Amt und Prestige: Die Kammerrichter in der ständischen Gesellschaft (1711–1806) [1 ed.] 9783412518684, 9783412221218

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Amt und Prestige: Die Kammerrichter in der ständischen Gesellschaft (1711–1806) [1 ed.]
 9783412518684, 9783412221218

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Amt und Prestige

Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 72

Die Studie widmet sich anhand des Amts des Kammerrichters exemplarisch dem Gegen-

satz zwischen der sich ausdifferenzierenden Reichsgerichtsbarkeit und den Funktions-

prinzipien der ständischen Gesellschaft, die in ihrer Widersprüchlichkeit die strukturel-

le Beschaffenheit des Alten Reichs spiegeln. Die Kammerrichter standen als Oberhaupt des Reichskammergerichts einer Institution vor, mit deren Einrichtung die oberste

Rechtsprechung im Alten Reich an Autonomie gewann. Zugleich blieben sie selbst den gesellschaftlichen Regeln und Bedingungen ihrer Zeit verpfl ichtet und nutzten die

Ressourcen ihres Amts im Interesse ihrer Familien und sozialen Netzwerke.

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Maria von Loewenich

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Maria von Loewenich

Amt und Prestige Die Kammerrichter in der ständischen Gesellschaft (1711–1806)

01.10.19 15:22

QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR HÖCHSTEN GERICHTSBARKEIT IM ALTEN REICH HERAUSGEGEBEN VON ANJA AMEND-TRAUT, FRIEDRICH BATTENBERG, ALBRECHT CORDES, IGNACIO CZEGUHN, PETER OESTMANN UND WOLFGANG SELLERT

Band 72

Amt und Prestige Die Kammerrichter in der ständischen Gesellschaft (1711 – 1806) von MARIA VON LOEWENICH

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Die Drucklegung erfolgte aus Mitteln des Leibniz-Projektes „Vormoderne Verfahren“

Zugleich Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 2011 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. © 2020 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Jacob A. Friedrich, Titelkupfer aus Friedrich W. Tafinger, Institutiones Iurisprudentiae Cameralis, Tübingen 1754 Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Signatur: Yx 5780 Satz: büro mn, Bielefeld Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-51868-4

Inhalt Vorwort  .................................................................................................... 

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I. Einleitung  ..........................................................................................  I.1 Quellen und Literatur  ...............................................................  I.1.1 Quellen  .........................................................................  I.1.2 Literatur  ........................................................................  I.2 Aufgaben und Personal des Reichskammergerichts  ...................  I.3 Die Bezeichnung „Reichskammergericht“  .. ............................... 

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II. Das Kammerrichteramt zwischen Kaiser, Reich und Reichskammergericht  ......................................................  II.1 Die Auswahl des neuen Kammerrichters und die Rolle des Mainzer Erzkanzlers  . . ....................................  II.2 Die Vakanz des Kammerrichteramts  .........................................  II.3 Die Amtseinsetzung des Kammerrichters  . . ................................  II .3.1 Vorbereitungen  .. ............................................................  II .3.2 Die Befragung des designierten Kammerrichters  ..........  II .3.3 Die Einholung  ..............................................................  II .3.4 Vereidigung, Inthronisation und Übergabe des Kammerrichterstabs  ................................................  II .3.5 Solemne Audienzen  . . .....................................................  II.4 Der Tod des Kaisers und die Rechte der Vikare  ........................  II.5 Die Audienz  ..............................................................................  II.6 Plenum und Senat  .....................................................................  II .6.1 Der Ausschluss des Kammerrichters von einem Verfahren  .....................................................  II .6.2 Die prozessbezogenen Aufgaben des Kammerrichters  .. ...  II .6.3 Das Votum Decisivum  ..................................................  II.7 Zwischenresümee  ...................................................................... 

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III. Die Kammerrichter und die Ökonomie der Ständegesellschaft  .......  III.1 Die Strategien der kammerrichterlichen Familien  .. ...................  III.1.1 Die Fürsten von Nassau-Hadamar  ................................  III.1.2 Die Grafen und Fürsten von Fürstenberg-Meßkirch  ....  III.1.3 Die Grafen und Fürsten von Hohenlohe-Bartenstein  .....  III.1.4 Die Freiherren und Grafen von Ingelheim  . . ..................  III.1.5 Die Grafen von Virmond  . . ............................................ 

106 116 116 120 123 129 132

26 27 43 48 49 51 58 61 67 69 80 90

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Inhalt

III.1.6 III.1.7 III.1.8 III.1.9

Die Grafen von Spaur  ...................................................  Die Grafen und Fürsten von Oettingen-Wallerstein  .....  Die Freiherren und Grafen von Reigersberg  .................  Fazit: Die Strategien der kammerrichterlichen Familien  ........................................................................  III.2 Ökonomisches Kapital als Vorbedingung  .................................  III.3 Symbolische Profite  ...................................................................  III.3.1 Gewinn von symbolischem Kapital  ..............................  III.3.2 Die Standesanforderungen als Möglichkeit symbolischen Profits  .. ....................................................  III.3.3 Die Verteidigung und Vermehrung symbolischen Kapitals  ...................................................  III.3.4 Symbolischer Profit und die Autonomie des Gerichts  .. .................................................................  III.4 Soziales Kapital: Einsatz und Erhalt sozialer Ressourcen  .. .........  III.4.1 Investition sozialer Ressourcen  . . ....................................  III.4.2 Die spezifischen Ressourcen des Kammerrichteramts  ...  III.4.3 Ressourcen in der Beziehung zum Kaiser  . . ....................  III.4.4 Korruption und Normenkonkurrenz  ............................  III.4.5 Normenkonkurrenz in der Beziehung zum Kaiser  . . ......  III.4.6 Die Nutzung kammerrichterlicher Ressourcen im Rahmen der Ad-hoc-Bestechung  .............................  III.4.7 Die delegitimierende Wirkung der Normenkonkurrenz  ................................................  III.5 Zwischenresümee  ...................................................................... 

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IV. Zusammenfassung  . . ........................................................................... 

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V.  Biographien der Kammerrichter  ....................................................... 

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VI. Quellen und Literatur  .......................................................................  VI.1 Archivalische Quellen  .. ..............................................................  VI.2 Gedruckte Quellen  . . ..................................................................  VI.3 Literatur  .................................................................................... 

237 237 239 244

VII. Personenindex  ................................................................................. 

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Vorwort Die vorliegende Studie wurde im September 2011 von der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-­Universität Münster als Dissertation angenommen. Erstgutachterin war Frau Prof. Dr. Barbara Stollberg-­Rilinger, das Zweitgutachten hat Herr Prof. Dr. Peter Oestmann übernommen. Für die Drucklegung wurde das Manuskript überarbeitet. Ein Dissertationsvorhaben kann nur mit der Unterstützung vieler zu einem glücklichen Abschluss gebracht werden. Sie alle an dieser Stelle namentlich zu nennen, würde zu weit führen. Stellvertretend möchte ich deshalb den Angehörigen des Lehrstuhls für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Münster, besonders aber Frau Prof. Dr. Barbara Stollberg-­Rilinger und meinen Kollegen im Leibniz-­Projekt „Vormoderne Verfahren“ für die anregende Diskussions- und Arbeitsatmosphäre danken. Dank gilt auch den Mitgliedern der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung e. V. und des Netzwerks Reichsgerichtsbarkeit, die mir mehrfach die Gelegenheit gegeben haben, meine Forschungsergebnisse auf Tagungen vorzustellen und sie mit ihnen zu diskutieren. Danken möchte ich weiter­hin den Eigentümern und Mitarbeitern der Archive, die ich für die vorliegende Studie genutzt habe. Besonders erwähnen möchte ich dabei die Familien Ingelheim und Spaur, die mir nicht nur Zugang zu ihren Archiven gewährt, sondern mich auch für die Dauer meines Aufenthalts beherbergt haben. Nicht zuletzt möchte ich der Herausgeberin und den Herausgebern der Reihe „Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich“ dafür danken, dass sie meine Studie in diese aufgenommen und so geduldig auf den Abschluss der Überarbeitung des Manuskripts gewartet haben. Meine Eltern Prof. Dr. Volker und Dr. Katharina von Loewenich, mein Ehemann Dr. Sebastian Conrad und meine Schwester PD Dr. Friederike von ­Loewenich haben nicht nur die Drucklegung d ­ ieses Buchs tatkräftig unterstützt, sie haben mich vor allem durch die Höhen und Tiefen meiner akademischen und archivischen Ausbildung getragen. Ihnen sei es deshalb gewidmet. Berlin, im Juni 2019

Maria von Loewenich

I.  Einleitung Die Gebrechen des Reichskammergerichts sind geradezu sprichwörtlich. Fast über die gesamte Zeit seines Bestehens hinweg war es stark unterfinanziert. Das Personal konnte kaum jemals ausreichend bezahlt werden, und fast immer musste man einen Teil der Stellen unbesetzt lassen. Das verbleibende Personal war nicht in der Lage, den stetig steigenden Geschäftsanfall zu bewältigen. So waren Verfahren häufig über viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinweg am Gericht anhängig. Noch heute wird kolportiert, in der Gerichtskanzlei ­seien die Akten mit Fäden an die Decke gehängt worden. Erst wenn einer dieser Fäden aus Altersschwäche gerissen sei, habe das Gericht begonnen, den entsprechenden Fall zu bearbeiten. Kam es schließlich zu einem Urteil, war es häufig gar nicht oder nur mit Schwierig­keiten zu exekutieren.1 Das Reichskammergericht stellte demnach nach heutigen Kriterien einen eher unattraktiven Arbeitsplatz dar, der mit hoher Arbeitsbelastung und schlechter Bezahlung verknüpft war. So schreibt Johann Wolfgang Goethe in seinen Lebenserinnerungen „Dichtung und Wahrheit“: Man begreift oft nicht, wie sich nur Männer finden konnten zu d­ iesem undankbaren und traurigen Geschäft.2 Dennoch gab es im 18. Jahrhundert gerade für das Amt des Oberhaupts des Gerichts, des Kammerrichters, stets zahlreiche Bewerber.3 Die Einstellung zum Kammerrichteramt war demzufolge alles andere als negativ, vielmehr hielten es die Aspiranten offenbar für eine attraktive Position. Die Zeitgenossen hatten also ein anderes Verhältnis zum Reichskammergericht, als es die heutige Sicht und das eher kritische Urteil Goethes nahelegen. Diesem anderen Verhältnis der Zeitgenossen zum Reichskammergericht möchte die vorliegende Arbeit anhand seines Oberhaupts, des Kammer­richters, nachgehen. Zugleich möchte sie zu einem besseren Verständnis der Konfiguration Reichskammergericht und der Struktur der Verfassung des Heiligen Römischen Reichs in der Frühen Neuzeit beitragen. Das frühneuzeitliche Reich und seine Institutionen gehörten lange Zeit nicht zu den bevorzugten ­Themen der Historiker. Die als Schwäche wahrgenommene Stellung des Kaisers und das wenig ruhmreiche Ende des Alten Reichs passten 1

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Zur Geschichte der Bewertung des Reichskammergerichts vgl. u. a. Diestelkamp, Das Reichskammergericht. Eine Einführung, S. 33 – 38; ders., Das Reichskammergericht im Rechtsleben des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, S. 6 – 8; ders., Die Bedeutung des Reichskammergerichts für die Rechtsentwicklung, S. 459 – 461; Press, Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte, S. 7 f. Goethe, Dichtung und Wahrheit, S. 588. Vgl. dazu Kap. III.

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nicht in das Konzept einer Geschichtswissenschaft, die darauf bedacht war, durch die Darstellung eines starken Deutschen Reichs identitätsstiftend zu wirken. Sie konzentrierte sich dementsprechend vor allem auf das Früh- und Hochmittelalter, die man als die Zeitalter der großen Könige und K ­ aiser mit imperialem Anspruch ansah. Den Untergang der Staufer Mitte des 13. Jahrhunderts und die darauffolgende Zeit des Interregnums wurden als Beginn des kontinuierlichen Verfalls der einstigen kaiserlichen Macht gewertet. In Bezug auf das frühneuzeitliche Reich empfand man besonders dessen letzten Abschnitt nach dem Westfälischen Frieden 1648 als Zeit eines schwachen Kaisertums, dessen Gestaltungsspielraum durch das Fortschreiben des Patts z­ wischen K ­ aiser und Reichsständen vollständig zerstört worden sei.4 Auch die Institutionen des Reichs wurden als wenig effektiv bewertet. Besonders das Reichskammergericht stand wegen seiner langwierigen, teuren und häufig ohne Urteil bleibenden Prozesse und seiner unzureichenden Möglichkeiten, Entscheidungen durchzusetzen, in der Kritik.5 Seit den 1970er Jahren revidierte eine neue Generation von Historikern, unter anderem aufgrund der veränderten politischen Weltsicht nach dem Zweiten Weltkrieg, diese Sichtweise und beschäftigte sich zunehmend mit dem spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reich und seinen Institutionen. In dieser Zeit begann auch die breite wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich. 1973 wurde dementsprechend die Schriftenreihe „Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Reich“ und 1985 die „Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung“ gegründet. 1978 wurde zudem mit dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt zur Verzeichnung der Reichskammergerichtsakten begonnen.6 Bei dieser neuen Beschäftigung mit dem Heiligen Römischen Reich ist jedoch gelegentlich die Sichtweise ins Gegenteil umgeschlagen, was zur Verklärung seiner Mängel führte. Die machtpolitische Schwäche wurde zur Tugend erklärt, das Reich als Vorgänger und Vorbild für die Europäische Union gedeutet und damit erneut politisch instrumentalisiert.7 4

Vgl. dazu Press, Die kaiserliche Stellung im Reich, S. 51 – 54; ders., Das römisch-­deutsche Reich, S. 18 – 22; Moraw / ders., Probleme der Sozial- und Verfassungsgeschichte, S. 4 f. 5 Diestelkamp, Das Reichskammergericht. Eine Einführung, S. 33 – 38; Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 1 f.; Press, Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte, S. 7 f. 6 Vgl. http://www.reichskammergericht.de/gesellschaft.html [01. 04. 2017]; Diestelkamp, Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung; ders., Rückblick auf das Projekt der Inventarisierung; Schildt, Wandel in der Erschließung der Reichskammergerichtsakten; Weber, Praktische Erfahrungen aus der Inventarisierung. Das Projekt ist inzwischen abgeschlossen. 7 Vgl. dazu Stollberg-­Rilinger, Die zeremonielle Inszenierung des Reiches, S. 233; Press, Das römisch-­deutsche Reich, S. 21; ders., Das Heilige Römische Reich in der deutschen

Einleitung

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Zugleich entwickelte sich jedoch seit den 1970er und 1980er Jahren vor allem unter Federführung von Peter Moraw und Volker Press eine neue Betrachtungsweise der Reichsverfassung und der Reichsinstitutionen, die der spezifischen Struktur und Funktionsweise des Alten Reichs und seinem vormodernen Charakter gerecht zu werden versuchte. Die Betrachtung des Reichs und seiner Institutionen durch die ältere Verfassungsgeschichte allein aus der Perspektive normativer Quellen und der Reichspublizistik hatte besonders für die Zeit nach dem Westfälischen Frieden ein eher statisches Bild des Reichs erzeugt. Man sah das Reich als im Dualismus ­zwischen ­Kaiser und Reichsständen erstarrt. Moraw und Press arbeiteten heraus, dass für die Untersuchung der Strukturen des Alten Reichs die Verknüpfung von verfassungs- mit sozialgeschichtlichen Fragestellungen gewinnbringend sein kann.8 So waren in der Vormoderne die verschiedenen gesellschaftlichen Sphären nicht voneinander getrennt, die politische, soziale, religiöse und ökonomische Ordnung war ein untrennbares Ganzes. Folglich entsprach die Beziehung der Reichsglieder zueinander nicht der von Funktionsträgern in einem modernen Staat, sondern beruhte auf persönlicher Nähe, Verwandtschaft und Patronage.9 Volker Press konnte anhand der Berücksichtigung der sozialen Dimension das komplexe Verhältnis der Reichsstände zum K ­ aiser herausarbeiten und zeigen, wie es den Kaisern gerade nach dem Westfälischen Frieden gelang, zunehmend die mindermächtige katholisch-­ reichsständische Klientel an sich zu binden.10 Dies galt auch für die anderen sozialen Ebenen. So waren auch die Träger hoher kaiserlicher oder reichsständischer Chargen keine Vertreter einer Funktionselite, die sich als fachliche Spezialisten für ihre Ämter qualifizierten und sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts ausübten. Vielmehr spielten bei der Übernahme und Ausübung solcher Ämter die Vergrößerung des eigenen Ansehens, die Vermehrung des Prestiges der Familie, die Pflege sozialer Kontakte und die Nähe zum ­Kaiser oder jeweiligen Fürsten eine entscheidende Rolle.11 Eine rein rechts- oder politikhistorische Untersuchung solcher Ämter, und damit auch des Kammerrichteramts, würde deshalb zu kurz greifen. Geschichte, S. 43 f. Vgl. außerdem Ottomeyer / Götzmann / Reiß (Hrsg.), Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, S. 575 f. 8 Moraw / Press, Probleme der Sozial- und Verfassungsgeschichte; Press, Das römisch-­deutsche Reich. 9 Stollberg-­Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 15 f.; dies., Die zeremonielle Inszenierung des Reiches, S. 244 f.; Moraw, Fürstentum, Königtum und „Reichsreform“, S. 120 f. 10 Press, Die kaiserliche Stellung im Reich. 11 Pečar, Die Ökonomie der Ehre, S. 20 – 140. Der vor einiger Zeit aufgebrachte Vorschlag von Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal, Angehörige des Reichskammergerichts, des Reichshofrats, den Reichspfennigmeister usw. als „Reichspersonal“ zu fassen, geht dementsprechend in die Irre, liegt ihm doch ein modernes Amtsverständnis zugrunde. Vgl. Wendehorst / Westphal, Einleitung. Zu den Begriffen „publicum“ und „privatum“ in der

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Einleitung

Stattdessen müssen stets die übrigen Rollen ihrer Inhaber mitgedacht und in die Untersuchung einbezogen werden. Einen weiteren wichtigen Impuls zum besseren Verständnis der Reichsverfassung in der Frühen Neuzeit erhielt die Forschung in den 1990er und 2000er Jahren von der neuen Kulturgeschichte, die von einem erweiterten Kulturbegriff ausgeht. Sie stützt sich auf die aus der Kultursoziologie bzw. -anthropologie entlehnte Prämisse, dass „eine gesellschaftliche Realität nicht unabhängig vom Handeln, von der Wahrnehmung und den Sinnzuschreibungen der Akteure selbst beschrieben werden kann“.12 Dementsprechend verändert sie die Betrachtung des scheinbar Vertrauten, indem sie es bewusst als etwas Fremdes wahrnimmt. Außerdem wendet sie sich verstärkt der Untersuchung von Phänomenen zu, die der heutigen Lebenswelt besonders fremd sind und deshalb von der älteren Forschung als Nebensächlichkeiten abgetan wurden, wie zum Beispiel die ausführlichen Beschreibungen zeremonieller Handlungen, Streitigkeiten um Titulaturen oder der Bau repräsentativer Schlösser.13 Sie begreift diese Phänomene als einen genuinen Teil der jeweiligen gesellschaftlichen Strukturen, die einer spezifischen zeitgebundenen Rationalität folgen. Für die Verfassung des Alten Reichs konnte so in den letzten Jahren gezeigt werden, dass sie durch symbolisches Handeln konstituiert, bekräftigt und aufrechterhalten oder aber angefochten und verändert wurde.14 Ausdruck fand dies unter anderem in den häufigen Rang- und Titulaturkonflikten etwa auf den Reichstagen, wo der Status der jeweiligen Reichsstände permanent durch fein abgestufte Formen der Ehrerbietung bestätigt werden musste.15 Die vorliegende Untersuchung möchte an die Überlegungen und Ansätze der neueren Forschung zur Reichsgeschichte anknüpfen. Sie wendet sich mit dem Reichskammergericht einer Konfiguration zu, deren Entstehung eng mit der Ausbildung der Reichsverfassung im 15. und 16. Jahrhundert verbunden war. Auf

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Frühen Neuzeit vgl. Schröcker, Die Amtsauffassung des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn. Stollberg-­Rilinger, Die zeremonielle Inszenierung des Reiches, S. 235. Zur Herangehensweise der neuen Kulturgeschichte vgl. Daniel, Alte und Neue Kulturgeschichte; dies., Geschichte schreiben nach der „kulturalistischen Wende“; Reinhard, Verfassungsgeschichte als Kulturgeschichte; Stollberg-­Rilinger, Symbolische Kommunikation in der Vormoderne; dies., Zeremoniell, Ritual, Symbol; dies., Was heißt Kulturgeschichte des Politischen; Suter, Kulturgeschichte des Politischen. Stollberg-­Rilinger, Die zeremonielle Inszenierung des Reiches, bes. S. 235 – 239; dies., Des Kaisers alte Kleider; dies., Verfassungsgeschichte als Kulturgeschichte; dies., Zeremoniell als politisches Verfahren; dies., Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Zur Untersuchung des Reiches aus der Perspektive der neuen Kulturgeschichte vgl. u. a. Krischer, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft; Pečar, Die Ökonomie der Ehre; Stollberg-­ Rilinger, Des Kaisers alte Kleider; Ullmann, Geschichte auf der langen Bank.

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dem Reichstag in Worms 1495 war es einer Gruppe mächtiger Reichsstände um den Mainzer Erzkanzler Berthold von Henneberg gelungen, in der sogenannten Reichsreform ihre Vorstellungen von Herrschaftsteilhabe gegenüber dem K ­ aiser durchzusetzen.16 Teil der Reichsreformen war die Einrichtung eines Höchstgerichts im Reich, des Reichskammergerichts. Man knüpfte dabei zwar an das seit 1415 urkundlich belegte königliche Kammergericht an, das aber während der Regierungszeit Friedrichs III. seine Wirkungskraft verloren hatte.17 Zugleich war die verfassungsrechtliche Konstruktion des neuen Gerichts jedoch völlig neuartig: Eines der wichtigsten Attribute königlicher bzw. kaiserlicher Autorität war die höchste Gerichtsbarkeit im Reich.18 Der König bzw. ­Kaiser übte sie als ­­Zeichen seiner Herrschaft im späten Mittelalter auf Hoftagen, aber auch am königlichen Hofgericht bzw. Kammergericht aus.19 Mit der Einrichtung des Reichskammergerichts wurde diese Verbindung von K ­ aiser und Höchstgerichtsbarkeit jedoch ein Stück weit gelöst, und die Reichsstände erlangten nun einen gewissen Einfluss auf die Ausübung derselben.20 Dies äußerte sich darin, dass das neue Gericht nicht vom ­Kaiser allein, sondern im Rahmen eines Reichsabschieds gegründet wurde und dass die Reichsstände das Recht erhielten, gemeinsam mit dem ­Kaiser das Personal auszuwählen. Außerdem gewann das Gericht selbst an Eigenständigkeit, sollte es doch zukünftig nicht mehr am Kaiserhof, sondern im Reich, an einer fueglichen Stat, seinen Sitz haben.21 Auch wenn der ­Kaiser seine Stellung als oberster Gerichtsherr nicht aufgab, wurde ­zwischen ihm und der Institution, die die oberste Gerichtsbarkeit im Reich ausübte, eine Distanz geschaffen. Dementsprechend schreibt 16 Zur sogenannten Reichsreform vgl. Angermeier, Die Reichsreform 1410 – 1555; Moraw, Fürstentum, Königtum und „Reichsreform“; ders., Reichsreform und Gestaltwandel der Reichsverfassung um 1500; ders., Der Reichstag zu Worms; Thiel, Der Reichstag zu Worms im Jahre 1495. Zur Rolle Bertholds von Henneberg vgl. Roll, „Sin lieb sy auch eyn kurfurst…“. 17 Battenberg, Königliche Gerichtsbarkeit und Richteramt, S. 91 – 95; Lieberich, Frühe Reichskammerprozesse, S. 419; Seyboth, ­Kaiser, König, Stände und Städte. Vgl. auch Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 38 – 46. 18 Battenberg, Königliche Gerichtsbarkeit und Richteramt, S. 99; ders., Studien zum Personal des königlichen Hofgerichts, S. 61 – 63; Diestelkamp, Vom Königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, S. 48 – 52. Vgl. auch Duchhardt, Das Reichskammergericht, S. 3. 19 Battenberg, Königliche Gerichtsbarkeit und Richteramt, S. 61 – 63; Diestelkamp, Vom Königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, S. 48 – 54; Moraw, Zum königlichen Hofgericht; ders., Noch einmal zum königlichen Hofgericht. 20 Danz, Grundsätze des Reichsgerichts-­Prozesses, § 2, S. 2 f.; Häberlein, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, Bd. 2,2, § 263, S. 299 – 304; Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 38 – 46; dies., Das Ringen um die Reichsjustiz, S. 410 – 412; Press, Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte, S. 8 – 13. 21 Reichskammergerichtsordnung von 1495.

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der Reichspublizist Johann Jacob Moser in Bezug auf den Reichshofrat, den der ­Kaiser einige Jahre später als eigenes, mit dem Reichskammergericht in Teilen konkurrierendes Höchstgericht installiert hatte, dass, wann das Cammer-­Gericht die Reichs-­Justizsachen allein behalten hätte, daß Kayserliche Ansehen in Teutschland um die Helffte gefallen wäre.22 Die Konstruktion des neu gegründeten Reichskammergerichts weist Merkmale dessen auf, was Niklas Luhmann in seiner ­Theorie der „Legitimation durch Verfahren“ als einen Prozess der Ausdifferenzierung und damit als Gewinn an Autonomie des Rechts beschreibt.23 Luhmann geht davon aus, dass nicht allein die Richtigkeit einer (Gerichts-)Entscheidung deren Akzeptanz sichert, sondern dass auch die Art und Weise eine Rolle spielen kann, wie sie zustande gekommen ist. Dementsprechend können bestimmte Faktoren des Verfahrensgangs dazu beitragen, dass ein Urteil sowohl von den Parteien als auch von unbeteiligten Dritten akzeptiert wird. Dabei ist nicht allein relevant, ob und in welchem Maße diese Faktoren tatsächlich erfüllt sind. Mindestens ebenso bedeutend ist, dass sie sowohl für die Verfahrensbeteiligten als auch für Dritte dargestellt und damit wahrnehmbar sind.24 Einer der Faktoren, die zur Akzeptanz einer Entscheidung beitragen können, ist die Ausdifferenzierung. Unter Ausdifferenzierung wird im Allgemeinen die Abgrenzung eines Systems gegenüber seiner Umwelt verstanden.25 Damit ist nicht die völlige Isolierung gemeint. Vielmehr geht es darum, „eine Sinnsphäre für sich zu konstruieren, so daß selektive Prozesse der Verarbeitung von Umweltinformationen durch systemeigene Regeln und Entscheidungen gesteuert werden können, daß also Strukturen und Ereignisse der Umwelt nicht automatisch auch im System gelten, sondern erst nach Filterung der Information anerkannt werden“.26 Ein Merkmal für ein ausdifferenziertes Verfahren ist die Differenzierung ­zwischen den unterschiedlichen Rollen der am Verfahren Beteiligten. In Hinblick auf die Parteien heißt dies, dass es für ihre Behandlung vor Gericht nicht entscheidend ist, ­welche Rollen sie außerhalb des Verfahrens innehaben. Ähnliches gilt auch für das Personal des Gerichts. Es ist demnach wichtig sicherzustellen, dass ein Richter nur als Richter entscheidet und nicht als Untergebener, Freund, Verwandter oder Angehöriger einer bestimmten Konfession.27 Die Ausdifferenzierung ist wiede­rum eine entscheidende Vorbedingung für die Autonomie eines Verfahrens. Diese ist dann gegeben, wenn die Gesichtspunkte, die den Verlauf und vor allem 22 23 24 25 26 27

Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 6, S. 11. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 59 – 74. Stollberg-­Rilinger, Einleitung, S. 10 f. Baraldi [u. a.], Glossar zu Niklas Luhmanns ­Theorie der sozialen Probleme, S. 26. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 59. Ebd., S. 62 – 65.

Einleitung

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die Entscheidung bestimmen, im Verfahren selbst erarbeitet werden. Oder anders formuliert: Ein Verfahren ist dann autonom, wenn die Entscheidungsfindung frei von verfahrensfremden Einflüssen ablaufen kann.28 Das Amt des Kammerrichters bildet in ­diesem Prozess der Ausdifferenzierung und des Gewinns an Autonomie einen Kristallisationspunkt: Der Kammerrichter war der Stellvertreter des Kaisers am Reichskammergericht, er war in der Konfiguration des Gerichts also derjenige, der für die höchstrichterliche Funktion des Kaisers im Reich stand. Zugleich war er aber auch Teil einer Institution, an der die Reichsstände stark beteiligt waren und die damit in ihrer Ausübung der obersten Gerichtsbarkeit im Reich vom ­Kaiser ein Stück weit gelöst war. Daraus ergab sich ein Spannungsverhältnis, das sich bereits grundsätzlich in dem Umstand zeigt, dass – im Gegensatz zum Reichshofrat – der Kammerrichter und nicht der ­Kaiser selbst das Oberhaupt des Reichskammergerichts war.29 Die vorliegende Arbeit will ­diesem Spannungsverhältnis aus verfassungs-, sozial- und kulturhistorischer Perspektive nachgehen.30 In einem ersten Teil (Kapitel II) wird das Kammerrichteramt aus verfassungshistorischer Perspektive in seiner Struktur und Stellung innerhalb der Konfiguration Reichskammergericht sowie in seinem Verhältnis zum ­Kaiser erfasst werden. Der Fokus soll dabei auf der Frage nach der Beteiligung der Reichsstände am Gericht und auf der Ausbildung eines autonomen, sowohl vom K ­ aiser als auch von den Reichsständen zumindest teilweise unabhängigen Gerichts liegen. Im zweiten Teil (Kapitel  III) wird der verfassungshistorischen Betrachtung eine Untersuchung der Inhaber des Kammerrichteramts gegenüber gestellt. Es wird gefragt, welcher sozialen Gruppierung diese angehörten, ­welche Interessen sie mit ihrem Amt verbanden und wie sich dies auf die Autonomie des Gerichts auswirkte. In den über 300 Jahren, in denen das Reichskammergericht bestand, gab es insgesamt 27 Kammerrichter.31 Die vorliegende Studie beschäftigt sich im Schwerpunkt jedoch nur mit den neun Kammerrichtern, die ­zwischen 1711 und 1806 das 28 Ebd., S. 69 f. 29 Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 9, S. 82; Reichshofratsordnung von 1617, Tit. 1, § 1, in: Die Ordnungen des Reichshofrates, Bd. 1, S. 158; Reichshofratsordnung von 1654, Tit. 1, § 1, in: Die Ordnungen des Reichshofrates, Bd. 2, S. 49. Vgl. auch Battenberg, Königliche Gerichtsbarkeit und Richteramt. Friedrich Battenberg geht darin der Frage nach der Ausgestaltung des Kammerrichteramts im Vorfeld der Reichskammergerichtsordnung von 1495 nach. 30 Einer ähnlichen Fragestellung, und zwar, in welchem Maße die richterliche Unabhängigkeit an den beiden Reichsgerichten ausgeprägt war, sind bereits Bernhard Diestelkamp und ­Wolfgang Sellert nachgegangen. Vgl. Diestelkamp, Reichskammergericht und Rechtsstaatsgedanke; Sellert, Richterliche Unabhängigkeit am Reichskammergericht und am Reichshofrat. 31 Vgl. Smend, Das Reichskammergericht, S. 245 mit Anm. 3.

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Einleitung

Amt innehatten.32 Dieser Zeitraum bietet sich aus mehreren Gründen als Analyseeinheit an. Zunächst starb 1711 Johann Hugo von Orsbeck. Er war der letzte einer langen Reihe von Kammerrichtern, die zugleich Bischöfe von Speyer waren. Darin deutet sich ein Wechsel in der Besetzungspraxis des Amts an. Fast zeitgleich wurde zudem das Reichskammergericht nach Wetzlar verlegt. Bei seiner Gründung 1495 war es zunächst in Frankfurt am Main installiert worden und nahm nach mehreren Ortswechseln schließlich 1527 für über 150 Jahre Quartier in Speyer. 1689 musste es aufgrund der Zerstörung Speyers durch die französische Armee während des Pfälzischen Erbfolgekriegs aus der Stadt fliehen und fand ab 1693 seinen neuen Sitz in Wetzlar.33 Und schließlich spielt für die Auswahl des Untersuchungszeitraums auch die Quellenlage eine Rolle, die für das 16. und 17. Jahrhundert sehr viel schlechter ist als für das 18. Jahrhundert. Der Grund hierfür ist vor allem, dass das Archiv des Reichskammergerichts während des Pfälzischen Erbfolgekriegs zum Teil zerstört wurde.34 Dennoch wird besonders im ersten der beiden Hauptkapitel auf das 16. und 17. Jahrhundert eingegangen werden, denn für die verfassungsrechtliche Gestaltung des Amts war die Frühphase des Gerichts von großer Bedeutung.

I.1 Quellen und Literatur I.1.1 Quellen Für die Untersuchung des Kammerrichteramts aus verfassungshistorischer, sozialund kulturhistorischer Perspektive stehen verschiedene Quellengruppen zur Verfügung. Zunächst ist die Überlieferung des Reichskammergerichts selbst zu n ­ ennen. Als mit dem Ende des Heiligen Römischen Reichs 1806 auch das Reichskamme­r­gericht unterging, wurde dessen Archiv von Preußen und ab 1821 32 Es handelt sich dabei um Franz Alexander von Nassau-­Hadamar (1711), Froben F ­ erdinand von Fürstenberg-­Meßkirch (1718 – 1722), Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein (1722 – 1729), Franz Adolf Dietrich von Ingelheim (1730 – 1742), Ambrosius Franz von Virmond (1742 – 1744), Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein (1746 – 1763), Franz Joseph von Spaur (1763 – 1797), Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein (1797 – 1801) und Heinrich Aloys von Reigersberg (1803 – 1806). 33 Zu den Orten des Reichskammergerichts vgl. Hausmann, Die wechselnden Residenzen des Reichskammergerichts; ders., Die Städte des Reichskammergerichts. 34 Sowohl in den relevanten Beständen „Reichskanzlei“ und „Mainzer Erzkanzler Archiv“ im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien als auch in besonderem Maße im „untrennbaren Bestand des Reichskammergerichtsarchivs“ im Bundesarchiv beginnt die engmaschigere Überlieferung erst Ende des 17. Jahrhunderts. Vgl. HHStA Wien RK RKGVA u. MEA RKG sowie BArch AR 1-I–IV.

Quellen und Literatur

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von der Archivkommission des Deutschen Bunds verwaltet. Mitte des 19. Jahrhunderts entschloss man sich dann, die Prozessakten auf die Gliedstaaten des Deutschen Bunds zu verteilen. Sie befinden sich heute in den entsprechenden Landesarchiven. Zurück blieben die Akten von Territorien, die außerhalb des Deutschen Bunds lagen, die Protokollbücher sowie vermischte Unterlagen des Gerichts, die 1953 unter dem Namen „untrennbarer Bestand des Reichskammergerichts“ ins Bundesarchiv gelangten.35 Für die Untersuchung des Kammerrichter­amts versprechen die eigentlichen Prozessakten wenig Aufschluss. Sehr viel ertragreicher sind dagegen die Protokollbände, die sich im untrennbaren Bestand befinden. Die Protokolle des Reichskammergerichts sind in mehrere Amtsbuchserien aufgeteilt. Die wichtigsten sind die Extrajudicial- und Judicialprotokolle zu den Beratungen der Prozesse, die Urteilsbücher zu den getroffenen Urteilen und die Plenumsprotokolle zur Beratung gerichtsinterner Belange. Besonders Letztgenannte bieten gute Einblicke in die Tätigkeit der Kammerrichter am Gericht. Ebenfalls wichtig für die Untersuchung des Kammerrichteramts sind die sogenannten Miscellanea, die aus unterschiedlichen Quellen stammende Unterlagen zu verschiedenen Themenbereichen enthalten.36 Für die Überlieferung von kaiserlicher Seite ist vor allem der Bestand „Reichskanzlei“, genauer der Unterbestand „Reichskammergerichtsvisitationsakten“, im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien relevant.37 Neben den Protokollen und Unterlagen zu den Visitationen des Reichskammergerichts findet sich dort auch der größte Teil der Akten, die man am Kaiserhof bezüglich des Reichskammergerichts führte, etwa zur Auswahl des Personals. Ferner enthalten sie Streitfälle innerhalb des Gerichts und des Gerichts mit dem ­Kaiser sowie die Korrespondenz der Kammerrichter mit dem Kaiserhof. Ein dritter wichtiger Bestand zur Geschichte des Reichskammergerichts liegt im Mainzer Erzkanzlerarchiv, das sich ebenfalls im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien befindet. Der Mainzer Erzbischof verfügte als Erzkanzler für Germanien über verschiedene Rechte am Reichskammergericht, weshalb stets eine enge Verbindung ­zwischen beiden bestand.38 Daher finden sich im Mainzer Erzkanzlerarchiv Unterlagen zu zahlreichen Aspekten der Gerichtsgeschichte, die die Überlieferung der Reichshofkanzlei ergänzen und dort vorhandene Lücken zum Teil ausgleichen.39 35 36 37 38

Zur Bestandsgeschichte vgl. Facius (Hrsg.), Das Bundesarchiv und seine Bestände, S. 3 – 5. Vgl. die Bestände BArch AR 1-I–IV und AR 1-Misc. HHStA Wien RK RKGVA. Zu den Rechten des Mainzer Erzkanzlers am Reichskammergericht vgl. Duchhardt, Kurmainz und das Reichskammergericht; Diestelkamp, Der Reichserzkanzler und das Reichskammergericht. 39 Vgl. HHStA Wien MEA RKG.

18

Einleitung

Ergänzt werden diese Bestände, soweit vorhanden, durch die Überlieferung von Seiten der Kammerrichter selbst, in der Regel in Form ihrer Nachlässe. Die Quellenlage ist dabei allerdings sehr disparat. Relativ umfangreich sind die Nachlässe von vier der neun Kammerrichter des 18. Jahrhunderts auf uns gekommen. Es handelt sich dabei um Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch (1718 – 1722), ­Philipp Karl (1722 – 1729) und Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein (1746 – 1763) sowie Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein (1797 – 1801).40 Allerdings gibt es große Unterschiede, w ­ elche Belange in den überlieferten Unterlagen zur S­ prache kommen. Weit weniger umfangreich sind die Nachlässe von Franz Adolf Dietrich von Ingelheim (1730 – 1742) und von Ambrosius Franz von Virmond (1742 – 1744). Während sich die wenigen überlieferten Akteneinheiten zu Ingelheim vor allem auf dessen Zeit als Reichskammergerichtspräsident (1698 – 1730) beziehen, besteht der Nachlass Virmonds fast ausschließlich aus Korrespondenz zu gerichtsfremden Belangen.41 Vom letzten Kammerrichter, Heinrich Aloys von Reigersberg (1803 – 1806), ließ sich nur eine Art Dienstnachlass ermitteln, der im Bundesarchiv verwahrt wird. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Unterlagen zur Abwicklung des Reichskammer­gerichts nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs im Jahre 1806.42 Persönliche Belange, die Aufschluss zu seinem Amtsverständnis zulassen, finden sich dort nicht. Für die Kammerrichter Franz Alexander von Nassau-­Hadamar (1711) und Franz Joseph von Spaur (1763 – 1797) schließlich ließen sich gar keine relevanten Nachlassunterlagen ermitteln. Aufgrund der so unterschiedlichen Überlieferungslage können in der vorliegenden Arbeit nicht immer alle Fragestellungen für jeden der neun Kammerrichter beantwortet werden. Insgesamt ist zu den Nachlässen der Kammerrichter festzuhalten, dass sich darin, wenn überhaupt, nur am Rande Unterlagen zu deren Amtsobliegenheiten finden. Der Grund hierfür ist, dass bei einer Amtsaufgabe und im Falle des Todes des Amtsinhabers alle amtlichen Unterlagen vom Gericht zurückgefordert wurden. Starb der Kammerrichter, begaben sich sofort Angehörige des Reichskammergerichts zu dessen Quartier in Wetzlar und versiegelten dort das Arbeitszimmer. Anschließend sahen sie gemeinsam mit den Angehörigen des Kammerrichters oder deren Vertretern das im Hause befindliche Schriftgut durch. Alles, was die dienstlichen Aufgaben betraf, nahmen sie an sich und verbrachten es ins Reichskammergericht.43 ­Dementsprechend finden 40 Vgl. FFA Donaueschingen OB 12 u. OB 19; HZA Neuenstein Ba 125; FÖWA Harburg VIII 13. 41 Vgl. RGIA Mespelbrunn; LAV NRW Abt. Rheinland FA Virmond II. 42 Vgl. BArch FN 11. 43 BArch AR 1-IV/15, ­Kaiser Karl VI. an das Reichskammergericht, Wien 26. Februar 1729; BA rch AR 1-IV /102, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 20. November 1744, fol. 67v–68v; BA rch AR 1-Misc./630, Aufstellung über die vom Gericht separierten

Quellen und Literatur

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sich nur in den Nachlässen Philipp Karls von Hohenlohe-­Bartenstein (1722 – 1729) und Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch (1718 – 1722) einige Dokumente, die direkt von den Obliegenheiten des Kammerrichteramts herrühren.44 Die persönlichen Nachlässe der Kammerrichter – soweit überliefert und ermittelbar – können somit eher über deren persönlichen Lebensweg und Umgang mit ihrem Amt Auskunft geben als über die Struktur des Amts. I.1.2 Literatur Wie bereits oben dargelegt, führte das lange Zeit vorherrschende negative Bild des frühneuzeitlichen Reichs und seiner Institutionen dazu, dass die höchste Reichsgerichtsbarkeit erst seit den 1960er Jahren verstärkt in den Fokus der historischen und rechtshistorischen Forschung geriet.45 Eine Ausnahme bildete Rudolf Smend, der sich in seiner 1911 erschienenen Habilitationsschrift mit dem Reichskammergericht auseinandersetzte. Sie bietet eine bis heute noch nicht ersetzte Gesamtschau über die Geschichte und das Personal des Gerichts.46 Umfangreichere Studien zum Reichskammergerichtspersonal sind bisher zu den Assessoren und den Prokuratoren vorgelegt worden, eine umfangreichere Studie zum Kammerrichteramt und seinen Inhabern existiert bisher dagegen nicht.47 Das Thema wurde nur in kleineren, häufig in andere Kontexte eingebundenen Studien behandelt, die dennoch

44 45

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Schriftstücke aus dem Nachlass des Kammerrichters Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, o. O. 29. April 1763. HZA Neuenstein Ba 125 Bü 17 (kaiserliche Interzessionen und Schriftsätze in Reichs­ kammer­gerichtsprozessen); ebd. Ba 125 Bü 19 (Erlasse des Kaisers in Reichskammer­gerichtsangelegenheiten). Die intensive Erforschung des Reichskammergerichts seit den 1960er Jahren ist vor allem von Bernhard Diestelkamp vorangetrieben worden. Vgl. u. a. Diestelkamp, Rechtsfälle aus dem Alten Reich; ders. (Hrsg.), Das Reichskammergericht. Der Weg zu seiner Gründung; ders. (Hrsg.), Das Reichskammergericht am Ende des Alten Reiches; ders., Recht und Gericht im Heiligen Römischen Reich; ders. (Hrsg.), Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte; ders. (Hrsg.), Die politische Funktion des Reichskammergerichts; ders. (Hrsg.), Forschungen aus Akten des Reichskammergerichts; ders. Der Reichserzkanzler und das Reichskammergericht; ders., Gesellschaftliches Leben am Hof des Kammerrichters; ders., Vom Königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht; ders., Die Funktion der Audienz im reichskammergerichtlichen Verfahren; ders., Reichskammergericht und Reichshofrat; ders., Die Bedeutung des Reichskammergerichts für die Rechtsentwicklung; ders., Beobachtungen zur Schriftlichkeit im Kameralprozeß. Smend, Das Reichskammergericht. Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1 u. 2; Baumann, Advokaten und Prokuratoren.

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Einleitung

wichtige Informationen enthalten: Rudolf Smend widmete dem Kammerrichteramt im systematischen Teil seiner oben erwähnten Studie einen Abschnitt, in dem er erstmals aus wissenschaftlicher Sicht die Rahmendaten des Amts zusammentrug.48 Eine ausführliche Behandlung lässt ihm auch Sigrid Jahns im einleitenden Teil zu ihrer 1990 fertig gestellten und 2011 in überarbeiteter Form veröffentlichten Habilitationsschrift über die Assessoren, die den Spruchkörper des Gerichts bildeten, zuteilwerden. Sie wirft hier neben der allgemeinen Skizzierung des Kammer­ richteramts auch zahlreiche wichtige Forschungsfragen auf. So weist sie etwa auf die Bedeutung der Stellung des Kammerrichters ­zwischen dem ­Kaiser und dem Reichskammergericht sowie auf die strategische Nutzung des Amts durch bestimmte einflussreiche Familien hin.49 Des Weiteren existieren zu einigen Kammerrichtern Einzelstudien. Besonders hervorzuheben ist dabei der 1970 erschienene Aufsatz von Heinz Duchhardt zu Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, der zunächst ab 1698 Reichskammergerichtspräsident und ab 1730 für zwölf Jahre Kammerrichter war. Duchhardt zeichnet darin nicht allein den Lebensweg Ingelheims nach, sondern stellt auch Überlegungen zum Kammerrichteramt als solchem an.50 Des Weiteren ist die Dissertation Esteban Mauerers von 2001 zu den politischen Strategien der Familien der Grafen und Fürsten von Fürstenberg in der zweiten Hälfte des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu nennen. Mauerer verfolgt darin unter anderem die politische Laufbahn Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch, Kammerrichter von 1718 bis 1722, und untersucht, w ­ elche Bedeutung die Übernahme des Kammer­ richteramts für dessen Karriere hatte. Damit berührt auch er Fragen, die für die Behandlung des Kammerrichteramts als Ganzes wichtig sind.51 Sehr viel zahlreicher als die Forschungsliteratur ist die zeitgenössische Beschäftigung mit dem Reichskammergericht im Zuge der sogenannten Kameralliteratur. Zahlreiche Juristen – zum großen Teil selbst als Assessoren und Prokuratoren Angehörige des Reichskammergerichts – beschäftigten sich mit verschiedenen Themenkomplexen des Reichskammergerichts und des Kameralrechts.52 Eine Einzelstudie zum Kammer­richteramt existiert aber auch in der zeitgenössischen Literatur nicht. Dennoch enthalten zahlreiche Werke der Kameralliteratur wichtige Informationen zum Kammerrichteramt. Zunächst sind die Überblicksdarstellungen zu nennen, vor allem die Arbeit von Julius Friedrich von Malblank zur Gerichtspraxis und der 48 49 50 51 52

Smend, Das Reichskammergericht, S. 244 – 257. Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 106 – 119. Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim. Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel. Vgl. die von Egid Joseph Karl von Fahnenberg 1792 zusammengestellte Bibliographie: Fahnenberg, Litteratur des Kayserlichen Reichskammergerichts.

Aufgaben und Personal des Reichskammergerichts

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betreffende Teil in Johann Jacob Mosers Neuen teutschem Staatsrecht.53 Sie führen systematisch verschiedene Aspekte des Amts und seiner Inhaber auf, auf denen zum großen Teil auch die oben erwähnten Ausführungen Rudolf Smends fußen. Einige Spezialstudien zum Kammerrichteramt behandeln die Einsetzung des Kammerrichters. So legt Christian von Nettelbla den Ablauf der Introduktion Mitte des 18. Jahrhunderts dar, während Joseph Anton Vahlkampf als Schwerpunkt die Einsetzung des letzten Kammer­richters, Heinrich Aloys von Reigersberg, 1803 schildert.54 Außerdem existiert eine Fülle von Studien zum umstrittenen Votum Decisivum, der entscheidenden Stimme des Kammerrichters in Pattsituationen.55 Für die vorliegende Arbeit sind allerdings weniger die konkreten juristischen Argumente für und wider das Votum Decisivum interessant als die Konjunkturen der Diskussion an sich. Dementsprechend wird die Literatur zum Votum Decisivum hier nur am Rande ausgewertet werden.

I.2 Aufgaben und Personal des Reichskammergerichts Wie bereits dargelegt, wurde das Reichskammergericht im Zuge der sogenannten Reichsreform auf dem Wormser Reichstag 1495 als Höchstgericht und letzte Gerichtsinstanz im Heiligen Römischen Reich eingerichtet. Ursprünglich sollte es hauptsächlich der Sicherung des Ewigen Landfriedens dienen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts entwickelte es sich aber bald vor allem zur Instanz in zivilrecht­ lichen Streitigkeiten aller Art. Das Reichskammergericht war zum einen reichsständische Gerichtsinstanz, da dort sowohl Reichsstände gegeneinander Klage einreichen konnten als auch Untertanen gegen ihre Landesherren. Zum anderen hatte es die Funktion einer Appellationsinstanz für die Reichsterritorien. So war es möglich, Urteile des jeweiligen landesherrlichen Höchstgerichts vom Reichskammergericht überprüfen zu lassen. Im Laufe der Frühen Neuzeit gelang es allerdings zahlreichen Reichsständen, vom K ­ aiser ein Privilegium de non appellando zu erhalten, in Folge dessen der Instanzenzug – zumindest bis zu einem bestimmten Streitwert – beim jeweiligen landesherrlichen Höchstgericht endete.56 53 Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 22 – 35, S. 42 – 6 4; Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, S. 353 – 374. 54 Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2; Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters. 55 Zum Votum Decisivum vgl. u. a. Haas, Patriotische Gedanken von des Herrn Cammer-­ Richters Voto Decisivo; Rudloff, Ueber die so genannte entscheidende Stimme. Vgl. außerdem Kap. II.6.3. 56 Diestelkamp, Das Reichskammergericht. Eine Einführung, 27 f.; ders., Das Reichskammer­ gericht im Rechtsleben des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation; ders. Die

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Einleitung

An der Spitze des Reichskammergerichts stand der Kammerrichter als kaiserlicher Repräsentant. Er war Richter im mittelalterlichen und damit ungelehrten Sinne. Er hatte also selbst keine formale Entscheidungsbefugnis. Vielmehr leitete er die Beratungen und Audienzen des Gerichts, organisierte ihren Ablauf und war für die Beachtung der Formalien zuständig.57 Neben dem Kammerrichter bestand das Kameralkollegium aus zwei Reichskammergerichtspräsidenten und einer Anzahl an Assessoren. Die Assessoren, auch Beisitzer genannt, übten die eigentliche richterliche Tätigkeit aus. Sie bearbeiteten Akten, berieten über deren Inhalt und entschieden Prozesse. In der ersten Reichskammergerichtsordnung von 1495 waren 16 Assessorenstellen vorgesehen. Schnell wurde ersichtlich, dass dies für das am Reichskammergericht rasch anwachsende Prozessaufkommen nicht ausreichte, weshalb die Zahl der Assessorenstellen in der Folgezeit stetig erhöht und 1648 schließlich auf 50 Stellen festgesetzt wurde. Diese waren jedoch wegen der schlechten finanziellen Ausstattung des Gerichts kaum jemals alle besetzt.58 Bei der Einrichtung des Reichskammergerichts im Jahre 1495 waren die Beisitzer in eine adelige und eine gelehrte Bank eingeteilt. Ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts bildete sich dann das sogenannte Präsentationssystem heraus, nach dem der K ­ aiser, die Kurfürsten und die Reichskreise das Recht hatten, nach einem bestimmten System die Assessoren vorzuschlagen. Das Gericht überprüfte anschließend im Rahmen eines Examens die juristische Qualifikation der Präsentierten. Dieses System hatte zur Folge, dass die Einteilung in Herren- und Gelehrtenbank durch eine Rangfolge derjenigen abgelöst wurde, die den jeweiligen Assessor dem Reichskammergericht präsentiert hatten. Im Westfälischen Frieden von 1648 setzten zudem die protestantischen Reichsstände durch, dass jeweils eine Hälfte der Assessoren protestantischer und katholischer Konfession sein sollte.59 Zwischen dem Kammerrichter und den Assessoren standen die Reichskammergerichtspräsidenten. Sie waren die Vertreter des Kammerrichters und wurden wie Bedeutung des Reichskammergerichts für die Rechtsentwicklung; ders., Zur Krise des Reichsrechts im 16. Jahrhundert. 57 Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 9 – 12, S. 82 – 93. Vgl. auch Diestelkamp, Von der Arbeit des Reichskammergerichts, S. 291 f.; Smend, Das Reichskammergericht, S. 244 – 264. 58 Zur Organisation des Reichskammergerichts vgl. Diestelkamp, Von der Arbeit des Reichskammergerichts; ders., Das Reichskammergericht. Eine Einführung; Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses; Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 98 – 142; Sellert, Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae; Wiggenhorn, Der Reichskammergerichtsprozeß. 59 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1 u. 2; dies., Die Assessoren des Reichskammergerichts; Smend, Das Reichskammergericht, S. 264 – 310; Diestelkamp, Von der Arbeit des Reichskammergerichts, S. 293 – 299.

Aufgaben und Personal des Reichskammergerichts

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dieser vom ­Kaiser ausgewählt. Das Amt der Präsidenten war in den Reichskammer­ gerichtsordnungen an sich nicht vorgesehen. So sollte es unter den Assessoren zunächst lediglich einen, später zwei Grafen geben, die den Kammerrichter bei dessen Abwesenheit oder Verhinderung vertreten konnten. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wandelte sich das Amt dieser Assessores illustres. Hatte das Reichskammergericht zu Beginn unter dem Vorsitz des Kammerrichters stets im Plenum getagt, wurde es im Zuge des zunehmenden Geschäftsanfalls in drei Senate eingeteilt, die gleichzeitig beraten konnten. Den Vorsitz im ersten Senat hatte der Kammerrichter selbst inne, in den beiden anderen übernahmen ihn die Assessores illustres. Mit ­diesem Schritt wurden die Grafen gegenüber den Assessoren erhöht und bildeten fortan eine eigene Gruppe unter dem Kameralpersonal. Ihre Aufgaben am Gericht verengten sich damit auf die Unterstützung und Vertretung des Kammerrichters bei seinen Direktorialgeschäften. Außerdem repräsentierten sie wie dieser den K ­ aiser am Gericht. Neben dem Vorsitz in den Senaten war es nun eine der wichtigsten Aufgaben der Präsidenten, in Vertretung des Kammerrichters den Audienzen des Reichskammergerichts vorzusitzen. Zudem übte einer der beiden Präsidenten bei Abwesenheit des Kammerrichters einen Teil und bei der Vakanz des Kammerrichter­ amts vollständig dessen Rechte und Pflichten aus. Im Westfälischen Frieden wurde festgelegt, dass zukünftig je ein Präsident katholischer bzw. protestantischer Konfession sein sollte. Außerdem sah man die Schaffung von zwei weiteren Präsidenten­ stellen vor, die jedoch niemals tatsächlich eingerichtet wurden.60 Für die Verwaltung der Reichskammergerichtsakten und -protokolle sowie die Ausfertigung von Urteilen und Schreiben war die Reichskammergerichtskanzlei zuständig. Sie bestand neben dem Kanzleiverwalter und dem Protonotar aus Notaren, Lesern, Kopisten, Kompletoren sowie Ingrossisten. Ähnlich wie bei der Reichshofkanzlei in Wien wurden bei der Reichskammergerichtskanzlei die Besetzungen vom Mainzer Erzkanzler vorgenommen.61 Eine weitere Gruppe des Kameralpersonals stellten die Prokuratoren. In der Anfangszeit des Reichskammergerichts konnten die Parteien ihre Schriften noch selbst einreichen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurde es aber üblich, dass nur noch diejenigen Schreiben zu den Akten genommen wurden, die von einem am Gericht akkreditierten Anwalt, einem sogenannten Prokurator, dem Gericht übergeben worden waren. Dementsprechend wurde die Zahl der Prokuratoren stetig erhöht: Waren es 1521 noch 24, stieg 1570 ihre Anzahl auf maximal 50. Eine besondere 60 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 119 – 134; Smend, Das Reichskammergericht, S. 257 – 263; Diestelkamp, Von der Arbeit des Reichskammergerichts, S. 292 f. 61 Smend, Das Reichskammergericht, S. 311 – 341; Duchhardt, Kurmainz und das Reichskammergericht; Diestelkamp, Der Reichserzkanzler und das Reichskammergericht.

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Einleitung

Stellung unter den Prokuratoren hatte der Reichsfiskal, der ausschließlich für den ­Kaiser und das Reich als Prozessvertreter tätig war, also etwa beim Einklagen säumiger Reichssteuern. Unterstützt wurden die Prokuratoren in ihrer Arbeit von sogenannten Advokaten, die jedoch nicht das Recht hatten, vor Gericht aufzutreten.62

I.3 Die Bezeichnung „Reichskammergericht“ Heute spricht man im Allgemeinen mit großer Selbstverständlichkeit vom Reichskammergericht. Während des Bestehens des Reichskammergerichts selbst war seine Bezeichnung aber weit weniger klar und eindeutig. Johann Jacob Moser schreibt dementsprechend: In denen Reichs-­Gesezen und anderen Staats-­Schrifften hat es [das Reichskammergericht] folgende Benennungen: Ihro Röm. Kayserliche und Reichs-­Cammer-­Gericht; die Kayserliche Cammer; die Cammer; das Cammer-­Gericht; Judicium Camerae Imperialis; Camera Imperialis; Camera, Judicium Camerale, Collegium Camerale; etc.63 Diese unterschiedlichen Bezeichnungen waren nicht willkürlich oder beliebig gewählt, sondern drückten ein grundsätzlich unterschiedliches Verständnis aus. Während der K ­ aiser sich auch nach Einrichtung des Reichskammergerichts stets als alleiniger Inhaber der höchsten Gerichtsbarkeit im Reich verstand, sahen sich die Reichsstände in Folge ihrer verschiedenen Rechte und ihres finanziellen Einsatzes an der Institution Reichskammergericht beteiligt. Aus dem vormaligen kaiserlichen Kammergericht wurde dementsprechend im reichsständisch orientierten Sprachgebrauch meistens „das kaiserliche und Reichskammergericht“. Anders sah man es dagegen auf der kaiserlichen Seite. Dort betonte man in der Regel die Stellung des Kaisers als obersten Richters im Reich und sprach deshalb zumeist vom kaiserlichen Kammergericht.64 Die übliche lateinische Bezeichnung – Camera imperialis – ließ 62 Baumann, Advokaten und Prokuratoren; Diestelkamp, Von der Arbeit des Reichskammergerichts, S. 285 – 288; Klass, Standes- oder Leistungselite; Smend, Das Reichskammer­gericht, S. 343 – 363; Stein, Advokaten und Prokuratoren. 63 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 3, S. 287. 64 Beispielhaft: Krebs, Quinquertium Camerale, S. 1 – 74. Vgl. auch Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­Gerichts, Bd. 2, § 72, S. 69 – 74; Zwierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 201 – 209; Haas, Patriotische Gedanken von des Herrn Cammer-­Richters Voto Decisivo; Pütter, Freymüthige Betrachtungen über die Senate, § 45 – 74, S. 29 – 49; Rudloff, Ueber die so genannte entscheidende Stimme; Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 13, S. 364 – 368 u. § 28, S. 662 – 678; Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 208 – 210, S. 470 – 490. Vgl. auch Schrötter, Gesammelte Original-­Briefe, Bd. 1, S. 65 – 81.

Die Bezeichnung „Reichskammergericht“

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dagegen die Interpretation in der Schwebe, lässt sich doch imperialis sowohl mit „kaiserlich“ als auch mit „des Reichs“ übersetzen. Freilich gab es auch Ausnahmen von diesen Tendenzen. So berichtet Johann Jacob Moser, K ­ aiser Karl V. habe in seinem Privileg zur Appellationsbefreiung für das Haus Österreich die Phrase Bey dem Reich und Desselben Cammergericht verwendet.65 Mit der heutigen Bezeichnung des Reichskammergerichts neigt man also nicht nur – wenn auch aus plausiblen Gründen – der reichsständischen Benennungspraxis zu, sondern verschärft diese Sichtweise auch noch durch den Wegfall des Bestandteils „kaiserlich“. Sinnvoller wäre es deshalb, neutral vom „Kammergericht“ zu sprechen. Da sich jedoch die Bezeichnung Reichskammergericht allgemein durchgesetzt hat und eine andere Begrifflichkeit Verwirrung stiften würde, soll sie in der vorliegenden Arbeit beibehalten werden. Anders sieht es beim Kammerrichter selbst aus. Vereinzelt trifft man in der Literatur auf die Bezeichnung Reichskammerrichter.66 Da der Kammerrichter jedoch der Vertreter des Kaisers am Gericht war und auch allein von ­diesem ausgewählt wurde, war zeitgenössisch die Bezeichnung kaiserlicher Cammer-­Richter oder verkürzt auch nur Cammer-­Richter gebräuchlich.67 Im Großteil der einschlägigen Literatur wird entsprechend der Begriff Kammerrichter verwendet, was auch in der vorliegenden Studie geschehen soll.

65 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 3, S. 287. 66 Vgl. beispielsweise Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim. 67 Vgl. beispielsweise Die Reichskammergerichtsordnung von 1555; Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, S. 353 – 374.

II.  Das Kammerrichteramt zwischen Kaiser, Reich und Reichskammergericht Im Folgenden soll die Stellung des Kammerrichteramts z­ wischen K ­ aiser, Reich und Reichskammergericht analysiert werden. Auskunft darüber geben primär die normativen Quellen zum Reichskammergericht, vor allem die Reichskammergerichtsordnungen. Die erste Reichskammergerichtsordnung wurde bereits mit der Gründung des Reichskammergerichts auf dem Reichstag in Worms 1495 verabschiedet.1 Ihr folgten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mehrere weitere Ordnungen. 1555 wurde im Rahmen des Augsburger Reichstags dann die Fassung erlassen, die offiziell bis zum Ende des Alten Reichs galt.2 Auf dem Regensburger Reichstag von 1613 beriet man eine weitere, verbesserte Ordnung, die aber wegen der komplizierten politischen Lage am Vorabend des Dreißigjährigen Kriegs nicht mehr verabschiedet wurde. Inoffiziell diente sie jedoch im 17. und 18. Jahrhundert dem Gericht als Arbeitsgrundlage.3 Neben den Reichskammergerichtsordnungen sind weitere Reichsabschiede sowie die Abschlüsse der Reichskammergerichtsvisitationen relevant. Besondere Bedeutung haben dabei die außerordentlichen Visita­ tionen von 1707 bis 1713 und von 1767 bis 1776 sowie der Westfälische Frieden von 1648 und der Jüngste Reichsabschied von 1654.4 In den Reichskammergerichtsordnungen und den anderen normativen Texten spiegelt sich die Entwicklung des Reichskammergerichts vor allem im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wider. Die Analyse allein dieser Quellen würde deshalb besonders für das 18. Jahrhundert zu kurz greifen und einen statischen Eindruck von der Verfasstheit des Reichskammergerichts erzeugen, der nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Kennzeichnend für die Vormoderne ist die große Bedeutung von Rechten, die nicht als s­ olche schriftlich fixiert waren, sondern durch Ausübung erworben und immer wieder bestätigt werden mussten.5 Verzichtete der Inhaber eines Rechts darauf, es anzuwenden, überließ er es ohne Protest einem anderen oder konnte er es aus anderen Gründen nicht behaupten, 1 2 3 4

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Reichskammergerichtsordnung von 1495. Die Reichskammergerichtsordnung von 1555. Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613. Zur Funktion desselben als Arbeitsgrundlage des Gerichts im 17. und 18. Jahrhundert vgl. Laufs, Einleitung, S. 29; Smend, Das Reichskammergericht, S. 194 f. Zu den außerordentlichen Visitationen vgl. Reichskammergerichtsvisitationsabschied von 1713, u. Denzler, Über den Schriftalltag im 18. Jahrhundert. Zu den Regelungen im Westfälischen Frieden und im Jüngsten Reichsabschied vgl. Instrumentum Pacis Osnabrugensis, Art. V, § 53 – 58, S. 126 – 129, u. Der Jüngste Reichsabschied von 1654, § 8 – 170, S. 13 – 81. Vgl. dazu Dilcher [u. a.], Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im Mittelalter.

Die Auswahl des neuen Kammerrichters

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so verlor er es über kurz oder lang. Umgekehrt war es ebenso möglich, durch das Erheben eines Rechtsanspruchs oder das gezielte Ausüben von Rechten neue Handlungsspielräume zu erschließen. Darüber hinaus sind symbolisch-­rituelle Faktoren relevant. Die jüngere Beschäftigung mit der Reichsgeschichte hat gezeigt, wie bedeutsam diese für die Verfasstheit des Alten Reichs waren. So konnte insbesondere Barbara Stollberg-­Rilinger zeigen, dass die Ordnung des Reichs durch die symbolische Praxis auf den Reichstagen nicht nur dargestellt, sondern auch hergestellt wurde.6 Auch die Inszenierung des Reichs, insbesondere in zeremoniellen Handlungen, war nicht statisch. Wer zum Reich gehörte und ­welche Stellung er darin hatte, veränderte sich im Laufe seines Bestehens. Gleiches gilt auch für andere Institutionen des Reichs wie das Reichskammergericht. Neben diesen explizit symbolischen Handlungen spielte auch die implizite Symbolik, die Handlungen, Schriftstücken, Gesetzen und Begriffen innewohnt, eine besondere Rolle.7 So muss zum Beispiel die Bedeutung eines Rechts nicht immer darin bestehen, tatsächlich Einfluss nehmen zu können. Vielmehr kann sich darin auch nur die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder der Anspruch auf weiterreichende Rechte ausdrücken. Diese Logik liegt dem für die Frühe Neuzeit typischen Beharren auf kontrafaktischen Rechtsansprüchen zugrunde. Die Verfasstheit des Reichskammergerichts war also trotz seiner Ordnungen bis zu einem gewissen Grad flexibel, weshalb ­Kaiser, Reichsstände und auch das Reichskammergericht selbst sich immer wieder bemühten, ihre Rechte auszuweiten oder die Ansprüche anderer Parteien zurückzuweisen. Dieses Ringen um Einfluss am Gericht verlief in Konjunkturen, die in einem engen Verhältnis zu den generellen Entwicklungen im Reich standen. In der Struktur und Ausgestaltung des Reichskammergerichts spiegelte sich also die jeweilige Struktur des Reichs als Ganzem. Diesem Ringen um Einfluss soll nun nachgegangen werden.

II.1 Die Auswahl des neuen Kammerrichters und die Rolle des Mainzer Erzkanzlers Das Recht, den Kammerrichter zu bestimmen, kam fast während des gesamten Bestehens des Reichskammergerichts dem ­Kaiser zu. Das überrascht nicht, da der Kammerrichter der kaiserliche Repräsentant am Gericht war. ­Dennoch war dies zumindest normativ nicht immer so vorgesehen. Die erste 6 7

Stollberg-­Rilinger, Des Kaisers alte Kleider; dies., Die zeremonielle Inszenierung des Reiches. Krischer, Inszenierung und Verfahren; Loewenich, Herstellung und Darstellung von Entscheidungen.

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Das Kammerrichteramt

Reichskammergerichtsordnung von 1495 regelte, dass sowohl die Beisitzer als auch der Kammerrichter von K ­ aiser und Reichsständen gemeinsam ausgewählt werden sollten. So heißt es dort, dass nach dem Tod des Kammerrichters vom Gericht ein Amtsverweser bestimmt werden solle, biß auf die nechste Versammlung, daß Wir oder vnser Anwäld, mit Rat vnd Willen ChurFürsten, Fürsten vnd Ständ, oder irer Anwäld, einen andern Camer-­Richter an des abgegangenen Stat setzen.8 Den Reichsständen war es hier gelungen, normativ ihre Beteiligung an der Auswahl des kaiserlichen Repräsentanten festzuschreiben und damit eine Minderung des kaiserlichen Einflusses durchzusetzen. Faktisch kam diese normative Vorgabe aber, soweit es sich für diese frühe Zeit rekonstruieren lässt, nur im Ausnahmefall zum Tragen, wurde doch der Kammerrichter in den ersten Jahren auf sehr unterschiedliche Art und Weise ausgewählt. Schon beim ersten Amtsinhaber, der gemäß der neuen Ordnung 1495 auf dem Wormser Reichstag bestimmt wurde, handelte es sich um den Kandidaten des Kaisers. Er ernannte den bisherigen Richter am königlichen Kammergericht E ­ itelfriedrich II. von Hohenzollern und überging damit die Reichsstände, die sich auf den Anhänger der ständischen Reformpartei Magnus von Anhalt geeinigt hatten.9 Die folgenden Ernennungen sind schwer nachzuvollziehen, doch scheint Maximilian I. sie meist allein vorgenommen zu haben.10 Bei der Wiedereinrichtung des Reichskammergerichts 1521 auf dem Reichstag zu Worms wählten der neue K ­ aiser Karl V. und die Reichsstände gemeinsam einen Kammerrichter aus. Von fürstlicher Seite gab es dabei vier, von kurfürstlicher zwei Kandidaten. Karl V. gab schließlich dem Favoriten der Kurfürsten, Adam von Beichlingen, den Zuschlag.11 Doch schon die Ernennungen der beiden folgenden Kammerrichter, Johann II. von Pfalz-­Simmern 1536 und Johann II. von Montfort 1541, unternahm der ­Kaiser wieder allein.12 Im Reichsabschied von 1548 gelang es ihm dann erstmals, ­dieses Vorgehen normativ bestätigen zu lassen. Dort heißt es, dass es Karl V. als röm. kaiser zusteet und gepurt, 8

Reichskammergerichtsordnung von 1495, § 3, S. 7. Vgl. dazu auch Burgsdorf, Ueber die Frage, § 60, S. 160 – 166. 9 Smend, Das Reichskammergericht, S. 246. Zu Magnus von Anhalt vgl. Thomas, Fürsten neuen Typs; ders., Magnus von Anhalt. 10 Smend, Das Reichskammergericht, S. 246 f. 11 Ebd., S. 246 f. Zu Adam von Beichlingen vgl. Steffenhagen, Art. „Beichlingen, Adam Graf von“. 12 Smend, Das Reichskammergericht, S. 247. Auch die Verhandlungen ­zwischen König ­Ferdinand I. und K ­ aiser Karl V. über die Bestimmung eines neuen Kammerrichters nach der Resignation des Amts durch Johann II. von Pfalz-­Simmern 1539 deuten darauf hin, dass der ­Kaiser 1541 allein den neuen Kammerrichter bestimmt hat: HHS tA Wien RK RKGVA 316, König Ferdinand I. an ­Kaiser Karl V., Prag 26. April 1539; ders. an dens., Wiener Neustadt 10. Juli 1539.

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einen chammer-­richter unsers ksl. chammergerichts zu verordnen.13 Dies wurde in der Reichskammergerichtsordnung von 1555 noch einmal bestätigt, die regelt, dass die römisch keyserliche maiestat, unser lieber bruder und herr, als römischer keyser, oder im fall, daß ihre liebd und keyserliche maiestat nit im reich oder der nehe weren, wir als römischer könig jederzeyt den cammerrichter […] benennen und ordnen.14 Den Kaisern Maximilian I. und Karl V. war es also im Laufe der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelungen, den reichsständischen Anspruch auf Einfluss bei der Besetzung des Kammerrichteramts und damit auf die Bestimmung des kaiserlichen Repräsentanten zurückzudrängen. Unter K ­ aiser Maximilian II. entwickelte sich jedoch nur wenig später eine spezielle Funktion des Kurfürsten von Mainz, die das reichsständische Element bei der Auswahl des Kammerrichters wieder stärkte. Der Kurfürst von Mainz beriet nämlich den ­Kaiser bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts bei der Auswahl der Kammerrichter und verhandelte mit den Kandidaten über ihre Amtsübernahme.15 Der Erzbischof von Mainz besaß als Archicancellarius per Germaniam im Heiligen Römischen Reich eine Reihe besonderer Rechte. Sie umfassten die Leitung der Wahl des Römischen Königs, das Direktorium im Kurfürstenkollegium, die Leitung der außerordentlichen Deputationen auf dem Reichstag sowie das Direktorium des gesamten Reichstags. Außerdem oblag dem Erzkanzler die Leitung der gemeinsamen Konvente und Assoziationen der Reichskreise sowie die Besetzung der Reichshofkanzlei und des Reichsvizekanzleramts.16 Am Reichskammergericht kam dem Mainzer Erzkanzler das Recht zu, die Kanzlei des Reichskammergerichts zu besetzen sowie das Direktorium bei den Visitationen des Reichskammergerichts zu führen, wenngleich letzteres nicht völlig unumstritten war.17 In seinen Funktionen und Rechten war der Erzkanzler gegenüber dem ­Kaiser der Repräsentant des Reichs und damit der „zweite Mann im Reich“.18 Das erste Mal fassen lässt sich die beratende Funktion des Erzkanzlers 1569, als im März des Jahres der kurz darauf verstorbene Friedrich von Löwenstein vom 13 [Reichs-]Abschied – Augsburg, 1548 Juni 30, § 23, S. 2659. Vgl. auch Jahns, Das Ringen um die Reichsjustiz, S. 411. 14 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 1, § 3, S. 73 f. 15 Vgl. hierzu auch Duchhardt, Kurmainz und das Reichskammergericht, S. 204 – 207; ders., Das Reichskammergericht, S. 12. 16 Zum Erzkanzleramt vgl. die beiden Sammelbände Hartmann (Hrsg.), Kurmainz, das Reichserzkanzleramt und das Reich, u. ders. (Hrsg.), Der Mainzer Erzkanzler als Reichserzkanzler. Vgl. außerdem Mathy, Über das Mainzer Erzkanzleramt in der Neuzeit; Schlösser, Der Mainzer Erzkanzler; Seeliger, Erzkanzler und Reichskanzleien. 17 Zum Erzkanzleramt und Reichskammergericht vgl. Diestelkamp, Der Reichserzkanzler und das Reichskammergericht; Duchhardt, Kurmainz und das Reichskammergericht. 18 Schubert, Der Mainzer Kurfürst als Erzkanzler, S. 97.

