezeich­ net, da die Unterschreitung eine kurzfristige Einstellung der Produktion hervorrufen müsste (vgl. Freidank 2012: 327). Die Literatur bezieht teilweise auch sogenannte abbaufähige fixe Kapazitätskosten in die Überlegungen zur Gestaltung der Preisun­ tergrenze mit ein. Dabei handelt es sich beispielsweise um Personal- oder Instand­ haltungskosten, die kurzfristig abgebaut werden können, falls die Produktion eines entsprechenden Produkts nicht realisiert wird. Die abbaufähigen fixen Kapazitäts­ kosten werden nachfolgend nicht weiter behandelt, da sie insbesondere dann schwer zuzuordnen sind, wenn mehrere Produkte – wie bei der Cycle GmbH – dieselben Produktionskapazitäten beanspruchen (vgl. Freidank 2012: 321; vgl. Ossadnik 2009: 211f). Zur Verdeutlichung der Preisuntergrenzenbildung bei Unterbeschäftigung wird das Beispiel der Cycle GmbH aus Teil F, Kapitel 2.2.1 wieder aufgegriffen: Beispiel 1 Die Cycle GmbH ist ein mittelständischer Industriebetrieb, der sich auf die Fertigung von Fahrrädern und Fahrradteilen aller Art spezialisiert hat. In dem Mehrproduktbe­ trieb werden u. a. unterschiedliche Fahrradrahmen hergestellt: Produkt A (Rahmen für Herrenräder), Produkt B (Rahmen für Damenräder) und Produkt C (Rahmen für Rennräder). Es fallen fixe Gesamtkosten in Höhe von 100.000 € an. Produkt

A

B

C

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge

104 € 74 € 2.600 LE

60 € 35 € 4.000 LE

142 € 100 € 1.000 LE

Die Preisuntergrenzen der Produkte A, B und C sind aufgrund der vorliegenden Un­ terbeschäftigung einfach zu bestimmen: PUGA = kv;A = 74 € PUGB = kv;B = 35 € PUGC = kv;C = 100 € Die kurzfristigen Preisuntergrenzen der Produkte A, B und C liegen bei 74 €, 35 € bzw. 100 €. Werden alle Produkte innerhalb einer Periode zur Preisuntergrenze abgesetzt, entsteht ein Verlust in Höhe der Fixkosten von 100.000 €: – Eine Reduktion des Stückerlöses beim Produkt C um 50 % reduzierte den Ver­ kaufspreis auf 71 €/LE; unter diesen Umständen erwirtschaftete das Produkt C einen negativen Stückdeckungsbeitrag in Höhe von 29 €, wodurch sich das Be­ triebsergebnis mit jeder produzierten Einheit, die zu diesem Preis abgesetzt wird, verschlechterte. Ein Produktionsverzicht führte also zu einem höherem Betriebs­ ergebnis.

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen |



465

Sofern ein Kunde in einem Zusatzauftrag anböte, 400 Leistungseinheiten von Pro­ dukt A zu einem Stückpreis von 80 € abzunehmen, sollte bei entsprechend ver­ fügbaren Kapazitäten die Cycle GmbH diesen Zusatzauftrag annehmen. Denn der Verkaufspreis liegt mit 80 €/LE oberhalb der Preisuntergrenze von 74 €, sodass ein positiver Stückdeckungsbeitrag in Höhe von 6 € erzielt wird. Bei einem Ab­ satz von zusätzlichen 400 Leistungseinheiten erhöhte sich der Gesamtdeckungs­ beitrag und damit auch der Betriebsgewinn um 2.400 € [400 LE ⋅ 6 €/LE].

Beispiel 2 Da bei der Cycle GmbH noch Kapazitäten verfügbar sind, bewirbt sie sich auf die Aus­ schreibung eines Zusatzauftrags und möchte die Preisuntergrenze des Zusatzauftrags bestimmen (vgl. Kalenberg 2013: 272ff). Das Zusatzprodukt D soll mit einer Menge von 500 Leistungseinheiten produziert werden. Die 500 Einheiten können mit den verfüg­ baren Kapazitäten vollständig hergestellt werden. Das Produkt D beansprucht die Fer­ tigungsanlage mit 1,5 Stunden pro Einheit, wobei pro Stunde Fertigungskosten in Hö­ he von 5 € anfallen. Zusätzlich rechnet die Cycle GmbH mit einem Montageaufwand von 2 Stunden pro Einheit. Die wöchentliche Arbeitszeit der fest angestellten Monteu­ re beträgt bei einem Entgelt von 10 €/h insgesamt 40 Stunden. Zusätzlich werden für die Fertigung von Produkt D 3 kg eines Rohstoffs benötigt, für das folgende zwei Fälle angenommen werden: 1. Es handelt sich um einen speziellen Rohstoff, der für andere Produktionen nicht benötigt wird. Das Lager umfasst noch insgesamt 2.000 kg des Rohstoffs. Der Anschaffungspreis betrug 7,50 €/kg. Der Wiederbeschaffungspreis beträgt 8,50 €/kg. Falls der Zusatzauftrag abgelehnt werden sollte, kann der Rohstoff zu einem Preis von 6 €/kg verkauft werden. 2. Bei dem Rohstoff handelt es sich um denselben Rohstoff, der auch für die Pro­ duktion von Produkt A, B und C verwendet werden kann. Dieser Rohstoff wird je nach Bedarf ständig neu beschafft. Der Anschaffungspreis betrug 7,50 €/kg. Der Wiederbeschaffungspreis beträgt 8,50 €/kg. Für die Ermittlung der Preisuntergrenze müssen die variablen Kosten identifiziert wer­ den. Die Fertigungskosten an der Fertigungsanlage sind als variabel einzustufen, da sie pro genutzter Maschinenstunde anfallen. Die variablen Fertigungskosten betragen 7,50 €/LE [1,5 h/LE ⋅ 5 €/LE] und für 500 Leistungseinheiten 3.750 €. Die Arbeitskos­ ten für die Montage stellen hingegen Fixkosten dar, da aufgrund der Festanstellung und der festen wöchentlichen Arbeitszeiten die Arbeitskosten auch bei einer Unter­ beschäftigung anfallen. Würde es sich um Arbeitskosten aus Überstunden handeln, wären sie als variable Kosten zu bewerten. Die bei der Herstellung aufgrund des Roh­ stoffverbrauchs entstehenden variablen Materialkosten sind unterschiedlich zu be­ werten: – Im Fall 1 handelt es sich um einen Rohstoff, der lediglich für den Zusatzauftrag oder für den Weiterverkauf geeignet ist. Der historische Anschaffungspreis und

466 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen



der aktuelle Wiederbeschaffungspreis sind für die Bewertung der Preisuntergren­ ze irrelevant. Wird der Zusatzauftrag angenommen, entstünden aufgrund des nicht erfolgten Verkaufs von 1.500 kg [500 LE ⋅ 3 kg] des Rohstoffs Opportuni­ tätskosten in Höhe von 9.000 € [1.500 kg ⋅ 6 €/kg]. Für den Zusatzauftrag ergibt sich als Summe der variablen Kosten und der Opportunitätskosten ein Betrag von 12.750 € [3.750 € + 9.000 €]. Die Cycle GmbH sollte den Zusatzauftrag nur annehmen, wenn sie in der Preisverhandlung einen Verkaufspreis von mindes­ tens 25,50 €/LE [12.750 € : 500 LE] aushandeln kann. Dieser Absatzpreis stellt die kurzfristige Preisuntergrenze dar. Wenn der Rohstoff nicht weiterveräußert werden könnte, würde er für die Preisuntergrenze keine Rolle spielen. Der his­ torische Anschaffungspreis würde für die Bewertung der Preisuntergrenze nicht berücksichtigt werden, da es sich um sogenannte Sunk Costs handelt, also um Bezugskosten, die in der Vergangenheit angefallen sind und nicht mehr verändert werden können (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 127ff; vgl. Friedl et al. 2017: 333ff). Im Fall 2 handelt es sich um einen ständig verwendeten Rohstoff. Wird der Roh­ stoff für den Zusatzauftrag in einem Umfang von 1.500 kg verbraucht, ist eine Wiederbeschaffung erforderlich. Die Wiederbeschaffung ist aus den Erlösen des Zusatzauftrags zu finanzieren, sodass die variablen Materialkosten mit dem Wie­ derbeschaffungspreis zu bewerten sind (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 338ff; vgl. Kalenberg 2013: 273f). Es entstehen variable Materialkosten in Höhe von 12.750 € [1.500 kg ⋅ 8,50 €/kg]. Für den Zusatzauftrag ergeben sich als variable Kosten 16.500 € [3.750 € + 12.750 €]. Die Cycle GmbH sollte den Zusatzauftrag nur an­ nehmen, wenn sie in der Preisverhandlung als kurzfristige Preisuntergrenze einen Verkaufspreis von mindestens 33 €/LE [16.500 € : 500 LE] aushandeln kann.

3.2.2 Preisuntergrenzen bei engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkungen Wird bei einem Engpass die Annahme eines Zusatzauftrags in Erwägung gezogen, kann das neue Produkt nur dann ins Produktionsprogramm aufgenommen werden, wenn es andere Produkte aus dem Produktionsprogramm verdrängt. Durch die An­ nahme des Zusatzauftrags wird also auf die Deckungsbeiträge der verdrängten Pro­ dukte verzichtet. Die verdrängten Deckungsbeiträge stellen Opportunitätskosten dar, die bei der Ermittlung der Preisuntergrenze eines Zusatzauftrags berücksichtigt wer­ den müssen. Es gilt (vgl. Ossadnik 2009: 213; vgl. Joos-Sachse 2006: 235): PUGi = kv;i + ko;i = kv;i + (∑ qk ⋅ dbk ) : eqi Die beim Vorliegen einer Kapazitätsbeschränkung ermittelten Preisuntergrenzen wer­ den auch als relative Preisuntergrenzen bezeichnet. Der Verkaufspreis pro Leis­ tungseinheit eines Produkts kann bis zu dieser Grenze sinken, ohne dass sich die Optimalität des Produktions- und Absatzprogramms ändert. Das Überschreiten die­

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen |

467

ser Grenze bewirkt keine Einstellung der Produktion, sondern verlagert die Auswahl auf die Alternativproduktion. Aus Teil F, Kapitel 2.3.2 ist bereits bekannt, wie die Opportunitätsstückkosten bei einer vollständigen Verdrängung eines Produkts bestimmt werden. In den nach­ folgenden Darstellungen (vgl. hierzu Coenenberg et al. 2016a: 405ff) konkurrieren mehrere Produkte in einem unterschiedlichen quantitativen Ausmaß um die Nutzung eines Engpasses. Die Opportunitätskosten können unter diesen Umständen erst dann bestimmt werden, wenn die Produktionspriorität des ursprünglichen Produktions­ programms – also vor Eingang des Zusatzauftrags – bekannt ist (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 405ff; vgl. Kalenberg 2013: 274ff). Die Bestimmung der Produktions­ rangfolge wurde im Rahmen der Programmoptimierungsentscheidung bei einem vorliegenden Engpass ausführlich behandelt (vgl. hierzu die Ausführungen in Teil F, Kapitel 2.2.2); sie dient als Grundlage für die folgenden Erläuterungen. Beispiel Das in Teil F, Kapitel 2.2.1 dargestellte Fallbeispiel wird wieder aufgegriffen. Die von al­ len drei Produkten beanspruchte technische Anlage steht in der kommenden Periode (Geschäftsjahr) mit 110.000 Minuten zur Verfügung. Es gilt weiterhin: Produkt

A

B

C

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge Belegzeit der Anlage je LE

104 € 74 € 2.600 LE 20 Min.

60 € 35 € 4.000 LE 10 Min.

142 € 100 € 1.000 LE 30 Min.

Nachdem die Cycle GmbH das optimale Produktionsprogramm bestimmt hatte, wird dem Unternehmen die Fertigung eines Zusatzauftrags angeboten. Das Produkt P soll in der nächsten Periode in einem Umfang von – Fall 1: 1.000 Leistungseinheiten respektive – Fall 2: 5.000 Leistungseinheiten produziert werden. Die Cycle GmbH rechnet, dass mit der Herstellung einer Einheit des Produkts P variable Stückkosten in Höhe von 50 €/LE entstehen und die Anlagen­ belegzeit 15 Min./LE beträgt. Es soll die Preisuntergrenze bestimmt werden, bis zu der die Cycle GmbH den Zusatzauftrag unter Berücksichtigung der jeweiligen Auftrags­ menge annehmen sollte. Dies erfolgt in drei Schritten: Schritt 1: Bestimmung des optimalen Produktionsprogramms Im ersten Schritt wird das Produktionsprogramm bestimmt, das ohne den Zusatzauf­ trag realisiert worden wäre. Die Bestimmung des optimalen Produktionsprogramms bei einer engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkung wurde in Teil F, Kapitel 2.2.2 erläutert, sodass an dieser Stelle auf eine erneute Erläuterung verzichtet wird. Die benötigte Anlagenbelegzeit für die Produktion der Absatzhöchstmengen der Produk­

468 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

te A, B und C beträgt 122.000 Minuten. In der hier gegebenen Situation sind lediglich 110.000 Minuten verfügbar, sodass bereits vor der Kenntnisnahme des Zusatzauftrags ein Engpass vorlag. Es ist aber auch ebenso möglich, dass erst durch einen Zusatz­ auftrag eine engpasswirksame Kapazitätsbeschränkungen entsteht. Anhand der rela­ tiven Deckungsbeiträge ergibt sich folgendes Produktionsprogramm: Produkt

A

B

C

Stückdeckungsbeitrag Belegzeit der Anlage je LE relativer Deckungsbeitrag maximale Absatzmenge Produktionspriorität Fertigungsmenge Anlagenbelegzeit gesamt

30 € 20 Min. 1,50 €/Min. 2.600 LE 2 2.600 LE 52.000 Min.

25 € 10 Min. 2,50 €/Min. 4.000 LE 1 4.000 LE 40.000 Min.

42 € 30 Min. 1,40 €/Min. 1.000 LE 3 600 LE 18.000 Min.

Produkt C wird in der Produktionsrangfolge mit geringster Priorität berücksichtigt; es kann aufgrund des vorliegenden Engpasses mit nur 600 Leistungseinheiten hervor­ gebracht werden. Die weiteren Schritte der Entscheidungsvorbereitung erfolgen nun in Abhängigkeit des Leistungsvolumens des Zusatzauftrags (Fälle 1 und 2). Beispiel – Fall 1 (1.000 LE) Schritt 2: Berücksichtigung der Opportunitätskosten bei der Preisuntergrenze Die Auftragsmenge von Produkt P beträgt 1.000 Einheiten. Im ersten Schritt wird be­ rechnet, welche Produkte in welcher Menge verdrängt werden müssen, um den Zu­ satzauftrag realisieren zu können: BP = eqP ⋅ bP = 1.000 LE ⋅ 15 Min. = 15.000 Min. Bei einer Auftragsmenge von 1.000 Leistungseinheiten nimmt Produkt P die Anlagen­ kapazität mit 15.000 Minuten in Anspruch. Produkt C besitzt den geringsten relativen Deckungsbeitrag und wäre mit höchster Priorität zu eliminieren. Da die Engpassbe­ lastung von Produkt C insgesamt 18.000 Minuten beträgt, würde Produkt C in einem Umfang von 500 Leistungseinheiten [15.000 Min. : 30 Min./LE] verdrängt werden. Mit jeder nicht produzierten Einheit des Produkts C kann der entsprechende Stück­ deckungsbeitrag nicht erwirtschaftet werden; die Opportunitätskosten ergeben sich damit wie folgt: Ko;P = qC ⋅ dbC = 500 LE ⋅ 42 € = 21.000 € ko;P = Ko;P : eqP = 21.000 € : 1.000 LE = 21 €/LE Wird der Zusatzauftrag angenommen, wird ein Periodendeckungsbeitrag von Pro­ dukt C in Höhe von 21.000 € verdrängt, d. h. die Opportunitätskosten entsprechen insgesamt dieser Höhe. Da 1.000 Leistungseinheiten von Produkt P produziert werden sollen, betragen die Opportunitätsstückkosten 21 €. Die Summe der Opportunitäts­

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen | 469

stückkosten und der variablen Kosten von Produkt P stellt die kurzfristige Preisunter­ grenze dar (vgl. Freidank 2012: 320f; vgl. Ossadnik 2009: 274f): PUGP = kv;P + ko;C = kv;P + (∑ qC ⋅ dbC ) : eqP Da das Produkt P variable Stückkosten in Höhe von 50 €/LE verursacht, ergibt sich die kurzfristige Preisuntergrenze mit: PUGP = kv;P + ko;P = 50 €/LE + (500 LE ⋅ 42 €/LE) : 1.000 LE PUGP = kv;P + ko;P = 50 €/LE + 21 €/LE = 71 €/LE Die Cycle GmbH sollte einen Zusatzauftrag, der die Produktion von 1.000 Einheiten des Produkts P beinhaltet, nur dann annehmen, wenn die Preisuntergrenze von 71 € pro produzierter Einheit nicht unterschritten wird. Sollte die Cycle GmbH den Zusatz­ auftrag annehmen, setzte sich das optimale Produktionsprogramm wie folgt zu­ sammen: Produkt

A

B

C

P

Produktionsmenge

2.600 LE

4.000 LE

100 LE

1.000 LE

Schritt 3: Prüfung der Preisuntergrenze Abschließend wird geprüft, ob die Preisuntergrenze korrekt bestimmt wurde. Die Preisuntergrenze des Zusatzauftrags stellt jenen kritischen Preis dar, bei dessen Un­ terschreitung die Produktion des ursprünglichen Produktionsprogramms die vorteil­ haftere Alternative repräsentiert. Die beiden Alternativen müssen demnach einen identischen Gesamtdeckungsbeitrag erwirtschaften, wenn beim Zusatzauftrag ein Verkaufspreis in Höhe der Preisuntergrenze akzeptiert wird: Annahme des Zusatzauftrags zur Preisuntergrenze: dbP = 71 € − 50 € = 21 € DBA = 2.600 LE ⋅ 30 € = 78.000 € DBB = 4.000 LE ⋅ 25 € = 100.000 € DBC = 100 LE ⋅ 42 € = 4.200 € DBP = 1.000 LE ⋅ 21 € = 21.000 € DB = 78.000 € + 100.000 € + 4.200 € + 21.000 € = 203.200 € Ablehnung des Zusatzauftrags: DBA = 2.600 LE ⋅ 30 € = 78.000 € DBB = 4.000 LE ⋅ 25 € = 100.000 € DBC = 600 LE ⋅ 42 € = 25.200 € DB = 78.000 € + 100.000 € + 25.200 € = 203.200 €

470 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Beispiel – Fall 2 (5.000 LE) Schritt 2: Berücksichtigung der Opportunitätskosten bei der Preisuntergrenze Das Produkt P soll in einem Umfang von 5.000 Leistungseinheiten produziert werden. Die Vorgehensweise im Vergleich zu Fall 1 ändert sich nicht: BP = eqP ⋅ bP = 5.000 LE ⋅ 15 Min. = 75.000 Min. Für die Realisierung der Auftragsmenge von 5.000 Einheiten des Produkts P muss die Anlage mit 75.000 Minuten beansprucht werden. Die Produkte A und C, die in der Produktionsrangfolge mit den Prioritäten 2 und 3 gelistet sind, werden vollständig eliminiert, da sie die Anlage gemeinsam schon mit 70.000 Minuten belegen. Dem­ nach werden 2.600 Leistungseinheiten [52.000 Min. : 20 Min./LE] von Produkt A und 600 Leistungseinheiten [18.000 Min. : 30 Min./LE] von Produkt C verdrängt. Die verbleibenden 5.000 Minuten gehen zulasten der Produktionszeit von Produkt B, wo­ durch 500 Leistungseinheiten [5.000 Min. : 10 Min./LE] verdrängt werden. Da das Produkt P variable Stückkosten in Höhe von 50 €/LE verursacht, ergibt sich die kurz­ fristige Preisuntergrenze mit: PUGP = kv;P + ko;P = 50 €/LE + 23,14 €/LE = 73,14 €/LE variable Kosten

K v;P

5.000 LE ⋅ 50 €

Verdrängung DBi

C A B

600 LE ⋅ 42 € 2.600 LE ⋅ 30 € 500 LE ⋅ 25 €

P

365.700 € : 5.000 LE

PUG

250.000 € 25.200 € 78.000 € 12.500 €

115.700 € 365.700 € 73,14 €

Werden 5.000 Leistungseinheiten von Produkt P gefertigt, entstehen durch die ver­ drängten Produkte Opportunitätskosten in Höhe von 115.700 €. Unter Berücksich­ tigung der entstehenden variablen Kosten wird eine Preisuntergrenze von 73,14 €/LE berechnet. Die Cycle GmbH sollte einen Zusatzauftrag, der die Produktion von 5.000 Leistungseinheiten des Produkts P beinhaltet, nur dann annehmen, wenn die Preisuntergrenze von 73,14 € pro produzierter Einheit nicht unterschritten wird. Anderenfalls sollte das ursprüngliche Produktionsprogramm realisiert werden. Sollte der Zusatzauftrag angenommen werden, setzte sich das optimale Produktionspro­ gramm wie folgt zusammen: Produkt

A

B

C

P

Produktionsmenge

0 LE

3.500 LE

0 LE

5.000 LE

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen | 471

Schritt 3: Prüfung der Preisuntergrenze Zur Überprüfung soll abschließend der Gesamtdeckungsbeitrag des Zusatzauftrags er­ rechnet werden, wenn dieser zur Preisuntergrenze angenommen wird. Aus Fall 1 ist bekannt, dass bei der Realisierung des ursprünglichen Produktionsprogramms ein Gesamtdeckungsbeitrag in Höhe von 203.200 € erwirtschaftet wird. Annahme des Zusatzauftrags zur Preisuntergrenze: dbP = 73,14 € − 50 € = 23,14 € DBA = 0 LE ⋅ 30 € = 0 € DBB = 3.500 LE ⋅ 25 € = 87.500 € DBC = 0 LE ⋅ 42 € = 0 € DBP = 5.000 LE ⋅ 23,14 € = 115.700 € DB = 0 € + 87.500 € + 0 € + 115.700 € = 203.200 € Unter der Annahme, dass kein Zusatzauftrag existiert und die Produkte des Produkti­ onsprogramms um einen Engpass konkurrieren, werden nachfolgend die Preisunter­ grenzen der Produkte bestimmt, die andere Produkte verdrängen. Die Preisuntergren­ ze gibt unter diesem Umstand jenen kritischen Preis an, bis zu dem die Produktion des „Verdrängers“ vorteilhafter ist als die Produktion des „Verdrängten“. Die Ermitt­ lung der Preisuntergrenze erfolgt nach demselben Schema wie beim Vorliegen eines Zusatzauftrags (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 405ff): Beispiel Das zu Beginn von Teil F, Kapitel 3.2.2 zitierte Fallbeispiel wird erneut thematisiert. Die von allen drei Produkten beanspruchte technische Anlage steht in der kommen­ den Periode (Geschäftsjahr) mit 89.000 Minuten zur Verfügung. Um die Produkte A, B und C in ihren Absatzhöchstmengen produzieren zu können, müsste die Maschine mit 122.000 Minuten zur Verfügung stehen (siehe Teil F, Kapitel 2.2.2). Die Kapazität ist demnach um 33.000 Minuten zu gering. Es gilt weiterhin: Produkt

A

B

C

Stückdeckungsbeitrag Belegzeit der Anlage je LE relativer Deckungsbeitrag maximale Absatzmenge Produktionspriorität Anlagenbelegzeit gesamt

30 € 20 Min. 1,50 €/Min. 2.600 LE 2 52.000 Min.

25 € 10 Min. 2,50 €/Min. 4.000 LE 1 40.000 Min.

42 € 30 Min. 1,40 €/Min. 1.000 LE 3 30.000 Min.

472 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Es wird angenommen, dass bei Produkt B Absatzeinbußen bestehen, sodass der Ver­ kaufspreis gesenkt werden soll. Bei der Ermittlung der Preisuntergrenze müssen die Opportunitätskosten berücksichtigt werden, die durch die Verdrängung der Produk­ te A und C entstehen. Das Produkt B verdrängt aufgrund der engpasswirksamen Kapazitätsbeschrän­ kung und aufgrund seines höheren relativen Deckungsbeitrags das Produkt C voll­ ständig sowie das Produkt A mit 3.000 Minuten bzw. mit 150 Einheiten [3.000 Min. : 20Min./LE]. Der Engpass wird von Produkt B mit insgesamt 3.300 Einheiten [33.000 Min. : 10 Min./LE] in Anspruch genommen. Die Opportunitätskosten be­ ziehen sich somit auf diese 3.300 Leistungseinheiten. Da das Produkt B variable Stückkosten in Höhe von 35 €/LE verursacht, ergibt sich die kurzfristige Preisuntergrenze mit: PUGB = kv;B + ko;B = 35 €/LE + (1.000 LE ⋅ 42 €/LE + 150 LE ⋅ 30 €/LE) : 3.300 LE PUGB = kv;B + ko;B ≈ 49,09 €/LE Diese Preisuntergrenze sagt aus, dass der Engpass zugunsten der verdrängenden 3.300 Leistungseinheiten von Produkt B genutzt werden sollte, solange der Absatz­ preis von Produkt B nicht unter 49,09 €/LE liegt. Sofern der Absatzpreis unter die­ se Preisuntergrenze fällt, ist es kostenrechnerisch vorteilhafter, wenn der Engpass mit den zuvor verdrängten 150 Einheiten von Produkt A und den zuvor verdrängten 1.000 Einheiten von Produkt C beansprucht wird. Folgendes optimales Produkti­ onsprogramm ergibt sich, wenn der Absatzpreis von Produkt B größer als 49,09 € ist: Produkt

A

B

C

Fertigungsmenge

2.450 LE

4.000 LE

0 LE

Folgendes optimales Produktionsprogramm wäre zu realisieren, wenn der Absatz­ preis von Produkt B kleiner als 49,09 € ist – jedoch mindestens den variablen Stück­ kosten entspricht: Produkt

A

B

C

Fertigungsmenge

2.600 LE

700 LE

1.000 LE

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen |

473

Sinkt der Verkaufspreis von Produkt B bis auf die Preisuntergrenze, erwirtschaften beide Alternativen denselben Gesamtdeckungsbeitrag: Beanspruchung des Engpasses durch Produkt B: dbB = 49,09 € − 35 € = 14,09 € DBA = 2.450 LE ⋅ 30 € = 73.500 € DBB = 4.000 LE ⋅ 14,09 € = 56.360 € DBC = 0 LE ⋅ 42 € = 0 € DB = 73.500 € + 56.360 € + 0 € = 129.860 € Beanspruchung des Engpasses durch die Produkte A und C: dbB = 49,09 € − 35 € = 14,09 € DBA = 2.600 LE ⋅ 30 € = 78.000 € DBB = 700 LE ⋅ 14,09 € = 9.863 € DBC = 1.000 LE ⋅ 42 € = 42.000 € DB = 78.000 € + 9.863 € + 42.000 € = 129.863 €

(3 € Rundungsdifferenz)

Fazit – Bei einer bestehenden Unterbeschäftigung entspricht die kurzfristige Preisunter­ grenze eines Produkts den variablen Stückkosten. Eine Unterschreitung führt zu einem negativen Stückdeckungsbeitrag. – Bei Produkten mit negativem Stückdeckungsbeitrag hätte die kurzfristige Stillle­ gung der Produktion bzw. die Ablehnung des jeweiligen Zusatzauftrags optimie­ rende Wirkung. Deshalb wird diese Preisuntergrenze auch als absolute Preisun­ tergrenze bezeichnet. – Beim Vorliegen eines Engpasses hängt die Annahme eines Zusatzauftrags bzw. die Produktion eines Produkts aus dem Produktionsprogramm immer mit der Verdrängung von anderen Produkten aus dem Produktionsprogramm zusam­ men. Die Preisuntergrenze setzt sich daher aus den variablen Kosten und den Opportunitätskosten zusammen. – Es werden zunächst jene Produkte verdrängt, die den geringsten relativen De­ ckungsbeitrag besitzen. Die Beanspruchung des Engpasses durch ein Produkt oder einen Zusatzauftrag sollte nur dann fortgesetzt werden, wenn der Absatz­ preis die berechnete Preisuntergrenze nicht unterschreitet. Anderenfalls ist die Alternative zu wählen. – Bei Vorliegen einer engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkung handelt es sich um relative Preisuntergrenzen, da die Unterschreitung lediglich zur Optimalität der Alternative führt.

474 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

3.3 Kurzfristige Preisobergrenzen Während die Gestaltung der Absatzpreise absatz- oder marketingpolitischen Zielen des Unternehmens unterworfen ist, liegt die Gestaltung der Preise für die Beschaf­ fungsgüter zur Leistungserstellung im Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Lieferanten. Steigen die Beschaffungspreise, sinken zwangsläufig die Deckungsbei­ träge der Produkte, bei denen das entsprechende Beschaffungsgut in die Leistungser­ stellung einfließt, da sich die variablen Stückkosten erhöhen. Folglich verringert sich das Betriebsergebnis (vgl. Ossadnik 2009: 222). Als Preisobergrenze wird der kritische Preis bezeichnet, den ein Unternehmen für ein Beschaffungsgut, das in die Leistungs­ erstellung einfließt, maximal bereit ist einzusetzen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 142). Um die Produktion aufrechtzuerhalten, kann es bei kurzfristigen Preiserhöhungen der Inputfaktoren, beispielsweise ausgelöst durch plötzliche Lieferengpässe, sinnvoll sein, einen Beschaffungspreis zu akzeptieren, bei dem zwar kein Gewinn erwirtschaf­ tet wird, jedoch mindestens die variablen Kosten durch die Erlöse gedeckt werden. Darüber hinaus dienen Preisobergrenzen als Entscheidungshilfe über die Annahme oder Ablehnung von Zusatzaufträgen, bei denen der Absatzpreis bekannt ist, aber noch Preisverhandlungen über den Inputfaktor mit einem Lieferanten geführt wer­ den (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 142ff; vgl. Coenenberg et al. 2016a: 432ff). Da sich auch Beschaffungspreise innerhalb einer Periode ständig verändern können, bezieht sich die kurzfristig wirksame Entscheidung als Periodenentscheidung auf die Bestim­ mung der Preisobergrenze. Dafür werden nachfolgend stets konstante Stückerlöse an­ genommen. Auch die Bestimmung der Preisobergrenze hängt davon ab, ob in der Entscheidungssituation eine Unterbeschäftigung oder eine Kapazitätsbeschränkung vorliegt.