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Das Kammerrichteramt

Kammerrichteramt resigniert hatte.19 ­Kaiser Karl V. hatte von 1539 bis 1541 nach der Resignation Johanns II. von Pfalz-­Simmern noch ausschließlich mit seinem Bruder Ferdinand über einen Nachfolger beraten.20 ­Kaiser Maximilian II . bat 1569 dagegen den Erzbischof von Mainz, Daniel Brendel von Homburg, um Rat, nachdem er den Bischof von Speyer, Marquard von Hattstein, als Kandidaten für das Kammerrichteramt ins Auge gefasst hatte.21 Der Erzkanzler äußerte daraufhin Zweifel, ob Marquard wegen seines schlechten Gesundheitszustands für das Kammerrichteramt geeignet sei.22 Da der K ­ aiser aber auf dessen Wahl bestand,23 begann Daniel von Mainz mit den Verhandlungen. Obwohl Hattstein dem Amt anfangs abgeneigt war, beugte er sich letztlich dem kaiserlichen Willen und wurde am 8. August 1569 in Speyer als Kammerrichter eingesetzt.24 Auch K ­ aiser Rudolf II . bezog den Erzkanzler in die Auswahl der Kammer­ richter ein. Schon ein Dreivierteljahr vor dem Tod Marquards von Hattstein 1581 korrespondierte er mit Daniel von Mainz über einen Nachfolger. Der Gesundheitszustand Hattsteins war schlecht, und außerdem forderten die protes­ tantischen Reichsstände, das Kammerrichteramt mit einem Protestanten zu besetzen.25 Es schien deshalb opportun, sich schnell für einen katholischen Kandidaten zu entscheiden, um vollendete Tatsachen zu schaffen. Doch die Verhandlungen um die Nachfolge zogen sich bis nach dem Tod Marquards von Hattstein am 7. Dezember 1581 hin. Rudolf II . präferierte daraufhin den neuen Bischof von Speyer, Eberhard von Dienheim, oder den Bischof von Straßburg, Johann IV . von Manderscheid, während der Mainzer Erzkanzler den Grafen von Zimben und Philipp d. Ä. von Winneburg vorschlug.26 Der Bischof von Straßburg ließ bald 19 HHStA Wien MEA RKG 19, Friedrich von Löwenstein an K ­ aiser Maximilian II., Speyer 22. März 1569 (Kopie). 20 HHStA Wien RK RKGVA 316, König Ferdinand I. an K ­ aiser Karl V., Linz 17. September 1538; ders. an dens., Prag 26. April 1539; ders. an dens., Wiener Neustadt 10. Juli 1539. 21 HHStA Wien MEA RKG 19, ­Kaiser Maximilian II. an Daniel von Mainz, Wien 15. April 1569. 22 HHStA Wien MEA RKG 19, Daniel von Mainz an ­Kaiser Maximilian II., Mainz 6. Mai 1569 (Konzept). 23 HHStA Wien MEA RKG 19, K ­ aiser Maximilian II. an Daniel von Mainz, Wien 27. Mai 1569. 24 HHStA Wien MEA RKG 19, Daniel von Mainz an ­Kaiser Maximilian II., Mainz 20. Juni 1569 (Konzept); Marquard von Speyer an Daniel von Mainz, Udenheim 10. August 1569. Zur Person Marquards von Hattstein vgl. Mielke, Die Niederadeligen von Hattstein, S. 294 – 337. 25 HHStA Wien MEA RKG 19, K ­ aiser Rudolf II. an Daniel von Mainz, Prag 22. Mai 1581. Zu den Forderungen der protestantischen Reichsstände vgl. Duchhardt, Der Kampf um die Parität im Kammerrichteramt, S. 207 – 209. 26 HHStA Wien MEA RKG 19, ­Kaiser Rudolf II. an Daniel von Mainz, Prag 15. Juni 1581; Daniel von Mainz an K ­ aiser Rudolf II ., Mainz 2. Juli 1581 (Konzept); ders. an dens.,

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verlauten, dass er nicht zur Verfügung stehe, und auch E ­ berhard von Dienheim 27 zeigte sich in den Verhandlungen eher abgeneigt. So wurde der vom Erzbischof von Mainz vorgeschlagene Philipp d. Ä. von ­Winneburg zum Kammerrichter ernannt, der zuvor Reichshofratspräsident gewesen war.28 Winneburg füllte das Amt nur knapp eineinhalb Jahre aus und starb im Sommer 1583. Rudolf II . bat deshalb im August 1583 den neuen Erzbischof von Mainz, Wolfgang von ­Dalberg, erneut um Anregungen für die Besetzung des Kammerrichteramts.29 Der Erzkanzler machte zahlreiche Vorschläge, doch der K ­ aiser gab wenig später den Befehl, erneut mit Eberhard von Dienheim zu verhandeln, der sich diesmal zur Übernahme des Amts bereit erklärte.30 Ein letztes Mal lässt sich 1611 die beratende Funktion des Erzbischofs von Mainz im Vorfeld der Einsetzung Philipp Christophs von Sötern beobachten. Wieder versuchte man, wegen der Forderungen der protestantischen Reichsstände nach einem protestantischen Kammerrichter die Neubesetzung zügig voranzutreiben. Und wieder präferierte Aschaffenburg 27. Januar 1582 (Konzept). 27 HHS tA Wien MEA RKG 19, K ­ aiser Rudolf II . an Daniel von Mainz, Wien 2. Januar 1582; Eberhard von Speyer an Daniel von Mainz, Udenheim 10. Februar 1582. Vgl. auch ­Duchhardt, Der Kampf um die Parität im Kammerrichteramt, S. 209. 28 Philipp d. Ä. von Winneburg war Daniel von Mainz von Erzbischof Gebhard von Köln empfohlen worden. Vgl. HHS tA Wien MEA RKG 19, Gebhard von Köln an Daniel von Mainz, Bonn 21. April 1581. Zur Tätigkeit Winneburgs als Kommissar K ­ aiser Maximilians II. vgl. Lanzinner, Friedenssicherung und politische Einheit, bes. S. 283 – 291 u. 323 – 325. Zur Person Winneburgs vgl. ders., Geheime Räte und Berater K ­ aiser Maximilians II ., S. 300; Gschließer, Der Reichshofrat, S. 105 f. Auf Uffenbach, Tractatus singularis et methodicus de excelissimo Concilio Caesareo-­Imperialis Aurico, S. 18, basierend, geht Gschließer davon aus, dass Winneburg Protestant war. Die regelmäßigen Bemühungen des Kaisers um einen katholischen Kammerrichter machen zumindest einen offen gelebten Protestantismus jedoch unwahrscheinlich. ­ aiser Rudolf II . an Wolfgang von Mainz, Wien 18. August 29 HHS tA Wien MEA RKG 19, K 1583. 30 HHStA Wien MEA RKG 19, Wolfgang von Mainz an K ­ aiser Rudolf II., Mainz 6. September 1583 (Konzept). Wolfgang von Mainz nannte dem K ­ aiser als Kandidaten Herzog Ferdinand von Bayern, Markgraf Philipp II. von Baden-­Baden, Georg Ludwig von Leuchtenberg, Eitelfriedrich IV. von Hohenzollern, Karl I. von Hohenzollern, Salentin von Isenburg, Johann von Montfort, Schweikhard von Hoffenheim und Wilhelm von Zimmern. Vgl. auch ebd., ­Kaiser Rudolf II. an Wolfgang von Mainz, Prag 18. Oktober 1583. Duchhardt, Der Kampf um die Parität im Kammerrichteramt, S. 211 f., spricht zudem davon, dass zwischenzeitlich mit Wilhelm von Zimmern verhandelt worden sei, der aber bereits am 10. September 1583 mit Hinweis auf das schlechte Klima in Speyer abgelehnt habe. Die zeitliche Abfolge wirft dabei Rätsel auf, schlug der Erzbischof doch erst am 6. September 1583 Zimmern vor. Das entsprechende Stück konnte im Faszikel HHStA Wien RK RKGVA 379a so auch nicht aufgefunden werden. Zur Person Eberhards von Dienheim vgl. Ammerich, Art. „Eberhard von Dienheim“; ders., Eberhard von Dienheim, Bischof von Speyer.

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Das Kammerrichteramt

der ­Kaiser den Bischof von Speyer, diesmal Philipp ­­Christoph von Sötern.31 Sötern war wie seine Vorgänger, Marquard von Hattstein und Eberhard von Dienheim, wenig angetan von dem ihm angetragenen Amt. Doch nach langwierigen Verhandlungen mit dem Mainzer Erzbischof, Johann Schweikhard von Kronberg, erklärte auch er sich letztendlich dazu bereit, das Kammerrichteramt zu übernehmen.32 Philipp Christoph von Sötern verblieb über 40 Jahre im Amt, so dass die Kammer­richterstelle erst 1652 wiederbesetzt wurde. K ­ aiser Ferdinand III. verzichtete bei der Auswahl des neuen Kammerrichters Wilhelm von Baden-­Baden jedoch nicht nur auf die Beratung durch den Erzkanzler, sondern versuchte auch die Rolle des Erzkanzlers bei der Besetzung des Kammerrichteramts im Sinne der kaiser­ lichen Interessen zu verändern: Der K ­ aiser teilte dem Reichskammergericht seine Entscheidung für einen neuen Kammerrichter in Form eines kaiserlichen Reskripts mit, des sogenannten Präsentationsschreibens. Im 16. Jahrhundert hatte der K ­ aiser, soweit es sich rekonstruieren lässt, ­dieses Schreiben dem designierten Kammerrichter zugestellt, der es dann dem Gericht übergab.33 Ein erstes solches Präsentationsschreiben ist aus dem Jahr 1582 überliefert. Darin weist K ­ aiser Rudolf II. das Gericht an, Philipp d. Ä. von Winneburg zur fürbaß als unsern ksl. Cammerrichter zuerkennen, zuehren und zuhalten, auch zur als Euer Oberhaupt an unser statt gepurlich auffsehend zu haben, dann auch in allen dem ze. Ermahnung zur unabhängigen Jusitz.34 Einen Befehl zur Einsetzung gab der ­Kaiser darin nicht. Dementsprechend setzte das Reichskammergericht hier den kaiserlichen Repräsentanten aus eigenem Recht als vom K ­ aiser gelöste Institution am Gericht ein. 31 HHStA Wien MEA RKG 19, Johann Schweikhard von Mainz an ­Kaiser Rudolf II., Aschaffen­ burg 9. Oktober 1609 (Konzept); ­Kaiser Rudolf II. an Johann Schweikhard von Mainz, Prag 15. Februar 1610. Vgl. zur Frage der Forderung nach einem protestantischen Kammerrichter zudem Duchhardt, Der Kampf um die Parität im Kammerrichteramt, S. 212 f. 32 HHStA Wien MEA RKG 19, Johann Schweikhard von Mainz an ­Kaiser Rudolf II., Aschaffen­ burg 1. November 1610 (Konzept); Philipp Christoph von Speyer an K ­ aiser Rudolf II., o. D. o. O. (Kopie); Rat des Philipp Christophs von Speyer an Johann Schweikhard von Mainz, Speyer 24. November 1610; Johann Schweikhard von Mainz an Philipp Christoph von Speyer, Aschaffenburg 25. November 1610 (Konzept); Johann Schweikhard von Mainz an ­Kaiser Rudolf II., Aschaffenburg 25. November 1610 (Konzept); ders. an dens., Aschaffenburg 7. März 1611(Konzept). 33 HHS tA Wien MEA RKG 19, Marquard von Speyer an Daniel von Mainz, Udenheim 10. August 1569; Kanzleiverwalter am Reichskammergericht an den Kanzler des Kurfürsten von Mainz, Speyer 1. März 1611. ­ aiser Rudolf II . an das Reichskammergericht, Augs34 HHS tA Wien RK RKGVA 379a, K burg 28. Juni 1582 (Konzept). Erstmals erwähnt wird ein solches Schreiben 1569. Vgl. HHS tA Wien MEA RKG 19, Marquard von Speyer an Daniel von Mainz, Udenheim 10. August 1569.

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Kaiser Ferdinand III. dagegen versuchte 1652, das Einsetzungsrecht des Gerichts zugunsten seiner eigenen Rechte einzuschränken. Grundlage dafür bot ihm eine Änderung des Verfahrens, die sich 1611 bei der Einsetzung Philipp Christophs von Sötern als Kammerrichter ergeben hatte. Im Vorfeld der Ernennung Söterns hatte Rudolf II. dem Erzkanzler, während dieser mit Sötern über dessen Amtsübernahme verhandelte, ein bereits an das Reichskammergericht adressiertes Präsentationsschreiben zukommen lassen.35 Als Sötern sich schließlich zur Übernahme des Amts bereit erklärte, bestand auf Mainzer Seite Unsicherheit darüber, wer nun das Präsentationsschreiben dem Reichskammergericht überstellen sollte.36 Der Erzkanzler ließ durch den kammergerichtlichen Kanzleiverwalter in Speyer nachforschen, auf welchem Wege in der Vergangenheit das Präsentationsschreiben des Kaisers an das Reichskammergericht gelangt war.37 Der Kanzeleiverwalter kam zu dem Ergebnis, dass sowohl Marquard von Hattstein 1569 als auch Eberhard von Dienheim 1584 das Präsentationsschreiben dem Gericht selbst zugestellt hatten. Johann ­Schweikhard von Mainz fragte deshalb bei dem designierten Kammerrichter Sötern nach, ob er das Präsentationsschreiben lieber wie seine Vorgänger selbst dem Gericht übergeben wolle oder ob es von Mainz direkt an das Gericht geschickt werden solle.38 Letztlich entschied man sich offenbar für die zweite Variante.39 Statt dem neuen Kammerrichter Wilhelm von Baden-­Baden übersandte Ferdinand III. 1652 nun das Präsentationsschreiben lediglich dem Mainzer Erzkanzler Johann Philipp von Schönborn und befahl d ­ iesem darüber hinaus in einem weiteren Reskript, das Reichskammergericht über die Präsentation des neuen Kammerrichters zu informieren und außerdem die würgliche Installation besagtes Marggraven Ld. von unserwegen [des Kaisers] […] dem Herkommen nach unverlengt vor[zu]nehmen, dieselbe mit dem gewöhnlichen Aydt von unsertwegen [zu] beladen und unß von dem Erfolg unbeschwert Nachricht [zu] erstatten.40 Der K ­ aiser versuchte damit, den Mainzer Erzkanzler die Einsetzung des Kammerrichters als kaiserlichen Kommissar 35 HHStA Wien MEA RKG 19, K ­ aiser Rudolf II. an Johann Schweikhard von Mainz, Prag 22. Oktober 1610; ­Kaiser Rudolf II. an das Reichskammergericht, Prag 22. Oktober 1610 (Kopie); ­Kaiser Rudolf II. an Philipp Christoph von Speyer, 22. Oktober 1610 (Kopie). 36 Zur Person Philipp Christophs von Sötern vgl. Seibrich, Art. „Philipp Christoph Reichsritter von Sötern“. 37 HHStA Wien MEA RKG 19, der Kanzleiverwalter am Reichskammergericht an den K ­ anzler des Kurfürsten von Mainz, Speyer 1. März 1611. 38 HHStA Wien MEA RKG 19, Johann Schweikhard von Mainz an Philipp Christoph von Speyer, Aschaffenburg 14. März 1611 (Konzept). 39 HHStA Wien MEA RKG 19, Johann Schweikhard von Mainz an das Reichskammergericht, Aschaffenburg 14. März 1611 (Konzept). 40 BArch AR 1-IV/15, ­Kaiser Ferdinand III. an Johann Philipp von Mainz, Wien 21. März 1652, fol. 16.

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Das Kammerrichteramt

vornehmen zu lassen und aus einer ursprünglichen Handlung des Reichskammergerichts aus eigenem Recht einen kaiserlichen Herrschaftsakt zu machen. Einer der Gründe für das Vorgehen Ferdinands III. war vermutlich, dass sich das Reichskammergericht 1652 in einem desolaten Zustand befand, was zur Folge hatte, dass sich kein Reichskammergerichtspräsident in Speyer befand.41 Für gewöhnlich nahm aber einer der beiden Präsidenten, die ihrerseits kaiserliche Repräsentanten waren, die Installation des Kammerrichters vor.42 Nun stand dafür lediglich der Vizepräsident zur Verfügung, der der von Kurmainz präsentierte Assessor war. Hätte nun ein Assessor, der als Repräsentant des Kurfürsten von Mainz am Gericht gelten konnte, anstelle eines kaiserlichen Repräsentanten den Kammerrichter in sein Amt eingesetzt, so wäre dies als ein alleiniger Akt des Reichs erschienen. Verstärkt wurde diese symbolische Sprengkraft noch durch den Umstand, dass der aktuelle Mainzer Kurfürst Johann Philipp von Schönborn war. Er galt als einer der Architekten des im Westfälischen Frieden festgeschriebenen Dualismus von K ­ aiser und Reich und setzte sich auch in der Folgezeit intensiv für ein Gleichgewicht ­zwischen ­Kaiser und Reich ein.43 Offenbar versuchte der K ­ aiser die Situation zu seinen Gunsten zu verkehren, indem er ausgerechnet seinen Gegenspieler Schönborn zum kaiserlichen Kommissar ernannte. Schönborn zeigte sich zunächst bereit, dem kaiserlichen Befehl nachzukommen, wenn er auch ablehnte, selbst nach Speyer zu reisen. Er plante, seinen Obersthofmeister von Waldenburg an seiner statt nach Speyer zu ­schicken, der die Einsetzung in seinem Auftrag durchführen sollte.44 Außerdem teilte er dem Reichskammergericht mit, dass der K ­ aiser ihm die Einsetzung Wilhelms von Baden-­Baden als Kammerrichter befohlen habe und dass er diese am 1. Juli 1652 durch einen Stellvertreter vornehmen lassen wolle.45 Das Gericht jedoch war nicht bereit, diese Ausweitung der kaiserlichen Rechte zu akzeptieren, und berief sich auf die bisherige 41 Smend, Das Reichskammergericht, S. 210 f. 42 Vgl. dazu Kap. II.3.4. 43 Vgl. dazu Schraut, Das Haus Schönborn, S. 120 – 127 u. 211 – 213; Press, Die kaiserliche Stellung im Reich, S. 57 f.; Schindling, Der erste Rheinbund und das Reich. 44 HHStA Wien MEA RKG 197b, anonym verfasstes Memorial „Cammerrichters Installation betreffendt“, [ca. 1742]. 45 BArch AR 1-IV/15, Johann Philipp von Mainz an das Reichskammergericht, Würzburg 6. Juni 1652, fol. 11. Auch der designierte Kammerrichter Wilhelm von Baden-­Baden nahm 1652 an, dass ihn ein kaiserlicher Kommissar einsetzen werde. Das Gericht informierte ihn aber, dass dies nicht der Fall sei, sondern der Kurmainzer Präsentatus als ranghöchster Assessor dies übernehmen werde. Vgl. GLA Karlsruhe Abt. 46/2713, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts zur Einsetzung Wilhelms von Baden-­Baden, [1. Juni 1652] (Kopie). Duchhardt, Kurmainz und das Reichskammergericht, S. 207, nimmt irrtümlicherweise an, dass Wilhelm von Baden-­Baden tatsächlich vom Mainzer Obersthofmeister von Waldenburg eingesetzt worden sei.

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Praxis. Als Beweis legte es dem Erzkanzler das Protokoll der Einsetzung Söterns von 1611 vor.46 Schönborn erkannte daraufhin die Rechte des Gerichts an und befahl, die Einsetzung der bisherigen Praxis gemäß vorzunehmen, den von ihm gesetzten Termin 1. Juli 1652 als Datum aber auf jeden Fall einzuhalten. Außerdem sollte das Gericht ihm einen Bericht über die Einsetzung zukommen lassen, damit er diesen an den ­Kaiser weiterleiten könne.47 Dies hatte zur Folge, dass tatsächlich der von Kurmainz präsentierte Vizepräsident des Gerichts und nicht ein kaiserlicher Vertreter die Installation Badens als Kammerrichter vornahm.48 Auch ­Kaiser Leopold I. verfolgte den Anspruch seines Vaters weiter, die Instal­ lation des Kammerrichters in einen kaiserlichen Herrschaftsakt umzuwandeln, obwohl bei der folgenden Einsetzung wieder ein Präsident zur Verfügung stand. Dies fügte sich in seine Reichspolitik ein, die kaiserliche Autorität und besonders die kaiserliche Stellung als oberster Richter im Reich zu stärken.49 Dementsprechend befahl er 1677 – dem Vorbild seines Vaters folgend – dem Erzbischof von Mainz, Damian Hartard von der Leyen, das Gericht nicht nur über die Ernennung Johann Hugos von Orsbeck in Kenntnis zu setzen, sondern auch die Einsetzung selbst vorzunehmen.50 Zusätzlich hatte der ­Kaiser wohl durch Johann Christoph von Gudenus, den Mainzer Residenten in Wien, dem Erzbischof von Mainz ausrichten lassen, dass er die Einsetzung des Kammerrichters durch ihn persönlich wünsche.51 Der prohabsburgisch eingestellte Damian Hartard von der Leyen 52 versuchte daraufhin, einen Zwischenweg zu nehmen. Er verzichtete darauf, selbst nach Speyer zu reisen, und wies das Reichskammergericht in einem Schreiben an, an seiner statt den Kammerrichter in sein Amt einzusetzen, da er selbst verhindert sei.53 So überließ er dem Gericht zwar die Installation des Kammerrichters, 46 HHStA Wien MEA RKG 19, Auszug aus dem Plenumsprotokoll vom 1. April 1611. Vgl. auch HHStA Wien MEA RKG 197b, anonym verfasstes Memorial „Cammerrichters Instal­ lation betreffendt“, [ca. 1742]. 47 BArch AR 1-IV/15, Johann Philipp von Mainz an das Reichskammergericht, Würzburg 22. Juni 1652, fol. 14. 48 HHS tA Wien MEA RKG 19, das Reichskammergericht an Johann Philipp von Mainz, Speyer 6. Juli 1652. 49 Press, Die kaiserliche Stellung im Reich; Duchhardt, Das Reichskammergericht, S. 10 f.; Schröcker, Ein Schönborn im Reich, S. 105 f. 50 BArch AR 1-IV/15, K ­ aiser Leopold I. an Damian Hartard von Mainz, Laxenburg 12. Juni 1677, fol. 33 f. 51 HHStA Wien MEA RKG 19, Johann Christoph von Gudenus an Damian Hartard von Mainz, Wien 22. Juli 1677 (Auszug). 52 Zu Damian Hartard von der Leyen vgl. Jürgensmeier, Art. „Damian Hartard Reichsritter (seit 1653 Reichsfreiherr) von der Leyen-­Hohengeroldseck“. 53 BA rch AR 1-IV /15, Damian Hartard von Mainz an das Reichskammergericht, Mainz 25. August 1677, fol. 31.

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Das Kammerrichteramt

delegierte aber zugleich die kaiserliche Kommission. Das Gericht hätte damit faktisch nicht mehr aus eigenem Recht, sondern im kaiserlichen Auftrag gehandelt. Das Reichskammergericht beriet in einer Plenumssitzung, wie man auf diese Anmaßung des Erzkanzlers reagieren solle. Es entschied, die Einsetzung Orsbecks nicht zu verzögern, jedoch gegen die Ansprüche des Mainzer Erzbischofs deutlich zu protestieren.54 Dementsprechend teilte das Gericht dem Kurfürsten mit, dass es den Kammerrichter zuvor noch nie per viam delegationis sive commissionis eingesetzt habe, sondern stets aus proprio jure.55 Bei der nachfolgenden Einsetzung des Kammerrichters Franz Alexander von Nassau-­Hadamar 1711 stellte sich das oben geschilderte Problem nicht, da ­dieser im Zuge der Wiedereröffnung des Reichskammergerichts im Rahmen der Reichskammer­gerichtsvisitation (1707 – 1713) introduziert wurde.56 Doch 1718 kam die Frage des Einsetzungsmodus vor der Einsetzung Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch erneut auf. Auch ­Kaiser Karl VI. war dem Vorbild seines Vaters und Großvaters gefolgt und hatte dem Erzkanzler befohlen, die Einsetzung des Kammerrichters selbst vorzunehmen.57 Auch er ließ seinen besonderen Wunsch verlautbaren, dass der Erzkanzler persönlich die Introduktion durchführen solle.58 Der Mainzer Erzbischof Lothar Franz von Schönborn beauftragte daraufhin seinen Geheimen Rat, ein Gutachten zu der Frage anzufertigen, wie die Einsetzung des Kammerrichters in der Vergangenheit gehandhabt worden war.59 Dies kam zu dem Ergebnis, dass der Erzkanzler keinen Anspruch auf die Kommission erheben könne. Deshalb müsse das Schreiben an das Reichskammergericht so formuliert werden, dass man zwar dem kaiserlichen Befehl nachkomme, dem Reichskammergericht aber keine Möglichkeit zum Protest biete. Der kurfürstliche Geheime Rat riet also zu demselben Kompromiss, den bereits Damian Hartard von der Leyen 1677 gewählt hatte.60 Entsprechend schrieb Lothar Franz an das Gericht, dass er die Einsetzung nicht selbst vornehmen könne, da er sich in seinem Stift Bamberg aufhalte. Er beauftrage aus d ­ iesem Grund das Gericht damit, den Kandidaten 54 BA rch AR 1-IV /78, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 18. August 1677, fol. 149r–151r. 55 HHStA Wien MEA RKG 19, das Reichskammergericht an Damian Hartard von Mainz, Speyer 28. September 1677. 56 Vgl. Lünig, Theatrum Ceremoniale, Bd. 2, S. 1393 – 1395. 57 BArch AR 1-IV/15, ­Kaiser Karl VI. an Lothar Franz von Mainz, Wien 26. Juni 1717, fol. 45 f. 58 HHS tA Wien MEA RKG 19, Johann Georg von Lasser an das Reichskammergericht, Schwalbach 29. Juli 1718 (Kopie). 59 HHStA Wien MEA RKG 19, Lothar Franz von Mainz an seine Geheimen Räte, Gaibach 13. Oktober 1717. 60 HHStA Wien MEA RKG 19, kurfürstlicher Geheimer Rat an Lothar Franz von Mainz, Mainz 30. Oktober 1717.

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am 27. Juni 1718 als Kammerrichter einzusetzen.61 Auch diesmal protestierte das Reichskammergericht gegen diesen erzbischöflichen Anspruch.62 Ein letztes Mal diskutierte man auf Mainzer Seite die Frage bei der Einsetzung von Ambrosius Franz von Virmond im Jahre 1742. Erneut ließ der Erzkanzler, ­Philipp Karl von Eltz, ein Gutachten erstellen, das ebenfalls zu dem Schluss kam, dass kein Anspruch auf eine kaiserliche Kommission bestehe.63 Zwar habe man bereits 1677 und 1718 einen solchen Anspruch erhoben, doch habe das Reichskammergericht vehement protestiert, so dass auf ihn bei den Einsetzungen von Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein 1722 und Franz Adolf Dietrich von Ingelheim 1730 verzichtet worden sei. Auch der um Rat gefragte Wetzlarer Kanzleiverwalter Friedrich Wilhelm Rüding riet nach der Lektüre der entsprechenden Plenumsprotokolle ab, da es anderenfalls höchstwahrscheinlich zum Konflikt mit dem Reichskammer­ gericht komme, der die Einsetzung Virmonds hinauszögern würde.64 Zudem sei der protestantische Präsident zu Wied-­Runkel derzeit Kammerrichteramtsverweser, so dass im Interesse der katholischen Seite jede Verzögerung vermieden werden müsse. Obwohl die kaiserliche Seite auch in der Folge daran festhielt, dem Erzkanzler eine Kommission zur Installation der Kammerrichter zu erteilen,65 verzichtete die Mainzer Seite darauf, diesen kontrafaktischen Anspruch umzusetzen.66 Allerdings verblieben im Ergebnis einige Rechte beim Erzkanzler, die zwar nicht den Charakter einer Kommission hatten, dennoch aber eine Einschränkung der Autonomie des

61 BArch AR 1-IV/15, Lothar Franz von Mainz an das Reichskammergericht, Bamberg 5. Juni 1718, fol. 43 f. 62 BArch AR 1-IV/15, das Reichskammergericht an Lothar Franz von Mainz, Wetzlar 27. Juni 1718, fol. 49 f. (Konzept). Vgl. auch die vorherige Beratung des Gerichts in BA rch AR 1-IV/41, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 22. Juni 1718, fol. 36v–40v. 63 HHStA Wien MEA RKG 197b, anonym verfasstes Memorial „Cammerrichters Installation betreffendt“, [ca. 1742]. 64 HHStA Wien MEA RKG 197b, Friedrich Wilhelm Rüding an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 16. September 1742. 65 BArch AR 1-IV/15, ­Kaiser Franz I. an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wien 6. November 1745, fol. 125 f. (Hohenlohe II); ­Kaiser Franz I. an Emmerich Joseph von Mainz, Wien 5. Juli 1763, fol. 144 (Spaur); ­Kaiser Franz II. an Friedrich Karl Joseph von Mainz, Wien 25. September 1797, fol. 160 f. (Oettingen); HHStA Wien MEA RKG 254, K ­ aiser Franz II. an Karl Theodor von Mainz, Wien 4. September 1803 (Kopie) (Reigersberg). 66 BArch AR 1-IV/15, Philipp Karl von Mainz an das Reichskammergericht, Mainz 18. September 1742, fol. 97 – 99 (Virmond); Johann Friedrich Karl von Mainz an das Reichskammer­ gericht, Mainz 11. März 1746, fol. 127 f. (Hohenlohe II ); Emmerich Joseph von Mainz an das Reichskammergericht, Mainz 22. August 1763, fol. 142 f. (Spaur); Friedrich Karl Joseph von Mainz an das Reichskammergericht, Aschaffenburg 16. Oktober 1797, fol. 165 f. ­(Oettingen); HHStA Wien MEA RKG 254, Karl Theodor von Mainz an das Reichskammer­ gericht, Regensburg 26. September 1803 (Konzept) (Reigersberg).

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Das Kammerrichteramt

Reichskammergerichts bei der Einsetzung des Kammerrichters dokumentierten. So schickte seit der Einsetzung Wilhelms von Baden-­Baden 1652 der designierte Kammerrichter das kaiserliche Präsentationsschreiben nicht mehr direkt an das Reichskammergericht, sondern an den Erzkanzler. Dieser leitete es zusammen mit einem eigenen Schreiben an das Gericht weiter. In ­diesem beanspruchte er zwar nicht, als kaiserlicher Kommissar zu handeln, und gab auch keinen direkten Einsetzungsbefehl, er erteilte dem Gericht aber indirekt Weisung, die Introduktion vorzunehmen.67 Dementsprechend reagierte die Mainzer Seite auch indigniert, als Franz Joseph von Spaur bei seiner Einsetzung 1763 das Präsentationsschreiben direkt dem Gericht zustellte und dem Erzkanzler lediglich eine Abschrift zukommen ließ. Dem Erzkanzler war es so nicht möglich, die Weisung zur Introduktion zu erteilen. Er protestierte entschieden dagegen und forderte das Original ein. Das Gericht kam ­diesem Ansinnen nach.68 Eine weitere Ausweitung der Rechte des Erzkanzlers stellt der Anspruch dar, seit der Einsetzung Wilhelms von Baden-­Baden 1652 den Tag der Einsetzung zu bestimmen.69 So verhandelte er im Vorfeld mit dem designierten Kammerrichter, wann es d ­ iesem möglich sei, nach Speyer bzw. nach Wetzlar zu reisen. Johann Hugo von Orsbeck bat zum Beispiel 1677 um einen Aufschub, da die Vorbereitungen in seiner Residenz in Speyer noch nicht abgeschlossen ­seien.70 Auch Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch verschob den Termin seiner Introduktion immer wieder. Das erste Mal war er 1714 von Karl VI. zum Kammerrichter ernannt worden, doch trat er das Amt über zwei Jahre lang nicht an, so dass der ­Kaiser die Ernennung im April 1717 wiederholte und auch den Mainzer Erzbischof über diese zweite Ernennung informierte.71 Als Fürstenberg sich im Oktober 1717 immer noch nicht zur Einsetzung bereitgefunden hatte, drängte Lothar Franz von Mainz ihn, das nun 67 Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 6, S. 12 – 14. 68 Ebd., § 7, S. 14 f. 69 BArch AR 1-IV/15, Johann Philipp von Mainz an das Reichskammergericht, Würzburg 22. Juni 1652, fol. 14. Im Schreiben des Erzkanzlers an das Reichskammergericht anlässlich der Einsetzung Johann Hugos von Orsbeck wird hierfür kein Datum genannt, vgl. BArch AR 1-IV /15, Damian Hartard von Mainz an das Reichskammergericht, Mainz 25. August 1677, fol. 31. Allerdings bat Orbeck bereits in einem Schreiben vom 25. Juni 1677 den Erzkanzler um Aufschub für seine Einsetzung, dieser hatte also offenbar bereits einen Termin festgelegt, vgl. HHStA Wien MEA RKG 19, Johann Hugo von Trier an Damian Hartard von Mainz, Ehrenbreitstein 25. Juni 1677. Für die weiteren Einsetzungen vgl. die entsprechenden Schreiben der Kurfürsten von Mainz an das Reichskammergericht in BArch AR 1-IV/15 und in HHStA Wien MEA RKG 254. Vgl. außerdem Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 6, S. 13. 70 HHS tA Wien MEA RKG 19, Johann Hugo von Trier an Damian Hartard von Mainz, Ehrenbreitstein 25. Juni 1677. 71 Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 252 – 259.

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schon seit 1711 vakante Amt endlich einzunehmen.72 Fürstenberg entschuldigte sein Fernbleiben mit der ihm aufgetragenen kaiserlichen Kommission im Streit ­zwischen Dominicus Joseph und Joseph Anton Karl von Oettingen-­Wallerstein um die Teilung ihrer Grafschaft. Dies habe ihn aufgehalten, er könne frühestens um Mariä Lichtmess, wahrscheinlich aber sogar erst nach Ostern nach Wetzlar reisen.73 Als Kammerrichter eingesetzt wurde Fürstenberg schließlich am 27. Juni 1718. Sein späterer Nachfolger, der vormalige Reichskammergerichtspräsident Ambrosius Franz von Virmond, sollte ursprünglich am 24. September 1742 in sein Amt eingeführt werden. Auch er bat um Aufschub, zunächst weil er als kaiserlicher Kommissar noch in Friedberg und Speyer die Huldigung empfangen musste, später weil seine Equipage noch nicht aus Speyer eingetroffen war.74 Erst am 24. Oktober 1742 wurde Virmond in sein Amt eingesetzt.75 1746 entstand ein Konflikt ­zwischen dem Reichskammergericht und dem Erzkanzler, Johann Friedrich Karl von Ostein, um den Termin der Einsetzung Karl Philipps von Hohenlohe-­Bartenstein, da der Erzkanzler fürchtete, das Gericht könne in Zukunft beanspruchen, ihn selbst festzulegen. Der Erzkanzler hatte ursprünglich den 30. März 1746 für die Introduktion anberaumt.76 Hohenlohe bat aber mehrfach um Aufschub, da er erkrankt sei und die Reise nach Wetzlar deshalb nicht auf sich nehmen könne. Der Erzkanzler setzte daher den 18. April und schließlich den 27. Juni 1746 als neuen Termin fest.77 Hohenlohe reiste nun tatsächlich nach Wetzlar, kam aber am 26. Juni erst spätabends dort an und teilte dem Gericht mit, dass er wegen einer Unpässlichkeit nicht am nächsten Tag intro­ duziert werden könne. Der Kammerrichteramtsverweser Karl zu Wied-­Runkel entschied daraufhin, den Termin der Einsetzung formlos um einen Tag auf den 72 HHStA Wien MEA RKG 19, Lothar Franz von Mainz an seine Geheimen Räte, Gaibach 13. Oktober 1717. Im Frühjahr 1718 drängte auch ­Kaiser Karl VI . Fürstenberg zu einer baldigen Amtsübernahme, vgl. FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, K ­ aiser Karl VI. an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wien 19. April 1718; ders. an dens., Wien 28. April 1718. 73 HHStA Wien MEA RKG 19, Lothar Franz von Mainz an seine Geheimen Räte, Gaibach 13. Oktober 1717. 74 HHStA Wien MEA RKG 197b, Ambrosius Franz von Virmond an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 19. September 1742; ders. an dens., Wetzlar 6. Oktober 1742; ders. an dens., ­Wetzlar 21. Oktober 1742. 75 HHS tA Wien MEA RKG 197b, das Reichskammergericht an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 11. November 1742. 76 BArch AR 1-IV/15, Johann Friedrich Karl von Mainz an das Reichskammergericht, Mainz 11. März 1746, fol. 127 f. 77 BArch AR 1-IV/15, Johann Friedrich Karl von Mainz an das Reichskammergericht, Mainz 21. März 1746, fol. 131; ders. an dass., Mainz 15. April 1746, fol. 132; ders. an dass., Mainz 25. April 1746, fol. 133; ders. an dass., Mainz 13. Juni 1746, fol. 134.

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Das Kammerrichteramt

28. Juni 1746 zu verschieben, ohne dies eigens im Plenumsprotokoll vermerken zu lassen oder den Erzbischof von Mainz darüber zu informieren.78 Nicht einmal im Bericht des Gerichts über die Einsetzung wurde diese Abweichung von den Befehlen des Erzkanzlers thematisiert.79 Als Begründung nannte Wied, dass Hohenlohe zugesagt habe, den Erzkanzler selbst über die Terminverschiebung in Kenntnis zu setzen.80 Auf Grund ­dieses Vorfalls befürchtete die Mainzer Seite, das Gericht könne zukünftig beanspruchen, den Termin jure proprio, also aus eigenem Recht, zu bestimmen und damit seine Unabhängigkeit bei der Einsetzung zu stärken.81 Dementsprechend protestierte Mainz scharf gegen Wieds Vorgehen.82 Der Wetzlarer Kanzleiverwalter Friedrich Wilhelm Rüding wiegelte jedoch ab, es gebe keinen Hinweis, dass das Gericht die Kompetenz des Erzkanzlers in dieser Frage anzweifle.83 Außerdem sei die Verzögerung der Einsetzung nicht durch das Gericht selbst, sondern durch den designierten Kammerrichter verursacht worden. Die Einschätzung Rüdings bestätigte sich. Bei keiner der folgenden Einsetzungen beanspruchte das Gericht das Recht zur Festlegung des Termins. Weiterhin nahm der Erzkanzler seit der Einsetzung Wilhelms von Baden-­Baden 1652 in Anspruch, vom Reichskammergericht nach der Einsetzung einen ausführlichen Bericht zu erhalten, den er an den K ­ aiser weiterleitete.84 Bei der Einsetzung Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch 1718 kam es um diesen Bericht zu einem Konflikt ­zwischen dem Erzkanzler und dem Reichskammergericht, da letzteres seiner Berichtspflicht nicht nachgekommen war. Zwar hatte es noch 78 HHStA Wien MEA RKG 197b, Friedrich Wilhelm Rüding an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 29. Juni 1746; vgl. auch BArch AR 1-IV/51, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 28. Juni 1746, fol. 55v–66v. 79 HHStA Wien MEA RKG 197b, das Reichskammergericht an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 10. Juli 1746. 80 HHStA Wien MEA RKG 197b, Friedrich Wilhelm Rüding an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 29. Juni 1746. 81 BArch AR 1-Misc./630, Johann Friedrich Karl von Mainz an Friedrich Wilhelm Rüding, Mainz 16. Juli 1746. 82 BArch AR 1-IV/15, Johann Friedrich Karl von Mainz an das Reichskammergericht, Mainz 31. Juli 1746, fol. 137. 83 HHStA Wien MEA RKG 197b, Friedrich Wilhelm Rüding an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 21. Juli 1746. 84 Zum 1652 vom Erzkanzler erhobenen Anspruch vgl. BArch AR 1-IV/15, Johann Philipp von Mainz an das Reichskammergericht, Würzburg 22. Juni 1652, fol. 14; HHStA Wien MEA RKG 19, das Reichskammergericht an Johann Philipp von Mainz, Speyer 6. Juli 1652. Die Weiterleitung an den K ­ aiser lässt sich erstmals bei der Einsetzung Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch 1718 fassen, vgl. HHStA Wien MEA RKG 19, Lothar Franz von Mainz an K ­ aiser Karl VI., Bamberg 14. August 1718. Zu den nachfolgenden Einsetzungen vgl. die Akten BArch AR 1-IV/15 und HHStA Wien MEA RKG 19, 197b u. 254.

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am Tag der Introduktion Fürstenbergs am 27. Juni 1718 den Erzkanzler über die Durchführung informiert, allerdings ohne auf den genauen Ablauf einzugehen.85 Lothar Franz von Mainz forderte daraufhin nachdrücklich den Bericht ein, wobei er sich auf die Einsetzungen Wilhelms von Baden-­Baden 1652 und Johann Hugos von Orsbeck 1677 als Präzedenzfälle berief und auf seine Pflicht hinwies, selbst dem ­Kaiser Bericht zu erstatten.86 Am 24. Juli 1718 reichten die Präsidenten und Assessoren ihren Einsetzungsbericht schließlich nach und begründeten dessen langes Ausbleiben damit, dass sie wegen Entscheidungen in vielfältigen tringenden ­hießigen Gerichts Sachen nicht zuvor in der Lage gewesen ­seien, ihn zu verfassen.87 Auch hier entstand aus der Unterlassung kein Präzedenzfall. Bei den folgenden Kammerrichtereinsetzungen übersandte das Gericht jeweils unaufgefordert einen ausführlichen Bericht an Kurmainz.88 Nicht nur im Versuch, die Einsetzung des Kammerrichters in eine kaiserliche Kommission zu verwandeln, lässt sich das Ansinnen der K ­ aiser ablesen, die Rechte des Reichskammergerichts einzuschränken und die Installation des kaiserlichen Repräsentanten als kaiserlichen Herrschaftsakt zu definieren. Im 17. Jahrhundert wurde von kaiserlicher Seite, aber auch von Seiten des Reichskammergerichts und des Mainzer Erzkanzlers das kaiserliche Reskript an das Gericht stets als Präsentationsschreiben bezeichnet.89 ­Kaiser Karl VI., der die Politik seines Vaters Leopold I. fortführte, die kaiserlichen Rechte im Reich zu stärken,90 brach mit dieser Tradition. Bei der Einsetzung Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch 1718 bezeichnete 85 HHStA Wien MEA RKG 19, das Reichskammergericht an Lothar Franz von Mainz, ­Wetzlar 27. Juni 1718. 86 HHStA Wien MEA RKG 19, Johann Georg von Lasser an Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, Mainz 9. Juli 1718 (Konzept); ders. an dens., Mainz 12. Juli 1718 (Konzept). 87 HHStA Wien MEA RKG 19, das Reichskammergericht an Lothar Franz von Mainz, ­Wetzlar 24. Juli 1718. 88 HHStA Wien MEA RKG 19, das Reichskammergericht an Lothar Franz von Mainz, ­Wetzlar 7. März 1722 (Hohenlohe I); HHStA Wien MEA RKG 197b, das Reichskammergericht an Franz Ludwig von Mainz, Wetzlar 26. Mai 1730 (Ingelheim); das Reichskammergericht an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 11. November 1742 (Virmond); das Reichskammergericht an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 6. Juli 1746 (Hohenlohe II); HHStA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Emmerich Joseph von Mainz, Wetzlar 12. September 1763 (Spaur); das Reichskammergericht an Friedrich Karl Joseph von Mainz, Wetzlar 8. November 1797 (Oettingen); das Reichskammergericht an Karl Theodor von Mainz, Wetzlar 14. Oktober 1803 (Reigersberg). 89 Zum Sprachgebrauch bei der Einsetzung Philipp Christophs von Sötern 1611 vgl. HHStA Wien MEA RKG 19, ­Kaiser Rudolf II. an das Reichskammergericht, Prag 22. Oktober 1610 (Kopie). Für die übrigen Kammerrichter vgl. BArch AR 1-IV/15. Vgl. außerdem Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2, § 18, S. 10 f. 90 Press, Die kaiserliche Stellung im Reich; Duchhardt, Das Reichskammergericht, S. 10 f.

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Das Kammerrichteramt

er sein Reskript an das Reichskammergericht als Benennungs- und Vorstellungsschreiben.91 Diese Änderung ging auch mit einer anderen Wortwahl im Reskript selbst einher. Hieß es dort 1677 bei der Einsetzung Johann Hugos von Orsbeck noch, der ­Kaiser würde ihn benennen und präsentieren, ist ab der Einsetzung Fürstenbergs 1718 darin zu lesen, dass der ­Kaiser den Kammerrichter erwählet und benennet habe.92 Das Reichskammergericht selbst hielt in seinen Formulierungen dagegen stets daran fest, dass der Kammerrichter ihm präsentiert worden sei.93 Die unterschiedliche Wortwahl mag auf den ersten Blick belanglos erscheinen. Der Begriff „Präsentation“ hatte jedoch am Reichskammergericht eine sehr spezifische Bedeutung. Er war eng mit dem Verfahren verbunden, im Zuge dessen die Assessoren bei Gericht aufgenommen wurden. Dem ­Kaiser, den Kurfürsten und den Reichskreisen kam das Recht zu, dem Gericht jeweils eine gewisse Anzahl von Assessoren zu präsentieren.94 Wurde eine Stelle vakant, forderte das Reichskammergericht den betroffenen Präsentierenden auf, mehrere Kandidaten für die Stelle vorzuschlagen. Das Gericht prüfte diese dann im Rahmen eines General- und Spezialexamens auf ihre Tauglichkeit für die Laufbahn als Assessor. Während das Generalexamen der Prüfung der formalen Eignung diente, musste der Kandidat im Spezialexamen eine Akte zur Probe bearbeiten. Anschließend bewertete das Gericht die Arbeit und entschied darüber, ob der Kandidat als Assessor aufgeschworen werden sollte oder nicht. Genügten die Prüflinge den an sie gestellten Anforderungen nicht, hatte das Gericht die Möglichkeit, sie abzulehnen.95 Entscheidend war dabei der Umstand, dass das Reichskammergericht allein die Kompetenz hatte, über die Aufnahme oder Ablehnung eines präsentierten Assessors zu entscheiden. Auch wenn das Reichskammergericht faktisch keine Möglichkeit hatte, den vom ­Kaiser ausgewählten Kammerrichter abzulehnen, so rückt der Gebrauch des Begriffs „Präsentation“ die Entscheidung, ob ein designierter Kammerrichter tatsächlich eingesetzt wurde, dem Anspruch nach in die Befugnisse des Gerichts. Diese sprachliche Nuance wurde deshalb auch von den Zeitgenossen als Argument genutzt. Anfang des 18. Jahrhunderts widmete sich der Assessor Philipp Helfrich Krebs in seinem „Quinquertium Camerale“ dem Problem, ob das Reichskammergericht nur den ­Kaiser oder das gesamte Reich repräsentiere. In ­diesem Zusammenhang führte er aus, dass sich der ­Kaiser selbst in den Einsetzungsschreiben für die Kammerrichter 91 BArch AR 1-IV/15, ­Kaiser Karl VI. an Lothar Franz von Mainz, Wien 26. Juni 1717, fol. 45 f. 92 BArch AR 1-IV/15, K ­ aiser Leopold I. an das Reichskammergericht, Laxenburg 12. Juni 1677, fol. 35 f.; ­Kaiser Karl VI. an das Reichskammergericht, Wien 26. Juni 1717, fol. 47 f. 93 Zu den Berichten des Reichskammergerichts an die Erzbischöfe von Mainz über die erfolgten Einsetzungen vgl. die Angaben in Kap. II.3, Anm. 130. 94 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 1 u. 2, S. 73 – 75. 95 Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 5, § 11 – 17, S. 339 f. Vgl. auch Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 168 – 342.

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der Worte präsentiert und benennt bediene und sich selbst damit lediglich ein Präsentationsrecht einräume, vergleichbar dem für die Assessorenstellen.96

II.2 Die Vakanz des Kammerrichteramts Die Vakanz des Kammerrichteramts trat entweder durch den Tod oder die Amtsaufgabe des vorherigen Inhabers ein. Letztere war anders als bei den Assessoren, die ihr Ausscheiden lediglich sechs Monate im Voraus dem Gericht mitteilen mussten,97 nicht ohne weiteres möglich. Und zwar behielt sich der ­Kaiser vor, selbst über das Ausscheiden seines Repräsentanten am Gericht zu entscheiden. Verließen die Kammerrichter das Gericht nicht, um eine andere kaiserliche Charge zu übernehmen – wie etwa 1801 Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein den Posten des Reichshofratspräsidenten –, benötigten sie die Genehmigung des Kaisers zur Aufgabe ihres Amts. 1538 leitete König Ferdinand I. seinem Bruder K ­ aiser Karl V. das Entlassungsgesuch Johanns II. von Pfalz-­Simmern mit der Empfehlung weiter, dessen Wunsch nachzukommen.98 Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, der am 27. Juni 1718 das Kammerrichteramt angetreten hatte, wollte d ­ ieses bereits im Frühjahr 1720 wieder aufgeben und wandte sich deshalb an den ­Kaiser.99 Dieser ließ durch den Reichsvizekanzler mitteilen, dass er das Rücktrittsgesuch Fürstenbergs momentan ablehne, er aber über einen Nachfolger nachdenke.100 Obwohl Fürstenberg in der folgenden Zeit immer wieder versuchte, in Wien durch einflussreiche Persönlichkeiten seine Entlassung zu erreichen, stellte ­Kaiser Karl VI. erst am 30. Januar 1722 die entsprechenden Schreiben aus.101 Welche Rolle dagegen das Reichskammergericht hatte, wenn der Kammerrichter sein Amt niederlegte, war weit weniger eindeutig. Im 18. Jahrhundert resignierten insgesamt nur drei Kammerrichter von ihrem Amt. Johann Hugo von Orsbeck tat dies 1710 zu einem Zeitpunkt, zu dem das Reichskammergericht seine Arbeit eingestellt hatte und eine außerordentliche Reichskammergerichtsvisitation (1707 – 1713) tagte. Daher ist dieser Fall für die Rolle des Gerichts bei der Resignation des Kammerrichters 96 Krebs, Quinquertium Camerale, S. 38 f. 97 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 4, § 2, S. 77. 98 HHStA Wien RK RKGVA 316, König Ferdinand I. an K ­ aiser Karl V., Linz 17. September 1538. 99 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an ­Kaiser Karl VI ., o. O. 17. April 1720 (Konzept). Vgl. auch Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 263. 100 Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 263 f. 101 Ebd., S. 264 – 266; FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, K ­ aiser Karl VI. an Froben F ­ erdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wien 30. Januar 1722.

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Das Kammerrichteramt

ohne Belang. Der nächste Kammerrichter, der sein Amt aufgab, war 1722 der bereits erwähnte Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch. Fürstenberg hatte sich, nachdem der K ­ aiser seine Resignation akzeptiert hatte, mit einem Schreiben vom 12. Februar 1722 an das Reichskammergericht gewandt, um ihm schuld- und dienstliche Parte von dieser zu geben.102 Offenbar sah er sich in der Pflicht, das Gericht selbst von ­diesem Vorgang in Kenntnis zu setzen. Ein weiteres Schreiben richtete Fürstenberg am 21. Februar 1722 an den Mainzer Erzkanzler, in dem er auch diesen über seinen Schritt informierte.103 Der Mainzer Erzkanzler wiederum übersandte eine Kopie des Schreibens gemeinsam mit einem Befehl, Philipp Karl von Hohenlohe-­ Bartenstein als neuen Kammerrichter einzusetzen, an das Reichskammergericht.104 Das Gericht nahm beide Schreiben im Plenum lediglich zur Kenntnis. Auffällig ist dabei, dass das Schreiben des Erzkanzlers bereits in der Sitzung am 27. Februar 1722 verlesen wurde, das Fürstenbergs dagegen erst am 2. März 1722, obwohl letzteres neun Tage früher ausgefertigt worden war.105 Es ist zumindest denkbar, dass die Kanzlei des Gerichts, deren Personal der Erzkanzler stellte, das Schreiben Fürstenbergs bewusst zurückgehalten hat, um die Stellung des Erzkanzlers am Gericht zu stärken. Gegeben­enfalls konnte dieser bei der nächsten Resignation eines Kammerrichters so das Recht beanspruchen, das Gericht über diese zu informieren.106 Das nächste und letzte Mal gab aber erst 1801 ein Kammerrichter sein Amt auf, und zwar der ebenfalls bereits erwähnte Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein. Oettingen wählte einen anderen Weg als Fürstenberg. Er legte nach seiner Resignation beim ­Kaiser während der Plenumssitzung am 28. September 1801 förmlich ein zweites Mal sein Amt nieder, worüber das Reichskammergericht einige Tage später den ­Kaiser in Kenntnis setzte.107 Auch wenn diese zweite Resignation 102 BArch AR 1-IV/15, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an das Reichskammergericht, Ulm 12. Februar 1722, fol. 53 f. 103 BA rch AR 1-IV /15, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an Lothar Franz von Mainz, Ulm 21. Februar 1722 (Kopie), fol. 61. 104 BArch AR 1-IV/15, Lothar Franz von Mainz an das Reichskammergericht, Mainz 25. Februar 1722, fol. 59 f. 105 BArch AR 1-IV/89, Plenumsprotokolle des Reichskammergerichts, 27. Februar u. 2. März 1722, fol. 62r–63r u. 64r. 106 Vgl. zur Rolle des Mainzer Erzkanzlers bezüglich des Kammerrichteramts Kap. II.1. 107 Im Plenumsprotokoll für den 28. September 1801 ist vermerkt (BArch AR 1-IV/71, fol. 19v f.): Des Herrn Cammer Richters hochgräfliche Excellenz lasen die fol. 11 anliegende schriftliche Resignation sitzend ab und traten demnächst, nach einem dem hohen Pleno gemachten und ebenso von d­ iesem erwiederten Complimente, ab. Und Oettingen selbst führte bei dieser Gelegenheit aus (BArch AR 1-IV/71, fol. 11r): Beinahe 4 Jahre sind es, daß ich ­diesem höchstem der Gerichte als kaiserlicher Richter vorzustehen die Ehr habe. Durch die wiederholte Gnade unseres allergnädigsten Kaisers bin ich zu der Stelle eines kaiserlichen Reichshofrats Präsidenten allergnädigst ernannt worden und stehe nun im Begriffe, die vorhin bekleidete Stelle heute

Die Vakanz des Kammerrichteramts

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Oettingens faktisch eher einer Formalität gleichkam – hatte doch das Gericht im Gegensatz zum K ­ aiser nicht die Möglichkeit, sie abzulehnen –, so kommt darin dennoch eine doppelte Bindung zum Ausdruck. Der Kammerrichter erscheint so nicht nur als kaiserlicher Repräsentant, sondern zugleich auch als Teil der Institution Reichskammergericht. Wenn das Kammerrichteramt durch den Tod oder die Amtsaufgabe des bisherigen Amtsinhabers vakant geworden war, war es notwendig, dass ein anderer die Stellung des kaiserlichen Repräsentanten bis zur Neubesetzung desselben einnahm. Die Reichskammergerichtsordnung von 1495 sah dazu vor, dass entweder der vorherige Amtsinhaber oder das Plenum ein Mitglied des Gerichts – nach Möglichkeit einen Fürsten, Grafen oder Freiherrn – zum Amtsverweser bestimmen sollte, der die Geschäfte führte, bis ein neuer Kammerrichter an seine Stelle trat.108 Für die Zeit der Vakanz sollte demnach das Reichskammergericht bestimmen dürfen und nicht der K ­ aiser, wer diesen am Gericht repräsentierte. In der Reichskammer­ gerichtsordnung von 1555 gelang es jedoch der kaiserlichen Partei, ­dieses weitgehende Recht des Gerichts zugunsten des Kaisers wieder zu beschränken. So heißt es dort, der vorherige Kammerrichter oder das Plenum sollten den Verweser bestimmen, welcher dann das ampt biß auf weiter der keiserlichen majestat oder uns [des römischen Königs] verordnung verwesen soll.109 Zumindest für das 17. Jahrhundert lässt sich allerdings nicht erkennen, dass der K ­ aiser von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, den vom Gericht bestimmten Amtsverweser auszutauschen. Als das Reichskammergericht ­Kaiser Leopold I. 1677 über den Tod Wilhelms von Baden-­ Baden informierte und um die Ernennung eines neuen Kammerrichters bat, wies es in seinem Schreiben lediglich darauf hin, dass es den älteren Präsidenten Philipp Franz Eberhard von Dalberg, Kämmerer von Worms, zum Kammerrichteramtsverweser bestimmt habe, bis der ­Kaiser einen neuen Kammerrichter ernenne.110 niederzulegen. Vgl. auch BArch AR 1-IV/15, das Reichskammergericht an K ­ aiser Franz II., Wetzlar 1. Oktober 1801, fol. 172 (Konzept). 108 Reichskammergerichtsordnung von 1495, § 2, S. 6 f. 109 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 4, § 1, S. 77. 110 BArch AR 1-IV/15, das Reichskammergericht an ­Kaiser Leopold I., Speyer 1. Juni 1677, fol. 30c (Konzept). Das Reichskammergericht informierte den ­Kaiser stets über das Ableben des Kammerrichters, auch wenn dieser, wie Wilhelm von Baden-­Baden 1677, nicht am Gerichtsort verstorben war. Vgl. das Kondolenzschreiben des Gerichts an die Markgrafen von Baden-­Baden in BArch AR 1-IV/15, das Reichskammergericht an Ludwig Wilhelm von Baden-­Baden, Speyer 30. Mai 1677, fol. 29 f. (Kopie). Das erste ­solche Schreiben, das sich ermitteln lässt, verfasste das Reichskammergericht 1539 anlässlich der Resignation Johanns II. von Pfalz-­Simmern, vgl. HHStA Wien RK RKGVA 316, das Reichskammer­ gericht an ­Kaiser Karl V., Speyer 26. Februar 1539. Beim Tod Philipp Christophs von Sötern 1652 verzichtete das Reichskammergericht auf die Nennung des Amtsverwesers, vgl. BArch AR 1-IV/15, das Reichskammergericht an ­Kaiser Ferdinand III., Speyer 24. Februar 1652,

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Das Kammerrichteramt

Leopold I. nahm dies zur Kenntnis, ohne eine Bestätigung dieser Entscheidung zu beanspruchen.111 1713 kam es im Abschied der außerordentlichen Reichskammergerichtsvisitation zu einer neuen Regelung. Anlass war, dass der Kammerrichter Johann Hugo von Orsbeck (1677 – 1710), der zugleich Erzbischof von Trier war, über viele Jahre hinweg in Wetzlar nicht anwesend gewesen war und keinen der beiden Präsidenten zum Verweser ernannt hatte. Im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts war es deshalb ­zwischen den beiden Präsidenten Franz Adolf Dietrich von Ingelheim und Friedrich Ernst von Solms-­Laubach zum Konflikt um die Stellung des Kammerrichteramtsverwesers gekommen. Ingelheim vertrat den Standpunkt, es entspreche dem alten Herkommen, dass der Dienstältere die Amtsverweserschaft übernehmen solle, sofern der Kammerrichter keine andere Regelung getroffen habe. Solms war jedoch nicht bereit, dies zu akzeptieren. Bis zu Orsbecks Resignation im Jahre 1710 blieb der Konflikt ungelöst und flammte im Jahr darauf nach dem plötzlichen Tod von Orsbecks Nachfolger Franz Alexander von Nassau-­Hadamar erneut auf. Dieser war nach nur viermonatiger Amtszeit verstorben, ebenfalls ohne Vorsorge für die Amtsverweserschaft getroffen zu haben.112 Die Visitationskommission reagierte 1713 auf diese Situation mit der Regelung, dass fortan prinzipiell der ältere der beiden Präsidenten bei Abwesenheit oder Tod des Kammerrichters die Amtsverweserschaft übernehmen solle.113 Damit wurden nicht nur die Rechte von Kammerrichter und Plenum eingeschränkt, sondern vor allem auch die des Kaisers. In der Folgezeit stellte das Reichskammergericht bei Vakanzen gemäß der neuen Regelung nur noch fest, wer die Verweserschaft zu übernehmen hatte.114 Dabei stellte sich das Problem, ob dem ­Kaiser dennoch zumindest nominell weiterhin das Recht zugestanden werden musste, den Kammerrichteramtsverweser gegebenenfalls auszutauschen. Erstmals relevant wurde dies 1729 beim Tod des Kammerrichters Philipp

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fol. 2 (Kopie). Möglicherweise wurde keiner ernannt, da sich 1652 kein Präsident und kaum Assessoren bei Gericht befanden. Vgl. Smend, Das Reichskammergericht, S. 204 – 210. BA rch AR 1-IV /15, K ­ aiser Leopold I. an das Reichskammergericht, Laxenburg 16. Juni 1677, fol. 30e. Zum Streit der Präsidenten Ingelheim und Solms vgl. Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 191 f. Reichskammergerichtsvisitationsabschied von 1713, § 5, S. 1147 f. Vgl. die Schreiben des Reichskammergerichts nach 1713, in denen es den ­Kaiser über das Ableben des Kammerrichters informierte: BA rch AR 1-IV /15, das Reichskammer­ gericht an ­Kaiser Karl VI., Wetzlar 17. Januar 1729, fol. 74 (Konzept) (Hohenlohe I); das Reichskammer­gericht an K ­ aiser Karl VII., Wetzlar 21. November 1744, fol. 105 (Konzept) ­(Virmond); das Reichskammergericht an K ­ aiser Franz I., Wetzlar 2. März 1763 (Konzept), fol. 138 (Hohenlohe II); das Reichskammergericht an ­Kaiser Franz II., Wetzlar 2. August 1797, fol. 150 (Konzept) (Spaur).

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Karl von Hohenlohe-­Bartenstein. Das Reichskammergericht entschloss sich, einen etwaigen Anspruch des Kaisers anzuerkennen, und teilte d ­ iesem mit, dass es nach der Reichskammergerichtsordnung und dem Visitationsabschied von 1713 den älteren Präsidenten Ingelheim bis zu anderweitigen Befehlen des Kaisers zum Amtsverweser ernannt habe.115 Karl VI. wählte eine entsprechende Formulierung und schrieb, dass er zur Kenntnis genommen habe, dass das Gericht den Präsidenten Ingelheim zum Verweeser des cammerrichterlichen Ambts biß zu anderweitigen unsern kayserlichen Befehl erwehlet habet.116 Auf kaiserlicher Seite hielt man auch bei den folgenden Vakanzen an dieser Formulierung fest und manifestierte damit den kontrafaktischen Anspruch auf das Recht des Kaisers, den Amtsverweser zu bestimmen.117 Das Gericht verhielt sich in der Folgezeit unterschiedlich. Nach dem Tod des Kammerrichters Franz Adolf Dietrich von Ingelheim am 15. September 1742 diskutierte es die möglichen Rechte des Kaisers ausführlich. Anlass hierfür war die von Seiten des Gerichts verspätete Benennung des Seniorpräsidenten Karl zu Wied-­Runkel zum Verweser. Schon vor dem Tod Ingelheims hatte K ­ aiser Karl VII . den anderen Präsidenten Ambrosius Franz von Virmond zum neuen Kammerrichter ernannt, seine Einsetzung sollte unmittelbar nach dem Ableben seines Vorgängers stattfinden.118 Aufgrund der Verpflichtungen Virmonds als kaiserlicher Huldigungskommissar kam es aber zu Verzögerungen.119 Dennoch unternahm das Reichskammergericht nichts, um Wied offiziell zum Amtsverweser zu ernennen.120 Erst am 17. Oktober 1742, etwa zehn Tage vor der geplanten Einsetzung Virmonds als Kammerrichter, holte man dies auf Anregung des Assessors des obersächsischen Kreises Johann Friedrich von Heynitz nach, teilte es aber anders als bei der Entscheidung von 1730 dem K ­ aiser nicht mit.121 Vor allem Virmond selbst und der 115 BArch AR 1-IV/15, das Reichskammergericht an ­Kaiser Karl VI., Wetzlar 17. Januar 1729, fol. 74 (Konzept). 116 BArch AR 1-IV/15, ­Kaiser Karl VI. an das Reichskammergericht, Wien 26. Februar 1729, fol. 75a. 117 BA rch AR 1-IV /15, ­Kaiser Franz I. an das Reichskammergericht, Wien 14. März 1763, fol. 139a (Hohenlohe II ); K ­ aiser Franz II . an das Reichskammergericht, Wien 19. August 1797, fol. 152 (Spaur). Ambrosius Franz von Virmond starb 1744 während des Interregnums ­zwischen ­Kaiser Karl VII . und ­Kaiser Franz I., weshalb kein entsprechendes Reskript existiert. 118 HHS tA Wien MEA RKG 197b, K ­ aiser Karl VII . an Philipp Karl von Mainz, Frankfurt a. M. 11. Februar 1742. 119 Vgl. dazu Kap. III.3.1. 120 HHStA Wien RK RKGVA 338, Ambrosius Franz von Virmond an ­Kaiser Karl VII., [Januar 1743]. 121 BA rch AR 1-IV /101, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 17. Oktober 1742, fol. 43r–46v; HHStA Wien RK RKGVA 338, Ambrosius Franz von Virmond an ­Kaiser Karl VII., [Januar1743].

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Das Kammerrichteramt

kurpfälzische Assessor Friedrich Erdmann von Glaubitz kritisierten ­dieses Vorgehen, da insbesondere der Ablauf im Jahr 1729 gezeigt habe, dass das Gericht den Kammerrichteramtsverweser bestimme, dieser aber vom ­Kaiser dennoch bestätigt werden müsse.122 Virmond fürchtete, das Gericht könne in Zukunft unter Berufung auf den jetzigen Fall beanspruchen, den Kammerrichteramtsverweser ohne kaiserliche Bestätigung selbst zu benennen, und damit die kaiserlichen Rechte am Reichskammergericht schwächen.123 Ob das Gericht die Mitteilung an Karl VII . nachholte, ist den Quellen nicht zu entnehmen. Die Befürchtungen Virmonds bestätigten sich. Nach seinem eigenen Tod 1744 entschied sich das Gericht tatsächlich dafür, dem ­Kaiser lediglich mitzuteilen, dass Karl zu Wied-­Runkel erneut die Stelle des Kammerrichteramtsverwesers eingenommen habe.124 Dies geschah offensichtlich erst nachträglich, da im Konzept die Formulierung biß zu Ewer kayserlichen Mayestät anderweithen allergnädigsten Befehl in biß zu Ewer kayserlichen Mayestät anderweithen allergnädigsten Wiederbesetzung der cammerrichterlichen Stelle offenbar verbessert worden ist. Auch bei den folgenden Fällen, bei denen der Kammerrichter im Amt verstarb, verwendete das Gericht diese Formulierung.125 Während die K ­ aiser also auf einem Recht zur Bestätigung des Amtsverwesers beharrten, erkannte es das Gericht nicht an.

II.3 Die Amtseinsetzung des Kammerrichters Die Amtseinsetzung des Kammerrichters folgte den für die Zeit typischen Formen. Gleichgültig ob Kaiserkrönung, Einsetzung eines Bischofs oder eines Universitätsrektors: Frühneuzeitliche Amtseinsetzungen folgten einer Art Grundvokabular. Typische Elemente waren die Einholung, die Leistung eines Amtseids, die Einkleidung, die Inthronisation, die Übergabe von Amtsinsignien, eine erste öffentliche Amtshandlung sowie ein gemeinsames Mahl.126 Diese verschiedenen Elemente 122 HHStA Wien RK RKGVA 338, Ambrosius Franz von Virmond an ­Kaiser Karl VII., [Januar 1743]; Pro Memoria des Assessors Friedrich Erdmann von Glaubitz, [ohne Datum]. 123 HHStA Wien RK RKGVA 338, Ambrosius Franz von Virmond an ­Kaiser Karl VII., [Januar 1743]. 124 BArch AR 1-IV/15, das Reichskammergericht an ­Kaiser Karl VII., Wetzlar 21. November 1744, fol. 105 (Konzept). 125 BArch AR 1-IV/15, das Reichskammergericht an K ­ aiser Franz I., Wetzlar 3. März 1763, fol. 138 (Konzept) (Hohenlohe II); das Reichskammergericht an ­Kaiser Franz II., Wetzlar 2. August 1797, fol. 150 (Konzept) (Spaur). 126 Vgl. beispielhaft Götzmann, Weihen – Salben – Krönen, S. 21 – 24; Stollberg-­Rilinger, Das ­­Zeichen des Antichrist, S. 63 f.; Füssel, Zeremoniell und Verfahren, S. 132 – 141. Vgl. außerdem Bourdieu, Was heißt sprechen, S. 111 – 119; Gennep, Übergangsriten; ders.,

Die Amtseinsetzung des Kammerrichters

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bewirkten sowohl jeweils für sich allein als auch in ihrer Abfolge, dass die Zeitgenossen an ihnen in verdichteter Form die komplexe Verwandlung des Kandidaten in den rechtmäßigen Amtsinhaber ablesen konnten.127 Doch nicht nur der Status des Kandidaten veränderte sich in d ­ iesem Akt. Der neue Amtsinhaber wurde darin zugleich in die institutionelle Ordnung eingeordnet. Daraus folgte, dass es von großer Bedeutung war, wer während des Einsetzungsritus ­welche Handlungen vornahm oder ­welche Texte gesprochen wurden. Denn in ihnen wurde die Ordnung einer Institution als Ganzes dargestellt und damit die Verfasstheit von Amt und Institution festgeschrieben.128 Die Analyse der kammerrichterlichen Amtseinsetzung trägt deshalb zur Verortung des Amts im Spannungsverhältnis z­ wischen K ­ aiser, Reichsständen und Reichskammergericht in besonderem Maße bei. II.3.1 Vorbereitungen Wie bereits ausgeführt, nahm nicht ein kaiserlicher Kommissar, sondern das Reichskammergericht selbst die Einsetzung des Kammerrichters vor.129 Daher gingen der eigentlichen Einsetzung Beratungen über die Einsetzungsmodalitäten durch das Gericht voraus. Besonders wenn die letzte Introduktion schon viele Jahre zurücklag, pflegte man sich über das alte Herkommen zu informieren.130 Zudem nahm das Initia­tionsriten; Linnemann, Rituale der Einsetzung; Füssel, Gelehrtenkultur als symbolische Praxis, S. 152 – 166. 127 Althoff, Das Grundvokabular der Rituale, S. 149 f. 128 Stollberg-­Rilinger, Das ­­Zeichen des Antichrist, S. 67 – 69. 129 Vgl. Kap. II.1. 130 Vgl. zu den Amtseinsetzungen: HHS tA Wien MEA RKG 19, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 1. April 1610 (Kopie) (Sötern); GLA Karlsruhe Abt. 46/2713, Plenums­protokoll des Reichskammergerichts, [1. Juni 1652] (Kopie) (Baden); HHS tA Wien MEA RKG 19, das Reichskammergericht an Johann Philipp von Mainz, Speyer 6. Juli 1652 (Baden); BA rch AR 1-IV /78, Plenumsprotokolle des Reichskammergerichts, 18. u. 20. August 1677, fol. 149r–155v (Orsbeck); BA rch AR 1-IV /41, Plenumsprotokolle des Reichskammergerichts, 22. u. 27. Juni 1718, fol. 36v–45v (Fürstenberg); HHS tA Wien MEA RKG 19, das Reichskammergericht an Lothar Franz von Mainz, Wetzlar 24. Juli 1718 (Fürstenberg); Lünig, Theatrum Ceremoniale, Bd. 2, S. 1395 – 1397 (Fürstenberg); BA rch AR 1-IV /89, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 2. März 1722, fol. 64v–69r (Hohenlohe I); HHS tA Wien MEA RKG 19, das Reichskammergericht an Lothar Franz von Mainz, Wetzlar 7. März 1722 (Hohenlohe I); BA rch AR 1-IV /42, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 22. Mai 1730, fol. 11r–18v (Ingelheim); HHS tA Wien MEA RKG 197b, das Reichskammergericht an Franz Ludwig von Mainz, Wetzlar 26. Mai 1730 (Ingelheim); BA rch AR 1-IV /49, Plenumsprotokolle des Reichskammergerichts, 23. u. 24. Oktober 1742, fol. 137r–160v (Virmond); HHS tA Wien MEA RKG 197b, das Reichskammergericht an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 11. November 1742 (Virmond);

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Das Kammerrichteramt

Gericht mit dem designierten Kammerrichter Kontakt auf, um mit ihm gemeinsam das Vorgehen und den Ablauf der Einsetzung zu besprechen.131 War der neue Amtsinhaber zuvor Reichskammergerichtspräsident gewesen, geschah dies durch zwei Deputierte direkt vor Ort.132 Andernfalls sandten die designierten Kammerrichter in der Regel einen Kommissar an den Gerichtsort, der für sie die Verhandlungen mit dem Gericht führte.133 Im 16. Jahrhundert und wieder im 18. Jahrhundert kam es regelmäßig vor, dass einer der Reichskammergerichtspräsidenten zum Kammerrichter ernannt wurde.134 Im 18. Jahrhundert trat der Fall erstmals 1730 mit Franz Adolf Dietrich von Ingelheim ein. Das Plenum des Gerichts diskutierte deshalb vor dessen Einsetzung, ob dieser zuvor vom Präsidentenamt resignieren müsse. Die Mehrheit der Assessoren bejahte dies. Der kaiserliche Assessor Philipp Friedrich von Dresanus argumentierte, dass im kaiserlichen Präsentationsschreiben keine vom ­Kaiser akzeptierte Resignation erwähnt sei und Ingelheim das Präsidentenamt daher nicht aufgegeben habe. Zugleich sei das Reichskammergericht berechtigt, anstelle des Kaisers BA rch, AR 1-IV /51, Plenumsprotokolle des Reichskammergerichts, 23. u. 28. Juni 1746, fol. 55r–66v (Hohenlohe II ); HHS tA Wien MEA RKG 197b, das Reichskammergericht an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 6. Juli 1746 (Hohenlohe II ); BA rch AR 1-IV /54,

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Plenumsprotokolle des Reichskammergerichts, 2., 3. u. 5. September 1763, fol. 18ar–38r. (Spaur); HHStA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Emmerich Joseph von Mainz, Wetzlar 12. September 1763 (Spaur); das Reichskammergericht an Friedrich Karl Joseph von Mainz, Wetzlar 8. November 1797 (Oettingen); das Reichskammer­gericht an Karl Theodor von Mainz, Wetzlar 14. Oktober 1803 (Reigersberg). Franz Alexander von Nassau-­Hadamar wurde 1711 von der zu dieser Zeit tagenden außerordentlichen Reichskammergerichtsvisitation (1707 – 1713) eingesetzt, vgl. dazu Lünig, Theatrum Ceremoniale, Bd. 2, S. 1393 – 1395. Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 22, S. 36 f. Ebd., § 21, S. 34 – 36. Vgl. auch BArch AR 1-IV/78, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 20. August 1677, fol. 151r–155v; Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2, § 27, S. 13. Bei Philipp Christoph von Sötern 1611 führte die Verhandlungen der Präsident des Reichskammergerichts noch persönlich. Vgl. ebd., § 26, S. 13. Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2, § 27, S. 13 f. Belegt ist ein Kommissar für Wilhelm von Baden-­Baden 1652 und Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein 1746. Zu Baden vgl. BArch AR 1-IV/15, Wilhelm von Baden-­Baden an das Reichskammergericht, Baden-­Baden 18. Mai 1652, fol. 113. Zu Hohenlohe vgl. dessen Korrespondenz mit seinem Kommissar Heinrich Balthasar Blum in HZA Neuenstein Ba 125 Bü 87. Folgende Kammerrichter waren vor der Übernahme des Kammerrichteramts Reichskammergerichtspräsidenten: Adam von Beichlingen (1492 – 1538), Johann II. von Montfort (+ 1547), Wilhelm Werner von Zimmern (1485 – 1575), Friedrich von Löwenstein (1528 – 1569), Franz Adolf Dietrich von Ingelheim (1659 – 1742), Ambrosius Franz von Virmond (1682 – 1744), Franz Joseph von Spaur (1725 – 1797), Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein (1759 – 1826), Heinrich Aloys von Reigersberg (1770 – 1865).

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den Kammerrichter einzusetzen, wozu eben auch der actus resignationis gehöre.135 Wie bei der Notwendigkeit, dass der Kammerrichter bei Amtsaufgabe dies sowohl beim K ­ aiser als auch beim Gericht tun musste, kommt hier eine doppelte Bindung zum Ausdruck.136 Bei Ingelheim selbst und auch in der Folgezeit erfolgte die Resignation des Präsi­ dentenamts entweder am Tag der Einsetzung als Kammerrichter selbst oder am Tag zuvor.137 Dazu fuhr der designierte Kammerrichter ohne besonderes Gepränge zu einer Plenumssitzung des Reichskammergerichts. Er nahm an dieser nicht förmlich teil, sondern wohnte ihr nur zu Beginn oder gegen Ende für eine begrenzte Zeit bei. So resignierte Ambrosius Franz von Virmond 1742 sein Präsidentenamt am Anfang einer Plenumssitzung und verließ unmittelbar danach das Gericht wieder.138 Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein 1797 und Heinrich Aloys von Reigersberg 1803 dagegen kamen erst ins Gericht, nachdem das Plenum unter dem Vorsitz des anderen der beiden Präsidenten oder des Vizepräsidenten zusammengetreten war, und warteten in einem Nebenzimmer, bis sie in die Ratsstube gerufen wurden.139 Dort nahmen sie ihren üblichen Platz ein und resignierten förmlich. Anschließend hielten sie eine kleine Ansprache, wie beispielsweise 1803 Reigersberg, der dem Gericht für die gute Zusammenarbeit während seiner Zeit als Assessor und als Präsident dankte.140 Die Resignation wurde im Plenumsprotokoll vermerkt, und anschließend verließ der designierte Kammerrichter das Gericht wieder. II.3.2 Die Befragung des designierten Kammerrichters Am Tag der Einsetzung versammelten sich die Angehörigen des Kameralkollegiums im Plenumssaal. Zunächst wurde der Protonotar zum Quartier des designierten Kammerrichters gesandt, um zu erfragen, zu welcher Zeit er bereit sei, eine Deputation des Gerichts zu empfangen. Die Antwort wurde dem Plenum des Gerichts mitgeteilt, woraufhin die Deputation zur genannten Zeit zum Quartier 135 BArch AR 1-IV/42, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 22. Mai 1730, fol. 11r–13r. 136 Vgl. dazu Kap. II.2. 137 Vgl. die Angaben in Anm. 130. Vgl. auch Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2, § 31 – 33, S. 15; Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 31, S. 51 f. 138 BArch AR 1-IV/49, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 23. Oktober 1742, fol. 137. 139 HHS tA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Friedrich Karl Joseph von Mainz, Wetzlar 8. November 1797; das Reichskammergericht an Karl Theodor von Mainz, Wetzlar 14. Oktober 1803. 140 HHS tA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Karl Theodor von Mainz, Wetzlar 14. Oktober 1803, Anlage C.

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Das Kammerrichteramt

des Kammerrichters aufbrach.141 Im 18. Jahrhundert wurde die Deputation dort von einem oder zwei Kavalieren aus dem Hofstaat des Kandidaten vor der Tür empfangen und in ein Empfangszimmer geleitet, in dem der designierte Kammer­richter wartete.142 Die Deputierten erkundigten sich zunächst bei ­diesem, zu welcher Zeit sie ihn zu seiner Einsetzung abholen dürften. Dann folgte ihre eigentliche Aufgabe, nämlich die Frage, ob er Verpflichtungen habe, die mit dem Kammerrichteramt unvereinbar ­seien.143 Diese Frage bezog sich auf die in der Reichskammergerichtsordnung von 1555 und im Konzept von 1613 verankerte Norm, dass sowohl der Kammerrichter als auch die Präsidenten und Assessoren niemandem außer dem Reichskammergericht per Eid verpflichtet sein sollten.144 Das sollte die Fähigkeit der Gerichtsangehörigen sicherstellen, unabhängig Recht zu sprechen, und damit die Autonomie der Verfahren gewährleisten. Um zu prüfen, ob dies tatsächlich zutraf, wurden sie vom Gericht vor ihrer Aufschwörung hierzu befragt. Bei den Präsidenten und Assessoren geschah das während des sogenannten Generalexamens, in dem sie sich auch zu ihrer familiären Herkunft, ihrer ehrlichen Geburt, 141 Im 16. und 17. Jahrhundert bestand die Deputation aus vier Assessoren, seit der Einsetzung Franz Alexanders von Nassau-­Hadamar im Jahre 1711 reduzierte sie sich auf zwei. Georg Melchior Ludolf mutmaßt in seinem großen Werk über das Reichskammer­gericht, dass die Anzahl der Deputierten verkleinert worden sei, da vier Deputierte nicht gemeinsam mit dem Kammerrichter in der Kutsche fahren konnten, während dies zu früherer Zeit kein Problem dargestellt habe, da die Kammerrichter zu Fuß zum Gericht gegangen s­ eien (vgl. Ludolf, Modestini et Pomponii, S. 336). 1742 griff der Assessor ­Friedrich Erdmann von Glaubitz bei den Verhandlungen zur Einsetzung ­Ambrosius Franz‘ von Virmond diese Argumentation auf (vgl. BA rch AR 1-IV /49, Friedrich Erdmann von Glaubitz, Votum wegen der Introduktion des Herrn Cammer Richters, 24. Oktober 1742, fol. 153 f., vgl. auch Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2, § 39, S. 17 f.). Gegen diese Vermutung spricht jedoch, dass auch schon 60 Jahre zuvor ­Wilhelm von Baden-­Baden sich bei seiner Einsetzung 1652 von seinem Quartier, das er im Johanniterhof bei seinem Prokurator Johannes Wallraff genommen hatte, in der Kutsche zum Gericht begab, vgl. GLA Karlsruhe Abt. 46/2713, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, [1. Juni 1652] (Kopie). 142 Bei der Einsetzung Ambrosius Franz‘ von Virmond 1742 empfing lediglich der Cavalier Herr von Trott die Deputation (vgl. BArch AR 1-IV/49, Plenumsprotokoll des Reichskammer­ gerichts, 24. Oktober 1742, fol. 148), während diese vier Jahre später bei der Einsetzung Karl Philipps von Hohenlohe-­Bartenstein 1746 von den beiden Kavalieren von Tettenborn und von Kayserfeld begrüßt wurde (vgl. BArch AR 1-IV/51, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 28. Juni 1746, fol. 61v). Vgl. auch Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2, § 42, S. 18 f. 143 Vgl. die Einsetzungsbeschreibungen in Anm. 130. Vgl. auch Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 14 f., S. 23 – 30. 144 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 6, § 2, S. 80. Vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 5, § 10, S. 339.

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ihrer Ausbildung und anderen ­Themen äußern mussten.145 Anfangs unterzog man offenbar auch den Kammerrichter einem solchen Examen, unterließ es aber bald, da dies als der Würde des Kaisers und dem Stand des Kammerrichters unangemessen angesehen wurde. Bei der Einsetzung Marquards von Hattstein 1569 entschied das Reichskammergericht dementsprechend, dem designierten Kammerrichter das Examen bis auf die Frage nach den Eiden zu erlassen.146 Philipp d. Ä. von Winneburg wurde vom Reichskammergericht 1582 zusätzlich lediglich zu seiner Konfession befragt.147 Die Frage des Examens wurde ein letztes Mal 1677 bei der Einsetzung Johann Hugos von Orsbeck diskutiert, der im Vorfeld mitgeteilt hatte, dass er sich nicht gerne examinieren lassen wolle, da dies seinem Rang als Kurfürst von Trier widerspreche.148 Offenbar wurde er daraufhin nicht nur vom allgemeinen Examen, sondern auch von der Frage nach seinen Verpflichtungen dispensiert. Seit der Einsetzung Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch im Jahr 1718 gehörte die Frage nach den anderen Eidverpflichtungen dann aber zum festen Repertoire der Einsetzung. Im Examen des designierten Kammerrichters, aber auch noch in der Prüfung eines möglichen Interessenkonflikts z­ wischen seinem Amtseid sowie anderen Eiden und Verpflichtungen deutet sich die Möglichkeit des Reichskammergerichts an, in Bezug auf den Kammerrichter eigenständige, vom K ­ aiser unabhängige Entscheidungen zu treffen, also autonom zu handeln. Auch wenn das Gericht faktisch den vom ­Kaiser ernannten Kammerrichter nicht ablehnen konnte, so enthält doch die Überprüfung durch ein Examen oder durch eine gestellte Bedingung kontrafaktisch diese Option. Und tatsächlich war die Frage nach anderen Eiden und Verpflichtungen nicht nur rhetorisch. Die meisten Kammerrichter des 17. und 18. Jahrhunderts hatten vor ihrer Einsetzung vom ­Kaiser das Amt eines kaiserlichen Geheimen Rats erhalten.149 Zwar hatte d ­ ieses gegen Ende des 17. Jahrhunderts seine politische Bedeutung mehr und mehr verloren und sich zu einem reinen Hofehrenamt entwickelt, das vom 145 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 24, S. 376. Die Assessoren absolvierten zusätzlich noch ein sogenanntes Spezialexamen, in dem die fachliche Qualifikation des Kandidaten geprüft wurde. Dieser bearbeitete eine Gerichtsakte und fertigte darüber eine sogenannte Proberelation an. Anschließend wurde er von einer Deputation des Gerichts dazu examiniert. Vgl. ebd., Bd. 8,2, § 38 – 40b, S. 422 – 425; Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 168 – 342. 146 Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 15, S. 25. 147 Ebd., § 15, S. 25. 148 BA rch AR 1-IV /78, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 20. August 1677, fol. 151r–155v. 149 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 10, S. 363, u. § 25, S. 376. Vgl. dazu auch Kap. III.3.4.

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Das Kammerrichteramt

­ aiser für besondere Verdienste des Geehrten oder dessen Familie vergeben wurde.150 K Dennoch hatten die kaiserlichen Geheimen Räte, wenn auch nicht immer praktisch, mit der Amtsübernahme dem K ­ aiser die Treue geschworen. Damit waren sie offiziell nicht nur dem Reichskammergericht, sondern auch dem K ­ aiser verpflichtet.151 Im 17. Jahrhundert scheint die Verquickung des Kammerrichteramts mit dem eines kaiserlichen Rats noch unproblematisch gewesen zu sein. Philipp Christoph von Sötern antwortete bei seiner Einsetzung 1611 auf die Frage der Deputation, dass er niemandem außer dem Hochstift Speyer und als kaiserlicher Rat dem ­Kaiser verpflichtet sei, woran kein Anstoß genommen wurde.152 Und auch bei der Einsetzung Wilhelms von Baden-­Baden 1652, der Geheimer Rat ­Kaiser Ferdinands III. war, wurde die mögliche Einschränkung seiner Unabhängigkeit nicht thematisiert.153 Bei Johann Hugo von Orsbeck 1677 und Franz Alexander von Nassau-­Hadamar 1711 verzichtete man auf die Frage sogar vollständig.154 Erstmals problematisiert wurde sie 1718 bei der Einsetzung Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch. Offenbar befürchtete Fürstenberg in Bezug auf seine Geheime Ratswürde einen Konflikt mit dem Reichskammergericht, weshalb er im Vorfeld beim Kaiserhof anfragte, wie er sich in der Frage eines Generalexamens, insbesondere in Bezug auf seine Würde als kaiserlicher Geheimer Rat, verhalten solle. Von dort wies man ihn an, zunächst, wie Johann Hugo von Orsbeck 1677, vom Reichskammergericht einen Dispens für das Generalexamen zu verlangen.155 Wenn das fehlschlagen sollte, 150 Pečar, Die Ökonomie der Ehre, S. 28 – 31. 151 Vgl. dazu auch Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 116 – 118. 152 HHStA Wien MEA RKG 19, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 1. April 1611 (Kopie). 153 HHStA Wien MEA RKG 19, das Reichskammergericht an Johann Philipp von Mainz, Speyer 6. Juli 1652; GLA Karlsruhe Abt. 46/2713, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, [1. Juni 1652] (Kopie). Wilhelm von Baden-­Baden war 1633 von K ­ aiser Ferdinand II. erstmals zum kaiserlichen Geheimen Rat ernannt worden. Vgl. dazu HHStA Wien RK Geh. Räte 1, ­Kaiser Ferdinand II. an Wilhelm von Baden-­Baden, o. O. 2. August 1633 (Konzept); ders. an dens., o. O. 12. Dezember 1633 (Konzept). Dieser Titel wurde 1643 offenbar von dessen Sohn ­Kaiser Ferdinand III. erneuert, vgl. GLA Karlsruhe Abt. 46/2712, Wilhelm von Baden-­Baden an ­Kaiser Ferdinand III., Linz 6. Januar 1645 (Konzept). In dem Schreiben entschuldigt sich Baden, bisher den Eid als kaiserlicher Geheimer Rat noch nicht abgelegt zu haben. 154 Johann Hugo von Orsbeck war offenbar von der Frage nach seinen sonstigen Pflichten dispensiert worden, vgl. BArch AR 1-IV/78, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 20. August 1677, fol. 151r–155v. Franz Alexander von Nassau-­Hadamar wurde nicht vom Reichskammergericht selbst, sondern von der 1711 gerade tagenden außerordentlichen Visitationskommission eingesetzt, die die oben genannte Frage nicht gestellt zu haben scheint. Vgl. Lünig, Theatrum Ceremoniale, Bd. 2, S. 1393 – 1395. 155 HHStA Wien RK RKGVA 335, ­Kaiser Karl VI. an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­ Meßkirch, Wien 19. April 1718 (Konzept).

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solle er darauf verweisen, dass es keine Reichssatzung gebe, die untersage, dass ein kaiserlicher Geheimer Rat Kammerrichter werde. Immerhin sei ein solcher dem Reich auf besonders feierliche Weise verbunden. Auch von Seiten des Mainzer Erzkanzlers riet man Fürstenberg, er solle zunächst beim Kammerrichteramtsverweser den Verzicht auf das Generalexamen verlangen.156 Das Reichskammergericht beriet am 22. Juni 1718 über die Frage. Der katholische Assessor des schwäbischen Kreises Heinrich Christoph von Braillard lehnte in seinem Votum die Befragung Fürstenbergs ab, da diese, wie glimpflich sie auch eingerichtet würde, nicht nur ohnnöthig, sondern auch ry [?] darumb, weil ihre kays. Mayt. solches ungnädig aufnehmen könnten, daß man gleichsamb argwohnen und ansehen wolte, ob sie etwa dero arcani consilii erfahrenen Ministros mit Verbindlichkeiten beladen, w ­ elche juribus imperii vel singulorum statuum beschwerlich fallen dörfften. Der Assessor des niedersächsischen Kreises Philipp Helfrich Krebs plädierte dagegen dafür, dass in puncto der Com- oder Imcompatibilitat der cammerrichterlichen mit der kays. Geheimben Raths Pflicht durch die Deputierten eine General Anregung, man hofete, es werde die letztere der ersten nicht verhinderlich sein, gemacht werden solle, als dann auf der ­Antwort sich bedenckliche Umbstände äußeren, würde auf deren dem Collegio thuende Relation sich weiter davon reden laßen. Die Zugeständnisse, die das Gericht Johann Hugo von Orsbeck 1677 gemacht habe, hätten nur auf dem besonderen Respekt beruht, der ­diesem wegen seiner Stellung als Erzbischof von Trier gebührt habe. Das Plenum entschied sich schließlich für den Kompromiss, dass die Würde eines kaiserlichen Geheimen Rats mit dem Amt des Kammerrichters zwar grundsätzlich vereinbar sei, Fürstenberg aber von den Deputierten des Gerichts dennoch dazu befragt werden solle.157 Ein letztes Mal diskutierte das Gericht die Frage 1742 bei der Einsetzung von Ambrosius Franz von Virmond. Während der kurpfälzische Assessor Friedrich ­Erdmann von Glaubitz dafür eintrat, gänzlich auf die Frage nach der kaiserlichen Geheimen Ratswürde zu verzichten, plädierte der katholische Assessor des fränkischen Kreises Valentin Ferdinand von Gudenus dafür, dem designierten Kammerrichter 156 Vgl. den Bericht des kurmainzischen Kanzlers an den Erzkanzler Lothar Franz von Mainz über sein Gespräch mit Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch in HHStA Wien MEA RKG 19, der Mainzer Kanzler an Lothar Franz von Mainz, Frankfurt a. M. 24. Juni 1718. 157 BArch AR 1-IV/41, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 22. Juni 1718, fol. 36v – 40v. Nahezu zeitgleich ließ auch der Mainzer Erzkanzler dem Reichskammergericht einen ähnlichen Kompromiss nahelegen. So schlug er vor, Fürstenberg zwar zu fragen, ob er mit anderen Pflichten beladen sei, zugleich aber dessen Antwort zu akzeptieren, dass er keine Verpflichtungen habe, die mit dem Kammerrichteramt in Konflikt geraten könnten. Dieser­art könne man, so der Mainzer Erzkanzler, das Missfallen des Kaisers verhindern, vgl. dazu HHS tA Wien MEA RKG 19, Mainzer Kanzler an das Reichskammergericht, Frankfurt a. M. 24. Juni 1718 (Konzept).

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Das Kammerrichteramt

diesen Umstand seiner eidlichen Verpflichtung nicht zu leicht zu machen. Das Gericht entschied sich schließlich dafür, die Lösung von 1718 zu wählen.158 In der Folge wurde das Problem der Geheimen Ratswürde auf Reichsebene immer wieder thematisiert. Bei den Verhandlungen über die Wahlkapitulation Karls VII . ­zwischen 1740 und 1742 brachte Kurbrandenburg die Angelegenheit zur Sprache und forderte, folgenden Passus in Art. 16 § 8 einzufügen: Und ob gleich ein zeitlicher Cammerrichter und Präsident, als Unsere Kayserliche Geheime Räthe in Unserem besondern Pflichten stünden; so mögen und sollen doch diese derjenigen Verbindlichkeit nicht zu Hinderniß und Abbruch gereichen, womit Sie Uns, als Römischen Kayser, und dem Reich in Ansehung ihrer Cameral-­Functionen vor allem anderen Pflichten verwandt seynd.159 Die anderen Kurfürsten vertraten aber die Auffassung, dass der entsprechende Paragraph, der das Verbot kaiserlicher Verfügungen an das Reichskammergericht behandelt, bereits alles Notwendige enthalte.160 Und auch während der letzten Reichskammergerichtsvisitation (1767 – 1776) kam das Problem der Geheimen Ratswürde zur Sprache. Einige Delegierte, vorwiegend protestantischer Reichsstände, stellten den Antrag, dass der amtierende Kammerrichter Franz Joseph von Spaur zu seinem kais. wirklichen Geheimen Raths Charakters befragt werden solle, da das kaiserliche Amt des Geheimen Rats den Verfügungen in der Reichskammergerichtsordnung hinsichtlich der Freiheit von Eiden widerspreche.161 Die Vertreter des Kaisers und verschiedener anderer Reichsstände vertraten dagegen die Auffassung, dass beide Ämter vereinbar ­seien. Der Kurmainzer Delegierte argumentierte, dass der ­Kaiser als Inhaber der obersten Gerichtsgewalt im Reich jederzeit die Stelle des Kammerrichters einnehmen könne, der Kammerrichter als kaiserlicher Repräsentant und der K ­ aiser selbst also gar nicht voneinander zu trennen ­seien.162 Im Conclusum einigte man sich darauf, die Frage im Rahmen der Verbesserung des Konzepts der Reichskammergerichtsordnung erneut zu besprechen.163 Dazu kam es aber nicht mehr, und auch die beiden letzten Kammerrichter Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein und Heinrich Aloys von Reigersberg waren kaiserliche Geheime Räte. 158 BA rch AR 1-IV /49, Plenumsprotokolle des Reichskammergerichts, 23. u. 24. Oktober 1742, fol. 137r–160v. 159 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 10, S. 363. 160 Vgl. Wahlkapitulation von 1742, Art. XVI, § 8, in: Die Wahlkapitulationen der römisch-­ deutschen ­Kaiser und Könige, S. 700. 161 HHStA Wien RK RKGVA 70, Sessiones 419 u. 420 der Reichskammergerichtsvisitation, 17. u. 18. Mai 1770. Vgl. auch Schrötter, Gesammelte Original-­Briefe, Bd. 2, Nr. 45, Schreiben des Herrn von Y. an Herrn von Z., o. O. 16. Juli 1770, S. 33 – 35 (Zitat, S. 33). 162 HHStA Wien RK RKGVA 70, Sessio 419 der Reichskammergerichtsvisitation, 17. Mai 1770. 163 HHStA Wien RK RKGVA 70, Sessio 420 der Reichskammergerichtsvisitation, 18. Mai 1770.

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Die Bedeutung der Diskussion um die Geheime Ratswürde liegt nicht so sehr darin, ob der Kammerrichter der Problematik widerstreitender Eide in seiner Amtsausübung tatsächlich ausgesetzt war. Die Gefahr, dass er im Sinne des Kaisers handelte, war ohnehin gegeben.164 Vielmehr schadete die offene Dokumentation der engen Verbindung zum K ­ aiser der Darstellung eines autonomen Gerichts und damit der Legitimation seiner Entscheidungen.165 Dies zeigt sich am Beispiel Karl Philipps von Hohenlohe-­Bartenstein. 1746 trug ihm Kaiserin Maria Theresia das Amt eines königlich-­ungarischen Geheimen Rats an. Hohenlohe geriet durch diese an sich ehrenvolle Ernennung in eine missliche Situation. Zum einen fürchtete er, dass er und seine Familie durch eine Ablehnung bei der Kaiserin in Ungnade fallen könnten. Zum anderen hatte ihn der Reichsvizekanzler Rudolph Joseph von Colloredo darauf aufmerksam gemacht, dass die Übernahme der königlich-­ ungarischen Ratswürde im Widerspruch zu der in der Reichskammergerichtsordnung vorgeschriebenen Freiheit von sonstigen Verpflichtungen stand und dies zu Problemen führen könne.166 Nachdem der Mainzer Erzkanzler ihn dazu ermutigt hatte, wandte sich Hohenlohe in der Sache an K ­ aiser Franz I.167 Er wies dabei auf seine unverbrüchliche Treue zum K ­ aiser und seiner Gemahlin hin, argumentierte aber zugleich folgendermaßen: Der führende Caractere [einer Ratswürde] ist ein offentliches Zeugnus von einem auf sich habenden Special Nexu gegen diejenige hohe Person, von welcher man solchen erhalten. Außerdem sei die Verwaltung der Justitz-­ Pflege […] ohnehin denen beschwerlichsten Vorwürfen am allermehrsten ausgesetzt. Die häufigen Beispiele von Recurs-­Fällen und ungütlichen Beymessungen lägen vor Augen. Dies zeigten insbesondere die Vorwürfe, die seinem Amtsvorgänger Franz Adolf Dietrich von Ingelheim im Prozess ­zwischen Wilhelm VIII. von Hessen-­Kassel und dem Erzbischof von Mainz um das Freigericht Wilmundsheim gemacht worden ­seien, habe man doch an seiner Unbefangenheit gezweifelt, da er noch den Titel eines kurmainzischen wirklich Geheimen Rats getragen habe.168 Die Weigerung Hohenlohes wurde von der Kaiserin offenbar akzeptiert.

164 Vgl. dazu auch Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 118. 165 Vgl. dazu auch Loewenich, Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, S. 166 – 170. 166 HHS tA Wien MEA RKG 197b, Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein an Johann ­Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 20. September 1746. 167 HHS tA Wien MEA RKG 197b, Johann Friedrich Karl von Mainz an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Aschaffenburg 6. Oktober 1746 (Konzept); Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein an K ­ aiser Franz I., Wetzlar 18. Oktober 1746 (Kopie). 168 Vgl. dazu die in HHStA Wien RK RKGVA 337a enthaltenen Akten zur Causa des Freigerichts Wilmundsheim, und Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 199 f. Vgl. außerdem Kap. III.4.7.

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Das Kammerrichteramt

II.3.3 Die Einholung Nach Ende der Befragung des designierten Kammerrichters kam die Deputation zum Gericht zurück und berichtete dem Kameralkollegium das Ergebnis der Befragung. Anschließend fuhr sie zur vereinbarten Zeit wieder zum Quartier des Kammerrichters, um diesen feierlich zu seiner Einsetzung einzuholen.169 Die Deputierten galten, zumindest im Verständnis des Reichskammergerichts, als die Vertreter des gesamten Kameralkollegiums, obwohl der Kammerrichteramtsverweser sie allein auswählte.170 Joseph Anton Vahlkampf geht in seinem Werk zur Einsetzung der Kammerrichter 1803 noch einen Schritt weiter, indem er schreibt, dass sie nicht allein das Reichskammergericht repräsentierten, sondern das Reich als Ganzes.171 Der designierte Kammerrichter als zukünftiger kaiserlicher Repräsentant am Reichskammergericht wurde also nicht von Vertretern des Kaisers zur Einsetzung abgeholt, sondern von solchen des Reichskammergerichts als eigenständiger Institution. Diese wiederum repräsentierte – in einer erweiterten Interpretation – das Reich. Das Gericht brachte seinen Anspruch auf diesen Repräsentationscharakter öffentlich zum Ausdruck, indem die Deputierten den Weg zum Quartier des designierten Kammerrichters in einer sechsspännigen Equipage zurücklegten.172 In Wetzlar war dazu an sich nur der Kammerrichter als kaiserlicher Repräsentant berechtigt, da ­dieses Herrschaftszeichen den Souveränen und ihren Vertretern vorbehalten war. War das Kammerrichteramt vakant, kam d­ ieses Recht dem Amtsverweser zu. Daher gehörte ihm auch die Kutsche, in der die Deputation fuhr.173 Bei den beiden letzten Einsetzungen in den Jahren 1797 und 1803 fuhr die Deputation nur mit zwei Pferden.174 1797 war Wetzlar von den Franzosen besetzt, so dass die Souveränität des Reichs nicht demonstriert werden konnte.175 Bei Heinrich Aloys von Reigersberg 169 Vgl. die Angaben in Anm. 130. 170 Zum Repräsentationsanspruch vgl. BArch AR 1-IV/49, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 24. Oktober 1742, fol. 149v, und Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 26, S. 42 f. 171 Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 26, S. 42. 172 Vgl. die Angaben in Anm. 130. Vgl. auch Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2, § 40, S. 18; Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 26, S. 40 – 43. 173 Vgl. die Angaben in Anm. 130. Vgl. auch Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2, § 40, S. 18; Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 26, S. 40 – 43. 174 HHS tA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Friedrich Karl Joseph von Mainz, Wetzlar 8. November 1797 (Oettingen); das Reichskammergericht an Karl ­Theodor von Mainz, Wetzlar 14. Oktober 1803 (Reigersberg). 175 Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 26, S. 41 f.

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1803 wird ein profanerer Grund angegeben: Der Platz vor seinem Wohnhaus habe für eine sechsspännige Kutsche nicht ausgereicht.176 Denkbar ist allerdings auch, dass hier der zunehmende Bedeutungsverlust zeremonieller Formen am Ende des 18. Jahrhunderts eine Rolle spielte. Des Weiteren beanspruchte das Gericht, dass den Deputierten auf ihrem Weg zum kammerrichterlichen Quartier besondere Ehrbezeugungen erwiesen wurden. Am Morgen der Einsetzung zogen in der Stadt die Bürgerschaft sowie Truppen des Landgrafen von Hessen-­Darmstadt, die dieser kraft seiner Vogteirechte nach Wetzlar entsandte, in Waffen auf. Sie säumten die Straßen ­zwischen dem Quartier des Kammerrichters und dem Kameralhaus und gaben dem vorbeifahrenden Kammerrichter als kaiserlichem Repräsentanten und folglich als Vertreter des Stadtoberhaupts der Reichsstadt Wetzlar die Honneurs.177 Das Reichskammergericht forderte, dass ähnliche Ehrbezeugungen auch seinen Deputierten erwiesen werden müssten. Dem kamen Bürgerschaft und Darmstädter Truppen jedoch nicht immer oder nicht in voller Gänze nach, was zu für das 18. Jahrhundert typischen Zeremonialkonflikten führte. Bei der Einsetzung von Ambrosius Franz von Virmond 1742 präsentierten die Bürgerschaft und die Darmstädter Milizen bei der ersten Fahrt der Deputation zum Quartier des Kammerrichters nicht das Gewehr.178 Nach deren Rückkehr ins Kameralhaus bestellte das Reichskammergericht den Kommandeur der Darmstädter Truppen ein, um ihm darzulegen, dass die Deputation das Reichskammergericht repräsentiere und es deshalb dem Decorum entspreche, auch ihr militärische Ehren zu erweisen. Der Kommandeur entschuldigte sich und veranlasste, dass seine Truppen bei der zweiten Fahrt der Deputation zum Quartier des Kammerrichters die geforderte Ehrbezeugung nachholten. Zu einem ähnlichen Konflikt kam es 1763 bei der Einsetzung Franz Josephs von Spaur. Bei der ersten Fahrt der Deputation zur kammerrichterlichen Residenz war das Spiel zwar gerühret, von den in Parade gestandenen Officiers aber die Honneurs mit ihren Spontons nicht erwießen worden.179 Das Gericht ließ daraufhin den in Wetzlar anwesenden Kommissar des Landgrafen von Hessen-­Darmstadt zum Gericht beordern 176 Ebd., § 26, S. 42. 177 Vgl. die Angaben in Anm. 130. Vgl. auch Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2, § 35, S. 16; Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 23, S. 35 f. 178 BA rch AR 1-IV /49, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 24. Oktober 1742, fol. 149v–150v. Vgl. auch Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen K ­ ammerrichters, § 26, S. 40 – 43. 179 BA rch AR 1-IV /54, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 5. September 1763, fol. 34r. Vgl. auch Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 26, S. 43.

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Das Kammerrichteramt

und teilte ihm mit, dass die Deputation einen anderen Weg zum Gericht nehmen werde, wenn deren Ehrung für die zweite Fahrt zum kammerrichterlichen Quartier nicht zugesagt würde.180 Bei den letzten beiden Einsetzungen von Kammerrichtern in den Jahren 1797 und 1803 waren weder die Bürgerschaft noch die Darmstädter Truppen anwesend. Bei Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein 1797 war Wetzlar, wie bereits erwähnt, von französischen Truppen besetzt, weshalb man auf die militärischen Ehren ursprünglich vollständig verzichten wollte.181 Der französische Kommandeur veranlasste jedoch, dass diese von seinen Truppen übernommen wurden. 1803 war der Erzbischof von Mainz neuer Stadtherr, so dass Kurmainzer Truppen die Straßen säumten.182 Auch ihr Kommandant wurde vom Reichskammergericht darauf hingewiesen, dass militärische Ehrbezeugungen nicht nur dem Kammerrichter, sondern auch der Deputation zuständen, da diese ­Kaiser und Reich repräsentierten. Der Kommandant der Kurmainzer Truppen kam daraufhin dem Wunsch des Gerichts nach.183 Die Deputierten wurden im Rahmen ihrer zweiten Fahrt bei ihrer Ankunft am Quartier des designierten Kammerrichters erneut von Kavalieren empfangen, die sie zum Kammerrichter in den Audienzsaal geleiteten.184 Nach dem Austausch weiterer Höflichkeiten schritten Kammerrichter und Deputierte hinunter vor das Tor und bestiegen gemeinsam die sechsspännige persönliche Kutsche des designierten Kammerrichters. Angehörige des kammerrichterlichen Hofstaats fuhren in prächtigen Wagen der Leibkutsche des Kammerrichters vorweg. Die Kutsche des Kammerrichteramtsverwesers, mit der die Deputierten gekommen waren, folgte leer.185 Links und rechts des Weges präsentierten die Truppen ihre Gewehre, zusätzlich wurden Salutschüsse abgegeben.

180 BA rch AR 1-IV /54, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 5. September 1763, fol. 34r–35r. 181 HHS tA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Friedrich Karl Joseph von Mainz, Wetzlar 8. November 1797. Vgl. auch Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 24, S. 38 f. 182 HHS tA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Karl Theodor von Mainz, Wetzlar 14. Oktober 1803. 183 Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 26, S. 43. 184 Vgl. die Angaben in Anm. 130. Vgl. auch Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 35, S. 55 f. 185 Vgl. die Angaben in Anm. 130. Vgl. auch Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2, § 45, S. 19 f.

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II.3.4 Vereidigung, Inthronisation und Übergabe des Kammerrichterstabs Am Kameralhaus angekommen, erwartete der dienstälteste Pedell den Kammerrichter und die Deputierten und trug ihnen den Kammerrichterstab auf ihrem Weg in den Plenumssaal voran.186 Dort saß der Kammerrichteramtsverweser auf dem Kammerrichterthron. Zu seinen beiden Seiten hatten alle Assessoren sowie gegebenenfalls ein weiterer Präsident mit bedeckten Häuptern Platz genommen, und zwar gemäß dem Rang der Reichsstände, die sie dem Gericht präsentiert hatten. Diese zeremonielle Anordnung, wie sie auch während der Audienzen des Gerichts eingenommen wurde, entsprach den Repräsentationsformen auf dem Reichstag beim Verlesen der Proposition oder beim Sitzen in Majestate. Dabei saß der K ­ aiser erhöht auf einem Thron, während die Kurfürsten zu beiden Seiten auf Bänken Platz nahmen. Diese Gruppierung von K ­ aiser und Kurfürsten war der älteste Kern des Reichstags und diente seit dem 15. Jahrhundert in den Druckmedien als Pars pro Toto für das gesamte Reich.187 Der designierte Kammerrichter als zukünftiger kaiserlicher Repräsentant am Reichskammer­gericht trat so quasi vor das Reich, das ihn anschließend in sein Amt einsetzte. Der Repräsentationscharakter des Reichskammergerichts wurde zusätzlich durch den Umstand unterstrichen, dass sich sowohl der Kammerrichteramtsverweser als auch das Kollegium zwar beim Eintritt des designierten Kammerrichters und der Deputierten erhoben und zur Begrüßung die Hüte abnahmen, bei der darauffolgenden Ansprache des Amtsverwesers aber wieder Platz nahmen und die Hüte wieder aufsetzten, während der designierte Kammerrichter und die Deputierten vor ihnen stehen blieben.188 Auch während der Verlesung des Eides durch den Protonotar blieben sie sitzen. Erst zur Vereidigung selbst standen der Amtsverweser und das Kollegium wieder auf und nahmen ihre Hüte ab. Hinzu kam, dass der Kammerrichter allein vor das Gericht treten musste, da seinem Gefolge der Zutritt zum Plenumssaal verwehrt blieb.189 Diese starke zeremonielle Stellung des Gerichts stieß bei Johann Hugo von Orsbeck im Vorfeld seiner Einsetzung 1677 auf Kritik, weil dadurch seinem Rang als Erzbischof von Trier nicht entsprochen werde. Er forderte deshalb, dass ihm das Kollegium vor 186 Vgl. die Angaben in Anm. 130. Vgl. auch Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 36, S. 57 f.; Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2, § 49, S. 21 f. 187 Stollberg-­Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 55 – 6 4; dies., Die Würde des Gerichts, S. 196 f. Vgl. auch Kap. II.5. 188 Vgl. die Angaben in Anm. 130. 189 Vgl. die Angaben in Anm. 130. Bei den Beratungen des Plenums vor der Einsetzung Johann Hugos von Orsbeck 1677 wurde auf d ­ ieses Detail besonderer Wert gelegt, vgl. BArch AR 1-IV/78, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 22. August 1677, fol. 151v.

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Das Kammerrichteramt

dem Gerichtssaal entgegengehen solle und dass ihm ein Sessel bereitgestellt werde, auf den er sich bis zum Beginn der Vereidigung setzen könne.190 Das Gericht diskutierte die Forderungen Orsbecks im Plenum. Insbesondere der Assessor Heinrich Achilles Buwinghausen von Walmerode merkte an, Orsbeck sei anscheinend nicht bewusst, dass er nicht als Kurfürst von Trier vor das Reichskammer­gericht trete. Außerdem sei er, bevor er seinen Eid geleistet habe, noch nicht Kammerrichter. Orsbeck solle deutlich gemacht werden, dass das Reichskammergericht bzw. jeder einzelne Assessor ­Kaiser und Reich repräsentiere. Auch die anderen Assessoren wiesen die Ansprüche Orsbecks zurück. Um dem designierten Kammerrichter aber entgegenzukommen, entschied das Plenum, dass man ihm zwar nicht entgegengehen und ihm auch keinen eigenen Sessel zur Verfügung stellen werde. Das gesamte Kollegium werde aber während der Verlesung des Eides aufstehen.191 Diese Lösung scheint jedoch auf die Einsetzung Orsbecks beschränkt geblieben zu sein. Die Vereidigung und die Einsetzung selbst nahm der Kammerrichteramtsverweser vor, der seinerseits ein kaiserlicher Repräsentant war. War er selbst zum neuen Kammerrichter ernannt worden, wie 1730 Franz Adolf Dietrich von Ingelheim oder 1803 Heinrich Aloys von Reigersberg, übernahm der zweite der b­ eiden Präsidenten seine Einsetzung.192 Stand jedoch kein Präsident zur Verfügung, ergab sich das Problem, wer die Aufgabe dann übernehmen sollte. Zum ersten Mal belegt ist dieser Fall für die Einsetzung Wilhelms von Baden-­Baden 1652, als sich wegen des schlechten Zustands des Reichskammergerichts kein Präsident in Speyer aufhielt. Die Einsetzung vollzog daraufhin der Kurmainzer Assessor, der als Vizepräsi­dent Vertreter der beiden Präsidenten war.193 Allerdings war der Vizepräsi­ dent kein kaiserlicher Repräsentant, weshalb der Kammerrichter hier von einem Vertreter des Reichs in sein Amt eingesetzt wurde. K ­ aiser Ferdinand III. bemühte sich offensichtlich, diese Konstellation zu verhindern, indem er den Mainzer Erzkanzler anwies, die Installation als kaiserlicher Kommissar durchzuführen. Dieser Plan misslang jedoch.194 190 BArch AR 1-IV/78, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 22. August 1677, fol. 151v. 191 Ebd., fol. 151v–153v. 192 BArch AR 1-IV/42, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 22. Mai 1730, fol. 11r – 18v (Ingelheim); BA rch AR 1-IV /49, Plenumsprotokolle des Reichskammergerichts, 23. u. 24. Oktober 1742, fol. 137r–160v (Virmond); BArch AR 1-IV/54, Plenumsprotokolle des Reichskammergerichts, 2., 3. u. 5. September 1763, fol. 18ar–38r. (Spaur); HHStA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Friedrich Karl Joseph von Mainz, Wetzlar 8. November 1797 (Oettingen); das Reichskammergericht an Karl Theodor von Mainz, Wetzlar 14. Oktober 1803 (Reigersberg). 193 HHS tA Wien MEA RKG 19, das Reichskammergericht an Johann Philipp von Mainz, Speyer 6. Juli 1652 (Baden). 194 Vgl. dazu Kap. II.1.

Die Amtseinsetzung des Kammerrichters

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Erneut stellte sich das Problem der Nicht-­Verfügbarkeit eines Präsidenten erst wieder bei der Einsetzung Franz Josephs von Spaur 1763. Bei dieser Gelegenheit wurde es ausführlich diskutiert. Spaur selbst war zweiter Präsident. Der Kammerrichteramtsverweser Karl zu Wied-­Runkel war zu ­diesem Zeitpunkt sehr hinfällig und krank, weshalb er voraussichtlich nicht zur Verfügung stand.195 Auf Seiten des Mainzer Erzkanzlers war man nicht sicher, ob auch ein Assessor den Kammerrichter einsetzen könne, da dies nicht dem alten Herkommen entspreche. Der Reichsvizekanzler Rudolph Joseph von Colloredo wurde deshalb gebeten, sich beim K ­ aiser zu erkundigen.196 Um eine eigenmächtige Einsetzung durch das Reichskammer­ gericht zu verhindern, wies der Erzkanzler außerdem den Kanzleiverwalter F ­ riedrich ­Wilhelm Rüding in Wetzlar an, das kaiserliche Präsentationsschreiben gegebenenfalls vom Gericht zurückzufordern, falls Wied nicht zur Verfügung stehe.197 Da sich aber Wied ausreichend genug erholte, um Spaur in sein Amt einzusetzen,198 ist nicht bekannt, wie der ­Kaiser entschieden hätte. Erst anlässlich der Einsetzung von Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein 1797 stand wieder kein Präsident zur Verfügung, da Oettingen selbst Präsident war und der Kammerrichteramtsverweser Johann Siegmund Karl von ­Thüngen nicht zur Einsetzung erscheinen konnte. Die Diskussion der Mainzer Seite lässt jedoch hier deutlich andere Akzente erkennen. So riet der kurmainzische Kanzler Franz Joseph von Albini dazu, dem Gericht selbst die Entscheidung zu überlassen.199 Der Mainzer Erzkanzler adressiere den Einsetzungsbefehl unspezi­ fiziert an das gesamte Gericht und führe nicht aus, wer genau die Einsetzung 195 HHStA Wien MEA RKG 254, Emmerich Joseph von Mainz an Franz Joseph von Spaur, Mainz 12. August 1763 (Konzept). 196 HHS tA Wien MEA RKG 254, Emmerich Joseph von Mainz an Rudolph Joseph von ­Colloredo, Mainz 12. August 1763 (Konzept). 197 BArch AR 1-Misc./631, Emmerich Joseph von Mainz an Friedrich Wilhelm Rüding, Mainz 22. August 1763. 198 HHStA Wien MEA RKG 254, Friedrich Wilhelm Rüding an Emmerich Joseph von Mainz, Wetzlar 28. August 1763; das Reichskammergericht an Emmerich Joseph von Mainz, Wetzlar 12. September 1763 (Konzept in BArch AR 1-Misc./631). Das Gericht diskutierte unmittel­ bar vor der Einsetzung Spaurs, ob des Herrn Grafen von Wied Excellenz in Ansehung ihres hohen Alters und darauf herschließend Unbequemlichkeit während der Einsetzung nicht ein eigenes kleines Fußbrett auf letzterem Fall zugerichtet und die Staffel zu dero Commodität verlangert werden solle. Man einigte sich darauf, die Entscheidung Wied selbst zu überlassen, vgl. BArch AR 1-IV/54, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 3. September 1763, fol. 19v–21v. 199 HHS tA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Franz Joseph von Albini, Wetzlar 9. Oktober 1797; Franz Joseph von Albini an Hermann Theodor Moritz Hoscher, Mainz 10. Oktober 1797 (Kopie); Hermann Theodor Moritz Hoscher an Franz Joseph von Albini, Wetzlar 10. Oktober 1797; ders. an dens., Wetzlar 11. Oktober 1797.

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Das Kammerrichteramt

vornehmen solle.200 Tatsächlich wurde Oettingen nicht vom Präsidenten ­Thüngen, sondern vom Vizepräsidenten und Kurmainzer Assessor Ignaz Friedrich von Gruben installiert. Allerdings durfte Gruben während der Einsetzung nicht auf dem Thron des Kammerrichters sitzen, sondern saß auf seinem gewöhn­ lichen Platz.201 Er handelte damit nicht als kaiserlicher Repräsentant, sondern als Teil des Kollegiums. Hier wurde dem Reichskammergericht also eine stärkere eigene Handlungskompetenz zugebilligt, als es noch 1652 und 1763 der Fall war. Vordergründig folgt dies der Interpretation, dass das Reichskammergericht als Repräsentant des Reichs den Kammerrichter einsetzt. Allerdings ist anzunehmen, dass der in der Endphase des Alten Reichs bereits verbreitete Bedeutungsverlust zeremonieller Fragen eine Rolle spielte und das Problem deshalb in erster Linie pragmatisch gelöst wurde.202 Bei der Vereidigung verlas der Protonotar den Eid, während der Amtsverweser dem designierten Kammerrichter den Kammerrichterstab ad cavendum hinhielt, auf den dieser zwei Finger legte. Anschließend sprach er ihm die sogenannten Bestabungsworte vor, womit der Kammerrichter gelobte, den verlesenen Eid mit Gottes Hilfe zu befolgen.203 Der Kammerrichter sprach den Eid nach und erhob die rechte Hand zum Schwur. Eidesleistungen waren, und sind es bis heute, Teil der meisten Amtseinsetzungen. Sie dienen der Bekräftigung der Bindung an die Person oder an die Institution, der sie geschworen werden. Insbesondere in der Vergangenheit wurde ihnen durch die Anrufung Gottes besonderes Gewicht verliehen. Sollte der Eid nicht eingehalten werden, wurde Gott zum Strafenden bestimmt.204 Für das Verständnis eines Amts ist die Eidformel von besonderer Bedeutung, kommt doch in ihr zum Ausdruck, wem die Verpflichtung des Amtsinhabers gilt. Die erste Reichskammergerichtsordnung von 1495 regelte, der Kammerrichter und die Beisitzer 200 HHStA Wien MEA RKG 254, Franz Joseph von Albini an Philipp Karl von Oettingen-­ Wallerstein, Mainz 16. Oktober 1797 (Konzept). 201 HHS tA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Friedrich Karl Joseph von Mainz, Wetzlar 8. November 1797. Der Kanzleiverwalter Hoscher hatte schon im Vorfeld darauf hingewiesen, dass im Falle der Kammerrichtereinsetzung durch einen Assessor d­ ieser auf keinen Fall auf dem Kammerrichterthron Platz nehmen dürfe. Vgl. ebd., Hermann Theodor Moritz Hoscher an Franz Joseph von Albini, Wetzlar 11. Oktober 1797. 202 Zum Bedeutungsverlust zeremonieller Handlungen vgl. Stollberg-­Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 310 – 314. 203 Zu den Bestabungsworten vgl. die Beschreibung der Einsetzung Franz Alexanders von Nassau-­Hadamar 1711 in Lünig, Theatrum Ceremoniale, Bd. 2, S. 1394. Zum übrigen Ablauf vgl. die Angaben in Anm. 130. 204 Althoff, Das Grundvokabular der Rituale, S. 153 f.; Holenstein, Seelenheil und Untertanen­ pflicht.

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sollten der Kueniglichen oder Keißerlichen Mayestat globen und zu den Heyligen schweren, unnserm Kueniglichen oder Keyßerlichen Camer-­Gericht getrewlich und mit Fleyß obzusein […].205 Auch wenn die Verbindung zum K ­ aiser hergestellt wird, fehlt der direkte Bezug auf K ­ aiser und Reich. Vielmehr sollte der Kammerrichter allein dem Reichskammergericht verpflichtet sein. Damit war für den kaiserlichen Repräsentanten am Gericht ein erhebliches Maß an Unabhängigkeit vorgesehen, das der Autonomie des Gerichts zu Gute kam.206 Noch gesteigert wurde dies in der Reichskammergerichtsordnung von 1555, wo es heißt: Es sollen auch cammerrichter und die beisitzer ein jeder, zuvor und eher er aufgenommen wirdt, ein eydt zu Gott und auf das heylig evangelium schweren, dem keiserlichen cammergericht getrewlich und mit fleyß obzusein […].207 Hier fehlt der Bezug zum ­Kaiser vollständig. Wenig später gelang es dem K ­ aiser jedoch, die starke Differenzierung z­ wischen ihm und seinem Repräsentanten zurückzunehmen und einen engeren Bezug zu sich selbst herzustellen. Der Visitationsabschluss von 1556 und der Reichsabschied von 1557 sahen vor, dass Kammerrichter und Assessoren schwören sollten, ihrer Kays. Majest. und dem Reich getreu und gehorsam zu seyn.208 Dennoch weist auch die geänderte Eidesformel im Vergleich mit der des Reichshofratspräsidenten, des Vorstehers des anderen Höchstgerichts im Reich, ein weit höheres Maß an Unabhängigkeit vom ­Kaiser auf. Dieser legte seinen Eid im Geheimen Rat direkt in die Hände des ­Kaisers ab und gelobte nicht nur, ­Kaiser und Reich jederzeit getreu zu dienen, sondern auch die kaiserliche Ehre und den kaiserlichen Nutzen jederzeit zu fördern.209 Nach der Vereidigung setzte der Amtsverweser den Kammerrichter im wörtlichen Sinne ein. Dazu führte er ihn zum Kammerrichterthron, auf dem der Kandidat Platz nahm, und überreichte ihm den Kammerrichterstab.210 Gerichtsstäbe waren ebenso wie Gerichtsschwerter alte Zeichen ­­ der Rechtsprechung. Sie symbolisierten die Gerichtsbarkeit des Gerichtsherrn und damit beim Reichskammergericht die Höchstgerichtsbarkeit des Kaisers im Reich.211 Der Gerichtsherr überreichte dem Richter den Gerichtsstab in der Regel anlässlich seiner Einsetzung und übertrug 205 Reichskammergerichtsordnung von 1495, § 3, S. 7. 206 Vgl. zur Bedeutung des Eides insgesamt für die Darstellung der Autonomie des Gerichts Loewenich, Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, S. 168 f. 207 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 57, S. 151. 208 [Reichs-]Abschied […] auf dem Reichs-­Tag zu Regensburg im Jahr 1557 aufgericht, § 21, S. 156. Vgl. auch Krebs, Quinquertium Camerale, S. 6. 209 Vgl. die Reichshofratsordnung von 1617 in: Die Ordnungen des Reichshofrates, Bd. 1, S. 166. Nach der Reichshofratsinstruktion von 1594 hatte der Reichshofratspräsident sogar nur dem ­Kaiser die Treue gelobt. Vgl. ebd., S. 59. 210 Vgl. die Angaben in Anm. 130. 211 Amira, Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, S. 84 – 111; Kocher, Richter und Stabübergabe, S. 87 f.

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Das Kammerrichteramt

ihm damit die Gerichtsbarkeit.212 Beim Reichskammergericht geschah dies nur ein einziges Mal bei seiner Einrichtung 1495, seitdem war der Stab dauerhaft beim Gericht verblieben.213 Daher übertrug nicht der ­Kaiser selbst, sondern sein Vertreter dem Kammerrichter die höchste Gerichtsbarkeit im Reich, wobei die Zeremonie das Reich als Ganzes symbolisierte.214 Mit der Überreichung des Kammerrichterstabs war die Einsetzung des Kammerrichters im Plenum vollzogen. Nun begab sich der Amtsverweser wieder zurück an den bisher leer gebliebenen Platz des Seniorpräsidenten zur Rechten des Kammerrichters und gratulierte d ­ iesem im Namen des Kollegiums.215 Mit ­diesem Schritt trat er zurück in seinen früheren Rang als Präsident. Der neue Kammerrichter erwiderte den Glückwunsch des Kollegiums mit einer Rede, in der er sich für seine Einsetzung bedankte und möglichenfalls einige persönliche Akzente setzte.216 Philipp Christoph von Sötern betonte 1611 beispielsweise, dass es geeignetere Kandidaten für das Amt gegeben hätte. Wilhelm von Baden-­Baden dagegen versprach 1652, so oft wie möglich in Speyer anwesend zu sein und sich für die Verbesserung der finanziellen Lage des Gerichts einzusetzen.217 Beide Aussagen hatten einen konkreten Hintergrund: Sötern hatte sich beim ­Kaiser mit dem angeführten Argument lange geziert, das Kammerrichteramt zu übernehmen.218 Bei Badens Einsetzung befand sich das Reichskammergericht in einem so desolaten Zustand, dass es beim ­Kaiser darauf gedrungen hatte, dass sich der neue Kammerrichter stets in Speyer aufhalten müsse.219 Nach der Gratulation begleiteten die Präsidenten und Assessoren den Kammerrichter aus dem Plenumszimmer hinaus bis zum unteren 212 Balemann, Beiträge zur Revision und Verbesserung, S. 203; Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­Gerichts, Bd. 2, § 44, S. 51 f. 213 Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­Gerichts, Bd. 2, § 44, S. 51 f. 214 Zum Kammerrichterstab vgl. auch Kap. II.5. 215 Vgl. die Angaben in Anm. 130. Vgl. auch Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2, § 56, S. 24 f.; Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 39, S. 60 f. 216 Vgl. die Angaben in Anm. 130. Vgl. auch die Rede Heinrich Aloys’ von Reigersberg in HHS tA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Karl Theodor von Mainz, Wetzlar 14. Oktober 1803, Anlage E, gedruckt bei Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiser­lichen Kammerrichters, Nr. 15, S. 111 – 113. Vgl. außerdem Nettelbla, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Bd. 2, § 56, S. 24 f. 217 HHStA Wien MEA RKG 19, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 1. April 1611 (Kopie) (Sötern); das Reichskammergericht an Johann Philipp von Mainz, Speyer 6. Juli 1652 (Baden). 218 Vgl. dazu Kap. II.1. 219 BArch AR 1-IV/15, das Reichskammergericht an Johann Philipp von Mainz, Speyer 13. April 1652, fol. 3 (Konzept); Johann Philipp von Mainz an das Reichskammergericht, Würzburg

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Absatz der Treppe. Dann fuhr der neue Kammerrichter unter Salutschüssen und Glockengeläut durch die Stadt zu seinem Quartier zurück.220 II.3.5 Solemne Audienzen Am Nachmittag fand im Audienzsaal des Reichskammergerichts der letzte Teil der Installation statt. Die Audienzen waren der einzige öffentlich zugängliche Teil des Gerichts. Hier wurden Urteile verkündet, und die Prokuratoren hatten die Möglichkeit, ihre Schriften einzureichen. Der Audienzsaal war wie der Plenumssaal mit einem Thron für den Kammerrichter und mit Bänken für die Assessoren ausgestattet, so dass auch hier ikonographisch die Reichsordnung zum Ausdruck kam.221 In einer solemnen Audienz wurde der neue Kammerrichter nun vom Kammerrichteramtsverweser den Prokuratoren und den übrigen Anwesenden vorgestellt und erneut inthronisiert. Mit Ausnahme der Vereidigung wurde der Einsetzungsakt damit im öffentlichen Rahmen wiederholt. Die Legitimation des neuen Kammer­ richters als kaiserlichem Repräsentanten wurde damit auch nach außen hin ­sichtbar gemacht. Vor Beginn der solemnen Audienz versammelten sich der Kammerrichter, die Präsidenten und vier Assessoren im Plenumssaal.222 Damit war mehr Personal anwesend als im 18. Jahrhundert sonst bei Audienzen üblich, bei denen in der Regel nur ein Präsident, ein bis zwei Assessoren oder zeitweise sogar nur ein Assessor vor Ort waren.223 Die Anzahl der versammelten Personen verlieh der solemnen Audienz somit einen besonderen Rahmen. Vom Plenumssaal aus zogen der neue Kammerrichter, die Präsidenten und Assessoren gemäß ihrer Rangfolge in den Audienzsaal ein. Ihnen vorweg ging der Pedell mit dem Kammerrichterstab. Im Audienzsaal waren alle Prokuratoren des Gerichts und außerdem eine große Zahl an Freunden und Fremden aller Stände versammelt, wie von der Einsetzung Heinrich Aloys’ von 20. April 1652, fol. 4. HHStA Wien MEA RKG 19, der kurmainzische Assessor an Johann Philipp von Mainz, Speyer 4. Mai 1652. 220 Vgl. die Angaben in Anm. 130. 221 Vgl. zur Audienz ausführlich Kap. II.5. 222 Vgl. die Angaben in Anm. 130. Bei der Einsetzung Philipp Karls von Hohenlohe-­Bartenstein (1722 – 1729) war zusätzlich zu den üblichen vier Assessoren noch der kurkölnische Assessor Johann Melchior Cramer von Clausbruch anwesend, und zwar mit der Begründung, dass dieser erst vor kurzer Zeit aufgeschworen worden sei, dementsprechend selbst noch an keiner Audienz teilgenommen habe und deshalb nicht mitgerechnet werden könne, vgl. BArch AR 1-IV /89, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 2. März 1722, fol. 66v u. 68v f. Vgl. außerdem Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, § 45, S. 63 f. 223 Vgl. dazu Kap. II.5.

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Das Kammerrichteramt

Reigersberg 1803 berichtet wird.224 Während sich der andere Präsident und die Assessoren zu ihren gewöhnlichen Plätzen begaben, führte der Kammerrichteramtsverweser den neuen Kammerrichter zum Kammerrichterthron, wies ihn an, darauf Platz zu nehmen, und überreichte ihm den Kammerrichterstab.225 Dann hielt der Amtsverweser eine Rede, in der er den Anwesenden den neuen Kammerrichter vorstellte.226 Anschließend ging die solemne Audienz zum üblichen Tagesgeschäft über. Urteile wurden verkündet und die gewöhnlichen Umfragen unter den Prokuratoren abgehalten. Offenbar wurde zudem Wert darauf gelegt, dass der Kammerrichter in der ersten Audienz nach dem Amtsantritt einen Advokaten oder einen Prokurator vereidigte.227 In der Folge wurden zwei weitere solemne Audienzen abgehalten. Sie folgten bis auf die Inthronisation und der Vorstellung des Kammerrichters demselben Muster. Im Rahmen der ersten drei öffentlichen Audienzen übte der Kammerrichter erstmalig seine Dienstpflichten aus, wodurch seine Einsetzung endgültig firmiert wurde. Erst anschließend war der Kammerrichter vollständig im Besitz seines Amts.228 224 HHS tA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Karl Theodor von Mainz, Wetzlar 14. Oktober 1803. Lünig, Theatrum Ceremoniale, Bd. 2, S. 1395 – 1397, berichtet von der Einsetzung Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch 1718, dass unter a­ nderem die Frau und die Töchter des damaligen Reichskammergerichtspräsidenten Franz Adolf Dietrich von Ingelheim anwesend gewesen ­seien. 225 Vgl. die Angaben in Anm. 130. 226 Vgl. die Angaben in Anm. 130. Vgl. außerdem die Reden, die anlässlich der Einsetzungen von Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein 1797 und Heinrich Aloys von Reigersberg 1803 gehalten wurden. HHStA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Friedrich Karl Joseph von Mainz, Wetzlar 8. November 1797, Anlage D (Oettingen); das Reichskammer­gericht an Karl Theodor von Mainz, Wetzlar 14. Oktober 1803, Anlage F (Reigersberg) (gedruckt bei Vahlkampf, Die Amtseinsetzung des kaiserlichen Kammerrichters, Nr. 16, S. 113 – 118). 227 Schon von der ersten Kammerrichtereinsetzung 1495 wird ­dieses Vorgehen berichtet. Vgl. Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-Gerichts, Bd. 2, § 42, S. 50. 1718 diskutierte das Plenum noch unmittelbar vor der Einsetzung F ­ roben ­Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch, welcher Advokat in der solemnen Audienz vereidigt werden sollte, vgl. BArch AR 1-IV/41, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 27. Juni 1718, fol. 40r. 228 Vgl. zum Beispiel den Bericht des Reichskammergerichts an den Mainzer Erzkanzler anlässlich der Einsetzung Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch 1718: HHStA Wien MEA RKG 19, das Reichskammergericht an Lothar Franz von Mainz, Wetzlar 24. Juli 1718. Die Zahl von drei solemmen Audienzen bildete sich erst Anfang des 18. Jahrhunderts aus. Bei Wilhelm von Baden-­Baden ist 1652 die Rede davon, dass er nach seiner Einsetzung fleißig die Audienzen besucht habe, vgl. ebd., das Reichskammergericht an Johann Philipp von Mainz, Speyer 6. Juli 1652. Bei Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch wurde dem Erzbischof von Mainz 1718 mitgeteilt, dass dieser der Observanz entsprechend zwei oder drei Audienzen vorgesessen habe, vgl. ebd., das Reichskammergericht an Lothar Franz von Mainz, Wetzlar 24. Juli 1718.

Der Tod des Kaisers und die Rechte der Vikare

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II.4 Der Tod des Kaisers und die Rechte der Vikare Im Spätmittelalter war die höchste Gerichtsbarkeit im Reich unmittelbar mit der Person des regierenden Königs bzw. Kaisers verknüpft. Wenn der ­Kaiser verstarb, wurden das kaiserliche Hofgericht bzw. das kaiserliche Kammergericht, die beiden Vorläufer des Reichskammergerichts, aufgelöst.229 Ebenso verhielt es sich mit dem später vom ­Kaiser eingerichteten Reichshofrat. Wenn zu Lebzeiten des Kaisers bereits ein römischer König gewählt worden war, wie dies in der Frühen Neuzeit sehr häufig der Fall war, setzte dieser einen neuen Reichshofrat ein oder bestätigte den vorherigen zumindest nominell.230 War beim Tod des Kaisers dagegen zuvor kein römischer König gewählt worden, ging die Höchstgerichtsbarkeit des Reichs auf die beiden Reichsvikare über. Für den Bereich des rheinischen Rechts lag sie dann für die Zeit des Interregnums in den Händen des Kurfürsten von der Pfalz bzw. ab 1618 von Bayern, für den Bereich des sächsischen Rechts hatte sie der Kurfürst von Sachsen inne. Die Reichsvikare errichteten an ihren Höfen für die Zeit des Interregnums die sogenannten Vikariatsgerichte als Ersatz für den Reichshofrat.231 Anders verhielt es sich beim Reichskammergericht. Dieses blieb schon fast von Beginn an über den Kaiserwechsel hinweg unverändert bestehen und setzte seine Arbeit auch während eines Interregnums fort.232 Das hatte bemerkenswerte Konsequenzen für das Amt des Kammerrichters. Auch er, der kaiserlicher Repräsentant am Reichskammergericht, blieb im Amt und wurde weder von den Reichsvikaren noch vom neuen ­Kaiser bestätigt oder ausgetauscht. Darin unterschied er sich nicht nur vom Reichshofratspräsidenten, sondern auch von allen anderen kaiserlichen Repräsentanten wie etwa den kaiserlichen Gesandten an fremden Höfen oder dem Prinzipalkommissar am Immerwährenden Reichstag in Regensburg. Sie alle wurden von den Reichsvikaren bzw. vom neuen K ­ aiser bestätigt oder ausgewechselt.233 Das Reichskammergericht, und speziell das Kammerrichteramt, waren damit von der Person der Kaisers gelöste Institutionen und transpersonal. Der Kammerrichter repräsentierte am Reichskammergericht also nicht einen bestimmten ­Kaiser, sondern das Kaisertum an sich. Das betonte die Darstellung des Reichskammergerichts als unabhängiger Rechtsprechungsinstanz. 229 Battenberg, Studien zum Personal des königlichen Hofgerichts, S. 68 f. 230 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 6, S. 11. 231 Vgl. Hermkes, Das Reichsvikariat in Deutschland; Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, S. 895 – 913. 232 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, S. 867 – 870; Pütter, Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfasssung, Bd. 1, S. 310. 1519 wurde das Reichskammergericht anscheinend durch Kurfürst Ludwig V. von der Pfalz während des Interregnums beurlaubt. Vgl. Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 1, S. 867. 233 Sartori, Reichs-­Vicariatisches Staats-­Recht, S. 117 – 121.

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Das Kammerrichteramt

Die Reichsvikare beanspruchten trotzdem im Falle eines Interregnums, das Reichskammergericht zu bestätigen, wenn sie es auch nicht neu besetzten. Dies wurde vom Gericht jedoch stets zurückgewiesen, da es nach der Reichskammergerichtsordnung von 1555 vorgesehen sei, dass das Gericht auch während eines Interregnums Recht spreche. Außerdem müsse es nicht noch einmal vom neuen ­Kaiser nach dessen Wahl bestätigt werden. Folglich könne den Vikaren das Recht der Bestätigung auch nicht zustehen.234 Trotz seines Fortbestehens und des im Amt verbleibenden Kammerrichters betraf der Wechsel eines Kaisers das Reichskammergericht dennoch. Obwohl alle an das Reichskammergericht gerichteten Schreiben an den Kammerrichter adressiert waren, wurden die Urteile und Schriften des Gerichts unter dem Namen und dem Siegel des Kaisers als kaiserliche Urkunden ausgefertigt.235 Die Urteile selbst erschienen damit als quasi vom ­Kaiser selbst als oberstem Richter im Reich erlassen und legitimiert. Deshalb war es notwendig, dass jeder ­Kaiser dem Reichskammer­gericht bei Regierungsantritt sein Siegel überschickte, das in der Kanzlei verwahrt wurde. Während eines Interregnums erließ das Reichskammergericht seine Urteile entsprechend im Namen der Reichsvikare. Die Vikare mussten sich auf eine gemeinsame Titulatur und ein gemeinsames Siegel einigen, damit das Gericht weiterhin Urteile publizieren konnte.236 Bezüglich des Erlassens der Urteile war also keine Transpersonalität erreicht. Die Überzeitlichkeit des Reichskammergerichts wurde allerdings zum Problem, wenn während des Interregnums das Kammerrichteramt vakant wurde. So war umstritten, ob die Reichsvikare berechtigt waren, einen neuen Kammerrichter zu bestimmen, oder ob es sich dabei um ein kaiserliches Reservatrecht handelte. Außerdem war fraglich, ob eine vom verstorbenen ­Kaiser getroffene Entscheidung in Bezug auf die Neubesetzung über dessen Tod hinaus bindend war oder ob sich die Transpersonalität des Kammerrichteramts nur auf den jeweiligen Amtsinhaber bezog. Die Aufgaben und Rechte der Reichsvikare waren 1356 in der Goldenen Bulle festgelegt worden. Gemäß dieser waren sie berechtigt, im Bereich des rheinischen 234 Hermkes, Das Reichsvikariat in Deutschland, S. 48 – 53 (1612), 58 – 61 (1657 – 1658), 73 – 76 (1711), 84 – 88 (1740 – 1742), 97 – 99 (1745), 106 – 110 (1790), 122 – 124 (1792). 235 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 11, S. 364. 236 Abele, Versuch über das teutsche Staatsrecht, § 47, S. 107 – 110; Sartori, Reichs-­Vicariatisches Staats-­Recht, S. 140 f.; Hermkes, Das Reichsvikariat in Deutschland, S. 19. Beim Interregnum nach dem Tod ­Kaiser Karls VI. kam es zu einer langwierigen Auseinandersetzung ­zwischen den Reichsvikaren über die Frage, wie die Titulatur auf dem Siegel lauten sollte. Um weiter Recht sprechen zu können, griff das Reichskammergericht in der Zwischenzeit zu der Notlösung, die bloße „Cameral-­Judicata“ unter der Unterschrift des Kanzleiverwalters auszufertigen. Vgl. dazu Hermkes, Das Reichsvikariat in Deutschland, S. 87.

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bzw. des sächsischen Rechts die Gerichtsbarkeit auszuüben.237 Auf ­welche Weise dies auf die spätere Konstruktion des Reichskammergerichts und auf die Besetzung des Kammerrichteramts übertragbar war, blieb aber umstritten. Erstmals vakant wurde das Kammerrichteramt während eines Interregnums 1711. Am 27. Mai 1711 war der Kammerrichter Franz Alexander von Nassau-­Hadamar nach nur viermonatiger Amtszeit plötzlich verstorben und hatte damit ­Kaiser Joseph I. lediglich um eineinhalb Monate überlebt. Die kaiserlich-­habsburgische Seite vertrat daraufhin die Auffassung, dass die Bestellung des Kammerrichters ein kaiserliches Reservatrecht sei.238 Den Reichsvikaren stehe zu, einen Kammerrichter für die Zeit des Inter­regnums zu bestellen, dieser müsse aber vom neuen ­Kaiser in seinem Amt bestätigt werden. Man verwies auf den Präzedenzfall des Reichskammergerichtspräsidenten Johann Georg von Hohenzollern-­Hechingen, der 1612 kurz vor dem Tod Rudolfs II. sein Amt resigniert hatte.239 Die Reichsvikare hatten den Anspruch erhoben, die Stelle neu zu besetzen, und hatten gemeinsam Heinrich Erbschenk von Limburg ausgewählt.240 Das Reichskammergericht verschleppte die Neubesetzung der Präsidentenstelle aber mit der Begründung, der Rücktritt Hohenzollerns sei nicht rechtskräftig gewesen, da er vor dem Tod des K ­ aisers noch kein Demissionsdekret erhalten habe.241 Noch im selben Jahr wurde der neue ­Kaiser Matthias gewählt, der die Wahl der Reichsvikare nicht bestätigte. Unterstützt wurde die Position auch vom Mainzer Erzkanzler Lothar Franz von Schönborn, der ein habsburgischer Partei­gänger war und als Reichsverweser in Konkurrenz zu den Reichsvikaren stand.242 Das Plenum des Reichskammergerichts aber entschied sich nach einer ausführlichen Diskussion dazu, den Reichsvikaren dieselben Rechte wie dem K ­ aiser zuzugestehen und ihnen mitzuteilen, dass der Kammerrichter verstorben sei.243 237 Die Goldene Bulle von 1356, Kap. V, § 1, S. 342 f. 238 HHStA Wien MEA WaKr 37, N. N. Zimmermann an Kaiserin Amalia Wilhelmine, ­Wetzlar 30. Mai 1711 (Kopie). Vgl. auch Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 192 mit Anm. 148; Schlösser, Der Mainzer Erzkanzler, S. 180 f. 239 Hermkes, Das Reichsvikariat in Deutschland, S. 51 f. Vgl. auch HHStA Wien MEA WaKr 12, Philipp Christoph von Sötern an Johann Schweikhard von Mainz, Speyer 19. Januar 1612. Darin berichtet Sötern, dass Hohenzollern sein Amt als Präsident aufgeben wolle, er diesen aber angewiesen habe, auf seinem Posten zu bleiben. 240 Deckherr, Gründliche historische Nachricht von denen […] Interregnis, S. 60 f., Beilage 12. Vgl. auch Hermkes, Das Reichsvikariat in Deutschland, S. 51 f. 241 Deckherr, Gründliche historische Nachricht von denen […] Interregnis, S. 61 f., Beilage 13. Vgl. auch Hermkes, Das Reichsvikariat in Deutschland, S. 51 f. 242 HHStA Wien MEA Kor 92, Lothar Franz von Mainz an Friedrich Karl von Schönborn, Mainz 30. Mai 1711 (Konzept); Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Wien 20. Februar 1712. 243 BArch AR 1-IV/83, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 2. Juni 1711, fol. 172r–181v. Außerdem forderte das Gericht die Reichsvikare auf, einen Kammerrichteramtsverweser

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Das Kammerrichteramt

Die Reichsvikare nahmen daraufhin das Recht für sich in Anspruch, selbst bei der Benennung des Kammerrichters aktiv zu werden, und bestimmten einen Kammer­ richter. Zunächst ging das Gerücht um, es handele sich dabei um ­Wilhelm II. von Hessen-­Rheinfels.244 Schließlich entschieden sie sich jedoch für Franz Ludwig von Pfalz-­Neuburg, den Bruder des rheinischen Vikars und Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz. Ihre Wahl teilten sie dem Reichskammergericht in einem Schreiben vom 6. Oktober 1711 mit.245 Franz Ludwig war neben seinem Amt als Hoch- und Deutschmeister Bischof von Breslau und Worms, Fürstprobst von Ellwangen sowie seit 1710 Koadjutor des Erzbischofs von Mainz.246 Dies stieß bei den protestantischen Reichsständen auf Widerstand, die einen geistlichen Kammer­ richter ablehnten und darauf verwiesen, dass die Reichskammergerichtsordnung einem weltlichen Kammerrichter vor einem geistlichen den Vorzug gebe.247 ­Darüber hinaus kritisierten die protestantischen Reichsstände, dass Franz Ludwig von Pfalz-­ Neuburg als zukünftigem Mainzer Erzkanzler zahlreiche Rechte am Reichskammergericht zustünden, beispielsweise die Bestellung des Kanzleipersonals. Zusammen mit den Rechten des Kammerrichters führe dies zu einer Anhäufung von Befugnissen, die dem Gericht nicht zuträglich sein könne.248 Das Problem löste sich schließlich von selbst, da Franz Ludwig das Amt mit der Begründung ablehnte, er habe Zweifel, ob er dieser Position gerecht werden könne.249 ­Stattdessen nannte zu bestimmen, da zugleich eine Reichskammergerichtsvisitation tagte, während der das Reichskammergericht von seinem eigenen Wahlrecht keinen Gebrauch machen könne. Vgl. Schreiben der beeden Herren Reichs-­Vicariorum, die Auftragung der Cammer-­ Praesidenten-­Stelle an den Herrn von Ingelheim, in: Faber, Europäische Staats-­Cantzley, Bd. 17, S. 588 f.; Fahnenberg, Entwurf einer Geschichte des kaiserlichen Reichskammergerichts, Bd. 1, § 37, S. 41 f. 244 HHS tA Wien MEA WaKr 37, Franz Caspar von Langen an Lothar Franz von Mainz, ­Wetzlar 2. Juni 1711. 245 BArch AR 1-IV/14, Friedrich August I. von Sachsen an das Reichskammergericht, Lüssow bei Stralsund 6. Oktober 1711, fol. 27 f.; Johann Wilhelm von der Pfalz an das Reichskammer­ gericht, Frankfurt a. M. 6. Oktober 1711, fol. 30 f. (beide gedruckt bei Fahnenberg, Entwurf einer Geschichte des kaiserlichen Reichskammergerichts, Bd. 1, Anlage Nr. 18, S. 92, u. Anlage Nr. 19, S. 94). Vgl. auch Theatrum Europaeum, Bd. 19, S. 572; Hermkes, Das Reichsvikariat in Deutschland, S. 75. 246 Gatz / Kopiec, Art. „Franz Ludwig, Pfalzgraf am Rhein zu Neuburg“. 247 Theatrum Europaeum, Bd. 19, S. 572 f.; Faber, Europäische Staats-­Cantzley, Bd. 18, S. 403 – 407. Vgl. auch Hermkes, Das Reichsvikariat in Deutschland, S. 75; Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 107 f. 248 Aus Wetzlar vom 23. November 1711. Ist die Frage: Ob ein Churfürst von Mayntz zugleich Cammer-­Richter seyn könne, in: Faber, Europäische Staats-­Cantzley, Bd. 18, S. 383 – 385. 249 BArch AR 1-IV/14, Friedrich August I. von Sachsen an das Reichskammergericht, ­Lüssow bei Stralsund 9. Dezember 1711, fol. 35 f. Vgl. auch Hermkes, Das Reichsvikariat in Deutschland, S. 75.

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Kurfürst ­Friedrich August I. von Sachsen am 9. Dezember 1711 dem Gericht, also kurz vor der Krönung des neuen Kaisers Karl VI . am 22. Dezember 1711, in Abstimmung mit dem Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz Maximilian Karl von Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort als neuen Kammer­richter.250 Diesen solle das Reichskammergericht, sobald die Bestätigung des Kurfürsten von der Pfalz in Wetzlar eintreffe, als Kammerrichter einsetzen. Der neue ­Kaiser revidierte die Entscheidung der Reichsvikare für Löwenstein als Kammerrichter nicht.251 Die zur Verfügung stehenden Quellen geben allerdings keine Auskunft über die Motive des Kaisers.252 Es ist nicht auszuschließen, dass er sich an die Entscheidung der Reichsvikare gebunden fühlte. Sehr viel wahrscheinlicher ist aber, dass Karl VI. dem ­kaisernahen Löwenstein das Kammerrichteramt nicht mehr aberkennen wollte. Löwenstein war während der Zeit von 1704 bis 1715, in der sich der baye­rische Kurfürst ­Maximilian II . Emanuel in der Reichsacht befand, kaiserlicher Administrator in Bayern.253 Außerdem war er kaiserlicher Geheimer Rat ­Kaiser Josephs I. und war von ­diesem 1710 in den Reichsfürstenstand erhoben worden.254 Karl VI . ernannte ihn 1712 zum Prinzipalkommissar auf dem Reichstag in Regensburg und versorgte ihn so mit einer anderen attraktiven Stelle. L ­ öwenstein trat deshalb die 255 Kammerrichterstelle nie an. 250 BArch AR 1-IV/14, Friedrich August I. von Sachsen an das Reichskammergericht, Lüssow bei Stralsund 9. Dezember 1711, fol. 35 f. 251 Löwenstein war bis zu seiner Resignation 1714 ernannter Kammerrichter. Vgl. etwa die Korres­ pondenz in HHStA Wien MEA Kor 93: Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, o. O. 28. Februar 1714; kurmainzischer Rat an Freiherr von Otten, Mainz 27. Februar 1714 (Konzept); Freiherr von Otten an einen kurmainzischen Rat, Augsburg 10. März 1714. Zur Resignation Löwensteins vgl. FFA Donaueschingen OB 19 Vol 40a Fasz. 1, Eugen von Savoyen an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wien 2. Mai 1714. 252 Ein eigenes Einsetzungsschreiben ­Kaiser Karls VI. für Löwenstein als Kammerrichter scheint weder im Wiener Bestand der Reichshofkanzlei noch im Löwensteinischen Hausarchiv in Wertheim überliefert zu sein. Vgl. dazu Jahns, Das Reichskammergericht und seine ­Richter, Teil 1, S. 111 mit Anm. 32. 253 Vgl. zu Löwenstein Riedenauer, Die Erhebung des kaiserlichen Administrators. 254 Geheimer Rat: HHStA Wien RK Geh. Räte 4, Karl VI. an Maximilian Karl von Löwenstein-­ Wertheim-­Rochefort, Wien 6. Februar 1712 (Konzept). Vgl. außerdem Riedenauer, Die Erhebung des kaiserlichen Administrators. 255 Vgl. die Korrespondenz ­zwischen dem Reichsvizekanzler und dem Mainzer Erzkanzler, bzw. ­zwischen Kurmainz und der Löwensteinischen Seite, in der über die Frage der Vereinbarkeit des Kammerrichteramts mit dem Prinzipalkommissariat auf dem Reichstag bzw. über die Modalitäten der Resignation des Kammerrichteramts durch Löwenstein diskutiert wurde. HHStA Wien MEA Kor 93, Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, o. O. 28. Februar 1714; kurmainzischer Rat an Freiherr von Otten, Mainz 27. Februar 1714 (Kopie); Freiherr von Otten an einen kurmainzischen Rat, Augsburg 5. März 1714; ein Rat des Kurfürsten von Mainz an Freiherr von Otten, Mainz 10. März 1714 (Kopie). Zur

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Das Kammerrichteramt

1740 stellte sich das Problem, ob eine vom ­Kaiser gewährte Anwartschaft auf das Kammerrichteramt auch über dessen Tod hinweg gültig sei. 1739 hatte ­Kaiser Karl VI. dem Präsidenten Ambrosius Franz von Virmond eine Expektanz auf das Kammerrichteramt erteilt.256 Als am 20. Oktober 1740 Karl VI. starb, wurde aufgrund seines hohen Alters und schlechten Gesundheitszustands auch mit dem Ableben des amtierenden Kammerrichters Franz Adolf Dietrich von Ingelheim gerechnet. Zugleich war wegen des Aussterbens der männlichen Linie der Habsburger und dem folgenden Österreichischen Erbfolgekrieg nicht mit der zügigen Wahl eines neuen Kaisers zu rechnen. Außerdem war ungewiss, ob der habsburgische Kandidat Franz Stephan von Lothringen oder sein Gegenkandidat Karl I. Albrecht von Bayern zum Zuge kämen. Virmond hatte daher die schwierige Entscheidung zu treffen, ob er die Expektanz Karls VI. als erloschen ansehen und die Reichsvikare um die Erteilung einer erneuten Anwartschaft bitten sollte. Erkannte er die Rechte der Vikare nicht an, würde das seinen Chancen auf das Amt schaden, sollte Ingelheim während eines längeren Interregnums sterben oder der rheinische Reichsvikar Karl Albrecht zum ­Kaiser gewählt werden. Würde jedoch Franz Stephan ­Kaiser, wäre das Gegenteil der Fall. Virmond setzte offenkundig auf den Bayern und ließ sich von den Reichsvikaren bereits zu Beginn des Jahres 1741 seine Anwartschaft bestätigen. Die Reichsvikare inszenierten dies als eigenständige Entscheidung und nicht als Anerkennung eines schon länger bestehenden Rechts. Sie bezogen sich zwar auf die Expektanz Karls VI., legten jedoch dar, dass sie die erneute Anwartschaft aufgrund der Prüfung der Qualitäten Virmonds erteilt hätten.257 Damit erkannten sie die Expektanz Karls VI. nicht an. Als sich Ingelheims Gesundheitszustand im Sommer 1741 dramatisch verschlechterte und sein Tod unmittelbar bevorzustehen schien, versuchte Virmond, die Unterstützung der habsburgisch orientierten Kurfürsten von Trier und Mainz, Franz Georg von Schönborn und Philipp Karl von Eltz, zu erlangen.258 Letzterer Vereinbarkeit des Kammerrichteramts mit anderen kaiserlichen Ämtern vgl. Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 6, S. 80, und das Konzept der Reichskammer­ gerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 7, S. 343. Vgl. auch Riedenauer, Die Erhebung des kaiserlichen Administrators, S. 342. 256 HHStA Wien MEA RKG 197b, ­Kaiser Karl VI. an Philipp Karl von Mainz, Wien 7. Dezember 1739; ­Kaiser Karl VI. an das Reichskammergericht, Wien 7. Dezember 1739 (Kopie). BArch AR 1-IV/15, K ­ aiser Karl VI. an das Reichskammergericht, Wien 7. Dezember 1739, fol. 90 f. Vgl. auch die Korrespondenz in BArch AR 1-Misc./624. 257 BArch AR 1-IV/15, Friedrich August II. von Sachsen an das Reichskammergericht, ­Dresden 17. Januar 1741, fol. 93 f.; HHStA Wien MEA RKG 197b, Friedrich August II. von S­ achsen an Philipp Karl von Mainz, Dresden 17. Januar 1741; Karl I. Albrecht von Bayern und Karl III. Philipp von der Pfalz an Philipp Karl von Mainz, Mannheim 27. März 1741. 258 HHStA Wien MEA RKG 222, Ambrosius Franz von Virmond an Franz Georg von Trier, Wetzlar 10. Juli 1741 (Kopie).