3.3.1 Preisobergrenzen bei Unterbeschäftigung In einem Mehrproduktunternehmen, in dem derselbe Inputfaktor in mehrere Endpro­ dukte eingeht, ist eine produktspezifische Preisobergrenze für jedes Produkt zu ermit­ teln (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 142ff). Da die aktuellen Kosten des Inputfaktors be­ reits in den variablen Stückkosten enthalten sind, müssen sie für die Berechnung der Preisobergrenze wieder ausgeschlossen werden. Es gilt für die bereinigten variablen Stückkosten: ḱ v;i = kv;i − fi ⋅ pF Werden von den Stückerlösen (Verkaufspreis) die von den Inputfaktorpreisen berei­ nigten variablen Stückkosten subtrahiert, entspricht dieser Wert dem Preisspielraum, der durch die Beschaffungsgüter in Anspruch genommen werden kann – sodass die Stückerlöse die variablen Stückkosten noch decken können (db = 0). Wird diese Preisobergrenze überschritten, wird ein negativer Stückdeckungsbeitrag erwirtschaf­ tet, sodass die Beschaffung des Inputfaktors stoppt und damit die Produktion des

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen |

475

Absatzprodukts stillgelegt wird. Die Preisobergrenze für einen Inputfaktor ergibt sich somit wie folgt (vgl. Ossadnik 2009: 222): POGi = (ei − ḱ v;i ) : fi



db = 0

Beispiel Das in Teil F, Kapitel 2.2.1 dargestellte Fallbeispiel wird wieder aufgegriffen. In dem Mehrproduktbetrieb der Cycle GmbH geht der Inputfaktor Rohstoff in alle drei Pro­ dukte ein. Der aktuelle Preis für 1 kg beträgt 4 €. Die Beschaffungskosten sind in den variablen Stückkosten der drei Produkte bereits inbegriffen. Nach wie vor gelten fol­ gende Daten: Produkt

A

B

C

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge benötigte Rohstoffmenge je LE

104 € 74 € 2.600 LE 5 kg

60 € 35 € 4.000 LE 2 kg

142 € 100 € 1.000 LE 3 kg

Aufgrund der anzunehmenden Unterbeschäftigung können die Produkte A, B und C jeweils mit ihren Absatzhöchstmengen hergestellt werden. Nachfolgend werden ex­ emplarisch die produktspezifischen Preisobergrenzen für die Beschaffung einer Roh­ stoffeinheit bestimmt. Da die variablen Stückkosten den aktuellen Beschaffungspreis des Rohstoffs be­ rücksichtigen, muss dieser zunächst eliminiert werden: k󸀠v;A = kv;A − fA ⋅ pF = 74 € − 5 kg ⋅ 4 € = 54 € k󸀠v;B = kv;B − fB ⋅ pF = 35 € − 2 kg ⋅ 4 € = 27 € k󸀠v;C = kv;C − fC ⋅ pF = 100 € − 3 kg ⋅ 4 € = 88 € Erst auf dieser Informationsbasis können die Preisobergrenzen bestimmt werden POGA = (104 € − 54 €) : 5 kg = 10,00 €/kg POGB = (60 € − 27 €) : 2 kg = 16,50 €/kg POGC = (142 € − 88 €) : 3 kg = 18,00 €/kg Die Preisobergrenzen der Produkte A, B und C stellen jene kritischen Preise dar, bei deren Überschreitung die variablen Stückkosten die Stückerlöse überschreiten. Wird der Rohstoff zu der jeweiligen produktspezifischen Preisobergrenze bezogen, pro­ duzieren die jeweiligen Produkte einen Stückdeckungsbeitrag von null: kv;A = k󸀠v;A + fA ⋅ POGA = 54 € + 5 kg ⋅ 10 € = 104 € = eA → db = 0 kv;B = k󸀠v;B + fB ⋅ POGB = 27 € + 2 kg ⋅ 16,50 € = 60 € = eB → db = 0 kv;C = k󸀠v;C + fC ⋅ POGC = 88 € + 3 kg ⋅ 18 € = 142 € = eC → db = 0

476 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Die Preisobergrenze von Produkt C stellt die absolute Preisobergrenze dar. Bei ihrer Überschreitung wird kurzfristig kein Rohstoff mehr bestellt, wodurch die Produkti­ on vollständig zum Erliegen kommt (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 169f). Das Produk­ tionsprogramm und der gesamte Rohstoffbedarf hängen von dem Rohstoffpreis ab. Nachfolgend aufgeführte Szenarien sind möglich: Szenario 1: pF ≤ 10,00 € Produkt

A

B

C

Fertigungsmengen Rohstoffbedarfe

2.600 LE 13.000 kg

4.000 LE 8.000 kg

1.000 LE 3.000 kg

Rohstoffbedarf gesamt

24.000 kg

Szenario 2: 10,00 € < pF ≤ 16,50 € Produkt

A

B

C

Fertigungsmengen Rohstoffbedarfe

0 LE –

4.000 LE 8.000 kg

1.000 LE 3.000 kg

Rohstoffbedarf gesamt

11.000 kg

Szenario 3: 16,50 € < pF ≤ 18,00 € Produkt

A

B

C

Fertigungsmengen Rohstoffbedarfe

0 LE –

0 LE –

1.000 LE 3.000 kg

Rohstoffbedarf gesamt

3.000 kg

Szenario 4: pF > 18,00 € Produkt

A

B

C

Fertigungsmengen Rohstoffbedarfe

0 LE –

0 LE –

0 LE –

Rohstoffbedarf gesamt



Gelegentlich wird für Mehrproduktunternehmen eine Preisobergrenze vorgeschlagen, die für alle Produkte mit demselben Inputfaktor Gültigkeit haben soll (vgl. Ossad­ nik 2009: 223f). Dies erweist sich jedoch als wenig aussagekräftig, sobald keine Ver­ bundbeziehungen zwischen den einzelnen Produkten bestehen, da bereits vor dem Erreichen der allgemeingültigen Preisobergrenze einzelne Produkte die produktspe­ zifische Preisobergrenze überschritten haben können.

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen |

477

Die Bestimmung der Preisobergrenze eines Zusatzauftrags erfolgt nach demsel­ ben Schema. Der zu realisierende Zusatzauftrag wird bei einer Unterbeschäftigung immer angenommen, wenn die Preisobergrenze nicht überschritten wird (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 142ff).

3.3.2 Preisobergrenzen bei engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkungen Aus den bisherigen Erläuterungen (siehe Teil F, Kapitel 3.2.2) ist bekannt, dass Pro­ dukte, die einen vorliegenden Engpass in Anspruch nehmen, Deckungsbeiträge der Produkte verdrängen, die den Engpass aufgrund eines geringeren relativen Deckungs­ beitrags nicht oder nur teilweise beanspruchen. Um die Preisobergrenze eines Pro­ dukts bei einer engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkung zu bestimmen, müssen Opportunitätskosten in die Überlegungen einbezogen werden. Anhand zweier Bei­ spiele wird gezeigt, wie Preisobergrenzen bei einem Konkurrenzkampf innerhalb des Produktionsprogramms sowie bei einem Konkurrenzkampf aufgrund eines mögli­ chen Zusatzauftrags zu bestimmen sind. Aus Vereinfachungsgründen wird lediglich ein Rohstoffgut betrachtet, das in nur ein Endprodukt eingeht. Ausgehend von der Ermittlung der Preisuntergrenzen bei Kapazitätsbeschränkungen gilt nunmehr (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 433f): POGi = (ei − ḱ v;i ) : fi − ko;i POGi = (ei − ḱ v;i ) : fi − ((∑ qk ⋅ dbk ) : eqi ) : fi Beispiel Das in Teil F, Kapitel 3.2.2 dargestellte Beispiel wird wieder aufgegriffen. Nach wie vor gelten folgende Daten: Produkt

A

B

C

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge Belegzeit der Anlage je LE

104 € 74 € 2.600 LE 20 Min.

60 € 35 € 4.000 LE 10 Min.

142 € 100 € 1.000 LE 30 Min.

Die Fertigungsanlage steht der Cycle GmbH in der anstehenden Periode lediglich in einem Umfang von 110.000 Minuten zur Verfügung. Unter Berücksichtigung des vor­ liegenden Engpasses wurde das Produktionsprogramm für die anstehende Periode wie folgt bestimmt (vgl. hierzu die Ausführungen zur Bestimmung des Produktions­ programms bei einem vorliegenden Engpass in Teil F, Kapitel 2.2.2):

478 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Produkt

A

B

C

Stückdeckungsbeitrag Belegzeit der Anlage je LE relativer Deckungsbeitrag Produktionspriorität Fertigungsmengen Anlagenbelegzeit gesamt

30 € 20 Min. 1,50 €/Min. 2 2.600 LE 52.000 Min.

25 € 10 Min. 2,50 €/Min. 1 4.000 LE 40.000 Min.

42 € 30 Min. 1,40 €/Min. 3 600 LE 18.000 Min.

Für die Produktion des Produkts B wird ein spezieller Rohstoff benötigt, der mit 4 kg pro Leistungseinheit in die Produktion einfließt. Der Beschaffungspreis eines Kilo­ gramms beträgt momentan 5 €; er ist in den variablen Stückkosten bereits berücksich­ tigt. Es wird erwartet, dass der Beschaffungspreis steigen wird. Die Cycle GmbH möch­ te berechnet wissen, bis zu welcher Preisobergrenze die Produktion des Produkts B aus kostenrechnerischer Perspektive zu empfehlen ist. Die variablen Stückkosten des Produkts B beinhalten den Beschaffungspreis für 4 kg des Rohstoffs; die variablen Stückkosten müssen somit zunächst bereinigt wer­ den: k󸀠v;B = kv;B − fB ⋅ pF = 35 € − 4 kg ⋅ 5 € = 15 € Würde keine Kapazitätsbeschränkung vorliegen, könnte die Preisobergrenze wie in Teil F, Kapitel 3.3.1 berechnet werden: POGB = (eB − k󸀠v;B ) : fB POGB = (60 € − 15 €) : 4 kg = 11,25 €/kg Die für eine Unterbeschäftigung berechnete Preisobergrenze muss um die auf eine Rohstoffeinheit bezogenen Opportunitätskosten vermindert werden. Bei einer Unter­ beschäftigung können die Beschaffungspreise und damit die variablen Stückkosten so weit steigen, bis ein Stückdeckungsbeitrag von null erzielt wird. Im Vergleich zur Unterbeschäftigung muss sich daher eine geringere Preisobergrenze bilden, damit die verdrängten Deckungsbeiträge mit einem positiven Stückdeckungsbeitrag kom­ pensiert werden können (vgl. Kalenberg 2013: 283f). Die Berechnung der Opportunitätskosten ist bereits aus der Ermittlung der Preis­ untergrenzen bekannt. Der einzige Unterschied liegt darin, dass die Opportunitäts­ kosten nicht auf eine Leistungseinheit des Produkts berechnet werden, sondern auf eine in das Endprodukt einfließende Einheit des Inputfaktors (vgl. Freidank 2012: 357ff; vgl. Kalenberg 2013: 283f). Die Anlagenkapazität ist um 12.000 Minuten zu gering, um alle Produkte des Produktionsprogramms in ihrer Absatzhöchstmen­ ge hervorbringen zu können. Produkt C wird daher mit 400 Einheiten verdrängt [12.000 Min. : 30 Min./LE], wodurch Opportunitätskosten in Höhe von 16.800 €

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen | 479

[400 LE ⋅ 42 €/LE] entstehen. Produkt B, das aufgrund des höheren relativen De­ ckungsbeitrags nicht verdrängt wird, nimmt diese 12.000 Minuten mit 1.200 Einheiten in Anspruch [12.000 Min. : 10 Min./LE]. Es entstehen also Opportunitätsstückkosten in Höhe von 14 € [16.800 € : 1.200 LE]. Da in Produkt B insgesamt 4 kg des spezi­ ellen Rohstoffs einfließen, erzeugt 1 kg des Rohstoffs Opportunitätskosten in Höhe von 3,50 € [14 € : 4 kg]. Die für eine Unterbeschäftigung berechnete Preisobergrenze muss um die Opportunitätskosten für eine Rohstoffeinheit vermindert werden, sodass eine engpassbezogene Preisobergrenze von 7,75 € [11,25 € − 3,50 €] besteht. Es gilt also die zu Beginn von Teil F, Kapitel 3.3.2 dargestellte Formel (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 433f): POGB = (eB − k󸀠v;B ) : fB − ((∑ qC ⋅ dbC ) : eqB ) : fB POGB = (60 € − 15 €) : 4 kg − ((400 LE ⋅ 42 €/LE) : 1.200 LE) : 4 kg POGB = 11,25 €/kg − 3,50 €/kg = 7,75 €/kg Sobald der Beschaffungspreis des speziellen Rohstoffs die Preisobergrenze von 7,75 €/kg übersteigt, ist es kostenrechnerisch vorteilhaft, wenn Produkt C mit der Absatzhöchstmenge produziert wird und dadurch den Engpass in Anspruch nimmt. Solange der Beschaffungspreis nicht über 11,25 €/kg steigt, erwirtschaftet Produkt B einen positiven Stückdeckungsbeitrag und wird weiterhin produziert. Das Produkt C würde bei der Inanspruchnahme des Engpasses insgesamt 1.200 Leistungseinheiten [12.000 Min. : 10 Min./LE] des Produkts B verdrängen. Folgendes Produktionspro­ gramm wäre ergebnisoptimal, wenn der Beschaffungspreis des speziellen Rohstoffs kleiner als 7,75 €/kg ist: Produkt

A

B

C

Fertigungsmengen

2.600 LE

4.000 LE

600 LE

Wenn der Beschaffungspreis des speziellen Rohstoffs größer als 7,75 €/kg, aber klei­ ner als 11,25 €/kg ausfällt, wäre nachfolgendes Produktionsprogramm optimal: Produkt

A

B

C

Fertigungsmengen

2.600 LE

2.800 LE

1.000 LE

Wird für den speziellen Rohstoff ein Beschaffungspreis in Höhe der Preisobergrenze akzeptiert, ist es aus kostenrechnerischer Perspektive irrelevant, ob Produkt B oder Produkt C den Engpass in Anspruch nimmt. Beide Alternativen würden denselben

480 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Gesamtdeckungsbeitrag erzielen: Beanspruchung des Engpasses durch Produkt B: kv;B = 15 € + 4 kg ⋅ 7,75 €/kg = 46 € dbB = 60 € − 46 € = 14 € DBA = 2.600 LE ⋅ 30 € = 78.000 € DBB = 4.000 LE ⋅ 14 € = 56.000 € DBC = 600 LE ⋅ 42 € = 25.200 € DB = 78.000 € + 56.000 € + 25.200 € = 159.200 € Beanspruchung des Engpasses durch Produkt C: kv;B = 15 € + 4 kg ⋅ 7,75 €/kg = 46 € dbB = 60 € − 46 € = 14 € DBA = 2.600 LE ⋅ 30 € = 78.000 € DBB = 2.800 LE ⋅ 14 € = 39.200 € DBC = 1.000 LE ⋅ 42 € = 42.000 € DB = 78.000 € + 39.200 € + 42.000 € = 159.200 € Besteht die Möglichkeit, einen Zusatzauftrag anzunehmen, wodurch Produkte aus dem Produktionsprogramm aufgrund zu geringer freier Kapazitäten verdrängt werden müssen, ist die Preisobergrenze nach demselben Schema zu bestimmen (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 142ff). Auf eine diesbezüglich detaillierte Erläuterung wird daher im nachfolgenden Beispiel verzichtet. Beispiel Die Cycle GmbH rechnet damit, dass die Fertigungsanlage für die anstehende Periode insgesamt 122.000 Minuten zur Verfügung steht. Unter Ausschöpfung der gesamten Anlagenlaufzeit ist es möglich, das Produktionsprogramm vollständig hervorzubrin­ gen: Produkt

A

B

C

Stückdeckungsbeitrag Belegzeit der Anlage je LE relativer Deckungsbeitrag Produktionspriorität Fertigungsmengen Anlagenbelegzeit gesamt

30 € 20 Min. 1,50 €/Min. 2 2.600 LE 52.000 Min.

25 € 10 Min. 2,50 €/Min. 1 4.000 LE 40.000 Min.

42 € 30 Min. 1,40 €/Min. 3 1.000 LE 30.000 Min.

Alternativ könnte die Cycle GmbH den folgenden Zusatzauftrag (Produkt Q) anneh­ men:

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen |

Produkt

Q

Stückerlös variable Stückkosten Auftragsmenge des Zusatzauftrages Belegzeit der Anlage je LE

165 € 50 € 3.000 LE 18 Min./LE

481

In der Produktion verbraucht das Produkt Q mit jeder Einheit 4 m2 eines bestimmten Profilblechs aus Aluminium. Der Aluminiumpreis wurde mit dem Lieferanten noch nicht verhandelt; er ist folglich in den variablen Stückkosten noch nicht enthalten. Die Cycle GmbH möchte nun vom Controlling die Preisobergrenze für einen Quadratmeter Aluminium erfahren, bis zu der der Zusatzauftrag angenommen werden sollte. Der gesamte Zusatzauftrag beanspruchte den Engpass mit 54.000 Minuten [3.000 LE ⋅ 18 Min./LE]. Produkt C besitzt den geringsten relativen Deckungsbei­ trag und wird durch den Zusatzauftrag vollständig eliminiert, da es den Engpass insgesamt mit nur 30.000 Minuten beansprucht. Die verbleibenden 24.000 Minu­ ten reduzierten somit die Produktionszeit des Produkts A, da es den zweitnied­ rigsten relativen Deckungsbeitrag ausweist; es würden 1.200 Leistungseinheiten [24.000 Min. : 20 Min./LE] verdrängt: POGQ = (165 € − 50 €) : 4 m2 − (42.000 € + 36.000 €) : 3.000 LE) : 4 m2 POGQ = 28,75 €/m2 − 6,50 €/m2 = 22,25 €/m2 Annahme des Zusatzauftrags (zur Preisobergrenze) Folgendes Produktionsprogramm und nachfolgend berechneter Bruttoerfolg werden realisiert, wenn der Zusatzauftrag angenommen wird: Produkt

A

B

C

Q

Produktionsmenge

1.400 LE

4.000 LE

0 LE

3.000 LE

Annahme des Zusatzauftrags zur Preisobergrenze kv;Q = 50 € + 4 m2 ⋅ 22,25 €/m2 = 139 € dbQ = 165 € − 139 € = 26 € DBA = 1.400 LE ⋅ 30 € = 42.000 € DBB = 4.000 LE ⋅ 25 € = 100.000 € DBC = 0 LE ⋅ 42 € = 0 € DBQ = 3.000 LE ⋅ 26 € = 78.000 € DB = 42.000 € + 100.000 € + 0 € + 78.000 € = 220.000 €

482 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Ablehnung des Zusatzauftrags Sofern der Zusatzauftrag abgelehnt wird, resultieren folgendes Produktionsprogramm und nachfolgend aufgeführtes Bruttoergebnis: Produkt

A

B

C

Q

Produktionsmenge

2.600 LE

4.000 LE

1.000 LE

0 LE

Ablehnung des Zusatzauftrags DBA = 2.600 LE ⋅ 30 € = 78.000 € DBB = 4.000 LE ⋅ 25 € = 100.000 € DBC = 1.000 LE ⋅ 42 € = 42.000 € DB = 78.000 € + 100.000 € + 42.000 € = 220.000 € In Teil F, Kapitel 3.3.2 wurde ein Beschaffungsobjekt isoliert betrachtet, während die restlichen Inputfaktoren als konstant angesehen wurden. Diese Annahme ist nicht unproblematisch, da bei Produktionsprozessen i. d. R. eine Kombination von mehre­ ren Einsatzgütern erfolgt. Preisobergrenzen können für einen einzelnen Inputfaktor nur dann bestimmt werden, wenn die Preise der übrigen Inputfaktoren bereits festlie­ gen oder – wie in den vorliegenden Beispielen – als konstant betrachtet werden (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 146ff). Fazit – Für die Bestimmung der kurzfristigen Preisobergrenze beim Vorliegen einer Un­ terbeschäftigung werden variable Stückkosten verwendet, die vom Preis der In­ putfaktoren bereinigt wurden. Die Differenz aus dem Verkaufspreis und den be­ reinigten variablen Stückkosten eines Produkts gibt jenen Wert an, der durch die Kosten der Beschaffungsgüter maximal in Anspruch genommen werden kann, um einen Stückdeckungsbeitrag von null zu erzielen. Die Division dieses Wertes durch die benötigte Inputfaktormenge des Produkts ergibt die produktspezifische Preisobergrenze für eine Einheit des entsprechenden Inputfaktors. – Geht ein Inputfaktor in mehrere Endprodukte ein, sollte die produktspezifische Preisobergrenze für jedes einzelne Produkt ermittelt werden. Wird die Preisober­ grenze überschritten, wird das Beschaffungsgut nicht mehr bezogen; die Produk­ tion des Endprodukts wird kurzfristig gestoppt.

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen | 483





Für die Bestimmung der Preisobergrenzen beim Vorliegen eines Engpasses sind die Opportunitätskosten der verdrängten Deckungsbeiträge in die Berechnung aufzunehmen. Im Unterschied zu den Preisuntergrenzen beziehen sich die Op­ portunitätskosten nicht auf eine Endprodukteinheit, sondern auf eine Einheit des in die Produktion des Endprodukts einfließenden Inputfaktors. Die Beanspruchung des Engpasses durch ein Produkt oder einen Zusatzauftrag sollte nur dann fortgesetzt werden, wenn der Inputfaktorpreis die berechnete Preisobergrenze nicht überschreitet. Anderenfalls ist die Alternative zu wählen.

3.4 Langfristige Ergebnissicherung Alle bisherigen Erörterungen zeigen, dass Fixkosten für kurzfristig wirksame Ent­ scheidungen im Rahmen operativer Steuerung grundsätzlich irrelevant sind, da sie kurzfristig nicht verändert werden können und eine Unternehmung kurzfristig einen Verlust in ihrer Höhe kompensieren kann (vgl. Kalenberg 2013: 277; vgl. Joos-Sach­ se 2006: 224). Dabei sind allerdings folgende Aspekte zu bedenken: – bei der Festlegung von Preisgrenzen muss das Unternehmen berücksichtigen, welche langfristige Wirkung Preise auf die Nachfrage und auf die Zahlungsbe­ reitschaft der Kunden haben. So können beispieslweise häufige kurzfristig ent­ schiedene Preisreduktionen die Zahlungsbereitschaft dauerhaft senken, statt sie zu erhöhen. – Langfristig kann eine Unternehmung ihre Existenzsicherung nur gewährleisten, wenn zumindest die Vollkosten gedeckt werden; – auch fixe Kosten sind – ähnlich wie variable Kosten – teilweise unterjährig abbau­ bar; dies betrifft beispielsweise an technische Anlagen oder an kurzfristig kündba­ re Beschäftigungsverhältnisse gebundene Fixkosten (vgl. Eisele, Knobloch 2011: 893). Demzufolge sollten Fixkosten aus den Erwägungen, die einer kurzfristigen Entschei­ dung zugrunde liegen, nicht vollständig eliminiert werden. In Teil F, Kapitel 1.2 wurden kurzfristige Entscheidungen als Anpassungs- und Periodenentscheidungen definiert. Langfristig wirksame Entscheidungen sind demnach periodenübergrei­ fende Entscheidungen; sie können zudem durch Investitionen in den Potenzialfak­ torbestand gekennzeichnet sein (vgl. Ewert, Wagenhofer 2014: 50ff). In der Literatur wird teilweise bereits von langfristigen Preisentscheidungen gesprochen, sobald der Betrachtungszeitraum mehrere Monate umfasst (vgl. Friedl et al. 2017: 338).

484 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Jedenfalls sind in die Bildung von langfristigen Preisgrenzen im Vergleich zu kurzfristigen Preisgrenzen die Fixkosten einzubeziehen: – Langfristige Preisuntergrenzen legen den Absatzpreis eines Endprodukts fest, der zu kostendeckenden Erlösen führt. – Langfristige Preisobergrenzen hingegen legen die Beschaffungskosten für einen Inputfaktor fest, der zu erlösdeckenden Kosten führt. Je höher die Auslastung der Produktion ist, desto geringer ist die langfristige Preisun­ tergrenze bzw. desto höher ist die langfristige Preisobergrenze, da die Fixkosten auf eine größere Produktionsmenge verteilt werden können (vgl. Coenenberg et al. 2016a: 433f). Aus diesem Grund ist jede Kapazitätsanpassung bei langfristigen Nachfrage­ änderungen für langfristige Preisentscheidungen von Bedeutung (vgl. Macha 2010: 182f). Die Kostendeckung langfristiger Preisgrenzen bezieht sich hier auf Vollkosten, d. h. dass für die Berechnungen solcher Grenzen Vollkostenrechnungssysteme zu ver­ wenden sind. Die Bestimmung von Preisgrenzen auf Vollkostenbasis ist allerdings mit zwei zentralen Problemen verbunden: – Einerseits werden Fixkosten proportional auf die Fertigerzeugnisse übertragen, sodass bei Absatzschwankungen keine hinreichend verursachungsgerechten Preise gebildet werden (vgl. Eisele, Knobloch 2011: 891ff). – Andererseits müssen bei einer Proportionalisierung der Fixkosten alle Produkte des Produktionsprogramms rein rechnerisch denselben Fixkostenanteil decken. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass sich beispielsweise die Lebenszyklen, die erzielbaren Margen oder auch die Marktpositionen der Produkte unterscheiden. Bei der Preisbildung im Rahmen einer Vollkostenrechnung wird zudem das Zu­ sammenspiel von Angebot und Nachfrage vernachlässigt (vgl. Brühl 2016: 186ff; vgl. Eberlein 2010: 345f). Deshalb werden häufig sogenannte Deckungsbudgets und Solldeckungsbeiträge ver­ wendet. Sie sollen das Betriebsergebnis langfristig sichern, weil sie auf eine Vollkos­ tendeckung und darüber hinaus auf eine Gewinnerzielung abstellen. Hier stellt sich die grundlegende Frage, welcher Betrag neben dem für die variablen Kosten im Ab­ satzpreis eines Produkts enthalten sein muss, damit es neben den variablen Kosten auch die Fixkosten deckt und zudem den Gewinnzielvorgaben des Unternehmens ge­ recht wird. Dieser Betrag wird als Solldeckungsbeitrag bezeichnet (vgl. Brühl 2016: 190f; vgl. Steger 2010: 412). Abbildung F3.1 veranschaulicht die Konzeption:

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen | 485

Ergebniserwartung der Unternehmensleitung

Deckungsbudget Gesamtunternehmen

Solldeckungsbeitrag Produktgruppe A

Solldeckungsbeitrag Produktgruppe B

Solldeckungsbeitrag Produkt B1

Absatzpreis Produktvariante B1.1

Solldeckungsbeitrag Produktgruppe C

Solldeckungsbeitrag Produkt B2

Absatzpreis Produktvariante B1.2

Abb. F3.1: Die Konzeption der Preisplanung mithilfe von Solldeckungsbeiträgen (in Anlehnung an Brühl 2016: 190f).

Die Ergebniserwartung der Unternehmensleitung orientiert sich an der langfristig angestrebten Planrentabilität des Unternehmens und repräsentiert das Deckungs­ budget (vgl. Eberlein 2010: 346). Als Deckungsbudget wird der von allen Produkten zu erwirtschaftende Solldeckungsbeitrag bezeichnet. Im Rahmen der Absatzplanung werden die Solldeckungsbeiträge für Produkte und Produktgruppen der anstehenden Periode auf Basis der Deckungsbeiträge des Vorjahrs (Istdeckungsbeiträge) und un­ ter der Berücksichtigung von markt- und unternehmenspolitisch bedingten Zu- oder Abschlägen gebildet. Mit einem sogenannten Veränderungsfaktor werden die pro­ duktspezifischen Phasen der Lebenszyklen, der erzielbaren Margen oder der Markt­ positionen der Produkte berücksichtigt. Wird ein neues Produkt eingeführt, liegen keine Istdeckungsbeiträge und damit auch keine vergangenheitsbezogenen Absatz­ mengen sowie Absatzpreise als Informationsgrundlagen vor. In diesem Fall kann der Solldeckungsbeitrag ausschließlich auf Basis von Marktanalysen geschätzt wer­ den (vgl. Brühl 2016: 190ff). Zwischen dem Solldeckungsbeitrag und dem Deckungs­

486 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

budget treten i. d. R. Abweichungen auf, da das Deckungsbudget auf langfristigen Planungen beruht. Liegt der Solldeckungsbeitrag oberhalb des Deckungsbudgets, kann die Unternehmensleitung die Planrentabilität anheben und die Differenz aus­ gleichen. Im umgekehrten Fall müssen Maßnahmen getroffen werden, die zu einer kurzfristigen Erhöhung der Deckungsbeiträge führen; dazu gehören beispielsweise (vgl. Eberlein 2010: 346f): – Forcierung der Akquise (z. B. Werbemaßnahmen, Rabattaktionen), – Rationalisierungsmaßnahmen mit resultierenden Einsparungen bei den Ferti­ gungskosten, – Produktumgestaltungen mit resultierenden Einsparungen bei Materialkosten oder auch – der kurzfristige Abbau von Fixkosten (z. B. durch Anlagenliquidation und/oder Beendigung kurzfristig kündbarer Beschäftigungsverhältnisse). Das nachfolgende Beispiel in Anlehnung an die differenzierte kurzfristige Erfolgsrech­ nung (vgl. Teil F, Kapitel 2.1.2) stellt die erläuterten Zusammenhänge zusammenfas­ send dar (zu dem Beispiel vgl. Brühl 2016: 191): Beispiel Die Geschäftsführung der Cycle GmbH strebt eine Rendite in Höhe von 10 % an. Das eingesetzte Vermögen beträgt 1,1 Millionen €, sodass ein Gewinn von 110.000 € er­ wirtschaftet werden soll; unter Berücksichtigung der Produkt- und Unternehmensfix­ kosten ergibt sich ein zu erwirtschaftendes Deckungsbudget in Höhe von 223.000 €. Produkt

A

B

C

Stückdeckungsbeitrag Produktfixkosten

30 € 15.000 €

25 € 8.000 €

42 € 20.000 €

Unternehmensfixkosten Gewinn Deckungsbudget

70.000 € 110.000 € 223.000 €

Die Iststückdeckungsbeiträge der Produkte A, B und C betrugen im Vorjahr 30 €, 25 € und 42 €. Aufgrund von Preis- und Kostenentwicklungen wird der Veränderungsfak­ tor der Iststückdeckungsbeiträge für die anstehende Periode kalkuliert. Unter Berück­ sichtigung des Veränderungsfaktors und der erfahrungsgemäßen Absatzmengen wird der Solldeckungsbeitrag wie folgt bestimmt:

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen |

Produkt

A

B

C

Stückdeckungsbeitrag (Ist) Veränderungsfaktor Stückdeckungsbeitrag (Soll) Absatzmenge Periodendeckungsbeitrag (Soll)

30 € 1,1 33 € 2.600 LE 85.800 €

25 € 0,9 22,50 € 4.000 LE 90.000 €

42 € 1,2 50,40 € 1.000 LE 50.400 €

Solldeckungsbeitrag

487

226.200 €

Der Solldeckungsbeitrag liegt mit 226.200 € knapp über dem Deckungsbudget von 223.000 €, sodass die Gewinnvorgabe der Geschäftsführung planmäßig um 3.200 € übertroffen wird. Die Anhebung der Planrentabilität durch die Geschäftsführung der Cycle GmbH könnte die Differenz beheben. Sofern der Solldeckungsbeitrag unter dem Deckungsbudget liegen sollte, müssten die Sollstückdeckungsbeiträge entsprechend angepasst werden. Der „Zuschlag“ auf die variablen Stückkosten beträgt bei Produkt A 33 €, bei Produkt B 22,50 € und bei Produkt C 50,40 €; damit wird genau der Ab­ satzpreis generiert, zu dem die Produkte den Sollperiodendeckungsbeitrag realisieren können.