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konnte für ihn gefährlich werden, da der Mainzer Erzkanzler das Recht hatte, dem Reichskammergericht den Befehl zur Einsetzung des neuen Kammerrichters zu erteilen.259 Falls der Mainzer Erzkanzler die Ernennung durch die Reichsvikare nicht anerkannte, hatte er die Möglichkeit, den Einsetzungsbefehl an das Reichskammergericht zu verweigern. Hinzu kam, dass der Erzkanzler mit den Reichsvikaren wegen des von Kurbayern und der Kurpfalz gemeinsam ausgeübten rheinischen Vikariats im Konflikt lag.260 Tatsächlich waren beide Kurfürsten nicht bereit, Virmond uneingeschränkte Zusagen zu geben. Franz Georg von Trier antwortete Virmond, er gönne ihm die Kammerrichterstelle von H ­ erzen, andere jedoch sähen wahrscheinlich die vom verstorbenen ­Kaiser gegebene Expektanz als erloschen an. Außerdem werde möglicherweise die Bestätigung der Reichsvikare aufgrund des von Kurpfalz und Kurbayern gemeinsam ausgeübten r­ heinischen Vikariats nicht anerkannt.261 Philipp Karl von Mainz wollte sich ebenso wenig festlegen und sicherte Virmond lediglich zu, im Falle des Todes von Ingelheim an seiner Seite zu stehen.262 Die Strategie Virmonds ging trotzdem auf. Am 12. Februar 1742 wurde Karl VII . zum neuen ­Kaiser gekrönt und bestätigte die Anwartschaft Virmonds, die er d ­ iesem noch als Reichsvikar gegeben hatte.263 Dabei vertrat Karl VII . offensichtlich die Auffassung, dass die Anwartschaft auf das Kammerrichteramt von den Reichsvikaren und vom neuen K ­ aiser wiederholt erteilt werden müsse. Er schrieb an den Mainzer Erzkanzler, er habe ­Virmond die Kammerrichterstelle, wann selbige erledigt werden sollte, in Conformität, wie er ­solche sowohl von unserm letzten Vorfahr Carl dem Sechsten glorwürdigster Gedächtnus als jüngsthin von beyden Reichs-­Vicariaten erhalten, gnädigst bestättiget und respée von neuem verliehen.264 1745 kam es abermals zu einer ähnlichen Situation. Diesmal war der neue Kammerrichter bereits ernannt, aber beim Tode K ­ aiser Karls VII. noch nicht in sein Amt eingesetzt worden. Am 19. November 1744 war Ambrosius Franz von Virmond überraschend auf dem Heimweg von einem zu Ehren seiner jungen Frau veranstalteten Ball in seiner Kutsche dem Schlagfluß erlegen.265 Am 15. Januar 1745 hatte ­Kaiser Karl VII . ein Ernennungsschreiben für Ernst von Montfort als 259 Vgl. dazu Kap. II.1. 260 Schlösser, Mainzer Erzkanzler, S. 6 – 11. 261 HHStA Wien MEA RKG 222, Franz Georg von Trier an Ambrosius Franz von Virmond, Ehrenbreitstein 15. Juli 1741 (Kopie). 262 Schlösser, Mainzer Erzkanzler, S. 181 f. mit Anm. 58. 263 HHS tA Wien MEA RKG 197b, K ­ aiser Karl VII . an Philipp Karl von Mainz, Frankfurt a. M. 11. Februar 1742. 264 Zitat ebd. 265 BArch AR 1-IV/15, das Reichskammergericht an ­Kaiser Karl VII., Wetzlar 21. November 1744, fol. 105 (Konzept); HHStA Wien MEA RKG 197b, Johann Melchior Devrent an

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Das Kammerrichteramt

designiertem Nachfolger Virmonds ausfertigen lassen.266 Fünf Tage darauf, am 20. Januar 1745, verstarb der K ­ aiser selbst. Daher stellte sich die Frage, ob der kaiser­liche Einsetzungsbefehl auch postum auszuführen sei. Montfort versuchte zu erreichen, dass der Mainzer Erzkanzler, Johann ­Friedrich Karl von Ostein, seine Einsetzung ohne Rücksicht auf die Reichsvikare befahl. Unmittelbar nach dem Tod Karls VII. schickte er deshalb Johann Ernst von Körndörfer als Bevollmächtigten nach Mainz, um den Erzkanzler für diesen Plan zu gewinnen.267 Körndörfer brachte vor, dass der Erzkanzler sein Prärogativ gegenüber den Reichsvikaren in Frage stelle, wenn er auf deren Interessen Rücksicht nehme.268 Auch der Erzbischof selbst neigte zu dieser Sichtweise. Er vertrat, sein Amt als Erzkanzler des Reichs bleibe während des Interregnums bestehen, weshalb er mit der Einsetzung des neuen Kammerrichters fortfahren könne.269 Sein Onkel Franz Georg von Schönborn, Kurfürst von Trier, teilte diese Auffassung. Er riet ihm allerdings, die Reichsvikare nicht zu übergehen, sondern sie über die Rechtsgrundlage seines Vorgehens zu informieren.270 Die Rechte des Erzkanzlers zu behaupten war aber wahrscheinlich nicht die alleinige Motivation Schönborns und Osteins für ihr Handeln. Sicherlich spielte auch eine Rolle, dass ­zwischen ihnen und dem Aspiranten Montfort enge familiäre Bindungen bestanden. Montforts Schwester Maria Theresia war mit Anselm Franz von Schönborn verheiratet gewesen, einem Bruder Franz Georgs von Schönborn. Ihre Schwester Anna Charlotte von ­Schönborn war wiederum Osteins ­Mutter.271 Sie handelten demnach auch im eigenen Interesse, um zu erreichen, dass ein Mitglied ihres familiären Netzwerks das wichtige Amt des Kammerrichters erhielt.272 Ostein wies also das Reichskammergericht an, die Einsetzung Montforts am 22. März 1745 vorzunehmen, und informierte die Reichsvikare über seinen Schritt.273 Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 29. Oktober 1744. Vgl. auch Schulte, A ­ mbrosius Franz von Virmond, S. 38. 266 BArch AR 1-IV/15, K ­ aiser Karl VII. an Johann Friedrich Karl von Mainz, München 15. Januar 1745, fol. 108 f.; ­Kaiser Karl VII. an das Reichskammergericht, München 15. Januar 1745, fol. 110. 267 Vgl. hier und auch zum Folgenden Schlösser, Der Mainzer Erzkanzler, S. 186 – 192. 268 HHStA Wien MEA RKG 197b, Pro Memoria von Johann Ernst von Körndörfer, Mainz 3. Februar 1745. 269 HHS tA Wien MEA RKG 197b, Johann Friedrich Karl von Mainz an Franz Georg von Trier, Mainz 9. Februar 1745 (Konzept). 270 HHStA Wien MEA RKG 197b, Franz Georg von Trier an Johann Friedrich Karl von Mainz, Ehrenbreitstein 17. Februar 1745. 271 Europäische Stammttafeln, Bd. XII, Tafel 54; Schraut, Das Haus Schönborn, S. 414, Abb. 31. 272 Zur Attraktivität des Kammerrichteramts vgl. Kap. III.2 – 4. 273 BArch AR 1-IV/15, Johann Friedrich Karl von Mainz an das Reichskammergericht, Mainz 18. Februar 1745, fol. 106 f.; HHStA Wien MEA RKG 197b, Johann Friedrich Karl von

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Am 22. Februar 1745 beriet das Reichskammergericht im Plenum, wie es sich zu dieser Weisung stellen solle. Der kaiserliche Assessor Johann Christoph Veit von Tönnemann wandte zwar ein, dass das gewählte Verfahren allen futuris caesaribus et dd futuris vicariis zur Regel dienen könne. Die Mehrheit des Gerichts aber befürwortete unter der Führung des Kammerrichteramtsverwesers Karl zu Wied-­Runkel eine Einsetzung Montforts ohne Rücksprache mit den Reichsvikaren.274 Da es keinen Präzedenzfall gab, neigte man dazu, sich beim aktuellen Fall am Beispiel Tönnemanns selbst zu orientieren.275 Das Reichskammergericht schwor potentielle Assessoren für gewöhnlich nicht auf, wenn der sie präsentierende Reichsstand vor ihrer Aufnahme verstarb. Dennoch wurde Tönnemann am 12. Dezember 1740 als kaiserlicher Assessor angenommen, obwohl Karl VI. bereits am 20. Oktober 1740 verstorben war. Begründet wurde d ­ ieses Vorgehen damit, dass Tönnemann noch zu Lebzeiten des Kaisers seine Proberelation abgelegt hatte, das heißt, dass seine Präsentation vom Gericht bereits akzeptiert worden war.276 Im Fall ­Montforts wurde argumentiert, dieser habe kein Examen zu bestehen. Die Präsentation sei deshalb mit dem Ausstellen des kaiserlichen und des erzbischöflichen Schreibens abgeschlossen.277 Eine Gruppe am Reichskammergericht versuchte dennoch, die Einsetzung Montforts zu hintertreiben. Zu ihr gehörten der Assessor Johann Friedrich von Heynitz und der katholische Präsident Philipp Karl Anton von Groschlag.278 Heynitz vertrat die Interessen des Kurfürsten von Sachsen, der ihn dem Gericht präsentiert hatte. Groschlag machte sich, so wurde verbreitet, selbst Hoffnungen auf das Amt des Kammerrichters und stand in engem Kontakt mit den Reichsvikaren.279 Mainz an Ernst von Montfort, Mainz 18. Februar 1745 (Konzept); Johann Friedrich Karl von Mainz an Friedrich August II. von Sachsen, Mainz 23. Februar 1745 (Konzept). 274 BA rch AR 1-IV /50, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 22. Februar 1745, fol. 21r – 28r. Vgl. auch HHS tA Wien MEA RKG 197b, Friedrich Wilhelm Rüding an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 6. Februar 1745; ders. an dens., Wetzlar 24. ­Februar 1745 (Konzepte in BArch AR 1-Misc./628). 275 HHStA Wien MEA RKG 197b, Friedrich Wilhelm Rüding an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 6. Februar 1745 (Konzept in BArch AR 1-Misc./628). 276 Zum Präsentationsystem vgl. Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 168 – 432. Vgl. auch Kap. II.1. Zu Tönnemann vgl. Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 1, Biographie 50, S. 485 – 495. 277 HHStA Wien MEA RKG 197b, Friedrich Wilhelm Rüding an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 6. Februar 1745 (Konzept in BArch AR 1-Misc./628). 278 HHStA Wien MEA RKG 197b, Friedrich Wilhelm Rüding an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 24. Februar 1745 (Konzept in BArch AR 1-Misc./628); Friedrich Wilhelm Rüding an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 14. März 1745. 279 HHStA Wien MEA RKG 197b, Friedrich Wilhelm Rüding an den Kurmainzer Hofkanzler, Wetzlar 12. März 1745. Zu Heynitz vgl. Jahns, Das Reichskammergericht und seine

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Das Kammerrichteramt

Die Reichsvikare reagierten empört auf die eigenmächtige Festlegung des Einsetzungstermins durch den Mainzer Erzkanzler, da sie sich durch dessen Vorgehen in ihren Rechten beschnitten sahen. Sie vertraten erwartungsgemäß die Auffassung, die kaiserliche Ernennung Montforts zum Kammerrichter müsse von ihnen bestätigt werden.280 Diese sei keinesweegs pro gratia perfecta und vor eine zu seiner Consistenz gediehene Sach, sondern gehöre zu den Rechten der Reichsvikare.281 Ferner s­eien zum Todeszeitpunkts Karls VII. die Präsentationsschreiben weder beim Erzkanzler noch beim designierten Kammerrichter eingegangen gewesen. Der Präsentationsvorgang sei damit nicht abgeschlossen gewesen.282 Im Laufe der Zeit wurde Montfort zunehmend unsicherer und strebte doch eine Bestätigung seiner Ernennung durch die Reichsvikare an. Er bat, den vom Mainzer Erzkanzler auf den 22. März 1745 anberaumten Einsetzungstermin bis nach Ostern zu verschieben. Er begründete dies damit, dass seine Frau schwer erkrankt sei.283 Obwohl er in seinem Schreiben beteuerte, sich auf den Rat und Schutz des Erzkanzlers zu verlassen, hatte er sich bereits zwei Wochen zuvor an die Reichsvikare gewandt und sie um eine Bestätigung seiner kaiserlichen Ernennung gebeten.284 Damit verwarf er die von ihm selbst und vom Kurfürsten von Mainz vertretene Auffassung, der Kammerrichter könnte trotz des Todes des Kaisers ohne die Bestätigung durch die Reichsvikare eingesetzt werden. In der Folge setzte sich folglich die Sichtweise der Reichsvikare durch. Diese zögerten allerdings dennoch, Montfort die Bestätigung auszustellen, da sie durch dessen ursprüng­ liches Vorgehen verstimmt waren.285 Der Kurfürst von der Pfalz hatte als Konvikar des rheinischen Vikariats schon Anfang Februar 1745 die Ansicht vertreten, man Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 110, S. 1225 – 1238. 280 HHStA Wien MEA RKG 197b, Karl IV. Theodor von der Pfalz an Maximilian III. Joseph von Bayern, Mannheim 5. Februar 1745 (Kopie); Friedrich August II . von Sachsen an Johann Friedrich Karl von Mainz, Dresden 4. März 1745. 281 BArch AR 1-IV/15, Friedrich August II. von Sachsen an das Reichskammergericht, Dresden 1. März 1745, fol. 111. 282 HHStA Wien MEA RKG 197b, Friedrich August II. von Sachsen an Johann Friedrich Karl von Mainz, Dresden 4. März 1745; ders. an dens., Dresden 24. April 1745. 283 HHStA Wien MEA RKG 197b, Ernst von Montfort an Johann Friedrich Karl von Mainz, Tettnang 4. März 1745. 284 BA rch AR 1-IV /15, Ernst von Montfort an Friedrich August II . von Sachsen, Tettnang 22. Februar 1745, fol. 116 f. (Kopie). Eine weitere Kopie befindet sich in HHS tA Wien MEA RKG 197b. Vgl. auch BA rch AR 1-IV /15, Friedrich August II . von Sachsen an das Reichskammergericht, Dresden 24. April 1745, fol. 115 u. 118; HHS tA Wien MEA RKG 197b, Friedrich August II . von Sachsen an Johann Friedrich Karl von Mainz, Dresden 24. April 1745. 285 HHStA Wien MEA RKG 197b, Friedrich August II. von Sachsen an Johann Friedrich Karl von Mainz, Dresden 24. April 1745.

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solle Montfort seine Unbesonnenheit spüren lassen.286 Einige Assessoren rieten Montfort deshalb, er solle persönlich nach Dresden reisen und den Kurfürsten von Sachsen gnädig stimmen.287 Der Erzkanzler war offenbar dennoch nicht bereit, den Vikaren das Feld zu überlassen. Er legte stets weitere Termine für die Einsetzung Montforts fest 288 und wirkte zusätzlich auf die beiden Vikare ein, dass es üblich sei, den Willen des verstorbenen Kaisers zu respektieren.289 Von Montfort wurde er dabei nicht unterstützt, der immer weiter um Verschiebung bat 290 und offenbar die Klärung der Situation abwarten wollte.291 Als sich Montfort kurz vor dem neuen, auf den 26. August 1745 festgesetzten Einsetzungstermin immer noch nicht in Wetzlar eingefunden hatte, berichtete der Wetzlarer Kanzleiverwalter Friedrich Wilhelm Rüding dem Mainzer Erzkanzler, der Assessor Heynitz habe geäußert, die Reichsvikare würden es als eine Resignation Montforts begreifen, wenn er das Einsetzungsdatum erneut versäume.292 Doch auch der 26. August 1745 verstrich, ohne dass Montfort nach Wetzlar gereist wäre. Der Erzkanzler terminierte daraufhin die Einsetzung für den 26. November 1745, also nach der bevorstehenden Kaiserwahl.293 Franz Stephan von Lothringen wurde am 13. September 1745 zum neuen K ­ aiser gewählt und am 4. Oktober 1745 gekrönt. Am 7. Oktober 1745 teilte Montfort dem Erzkanzler mit, er werde die Kammerrichterstelle beim ­Kaiser resignieren und bitte ihn um

286 HHStA Wien MEA RKG 197b, Karl IV. Theodor von der Pfalz an Maximilian III. Joseph von Bayern, Mannheim 5. Februar 1745 (Kopie). 287 HHStA Wien MEA RKG 197b, Friedrich Wilhelm Rüding an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 14. März 1745. 288 Der Mainzer Erzkanzler hatte den Einsetzungstermin zunächst auf den 10. Mai 1745, dann auf den 21. Juni 1745, den 26. August 1745 und schließlich auf den 26. November 1745 verschoben. BA rch AR 1-IV /15, Johann Friedrich Karl von Mainz an das Reichskammergericht, Mainz 9. März 1745, fol. 112; HHS tA Wien MEA RKG 197b, ders. an dass., Mainz 25. April 1745 (Konzept); BA rch AR 1-IV /15, ders. an dass., Mainz 11. Juni 1745, fol. 119. 289 HHStA Wien MEA RKG 197b, Johann Friedrich Karl von Mainz an Friedrich August II. von Sachsen, Mainz 24. März 1745 (Konzept). 290 HHStA Wien MEA RKG 197b, Ernst von Montfort an Johann Friedrich Karl von Mainz, Tettnang 13. April 1745; ders. an dens., Tettnang 5. Juni 1745. 291 So schrieb Montfort im April 1745 an den Mainzer Erzkanzler, dass er auf eine Resolution Bayerns warte, die ihn aus dem Embarras befreien werde. Vgl. HHS tA Wien MEA RKG 197b, Ernst von Montfort an Johann Friedrich Karl von Mainz, Tettnang 13. April 1745. 292 HHStA Wien MEA RKG 197b, Friedrich Wilhelm Rüding an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 20. August 1745. 293 HHStA Wien MEA RKG 197b, Ernst von Montfort an Johann Friedrich Karl von Mainz, Tettnang 14. August 1745. BArch AR 1-IV /15, Johann Friedrich Karl von Mainz an das Reichskammergericht, Mainz 23. August 1745, fol. 122.

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Das Kammerrichteramt

Fürsprache beim ­Kaiser wegen weiterer Beförderung.294 Ob ­Kaiser Franz I. ­Monfort zur Resignation gezwungen hat, wie Johann Jacob Moser mutmaßt, muss offen bleiben.295 Bereits am 6. November 1745 ernannte der ­Kaiser Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein zum neuen Kammerrichter. Den Reichsvikaren gelang es zwar in keinem der geschilderten Fälle, einen ihrer Kandidaten als Kammerrichter durchzusetzen. Ebenso wenig war es aber möglich, einen vom verstorbenen K ­ aiser ernannten, aber noch nicht eingesetzten Kammerrichter gegen den Willen der Reichsvikare ins Amt zu bringen. Die Auswahl der Kammerrichter blieb damit ein kaiserliches Reservatrecht.

II.5 Die Audienz Zu den Hauptaufgaben des Kammerrichters gehörte gemäß der Reichskammer­ gerichtsordnung der Vorsitz in der Audienz. Die Audienz war der einzige öffentliche Teil des Reichskammergerichtsverfahrens, da die Beratungen des Gerichts unter Ausschluss der Parteien und der Öffentlichkeit stattfanden. Die Audienz diente nicht dem inhaltlichen Austausch des Gerichts mit den Parteien oder ihren Vertretern. Vielmehr wurden hier Urteile und andere Entscheidungen des Gerichts verkündet. Außerdem hatten die Prokuratoren die Möglichkeit, mündliche oder schriftliche Erklärungen abzugeben.296 Die Audienz des Reichskammergerichts verlief idealiter folgendermaßen: Zu Beginn zogen der Kammerrichter oder vertretungsweise ein Präsident sowie einige Assessoren in den Gerichtssaal ein. Dessen Tür stand in Anlehnung an die alte Rechtstradition, dass Gerichte unter freiem Himmel tagten, offen.297 Dem Kammer­ richter vorweg ging ein Pedell, der den Kammerrichterstab trug.298 Im ­Gerichtssaal 294 HHStA Wien MEA RKG 197b, Ernst von Montfort an Johann Friedrich Karl von Mainz, Tettnang 7. Oktober 1745. Als Begründung nannte er erneut die Krankheit seiner Frau und seine Hausangelegenheiten. 295 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 3, S. 256. 296 Wiggenhorn, Der Reichskammergerichtsprozeß, S. 101 f. Bernhard Diestelkamp hat vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass die Audienz entgegen der bisherigen Beurteilung eine stärkere Bedeutung für das Verfahren selbst hatte, vgl. Diestelkamp, Beobachtungen zur Schriftlichkeit im Kameralprozeß. Vgl. außerdem ders., Die Funktion der Audienz im kammergerichtlichen Verfahren. 297 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 34, § 4, S. 123; Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 47, § 6, S. 446 f. Vgl. auch Schmidt, Die Hegung des Gerichts. 298 Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 211 – 213, S. 491 – 496; Wiggenhorn, Der Reichskammer­gerichtsprozeß, S. 100.

Die Audienz

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warteten schon die Advokaten und Prokuratoren auf den für sie vorgesehenen Bänken sowie einige Angehörige der Gerichtskanzlei. Diese führten an einem eigens dafür aufgestellten Tisch die Protokollbücher. Außerdem war der Protonotar der Kanzlei anwesend. Der Kammerrichter setzte sich auf einen mit rotem Samt bezogenen und mit goldenen Tressen geschmückten Armsessel, der um drei Stufen erhöht an der Stirnseite des Raumes stand und von einem rotseidenen Baldachin überspannt war.299 Die Assessoren nahmen zu seinen beiden Seiten auf ebenfalls mit rotem Samt bezogenen Bänken Platz, die nur um eine Stufe erhöht waren. Der Pedell überreichte dann dem Kammerrichter den Kammerrichterstab und bat um Ruhe.300 In den Sitzungen wurden zunächst vom Protonotar die vom Gericht getroffenen Zwischen- und Endurteile oder auch Gemeine Bescheide 301 verlesen und anschließend die sogenannten fünf Umfragen unter den Prokuratoren durch­geführt. Diese waren nach bestimmten Kategorien geordnet und gaben den Prokuratoren die Möglichkeit, die verlesenen Urteile zu kommentieren, Prozessschriften zu verlesen oder einzureichen, mündliche Anmerkungen zu Prozessformalien zu machen oder um eine Fristverlängerung in einem Prozess zu bitten.302 Der Kammerrichter und die Assessoren äußerten sich während der gesamten Audienz zu keiner der vorgetragenen Streitsachen.303 Nach Beendigung der Umfragen gab der Kammerrichter dem Pedell den Gerichtsstab zurück, worauf die Angehörigen des Kameralkollegiums den Saal wieder in gleicher Ordnung verließen. Der Kammerrichter hatte in der Audienz zwei Funktionen, eine technisch-­ instrumentelle und eine symbolisch-­expressive.304 In technisch-­instrumenteller Hinsicht war der Kammerrichter für den zügigen und störungsfreien Ablauf der 299 Ulmenstein, Geschichte und topographische Beschreibung der Kaiserlichen freyen Reichsstadt Wetzlar, Bd. 3, S. 100 f. Vgl. auch Scheurmann, „Mit rothem Sammet und goldenen Borden“, S. 77 – 90. 300 Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 212, S. 493 f.; Wiggenhorn, Der Reichskammergerichtsprozeß, S. 100. 301 Bei Gemeinen Bescheiden handelte es sich um allgemeine, veröffentlichte Verfügungen des Gerichts, die prozessrechtliche Fragen mit vorläufiger Gültigkeit bis zur nächsten Visitation oder zum nächsten Reichsabschied regelten. Vgl. dazu Laufs, Einleitung, S. 9, 17 f. u. 29. 302 Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 214 f., S. 497 – 502. Vgl. auch Wiggenhorn, Der Reichskammer­ gerichtsprozeß, S. 116 – 120; Diestelkamp, Von der Arbeit des Reichskammergerichts, S. 301 – 303. 303 Wiggenhorn, Der Reichskammergerichtsprozeß, S. 101 f. 304 Vgl. zur Bedeutung von instrumentellen und symbolisch-­expressiven Variablen in ­Verfahren Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 223 – 232. Vgl. auch Stollberg-­Rilinger, ­Symbolische Kommunikation in der Vormoderne, S. 497 f.

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Das Kammerrichteramt

Audienz zuständig. Er sollte darauf achten, dass alle Prokuratoren pünktlich erschienen und dass Ruhe im Audienzsaal herrschte.305 Außerdem sollte er dafür sorgen, dass die jeweiligen Prokuratoren nur sprachen, wenn sie an der Reihe waren, dass sie keine zu ausschweifenden Vorträge hielten, vom Thema abwichen oder andere Prozessbeteiligte beleidigten oder beschimpften.306 Darüber hinaus sahen die Reichskammergerichtsordnung von 1555 und das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613 vor, dass der Kammerrichter zur Beschleunigung der Verfahren über bestimmte Fragen sofort entscheiden solle. Er konnte dies allein oder unter Heranziehung einer der anwesenden Assessoren tun.307 Einsicht in die Audienzprotokolle gewährte der Kammerrichter während der Audienz selbst, und zwar mit den Worten Ist erkannt.308 Entscheidungen über Fristverlängerungen und andere verfahrensrechtliche Anträge wurden dagegen in der Praxis des 17. und 18. Jahrhunderts nicht von ihm getroffen. Sie wurden zeitweise am sogenannten Bescheidtisch, zeitweise in den Extrajudicial- und Judicialsenaten des Gerichts entschieden.309 In symbolisch-­expressiver Hinsicht hatte der Kammerrichter in der Audienz die Funktion, die Berechtigung des Reichskammergerichts darzustellen, Recht zu sprechen. Diese leitete sich, wie bereits ausgeführt, im Alten Reich grundsätzlich von der Autorität des Kaisers als obersten Richters ab.310 Im Spätmittelalter übte der ­Kaiser die Höchstgerichtsbarkeit auf Hoftagen und am kaiserlichen Hof- bzw. Kammergericht aus, später am kaiserlichen Reichshofrat. Die Ansiedelung des Gerichts am Kaiserhof demonstrierte symbolisch, dass dort das Recht des Kaisers ausgeführt wurde, auch wenn dieser sich durch den Hofrichter bzw. den Reichshofratspräsidenten vertreten ließ. Als das Reichskammergericht 1495 auf Druck der Reichsstände fernab des Hofs in der Reichsstadt Frankfurt am Main eröffnet wurde, wirkte der ­Kaiser nicht mehr als direkte Autoritätsquelle. Daher musste die Distanz zum K ­ aiser zeremoniell überbrückt werden.311 Dies wurde erreicht, indem der Kammerrichter während der Audienzen zeremoniell in Szene gesetzt wurde. Sein um drei Stufen erhöhter Thron und dessen 305 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 11, § 4 u. 7, S. 91 f. Vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 17, § 4 u. 7, S. 370 f. 306 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 11, § 3 u. 5, S. 91. Vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 17, § 3 u. 5, S. 370 f. 307 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 11, § 2, S. 90. Vgl. auch das ­Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 17, § 1, S. 369 f. 308 Wiggenhorn, Der Reichskammergerichtsprozeß, S. 103. 309 Ebd., S. 103 f. 310 Battenberg, Studien zum Personal des königlichen Hofgerichts, S. 61 – 63; Diestelkamp, Vom Königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, S. 48 – 52. Zum Autoritätsbegriff vgl. Popitz, Phänomene der Macht, S. 7 – 36. 311 Zur weiterhin starken Idee vom ­Kaiser als oberstem Richter vgl. Laufs, Einleitung, S. 25 f.

Die Audienz

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Baldachin waren Zeichen ­­ der kaiserlichen Autorität.312 Nahm der Kammerrichter auf ­diesem Thron Platz, war in seiner Person der ­Kaiser quasi selbst anwesend.313 In der Gegenwart des Kammerrichters verkündete Urteile wurden so nicht als eigenständiger Akt des Reichskammergerichts, sondern als kaiserlicher Herrschaftsakt inszeniert. Ähnliches lässt sich auch bei der Ausfertigung der Urteile und anderer Schriften des Gerichts beobachten. Obwohl alle an das Reichskammergericht gerichteten Schreiben an den Kammerrichter adressiert waren, wurden die Urteile als kaiserliche Urkunden ausgefertigt und mit der Titulatur und dem Siegel des Kaisers versehen. Daher übersandte jeder neue ­Kaiser nach seinem Amtsantritt dem Gericht sein Siegel.314 Eine besondere Bedeutung hatte in ­diesem Kontext der Kammerrichterstab, den der Kammerrichter während der gesamten Audienz in der Hand hielt. Der Richterstab ist neben dem Schwert ein altes Motiv der Gerichtsbarkeit. Beide symbolisierten die Gerichtsherrschaft des Gerichtsherrn, im Falle des Reichskammergerichts die oberste Gerichtsgewalt des Kaisers im Reich.315 Ohne den Kammerrichter­ stab war das Reichskammergericht nicht in der Lage, Urteile zu verkünden. Als Anfang des 18. Jahrhunderts das Gericht aufgrund zahlreicher interner Konflikte seine Arbeit einstellte, wurde der Stab 1703 auf Befehl des Präsidenten Friedrich Ernst von Solms-­Laubach in einer Truhe eingeschlossen.316 Damit war es keiner der Streitparteien mehr möglich, Audienzen abzuhalten oder Urteile zu verkünden. Gerichtsstäbe wurden dem Richter vom jeweiligen Gerichtsherrn übergeben.317 So geschah es auch bei der Einrichtung des Reichskammergerichts im Jahre 1495, als ­Kaiser Maximilian I. den ersten Kammerrichter Eitelfriedrich II . von 312 Stieve, Europäisches Hoff-­Ceremoniel, S. 296 f. Vgl. auch Winkler, Bildnis und Gebrauch, S. 160 f. 313 Zu Präsenzsymbolen vgl. Gumbrecht, Ten brief reflections on institutions and re/presentation; Rehberg, Weltrepräsentanz und Verkörperung, S. 29 – 35. Vgl. außerdem Stollberg-­ Rilinger, Herstellung und Darstellung politischer Einheit, S. 73 – 79. 314 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 4, S. 347 u. § 10, S. 364. Vgl. dazu auch Kap. II.4. 315 Amira, Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, S. 84 – 111; Balemann, Beiträge zur Revision und Verbesserung, S. 203; Kocher, Richter und Stabübergabe, S. 78. Der Vizepräsident des Reichskammergerichts Ignaz Friedrich von Gruben bezeichnete den Kammerrichterstab bei der Einsetzung Philipp Karls von Oettingen-­Wallerstein 1797 so auch als kaiserliches Szepter. Vgl. HHS tA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Friedrich Karl Joseph von Mainz, Wetzlar 8. November 1797, Anlage B. Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­Gerichts, Bd. 2, § 57, S. 52, sieht dagegen im Kammerrichterstab sowohl die kaiserliche als auch die Gerichtsbarkeit des Reichs symbolisiert. 316 Balemann, Beiträge zur Revision und Verbesserung, S. 203. 317 Amira, Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, S. 84 – 87.

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Das Kammerrichteramt

Hohenzollern in sein Amt einsetzte und ihm dabei den Kammerrichterstab überreichte.318 Seitdem verblieb dieser jedoch auch dann beim Reichskammer­gericht, wenn das Kammerrichteramt vakant war. Der ­Kaiser übergab das Symbol seiner Gerichtsbarkeit nicht jedem Amtsinhaber von neuem, sondern beließ es in dauerhaftem Besitz des Gerichts. Daher war es möglich, dass das Reichskammer­ gericht Audienzen abhielt, auch wenn das Kammerrichteramt vakant war oder der Kammerrichter aus anderen Gründen nicht zur Verfügung stand. Die Reichskammergerichtsordnung von 1555 schrieb vor, dass der Kammerrichter im Verhinderungsfall einen der beiden Präsidenten als Vertreter auswählen und ihm zeitweilig den Kammerrichterstab übergeben solle. Falls keiner der Präsidenten zur Verfügung stehe, solle er den Stab einem Assessor überlassen, den ein Kurfürst dem Gericht präsentiert habe.319 Im Zuge der Reichskammergerichtsvisitation von 1568 brachte das Gericht dennoch die Frage auf, ob nur der Kammerrichter und die beiden Präsidenten den Stab führen dürften.320 Die Visitationskommission gab die Entscheidung an den ­Kaiser weiter. Dieser bestimmte, dass, um den Fortgang der Rechtsprechung zu garantieren, im Notfall auch Assessoren geeignet ­seien. Die kaiserliche Gerichtsgewalt konnte demnach von jedem Mitglied des Kameralkollegiums ausgeübt werden. Damit wurde die Beteiligung des Reichs am Reichskammergericht zeremoniell gestärkt. Der Thron mitsamt seinem Baldachin blieb aber ausschließlich dem Kammerrichter oder einem der beiden Präsidenten vorbehalten.321 Die Übergabe des Gerichtsstabs an den Kammerrichter bzw. an das Reichskammergericht symbolisierte jedoch nicht die vollständige Übertragung der kaiser­ lichen Höchstgerichtsbarkeit, sondern stellte eine „Auftragserteilung“ dar. Der Stab berechtigte den Richter lediglich, im Namen des Gerichtsherrn Recht zu 318 Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­Gerichts, Bd. 2, § 42, S. 49 f. 319 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 12, S. 93. Vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 18, S. 372. Einzige Ausnahme sollte sein, wenn der Prozess eines Kurfürsten oder Fürsten verhandelt würde. In ­diesem Fall sollte der Kammerrichter einen Fürsten, Grafen oder Herrn an die Stelle des Assessors setzen, der dafür eigens den Eid des Kammerrichters schwören sollte. 320 Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­Gerichts, Bd. 2, § 46, S. 52. Darüber hinaus kam es etwa zu derselben Zeit (1568) zu einem Konflikt ­zwischen den kurfürstlichen Assessoren, die alle jeweils für sich beanspruchten, als erster Assessor den Kammerrichterstab in Vertretung des Kammerrichters und der Präsidenten zu erhalten. Vgl. dazu HHStA Wien RK RKGVA 332a. ­ aiser 321 In HHStA Wien MEA RKG 200b, die Präsidenten des Reichskammergerichts an K Karl VI., Wetzlar 31. Juli 1735, ist dergleichen ausgeführt. Vgl. auch HHStA Wien MEA RKG 254, Hermann Theodor Moritz Hoscher an Franz Joseph von Albini, Wetzlar 11. Oktober 1797.

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sprechen.322 Der Staatsrechtslehrer Johann Stephan Pütter führte 1786 aus, dass der ­Kaiser dem Reichskammergericht die Höchstgerichtsbarkeit nicht abdictavisch aufgetragen habe, sondern lediglich communicativisch. Der ­Kaiser habe daher mit der Übergabe des Stabs seine eigene Gerichtshoheit nicht aufgegeben.323 Deshalb war es möglich, dass der K ­ aiser den Stab wieder an sich nahm und der Audienz selbst vorsaß. Allerdings geschah dies 1570 zum letzten Mal im Zuge des Reichstags zu Speyer.324 Die Kammerrichter führten dementsprechend den Stab auch nicht als persönliche Insignie, sondern es wurde ­zwischen ihren Rollen als Amtsträger und als Privatperson differenziert. Deutlich wurde dies beim Tod des Kammerrichters Franz Alexander von Nassau-­Hadamar 1711. Die Verwandten Nassaus forderten vom Gericht den Kammerrichterstab, um ihn bei den Begräbnisfeierlichkeiten vor dem Sarg als ein ­­Zeichen geführter Cammer-­Richter-­Würde hertragen zu lassen.325 Dies entsprach den Gewohnheiten der Zeit. Bei Begräbnissen von Fürsten wurden deren Insignien, in der Regel in Form von Kopien, im Trauerzug mitgeführt. Den Särgen der Kölner Bürgermeister wurden deren Bürgermeisterstäbe als ­­Zeichen der Amtswürde der Verstorbenen vorweg getragen.326 Bischöfe wurden mit ihren Hirten­stäben beigesetzt.327 Das Kollegium des Reichskammergerichts lehnte im Falle Nassaus jedoch ab, dass der Kammerrichterstab bei dessen Begräbnis zum Einsatz kam, weil dieser keine persönliche Insignie sei.328 In den Audienzen kam aber nicht nur die Autorität des Kaisers zum Ausdruck. Die Sitzordnung in der Audienz lehnte sich auch an den Bildtypus des Jüngsten Gerichts an. Dieser folgt einer seit der Spätantike gebräuchlichen Ikonographie.329 Dabei thront Christus im Zentrum, während zu seinen beiden Seiten die zwölf 322 Amira, Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, S. 87; Zur kritischen Auseinandersetzung mit der These Amiras von der „Auftragserteilung“ vgl. Kocher, Richter und Stabübergabe, S. 43. Auch Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­Gerichts, Bd. 2, § 45, S. 52, interpretiert die Stabübergabe nicht als vollständige, sondern als vorbehaltliche Übergabe der Gerichtsbarkeit. 323 Pütter, Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung, Bd. 2, S. 25. 324 Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­Gerichts, Bd. 2, § 45, S. 52. 325 Ebd., Bd. 2, § 47, S. 53 f. 326 Maehnert, Fürstliche Beisetzungsfeierlichkeiten, S. 51; Krischer, Bürgermeisterbegräbnisse im frühneuzeitlichen Köln, S. 23. 327 Amberg, Tod und Begräbnis, S. 118: Der Erzbischof Ernst von Köln wurde mit seinem Hirten­stab beigesetzt; Andermann, Zeremoniell und Brauchtum, S. 130: Bischof Marquard von Speyer wurde ebenfalls mit seinem Hirtenstab beigesetzt. 328 Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­Gerichts, Bd. 2, § 47, S. 54. 329 Mader, Die letzten „Priester der Gerechtigkeit“, S. 14 f.; Scheurmann, „Mit rothem Sammet und goldenen Borden“, S. 78 f.; Stollberg-­Rilinger, Die Würde des Gerichts, S. 195 f.

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Das Kammerrichteramt

Apostel sitzen. Daher ist es sicher kein Zufall, dass in der bekanntesten graphischen Darstellung einer Reichskammergerichtsaudienz von Peter Fehr aus den 1730er Jahren genau zwölf Assessoren abgebildet sind.330 Die ikonographische Anlehnung der Darstellung an das Weltgericht vermittelte die sakrale Legitimation des Reichskammer­gerichts, die göttliche Ordnung zu wahren und irdisches Recht zu sprechen.331 Diese göttliche Autorität erhielt das Gericht mittelbar über den K ­ aiser, der diese infolge der sakralen Weihe während der Krönung erhalten hatte.332 Die Sitzordnung des Gerichts in den Audienzen entsprach des Weiteren politischen Repräsentationsformen auf dem Reichstag wie etwa bei der Verlesung der Proposition oder dem Sitzen in Majestate.333 Dabei saß der ­Kaiser erhöht auf einem Thron, während die Kurfürsten zu seinen beiden Seiten auf Bänken Platz nahmen. Die Gruppe bestehend aus ­Kaiser und Kurfürsten war der älteste Kern des Reichstags. Sie galt bei Herrschaftsakten und in den Druckmedien seit dem 15. Jahrhundert als Pars pro Toto für das gesamte Reich und lehnte sich ebenfalls an die Darstellungstradition des Jüngsten Gerichts an. Reichstag und Reichskammer­gericht evozierten damit zwar lediglich denselben Typus, trotzdem verschmolzen die beiden Gruppen aufgrund der Ähnlichkeit miteinander. So bezogen sich auch die Assessoren im Jahr 1757 anlässlich eines Zeremonialkonflikts mit dem Kammer­richter Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein auf diese ikonographische Nähe.334 Hohenlohe wollte den Assessoren den Gebrauch von Halbarmsesseln im Plenumssaal nicht gestatten, da diese seinem eigenen Stuhl zu ähnlich s­ eien und damit seine eigene sowie die kaiserliche Autorität eingeschränkt würden. Die Assessoren erwiderten, dass das Gericht nicht nur den ­Kaiser, sondern auch das Reich repräsentiere, da das Kameralkollegium in den Audienzen in gleicher Anordnung sitze wie K ­ aiser und Reich auf dem Reichstag. Deshalb stünden ihnen als Repräsentanten des Reichs die Halbarmsessel zu.335 Die symbolische Repräsentation des Reichs im Audienzsaal wurde außerdem durch die Bildnisse von sechs Kurfürsten unterstrichen, die seit den 1730er Jahren dort an den Wänden hingen.336 Auch in bildlichen Darstellungen des ­Reichskammergerichts 330 Mader, Die letzten „Priester der Gerechtigkeit“, S. 15. 331 Brand, Abgerechnet wird am Schluß, S. 170 – 172. 332 Stollberg-­Rilinger, Die Würde des Gerichts, S. 194. 333 Dies., Des Kaisers alte Kleider, S. 55 – 6 4; dies., Die Würde des Gerichts, S. 196 f. 334 HHStA Wien MEA RKG 237a. Vgl. auch Scheurmann, „Mit rothem Sammet und goldenen Borden“, S. 82 f.; Stollberg-­Rilinger, Die Würde des Gerichts, S. 205 – 212. Vgl. außerdem Kap. III.3.4. 335 HHStA Wien MEA RKG 237a, das Reichskammergericht an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 10. Juni 1757. 336 Ulmenstein, Geschichte und Topographische Beschreibung der Kaiserlichen freyen Reichsstadt Wetzlar, Bd. 3, S. 100 f. Bei den abgebildeten Kurfürsten handelte es sich um Franz

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wird häufig auf die Reichsstände als Autorität Bezug genommen. Die Szene der Reichskammergerichtsaudienz wird beispielsweise oft von den die Kurfürsten und die Reichskreise repräsentierenden Wappen umrahmt.337 Obwohl die Leitung der Audienzen zu den Kernaufgaben der Kammerrichter gehörte, nahmen diese im 17. und 18. Jahrhunderts nur selten tatsächlich daran teil. Die Reichskammergerichtsordnung von 1555 ging noch davon aus, dass der Kammerrichter mindestens bei der Verkündung der Urteile grundsätzlich anwesend war.338 Nur wenn er krank war, auswärts weilte oder sonst aus ehafften Motiven verhindert war, sollte einer der Präsidenten oder im Notfall ein von einem Kurfürsten präsentierter Assessor der Audienz vorsitzen.339 In Zeiten, in denen der Kammerrichter über große Zeitspannen hinweg nicht am Gerichtsort weilte, wurden in der Praxis aber alle Urteile nur in Anwesenheit eines Präsidenten oder lediglich eines Assessors verkündet. Dies war insbesondere im 17. Jahrhundert der Fall, als zwei der Kurfürsten von Trier, Philipp Christoph von Sötern (1611 – 1652) und Johann Hugo von Orsbeck (1677 – 1710), Kammerrichter waren, da diese kaum Zeit in Speyer bzw. Wetzlar verbrachten.340 Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde es darüber hinaus üblich, dass in den gewöhnlichen Audienzen nicht einmal mehr einer der Präsidenten zugegen war. Diese nahmen nur noch teil, wenn Urteile verkündet wurden. Ansonsten hielt ein Assessor den Kammerrichterstab als Symbol der kaiserlichen Gerichtsgewalt in den Händen, durfte aber nicht auf dem Thron des Kammerrichters Platz nehmen.341 Ludwig von Mainz (1710 – 1732), Franz Georg von Trier (1729 – 1756), Clemens August von Köln (1723 – 1763), Friedrich August II. von Sachsen (1733 – 1763), Friedrich Wilhelm II. von Brandenburg (1713 – 1740) und Maximilian III. Joseph von Bayern (1745 – 1777). Ein Bild des Kaisers hing im späteren 18. Jahrhundert dagegen offenbar nur im Plenumszimmer des Reichskammergerichts, nicht aber im Audienzsaal. Vgl. ebd., 95 f. 337 Vgl. unter anderem den Kupferstich von Peter Fehr, 1735, Abb. in Scheurmann, „ Mit ­rothem Sammet und goldenen Borden“, S. 79. Die Auffassung, dass das Reichskammergericht sowohl den ­Kaiser als auch die Stände repräsentiere, stützte sich neben der Formation bei der Audienz auch auf die Umstände, dass d ­ ieses im Zuge eines Reichsabschieds eingerichtet worden war und dass die Reichsstände an der Auswahl des Gerichtspersonals beteiligt waren. 338 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 14, S. 98 f. Die Reichskammer­ gerichtsordnung von 1495 schrieb vor, dass der Kammerrichter zumindest bei allen Urteilen, die Reichsstände betrafen, der Audienz vorsitzen müsse. Vgl. Reichskammergerichtsordnung von 1495, § 1, S. 6. Vgl. außerdem Balemann, Visitationsschlüsse die Verbesserung des Kaiserlichen Reichs-­Kammergerichtlichen Justizwesens betreffend, S. 527 f. 339 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 12, S. 93. Vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 18, S. 373. 340 Smend, Das Reichskammergericht, S. 204 f. u. 217. 341 Die Belege hierfür sind zwar späteren Datums (im 18. Jahrhundert), doch es kann angenommen werden, dass es auch schon zuvor den Assessoren nicht gestattet war, auf dem

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Das Kammerrichteramt

Diese Praxis, die sich wahrscheinlich aus arbeitsökonomischen Gründen eingeschlichen hatte, wurde von der außerordentlichen Visitation zu Anfang des 18. Jahrhunderts kritisiert. Im Visitationsschluss von 1713 wurde das Reichskammergericht ermahnt, dass bei jeder Audienz ein Präsident anwesend sein müsse, zur Mehrung der Ehr und Hochachtung des Gerichts.342 Dies wurde in der Folgezeit beachtet. Doch selbst wenn der Kammerrichter ständig in Wetzlar weilte, leitete in der Regel nur einer der beiden Präsidenten die Audienz. Im Jahr 1736 waren normalerweise ein Präsident und zwei Assessoren bei gewöhnlichen Urteilsverkündungen anwesend, bei solchen gegen Reichsstände jedoch ein Präsident und vier Assessoren. Der Kammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim nahm dagegen im selben Jahr nur an drei Audienzen teil.343 Spätestens in den 1750er Jahren wurde es erneut üblich, dass die meisten Audienzen nur ein Assessor leitete. Wenn Urteile gegen Reichsstände verkündet wurden, war jedoch die Anwesenheit eines der beiden Präsidenten Standard.344 Auch die letzte Reichskammergerichtsvisitation (1767 – 1776) kritisierte ­dieses Vorgehen und verabschiedete 1770 einen Erlass, in dem sie das Gericht anwies, dass auch gewöhnlichen Audienzen stets zumindest ein Präsident beiwohnen sollte.345 Dieser Vorschrift kamen die beiden Präsidenten nur ungern und nachlässig nach, weshalb sie sich 1771 wiederum vor der Visitation zu rechtfertigen hatten.346 Beide gaben als Grund ihren schlechten Gesundheitszustand an. Der Präsident Joseph Maria Kammerrichterthron zu sitzen. Vgl. HHStA Wien MEA RKG 200b, Karl zu Wied-­Runkel und Ambrosius Franz von Virmond an K ­ aiser Karl VI., Wetzlar 31. Juli 1735. Vgl. auch HHStA Wien MEA RKG 254, Hermann Theodor Moritz Hoscher an Franz Joseph von Albini, Wetzlar 11. Oktober 1797. 342 Reichskammergerichtsvisitationsabschied von 1713, § 55, S. 1168. 343 BArch AR 1-III/46, Urteilsbuch des Jahrs 1736. Auch in den Jahren 1720 und 1743 waren in der Regel bei der Audienz mindestens ein Präsident oder ein Präsident und zwei Assessoren anwesend. Dies galt wenigstens für die Audienzen, in denen Urteile verkündet wurden, vgl. BArch AR 1-III/29 u. 53. Vgl. auch Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 15, S. 626 f. 344 In den Stichprobenjahren 1750 und 1762 war bei der Verkündung gewöhnlicher Urteile in der Regel lediglich ein Assessor anwesend, nur bei Verkündung von Urteilen gegen Reichsstände waren ein Präsident und vier Assessoren präsent. Vgl. BA rch AR 1-III /60 u. 72. Vgl. auch Balemann, Visitationsschlüsse die Verbesserung des Kaiserlichen Reichs-­ Kammergerichtlichen Justizwesens betreffend, S. 528; Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 15, S. 626 f.; Zwierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 262 f. 345 HHS tA Wien RK RKGVA 73, Sessio 506 der Reichskammergerichtsvisitation, 30. Januar 1771. Das im Protokoll erwähnte Visitationsconclusum wurde am 30. August 1770 verabschiedet. 346 HHStA Wien RK RKGVA 73, Sessio 506 der Reichskammergerichtsvisitation, 30. Januar 1771. Fünf Monate später besuchten die Präsidenten immer noch nicht regelmäßig die Audienz, weshalb die Reichskammergerichtsvisitation diese erneut dazu aufforderte.

Die Audienz

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Rudolf von Waldbott zu Bassenheim argumentierte mit einem schlimmen Leiden am Bein, das ihm das lange Sitzen in den Audienzen unmöglich mache. Der Präsident Christian Albrecht Kasimir von Kirchberg führte seine Brust Incommoditäten an, aufgrund derer es ihm sehr schade, sich im Winter so lange im kalten Audienzsaal aufzuhalten.347 Die Ermahnung der Visitation hatte offenbar dennoch Erfolg. In der letzten Phase des Reichskammergerichts war in Audienzen, in denen Urteile verkündet wurden, meist ein Präsident anwesend.348 Die Kammerrichter selbst dagegen nahmen in den letzten 35 Jahren bis zur Auflösung des Gerichts 1806 kaum je an einer Audienz teil.349 Vertraten die Präsidenten den Kammerrichter, strahlten sie sicherlich weniger Autorität aus als dieser selbst. Dennoch repräsentierten auch sie den ­Kaiser, da sie wie dieser vom ­Kaiser ausgewählt wurden und dementsprechend auf dem vom Baldachin überspannten Thron Platz nehmen durften.350 Leitete dagegen ein Assessor die Audienz, hielten diese, wie oben beschrieben, den Kammerrichterstab in den Händen, der Platz in solio blieb aber unbesetzt. Die Anwesenheit des Kaisers wurde dementsprechend nicht mehr symbolisiert. Die Legitimation des Gerichts war im Kammerrichterstab sichtbar, die Rechtsprechung wurde aber nicht mehr öffentlich als kaiserlicher Herrschaftsakt inszeniert. Damit kam es zu einer Lösung von der Person des Kaisers als obersten Gerichtsherrn. Einen anderen Anschein erwecken die bildlichen Darstellungen der Audienz in der Druckgraphik. Dort wird stets 347 HHStA Wien RK RKGVA 73, Anhang 321a u. b, Johann Maria Rudolf von Waldbott zu Bassenheim an die Reichskammergerichtsvisitation, [Wetzlar] 23. Januar 1771 (Kopie); Christian Albrecht Kasimir von Kirchberg an die Reichskammergerichtsvisitation, [Wetzlar] 24. Januar 1771 (Kopie). 348 Vgl. BArch AR 1-III/90 u. 100, die Urteilsbücher der Stichprobenjahre 1780 und 1790. 1790 war der Präsident Friedrich Rudolf Joseph von Trott zu Solz bereits schwer erkrankt. Aus ­diesem Grund übernahm allein der andere Präsident Johann Siegmund Karl von Thüngen alle Audienzdienste. Dementsprechend war der Anwesenheitsschnitt der Präsidenten in ­diesem Jahr schlechter als 1780. Zu Trott vgl. Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 1, Biographie 10, S. 87 – 94. 349 Vgl. die Ausführungen des Kammerrichters Franz Joseph von Spaur zu der Frage, weshalb er die Einführungsaudienz des Präsidenten Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein ausnahmsweise selbst abhielt. BArch AR 1-IV/66, Propositio Directoriales des Kammerrichters Franz Joseph von Spaur, [1791], fol. 42. 350 Mit dieser Begründung erhoben die beiden Präsidenten Karl zu Wied-­Runkel und ­Ambrosius Franz von Virmond im Jahre 1735 im Streit mit dem Kammerrichter Franz Adolf D ­ ietrich von Ingelheim Anspruch auf das Prädikat „gnädigst“. Vgl. HHStA Wien MEA RKG 200b, Karl zu Wied-­Runkel und Ambrosius Franz von Virmond an K ­ aiser Karl VI ., Wetzlar 31. Juli 1735. Vgl. auch Kap. III.3.3. Außer den Präsidenten nahmen auch die kaiserlichen Kommissare der außerordentlichen Visitationen im 18. Jahrhundert auf dem Thron Platz. Vgl. Lünig, Theatrum Ceremoniale, Bd. 2, S. 1393; Beschreibung der […] feyerlichen Eröffnung der K. R. Cammergerichts-­Visitation, S. 11.

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Das Kammerrichteramt

der Kammerrichter als Leiter der Audienz gezeigt und durch die Angabe seines Namens oder den Schriftzug Judex kenntlich gemacht. Sie zeichnen ein Bild, das sehr viel stärker auf den ­Kaiser als legitimationsstiftenden Faktor verweist als die tatsächliche Praxis am Gerichtsort.351

II.6 Plenum und Senat Der Kammerrichter war Richter im mittelalterlichen, ungelehrten Sinne. Dementsprechend sprach er in der Regel nicht selbst Recht, sondern nahm vor allem organisatorische und überwachende Aufgaben am Reichskammergericht wahr. Er entschied, welcher Senat ­welche Prozesse bearbeiten sollte, und wies den Assessoren die Akten von Prozessen zu, in denen sie als Referenten oder Korreferenten fungieren sollten.352 Er führte im Plenum sowie in einem der Senate den Vorsitz. In dieser Funktion proponierte er, leitete die Umfrage und fasste die Voten des Assessoren in einem Conclusum zusammen.353 Darüber hinaus war er für die Kontrolle der Gerichtsgeschäfte zuständig. Er sollte darauf achten, dass die Assessoren und Mitarbeiter der Kanzlei sich gemäß der Reichskammergerichtsordnung verhielten. Wenn ein Assessor nicht mit der gebotenen Sorgfalt arbeitete, seine Akten nicht gemäß der vorgegebenen Reihenfolge bearbeitete oder sich bestechen ließ, konnte er ihn verwarnen. Verbesserte sich sein Verhalten daraufhin nicht, sollte der Kammerrichter ihn nach Beratung mit den übrigen Assessoren vom Dienst suspendieren.354 Zwischen diesen Aufgaben und Rechten des Kammerrichters einerseits und der kaiserlichen Autorität andererseits wurde ein unmittelbarer Zusammenhang gesehen. Wenn die Handlungsmöglichkeiten des Kammerrichters beschränkt oder erweitert wurden, beschränkte oder erweiterte dies zugleich die Autorität des Kaisers. Folglich kann die konkrete Ausgestaltung der kammerrichterlichen Aufgaben in Plenum und Senat Auskunft über das Spannungsverhältnis ­zwischen der Unabhängigkeit des Gerichts und dem Anspruch des Kaisers geben. Im Folgenden sollen drei Beispiele untersucht werden, bei denen die kammerrichterlichen Aufgaben zur Diskussion standen.

351 Zu den Darstellungen der kammergerichtlichen Audienz vgl. Loewenich, Visualisierungen des Reichskammergerichts. Insgesamt sind nur acht Darstellungen der kammergericht­lichen Audienz bekannt, die größtenteils in der juristischen Fachliteratur erschienen sind. Ihre Wirkung war somit vor allem auf das juristische Fachpublikum begrenzt. 352 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 10. u. 11, S. 82 – 92. Zu den Aufgaben des Kammerrichters vgl. auch Smend, Das Reichskammergericht, S. 244 – 257. 353 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 11, S. 90 – 92. 354 Ebd., Teil 1, Tit. 5, S. 79.

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II.6.1 Der Ausschluss des Kammerrichters von einem Verfahren Die Reichskammergerichtsordnung von 1555 sah vor, dass Angehörige des Gerichts, die mit dem Ausgang eines Prozesses eigene Interessen verbanden, an ­diesem nicht beteiligt sein sollten.355 Es war den Parteien dementsprechend möglich, einen Antrag auf Ausschluss einzelner Mitglieder des Kameralkollegiums zu stellen, wenn deren Neutralität in Zweifel stand. Diese sogenannten Rekusationen sollten der Autonomie des Verfahrens dienen und verfahrensfremde Einflüsse verhindern. Der zuständige Prokurator sollte sie insgeheim dem Kammerrichter übermitteln, der alßdann gebürlichs einsehen thun sollte.356 Im Visitationsabschied von 1713 wurde das Vorgehen genauer geregelt. Dort heißt es, dass der Kammerrichter sich bezüglich der Rekusation je nach Wichtigkeit des Falls mit den beiden Präsidenten, einigen erfahrenen Assessoren oder auch dem ganzen Plenum beraten solle.357 Ob und wenn ja wie der Kammerrichter selbst von einem Verfahren ausgeschlossen werden konnte, war dagegen nicht eigens geregelt. 1741 kam es in dieser Frage zu einem heftigen Konflikt innerhalb des Gerichts. Der Bischof von Bamberg, Friedrich Karl von Schönborn, hatte während seines Prozesses gegen das Bamberger Domstift beantragt, den Kammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim wegen seiner zu engen Verbindungen zum Domstift vom Direktorium des Verfahrens auszuschließen. Da der Kammerrichter selbst von der Rekusation betroffen war, hatte Schönborn sein Schreiben ausschließlich an die Präsidenten und die Assessoren gerichtet.358 Nach Erhalt des Schreibens informierten die beiden Präsidenten Ingelheim über das Ansinnen des Bischofs und baten ihn, freiwillig vom Direktorium zurückzutreten.359 Ingelheim bestritt, befangen zu sein, und verweigerte den Verzicht. Der Präsident Karl zu Wied-­Runkel und der größte Teil der Assessoren verständigten sich daraufhin bei einer informellen Zusammenkunft, dass – analog zur Rekusation von Präsidenten und Assessoren – in dieser Frage das Plenum entscheiden müsse.360 Dabei beriefen sie sich auf die bisherige Praxis, nach der der Kammerrichter entweder freiwillig vom Direktorium 355 Ebd., Teil 1, Tit. 13, § 13, S. 96. Vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 12, § 8, S. 356, u. § 15, S. 357. 356 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 22, § 9, S. 109. Vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 34, § 14, S. 412. 357 Reichskammergerichtsvisitationsabschied von 1713, § 62, S. 1171. 358 Moser, Nebenstunden von Teutschen Staats-­Sachen, Bd. 1, § 1, S. 19 f. 359 Ebd., Bd. 1, § 2, S. 20. 360 Ebd., Bd. 1, § 2, S. 20. Vgl. auch HHStA Wien MEA RKG 222, Karl zu Wied-­Runkel an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 13. Mai 1741 (abgedruckt bei Moser, Nebenstunden von Teutschen Staats-­Sachen, Bd. 1, § 6, S. 28 – 30); Franz Adolf Dietrich von Ingelheim an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 1. Juni 1741; BArch AR 1-IV/101, Plenumsprotokoll des

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zurückgetreten war oder aber das Plenum befragt hatte. Ingelheim selbst hatte während des Prozesses des anderen Präsidenten Ambrosius Franz von Virmond gegen die Grafen von Limburg-­Styrum entsprechend gehandelt.361 Der Kammerrichter, Virmond sowie einige Assessoren reagierten empört auf das Vorhaben Wieds und der anderen Assessoren. Sie sahen darin eine Infragestellung der Autorität des Kammerrichters und damit des Kaisers.362 Der Kammerrichter könne sich niemals einer Entscheidung des Plenums unterordnen. Auch im Fall Virmond contra Limburg-­Styrum habe sich der Kammerrichter nicht dem Votum des Plenums unterworfen, sondern d ­ ieses lediglich um Rat gefragt.363 Wenn eine Partei die Entscheidung des Kammerrichters, die Rekusation nicht anzunehmen, anfechten wolle, könne dies nur beim ­Kaiser oder im Falle eines Interregnums bei den Reichsvikaren geschehen.364 Ingelheim und seine Unterstützer differenzierten damit nicht z­ wischen seiner Rolle als Kammerrichter und seiner Rolle als Privatperson. Eines der Grundprinzipien eines autonomen Verfahrens ist jedoch die Diffe­renzierung verschiedener sozialer Rollen. Dies beinhaltet, dass der Richter nur in seiner Funktion als Richter entscheidet und nur als solcher zu behandeln ist.365 Die Partei Wieds im Gegensatz zu der Ingelheims strebte diese Differenzierung z­ wischen Amtsträger und Privatperson an. Sie sah das Reichskammergericht als eine autonome Institution, die selbstständig und nach ihren eigenen Regeln Entscheidungen zum Beispiel bezüglich einer Rekusation treffen konnte. Der Streit z­ wischen Wied und Ingelheim zog reichsweit Kreise. 1741, zum Zeitpunkt des Konflikts, gab es nach dem Tod Karls VI. noch keinen neuen K ­ aiser. Im Reichskammergerichts, 20. Mai 1741, Votum Karls zu Wied-­Runkel, fol. 104r – 105v, hier 104v. 361 BArch AR 1-IV/101, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 20. Mai 1741, Votum Karls zu Wied-­Runkel, fol. 104r – 105v, hier 104v f.; HHStA Wien MEA RKG 222, Franz Adolf Dietrich von Ingelheim an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 1. Juni 1741. 362 BArch AR 1-IV/101, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 12. April 1741, fol. 80 – 87. Vgl. vor allem die Voten des Präsidenten Virmond (fol. 80r–82r) sowie der Assessoren ­Jodoci (fol. 82v f.), Pütz (fol. 83r f.) und Tönnemann (fol. 86r). Vgl. außerdem HHStA Wien MEA RKG 222, Franz Adolf Dietrich von Ingelheim an Karl I. Albrecht von ­Bayern und Karl III. Philipp von der Pfalz, Wetzlar 20. Mai 1741 (Kopie); Ambrosius Franz von ­Virmond an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 20. Mai 1741. Vgl. zum Folgenden auch BArch AR 1-Misc./446. 363 HHStA Wien MEA RKG 222, Franz Adolf Dietrich von Ingelheim an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 1. Juni 1741, Anhang. Vgl. die Zusammenfassung dieser Zusammenstellung bei Moser, Nebenstunden von Teutschen Staats-­Sachen, Bd. 1, § 7, S. 30 – 34. 364 HHStA Wien MEA RKG 222, Franz Adolf Dietrich von Ingelheim an Karl I. Albrecht von Bayern und Karl III. Philipp von der Pfalz, Wetzlar 20. Mai 1741 (Kopie); Franz Adolf Dietrich von Ingelheim an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 24. Mai 1741; ders. an dens., Wetzlar 1. Juni 1741, Anhang. 365 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 59 – 68, bes. S. 61 u. 120.

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Interregnum fungierten die Reichsvikare als kaiserliche Statthalter und wären die Ansprechpartner für Ingelheims Beschwerden gewesen. Stattdessen wandte sich dieser aber an den Mainzer Erzkanzler, Philipp Karl von Eltz, der in seiner Funktion als Reichsverweser mit den Reichsvikaren wegen des von Kurbayern und der Kurpfalz gemeinsam ausgeübten rheinischen Vikariats im Konflikt lag. Ingelheim lieferte Eltz eine Gelegenheit, seinen Vorrang gegenüber den Reichsvikaren zu demonstrieren. Entsprechend scharf und prompt rügte er Wied und dessen Partei.366 Zugleich riet er jedoch Ingelheim, sich freiwillig aus dem Bamberger Prozess zurückzuziehen, um nicht die Spaltung des Reichskammergerichts zu riskieren.367 Die Reichsvikare reagierten erwartungsgemäß verärgert und kritisierten, dass sich Ingelheim an den Erzkanzler und nicht an sie gewandt hatte.368 Ende Mai 1741 rang sich das Plenum des Reichskammergerichts schließlich zu dem Conclusum durch, dass es nicht befugt sei, den Kammerrichter an seinen A ­ mtsobliegenheiten 369 zu hindern. Nach dieser Bestätigung seiner kammerrichterlichen Autorität zog sich Ingelheim offenbar freiwillig vom Bamberger Verfahren zurück. Letztlich setzte sich damit die Interpretation Ingelheims durch. II.6.2 Die prozessbezogenen Aufgaben des Kammerrichters Auch wenn der Kammerrichter, wie oben ausgeführt, fast ausschließlich organisatorische Aufgaben hatte, war er nicht völlig ohne Einfluss auf den Ausgang von Entscheidungen. Denn er konnte entscheiden, wer die Entscheidungen traf. Die Referenten im Kameralprozess wurden nicht wie heute nach einem Geschäftsverteilungsplan bestimmt. Vielmehr sollte der Kammerrichter die Akten so verteilen, dass alle Assessoren ähnlich mit Arbeit belastet waren und nicht einer von ihnen mehrere besonders komplizierte Prozesse gleichzeitig bearbeiten musste.370 Damit hatte er einigen Spielraum, welchem Assessor er welches Verfahren zuwies. Darüber hinaus konnte der Kammerrichter, zumindest im 18. Jahrhundert, relativ frei bestimmen, ­welche Assessoren er welchem Senat zuordnete. In der 366 HHStA Wien MEA RKG 222, Philipp Karl von Mainz an Karl zu Wied-­Runkel, Mainz 2. Mai 1741 (Konzept). 367 HHStA Wien MEA RKG 222, Philipp Karl von Mainz an Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, Mainz 2. Mai 1741 (Konzept). 368 Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 201 f. 369 BArch AR 1-IV/101, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 20. Mai 1741, fol. 90r–118v. Vgl. auch Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 202; Moser, Nebenstunden von Teutschen Staats-­Sachen, Bd. 1, § 11, S. 47. 370 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 10, § 2, S. 83. Vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 12, § 2, S. 355.

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Reichskammergerichtsordnung von 1555 war vorgesehen, dass die drei Senate jeweils ein Vierteljahr, ein halbes oder ein ganzes Jahr Bestand haben und dann neu zusammengesetzt werden sollten.371 Im frühen 18. Jahrhundert wurde es jedoch üblich, nicht mehr feste Senate mit sechs Personen zu bilden, die für eine Definitiventscheidung notwendig waren, sondern die Assessoren nur in Dreieroder Vierergruppen einzuteilen.372 Wenn ein Prozess zur Entscheidung kam, setzte der Kammerrichter aus diesen Dreier- bzw. Vierergruppen einen entsprechenden Senat zusammen. Die relative Freiheit des Kammerrichters bei der Auswahl der Referenten und der Zusammenstellung der Senate ermöglichte das Einwirken verfahrensfremder Motive und gefährdete die Autonomie der Reichskammergerichtsverfahren.373 Und tatsächlich nutzte der Kammerrichter Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein (1746 – 1763) diese Möglichkeiten und nahm über Jahre hinweg hohe Bestechungssummen vom Frankfurter Schutzjuden Nathan Aaron Wetzlar an. Im Gegenzug beeinflusste er die Prozesse von dessen Klienten positiv.374 Dies hatte zur Folge, dass im Rahmen der Reichskammergerichtsvisitation von 1767 bis 1776 die Aufgaben des Kammerrichters zur Debatte standen. Die kaiserliche Partei fertigte ein Memorial an, das die Frage an sich und das weitere Vorgehen diskutierte.375 Es empfahl, der ­Kaiser solle sich der Reform des Kammerrichteramts nicht widersetzen, sondern diese stattdessen selbst anstoßen. Sie solle von ihm selbst als oberstem Richter und nicht von den Reichsständen ausgehen. Es solle deutlich gemacht werden, dass die Reform keine Einschränkung des höchstrichterlichen Amts bedeute, sondern der Verhinderung von Amtsmissbrauch diene. Letztlich werde durch die Beschränkung der kammerrichterlichen Befugnisse die Position des Kaisers sogar gefestigt, da das Vertrauen des Publicums in das kaiserliche Oberrichteramt gestärkt werde. Die kaiserliche Seite folgte tatsächlich dieser Strategie, und im Reichsschluss von 1775 wurden die Befugnisse des Kammerrichters eingeschränkt. In Zukunft sollten die Senate nicht mehr ad hoc zusammengestellt 371 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 10, § 11, S. 86. Vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 14, § 3, S. 361. 372 Pütter, Freymüthige Betrachtungen über die Senate, § 1 – 44, S. 1 – 29; Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 169, S. 322 – 327. Vgl. auch Sellert, Verfahrensbeschleunigung am Reichskammergericht. 373 Vgl. dazu ausführlich Kap. III.4. 374 Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 200 – 221; Schwarz, Bribery of ­Judges; Sellert, Richterbestechung am Reichskammergericht und am Reichshofrat. Vgl. auch Kap. III.4.6. 375 HHS tA Wien MEA RKG 392, Untersuchung der Frage, ob die persönliche Gewalt des Kammerrichters zur Vergrößerung dessen Amtes und zum Vortheilen des kaiserlichen Hofes gereiche.

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werden, sondern dauerhaft aus denselben Assessoren bestehen.376 Nur unter besonderen Umständen und nach Anhörung der Assessoren des betroffenen Senats war es dem Kammerrichter in der Folge möglich, einen Assessor aus einem Senat zu entfernen. Die Akten sollten nicht mehr durch den Kammerrichter, sondern durch ein Losverfahren auf die Senate verteilt werden. Jeden Samstag sollte der Kammerrichter die Akten der anliegenden Prozesse in drei Stapel aufteilen.377 Dabei sollte er darauf achten, dass in allen drei Stapeln etwa gleich viele leichte und komplizierte Fälle enthalten waren. Anschließend war es Aufgabe eines Lesers, auf Befehl des Kammerrichters auszulosen, welcher Senat ­welchen Aktenstapel zugeteilt bekam. Lediglich Fälle, die von bestimmten Senaten nicht bearbeitet werden konnten, da sie einen der daran beteiligten Assessoren persönlich betrafen, sollten separiert und einem anderen Senat zugeordnet werden. Für die Referatsvergabe traf die Visitation keine neue Regelung. Das Gericht einigte sich jedoch intern darauf, in jedem Senat beginnend mit dem ranghöchsten Assessor die Akten reihum auszugeben, bis alle verteilt waren.378 Die Befugnisse des Kammerrichters bei der Referatsvergabe und der Senatseinteilung waren nach dem Bestechungsskandal um den Frankfurter Schutzjuden Nathan Aaron Wetzlar nicht mehr haltbar. Um den Verlust kaiserlicher Autorität in Stärke umzuwandeln, betrieb die kaiserliche Partei in der Folgezeit aktiv die Beschneidung der kammerrichterlichen Befugnisse. Die starke Reformorientierung ­Kaiser Josephs II. mag zusätzlich zum Verzicht auf kaiserliche Rechte zugunsten der Unabhängigkeit der Justiz beigetragen haben.379 II.6.3 Das Votum Decisivum Kaum ein Aspekt des Kammerrichteramts wurde von den Zeitgenossen so intensiv diskutiert wie das Votum Decisivum. Wie bereits erläutert, hatte der Kammerrichter kein formales Stimmrecht. Er fasste lediglich die Stimmen der Präsidenten und der Assessoren zusammen. Umstritten war allerdings, ob ihm, wenn es 376 Reichsschluß vom 23. Octbr. / 15. Decbr. 1775, S. 1529. Vgl. auch Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 175, S. 355 – 358. 377 Reichsschluß vom 23. Octbr. / 15. Decbr. 1775, S. 1531. Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 182, S. 393 – 396. 378 Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 183, S. 396 – 401. 379 Vgl. zu den Bemühungen Josephs II. um die Reformierung der Reichsgerichte Aretin, Das Alte Reich 1648 – 1806, Bd. 3, S. 122 – 165.

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im Plenum zum Patt kam, die entscheidende Stimme, das Votum Decisivum, zukomme oder nicht. Die reichsständisch-­protestantische Seite lehnte das Votum Decisivum als Anmaßung des Kaisers ab. Die kaiserliche Seite jedoch bestand ausdrücklich auf ­diesem Recht, weil in ihm die oberrichterliche[n] Rechte des Kaisers zum Ausdruck kämen.380 Die normativen Regelungen zum Votum Decisivum waren nicht eindeutig. Die erste Reichskammergerichtsordnung von 1495 hatte es dem Kammerrichter zugestanden. Dort heißt es, dass, wenn die Assessoren spennig und auf yeglichen Tail gleich wären, der Kammerrichter den Zufall tun solle.381 Die Reichskammergerichtsordnung von 1495 ging noch davon aus, dass das Gericht stets im Plenum tagte. Spätestens seit der Ordnung von 1521 wurde das Reichskammergericht jedoch in mehrere Senate geteilt, die parallel Fälle berieten.382 1555 wurde entsprechend der Senatsverfassung festgelegt, dass der Kammerrichter im Falle einer Pattsituation je nach Wichtigkeit der zu verhandelnden Sache vorgehen solle. Er konnte dem betroffenen Senat weitere Assessoren zuordnen, den Fall einem anderen Senat übergeben oder ihn im Plenum verhandeln lassen.383 Das Votum Decisivum wurde nicht mehr erwähnt. Außerdem setzte die Reichskammergerichtsordnung von 1555 alle vorherigen Ordnungen außer Kraft.384 Der Westfälische Frieden (IPO V, 54 – 56) bestimmte 1648, dass der Senat in Prozessen mit konfessionsverschiedenen Parteien aus ebenso vielen protestantischen wie katholischen Assessoren bestehen solle.385 Falls es zur Spaltung des Senats entsprechend der konfessionellen Zugehörigkeit seiner Mitglieder komme, solle der Prozess an den Reichstag verwiesen werden.386 Für alle übrigen Pattsituationen verwies das Friedensinstrument von Osnabrück dagegen auf die Reichskammergerichtsordnung von 1555.387 380 HHS tA Wien RK RKGVA 375a, Rudolph Joseph von Colloredo an Franz Joseph von Spaur, Wien 10. Mai 1767 (Konzept). 381 Reichskammergerichtsordnung von 1495, § 1, S. 6. Zu den Diskussionen um die entscheidende Stimme des Kammerrichters in der Ordnung von 1495 vgl. Battenberg, Königliche Gerichtsbarkeit und Richteramt. 382 Reichskammergerichtsordnung von 1521, Tit. 2, S. 180. 383 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 13, § 10, S. 95 f. Diese Regel galt faktisch nicht für Religionssachen. Dementsprechend löste es eine reichsweite Krise aus, als der Kammerrichter Philipp Christoph von Sötern 1614 dem Religionssenat im Prozess des Bischofs von Würzburg gegen die Reichsritter von Rosenberg einen katholischen Assessor hinzufügte, nachdem dort ein Patt entstanden war. Vgl. Ruthmann, Das richterliche Personal am Reichskammergericht, S. 18 f.; ders. Krisenjahre am Reichskammergericht, S. 9 – 11. 384 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Präambel, S. 59 – 61. 385 Instrumentum Pacis Osnabrugensis, Art. V, § 55, S. 127. 386 Ebd., Art. V, § 56, S. 127 f. 387 Ebd., Art. V, § 56, S. 127 f.

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Faktisch kam es nur sehr selten zu Situationen, in denen sich der Kammer­ richter des Votum Decisivum hätte bedienen können.388 Seine Bedeutung war deshalb vielmehr symbolisch-­expressiver Natur. Wenn der Kammerrichter als kaiserlicher Repräsentant das Votum Decisivum abgab, sprach im selben Moment der K ­ aiser quasi selbst Recht. Es ging also weniger um die Möglichkeit des Kammer­richters, Prozesse in seinem oder des Kaisers Sinne zu entscheiden, als um die mit dem Votum Decisivum verbundene Darstellung des Kaisers als obersten Richters im Reich. Wurde dem Kammerrichter das Recht auf das Votum Decisivum abgesprochen, verlor der K ­ aiser einen Teil seiner höchstrichterlichen Stellung. Er gab dann seine Gerichtshoheit vollständig an eine von ihm unabhängige Rechtsprechungsinstanz ab. Am Reichshofrat hatte der K ­ aiser das Votum Decisivum für den Präsidenten stets bewahren können.389 Darüber hinaus, und viel häufiger angewendet, konnte der ­Kaiser bei Pattsituationen selbst entscheiden, wenn die Reichshofräte bei besonders wichtigen Entscheidungen uneins waren.390 Diese entscheidende Stimme des Kaisers, das Votum ad Imperatorem, war bei den Reichsständen höchst umstritten. Sie versuchten immer wieder, es einzuschränken oder abzuschaffen.391 1656 lehnte dies Ferdinand III . wie andere K ­ aiser vor ihm entschieden ab, da seine Autorität und seine Stellung als oberster Richter eingeschränkt worden wären.392 Im 16. Jahrhundert war das Votum Decisivum des Kammerrichters kein Konfliktthema. Selbst zu den sogenannten Religionsprozessen, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vor dem Reichskammergericht geführt wurden, ist kein solcher Streitfall bekannt, obwohl die Prozesse häufig in Pattsituationen endeten und politisch brisant waren.393 Umso intensiver wurde die Diskussion im 18. Jahrhundert sowohl in der Kameralliteratur als auch auf Reichsebene geführt.394 Ausgelöst wurde sie erstmalig durch den Kammerrichteramtsverweser Franz Adolf ­Dietrich von Ingelheim. 1711/12 hatte sich das Plenum entzweit, ob der vom katholischen Teil des schwäbischen Kreises präsentierte Heinrich Christoph von ­Braillard als Assessor aufgeschworen werden sollte. Es kam zur Spaltung in zwei gleich große Lager. Ingelheim gab mit seinem Votum den Ausschlag für die Aufnahme 388 Pütter, Freymüthige Betrachtungen über die Senate, § 72 – 74, S. 47 – 49. 389 Sellert, Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae, S. 344 – 346. 390 Ebd., S. 346 – 353. 391 Ebd., S. 346 – 353; Leyers, Reichshofratsgutachten an ­Kaiser Josef II., S. 90 – 95. 392 Sellert, Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae, S. 350 f. 393 Vgl. dazu Ruthmann, Die Religionsprozesse am Reichskammergericht, bes. S. 280 – 282. 394 Zwar wurde das Votum Decisivum schon früher von Autoren wie Deckherr und Nagel behandelt, das Gros der Auseinandersetzungen mit dem Votum Decisivum fand aber im 18. Jahrhundert statt. Vgl. dazu Zwierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 203 f., und die Angaben in Anm. 415.

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Das Kammerrichteramt

Braillards.395 Dies veranlasste die protestantischen Deputierten der gerade tagenden außerordentlichen Reichskammergerichtsvisitation (1707 – 1713) dazu, ein Conclusum zu verfassen, das dem Visitationsabschluss als Anlage beigefügt wurde.396 Die Deputierten reklamierten darin, dass der Kammerrichter oder der Amtsverweser bei Pattsituationen in Religionsfragen keine entscheidende Stimme habe. Sie bestritten das Votum Decisivum jedoch nicht explizit, sondern beschränkten sich auf die Anmerkung, sicherstellen zu wollen, dass der Kammerrichter es mit Reichs-­Satzungs-­mäßiger Behutsamkeit anwende.397 ­Kaiser Karl VI . begriff diesen Zusatz jedoch als unzulässige Beschränkung seiner höchstrichterlichen Rechte, weshalb er das Conclusum 1719 für nichtig erklären und kassieren ließ.398 Das Corpus Evangelicorum protestierte 1720 gegen die Annullierung und argumentierte, dass das Votum Decisivum lediglich in der Reichskammergerichtsordnung von 1495 erwähnt werde. Mit der späteren Einführung der Senate sei es hinfällig geworden.399 Diese Position wurde fortan von den protestantischen Reichsständen und der protestantisch geprägten Kameralliteratur vertreten. Im Rahmen der letzten Reichskammergerichtsvisitation (1767 – 1776) wurde die Frage des Votum Decisivum erneut diskutiert. 1767 zu Beginn der Visitation setzte der Kammerrichter Franz Joseph von Spaur seine entscheidende Stimme in der Hansischen Inquisitions-­Sache ein.400 Einige Assessoren protestierten entschieden, worauf der Kammerrichter in einem langen Vortrag die Gründe für die 395 BA rch AR 1-IV /83, Plenumsprotokolle des Reichskammergerichts, 16. September 1711, 18. u. 22. Januar 1712, fol. 254r–260v, 307v–311r u. 312r–315v. Vgl. auch das Schreiben Ingelheims an K ­ aiser Karl VI. vom 25. Januar 1712 (Konzept) in BArch AR 1-Misc./643. Darüber hinaus erwähnen ausnahmslos alle Autoren nach 1711/12 Ingelheims Anwendung des Votum Decisivum. Vgl. dazu die Angaben in Anm. 415. 396 Vgl. Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichtsund Kanzleyverfassung, Teil 1, § 208, S. 479. 397 Conclusum in Conferentia Evangelicorum Wezlariae die 19. Dec. 1713, in: Schauroth, Vollständige Sammlung Aller Conclusorum, Bd. 1, S. 285 f. Vgl. auch Smend, Das Reichskammergericht, S. 253. 398 Abgedruckt in: Faber, Europäische Staats-­Cantzley, Bd. 34, S. 366. 399 Wegen des von denen Evangelischen tempore ultimae Visitationis Cameralis gemachten und von kayserl. Majestät null und nichtig declarirten Coclusi, die Jurisdictionem Cameralem in Ecclesiasticis- und Cammer-­Richterliche Votum decisivum betreffen, Regensburg 20. Mai 1720, in: Schauroth, Vollständige Sammlung Aller Conclusorum, Bd. 1, S. 286 – 292, bes. S. 291 f. 400 Nach langen Beratungen war das Plenum des Gerichts in der Sache zu keinem Ergebnis gelangt, vgl. BA rch AR 1-IV /118, Plenumsprotokolle des Reichskammergerichts, 6. – 28. Februar 1767, fol. 6a–59v. Am 7. März 1767 setzte Spaur dann das Votum Decisivum ein, vgl. BA rch AR 1-IV /118, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, fol. 60r. Vgl. auch HHS tA Wien RK RKGVA 375a, Franz Joseph von Spaur an Rudolph Joseph von Colloredo, Wetzlar 14. April 1767.

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Rechtmäßigkeit seines Vorgehens darlegte.401 Wegen dieser innergerichtlichen Auseinandersetzung fürchtete die kaiserliche Deputation, dass das Votum Decisivum während der Visitationsverhandlungen von den protestantischen Reichsständen zur Diskussion gestellt werden würde. Sie bemühten sich deshalb um eine gründliche Vorbereitung der kaiserlichen Argumentationslinie.402 Der Kammerrichter wurde beauftragt, Erkundigungen einzuziehen und Argumente zu sammeln, die die kaiser­liche Position stützten.403 Spaur sichtete daraufhin die Plenumsprotokolle und stellte eine Serie von Fällen zusammen, bei denen das Votum Decisivum angewendet worden war. Wilhelm von Baden-­Baden (1652 – 1677) benutzte es bezüglich der Frage, wer als Reichskammergerichtsarzt angenommen werden sollte. 1722 entschied Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein durch sein Votum Decisivum, wie hoch die Strafe für den Prokurator Johann Rudolf Sachs ausfallen sollte, der die Geheimhaltung eines Kameralprozesses verletzt hatte.404 Spaur brachte außerdem in Erfahrung, dass der Prokurator Damian Ferdinand Haas und der kaiserliche Assessor Theodor Karl von L’Eau gerade Schriften zur Verteidigung des kammerrichterlichen Votum Decisivum verfassten.405 L’Eau stellte seine Arbeit offenbar nie fertig. Haas aber wurde vom Kammerrichter mit zahlreichen Informationen versorgt, die er in seinen Traktat einarbeitete.406 Als Dank für seine Arbeit erhielt er 1000 Dukaten aus der kaiserlichen Kriegskasse.407 401 Vgl. BA rch AR 1-IV /118, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 9. März 1767, fol. 65r u. 67r–70r. Vgl. auch HHStA Wien RK RKGVA 375a, Franz Joseph von Spaur an Rudolph Joseph von Colloredo, Wetzlar 14. April 1767. Die Verteidigungsschrift Spaurs folgt der typischen katholischen Argumentation. Vgl. auch die folgenden Anmerkungen. 402 HHS tA Wien RK RKGVA 375a, Rudolph Joseph von Colloredo an Karl Egon von ­Fürstenberg, Wien 10. Mai 1767. 403 HHS tA Wien RK RKGVA 375a, Rudolph Joseph von Colloredo an Franz Joseph von Spaur, Wien 10. Mai 1767 (Konzept). 404 HHStA Wien RK RKGVA 375a, Franz Joseph von Spaur an Rudolph Joseph von ­Colloredo, Wetzlar 6. Juni 1767. 405 HHStA Wien RK RKGVA 375a, Franz Joseph von Spaur an Rudolph Joseph von C ­ olloredo, Wetzlar 26. Mai 1767; ders. an dens., Wetzlar 11. Juni 1767. Der erste Teil von L’Eaus Arbeit liegt dem Schreiben vom 11. Juni 1767 bei und trägt den Titel „Collectanea des Votum Decisivum betreffend“. Der Aufsatz wurde wahrscheinlich aber nie beendet. Vgl. Franz Joseph von Spaur an Rudolph Joseph von Colloredo, Wetzlar 12. September 1767. 406 HHS tA Wien RK RKGVA 375a, Franz Joseph von Spaur an Rudolph Joseph von ­Colloredo, Wetzlar 12. September 1767. Bei dem Werk handelt es sich um Haas, ­Patriotische Gedanken von des Herrn Cammer-­Richters Voto Decisivo. Vgl. dazu auch Stein, Advokaten und Prokuratoren, S. 165 – 167. Vgl. außerdem zur Biographie Damian Haas‘ Vahlkampf (Hrsg.), Reichskammergerichtliche Miscellen, Bd. 1, S. 264; Weitzel, Damian Ferdinand Haas. 407 HHStA Wien RK RKGVA 375a, Rudolph Joseph von Colloredo an Georg von ­Spangenberg, Wien 20. September 1768.

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Das Kammerrichteramt

Mitte des Jahres 1767 brachte der herzoglich-­bremische Gesandte das Votum Decisivum tatsächlich in die Beratungen während der Reichskammergerichtsvisitation ein, Anfang des Jahres 1768 wurde es behandelt.408 Während verschiedene Deputierte die Anwendung des Votum Decisivum scharf kritisierten,409 lehnte die kaiserliche Deputation ab, überhaupt darüber zu verhandeln, da es sich um ein kayser­liches Reservat und Befugnis handele. Es stehe den Reichsständen nicht zu, über des regierenden Kaysers allerhöchst Majestät Rechte zu beraten.410 Außerdem sei das Votum Decisivum seit der Zeit ­Kaiser Maximilians I. in Gebrauch und seitdem regelmäßig angewendet worden. Die Visitation werde mit dieser Diskussion von ihren eigent­lichen Aufgaben abgehalten und verschwende wichtige Zeit.411 Den Kaiserlichen gelang es so, die Auseinandersetzung abzubrechen. Zwei Jahre später wurde beschlossen, die Diskussion über das Votum Decisivum bis zur Verhandlung über eine neue Reichskammergerichtsordnung aufzuschieben.412 Zur Ausarbeitung einer neuen Ordnung kam es bis zum Ende des Alten Reichs 1806 aber nicht mehr. Allerdings beschäftigte sich der Reichstag 1773 mit dem Votum Decisivum.413 Die katholischen Kurfürsten wollten dabei dem Kammerrichter das Votum Decisivum zugestehen, sofern es in den Senaten zu einem Patt gekommen war. Die protestantischen Stände wandten sich entschieden dagegen, wodurch es zu keiner Entscheidung kam.414 Neben der politischen Auseinandersetzung befasste sich auch die Kameralliteratur des 18. Jahrhunderts intensiv mit der Frage des Votum Decisivum.415 Dabei 408 HHS tA Wien RK RKGVA 55, Sessiones 112 – 116 der Reichskammergerichtsvisitation, 1. – 9. Februar 1768; HHStA Wien RK RKGVA 68, Sessio 386 der Reichskammergerichtsvisitation, 5. Februar 1770. 409 HHS tA Wien RK RKGVA 55, Sessiones 112 – 116 der Reichskammergerichtsvisitation, 1. – 9. Februar 1768. 410 HHStA Wien RK RKGVA 55, Sessiones 113 u. 115 der Reichskammergerichtsvisitation, 4. u. 8. Februar 1768. 411 HHStA Wien RK RKGVA 55, Sessio 116 der Reichskammergerichtsvisitation, 9. Februar 1768. 412 HHStA Wien RK RKGVA 68, Sessio 386 der Reichskammergerichtsvisitation, 5. Februar 1770. 413 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 28, S. 671 – 678. 414 Ebd., § 28, S. 678; Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­ Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 208, S. 482 f. 415 Vgl. u. a. Haas, Patriotische Gedanken von des Herrn Cammer-­Richters Voto Decisivo; Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­Gerichts, Bd. 2, § 72, S. 69 – 74; Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 208 – 210, S. 470 – 490; Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 13, S. 364 – 368, u. § 28, S. 662 – 678; Pütter, Freymüthige Betrachtungen über die Senate, § 45 – 74, S. 29 – 49; Rudloff, Ueber die so genannte entscheidende Stimme; Zwierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 201 – 209. Weitere Literaturangaben z. B. bei Fahnenberg, Litteratur des Kayserlichen

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bildete sich ein Kanon von Argumenten heraus, die jeweils von der kaiserlich-­ katholischen und der reichsständisch-­protestantischen Seite vorgebracht wurden.416 Die kaiserlich-­katholische Partei argumentierte, das Votum Decisivum sei mit der Reichskammergerichtsordnung von 1495 eingeführt und seitdem durch keine andere Ordnung aufgehoben worden.417 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555 habe zwar alle vorherigen Ordnungen für nichtig erklärt, aber nur insoweit, als diese der neuen Ordnung nicht widersprächen. Die entscheidende Stimme des Kammerrichters sei aber in den Bestimmungen der neuen Ordnung nicht explizit erwähnt.418 Weiterhin beträfen die Regelungen des Westfälischen ­Friedens zum Votum Decisivum nur Prozesse mit religionsverschiedenen Parteien. In allen übrigen Fällen sei es nicht ausgeschlossen worden, wozu auf die Reichskammergerichtsordnung von 1555 verwiesen worden sei.419 Hinzu komme, dass auch der Reichshofratspräsident die entscheidende Stimme habe.420 Da die Ämter des Reichshofratspräsidenten und des Kammerrichters gleichwertig s­ eien, müssten auch beide über die gleichen Rechte verfügen. Ferner müsse gewährleistest sein, Reichskammergerichts; Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­Gerichts, Bd. 2, § 72, S. 73 f.; Zwierlein, Vermischte Briefe und ­Abhandlungen, Bd. 1, S. 203. 416 Vgl. dazu die Aufstellungen von Zwierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 204 – 209; Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­ Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 209, S. 483 – 489. Zwierlein bezieht sich in seiner Zusammenstellung von 1767 vor allem auf die Argumente, die der Kammerrichter Franz Joseph von Spaur 1767 selbst im Plenum eingebracht hatte. Vgl. HHStA Wien RK RKGVA 375a, Franz Joseph von Spaur an Rudolph Joseph von Colloredo, Wien 14. April 1767, Anhang. 417 Haas, Patriotische Gedanken von des Herrn Cammer-­Richters Voto Decisivo, § 71, S. 59 f. Die Abhandlung von Haas stützt sich vor allem auf die Informationen des Kammerrichters Spaur. Vgl. deshalb auch die Unterlagen in HHStA Wien RK RKGVA 375a. Vgl. außerdem Zwierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 204; Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 209, S. 483. 418 Haas, Patriotische Gedanken von des Herrn Cammer-­Richters Voto Decisivo, § 93, S. 85 f. Vgl. auch Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichtsund Kanzleyverfassung, Teil 1, § 209, S. 483. 419 Haas, Patriotische Gedanken von des Herrn Cammer-­Richters Voto Decisivo, § 61, S. 50 f. Vgl. auch Zwierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 204 f.; Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 209, S. 484. 420 Haas, Patriotische Gedanken von des Herrn Cammer-­Richters Voto Decisivo, § 93, S. 84 f. Vgl. auch Zwierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 205; Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 209, S. 485 f.

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Das Kammerrichteramt

dass das Reichskammergericht als Höchstgericht im Reich auch in Pattsituationen eine Entscheidung fällen könne.421 Und nicht zuletzt entspreche die Anwendung des Votum Decisivum dem alten Herkommen.422 Die protestantische Seite vertrat die Ansicht, dass sich bis zur Anwendung des Votum Decisivum durch den Kammerrichteramtsverweser Ingelheim im Jahr 1711 kein weiterer Fall ermitteln lasse.423 Außerdem sei das Votum Decisivum durch die Reichskammergerichtsordnung von 1555 aufgehoben worden. Mit der Einrichtung der Senate sei die Gerichtsverfassung grundsätzlich geändert worden und die neue Ordnung von 1555 regle, wie bei Stimmengleichheit zu verfahren sei.424 Alle Details, die in die neue Ordnung übernommen worden ­seien, ­seien explizit erwähnt.425 Da das Votum Decisivum nicht vorkomme, habe man es abschaffen wollen. Die Verhandlungen auf dem Westfälischen Friedenskongress hätten gezeigt, dass die protestantischen Gesandten ein Votum Decisivum niemals hätten zulassen wollen.426 Auch die Analogie zum Reichshofratspräsidenten sei kein Argument. Der Westfälische Frieden habe bestimmt, dass sich der Reichshofrat am Reichskammergericht orientieren solle und nicht umgekehrt. Außerdem habe der ­Kaiser beim Reichshofrat noch ein nachträgliches Einspruchsrecht, wodurch das Votum Decisivum des Reichshofratspräsidenten weniger final sei als das des 421 Haas, Patriotische Gedanken von des Herrn Cammer-­Richters Voto Decisivo, § 87, S. 76. Vgl. auch Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichtsund Kanzleyverfassung, Teil 1, § 209, S. 484. 422 Haas, Patriotische Gedanken von des Herrn Cammer-­Richters Voto Decisivo, § 82, S. 68 – 74. Vgl. auch Zwierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 205. 423 Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­Gerichts, Bd. 2, § 72, S. 70 f.; Rudloff, Ueber die so genannte entscheidende Stimme, § 38 – 40, S. 46 – 48. Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 13, S. 364 – 368, legt die Positionen vor allem von Harpprecht und Haas dar und befürwortet die Ausführungen von Pütter. Vgl. außerdem Zwierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 207 f.; Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 209, S. 487. 424 Harpprecht, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­Gerichts, Bd. 2, § 72, S. 69 f. u. 72 f.; Pütter, Freymüthige Betrachtungen über die Senate, § 51 – 53, S. 33 f.; Rudloff, Ueber die so genannte entscheidende Stimme, § 9 f., S. 13 – 15. Vgl. auch Z ­ wierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 206. 425 Pütter, Freymüthige Betrachtungen über die Senate, § 54, S. 35. Vgl. auch Rudloff, Ueber die so genannte entscheidende Stimme, § 11 f., S. 15 – 17. Vgl. auch Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 209, S. 486. 426 Pütter, Freymüthige Betrachtungen über die Senate, § 66, S. 42 f.; Rudloff, Ueber die so genannte entscheidende Stimme, § 25 – 36, S. 29 – 45. Vgl. auch Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 209, S. 486 f.

Zwischenresümee

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Kammerrichters.427 Der Kammerrichter bedürfe der Ordnung nach keiner juristischen Qualifikation. Er habe deshalb in Rechtssachen keine Entscheidungsbefugnis.428 Und schließlich sei das Argument, das Reichskammergericht könne in Pattsituationen keine Entscheidungen treffen, irrelevant, da ­solche Fälle fast nie vorkämen.429 Trotz der kontroversen theoretischen Diskussion über das Votum Decisivum fand es de facto bei Entscheidungen, die nicht in den Senaten, sondern von Beginn an im Plenum beraten wurden, regelmäßig Anwendung.430 Dabei handelte es sich in der Regel um Verfahrensfragen wie die Aufnahme neuer Assessoren, die Rekusation von Kameralpersonen oder die Veränderung der Zusammensetzung von Senaten.431

II.7 Zwischenresümee Mit der Einrichtung des Reichskammergerichts im Jahr 1495 war die Höchst­ gerichtsbarkeit im Reich von der Person des Kaisers als obersten Richters gelöst und eine eigenständige Rechtsprechungsinstitution geschaffen worden. Dennoch blieb der ­Kaiser oberster Gerichtsherr im Reich und behauptete diese Stellung über die Zeit hinweg. Als kaiserlicher Repräsentant am Reichskammergericht befand sich der Kammerrichter in einem Spannungsverhältnis ­zwischen dem Reichskammergericht als eigenständiger Rechtsprechungsinstanz und dem Anspruch des Kaisers auf die höchstrichterliche Gewalt im Reich. Auf der einen Seite war das Amt des Kammerrichters notwendig, um die Berechtigung des Reichskammergerichts, Recht zu sprechen, darzustellen. Dieses Anrecht leitete sich aus der Autorität des Kaisers als obersten Richters im Reich ab. Reichte bei den Vorgängern des Reichskammergerichts und beim Reichshofrat deren Anwesenheit am Kaiserhof, musste das Reichskammergericht die Distanz zum ­Kaiser 427 Rudloff, Ueber die so genannte entscheidende Stimme, § 47, S. 55 f. Vgl. auch Zwierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 207. 428 Pütter, Freymüthige Betrachtungen über die Senate, § 58 – 65, S. 37 – 42; Rudloff, Ueber die so genannte entscheidende Stimme, § 13, S. 17 – 19 u. § 44, S. 53. 429 Pütter, Freymüthige Betrachtungen über die Senate, § 72 – 74, S. 47 – 49; Rudloff, Ueber die so genannte entscheidende Stimme, § 48, S. 56 – 58. 430 Balemann, Beiträge zur Revision und Verbesserung, S. 345; Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 210, S. 489 f. 431 Balemann, Beiträge zur Revision und Verbesserung, S. 345; Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 210, S. 489 f. Vgl. auch die vom Kammerrichter Spaur recherchierten Fälle in HHStA Wien RK RKGVA 375a.

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Das Kammerrichteramt

zeremoniell überbrücken. Dies geschah durch den Kammerrichter als kaiserlichen Repräsentanten vor allem in den Audienzen. Nahm der Kammerrichter dabei auf dem um drei Stufen erhöhten und von einem Baldachin überspannten Thron Platz, so war der ­Kaiser quasi selbst anwesend. Auf der anderen Seite war das Amt des Kammerrichters im Gegensatz zu dem anderer kaiserlicher Repräsentanten nicht direkt an die Person des Kaisers gebunden. Nach dem Tod des Kaisers wurden alle anderen Repräsentanten von den Reichsvikaren oder dem neuen K ­ aiser ausgetauscht oder mussten bestätigt werden. Der Kammerrichter dagegen blieb im Amt. Das Kammerrichteramt war damit von der Person des Kaisers getrennt und transpersonal. Durch diese Lösung gewannen die Reichsstände und das Reichskammergericht selbst Einfluss auf das Richteramt. Dies wird besonders bei Auswahl und Einsetzung des Kammerrichters deutlich. Er wurde nicht von einem kaiserlichen Kommissar, sondern vom Reichskammergericht selbst installiert. Das Gericht stellte sich dabei als Repräsentant des Reichs dar. Und selbst in der Audienz, in der die Legitimation des Gerichts, Recht zu sprechen, öffentlich dargestellt wurde, fanden sich Elemente der Partizipation der Reichsstände und der Eigenständigkeit des Gerichts. Dort konnten die Assessoren in Abwesenheit des Kammerrichters oder der Präsidenten den Kammerrichterstab führen. Demnach konnte das Reichskammergericht, auch wenn der ­Kaiser nicht in einem seiner Repräsentanten gegenwärtig war, die oberste Gerichtsgewalt im Reich ausüben und sich als eigenständige Institution präsentieren. Die ­Kaiser versuchten mit wechselnder Intensität, den Einfluss und die Parti­ zipation, die die Reichsstände und das Gericht an der obersten Gerichtsbarkeit im Reich gewonnen hatten, zurückzudrängen, insbesondere was die Befugnisse des Kammerrichters betraf. Dies begann bereits unmittelbar nach der Einrichtung des Reichskammergerichts als oberster Rechtsprechungsinstanz. Sah die Reichskammergerichtsordnung von 1495 noch vor, dass der K ­ aiser den Kammerrichter gemeinsam mit den Reichsständen auswählte, zog er ­dieses Recht bis zur Verabschiedung der Reichskammergerichtsordnung von 1555 wieder in seine alleinige Verfügungsgewalt. Ebenso wurde im Eid des Kammerrichters, der diesen nach der Ordnung von 1555 noch allein dem Reichskammergericht verpflichtet hatte, bereits 1557 wieder ein Bezug zu ­Kaiser und Reich hergestellt. Nach einer Zeit, in der die K ­ aiser weniger Interesse zeigten, lassen sich entsprechende Bemühungen ab der zweiten Hälfte des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wieder verstärkt beobachten. Dies fügte sich in die Reichspolitik des Kaiserhofs seit dem Westfälischen Frieden von 1648 ein. Die kaiserliche Partei versuchte dem dort normativ festgeschriebenen Dualismus von ­Kaiser und Reichsständen durch die Stärkung der kaiserlichen Stellung zu begegnen. Eine maßgebliche Rolle spielte dabei für die Darstellung der kaiserlichen Autorität, dass der K ­ aiser sein höchstrichterliches Amt ausübte. In dieser Zeit veränderten

Zwischenresümee

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die ­Kaiser etwa die Wortwahl in den Schreiben, mit denen sie den Mainzer Erzkanzler und das Gericht über die Ernennung eines neuen Amtsinhabers informierten. War darin im 17. Jahrhundert noch von der „Präsentation“ des Kammerrichters die Rede, verwendete ­Kaiser Karl VI. 1718 anlässlich der Einsetzung Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch den Begriff der „Ernennung“. Während der Ausdruck „Präsentation“ suggerierte, dass für das Reichskammergericht eine Wahlmöglichkeit bestand, kam der neue Begriff „Ernennung“ einem Einsetzungsbefehl gleich. Ähnliches lässt sich für die Rolle beobachten, die der Mainzer Erzkanzler bei Auswahl und Einsetzung des Kammerrichters einnahm. Den Kaisern gelang es, sie von der eines Beraters bei der Auswahl des Kammerrichters zu der eines kaiserlichen Kommissars zu wandeln. Als solcher sollte er, so zumindest die kaiserliche Vorstellung, die Einsetzung des Kammerrichters vornehmen. Faktisch geschah dies allerdings nie.

III.  Die Kammerrichter und die Ökonomie der Ständegesellschaft Die verfassungshistorische Untersuchung des Kammerrichteramts, die im vorangegangenen Kapitel verfolgt wurde, soll nun um den Blick auf die Amtsinhaber erweitert werden. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen die Kammerrichter ­zwischen 1711 und 1806. Dies entspricht in etwa dem Zeitraum, in dem das Reichskammergericht seinen Sitz in Wetzlar hatte. Während des Pfälzischen Erbfolgekriegs hatten 1689 französische Truppen Speyer zerstört, weshalb die Angehörigen des Reichskammergerichts nach Frankfurt am Main flohen. 1693 wurde das Reichskammergericht in Wetzlar wiedereröffnet.1 Zu dieser Zeit war der Bischof von Speyer und Erzbischof von Trier Johann Hugo von Orsbeck Kammerrichter. 1710 resignierte er sein Amt schwer erkrankt und verstarb kurze Zeit darauf.2 Mit der Verlegung des Gerichts und Besetzung von Orsbecks Nachfolge änderte sich der Personenkreis, der das Kammerrichteramt übernahm. Im 16. und 17. Jahrhundert hatten sehr unterschiedliche Persönlichkeiten das Amt des Kammerrichters inne. Dennoch lassen sich zwei Phasen in Bezug auf den Personenkreis erkennen, der das Amt übernahm. Die erste dieser Phasen lässt sich auf die Zeit z­ wischen 1495 und 1569 eingrenzen. Trotz einer gewissen Heterogenität, besonders in der Konsolidierungsphase des Gerichts, gehörten die Kammerrichter in ­diesem Zeitraum überwiegend der kaiserlichen Klientel an.3 Besonders stark war die Gruppe der Reichsgrafen vertreten. Im Spätmittelalter hatte sich die typische Dreigliederung des Reichsadels in Fürsten, Grafen und Herren sowie Ritter herausgebildet. Insbesondere z­ wischen den Fürsten einerseits und Grafen und Herren andererseits bestand ein Gegensatz, da viele Fürsten ihre Herrschaftsrechte auf Kosten letztgenannter auszudehnen versuchten. Die reichsgräfliche Klientel suchte deshalb beim ­Kaiser Rückhalt und trat vermehrt in dessen 1 2 3

Smend, Das Reichskammergericht, S. 215 – 217. Vgl. zum Folgenden auch Loewenich, Amt und Prestige. HHStA Wien MEA RKG 19, ­Kaiser Joseph I. an Rupert von Kempten, Wien 6. Juni 1710 (Kopie). Bei den Kammerrichtern der ersten Phase handelte es sich um Eitelfriedrich II . von Hohenzollern (1495 – 1496), Jakob von Baden-­Baden (1496 – 1499), Adolf von Nassau (1500 – 1501, 1509 – 1511), Wiguleius Fröschl von Marzoll, Bischof von Passau, (1503 – 1504, 1507 – 1508), Sigmund von Haag (1512 – 1518), Adam von Beichlingen (1521 – 1535), Johann II . von Pfalz-­Simmern (1536 – 1539), Johann II . von Montfort (1541 – 1547), Wilhelm Werner von Zimmern (1548 – 1555), Johann von Hoya, Bischof von Osnabrück, (1556 – 1557), Michael Helding, Bischof von Merseburg, (1558 – 1561) und Friedrich von Löwenstein (1562 – 1568).

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Dienste.4 Bereits der erste Kammerrichter Eitelfriedrich II . von Hohenzollern (1495 – 1496) gehörte zu dieser Gruppe. Er war ein Vertrauter ­Kaiser ­Maximilians I. und hatte zuvor als Hofrichter in dessen Diensten gestanden.5 Die nächsten Kammerrichter, die dem Reichsgrafenstand entstammten, waren Adolf von Nassau (1500 – 1501, 1509 – 1511) und Sigmund von Haag (1512 – 1518). Wenige Jahre darauf folgte Adam von Beichlingen (1521 – 1535), der zwar dem Reichsgrafen­ stand angehörte, jedoch der Kandidat der Kurfürsten für das Amt gewesen war.6 Beichlingen hatte zunächst im Dienst Herzog Albrechts von Sachsen gestanden und war 1507 zum Beisitzer am Reichskammergericht ernannt worden. 1521 erhob ihn ­Kaiser Karl V. zum Kammerrichter.7 Johann II . von Montfort (1541 – 1547) dagegen hatte zuvor die Stellung des Mustermeisters der deutschen Truppen in Spanien inne. Nachdem er von 1528 bis 1539 mit längeren Unterbrechungen die Funktion eines Assessoris illustris, also die eines Reichskammergerichtspräsidenten, ausgeübt hatte, ernannte ihn K ­ aiser Karl V. 1541 zum Kammerrichter.8 Nach seinem Tod folgte ihm 1547 Wilhelm Werner von Zimmern nach. Zimmern war zuvor in Vertretung der Grafen von Sulz Richter am kaiserlichen Hofgericht in Rottweil, die ­dieses Amt seit 1360 als erbliches Lehen innehatten.9 Von 1529 bis zur Übernahme des Kammerrichteramts war Zimmern Reichskammergerichtspräsident gewesen.10 Der vorerst letzte reichsgräfliche Kammerrichter war von 1561 bis 1569 Friedrich von Löwenstein. Auch wenn die Kammerrichter in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mehrheitlich der kaiserlichen Klientel angehörten, übernahmen sie ihr Amt dennoch offenbar nur ungern. Dies zeigt sich nicht nur in den häufigen personellen Wechseln zum Teil schon nach wenigen Monaten,11 sondern auch in den großen Schwierigkeiten, geeignete Kandidaten zu rekrutieren. 1555 versuchten ­Kaiser Karl V. und 4

Arndt, Zwischen kollegialer Solidarität und persönlichem Aufstiegsstreben, bes. S. 114 – 118; Press, Reichsgrafenstand und Reich, S. 113 – 120; ders. Patronat und Klientel, bes. S. 37 – 40. Zu den schwäbischen Reichsgrafen vgl. Hengerer / Kuhn (Hrsg.), Adel im Wandel, sowie den dazugehörigen Ausstellungskatalog Bumiller (Hrsg.), Adel im Wandel. 5 Zu Eitelfriedrich II. von Hohenzollern vgl. Dressel, Graf Eitelfriedrich II. von Zollern. 6 Smend, Das Reichskammergericht, S. 246 f. 7 Steffenhagen, Art. „Beichlingen, Adam Graf von“. 8 Zu Montfort vgl. Burmeister, Graf Johann II. von Montfort-­Rothenfels. 9 Zu den Grafen von Sulz vgl. Eberl, Art. „Sulz“. 10 Vgl. zu Zimmern Tumbült, Art. „Zimmern: Wilhelm Werner Freiherr von“. Vgl. zur Zeit Zimmerns am Reichskammergericht außerdem Zimmerische Chronik, Bd. 3. 11 Eitelfriedrich II. von Hohenzollern, Adolf von Nassau und Wiguleius Fröschl von Marzoll hatten das Kammerrichteramt jeweils nur für einige Monate inne. Die längste Amtszeit der ersten Besetzungsphase (1495 – 1568) mit einer Dauer von 14 Jahren hatte Adam von Beichlingen. Die übrigen Kammerrichter d­ ieses Zeitraums waren durchschnittlich viereinhalb Jahre im Amt. Vgl. Smend, Das Reichskammergericht, S. 245 mit Anm. 3.

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sein Bruder König Ferdinand I. etwa vergeblich, einen nicht näher bestimmbaren Herzog von Bayern, dann einen Angehörigen des Hauses Truchsess von Waldburg und schließlich den Bischof von Speyer Rudolf von Frankenstein für das Kammer­ richteramt zu gewinnen. Schließlich erklärte sich der Bischof von O ­ snabrück Johann von Hoya zur Übernahme des Amts bereit.12 1569 begann die zweite Phase der Amtsbesetzungen, die bis 1652 dauerte. Kennzeichnend für diese Phase ist, dass sich die K ­ aiser Maximilian II. (1564 – 1576) und Rudolf II. (1576 – 1612) darum bemühten, stets den Bischof von Speyer als Kammer­ richter zu gewinnen.13 Reichsgrafen wurden in dieser Zeit nur noch im Ausnahmefall zum Kammerrichter ernannt.14 Der Bischof von Speyer bot sich für das Amt besonders an, da er als Reichsfürst die Standesanforderungen dafür erfüllte und in Speyer oder der unmittelbaren Umgebung residierte.15 Hinzu kam, dass sich ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die starke Bindung der Reichsgrafen an den Kaiserhof verlor, unter anderem da zahlreiche Häuser in Anlehnung an benachbarte Reichsfürsten zum Protestantismus konvertiert waren.16 Auch die Bischöfe von Speyer übernahmen das Kammerrichteramt nur widerwillig.17 Im Gegensatz zu ihren Vorgängern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts behielten sie ihre Stellung aber gewöhnlich bis zu ihrem Tod. Schon Marquard von Hattstein, der erste Bischof von Speyer, der das Amt des Kammerrichters übernahm, versuchte, es mit Hinweis auf seine mangelnde Qualifikation und seinen schlechten Gesundheitszustand abzulehnen. ­Kaiser Maximilian II. akzeptierte diese Weigerung jedoch nicht, woraufhin Hattstein am 8. August 1569 als Kammerrichter introduziert wurde.18 Nach Hattsteins Tod 1581 gelang es dessen Nachfolger Eberhard von Dienheim zunächst, das Amt auszuschlagen. Er hatte argumentiert, 12 HHStA Wien RK RKGVA 379a, Die Schreiben König Ferdinands I. an den Herzog von Bayern, an den Truchsess von Waldburg und an Rudolf von Speyer, 1555 (Konzepte). Zu Johann von Hoya vgl. Schröer, Art. „Johann Graf von Hoya zu Stolzenau“, u. Gabel, Der Einfluß des Reichskammergerichts auf territoriale Rechtsordnungen, bes. S. 86 – 90. 13 Die Bischöfe von Speyer unter den Kammerrichtern waren Marquard von Hattstein (1569 – 1581), Eberhard von Dienheim (1584 – 1610), Philipp Christoph von Sötern (1611 – 1652) und Johann Hugo von Orsbeck (1677 – 1710). 14 Der einzige Reichsgraf unter den Kammerrichtern dieser Zeit war Philipp d. Ä. von Winne­ burg (1582 – 1583). 15 Der Vorteil Speyers als Residenzort wurde in den Verhandlungen, die der Erzbischof von Mainz mit Philipp Christoph von Sötern 1610/11 führte, als Argument gebraucht. Vgl. HHStA Wien MEA RKG 19, Johann Schweikhard von Mainz an K ­ aiser Rudolf II., Mainz 7. März 1611 (Konzept). 16 Press, Reichsgrafenstand und Reich, S. 121 – 125. 17 Zu den Verhandlungen, die in dieser Zeit der Erzbischof von Mainz führte, vgl. Kap. II.1. 18 HHStA Wien MEA RKG 19, Daniel von Mainz an ­Kaiser Maximilian II., Mainz 20. Juni 1569 (Konzept); Marquard von Speyer an Daniel von Mainz, Udenheim 10. August 1569.

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dass das Speyerer Stift aufgrund der vorherigen langen Krankheit Hattsteins in Unordnung sei.19 K ­ aiser Rudolf II. ernannte an Dienheims statt den bisherigen Reichshofratspräsidenten Philipp d. Ä. von Winneburg zum Kammerrichter.20 Nach Winneburgs Tod im Sommer 1583 wandte sich Rudolf II. aber erneut an Eberhard von Dienheim, der sich ­dieses Mal gezwungen sah, das Amt zu übernehmen.21 Als Dienheim 1609 wegen seines schlechten Gesundheitszustands bat, vom Kammerrichteramt entbunden zu werden, befahl Rudolf II., dass mit Dienheims Koadjutor Philipp Christoph von Sötern über die Amtsübernahme verhandelt werde. Auch Sötern versuchte, sich in langwierigen Verhandlungen dem Ansinnen des Kaisers zu entziehen.22 Schließlich erklärte aber auch er sich bereit, das Kammerrichteramt zu übernehmen. Nach Söterns Tod im Jahr 1652 kam es erneut zu Veränderungen. Diesmal betraf dies nicht nur den Personenkreis der Amtsinhaber, sondern auch die Attraktivität des Amts. Mit Wilhelm von Baden-­Baden übernahm nach über 80 Jahren erstmals nicht der Bischof von Speyer das Kammerrichteramt, obgleich die wenigen nach Söterns Tod in Speyer verbliebenen Assessoren sich dafür eingesetzt hatten, dass dessen Nachfolger im Bischofsamt Lothar Friedrich von Metternich-­Burscheid ernannt würde.23 Baden war der Sohn des hoch verschuldeten Eduard Fortunats von Baden-­Baden, der sich darüber hinaus nicht standesgemäß mit Maria van Eicken verheiratet hatte. Seine Verwandten Ernst Friedrich und Georg Friedrich

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Zur Person Marquards von Hattstein vgl. Mielke, Die Niederadeligen von Hattstein, S. 294 – 337. HHStA Wien MEA RKG 19, ­Kaiser Rudolf II. an Daniel von Mainz, Prag 15. Juni 1581; Eberhard von Speyer an Daniel von Mainz, Udenheim 10. Februar 1582. HHStA Wien MEA RKG 19, Daniel von Mainz an ­Kaiser Rudolf II ., Mainz 2. Juli 1581 (Konzept); Daniel von Mainz an ­Kaiser Rudolf II., Aschaffenburg 27. Januar 1582. Zur Person Winneburgs vgl. auch Kap. II.1, Anm. 28. HHS tA Wien MEA RKG 19, Wolfgang von Mainz an ­Kaiser Rudolf II ., Mainz 6. September 1583 (Konzept); ­Kaiser Rudolf II. an Wolfgang von Mainz, Prag 18. Oktober 1583; ders. an dens., Prag 20. Februar 1584. Zur Person Eberhards von Dienheim vgl. Ammerich, Art. „Eberhard von Dienheim“; ders., Eberhard von Dienheim, Bischof von Speyer. HHS tA Wien MEA RKG 19, Johann Schweikhard von Mainz an ­Kaiser Rudolf II ., Aschaffenburg 1. November 1610 (Konzept); Philipp Christoph von Speyer an K ­ aiser Rudolf II ., o. D. o. O. (Kopie); Rat des Philipp Christophs von Speyer an Johann Schweikhard von Mainz, Speyer 24. November 1610; Johann Schweikhard von Mainz an Philipp Christoph von Speyer, Aschaffenburg 25. November 1610 (Konzept); Johann Schweikhard von Mainz an ­Kaiser Rudolf II ., Aschaffenburg 25. November 1610; ders. an dens., Aschaffenburg 7. März 1611. Zu Sötern vgl. außerdem Seibrich, Art. „Philipp Christoph Reichsritter von Sötern“. BA rch AR 1-IV /15, ­Kaiser Ferdinand III . an Johann Philipp von Mainz, Wien 21. März 1652, fol. 7 f. (Kopie); Johann Philipp von Mainz an das Reichskammergericht, Würzburg 20. April 1652, fol. 4.

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von Baden-­Durlach nahmen dies 1594 zum Anlass, Eduard Fortunats Teil der Markgrafschaft zu besetzen. Diese erhielt Eduard Fortunat bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1600 nicht mehr zurück. Sein Sohn Wilhelm von Baden-­Baden wurde am Hof des spanischen Statthalters der Niederlande in Brüssel erzogen. Erst während des Dreißigjährigen Kriegs gelang es ihm, die Territorien seines Vaters mit Hilfe des Kaisers zurückzuerlangen, in dessen Diensten er stand. Ab 1630 besaß er ein Patent eines kaiserlichen Regiments. Bald darauf wurde er zum kaiserlichen Generalwachtmeister und 1633 zum kaiserlichen Geheimen Rat ernannt.24 Bemerkenswert am Fall Badens ist, dass mit ihm erstmals ein Kammerrichter sein Amt aktiv angestrebt zu haben scheint. Baden hatte sich bereits 1649, drei Jahre vor dem Tod Philipp Christophs von Sötern, um eine Anwartschaft ­darauf beworben. Er argumentierte dabei, dass er im Gegensatz zu Sötern, der mit Speyer und Trier gleichzeitig zwei (Erz-)Bistümern vorstand, häufig am Standort des Gerichts in Speyer anwesend sein könne. Außerdem sei laut Reichskammergerichtsordnung ein weltlicher einem geistlichen Kammerrichter vorzuziehen.25 Der Nachfolger Badens, Johann Hugo von Orsbeck, war zwar wieder Bischof von Speyer, doch auch er hatte sich frühzeitig um eine Anwartschaft auf das Amt bemüht.26 Mit den folgenden Kammerrichtern verstetigte sich das Interesse am Amt, beginnend 1711 mit Franz Alexander von Nassau-­Hadamar.27 Es bewarben 24 Geheimer Rat: HHS tA Wien RK Geh. Räte 1, ­Kaiser Ferdinand III . an Wilhelm von Baden-­Baden, Wien 12. Dezember 1633 (Konzept). Vgl. zu Baden außerdem Krieger, Art. „Wilhelm, Markgraf von Baden (-Baden)“. Zu den Markgrafen von Baden in der Frühen Neuzeit vgl. Press, Die badischen Markgrafen; Kohnle, Kleine Geschichte der Markgrafschaft Baden, S. 70 – 188. 25 GLA Karlsruhe Abt. 46/2713, Wilhelm von Baden-­Baden an K ­ aiser Ferdinand III., o. O. 20. Februar 1652 (Konzept); Wilhelm von Baden-­Baden an Ferdinand Sigismund Kurtz von Senftenau und Ernst von Oettingen-­Wallerstein, o. O. 20. Februar 1652 (Konzept). 26 Die Anwartschaft wird in den kaiserlichen Reskripten anlässlich seiner Ernennung erwähnt. Vgl. BA rch AR 1-IV /15, K ­ aiser Leopold I. an Damian Hartard von Mainz, Laxenburg 12. Juni 1677, fol. 33 f.; ­Kaiser Leopold I. an das Reichskammergericht, Laxenburg 12. Juni 1677, fol. 35 f. 27 Schon Wilhelm von Baden-­Baden bemühte sich in den 1670er Jahren für seine Söhne um Expektanzen auf das Amt. Zunächst scheiterte dies, doch nach dem Amtsantritt ­seines Nachfolgers, Johann Hugo von Orsbeck, 1677 erhielten die Markgrafen von Baden Anwartschaften für verschiedene Familienmitglieder, die aber alle nicht zum Einsatz kamen. 1705 verkaufte der Enkel Wilhelms von Baden-­Baden, Ludwig Wilhelm von Baden-­Baden, schließlich die Anwartschaft an Franz Alexander von Nassau-­Hadamar, der das Amt 1711 antrat. GLA Karlsruhe Abt. 46/2713, Wilhelm von Baden-­Baden an K ­ aiser Leopold I., Frankfurt a. M. 3. August 1658 (Konzept); ­Kaiser Leopold I. an Wilhelm von Baden-­Baden, o. O. 5. Juni 1660; Leopold Wilhelm von Baden-­Baden an ­Kaiser Leopold I., Baden-­Baden 19. März 1669 (Konzept); Ludwig Wilhelm von Baden-­Baden an ­Kaiser L ­ eopold I., Baden-­Baden 25. Februar 1679 (Konzept); Philipp

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sich nun nach dem Tod oder der Resignation des Kammerrichters stets mehrere Kandidaten darum. Für die Nachfolge Franz Alexanders von Nassau-­Hadamar etwa sind als Anwärter Maximilian Karl von Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort, Wilhelm II . von Hessen-­Rheinfels, Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein und dessen Vetter Philipp Ernst von Hohenlohe-­Schillingsfürst bekannt.28 Als Franz Joseph von Spaur 1763 zum Kammerrichter ernannt wurde, hatte er sich gegen die Mitbewerber Joseph Christian von Hohenlohe-­Bartenstein, Karl Albrecht I. von Hohenlohe-­Schillingsfürst, Karl Friedrich Willibald von Groschlag und Ernst Ludwig von Leiningen-­Westerburg durchgesetzt.29 Es stellt sich deshalb die Frage, warum das Kammerrichteramt ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert so stark an Attraktivität gewann. Ein erster Blick auf die soziale Herkunft der Kammerrichter z­ wischen 1711 und 1806 zeigt, dass sie überwiegend reichsgräflichen oder ritterschaftlichen Häusern entstammten. Sie gehörten damit, wie die Mehrheit der Kammerrichter in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, zum mindermächtigen Reichsadel, der durch den Machtgewinn der Kur- und Reichsfürsten seit dem Spätmittelalter zunehmend marginalisiert wurde. Dieser bediente sich verschiedener Taktiken, um dem Verlust an Einfluss und Vermögen entgegenzuwirken. Die wichtigsten davon waren die Nutzung der Ressourcen des Kaiserhofs, der Erwerb geistlicher Würden und das Schließen strategischer Ehen. Jede dieser Optionen bot verschiedene Vorteile, die sich mit dem erweiterten Ressourcenverständnis Pierre Bourdieus beschreiben lassen.30 Bourdieu versteht unter Kapital „akkumulierte Arbeit“, die sich nicht nur in ökonomischen, sondern auch in sozialen, kulturellen und symbolischen Profiten äußert.31 Soziales Kapital beruht dabei auf einem dauerhaften Netz „mehr oder weniger

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Bethani an Ludwig Wilhelm von Baden-­Baden, Raststatt 6. November 1705. Zum weiteren Bewerbungsverhalten um das Kammerrichteramt vgl. Kap. III .4.1. Vgl. außerdem Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 135 – 141. HHS tA Wien MEA WaKr 37, Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein an Melchior ­Friedrich von Schönborn, Bartenstein 9. Juni 1711; Melchior Friedrich von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Heusenstamm 16. Juni 1711; Philipp Ernst von Hohenlohe-­ Schillingsfürst an Lothar Franz von Mainz, Ems 14. Juni 1711; Wilhelm II. von Hessen-­ Rheinfels an Lothar Franz von Mainz, o. O. 8. Juni 1711. HHStA Wien MEA RKG 254, Johann Friedrich Karl von Mainz an Rudolph Joseph von Colloredo, Mainz 3. März 1763 (Konzept); ders. an dens., Mainz 4. März 1763 (Konzept); Ernst Ludwig von Leiningen-­Westerburg an Johann Friedrich Karl von Mainz, Mainz 31. April 1763. Fischer, Geschichte des Hauses Hohenlohe, Bd. 3, S. 143. Bourdieu, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. Vgl. auch ders., Die feinen Unterschiede, S. 193 – 195; ders., Sozialer Sinn. Vgl. außerdem Pečar, Die Ökonomie der Ehre, S. 4 f. u. 20 – 22; Krischer, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, S. 107 – 109. Bourdieu, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, S. 183 – 185.

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institutionalisierter Beziehungen gegenseitigen Kennens und Anerkennens“.32 Es ist die Fähigkeit, andere zu motivieren, ihren Einfluss und ihre Möglichkeiten für einen selbst einzusetzen. Man besitzt also bei einem bestimmten Personenkreis „Kredit“.33 Kultu­relles Kapital existiert in drei Formen. Es kann aus materiellen Bildungsgütern wie Büchern oder Gemälden, aus durch Bildung erworbenen Fertigkeiten und Wissens­formen oder aus verinnerlichten Kompetenzen bestehen, die zur Ausprägung eines bestimmten Habitus führen. 34 Symbolisches Kapital ist die gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung – oder anders gesagt: Prestige, Ehre oder guter Ruf –, die einer Person oder einer Familie entgegengebracht werden.35 Es ist meist, jedoch nicht zwangsläufig, an eine der anderen Kapitalsorten gekoppelt. So genießt eine besonders gebildete, sehr reiche oder sehr einflussreiche Person häufig auch besonderes Ansehen.36 Alle Kapitalsorten sind grundsätzlich ineinander transformierbar. Wer über großes ökonomisches Kapital verfügt, kann dies in die eigene oder die Ausbildung seiner Kinder investieren und damit kulturelles Kapital erwerben. Mit kulturellem Kapital in Form einer guten beruflichen Qualifizierung kann wiederum eine einflussreiche berufliche Stellung erreicht werden, die sich in guten Kontakten zu anderen einflussreichen Persönlichkeiten – sozialem Kapital –, in einer angesehenen Position innerhalb der Gesellschaft – symbolischem Kapital – oder in ökonomischem Kapital auszahlen kann. Was als Ressource angesehen wird, ist historisch und gesellschaftlich variabel. Was einer gesellschaftlichen Gruppierung oder Generation als erstrebenswert erscheint, ist mit deren Habitus, Wertvorstellungen und sozialen Wissen verknüpft und kann von anderen als bedeutungslos angesehen werden.37 Neben dem ökonomischen Kapital sind für den hier behandelten Kontext vornehmlich symbolische und soziale Ressourcen relevant. Wie im ­vorangegangenen Kapitel beschrieben, wurde die Ordnung des Alten Reichs durch die symbolische Praxis konstituiert und aufrechterhalten.38 Dies galt auch für die Gesellschaft als Ganzes. Ämter, Funktionen oder auch Handlungen dokumentierten die Zugehörigkeit 32 33 34 35

Bourdieu, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, S. 190. Ebd., S. 191. Ebd., S. 185 – 190. Zum Verhältnis der Begriffe Ehre und symbolisches Kapital vgl. Pečar, Zeichen ­­ a­ ristokratischer Vortrefflichkeit, S. 181 – 185. Vgl. außerdem Füssel / Weller, Einleitung, S. 18 – 20. 36 Bourdieu, Entwurf einer ­Theorie der Praxis, S. 335 – 357; ders., Die verborgenen Mechanismen der Macht, S. 77; ders., Rede und Antwort, S. 11; ders., Sozialer Raum und symbolische Macht. 37 Reckwitz, Struktur, S. 159. Vgl. auch Pečar, Die Ökonomie der Ehre, S. 21; Krischer, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, S. 108 f. 38 Vgl. dazu Kap. II.

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zu einer Gruppe oder die Stellung in dieser.39 Der Zugewinn oder der Verlust von entsprechenden Rechten vergrößerte oder schmälerte das symbolische Kapital einer Person oder Familie. Die Bedeutung des sozialen Kapitals ergab sich aus der mangelnden Differenzierung der sozialen Rollen, wie sie für stratifikatorisch geprägte Gesellschaften mit gering ausgeprägter Staatlichkeit typisch ist.40 Gesellschaftliche Ressourcen wurden in der Regel nicht nach funktionalen Kriterien vergeben wie beispielsweise aufgrund der persönlichen Eignung für ein Amt. Entscheidend war die Fürsprache mächtiger Persönlichkeiten. Daher war es notwendig, über soziales Kapital in Form eines Beziehungsnetzes aus einflussreichen Verwandten, Freunden, Patronen und Klienten zu verfügen, das die Partizipation an den gesellschaftlichen Ressourcen ermöglichte.41 Diese Netzwerke wurden durch den Austausch von Gaben und Gefällig­keiten konstituiert und aufrechterhalten. Es war deshalb unerlässlich, selbst über Ressourcen zu verfügen, die sich in diese Tauschbeziehungen einbringen ließen. Eine Ressource, die der mindermächtige Reichsadel nutzte, um seiner Marginalisierung entgegenzuwirken, war die Anlehnung an den ­Kaiser. Der Kaiserhof entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zunehmend zu einem Zentrum für den Reichsadel und den hohen erbländischen Adel. Die Gründe hierfür waren vielfältig. Der Westfälische Frieden hatte die quasi-­souveräne Stellung der Kur- und Reichsfürsten festgeschrieben und die Rechte des Kaisers im Reich stark beschränkt. Die K ­ aiser versuchten dieser Entwicklung entgegenzuwirken, indem sie den mindermächtigen Reichsadel stärker an sich banden.42 Den Kaisern standen dafür mehrere Ressourcen zur Verfügung, an denen der mindermächtige Reichsadel Interesse hatte. Die zwei wichtigsten ­seien hier genannt. Zunächst waren für den mindermächtigen Reichsadel die am Kaiserhof zu besetzenden Ämter besonders attraktiv. Den Einstieg in eine Laufbahn am Kaiserhof bildete der Erwerb des Hofehrenamts eines kaiserlichen Kämmerers. Damit waren die Zugehörigkeit zum kaiserlichen Hofstaat und das direkte Zugangsrecht zum ­Kaiser verbunden. Eine ähnliche Funktion hatte das Amt des Geheimen Rats, 39 Stollberg-­Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 301 f.; Füssel / Weller, Einleitung. 40 Kettering, Patrons, Brokers, and Clients, S. 5 – 11, 184 – 231, bes. 224 f.; Pečar, Die Ökonomie der Ehre, S. 92 f. 41 Zur historischen Netzwerkforschung vgl. u. a. Reinhard, Freunde und Kreaturen; ders., Amici e Creature; ders. Paul V. Borghese, S. 3 – 136; Kettering, Patronage in Early Modern France; dies., Patronage and Kinship; dies., Friendship and Clientage; dies., Gift-­Giving and Patronage in Early Modern France; Emich [u. a.], Stand und Perspektiven der Patronageforschung. 42 Christ, Praesentia Regis; Press, Die kaiserliche Stellung im Reich; ders., Patronat und ­Klientel, S. 42 – 46. Vgl. auch Haug-­Moritz, Des „Kaysers Rechter Arm“, bes. S. 23 – 25; Jahns, „Mecklenburgisches Wesen“ oder absolutistisches Regiment.

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dessen zeremonieller Rang über dem des Kämmerers lag. An den Erwerb solcher Hofehrenämter konnte sich eine Laufbahn in kaiserlichen Diensten anschließen. Häufige Chargen waren die Mitgliedschaft im Reichshofrat sowie die Übernahme von Gesandtschaften an andere Höfe oder zu den Reichskreisen. Am Ende einer erfolgreichen Karriere am kaiserlichen Hof stand der Erhalt eines Führungsamts wie derjenigen des Obersthofmeisters oder des Reichshofratspräsidenten. Der Erwerb kaiserlicher Chargen bot dem mindermächtigen Reichsadel die Möglichkeit, Teil der exklusiven Hofgesellschaft zu sein und sich damit von anderen sozialen Gruppen abzugrenzen. Außerdem konnte er durch den direkten Zugang zum K ­ aiser und die spezifischen Möglichkeiten des jeweiligen Amts zugunsten seiner Netzwerke Einfluss nehmen und damit soziales Kapital erwirtschaften.43 Die zweite wichtige Ressource, die dem ­Kaiser zur Verfügung stand, war das Recht, Standeserhebungen vorzunehmen.44 Mit der Standeserhebung erhöhte sich der zeremonielle Rang einer Familie innerhalb der ständischen Gesellschaft des Reichs. Damit war ein Zugewinn an Prestige und an symbolischem Kapital verbunden, der sich beispielsweise in der Erweiterung des Heiratshorizonts auszahlen konnte.45 Erwarb ein zuvor reichsfreies Geschlecht zudem die Reichsstandschaft oder gelang einer zuvor reichsgräflichen Familie die Erhebung des eigenen Territoriums zum Reichsfürstentum, war damit nicht nur ein besonders hoher Prestigegewinn verbunden. In beiden Fällen verbesserten sich zugleich auch die unmittelbaren Möglichkeiten, politisch Einfluss zu nehmen. Denn die neuen Reichsgrafen erhielten damit einen Teil einer Kuriatstimme und die neuen Reichsfürsten eine volle Virilstimme im Fürstenrat des Reichstags. Die zweite wichtige Möglichkeit, die sich dem mindermächtigen Reichsadel bot, seinem Bedeutungsverlust entgegenzuwirken, war der Erwerb geistlicher Ämter. Der Gewinn ökonomischen Kapitals stellte dabei den offensichtlichsten Vorteil dar. Domkanonikate und Positionen in Damenstiften waren mit Pfründen verbunden, die unverheirateten Familienmitgliedern ein einträgliches Einkommen sicherten, insbesondere bei der Anhäufung mehrerer Ämter oder Stellungen. Zugleich dokumentierte der Erwerb von Kanonikaten an bestimmten Stiften die Zugehörigkeit zum hohen Reichsadel, womit das symbolische Kapital einer Familie gesichert oder vergrößert werden konnte. Die Domstifte von Straßburg und Köln sowie ihre weiblichen Äquivalente in Essen und Thorn waren Angehörigen von Geschlechtern vorbehalten, deren unmittelbare Vorfahren in männlicher und 43 Pečar, Die Ökonomie der Ehre, S. 20 – 140; Duindam, The Bourbon and Austrian Habsburg Courts, S. 189 – 191; ders., Vienna and Versailles, S. 302 – 308. 44 Pečar, Die Ökonomie der Ehre, S. 20 f.; Press, Reichsgrafenstand und Reich, S. 124 – 127; Arndt, Zwischen kollegialer Solidarität und persönlichem Aufstiegsstreben, S. 121 – 125. 45 Smíšek, Die Heiratsstrategien der Fürsten zu Schwarzenberg, S. 134 f.

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weiblicher Linie über mehrere Generationen reichsständischen Geschlechtern angehört hatten.46 Zuletzt konnte die Ansammlung mehrerer Kanonikate innerhalb einer Familie einen Zugewinn an Einfluss bedeuten, der sich in die sozialen Tauschbeziehungen einbringen ließ. Die Stiftangehörigen entschieden nämlich darüber, wer als neuer Stiftsherr oder Stiftsdame aufgenommen wurde. Außerdem besaßen sie das Wahlrecht für die Besetzung des Stuhls der Fürstäbtissin oder des Fürstabts bzw. des Bischofs oder Erzbischofs. Diese Rechte waren zu einem für andere Familien attraktiv, die ihrerseits Kanonikate besetzen wollten. Zum anderen waren der ­Kaiser und die mächtigen Reichsstände daran interessiert, dass loyale Mitglieder des Reichsadels zum Oberhaupt wichtiger geistlicher Reichsterritorien gewählt wurden.47 Eine auf den Erwerb geistlicher Würden ausgerichtete Politik betrieben vor allem Geschlechter, die der Ritterschaft zuzurechnen waren. Das prominenteste Beispiel ist die Familie Schönborn, die im 17. und 18. Jahrhundert aus der Reichsritterschaft zu einer der mächtigsten Familien im Alten Reich aufstieg.48 Die letzte Möglichkeit des mindermächtigen Reichsadels, seinen Einfluss zu sichern, war das strategische Heiratsverhalten. Ehen dienten nicht nur der dynastischen Kontinuität, sondern auch der Familienpolitik. Eine Ehe mit einer Erbtochter oder der Besitzerin einer reichen Mitgift verbesserte die finanzielle Situation einer Familie. Die Verbindung mit einer Familie höheren Stands vermittelte Prestige und vermehrte das symbolische Kapital. Außerdem wurden durch Ehen Netzwerke gestiftet oder bekräftigt. Die Verbindung mit einer am kaiserlichen Hof oder in verschiedenen Domstiften einflussreichen Familie eröffnete die Möglichkeit, an deren Ressourcen zu partizipieren.49 Die gestiegene Attraktivität des Kammerrichteramts für den mindermächtigen Reichsadel legt nahe, dass es sich zum Ausbau von Einfluss und Macht ­nutzen ließ. Deshalb soll im Folgenden untersucht werden, wie die kammerrichterlichen Familien die drei genannten Strategien anwendeten und w ­ elche Bedeutung das Kammerrichter­ amt dabei hatte. Anschließend soll analysiert werden, w ­ elche Investitionen zur 46 Küppers-­Braun, Dynastisches Handeln von Frauen, S. 230 – 238; dies., Frauen des hohen Adels im kaiserlich-­freiweltlichen Damenstift Essen, S. 267 – 302; dies., Zur Sozialgeschichte katholischer Hochadelsstifte, S. 376 – 394; Schwartz, „Das Dorado des deutschen Adels“. Vgl. auch Kap. III.3.2. 47 Vgl. Press, Patronat und Klientel, S. 22 f.; Reif, Westfälischer Adel, S. 156 – 159. 48 Zu den Schönborn vgl. Karsten, Familienglanz und Reichsgedanke; Schraut, Das Haus Schönborn. 49 Zu den Strategien, die hinter dem Heiratsverhalten im Adel in der Frühen Neuzeit standen, vgl. Bastl, Tugend, Liebe, Ehre, S. 152 – 164; Czech, Legitimation und Repräsentation, S. 128 – 143; Marra, Allianzen des Adels, S. 48 – 104; Reif, Westfälischer Adel, S. 82 – 90; Schraut, Das Haus Schönborn, S. 71 – 84 u. 171 – 184; dies., Reichsadelige Selbstbehauptung, S. 263 – 268.

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Erlangung des Kammerrichteramts notwendig waren, ­welche Profite es versprach und ­welche Konsequenzen dies für die Amtsführung hatte. Strukturiert wird die Untersuchung dabei anhand der von Bourdieu bestimmten Kapitalsorten, und zwar dem ökonomischem, dem symbolischem und dem sozialem Kapital.

III.1 Die Strategien der kammerrichterlichen Familien Im Folgenden werden die Strategien für jede Familie einzeln untersucht. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den individuellen Karrieren der einzelnen Kammerrichter liegen. Die Familienbiographie ist ein seit längerem angewandter Ansatz, um die politischen Strategien einflussreicher Familien offenzulegen. Besonders erfolgreich und umfassend haben ihn Sylvia Schraut für die Familie Schönborn und Esteban Mauerer für die Familie Fürstenberg angewandt.50 Die Differenziertheit ihrer Analysen ist hier nicht zu leisten. Ziel dieser Arbeit ist es eher, einen ­kurzen Überblick zu geben und damit eine grobe Einordnung der kammerrichterlichen Familien zu ermöglichen. III.1.1 Die Fürsten von Nassau-Hadamar Als Ahnherr der Familie Franz Alexanders von Nassau-­Hadamar (1674 – 1711), Kammerrichter von Januar bis Mai 1711, gilt Rupert, der in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts als mainzischer Vogt im Siegerland nachweisbar ist. Sein Sohn Dudo war Burgherr auf der Lauenburg an der Lahn, seine Enkel Rupert und Arnold erbauten die Burg Nassau, die dem Geschlecht seinen Namen gab.51 1255 wurde der Hausbesitz z­ wischen Walram II. und Otto geteilt. Beide Zweige spalteten sich wiederum in mehrere Linien auf. Die jüngere Linie von Nassau-­ Hadamar, der Franz Alexander entstammte, gehörte dem ottonischen Zweig an. Sie entstand 1607, als das Territorium Johanns VI. von Nassau-­Dillenburg unter dessen fünf Söhnen aufgeteilt und die Linien Siegen, Dillenburg, Beilstein, Diez und Hadamar geschaffen wurden. 1612 konvertierte Johann VIII . von Nassau-­ Siegen (1583 – 1638) vom Calvinismus zum Katholizismus.52 1629 folgte ihm sein 50 Schraut, Das Haus Schönborn; Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel. 51 Zur Geschichte der Grafen und Fürsten von Nassau vgl. Gensicke, Landesgeschichte des Westerwaldes, S. 278 – 290 u. 346 – 351; Wagner, Die Regentenfamilie von Nassau-­ Hadamar; Wolf, Der Streit ­zwischen geistlicher und weltlicher Obrigkeit im Fürstentum Nassau-­Hadamar. 52 Zur Konversion Johanns VIII. von Nassau-­Siegen vgl. Baibl, Konversion und Sukzession.

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Onkel Johann Ludwig von Nassau-­Hadamar (1590 – 1653), der Großvater des Kammerrichters Franz Alexander. 1650 gelang Johann Ludwig die Erhebung der Grafen von Nassau-­Hadamar in den erblichen Reichsfürstenstand, die 1652 auf den gesamten ottonischen Zweig des Hauses Nassau ausgeweitet wurde.53 Mit dem Kammerrichter Franz Alexander von Nassau-­Hadamar und seinem Vetter Wilhelm Hyacinth von Nassau-­Siegen starben die katholischen Linien des Hauses Nassau 1711 bzw. 1743 aus.54 Die calvinistisch gebliebenen ottonischen Linien orientierten sich vor allem an den Niederlanden, wo das Haus Nassau-­Oranien z­ wischen dem 16. und 18. Jahrhundert die Statthalter stellte.55 Die zum katholischen Glauben übergetretenen Verwandten Johann Ludwig von Nassau-­Hadamar und Johann VIII . von Nassau-­Siegen begannen unmittelbar nach ihrer Konversion eine Karriere in kaiserlichen Diensten. Johann Ludwig von Nassau-­Hadamar wurde bereits 1629 zum kaiserlichen Kämmerer und 1636 zum Reichshofrat ernannt. Ab 1645 nahm er als kaiserlicher Kommissar am Westfälischen Friedenskongress teil. 56 Auch Johann VIII . von Nassau-­Siegen war kaiserlicher Kämmerer. 1623 wurde er Mitglied des kaiserlichen Hofkriegsrats, 1629 kaiserlicher Feldmarschall und 1630 Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies. Ab 1631 diente er im spanischen Heer als General der Kavallerie.57 In den beiden nachfolgenden Generationen verfolgten die katholischen Linien des Hauses Nassau vor allem die kirchlichen Karriereoptionen. Dementsprechend hatte Moritz Heinrich von Nassau-­Hadamar (1626 – 1679), der Vater Franz A ­ lexanders, keine hohen Ämter inne.58 Auch Franz Alexander hatte nach seinem Studium an den Universitäten von Straßburg, Köln und Trier nur das Amt eines kaiserlichen Kämmerers erworben, bevor er 1711 zum Kammerrichter ernannt wurde.59 53 Rudorff, Die Erhebung der Grafen von Nassau in den Reichsfürstenstand. 54 Egenolf, Die Erbfolge im Fürstentum Nassau-­Hadamar; Gensicke, Landesgeschichte des Westerwaldes, S. 349 f. 55 Demandt, Geschichte des Landes Hessen, S. 307 – 318. Vgl. auch Europäische Stammtafeln, Bd. I.1, Tafel 72 – 80. 56 Gschließer, Der Reichshofrat, S. 233 f. Vgl. auch Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 194 u. 203; Kloft, Zwischen Reichsdienst, Hausinteressen, Katholizismus und Landesherrschaft, S. 371 – 392. 57 Europäische Stammtafeln, Bd. I.1, Tafel 74. Vgl. außerdem Gräf, Graf Johann VIII. von Nassau-­Siegen. 58 Zu Moritz Heinrich von Nassau-­Hadamar vgl. Kloft, Zwischen Reichsdienst, H ­ ausinteressen, Katholizismus und Landesherrschaft, S. 392 – 395. 59 Wagner, Die Regentenfamilie von Nassau-­Hadamar, S. 100 f.; Kloft, Zwischen Reichsdienst, Hausinteressen, Katholizismus und Landesherrschaft, S. 397 – 404. In der Straßburger Matrikel ist Franz Alexander nicht nachzuweisen. Vgl. Die Alten Matrikeln der Universität Straßburg. In Köln immatrikulierte sich Franz Alexander im Jahr 1689. Vgl. Die Matrikel

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Eine ­Ausnahme bildete Johann Franz Desideratus, der Sohn Johanns VIII. von Nassau-­Siegen, der als General und Gouverneur von Limburg und Luxemburg in habsburgisch-­spanischen Diensten stand.60 Die drei Onkel des Kammerrichters Franz Alexander schlugen dagegen die geistliche Laufbahn ein und hatten zahlreiche Domherrenstellen inne, zum Beispiel in Köln.61 Der jüngste, Franz Bernhard (1637 – 1695), war außerdem Chorbischof, Afterdechant und Domprobst zu Köln und zu Straßburg.62 Zahlreiche weibliche Mitglieder der beiden katholischen Zweige des Hauses Nassau waren zudem in den Reichsstiften Essen und Thorn aufgeschworen. Beispielsweise waren alle Schwestern und Töchter Franz Alexanders von Nassau-­Hadamar sowie alle Töchter Johann Franz Desideratus‘ von Nassau-­Siegen Stiftsdamen in Essen.63 Die Eheschließungen der Linien Nassau-­Hadamar und Nassau-­Siegen lassen zwei Strategien erkennen, und zwar die Stärkung des Zusammenhalts untereinander und die Anlehnung an den Kaiserhof. Seine beiden ersten Ehen ging Moritz Heinrich von Nassau-­Hadamar, Vater Franz Alexanders, dementsprechend 1650 mit seine Cousine Ernestine Charlotte von Nassau-­Siegen (1623 – 1668) und 1669 mit der Nichte seiner ersten Ehefrau Maria Leopoldina von Nassau-­ Siegen (1652 – 1675) ein. Seine dritte, 1675 geschlossene Ehe mit Anna ­Ludovika von Manderscheid-­Blankenheim (1654 – 1692) schuf eine Verbindung mit einem Haus, das in zahlreichen Domkapiteln und Damenstiften vertreten war.64 Die beiden Töchter Moritz Heinrichs von Nassau-­Hadamar wurden hingegen mit Angehörigen der kaiserlichen Klientel vermählt. Die ältere, Claudia F ­ ranziska (1660 – 1680), heiratete 1677 Ferdinand August von ­Lobkowitz (1655 – 1715), der einem kaisertreuen böhmischen Geschlecht entstammte. L ­ obkowitz wurde 1689 kaiser­licher Geheimer Rat, 1691 Prinzipalkommissar auf dem Reichstag und 1699 kaiser­licher Obersthofmeister.65 Die jüngere Tochter, Albertina Johanna

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der Universität Köln, Bd. 5, S. 114. Für das Kammerrichteramt hatte Franz A ­ lexander bereits 1705 Ludwig Wilhelm von Baden-­Baden dessen Expektanz auf das Kammer­richteramt abgekauft. Vgl. GLA Karlsruhe Abt. 46/2713, Philipp Peter H ­ ungrigkhausen an Ludwig Wilhelm von Baden-­Baden, Rastatt 6. November 1705. Vgl. auch Wagner, Die Regentenfamilie von Nassau-­Hadamar, S. 128 f. Europäische Stammtafeln, Bd. I.1, Tafel 75. Es handelt sich dabei um Hermann Otto (1627 – 1660), Johann Ernst (1631 – 1651) und Franz Bernhard von Nassau-­Hadamar (1637 – 1695). Vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 256 f. Zu Franz Bernhard von Nassau-­Hadamar vgl. auch Kloft, Zwischen Reichsdienst, Hausinteressen, Katholizismus und Landesherrschaft, S. 395 f. Küppers-­Braun, Frauen des hohen Adels im kaiserlich-­freiweltlichen Damenstift Essen, S. 391. Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. XI, Tafel 3 – 8. Zedlers Großes vollständiges Universal-­Lexicon, Bd. 18, Sp. 38 f.