3.5 Übungsaufgaben Aufgabe 1 In dem Mehrproduktbetrieb Wood Art & Design GmbH werden in Serienfertigung hochwertige Holzmöbelstücke gefertigt. Für die drei Produktausführungen sollen die folgenden Bedingungen in der anstehenden Planperiode gelten: Produktausführungen

A

B

C

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge

149 € 123 € 275 LE

205 € 176 € 420 LE

342 € 299 € 140 LE

Es ist anzunehmen, dass in der Planperiode eine Unterbeschäftigung bestehen wird. Das Vertriebscontrolling der Wood Art & Design GmbH befürchtet zudem einen Ab­ satzrückgang und möchte daher die Produktpreise kurzfristig senken. a. Definieren Sie die Begriffe „Preisuntergrenze“ und „Preisobergrenze“. Inwiefern unterscheiden sich absolute und relative Preisuntergrenzen? b. Bestimmen Sie für die drei Produktausführungen jeweils die Preisuntergrenze. Darf der Absatzpreis der Produktausführung C in einer kurzfristigen Rabattaktion um 20 % gesenkt werden?

488 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Aufgabe 2 Die in Aufgabe 1 geschilderte Ausgangssituation wird modifiziert. Die Wood Art & De­ sign GmbH hat die Möglichkeit, zur Belegung freier Kapazitäten einen Zusatzauftrag anzunehmen. In dem Zusatzauftrag sollen 160 Leistungseinheiten einer Naturholz­ kommode produziert werden. Die angestellten Tischler benötigen für eine Kommode insgesamt 8 Arbeitsstunden. Der Arbeitslohn beträgt 10 €/h; es müssen keine Über­ stunden geleistet werden, um den Zusatzauftrag realisieren zu können. Jede Kommo­ de wird 1,5 Stunden mit einer Schleifmaschine bearbeitet, wobei pro Stunde Ferti­ gungskosten in Höhe von 2 € anfallen. Darüber hinaus werden die Kommoden mit 100 ml eines speziellen Öls behandelt. Der Preis für 1 Liter des Öls beträgt 25 €. Für die Produktion werden insgesamt 4.000 kg Holz benötigt. Folgende Fallkonstellatio­ nen werden angenommen: – Fall 1: Die Kommode wird aus demselben Holz gefertigt, das auch für die drei Pro­ duktausführungen aus dem üblichen Produktionsprogramm verwendet wird. Das auf Lager liegende Holz wurde zu einem Preis von 4 €/kg bezogen. Der Wiederbe­ schaffungspreis beträgt 4,50 €/kg. – Fall 2: Das benötigte Holz stellt eine spezielle Holzart dar, die kaum noch verwen­ det wird. Auf Lager befinden sich noch insgesamt 4.500 kg als Restposten eines früheren Auftrags. Das Holz kann alternativ für 3,50 €/kg verkauft werden. Der Anschaffungspreis betrug 6 €/kg, der gegenwärtige Anschaffungspreis liegt bei 6,50 €. a. Was ist unter einem „Zusatzauftrag“ zu verstehen? b. Bestimmen Sie die variablen Stückkosten; berücksichtigen Sie dabei nicht das zu beschaffende Holz. Berechnen Sie die Preisuntergrenzen für beide Fallkonstella­ tionen. Aufgabe 3 Die in Aufgabe 1 geschilderte Ausgangssituation wird erneut modifiziert. Für die drei Produktausführungen sollen die folgenden Bedingungen in der anstehenden Planpe­ riode gelten: Produktausführungen

A

B

C

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge benötigte Holzmenge je LE

149 € 123 € 275 LE 40 kg

205 € 176 € 420 LE 58 kg

342 € 299 € 140 LE 100 kg

Es ist wiederum anzunehmen, dass in der Planperiode eine Unterbeschäftigung be­ stehen wird. Bisher konnte die Beschaffungsabteilung der Wood Art & Design GmbH das Holz für 2 €/kg beziehen; diese Materialkosten sind in den variablen Stückkos­ ten enthalten. Da nach den Erfahrungen im Beschaffungsbereich der Holzpreis ver­

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen | 489

mutlich kurzfristig steigen wird, soll im Vertriebscontrolling ermittelt werden, bis zu welchem Beschaffungspreis der Absatz der Produktausführungen kostenrechnerisch vorteilhaft ist. Bestimmen Sie für die drei Produktausführungen jeweils die Preisobergrenze und erstellen Sie das Produktionsprogramm unter der Annahme, dass der Holzpreis auf 2,49 €/kg steigt. Aufgabe 4 In einer Textilfabrik stellt die Weberei den einzigen betrieblichen Engpass dar (zu die­ sem Beispiel vgl. Coenenberg et al. 2012: 394ff). Folgendes vorläufige Produktionspro­ gramm wurde bereits festgelegt: Produkte

1

2

3

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge Engpassbelastung/LE

80 € 50 € 3.000 LE 2h

60 € 45 € 1.000 LE 3h

100 € 60 € 2.000 LE 2h

a. Bestimmen Sie die Produktionsrangfolge. b. Die Kapazität der Weberei beträgt in der anstehenden Periode 11.800 h. Berechnen Sie die Preisuntergrenze für Produkt 1. Stellen Sie das Produktionsprogramm un­ ter den Annahmen auf, dass (b1 ) die Preisuntergrenze nicht unterschritten wird, und (b2 ) dass die Preisuntergrenze unterschritten wird (die variablen Stückkos­ ten werden nicht unterschritten). Zeigen Sie, dass die beiden aufgestellten Pro­ duktionsprogramme dasselbe Bruttoergebnis hervorbringen, wenn Produkt 1 zur Preisuntergrenze veräußert wird. c. Die Kapazität der Weberei beträgt in der anstehenden Periode 9.400 h. Berechnen Sie die Preisuntergrenze für Produkt 3. Stellen Sie das Produktionsprogramm un­ ter den Annahmen auf, dass (c 1 ) die Preisuntergrenze nicht unterschritten wird und (c2 ) dass die Preisuntergrenze unterschritten wird (die variablen Stückkos­ ten werden nicht unterschritten). Zeigen Sie, dass die beiden aufgestellten Pro­ duktionsprogramme dasselbe Bruttoergebnis hervorbringen, wenn Produkt 3 zur Preisuntergrenze veräußert wird. Aufgabe 5 Die in Aufgabe 4 geschilderte Ausgangssituation wird modifiziert. Es wird angenom­ men, dass die Kapazität der Weberei in der anstehenden Periode 13.000 h beträgt. Der Textilfabrik wird ein Zusatzauftrag zur Produktion des Produkts 4 angeboten. Die va­ riablen Stückkosten belaufen sich auf 40 €/LE, die Engpassbelastung je Leistungsein­ heit beträgt 2,5 h/LE. Der Auftraggeber wäre bereit, einen Angebotspreis für Produkt 4 in Höhe von 64 €/LE zu akzeptieren. Weiterhin gilt:

490 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen

Produkte

1

2

3

Stückerlöse variable Stückkosten maximale Absatzmenge Engpassbelastung/LE

80 € 50 € 3.000 LE 2h

60 € 45 € 1.000 LE 3h

100 € 60 € 2.000 LE 2h

a. Sollte die Textilfabrik den Zusatzauftrag annehmen, wenn die folgenden Auftrags­ mengen nachgefragt werden: Fall 1: 500 Leistungseinheiten; Fall 2: 2.000 Leis­ tungseinheiten; Fall 3: 4.000 Leistungseinheiten? b. Entwickeln Sie das Produktionsprogramm unter der Annahme, dass der Zusatz­ auftrag gemäß Fall 2 angenommen wird. Welches Bruttoergebnis kann mit der Annahme respektive mit der Ablehnung des Zusatzauftrags gemäß Fall 2 erzielt werden?

Zusammenfassung Die operative Steuerung ist dem operativen Controlling zugeordnet, das sich im Ver­ gleich zum strategischen Controlling insbesondere durch die kurzfristige Betrach­ tungsweise auszeichnet. Die im Rahmen der operativen Steuerung zu treffenden Entscheidungen basieren auf Informationen, die durch die Kosten- und Leistungs­ rechnung verfügbar gemacht werden; sie werden auch als kurzfristig wirksame Ent­ scheidungen bezeichnet. Kurzfristig wirksam sind solche Entscheidungen, die sich lediglich auf ein Geschäftsjahr beziehen (Periodenentscheidung), unmittelbar um­ setzbar sind und als Anpassungsentscheidung ohne Veränderung des Potenzialfak­ torbestands realisiert werden können: – Produktionsprogrammentscheidungen gehen der Frage nach, welche Produkte in welchen Mengen in einem bestimmten Zeitraum – hier innerhalb eines Geschäfts­ jahrs – produziert werden sollen. Programmoptimierungs-, Make-or-Buy-, sowie Losgrößenentscheidungen stellen die drei behandelten Entscheidungsarten dar. – Kurzfristige Preisentscheidungen gehen der Frage nach, welche Absatz- bzw. Be­ schaffungspreise als kurzfristig akzeptabel eingestuft werden können. Preisunter­ grenzen geben jenen kritischen Absatzpreis an, bei dessen Unterschreitung der Verkauf des betrachteten Produkts nicht mehr erfolgen sollte. Bei Preisobergren­ zen hingegen handelt es sich um kritische Beschaffungspreise, bei dessen Über­ schreitung die Beschaffung des in das Fertigerzeugnis einfließenden Gutes nicht mehr ausgelöst werden sollte. Ziel ist es, das Betriebsergebnis in der bevorstehenden Periode unter den gegebenen Voraussetzungen zu optimieren. Die Kosten- und Leistungsrechnung nimmt hier als Entscheidungsrechnung eine wichtige Funktion ein. Der Zeithorizont der Entschei­ dung ist maßgeblich dafür, welches Kostenrechnungssystem zu wählen ist. Für kurzfristige Entscheidungen eignen sich Teilkostenrechnungssysteme, da diese lediglich die beschäftigungsabhängigen variablen Kosten auf die Kostenträ­ ger übertragen. Vollkostenrechnungssysteme sind für kurzfristige Entscheidungen eher ungeeignet, da sie entscheidungsirrelevante Kosten in Form von Fixkosten auf die Kostenträger verrechnen. Die aufgeführten Beispiele zeigen, dass eine Vollkos­ tenrechnung und die mit ihr verbundene Proportionalisierung der Fixkosten dann Fehlentscheidungen begründen kann, wenn sie als kurzfristige Entscheidungsrech­ nung verwendet wird. Die verschiedenen kurzfristigen Erfolgsrechnungen der Teil­ kostenrechnung hingegen können bedeutsame Grundlagen für kurzfristig wirksame Produktionsprogramm- und Preisentscheidungen und für die damit verbundenen Optimierungsüberlegungen bieten. Diese Optimierungsüberlegungen sind allesamt geprägt durch eine Vielzahl an Komplexitätsreduktionen – und dies gilt nicht nur für die Losgrößenoptimierung:

https://doi.org/10.1515/9783110439793-031

492 | Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen





Die in den Fallkonstruktionen genannte Cycle GmbH repräsentiert ein Mehrpro­ duktunternehmen mit nur drei Produkten, zwischen denen – was recht unrealis­ tisch anmutet – gar keine Verbundbeziehungen vorliegen. Die Wahrscheinlichkeit ist darüber hinaus groß, dass im „betrieblichen Alltag“ Situationen mit mehr als nur einer engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkung auftreten. Zudem muss berücksichtigt werden, dass bei allen Entscheidungssituationen An­ nahmen getroffen wurden, die der betrieblichen Alltagsrealität kaum entsprechen können: Das grundsätzliche Bestehen von linearen Erlös- und Kostenfunktionen ist ähnlich unrealistisch wie die bei den Produktionsprogrammentscheidungen gesetzten Annahmen konstanter Stückerlöse und konstanter variabler Stückkos­ ten. Die gleiche Kritik gilt in Bezug auf die Preisunter- und Preisobergrenzen, bei denen konstante variable Kosten bzw. konstante Erlöse vorausgesetzt wurden.

Alle Komplexitätsreduktionen stehen zwar in der Gefahr, dass die Optimierungsüber­ legungen unter einem gewissen Maß an Realitätsverlust leiden – allerdings räumen erst die Komplexitätsreduktionen eine Berechenbarkeit der in den verschiedenen Aus­ gangssituationen dargestellten Optimierungsherausforderungen ein. Erst durch das Treffen vereinfachender Annahmen konnten grundlegende Entscheidungsmecha­ nismen für kurzfristige Produktionsprogramm- und Preisentscheidungen aufgedeckt werden, die zur Optimierung des Betriebsergebnisses beitragen können. Die wichtigs­ ten seien nochmals kurz genannt: – Im Rahmen einer Programmoptimierung wird beim Vorliegen einer Unterbeschäf­ tigung jedes Produkt mit positivem Stückdeckungsbeitrag bis zur Absatzhöchst­ menge hervorgebracht. Sobald eine engpasswirksame Kapazitätsbeschränkung vorliegt, muss eine Produktionsrangfolge bestimmt werden, da nicht mehr alle Produkte mit ihren Absatzhöchstmengen produziert werden können. Als Selekti­ onsmechanismus fungiert hier der relative Deckungsbeitrag. – Im Rahmen der Make-or-Buy-Entscheidungen wird beim Vorliegen einer Unter­ beschäftigung immer dann selbst hergestellt, wenn der Bezugspreis größer ist als die variablen Stückkosten. Sobald jedoch mehrere Produkte um einen Engpass konkurrieren, die in der Eigenfertigung kostengünstiger sind als in der Fremdfer­ tigung, müssen die engpassbezogenen Mehrkosten bzw. die engpassbezogenen Kostenvorteile als Selektionsmechanismus herangezogen werden. Engpassbezo­ gene Kostenvorteile können mit relativen Deckungsbeiträgen verglichen werden, sodass auch hier eine Produktionsrangfolge gebildet werden kann. – Die kurzfristige Preisuntergrenze eines Produkts entspricht bei einer Unterbe­ schäftigung den variablen Stückkosten. Beim Vorliegen einer engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkung müssen verdrängte Deckungsbeiträge als Opportuni­ tätsstückkosten zusätzlich in das Entscheidungskalkül einbezogen werden. Ein Zusatzauftrag wird immer dann angenommen bzw. die Produktion eines Endpro­ dukts wird immer dann fortgesetzt, wenn die Preisuntergrenze nicht unterschrit­ ten wird.

3 Zusammenfassung | 493



Die kurzfristige Preisobergrenze eines Inputfaktors entspricht den variablen Stückkosten, vermindert um den bereits in den Kosten berücksichtigten Input­ faktorpreis und geteilt durch die Anzahl von Inputfaktoreinheiten, die in ein Endprodukt einfließen. Mit der Überschreitung der absoluten Preisobergrenze wird das betrachtete Beschaffungsgut für kein Endprodukt mehr bezogen; die Produktion liegt still. Beim Vorliegen einer Kapazitätsbeschränkung sind (analog zu den Preisuntergrenzen) ebenfalls Opportunitätskosten in Form von verdräng­ ten Deckungsbeiträgen einzubeziehen. Ein Zusatzauftrag wird immer dann ange­ nommen bzw. die Produktion eines Produkts wird immer dann fortgesetzt, wenn die Preisobergrenze nicht überschritten wird.

Alle Entscheidungsmechanismen basieren allein auf kostenrechnerischen Überle­ gungen. Sie stellen darauf ab, sich mit den Programm- und Preisentscheidungen kurzfristig an die jeweilige Situation anzupassen und – kurzfristig – eine Optimie­ rung des Betriebsergebnisses herbeizuführen. Die Erörterungen im Rahmen der Bestimmung von langfristigen Preisgrenzen machen deutlich, dass die kurzfristige Betrachtungsweise der operativen Steuerung den Interessen der Existenzsicherung und der Weiterentwicklung des Unternehmens nicht hinreichend gerecht werden kann. Die Betrachtungen sollten zumindest auf den Fixkostenanteil ausgeweitet wer­ den. Die Mängel der Vollkostenrechnung und die damit verbundenen Probleme einer langfristigen Preisplanung führen dazu, dass im Interesse der langfristigen Ergebnis­ sicherung Solldeckungsbeiträge und Deckungsbudgets ihre Anwendung finden.

| Teil G: Anhang

Lösungshinweise Teil A: Unternehmensrechnung als Controllingbasis 1 Unternehmensrechnung und Controlling Aufgabe 1 In der Abrechnungsperiode 03/2015 sind durch die einzelnen Vorgänge die folgenden Stromgrößen betroffen: Vorgang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Auszahlung × ×

Ausgabe

Aufwand

Kosten

× × × × ×

× ×

× ×

× ×

×

× ×

×

× ×

×

Aufgabe 2 Für die Abrechnungsperiode 03/2015 ergeben sich ausgehend von einer Einzahlungsund zugleich Einnahmesumme in Höhe von 300.000 € folgende Überschüsse: Zahlungsmittel (€) Summe Einzahlungen

Geldvermögen (€) 300.000

Summe Einnahmen

300.000

Vorgang 1

−59.500

Vorgang 1



Vorgang 2

−23.800

Vorgang 2

−23.800

Vorgang 3



Vorgang 3

−11.900

Vorgang 4

−5.950

Vorgang 4

−5.950

Vorgang 5



Vorgang 5

−154.700

Vorgang 6



Vorgang 6



Vorgang 7



Vorgang 7



Vorgang 8

−142.800

Vorgang 8



Vorgang 9



Vorgang 9

−3.500

Vorgang 10

Vorgang 10

Summe Auszahlungen

176.050

Summe Ausgaben

Überschuss Einzahlungen

123.950

Überschuss Einnahmen

https://doi.org/10.1515/9783110439793-032

– −3.500 259.350 40.650

498 | Teil G: Anhang

2 Informationssysteme des finanzorientierten Controllings Aufgabe 1 Eröffnungsbilanz für den 01.01.2015 mit den Bilanzkennzahlen Verschuldungsgrad, Anlagenintensität, Anlagendeckungsgrad I und Liquidität II: Aktiva A. I. B. I.

Anlagevermögen Betriebs- und Geschäftsvermögen Umlaufvermögen unfertige Erzeugnisse

II.

Forderungen

Eröffnungsbilanz

Passiva

A. Eigenkapital

68.000,00

80.000,00

20.000,00 20.000,00

B. Fremdkapital I. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen II. Verbindlichkeiten aus Umsatzsteuer

51.000,00 31.000,00

III. Kassenbestand/Bankguthaben 30.000,00 150.000,00

Verschuldungsgrad: Anlageintensität: Anlagendeckungsgrad I: Liquidität II:

Fremdkapital ⋅ 100 % Eigenkapital Anlagevermögen ⋅ 100 % Gesamtvermögen Eigenkapital ⋅ 100 % Anlagevermögen [flüssige Mittel + Forderungen] ⋅ 100 % kurzfristige Fremdkapital

150.000,00 82.000,00 ⋅ 100 % 68.000,00 80.000,00 ⋅ 100 % = 150.0000,00 68.000,00 ⋅ 100 % = 80.000,00 50.000,00 ⋅ 100 % = 82.000,00 =

≈ 121 % ≈ 53 % ≈ 85 % ≈ 61 %

Aufgabe 2 Die Geschäftsvorfälle führen in der Bilanz folgende Bestandsveränderungen herbei: 1. Bilanzverlängerung um 5.700 €; erfolgswirksamer Betrag (Aufwand) 30.000 €. Verminderung des Geldvermögensbestands (Ausgabe in Höhe von 35.700 €). 2. Bilanzverlängerung um 59.500 €; erfolgswirksamer Betrag (Ertrag) 50.000 €. Er­ höhung des Geldvermögensbestands (Einnahme in Höhe von 59.500 €). 3. Bilanzverlängerung um 119.000 €; erfolgswirksamer Betrag (Ertrag) 100.000 €. Erhöhung des Zahlungsmittelbestands (Einzahlung in Höhe von 119.000 €). 4. Aktivtausch; erfolgsneutraler Vorgang. Erhöhung des Zahlungsmittelbestands (Einzahlung in Höhe von 11.900 €). 5. Bilanzverkürzung um 150 €; erfolgswirksamer Betrag (Aufwand) 150 €. Vermin­ derung des Zahlungsmittelbestands (Auszahlung in Höhe von 178,50 €). 6. Bilanzverlängerung um 23.800 €; erfolgsneutraler Vorgang. Verminderung des Geldvermögensbestands (Ausgabe in Höhe von 23.800 €).

Lösungshinweise: Teil A

| 499

7.

Bilanzverkürzung um 17.850 €; erfolgsneutraler Vorgang. Verminderung des Zahlungsmittelbestands (Auszahlung in Höhe von 17.850 €). 8. Bilanzverkürzung um 5.000 €; erfolgswirksamer Betrag (Aufwand) 5.000 €. Zah­ lungsneutraler Vorgang. Aufgabe 3 Gegenüberstellung der Ergebnisse der Erfolgs- und Finanzrechnung: Aufwendungen 1) 5) 8) Gewinnsaldo

Erfolgsrechnung (€) 30.000,00 150,00 5.000,00 114.850,00

2) 3)

150.000,00

Erträge 50.000,00 100.000,00 – – 150.000,00

Saldo: Eigenkapital (betrieblich bedingt, Gewinn) Einzahlungen 3) 4)

Finanzrechnung (€) 119.000,00 11.900,00

5) 7) Saldo

130.900,00

Auszahlungen 178,50 17.850,00 112.871,50 130.900,00

Saldo: Mehrung des Zahlungsmittelbestands

Schlussbilanz für den 31.12.2015 mit den Bilanzkennzahlen Anlagendeckungsgrad I und Liquidität II: Aktiva A. I. B. I.

Anlagevermögen Betriebs- und Geschäftsvermögen Umlaufvermögen unfertige Erzeugnisse

II.

Forderungen

Schlussbilanz A. Eigenkapital

Passiva 182.850,00

100.000,00

15.000,00 67.600,00

B. Fremdkapital I. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen II. Verbindlichkeiten aus Umsatzsteuer

92.650,00 49.971,50

III. Kassenbestand/Bankguthaben 142.871,50 325.471,50

Anlagendeckungsgrad I: Liquidität II:

325.471,50

Eigenkapital ⋅ 100 % 182.850 ⋅ 100 % = ≈ 183 % Anlagevermögen 100.000 [flüssige Mittel + Forderungen] ⋅ 100 % 210.471,50 ⋅ 100 % = ≈ 148 % kurzfristige Fremdkapital 142.621,50

500 | Teil G: Anhang

Aufgabe 4 Darstellung des Betriebsergebnisses nach dem UKV und nach dem GKV (in €): Darstellung des Betriebsergebnisses nach UKV: Umsatzerlöse − = − − + −

Herstellkosten des Umsatzes (500.000 + 40.000 + 223.000) Bruttoergebnis des Umsatzes Vertriebskosten allgemeine Verwaltungskosten sonstige betriebliche Erträge sonstige betriebliche Aufwendungen

=

Betriebsergebnis BE

1.000.000 763.000 237.000 111.500 111.500 10.000 0 24.000

Darstellung des Betriebsergebnisses nach GKV: Umsatzerlöse ± + +

Bestandsveränderungen andere aktivierte Eigenleistungen sonstige betriebliche Erträge

− − − −

Materialaufwand Personalaufwand Abschreibungen sonstige betriebliche Aufwendungen

=

Betriebsergebnis BE

1.000.000 0 0 10.000 540.000 380.000 4.000 62.000 24.000

Aufgabe 5 CF-Rechnung nach der indirekten Methode (in €): Darstellung des CF (laufende Geschäftstätigkeit) nach indirekter Methode: Jahresüberschuss

1.200.000

+ + +

Abschreibungen auf Gegenstände des AV Zuführungen zu den Rückstellungen Verluste aus den Anlagenabgängen

55.000 95.000 45.000

− − −

Zuschreibungen auf Gegenstände des AV Zunahme des Vorratsbestands Abnahme des Verbindlichkeitenbestands

15.000 115.000 225.000

=

CF aus laufender Geschäftstätigkeit

1.000.000

Lösungshinweise: Teil A | 501

3 Informationssysteme des kostenorientierten Controllings Aufgabe 1 Betriebsergebnisrechnung mit dem Betriebsergebnis und den Anteilen der einzelnen Kostenträger am Betriebsergebnis (in €): ∑

Kostenträger 1 (Produkt A)

Kostenträger 2 (Produkt B)

Fertigungsmaterial + MGk (150 %) Materialkosten Fertigunslöhne + FGk (130 %) Fertigungskosten Herstellkosten der Erzeugung + Mindestbestand (– Mehrbestand) Herstellkosten des Umsatzes + Verwaltungsgemeinkosten (15 %) + Vertriebsgemeinkosten (7,5 %)

50.000,00 75.000,00 125.000,00 140.000,00 182.000,00 322.000,00 447.000,00 0 447.000,00 67.050,00 33.525,00

25.000,00 37.500,00 62.500,00 50.000,00 65.000,00 115.000,00 177.500,00 0 177.500,00 26.625,50 13.312,50

25.000,00 37.500,00 62.500,00 90.000,00 117.000,00 207.000,00 269.500,00 0 269.500,00 40.425,00 20.212,50

Selbstkosten des Umsatzes

547.575,00

217.437,50

330.137,50

Umsatzerlöse

820.000,00

495.000,00

325.000,00

Betriebsergebnis(-anteile)

272.425,00

277.562,50

−5.137,50

Schema BAB II

Aufgabe 2 Kostenauflösung (in €): Kostenauflösung für Kostenträger 1

Kostenträger 1 (Produkt A)

variabler Kostenanteil

fixer Kostenanteil

25.000,00 37.500,00 50.000,00 65.000,00 26.625,00 13.312,50

25.000,00 24.375,00 50.000,00 26.000,00 5.325,00 5.325,00

– 13.125,00 – 39.000,00 21.300,00 7.987,50

217.437,50

136.025,00

81.412,50

Kostenträger 2 (Produkt B)

variabler Kostenanteil

fixer Kostenanteil

Fertigungsmaterial Materialgemeinkosten (R = 65 %) Fertigungslöhne Fertigungsgemeinkosten (R = 40 %) Verwaltungsgemeinkosten (R = 20 %) Vertriebsgemeinkosten (R = 40 %)

25.000,00 37.500,00 90.000,00 117.000,00 40.425,00 20.312,50

25.000,00 24.375,00 90.000,00 46.800,00 8.085,00 8.085,00

– 13.125,00 – 70.200,00 32.340,00 12.127,50



330.137,50

202.345,00

127.792,50

Fertigungsmaterial Materialgemeinkosten (R = 65 %) Fertigungslöhne Fertigungsgemeinkosten (R = 40 %) Verwaltungsgemeinkosten (R = 20 %) Vertriebsgemeinkosten (R = 40 %) ∑ Kostenauflösung für Kostenträger 2

502 | Teil G: Anhang

Direct Costing (Teilkostenrechnung; in €): ∑

Kostenträger 1 (Produkt A)

Kostenträger 2 (Produkt B)

820.000,00 338.370,00

495.000,00 136.025,00

325.000,00 202.345,00

Schema (Direct Costing)



Umsatzerlöse variable Kosten (Ek + variable Gk)

=

DB

481.630,00

358.975,00

122.655,00



fixe Kosten (fixe Gemeinkosten)

209.205,00

81.412,50

127.792,50

=

Erfolg

272.425,00

[277.562,50]

[−5.137,50]

Aufgabe 3 Fixkostenermittlung und -aufspaltung (in €): Selbstkosten d. U. 930.000

Fixkostenermittlung:

davon

variable Umsatzkosten (45 %)

418.500

davon

Fixkosten (55 %)

511.500 Fixkostenaufspaltung: davon Unternehmensfixkosten

202.500

davon Produktgruppenfixkosten

150.000

davon Produktfixkosten

159.000

Erfolg der Abrechnungsperiode (dreistufige Deckungsbeitragsrechnung)/Stückdeckungsbeiträge db I und db II (in €): Schema



Kostenträger 1 (Produkt A)

Kostenträger 2 (Produkt B)

Kostenträger 3 (Produkt C)



Umsatzerlöse variable Umsatzkosten

1.550.000 418.500

800.000 180.000

400.000 171.000

350.000 67.500

=

DB I

1.131.500

620.000

229.000

282.500



Produktfixkosten

159.000

53.000

53.000

53.000

=

DB II

972.500

567.000

176.000

229.500



Produktgruppenfixkosten

150.000

150.000



=

DB III

822.500

593.000

229.500



Unternehmensfixkosten

202.500

=

Erfolg

620.000

DB I db I = (DB I : x A ) DB II db II = (DB II : x A )

1.131.500 – 972.500 –

620.000 62,00 567.000 56,70

229.000 45,80 176.000 35,20

282.500 40,36 229.500 32,79

Lösungshinweise: Teil B |

503

Teil B: Operatives Controlling – Ansatzpunkte und Instrumente 1 Grundlagen des operativen Controllings Aufgabe 1 Die wesentlichen Gegenstandsbereiche und Aufgaben des operativen Controllings sind: – Abrufung, Zusammenführung, Dokumentation, Speicherung und Aufbereitung sowie Interpretation von Daten in allen Unternehmensteilbereichen, – Informationsversorgung der einzelnen Unternehmensteilbereiche, – Unterstützung bei der Entwicklung/Erstellung von Teilplänen in den einzelnen Unternehmensteilbereichen und bei der Festlegung von Gesamt- und Teilzielen im operativen Bereich, – Unterstützung bei der Erstellung von Budgets, – Entscheidungsunterstützung im operativen Bereich, – Erstellung von Abweichungsanalysen, – Durchführung von Prognosen und Simulationen, – Erstellen und Durchführung von Soll-Ist-Vergleichen, – Überprüfung der Übereinstimmung operativer Planungen mit denen der strategi­ schen Planungen, – Aufzeigen von operativen Steuerungseingriffen bei erheblichen Zielverfehlungen. Aufgabe 2 Der Ablauf eines einfachen Regelkreises im operativen Controlling ist wie folgt gestal­ tet: 1. Die Regelung von Betriebsprozessen setzt die Vorgabe von Zielen voraus. 2. Diese Ziele sollten auf einer hinreichend guten Informationsgrundlage entwickelt werden, da sie Ausgangspunkt für das Treffen von Entscheidungen sind. 3. Die Entscheidungsinstanz (Regler) steuert unter Hinzuziehung der vorgegebenen Ziel- und Sollwerte durch den Einsatz von Stellgrößen (Korrekturentscheidungen) die Betriebsprozesse. 4. Die realiter ermittelten Ergebnisse dieser Betriebsprozesse werden als Regelgrö­ ßen bezeichnet, die über einen sogenannten Istwerterfasser den betreffenden Ent­ scheidungsinstanzen gemeldet werden und münden in einem Soll-Ist-Vergleich. 5. Innerhalb des Regelkreises können nach Art und Umfang der Abweichungen entweder Korrekturentscheidungen oder Rückmeldungen über dauerhaft star­ ke Störungen (die notwendige Anpassungsentscheidungen hervorrufen) an das zielsetzende System (Bereichsleitung oder Unternehmensleitung) vorgenommen werden.

504 | Teil G: Anhang

6. 7.

Dem Regler in diesem einfachen Regelkreis obliegt die Leitung ohne ausführende Funktion. Der Begriff der Regelstrecke repräsentiert die reinen Aktivitäten und steht für die Betriebsprozesse.