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(1679 – 1716), ging 1700 eine Ehe mit Ludwig Otto zu Salm (1674 – 1738) ein. Ihr Schwiegervater Karl Theodor zu Salm (1645 – 1710) war kaiserlicher Geheimer Staatsrat, kaiserlicher Generalfeldmarschall sowie Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies.66 Auch die 1695 geschlossene Ehe des Kammerrichters Franz Alexander mit Elisabeth Katharina von Hessen-­Rheinfels (1677 – 1739) eröffnete gute Kontakte zum Kaiserhof. Ihr Onkel Maximilian Karl von Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort (1656 – 1718) war seit 1686 Reichshofrat sowie kaiserlicher Kommissar beim fränkischen und oberrheinischen Reichskreis. 1697 wurde er kaiserlicher Geheimer Rat und 1704 kaiserlicher Statthalter in Bayern, später Prinzipalkommissar auf dem Reichstag sowie kaiserlicher Statthalter in Mailand.67 Die Hinwendung zum Kaiserhof wird auch in den Ehen der Linie Nassau-­ Siegen deutlich. Bereits Johann VIII . von Nassau-­Siegen hatte mit Ernestine Yolande Prinzessin von Ligne (1594 – 1663) eine Braut mit Kontakten zum Kaiserhof gewählt.68 Sein Sohn Johann Franz Desideratus (1627 – 1699) vermählte sich 1651 in erster Ehe mit Johanna Claudia von Königsegg-­Aulendorf (1632 – 1663). Sie war die Nichte des Reichshofrats und Reichskammergerichtspräsidenten Hugo von Königsegg-­Aulendorf (1596 – 1666) sowie die Cousine des Reichsvizekanzlers und Reichshofratsvizepräsidenten Leopold Wilhelm von Königsegg-­Rothenfels (1630 – 1694), der zudem Mitglied der Geheimen Konferenz ­Kaiser Leopolds I. war.69 Wilhelm Hyacinth (1666 – 1743), der Enkel Johanns VIII., heiratete nachein­ ander in die Häuser Fürstenberg, Hohenlohe und Starhemberg ein. Die Familien seiner ersten beiden Ehefrauen, Maria Franziska von Fürstenberg-­Heiligenberg (1660 – 1691) und Maria Anna von Hohenlohe-­Schillingsfürst (1678 – 1739), gehörten zur kaiserlich-­reichsgräflichen Klientel und standen häufig in Diensten des Kaisers.70 Seine dritte Ehefrau Maria Eva Sophia von Starhemberg (1722 – 1773) 66 Europäische Stammtafeln, Bd. IV, Tafel. 98; Sienell, Die geheime Konferenz unter ­Kaiser Leopold I., S. 192 f. 67 Zu Löwenstein vgl. Riedenauer, Die Erhebung des kaiserlichen Administrators. Vgl. auch Gschließer, Der Reichshofrat, S. 313 f. 68 Europäische Stammtafeln, Bd. I.1, Tafel 74. 69 Hugo: Gschließer, Der Reichshofrat, S. 244 f.; Europäische Stammtafeln, Bd. V, Tafel 47; Leopold Wilhelm: Gschließer, Der Reichshofrat, S. 265 – 267; Sienell, Die geheime Konferenz unter ­Kaiser Leopold I., S. 164 – 168; Hengerer, Kaiserhof und Adel, S. 319 f. Zur Familie der Grafen von Königsegg und deren Strategien vgl. Boxler, Die Reichsgrafen zu Königsegg; Fackler, Stiftsadel und geistliche Territorien, S. 55; Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 104 – 111 u. 170 – 174. 70 Die Linie, der Maria Franziska von Fürstenberg-­Heiligenberg entstammte, stand allerdings nicht immer zweifelsfrei auf der kaiserlichen Seite, sondern orientierte in der Generation ihres Vaters mindestens ebenso stark an Frankreich. Vgl. dazu Braubach, Wilhelm von Fürstenberg; Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 242 f.; Europäische Stammtafeln,

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entstammte dem habsburgisch-­landständischen Hochadel. Auch ihre Verwandten hatten wiederholt hohe Chargen am Kaiserhof inne.71 III.1.2 Die Grafen und Fürsten von Fürstenberg-Meßkirch Die Familie Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch (1664 – 1741), Kammer­ richter von 1718 bis 1722, entstammte dem schwäbischen Geschlecht der G ­ rafen von Urach. Bei der Teilung ihres Territoriums im Jahr 1248 erhielt Heinrich von Urach (gest. um 1284) die Besitzungen in der Baar sowie im Kinzigtal und nannte sich fortan nach seiner Burg Fürstenberg. Vom 14. bis zum 17. Jahrhundert kam es zu mehreren Spaltungen in verschiedene Linien. 1559/62 wurden die Besitzungen ­zwischen den Linien Heiligenberg und Kinzigtal aufgeteilt. Letztere spaltete sich 1614 in die Linien Meßkirch und Stühlingen.72 1664 gelang der Heiligenberger Linie als erster der Aufstieg in den Fürstenstand. Eine Übertragung der Fürstenwürde auch auf die Linie Meßkirch scheiterte zunächst.73 Erst als die Heiligenberger Fürsten 1716 ausstarben, wurde diese an die Linien Meßkirch und S­ tühlingen weiter­ gegeben.74 Mit Karl Friedrich Nikolaus (1714 – 1744), dem Sohn Froben Ferdinands, starb auch die Linie Fürstenberg-­Meßkirch aus. Die eng miteinander verbundenen Linien Fürstenberg-­Meßkirch und Fürstenberg-­Stühlingen orientierten sich traditionell am Kaiserhof, verfolgten aber auch geistliche Karrieren. Die starke Bindung an den K ­ aiser zeigte sich bereits bei Albrecht I. von Fürstenberg-­Kinzigtal (1557 – 1599), der Oberstallmeister ­Kaiser Rudolfs II. war.75 Seine beiden Söhne Christoph II. (1580 – 1614) und ­Wratislaw I. (1584 – 1631) waren kaiserlicher Oberst bzw. Reichhofratspräsident ­Kaiser ­Ferdinands II .76 Die unmittelbaren Vorfahren Froben Ferdinands, sein Großvater Wratislaw II. (1600 – 1642) und sein Vater Franz Christoph (1625 – 1671),

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Bd. V, Tafel 16 (Maria Franziska fehlt hier unter den Kindern Hermann Egons). Zum Haus Hohenlohe-­Schillingsfürst vgl. Kap. III.1.3 u. Europäische Stammtafeln, Bd. XVII, Tafel 19. So war etwa der Vater von Maria Eva Sophia, Konrad Sigismund von Starhemberg, kaiserlicher Botschafter in London. Vgl. Pečar, Die Ökonomie der Ehre, S. 47. Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 22 – 25. Vgl. auch Asch, Verwaltung und Beamten­ tum; Eltz / Strohmeyer (Hrsg.), Die Fürstenberger; Leiber, Das Landgericht der Baar; Mauerer, Das Haus Fürstenberg; Press, Das Haus Fürstenberg; Riezler, Geschichte des fürstlichen Hauses Fürstenberg; Thoma, Die Kirchenpolitik der Grafen von Fürstenberg. Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 316 – 320. Ebd., S. 320 – 325. Ebd., S. 241. Vgl. auch Europäische Stammtafeln, Bd. V, Tafel 15. Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 241. Vgl. auch Europäische Stammtafeln, Bd. V, Tafel 15.

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dienten als kaiserliche Räte und Oberste.77 Sein Onkel Froben Maria (1627 – 1685) war kaiserlicher Geheimer Rat und Reichshofratsvizepräsident.78 Aus der Linie Fürstenberg-­Stühlingen machte vor allem Friedrich Rudolf (1602 – 1655) Karriere am Kaiserhof. Er war kaiserlicher Reichshofrat, Hofkriegsrat, Oberstfeldzeugmeister sowie Oberststallmeister.79 Der Kammerrichter Froben Ferdinand durchlief nach seinem Jurastudium an den Universitäten von Prag, Würzburg und Löwen eine umfassende Karriere in kaiserlichen Diensten. 1686 ernannte ihn ­Kaiser Leopold I. zum kaiserlichen Kämmerer, von 1688 bis 1700 gehörte er der Herrenbank des kaiserlichen Reichshofrats an.80 Zugleich war er von 1688 bis 1707 kaiserlicher Kommissar beim schwäbischen Kreis und 1712 Gesandter beim Kongress der assoziierten Kreise in Frankfurt am Main.81 1700 ernannte ihn ­Kaiser Leopold I. zum Geheimen Rat.82 1712 bemühte Froben Ferdinand sich vergeblich um das Amt des Reichshofratspräsidenten, erhielt aber stattdessen 1714 das Amt des Kammerrichters. Er trat dies erst 1718 an und resignierte es bereits 1722 wieder.83 1721 nahm ­Kaiser Karl VI . Froben Ferdinand in den Orden vom Goldenen Vlies auf.84 1725 übertrug er ihm das Amt des Prinzi­palkommissars auf dem Reichstag in Regensburg, das er bis 1735 ausübte.85 Karl Friedrich Nikolaus (1714 – 1744), der Sohn Froben Ferdinands, konnte nicht an die erfolgreiche Karriere seines Vaters anknüpfen. Er starb 1744 im Alter von nur 30 Jahren ohne Nachkommen. Joseph von Fürstenberg-­Stühlingen (1699 – 1762) 77 Europäische Stammtafeln, Bd. V, Tafel 15. 78 Gschließer, Der Reichshofrat, S. 267 f. Vgl. auch Europäische Stammtafeln, Bd. V, Tafel 15. 79 Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 241. Vgl. auch Europäische Stammtafeln, Bd. V, Tafel 17. 80 Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 39 – 4 4, 74 – 77, 246 – 248 u. 379; Gschließer, Der Reichshofrat, S. 316 f. 81 Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 248 – 251. 82 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 3, K ­ aiser Joseph I. an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­ Meßkirch, Wien 17. April 1709. K ­ aiser Karl VI. bestätigte die Ernennung 1712 und 1715. Vgl. Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 249 f. 83 Reichshofratspräsident: FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 1, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an ­Kaiser Karl VI., Meßkirch 27. April 1712 (Konzept). Kammerrichter: FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, ­Kaiser Karl VI. an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wien 6. August 1714 (Ernennungsdekret); ders. an dens., Wien 16. April 1717 (erneutes Ernennungsdekret); ders. an dens., Wien 30. Januar 1722 (Entlassungsdekret). Vgl. auch Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 252 – 266. 84 Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 267 – 270; Das Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies, S. 182. Zur Übernahme und Aufgabe des Kammerrichteramts vgl. auch Kap. II.1, III.2, III.3 u. III.4. 85 Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 270 – 308.

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jedoch, der nach dem frühen Tod seines Vaters Froben Ferdinand zum Vormund hatte, folgte d­ iesem 1737 im Amt des Prinzipalkommissars auf dem Reichstag nach.86 Neben der Karriere am Kaiserhof schlugen in nahezu jeder Generation Mitglieder der Linien von Fürstenberg-­Meßkirch und Fürstenberg-­Stühlingen auch die geistliche Laufbahn ein.87 Froben Maria (1627 – 1685) und Johann Martin (1640 – 1690), die beiden Onkel des Kammerrichters Froben Ferdinand, waren Domherren zu Köln und Straßburg. Froben Maria war darüber hinaus Domdechant und Johann Martin Domscholastikus zu Straßburg.88 In Froben Ferdinands eigener Generation verfolgten sein Bruder Philipp Karl (1669 – 1718) und sein Vetter Anton Maria von Fürstenberg-­Stühlingen (1661 – 1724) eine geistliche Karriere. Philipp Karl erwarb Kanonikate in Straßburg, Köln und Salzburg und wurde 1708 zum Bischof von Lavant gewählt.89 Anton Maria war Domherr zu Eichstätt, Köln und Salzburg sowie Kanoniker zu Ellwangen. 1716 wurde er außerdem Domdechant zu Eichstätt.90 Nicht nur ihre Karrieren, sondern auch ihre Eheverbindungen reflektieren die enge Beziehung der Grafen und Fürsten von Fürstenberg-­Meßkirch zum Kaiserhof. In der Generation Christophs II . von Fürstenberg-­Kinzigtal (1580 – 1614), des Urgroßvaters Froben Ferdinands, wurden mehrere Ehen mit böhmischen Geschlechtern geschlossen, beispielsweise mit den Familien ­Sternberg, ­Lobkowitz und Berka, die alle dem Kaiserhof nahestanden.91 Wratislaw II . (1600 – 1642), der Großvater Froben Ferdinands, heiratete dagegen nacheinander die beiden Erbtöchter des schwäbischen Grafenhauses Helfenstein Johanne Eleonora (1606 – 1629) und Franziska Karolina (gest. 1641), wahrscheinlich um seinen Besitz zu vergrößern. Doch sein Sohn Franz Christoph (1625 – 1671), der Vater Froben ­Ferdinands, ging wieder eine ebenso prestigeträchtige wie kaisernahe Verbindung ein und heiratete 1660 Marie Therese von Arenberg (1639 – 1705). Sie stammte aus dem Geschlecht der Fürsten und Herzöge von Arenberg, die in den spanischen Niederlanden im Dienste der Habsburger standen. Großvater und Vater Marie Thereses waren Gouverneure und Generalkapitäne von Namur, spanische Granden sowie Ritter vom Goldenen Vlies. 1644 wurde die Familie aufgrund ihrer Verdienste für das Haus Habsburg in den erblichen reichsunmittel­baren Herzogenstand erhoben.92 86 Europäische Stammtafeln, Bd. V, Tafel 17. Vgl. auch Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 295 f. 87 Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 228 f. Vgl. auch Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 86 – 186. 88 Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 228 f. 89 Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 107 – 172. 90 Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 229; Europäische Stammtafeln, Bd. V, Tafel 17. 91 Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. V, Tafel 15. 92 Bruns, Art. „Arenberg, Grafen“.

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Weniger exklusiv aber ebenso kaisernah wurde Maria Dorothea (1623 – 1672), die Tante Froben Ferdinands, verheiratet. Ihr Gemahl Johann Eusebius ­Fugger von Kirchheim (1617 – 1672) war Reichskammergerichtspräsident.93 Froben ­Ferdinand selbst ehelichte 1690 Maria Theresia von Sulz (1664 – 1743), die Letzte eines schwäbischen Grafengeschlechts. Die Grafen von Sulz standen über Jahrhunderte hinweg in habsburgischen Diensten. Seit 1360 waren sie mit dem Richteramt am kaiserlichen Landgericht in Rottweil belehnt.94 Karl Friedrich Nikolaus, der Sohn Froben Ferdinands, heiratete Maria Gabriela von Holstein-­Wiesenburg (1716 – 1798), was eine prestigeträchtige Verbindung mit der katholischen Nebenlinie des herzoglichen Hauses Holstein darstellte. Außerdem besaß Maria Gabriela enge Verbindungen zum Kaiserhof. Ihr Vater Leopold von Holstein-­Wiesenburg (1674 – 1744) war kaiserlicher wirklich Geheimer Rat und Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies.95 Ihre ­Mutter Maria ­Elisabeth (1683 – 1744) war die Tochter Johann Adam Andreas‘ von Liechtenstein (1662 – 1712), der am Kaiserhof eine einflussreiche Stellung besaß.96 Die Ehemänner ihrer Schwestern stammten aus den kaisernahen Geschlechtern Oettingen-­Spielberg und Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort.97 III.1.3 Die Grafen und Fürsten von Hohenlohe-Bartenstein Das Geschlecht der Kammerrichter Philipp Karl (1668 – 1729) und Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein (1702 – 1763), Kammerrichter von 1722 bis 1729 bzw. 1746 bis 1763, lässt sich im fränkischen Raum bis in das 12. Jahrhundert zurückverfolgen. 1450 erbten die Hohenlohe die Grafschaften Ziegenhain und Nidda und erlangten so den Titel der Reichsgrafen und die Reichsstandschaft.98 1553 kam es zur Teilung des Hauses in die Linien Neuenstein und Waldenburg. 1615 spaltete sich die Linie Waldenburg in die Zweige Waldenburg, Pfedelbach und Schillingsfürst.99 Mitte des 16. Jahrhunderts traten die beiden Linien des Hauses ­Hohenlohe 93 Europäische Stammtafeln, Bd. IX, Tafel 44. 94 Vgl. Eberl, Art. „Sulz“. 95 Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. I.3, Tafel 288. Vgl. außerdem Pečar, Die Ökonomie der Ehre, S. 40. 96 Johann Adam Andreas von Liechtenstein etwa lieh ­Kaiser Karl VI. große Geldsummen. Vgl. Pečar, Die Ökonomie der Ehre, S. 104 f. 97 Es handelte sich dabei um Johann Aloys von Oettingen-­Oettingen und Oettingen-­Spielberg (1707 – 1780) und Karl Thomas von Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort (1714 – 1789). Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. I.3, Tafel 288. 98 Fischer, Geschichte des Hauses Hohenlohe, Bd. 1. 99 Ebd., Bd. 2, S. 47.

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zum protestantischen Glauben über.100 1667 jedoch konvertierten Christian (1627 – 1675) und Ludwig Gustav (1634 – 1697) von Hohenlohe-­Schillingsfürst zum Katholizismus.101 Sie waren Vater und Onkel des älteren Kammer­richters ­Philipp Karl. ­Christian, der ältere der beiden, begründete den neuen Zweig Hohenlohe-­ Bartenstein, während Ludwig Gustav den Zweig Schillingsfürst weiterführte. 1744 wurden beide Zweige in den erblichen Reichsfürstenstand erhoben. 1757 erreichten sie, dass ihre Territorien zum Reichsfürstentum erhoben wurden, und erhielten damit Sitz und Stimme auf der Fürstenbank des Reichstags.102 Nach ihrer Konversion schlugen die Brüder Christian von Hohenlohe-­Bartenstein und Ludwig Gustav von Hohenlohe-­Schillingsfürst unterschiedliche Karrieren ein. Christian erwarb zwar das Amt eines kaiserlichen Kämmerers, orientierte sich aber ansonsten an den bayerischen Wittelsbachern, für die er Pfleger und Statthalter von Neumarkt i. d. Oberpfalz war.103 Ludwig Gustav dagegen wurde kaiserlicher Kämmerer, kaiserlicher Geheimer Rat und Reichshofrat. Er reiste zahlreiche Male als Kommissar im Auftrag ­Kaiser Leopolds I. zu den fränkischen und schwäbischen Kreistagen sowie 1675 und 1683 zu den Bischofswahlen in Würzburg und Bamberg.104 Philipp Ernst von Hohenlohe-­Schillingsfürst (1663 – 1759), der Sohn Ludwig Gustavs, erreichte die Ämter eines kaiserlichen Kämmerers und eines kaiserlichen wirklich Geheimen Rats. 1701 übernahm er wie sein Vater Ludwig Gustav zuvor kaiser­liche Gesandtschaften zu den fränkischen und schwäbischen Kreistagen.105 1704 geriet er in den Verdacht, im Spanischen Erbfolgekrieg mit Maximilian II. Emanuel von Bayern zu sympathisieren. Er wurde in Haft gesetzt und zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. 1706 jedoch erneuerte ­Kaiser Joseph I. seine kaiserlicher Geheime Ratswürde.106 1711 bemühte sich Philipp Ernst erfolglos um das Kammerrichteramt.107 100 Fischer, Geschichte des Hauses Hohenlohe, Bd. 1, S. 154 – 156 u. Bd. 2, S. 10 – 18; Press, Das Haus Hohenlohe, S. 172 f. 101 Fischer, Geschichte des Hauses Hohenlohe, Bd. 3, S. 118 – 120. 102 Ebd., Bd. 3, S. 31. 103 Ebd., Bd. 3, S. 121 f. 104 Zu den Ernennungen zum Kammerherrn und zum Geheimen Rat vgl. ebd., Bd. 3, S. 122. Zur Stelle als Reichshofrat vgl. HHStA Wien RK Instruktionen, Instruktion zum fränkischen Kreistag, Wien 27. Februar 1683. Zur Tätigkeit beim fränkischen Kreis vgl. die in HHStA Wien RK Instruktionen, enthaltenen Instruktionen für Ludwig Gustav als kaiserlicher Kommissar auf dem fränkischen Kreistag, Wien 27. Februar 1683, 15. Januar 1685, 20. Dezember 1689 u. 28. September 1694. Vgl. außerdem Fischer, Geschichte des Hauses Hohenlohe, Bd. 3, S. 122 f. Zur Tätigkeit als Wahlkommissar in Bamberg und Würzburg vgl. Christ, Praesentia Regis. 105 Fischer, Geschichte des Hauses Hohenlohe, Bd. 3, S. 125. Zur wirklichen Geheimen Ratswürde vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. XVII, Tafel 19. 106 Fischer, Geschichte des Hauses Hohenlohe, Bd. 3, S. 127 – 129. 107 HHS tA Wien MEA WaKr 37, Philipp Ernst von Hohenlohe-­Schillingsfürst an Lothar Franz von Mainz, Ems 14. Juni 1711.

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Erfolgreicher verlief die Karriere seines Vetters Philipp Karl von Hohenlohe-­ Bartenstein (1668 – 1729), des ersten Kammerrichters aus dem Haus Hohenlohe. Philipp Karl studierte an den Universitäten von Würzburg und Dillingen Jura und wurde 1688 zum kaiserlichen Kammerherrn ernannt. Ab 1699 war er Reichshofrat.108 In dieser Zeit unternahm er wohl kaiserliche Gesandtschaften an verschiedene Höfe.109 1703 ernannte ihn ­Kaiser Leopold I. zum kaiserlichen Geheimen Rat, was Joseph I. und Karl VI . bestätigten.110 1711 bemühte sich Philipp Karl ähnlich wie sein Vetter zunächst vergeblich um das Kammerrichteramt.111 1722 jedoch war seine Bewerbung erfolgreich, und ­Kaiser Karl VI . gewährte ihm zudem fast zeitgleich das Ehrenamt eines wirklich Geheimen Rats.112 Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein (1702 – 1763), der Sohn Philipp Karls, verfolgte eine ähnliche Karriere wie sein Vater, die er wie dieser mit dem Kammerrichteramt beschloss. Nach seinem Studium wohl an den Universitäten von D ­ illingen und Straßburg erhielt er 1731 eine Anwartschaft auf eine Reichshofratsstelle, die er

108 Studium: HZA Neuenstein Leichenpredigten 150, S. 7. Philipp Karl von Hohenlohe-­ Bartenstein immatrikulierte sich gemeinsam mit seinem Vetter Johann Philipp von Hohenlohe-­Schillingsfürst am 14. November 1683 an der Universität Würzburg, vgl. Die Matrikel der Universität Würzburg, Teil 1, S. 357. Am 2. Dezember 1684 immatrikulierte er sich dann an der Universität Dillingen, vgl. Die Matrikel der Universität Dillingen, Bd. 2, S. 972. Kaiserlicher Kämmerer: HZA Neuenstein Ba 125 Bü 13, K ­ aiser Leopold I. an Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 10. Juni 1688; HZA Neuenstein Leichen­ predigten 150, S. 11 f. Reichshofrat: Gschließer, Der Reichshofrat, S. 341. 109 Diese Gesandtschaftsreisen werden im Ernennungsdekret ­Kaiser Leopolds I. für Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein zum kaiserlichen Geheimen Rat erwähnt. HZA Neuenstein Ba 125 Bü 13, ­Kaiser Joseph I. an Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 14. November 1703. 110 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 13, ­Kaiser Leopold I. an Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 14. November 1703; ­Kaiser Joseph I. an Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 24. September 1705; K ­ aiser Karl VI. an Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 6. Januar 1712. 111 HHS tA Wien MEA WaKr 37, Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein an Melchior ­Friedrich von Schönborn, Bartenstein 9. Juni 1711; Melchior Friedrich von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Heusenstamm 16. Juni 1711; Lothar Franz von Mainz an Melchior Friedrich von Schönborn, Mainz 20. Juni 1711 (Kopie). 112 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 13, K ­ aiser Karl VI. an Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 7. Januar 1722 (Ernennung zum Kammerrichter); ders. an dens., Wien 23. Januar 1722 (Ernennung zum wirklich Geheimen Rat). Unterstützt wurde Philipp Karl bei ­seiner Bewerbung um das Kammerrichteramt von seinem Vorgänger Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch: FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an Ernst Friedrich von Windisch-Graetz, Wetzlar 13. Januar 1721 (Konzept); Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­ Meßkirch, Soden 21. Januar 1721.

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1732 offenbar auch tatsächlich antrat.113 1742 wurde er von Karl VII. zum Geheimen Rat ernannt 114 1745 bestätigte K ­ aiser Franz I. diese Würde und übertrug ihm das Kammerrichteramt.115 Er trat es 1746 an und hatte es bis zu seinem Tod 1763 inne. In der nachfolgenden Generation gelangen ähnliche Karrieren nicht mehr. Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein versuchte 1757 seinem Sohn Ludwig Leopold (1731 – 1799) die Stelle des katholischen Reichskammergerichtspräsidenten sowie die Anwartschaft auf das Kammerrichteramt zu verschaffen.116 Dies war ebenso erfolglos wie sein Bemühen 1761 um die Anwartschaft auf das Kammerrichteramt für seinen anderen Sohn Joseph Christian (1740 – 1817).117 Und auch Karl Albrecht I. von Hohenlohe-­Schillingsfürst (1719 – 1793), der Vetter Karl Philipps, scheiterte damit, nach dessen Tod 1763 Kammerrichter zu werden.118 Die Familienstrategien verlagerten sich in dieser Zeit offenbar eher auf Laufbahnen im Militär und in der ­Kirche. Ludwig Leopold (1731 – 1799), der älteste Sohn des Kammerrichters Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, wurde auf Betreiben seines Vaters 1753 zum Kompaniechef im Kollowratischen Dragonerregiment ernannt.119 Karl Albrecht II. von Hohenlohe-­Schillingsfürst (1742 – 1796) stand als Generalmajor in kaiserlichen Diensten.120 Unter den Söhnen des ersten Kammerrichters, Philipp Karl von Hohenlohe-­ Bartenstein, hatte noch nur Joseph Anton von Hohenlohe-­Pfedelbach (1707 – 1764) 113 Studium: HZA Neuenstein Leichenpredigten 199 (1), S. 12, u. Leichenpredigten 199 (2), S. 7. Zumindest in den Matrikeln von Straßburg findet er sich aber nicht. Vgl. Die Alten Matrikeln der Universität Straßburg. Möglicherweise besuchte er die Universität Straßburg während seiner Kavalierstour. Reichshofrat: HZA Neuenstein Ba 125 Bü 41, ­Kaiser Karl VI. an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 4. November 1731 (Erteilung einer Anwartschaft); Quittung über eine Taxe von 450 fl. für den Erhalt einer Reichshofratsstelle, Wien 20. März 1732. Gschließer, Der Reichshofrat, S. 525, führt Karl Philipp als Titularhofrat, da sich nur ein Schreiben vom 31. März 1732 erhalten hat, in dem er sich beim ­Kaiser für den Erhalt einer Reichshofratsstelle bedankt. 114 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 42, K ­ aiser Karl VII. an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Frankfurt a. M. 28. März 1742. 115 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 43, K ­ aiser Franz I. an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Frankfurt a. M. 12. Oktober 1745. 116 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 49, Johann Friedrich Karl von Mainz an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Mainz 3. März 1757. 117 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 49, Johann Friedrich Karl von Mainz an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Mainz 3. März 1757; N. N. von Zedwitz an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Schwetzingen 31. Juli 1761. 118 Fischer, Geschichte des Hauses Hohenlohe, Bd. 3, S. 143. 119 HHStA Wien RK kleine Reichsstände 201, Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein an Anton Corfitz von Ulfeld, Wetzlar 19. Juli 1753; Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein an ­Kaiserin Maria Theresia, Wetzlar 9. September 1753. Vgl. dazu auch Kap. III.4.3. 120 Fischer, Geschichte des Hauses Hohenlohe, Bd. 3, S. 146 – 174.

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dauerhaft die geistliche Laufbahn eingeschlagen. Er erwarb Domherren- und Kanonikerstellen in Köln, Augsburg und Ellwangen.121 1748 wurde er Chorbischof zu Köln und 1761 Domscholaster zu Salzburg.122 Außerdem soll er sich Hoffnungen auf die Nachfolge des Erzbischofs Clemens August von Köln gemacht haben, die sich jedoch 1761 mit der Wahl Maximilian Friedrichs von Königsegg-­Rothenfels zerschlugen.123 In der folgenden Generation ergriffen jedoch alle nachgeborenen Söhne der Linien Hohenlohe-­Bartenstein und Hohenlohe-­Schillingsfürst geistliche ­Karrieren. Joseph Christian (1740 – 1817) und Christian Ernst (1742 – 1819), die Söhne des zweiten Kammerrichters Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, waren unter anderem Domherren zu Köln und zu Straßburg.124 Joseph Christian wurde außerdem 1786 Probst von St. Gereon in Köln, Domscholaster zu Köln und Straßburg sowie Chorbischof zu Köln. 1787 wurde er Domprobst, 1789 Koadjutor und 1795 schließlich Bischof zu Breslau. Darüber hinaus war er seit 1789 Bischof von Leros.125 Sein Vetter Franz Karl von Hohenlohe-­Schillingsfürst (1745 – 1819) absolvierte ebenfalls eine erfolgreiche kirchliche Karriere. Nach dem Erwerb einiger Kanonikate wurde er 1790 Dekan und 1812 Generalvikar zu Ellwangen, 1804 Weihbischof und 1818 Bischof von Augsburg.126 Klemens Armand von Hohenlohe-­Bartenstein (1732 – 1792) und Karl Philipp von Hohenlohe-­Schillingsfürst (1743 – 1824), zwei weitere Familienangehörige, waren Mitglieder des Malteserordens. Klemens A ­ rmand erreichte dort die Stellungen des ersten Oberhofmeisters und des Statthalters der deutschen Zunge. Karl Philipp war General der Galeeren.127 Die Eheschließungen der Linien Hohenlohe-­Bartenstein und Hohenlohe-­ Schillingsfürst lassen eine Hinwendung zu den in Domstiften präsenten Familien und zum Kaiserhof orientierten Adel erkennen. Die Brüder Christian von 121 Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 70, 109, 164 u. 173. Ein biographischer Abriss zu Joseph Anton von Hohenlohe-­Pfedelbach findet sich in Seiler, Das Augsburger Domkapitel, S. 452 f. 122 Seiler, Das Augsburger Domkapitel, S. 452 f. 123 Braubach, Kölner Domherren des 18. Jahrhunderts, S. 249 f. 124 Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 70, 110 u. 173. Ein biographischer Abriss zu Christian Ernst von Hohenlohe-­Bartenstein findet sich bei Seiler, Das Augsburger Domkapitel, S. 450 f. 125 Joseph Christian von Hohenlohe-­Bartenstein hatte Kanonikate der Domstifte Köln, Straßburg, Salzburg und Speyer inne. Vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 110, 164 u. 173. Speyer ist bei Hersche nicht nachgewiesen. Vgl. auch Gatz, Art. „Joseph C ­ hristian Franz Prinz zu Hohenlohe-­Waldenburg-­Bartenstein“; Europäische Stammtafeln, Bd. XVII, Tafel 16. 126 Franz Karl hatte Kanonikate in Augsburg, Köln und Straßburg inne, vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel, S. 239; Europäische Stammtafeln, Bd. XVII, Tafel 19. Vgl. außerdem Rummel, Art. „Franz Karl Joseph Fürst von Hohenlohe-­Waldenburg-­Schillingsfürst“. 127 Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. XVII, Tafel 16 u. 19.

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Hohenlohe-­Bartenstein (1627 – 1675) und Ludwig Gustav von Hohenlohe-­ Schillingsfürst (1634 – 1697) gingen 1658, also bereits zehn Jahre vor ihrer Konversion, Ehen mit den katholischen Schwestern Lucia (1634 – 1716) und Maria Eleonore von ­Hatzfeldt (gest. 1667) ein. Die Grafen von Hatzfeldt hatten enge Beziehungen zur Familie ­Schönborn und damit zu zahlreichen Domkapiteln. Franz von Hatzfeldt (1596 – 1642), der Onkel der Schwestern, war Bischof von Bamberg und Würzburg gewesen.128 Die zweite 1668 geschlossene Ehe ­Ludwig Gustavs von Hohenlohe-­Schillingsfürst mit Anna Barbara von Schönborn (1648 – 1721) verstärkte die Verbindung mit dem in den Stiften vertretenen Adel. Anna ­Barbara war die Nichte bzw. die Schwester der Mainzer Erzbischöfe Johann Philipp (1605 – 1673) und Lothar Franz von Schönborn (1655 – 1729) sowie die Tante des Reichsvizekanzlers sowie Bischofs von Bamberg und Würzburg Friedrich Karl von Schönborn (1674 – 1746).129 Diese zweite Ehe Ludwig Gustavs hatte für ­Philipp Ernst von Hohenlohe-­Schillingsfürst (1663 – 1759), seinen Sohn aus erster Ehe, unmittelbar positive Konsequenzen. Er erhielt vor seiner Verheiratung auf Vermittlung Johann Philipps von Schönborn Kanonikate in den Domstiften zu Mainz und Köln.130 In den folgenden Generationen schlossen die beiden katholischen H ­ ohenloher Linien Eheverbindungen mit am Kaiserhof einflussreichen Familien. 1688 h ­ eiratete Christina Lucia (1663 – 1713), die Schwester Philipp Karls von Hohenlohe-­ Bartenstein, den kaiserlichen Kammerherrn und wirklichen Geheimen Rat Anton Eusebius von Königsegg-­Aulendorf (1639 – 1692). Dieser war der Neffe des Reichskammergerichtspräsidenten Hugo von Königsegg-­Aulendorf (1596 – 1666) und ein Vetter des Reichsvizekanzlers und Reichshofratsvizepräsidenten Leopold Wilhelm von Königsegg-­Rothenfels (1630 – 1694).131 Philipp Ernst von Hohenlohe-­Schillingsfürst (1663 – 1759), ein Vetter Philipp Karls, heiratete 1719 Maria Anna von Oettingen-­Wallerstein (1680 – 1749), die Nichte des Reichshofratspräsidenten Wolfgang von Oettingen-­Wallerstein (1626 – 1708). Seine Cousine Anna Augusta von Hohenlohe-­Schillingsfürst (1675 – 1711) ehelichte 1703 Eugen Alexander von Thurn und Taxis (1652 – 1714). Dessen Familie hatte die Position 128 Schraut, Das Haus Schönborn, S. 80. Vgl. auch Friedhoff, Die Familie von Hatzfeld. 129 Schraut, Das Haus Schönborn, S. 73 u. 78 – 80. 130 Schröcker, Die Patronage des Lothar Franz von Schönborn, S. 66 f. 131 Anton Eusebius: Europäische Stammtafeln, Bd. V, Tafel 51; Hugo: Gschließer, Der Reichshofrat, S. 244 f.; Europäische Stammtafeln, Bd. V, Tafel 47; Leopold Wilhelm: Gschließer, Der Reichshofrat, S. 265 – 267; Sienell, Die geheime Konferenz unter K ­ aiser Leopold I., S. 164 – 168; Hengerer, Kaiserhof und Adel, S. 319 f. Zur Familie der Grafen von ­Königsegg und deren Strategien vgl. Boxler, Die Reichsgrafen zu Königsegg; Fackler, Stiftsadel und geistliche Territorien, S. 55; Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 104 – 111 u. 170 – 174.

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des Erbgeneralpostmeisters inne und übernahm seit den 1740er Jahren regelmäßig das Amt des kaiserlichen Prinzipalkommissars auf dem Reichstag in Regensburg.132 Auch Anton Ruprecht (1709 – 1745), der jüngste Sohn Philipp Karls von Hohenlohe-­Bartenstein, heiratete 1737 mit Felicitas von Waldburg-­Zeil (1722 – 1751) die Angehörige einer kaisernahen Familie. Sie war eine Enkelin von Sebastian Wunibald von Waldburg-­Zeil (1636 – 1700), der kaiserlicher Geheimer Rat, Mitglied der Geheimen Konferenz Leopolds I. und Reichshofratsvizepräsident gewesen war.133 Philipp Karl und Karl Philipp, die beiden Kammerrichter selbst, gingen prestige­ trächtige Eheverbindungen mit den katholischen Nebenlinien des alten reichsfürstlichen Geschlechts der Landgrafen von Hessen ein. Diese wiederum pflegten enge Verbindungen mit der kaiserlich-­reichsgräflichen Klientel. Philipp Karl war in zweiter Ehe mit Sophia Leopoldina von Hessen-­Rheinfels (1681 – 1724) verheiratet.134 Karl Philipp ehelichte 1727 Sophie Friederike von Hessen-­Homburg (1714 – 1777), die die elsässischen Herrschaften Nieder- und Oberbronn mit in die Ehe brachte. III.1.4 Die Freiherren und Grafen von Ingelheim Die Familie Graf Franz Adolf Dietrichs von Ingelheim (1659 – 1742), Kammerrichter von 1730 bis 1742, ist seit Ende des 12. Jahrhunderts mit Johannes von Ingelheim nachweisbar. Dieser war Pfalzgraf und Ritter sowie Vogt der Lande am Rheinstrom.135 Die Familienmitglieder waren Lehnsleute der Kurfürsten von der Pfalz und der Erzbischöfe von Mainz. Im 14. Jahrhundert teilte sich das Geschlecht in zwei Linien, die 132 Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. XVI, Tafel 106. Zu Wolfgang von Oettingen-­Wallerstein vgl. außerdem Gschließer, Der Reichshofrat, S. 310 f., und zur Familie Thurn und Taxis Behringer, Thurn und Taxis. 133 Gschließer, Der Reichshofrat, S. 289 f.; Sienell, Die geheime Konferenz unter K ­ aiser Leopold I., S. 195 f. 134 Das Geschlecht der Landgrafen von Hessen-­Rheinfels war eng mit den Grafen von Löwenstein-­ Wertheim-­Rochefort verbunden. So war unter anderem der Schwager Sophia Leopoldinas Dominikus Marquard von Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort (1690 – 1735), der wiederum der Sohn Maximilian Karls von Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort (1656 – 1718) war. Maximilian Karl war seit 1686 Reichshofrat und kaiserlicher Kommissar beim fränkischen und beim oberrheinischen Reichskreis. Darüber hinaus war er seit 1697 kaiserlicher Geheimer Rat und ab 1704 kaiserlicher Statthalter in Bayern sowie später Prinzipalkommissar auf dem Reichstag und kaiserlicher Statthalter in Mailand. Vgl. Riedenauer, Die Erhebung des kaiserlichen Administrators. Vgl. auch Gschließer, Der Reichshofrat, S. 313 f. 135 Kempf, Genealogie der Grafen von Ingelheim, S. 65; Schneider, Die Grafen von Ingelheim, S. 4.

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ältere Linie erlosch jedoch bereits 1580. 1648 heiratete Philipp Ludwig von Ingelheim (1627 – 1661), Vater Franz Adolf Dietrichs, die Erbtochter Maria Otilia Echter von Mespelbrunn (1629 – 1701). Nach dem Aussterben der Echter im Mannesstamm 1665 fielen deren Besitzungen an Franz Adolf Dietrich, und der Name Ingelheim wurde 1698 um den Zusatz „genannt Echter von Mespelbrunn“ ergänzt.136 1680 wurde die zur Ritterschaft zählende Familie in den Reichsfreiherrenstand und 1737 in den Reichsgrafenstand erhoben. Die Reichsstandschaft konnte sie jedoch nicht erwerben.137 Der Schwerpunkt der Familienpolitik lag im kirchlichen Bereich. Im 17. und 18. Jahrhundert stellten die Freiherren und späteren Grafen von Ingelheim zahlreiche Domherren vor allem in den Stiften von Mainz, Würzburg, Trier und Bamberg.138 1679 wurde Anselm Franz von Ingelheim (1634 – 1695), der Onkel Franz Adolf Dietrichs, zum Erzbischof von Mainz gewählt. Zuvor war er Mainzer Domherr, Domcellarius und Domkapitular gewesen.139 Anselm Franz (1683 – 1749) und Anton Dietrich Karl (1690 – 1750), die Söhne Franz Adolf Dietrichs, erwarben ebenfalls zahlreiche Kanonikate.140 Anselm Franz folgte 1746 außerdem Friedrich Karl von Schönborn (1674 – 1746) als Bischof von Würzburg nach.141 Auch zwei Enkel Franz Adolf Dietrichs schlugen eine geistliche Karriere ein und erwarben Domkanonikate in Trier, Würzburg und Mainz.142 Die Mitglieder der Familie Ingelheim, die nicht eine kirchliche Laufbahn verfolgten, standen im 17. und 18. Jahrhundert vor allem in kurmainzischen Diensten. Philipp Ludwig von Ingelheim (1627 – 1661), der Vater Franz Adolf Dietrichs, war kurmainzischer Oberstleutnant und Oberamtmann zu Miltenberg, Philipp Wilhelm 136 Kempf, Genealogie der Grafen von Ingelheim, S. 65; Schneider, Die Grafen von Ingelheim, S. 5. Zu den Echter von Mespelbrunn vgl. Kittel, Beiträge zur Geschichte der Freiherren Echter von Mespelbrunn. 137 RGIA Mespelbrunn Karton 6, Schublade 151, Nr. 1, ­Kaiser Karl VI. an Franz Adolf ­Dietrich von Ingelheim, Laxenburg 1. Juni 1737; Kempf, Genealogie der Grafen von Ingelheim, S. 72; Schneider, Die Grafen von Ingelheim, S. 5. 138 Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 72 – 77, 126 – 129, 180 – 186 u. 192 – 199. 139 Jürgensmeier, Art. „Anselm Franz (seit 1680 Reichsfreiherr) von Ingelheim“. 140 Anselm Franz von Ingelheim war Domherr zu Bamberg (1693), Mainz (1694), Würzburg (1695) und Trier (1718) sowie Kapitular des Ritterstifts St. Alban und Probst zu St. Victor. Anton Dietrich Karl war Domherr zu Trier (1701), Lüttich (1720), Halberstadt (1730) und Würzburg (1730). Vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 242; Schneider, Die Grafen von Ingelheim, S. 23 f.; Dohna, Die ständischen Verhältnisse am Domkapitel von Trier, S. 145 u. 225. 141 Greipl, Art. „Anselm Franz Reichsfreiherr (seit 1737 Reichsgraf ) von Ingelheim“. 142 Lothar Franz von Ingelheim (1723 – 1780) war Domherr zu Würzburg (1737), Mainz (1739) und Trier (1739). Christoph Adolf Karl von Ingelheim (1726 – 1784) war Domherr zu Trier (1737) und Würzburg (1747). Vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 242; Schneider, Die Grafen von Ingelheim, S. 25.

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von Ingelheim (1619 – 1661), der Onkel Franz Adolf Dietrichs, kurmainzischer Oberstleutnant sowie Oberamtmann und Kommandant von Lahnstein.143 Auch Franz Adolf Dietrich von Ingelheim hatte vor seiner Karriere am Reichskammer­gericht in kurmainzischen Diensten gestanden. Nach seinem Jurastudium an den Universitäten von Mainz und Erfurt ernannte ihn 1682 sein Onkel Anselm Franz von Ingelheim (1634 – 1695) in seiner Funktion als Erzbischof von Mainz zum Vizedom im Rheingau. Zu ­diesem Zeitpunkt war er zudem schon Mitglied des Mainzer Hofrats.144 1687 beauftragte Anselm Franz ihn mit einer diplomatischen Reise nach Wien. Er sollte ein Gratulationsschreiben zur Krönung des Erzherzogs Joseph zum ungarischen König überbringen und über die Entsendung kurmainzischer Truppenkontingente für den Türkenkrieg verhandeln.145 1688 wurde Franz Adolf Dietrich königlich-­ungarischer Kämmerer und 1690 Reichshofrat des römisch-­deutschen Königs Joseph I.146 1696 erhielt er eine Expektanz auf das Amt des katholischen Reichskammergerichtspräsidenten sowie auf die Würde eines kaiser­lichen Geheimen Rats.147 1698 wurde Franz Adolf Dietrich nach dem Tod des bisherigen Präsidenten Karl Ferdinand von Manderscheid-­Gerolstein am Reichskammergericht aufgeschworen.148 1712 erneuerte ­Kaiser Karl VI. die Würde des kaiserlichen Geheimen Rats.149 1730 erhielt Franz Adolf Dietrich schließlich das Amt des Kammerrichters. Wenngleich Franz Adolf Dietrich sich um die Anwartschaften auf das Kammerrichteramt für seine Söhne bemühte,150 hatten die Familienmitglieder der nachfolgenden Generationen keine hohen kaiserlichen Chargen mehr inne. Stattdessen orientierten sie sich weiterhin stark an Kurmainz. Johann Philipp (1697 – 1784), einer der beiden Söhne Franz Adolf Dietrichs, der eine weltliche Karriere einschlug, war kurmainzischer Geheimer Rat, Vizedom im Rheingau, Burgherr von Klopp und Zollherr von Ehrenfels.151 Außerdem stand Johann Philipp als Burggraf von Kreuznach in kurpfälzischen Diensten und war kaiserlicher Geheimer Rat sowie Kommandeur 143 Schneider, Die Grafen von Ingelheim, S. 21. 144 Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 175 – 177. Zum Studium in Mainz vgl. auch Verzeichnis der Studierenden der alten Universität Mainz, S. 488. 145 Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 178 f. 146 Ebd., S. 179; Gschließer, Der Reichshofrat, S. 358. 147 Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 180. 148 Ebd., S. 181 f. 149 HHStA Wien RK Geh. Räte 3, ­Kaiser Karl VI. an Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, Wien 7. April 1712 (Konzept). 150 Vgl. die Schreiben in BArch AR 1-Misc./625. Vgl. auch Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 200. 151 Kempf, Genealogie der Grafen von Ingelheim, S. 82 f.; Schneider, Die Grafen von Ingelheim, S. 24 f.

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des Ordens des heiligen Josephs. Sein Sohn Karl Philipp (1740 – 1803) war Nachfolger seines Vaters als Vizedom im Rheingau sowie kurmainzischer Obermarschall, Oberstsilberkämmerer, Hofintendant und Oberamtmann von Königstein.152 Die Eheschließungen der Ingelheim im 17. und 18. Jahrhundert waren im Wesentlichen am Stiftsadel orientiert, wie es ihrer übrigen Ausrichtung entsprach. Maria Otilia (1629 – 1701), die ­Mutter Franz Adolf Dietrichs, war die letzte Vertreterin der Echter von Mespelbrunn, die traditionell in Diensten der Mainzer Kurfürsten gestanden hatten.153 Julius Echter von Mespelbrunn (1573 – 1617), ein Großonkel Maria Otilias, war Bischof von Würzburg gewesen.154 Die 1683 geschlossene Ehe des Kammerrichters Franz Adolf Dietrich mit Maria Ursula von Dalberg, Kämmerer von Worms (1668 – 1730), setzte die Familientradition fort. Deren Eltern waren der Vizedom von Mainz Friedrich Dietrich von Dalberg (gest. 1712) und Maria Klara von Schönborn (1647 – 1716). Maria Klara war eine Schwester des späteren Mainzer Erzbischofs Lothar Franz von Schönborn (1655 – 1729), die Dalberg wiederum waren im 17. und 18. Jahrhundert vielfach in den reichsritterlichen Domkapiteln von Mainz, Würzburg, Bamberg, Trier, Speyer und Worms vertreten.155 Wolfgang von Dalberg (1538/39 – 1601) war zudem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Erzbischof von Mainz gewesen.156 Johann Philipp (1697 – 1784), der einzige Sohn Franz Adolf Dietrichs, der eine Ehe einging, heiratete Maria Klara Philippa von Dalberg (1707 – 1774). Sie war eine Verwandte seiner ­Mutter und brachte als letzte Vertreterin der Linie Dalberg-­Ruppertsburg-­Kronburg eine reiche Mitgift in die Ehe ein.157 III.1.5 Die Grafen von Virmond Ambrosius Franz von Virmond (1682 – 1744) war von 1742 bis 1744 Kammerrichter. Seine Familie war ein vor allem in den Grafschaften Ziegenhain und Battenberg begütertes Ministerialengeschlecht.158 Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts 152 Kempf, Genealogie der Grafen von Ingelheim, S. 87; Schneider, Die Grafen von Ingelheim, S. 25 f. 153 Kempf, Genealogie der Grafen von Ingelheim, S. 17 – 54. 154 Vgl. Merzbacher (Hrsg.), Julius Echter und seine Zeit. 155 Zur Familie Dalberg, Kämmerer zu Worms, vgl. Andermann (Hrsg.), Ritteradel im Alten Reich, insbesondere ders., Der Aufstieg der Kämmerer von Worms; Murk, „Damit der Splendor erhalten werde“. 156 Jürgensmeier, Art. „Wolfgang von Dalberg, Kämmerer von Worms“. 157 Kempf, Genealogie der Grafen von Ingelheim, S. 82 f.; Schneider, Die Grafen von Ingelheim, S. 24 f. 158 Zur Familie von Virmond vgl. Heldmann, Die hessischen Pfandschaften im cölnischen Westfalen; Kricker, Geschichte der Gemeinde Anrath, S. 134 – 152; Vander, Schloß und Herrschaft

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spaltete es sich in eine hessische, eine westfälische und eine niederrheinische Linie auf. Die hessische Linie erlosch 1563 und die westfälische 1624. Die niederrheinischen Virmond waren in Neersen ansässig und Lehnsleute von Kurköln und Jülich. 1621 wurden sie von K ­ aiser Ferdinand II. in den Reichsfreiherrenstand erhoben. 1706 folgte ihre Erhebung in den Reichsgrafenstand.159 1734 erlangte Ambrosius Franz von Virmond durch den Gewinn der Herrschaft Bretzenheim die Reichsstandschaft und wurde Mitglied im niederrheinischen Reichsgrafenkollegium. 1738 stieg er sogar zu dessen Direktor auf.160 Da weder Ambrosius Franz noch sein Onkel Damian Hugo von Virmond (1666 – 1722) überlebende männliche Nachkommen hatten, erlosch das Geschlecht 1744. Die Angehörigen der Familie Virmond standen spätestens seit dem 17. Jahrhundert im Dienst verschiedener Reichsfürsten und des Kaisers. Johann von ­Virmond (1588 – 1632), der Urgroßvater Ambrosius Franz‘, war kurkölnischer Kämmerer und Oberst. Er machte während des Dreißigjährigen Kriegs in den Truppen der Liga Karriere und wurde 1621 für seine Verdienste mit der Erhebung in den Reichsfreiherrenstand belohnt. 1627 wurde er Generalmajor, kaiserlicher Kriegsrat und Generalwachtmeister sowie Gouverneur von Bonn. 1629 erlangte er die Ämter eines kurkölnischer Rats und Amtmanns zu Bonn.161 Adrian Wilhelm (1613 – 1681) und Ambrosius Adrian von Virmond (1640 – 1688), Großvater bzw. Vater ­Ambrosius Franz’, richteten ihre Politik am Haus Pfalz-­Neuburg und an der Kurpfalz aus. Adrian Wilhelm war pfalz-­neuburgischer Geheimer Rat, Oberstkämmerer, Oberhofmeister, Landmarschall in Jülich, General über die Miliz zu Ross und Fuß sowie Gouverneur von Düsseldorf und Jülich. 1674 wurde er darüber hinaus kaiserlicher Feldmarschall.162 Ambrosius Adrian war Amtmann von Angermund, Ratingen und Schönforst sowie kurpfälzischer Kammerherr, Rat und Oberstallmeister.163 Damian Hugo von Virmond (1666 – 1722), der Halbbruder von Ambrosius Franz‘ Vater, schlug im Gegensatz zu Vater und Halbbruder von Beginn an eine Karriere am Kaiserhof ein. Er war Generalfeldzeugmeister und übernahm Neersen, S. 40 – 66. Vgl. ferner Holzenthal, Die Ahnengalerie der Herren von Virmond. 159 Kricker, Geschichte der Gemeinde Anrath, S. 143. Verschiedentlich wird auch angegeben, dass die Virmonds bereits 1664 in den Reichsgrafenstand erhoben worden ­seien. Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. XI, Tafel 2. 160 Vgl. dazu Arndt, Das niederrheinisch-­westfälische Reichsgrafenkollegium, bes. S. 122. 161 Kricker, Geschichte der Gemeinde Anrath, S. 141 f.; Vander, Schloß und Herrschaft ­Neersen, S. 49 – 53. 162 Kricker, Geschichte der Gemeinde Anrath, S. 142 f.; Vander, Schloß und Herrschaft N ­ eersen, S. 55 – 61. Vgl. außerdem Peters, Die diplomatische Reise des Adrian Wilhelm von Virmond. 163 Kricker, Geschichte der Gemeinde Anrath, S. 146 f.; Vander, Schloß und Herrschaft N ­ eersen, S. 61 f.

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Gesandtschaften an den preußischen, schwedischen, polnischen und türkischen Hof. 1722 verstarb er als Gouverneur von Siebenbürgen und der Walachei in Hermannstadt.164 Der Kammerrichter Ambrosius Franz studierte an der Universität von Straßburg und begann seine Karriere in kurkölnischen Diensten. 1700 wurde er zum kurkölnischen Amtmann von Kempen und Oedt ernannt.165 1714 stieg er zum kurkölnischen Hofrat auf, 1718 folgte die Ernennung zum kurkölnischen Geheimen Rat, Hofratspräsidenten sowie Staats- und Konferenzminister. 166 1731 erhielt Ambrosius Franz mit der Stelle des katholischen Reichskammergerichtspräsidenten und der Ernennung zum kaiserlichen Geheimen Rat erste kaiserliche Ämter.167 Ab 1737 versuchte er, von K ­ aiser Karl VI . eine Expektanz auf das Kammerrichteramt zu erhalten. Dies gelang ihm 1739.168 Nach dem Tod Karls VI . 1740 erhielt er vom neuen K ­ aiser Karl VII . unmittelbar nach dessen Wahl im Februar 1742 eine neue Expektanz. Gleichzeitig erneuerte der ­Kaiser auch seine kaiserliche Geheime Ratswürde.169 Im Oktober 1742 wurde er schließlich als Kammerrichter eingesetzt.170 Auch die folgende Generation war am Kaiserhof orientiert. Eine Ausnahme bildet Joseph Ernst (1707 – 1730), der jung verstorbene Sohn des Kammerrichters, der in kurpfälzischen Diensten stand.171 Maria Isabella (1706 – 1728), die 164 Kricker, Geschichte der Gemeinde Anrath, S. 145; Vander, Schloß und Herrschaft Neersen, S. 63 f.; Strohmeyer, Die Theatralität interkulturellen Friedens. 165 Kricker, Geschichte der Gemeinde Anrath, S. 147; Schulte, Ambrosius Franz Graf von ­Virmond, S. 28; Die Alten Matrikeln der Universität Straßburg, Bd. 1, S. 11. Vgl. auch in BArch AR 1-IV/43, Präsentationsprotokoll des Reichskammergerichts, 8. Januar 1732, fol. 2. 166 Kricker, Geschichte der Gemeinde Anrath, S. 147; Vander, Schloß und Herrschaft Neersen, S. 64. Vgl. auch Winterling, Der Hof des Kurfürsten von Köln, S. 218, Nr. 78. 167 Reichskammergerichtspräsident: BA rch AR 1-IV /16, ­Kaiser Karl VI . an das Reichskammer­ gericht, Wien 19. März 1731, fol. 195. Geheimer Rat: HHS tA Wien RK Geh. Räte 7, ­Kaiser Karl VI . an Ambrosius Franz von Virmond, Wien 30. April 1731. Kricker, Geschichte der Gemeinde Anrath, S. 147 f., gibt an, dass Ambrosius Franz zuvor als Gesandter an Höfe von Reichsfürsten entsandt wurde. Belege hierfür finden sich nicht. Es ist aber möglich, dass er seinen Onkel Damian Hugo von Virmond bei einer von dessen Gesandtschaften begleitete. 168 Bei d ­ iesem Anliegen wurde Ambrosius Franz vom Gatten seiner Cousine Johann ­Hermann von Nesselrode-­Landscron, dem Erzbischof von Mainz, Philipp Karl von Eltz, und in besonderem Maße von Kurfürst Karl III . Philipp von der Pfalz unterstützt. Vgl. dazu Kap. III .4.1. 169 BArch AR 1-IV/15, ­Kaiser Karl VII. an Philipp Karl von Mainz, Frankfurt a. M. 11. Februar 1742, fol. 100 f. Vgl. dazu auch Kap. II.4. 170 HHS tA Wien MEA RKG 197b, das Reichskammergericht an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 11. November 1742. 171 Europäische Stammtafeln, Bd. XI, Tafel 2.

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­ ochter Ambrosius Franz’, war kaiserliche Hofdame. Sein Neffe Franz Adrian T von ­Virmond (1696 – 1716) diente als Offizier unter Prinz Eugen von Savoyen. Er fiel in den Türkenkriegen 1716 während der Belagerung von Temesvar im Alter von 20 Jahren.172 Die Eheverbindungen der Freiherren und Grafen von Virmond lassen zunächst eine regionale Orientierung am westfälisch-­niederrheinischen und rheinischen Adel erkennen.173 Johanna Margaretha (gest. 1712), die M ­ utter des Kammerrichters Ambrosius Franz, war eine Gräfin von Spee.174 Die beiden Ehen seines Onkels Damian Hugo von Virmond folgten ebenfalls d ­ iesem Prinzip. Dessen erste Gemahlin war Johanna von Nesselrode-­Reichenstein (1670 – 1698), die dem alten Adel der Grafschaft Berg entstammte. Dieser stand wiederholt in Diensten des Kurfürsten von Köln.175 Maria Elisabeth von Bourscheidt (gest. 1753), seine zweite Ehefrau, gehörte ebenfalls dem rheinischen Adel an. Bei den Töchtern Damian Hugos änderte sich die Heiratspolitik. Beide gingen Ehen mit Männern ein, die Einfluss am Kaiserhof hatten. Seine ältere ­Tochter Maria Ludovika (1689 – 1738) heiratete Johann Hermann von Nesselrode-­ Landscron (1671 – 1751), einen Verwandten ihrer ­Mutter. Dieser machte möglicherweise mit Hilfe Damian Hugos im kaiserlichen Heer Karriere. Er wurde kaiserlicher General, kaiserlicher Kämmerer, Geheimer Rat und schließlich 1726 kaiserlicher Generalkriegskommissar.176 Maria Anna (1710 – 1731), die jüngere Tochter Damian Hugos, heiratete Anton Corfitz von Ulfeld (1699 – 1769). Dessen Vater Leo (1651 – 1716) hatte im kaiserlichen Heer Karriere gemacht und war während des Spanischen Erbfolgekriegs Generalgouverneur von Barcelona. Anton Corfitz von Ulfeld selbst wurde später Konferenzminister, leitender Minister für auswärtige Angelegenheiten sowie Hof- und Staatskanzler am Wiener Hof.177 ­Insbesondere die Ehe seiner älteren Cousine Maria Ludovika hatte einen unmittelbar positiven Einfluss auf die Karriere des Kammerrichters Ambrosius Franz. Johann Hermann von Nesselrode-­Landscron unterstützte ihn bei seinen

172 Braubach, Prinz Eugen von Savoyen, Bd. 3, S. 370 f.; Kricker, Geschichte der Gemeinde Anrath, S. 145. 173 Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. XI, Tafel 2. 174 In zweiter Ehe war seine ­Mutter mit dem Reichskammergerichtsassessor Johann Adam Ernst von Pyrck verheiratet, der Anfang des 18. Jahrhunderts in einen schweren Konflikt mit dem Präsidenten und späteren Kammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim verwickelt war. Vgl. dazu Kap. III.4.5. 175 Europäische Stammtafeln, Bd. VII, Tafel 153. 176 Europäische Stammtafeln, Bd. VII, Tafel 154. Vgl. außerdem Braubach, Prinz Eugen von Savoyen, Bd. 5, insbes. S. 223. 177 Europäische Stammtafeln, Bd. IV, Tafel 65.

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erfolgreichen Bewerbungen um die Stelle des katholischen Reichskammergerichtspräsidenten und um das Amt des Kammerrichters.178 Die erste Heirat Ambrosius Franz‘ selbst 1705 mit Eleonore Magdalena von Bentheim (1687 – 1727) stellte zwar keine Kontakte zum Kaiserhof her. Doch sie war für die Familie Virmond mit einem enormen Prestigegewinn verbunden, da die Grafen von Bentheim dem hohen Reichsadel angehörten.179 1741 schloss Ambrosius Franz eine zweite Ehe mit Maria Elisabeth von Nesselrode-­Landscron (1723 – 1775), die die Tochter seiner Cousine Maria Ludovika war. Diese Verbindung diente dem Familienzusammenhalt und sollte in Erwartung männlicher Nachkommen das Geschlecht der Grafen von Virmond vor dem Aussterben bewahren.180 Die dreijährige Ehe blieb aber kinderlos. III.1.6 Die Grafen von Spaur Das Geschlecht Franz Josephs von Spaur (1724 – 1797), Kammerrichter von 1767 bis 1797, lässt sich im Tiroler Raum bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Der Name Spaur ist seit dem 14. Jahrhundert nachweisbar. Er basiert auf den Besitzungen der Familie Sporminore, Spormaggiore und Pflaum, die im Nonstal in der Nähe von Trient liegen.181 Seit dem frühen 15. Jahrhundert waren die Spaur Erbschenken der gefürsteten Grafschaft Tirol. Das Geschlecht spaltete sich in zahlreiche Linien auf, die 1546 alle in den Freiherrenstand erhoben wurden. Anton von Spaur stieg 1633 zum erbländisch-­österreichischen Grafen und 1637 zum Reichsgrafen auf. Ende des 17. Jahrhunderts erscheint die gesamte Familie im anerkannten Grafenstand.182 Der Familienzweig, dem der Kammerrichter Franz Joseph von Spaur entstammte, wird in Wurzbachs Biographischem Lexikon als seit 1637 dem 178 Schulte, Ambrosius Franz Graf von Virmond, S. 31 f.; LAV NRW Abt. Rheinland FA ­Virmond II 90, Maria Ludovika von Nesselrode-­Landscron an Ambrosius Franz von ­Virmond, o. O. 10. Februar 1731; LAV NRW Abt. Rheinland FA Virmond II 99, Graf von Wachtendonck an Ambrosius Franz von Virmond, [Datum nicht mehr vorhanden, Ende 1737], fol. 186r–187v. Vgl. auch Kap. III.4.1. 179 Zum Heiratsverhalten der Grafen von Bentheim im 16. und 17. Jahrhundert vgl. Marra, Allianzen des Adels, S. 48 – 104. 180 Vgl. auch das anlässlich dieser Hochzeit verfasste und aufwendig gedruckte Gedicht in Peters, Jubel und Trauer im gräflichen Hause Virmond, S. 112 – 114. 181 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 85, S. 939. Vgl. zur Familie auch Schaller, Généalogie de la Maison des Comtes Spaur; Skyhawk, Adieu Diana. 182 Art. „Spaur und Flavon“, in: Genealogisches Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels, Bd. XI, S. 127 – 135, hier S. 127 f.

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Reichgrafenstand angehörig geführt. Er besaß aber keine reichsunmittelbaren Territorien und gehörte keinem Reichsgrafenkollegium an.183 1763 wurden Franz Joseph von Spaur und sein Vetter Johann Franz zumindest in die Reichsritterschaftkreise Schwaben, Franken und Rhein aufgenommen.184 Das Haus Spaur war vor allem regional orientiert. Vor Franz Joseph von Spaur erreichte kaum ein Familienmitglied eine hohe Stellung am Kaiserhof oder ein vom ­Kaiser zu vergebendes überregionales Amt,185 wenngleich insbesondere im 18. Jahrhundert viele von ihnen kaiserliche Kämmerer und kaiserliche Geheime Räte waren.186 Besonders häufig war die Familie Spaur dagegen in der Regierung der gefürsteten Grafschaft Tirol vertreten.187 Peter I. von Spaur war Anfang des 15. Jahrhunderts Hauptmann an der Etsch und Burggraf von Tirol.188 Johann Anton (1656 – 1712), Johann Franz Wilhelm (1697 – 1759) und Johann Nepomuk (1724 – 1793), Großvater, Vater und Bruder des Kammerrichters, waren oberösterreichische Regierungsräte und Statthalter von Tirol.189 Auch kirchliche Karrieren machten die Grafen von Spaur vor allem in der Region, zahlreiche Angehörige der Familie waren Domherren in Trient, Brixen und Salzburg.190 Joseph Philipp (1718 – 1791) und Ignaz Joseph (1729 – 1779), die Brüder Franz Josephs, waren Domherren zu Brixen und Salzburg. Friedrich Franz Joseph (1756 – 1821), der ältere Sohn Franz Josephs, war Domherr zu Salzburg, Brixen und Passau, der jüngere Johann Nepomuk Theodor (1760 – 1824) zu Trient, Brixen und Salzburg.191 Darüber hinaus besetzten die Spaur mehrfach den Bischofsstuhl in Brixen. Im 16. Jahrhundert waren die Brüder Johann Thomas (1528 – 1591) und Christoph Andreas von Spaur (1543 – 1613) dort Bischöfe.192 Im 18. Jahrhundert hatten direkte Verwandte des Kammerrichters sogar dreimal in Folge den Bischofsthron von Brixen inne: von 1747 bis 1778 sein Onkel Leopold 183 Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 36, S. 89 – 92. 184 SA Valer 3454, Aufnahmeurkunde, Wetzlar 1763. 185 Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 36, S. 90 – 92. 186 HHStA Wien RK Geh. Räte u. Staatskanzlei inferiora Geh. Räte 14. 187 Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 36, S. 90 f. 188 Ebd., Bd. 36, S. 91. 189 Art. „Spaur und Flavon“, in: Genealogisches Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels, Bd. XI, S. 127 – 135, hier S. 128 f.; Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 36, S. 91. 190 Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 36, S. 86 – 106. Vgl. auch Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 82 – 85, 161 – 164 u. 175 – 179; Wolfsgruber, Das Brixner Domkapitel. 191 Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 84 f., 164 u. 178 f.; Wolfsgruber, Das Brixner Domkapitel, S. 207 – 209. Zu Friedrich Franz Joseph von Spaur vgl. auch Spaur, Reise durch Oberdeutschland. 192 Wolfsgruber, Das Brixner Domkapitel, S. 202 – 204; Gelmi, Art. „Christoph Andreas Freiherr von Spaur“; ders., Art. „Johann Thomas Freiherr von Spaur“.

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Maximilian Joseph von Spaur (1696 – 1778) und von 1779 bis 1791 seine Brüder Ignaz Joseph (1729 – 1779) und Joseph Philipp (1718 – 1791).193 Über den regionalen Kreis hinaus wiesen nur die kirchlichen Karrieren weiblicher Familienmitglieder in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In dieser Zeit waren die Spaur im freiweltlichen Damenstift Essen vertreten und stellten mit Maria Clara (ca. 1590 – 1644) eine Äbtissin.194 Das Essener Stift war an sich dem hohen Reichsadel vorbehalten. Zu dieser Zeit sah es sich aber wegen der zahlreichen Konversionen zum Protestantismus gezwungen, auch weniger hochstehende Damen wie die Gräfinnen von Spaur aufzunehmen.195 Anders entwickelten sich Franz Josephs eigene und die Karriere seines Sohnes Joseph Philipp (1757 – 1796). Franz Joseph studierte an der Universität Innsbruck Jura und begann seine Laufbahn 1748 als Hof- und Regierungsrat in Mainz, wo er zudem zum kurmainzischen Kämmerer ernannt wurde.196 1754 wurde er Hofrichter, Vizedom der Stadt Mainz sowie Präsident der kurfürstlichen Rente, des Kaufhauses und des Handelsstands. Im selben Jahr erhielt er den kaiserlichen Kammer­herrenschlüssel.197 1757 ernannte ­Kaiser Franz I. ihn dann zum katholischen Reichskammergerichtspräsidenten. 1763 folgte er Karl Philipp von Hohenlohe-­ Bartenstein im Amt des Kammerrichters nach und erhielt zeitgleich die Würde eines kaiser­lichen Geheimen Rats.198 Joseph Philipp (1757 – 1796), der Sohn Franz Josephs, schlug als Oberleutnant im Infanterieregiment Terzy zunächst eine Laufbahn im kaiserlichen Heer ein, die er aber offenbar auf Grund gesundheitlicher Probleme abbrechen musste. Nach einem Jurastudium in Marburg wurde er auf Vermittlung seines Vaters 193 Wolfsgruber, Das Brixner Domkapitel, S. 207 f. Vgl. auch Gelmi, Art. „Leopold Maria Joseph Reichsgraf von Spaur“, u. ders., Art. „Joseph Philipp Franz Reichsgraf von Spaur“. 194 Zu Maria Clara von Spaur vgl. Küppers-­Braun, Maria Clara von Spaur, Flavon und Valer und die Rekatholisierung nordwestdeutscher Frauenstifte. 195 Küppers-­Braun, Zur Sozialgeschichte katholischer Hochadelsstifte. 196 Studium: BArch, AR 1-IV/53, Präsentationsprotokoll des Reichskammergerichts, 27. Juni 1757, fol. 18v f. Vgl. auch Die Matrikel der Universität Innsbruck, Abt. 1: Matricula philo­ sophica, Teil 3, S. 155. Mainz: Sigrid Jahns führt aus, dass sich der Kontakt nach Mainz über die Freundschaft von Franz Josephs Vater, Johann Franz Wilhelm von Spaur, mit ­dessen späteren Schwiegervater Anton Heinrich Friedrich von Stadion (1691 – 1768) ergab, die sich wahrscheinlich aus dem oberösterreichischen Geheimen Rat kannten. Vgl. Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 85, S. 941. Vgl. auch Schlichtegroll, Nekrolog auf das Jahr 1797, Bd. 1, S. 5 – 8. 197 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 85, S. 934. 198 Reichskammergerichtspräsident: BArch AR 1-IV/16, ­Kaiser Franz I. an das Reichskammer­ gericht, Wien 3. April 1757, fol. 201. Geheimer Rat: HHStA Wien RK Geh. Räte 6, ­Kaiser Franz I. an Franz Joseph von Spaur, Wien 5. Juli 1763 (Konzept). Vgl. auch Jahns, Das Reichskammer­gericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 85, S. 934.

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Hof- und Regierungsrat im Bistum Hildesheim. Der Erzbischof von Salzburg präsentierte Joseph Philipp einige Jahre später dem Reichskammergericht als Assessor des bayerischen Kreises. Diese Position füllte er von 1787 bis zu seinem frühen Tod 1796 aus.199 Dass Joseph Philipp das vergleichsweise niedrige Amt eines Assessors übernahm, verweist möglicherweise auf die begrenzten Möglichkeiten der Grafen von Spaur. Andererseits könnte sich auch das Karriereverhalten in der Endphase des Alten Reichs bezüglich der juristischen Chargen bereits verändert haben.200 Johann Nepomuk Theodor (1760 – 1824), der dritte Sohn Franz Josephs, schlug zunächst eine geistliche Laufbahn ein und hatte mehrere Domherrenstellen erhalten. Er düpierte seine Familie jedoch, indem er 1781 heimlich die protestantische Caroline Leopoldine zu Sayn-­Wittgenstein (1755 – 1809) heiratete.201 Daraufhin wurden ihm seine Kanonikate aberkannt. Er trat ins französische Heer ein und nahm als Leutnant am nordamerikanischen Freiheitskrieg (1775 – 1783) teil. 1796 wechselte er in bayerische Dienste und wurde Generalmajor und Kommandant von Regensburg.202 Die Eheverbindungen der Grafen von Spaur fügen sich in das Gesamtbild ein, sie beschränkten sich im Wesentlichen auf den regionalen Adel. Heiratspartner kamen häufig aus den Tiroler Familien Thun, Lodron und Wolkenstein.203 Der Großvater Franz Josephs heiratete dementsprechend seine Cousine Maria ­Magdalena von Spaur und sein Vater Anna Maximiliane von Trapp (1695 – 1775), die einer alteingesessenen Tiroler Familie entstammte.204 Erst der Kammerrichter Franz Joseph von Spaur schloss 1754 eine überregionale Ehe außerhalb des Tiroler Heiratskreises. Er vermählte sich mit Maria Theresia von Stadion (1729 – 1773), einer Tochter des Mainzer Obersthofmeisters Anton Heinrich Friedrich von Stadion (1691 – 1768). Die Stadion stammten ursprünglich aus Vorderösterreich und hatten sich im Laufe des 16. Jahrhunderts im Reich niedergelassen. Dort knüpften sie vor allem Verbindungen zu fränkischen Geschlechtern.205 Johann Philipp von Stadion (1652 – 1741), der Großvater Maria Theresias, heiratete 1685 in zweiter Ehe Maria Anna von Schönborn (1669 – 1703). Diese war die Nichte des Erzbischofs von Mainz Lothar Franz von Schönborn (1655 – 1729) 199 Zur Biographie von Johann Philipp von Spaur vgl. Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 85, S. 934 – 947. 200 Mader, Die letzten „Priester der Gerechtigkeit“, S. 64 f. 201 Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 36, S. 98 f. 202 Art. „Spaur und Flavon“, in: Genealogisches Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels, Bd. XI, S. 127 – 135, hier S. 130. 203 Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 36, S. 91, Tafel I–IV. 204 Ebd., Bd. 36, S. 86 – 106, hier Stammtafel IV. 205 Europäische Stammtafeln, Bd. IV, Tafel 158.

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und die Schwester des Reichsvizekanzlers sowie Bischofs von Bamberg und Würzburg Friedrich Karl von Schönborn (1674 – 1746).206 In der Folge stand Johann Philipp ab 1695 in Diensten von Lothar Franz von Mainz und wurde dessen Obersthofmeister.207 Sein Sohn Anton Heinrich Friedrich von Stadion (1691 – 1768), der Schwiegervater Franz Josephs von Spaur, erlangte das kurmainzische Großhofmeisteramt und war kaiserlicher wirklich Geheimer Rat.208 Diese Verbindungen förderten die Karriere Franz Josephs am kurmainzischen Hof und wirkten sich positiv auf seine Laufbahn am Reichskammergericht aus. 1757 unterstützten ihn sein Schwiegervater Anton Heinrich Friedrich von Stadion und der Erzbischof von Mainz Johann Friedrich Karl von Ostein (1689 – 1763) bei der Bewerbung um das katholische Präsidentenamt, so dass er sich gegen zahlreiche Mitbewerber durchsetzen konnte.209 Als sich Spaur 1763 um das Kammerrichteramt bemühte, favorisierte der Erzbischof von Mainz jedoch einen anderen Kandidaten.210 Der Assessor Joseph Philipp (1757 – 1796), der zweitälteste Sohn Franz Josephs, verheiratete sich innerhalb des kurmainzischen Stiftsadels und folgte damit der Heirats­politik der Familie seiner ­Mutter Maria Theresia von Stadion. Seine erste Frau war Sophie von Greiffenklau (1763 – 1790), seine zweite Henriette von ­Frankenstein (1767 – 1850).211 Johann Nepomuk Theodor (1760 – 1824), der dritte Sohn Franz Josephs von Spaur, ging wie oben erwähnt eine Mesalliance mit Caroline ­Leopoldine zu Sayn-­Wittgenstein (1755 – 1809) ein. Die Ehe wurde annulliert, anschließend vermählte er sich zwei weitere Male nicht standesgemäß. 1798 heiratete er Susanna Mainone, die Tochter des Prokurators Johann Wilhelm Mainone. Nach deren frühem Tod ehelichte er 1804 Christiana von Bostell (1775 – 1855), die ebenfalls einer alten Prokuratorendynastie entstammte.212

206 Europäische Stammtafeln, Bd. IV, Tafel 158. Vgl. auch Schraut, Das Haus Schönborn. 207 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 85, S. 940 f. 208 Vgl. ebd., Teil 2, Bd. 2, Biographie 85, S. 941. Vgl. auch Rössler, Graf Johann Philipp von Stadion, S. 33 – 50. 209 HHS tA Wien RK RKGVA 339b, Johann Werner von Vorster an Rudolph Joseph von ­Colloredo, Mainz 5. Mai 1757; Anton Heinrich Friedrich von Stadion an Rudolph Joseph von Colloredo, Mainz 6. Mai 1757. 210 Vgl. dazu Kap. III.4.1. 211 Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 36, S. 90, Tafel IV. 212 Art. „Spaur und Flavon“, in: Genealogisches Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels, Bd. XI, S. 127 – 135, hier S. 130. Zur Familie Bostell vgl. Baumann, Advokaten und Prokuratoren, S. 129 – 132.

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III.1.7 Die Grafen und Fürsten von Oettingen-Wallerstein Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein (1759 – 1826) war von 1797 bis 1801 Kammer­ richter. Seine Familie ist 1140 erstmals mit einem Grafen von Oettingen zu fassen, der staufischer Amtsgraf im Eichstätter Bannforst war. Ab Ende des 12. Jahrhunderts bauten die Grafen von Oettingen eine bedeutende Herrschaft im Ries auf. Nach mehreren Teilungen entstanden 1522 schließlich die beiden Zweige Oettingen-­Oettingen und Oettingen-­Wallerstein. Die Linie Oettingen-­Oettingen wurde protestantisch, während die Linie Oettingen-­Wallerstein katholisch blieb. Die Wallersteinsche Linie spaltete sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in drei weitere Linien auf, und zwar Oettingen-­Spielberg, Oettingen-­Wallerstein und Oettingen-­Baldern. 1731 starb die protestantische Linie Oettingen-­Oettingen aus und wurde von Oettingen-­ Spielberg und Oettingen-­Wallerstein beerbt. Während die protestantische Linie Oettingen-­Oettingen bereits 1674 in den Reichsfürstenstand erhoben worden war, gelang dies den drei katholischen Linien des Hauses Oettingen erst sehr viel später. Die Linie Oettingen-­Spielberg wurde 1734, die Linie Oettingen-­Wallerstein, der der Kammerrichter Philipp Karl angehörte, erst 1784 gefürstet.213 Die katholischen Grafen und Fürsten von Oettingen standen stets in einer engen Beziehung zum Kaiserhof und bekleideten häufig hohe kaiserliche Positionen. Besonders im Reichshofrat waren sie häufig vertreten. Friedrich V. von Oettingen-­Wallerstein (1516 – 1579), der Stammvater der drei katholischen Linien, war mehrfach außerordentliches Mitglied des Reichshofrats. 1570 war er Mitglied der kaiserlichen Gesandtschaft auf dem Reichstag zu Speyer. 1575 nahm er während der Verhandlungen zur Wahl des römischen Königs in Regensburg an den Sitzungen des Reichshofrats teil.214 Auch sein Sohn Friedrich VI. von Oettingen-­Wallerstein (1556 – 1615) war kurzfristig Mitglied des Reichshofrats.215 In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nahmen die Grafen von Oettingen dort sogar eine dominierende Stellung ein. 1635 wurde Ernst II. von Oettingen-­Wallerstein (1594 – 1670) dort aufgenommen. 1647 war er für kurze Zeit Reichshofratsvizepräsident und wurde dann 1648 zum Reichshofratspräsidenten ernannt.216 1653 folgte ihm sein Sohn Wolfgang (1626 – 1708) in den Reichshofrat, 1683 wurde auch er Reichshofratspräsident.217 Daneben übernahm er zahlreiche kaiserliche Gesandtschaften im Reich. Ab 1699 war er Gesandter des Kaisers 213 Beutter, Art. „Oettingen, Grafen, Fürsten“. 214 Gschließer, Der Reichshofrat, S. 116, 120 f., 128 – 130 u. 132 f. 215 Ebd., S. 172 f. 216 Ebd., S. 237 u. 257. Vgl. auch Sienell, Die geheime Konferenz unter ­Kaiser Leopold I., S. 84 f. 217 Gschließer, Der Reichshofrat, S. 268 u. 310 f. Vgl. auch Sienell, Die geheime Konferenz unter ­Kaiser Leopold I., S. 185 f.

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bei den Friedensverhandlungen mit der Hohen Pforte in Karlowitz. 1701 reiste er in dieser Funktion nach Konstantinopel, um die Friedensurkunde ratifizieren zu lassen.218 Daneben war Maria Margaretha (1633 – 1693), die Schwester Wolfgangs, mit dem Reichshofrat Leonhard von Harrach (1601 – 1648) verheiratet.219 1695 wurde schließlich auch Wolfgangs Sohn Dominicus Joseph (1676 – 1717), ein Großonkel des Kammerrichters Philipp Karls, Reichshofrat.220 Die Linie Oettingen-­Wallerstein stellte nach einer zeitlichen Unterbrechung erst mit dem Kammerrichter Philipp Karl wieder einen Reichshofrat. In der Zwischenzeit war das Haus Oettingen aber ab 1715 mit Franz Albrecht (1663 – 1737) und ab 1742 mit Franz Anton von Oettingen-­Spielberg (1712 – 1768) im Reichshofrat präsent.221 Zahlreiche Familienmitglieder waren darüber hinaus kaiserliche Kämmerer und kaiserliche Geheime Räte. Seltener machten sie Karrieren in der kaiserlichen Armee.222 Kirchliche Karrieren verfolgten die Grafen und Fürsten von Oettingen-­ Wallerstein lange Zeit nur sehr wenig. Anders hielt es die Linie Oettingen-­Baldern, aus der Charlotte Juliane (1728 – 1791), Philipp Karls ­Mutter, stammte. Zwei ihrer Brüder ergriffen eine geistliche Laufbahn und erwarben zahlreiche Domherrenstellen. Philipp Karl Ignaz von Oettingen-­Baldern (1712 – 1787) war Domküster zu Speyer, Cellarius zu St. Nikolaus sowie Domscholastikus zu Eichstätt. Franz Wilhelm (1725 – 1798) war Kanzler der Universität Köln und kurkölnischer Statthalter, Chorbischof zu Münster sowie Domprobst und Domthesaurer zu Köln.223 Kraft Anton Wilhelm von Oettingen-­Baldern (1684 – 1751), der Großvater mütter­ licherseits des Kammerrichters Philipp Karl, war mit Eleonore von Schönborn (1688 – 1763) verheiratet gewesen. Diese war eine Nichte des Mainzer Erzbischofs Lothar Franz von Schönborn (1655 – 1729) und Schwester mehrerer Bischöfe. Diese protegierten auch die Söhne und Enkel ihrer Schwestern, da in der nächsten Generation der Schönborn nicht genügend eigene für die kirchliche Laufbahn geeignete Nachkommen zur Verfügung standen.224 Friedrich Karl (1755 – 1806), ein Bruder 218 Gschließer, Der Reichshofrat, S. 310 f.; Sienell, Die geheime Konferenz unter ­Kaiser ­Leopold I., S. 186. 219 Europäische Stammtafeln, Bd. XVI, Tafel 105. 220 Gschließer, Der Reichshofrat, S. 343 f. 221 Ebd., S. 426; Europäische Stammtafeln, Bd. XVI, Tafel 102 f. 222 Europäische Stammtafeln, Bd. XVI, Tafel 105 u. 108. Karriere in der kaiserlichen Armee hatten zwei Urgroßväter Philipp Karls gemacht, und zwar Philipp von Oettingen-­Wallerstein (1640 – 1680) als Oberst zu Pferde und Notker Wilhelm von Oettingen-­Baldern (1650 – 1693) als Generalfeldmarschall. 223 Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 70, 91, 109, 138 u. 168. Vgl. auch E ­ uropäische Stammtafeln, Bd. XVI, Tafel 108. 224 Schraut, Das Haus Schönborn, S. 238 – 260. Vgl. auch Schröcker, Die Patronage des Lothar Franz von Schönborn; Seiler, Das Augsburger Domkapitel, S. 565 f.

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Philipp Karls, verfolgte dementsprechend eine geistliche Karriere. Er erwarb 1766 ein Kanonikat in Köln und 1782 eines in Augsburg. Seinen Erfolg in Augsburg verdankte er den engen Beziehungen seiner Familie zum Kaiserhof.225 1782 wurde Friedrich Karl außerdem Scholastikus zu Ellwangen. Der Kammerrichter Philipp Karl studierte an der Universität Göttingen Jura, wo er bei den bekannten Professoren Johann Gatterer und Johann Stephan Pütter hörte.226 Seine Karriere begann er 1781 als Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar. Hier nahm er Unterricht bei Christian von Waldenfels, dem Assessor des bayerischen Kreises, sowie beim Prokurator Christian Jacob von Zwierlein.227 Anschließend trat Philipp Karl in die Dienste des Bischofs von Würzburg, bevor er 1785 von ­Kaiser Joseph II. zum Reichshofrat ernannt wurde.228 1791 erhielt er 225 Friedrich Karl war Kanoniker zu Odenheim (1775), Probst zu Löpsingen (1775), Kanoniker zu St. Gereon in Köln (1775 – 1779), Kanoniker (1775) und später Scholastikus (1782 – 1802) in Ellwangen. Vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 71 u. 110; Seiler, Das Augsburger Domkapitel, S. 569 f.; Europäische Stammtafeln, Bd. XVI, Tafel 106. 226 BArch AR 1-IV/66, Präsentationsprotokoll des Reichskammergerichts, 25. Juni 1791, fol. 41; Trauchburg, Adelige Ausbildung im Zeitalter der Aufklärung, S. 170 – 173. ­Philipp Karl scheint ein begabter Student gewesen zu sein. So schrieb Pütter 1778 an dessen Bruder Kraft Ernst, dass aufgrund seiner Begabung und seines Eifers eine Karriere als Reichshofrat und darauf folgende Ehrenstellen zu erwarten ­seien. FÖWA Harburg VIII 13 9c/3, Johann Stephan Pütter an Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein, Göttingen 7. November 1778. 227 In der von Werner Schmidt-­Scharff edierten Praktikantenmatrikel des Reichskammer­ gerichts fehlt Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein. Vgl. Die Matrikel der Praktikanten am Reichskammergericht, S. 312. Zu Philipp Karls Zeit als Praktikant am Reichskammergericht vgl. auch Trauchburg, Adelige Ausbildung im Zeitalter der Aufklärung, S. 174 – 176. Zum Unterricht vgl. in FÖWA Harburg NL „Volckhamer“ Kraft Ernst / Philipp Karl Umfeld Nr. 269, die Korrespondenz ­zwischen Kraft Ernst von Oettingen-­ Wallerstein und Christian von Waldenfels bzw. Christian Jacob von Zwierlein aus den Jahren 1780/1781. Vgl. in FÖWA Harburg VIII 13 9c/3, außerdem die Berichte von Philipp Karls Hofmeister Johann Georg Desdieu aus dem Jahr 1780. Zu Christian von Waldenfels vgl. Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 84, S. 920 – 933, und zu Christian Jacob von Zwierlein vgl. Baumann, Advokaten und Prokuratoren, S. 126. 228 Würzburg: Franz Ludwig von Erthal, Bischof von Würzburg und Bamberg, sagte Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein für Philipp Karl in seiner Würzburger Regierung den auf ein oder anderes Jahr verlangten Beysitz auf der adelichen Banck zu. FÖWA Harburg NL „Volckhamer“ Kraft Ernst / Philipp Karl Umfeld Nr. 269, Kraft Ernst von Oettingen-­ Wallerstein an Franz Ludwig von Erthal, Wallerstein 19. März 1781 (Konzept); Franz Ludwig von Erthal an Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein, Bamberg 28. März 1781. Vgl. außerdem Trauchburg, Adelige Ausbildung im Zeitalter der Aufklärung, S. 176. Reichshofrat: FÖWA Harburg VIII 13 9c/5, Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein an ­Kaiser Joseph II ., o. O. o. D. (Konzept); K ­ aiser Joseph II . an Philipp Karl von Oettingen-­ Wallerstein, Wien 8. Mai 1785.

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die Stelle des katholischen Reichskammergerichtspräsidenten und die Würde eines kaiserlichen Geheimen Rats.229 Philipp Karl bemühte sich zunächst um eine Expektanz auf die Stelle des Reichshofratsvizepräsidenten.230 Dann bewarb er sich jedoch 1797 erfolgreich um die Nachfolge Franz Josephs von Spaur als Kammerrichter. Nach dem Tod des Reichshofratspräsidenten Wolfgang Christoph von Überacker erhielt Philipp Karl dessen Amt, das er am 3. November 1801 antrat.231 Nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs wurde Philipp Karl 1809 kaiserlich-­ königlicher Oberstjustizpräsident, 1817 kaiserlich-­königlicher Staats- und Konferenzminister und 1819 kaiserlich-­königlicher Obersthofmarschall.232 1808 wurde er außerdem in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen.233 Auch die Eheschließungen der Grafen und Fürsten von Oettingen-­Wallerstein zeigen eine starke Hinwendung zum Kaiserhof. Daneben gingen sie auch Ehen mit den anderen Linien ihres Hauses ein und pflegten enge verwandtschaftliche Beziehung zu den Grafen und Fürsten von Fugger.234 Die Orientierung am Kaiserhof drückte sich im 17. und 18. Jahrhundert beispielsweise in Verbindungen mit den Geschlechtern Wolkenstein, Harrach und Thurn-­Valsássia aus, die immer wieder 229 Reichskammergerichtspräsident: FÖWA Harburg VIII 13 9c/7, ­Kaiser Leopold II. an ­Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein, Wien 31. Januar 1791. Geheimer Rat: FÖWA Harburg VIII 13 9c/8, ­Kaiser Leopold II. an Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein, Wien 31. Januar 1791. Vgl. außerdem in HHS tA Wien RK Geh. Räte 4, die Kopie des Dekrets und ein Bittschreiben Philipp Karls an den ­Kaiser vom 4. Januar 1791. Philipp Karl argumentierte in Letzterem, dass es üblich sei, dass die Reichskammergerichtspräsidenten zugleich auch kaiserliche Geheime Räte ­seien. 230 FÖWA Harburg VIII 14 3a/2 – 85, Philipp Karl an Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein, Wetzlar 2. August 1797. 231 FÖWA Harburg VIII 13 10a/12, ­Kaiser Franz II. an Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein, Wien 17. Mai 1801. Vgl. auch Gschließer, Der Reichshofrat, S. 497 f.; FÖWA Harburg VIII 14 3a/2 – 85, Philipp Karl an Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein, Wetzlar 24. Mai 1801; ders. an dens. Wetzlar 26. August 1801. 232 Trauchburg, Adelige Ausbildung im Zeitalter der Aufklärung, S. 177 f. 233 Vgl. FÖWA Harburg VIII 13 10b/29. Vgl. auch Das Haus Österreich und der Orden vom goldenen Vlies, S. 187. 234 Nicht nur der erste Reichhofratspräsident aus dem Hause Oettingen, Ernst II . von Oettingen-­Wallerstein, und seine Schwester Maria Christina waren mit Mitgliedern des Hauses Fugger verheiratet, sondern auch der Großvater Philipp Karls, Joseph Anton Karl von Oettingen-­Wallerstein (1679 – 1738), und sein Onkel, Johann Karl von Oettingen-­ Wallerstein (1715 – 1744). Die Ehen seines Urgroßvaters, Philipp (1640 – 1680), zweier Großtanten, Maria Anna (1662 – 1695) und Maria Ernestina (1663 – 1714), und seines Vaters dienten dem innerfamiliären Zusammenhalt, wurden sie doch mit Angehörigen der Linien Oettingen-­Oettingen, Oettingen-­Spielberg und Oettingen-­Baldern ­geschlossen. Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. XVI , Tafel 105. Vgl. auch Hengerer, Kaiserhof und Adel, S. 162.

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hohe Chargen am Kaiserhof besetzten.235 In der Generation Philipp Karls heirateten vor allem seine Schwestern in am Hof einflussreiche Familien ein. Eleonora Maria (1747 – 1797) war Hofdame Maria Theresias und vermählte sich mit Johann Nepomuk von Schwarzenberg (1742 – 1789). Sophie Marie (1751 – 1835) ehelichte Egon von Fürstenberg-­Weitra (1749 – 1828).236 Kraft Ernst (1748 – 1802), der Bruder Philipp Karls,237 heiratete in erster Ehe Maria Theresia von Thurn und Taxis (1757 – 1776). Deren Familie hatte die Position des Erbgeneralpostmeisters inne und übernahm seit den 1740er Jahren regelmäßig das Amt des kaiserlichen Prinzi­ palkommissars auf dem Reichstag in Regensburg.238 Philippine von Oettingen-­ Baldern (1776 – 1842), die Cousine Philipp Karls mütterlicherseits, vermählte sich 1794 mit Rudolph Joseph (1772 – 1843), dem Sohn des Reichsvizekanzlers Franz de Paula Gundaker von Colloredo-­Mansfeld (1731 – 1807).239 Insbesondere die Eheverbindungen seiner Familie mit den Häusern Schwarzenberg und Fürstenberg wirkten sich positiv auf die Karriere Philipp Karls aus. Seine Neffen Joseph von Schwarzenberg (1769 – 1833) und Friedrich von Fürstenberg-­Weitra (1774 – 1856) unterstützten ihn bei seinen Bewerbungen um die Stellen als Reichshofratsvizepräsident, Kammerrichter und Reichshofratspräsident.240 III.1.8 Die Freiherren und Grafen von Reigersberg Die Legende der Familie Graf Heinrich Aloys’ von Reigersberg (1770 – 1865), Kammer­richter von 1803 bis 1806, besagt, dass sie vom Grafengeschlecht der 235 Zur Familie Wolkenstein vgl. Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 58, S. 53 – 70, Tafel II; Mit Georg Ulrich von Wolkenstein (1598 – 1663) stellten sie im 17. Jahrhundert einen Reichshofratsvizepräsidenten. Vgl. Gschließer, Der Reichshofrat, S. 222 f. Zu den Harrachs, die zu den einflussreichsten Familien am Kaiserhof zählten, vgl. Ehrenpreis, Österreichischer Adel, S. 253 – 260. Vgl. auch die zahlreichen Hinweise auf Angehörige der Familie Harrach in Gschließer, Der Reichshofrat; Hengerer, Kaiserhof und Adel; Pečar, Die Ökonomie der Ehre; Sienell, Die geheime Konferenz unter ­Kaiser Leopold I. 236 Europäische Stammtafeln, Bd. XVI, Tafel 106. Zu Johann Nepomuk von Schwarzenberg vgl. Schwarzenberg, Geschichte des reichsständischen Hauses Schwarzenberg, Bd. 1, S. 179 – 185. 237 Zu Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein vgl. auch Brill, Zwischen Tradition und Reform. 238 Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. XVI, Tafel 106. Vgl. außerdem zur Familie Thurn und Taxis Behringer, Thurn und Taxis. 239 Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. XVI, Tafel 108. 240 FÖWA Harburg VIII 14 3a/2 – 85, Philipp Karl an Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein, Wetzlar 2. August 1797; FÖWA Harburg VIII 13 10b/30, die Schreiben des Geheimen Rats von Belli an Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein aus den Jahren 1799 bis 1801. Zu Joseph von Schwarzenberg vgl. außerdem Schwarzenberg, Geschichte des reichsständischen Hauses Schwarzenberg, Bd. 2, S. 205 – 217.

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Plain abstamme und ihre Grafenwürde nur zeitweise verloren habe. Dies entbehrt jedoch jeder Grundlage.241 Dr. jur. Nikolaus Georg Reigersberg (1598 – 1651), der Ururgroßvater von Heinrich Aloys, begann seine Karriere als bürgerlicher Jurist in kurmainzischen Diensten. 1635 wurde er in den Reichsadelsstand und 1642 in den Reichsritterstand erhoben.242 Er erwarb die im Ritterkanton Odenwald inkorporierten Herrschaften Fechenbach und Reistenbach und vererbte sie an seinen Sohn Nikolaus Georg d. J., der der Urgroßvater des Kammerrichters ­Heinrich Aloys war. 1705 wurde Johann Baptist Ignaz von Reigersberg in den Reichsfreiherrenstand erhoben, der nach dessen Tod Anfang der 1770er Jahre auf den Familienzweig Heinrich Aloys’ von Reigersberg übertragen wurde.243 1803 wurde Heinrich Aloys in den Reichsgrafenstand erhoben. Sein jüngerer Bruder Friedrich Karl (1774 – 1840) erhielt 1816 die königlich-­bayerische Grafenwürde.244 Die Familie von Reigersberg stand in kurmainzischen, kurpfälzischen und würzburgischen Diensten. Nikolaus Georg Reigersberg, der Ururgroßvater von Heinrich Aloys, war kurmainzischer Hofrat (1622), Geheimer Rat, Vizekanzler (1641) und kurmainzischer Kanzler (1645). 1648 unterzeichnete er als kurmainzischer Gesandter den Westfälischen Frieden.245 Sein Sohn Nikolaus Georg d. J. war kurmainzischer Rat und Stadtschultheiß. Sein Enkel Johann Franz Gotthard wurde 1684 als Notar der Reichskammergerichtskanzlei aufgeschworen und starb 1684 als kurmainzischer Hofgerichtsrat.246 Der Familienzweig des Kammerrichters Heinrich Aloys von Reigersberg orientierte sich vor allem am Bischof von Würzburg. Sein Vater Franz Gottlob (1730 – 1782) war würzburgischer Hofrat, Geheimer Rat und Oberamtmann von Röttingen und Reichelsburg.247 Sein Bruder Friedrich Karl (1774 – 1840) war von 1807 bis 1813 außerordentlicher Gesandter des Großherzogs von Würzburg in Paris. Nach Ende des Alten Reichs wechselte er an den bayerischen Hof, wo er ­Kämmerer, Geheimer Rat und Gesandter in Karlsruhe wurde.248 Heinrich Aloys von Reigersberg studierte an der Universität von Salzburg und begann seine Karriere als Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar, wo er 1790/91 ein Dreivierteljahr zubrachte. Anschließend wurde er Kämmerer und Hofrat

241 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 951 f. 242 Ebd., Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 952 – 957. 243 Ebd., Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 952 f. 244 Art. „Reigersberg“, in: Genealogisches Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels, Bd. XXVI, S. 55. 245 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 952 f. 246 Ebd., Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 952. 247 Ebd., Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 952. 248 Ebd., Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 952 f.

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des Erzbischofs von Salzburg, der ihn 1794 zum Pfleger von Staufeneck ernannte.249 1796 präsentierte der Erzbischof von Salzburg, Hieronymus von C ­ olloredo, ihn dem Reichskammergericht als Assessor. Im Herbst 1797, fast genau ein Jahr nach seiner Aufschwörung als Assessor, folgte er dem katholischen Präsidenten Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein im Amt nach.250 Zeitgleich verlieh ihm der ­Kaiser die Würde eines kaiserlichen Geheimen Rats.251 Als 1801 der Kammerrichter Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein die Stelle des Reichshofratspräsidenten erhielt, bemühte sich Heinrich Aloys erfolgreich um dessen Nachfolge.252 Wegen der politisch unruhigen Zeiten musste er auf seine Einsetzung jedoch zwei Jahre warten.253 Nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs und des Reichskammergerichts 1806 wechselte Heinrich Aloys von Reigersberg 1807 wie sein Bruder in königlich bayerische Dienste.254 Er war Präsident des Hofgerichts und später des Oberappellationsgerichts. 1810 wurde er Staatsminister der Justiz. Diese Position musste Heinrich Aloys 1823 wegen seiner zu liberalen Einstellung in der Verfassungsfrage aufgeben. Mit dem Regierungsantritt König Ludwigs I. 1825 schied er aus der Regierung aus.255 Die Freiherren und Grafen von Reigersberg gingen vor allem regional Ehen mit dem reichsritterschaftlichen Adel in Franken und Schwaben ein.256 Die Großmutter Heinrich Aloys‘ stammte aus der Familie der Voit von Salzburg, ihr Vater war wahrscheinlich Würzburger Oberstleutnant. Sein Großvater mütterlicherseits Franz Joseph von Horben gehörte dem Ritterkanton Allgäu-­Bodensee an.257 ­Heinrich Aloys selbst schloss 1793 eine deutlich prestigeträchtigere Ehe als seine Vorfahren. Seine Gemahlin Theresia von Lodron-­Laterano (1771 –1830) entstammte einem bedeutenden Tiroler Adelsgeschlecht, das mehrfach hohe Chargen am erzbischöflichen Hof von Salzburg besetzt hatte.258 In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stellte es mit Paris von Lodron sogar einen Erzbischof von Salzburg (1619 – 1653).259 249 Ebd., Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 956 f. 250 Ebd., Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 960 f. 251 HHStA Wien RK Geh. Räte 5, ­Kaiser Franz II. an Heinrich Aloys von Reigersberg, Wien 25. November 1797 (Konzept). 252 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 962. 253 Vgl. BArch AR 1-IV/15, ­Kaiser Franz II. an Karl Theodor von Mainz, Wien 4. September 1803, fol. 174 f.; HHStA Wien MEA RKG 254, das Reichskammergericht an Karl Theodor von Mainz, Wetzlar 14. Oktober 1803. 254 Zur Rolle Reigersbergs bei der Abwicklung des Reichskammergerichts vgl. dessen Dienstnachlass in BArch FN 11 u. Mader, Die letzten „Priester der Gerechtigkeit“, S. 139 – 156. 255 Resch / Alzheimer, Art. „Heinrich Alois Graf von Reigersberg“. 256 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 952. 257 Ebd., Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 948 f. 258 Ebd., Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 953. 259 Ortner, Art. „Paris Reichsgraf von Lodron“.

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Theresia selbst war vermutlich eine Enkelin des salzburgischen Obersthofmeisters Georg Anton Felix von Arco (1705 – 1792).260 Diese enge Verbindung zum Salzburger Hof beeinflusste die Karriere von Heinrich Aloys vermutlich positiv. III.1.9 Fazit: Die Strategien der kammerrichterlichen Familien Die Familien der Kammerrichter z­ wischen 1711 und 1806 lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Die erste Kategorie besteht aus alten reichsgräflichen Häusern. Diese Familien orientierten sich eng am Kaiserhof, betrieben aber in unterschiedlichem Ausmaß auch geistliche Karrieren. Die Kammerrichter Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch (1718 – 1722) und Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein (1797 – 1801) stammten aus schwäbischen Reichsgrafengeschlechtern, die im 16. Jahrhundert nicht zum Protestantismus konvertiert und in der Folge kaisernah geblieben waren. Mitglieder beider Familien standen seit dem 16. Jahrhundert häufig in kaiserlichen Diensten. Albrecht I. von Fürstenberg-­Kinzigtal (1557 – 1599), ein Vorfahr Froben Ferdinands, war beispielsweise Oberstallmeister K ­ aiser Rudolfs II., Froben Maria von Fürstenberg-­Meßkirch, der Onkel Froben Ferdinands, Reichshofratsvizepräsident. Die Familie Philipp Karls von Oettingen-­Wallerstein nahm in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sogar eine beherrschende Stellung im Reichshofrat ein. Sie besetzte in dieser Zeit zweimal das Präsidentenamt sowie mehrere Ratsstellen. Die Kammerrichter Franz Alexander von Nassau-­Hadamar (1711), Philipp Karl (1722 – 1729) und Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein (1746 – 1763) stammten aus reichsgräflichen Familien, die im 16. Jahrhundert zum Protestantismus konvertiert waren. Beide Familien kehrten im 17. Jahrhundert zum Katholizismus zurück und übernahmen in der unmittelbaren Folge vermehrt kaiserliche Chargen. Johann Ludwig von Nassau-­Hadamar, der Großvater Franz Alexanders, wurde nach seiner Konversion 1629 zunächst kaiserlicher Kämmerer und Reichshofrat und nahm dann als kaiserlicher Kommissar am Westfälischen Friedenskongress teil. Ludwig Gustav von Hohenlohe-­Schillingsfürst (1634 – 1697), der Onkel Philipp Karls, war 1667 gemeinsam mit dessen Vater zum katholischen Glauben übergetreten und wurde in der Folge kaiserlicher Kämmerer, kaiserlicher Geheimer Rat und Reichshofrat. Außerdem übernahm er zahlreiche Kommissionen für den ­Kaiser. Die Kammerrichter aus den reichsgräflichen Häusern verfolgten häufig eine Karriere am Kaiserhof, bevor sie das Amt des Kammerrichters erhielten. Bei Franz Alexander von Nassau-­Hadamar (1711) ist dies noch wenig ausgeprägt. Er besaß vor seiner Ernennung lediglich die Würde eines kaiserlichen Kämmerers, weitere 260 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 86, S. 953.

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kaiserliche Ämter hatte er jedoch nicht übernommen. Bei Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch (1718 – 1722), Philipp Karl (1722 – 1729) und Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein (1746 – 1763) verhielt sich das anders. Froben Ferdinand war zuvor kaiserlicher Kammerherr, Reichshofrat und kaiserlicher Kommissar beim schwäbischen Kreis gewesen. Nachdem er das Kammerrichteramt resigniert hatte, wurde er Prinzipalkommissar auf dem Reichstag. Philipp Karl von Hohenlohe-­ Bartenstein war ebenfalls kaiserlicher Kammerherr und Reichshofrat, bevor er Kammerrichter wurde. Außerdem hatte er offenbar kaiserliche Gesandtschaften zu verschiedenen Höfen übernommen. Und auch Karl Philipp von Hohenlohe-­ Bartenstein war zuvor Mitglied des Reichshofrats gewesen. Eine Ausnahme bildete Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein (1797 – 1801), der letzte Kammerrichter aus einem reichsgräflichen Haus. Er wurde im Gegensatz zu seinen Vorgängern sehr viel gezielter auf eine juristische Karriere vorbereitet. Diese Professionalisierung spiegelt die gesellschaftlichen Veränderungen im späten 18. Jahrhundert wider. Philipp Karl studierte bei Johann Stephan Pütter, einem der profiliertesten Professoren für Reichsrecht seiner Zeit. Außerdem absolvierte er ein Praktikum am Reichskammergericht. Während dieser Zeit nahm er Unterricht beim Assessor Christian von Waldenfels und beim Prokurator Christian Jacob von Zwierlein. Seiner juristischen Ausbildung entsprechend erhielt Philipp Karl die Stelle eines Reichshofrats und eines Reichskammergerichtspräsidenten, bevor er Kammerrichter wurde. Nachdem er das Kammerrichteramt resigniert hatte, wurde er Reichshofratspräsident und nach dem Ende des Alten Reichs kaiserlich-­ königlicher Oberstjustizpräsident. Die reichsgräflichen Familien, die einen Kammerrichter stellten, schlossen vor allem Ehen mit anderen Geschlechtern der kaiserlichen Klientel. Die Häuser Hohenlohe-­Bartenstein und Oettingen-­Wallerstein pflegten darüber hinaus auch enge Verbindungen zu den Schönborn, die als ursprünglich reichsritterliches Geschlecht nicht standesgleich waren. Damit verbesserten sie jedoch ihre Chancen auf erfolgreiche geistliche Karrieren. Für alle kammerrichterlichen Familien aus dem Reichsgrafenstand zahlte sich ihre Orientierung am ­Kaiser in einer Standeserhöhung aus. Die Grafen von Nassau-­Hadamar wurden bereits 1650 zu Reichsfürsten erhoben. Die Hohenlohe-­ Bartenstein, Fürstenberg-­Meßkirch und Oettingen-­Wallerstein erreichten dies erst deutlich später. Die Grafen Fürstenberg-­Meßkirch profitierten vom Aussterben der Linie Fürstenberg-­Heiligenberg, deren Reichsfürstenwürde 1716 auf die verbleibenden Linien Fürstenberg-­Meßkirch und Fürstenberg-­Stühlingen übertragen wurde. Den Hohenlohe-­Bartenstein gelang der Aufstieg in den Fürstenstand 1744. 1754 wurden ihre Territorien zu Reichsfürstentümern, so dass sie eine Virilstimme auf dem Reichstag erhielten. Die Grafen von Oettingen-­Wallerstein wurden als letzte erst 1784 zu Reichsfürsten.

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Die zweite Kategorie kammerrichterlicher Familien besteht aus Geschlechtern des reichsfreien und landständischen Adels. Sie bilden eine weit heterogenere Gruppe als die der Reichsgrafen, da sich die Familien in Herkunft und politischer Strategie deutlicher voneinander unterscheiden. Franz Adolf Dietrich von Ingelheim (1730 – 1742) war der erste der hier untersuchten Kammerrichter, der nicht dem Reichsgrafenstand entstammte. Seine Familie gehörte der fränkischen Ritterschaft an und verfolgte eine für diese Klientel typische auf den Erwerb von Domkanonikaten ausgerichtete Strategie. Sie konzentrierte sich dabei vor allem auf die Domstifte Mainz, Würzburg, Bamberg und Trier. Auch die Familienmitglieder, die keine geistlichen Ämter innehatten, standen fast ausschließlich in Diensten geistlicher Fürsten, insbesondere des Kurfürsten von Mainz. Dementsprechend schlossen die Ingelheim hauptsächlich Ehen mit anderen einflussreichen stiftsadeligen Familien wie mit den Dahlberg, Kämmerer von Worms. 1737 wurden sie in den Reichsgrafenstand erhoben. Die Übernahme eines kaiserlichen Amts blieb die Ausnahme, obgleich Franz Adolf Dietrich von Ingelheim in den 1730er Jahren versuchte, für einen seiner Söhne eine Expektanz auf das Kammerrichteramt zu erhalten. Der weitere Aufstieg der Familie in Form der Reichsstandschaft oder Reichsfürstenwürde gelang ebenfalls nicht. Ebenfalls im Kontext stiftsadeligen Einflusses ist die Karriere des Kammerrichters Franz Joseph von Spaur (1763 – 1797) zu sehen. Die Familie Spaur gehörte zwar dem hohen habsburgisch-­landständischen Adel an, hatte aber einen eher regionalen Wirkungskreis. Die Familienmitglieder standen vor allem als Statthalter von Tirol in habsburgischen Diensten. Eine überregionale Karriere gelang keinem von ihnen. Franz Joseph von Spaur dagegen stand in Diensten des Kurfürsten von Mainz und heiratete in den kurmainzischen Stiftsadel ein. Sein Schwiegervater Anton Heinrich Friedrich von Stadion war Mainzer Obersthofmeister und setzte sich gemeinsam mit Johann Friedrich Karl von Ostein, dem Mainzer Erzbischof, dafür ein, dass Spaur 1757 das Amt des katholischen Reichskammergerichtspräsidenten erhielt. 1763 wurde Franz Joseph von Spaur Kammerrichter. Die Grafen von Spaur konnten jedoch an diesen Erfolg nicht anknüpfen. Joseph Philipp von Spaur (1757 – 1796), der Sohn des Kammerrichters, übernahm lediglich das salzburgische Assessorat am Reichskammergericht. Vielversprechender waren die Erfolge der Familie des Kammerrichters Ambrosius Franz von Virmond (1742 – 1744). Sie gehörte ursprünglich der Ritterschaft an und hatte sich lange am kurkölnischen und pfalz-­neuburgischen Hof orientiert. Ende des 17. Jahrhunderts machte Damian Hugo von Virmond (1666 – 1722), der Onkel ­Ambrosius Franz’, jedoch Karriere am Kaiserhof und wurde Gouverneur von Siebenbürgen und der Walachei. Ambrosius Franz von Virmond konnte an den Erfolg seines Onkels anknüpfen und übernahm die Ämter des katholischen Reichskammergerichtspräsidenten und des Kammerrichters. 1706 wurden die Virmond in den Reichsgrafenstand

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erhoben und erhielten 1734 die Reichsstandschaft. Auf den Erfolg von Damian Hugo und Ambrosius Franz von Virmond konnte keine weitere Generation aufbauen. 1744 erlosch mit dem Tod von Ambrosius Franz das Geschlecht Virmond. Trotz der unterschiedlichen familiären Strategien lassen sich bei den Kammer­ richtern, die dem reichsfreien und landständischen Adel angehörten, ähnliche Karriere­wege feststellen. Sie waren ausnahmslos vor ihrer Ernennung zum Kammer­ richter Reichskammergerichtspräsidenten. Andere kaiserliche Ämter hatten sie vor ihrer Ernennung zum Kammerrichter im Gegensatz zu den reichsgräflichen Amtsinhabern nicht erworben. Stattdessen hatten sie ihre Laufbahn alle im Dienst von Reichsfürsten begonnen. Franz Adolf Dietrich von Ingelheim (1730 – 1742) war kurmainzischer Hofrat und Vizedom im Rheingau, Franz Joseph von Spaur (1763 – 1797) kurmainzischer Hof- und Regierungsrat. Ambrosius Franz von ­Virmond (1742 – 1744) stand in kurkölnischen Diensten und war Hofratspräsident sowie Staats- und Konferenzminister. Der letzte Kammerrichter Heinrich Aloys von Reigersberg (1803 – 1806) lässt sich keiner der beiden Kategorien zuordnen. Wie sein Vorgänger im Amt Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein (1797 – 1801) ist er vielmehr ein Beispiel für die einsetzende neue Professionalisierung. Reigersberg begann seine Karriere zwar wie die Kammerrichter aus dem reichsfreien und landständischen Adel im Dienst eines Reichsstands, und zwar in dem des Erzbischofs von Salzburg. Doch ebenso wie Oettingen durchlief er fast durchweg eine Karriere an verschiedenen Gerichten. Er war zunächst Praktikant am Reichskammergericht und kehrte 1796 als vom Erzbischof von Salzburg präsentierter Assessor dorthin zurück. Ein Jahr später wurde er Reichskammergerichtspräsident und 1803 Kammerrichter. Nach dem Ende des Alten Reichs wechselte er als Hofgerichtspräsident in königlich-­bayerische Dienste. Oettingen hatte trotz seiner fundierten und in die Moderne weisenden juristischen Ausbildung sein Amt noch aufgrund der Klientelstrukturen der ständischen Gesellschaft erhalten. Der letzte Kammerrichter Reigersberg dagegen stammte aus einer Familie ohne exklusive Verbindungen, die erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts den Reichsfreiherrenstand erreicht hatte.

III.2 Ökonomisches Kapital als Vorbedingung Wer das Kammerrichteramt anstrebte, musste bereit und in der Lage sein, hohe Kosten zu tragen. Ein Versorgungsamt im ökonomischen Sinne war es, wie die meisten vom K ­ aiser zu vergebenden Ämter, nicht.261 Das Reichskammergericht 261 Die Ausübung der meisten kaiserlichen Ämter, besonders der von Gesandten, musste aus privaten Mitteln der Inhaber finanziert werden. Vgl. dazu Müller, Das kaiserliche

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wurde im Gegensatz zum Reichshofrat nicht allein vom ­Kaiser, sondern auch von den Reichsständen finanziert.262 Die Reichsstände sollten gemäß der Kammermatrikel den Kammerzieler entrichten, der jeweils zur Oster- und Herbstmesse in Frankfurt am Main erlegt werden sollte.263 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555 hatte vorgesehen, dass der Kammerrichter 2000 fl. im Jahr erhalten sollte.264 1570 und gemäß dem Jüngsten Reichsabschied von 1654 wurde seine Besoldung erhöht. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts betrug sie 6000 Rthlr., also etwa 9000 fl.265 1720 erreichte das Reichskammergericht unter Leitung des Kammerrichters Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, dass die Besoldung der Kameralen erneut erhöht wurde.266 Das Salär des Kammerrichters wurde dabei auf 11 733 Rthlr. angehoben, was etwa 17 600 fl. entsprach.267 Eine weitere, für 1723 geplante Steigerung der Bezüge scheiterte am Widerstand der Reichsstände.268 Während der letzten Reichskammergerichtsvisitation (1767 – 1776) forderte das Gericht erneut, die Besoldung anzuheben, blieb damit aber erfolglos.269 Den Bezügen des Kammerrichters standen weit höhere Ausgaben gegenüber. Schon bei Erhalt des Kammerrichteramts war eine Taxe von 2000 bis 2400 fl. an die Wiener Hofkammer zu leisten.270 Maximilian Karl von Löwenstein-­Wertheim-­ Rochefort gab 1714 an, sogar 10 000 fl. in den Erhalt des Amts investiert zu haben, wobei unklar bleibt, wofür er diesen Betrag im Einzelnen ausgab.271 Da er das Gesandtschaftswesen, S. 162 – 179; Pečar, Die Ökonomie der Ehre, S. 103 – 126. 262 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 42, S. 141. 263 Amend-­Traut, Art. „Kammerzieler“; Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 3, S. 472. 264 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 43, S. 141 f. 265 Vgl. Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 5 – 9, S. 473 – 477. Zur Umrechnung von Reichsthalern in Gulden vgl. z. B. Flügel, Der vornehmsten Handelsplätze in Europa erklärte Courszettel. 266 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 12, S. 480 f. Vgl. auch BArch AR 1-Misc./294, u. FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, 14 e, 14h u. 14i zu den Bemühungen um Besoldungserhöhung des Reichskammergerichts auf dem Reichstag in Regensburg. Vgl. auch Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 256 f. 267 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 13, S. 481 f. 268 Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 33, S. 61 f. 269 Ebd., Teil 1, § 33, S. 61 f. Vgl. auch Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 256 f. Vgl. außerdem zur finanziellen Ausstattung des Reichshofrats Sellert, Besoldungen und Einkünfte. 270 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 13, vgl. die entsprechenden Rechnungen für Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein 1722 über 2000 fl. Vgl. in FÖWA Harburg VIII 13 10a/11 die entsprechenden Rechnungen für Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein 1797 über 2400 fl. 271 HHStA Wien MEA Kor 93, Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Wien 28. Februar 1714. 2000 der 10 000 fl. hatte er offenbar als Taxe für sein Ernennungsdekret

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Kammerrichteramt nie antrat, versuchte er, sich die ihm entstandenen Kosten vom neuen Kammerrichter ersetzen zu lassen. Ob Froben Ferdinand von Fürstenberg-­ Meßkirch dem nachkam, lässt sich nicht ermitteln. Der Kammerrichter war als kaiserlicher Repräsentant zudem verpflichtet, eine dem kaiserlichen Rang entsprechende Hofhaltung am Gerichtsort einzurichten. Das bedeutete eine finanzielle Doppelbelastung, da die Kammerrichter die Hofhaltung in ihrer eigenen Herrschaft meist aufrechterhielten. Selbst als das Reichskammergericht seinen Sitz noch in Speyer hatte und fast ausschließlich die Bischöfe von Speyer Kammerrichter waren, unterhielten diese eine doppelte Hofhaltung, da sich ihre Residenz seit dem 14. Jahrhundert in Udenheim befand.272 Die Bischöfe von Speyer verfügten zumindest über geeignete Räumlichkeiten in der Stadt. Die übrigen Kammerrichter mussten dagegen am Gerichtsort repräsentative Wohnhäuser anmieten oder kaufen. Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch (1718 – 1722) rechnete für die Miete eines angemessenen Hauses mit Ausgaben von jährlich 900 fl.273 Der Reichskammergerichtspräsident Johann Maria Rudolf von Waldbott zu Bassenheim zahlte für das Haus des verstorbenen Kammerrichters Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein (1746 – 1763) einen Pachtzins von 500 fl. pro Jahr.274 Hinzu kam die kostspielige Einrichtung der Häuser. Das Inventar des Wetzlarer Hauses von Franz Adolf Dietrich von Ingelheim (1730 – 1742) gibt einen Eindruck von der Ausstattung einer kammerrichterlichen Residenz. Es führt repräsentative Möbel, kostbare Tapeten aus Damast, Lack und bemaltem Stoff sowie zwei Por­ träts des Kaisers und zahlreiche Familienporträts auf.275 Ingelheim besaß außerdem bezahlt, vgl. dazu Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 139, Anm. 104. 272 So gab Philipp Christoph von Sötern 1610 an, dass er im Falle der Übernahme des Kammer­ richteramts gezwungen sei, neben seiner Residenz in Udenheim eine weitere in Speyer zu unterhalten, was die finanziellen Mittel des Speyerer Stifts stark belasten würde. Vgl. HHStA Wien MEA RKG 19, Philipp Christoph von Sötern an K ­ aiser Rudolf II., [Ende Oktober 1610] (Kopie). 273 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Specifikation Extractus und Uberschlag, wie hoch die ordinaire Depente über fürstliche Hofstatt zu Wetzlar sich ohngefähr belauffen möchten, [ca. 1717]. 274 BA rch AR 1-Misc./630, Entwurf des abzuschliessenden Mieth-­Contracts über die vormahlige cammerrichterliche Wohnung, [1763/64]. Bei dem Haus handelte es sich um das Ingelheimsche Palais in der Hausergasse 19, das der Reichskammergerichtspräsident und spätere Kammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim erbaut hatte. Nach dessen Tod wurde es an den neuen Kammerrichter Ambrosius Franz von Virmond verkauft und wiede­rum nach dessen Tod von Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein übernommen. Vgl. dazu Volk, Die Wohnungen der Kameralen, S. 47. 275 RGIA Mespelbrunn Tit. 1, Abt. A, Nr. 18, Designation deren jenigen Mobilien, w ­ elche nach dem Absterben seiner des Herrn Cammer-­Richter Graffens von Ingelheim Excell. höchstseel. Gedächtnis aus dem Wetzlarer Haus nach Mayntz überführt worden, [1742].

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mehrere Kutschen und einen prunkvollen Wagen samt Staatsgeschirr, mit dem er zum Gericht fuhr. Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch investierte 1718 anlässlich seines Amtsantritts in Wetzlar 4000 fl. allein in neue Möbel.276 Karl ­Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein gab 1746 in Vorbereitung seiner Einsetzung 40 silberne Teller im Wert von 1000 fl. für sein Wetzlarer Haus in Auftrag.277 Zur repräsentativen Ausstattung des Hauses kamen laufende Kosten hinzu. ­Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch hatte vor seinem Amtsantritt gemeinsam mit seinen Räten kalkuliert, ­welche finanziellen Belastungen für ihn mit dem Kammerrichteramt verbunden sein würden. Sie errechneten Ausgaben von 30 000 fl., die Kleidung, Reisekosten, Handwerker und weitere Posten noch nicht erfassten.278 Die tatsächlichen Kosten, die Fürstenberg in seinem ersten Amtsjahr 1718 entstanden, dokumentiert eine Abrechnung. Sie umfasst unter anderem den Lohn der Pagen und des Hauskaplans sowie Ausgaben für Reisen, die Livreen der Diener, Gewürze und andere Essensachen. Abzüglich der Kosten für die Möblierung der kammerrichterlichen Residenz ergibt sich eine Summe von 42 000 fl.279 Die Einkünfte der Kammerrichter standen demnach in keinem Verhältnis zu ihren Ausgaben. Trotz der Erhöhung der Salarien 1720 ergab sich für Fürstenberg eine Differenz von 10 000 bis 20 000 fl., die er mit eigenen Mitteln ausgleichen musste. Hinzu kam, dass die Kammerrichter hohe Beträge vorstrecken mussten, da die Auszahlung der Salarien häufig unvollständig oder verzögert erfolgte. Die meisten Reichsstände zahlten den in der Matrikel festgelegten Kammerzieler nicht in voller Höhe oder überhaupt nicht. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und zu Beginn des 18. Jahrhunderts war die Zahlungsmoral besonders schlecht. 1673 ging anlässlich der Ostermesse in Frankfurt am Main mit 3976 Rthlr. nur ein Bruchteil des eigentlichen Betrags ein.280 Der fehlende Kammerzieler wurde durch das Nichtbesetzen von Assessoren- und Präsidentenstellen nur teilweise ausgeglichen. Gleichzeitig steigerte dies die Arbeitsbelastung des Gerichts. Wilhelm von Baden-­Baden erhielt während seiner Amtszeit als Kammerrichter nur einen 276 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14. Erwähnt wird die Summe in [Abrechnung eines Bediensteten über die Begleichung der in Wetzlar angefallenen Kosten z­ wischen Juni 1718 und Juni 1719, (1719)]. 277 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 87, Heinrich Balthasar Blum an Karl Philipp von Hohenlohe-­ Bartenstein, Wetzlar 16. Mai 1746. Zur Kaufkraft eines Guldens vgl. auch Amend-­Traut, Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht, S. 180 f. 278 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Specifikation Extractus und Uberschlag, wie hoch die ordinaire Depente über fürstliche Hofstatt zu Wetzlar sich ohngefähr belauffen m ­ öchten, [ca. 1717]. 279 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, [Abrechnung eines Bediensteten über die Begleichung der in Wetzlar ­zwischen Juni 1718 und Juni 1719 angefallenen Kosten, (1719)]. 280 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 10, S. 478 f.

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Bruchteil der ihm zustehenden Bezüge. Von 1652 bis 1671 ergab sich ein Fehlbetrag von 40 244 Rthlr.281 Noch fast 40 Jahre nach seinem Tod machten seine Erben 1714 60 366 fl. an Ausständen geltend, von denen lediglich 28 744 fl. ausgezahlt wurden.282 Weitere Zahlungen erhielt das Haus Baden nicht. Als die Linie Baden-­ Baden 1771 ausstarb, war immer noch ein Betrag von 30 520 fl. fällig.283 Auch Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch empfing seine letzten Bezüge erst nach seiner Resignation als Kammerrichter. Zum Zeitpunkt seiner Amtsaufgabe stand die Besoldung etwa eines Jahrs in Höhe von 11 847 Rthlr. und 3 Kr. aus.284 1724 machte Fürstenberg noch einen Restbetrag von 1100 Rthlr. geltend. Er bat jedoch, diesen an das Kloster Altenburg bei Wetzlar sowie das ­Franziskanerkloster und die Residenz der Jesuiten in Wetzlar auszuzahlen. Eine Zuwendung von 60 Rthlr. widmete er dem Wetzlarer Reichspfennigmeister Philipp Jacob Krebs.285 Im gesamten 16. Jahrhundert und zu Beginn des 17. Jahrhunderts war die hohe finanzielle Belastung durch das Kammerrichteramt ein Motiv, es aufzugeben oder abzulehnen. 1569 begründete Friedrich von Löwenstein die Aufgabe seines Amts unter anderem damit, dass ihm vor Amtsantritt ein höheres Salär in Aussicht gestellt worden sei. Tatsächlich ­seien ihm aber nur 2000 fl. gezahlt worden.286 Philipp Christoph von Sötern versuchte 1610 das Kammerrichteramt mit dem Argument abzulehnen, die repräsentative Hofhaltung seines Vorgängers Eberhard von Dienheim als Kammerrichter habe das Stift Speyer finanziell über alle Maßen belastet. Derzeit befinde sich das Stift in einem solch desolaten Zustand, dass an eine Übernahme des Kammerrichteramts nicht zu denken sei.287 Die finanzielle Belastung hatte in der Kosten-­Nutzen-­Abwägung späterer Kandidaten dagegen eine weit geringere Bedeutung. Wilhelm von Baden-­Baden bemühte sich 1649 zu einem Zeitpunkt um das Kammerrichteramt, als das Reichskammergericht quasi nicht existent war.288 Während des Dreißigjährigen 281 GLA Karlsruhe Abt. 46/2716 Nr. 117, [Rechnung], o. O. o. D. Vgl. ebd. auch die weitere Korrespondenz und die übrigen Rechnungen. 282 GLA Karlsruhe Abt. 46/2716 Nr. 134, [Rechnung], o. O. o. D. 283 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 14, S. 370. 284 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, [Rechnung], Meßkirch 4. April 1722. 285 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Anweisung Froben Ferdinands von Fürstenberg-­ Meßkirch für die Verwendung der noch ausstehenden Salarien, [1724] (Konzept). Vgl. außerdem die Abrechnungen des Gehalts Karl Philipps von Hohenlohe-­Bartenstein (1746 – 1763) in BArch AR 1-Misc./606 u. 629. ­ aiser Maximilian II., Speyer 286 HHStA Wien MEA RKG 19, Friedrich von Löwenstein an K 22. März 1569 (Kopie). 287 HHStA Wien MEA RKG 19, Philipp Christoph von Sötern an K ­ aiser Rudolf II., [1610] (Kopie). 288 GLA Karlsruhe Abt. 46/2713, Wilhelm von Baden-­Baden an K ­ aiser Ferdinand III., [1649] (Konzept); Wilhelm von Baden-Baden an Ernst II. von Oettingen-­Wallerstein, o. O. 20. Februar

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Kriegs war das Reichskammergericht chronisch unterfinanziert gewesen, weshalb Ende der 1640er Jahre kein Präsident und nur wenige Assessoren vor Ort in Speyer waren.289 Die verbleibenden Assessoren informierten Wilhelm von Baden-­Baden vor seinem Amtsantritt 1652, er könne kaum auf die Bezahlung seiner Bezüge hoffen, da diese schon seit geraumer Zeit nicht mehr gezahlt worden ­seien.290 Für Baden war dies jedoch kein Grund, das Amt nicht anzutreten. Stattdessen kündigte er an, sich verstärkt für die Belange des Gerichts einsetzen zu wollen.291 Die Prognose der Assessoren bewahrheitete sich. 1677 am Ende von Badens Amtszeit standen, wie ausgeführt, mehrere zehntausend Gulden an Salarien aus.292 Trotz dieser hohen Kosten bemühten sich Wilhelm von Baden-­ Baden und seine Söhne, das Kammerrichteramt auch für die folgenden Generationen des Hauses Baden zu sichern.293 Die direkte Nachfolge Badens trat zwar Johann Hugo von Orsbeck, Erzbischof von Trier, an. Doch hatte Karl Bernhard von Baden-­Baden, der Sohn Wilhelms, für sich eine Expektanz erwirken können, die nach seinem Tod auf seinen Neffen Ludwig Wilhelm übertragen wurde.294 1705 verkaufte Ludwig Wilhelm diese an Franz Alexander von Nassau-­Hadamar. Auch ihn schreckten die hohen Verluste nicht ab, die die Markgrafen von Baden durch die ausstehenden Salarien erlitten hatten. Er war sogar bereit, 24 000 fl. als Ablöse für die Anwartschaft zu zahlen.295 Auch Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch und seinen Räten war bekannt, dass noch Forderungen der Markgrafen von Baden ausstanden. Fürstenberg schreibt zu den Vor- und Nachteilen des Kammerrichteramts: Ist auch dise jährliche Besoldung, einer langen Hand und beschwehrlichen Beybringung u­ nderworfen, wie es die bißherige Erfahrenheit und die dem Hauß Baaden disertwegen noch rückständige Reichsprätension gezaiget.296 Froben Ferdinand war außerdem bewusst, dass er 1652 (Konzept). 289 Smend, Das Reichskammergericht, S. 203 – 210. 290 GLA Karlsruhe Abt. 46/2713, das Reichskammergericht an Wilhelm von Baden-­Baden, Wetzlar 4. Mai / 14. April 1652. 291 Vgl. HHStA Wien MEA RKG 19, das Reichskammergericht an Johann Philipp von Mainz, Speyer 6. Juli 1652. 292 Vgl. die Akten GLA Karlsruhe Abt. 46/2716 – 2718. 293 GLA Karlsruhe Abt. 46/2745, K ­ aiser Leopold I. an Wilhelm von Baden-­Baden, Eger 21. August 1673. 294 GLA Karlsruhe Abt. 46/2713, Leopold Wilhelm von Königsegg-­Rothenfels an Ludwig Wilhelm von Baden-­Baden, Wien 7. Januar 1679. 295 GLA Karlsruhe Abt. 46/2713, Philipp Peter Hungrigkhausen an Ludwig Wilhelm von Baden-­Baden, Rastatt 6. November 1705. Vgl. auch Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 139 f. 296 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Rationes pro et contra, [Meßkirch Mai 1714].

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einen erheblichen Teil der anfallenden Kosten selbst würde tragen müssen: Ist dem eußerlichen Vernemmen nach, die jährliche Besoldung diser Charge nur von 6000 fl., daß ich also zue meiner standtsgemäßen Underhaltung in einem so ­honorablen Posto zuemahlen in einem von denen Herrschaften so weith entlegenen Orth ein Nammhaftes von dem Meinigen wurde zuersetzen muessen.297 Trotzdem entschied sich Fürstenberg zunächst für die Übernahme des Kammerrichteramts. Für ihn und seinem Rat Thomas Riemensperger war es offenbar hinreichend attraktiv, um die Nachteile in Kauf zu nehmen.298 Das Kammerrichteramt konnte die finanziellen Möglichkeiten des ­Amtsinhabers jedoch auch überstrapazieren und ihn an den Rand des Ruins ­bringen. Die Kammer­richter des 18. Jahrhunderts besaßen in der Regel kleine bis mittelgroße Territorien, die ihre ökonomische Grundlage bildeten. Die Herrschaften der Hohenlohe-­Bartenstein brachten zur Amtszeit Karl P ­ hilipps von Hohenlohe-­Bartenstein (1746 – 1763) im Jahr 50 000 bis 60 000 fl. ein. Dem standen Ausgaben für das Kammerrichteramt in Höhe von ungefähr 20 000 fl. gegenüber.299 Die Kosten des Kammerrichteramts befanden sich damit in einem starken Missverhältnis zur materiellen Grundlage der Inhaber. Besonders die finanziellen Möglichkeiten des Tiroler Grafen Franz Joseph von Spaur (1763 – 1797) waren für die Position des Kammerrichters kaum ausreichend. Zu den alltäglichen Ausgaben kamen ­solche für besondere Anlässe hinzu. Vor allem diese bereiteten Spaur Schwierigkeiten. Besonders schwer belasteten ihn nach seiner eigenen Aussage die Kosten für seine Einsetzung als Kammerrichter 1763 in Höhe von 5000 fl.300 Im November 1765 erhielt er den Befehl, anlässlich des Regierungsantritts K ­ aiser Josephs II . die Huldigung in Wetzlar abzunehmen. Diese Aufgabe wurde den Kammerrichtern oder den Reichskammergerichtspräsidenten häufiger für die Gerichtsorte Speyer und 297 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Rationes pro et contra, [Meßkirch Mai 1714]. 298 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Thomas Riemensperger, Gutachten zum Kammerrichteramt, [Meßkirch Mai 1714]; Glas endt underschriben ganze ohnergreifliche und mit underthaniger submission ratione sustationis dass bessus Excelsi officii verfaste gedankhen. Vgl. auch Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 252 – 258. 299 Vgl. Wüst, Schloß Bartenstein, S. 35 u. 239 (Dok. 59). Wüst geht von Einnahmen in Höhe von 75 900 fl. aus. Ihre Aussagen beziehen sich aber auf das Rechnungsjahr 1764/65, also das Jahr nach dem Tod Karl Philipps von Hohenlohe-­Bartenstein (1763), in dem das Amt Pfedelbach an Hohenlohe-­Bartenstein fiel. Rechnet man die Einnahmen aus ­diesem Amt sowie zusätzlich aufgenommenes Kapital heraus, ergibt sich ein geringerer Betrag. Allgemein zum Verhältnis von Repräsentationskosten und Einnahmen vgl. Bauer, Zeremoniell und Ökonomie, S. 24 – 29. 300 HHStA Wien RK WaKr 94b, Franz Joseph von Spaur an Rudolph Joseph von Colloredo, Wetzlar 29. August 1765.

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Die Kammerrichter

Wetzlar sowie für benachbarte Reichsstädte übertragen.301 Sie belastete Spaurs ohnehin angespannte finanzielle Situation zusätzlich schwer. Franz Joseph von Spaur fuhr nach Aussage des Prokurators Damian Ferdinand Haas schon 1764 nicht zu den Feierlichkeiten anlässlich der Krönung Josephs II . zum römisch-­ deutschen König. Er sei finanziell nicht in der Lage gewesen, sich dort seiner Stellung gemäß zu präsentieren. So schreibt Haas: Daß der Her Cammer­richter zwar nicht nach Franckfurth auf die Cronung gehet, hat seine Richtigkeit, mit die gantze Welt weiß, daß er kein Geld hat, solches bestreithen zu können, mit er selbsten hat auch keinen Scheu, solches zu bekennen.302 Stattdessen plante Spaur dem K ­ aiser in Steinheim am Main seine Aufwartung zu machen, da er dort mit weniger großem Aufwand auftreten konnte.303 Zur Bewältigung seiner Ausgaben für die Huldigung 1765 nahm er wohl beim Frankfurter Schutzjuden Nathan Aaron Wetzlar einen Kredit von 10 000 fl. auf.304 Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein (1797 – 1801) konnte sich ebenfalls kaum die hohen Kosten des Kammerrichteramts leisten. Als nachgeborener Sohn verfügte er nur über geringe eigene Einkünfte. Da diese zum größten Teil aus linksrheinischen Besitzungen stammten, verlor er den Großteil seiner Einnahmen durch die Annektierung des linken Rheinlands durch die Franzosen.305 In der Folge war er auf eine Apanage seines Bruders und seines Neffen angewiesen.306 Nachdem er 1801 die Stelle des Reichshofratspräsidenten in Wien angetreten hatte, sah er sich sogar gezwungen, zur Deckung seiner Lebenshaltungskosten seine umfangreiche Musikaliensammlung zu veräußern.307

301 HHStA Wien RK WaKr 94b, ­Kaiser Joseph II. an Franz Joseph von Spaur, Wien 19. November 1765 (Konzept). Vgl. in HHStA Wien RK WaKr 21d sowie in HHStA Wien RK RA unter Karl VII., Huldigungen in den Reichsstädten 1, 2, 3a u. 3b, die Huldigungen, die durch Kammerrichter und Reichskammergerichtspräsidenten entgegen genommen wurden. Vgl. auch Kap. III.3.1. 302 HZA Neuenstein Ba 30 Bü 649, Damian Ferdinand Haas an Ludwig Leopold von Hohenlohe-­Bartenstein, Wetzlar 15. März 1764. Zu der schlechten finanziellen Lage Spaurs vgl. auch Ranke, Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg, S. 30. Dort heißt es, dass es Spaurs Ansehen geschadet habe, dass er für die Repräsentation des Kammer­richteramts nicht über die ausreichenden Mittel verfügt habe. Vgl. dazu auch Gloël, Goethes Wetzlarer Zeit, S. 17. 303 HZA Neuenstein Ba 30 Bü 649, Prokurator Damian Ferdinand Haas an Ludwig Leopold von Hohenlohe-­Barstenstein, Wetzlar 15. März 1764. 304 HHStA Wien MEA RKG 371, Sessio 547 der Reichskammergerichtsvisitation, 24. Mai 1771, Verhörprotokoll des Nathan Aaron Wetzlar. 305 Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 21, S. 28. 306 FÖWA Harburg VIII 13 9c/9, 10 u. 10a/15. 307 Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 21, S. 28.

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III.3 Symbolische Profite III.3.1 Gewinn von symbolischem Kapital Der Gewinn von Ansehen, Prestige und Ehre war ein wesentlicher Faktor, der das Kammerrichteramt attraktiv machte. Die verschiedenen sozialen Rollen einer Person waren in der Vormoderne, wie bereits erwähnt, nur wenig differenziert. Auch die beiden Rollen des Kammerrichters als Amtsinhaber und als Privatperson waren nicht voneinander zu trennen. Ehrbezeugungen, die dem Kammerrichter galten, hatten auch einen persönlichen Effekt, denn die Würde des Amts strahlte auf ihn und seine Familie ab. Wilhelm von Baden-­Baden schrieb 1652 anlässlich seiner Ernennung zum Kammerrichter an seinen Verwandten Friedrich V. von Baden-­ Durlach, er hoffe, dass sein neues Amt dem gesambliche fürstlichen Haus zue Ehr und Aufnemben dann Nachtheil und Schaden gezimben werde.308 Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch sah 1714 die Möglichkeit, dass die Bekhleidung dieser Stelle sowohl meiner annoch von Gott verhofenden Posterität als auch dem gesambten Haus in Vorfallenheiten zue einem nicht geringen […] Ahnsehen geraichen, als einen der Vorteile des Kammerrichteramts.309 Das symbolische Kapital, das mit dem Kammerrichteramt erworben werden konnte, ergab sich aus der hohen Stellung des Kammerrichters als kaiserlichen Repräsentanten. Der Kammerrichter war Oberhaupt und Richter des Reichskammergerichts.310 Darin unterschied er sich vom Reichshofratspräsidenten, denn am Reichshofrat war allein der K ­ aiser das Oberhaupt und der Richter, wie die Reichshofratsordnungen betonten.311 Der Kammerrichter vertrat also den ­Kaiser bei Gericht nicht nur, sondern er übte die Höchstgerichtsbarkeit im Reich aus, die eines der wichtigsten kaiserlichen und königlichen Attribute war.312 Der Reichs­ vizekanzler Friedrich Karl von Schönborn schrieb dementsprechend 1722 an seinen Onkel Lothar Franz von Schönborn, Erzbischof von Mainz, das Kammerrichteramt sei ein hohen, und zwar das höchste caesaris personam immo potentiam exercirende

308 GLA Karlsruhe Abt. 46/2713, Wilhelm von Baden-­Baden an Friedrich V. von ­Baden-­Durlach, o. O. 17. April 1652 (Konzept). 309 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, ­Rationes pro et contra, [Meßkirch Mai 1714]. 310 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 9, S. 82. 311 Reichshofratsordnung von 1617, Tit. 1, § 1, in: Die Ordnungen des Reichshofrates, Bd. 1, S. 158; Reichshofratsordnung von 1654, Tit. 1, § 1, in: Die Ordnungen des Reichshofrates, Bd. 2, S. 49. 312 Diestelkamp, Vom Königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, S. 48 – 52; Battenberg, Studien zum Personal des königlichen Hofgerichts, S. 61 – 63. Vgl. auch Kap. I.

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Ambt.313 Dieser hatte seinen Neffen in einem Titulaturstreit um Rat gebeten, den er zu dieser Zeit mit dem Kammerrichter Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein ausfocht. In gleicher Weise schätzte Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch 1714 das Kammerrichteramt als die importantiste und ahnsehentlichiste Charge, so ein Reichsgraf in dem Römischen Reich besitzen khönne, ein.314 Die hohe Stellung des Kammerrichters fand Ausdruck in der Interaktion im Rahmen zeremonieller Handlungen, in Form von Ehrbezeugungen und ähnlichem.315 Am Gerichtsort wurde seine Stellung vor allem durch seine mit rotem Stoff bezogenen und mit einem Baldachin versehenen Thronsessel sichtbar. Sitzgelegenheiten waren in der Symbolsprache der Zeit bedeutende Zeichenträger.316 Formen, Farben, Material und Ausgestaltung drückten den Stand dessen, der auf ihnen Platz nahm, aus. Spezielle Sitzmöbel symbolisierten häufig ein Amt und spielten bei Einsetzungsritualen eine bedeutende Rolle. Auch dem Kammerrichter wurde sein Amt übertragen, indem er auf den Kammerrichterthron gesetzt wurde.317 Der Baldachin war ein Zeichen ­­ souveräner Herrscher, das K ­ aiser, Könige und Fürsten nutzten.318 Der K ­ aiser saß dementsprechend auf dem Reichstag beim Verlesen der Proposition unter einem Baldachin. Wenn Repräsentanten eines Herrschers in dessen Abwesenheit Thronsessel und Baldachin verwendeten, dann war dieser in der Person seines Stellvertreters quasi selbst anwesend. Der Kammerrichter saß während der Gerichtsaudienzen auf einem um drei Stufen erhöhten, von einem Baldachin überspannten und mit rotem Samt bezogenem Thron.319 Im Plenumszimmer und im Senat, in dem er den Vorsitz führte, standen dem Kammerrichter zwei weitere mit rotem Samt bezogene Armsessel zur Verfügung.320 Aber auch außerhalb des Gerichts­gebäudes verwendete der Kammerrichter einen Thronsessel mit Baldachin. In seinem Privat­haus hatte er ein mit solchen Möbeln ausgestattetes Audienzzimmer, 313 HHStA Wien MEA RKG 194a, Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Wien 10. April 1722. 314 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, ­Rationes pro et contra, [Meßkirch Mai 1714]. 315 Vgl. dazu Krischer, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, S. 110 f.; Winterling, Der Hof des Kurfürsten von Köln, S. 156 – 163. 316 Stollberg-­Rilinger, Die Würde des Gerichts, S. 207 f. Vgl. auch Althoff, Das Grundvoka­ bular der Rituale, S. 153; Goetz, Der ‚rechte‘ Sitz; Schneider, Bischöfliche Thron- und Altarsetzungen, S. 2; Winkler, Bildnis und Gebrauch, S. 160 – 167. 317 Vgl. dazu Kap. II.3.4. 318 Winkler, Bildnis und Gebrauch, S. 160 – 167; Zedlers Großes vollständiges Universal-­Lexicon, Bd. 50, Sp. 1449; Christ, Praesentia Regis, S. 97 – 99. 319 Vgl. dazu Kap. II.5. 320 Ulmenstein, Geschichte und topographische Beschreibung der Kaiserlichen freyen Reichsstadt Wetzlar, Bd. 3, S. 95 u. 99. Vgl. auch die Behandlung im Zuge des Halbarmsesselstreits 1757 in HHStA Wien MEA RKG 237a.

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in dem er Privataudienzen abhielt.321 Beim öffentlichen Kirchgang, bei Prozessionen oder vergleichbaren Gelegenheiten ging der Kammerrichter unter einem Baldachin.322 Darüber hinaus stand ihm eine Ehrenwache zu und er hatte das Recht, in einer sechsspännigen Kutsche zu fahren. Dies war nur souveränen Herrschern oder ihren Stellvertretern gestattet.323 Während die Kammerrichter Franz Adolf ­Dietrich von Ingelheim (1730 – 1742) und Ambrosius Franz von Virmond (1742 – 1744) offenbar regelmäßig sechsspännig zum Gericht fuhren, wird von Franz Joseph von Spaur (1763 – 1797) berichtet, er habe vorgezogen, zu Fuß zu gehen.324 Auch außerhalb des Gerichtsorts konnte der Kammerrichter symbolisches Kapital erwerben. Denn auf Reisen trat er ebenfalls als kaiserlicher Repräsentant auf und wurde meistens auch als solcher behandelt. Als der Kammerrichter ­Ambrosius Franz von Virmond 1744 als kaiserlicher Kommissar zur Bischofswahl nach Lüttich reiste, führte ihn sein Weg durch Köln.325 Im Vorfeld beriet der Rat der Stadt Köln, auf w ­ elche Weise der Kammerrichter empfangen werden sollte. Es herrschte Unsicherheit, ob er zeremoniell als Kammerrichter zu gelten hatte, da er in anderer Funktion unterwegs war. Der Rat kam zu dem Schluss, dass das Kammer­ richteramt überall im Römischen Reich scheinbar und perpetuirlich sei. Virmond sei deshalb wie ein Kammerrichter und nicht nur wie ein kaiserlicher Kommissar zu behandeln.326 Man entschied, bei seiner Ein- und Ausfahrt deshalb einen Oberoffizier mit Mannschaft am Stadttor zu postieren und aus allen 18 Kanonen drei Salven abzufeuern. Vor dem Virmondschen Hof sollte sich außerdem ein Kommando von 40 Mann zur Parade aufstellen. Virmond traf am 14. Januar 1744 gegen zwei Uhr nachmittags in Köln ein.327Am Abend begab sich eine Deputation des Rats zum Virmondschen Hof, überbrachte Komplimente und empfahl sich dem besonderen Schutz des Kammerrichters an. Virmond war von dem ehrenvollen Empfang durch die Stadt Köln sehr angetan. Er bemerkte insbesondere, dass man 321 Vgl. die Ausführungen der beiden Präsidenten Virmond und Wied im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Kammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim um das Prädikat „gnädigst“: HHStA Wien MEA RKG 200b, Ambrosius Franz von Virmond und Karl zu Wied-­Runkel an ­Kaiser Karl VI ., Wetzlar 31. Juli 1735. Vgl. auch das Inventar zum Haus Ingelheims in Wetzlar in RGIA Mespelbrunn Tit. 1, Abt. A, Nr. 10. Vgl. dazu auch Kap. III.3.3. 322 Vgl. ebenfalls den Streit um das Prädikat „gnädigst“ in HHStA Wien MEA RKG 200b. 323 Vgl. ebd. Vgl. außerdem Stollberg-­Rilinger, Die Würde des Gerichts, S. 207 f. 324 Ranke, Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg, S. 30; Becker, Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-­Franken, S. 12. 325 Zu den kaiserlichen Wahlkommissaren bei Bischofswahlen vgl. Christ, Praesentia Regis. 326 HASt Köln Best. 30 C 611, 14. Januar 1744, fol. 56v–59r. Vgl. auch Krischer, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, S. 161. 327 HASt Köln Best. 30 C 611, 14. Januar 1744, fol. 57v.

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um seinethalben die Stücke gelöst habe, und versprach, dies dem ­Kaiser gegenüber lobend zu erwähnen.328 Die Reichsstadt Köln kam dem Kammerrichter vermutlich auch aus eigennützigen Motiven so weit entgegen. Sie dokumentierte damit ihre Nähe zum K ­ aiser und verwahrte sich gegen die Ansprüche des Erzbischofs von Köln auf die Stadtherrschaft.329 Außerdem konnte Köln sich den Kammerrichter durch die ihm gewährten Ehrbezeugungen gewogen machen und hoffen, den gewährten symbolischen Profit auf anderem Gebiet zurückerhalten, beispielsweise durch die bevorzugte Behandlung eines ihrer Prozesse am Reichskammergericht.330 Der Empfang Virmonds am Tag darauf in Bonn, der Residenzstadt des Kurfürsten Clemens August von Köln, verlief völlig anders. Das Hofreisejournal berichtet, es sei weitters von Hof nichts vor Seine Excellenz veranstaltet worden.331 Nachdem Virmond sich durch den Kämmerer von Schurff habe anmelden lassen, habe er eine Audienz beim Kurfürsten erhalten. Er sei bei dieser Gelegenheit mit einem zweispännigen Hofwagen mit Lakaien und zwei Heiducken abgeholt und zum kurfürstlichen Schloss gebracht worden. Der vergleichsweise schlichte Empfang durch Clemens August von Köln hatte vermutlich mehrere Gründe. Die Grafen von Virmond waren Lehensleute der Kurfürsten von Köln und Ambrosius Franz von Virmond selbst hatte vor seiner Karriere am Reichskammergericht als Hofrichter in kurkölnischen Diensten gestanden.332 Darüber hinaus war das Verhältnis Clemens Augusts zu seinem Bruder ­Kaiser Karl VII. gerade in zeremonieller Hinsicht belastet, so dass er auch dessen Repräsentanten nur minimale Ehrbezeugungen gewährte.333 Neben der Möglichkeit, bei den alltäglichen Amtsobliegenheiten symbolische Profite zu erwirtschaften, kamen besondere Anlässe hinzu. Hierzu zählte schon die Einsetzung des Kammerrichters in sein Amt.334 Dabei wurde er nicht nur zum neuen Oberhaupt des Reichskammergerichts. Auch die Reichsstadt Wetzlar behandelte den Kammerrichter fortan als kaiserlichen Repräsentanten und damit als Stellvertreter ihres Stadtoberhaupts. Dementsprechend säumte die Wetzlarer Bürgerschaft während der Fahrten des Kammerrichters von seinem Quartier zum Gericht die Straßen und erwies ihm die Honneurs.335 Die Übernahme von Huldigungskommissionen war eine weitere außerordentliche Gelegenheit, symbolisches Kapital zu erwerben, die sich zwei der Kammerrichter bot. Nach seiner Krönung nahm der neue ­Kaiser vor 328 HASt Köln Best. 30 C 611, 14. Januar 1744, fol. 58v. 329 Krischer, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, S. 350 f. 330 Vgl. dazu Kap. III.4.2. 331 Das Hofreisejournal des Kurfürsten Clemens August von Köln, S. 188. 332 Vgl. dazu Kap. III.1.5. 333 Vgl. Braubach, Ein Bruderzwist im Hause Wittelsbach. 334 Vgl. dazu Kap. II.3. 335 Vgl. dazu Kap. II.3.3.

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allem die Huldigung der Reichsstädte entgegen.336 Diese Lokalhuldigungen dienten insbesondere im 17. und 18. Jahrhundert der kaiserlichen Machtdemonstration. Der Westfälische Frieden hatte den mächtigen Reichsfürsten eine quasi-­souveräne Stellung verliehen. Daher nutzten die ­Kaiser das Mittel der Lokalhuldigung, um das enge Herrschaftsverhältnis z­ wischen K ­ aiser und Reichsstädten zu dokumentie337 ren. Seit 1660 war es üblich, dass die Huldigung nicht mehr dem ­Kaiser direkt, sondern einem Kommissar geleistet wurde.338 In Reichsstädten, in denen ein kaiserlicher Repräsentant vor Ort war, wurde die Huldigungskommission in der Regel ­diesem übertragen. In Regensburg war dies der kaiserliche Prinzipalkommissar auf dem Reichstag, in Rottweil der kaiserliche Hofrichter und in Speyer bzw. Wetzlar ein Reichskammergerichtspräsident oder der Kammerrichter.339 1660 nahm zwar der Wild- und Rheingraf Ludwig zu Salm die Huldigung in Speyer entgegen, im benachbarten Worms tat dies jedoch der Reichskammergerichtspräsident Johann Eusebius Fugger zu Kirchheim.340 Anlässlich des Regierungsantritts K ­ aiser Josephs I. wurde mit Friedrich Ernst von Solms-­Laubach erneut einem der beiden Präsidenten die Huldigungskommission übertragen.341 1712, nach der Krönung K ­ aiser Karls VI., war Wetzlar von der Lokalhuldigung befreit.342 1742 fungierte nach der Krönung Karls VII. dann mit Ambrosius Franz von Virmond das erste Mal ein Kammerrichter als Huldigungskommissar in Wetzlar, Friedberg und Speyer, wenngleich Virmond zu d ­ iesem Zeitpunkt selbst noch nicht in sein Amt eingesetzt war.343 Zur Krönung 1745 scheint Wetzlar erneut von der Lokalhuldigung befreit gewesen zu sein.344 Als dagegen 1765 Joseph II. ­Kaiser wurde, übernahm der Kammerrichter Franz Joseph von Spaur das Huldigungskommissariat.345 336 Krischer, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, S. 346 – 364. 337 Press, Reichsstädte im Reich der frühen Neuzeit, S. 17. Vgl. auch Krischer, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, S. 347. 338 Krischer, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, S. 347. Vgl. außerdem zu Huldigungen allgemein Holenstein, Die Huldigung der Untertanen; Schwengelbeck, Monarchische Herrschaftsrepräsentation. 339 Krischer, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, S. 347 f. 340 HHS tA Wien RK WaKr 21d, Beschreibung der Huldigung in Speyer, fol. 130r–137r; Beschreibung der Huldigung in Worms, fol. 47r–48r. 341 Vgl. HHStA Wien RK WaKr 94b, Franz Joseph von Spaur an Rudolph Joseph von C ­ olloredo, Wetzlar 16. April 1766. 342 Vgl. die Notizen in HHStA Wien RK WaKr 27, fol. 19. 343 Vgl. HHStA Wien RK RA unter Karl VII., Huldigungen in den Reichsstädten 1, 2, 3a u. 3b. 344 Im Haus- Hof und Staatsarchiv existiert nur eine Akte unter der Signatur HHStA RK WaKr 64a zu den Lokalhuldigungen der Städte A bis K, und auch sonst gibt es keinen Hinweis darauf, dass eine ­solche in Wetzlar stattgefunden hätte. 345 Vgl. dazu HHStA Wien RK WaKr 94b und Veltmann, Relation über die im Namen K ­ aiser Joseph II. […] entgegengenommene Huldigung.