Die Unterteilung in insgesamt 9 Phasen, die bis einschließlich der Phase 5 in zeitli­ cher Abfolge aufeinander aufbauen, beinhalten jeweils die sogenannten Feedforwardund Feedback-Schleifen (Vorwärtskopplungs- und Rückkopplungsschleifen). Die Zu­ sammenführung der Ergebnisse der Phasen 5, 6 und 7 ist Grundlage zur Erstellung der jeweiligen Berichte für die verantwortlichen Entscheidungsträger, die wiederum in Phase 9 in Form von Korrekturmaßnahmen eine Revision der Ziele und Prämissen einleiten können.

2 Funktionen des operativen Controllings Aufgabe 1 Anhand der beiden Dimensionen „Einstellung zur Notwendigkeit einer aktiven Ge­ staltung der Realität“ und „Einschätzung der Sinnhaftigkeit der Planung“ lassen sich folgende vier Planergrundtypen ermitteln: Einstellung zur Notwendigkeit einer aktiven Gestaltung der Realität hoch

Antiplaner

Planungsintellektueller

Planungsasket

programmatischer Fantast

niedrig niedrig

hoch

Einschätzung der Sinnhaftigkeit der Planung

Der programmatische Fantast hält Planung zwar für sinnvoll, schätzt aber die Not­ wendigkeit der aktiven Gestaltung der betrieblichen Realität für seine Person als eher

Lösungshinweise: Teil B | 505

gering ein. Der Planungsintellektuelle nimmt eine Planung mit hohem Detaillierungs­ grad vor. Einzig das Hinterfragen des Umfangs der Planbarkeit im Sinne einer Ratio­ nalitätssicherung berührt die Einschätzung der Sinnhaftigkeit der Planung. Der Pla­ nungsasket lehnt die Planung selbst wie auch die Mitwirkung an der Gestaltung der Realität ab. Diskontinuitäten und auch hohe Wissensdefizite unterstützen und ma­ nifestieren diese Einstellung. Die Gestaltung der Realität ist für den Antiplaner das Hauptanliegen. Allerdings basieren die Grundlagen dieser Gestaltung nicht auf Plä­ nen, d. h. dieser Entscheidungsträgertypus stuft Planungsaktivitäten als überflüssi­ gen Ballast ein, der die operative und aktive Gestaltung der Realität behindert. Der programmatische Fantast sollte vom Controlling eher zur Durchsetzung der sich in den Plänen widerspiegelnden Willensbekundungen verpflichtet werden. Mit dem Planungsintellektuellen hingegen sollte die Zieladäquatheit seines tendenziel­ len Hinterfragens der Planungssinnhaftigkeit zielführend erörtert werden. Dem Pla­ nungsasketen sollten die strategischen und operativen Chancen der Planung vermit­ telt werden, während dem Antiplaner die Bedeutung der Planung in Anbetracht der Risiken seines nicht von Plänen geleiteten Handelns deutlich zu machen wäre. Aufgabe 2 Im Rahmen des operativen Controllings werden folgende drei Planungsverfahren ein­ gesetzt: – Retrograde Planung: Die retrograde Planung beinhaltet einen Top-down-Ansatz, d. h. die Planung erfolgt hierarchisch von oben nach unten. Die strategischen Zie­ le, das Gesamtbudget sowie die zu realisierenden Sollgrößen werden zentral von der Unternehmensleitung festgelegt. Die nachgeordneten Hierarchieebenen sol­ len diese globalen Vorgaben konkretisieren und in detaillierten Teilplänen um­ setzen. – Progressive Planung: Im Rahmen der Bottom-up-Planung wird aus den Teilplä­ nen in den einzelnen Funktionsbereichen der Unternehmensgesamtplanung mit­ tels Aggregation gebildet. Diese dezentrale Planung basiert auf den Zielen und Maßnahmen, die in den einzelnen Bereichen durch die Entscheidungsträger ent­ wickelt werden. Da diese Planung von unten nach oben hierarchisch angelegt ist und somit die Mitarbeiter auf unteren hierarchischen Ebenen in die Planung ein­ gebunden werden, sind ein höheres Maß an Identifikation und Motivation, sowie ein höherer Realitätsbezug (im Vergleich zur retrograden Planung) zu erwarten. – Iterative Planung: Die iterative oder Gegenstromplanung will die spezifischen Vorteile der retrograden und progressiven Planung vereinen. Als Ausgangspunkt der iterativen Planung wird die langfristige Planung des Unternehmens herange­ zogen. Deren angestrebte Ergebnisse werden beim iterativen Planungsverfahren nicht als Vorgabe für die hierarchisch untergeordneten Ebenen herangezogen, sondern als vorläufiges und revidiertes Orientierungsraster. Die iterative Pla­ nung greift also zunächst auf einen Top-down-Ansatz zurück, um anschließend in den einzelnen Funktionsbereichen des Unternehmens mit der gegenläufigen,

506 | Teil G: Anhang

progressiven Planung zu agieren. Der Vorteil dieser iterativen Planung liegt im Anpassen der Planungen durch Informationsaustausch, der letztendlich zu einer detaillierteren Gesamtplanungskonstellation führt. Aufgabe 3 Bei den beiden im Rahmen der vergangenheitsbezogenen Abweichungsanalysen grundsätzlich unterschiedlichen Herangehensweisen handelt es sich um Soll-Istund um Soll-Wird-Vergleiche: – Soll-Ist-Vergleich bzw. Plan-Ist-Vergleich: Bei diesem Vergleich handelt es sich um einen Vergleich der ex post tatsächlich feststellbaren, gemessenen Kennzahlen­ werte mit den ex ante geplanten Kennzahlenwerten. Die geplanten Sollwerte wer­ den mit den zum aktuellen Messzeitpunkt feststellbaren Werten zueinander in Beziehung gesetzt. Das Ziel dieses Vergleichs besteht in der Ermittlung von Ziel­ abweichungen und in der Initiierung von Korrekturentscheidungen. – Soll-Wird-Vergleich bzw. Plan-Wird-Vergleich: Hier stellt der Gesamtjahresplan die Sollgröße dar, mit der die voraussichtlichen Istgrößen verglichen werden. Bei den voraussichtlichen Sollgrößen handelt es sich um Daten, die auf Prognosen über die anzunehmende Entwicklung der Istwerte in Bezug auf das Gesamtjahr basieren. Insofern handelt es sich um eine Vorschaurechnung.

3 Ausgewählte Instrumente des operativen Controllings Aufgabe 1 Kostenvergleichsrechnung (in €): Bezeichnung

Investitionshandlungs­ alternative 1

Investitionshandlungs­ alternative 2

Anschaffungskosten Restwert Nutzungsdauer (= Planperioden) Zinssatz (in %) Anlagenkapazität (in LE) Kapazitätsauslastung/Planungsperiode (in LE) variable Stückkosten sonstige fixe Kosten/Abrechungsperiode kalkulatorische Abschreibung gebundenes Kapital kalkulatorische Zinsen

320.000 0 5 10 100.000 80.000 4,50 26.000 64.000 160.000 16.000

290.000 0 5 10 100.000 80.000 5,40 28.200 58.000 145.000 14.500

Summe fixe Kosten Summe variable Kosten Summe Gesamtkosten

106.000 360.000 466.000

100.700 432.000 532.700

Lösungshinweise: Teil B | 507

Der Berechnung sind folgende Ermittlungsmethoden zugrunde gelegt: Gesamtkosten = Betriebskosten + Kapitalkosten kalkulatorische Abschreibungen = [Investition − Restwert] : Nutzungsdauer kalkulatorische Zinsen = durchschnittliche Kapitalbindung ⋅ Zinssatz durchschnittliche Kapitalbindung = [Investition + Restwert] : 2 Aufgrund ihrer niedrigeren durchschnittlichen Gesamtkosten (mit einem Kostenvor­ teil in Höhe von 66.700 €) ist die Investitionshandlungsalternative 1 die zu präferie­ rende Handlungsalternative. Aufgabe 2 In Aufgabe 1 wäre die Investitionshandlungsalternative 1 aufgrund ihrer niedrigeren durchschnittlichen Gesamtkosten die zu präferierende Handlungsalternative (mit ei­ nem Kostenvorteil in Höhe von 66.700 €). Die Änderungen der Ausgangsannahmen führen in den vier Fällen zu folgenden durchschnittlichen Gesamtkosten (in €): Bezeichnung

Fall a.

Fall b.

Fall c.

Fall d.

variable Stückkosten

unverändert

unverändert

unverändert

Restwert

Alternative 1: 60.000

Alternative 2: 60.000

Fälle a. und b. zugleich

Alternative 2: 4,65 €/LE Alternative 2: 60.000

kalkulatorische Abschreibung gebundenes Kapital kalkulatorische Zinsen

52.000 190.000 19.000

46.000 175.000 17.500

46.000 175.000 17.500

97.000

91.700

91.700

Summe variable Kosten

360.000

432.000

372.000

Summe Gesamtkosten Differenz

457.000 (+9.000)

523.700 (−9.000)

sonstige fixe Kosten

a.

±0

463.700 (+2.300)

Fall a. mit einem Restwert bei der Investitionshandlungsalternative 1 in Höhe von 60.000 € (unter Annahme ansonsten gleicher Bedingungen): Die kalkulatorische Abschreibung sinkt (um 12.000 €) und die kalkulatorischen Zinsen steigen (um 3.000 €); dies führt zu einer Verringerung der Kapitalkosten, der Fixkosten und der durchschnittlichen Gesamtkosten. Der Kostenvorteil gegenüber der Investiti­ onshandlungsalternative 2 vergrößert sich damit um 9.000 €. Die zu präferieren­ de Handlungsalternative wäre also erneut die Investitionshandlungsalternative 1. b. Fall b. mit einem Restwert bei der Investitionshandlungsalternative 2 in Höhe von 60.000 € (unter Annahme ansonsten gleicher Bedingungen): Die kalkulatorische Abschreibung sinkt (um 12.000 €) und die kalkulatorischen Zinsen steigen (um 3.000 €); dies führt zu einer Verringerung der Kapitalkosten, der Fixkosten und

508 | Teil G: Anhang

der durchschnittlichen Gesamtkosten. Der Kostennachteil gegenüber der Inves­ titionshandlungsalternative 1 verringert sich um 9.000 €. Die zu präferierende Handlungsalternative wäre nach wie vor die Investitionshandlungsalternative 1. c. In Fall c. werden beide Fälle a. und b. gleichzeitig angenommen. Hier gleichen sich die Vergrößerung des Kostenvorteils der Alternative 1 und die Verringerung des Kostennachteils der Alternative 2 aus. Die zu präferierende Handlungsalter­ native wäre immer noch die Investitionshandlungsalternative 1 mit dem Kosten­ vorteil in Höhe von 66.700 €. d. Fall d. mit einem Restwert bei der Investitionshandlungsalternative 2 in Höhe von 60.000 € und variablen Stückkosten in Höhe von 4,65 €/LE (unter Annahme an­ sonsten gleicher Bedingungen, wie beispielsweise einer Kapazitätsauslastung in Höhe von nach wie vor 80.000 LE): der Kostennachteil gegenüber Investitions­ handlungsalternative 1 verringert sich um 9.000 € bei den fixen Kosten und um 60.000 € bei den variablen Kosten. Die zu präferierende Handlungsalternative wäre nun die Investitionshandlungsalternative 2 (mit einem Kostenvorteil in Höhe von 2.300 €). Aufgabe 3 Auf Basis der Daten der Aufgabe 1 und ausgehend von proportionalen variablen Kos­ ten sowie absolut-fixen Kosten (siehe hierzu Teil A, Kapitel 3.2.2) können für die bei­ den Investitionshandlungsalternativen die linearen Kostenfunktionen (in Abhängig­ keit der Leistungsmenge x als Maßstab für die Beschäftigung) aufgestellt werden: KI (x) : Kostenfunktion der Investitionshandlungsalternative 1 KII (x) : Kostenfunktion der Investitionshandlungsalternative 2 KI (x) = 4,5x + 106.000 KII (x) = 5,4x + 100.700 Der Wechsel der Vorteilhaftigkeit bzgl. der zu präferierenden Handlungsalternative ist bei der Leistungsmenge feststellbar, bei der für beide Investitionshandlungsalternati­ ven die gleichen durchschnittlichen Gesamtkosten resultieren: KI (x) = KII (x) ;

d. h.: 4,5x + 106.000 = 5,4x + 100.700;

d. h.: x ≈ 5.888,89 LE

Bei der Kapazitätsauslastung in Höhe von ca. 5.889 Leistungseinheiten (LE) ist der Wechsel der Vorteilhaftigkeit gegeben („kritische Menge“):

Lösungshinweise: Teil B |

509

durchschnittliche Gesamtkosten (€) K II

532.700

KI

Differenz 66.700 466.000

Kf

I

Kf

II

80.000 (geplante Beschäftigung)

⁓5.889 (kritische Menge)

100.000 (Kapazitätsgrenze)

Beschäftigung (Leistungseinheiten)

Erst mit Realisierung eines Leistungsvolumens von mindestens 5.889 Leistungsein­ heiten erzielt die Investitionshandlungsalternative 1 geringere durchschnittliche Ge­ samtkosten als die Alternative 2. Mit dieser differenzierten Betrachtung der durch­ schnittlichen Gesamtkosten in Abhängigkeit von der geplanten Kapazitätsauslastung wird deutlich, dass die Vorteilhaftigkeit einer Investitionshandlungsalternative in Ab­ hängigkeit der geplanten Beschäftigung zu beurteilen ist. Aufgabe 4 Nutzwertanalyse Teilziel

Anschaffungskosten Wartungsintensität Tragfähigkeit Batteriekapazität Hubhöhe Gesamtnutzen ∑ ϕ(a i )

Gewich­ tung (K)

40 % 8% 20 % 12 % 20 %

Handlungsalternativen (alternative Gabelstapler) a1

a2

a3

Punkt­ wert (B)

B⋅K

Punkt­ wert (B)

B⋅K

Punkt­ wert (B)

B⋅K

7 1 1 2 4

2,80 0,08 0,20 0,24 0,80

8 8 2 3 1

3,20 0,64 0,40 0,36 0,20

5 7 9 3 6

2,00 0,56 1,80 0,36 1,20

4,12

4,80

5,92

510 | Teil G: Anhang

Bestmögliche (optimale) Handlungsalternative in dieser Entscheidungssituation: a 3 Rangordnung der Vorzugswürdigkeit: 1. Rangplatz: Handlungsalternative a3 2. Rangplatz: Handlungsalternative a 2 3. Rangplatz: Handlungsalternative a 1 Aufgabe 5 a. Nutzwertanalyse Da mit dem Strategiewechsel zu einem Global Sourcing insbesondere Kostensen­ kungspotenziale ausgeschöpft werden sollen, werden die entsprechenden Teilziele bezüglich des Materialeinstandspreises und der Transportkosten mit jeweils 30 % gleichgewichtet; diese Teilziele spiegeln das Gesamtziel der Ausschöpfung von Kostensenkungspotenzialen durch Minimierung der unmittelbaren Beschaffungs­ kosten (Anschaffungskosten zzgl. Anschaffungsnebenkosten) direkt wider. Ein glei­ chermaßen hohes Bedeutungsgewicht wird den Kapitalkosten zugeschrieben, da sie als zentraler Bestandteil der Lagerhaltungskosten (neben u. a. den Lagerbe­ wirtschaftungs- und Versicherungskosten) die kostenseitigen internen Folgewirkun­ gen eines Global-Sourcing-Konzepts in der Materialwirtschaft widerspiegeln kön­ nen. Da die Anschaffungs- und Lagerhaltungskosten als dominante Bestandteile der Beschaffungskosten durch eine Kursänderung der beteiligten Währungen nur ver­ gleichsweise moderat und zumeist nur mittelfristig beeinflusst werden, wurde das Währungsänderungsrisiko mit einem nur 10 %-igen Bedeutungsgewicht versehen: Teilziel

Materialeinstandspreis Transportkosten Kapitalkosten Kursänderungsrisiko Gesamtnutzen ∑ ϕ(a i )

Gewich­ tung (K)

30 % 30 % 30 % 10 %

Handlungsalternativen (Stahllieferanten) a1 (USA)

a2 (VR China)

a3 (Irland)

Punkt­ wert (B)

B⋅K

Punkt­ wert (B)

B⋅K

Punkt­ wert (B)

B⋅K

2 4 5 6

0,6 1,2 1,5 0,6

8 2 1 3

2,8 0,6 0,3 0,3

3 6 6 9

0,9 1,8 1,8 0,9

3,9

3,6

5,4

Bestmögliche (optimale) Handlungsalternative in dieser Entscheidungssituation: a 3 Rangordnung der Vorzugswürdigkeit: 1. Rangplatz: Handlungsalternative a3 2. Rangplatz: Handlungsalternative a 1 3. Rangplatz: Handlungsalternative a 2 Zur Ermittlung des bewerteten Zielerreichungsgrads (Gesamtnutzen einer jeden Al­ ternative) wird eine Bewertungsskala mit den möglichen Punktwerten von 0 bis 10 herangezogen.

Lösungshinweise: Teil B | 511

Die Punktbewertungen der Beschaffungsalternativen gehen davon aus, dass der Angebotspreis für den zu beschaffenden Chrom-Vanadium-legierten Vergütungsstahl des chinesischen Lieferanten im Vergleich zu dem Angebotspreis der Lieferanten in Irland und den USA aufgrund des erheblich geringeren Lohnkostenniveaus deutlich niedriger ausfällt. Mit zunehmender Entfernung der potenziellen Lieferanten vom Sitz der Cycle GmbH werden einerseits die Transportkosten steigen. Andererseits wird mit zunehmender Entfernung zur Kompensation der längeren Beschaffungszeit und der höheren Transport- und Fehlmengenrisiken eine höhere Lagerbestandshaltung not­ wendig; je höher der zu bevorratende Lagerbestandswert, desto höher werden die Ka­ pitalkosten ausfallen. Das Wechselkursänderungsrisiko wird erfahrungsgemäß beim Lieferanten aus der VR China höher einzustufen sein als beim US-amerikanischen Lie­ feranten; beim Lieferanten aus Irland ist dieses Änderungsrisiko faktisch nicht gege­ ben, da dieser in der Eurozone ansässig ist. Auf der Basis dieser Bewertungen wäre die Alternative a 3 (Lieferant aus Irland) als optimale Beschaffungsalternative einzustufen. b. Kritische Reflexion Die vorgenommene Nutzwertanalyse soll den Zielen dienen, aus einer vorgegebenen Menge möglicher Beschaffungsalternativen eine optimale Beschaffungsalternative herauszufiltern, sowie die Grundlagen für die Ermittlung der Vorzugswürdigkeit einer Beschaffungsalternative transparent zu gestalten. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass schon die Teilzielgewichtungen fast aus­ schließlich erfahrungsgestützte, häufig situativ bedingte und vollständig subjektive Bewertungen darstellen – Gleiches gilt für die Punktbewertungen der Alternativen, die ohne absolute Aussagekraft ausgestattet sind. Darüber hinaus ist die Aussage­ kraft der erstellten Nutzwertanalyse deutlich eingeschränkt, weil verschiedene Be­ wertungskriterien in die Nutzwertanalyse gar nicht oder nur in rudimentärem Maße einfließen, wie beispielsweise: – die verfügbaren Lagerraumkapazitäten des beschaffenden Unternehmens, – die gesamten Kosten der Lagerhaltung und -bewirtschaftung (teilweise in Abhän­ gigkeit der genutzten Lagerraumkapazität), – die drohenden Konventionalstrafen und Fehlmengenkosten bei unzureichendem Lagerbestand, – die Zusammenhänge zwischen Bestellmengen und mittelbaren sowie unmittelba­ ren Beschaffungskosten (z. B. aufgrund von Mindermengenzuschlägen oder Men­ genrabatt), – die Folgewirkungen veränderter Transportwege und -mittel auf die Beschaffungs­ zeiten und auf die Transportrisiken, – die unterschiedlichen Lieferbereitschaften und Produktqualitäten der potenziel­ len Lieferanten bei unterschiedlichen Bestellmengen,

512 | Teil G: Anhang



die geopolitischen Stabilitätsrisiken und die Auswirkungen solcher Stabilitätsri­ siken auf die Lieferbereitschaften der potenziellen Lieferanten.

Vor dem Hintergrund des Ermessensspielraums bei der Auswahl der Bewertungskri­ terien und in Anbetracht der Bewertungsspielräume bei den Kriteriengewichtungen und der Punktbewertungen der Alternativen bestehen die potenziellen Gefahren, – dass das Ergebnis der Nutzwertanalyse die realen Rahmenbedingungen nicht an­ gemessen reflektiert und – die Ermittlung der Vorzugswürdigkeit einer Beschaffungsalternative von vornher­ ein auf der Basis einer stark ergebnisgeleiteten Bewertung erfolgt.

Teil C: Operative Planung und Budgetierung 2 Traditionelle Budgeterstellung Aufgabe 1 Ermittlung des Budgets auf Basis der Fortschreibungsmethode: Budget B t+1 (kommendes Geschäftsjahr) B t+1 = 80.000.000 € ⋅ (1 + 0,03) ⋅ (1 + 0,02) + 5.952.000 € B t+1 = 90.000.000 € Beurteilung der Fortschreibungsmethode: Die Fortschreibungsbudgetierung ist eine relativ stabile Budgetierungsform, da Bud­ getwerte vergangener Budgetierungsprozesse auf der Basis externer Einflussgrößen, wie z. B. Inflationsraten oder Konjunktur, einfach inkremental fortgeschrieben wer­ den. Dies kann grundsätzlich nur dann zulässig sein, wenn eine strukturelle Konstanz unterstellt werden darf. Da man mit dieser Herangehensweise an die Allokation knap­ per Ressourcen i. d. R. schneller Kompromisse findet, sind die wesentlichen Vorteile der Fortschreibungsbudgetierung in der unternehmensinternen Reduktion von Kon­ flikten und in den relativ zügigen Entscheidungsprozessen bezüglich der Budgetge­ staltung zu sehen. Da jedoch das Budget an inputbezogenen Vergangenheitswerten ausgerichtet wird, ist die resultierende Ressourcenallokation unzureichend leistungsorientiert. Zudem kann es zur Abwendung eventuell drohender Budgetkürzungen durch die zu budgetierenden Entscheidungseinheiten zu einer ineffektiven Ressourcenverwen­ dung („November- oder Dezemberfieber“) kommen. Da sich das Budget der Folgeperi­ ode als Fortschreibung des bisherigen Budgets ergibt, ist die Gefahr manifest, dass die Budgetvorgaben sukzessive erhöht werden – ohne Prüfung, ob die Erhöhung vor dem Hintergrund des zu erbringenden Leistungsniveaus gerechtfertigt erscheint. Wenn darüber hinaus eine Analyse bisheriger Budgetvorgaben unterbleibt, können zudem

Lösungshinweise: Teil C

| 513

bestehende Ineffizienzen nicht aufgedeckt werden. Umgekehrt zeigt sich in der An­ wendungspraxis, dass die Fortschreibungsbudgets bei rückläufiger Geschäftstätigkeit meist nicht in gleichem Maße sinken. Im Rahmen einer solchen Budgetierung stehen Ressourcenallokation und Ressourcenverwendung also in der Gefahr, Ineffektivitäten bzw. Ineffizienzen im Unternehmen zu befördern. Der relativ hohe praktische Anwendungswert, bedingt durch Stabilität der Bud­ gets sowie durch Einfachheit und Schnelligkeit des Budgetierungsprozesses, kann nicht verdecken, dass die Koordinationsfunktion der Budgetierung mittels eines sol­ chen Verfahrens i. d. R. nicht in angemessenem Maße ausgeschöpft wird. Aufgabe 2 Kostenstellen-Plankosten Sollkosten (−10 %) Sollkosten (+10 %) Plankostenverrechnungssatz (PKVS)

201.545,45 € 188.890,91 € 214.200,00 € 83,98 €/Std.

Aufgabe 3 Daten

kapazitätsbezogene Planung

engpassbezogene Planung

Planbezugsgröße Planbeschäftigung KoSt.-Plankosten davon variable Plankosten davon fixe Plankosten Plankostenverrechungssatz (PKVS)

3.000 LE 600 Stunden 125.909 € (gerundet) 28.909 € (gerundet) 97.000 € 209,85 €/Std.

2.800 LE 560 Stunden 123.982 € (gerundet) 26.982 € (gerundet) 97.000 € 221,40 €/Std.

3 Budgetkontrolle Aufgabe 1 kumulative Methodik Abspaltung der Mengenabweichung (10.000 LE)

Gesamtabweichung Kostenabweichung Preisabweichung Preisabweichung Kostenabweichung

810.000 € 450.000 € 360.000 € 330.000 € 480.000 €

alternative Methodik Es verbleibt eine Restabweichung in Höhe von 30.000 €.

Gesamtabweichung Kostenabweichung Preisabweichung

810.000 € 450.000 € 330.000 €

differenziert-kumulative Methodik Abweichung erster Ordnung

Gesamtabweichung Kostenabweichung Preisabweichung Preis-Mengen-Abweichung

810.000 € 450.000 € 330.000 € 30.000 €

Abspaltung der Preisabweichung (3 €/LE)

Abweichung zweiter Ordnung

514 | Teil G: Anhang

Aufgabe 2 Zur Vorbereitung der Abweichungsanalyse werden zunächst die Deckungsbeiträge und die absoluten Plan-Ist-Differenzen ermittelt; daneben werden die Plan- und Ist­ werte der Einflussgrößen in Bezug auf eine Leistungseinheit ermittelt: Daten

Plandaten

Istdaten

Plan − Ist (absolut)

Absatzmenge ⋅ [LE] Umsatzerlös[€] Absatzpreis p [€] variable Kosten des Umsatzes [€] variable Stückkosten kvar [€] Deckungsbeitrag DB [€] Stückkostendeckungsbeitrag db [€]

1.000 400.000 400 250.000 250 150.000 150

1.200 360.000 300 300.000 250 60.000 50

−200 +40.000 100 −50.000 0 +90.000 100

Abweichungsanalyse nach der differenziert-kumulativen Methode: Zunächst wird die gesamte Budgetabweichung beim Deckungsbeitrag gemäß Plan-IstVergleich festgestellt: Deckungsbeitrag [€]

(1.000 ⋅ 400) − (1.200 ⋅ 300)

+90.000

Mithilfe der differenziert-kumulativen Methode kann diese Budgetabweichung je Ka­ tegorie vollständig erklärt werden. Die Abweichung setzt sich aus den drei Teilabwei­ chungen bezüglich des Umsatzes, der Absatzmenge sowie der variablen Kosten zu­ sammen. Für die Analyse ist in der differenziert-kumulativen Methode die Reihenfolge der Einflussgrößenbetrachtung irrelevant. Die Abweichungen ersten Grades sind wie folgt zu ermitteln (der Sollumsatz drückt den Planumsatz bezogen auf die tatsächlich realisierte Absatzmenge aus): Sollumsatz [€] Umsatzabweichung (p) [€] Umsatzabweichung (x) [€]

(1.200 ⋅ 400) (480.000 − 360.000) (300.000 − 360.000)

480.00 +120.000 −60.000

Im Anschluss wird die Sekundärabweichung ermittelt, die darauf zurückgeht, dass sich der Absatzpreis bei einer Mengensteigerung reduziert hat: Sekundärabweichung (x; p) [€]

(−200 ⋅ 100)

−20.000

Die Durchführung der Abweichungsanalyse bei den variablen Kosten führt zu den fol­ genden Ergebnissen: variable Kostenabweichung (kvar ) [€] variable Kostenabweichung (x) [€]

(250 ⋅ 1.200) − (250 ⋅ 1.200) (250 ⋅ 1.000) − (250 ⋅ 1.200)

±0 −50.000

Lösungshinweise: Teil C |

515

Da die variablen Stückkosten als Plan- und Istdaten identisch sind, tritt mit dem Bezug auf die tatsächlich realisierte Absatzmenge keine Abweichung auf (diese Differenz ist als Differenz zwischen den variablen Soll- und Istkosten identisch mit der Verbrauchs­ abweichung der Grenzplankostenrechnung). Die gemischte Abweichung bezogen auf die Kostenabweichung beträgt ebenfalls Null: Sekundärabweichung (x; kvar ) [€]

(−200 ⋅ 0)

±0

Als dritte Größe wird nun die Deckungsbeitragsabweichung aufgrund der tatsächlich höheren Absatzmenge als der geplanten untersucht: (150 ⋅ 1.200) − (50 ⋅ 1.200) (50 ⋅ 1.000) − (50 ⋅ 1.200)

DB-Abweichung (db) [€] DB-Abweichung (x) [€]

+120.000 −10.000

Die Abweichung zweiten Grades ergibt sich mit: (−200 ⋅ 100)

Abweichung 2. Grades (x; db) [€]

−20.000

Analysefazit: Die Abweichungsanalyse zeigt, dass die Gesamtabweichung beim peri­ odischen Deckungsbeitrag in Höhe von 90.000 € durch eine Umsatzabweichung in Höhe von 40.000 € und durch eine Kostenabweichung bei den variablen Kosten in Höhe von 50.000 € begründet ist. Aufgabe 3 Daten

kapazitätsbezogene Planung

engpassbezogene Planung

Planbeschäftigung Plankostenverrechungssatz (PKVS) verrechnete Plankosten Gesamtabweichung Sollkosten Beschäftigungsabweichung Verbrauchsabweichung

10.000 Std. 5,00 €/Std. 40.000 € 0€ 42.400 € +2.400 € −2.400 €

7.000 Std. 5,51 €/Std. 44.080 € −4.080 € 42.400 € −1.680 € −2.400 €

Aufgabe 4 Daten

B I = 1.920 Std. K I = 65.400 €

B I = 2.760 Std. K I = 98.500 €

KoSt.-Plankosten

84.000 € (variabler Anteil: 58.800 €; fixer Anteil: 25.200 €)

Sollkosten Beschäftigungsabweichung Verbrauchsabweichung

72.240 € +5.040 € −6.840 €

92.820 € −3.780 € +5.680 €

516 | Teil G: Anhang

4 Prozessorientierte Budgetierung Aufgabe 1 Zunächst ist eine Zusammenfassung der Aktivitäten mit gleichem Kostentreiber zu Teilprozessen vorzunehmen (siehe hier Teilprozess 2). Anschließend ist die Ermitt­ lung der lmi-Teilprozesskostensätze durchzuführen, indem für die fünf lmi-Teilpro­ zesse jeweils die Teilprozesskosten durch die Prozessmengen dividiert werden. Dann erfolgt die Ermittlung der Prozessumlagesätze: Prozessumlagesätze PUS: 230.000 € ⋅ 1.000 €/ME = 400 €/ME 575.000 € 230.000 € ⋅ 200 €/ME = 80 €/ME Prozessumlagesatz PUS (2): 575.000 € 230.000 € Prozessumlagesatz PUS (3): ⋅ 1.000 €/ME = 400 €/ME 575.000 € 230.000 € Prozessumlagesatz PUS (4): ⋅ 60 €/ME = 24 €/ME 575.000 € 230.000 € Prozessumlagesatz PUS (5): ⋅ 10 €/ME = 4 €/ME 575.000 € Die gesamten Teilprozesskostensätze ergeben sich jeweils durch Addition der lmi-Teil­ prozesskostensätze und der zugehörigen lmn-Umlagesätze: Prozessumlagesatz PUS (1):

Bezeichnung

Analyseergebnisse (Jahr 2015)

Teilprozessgrößen (€)

Nr.

Teilprozesse

Bezugsgröße (Kostentreiber)

TP-Kosten (€)

lmi

lmn

gesamt

1 2

Lieferantenbetreuung Einzelbestellungen/ Eingangskontrolle Rahmenverträge verhandeln Bestellung aus Rahmenverträgen Rechungsprüfung

Lieferanten 30 Einzelbestellungen 2.000

30.000 400.000

1.000 200

400 80

1.400 280

20

20.000

1.000

400

1.400

Bestellabrufe

1.500

90.000

60

24

84

Rechnungen

3.500

35.000

10

4

14

2.270

908

3.178

3 4 5

Menge

Rahmenverträge

Summe der lmi-Kosten 6

Abteilungsleitung

Summe der lmn-Kosten

575.000 230.000 805.000

Die ermittelten (gesamten) Teilprozesskostensätze als Prozessvollkosten zeigen die Kostenverursachung bei einmaliger Inanspruchnahme eines Teilprozesses; daneben zeigen die Prozessteilkosten mit dem lmi-Teilprozesskostensatz, wie hoch die variable Kostenverursachung bei einmaliger Inanspruchnahme eines Teilprozesses ausfällt. Die Teilprozesskostensätze können je nach Rechenzweck einer weiteren Verwendung zugeführt werden, wie beispielsweise im Rahmen der Kalkulation von Kostenträgern

Lösungshinweise: Teil C | 517

oder im Rahmen der prozessbezogenen Budgetierung. Bei letztgenannter Verwendung bieten die (gesamten) Teilprozesskostensätze die zentrale Grundlage für eine – im Ver­ gleich zu input-orientierten Verfahren – stärker leistungsbezogene Budgeterstel­ lung. Das Beispiel offenbart, dass auch die Prozesskostenrechnung eine pauschale Schlüsselung von Gemeinkostenanteilen erfordert, nämlich mit der Ermittlung von Umlagesätzen für die lmn-Gemeinkosten. An die Stelle der pauschalen Gemeinkos­ tenverteilung im Rahmen der Zuschlagskalkulation traditioneller Vollkostenrech­ nung tritt hier das Verrechnen auf Basis mengenbezogener Leistungsdaten. Dies wird (analog zu der Problematik steigender Gemeinkostenanteile in der traditionellen Vollkostenrechnung) dann ungenau, wenn in einzelnen Kostenstellen ein hoher fixer Gemeinkostenanteil vorliegt, der über Umlagesätze verteilt werden muss. Dies betrifft in diesem Beispiel einen lmn-Gemeinkostenanteil in Höhe von fast 30 % (230 T€ von 805 T€), der mengenvariabel gesetzt und damit – sachlogisch unzulässig – propor­ tionalisiert wird. Dies führt zu einem Gemeinkostenzuschlag von in Höhe von 40 % je lmi-Teilprozesskostensatz. Insofern ist die Aussagekraft der Kostensätze insbeson­ dere bei hohen fixen Gemeinkostenanteilen an den gesamten Gemeinkosten einer Kostenstelle kritisch zu hinterfragen. Aufgabe 2 Auf der Basis der Teilprozesskostensätze gelangt bei geänderten Prozessmengen zu den nachfolgend aufgeführten Teilprozesskosten und zu einem Budgetansatz für die Gemeinkosten in Höhe von 714 T€: Kostenstelle Einkauf: Bezeichnung

Planungsperiode (2016)

Nr.

Teilprozesse

Bezugsgröße (Kostentreiber)

1 2

Lieferantenbetreuung Einzelbestellungen/ Eingangskontrolle Rahmenverträge verhandeln Bestellung aus Rahmenverträgen Rechungsprüfung

3 4 5

Menge

TP-Kosten (€)

Budgetansatz 2016 (€)

Lieferanten 30 Einzelbestellungen 1.500

1.400 280

42.000 420.000

Rahmenverträge Bestellabrufe

25 2.000

1.400 84

35.000 168.000

Rechnungen

3.500

14

49.000

Kostenbudget

714.000

Eine solche prozessorientierte Budgetierung zeichnet sich dadurch aus, dass kein fort­ geschriebenes inputorientiertes Budget geplant wird, das Sach- und Personalkosten als Eingangsgrößen plant. Die Budgetierung beginnt bei der Planung der Prozess­ mengen und ermittelt erst auf dieser Basis das zuzuweisende Budget. Im Vergleich zur inputorientierten (Bereichs-)Budgetierung wird eine zielgerichtete Planung be­ trieblicher Ressourcen eingeräumt. Da das Budget auf den geplanten Prozessmengen

518 | Teil G: Anhang

basiert, ist es vom Charakter her stärker leistungsbezogen; mit dieser Outputorien­ tierung offenbart das prozessorientierte Budget für das Planungsjahr 2016 Redukti­ onspotenziale bei den Gemeinkosten: – Die Teilprozessmengenänderungen führen im Vergleich zum Budget des Vorjahrs (805 T€) zu einem Gemeinkostenreduktionspotenzial in Höhe von 91 T€ (11,3 %). Allerdings ist hierbei zu bedenken, dass in Bezug auf die absolut- oder sprung­ fixen Gemeinkosten, die per Prozessumlagesatz proportionalisiert wurden, nur eine bedingte Abbaubarkeit besteht. Gleichwohl macht das prozessorientiert er­ mittelte Budget deutlich, dass in der Materialhauptkostenstelle I (bei ansonsten gleichbleibenden Bedingungen) zumindest mittelfristig Kapazitäten abbaubar sind. – Im Vergleich zum input-orientierten Fortschreibungsbudget (in Höhe von 814 T€), das dem Generalverdacht leistungsneutraler und überhöhter Budgetvorgaben un­ terliegt, ist ein Gemeinkostenreduktionspotenzial in Höhe von 100 T€ erkennbar (12,3 %). Im Vergleich zum Fortschreibungsbudget kann das prozessorientiert er­ mittelte Budget (bei ansonsten gleichbleibenden Bedingungen) Einsparpotenzia­ le bei den Gemeinkosten in der Materialhauptkostenstelle I offenlegen, die durch eine rein inputorientierte Fortschreibungsbudgetierung verdeckt und somit auch nicht realisiert werden könnten. Aufgabe 3 Der relativ hohe Aufwand für eine prozessorientierte Budgetierung ist zunächst auf die rechentechnische Basis der Prozesskostenrechnung zurückzuführen. Auch wenn der mit der Tätigkeits- und Bezugsgrößenanalyse verbundene hohe Einführungsauf­ wand für den generellen Verzicht auf die prozessorientierte Budgetierung spricht, so kann der hohe Aufwand doch zumindest durch die dauerhafte Nutzung der Prozess­ kostenrechnung gerechtfertigt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass das Prozess­ modell nicht zu kompliziert gestaltet wird, indem die Anzahl der Teilprozessebenen und der Haupt- und Teilprozessvarianten übersichtlich gehalten wird. Dies erleich­ tert die Pflege des Prozessmodells und reduziert das Datenvolumen, dass im Rahmen der Prognose, der Planung und der Kontrolle erhoben und verarbeitet werden muss. Allerdings ist mit dieser gröberen Gestaltung des Prozessmodells auch ein Informa­ tionsverlust verbunden, der die Aussagekraft der zentralen Budgetierungsgrundlage verringert, nämlich v. a. die der Prozesskostensätze. In den wichtigsten gemeinkostenintensiven Bereichen lässt sich eine prozessori­ entierte Budgetierung nur bedingt einsetzen – und kann damit bei Kontrolle der Fort­ schrittsbudgetierung auch nur bedingt helfen. Diese Probleme sind insbesondere zu­ rückzuführen auf die in diesen Bereichen unzureichende Aussagekraft der zentralen Budgetierungsgrundlagen, nämlich der Prozessmengen und -kostensätze: – Es wird von einer eindeutigen Abgrenzbarkeit von Prozessen und zurechenbaren Prozesskosten, sowie von der Abhängigkeit der Prozesskosten von nur einer Be­ zugsgröße ausgegangen.

Lösungshinweise: Teil C



| 519

Es erfolgt eine (unzulässige) Proportionalisierung fixer Gemeinkosten über den zu bildenden Prozessumlagesatz (PUS). Eine aus der Prozessmenge abgeleitete Änderung des prozessorientierten Budgets erscheint in Anbetracht des Effekts der Kostenremanenz sachlogisch kaum begründbar.

Der Einsatz einer Prozesskostenrechnung eignet sich v. a. bei repetitiven (häufig wie­ derkehrenden) Tätigkeiten mit hinreichendem Kostenvolumen und überschaubarer Komplexität. Die Grundidee, dass die Kostenträger „nur“ die Prozessmengen, und die Prozesse (und eben nicht die Kostenträger) die Ressourcen in Anspruch nehmen, bietet im Vergleich zur traditionellen Vollkostenrechnung neue Möglichkeiten der Verrechnung der Gemeinkosten. Indem der prozessbedingte Grad der Kapazitätsaus­ lastung und die durch die einzelnen Prozesse verbrauchten bzw. gebrauchten Pro­ duktionsfaktoren offengelegt werden, können auch die Kosteneinsätze transparenter gestaltet werden. Durch ihre vorgangsbezogene bzw. prozessorientierte Sichtweise kann die Pro­ zesskostenrechnung der Technisierung der Leistungsprozesse und der Veränderung der Kostenstrukturen mit den steigenden Gemeinkostenanteilen an den Gesamtkosten zweifelsohne eher gerecht werden. Noch wesentlicher erscheint die Tatsache, dass die in der traditionellen Kostenrechnung favorisierte funktionsorientierte Perspektive die Sicht auf abteilungsübergreifende Prozessabläufe zumindest nicht befördert. Die Prozesskostenrechnung setzt den Fokus gerade auf die abteilungs- und kostenstellen­ übergreifende Betrachtung von Prozessen. Diese prozessbezogene Betrachtung wird dabei bewusst nicht an wert- oder zeitabhängige Bezugsgrößen, wie beispielsweise Fertigungs- und Maschinenstunden oder Einzel- bzw. Herstellkosten, gebunden – die als Bezugsgrößen in Anbetracht der Technisierung der Leistungsprozesse sowieso ungeeignet erscheinen. Mit der kostenstellenübergreifenden und prozessbezogenen Betrachtung des Ressourceneinsatzes kann eine prozessorientierte Budgetierung ins­ besondere dazu beitragen, die Abstimmungsprobleme zwischen verschiedenen Abtei­ lungen bzw. Kostenstellen, sowie das kostenstellenbezogene „Ressourcenhorten“ zu überwinden. Denn durch die kostenstellenübergreifende Sichtweise ist zu erwarten, dass das kostenstellenbezogene Denken zugunsten einer abteilungsübergreifenden, ganzheitlichen Perspektive des Gemeinkostenmanagements in den Hintergrund tritt. Trotz des eher heuristischen Charakters ihrer Informationsbasis kann die prozess­ orientierte Budgetierung mit ihren Plausibilitätsüberlegungen einen kritischen Blick auf die Gemeinkostenbeträge und die dahinterstehenden Prozesse lenken. Die zentra­ len Chancen der prozessorientierten Budgetierung sind also darin zu sehen, die Pla­ nung, die Kontrolle und die Steuerung v. a. in den gemeinkostenintensiven Bereichen zu verbessern, sowie die Budgetierung in Bezug auf die Gemeinkosten outputbezo­ gener und somit leistungsbezogener zu gestalten. Damit kann zugleich auch die Kos­ tentransparenz erhöht werden – und zur Gemeinkostenreduktion im Unternehmen beigetragen werden.

520 | Teil G: Anhang

Teil D: Koordination dezentraler Entscheidungseinheiten 2 Verrechnungspreise als Steuerungsinstrument Aufgabe 1 Die Optimierungsüberlegungen sind auf der Basis einer Teilkostenrechnung anzustel­ len, da es sich mit der Entscheidung über einen einmaligen Zusatzauftrag um eine kurzfristig wirksame Entscheidung handelt. Die Fixkosten sind demzufolge als ent­ scheidungsneutraler Kostenbestandteil zu behandeln. Stückbezogene Teilkostenrechnung der Electronica: Daten (€)

interne Lieferung

externe Lieferung

Marktpreis/LE (= v) variable Stückkosten

120 90

120 106

30

14

Stückdeckungsbeitrag db

Stückbezogene Teilkostenrechnung der E-Bike-Systems: Daten (€)

interner Bezug

externer Bezug

Marktpreis/LE Verrechnungspreis/LE variable Stückkosten

150 120 40

150 120 50

Stückdeckungsbeitrag db

−10

−20

Stückbezogene Teilkostenrechnung der Cycle AG (interner Bezug oder externer Absatz der Elektromotoren): Daten (€)

interne Abwicklung

externe Abwicklung

Marktpreis/LE variable Stückkosten der Electronica variable Stückkosten der E-Bike-Systems

150 90 40

120 106 –

20

14

Stückdeckungsbeitrag db





Das Profitcenter E-Bike-Systems ermittelt bei einem Verrechnungspreis in Höhe des Marktpreises für das marktfähige Zwischenprodukt (in Höhe von 120 €/LE) einen negativen Stückdeckungsbeitrag – und lehnt den Zusatzauftrag mit inter­ nem Bezug der Elektromotoren ab. Da ein externer Bezug der Elektromotoren den Stückdeckungsbeitrag noch weiter reduzierte, wird der Zusatzauftrag insgesamt abgelehnt. Die Electronica kann die durch das Center E-Bike-Systems nicht in Anspruch ge­ nommene Lieferung am heimischen Markt absetzen und erzielt einen positiven Stückdeckungsbeitrag in Höhe von 14 €/LE. Dies wäre dann auch der aus Sicht der Cycle AG gesamte positive Stückdeckungsbeitrag.

Lösungshinweise: Teil D

| 521

Dieser gesamte positive Stückdeckungsbeitrag ist aber aus der Perspektive der Cy­ cle AG um 6 €/LE (20 €/LE − 14 €/LE) geringer als bei Annahme des Zusatzauf­ trag durch das Profitcenter E-Bike-Systems mit internem Bezug der Elektromotoren von der Electronica. Die dezentralen Optimierungsüberlegungen führen also un­ ternehmensweit zu einem Suboptimum. Dieses Suboptimum ist in diesem Beispiel dadurch begründet, dass der dem Marktpreis entsprechende Verrechnungspreis die Verbundvorteile der Center innerhalb der Cycle AG nicht angemessen widerspiegelt. Diese verbundbezogenen Kostenvorteile sind – bei interner Lieferung für die Electronica s. r. o. nicht entstehende zusätzliche va­ riable Verpackungskosten in Höhe von 16 €/LE, – bei der E-Bike-Systems GmbH bei internem Bezug nicht entstehende zusätzliche variable Kosten für die Qualitätsprüfung in Höhe von 10 €/LE. Die Differenz der Verbundvorteile entspricht dem aus der Perspektive der Cycle AG verloren gegangenen Stückdeckungsbeitrag in Höhe von 6 €/LE (16 €/LE − 10 €/LE). Aufgabe 2 Erfolgsrechnungen und Steuerlasten bei konzerninterner Transaktion zu dem Ver­ rechnungssatz in Höhe von 120 €/LE: Daten (€)

Erfolgsrechnung Electronica

Verrechnungssatz pauschaler Steuersatz vorläufige Erfolgsausweise Erlöse aus dem Transfergeschäft Selbstkosten (nur des Transfergeschäfts)

Erfolgsrechnung E-Bike-Systems

120 €/LE

Gewinne aus dem Transfergeschäft

20 % 100.000 120.000 10.000 90.000 20.000

50 % 100.000 150.000 20.000 160.000 −30.000

endgültige Gewinnsalden Steuerlasten

120.000 24.000

70.000 35.000

Summe Steuerlast

59.000

Erfolgsrechnungen und Steuerlasten bei konzerninterner Transaktion zu einem selbst gewählten Verrechnungssatz: Der zu wählende Verrechnungssatz muss zwecks Be­ vorzugung des Niedrigsteuerlands dazu geeignet sein, die Erlöse aus dem Zusatzauf­ trag möglichst vollständig in das Niedrigsteuerland zu transferieren; deshalb muss der Verrechnungssatz mehr als 120 €/LE betragen. Hier wird exemplarisch mit dem Verrechnungspreis in Höhe von 150 €/LE (also mit dem Absatzpreis des Endprodukts) die Gewinnverlagerung verdeutlicht:

522 | Teil G: Anhang

Daten (€)

Erfolgsrechnung Electronica

Verrechnungssatz pauschaler Steuersatz vorläufige Erfolgsausweise Erlöse aus dem Transfergeschäft Selbstkosten (nur des Transfergeschäfts)

Erfolgsrechnung E-Bike-Systems

150 €/LE

Gewinne aus dem Transfergeschäft

20 % 100.000 150.000 10.000 90.000 50.000

50 % 100.000 150.000 20.000 190.000 −60.000

endgültige Gewinnsalden Steuerlasten

150.000 30.000

40.000 20.000

Summe Steuerlast

50.000

Der Verrechnungspreis in Höhe von 150 €/LE transportiert die Erlöse aus dem Zusatz­ auftrag vollständig in das Niedrigsteuerland – damit ist in diesem Beispiel ein Steu­ ervorteil in Höhe von 9.000 € verbunden. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass das Beispiel nur der Illustration des Effekts der Steuerminimierung dienen soll; eine Verrechnungspreisbestimmung in dieser Form wäre schon aufgrund des Fremdver­ gleichsgrundsatzes nicht zulässig.

3 Ermittlung der Verrechnungspreise Aufgabe 1 Als Ausgangsdaten für die Ermittlung des Einigungsbereichs werden die stückbezo­ genen Teilkostenrechnungen der beiden Center herangezogen: E-Bike-Systems: Daten (€)

interner Bezug

externer Bezug

Marktpreis/LE Verrechnungspreis/LE variable Stückkosten Stückdeckungsbeitrag db

150 120 40 −10

150 120 50 −20

Daten (€)

interne Lieferung

externe Lieferung

Marktpreis/LE (= v) variable Stückkosten Stückdeckungsbeitrag db

120 90 30

120 106 14

Electronica:

Lösungshinweise: Teil D

| 523

Einigungsbereich ohne Berücksichtigung der Verbundeffekte: – Das Center E-Bike-Systems nimmt den Zusatzauftrag zu jedem Verrechnungspreis an, der 110 €/LE nicht überschreitet. Dies ist die Preisobergrenze, den die abneh­ mende Einheit für die Transfermenge des Zwischenprodukts als noch akzepta­ bel einstuft, weil bei einem solchen Verrechnungspreis zumindest kein negativer Stückdeckungsbeitrag resultierte. – Das Center Electronica liefert die Zwischenprodukte zu jedem Verrechnungspreis, der zumindest die variablen Stückkosten des Zwischenprodukts deckt. Dies ist die Preisuntergrenze, den die zuliefernde Einheit für die Transfermenge des Zwi­ schenprodukts als noch akzeptabel einstuft. – Damit erstreckt sich der Einigungsbereich ohne Berücksichtigung der Verbundef­ fekte auf: [90;110] Einigungsbereich mit Berücksichtigung der Verbundeffekte: – Das Center E-Bike-Systems nimmt den Zusatzauftrag wiederum zu jedem Verrech­ nungspreis an, der 110 €/LE nicht überschreitet. Das Center Electronica liefert die Zwischenprodukte zu jedem Verrechnungspreis, der zumindest die variablen Stückkosten des Zwischenprodukts einschließlich der Opportunitätskosten in Hö­ he von 14 €/LE deckt. Die Preisuntergrenze erhöht sich damit auf 104 €/LE; mit dieser Preisuntergrenze ist sichergestellt, dass zumindest der gleiche Stückde­ ckungsbeitrag (in Höhe von 14 €/LE) realisiert wird wie bei Absatz der Zwischen­ produkte am heimischen Markt. – Damit erstreckt sich der Einigungsbereich mit Berücksichtigung der Verbundef­ fekte auf: [104;110] Aus der Lösung ist ersichtlich, dass die dezentralen Optimierungsüberlegungen unter­ nehmensweit zu einem Suboptimum führen, wenn der Verrechnungspreis dem Markt­ preis für das Zwischenprodukt entspricht (v = 120 €/LE). Aus Sicht des Gesamtunter­ nehmens wird die Koordinationsfunktion mit diesem Verrechnungspreis nicht opti­ mal erfüllt, weil mit dem Marktpreis Verbundvor- und -nachteile ignoriert werden. Ein aus Sicht des Gesamtunternehmens optimaler Verrechnungspreis muss si­ cherstellen, dass beiden Bereichen kein Stückdeckungsbeitrag gegenüber der jeweils besten Handlungsalternative verloren geht (Opportunitätskosten). Deshalb führt je­ der Verrechnungspreis, der im Einigungsbereich mit Berücksichtigung der Verbund­ effekte [104;110] verortet ist, zu einer Annahme des Zusatzauftrags und zur internen Lieferung des Zwischenprodukts – also aus Sicht der Cycle AG zu optimalen Entschei­ dungen der beiden Center.

524 | Teil G: Anhang

Ein Verrechnungspreis, der die Koordinationsfunktion optimal erfüllt, muss also nicht dem Marktpreis für das Zwischenprodukt entsprechen. Der Marktpreis beein­ flusst jedoch die Höhe der Opportunitätskosten (hier aus Sicht der Electronica externe Lieferung zu p in Höhe von 120 €/LE und mit einem db in Höhe von 14 €/LE). Insofern spielt der Marktpreis eine Rolle für die Entscheidung, denn er stellt eine Bestimmungs­ größe für die Untergrenze des Verrechnungspreises dar. Aufgabe 2 a. Kostenstrukturen und Entscheidung über den Zusatzauftrag: Daten (€)

Kostenrechnung E-Bike-Systems

Kostenrechnung Cycle AG

variable Auftragskosten/LE auftragsanteilige Fixkosten/LE Selbstkosten pro LE

310 90 400

160 240 400





77,5 % 22,5 % 100 %

40 % 60 % 100 %

Aus der Sicht des Profitcenters E-Bike-Systems wäre der Auftrag abzulehnen, weil er bei einem Angebotspreis pro LE in Höhe von 300 € mit einem negativen Stück­ deckungsbeitrag verbunden wäre (in Höhe von −10 €/LE). Aus der Perspektive des Gesamtunternehmens wäre die Entscheidung des Pro­ fitcenters E-Bike-Systems nicht optimal, weil mit dem Zusatzauftrag ein positiver Stückdeckungsbeitrag verloren ginge (in Höhe von +140 €/LE).

Der maßgebliche Grund für die suboptimale Entscheidung ist die mit dem vollkosten­ orientierten Verrechnungspreis vorgenommene Proportionalisierung fixer Kosten. In dem Verrechnungssatz in Höhe von 250 €/LE sind anteilige Fixkosten je LE enthalten in Höhe von 150 €/LE. Aus der Perspektive der E-Bike-Systems werden diese Fixkos­ ten als variable (Bezugs-)Kosten interpretiert und verzerren damit die Kostenstruktur mit den variablen und fixen Kostenanteilen an den Gesamtkosten. Bei Verwendung eines grenzkostenorientierten Verrechnungspreises (in Höhe von 100 €/LE) wäre zu­ mindest dieser Verzerrungseffekt nicht mehr gegeben. b. Steuerrechtlich in Betracht kommende Verrechnungspreise (Standardmethoden): Fall 1: Wiederverkaufspreismethode Daten (€)

Erfolgsrechnung E-Bike-Systems

Wiederverkaufspreis Kosten bis Wiederverkauf Gewinnaufschlag

500 150 125

Verrechnungspreis

225

Lösungshinweise: Teil D

| 525

Fall 2: Kostenaufschlagsmethode (Vollkosten) Daten (€)

Kostenrechnung Electronica

volle Selbstkosten pro LE Gewinnaufschlag

250 50

Verrechnungspreis

300

Fall 3: Kostenaufschlagsmethode (Teilkosten) Daten (€)

Kostenrechnung Electronica

variable Selbstkosten pro LE Gewinnaufschlag

100 150

Verrechnungspreis

250

Aufgabe 3 a. Kosten-, Erlös- und Gewinnfunktionen EA (xA ) = (500 − 0,04 ⋅ xA ) ⋅ xA Ez (xz ) = v ⋅ xz

[Erlös der E-Bike-Systems, gegeben]

[Erlös der Electronix]

KA (xA ) = 100.000 + 30 ⋅ xA KZ (xZ ) = 70.000 + 70 ⋅ xZ

[Kosten der E-Bike-Systems] [Kosten der Electronix]

GA (xA ) = EA − KA − [v ⋅ xz ] [Gewinn der E-Bike-Systems] GA (xA ) = [(500 − 0,04 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [100.000 + 30 ⋅ xA ] − [v ⋅ xA ] G(xA ) = EA − [KA + KZ ] [Gewinn der Cycle AG] G(xA ) = [(500 − 0,04 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [170.000 + 100 ⋅ xA ] Da dieselbe Transfermenge zu demselben Verrechnungspreis bewertet wird, werden die Kosten und Erlöse aus dem internen Leistungsaustausch zwischen den Centern nicht in der Gewinnfunktion der Cycle AG berücksichtigt. b. Grenzkostenorientierter Verrechnungspreis und Transfermengenoptimierung v = 70 €/LE Gewinnfunktion der E-Bike-Systems: GA (xA ) = [(500 − 0,04 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [100.000 + 30 ⋅ xA ] − [70 ⋅ xA ] GA (xA ) = [(500 − 0,04 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [100.000 + 100 ⋅ xA ]

526 | Teil G: Anhang

Gewinnmaximum und die zugehörige optimale Transfermenge der E-Bike-Systems: G󸀠 (xA ) = 500 − 0,08 ⋅ xA − 100 = 0 xA = 5.000 LE Die gewinnmaximierende optimale Transfermenge des Centers E-Bike-Systems be­ trägt 5.000 Leistungseinheiten und entspricht bei Verwendung eines grenzkostenori­ entierten Verrechnungspreises der gewinnoptimalen Transfermenge aus der Perspek­ tive der Cycle AG. c. Vollkostenorientierter Verrechnungspreis und Transfermengenoptimierung Die Stückkosten und zugleich der Verrechnungspreis v ergeben sich wie folgt: KZ (xZ(MAX) ) = 7.000) = 70.000 + 70 ⋅ 7.000 = 560.000 [Vollkosten der Electronix] kZ = v = 80 €/LE [Stückkosten der Electronix, zugleich Verrechnungspreis] Gewinnfunktion der E-Bike-Systems: GA (xA ) = [(500 − 0,04 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [100.000 + 30 ⋅ xA ] − [80 ⋅ xA ] GA (xA ) = [(500 − 0,04 ⋅ xA ) ⋅ xA ] − [100.000 + 110 ⋅ xA ] Gewinnmaximum und die zugehörige optimale Transfermenge der E-Bike-Systems: G󸀠 (xA ) = 500 − 0,08 ⋅ xA − 110 = 0 xA = 4.875 LE Die gewinnmaximierende optimale Transfermenge des Centers E-Bike-Systems be­ trägt nun nur noch 4.875 Leistungseinheiten. Da sich die Gewinnfunktion aus Ge­ samtunternehmenssicht im Vergleich zur grenzkostenorientierten Betrachtung nicht ändert, behält die zugehörige optimale Transfermenge auch in der vollkostenorien­ tierten Betrachtung ihre Gültigkeit. Die gewinnmaximierende optimale Transfermen­ ge aus der Perspektive der Cycle AG beträgt demzufolge nach wie vor 5.000 Leistungs­ einheiten. In dem Center E-Bike-Systems wird also hinsichtlich der Transfermenge mit 4.875 LE eine suboptimale Entscheidung getroffen. d. Erfolgsrechnungen für die Center und für die Cycle AG Erfolgsrechnungen bei grenzkostenorientiertem Verrechnungspreis (zu Aufgaben­ teil b.):

Lösungshinweise: Teil D

Daten (€)

Electronix

E-Bike-Systems

Verrechnungspreis

v = 70 €/LE; xA = xZ = 5.000 LE

Erlöse (extern) Transfererlöse Transferkosten fixe Kosten variable Kosten Gesamtkosten

– 350.000 – 70.000 350.000 420.000

1.500.000 – 350.000 100.000 150.000 600.000

1.500.000

Erfolgsausweise

−70.000

+900.000

+830.000

| 527

Cycle AG (∑)

±0 170.000 500.000 670.000

Erfolgsrechnungen bei vollkostenorientiertem Verrechnungspreis (zu Aufgaben­ teil c.): Daten (€)

Electronix

E-Bike-Systems

Cycle AG (∑)

Verrechnungspreis

v = 80 €/LE; xA = xZ = 4.875 LE

Erlöse (extern) Transfererlöse Transferkosten fixe Kosten variable Kosten Gesamtkosten

– 390.000 – 70.000 341.250 411.250

1.486.875 – 390.000 100.000 146.250 636.250

1.486.875

Erfolgsausweise

−21.250

+850.625

+829.375

±0 170.000 487.500 657.500

Erfolgsrechnungen bei grenzkostenorientiertem Verrechnungspreis (zu Aufgaben­ teil c.) mit Globalbetrag: Daten (€)

Electronix

Verrechnungspreis

v = 70 €/LE; xA = xZ = 5.000 LE

Erfolge ohne GB Globalbetrag

−70.000 +60.000

+900.000 −60.000

+830.000 ±0

Erfolgsausweise

−10.000

+840.000

+830.000

e.

E-Bike-Systems

Cycle AG (∑)

Koordinations- und Erfolgsermittlungsfunktion/Centergestaltung

Die Verwendung des grenzkostenorientierten Verrechnungspreises führt bei den Op­ timierungsüberlegungen im Center E-Bike-Systems zu einer Transfermenge, die der optimalen Transfermenge aus Sicht der Cycle AG entspricht. Der grenzkostenorientier­ te Verrechnungspreis führt also zum optimalen Ergebnis aus Gesamtunternehmens­ sicht und kann somit die Koordinationsfunktion erfüllen. Auch die Verwendung eines

528 | Teil G: Anhang

Globalbetrags verändert die optimale Transfermenge aus Sicht der Cycle AG nicht, die Koordinationsfunktion wird demzufolge dadurch nicht beeinträchtigt. Eine prä­ zise und verursachungsgerechte Erfolgsermittlung jedoch kann dieser Verrechnungs­ preis nicht gewähren, denn das Center Electronix weist unabhängig der Transfermen­ ge einen Verlust in Höhe der Fixkosten aus. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Verrechnungspreis als konstanter Grenzkostenbetrag genau die konstanten variablen Stückkosten der Electronix deckt. Dem liefernden Center werden also nur die varia­ blen Kosten ersetzt, während dem Center E-Bike-Systems der gesamte aus dem Ver­ kauf der E-Bikes resultierende Gewinn zugerechnet wird. Der Einsatz eines Globalbe­ trags kann die Verzerrungen in den Erfolgsrechnungen der beiden Center teilweise kompensieren. Das Center Electronix wird um den Globalbetrag besser gestellt, wäh­ rend das Centerergebnis der E-Bike-Systems um den Globalbetrag sinkt. Da der vollkostenorientierte Verrechnungspreis mit seinem Betrag naturgemäß höher ausfällt als der grenzkostenorientierte Verrechnungspreis, resultiert bei den Optimierungsüberlegungen im Center E-Bike-Systems eine geringere Transfermenge, die nicht der optimalen Transfermenge aus Sicht der Cycle AG entsprechen kann. Der vollkostenorientierte Verrechnungspreis führt damit zu einem bereichsübergrei­ fenden Suboptimum, kann also die Koordinationsfunktion nicht optimal ausfüllen. Da das Center E-Bike-Systems mit der aus seiner Perspektive festgelegten optimalen Transfermenge von der Maximalkapazität der Electronix abweicht, weist das Center Electronix einen Verlust in Höhe der Leerkosten aus: KL = KF − [KF ⋅ b]

b = (4.875 : 7.000) ⋅ 100 % = 69,6429 %

(gerundet)

KL = 70.000 € − [70.000 € ⋅ 0,696429] = 21.250 € Mit dem vollkostenorientierten Verrechnungspreis werden lediglich die Nutzkosten im Verrechnungspreis berücksichtigt. Eine vollständige Deckung der gesamten Kos­ ten der Electronix lässt sich durch Verwendung eines vollkostenorientierten Verrech­ nungspreises nur dann erreichen, wenn das Center E-Bike-Systems die Maximalkapa­ zität der Zulieferdivision ausschöpft (b = 100 %). Als Fazit aus dem Beispiel lässt sich feststellen, dass der Verrechnungspreis auf der Basis von Grenzkosten kombiniert mit einem Globalbetrag der Ideallösung am nächsten kommt. Einerseits wird die Koordinationsaufgabe optimal erfüllt, ande­ rerseits ist die Erfolgsverzerrung durch den Globalbetrag zumindest teilweise aus­ geräumt. Hiervon ausgehend stellt sich allerdings das Problem, wie in Anbetracht der ungleichen Verhandlungspositionen (E-Bike-Systems als Profitcenter mit Markt­ zugang; Electronix als Center ohne Marktzugang) ein Globalbetrag ausgehandelt werden kann, der einen angemessenen Ausgleich der Erfolgsverzerrung einräumen kann. Das Center Electronix besitzt faktisch keine Entscheidungsautonomie: Es ist we­ der an der Optimierung der Transfermenge beteiligt (dies erfolgt hier im Center E-BikeSystems), noch hat es in Ermangelung eines freien Marktzugangs einen Einfluss auf

Lösungshinweise: Teil E |

529

die Höhe der Erlöse. Die dezentrale Planung und Kontrolle kann sich demzufolge im Center Electronix nur auf den Kosteneinsatz für eine von der E-Bike-Systems bestimm­ ten Liefermenge beziehen. Insofern sollte es als Costcenter eingerichtet werden. Da die Aufgabe der Electronix von vornherein darauf beschränkt ist, die Versorgung des Centers E-Bike-Systems mit den dort benötigten Elektromotoren sicherzustellen, soll­ te dieses Costcenter konsequenterweise mit einem Kontrahierungszwang ausgestattet werden. Mit einer solchen Gestaltung als Costcenter kann zudem eine mittel- bis lang­ fristige Anpassung der Fixkosten bei der Electronix an die üblicherweise vom Center E-Bike-Systems georderten Liefermengen initiiert werden. Der grenzkostenorientierte Verrechnungspreis sollte jedenfalls auf der Basis von Plankosten gebildet werden, um den zu erwartenden Ineffizienzen im Costcenter entgegen zu wirken.

Teil E: Berichtswesen und Reporting 1 Informationsermittlung – Kennzahlen und Kennzahlensysteme Aufgabe 1 Kennzahlen müssen zwecks Erfassung der Informationen über unternehmensspezi­ fische Sachverhalte bestimmte Eigenschaften erfüllen, u. a. die der Quantifizierbar­ keit. Die Quantifizierbarkeit ist hier als Messung zu verstehen, die sich ausschließlich auf kardinalem Messniveau bewegt. Den Kardinalskalen liegen neben Äquivalenzund Ordnungsbeziehungen auch algebraische Beziehungen zugrunde. Innerhalb der Kardinalskalen unterscheidet man Intervallskalen und Verhältnisskalen. Die unter­ schiedlichen Messniveaus lassen nur bestimmte Aussagen über den zu messenden Gegenstand zu. Nominales und ordinales Messniveau repräsentieren nicht metrische Skalen, während Intervall- und Verhältnisskalen des kardinalen Messniveaus metri­ sche Skalen darstellen. Intervallskalen haben die Messqualität von Ordinalskalen und machen darüber hinaus den Vergleich von Maßdifferenzen möglich. Mit einer Inter­ vallskala kann man Nutzenunterschiede vergleichen, nicht aber den Nutzen selbst. Die Nutzenmaße selbst sind nur ordnungsfähig, aber nicht miteinander vergleichbar. Verhältnisskalen repräsentieren die höchste Messqualität. Sie sind dadurch gekenn­ zeichnet, dass sie zusätzlich zur Intervallskala einen natürlichen Nullpunkt aufwei­ sen. Die folgende Übersicht ordnet den jeweiligen Messniveaus die Skaleneigenschaf­ ten zu: Skalenniveaus

mathematische Eigenschaften (mindestens Anwendbarkeit der vier Grundrechenarten) der Messung führen zu einer ...

nominales Niveau ordinales Niveau Intervallniveau Verhältnisniveau

nicht metrischen Skala nicht metrischen Skala metrischen Skala metrischen Skala

530 | Teil G: Anhang

Eine Auskunft über die zulässigen Aussagen mit entsprechenden Beispielen auf der Ebene der jeweiligen Messniveaus gibt die folgende Übersicht: Skalenniveaus

. . . lassen zulässige Aussagen zu über

Beispiele

nominales Niveau

Äquivalenzbeziehungen (wie z. B. Gleichheit oder Verschiedenheit)

– Geschlechtsgruppen – Familienstand – Berufsgruppensystematiken

ordinales Niveau

(Rang-)Ordnungsbeziehungen wie z. B. – größer/kleiner, – befriedigend/unbefriedigend, – besser/schlechter

– – – – –

Windstärke Schulzensuren Beliebtheitsskalen Sporttabellen Nutzenfunktionen

Intervallniveau

numerische Vergleiche von Intervallen, Differenzen

– – – –

Celsiusskala Intelligenzquotient Kalenderzeit Nutzenfunktionen

Verhältnisniveau

numerische Vergleiche von Einzelmaßen

– – – –

Kelvin-Skala Längen-/Gewichtsmaße Alter Jahresumsatz

Da mithilfe von Verhältniskennzahlen auf unterschiedliche Art und Weise Sachver­ halte miteinander anhand mathematischer Operationen in Verbindung gebracht wer­ den sollen, ist bei der Messung zwingend ein kardinales Messniveau notwendig, um zulässige Kennzahlenwerte gewinnen zu können. Aufgabe 2 Der Zeitvergleich ist ein Vergleich der aktuellen Ausprägungen der Kennzahlen mit denen aus der Vergangenheit. Das vorrangige Ziel ist hier das Erkennen von (Fehl-)Entwicklungen (z. B. Fehldispositionen). Der Konkurrenzvergleich (Betriebsund Abteilungsvergleich) nimmt einen Vergleich von Kennzahlen eines Unterneh­ mens mit den Kennzahlen konkurrierender Unternehmen vor (eventuell auch über Branchengrenzen hinweg, z. B. im Rahmen eines Benchmarkings). Auch innerhalb eines Unternehmens kann dieser Konkurrenzvergleich durchgeführt werden, indem beispielsweise zwei oder mehrere (gleichartige) Center eines Unternehmens mitein­ ander verglichen werden. Ein solcher Vergleich zielt auf eine Herausstellung der re­ lativen Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens ab. Ein solcher Vergleich setzt aber voraus, dass die Vergleichbarkeit nicht durch verschiedene Betriebsgrößen, durch verschiedene Fertigungstiefen und -weisen, oder durch verschiedene Beschäf­ tigungsgrade beeinträchtigt ist. Ein Soll-Ist-Vergleich intendiert die Feststellung von Zielverfehlungen durch einen Vergleich der ex post tatsächlich aufgetretenen Ausprä­ gungen der Kennzahlen mit den ex ante geplanten Kennzahlen.

Lösungshinweise: Teil E |

531

2 Informationsbereitstellung – internes und externes Berichtswesen Aufgabe 1 1. Der vom Personalvorstand angeforderte Bericht entspricht einem Bedarfsbericht aufgrund der bevorstehenden Tarifverhandlungen. 2. Der vom Bezirksleiter für seine Verkaufsregion erstattete Bericht ist ein Abwei­ chungsbericht bezüglich einer prozentualen Umsatzabweichung. 3. Der von der Controllerin vorgelegte Umsatzbericht entspricht einem routinemäßig erfolgenden Standardbericht. 4. Der vom Leiter der Qualitätskontrolle vorgelegte Bericht ist ein Abweichungsbe­ richt über die Abweichung von den vorgesehenen Prüfkosten. 5. Der von der Unternehmensleitung angeforderte Bericht ist ein Bedarfsbericht über die Auswirkungen einer ins Auge gefassten Kurzarbeit. 6. Der vorgelegte Bericht über die Verfehlung der geplanten Beschaffungskosten für die Hilfs- und Betriebsstoffe stellt einen Abweichungsbericht dar. Aufgabe 2 Ein Berichtswesen sollte im Interesse einer möglichst hohen Effizienz folgenden An­ forderungen entsprechen können: – Die Berichte sollten sich zwecks Bereitstellung der geforderten Informationen und zur Vermeidung unnötiger Kosteneinsätze für die Informationsbereitstellung an den Informationsbedürfnissen der Informationsnutzer (Empfänger) orientieren. – Die Berichte sollten im Interesse der Wirtschaftlichkeit so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig an Informationen verfügbar machen. – Die Berichte sollten verständlich und übersichtlich gestaltet sein; dies erfordert u. a. einen einheitlichen und verständlichen Gebrauch von Fachbegriffen. – Die Berichte sollten kurzfristig wirksame Entscheidungen einräumen, indem ak­ tuelle Berichtsdaten bezüglich der Engpässe und/oder Abweichungen angeboten werden. – Die Kommunikation der Berichtsdaten sollte im Interesse der schnellen Nachvoll­ ziehbarkeit für den Informationsnutzer vorzugsweise durch die Verwendung von Grafiken und Tabellen unterstützt werden. – Die Berichtsinformationen sollten so gestaltet sein, dass sie dem Informations­ empfänger geeignete Reaktionen (z. B. in Form von Steuerungseingriffen) einräu­ men können. – Die Berichtsinformationen sollten kommentiert werden, um die grundsätzlich be­ grenzte Aussagekraft der Kennzahlen kompensieren zu können. – Die Berichtsinformationen sollten den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen und den Berichtsempfängern gemäß den vereinbarten Terminen verfügbar ge­ macht werden.

532 | Teil G: Anhang

3 Informationsverwendung – verhaltenssteuernde Aspekte des Berichtswesens Aufgabe 1 Die beiden Wirkungsklassen bei nicht intendierten Wirkungen von Berichten zeich­ nen sich dadurch aus, dass diese Wirkungen einerseits zu reflektiertem Verhalten aufseiten der Informationsnutzer und andererseits intuitives Verhalten beim Infor­ mationsnutzer hervorrufen. Bei den berichtsseitig hervorgerufenen reaktiven Wirkungen der Verhaltenssteue­ rung besteht die Reaktion des Berichtsempfängers darin, dass er die übermittelten Informationen nicht in sein Handeln einbezieht; damit zeigt er ein reflektiertes Ver­ halten. Ursächlich kann das mit zwei Sachverhalten zusammenhängen, die in der Wahrnehmung und den Rekonstruktionsmöglichkeiten von Informationen beim Be­ richtsempfänger verankert sind: Zum einen ergibt sich aufseiten des Berichtsempfän­ gers eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gelieferten Informationen und den eigentlich erwarteten Informationen zur Deckung des Informationsbedarfs. Dies führt zu einer Nichtberücksichtigung der Berichtsinhalte. Zum anderen kann sich der Berichtsempfänger außerstande sehen, die zur Verfügung gestellten Informationen hinsichtlich ihrer Informationsquellen, der herangezogenen Ermittlungsmethode und/oder der Gültigkeit der Informationen einzuordnen und zu bewerten. Die zu einem intuitiven Verhalten führenden nicht intendierten Wirkungen stehen für sogenannte versteckte Wirkungen, die in den meisten Fällen als solche durch die Berichte nicht bewusst herbeigeführt werden respektive werden sollen. Die nachfol­ genden beiden Beispiele haben angesichts der großen Anzahl versteckter Wirkungen nur exemplarischen Charakter: – Der versteckte verhaltenssteuernde Effekt der Informationsüberlastung aufseiten des Informationsnutzers nennt sich Information Overload. Diese Wirkung wird durch eine zu hohe Anzahl an Informationen beim Entscheidungsträger hervor­ gerufen, die die Aufnahmekapazitäten des Betroffenen überfordern. Aus der Fülle der zur Verfügung gestellten Informationen ist der Entscheidungsträger aufgrund seiner begrenzten kognitiven Kapazität nicht mehr in der Lage, eine zielführen­ de Selektion von Informationen vornehmen zu können. Die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der Entscheidungsträger wird also durch die zu große Menge der zur Verfügung gestellten Informationen eingeschränkt. – Eine Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse bei den In­ formationsnutzern als auch bei den Berichterstellern führt zu einer weiteren versteckten Wirkung, der sogenannten Overconfidence. Diese Selbstüberschät­ zung kann z. B. beim Controller, der den Bericht erstellt, dazu führen, dass er im Vertrauen auf seine eigenen Einschätzungen die Berichtsinhalte gestaltet, ohne beim Berichtsempfänger den konkreten Informationsbedarf nachzufragen. Ande­ rerseits kann eine Selbstüberschätzung auch aufseiten des Berichtsempfängers vorliegen. Overconfidence spiegelt sich beim Berichtsempfänger dadurch wider, dass er bei der Einschätzung der Sachlage allein auf sein eigenes Fachwissen

Lösungshinweise: Teil E

| 533

vertraut und in der Folge der angeforderte Bericht eine geringere Datenqualität aufweist als eigentlich erforderlich. Aufgabe 2 Die mit den Berichten bei den Entscheidungsträgern gezielt und beabsichtigt hervor­ gerufenen Verhaltenswirkungen sind einerseits sogenannte deklarierte Wirkungen, andererseits manipulative Wirkungen. Die deklarierten Wirkungen sind die mit den Berichten bewusst aufseiten der In­ formationsnutzer hervorgerufenen Wirkungen; sie sind im Allgemeinen im Unterneh­ men bekannt und werden entsprechend kommuniziert. Der Berichtszweck wird mit der Realisierung der deklarierten Wirkungen erreicht, weil der Informationsnutzer aufgrund der gelieferten Informationen Entscheidungen treffen kann und damit re­ flektiertes, kognitiv gesteuertes Verhalten zeigt. Zudem entfalten die Berichtsinfor­ mationen eine motivierende Verhaltenssteuerung, weil die Informationsnutzer auf­ grund der Verfügbarkeit von Informationen in ihrem Zuständigkeitsbereich Entschei­ dungssachverhalte motivierter angehen. Auch auf der Seite des Berichterstellers (z. B. Mitarbeiter im Controlling) kann eine motivierende Verhaltenssteuerung unterstellt werden, weil der vereinbarte Berichtstermin eine Priorisierung seiner Tätigkeiten her­ beiführt. Die manipulativen Wirkungen stehen für verhaltenssteuernde Wirkungen, die ebenso wie die deklarierten Wirkungen beabsichtigt hervorgerufen werden. Aller­ dings soll hier ein Intuitionsverhalten beim Informationsnutzer initiiert werden, wobei die bewusst herbeigeführten verhaltenssteuernden Wirkungen möglichst un­ erkannt bleiben sollen. Manipulative Wirkungen lassen sich durch die gezielte Len­ kung der Interpretation der Berichtsinformationen durch den Informationsnutzer erreichen. Dies geschieht beispielsweise durch manipulative Formulierungen und Sprachmuster des Berichterstellers oder durch die visuelle Hervorhebung einzelner Berichtsbestandteile und -informationen. Aufgabe 3 Berichte und die enthaltenen Berichtsinformationen können aufseiten der Entschei­ dungsträger als interne Informationsnutzer situationsspezifische Anpassungen des (Entscheidungs-)Verhaltens bewirken. Grundsätzlich rufen die erstellten Berichte auf­ grund der nun verfügbaren Informationen eine Aufmerksamkeit beim Informations­ nutzer hervor. Allerdings können eine relativ häufige Berichterstattung und/oder der zu hohe Auflösungsgrad der Berichtsinformationen beim Informationsnutzer einen Information Overload und somit den versteckten verhaltenssteuernden Effekt der In­ formationsüberlastung generieren. Dies kann dazu führen, dass die Entscheidungs­ träger Details in den Berichten gar nicht mehr bewusst zur Kenntnis nehmen (nied­ riger Auflösungsgrad der Informationswahrnehmung) und übergeordnete bzw. grobe Berichtsaspekte an Bedeutung gewinnen. Die Aufmerksamkeit des Entscheidungsträ­ gers in Bezug auf die Berichtsinformationen sinkt, womit die informationelle Basis

534 | Teil G: Anhang

seiner zu treffenden Entscheidung eingeschränkt wird. Die Informationsversorgung mit der Häufigkeit der Berichterstattung und dem Auflösungsgrad der Berichtsinfor­ mationen sollte deshalb so gestaltet sein, dass die Entscheidungsträger in die Lage versetzt werden, die zufließenden Informationen angemessen verarbeiten und inter­ pretieren zu können. Aufgabe 4 Adressatenkreis: Das (klassische) innerbetriebliche Berichtswesen (Reporting im eigentlichen Sin­ ne) richtet sich nicht nur an Informationsnutzer mit Führungsaufgaben, sondern auch an interne Informationsnutzer mit Ausführungsaufgaben. Die Ausklammerung letztgenannter Gruppe führt möglicherweise zu Verlusten beim Feedback auf die Berichterstattung, weil Informationsnutzer mit Ausführungsaufgaben durch die un­ zureichende Informationslage im Rahmen der betrieblichen Verbesserungsprozesse informatorisch nicht angemessen eingebunden sind. Ein betriebliches Berichtswesen bzw. ein Reporting im weiteren Sinne umfasste zudem die Gruppe der externen Infor­ mationsnutzer. Hier wäre in Abstimmung mit der Geschäftsführung der Cycle GmbH zu klären, ob die Verengung der Adressatengruppe auf die Informationsnutzer mit Führungsaufgaben den Aufgabenanforderungen aus der Perspektive der Geschäfts­ führung gerecht werden kann. Umfassende Informationsversorgung: Der Anspruch an eine umfassende Informationsversorgung trägt die Gefahren eines Information Overload bzw. einer Informationsüberfrachtung der Informationsnutzer in sich – mit den Folgeeffekten der nicht intendierten Wirkungen der Berichterstat­ tung. Deshalb sollte bei diesem Aspekt eine differenziertere Gestaltung der Leitma­ xime in Bezug auf die vorgesehenen Berichtsarten (Standard-, Abweichungs- und Bedarfsberichte) und in Bezug auf die einzusetzenden Berichtssysteme (generator­ aktives System, benutzeraktives System, Dialogsystem) erfolgen. Objektive Informationsversorgung: Offensichtlich besteht der Anspruch, die durch den Informationsnutzer unerkannten verhaltenssteuernden Wirkungen (manipulative Wirkungen) mit der Berichterstat­ tung von vornherein zu vermeiden. Gleichwohl ist aber zu bedenken, dass Berichte auch sogenannte versteckte Wirkungen entfalten können, also Wirkungen, die durch den Berichtersteller gar nicht intendiert sind. Da der Berichtersteller per se durch persönliche Meinungen, Erfahrungen und Einstellungen geprägt ist, erfolgt schon im Prozess der Informationssammlung und -zusammenstellung automatisch eine (unbewusste) Informationsselektion. Die Objektivität der Informationsversorgung ist weiterhin eingeschränkt durch die vorgesehenen Formen der Informationsverdich­ tung, da Kennzahlen und Kennzahlensysteme die Komplexität des Betrachtungsge­ genstands auf wesentliche, zieladäquate Vorgaben reduzieren. Diese in den Berichten

Lösungshinweise: Teil F | 535

formalisierte Komplexitätsreduktion soll den Entscheidungsträgern dann als Grund­ lage für zu treffende Entscheidungen dienen. Hier besteht die Gefahr, dass Kenn­ zahlenwerte durch die Informationsnutzer als scheinobjektive, weil faktenbasierte Wirklichkeitsdarstellungen interpretiert werden. Demzufolge wäre es geboten, im Leitbild den Anspruch an die Objektivität der Informationsversorgung zu relativieren und die Notwendigkeit der Kommentierung der Kennzahlen in den Berichten (z. B. in Bezug auf den Ermittlungsalgorithmus) zu betonen. Akzeptanz: Die Kennzahlen und Kennzahlensysteme sollten nicht durch das Controlling al­ lein, sondern in Absprache mit den Informationsempfängern entwickelt werden. Dieses Vorgehen trägt nicht nur dazu bei, den Entscheidungsträgern die Bedeu­ tung der Kennzahlen zu vermitteln und die Verständlichkeit und Übersichtlichkeit der Berichtsinformationen aufseiten des Informationsnutzers zu erhöhen, sondern ist zugleich auch grundlegende Bedingung für die Akzeptanz der Kennzahlen und Kennzahlensysteme bei den Informationsnutzern. Deshalb sollten alle von der Be­ richterstattung betroffenen Parteien in den Entstehungsprozess des Kennzahlensys­ tems einbezogen werden. Andernfalls kann das System aufgrund fehlender Akzep­ tanz und durch nicht nachvollziehbaren Nutzen seine Funktion nicht oder nur in begrenztem Maße erfüllen.

Teil F: Operative Entscheidungsrechnungen 2 Kurzfristig wirksame Produktionsprogrammentscheidungen Aufgabe 1 a. Schritt 1: Bestimmung der Stückdeckungsbeiträge dbA = 25 € − 20 € = 5 € dbB = 10 € − 15 € = −5 € dbC = 40 € − 30 € = 10 € dbD = 90 € − 60 € = 30 € Die Stückdeckungsbeiträge der Produkte A, C und D sind positiv. Mit jeder produzier­ ten Einheit decken sie einen Fixkostenbetrag von 5 €, 10 € bzw. 30 €. Der Stückde­ ckungsbeitrag des Produkts B ist negativ, d. h. es kann nicht seine variablen Kosten decken. Produkt B sollte daher (aus rein kostenrechnerischer Perspektive) aus dem Produktionsprogramm eliminiert werden.

536 | Teil G: Anhang

Schritt 2: Überprüfung auf engpasswirksame Kapazitätsbeschränkungen 8.500 LE ⋅ 5 Min. + 4.000 LE ⋅ 13 Min. + 800 LE ⋅ 20Min = 110.500 Min. Um die Produkte A, C und D mit ihren Absatzhöchstmengen produzieren zu können, werden insgesamt 110.500 Minuten benötigt. Es liegt bei der verfügbaren Laufzeit in Höhe von 115.200 Minuten keine engpasswirksame Kapazitätsbeschränkung vor. b. Da kein Engpass vorliegt, werden alle Produkte mit einem positiven Stückde­ ckungsbeitrag in ihrer Absatzhöchstmenge produziert. Es ergibt sich folgendes opti­ male Produktionsprogramm: Produkt

A

B

C

D

Fertigungsmenge

8.500 LE

0 LE

4.000 LE

800 LE

E = 8.500 LE ⋅ 25 € + 4.000 LE ⋅ 40 € + 800 LE ⋅ 90 € = 444.500 € Kv = 8.500 LE ⋅ 20 € + 4.000 LE ⋅ 30 € + 800 LE ⋅ 60 € = 338.000 € DB = 444.500 € − 338.000 € = 106.500 € DB = 8.500 LE ⋅ 5 € + 4.000 LE ⋅ 10 € + 800 LE ⋅ 30 € = 106.500 € Das Bruttoergebnis beträgt 106.500 € G = 106.500 € − 50.000 € = 56.500 € Das Nettoergebnis entspricht einem Gewinn in Höhe von 56.500 €. Aufgabe 2 a. Schritt 1: Bestimmung der Stückdeckungsbeiträge dbEF;C = 2,95 € − 1,30 € = 1,65 € dbFF;C = 2,95 € − 2,80 € = 0,15 € Sowohl in der Eigen- als auch in der Fremdfertigung erwirtschaftet die Weinsorte C einen positiven Stückdeckungsbeitrag, sodass kostenrechnerisch beide Alternativen in Betracht kommen. Schritt 2: Überprüfung auf engpasswirksame Kapazitätsbeschränkungen 3.100 LE ⋅ 4 kg + 1.500 LE ⋅ 8 kg + 5.200 LE ⋅ 3 kg = 40.000 kg Dem Weingutbesitzer Krengel stehen lediglich 28.500 kg Trauben zur Verfügung, d. h. es besteht ein betrieblicher Engpass. b. „Der Bezugspreis für eine Flasche Wein der Sorte C ist höher als die variablen Stückkosten. Daher sollte Wein C selbst hergestellt werden.“ Da eine engpasswirksame Kapazitätsbeschränkung vorliegt, reicht es für die Make-orBuy-Entscheidung nicht aus, lediglich Bezugspreis und variable Stückkosten mitein­ ander zu vergleichen. Wird die Weinsorte C fremdbezogen, entstehen aufgrund des

Lösungshinweise: Teil F |

537

höheren Bezugspreises Mehrkosten. Wird die Weinsorte C selbst hergestellt, ver­ drängt sie aufgrund des vorliegenden Engpasses Periodendeckungsbeiträge anderer Produktsorten. Auf den ersten Blick ist also nicht erkennbar, mit welcher Maßnahme das Betriebsergebnis optimiert werden kann. c. Schritt 3: Ermittlung der engpassbezogenen Mehrkosten für Weinsorte C ke;C = (2,80 € − 1,30 €) : 3 kg = 0,50 €/kg Die engpassbezogenen Mehrkosten von Wein C betragen 0,50 €/kg. Dieser Wert sagt aus, dass bei einer Fremdfertigung von Wein C mit jeder nicht genutzten Engpassein­ heit Mehrkosten in Höhe von 0,50 € gegenüber der Eigenfertigung anfallen. Im Um­ kehrschluss heißt dies, dass bei einer Eigenfertigung mit jeder genutzten Engpassein­ heit Kostenvorteile in Höhe von 0,50 € gegenüber der Fremdfertigung erzielt werden. Mit jedem Kilogramm, das Wein C in der Eigenfertigung beansprucht, verbessert sich das Betriebsergebnis um 0,50 €. Der relative Deckungsbeitrag eines Produkts beinhal­ tet dieselbe Information. Die engpassbezogenen Kostenvorteile können daher mit den relativen Deckungsbeiträgen der anderen Produkte verglichen werden: dbA = 6 € − 3,20 € = 2,80 €;

rdbA = 2,80 € : 4 kg = 0,70 €/kg

dbB = 9,10 € − 5,50 € = 3,60 €

rdbB = 3,60 € : 8 kg = 0,45 €/kg

Produkt

Wein A

Wein B

Wein C

Veränderung des Betriebsergebnisses pro genutzter Engpasseinheit

0,70 €/kg

0,45 €/kg

0,50 €/kg

Priorität

1

3

2

Dem Weingutbesitzer stehen insgesamt 28.500 kg Trauben zur Verfügung. Um die Ab­ satzhöchstmenge von Weinsorte A produzieren zu können, werden 12.400 kg Trauben [3.100 LE ⋅ 4 kg] benötigt. Damit sind noch 16.100 kg verfügbar. Weinsorte C ist in der Produktionsrangfolge auf Platz zwei. Es ist demnach kostengünstiger, Wein C nicht fremdfertigen zu lassen. Um die Absatzhöchstmenge von Wein C zu produzieren, wer­ den 15.600 kg Trauben [5.200 LE ⋅ 3 kg] benötigt. Die Restkapazität mit 500 kg wird für 62 Einheiten [500 kg : 8 kg = 62,5] der Weinsorte B genutzt. Es ergibt sich folgendes Produktionsprogramm: Produkt

Wein A

Wein B

Wein C

maximale Absatzmenge Eigenfertigungsmengen Fremdbezugsmengen

3.100 LE 3.100 LE –

1.500 LE 62 LE –

5.200 LE 5.200 LE 0 LE

538 | Teil G: Anhang

Aufgabe 3 a. Ermittlung der Opportunitätskosten: dbZ = 120 € − 96 € = 24 € qZ = 1.500 h : 2 h/LE = 750 LE Ko;W = 750 LE ⋅ 24 € = 18.000 € qW = 1.500 h : 1,5 h/LE = 1.000 LE ko;W = 18.000 € : 1.000 LE = 18 €/LE b. Entscheidung über die Annahme bzw. Ablehnung des Zusatzauftrags: 64 € + 18 € = 82 €;

82 € > 75 €

Die variablen Stückkosten und die Opportunitätsstückkosten von Produkt W sind als Summe größer als der Bezugspreis. Aus diesem Grund sollte Produkt W fremd­ gefertigt werden; der Zusatzauftrag wird demzufolge angenommen. Damit resul­ tiert folgendes Bruttoergebnis: dbW = 82 € − 75 € = 7 € dbZ = 120 € − 96 € = 24 € DB = 1.000 LE ⋅ 7 € + 750 LE ⋅ 24 € = 25.000 € Aufgabe 4 a. Die optimale Losgröße bezeichnet jene kostenoptimale Produktionsmenge einer Serienfertigung, die den Produktionsprozess ohne Unterbrechung oder Umstel­ lung als geschlossener Posten durchläuft. Die dabei zu berücksichtigenden auflagefixen und auflageproportionalen Kosten stehen in einem Zielkonflikt. Mit größer werdendem Los nehmen einerseits die auflageproportionalen Kosten zu, andererseits nehmen die auflagefixen Kosten ab. Sie verteilen sich auf eine größe­ re Losmenge, sodass die auflagefixen Kosten je Stück sinken; dieser Sachverhalt wird auch als Auflagendegression bezeichnet. b. Optimale Losgröße: 6.000 LE; Anzahl der Serienwechsel: 20; auflagefixen Kosten pro Periode: 600.000 €. Eine Erhöhung der variablen Herstellkosten/LE bewirkte eine Verringerung der optimalen Losgröße, da die Zins- und Lagerkosten steigen. c. Zins- und Lagerkosten: 500.000 € d. Eine vollständige Anpassung der Produktions- an die Absatzmengen bewirkte ei­ ne Erhöhung der Serienwechselanzahl. Damit wiederum sind eine Verringerung der Zins- und Lagerkosten und eine Erhöhung der auflagefixen Kosten pro Periode verbunden.

Lösungshinweise: Teil F | 539

3 Kurzfristig wirksame Preisentscheidungen Aufgabe 1 a. Eine Preisuntergrenze (Preisobergrenze) gibt den „kritischen“ Absatzpreis (Be­ schaffungspreis) an, bei dessen Unterschreitung (Überschreitung) der Verkauf (Einkauf) von Absatzgütern (Beschaffungsgütern) aus kostenrechnerischer Sicht nicht mehr sinnvoll erscheint, weil das Betriebsergebnis damit verringert wür­ de. Bei einer Unterbeschäftigung stellen die variablen Stückkosten die absolute Preisuntergrenze dar. Eine Unterschreitung führt zu einem kurzfristigen Pro­ duktionsstopp. Die Preisuntergrenzen beim Vorliegen einer engpasswirksamen Kapazitätsbeschränkung werden als relative Preisuntergrenze bezeichnet. Eine Unterschreitung führt nicht zu einem Produktionsstopp, sondern verlegt lediglich die Vorteilhaftigkeit auf die Alternative. b. Bestimmung der Preisuntergrenzen: PUGA = 123 € PUGB = 176 € PUGC = 299 € 342,00 € ⋅ 0,8 = 273,60 €. Aus Kostensicht sollte die Rabattaktion vermieden werden, da damit die absolute Preisuntergrenze um 25,40 € unterschritten wür­ de. Aufgabe 2 a. Zusatzaufträge werden als Kundenaufträge angesehen, die nach der Festlegung des Produktionsprogramms eingehen, mit dem verfügbaren Potenzialfaktorbe­ stand realisiert werden können und sich qualitativ und/oder quantitativ von den Produkten im üblichen Produktionsprogramm unterscheiden. b. Bestimmung der variablen Stückkosten: kv = 1,50 h ⋅ 2 €/h + 0,1 ⋅ 25 €/l = 5,50 €/LE Bestimmung der Preisuntergrenze (Fall 1): 4000 kg ⋅ 4,50 €/kg = 18.000 € 18.000 € : 160 LE = 112,50 €/LE PUG = 112,50 € + 5,50 € = 118 €/LE Bestimmung der Preisuntergrenze (Fall 2): Ko = 4.000 kg ⋅ 3,50 € = 14.000 € ko = 14.000 € : 160 LE = 87,50 €/LE PUG = 87,50 € + 5,50 € = 93 €/LE

540 | Teil G: Anhang

Aufgabe 3 Da die variablen Stückkosten den Beschaffungspreis des Rohstoffs enthalten, muss dieser zunächst eliminiert werden: k󸀠v;A = kv;A − fA ⋅ pF = 123 € − 40 kg ⋅ 2 € = 43 € k󸀠v;B = kv;B − fB ⋅ pF = 176 € − 58 kg ⋅ 2 € = 60 € k󸀠v;C = kv;C − fC ⋅ pF = 299 € − 100 kg ⋅ 2 € = 99 € Ermittlung der Preisobergrenzen: POGi = (ei − ḱ v;i ) : fi



db = 0

POGA = (149 € − 43 €) : 40 kg = 2,65 €/kg POGB = (205 € − 60 €) : 58 kg = 2,50 €/kg POGC = (342 € − 99 €) : 100 kg = 2,43 €/kg Produktionsprogramm: Produktausführungen

A

B

C

maximale Absatzmenge Fertigungsmenge

275 LE 275 LE

420 LE 420 LE

140 LE 0 LE

Aufgabe 4 a. Ermittlung der relativen Stückdeckungsbeiträge: db1 = 80 € − 50 € = 30 € db2 = 60 € − 45 € = 15 € db3 = 100 € − 60 € = 40 € rdb1 = 30 € : 2 h = 15 €/h rdb2 = 15 € : 3 h = 5 €/h rdb3 = 40 € : 2 h = 20 €/h Produkte

Produkt 1

Produkt 2

Produkt 3

Priorität

2

3

1

b. Die Kapazität ist um 1.200 h zu gering, um alle Produkte mit den Absatzhöchst­ mengen produzieren zu können (Kapazitätsbedarf 13.000 h). Auf Basis der Pro­ duktionsrangfolge wird Produkt 2 mit höchster Priorität verdrängt. Es werden kei­ ne weiteren Produkte verdrängt. 400 Leistungseinheiten des Produkts 2 [1.200 h : 3 h/LE] werden durch 600 Leistungseinheiten des Produkts 1 [1.200 h : 2 h/LE] verdrängt. PUG1 = 50 € + (400 LE ⋅ 15 €) : 600 LE = 60 €/LE Keine Unterschreitung der Preisuntergrenze – Produktionsprogramm:

Lösungshinweise: Teil F

Produkte

1

2

3

Fertigungsmenge

3.000 LE

600 LE

2.000 LE

| 541

Unterschreitung der Preisuntergrenze (auf minimal kvar ) – Produktionsprogramm: Produkte

1

2

3

Fertigungsmenge

2.400 LE

1.000 LE

2.000 LE

Bruttoergebnisse bei Absatz des Produkts 1 zur Preisuntergrenze: db1 = 60 € − 50 € = 10 € Beanspruchung des Engpasses durch Produkt 1: DB1 = 3.000 LE ⋅ 10 € = 30.000 € DB2 = 600 LE ⋅ 15 € = 9.000 € DB3 = 2.000 LE ⋅ 40 € = 80.000 € DB = 30.000 € + 9.000 € + 80.000 € = 119.000 € Beanspruchung des Engpasses durch Produkt 2: DB1 = 2.400 LE ⋅ 10 € = 24.000 € DB2 = 1.000 LE ⋅ 15 € = 15.000 € DB3 = 2.000 LE ⋅ 40 € = 80.000 € DB = 24.000 € + 15.000 € + 80.000 € = 119.000 € c.

Die Kapazität ist um 3.600 h zu gering, um alle Produkte mit den Absatzhöchst­ mengen produzieren zu können (Kapazitätsbedarf 13.000 h). Auf Basis der Pro­ duktionsrangfolge wird Produkt 2 mit höchster Priorität, und zwar vollständig ver­ drängt. Mit zweithöchster Priorität wird Produkt 1 verdrängt, und zwar mit 600 h bzw. mit 300 Leistungseinheiten [600 h : 2 h/LE]. Produkt 3 verdrängt 1.800 LE. PUG3 = 60 € + (1.000 LE ⋅ 15 € + 300 LE ⋅ 30 €) : 1.800 LE ≈ 73,33 €/LE Keine Unterschreitung der Preisuntergrenze – Produktionsprogramm: Produkte

1

2

3

Fertigungsmenge

2.700 LE

0 LE

2.000 LE

Unterschreitung der Preisuntergrenze (auf minimal kvar ) – Produktionsprogramm: Produkte

1

2

3

Fertigungsmenge

3.000 LE

1.000 LE

200 LE

Bruttoergebnisse bei Absatz des Produkts 3 zur Preisuntergrenze: db3 = 73,33 € − 60 € = 13,33 €

542 | Teil G: Anhang

Beanspruchung des Engpasses durch Produkt 3: DB1 = 2.700 LE ⋅ 30 € = 81.000 € DB2 = 0 LE ⋅ 15 € = 0 € DB3 = 2.000 LE ⋅ 13,33 € = 26.660 € DB = 81.000 € + 0 € + 26.660 € = 107.660 € Beanspruchung des Engpasses durch Produkte 1 und 2: DB1 = 3.000 LE ⋅ 30 € = 90.000 € DB2 = 1.000 LE ⋅ 15 € = 15.000 € DB3 = 200 LE ⋅ 13,33 € = 2.666 € DB = 90.000 € + 15.000 € + 2.666 € = 107.666 €

(+6 € Rundungsdifferenz)

Aufgabe 5 a. Annahme bzw. Ablehnung des Zusatzauftrags: Fall 1: Auftragsmenge 500 Leistungseinheiten: Um den Zusatzauftrag mit 500 Einheiten realisieren zu können, muss ein Kapazitäts­ volumen in Höhe von 1250 h [500 LE ⋅ 2,5 h/LE] disponibel werden. Aufgrund seines geringsten relativen Deckungsbeitrags wird Produkt 2 mit ca. 417 Einheiten [1250 h : 3 h/LE] verdrängt. PUG4 = 40 € + (417 LE ⋅ 15 €) : 500 LE = 52,51 €/LE



Auftragsannahme

Fall 2: Auftragsmenge 2.000 Leistungseinheiten: Um den Zusatzauftrag mit 2.000 Einheiten realisieren zu können, muss ein Kapazi­ tätsvolumen in Höhe von 5.000 h [2.000 LE ⋅ 2,5 h/LE] disponibel werden. Aufgrund seines geringsten relativen Deckungsbeitrags wird Produkt 2 vollständig (mit 3.000 h bzw. mit 1.000 Leistungseinheiten) verdrängt; zudem wird Produkt 1 mit einem Um­ fang in Höhe von 2.000 h bzw. mit einem Umfang in Höhe von 1.000 Leistungseinhei­ ten [2.000 h : 2 h/LE] verdrängt. PUG4 = 40 € + (1.000 LE ⋅ 15 € + 1.000 ⋅ 30 €) : 2.000 LE = 62,50 €/LE



Auftragsannahme

Fall 3: Auftragsmenge 4.000 Leistungseinheiten: Um den Zusatzauftrag mit 2.000 Einheiten realisieren zu können, muss ein Kapazitäts­ volumen in Höhe von 10.000 h [4.000 LE ⋅ 2,5 h/LE] disponibel werden. Aufgrund sei­ nes geringsten relativen Deckungsbeitrags wird Produkt 2 vollständig; auch das Pro­ dukt 1 mit zweithöchster Priorität wird vollständig verdrängt. Zuletzt wird Produkt 3 in einem Umfang von 1.000 h bzw. 500 Leistungseinheiten [1.000 h : 2 h/LE] verdrängt. PUG4 = 40 € + (1.000 LE ⋅ 15 € + 3.000 ⋅ 30 € + 500 ⋅ 40 €) : 4.000 LE = 71,25 €/LE



Ablehnung des Zusatzauftrags

Lösungshinweise: Teil F | 543

b. Produktionsprogramm und Bruttoergebnis für Fall 2 (mit Auftragsannahme): Produkte

1

2

3

4

Fertigungsmenge

2.000 LE

0 LE

2.000 LE

2.000 LE

db4 = 64 € − 40 € = 24 € Annahme des Zusatzauftrags zu einem Absatzpreis von 64 €: DB1 = 2.000 LE ⋅ 30 € = 60.000 € DB2 = 0 LE ⋅ 15 € = 0 € DB3 = 2.000 LE ⋅ 40 € = 80.000 € DB4 = 2.000 LE ⋅ 24 € = 48.000 € DB = 60.000 € + 0 € + 80.000 € + 48.000 € = 188.000 € Ablehnung des Zusatzauftrags zu einem Absatzpreis von 64 €: DB1 = 3.000 LE ⋅ 30 € = 90.000 € DB2 = 1.000 LE ⋅ 15 € = 15.000 € DB3 = 2.000 LE ⋅ 40 € = 80.000 € DB = 90.000 € + 15.000 € + 80.000 € = 185.000 €

Glossar Abfragesystem: benutzeraktives Berichtssystem, bei dem ein Informationsnach­ frager Informationssuche, -erstellung und -übermittlung selbst initiiert; zu un­ terscheiden sind hierbei das Auskunftssystem, bei dem das Programm nur auf standardisierte Fragen reagiert, von dem Abfragesystem, bei dem der Informati­ onsnachfrager freie Abfragemöglichkeiten hat. Abweichungsbericht: wird im Gegensatz zu den Standardberichten anlassbezogen erstellt. Der Anlass zur Erstellung besteht in dem Feststellen von (positiven und/ oder negativen) Abweichungen bei den vorher festgelegten Toleranzparametern steuerungsrelevanter Zielgrößen (z. B. Umsatz, Kosten, Qualität etc.). Abweichungsursachenanalyse: analysiert die unterschiedlichen Ursachen bei me­ thodisch bedingten Abweichungen und bei dispositiv bedingten Abweichungen. Activity Based Costing: ist ein in den USA entwickeltes prozessorientiertes Rech­ nungssystem, das die methodischen Mängel in den Bereichen der Planung, Steue­ rung und Kontrolle nicht nur in den indirekten, sondern auch in den direkten Leis­ tungsbereichen ausräumen sollte. Aktivtausch: entspricht einer (erfolgsneutralen) Vermögensumschichtung; der Ge­ samtbestand an Vermögen und auch die Höhe und Struktur des Kapitals werden nicht verändert. Alternative Methodik (der Abweichungsanalyse): klammert die ergebnisverzerren­ den Abweichungen höheren Grades aus, sodass die Summe der Teilabweichun­ gen nicht die Gesamtabweichung widerspiegelt; es wird jeweils nur eine Ein­ flussgröße betrachtet, alle anderen werden ausgehend von Plangrößen konstant gesetzt. Auflagefixe Kosten: sind die in einer Serienfertigung bei einem Serienwechsel ent­ stehenden Kosten der Umrüstung; sie werden als unabhängig von der Menge des Fertigungsloses eingestuft und fallen per Annahme für jedes neue Fertigungslos in derselben Höhe an. Die Summe der auflagefixen Kosten pro Periode hängt so­ mit von der Anzahl der Serienwechsel ab. Auflageproportionale Kosten: sind die in einer Serienfertigung durch die gege­ benenfalls erforderliche Bevorratung der Fertigerzeugnisse entstehenden Lagerund Zinskosten; sie werden als auflageproportionale Kosten bezeichnet, da sie für jede Produkteinheit einer Serie gleich hoch und damit von der Losgrößenmenge abhängig sind. Bedarfsbericht: ist ein relativ kostenintensiver Bericht, dessen Erstellung ausgelöst wird durch kurzfristig oder sporadisch auftretende Informationsbedarfe. Eine for­ male und inhaltliche Standardisierung ist aufgrund situativer und individueller Ausgangsbedingungen nicht möglich. Berichtsarten: bezeichnen die Standard-, Abweichungs- und Bedarfsberichte des unternehmerischen Berichtswesens. Die zugrunde liegenden Bezugsgrößen sind https://doi.org/10.1515/9783110439793-033

Glossar

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die Sach- und Funktionsbereiche des Unternehmens, der Zeitbezug der abgefor­ derten Sachverhalte, das Informationsmedium, die Häufigkeit der Erstellung, der Informationsverdichtungsgrad und die Funktion des Berichts selbst. Berichtssystem: allgemeiner Begriff zur Kennzeichnung genutzter Technologien für die Erstellung von Berichten und für die Art der Berichtsauslösung; zu unterschei­ den sind reine (generatoraktive) Berichtssysteme, Abfragesysteme und Dialogsys­ teme. Berichtswesen (Reporting): alle formellen internen und externen Informationen, die vom Controlling den Informationsnutzern für die Erfüllung ihrer Aufgaben in den verschiedenen Berichten zur Verfügung gestellt werden. Beschäftigungsabweichung: bezeichnet als ein Teil der Budgetabweichung die Dif­ ferenz zwischen den Sollkosten (der flexiblen Plankostenrechnung) und den ver­ rechneten Plankosten (der starren Plankostenrechnung); sie geht auf den Fehler der Fixkostenproportionalisierung bei Anwendung des Plankostenverrechnungs­ satzes als Vollkostensatz zurück. Betriebsergebnisrechnung: ist eine Variante der Kostenträgerzeitrechnung, die üb­ licherweise auf der differenzierenden Variante der Zuschlagskalkulation aufbaut; sie weist das Betriebsergebnis insgesamt wie auch die Anteile der einzelnen Kos­ tenträger am Betriebsergebnis aus. Bewegungsbilanz: ist ein Instrument zur Beurteilung der Finanzierungsvorgänge und der Liquiditätspolitik eines Unternehmens, und intendiert die Offenlegung von Herkunft und Verbleib der Finanzierungsmittel eines Geschäftsjahrs. Bezugsgrößenanalyse: diese soll alle Teilprozesse und Tätigkeiten in einer Kosten­ stelle daraufhin untersuchen, ob sie sich in Bezug auf die von der Kostenstelle zu erbringenden Leistungen mengenvariabel verhalten oder ob sie unabhängig davon mengenfix anfallen. Bilanzverkürzung: ist eine Aktiv-Passiv-Minderung, da Aktiv- wie auch Passivpos­ ten um den gleichen Betrag vermindert werden; die Bilanzsumme nimmt auf bei­ den Seiten der Bilanz um den gleichen Betrag ab. Bilanzverlängerung: ist eine Aktiv-Passiv-Mehrung, das Aktiv- wie auch Passivpos­ ten um den gleichen Betrag erhöht werden; die Bilanzsumme nimmt auf beiden Seiten der Bilanz um den gleichen Betrag zu. Break-even-Analyse: ist ein Instrument der Gewinnplanung und -kontrolle; Aus­ gangspunkt dieser Analysen ist der Break-even-Punkt, der die Absatzmenge be­ zeichnet, bei der der Umsatz einer Abrechnungsperiode (oder der eines Kosten­ trägers) genau den fixen Kosten der Periode (oder denen eines Kostenträgers) zuzüglich der angefallenen variablen Kosten entspricht. Budget: bezeichnet ein formalzielorientiertes, operatives, in wertmäßigen Größen formuliertes Planungsergebnis, das einer Entscheidungseinheit für eine bestimm­ te Periode mit einem bestimmten Verbindlichkeitsgrad vorgegeben wird.

546 | Teil G: Anhang

Budgetabweichung: ergibt sich bei Anwendung der Abweichungsanalyse in der Form eines Ist-Plan-Vergleichs auf das Analyseobjekt „Kostenstelle“; sie setzt sich aus der Beschäftigungs- und der Verbrauchsabweichung zusammen. Budgetierung: bezeichnet einen Prozess, der von der Budgetvorbereitung und der Budgeterstellung über die Budgetabstimmung und -verabschiedung bis hin zur Budgetkontrolle reicht. Costcenter: sind Organisationseinheiten, die als umfassende Hauptkostenstellen ohne Zugang zum Absatzmarkt zu verstehen sind; die Verantwortung der Füh­ rungsinstanz eines Costcenters beschränkt sich auf die Steuerung der Kosten im Beschaffungs- und Produktionsbereich. Deckungsbudget: bezeichnet die Summe der von allen Produkten zu erwirtschaften­ den Solldeckungsbeiträge. Dezentralisation: bezeichnet ein Prinzip, nach dem Kompetenzen, die originär der Unternehmensführung zuzuordnen sind, den Divisionen übertragen werden; mit der Verlagerung der Entscheidungskompetenzen an die jeweiligen Bereichsleiter kann die Unternehmensführung um operative und kurzfristig wirksame Entschei­ dungen entlastet werden. Dialogsystem: Berichtssystem (aktiv/interaktiv), bei dem das Programm und der Informationsnachfrager interaktiv die Informationssuche betreiben; sowohl das Programm als auch der Informationsnachfrager können den Suchprozess selbst­ ständig beenden. Differenziert-kumulative Methodik (der Abweichungsanalyse): Hier werden die Abweichungen höherer Ordnung gesondert ausgewiesen. Die Gesamtabweichung wird als Summe der Teilabweichungen ausgewiesen, wobei in unterschiedliche Ordnungen zu differenzieren ist; die Anzahl der Einflussgrößen entspricht dabei der Anzahl der Ordnungsstufen. Direct Costing: bezeichnet das einfachste Verfahren der Deckungsbeitragsrech­ nung; hier werden dem Umsatzerlös lediglich die variablen Kosten gegenüber­ gestellt, die zur Erzielung des Umsatzerlöses eingesetzt werden mussten; die Differenz bezeichnet man als Deckungsbeitrag. Divisionen: werden auch als Geschäftsbereiche oder Sparten bezeichnet; sie entste­ hen, indem die Organisationseinheiten eines Unternehmens nach Objekten, wie beispielsweise nach Kunden, Kundengruppen, Produkten, Produktgruppen oder auch Regionen differenziert werden (sogenannte Objektspezialisierung). Sie wer­ den mit unterschiedlichen Kompetenzen und Funktionen betraut und bilden so­ mit relativ autonome Bereiche. Engpassbezogene Kostenvorteile: geben die Kostenvorteile aufgrund der geringe­ ren variablen Stückkosten eines Produkts an, die bei einer Eigenfertigung pro genutzter Engpassminute gegenüber der Fremdfertigung entstehen; engpassbe­ zogene Kostenvorteile werden mit relativen Deckungsbeiträgen verglichen, um eine Produktionsrangfolge und ein optimales Produktionsprogramm entwickeln zu können.

Glossar

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547

Engpassbezogene Mehrkosten: geben die Mehrkosten (aufgrund des höheren Be­ zugspreises) eines Produkts an, die bei einer Fremdfertigung pro nicht genutzter Engpasseinheit gegenüber der Eigenfertigung entstehen. Engpässe (betriebliche): sind durch Kapazitätsbeschränkungen begründet und ent­ stehen, wenn verschiedene Produkte dieselben technischen oder personellen Ressourcen oder dieselben Materialbestände beanspruchen; bei dem Vorliegen betrieblicher Engpässe können nicht alle Produkte in der nachgefragten Menge selbst hervorgebracht werden. Entscheidung: rationale (Aus-)Wahl der optimalen Handlungsalternative aus der Menge der zielrelevanten Handlungsalternativen in einer bestimmten Entschei­ dungssituation. Entscheidungskoordination: Koordination der Entscheidungen auf vertikal oder horizontal unterschiedlichen oder gleichen Hierarchieebenen. Erfolg: ergibt sich aus der Verrechnung aller Erträge und Aufwendungen einer Ab­ rechnungsperiode; ein Aufwand stellt eine Reinvermögensabnahme, ein Ertrag eine Reinvermögenszunahme in der Abrechnungsperiode dar. Finanzmanagement: ist die aktive und zielgerichtete Beeinflussung der Liquidität, der Finanzierung von Investitionen und der Kapitalstruktur und -bindung. Fixkostendeckungsrechnung: bezeichnet eine mehrstufige Deckungsbeitragsrech­ nung, die eine Analyse des Fixkostenblocks nach dem Kriterium der Zurechen­ barkeit auf Kostenträger und Kostenträgergruppen vornimmt. Flexible Fortschreibungsbudgetierung: soll eine flexible Anpassung der Budgets an Umwelt- und Unternehmensveränderungen ermöglichen; dies kann grund­ sätzlich durch drei Vorgehensweisen erfolgen: 1. Verkürzung der Budgetzeiträu­ me, 2. Bevorratung von Budgetreserven, 3. Eventualplanung, d. h. bereits im Zeitpunkt der Budgeterstellung werden mehrere unterschiedliche Budgets her­ ausgearbeitet, die auf unterschiedlichen Planungsprämissen basieren. Forecast (Synonyme: Vorschaurechnung, Erwartungsrechnung): ist eine aktualisie­ rende Planungsrechnung, die ermittelte Istwerte statistisch extrapoliert, um zu­ künftige Entwicklungen (inklusive der Prognose über zukünftige Abweichungen) erfassen zu können. Formalzielplanung: Planung der in einem Unternehmen zu verfolgenden Formal­ ziele, die als angestrebte monetäre Zustände (nominale Aspekte der Unterneh­ mensprozesse) bezeichnet werden und im Endeffekt das Ergebnis monetär bewer­ teter Sachzielplanungen sind. Fortschreibungsbudgetierung: wird auch als Planfortschreibung bezeichnet; sie geht von Ist- oder Durchschnittswerten bezüglich des Ressourceneinsatzes ver­ gangener Perioden aus; diese werden entweder unverändert als Budget übernom­ men, oder auf der Basis externer Einflussgrößen fortgeschrieben (Ex-post-plusVerfahren). Fremdvergleichsgrundsatz (dealing at arm’s length principle): beruht auf dem Prin­ zip, dass die Preise für unternehmensinterne Transaktionen in der Höhe angesetzt

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werden, als würde die Transaktion zwischen fremden Unternehmen stattfinden; dieser Grundsatz soll bei rechtlich selbstständigen Unternehmenseinheiten will­ kürliche Gewinnverlagerungen vermeiden und eine realitätsnahe Bemessungs­ grundlage für den steuerbaren Gewinn einräumen. Fremdvergleichswert: bezeichnet einen Verrechnungspreis, der den steuerrechtli­ chen Anforderungen gemäß Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Geldvermögensfonds: ergibt sich als Summe aus dem Zahlungsmittelbestand und den Forderungen, abzüglich der Verbindlichkeiten; er wird durch zahlungswirk­ same Vorgänge in Form von Ausgaben und Einnahmen verändert. Gemeinkostenwertanalyse: mithilfe dieser Methode wird der Ressourceneinsatz systematisch hinterfragt und auf kostengünstigere Lösungen geprüft. Dabei wird das Verhältnis von Kosten und Nutzen jeder gemeinkostenverursachenden Leis­ tung untersucht, um effizientere Ressourceneinsätze und -verwendungen identi­ fizieren zu können. Generatoraktives Berichtssystem: reines Berichtssystem, bei dem die Inhalte, die Formen der Berichte und der Berichtsrhythmus größtenteils standardisiert und festgelegt sind; zu unterscheiden sind hier die starren Berichtssysteme, die vor­ ab definierte Inhaltskategorien, feste Formen und feste Berichtsrhythmen aufwei­ sen, von den flexiblen (parametrisierten) Berichtssystemen, bei denen die Be­ richtsformen, die Berichtszeitpunkte und die Berichtsinhalte modifizierbar sind. Geschäftsvorfälle: sind Vorgänge, die Höhe und/oder Struktur des Vermögens bzw. des Kapitals verändern. Globalbetrag: repräsentiert einen periodischen Betrag, der die durch die im grenz­ kostenorientierten Verrechnungspreis fehlende Fixkostenverrechnung herbeige­ führte Verzerrung in den Erfolgsrechnungen der Divisionen zumindest teilweise ausgleichen soll. Der Globalbetrag wird in Bezug auf eine Kapazitätsreservierung durch die abnehmende Division und zudem auf Basis einer unternehmensübli­ chen Mindestrendite ermittelt. Grenzgewinn: bezeichnet den Stückgewinn, der bei Produktion und Absatz einer zu­ sätzlichen Leistungseinheit entsteht. Grenzkosten: sind die Kosten, die bei der Produktion einer zusätzlichen Leistungs­ einheit entstehen. Grundkosten: sind betragsgleiche Zweckaufwendungen, die zu Ausgaben geführt haben und sich sowohl der relevanten Abrechnungsperiode zurechnen lassen, als auch der eigentlichen Betriebs- und Geschäftstätigkeit dienen, und zudem nicht außergewöhnlicher Art sind. Grundzahlen: sind Kennzahlen in der Form absoluter Bestands- und Bewegungs­ zahlen; sie lassen sich als Einzelzahlen, Summen, Differenzen, oder Mittelwer­ te ohne weitere Berechnungen direkt der Unternehmensrechnung oder sonstigen betrieblichen Informationsquellen entnehmen; solche Kennzahlen sollen einzel­ ne betriebswirtschaftliche Sachverhalte isoliert erfassen und nicht mit anderen Sachverhalten verknüpfen.

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GuV(Gewinn-und-Verlust)-Rechnung: listet einzelne Ertrags- und Aufwandsposi­ tionen untereinander auf und bildet durch Verrechnung wirkungsgleicher Erträ­ ge und Aufwendungen verschiedene Teilergebnisse; sie kann gemäß § 275 HGB nach dem Gesamtkostenverfahren (GKV) oder nach dem Umsatzkostenverfahren (UKV) aufgestellt werden. Handlungsalternativen: zielrelevante Möglichkeiten des Handelns zur Realisation vordefinierter Ziele, die gedanklich vor dem Treffen einer Entscheidung anhand verfügbarer Daten ermittelt und hinsichtlich ihrer Handlungskonsequenzen in ei­ ner Ergebnismatrix abgebildet werden können. Hauptprozesse: untergliedern den Geschäftsprozess in verschiedene kostenstellen­ übergreifende Abläufe und entsprechen geplanten Workflows; sie bezeichnen sachlogisch zusammengehörige Teilprozesse; jeder Hauptprozess ist mit genau einem Kostentreiber ausgestattet. Innerbetriebliche Leistungsverrechnung: bezeichnet die Verteilung der sekundä­ ren Gemeinkosten; Sekundärkosten sind Kosten, die beim Verzehr innerbetriebli­ cher Leistungen entstehen; innerbetriebliche Leistungen sind für den Betrieb not­ wendige Leistungen, die selbst hervorgebracht und ausschließlich betriebsintern verbraucht bzw. genutzt werden. Kaizen Budgeting: kürzt im Rahmen der Budgetfortschreibung die Budgets um ei­ nen bestimmten Prozentsatz, ohne den zu budgetierenden Entscheidungseinhei­ ten vorzugeben, wie die Kürzung bei unverändertem Leistungsniveau zu realisie­ ren ist. Kalkulatorische Kosten: sind Kosten, die nicht als Aufwand verrechnet, oder in den Erfolgsrechnungen in anderer Aufwandshöhe erfasst werden; es sind hier die zwei Arten „Anderskosten“ und „Zusatzkosten“ zu unterscheiden. Kapazitätsbeschränkungen: können aufgrund von Anlagen- und Maschinenka­ pazitäten, Raumkapazitäten, Arbeitszeiten, der begrenzten Verfügbarkeit von Rohstoffen etc. gegeben sein; unvorhersehbare Entwicklungen wie beispielswei­ se Instandsetzungen von technischen Anlagen, Krankheit von Mitarbeitern oder unverschuldete Lieferengpässe können zudem unerwartete Kapazitätsbeschrän­ kungen auslösen. Kapazitätsrestriktion: beschreibt das in Anbetracht der Produktionskapazität einer Lieferdivision und der Kapazitätsnachfragen verfügbare Leistungsvolumen der Lieferdivision. Kapitalflussrechnung: ist eine Finanzierungsrechnung, die alle Veränderungen der Finanzmittelbestände durch Ein- und Auszahlungen (Cashflows) einer Abrech­ nungsperiode darstellt; dabei werden drei Cashflow-Bereiche unterschieden: Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit (operativer Cashflow), Cashflow aus der Investitionstätigkeit und Cashflow aus der Finanzierungstätigkeit; im Bereich der laufenden Geschäftstätigkeit ist der Cashflow nach der direkten oder nach der indirekten Methode darzustellen.

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Kennzahl: beinhaltet betriebswirtschaftlich relevante, verdichtete und entschei­ dungsunterstützende Informationen in Form von absoluten Zahlen bzw. Grund­ zahlen (z. B. Bestandszahlen) oder Verhältniszahlen (z. B. Wirtschaftlichkeits­ kennzahlen). Kennzahlensystem: strukturierte Gesamtheit von mathematisch miteinander ver­ knüpften und/oder sachlogisch in Zusammenhang stehenden Kennzahlen; ein Kennzahlensystem ermöglicht eine Analyse von Ursache-Wirkungs-Zusammen­ hängen bei Auftreten von Veränderungen einzelner oder mehrerer Kennzahlen­ werte innerhalb des Kennzahlensystems. Kosten: stellen den Wert aller verbrauchten Güter im Rahmen der Erstellung der ty­ pischen betrieblichen Leistungen dar (wertmäßige Interpretation). Kostenartenrechnung: nimmt eine systematische Erfassung, Gliederung und Zu­ ordnung aller Kostenarten vor; ergänzend werden die Kosten auf ihre Zurechen­ barkeit auf Kostenträger untersucht. Zur Vorbereitung der Teilkostenrechnungs­ systeme sind die Kosten auf ihre Beschäftigungsabhängigkeit zu prüfen. Kostenaufschlagsmethode: soll zur Ermittlung eines Verrechnungspreises unter fremdvergleichskonformen Bedingungen (Fremdvergleichswert) eingesetzt wer­ den, wenn für den konzerninternen Leistungsaustausch kein Marktpreis ermit­ telbar ist; der Fremdvergleich fordert von der liefernden Unternehmenseinheit, dass diese sowohl den Kosteneinsatz wie auch den Gewinnaufschlag genauso kalkuliert, als handelte es sich um eine Transaktion mit einem konzernfremden Unternehmen; jedenfalls sollte die Kalkulation betriebswirtschaftlichen Grund­ sätzen entsprechen. Kostenmanagement: ist die aktive und zielgerichtete Beeinflussung von Kostenni­ veau, Kostenverlauf und Kostenstruktur. Kostenstellenrechnung: nimmt eine örtliche Zuordnung der in der Kostenarten­ rechnung erfassten Kosten und Kosteneinsätze vor; die Orte der Verrechnung werden als Kostenstellen (KoSt.) bezeichnet. Diese lassen sich nach funktionel­ len und nach abrechnungstechnischen Kriterien systematisieren. Kostenträgerrechnung: bezeichnet die Verteilung der Kosten auf die Kostenträger; hierunter sind die Leistungen zu verstehen, durch deren Erstellung ein Wertever­ zehr entstanden ist bzw. Kosten verursacht wurden. Kostenträgerstückrechnung: bezeichnet die Verteilung der Kosten – in Abhängig­ keit des vorliegenden Fertigungsverfahrens – auf eine betriebliche Leistungsein­ heit mit dem Ziel der Ermittlung der Herstell- und Selbstkosten (je Leistungsein­ heit). Kostenträgerzeitrechnung: wird oft auch als Betriebsergebnisrechnung oder als kurzfristige Erfolgsrechnung bezeichnet, da den Kosten einer Abrechnungsperi­ ode die zugehörigen Leistungen bzw. Erlöse gegenübergestellt werden. Kostentreiber: dienen als Messgröße für die Anzahl der durchgeführten betriebli­ chen Aktivitäten und als Maßstab der Kostenverursachung; sie sind mengenmä­

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ßig erfassbar und beschreiben einen nachvollziehbaren und willkürfreien Zusam­ menhang zwischen Maßgröße und zu messenden Sachverhalt. Kostenvergleichsrechnungen: sind statische Verfahren im Rahmen der Wirtschaft­ lichkeitsrechnungen; sie werden generell den Investitionsrechnungen zugeord­ net. Kostenvergleichsrechnungen untersuchen einzelne oder mehrere Investiti­ onsobjekte hinsichtlich ihrer durchschnittlichen Gesamtkosteneinsätze. Kumulative Methodik (der Abweichungsanalyse): interpretiert die Gesamtabwei­ chung als Summe der Teilabweichungen; dabei werden die Abweichungen hö­ herer Ordnung den Einflussgrößen zugeordnet, die bei der Untersuchung zuerst betrachtet werden. Kybernetisches System: sich selbst steuerndes Regelungssystem, das in der Lage ist, nach Art und Umfang der festgestellten Abweichungen entweder Korrektur­ entscheidungen oder Rückmeldungen über dauerhaft starke Störungen (die not­ wendige Anpassungsentscheidungen hervorrufen) an das zielsetzende System vorzunehmen. Leerkosten: bezeichnen den Anteil der Fixkosten für die bereitgestellte, aber nicht genutzte Kapazität. Leistungen: stellen den Wert aller erbrachten Absatz- und Lagerleistungen im Rah­ men der typischen betrieblichen Tätigkeit dar (wertmäßige Interpretation). Leistungsmengeninduzierte Teilprozesse (lmi): für lmi-Prozesse ist die direkte Zuordnung eines Kostentreibers möglich. Kosten, die in ihrer Höhe in einem kausalen Zusammenhang zur Aktivität stehen, bezeichnet man als leistungsmen­ geninduzierte Kosten (lmi-Kosten); diese fallen v. a. bei repetitiven Tätigkeiten an. Leistungsmengenneutrale Teilprozesse (lmn): für lmn-Prozesse kann kein direk­ ter Kostentreiber identifiziert werden, weil hier in erster Linie individuelle Tätig­ keiten anfallen. Sie dienen zur Unterstützung der lmi-Prozesse; deshalb werden die lmn-Kosten i. d. R. auf die Imi-Teilprozesse der jeweiligen Kostenstelle verrech­ net. Lenkpreise: stellen eine Form der Verrechnungspreise dar; hierunter sind interne Preise für Produkttransfers zwischen Unternehmenseinheiten zu verstehen – wo­ bei diese Bezeichnung auf die Hauptfunktion der Verrechnungspreise abzielt, nämlich auf die Koordinationsfunktion. Losgröße (optimale): als optimale Losgröße wird die kostenoptimale Produktions­ menge in einer Serienfertigung bezeichnet, die den Produktionsprozess als in sich geschlossener Posten oder Unterbrechung oder Umstellung des Produktionspro­ zesses durchläuft; die Optimierung der Losgröße zielt darauf ab, die Summe aus auflagefixen und auflageproportionalen Kosten zu minimieren. Make-or-Buy(-Entscheidung): bezeichnet die Entscheidung, ob ausgewählte Güter oder Dienstleistungen selbst hergestellt (Eigenfertigung) oder vom Markt bezo­ gen werden sollen (Fremdfertigung bzw. Fremdbezug); sobald Leistungen, die in

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der Vergangenheit selbst hervorgebracht wurden, auch langfristig fremdbezogen werden sollen, kommt es zu einer Verringerung der Fertigungstiefe. Maximalkapazität: bezeichnet das in Anbetracht der Produktionskapazität maxi­ mal verfügbare Leistungsvolumen einer Unternehmenseinheit. Neutraler Aufwand: entspricht dem Teil des Aufwands, der keinen Kostenbestand­ teil darstellt; es sind hier die drei Arten betriebsfremder, periodenfremder, und außerordentlicher Aufwand zu unterscheiden. Nutzkosten: ist der Fixkostenanteil, der in einer Abrechnungsperiode für Herstel­ lung und Absatz eines bestimmten Leistungsvolumens eingesetzt wird. Nutzwertanalyse (Synonyme: Punktverfahren oder Multifaktorentechnik): ist ein analytisches Bewertungsverfahren, das in Planungsabläufen eingesetzt wird, um bei vorgegebenen Zielsetzungen mehrere zielrelevante Handlungsalternativen in eine Rangordnung der Vorzugswürdigkeit zu bringen. Opportunitätskosten: bezeichnen im Allgemeinen solche kalkulatorischen Kos­ ten (des Nutzenentgangs), die durch den Verzicht auf eine Handlungsalternative entstehen; im Kontext der Programmoptimierung bei engpasswirksamen Kapa­ zitätsbeschränkungen sind die Opportunitätskosten mit den verdrängten De­ ckungsbeiträgen zu bewerten. Im Kontext der engpassbezogenen Lenkung durch knappheitsorientierte Verrechnungspreise sind die Opportunitätskosten mit dem höchsten relativen Deckungsbeitrag zu bemessen, der durch die letzte begrenzte Kapazitätseinheit erzielt werden kann. Passivtausch: entspricht einer Kapitalumschichtung, der Gesamtbestand an Vermö­ gen und an Kapital bleiben gleich; es ändert sich lediglich die Kapitalstruktur. Plankosten: sind Kosten, bei denen die Mengen und die Preise der benötigten Pro­ duktionsfaktoren für eine geplante Beschäftigung geplante Größen sind; sie ha­ ben Vorgabecharakter. Plankostenverrechnungssatz: dieser Plankalkulationssatz einer Kostenstelle be­ zeichnet den zu planenden Kosteneinsatz in Bezug auf eine Beschäftigungsein­ heit; er ist als Vollkostensatz oder als Teilkostensatz (variabler Plankalkulations­ satz) gestaltbar. Planprozessmenge: zeigt, wie häufig ein Teilprozess innerhalb einer Zeitspanne durchgeführt werden soll; in der kapazitätsorientierten Planung ist sie Ausdruck für die maximal verfügbare Kapazität einer Kostenstelle. Potenzialfaktoren: sind im Gegensatz zu den Repetierfaktoren solche Produkti­ onsfaktoren, die ein längerfristiges Leistungspotenzial verkörpern, nicht ständig wiederbeschafft werden müssen, während einer Periode im Bestand erhalten blei­ ben und in einer Periode lediglich einen Teil ihres gesamten Leistungsvolumens an den Betrieb abgeben (z. B. technische Anlagen). Preisobergrenze (kurzfristige): gibt den kritischen Beschaffungspreis an, bei des­ sen Überschreitung der Einkauf von Beschaffungsgütern aus kostenrechnerischer Sicht nicht zu empfehlen ist, weil das Betriebsergebnis damit verringert würde.

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Preisuntergrenze (kurzfristige): gibt den kritischen Absatzpreis an, bei dessen Un­ terschreitung der Verkauf von Absatzgütern aus kostenrechnerischer Sicht nicht mehr empfehlenswert ist, weil das Betriebsergebnis damit reduziert würde; bei einer Unterbeschäftigung stellen die variablen Stückkosten die absolute Preis­ untergrenze dar. Eine Unterschreitung führt zu einem kurzfristigen Produkti­ onsstopp. Die Preisuntergrenzen beim Vorliegen einer engpasswirksamen Ka­ pazitätsbeschränkung werden als relative Preisuntergrenzen bezeichnet. Eine Unterschreitung führt nicht zu einem Produktionsstopp, sondern verlegt ledig­ lich die Vorteilhaftigkeit auf die Alternative. Preisvergleichsmethode: mithilfe dieser Methode werden zur Ermittlung eines Verrechnungspreises unter fremdvergleichskonformen Bedingungen die Trans­ aktionen zwischen den Konzernunternehmen auf die Transaktionsart und auf die Herkunft der Transaktionspartner untersucht. Problemorientierte Budgetierung: schließt auf der Basis von Input-Output-Rela­ tionen in dem zu budgetierenden Bereich an die Handlungsprobleme von Ent­ scheidungsträgern an; sie wird primär bei standardisierten Prozessen im direkten Leistungsbereich eingesetzt. Profitcenter: sind Organisationseinheiten, die einen weitgehend freien Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten haben; die Verantwortung der Führungsin­ stanz eines Profitcenters erstreckt sich sowohl auf die Kosten als auch auf die Erlöse. Profitcenterleitungen sind somit für ihr Bereichs- respektive Centerergeb­ nis verantwortlich, welches im Rahmen einer erfolgsorientierten Vergütung auch als Beurteilungsgröße zugrunde gelegt werden kann. Prozesskosten: bezeichnen die Summe der Gemeinkosten, die durch eine ganz be­ stimmte Aktivität innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausgelöst wird; die Ver­ änderung der Gemeinkosten wird dabei durch die Veränderung der Bezugsgröße erklärt, wobei ein proportionaler Verlauf der Gemeinkosten unterstellt wird. Prozesskostensatz: kann als durchschnittlicher Kosteneinsatz pro Prozessinan­ spruchnahme verstanden werden; er ist als Vollkostensatz oder als Teilkostensatz (variabler Gemeinkostenkalkulationssatz) gestaltbar. Relativer (Stück-)Deckungsbeitrag: bezeichnet einen wertmäßig auf den Produkti­ ons- und/oder Lieferengpass angepassten Stückdeckungsbeitrag; der relative Deckungsbeitrag eines Produkts bildet sich als Quotient des Stückdeckungs­ beitrags und der Engpassnutzung je Einheit des Produkts. Er gibt an, welchen Fixkostenbetrag eine Einheit eines Produkts pro genutzter Engpasseinheit deckt. Repetierfaktoren: sind im Gegensatz zu den Potenzialfaktoren solche Produktions­ faktoren, die kurzfristig vollständig oder teilweise in die zu erstellenden Leis­ tungen eingehen und deshalb permanent wiederbeschafft werden müssen; sie durchlaufen während einer Periode die Bestände als Ge- oder Verbrauchsgüter (z.B. Roh-, Hilfs-, und Betriebsstoffe). Sie repräsentieren bewertbare Güter des Umlaufvermögens.

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Sachzielplanung: Planung der Sachziele von Unternehmen, die sich aus der ge­ samtwirtschaftlichen Funktion betriebswirtschaftlicher Betätigung ergeben. Die Sachzielplanung befasst sich daher mit der planmäßigen Erstellung von Leistun­ gen (Gütern, Diensten) zur Befriedigung eines als ökonomisch relevant erachteten Bedarfs. Serienfertigung: Form der Mehrfachfertigung; sie untergliedert sich in die reine Se­ rienfertigung, in die Sortenfertigung und in die Chargenfertigung. Während bei der Chargenfertigung die Losgröße fertigungstechnisch vorgegeben ist, zeichnen sich die reine Serienfertigung und die Sortenfertigung durch eine Gestaltbarkeit der Losgröße aus. Solldeckungsbeitrag: ist der Betrag, der neben dem Betrag für die variablen Kosten im Absatzpreis eines Produkts enthalten sein muss, damit es die Vollkosten deckt und den Gewinnzielvorgaben des Unternehmens gerecht wird. Soll-Ist-Vergleich: ist einerseits als einer von drei Oberbegriffen für Vergleichsfor­ men gebräuchlich (neben den Zeit- und Konkurrenzvergleichen), andererseits im Rahmen des Controllings ein auf Kennzahlenmessungen basierendes Instrument zur Feststellung von Zielabweichungen. Sollkosten: sind Plankosten, die auf die tatsächlich erbrachte Beschäftigung umge­ rechnet sind. Standardbericht: repräsentiert den Kernbereich des unternehmerischen Berichts­ wesens; sie werden periodisch und routinemäßig erstellt und an die entsprechen­ den Informationsadressaten übermittelt. Diese haben auf den Inhalt und auf die Struktur keinen Einfluss, können aber selektiv die für sie relevanten Informatio­ nen aus diesen Berichten entnehmen. Standardmethoden des Fremdvergleichs: sind international anerkannte Metho­ den der Verrechnungspreisermittlung im Konzern; sie dienen der Ermittlung eines Verrechnungspreises unter fremdvergleichskonformen Bedingungen (Fremdver­ gleichswert). Dieses sind die Preisvergleichsmethode (comparable uncontrolled price method), die Wiederverkaufspreismethode (resale price method) und die Kostenaufschlagsmethode (cost plus method). Sunk Costs: zeichnen sich dadurch aus, dass sie in der Gegenwart und in der Zukunft nicht mehr beeinflusst werden können, wie beispielsweise unveränderbare, in der Vergangenheit angefallene Bezugskosten. Tätigkeiten: sind die kleinsten zu erfassenden, Kapazitäten in Anspruch nehmen­ den Aktivitäten eines Mitarbeiters in einer Kostenstelle. Tätigkeitsanalyse: soll ein lückenloses Bild über die Leistungen einer Kostenstelle und den zugehörigen Ressourceneinsatz liefern. Eine solche Tätigkeitsanalyse ist dreistufig aufgebaut und umfasst 1. die Analyse der Inputfaktoren der jeweiligen Kostenstelle, 2. die Erhebung und Analyse der von den Mitarbeitern zu verrich­ tenden Tätigkeiten und 3. die Analyse des Outputs der Kostenstelle.

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Teilkostenrechnung: in diesem Kostenrechnungssystem werden nur die entschei­ dungsrelevanten Kosten auf die Kostenträger verrechnet. Damit folgen die Teil­ kostenrechnungen dem Verursachungsprinzip. Teilprozesse: beziehen sich entlang der Prozesskette auf die Aktivitäten, die in bestimmten Kostenstellen erbracht werden; sie bezeichnen sachlogisch zusam­ mengehörige Aktivitäten. Durch die Aggregation der Teilprozesse ergeben sich die Hauptprozesse. Teilprozesskostensatz: dieser Kalkulationssatz drückt aus, was die einmalige Inan­ spruchnahme eines Teilprozesses kostet, wenn die leistungsmengeninduzierten und die umgelegten leistungsmengenneutralen Kosten berücksichtigt werden. Er ist als lmi-Teilprozesskostensatz oder als Prozessvollkostensatz (gesamter Teil­ prozesskostensatz) gestaltbar. Transaktionsfreiheit: beschreibt, ob und in welchem Maße (z. B. aufgrund von Ka­ pazitätsreservierungen) einzelne Unternehmenseinheiten Leistungen an externe Unternehmen veräußern bzw. von externen Unternehmen beziehen dürfen. Transfermenge: bezeichnet gemäß Hirshleifer-Modell die gleiche Menge, die eine abnehmende Unternehmenseinheit von der zuliefernden Unternehmenseinheit erhält respektive die die liefernde Unternehmenseinheit der abnehmenden zulie­ fert. Transferpreise: stellen eine Form der Verrechnungspreise dar; hierunter versteht man interne Preise für Produkttransfers zwischen Unternehmenseinheiten. Unterbeschäftigung: bezeichnet eine Ausgangssituation, bei der keine betriebli­ chen Engpässe existieren, sodass das vorgesehene Produktionsprogramm auf Basis der vorhandenen Produktionskapazitäten realisiert werden kann. Unternehmensrechnung: stellt ein Konglomerat verschiedenster Informationssys­ teme dar, das die leistungs- und finanzwirtschaftlichen Prozesse eines Unterneh­ mens zahlenmäßig abbilden und eine Beurteilung der Prozesse unter ökonomi­ schen Gesichtspunkten ermöglichen soll; sie lässt sich (grob) in eine interne und eine externe Unternehmensrechnung unterteilen. Verbrauchsabweichung: ist ein Teil der Budgetabweichung und bezeichnet in Be­ zug auf einen bestimmten Beschäftigungsgrad die Differenz zwischen den Istkos­ ten (der Plankostenrechnung) und den Sollkosten. Verbundbeziehungen: bezeichnen Ressourcen-, Markt- oder Leistungsverflechtun­ gen zwischen den Centertypen; sie können sich in ihrem synergetischen Zusam­ menspiel positiv auf den Unternehmenserfolg auswirken und lösen in Konkur­ renzsituationen einen Koordinationsbedarf aus. Verfahrensorientierte Budgetierung: beschreibt Prozessprinzipien, mit deren Hil­ fe die Budgetvorgaben über die Entwicklung von Verfahrensschritten und Ver­ haltensempfehlungen ermittelt werden; sie wird v. a. bei nicht standardisierten Prozessen angewendet.

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Verhaltensanomalien: kennzeichnen irrationale Verhaltensweisen der am Berichts­ wesen beteiligten Parteien, die in der Folge Fehlentscheidungen der Entschei­ dungsträger forcieren können; sie sind ursächlich auf begrenzte Aufnahme-, Ver­ arbeitungs-, Interpretations- und Transformationskompetenzen zurückzuführen; daneben können sie durch eine funktionale Gebundenheit des Verhaltens und/ oder durch bestimmte Persönlichkeitsstrukturen bedingt sein. Verhaltensmodulation: beschreibt die Veränderung des Verhaltens von Entschei­ dungsträgern, die durch die Wirkungen der Berichte hervorgerufen werden; zum einen gibt es die Aktivierung als Modulation, bei der eine Erhöhung der Wahrneh­ mungs- und Handlungsbereitschaft durch Berichte bei Entscheidungsträgern als Wirkung hervorgerufen wird. Zum anderen können Berichte eine Variation der Aufmerksamkeit beim Entscheidungsträger bewirken (Aufmerksamkeitserhö­ hung oder -einschränkung). Daneben kann situativ bedingt eine interessengelei­ tete Variation des Auflösungsgrads der Informationswahrnehmung resultieren. Verhaltenswirkungen: ergeben sich aus der Kombination reflektierten und intui­ tiven Verhaltens von Informationsnutzern mit den intendierten und nicht in­ tendierten Wirkungen, die Berichte bei den Informationsnutzern hervorrufen können bzw. sollen. Verhältniszahlen: sind Kennzahlen in der Form relativer Zahlen, die auf unter­ schiedliche Art und Weise Sachverhalte auf der Basis von Grundzahlen in eine Beziehung setzen und somit betriebswirtschaftlich relevante Zusammenhänge zwischen zwei Bezugsgrößen widerspiegeln; die Verhältniszahlen können in Gliederungs-, Beziehungs- und Mess- bzw. Indexzahlen unterschieden werden. Verrechnungspreise: stellen Wertansätze für Leistungen dar, die innerhalb einzel­ ner Unternehmensbereiche erstellt und bezogen werden; sie werden häufig auch als Transfer- oder Lenkpreise bezeichnet. Vollkosten: sind die gesamten Kosten, die bei der Produktion einer Leistungseinheit entstehen; diese werden auch als Stückkosten bezeichnet. Vollkostenrechnung: in diesem Kostenrechnungssystem werden alle Kostenbe­ standteile erfasst und auf die Kostenträger verrechnet; dabei müssen die Gemein­ kosten teilweise unzureichend verursachungsgerecht auf die Kostenstellen und auf die Kostenträger umgelegt werden, was in der Folge zu einer mangelhaften Kalkulation der Kostenträger führen kann. Wiederverkaufspreismethode: mithilfe dieser Methode wird zur Ermittlung eines Verrechnungspreises unter fremdvergleichskonformen Bedingungen (Fremdver­ gleichswert) der Wiederverkaufspreis der abnehmenden Unternehmenseinheit um Wiederverkaufskosten und Gewinnaufschlag bereinigt. Zahlungsmittelfonds: stellt den Gesamtbestand an liquiden Mitteln dar; er wird durch zahlungswirksame Vorgänge in Form von Auszahlung und Einzahlung verändert.

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Zero-Base-Budgeting: ist als Analyse- und Planungsprozess zu verstehen, der das Budget ausgehend von Wert Null vollständig neu begründet; hier wird das Un­ ternehmen mit dem Gesamtbudget und bereichsweise mit den Teilbudgets von Grund auf neu gestaltet. Dabei wird geprüft, welche qualitativen und quantita­ tiven Leistungsbündel erforderlich wären, um eine Neugründung des Unterneh­ mens zu ermöglichen. Zusatzaufträge: werden als Kundenaufträge angesehen, die nach der Festlegung des Produktionsprogramms eingehen, mit dem verfügbaren Potenzialfaktorbe­ stand realisiert werden können und sich qualitativ und/oder quantitativ von den Produkten im üblichen Produktionsprogramm unterscheiden.

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Stichwortverzeichnis A absolute Preisobergrenze 476 Abweichungsanalyse 137, 195 Abweichungsart 204 Abweichungsbericht 386 Abweichungsüberschneidung 195 Abweichungsursache 148 Abweichungsursachenanalyse 147 Activity Based Costing 216 Aktivität 222 Ambiguitätsintoleranz 401 Andler’sche Losgrößenformel 455 Anlagevermögen 28 Anpassungsentscheidung 491 Anreizgestaltung 172 Anreizmechanismus 109 Anreizsystem 109 auflagefixe Kosten 454 Auflagendegression 454 auflageproportionale Kosten 454 Autonomiegrad 259 Autonomieillusion 290 B Bedarfsbericht 387 Bereichserfolg 265 bereinigte variable Stückkosten 474 Berichtsebene 374 Berichtsmerkmal 381 Berichtssystem 389 Berichtswesen 376 Beschäftigungsabweichung 202 Beschäftigungsgrad 61, 188 Beständebilanz 33 Bestandsgröße 11 Bestandskontenkreislauf 32 Bestandsveränderung 30 Betriebsabrechnung 69 Betriebsblindheit 398 Betriebsergebnis 43, 424 Betriebsergebnisrechnung 75, 77 Bewegungsbilanz 35 Bilanz- und Erfolgsrechnung 8, 17 Bilanzgleichgewicht 29 Bilanzkennzahl 34 Bilanzrechnung 27 https://doi.org/10.1515/9783110439793-035

Break-even-Analyse 81 Bruttoergebnis 433 Budget 162 Budgetabgleich 238 Budgetabstimmung 169 Budgetabweichung 198, 208 Budgeterstellung 168, 176 Budgetierungsprozess 165 Budgetierungsverfahren 176 Budgetkontrolle 173 Budgetverabschiedung 170 Budgetvorbereitung 168 C Cashflow 50 Cashflow-Bereich 49 Cashflow-Rechnung 49, 52 Center 255 Confirmation Bias 399 Controllingebene 96, 411 Controlling-Regelkreis 106 Controllingsystem 91 Controllingziel 18, 98 Costcenter 255 Cost-Plus-Verrechnungspreis 302 D Deckungsbeitrag 423 Deckungsbeitragsrechnung 78, 423 Deckungsbudget 485 Dezentralisation 254 Direct Costing 79 Division 265 E Eigenkapital 28 Eigenkapitaländerung 38 Einigungsbereich 318 Engpass 471, 477 engpassbezogene Mehrkosten 446, 451 engpassbezogene Preisobergrenze 479 engpassbezogener Kostenvorteil 446, 449 Engpasskapazität 444 Entscheidungskalkül 299 Entscheidungskoordination 18 Entscheidungsmechanismus 492 entscheidungsrelevante Kosten 420

570 | Teil G: Anhang

Erfolgsabgrenzung 37 Erfolgsermittlungsfunktion 265 Erfolgsrechnung 37, 486 Erfolgssicherung 100 Ex-post-plus-Verfahren 179 F Fertigungstyp 415 Finanzierungsregel 34 Finanzkennzahl 345 Finanzmanagement 24 Finanzrechnung 47 Fixkostendeckungsrechnung 79, 427 Fixkostendegression 283 Fixkostenproportionalisierung 73, 201, 202 Fixkostenschicht 427 flexible Fortschreibungsbudgetierung 181 Forecast 150 Forecast-Analyse 135 Formalziel 126 Fortschreibungsbudgetierung 179 Fremdkapital 28 Fremdvergleichsgrundsatz 270, 322 Fremdvergleichspreis 322 Fremdvergleichswert 271 Führungsprozess 89 G Gegenstromplanung 120 Gegenstromverfahren 168 Gemeinkostenbudget 187 Gemeinkostenwertanalyse 181 Gemeinkostenzuschlagssatz 69 Gesamtabweichung 203 Gesamtkostenverfahren 40 Geschäftsprozess 217 Geschäftsvorfall 31 Gewinn- und Verlustkonto 39 Gewinn- und Verlustrechnung 75 Gewinnverlagerung 269 Globalbetrag 302 Grenzkostenverrechnungspreis 309 Grenzplankostenverrechnungssatz 205 Grundkosten 16 H Hauptprozess 218, 225 Hauptprozesskostensatz 232 Hirshleifer-Modell 284

I Information Overload 398 Informationssystem 7 Informationsversorgung 378 Innovationskennzahl 346 Istbeschäftigung 188 Ist-Plan-Vergleich 199

K Kalkulation 72 Kalkulationszeitpunkt 72 kalkulatorische Kosten 15 Kapazitätsbeschränkung 415, 418, 434 Kapazitätsrestriktion 312 Kapitalflussrechnung 49 Kennzahl 337 Kennzahlensystem 359 Key Performance Indicators 367 Komplexität 249 Komplexitätsreduktion 340, 379, 405, 491 Kontenform 28 Kontrollart 137 Kontrollform 133 Koordinationsfunktion 264 Kosten 12 Kosten- und Leistungsrechnung 8, 57, 58, 66 Kostenart 67 Kostenartenrechnung 67 Kostenauflösung 63 Kostenaufschlagsmethode 326 Kostenhierarchie 79 Kostenmanagement 56 Kostenplanung 186 Kostenrechnungssystem 61, 419 Kostenremanenz 209 Kostenstelle 67 Kostenstelleneinzelkosten 70 Kostenstellengemeinkosten 70 Kostenträger 71 Kostenträgerrechnung 72 Kostenträgerstückrechnung 72 Kostenträgerzeitrechnung 74 Kostentreiber 222 Kostenvergleichsrechnung 141 Kundenkennzahl 346 kybernetisches Steuerungssystem 104

Stichwortverzeichnis

L langfristige Preisentscheidung 483 langfristige Preisgrenze 484 Leerkapazität 236 Leerkosten 206, 298 Leistungsverrechnung 70 Losgröße 415, 453 M Make-or-Buy-Entscheidung 415, 441 Management Control 18 Managementreporting 375 Manipulation 397 Maßnahmenwirksamkeit 134 Mehrfachfertigung 416 Mengenabstimmung 285 Messniveau 350 Mitarbeiterkennzahl 346 N Nichtkosten 15 Nutzkosten 206 Nutzwertanalyse 144 O Objektspezialisierung 253 operative Steuerung 412 Opportunitätskosten 311, 319, 445, 451, 466, 477 Opportunitätsstückkosten 452, 467 optimale Losgröße 455 Overconfidence 399 P Performance-Measurement-Systeme 365 Periodendeckungsbeitrag 424 Periodenerlös 432 Planbeschäftigung 188, 206 Planeinzelkosten 187 Planertyp 113 Planfortschreibung 178 Plankosten 188, 283 Plankostenrechnung 186 Plankostenverrechnungssatz 189 Planprozessmenge 227 Planungs- und Kontrollprozess 105 Planungsart 121 Planungsebene 119 Planungsinhalt 118, 128

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Planungsobjekt 117 Planungsphase 119 Planungsstufe 116 Planungsverfahren 119 Potenzialfaktorbestand 413 Präferenzbeziehung 131 Preisgrenze 417, 462 Preisobergrenze 317, 417, 474 Preisuntergrenze 317, 417, 463, 464 Preisvergleichsmethode 325 problemorientierte Technik 175 Produktivität 59 Produktivitätskennzahl 341 produktspezifische Preisobergrenze 475 profitables Wachstum 364 Profitcenter 256 Programmoptimierung 414 Prozess 216 Prozesseigentümer 234 Prozessgeflecht 224 Prozesskennzahl 346 Prozesskosten 228 Prozesskostenrechnung 214 Prozesskostensatz 229 prozessorientierte Budgetierung 176 Prozessumlagesatz 229 Q Qualitätskennzahl 347 R Reagibilitätsgrad 61, 204 Reagibilitätsmethode 64 Rechnungskreis 13 Rechnungssystem 26 relative Preisuntergrenze 466 relative Stückdeckungsbeitrag 313 relativer Deckungsbeitrag 434 Rentabilitätskennzahl 341 Routineentscheidung 20, 413 S Sachziel 126 Scoring-Verfahren 143 Simplexmethode 441 Soll-Ist-Vergleich 135 Sollkosten 191 Soll-Wird-Vergleich 138 Spartenegoismus 258

572 | Teil G: Anhang

Sperrklinkeneffekt 180 Spezialabweichung 201 Standardbericht 383 Steuerungsprozess 90 Stromgröße 9 Strukturkennzahl 347 Stückdeckungsbeitrag 424, 460 Stückdeckungsbeitragsrechnung 280 Stückkostendegression 74 Suboptimum 299 Sunk Costs 466 Synergieeffekte 281 Szenarioplanung 182 T Tätigkeitsanalyse 220 Teilabweichung 197, 208 Teilbudget 170 Teilkostenrechnung 62, 420 Teilkostenrechnungssystem 491 Teilkostenstückrechnung 74 Teilprozess 219, 222 Teilprozessebene 219 Teilprozesskostensatz 229 traditionelle Budgetierung 175 Transaktionsfreiheit 275 Transfermenge 286 U Umlaufvermögen 28 Umsatzkostenverfahren 40 Unterbeschäftigung 414, 418, 430, 442, 463 Unternehmensrechnung 5, 83

V Verbrauchsabweichung 201, 205 Verbundbeziehung 258 Verbundeffekt 282 verfahrensorientierten Technik 175 Verhaltensanomalie 400 Verhaltensbeeinflussung 21 Verhaltensmodulation 395 Verhaltenswirkung 396 Verhältniskennzahl 344 Verhandlungsergebnis 320 verrechnete Plankosten 199 Verrechnungspreis 260 Verrechnungspreismethode 273 Verrechnungspreissystem 272 Vollkostenrechnung 62, 419 Vollkostenverrechnungspreis 293 W Wiederverkaufspreismethode 326 Wirtschaftlichkeit 59 Wirtschaftlichkeitskennzahl 341 Z Zahlungswirksamkeit 48 Zero-Base-Budgeting 183 Zielabweichung 135 Zielkonflikt 130 Zielkonzeption 127 Zielplan 123 Zielplanung 118 Zielrelation 129 Zusatzauftrag 280, 417, 467, 480 Zuschlagskalkulation 76