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Der symbolische Profit, den ein Huldigungskommissar erlangen konnte, ergab sich aus seiner hohen Stellung. In ihm war die Person des Kaisers quasi anwesend, weshalb er zeremoniell auch genauso behandelt wurde wie dieser.346 Wie beim Adventus des Kaisers wurde der Kammerrichter in seiner Funktion als Huldigungskommissar an der Grenze des reichsstädtischen Territoriums von einer Deputation empfangen.347 In Wetzlar begaben sich die Kammerrichter Virmond und Spaur deshalb vor der Huldigung in das Kloster Altenburg, das vor den Toren der Stadt lag.348 Den Weg in die jeweilige Stadt legten die Huldigungskommissare in sechsspännigen Galawagen zurück. Begleitet wurden sie von mehreren Kavalieren und hohen Mitgliedern ihres Hofes, die ebenfalls in Galawagen fuhren, sowie von Pagen, livrierten Dienern, Trompetern und Paukern zu Pferd und zu Fuß. Bei Virmond bestand das Gefolge, das ihn 1742 auf seinen Huldigungsreisen begleitete, aus 72 Personen und 90 Pferden.349 An der Stadtgrenze wurde der Tross vom Bürgermeister und den Mitgliedern des Rats empfangen, die dem Huldigungskommissar unter Kanonendonner und Glockengeläut den Schlüssel der Stadt überreichten. Anschließend folgten der Bürgermeister und der Rat dem Huldigungskommissar und seinem Gefolge zu Fuß zu den Quartieren. Die Straßen säumten dabei die salutierende Bürgerschaft. In Wetzlar marschierte zusätzlich die Darmstädter Miliz auf, die der Landgraf von Hessen-­Darmstadt wegen seiner Vogteirechte entsandte. Am Abend wurde ein Festbankett ausgerichtet. Die Stadt Speyer gab 1742 zu ­diesem Anlass eine Kantate in Auftrag, in der der ­Kaiser und Virmond gepriesen wurden.350 Der folgende Tag begann mit einer Messe, in der das Tedeum gesungen wurde. Anschließend begaben sich die Huldigungskommissare zum Rathaus. Hier schwor der Rat der Stadt ihnen in einem Saal, der mit Kaiserporträt, Thronsessel und Baldachin ausgestattet war, den Eid. Danach traten sie an ein ­Rathausfenster oder präsentierten sich auf einer vor dem Rathaus errichteten 346 Christ, Praesentia Regis, S. 248 – 251. 347 Vgl. auch im Folgenden die Berichte über die Huldigungskommissionen in HHStA Wien RK RA unter Karl VII., Huldigungen in den Reichsstädten 3a, Allerunterthänigister Bericht wegen der zu Wetzlar Nahmens Ihro kayserlichen Maystät von Graffen von Virmont am 4. Octobris 1742 eingenohmener Huldigung, o. O. o. D.; HHStA Wien RK WaKr 94b, Franz Joseph von Spaur an ­Kaiser Joseph II., Wetzlar 24. August 1766. 348 HHStA Wien RK RA unter Karl VII., Huldigungen in den Reichsstädten 1, 2 u. 3a, Berichte von den Huldigungen in Friedberg, Speyer und Wetzlar; HHStA Wien RK WaKr 94b, Bericht über die Huldigung in Wetzlar, Wetzlar 21. April 1766; Franz Joseph von Spaur an ­Kaiser Joseph II., Wetzlar 24. August 1766. 349 HHStA Wien RK RA unter Karl VII., Huldigungen in den Reichsstädten 1, Ambrosius Franz von Virmond an ­Kaiser Karl VII., Wetzlar 1. November 1742. 350 HHStA Wien RK RA unter Karl VII., Huldigungen in den Reichsstädten 2, E ­ hrenserenade, Heidelberg 1742.

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Bühne, um den Huldigungseid der gesamten Bürgerschaft entgegenzunehmen. Am Abend folgte ein weiterer Festakt, für den die Stadt Speyer 1742 eine Serenade auf Virmond komponieren ließ. In Wetzlar wurde 1766 für Spaur während des Essens eine trefliche Vocal- und Instrumental Music bestehend aus Arien, Duetten, Flaute-­ Calvier- und Violino Concerte[n] aufgeführt.351 Am nächsten Morgen stattete eine Deputation des Stadtrats den Huldigungskommissaren eine Abschiedsvisite ab. Sie überreichte ihnen ein Präsent in Form einer Geldsumme, eines Pokals oder dergleichen. In Speyer erhielt Virmond 150 Dukaten und in Wetzlar ein übergoldetes Pocal nebst einem silber stark vergoldeten Suppenkumpf und darunter stehenden Teller sowie 500 Dukaten.352 Spaur bekam von der Stadt Wetzlar 2500 fl. überreicht.353 Weniger üppig fiel das Geschenk für Virmond in Friedberg aus, das aus einem silbernen Cavoir, zwei silbernen Schüsseln, zwei Leuchtern sowie etwa 100 Rthlr. bestand. Nach der Abschiedsvisite verließen die Huldigungskommissare die Stadt.354 Die Kammerrichter Ambrosius Franz von Virmond und Franz Joseph von Spaur beurteilten die Kosten-­Nutzen-­Relation der Huldigungskommissionen nicht ungeteilt positiv.355 Die Ausstattung und Unterhaltung des Gefolges verschlangen enorme Summen. Spaur nahm 1766 zur Bewältigung der anstehenden Ausgaben 10 000 fl. beim Frankfurter Schutzjuden Nathan Aaron Wetzlar auf.356 Virmond und Spaur versuchten deshalb das Verhältnis von aufgewendetem ökonomischem Kapital zu gewonnenem symbolischem Kapital in ein möglichst günstiges Verhältnis zu bringen, indem sie die Übertragung der Lokalhuldigung nicht nur für Wetzlar, sondern für möglichst viele weitere Reichsstädte anstrebten.357 Die hohen Ausgaben beispielsweise für die Ausstaffierung des Gefolges lohnten sich so eher, da die Kammerrichter sie mehrfach zum Erwerb symbolischen Kapitals n ­ utzen 351 HHStA Wien RK RA unter Karl VII., Huldigungen in den Reichsstädten 2, Ambrosius Franz von Virmond an ­Kaiser Karl VII., Wetzlar 30. November 1742. 352 HHStA Wien RK RA unter Karl VII., Huldigungen in den Reichsstädten 2, Ambrosius Franz von Virmond an ­Kaiser Karl VII., Wetzlar 30. November 1742; HHStA Wien RK RA unter Karl VII., Huldigungen in den Reichsstädten 3a, Allerunterthänigister Bericht wegen der zu Wetzlar Nahmens Ihro kayserlichen Maystät von Graffen von Virmont am 4. Octobris 1742 eingenohmener Huldigung, o. O. o. D. 353 HHStA Wien RK WaKr 94b, Franz Joseph von Spaur an ­Kaiser Joseph II., Wetzlar 24. August 1766. 354 HHStA Wien RK RA unter Karl VII., Huldigungen in den Reichsstädten 1, Ambrosius Franz von Virmond an ­Kaiser Karl VII., Wetzlar 1. November 1742. 355 Zur zeitgenössischen Kosten-­Nutzen-­Abwägung von zeremoniellen Ausgaben vgl. Bauer, Zeremoniell und Ökonomie. 356 HHS tA Wien MEA RKG 371, Sessio 131 der Reichskammergerichtsvisitation, 11. März 1768. 357 HHStA Wien RK WaKr 94b, Franz Joseph von Spaur an Rudolph Joseph von Colloredo, Wetzlar 29. August 1765; ders. an dens., Wetzlar 16. April 1766.

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konnten. Außerdem glichen die Präsente gleich mehrerer Reichsstädte die getätigten Ausgaben besser aus. Franz Joseph von Spaur begründete dementsprechend 1766 seinen Wunsch, neben Wetzlar die Huldigungskommission für weitere Städte übertragen zu bekommen, damit, dass gestalten die Haupt Auslagen bey der Huldigung Vornahme in hiesiger Statt ohnehin bereits bestritten wären und mir durch andere Stätte diejenige Kosten (so sich dabey aus meinem eigenen Beutel zu bezahlen hätte) nicht nur ersetzt, sondern auch einiger Nutzen zukommen würde.358 Und Ambrosius Franz von Virmond zeigte sich 1742 höchst verärgert, als die Reichsstadt Worms kurz vor dem festgesetzten Huldigungstermin einen Dispens vom K ­ aiser erwirkte. Er schrieb an den Reichsvizekanzler von Königsfeld: Das also ew. Excellenz hocherleucht wohl begriffen, daß, da ich alle Kosten fur die Local Huldigung angewendet und dabenebst mit 70 Menschen und so viel Pferd die Reyse auf Speyer und Wormbs thun und dafür Unterhalt schaffen muß, es mir anjetzto nicht angenehm seyn könne, wann alles d­ ieses sozusagen umbsonst [gewesen ist].359 Die drohende Befreiung der Stadt Friedberg von der Huldigung konnte Virmond dagegen abwenden. Friedberg argumentierte mit seiner schlechten finanziellen Lage. Virmond dagegen betonte die Wichtigkeit der Lokalhuldigungen. Diese s­eien nicht durch eine Huldigung vor dem Reichshofrat ersetzbar. Außerdem habe Friedberg doch sicher nicht mehr Schulden als Speyer oder jede andere Stadt.360 III.3.2 Die Standesanforderungen als Möglichkeit symbolischen Profits Die Reichskammergerichtsordnungen bestimmten ausnahmslos, dass es sich beim Kammerrichter um einen Reichsstand handeln müsse. In der Ordnung von 1555 heißt es so: Erstlich soll das keiserlich cammergericht jederzeit mit einem redlichen verständigen cammerrichter, der eyn fürst, geystlich oder weltlich, oder aufs wenigst ein graff oder freyherr […] sey, auß deutscher nation besetzt werden.361 Für die Standesanforderung gab es zwei Gründe: In der altdeutschen Gerichtsfassung galt zum einen 358 HHStA Wien RK WaKr 94b, Franz Joseph von Spaur an Rudolph Joseph von Colloredo, Wetzlar 16. April 1766. 359 HHStA Wien RK RA unter Karl VII., Huldigungen in den Reichsstädten 3b, Ambrosius Franz von Virmond an Johann Georg von Königsfeld, Wetzlar 30. September 1742. Zur Huldigung der Reichsstadt Worms 1742 vgl. auch Wendehorst, Das gescheiterte Projekt der jüdischen Kaiserhuldigung in Worms. 360 HHStA Wien RK RA unter Karl VII., Huldigungen in den Reichsstädten 1, Gutachten von Ambrosius Franz von Virmond, o. O. 3. Juli 1742. 361 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 1, § 1, S. 73. Vgl. auch die Reichskammergerichtsordnung von 1495, § 1, S. 6, und das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 1, § 2, S. 333.

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der Grundsatz, dass Gleiche nur von Gleichen gerichtet werden durften.362 Da vor dem Reichskammergericht Untertanen gegen Reichsstände und Reichsstände gegeneinander klagen konnten, musste auch der Kammerrichter ein Reichsstand sein. Zum anderen erforderte die Stellung als kaiserlicher Repräsentant bestimmte Standesvoraussetzungen. Die Stellvertreterfunktion des Kammerrichters beinhaltete nicht nur, dass seine Handlungen dem ­Kaiser selbst zugerechnet wurden. Zugleich musste er auch die kaiserliche Ehre und Würde sichtbar machen. Dies war ihm nur möglich, wenn er selbst von hohem ständischem Rang war. Denn die hohe soziale Stellung des Amtsinhabers symbolisierte die hohe Würde des Amts.363 Johann Jacob Moser berichtet dementsprechend, König Friedrich I. in Preußen habe 1709 auf Bitten der reichsgräflichen Kollegien an seinen Deputierten der Reichskammergerichtsvisitation geschrieben, dass die Reichskammergerichtsordnung ohne Zweifel einen Reichsstand als Kammerrichter und Präsidenten vorgesehen habe. Nur so könne die Autorität und Respect d­ ieses Gerichtes desto besser conservirt werden.364 Die hohen Standesvoraussetzungen stellten für die Kammerrichter eine weitere Möglichkeit dar, symbolisches Kapital zu erlangen. Denn mit der Übernahme ihres Amts konnten sie die Zugehörigkeit zu der exklusiven Gruppe der Reichsstände dokumentieren. Für die Kammerrichter des 18. Jahrhunderts trat ein weiterer Umstand hinzu, der den Profit noch steigerte. Wie oben dargelegt, gehörten sie überwiegend dem mindermächtigen Reichsadel an. Die Kammerrichter ­zwischen der Mitte des 16. Jahrhunderts und dem Beginn des 18. Jahrhunderts waren dagegen fast ausschließlich Fürsten. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war das Amt neben Reichsfürsten wie Johann II. von Pfalz-­Simmern (1536 – 1539) zwar auch mehreren Reichsgrafen übertragen worden. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ernannte der ­Kaiser aber bevorzugt den Bischof von Speyer zum Kammerrichter. Zwischen 1569 und 1711 gehörte lediglich Philipp d. Ä. von ­Winneburg (1582 – 1583) dem Reichsgrafenstand an. Mit Philipp Christoph von Sötern (1611 – 1652) und Johann Hugo von Orsbeck (1677 – 1710), Erzbischöfen von Trier, übernahmen sogar zwei Kurfürsten das Amt.365 Einem Amt, das auch ein Kurfürst bereit war auszuüben, wohnte ein hohes Prestige inne. Für weniger hochstehende Personen war es deshalb eine besondere Ehrbezeugung, es zu übernehmen, der symbolische Profit der jeweiligen Familie war entsprechend groß. Die Bedeutung, die diese Konstellation für die Kammerrichter des 18. Jahrhunderts 362 Pütter, Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung, Bd. 1, S. 310. Vgl. auch Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 108 f. 363 Stollberg-­Rilinger, Die Würde des Gerichts, S. 204; Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 108 f. 364 Moser, Vermischte Nachrichten von Reichs-­Ritterschaftlichen Sachen, Bd. 1, § 7, S. 229. 365 Vgl. dazu die Einleitung zu Kap. III.

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hatte, wird in der Argumentation Philipp Karls von Hohenlohe-­Bartenstein deutlich. 1722 stand dieser mit dem Mainzer Erzkanzler in einem Konflikt um die Titulatur des Kammerrichters. Und zwar beanspruchte Hohenlohe den Titel „Exzellenz“.366 Hohenlohe begründete seine Forderung mit dem Argument, dass vorab da von Chur- und Fürsten selbsten auff dies [das Kammerrichteramt] würde ob eius eminentiam jederzeit eine grose Regard gemacht zu werden pfleget, da nemblich ­solche zu besitzen sie sich vor eine Ehr geschätzt, da hergegen ein regierende geist- und weltlicher Fürst prima classis und am allerwenigsten ein Churfürst einen ksl. primum ministrum oder auch Ambassadeur abzugelten sich ermassen verstad haben würden.367 Die ersten Reichsgrafen, die sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts um das Kammer­richteramt bemühten, waren sogar unsicher, ob der ­Kaiser sie für geeignet hielt. Philipp Ernst von Hohenlohe-­Schillingsfürst und Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein argumentierten 1711 gegenüber dem Mainzer Erzkanzler, früher ­seien auch Reichsgrafen ernannt worden. Ihre Bewerbung dürfte daher nicht ohne Aussicht sein.368 Die beiden Hohenlohe waren jedoch nicht erfolgreich. An ihrer statt erhielt Maximilian Karl von Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort das Kammer­richteramt.369 Nachdem Löwenstein auf es verzichtet hatte, übertrug der ­Kaiser es 1714 Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch. Er war der erste Reichsgraf seit über hundert Jahren auf dieser Position.370 Der Prestigegewinn für ihn persönlich und für den Reichsgrafenstand insgesamt war für Fürstenberg eines der wichtigsten Argumente, das Kammerrichteramt zu übernehmen. Auf einer Liste, auf der er das Pro und Contra abwog, führte er unter den Vorteilen auf: Geschehete hierdurch dem gesambten Reichs-­Grafen Standt ein nicht geringes Avantage, daß diser schon so lange Zeith nicht mehr von demselben bekleidete Posto widerumben durch eines seiner Mitgliederen besetzet wurde.371 Andere Reichsgrafen teilten seine Einschätzung. Johann von Waldburg-­Zeil führte in seinem Gratulationsschreiben an 366 Zum Konflikt ­zwischen dem Kammerrichter und dem Erzbischof von Mainz vgl. HHStA Wien MEA RKG 194a. Vgl. außerdem Kap. III.3.3. 367 HHStA Wien MEA RKG 194a, Valentin Ferdinand von Gudenus an Lothar Franz von Mainz, Wetzlar 25. März 1722. 368 HHS tA Wien MEA WaKr 37, Philipp Ernst von Hohenlohe-­Schillingsfürst an Lothar Franz von Mainz, Ems 14. Juni 1711. 369 HHStA Wien MEA WaKr 37, Friedrich August I. von Sachsen an das Reichskammergericht, Lüssow bei Stralsund 9. Dezember 1711 (Kopie). Vgl. auch Hermkes, Das Reichsvikariat in Deutschland, S. 75, und Kap. II.4. 370 1716 wurde Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch dann in den Reichsfürstenstand erhoben, das Kammerrichteramt trat er erst 1718 an. Zu Fürstenberg und seiner Familie vgl. Kap. III.1.2. 371 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, ­Rationes pro et contra, [Meßkirch Mai 1714].

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Fürstenberg aus, dass hieran durch den gesambten Reichs Grafen Stand quasi postliminio jure in seine alte Ehren Charge restitutiert.372 Und Albrecht Wolfgang von Hohenlohe-­Langenburg schrieb, dass durch der praepotentiorum invidase Absichten bishero zimlich getruckte Grafenstand dadurch eben an dem Orth, da desen uhralte Praerogation, Ansehen und Herkommen ohnlängst sehr empfindlich derogiert werden wollen, in ein neues Lustre gesetzt worden sei.373 Besonders hoch war der Gewinn für die Kammerrichter, die die Standesanforderungen ihres Amts nicht erfüllten. Dies traf auf Franz Adolf Dietrich von Ingelheim (1730 – 1742) und Franz Joseph von Spaur (1763 – 1797) zu, deren Familien der Reichsritterschaft bzw. dem habsburgisch-­landständischen Adel angehörten. Auch die Familie Ambrosius Franz‘ von Virmond (1742 – 1744) gehörte ursprünglich der Reichsritterschaft an. Ihr war aber wenige Jahre vor der Ernennung ­Ambrosius Franz‘ zum Kammerrichter gelungen, die Reichsstandschaft zu erwerben.374 Das Kammerrichteramt konnte für den nicht-­reichsständischen Adel offenbar eine ähnliche Funktion einnehmen wie die Kanonikate der exklusiven Domstifte Köln und Straßburg und deren weibliche Äquivalente Essen und Thorn, die dem hohen Reichsadel vorbehalten waren. Für das Stift Essen wurde gezeigt, dass es nicht nur der Versorgung unverheirateter Töchter diente, sondern auch der sozialen Abgrenzung der katholischen Reichsstände.375 Zahlreiche nicht-­reichsständische Familien versuchten deshalb, Domherren- und Kanonissenstellen an den exklusiven Stiften zu erwerben. Mit einer Aufnahme konnte der soziale Aufstieg vorangebracht und das symbolische Kapital der Familie deutlich vermehrt werden. In den Dom- und Damenstiften bestimmte der hohe katholische Reichsadel selbst über die Aufnahme neuer Kanoniker und Kanonissen. Er verhinderte bis zur Mitte 18. Jahrhunderts den Zugang aufstrebender Familien weitgehend.376 Über die Besetzung des Kammerrichteramts bestimmte dagegen allein der ­Kaiser, der mit der Vergabe ­dieses Amts bestimmte Fraktionen am Hof oder in den Domkapiteln befriedigen konnte.377 372 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Johann von Waldburg-­Zeil an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wurzbach 22. September 1714. 373 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Albrecht Wolfgang von Hohenlohe-­Langenburg an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Langenburg 28. November 1714. 374 Seit dem Westfälischen Frieden hatten sich Angehörige der Reichsritterschaft bereits intensiv um die Ämter der Präsidenten bemüht, vgl. Duchhardt, Reichsritterschaft und Reichskammergericht, S. 322 – 325. Zur Familie Virmond vgl. Kap. III.1.5. 375 Küppers-­Braun, Frauen des hohen Adels im kaiserlich-­freiweltlichen Damenstift Essen, S. 267 – 302; dies., Dynastisches Handeln von Frauen, S. 230 – 238; dies., Zur Sozialgeschichte katholischer Hochadelsstifte, S. 376 – 394. 376 Küppers-­Braun, Frauen des hohen Adels im kaiserlich-­freiweltlichen Damenstift Essen, S. 295 – 301; dies., Zur Sozialgeschichte katholischer Hochadelsstifte, S. 386 – 394. 377 Vgl. dazu Kap. III.4.1 u. III.4.3.

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Die Besetzungspraxis der K ­ aiser rief bei den Reichsständen Widerspruch hervor. Besonders die Reichsgrafen sahen ihre Rechte und ihre soziale Abgrenzung zur Ritterschaft gefährdet. Für die Reichskammergerichtspräsidenten galten prinzipiell dieselben Standesvoraussetzungen wie für den Kammerrichter. Doch bereits 1671 war die Stelle des katholischen Präsidenten mit Philipp Franz Eberhard von ­Dalberg, Kämmerer von Worms, erstmals mit einem Angehörigen der Reichsritter­ schaft besetzt worden. Die schwäbischen Reichsgrafen hatten daraufhin beim ­Kaiser protestiert und auf den bisherigen Rechtszustand verwiesen.378 Die Ritterschaften wiederum hatten vom ­Kaiser verlangt, er müsse sie vor den unbegründeten Ansprüchen der Reichsgrafen schützen.379 1730 wurde mit Franz Adolf Dietrich von Ingelheim ein Reichsritter sogar Kammerrichter. Die Reichsgrafen beschwerten sich darüber insbesondere bei den nachfolgenden Wahltagen 1741 und 1745.380 Die Ernennung Franz Josephs von Spaur 1763 sorgte für besondere Empörung, da er nur ein Angehöriger der österreichischen Landstände war. Der Prokurator Zwierlein berichtete in seinen vermischten Briefen, der Reichstagsgesandte Wilhelm Friedrich von Pistorius habe noch im selben Jahr in Regensburg eine Schrift verteilt, die belegen sollte, warum der Kammerrichter in jedem Fall reichsständisch sein müsse.381 Als ab 1767 die letzte Reichskammergerichtsvisitation in Wetzlar tagte, 378 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 6, S. 360 f.; Smend, Das Reichskammergericht, S. 260; Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 128 – 130. Zu Philipp Franz Eberhard von Dalberg, Kämmerer von Worms, und seiner Familie vgl. Andermann (Hrsg.), Ritteradel im Alten Reich, insbesondere ders., Der Aufstieg der Kämmerer von Worms; Murk, „Damit der Splendor erhalten werde“. Zu den Bemühungen der Reichsgrafen, sich gegenüber aufsteigenden Familien abzugrenzen, vgl. Arndt, Zwischen kollegialer Solidarität und persönlichem Aufstiegsstreben, bes. S. 119 – 121; Stollberg-­Rilinger, Der Grafenstand in der Reichspublizistik, bes. S. 33. 379 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 6, S. 360 f. 380 Ebd., Bd. 8,2, § 6, S. 361; ders., Vermischte Nachrichten von Reichs-­Ritterschaftlichen Sachen, Bd. 1, § 10 – 12, S. 232. Zur publizistischen Auseinandersetzung vgl. auch ­Duchhardt, Reichsritterschaft und Reichskammergericht, S. 331 f. Vgl. außerdem Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 109 f. 381 Zwierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 190 f. Als Titel der Schrift gibt Zwierlein an: Kurzgefaßte Beweisgründe, daß nach denen Reichsgesezzen und Herkommen, die Kammerrichterstelle mit einer Siz und Stimme auf dem Reichstag habenden, oder doch aus einem solchen zu dem hohen Adel gehörigen Reichsständischen Hause entsprossen geist- oder weltlichen Fürsten oder Grafen zu besetzen sey, Neuwied 1763 (vgl. ebd., Bd. 1, S. 190 – 196). Darüber hinaus erläutert Zwierlein, weshalb die Berufung Franz Josephs von Spaur zum Kammerrichter rechtmäßig sei. Johann Jacob Moser berichtet zudem, dass der ehemalige ritterschaftliche Konsulent Stephan Christoph von Harpprecht eine Gegenschrift verfasst habe, vgl. Moser, Vermischte Nachrichten von Reichs-­Ritterschaftlichen Sachen, Bd. 1, § 13, S. 233. Teilabdruck und Kommentierung desselben ebd., Bd. 1, § 1 – 27, S. 233 – 265.

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setzten einige Reichsstände das Thema auch hier auf die Tagungsordnung. 1769 wurde es einige Sessiones lang diskutiert.382 Der kaiserliche Gesandte argumentierte, die Reichsstände ­seien nicht berechtigt, über Entscheidungen des Kaisers zu urteilen.383 Die Reichsstände führten dagegen die Bestimmungen der Reichskammergerichtsordnungen an.384 Außerdem brüskiere die Ernennungspraxis des Kaisers die Kurfürsten von Trier. Diese hätten in der Vergangenheit ein Amt ­ausgeübt, das nun mit einem Landstand besetzt sei.385 Der mecklenburgische Deputierte brachte zudem vor, die Verlässlichkeit des Reichskammergerichts und das ihm entgegengebrachte Vertrauen würden beschädigt, wenn der Kammerrichter von zu geringem Stand sei. Er gab zu Protokoll, dass ein solcher Cammer Richter wirklich zu bedaueren [sei], in dem er kaum vorsichtig genug zu Werck gehen kann, um Stände des Reichs die Überzeugung zu geben, daß er auf dem nexum subjectionis und den daraus entspringenden merum reverentialem auch auf seine hinterbliebene landsäßige Familie und deren Connexion nur die mindeste Rücksicht in Handhabung einer omni respectu unpartheyischen und unbedencklichen Justiz Pflege genommen habe.386 Ähnlich hatte bereits 1737 Wilhelm VIII . von Hessen-­Kassel argumentiert. Im Rahmen eines Prozesses, den er gegen den Erzbischof von Mainz um das Freigericht Wilmundsheim führte, erhob er Korruptionsvorwürfe gegen den Kammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim und merkte an: [Die] cammer-­richterliche Charge ist, so lange sie von fürnehmen Churfürsten, Fürsten und Ständen des Reiches, wie es die Cammer-­Gerichts-­Ordnung erfordert, begleitet worden, jederzeit in grossem Ansehen gewesen. Der jetzige Hr. Cammer-­Richter ist der erste, welcher dieselbe auff einen Non-­Statum gebracht: Er ist aber auch der Erste, bey welchem dieselbe auff den untersten Grad gefallen.387

382 HHStA Wien RK RKGVA 64, Sessiones 300 – 312 der Reichskammergerichtsvisitation, 19. Mai – 14. Juni 1769. Vgl. auch Schrötter, Gesammelte Original-­Briefe, Bd. 1, S. 253 – 271. 383 HHStA Wien RK RKGVA 64, Sessio 300 der Reichskammergerichtsvisitation, 19. Mai 1769, Votum Österreichs. 384 HHStA Wien RK RKGVA 64, Sessiones 300 – 312 der Reichskammergerichtsvisitation, 19. Mai – 14. Juni 1769. Besonders der Deputierte des Herzogtums Bremen engagierte sich für die Einhaltung der Bestimmungen der Reichskammergerichtsordnung. 385 HHStA Wien RK RKGVA 64, Sessio 303 der Reichskammergerichtsvisitation, 26. Mai 1769. Dieses Argument brachte der kursächsische Deputierte in die Diskussion ein. 386 HHStA Wien RK RKGVA 64, Sessio 301 der Reichskammergerichtsvisitation, 22. Mai 1769. 387 HHStA Wien RK RKGVA 337b, Beantworttung der Von des Herrn Cammer-­Richter nunmehrigen Graffen von Ingelheims Excellenz herausgegebenen Ferneren aber mit Unrecht so genannten Wahrhafften und Gründlichen Nachricht daß in Causa Ihro Hoch-­Fürstl. Durchl. Des Hrn. Landgraffen Wilhelm zu Hessen-­Cassel contra Ihro Churfürstl. Gnaden zu Mayntz, das Frey-­Gericht vor dem Berg Welmitzheim betreffend […], 1739, S. 47 f.

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III.3.3 Die Verteidigung und Vermehrung symbolischen Kapitals Wesentlich für die Maximierung des symbolischen Profits war, dass die Kammerrichter den zeremoniellen Status ihres Amts erhielten und im Idealfall noch ausbauten. Dies führte innerhalb und außerhalb des Reichskammergerichts zu zahlreichen Zeremonial- und Rangkonflikten, wie sie insgesamt die Struktur des Reichs in der Frühen Neuzeit prägten.388 Mit der Würde des Kammerrichters war verbunden, dass die übrigen Angehörigen des Gerichts und auch Dritte ihm zu bestimmten Gelegenheiten ihre Aufwartung machten oder ihm gratulierten. Abweichungen wurden von den Kammerrichtern genau registriert und gegebenenfalls scharf kritisiert. Der Geheime Rat von Gudenus berichtete 1765 Alexander zu Wied-­Neuwied, der Kammerrichter Franz Joseph von Spaur habe en détail vermerkt, w ­ elche Fürsten und Stände ihn zu seinem Amtsantritt beglückwünscht hätten.389 Und der kaiserliche Assessor Philipp Friedrich von Dresanus berichtete 1726 einem Mitglied der kurfürstlich-­mainzischen Verwaltung, der Kammerrichter Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein habe einen anderen Assessor schwer gerügt. Dieser habe die Mittagseinladung Hohenlohes vorzeitig verlassen, da er am selben Tag noch nach Gießen reisen wollte.390 Bei aus ihrer Sicht schwereren Verstößen griffen die Kammerrichter auch zu drastischeren Maßnahmen. 1726 versäumte es der katholische Assessor des fränkischen Kreises Valentin Ferdinand von Gudenus, dem Kammerrichter Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein seine Abreise und Wiederankunft in Wetzlar anzuzeigen.391 Hohenlohe sah dadurch den schuldigen Respect, der ihm als Kammerrichter gebühre, verletzt und war so ernstlich verärgert, dass er die Sache vor das Plenum des Reichskammergerichts brachte.392 Er forderte, dass Gudenus ihm im Rahmen einer Visite Satisfaction gewähre. Außerdem schloss er ihn von allen Festen und Veranstaltungen aus, die er ausrichtete, beispielsweise von den Festmahlen zu den Namenstagen des Kaisers und der Kaiserin.393 Der kurmainzische K ­ anzleiverwalter 388 Füssel / Weller, Einleitung, S. 15 – 19; Stollberg-­Rilinger, Zeremoniell als politisches Verfahren. Vgl. auch Hengerer, Hofzeremoniell, Organisation und Grundmuster; Winkelbauer, Fürst und Fürstendiener, S. 291 – 320. 389 Vgl. Diestelkamp, Gesellschaftliches Leben am Hof des Kammerrichters, S. 22 f. 390 HHS tA Wien MEA RKG 194a, Philipp Friedrich von Dresanus an Johann Georg von Lasser, Wetzlar 18. August 1726. 391 HHStA Wien MEA RKG 194a, Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Wien 17. Juli 1726; Lothar Franz von Mainz an Friedrich Karl von Schönborn, Mainz 6. August 1726 (Konzept). 392 BArch AR 1-IV/92, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 27. März 1726, fol. 52r–58r. 393 HHS tA Wien MEA RKG 194a, Rechtfertigung des Assessors Valentin Ferdinand von Gudenus, o. O. 2. April 1726; Lothar Franz von Mainz an Friedrich Karl von Schönborn,

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und der kaiserliche Assessor Philipp Friedrich von Dresanus versuchten intensiv zu vermitteln, doch keine der beiden Parteien lenkte ein.394 Gudenus war sich keiner Schuld bewusst und sah sich von Hohenlohe unberechtigt brüskiert.395 Er machte zur Bedingung, der Kammerrichter solle den ehrenrührigen Eintrag im Plenums­ protokoll bezüglich seiner angeblichen Verfehlung streichen. Der Kammerrichter setzte dem entgegen, das könne nur auf kaiserlichen Befehl hin geschehen.396 ­Gudenus unterließ in der Folgezeit, dem Kammerrichter Visiten abzustatten, obwohl der Mainzer Erzbischof ihm dringend davon abgeraten hatte.397 Der weitere Fortgang der Geschichte verläuft sich in den Quellen. Der kaiserliche Assessor Philipp Friedrich von Dresanus hatte einige Jahre später eine ähnliche Auseinandersetzung mit Franz Adolf Dietrich von Ingelheim (1730 – 1742), dem Nachfolger Hohenlohes als Kammerrichter. Ingelheim behauptete, Dresanus habe ihm nach der Ernennung zum Kammerrichter nicht gratuliert. Dies bestritt Dresanus und führte seinen eigenen Bruder sowie den Assessor Johann Franz Ägidius von Beaurieux als Zeugen an.398 Ingelheim entzog Dresanus dennoch in der Folge kraft kammerrichterlicher Autorität alle Ehrbezeugungen. Dresanus schrieb an den kurmainzischen Hofkanzler Johann Georg von Lasser, Ingelheim schneide ihn bei den Gottesdiensten, während er allen anderen die höchsten Ehren erweise. Ingelheim schließe ihn auch von seinen Einladungen aus, obgleich er alles dahier in officiis stehende Bediente, so gahr auch die lutherische und reformierte Prediger, bey dero Taffel tractiret.399 Auch hier ist der weitere Verlauf des Konflikts nicht fassbar. Mainz 6. August 1726 (Konzept). 394 HHStA Wien MEA RKG 194a, Lothar Franz von Mainz an Philipp Karl von Hohenlohe-­ Bartenstein, Mainz 10. August 1726 (Konzept). Vgl. ebd. auch die Berichte Philipp ­Friedrichs von Dresanus an Johann Georg von Lasser, 7., 8., 14., 17. u. 18. August 1726. 395 HHS tA Wien MEA RKG 194a, Rechtfertigung des Assessors Valentin Ferdinand von Gudenus, o. O. 2. April 1726. 396 HHS tA Wien MEA RKG 194a, Philipp Friedrich von Dresanus an Johann Georg von ­Lasser, Wetzlar 14. August 1726; Lothar Franz von Mainz an Friedrich Karl von S­ chönborn, Mainz 20. August 1726 (Konzept). Tatsächlich findet sich auch heute noch die entsprechende Beratung im Plenumsprotokoll, vgl. BA rch AR 1-IV /92, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 27. März 1726, fol. 52r–58r. 397 HHStA Wien MEA RKG 194a, Lothar Franz von Mainz an Philipp Karl von Hohenlohe-­ Bartenstein, Mainz 16. August 1726 (Konzept); Philipp Friedrich von Dresanus an Johann Georg von Lasser, Wetzlar 8. September 1726 (Extrakt); Johann Georg von Lasser an P ­ hilipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, Mainz 29. Oktober 1726 (Konzept). 398 HHS tA Wien MEA RKG 194a, Philipp Friedrich von Dresanus an Johann Georg von Lasser, Wetzlar 10. Oktober 1730. 399 HHStA Wien MEA RKG 194a, Philipp Friedrich von Dresanus an Johann Georg von L ­ asser, Wetzlar 10. Oktober 1730. Vom gesellschaftlichen Leben zur Zeit Ambrosius Franz’ von

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Besonders wichtig für den Erhalt bzw. die Vermehrung des symbolischen Kapitals waren die Titel, mit denen der Kammerrichter innerhalb und außerhalb des Gerichts angesprochen oder angeschrieben wurde.400 Titulaturen waren in der Frühen Neuzeit im Gegensatz zu heute keine bloßen Höflichkeitsfloskeln, deren Bedeutung nur bei groben Verstößen wahrgenommen wird.401 Titel vermittelten vielmehr zeichenhaft politisch-­soziale Geltungsansprüche, die erhoben, anerkannt oder zurückgewiesen werden konnten. Die Titulatur des Kammerrichters war besonders relevant, da die Gerichtsparteien ihre Eingaben anders als am Reichshofrat nicht an den ­Kaiser adressierten, sondern direkt an den Kammerrichter, die Präsidenten und die Assessoren.402 Die Kammerrichter beanspruchten im 18. Jahrhundert, selbst wenn sie selbst keine Fürsten waren, auch von solchen mit „Hochgeboren“ und „gnädigst“ angeredet zu werden.403 Ihre Titulatur lautete dementsprechend Hoch- und Hochwohlgebornen zum kayserl. und Reichs-­Cammer-­ Gericht hochverordneten Richter, Praesidenten und Assessoren, meinen bzw. unsern gnädigst und gnädigen Herren.404 Darüber hinaus verlangten die Kammerrichter spätestens seit den 1720er Jahren, auch in fürstlichen Schreiben mit Excellenz tituliert zu werden.405 Besonders Kammerrichter, die von vergleichsweise niedri­ gem Stand waren, konnten von den Ehrerbietungen von weit über ihnen stehenden Virmond wird berichtet, er habe zweimal pro Woche eine „förmliche Cour“ abgehalten, vgl. Gloël, Goethes Wetzlarer Zeit, S. 17. Zu den vom Kammerrichter Franz Joseph von Spaur gegebenen Festen vgl. Diestelkamp, Gesellschaftliches Leben am Hof des Kammerrichters, S. 23 f., und zu denen vom damaligen Kammerrichteramtsverweser und darauffolgenden Kammerrichter Heinrich Aloys von Reigersberg vgl. Im Dienst des Fürstenhauses und des Landes Württemberg, S. 110. 400 Dementsprechend betonte der Geheime Rat von Gudenus 1765 gegenüber Alexander zu Wied-­Neuwied, dass die Titulatur des Kammerrichters peinlich genau einzuhalten sei. Vgl. Diestelkamp, Gesellschaftliches Leben am Hof des Kammerrichters, S. 23. 401 Krischer, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, S. 203 f. Vgl. auch den Artikel „Titul“ in: Zedlers Großes vollständiges Universal-­Lexicon, Bd. 44, Sp. 473. Vgl. außerdem zur Bedeutung der Gestaltung von Schreiben Droste, Briefe als Medium symbolischer Kommunikation. 402 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 11, S. 363 f. 403 Cramer, Wetzlarische Nebenstunden, Bd. 76, S. 22 f. Vgl. auch Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 11, S. 363 f. Vgl. auch in BA rch AR 1-Misc./636, die Titulatur-­ Beispiele für die Kammerrichter Johann Hugo von Orsbeck und Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein. 404 Cramer, Wetzlarische Nebenstunden, Bd. 76, S. 22. Der Geheime Rat von Gudenus gibt in einem Memorial von 1765 für Alexander zu Wied-­Neuwied als Titulatur des Kammerrichters Spaur an: Hochgeborner Reichsgraf, Hochverehrter Herr Kammerrichter. Vgl. dazu Diestelkamp, Gesellschaftliches Leben am Hof des Kammerrichters, S. 23. 405 Cramer, Wetzlarische Nebenstunden, Bd. 76, S. 22. Vgl. auch Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 11, S. 363 f. Entsprechendes gibt auch der Geheime Rat von Gudenus in

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Reichsständen profitieren. Der Reichsstaatsrechtler Johann Jacob Moser führt so in seinem Neuen teutschen Staatsrecht aus: Der Cammerrichter, wann er gleich nicht Fürstlichen Standes ist, siehet doch sein Amt als eine Fürstenmäßige Bedienung an.406 Vor allem höherstehende Reichsstände gewährten dem Kammerrichter jedoch nur ungern den symbolischen Profit, der sich aus der Titulatur ergeben konnte. Nach der Ernennung Karl Philipps von Hohenlohe-­Bartenstein zum Kammerrichter 1746 begannen einzelne Reichsstände und Reichskreise deshalb, ihre Schreiben an den ­Kaiser à Wetzlar zu richten und nicht mehr an den Kammer­richter und das Gericht. Sie vermieden damit, Hohenlohe mit gnädigster Herr und Excellenz anzureden.407 Hohenlohe fühlte sich brüskiert und wandte sich an den K ­ aiser. Dieser befahl den Reichsständen, sich wieder gemäß dem alten Herkommen zu verhalten.408 Für den Erwerb von symbolischem Kapital war zudem wichtig, dass der Kammer­richter sich zeremoniell deutlich von den anderen Angehörigen des Gerichts abgrenzte und damit seine herausgehobene Stellung sichtbar machte. Besondere Bedeutung kam auch hier der Titulatur zu. Im Frühjahr 1722 kam es in dieser Frage zu einer Auseinandersetzung ­zwischen dem Kammerrichter Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein und dem Erzbischof von Mainz Lothar Franz von Schönborn. Schönborn hatte Valentin Ferdinand von Gudenus als katholischen Assessor des fränkischen Kreises präsentiert und dabei das Gericht als hoch- und wohlgebohrenen Philipp Carl Graffen von Hohelohe, Herrn zue Partenstein, dann auch hoch- und wohlgebohrenen, vest, ehrsamb und hochgelehrten unseren lieben besonderen Cammerrichter, Praesidenten und Beysitzeren des ksl. Cammergerichts zu Wetzlar tituliert.409 Hohenlohe war der Ansicht, mit dieser Anrede werde nicht in ausreichender Weise z­ wischen ihm als Kammerrichter und den Präsidenten und Assessoren unterschieden. Er weigerte sich daher, die Präsentation von Gudenus zu akzeptieren, und forderte, mit Excellenz tituliert zu werden.410 Der E ­ rzkanzler einem Memorial von 1765 für Alexander zu Wied-­Neuwied an. Vgl. dazu Diestelkamp, Gesellschaftliches Leben am Hof des Kammerrichters, S. 23. 406 Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 12, S. 364. 407 BArch AR 1-Misc./802, ­Kaiser Franz I. an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 13. Mai 1747; ders. an dens., Wien 1. März 1749. Vgl. auch Cramer, Wetzlarische Nebenstunden, Bd. 76, S. 22; Moser, Neues teutsches Staatrecht, Bd. 8,2, § 11, S. 363 f. 408 BArch AR 1-Misc./802, ­Kaiser Franz I. an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 13. Mai 1747; ders. an dens., Wien 1. März 1749. Vgl. auch Cramer, Wetzlarische Nebenstunden, Bd. 76, S. 22; Moser, Neues teutsches Staatrecht, Bd. 8,2, § 11, S. 363 f. 409 HHStA Wien MEA RKG 194a, Lothar Franz von Mainz an Valentin Ferdinand von ­Gudenus, Mainz 28. März 1722 (Konzept), Beilage. 410 HHStA Wien MEA RKG 194a, Valentin Ferdinand von Gudenus an Lothar Franz von Mainz, Wetzlar 25. März 1722, Beilage.

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Die Kammerrichter

versuchte zunächst, ­dieses Ansinnen abzuschlagen. Er ließ Hohenlohe durch Gudenus ausrichten, er gewähre den Exzellenztitel nur Persönlichkeiten wie dem kaiserlichen Botschafter am Heiligen Stuhl oder dem kaiserlichen Obersthofmeister. Außerdem habe er ­zwischen der Anrede Hohenlohes und der der übrigen Kameralen eine große Lücke gelassen und so der Distinktion des Kammerrichters ausreichend Rechnung getragen.411 Hohenlohe entgegnete aber, das Amt des Kammerrichters rangiere höher als das kaiserlicher Minister und Gesandter erster Klasse. Sogar Kurfürsten hätten es übernommen, die sich nicht herabließen, als kaiserliche Gesandte nach Rom zu reisen.412 Der Erzkanzler befand sich nun in einem Dilemma. Prinzipiell war er geneigt, dem Kammerrichter einen höheren Titel zu gewähren, da er den ­Kaiser nicht brüskieren wollte, indem er dessen Repräsentanten angemessene Ehrbezeugungen vorenthielt.413 Außerdem war Hohenlohe ein naher Verwandter Schönborns, so dass er im Rahmen der familiären Strategien auch ein eigenes Interesse an dessen Erfolg hatte.414 Andererseits fürchtete Schönborn jedoch, die Gewährung des Exzellenztitels könne negative Konsequenzen haben. Er rechnete damit, dass in der Folge auch der Reichshofratspräsident den Exzellenztitel beanspruchen werde, obgleich er im Rang unter dem Kammerrichter stehe.415 Darüber hinaus argwöhnten Erzkanzler und Reichsvizekanzler, die Reichsgrafen könnten insgesamt symbolischen Profit aus der Angelegenheit schlagen. Diese forderten seit einigen Jahren erfolglos für sich das Prädikat Ew. Gnaden. Eine Aufwertung der Reichsgrafen würde die Reichsfürsten verärgern, was unbedingt zu vermeiden sei.416 Der Erzkanzler schlug Hohenlohe schließlich vor, er werde zwar den Exzellenztitel nicht verwenden, den Titel hoch- und wohlgeboren aber allein dem Kammerrichter gewähren. So werde deutlicher ­zwischen dem Kammerrichter und dem übrigen Gericht unterschieden. Der Kammerrichter solle jedoch dem Reichsvizekanzler zuvor versichern, dass er die geforderte Distinction nicht quam comes pro se et suis descendentibus sondern 411 HHStA Wien MEA RKG 194a, Valentin Ferdinand von Gudenus an Lothar Franz von Mainz, Wetzlar 25. März 1722; Lothar Franz von Mainz an Valentin Ferdinand von ­Gudenus, Mainz 28. März 1722 (Konzept). 412 HHStA Wien MEA RKG 194a, Valentin Ferdinand von Gudenus an Lothar Franz von Mainz, Wetzlar 25. März 1722. 413 HHStA Wien MEA RKG 194a, Lothar Franz von Mainz an Friedrich Karl von Schönborn, Mainz 28. März 1722 (Konzept). 414 HHStA Wien MEA RKG 194a, Lothar Franz von Mainz an Friedrich Karl von Schönborn, Mainz 22. Juli 1722 (Konzept). 415 HHStA Wien MEA RKG 194a, Lothar Franz von Mainz an Friedrich Karl von Schönborn, Mainz 28. März 1722 (Konzept). 416 HHStA Wien MEA RKG 194a, Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Wien 29. Juli 1722.

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quam judex camerae et repraesentatus caesarem verlange.417 Auf diesen Vorschlag ging Hohenlohe offenbar ein. Spätere Kammerrichter konnten allerdings den Exzellenz-­Titel für sich durchsetzen.418 Besonders stark bedrohten die beiden Reichskammergerichtspräsidenten die zeremonielle Stellung des Kammerrichters, da sie ihm am Gericht im Rang am nächsten standen. Sie waren die Vertreter des Kammerrichters und wurden wie er vom ­Kaiser ausgewählt. Die Reichskammergerichtspräsidenten waren ständig bestrebt, den zeremoniellen Abstand zum Kammerrichter zu verkleinern und ihren eigenen symbolischen Profit zu vergrößern. Um ­dieses Distinktionsverhältnis führte der Kammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim 1735 mit den beiden Reichskammergerichtspräsidenten Karl zu Wied-­Runkel und Ambrosius Franz von ­Virmond eine harte Auseinandersetzung.419 Ingelheim saß nur selten persönlich den Audienzen des Reichskammergerichts vor, sondern ließ sich meist von einem der beiden Präsidenten vertreten. Die Prokuratoren sprachen die Präsidenten im Vertretungsfall wie den Kammerrichter mit dem Titel gnädigster Herr an. Dies wollte Ingelheim nicht dulden, weil er durch die Gleichbehandlung der Präsidenten in der Audienz seinen Vorrang als Kammerrichter beschränkt sah. 1732 wandte er sich mit der Bitte an den ­Kaiser, den Gebrauch des gnädigst für die Präsidenten zu untersagen, allerdings ohne Erfolg.420 In der Folge betrieb ein Mitglied der Juristenfamilie Harpprecht die Angelegenheit für Ingelheim in Wien. Harpprecht riet zu einem vorsichtigen Vorgehen, da der Präsident Virmond am Kaiserhof einen sehr großen und mächtigen Anhang habe und sich das Unterfangen für Ingelheim als wenig profitabel erweisen könne.421 Ingelheim erwirkte dennoch 1735 ein kaiser­ liches Reskript, das den beiden Präsidenten das Recht auf den Gebrauch des gnädigst in der Audienz absprach.422 Für die Umsetzung des kaiserlichen Befehls wählte er drastische Maßnahmen, vermutlich um den Rangunterschied ­zwischen sich selbst und den beiden 417 HHStA Wien MEA RKG 194a, Lothar Franz von Mainz an Philipp Karl von Hohenlohe-­ Bartenstein, Mainz 1. Dezember 1722 (Konzept). 418 Moser, Neues teutsches Staatrecht, Bd. 8,2, § 11, S. 363 f.; Cramer, Wetzlarische Nebenstunden, Bd. 76, S. 22. 419 Vgl. dazu die Akten HHStA Wien MEA RKG 200b, HHStA Wien RK RKGVA 337b u. BArch AR 1-Misc./636. 420 BArch AR 1-Misc./636, Franz Adolf Dietrich von Ingelheim an ­Kaiser Karl VI., o. O. 28. Mai 1732 (Kopie). 421 BA rch AR 1-Misc./636, N. N. von Harpprecht an Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, Wien 18. September 1734. Zu den Kontakten Virmonds an den Kaiserhof vgl. Kap. III .1.5. 422 BA rch AR 1-Misc./636, Franz Adolf Dietrich von Ingelheim an ­Kaiser Karl VI ., [1735] (Konzept). HHStA Wien RK RKGVA 337b, ­Kaiser Karl VI. an Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, Wien 2. Juli 1735 (Kopie).

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Die Kammerrichter

Präsidenten besonders deutlich zu machen. Am 11. Juni 1735 lud er eine Deputation von Prokuratoren vor und befahl ihnen, die Präsidenten in den Audienzen nicht mehr mit dem strittigen Ehrentitel anzureden.423 Wied, der an ­diesem Tag der Audienz vorsitzen sollte, informierte er nicht. Der unerwartete öffentliche Verlust des Ehrentitels hätte Wied in besonderer Weise gedemütigt und seinem Ansehen und seiner Ehre geschadet. Einige Prokuratoren verhinderten dies, indem sie Wied vor Beginn der Audienz über den Befehl des Kammerrichters informierten.424 Ingelheim rechtfertigte sein Vorgehen mit dem Hinweis, er selbst sei als Präsident und sogar als Kammerrichteramtsverweser niemals mit gnädigster Herr angeredet worden. Die neue Praxis hebe die Distinction ­zwischen Kammerrichter und Präsidenten auf. Ambrosius Franz von Virmond stelle den Vorrang des Kammerrichters zudem auch anderweitig in Frage. Er beanspruche beim öffentlichen Kirchgang, neben dem Kammerrichter statt hinter ihm zu gehen.425 Die beiden Präsidenten sahen sich durch Verlust des strittigen Titels den Assessoren gleichgesetzt und in ihrem Rang erniedrigt. Sie argumentierten, sie säßen während der Audienzen in Vertretung des Kammerrichters auf seinem mit einem Baldachin überspannten Thron. Sie repräsentierten damit in gleicher Weise wie der Kammerrichter den ­Kaiser. Das unterscheide sie deutlich von den Assessoren, die auch dann nicht auf dem Kammerrichterthron Platz nehmen dürften, wenn weder der Kammerrichter noch die Präsidenten in einer Audienz anwesend s­ eien. Darüber hinaus habe der Kammerrichter viele andere Rechte, die ihn ausreichend von den Präsidenten abhöben. Nur er fahre in einer sechsspännigen Kutsche zum Gericht und verwende in seinem Haus und bei öffentlichen Prozessionen einen Baldachin.426 Die Argumente der Präsidenten scheinen wirkungslos geblieben zu sein, da der ­Kaiser seinen Befehl offenbar nicht zurückgenommen hat.

423 HHStA Wien RK RKGVA 337b, Karl zu Wied-­Runkel an K ­ aiser Karl VI., Wetzlar 31. Juli 1735 (Kopie); weitere Kopie in HHStA Wien MEA RKG 200b. ­ aiser Karl VI., Wetzlar 31. Juli 424 HHStA Wien RK RKGVA 337b, Karl zu Wied-­Runkel an K 1735 (Kopie); weitere Kopie in HHStA Wien MEA RKG 200b. 425 BArch AR 1-Misc./636, Franz Adolf Dietrich von Ingelheim an ­Kaiser Karl VI., o. O. 28. Mai 1732 (Kopie); ders. an dens., [1735] (Konzept); HHStA Wien MEA RKG 200b, Franz Adolf Dietrich von Ingelheim an Johann Adolf von Metsch, o. O. 21. Dezember 1735 (Kopie); Gründtliche Wiederlegung des an ksl. Mt. von denen beeden Cammerpraesidenten HH. Graffen von Wied undt von Virmond abzulaßenen Schreibens, die Abstellung der neu eingeführten Courtoisie gnädigster Herr betreff, o. O. o. D. ­ aiser Karl VI., Wetzlar 31. Juli 426 HHStA Wien RK RKGVA 337b, Karl zu Wied-­Runkel an K 1735 (Kopie); weitere Kopie in HHStA Wien MEA RKG 200b; HHStA Wien RK RKGVA 337b, Karl zu Wied-­Runkel und Ambrosius Franz von Virmond an K ­ aiser Karl VI., ­Wetzlar 25. August 1735.

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III.3.4 Symbolischer Profit und die Autonomie des Gerichts Der symbolische Gewinn des Kammerrichters war wie ausgeführt untrennbar mit seiner Funktion als kaiserlichem Repräsentanten verbunden. Die Kammerrichter waren daher an der Stärkung der kaiserlichen Autorität am Gericht interessiert. Wurde diese in Frage gestellt, reagierten sie unnachgiebig. In Kapitel  II wurde gezeigt, dass die Verfasstheit des Reichskammergerichts durch zeremonielle Handlungen konstituiert wurde. Indem die Kammerrichter ihre hervorgehobene zeremonielle Stellung verteidigten, stärkten sie zugleich die Stellung des Kaisers am Gericht und schwächten die gerichtliche Autonomie. Diesen Mechanismus verdeutlicht der Halbarmsesselstreit 1757.427 Durch den Umzug des Reichskammergerichts 1693 nach Wetzlar war der Neubau eines Gerichtsgebäudes notwendig geworden, der jedoch keine Fortschritte machte. Interimsquartier war das Rathaus, die sogenannte alte Kammer, das schwere Baumängel aufwies. 1756 wurde daher beschlossen, das Reichskammergericht übergangsweise in das Haus des verstorbenen Assessors Johann Franz Ägidius von Beaurieux, die sogenannte neue Kammer, zu verlegen. Im Zuge dessen wurden neue Möbel angeschafft, die später in den Neubau übernommen werden sollten. Im Plenumssaal wurden für den Kammerrichter ein mit kostbaren Schnitzereien verzierter Thron, für die Präsidenten und Assessoren dem alten Herkommen gemäß einfache Stühle aufgestellt. Für die Senatsräume ließ man aber für die Präsidenten und Assessoren mit grünem Plüsch bezogene Halbarmsessel anfertigen, da es dort mehr auf die Bequemlichkeit und Arbeit, als auf das Zeremoniell ankommet.428 Im Herbst 1756 nahmen die Präsidenten und Assessoren die Halbarmsessel in Gebrauch, was zunächst keinen Widerspruch hervorrief. Nach ihrer späteren Aussage trugen die neuen Sessel sogar zur Beschleunigung der Verfahren bei, da die Präsidenten und Assessoren aus Freude über die neuen Stühle ihr Ambt auch mit verdoppelten Eyfer zu verrichten angefangen und das Vergnügen, sich dermahl nach Standes-­Gebühr logiret zu sehen, von der gemein heilsamsten Wirkung gewesen, daß in dieser Zeith mehr Urtheylen publiciret worden, als vorhin niemahlen geschehen seyn dorfte.429 Zum Konflikt kam es, weil der Präsident Philipp Karl Anton von Groschlag seinen Sessel ins Plenum stellte und die Assessoren seinem Beispiel folgten.430 Der Kammerrichter Karl Philipp von Hohenlohe hatte fast ein dreiviertel Jahr weder dem Plenum noch 427 HHS tA Wien MEA RKG 237a. Vgl. auch Stollberg-­Rilinger, Die Würde des Gerichts, S. 205 – 212; Scheurmann, „Mit rothem Sammet und goldenen Borden“, S. 82 f. 428 HHStA Wien MEA RKG 237a, Pro Memoria praes., 14. September 1756 (Kopie). 429 HHStA Wien MEA RKG 237a, das Reichskammergericht an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 10. Juni 1757, Anlage Faktum, § 12 u. 16. 430 Ebd., Anlage Faktum, § 13.

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Die Kammerrichter

den Senaten beigewohnt. Als er erstmals wieder den Plenumssaal betrat und dort die Halbarmsessel sah, weigerte er sich, das Plenum einzuberufen, und wandte sich, ohne das Gericht zu informieren, an den ­Kaiser.431 Der ­Kaiser erließ daraufhin ein Reskript, in dem er dem Gericht befahl, unverzüglich die neuen Sessel aus den Plenums- und den Senatsräumen zu entfernen. Auf einem Halbarmsessel zu sitzen, sei allein das Vorrecht vor unseren repraesentierenden Cammer Richtern und in deßen Abwesenheit die Stelle verwesenden Praesidenten. Deshalb müsse der Zustand wiederhergestellt werden, wie er vor dieser unserm kayserl. Respect zuwieder laufender Veränderung gewesen sei.432 Nach Verkündung des kaiserlichen Befehls berieten sich die Assessoren und beschlossen, dem Kammerrichter einige Tage später ihre Antwort mitzuteilen. Doch Hohenlohe fand sich zu keiner Verhandlung bereit. Er ließ, mit Unterstützung des Präsidenten Karl zu Wied-­Runkel und ohne die Assessoren zuvor zu informieren, die Halbarmsessel aus dem Gerichtsgebäude entfernen und durch die Stühle aus der alten Kammer ersetzen. Die Assessoren fühlten sich brüskiert und wandten sich an den K ­ aiser, den Erzbischof von Mainz und an den Reichstag.433 Sie argumentierten auf der Grundlage der Reichskammergerichtsordnung von 1555, dass der Kammerrichter, aber auch die Präsidenten und die Assessoren von der keiserlichen Mayestat, auch Churfürsten, Fürsten und Stenden deß Heyligen Römischen Reichs an sollich hoch Justitien verordnet und an ihrer stadt sitzen.434 Während der Gerichtsaudienzen säßen sie sogar in derselben Anordnung wie der ­Kaiser und die Kurfürsten anlässlich der Eröffnung des Reichstags in actis imperii publicis.435 Sie repräsentierten deshalb den Reichsstand, der sie dem Gericht präsentiert habe, ebenso wie der Kammerrichter den K ­ aiser repräsentiere. Daraus leite sich ein Anrecht auf kurfürstliche Stühle ab.436 Der Erzkanzler von Mainz und die Gesandten des Reichstags verzichteten darauf, in den Streit am Reichskammergericht einzugreifen, da sich das Reich wegen des Siebenjährigen Krieg in einer schwierigen 431 HHStA Wien MEA RKG 237a, Nr. 9 Votum commune de acto Cantzlar in senatu secundo den 5. May 1757 (Kopie). 432 HHStA Wien MEA RKG 237a, K ­ aiser Franz I. an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, o. O. 19. April 1757 (Kopie). 433 HHStA Wien MEA RKG 237a, das Reichskammergericht an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 10. Juni 1757; das Reichskammergericht an den Reichstag, Wetzlar 7. Juni 1757 (Kopie); das Reichskammergericht an K ­ aiser Franz I., Wetzlar 12. Mai 1757 (Kopie). 434 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 8, S. 81. Vgl. auch HHStA Wien MEA RKG 237a, das Reichskammergericht an K ­ aiser Franz I., Wetzlar 12. Mai 1757 (Kopie); das Reichskammergericht an den Reichstag, Wetzlar 7. Juni 1757 (Kopie). 435 HHStA Wien MEA RKG 237a, das Reichskammergericht an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 10. Juni 1757, Anlage Faktum, § 27. 436 HHStA Wien MEA RKG 237a, das Reichskammergericht an Johann Friedrich Karl von Mainz, Wetzlar 10. Juni 1757, Anlage Faktum, § 27.

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Lage befand.437 So wurde er weder verhandelt noch abschließend gelöst. Offenbar setzte sich letztendlich der Kammerrichter durch, so dass die kaiserliche Autorität am Gericht gestärkt aus der Auseinandersetzung hervorging. In den 1760er Jahren kam es zu einem ähnlichen Zeremonialkonflikt. Z ­ wischen 1767 und 1776 tagte in Wetzlar die letzte Reichskammergerichtsvisitation, die Korruptionsfälle untersuchen und das Gericht reformieren sollte.438 Sie war vom Reichstag beauftragt und zusammengesetzt worden. Daher nahmen neben den Vertretern des Kaisers und der Kurfürsten auch die Deputierten zahlreicher Reichsstände teil, die sich als Seine kaiserliche Mayestet und das Reich repraesentirende Visitations Versammlung verstanden.439 Das Direktorium der Visitation führte wie auf dem Reichstag der Mainzer Erzkanzler, weshalb der Mainzer Subdelegierte dem Kammerrichter Franz Joseph von Spaur zu Beginn ein Memoriale zu den Handlungen der Visitation übergab. Spaur stand bei dieser Gelegenheit nicht wie von der Visitationskommission erwartet auf, sondern nahm das Memoriale im Sitzen entgegen.440 Damit dokumentierte er seinen Anspruch, als Vertreter des Kaisers über der vom Reich eingesetzten Visitation zu stehen. Der Mainzer Subdelegierte sah sich und die Visitation brüskiert und brachte den Vorfall in den Beratungen der Kommission vor.441 Auch die anderen Deputierten betonten den Vorrang der Visitationskommission gegenüber dem Kammerrichter, wollten aber keine ihre Arbeit behindernde Auseinandersetzung riskieren. Sie einigten sich auf die Sichtweise, der Kammerrichter habe aus Unkenntnis gehandelt, und beließen es dabei, ihn auf den Rang der Visitation hinzuweisen. Vorsorglich legten sie außerdem fest, alle Memorialen zukünftig durch einen Sekretär überreichen zu lassen, dem die strittigen Ehrbezeugungen nicht zustanden.442 Auch das Verhältnis der Kammerrichter zum Amt des kaiserlichen Geheimen Rats zeigt, dass sie kein Interesse an der Stärkung der kammergerichtlichen Autonomie hatten. Das Amt des kaiserlichen Geheimen Rats hatte gegen Ende des 17. Jahrhunderts seine politische Bedeutung verloren und hatte sich zu einem 437 HHStA Wien MEA RKG 237a, der kurmainzische Reichstagsgesandte an Johann ­Friedrich Karl von Mainz, Regensburg 27. Juni 1757. 438 Zur letzten Reichskammergerichtsvisitation vgl. Denzler, Über den Schriftalltag im 18. Jahrhundert; Aretin, ­Kaiser Joseph II. und die Reichskammergerichtsvisitation; ders., ­Kaiser Joseph II. und die Reichskammergerichtsvisitation (Aufs. ZNR); Smend, Das Reichskammer­ gericht, S. 228 – 238; Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 200 – 221. 439 HHStA Wien RK RKGVA 50, Sessio 7 der Reichskammergerichtsvisitation, 27. Mai 1767, Votum des Deputierten des Herzogtums Bremen. 440 HHStA Wien RK RKGVA 50, Sessio 6 der Reichskammergerichtsvisitation, 25. Mai 1767, Votum des kurmainzischen Deputierten. 441 Ebd., Votum des kurmainzischen Deputierten. 442 HHStA Wien RK RKGVA 50, Sessiones 6 u. 7 der Reichskammergerichtsvisitation, 25. u. 27. Mai 1767.

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Die Kammerrichter

reinen Hofehrenamt gewandelt, das die ­Kaiser für besondere Verdienste vergaben.443 Im 18. Jahrhundert galt es wegen seines hohen zeremoniellen Rangs am Kaiserhof und im Reich als sehr attraktiv.444 Trotz seiner geringen politischen Bedeutung war mit der Geheimen Ratswürde verbunden, dass die Inhaber dem ­Kaiser die Treue gelobten. Dieser Schwur widersprach nicht nur der Reichskammergerichtsordnung, die vorsah, dass Kammerrichter, Präsidenten und Assessoren ausschließlich dem Reichskammergericht per Eid verpflichtet sein sollten.445 Die offene Dokumentation einer engen Verbindung zum K ­ aiser schadete auch der Darstellung des Reichskammer­gerichts als einer unabhängigen Rechtsprechungsinstanz und wurde als Argument gegen die Integrität des Kammerrichters gebraucht. Trotzdem bemühten sich alle Kammerrichter des 18. Jahrhunderts aktiv um die Würde eines kaiserlichen Geheimen Rats.446 Franz Joseph von Spaur beispielsweise bat ­Kaiser Franz I. 1763 unmittelbar nach seiner Ernennung zum Kammerrichter, ihm diese zu verleihen. Er führte an, dass alle seine Vorgänger kaiserliche Geheime Räte gewesen ­seien und dass der Ratstitel zu mehrer Verherlichung und Authorität des Kammerrichteramts führe.447 Am 5. Juli 1763 kam der ­Kaiser seiner Bitte nach.448 Die Kammerrichter erzielten nicht nur durch zeremonielle Handlungen symbolischen Profit. Daneben kam auch der impliziten Symbolik eine Bedeutung zu, die Handlungen oder der Inanspruchnahme von Rechten innewohnt.449 Im Verfahren wurde nicht z­ wischen dem Handeln des Kammerrichters und seiner Rolle als kaiser­ lichem Repräsentanten differenziert. Übte der Kammerrichter bei Gericht seine Aufgaben aus, kam darin die Autorität des Kaisers als obersten Richters unmittelbar zum Ausdruck.450 Wurden die kammerrichterlichen Rechte beschnitten, wirkte sich dies nicht nur negativ auf die Stellung des Kaisers am Gericht aus. Gleichzeitig wurde auch die herausgehobene Position des Kammerrichters als kaiserlicher Repräsentant und damit dessen symbolischer Gewinn gemindert. Franz Adolf Dietrich von Ingelheim focht 1741 dementsprechend eine Auseinandersetzung mit einem Teil des Gerichts um die Position des Kammerrichters im laufenden Verfahren aus. Streitpunkt war, wer entscheiden könne, ob der Kammerrichter wegen Befangenheit nicht an einem 443 Pečar, Die Ökonomie der Ehre, S. 28 – 31. 444 Ebd., S. 28 f. 445 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 6, § 2, S. 80. Vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 5, § 10, S. 339. 446 Vgl. dazu ausführlich Kap. II.3.2. 447 HHStA Wien RK Geh. Räte 6, Franz Joseph von Spaur an ­Kaiser Franz I., [1763]. 448 HHStA Wien RK Geh. Räte 6, K ­ aiser Franz I. an Franz Joseph von Spaur, Wien 5. Juli 1763 (Konzept). 449 Krischer, Das Problem des Entscheidens, S. 35 – 41; Loewenich, Herstellung und Darstellung von Entscheidungen. 450 Vgl. dazu Kap. II.6.

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Verfahren teilhaben durfte.451 Der Bischof von Bamberg, Friedrich Karl von Schönborn, wollte Ingelheim von seinem Prozess gegen das Domkapitel von Bamberg ausschließen, da Ingelheim verwandtschaftlich eng mit d ­ iesem verbunden war. Rekusationen von Gerichtsangehörigen wurden normalerweise an den Kammerrichter gerichtet, der über sie je nach Wichtigkeit gemeinsam mit den Präsidenten, einigen Assessoren oder dem Plenum entschied.452 Wie verfahren werden sollte, wenn der Kammerrichter selbst rekusiert werden sollte, war nicht geregelt. Der Bischof von Bamberg richtete sein Ansinnen an die beiden Präsidenten.453 Ingelheim fühlte sich daraufhin übergangen und weigerte sich, vom Verfahren zurückzutreten.454 Der Präsident Karl zu Wied-­Runkel einigte sich mit dem größten Teil der Assessoren, dass das Plenum über die Rekusation des Kammerrichters beraten müsse.455 Diese Position würdigte die Autonomie der Verfahren, da durch den möglichen Ausschluss von Gerichtsangehörigen eine unabhängige Rechtsprechung gewährleistet wurde. Ingelheim dagegen vertrat die Auffassung, es sei mit der Stellung des Kammerrichters nicht vereinbar, sich Entscheidungen des Plenums zu unterwerfen. Damit schützte er das mit seinem Amt verbundene symbolische Kapital. Er wurde hierin vom Rest der Assessoren sowie vom anderen Präsidenten Ambrosius Franz von Virmond unterstützt, der damit offensichtlich auch eigene Interessen verband.456 Virmond besaß seit 1739 eine Expektanz auf das Kammerrichteramt. Nachdem die Reichsvikare und der Mainzer Erzkanzler in den Konflikt um Ingelheim involviert worden waren, rang sich das Plenum Ende Mai 1741 zu dem Conclusum durch, dass es nicht befugt sei, den Kammerrichter an seinen Amtsobliegenheiten zu hindern.457 451 Vgl. dazu ausführlich Kap. II.6.1. 452 Reichskammergerichtsvisitationsabschied von 1713, § 62, S. 1171. 453 Moser, Nebenstunden von Teutschen Staats-­Sachen, Bd. 1, § 1, S. 19 f. 454 Ebd., Bd. 1, § 2, S. 20. 455 Ebd., Bd. 1, § 2, S. 20. Vgl. auch HHStA Wien MEA RKG 222, Karl zu Wied-­Runkel an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 13. Mai 1741, (gedruckt in: Moser, Nebenstunden von Teutschen Staats-­Sachen, Bd. 1, § 6, S. 28 – 30); Franz Adolf Dietrich von Ingelheim an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 1. Juni 1741, Anhang; BArch AR 1-IV/101, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 20. Mai 1741, das Votum Karls zu Wied-­Runkel, fol. 104r–105v, hier 104v. Vgl. zum Folgenden auch BArch AR 1-Misc./446. 456 HHStA Wien MEA RKG 222, Franz Adolf Dietrich von Ingelheim an Karl III. Philipp von der Pfalz und Friedrich August II. von Sachsen, Wetzlar 20. Mai 1741 (Kopie); Ambrosius Franz von Virmond an Philipp Karl von Mainz, Wetzlar 20. Mai 1741.Vgl. auch BArch AR 1-IV/101, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 12. April 1741, fol. 80r–89r, insbesondere die Voten des Präsidenten Virmond (fol. 80r–82r) sowie der Assessoren Jodoci (fol. 82v f.), Pütz (fol. 83r f.) und Tönnemann (fol. 86r). 457 BArch AR 1-IV/101, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 20. Mai 1741, fol. 90r–118v. Vgl. auch Moser, Nebenstunden von Teutschen Staats-­Sachen, Bd. 1, § 11, S. 47; Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 202.

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III.4 Soziales Kapital: Einsatz und Erhalt sozialer Ressourcen III.4.1 Investition sozialer Ressourcen Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts war, wie oben dargelegt, die Zahl der Bewerber um das Kammerrichteramt – wie auch für andere vom ­Kaiser zu vergebende Ämter – zunehmend gestiegen. Die ­Kaiser nutzten das rege Interesse an diesen Chargen dazu, verschiedene Gruppen im Reich an sich zu binden.458 Für den Erhalt eines kaiserlichen Amts war es deshalb notwendig, soziale Ressourcen einzusetzen. Dabei konnte es sich um die Mobilisierung einflussreicher Personen, die beim ­Kaiser Fürsprache hielten, oder um Dienste handeln, die der Kandidat oder seine Familie dem K ­ aiser erbringen konnten, beispielsweise das Eintreten für die kaiserlichen Interessen bei Bischofswahlen oder auf dem Reichstag.459 Die Kammerrichter setzten vor allem auf die Förderung durch einflussreiche Persönlichkeiten. Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch besaß beispielsweise in Prinz Eugen von Savoyen einen mächtigen Fürsprecher. Fürstenberg hatte Savoyen in Frankfurt am Main kennen gelernt, als er dort kaiserlicher Gesandter bei den assoziierten Kreisen war.460 1714 schlug Prinz Eugen Fürstenberg vor, er solle sich um das Kammerrichteramt bemühen. Zugleich sagte er zu, sich in dieser Angelegenheit beim K ­ aiser einzusetzen.461 Nachdem sich Fürstenberg 1711 schon einmal gegen eine Bewerbung um das Kammerrichteramt entschieden hatte, entschloss er sich diesmal dazu und überschickte Prinz Eugen ein entsprechendes Schreiben.462 458 Vgl. dazu die Einleitung zu Kap. III. 459 Vgl. Press, Patronat und Klientel, S. 22 f.; Reif, Westfälischer Adel, S. 156 – 159. Dementsprechend begriffen etwa Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch (1718 – 1722) und sein Rat Thomas Riemensperger das Kammerrichteramt als Belohnung für die für das Vatterland höchstersprießlichen geleisteten Dienste. FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Thomas Riemensperger, Gutachten zum Kammerrichteramt, [Meßkirch Mai 1714]. Vgl. auch Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 252 – 258. 460 Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 250 f. u. 252 f. 461 FFA Donaueschingen OB 19 Vol. 40a Fasz. 1, Eugen von Savoyen an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wien 2. Mai 1714. Vgl. auch Mauerer, Südwestdeutscher Reichsadel, S. 252 f. 462 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Rationes pro et contra, [Meßkirch Mai 1714]. Darin erwähnt Fürstenberg: Scheinet es eine Disposition Gottes zue sein, daß, nachdeme wegen der bewusten importanten und honorablen Stelle beraits vor ohngefehr 3 Jahren von einem gewissen Ministro mir einiger Anwurff geschehen und damahls von mir darauf nicht reflectiret worden, anjetzo von einem so vornemmen Herren, welcher es vermuthlich von noch höheren Orthen in commissis hat, hierzue mir auffs neue ohne mein geringstes Gesuch Ahnlass gegeben werde. Diese Angaben Fürstenbergs erstaunen insofern, als die Ernennung Maximilian Karls von Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort 1711

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Dessen Fürsprache beim K ­ aiser hatte offenbar Erfolg, da Fürstenberg wenig später das Kammerrichteramt erhielt. Er trat es allerdings erst 1718 an.463 Auch Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein verfügte über ausgezeichnete Kontakte zum Kaiserhof. Seine Schwester Eleonora Maria war mit Johann Nepomuk von Schwarzenberg verheiratet, seine andere Schwester Sophie Marie mit Egon von Fürstenberg-­Weitra.464 Beide Ehemänner gehörten am Kaiserhof einflussreichen Familien an. Insbesondere Joseph von Schwarzenberg, der Neffe Oettingens, setzte sich intensiv für dessen Interessen ein. Er wandte sich mit der Bitte an den Reichsvizekanzler Franz de Paula Gundaker von Colloredo-­Mansfeld, seinem Onkel eine Expektanz auf die Reichhofratsvizepräsidentenstelle zu verschaffen.465 Dieser schlug jedoch vor, Oettingen solle sich um das Kammerrichteramt bemühen, falls es früher vakant werden sollte. Er werde seine Bewerbung gerne unterstützen.466 Oettingen befolgte den Rat des Reichsvizekanzlers und wurde nach dem Ableben des Kammerrichters Franz Joseph von Spaur am 1. August 1797 vom ­Kaiser zum Kammerrichter ernannt.467 durch die Reichsvikare von ­Kaiser Karl VI. nicht widerrufen wurde und Löwenstein sein Amt offiziell erst 1714 resignierte. Vgl. dazu Kap. II.4. Vgl. auch FFA Donaueschingen OB 19 Vol. 40a Fasz. 1, Eugen von Savoyen an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wien 9. Juni 1714; FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, ders. an dens., Wien 8. September 1714. 463 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, ­Kaiser Karl VI. an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­ Meßkirch, Wien 10. September 1714 (Ernennungsdekret); ders. an dens., Wien 16. April 1717 (erneutes Ernennungsdekret). Daneben spielte möglicherweise auch der Einfluss der Fürstenbergs in Domkapiteln eine Rolle, auch wenn sich ein direkter Zusammenhang nicht herstellen lässt. So wies K ­ aiser Karl VI . 1714 den gerade ernannten Kammerrichter Froben Ferdinand an, dass er auf seinen Vetter Anton Maria von Fürstenberg-­Stühlingen einwirken solle, bei der Koadjutorwahl in Eichstätt den kaiserlichen Kandidaten, Leopold von Lothringen, zu wählen. FFA Donaueschingen OB 19 Vol. 49 Fasz. 2, ­Kaiser Karl VI . an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, 16. Oktober 1714 (Kopie). 464 Vgl. dazu Kap. III.1.7. 465 FÖWA Harburg VIII 14 3a/2 – 85, Philipp Karl an Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein, Wetzlar 2. August 1797. Die Ernennung zum Reichskammergerichtspräsidenten 1791 hatten seine Brüder Kraft Ernst, Franz Ludwig und Friedrich Karl von Oettingen-­ Wallerstein sowie ein nicht näher bestimmbarer Onkel betrieben. Philipp Karl selbst war von der Aussicht, Reichskammergerichtspräsident zu werden, nicht sonderlich angetan. Kurz nach seiner Ernennung flehte Philipp Karl seine M ­ utter an, sie solle sich bei seinen Brüdern für ihn verwenden, diese Position nicht antreten zu müssen. Er würde sich zwar dem Willen der Familie beugen, hoffe aber, dass man ihn nicht wie einen pauvre miserable im Stich lasse. FÖWA Harburg NL „Volckhamer“ Kraft Ernst / Philipp Karl Umfeld Nr. 370, Philipp Karl an Charlotte Juliane von Oettingen-­Wallerstein, Wien 18. Dezember 1790. 466 FÖWA Harburg VIII 14 3a/2 – 85, Philipp Karl an Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein, Wetzlar 2. August 1797. 467 FÖWA Harburg, VIII 13 10a/11, ­Kaiser Franz II. an Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein, Wien 25. September 1797. Der Vorschlag Colloredos dürfte dennoch nicht nach dem

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Ambrosius Franz von Virmond, der sich ab 1737 um eine Expektanz auf das Kammerrichteramt bemühte, verfügte neben ausgezeichneten Kontakten am Kaiser­ hof auch über mächtige Förderer im Reich. Schon vor seiner Ernennung zum Reichskammergerichtspräsidenten hatte Prinz Eugen von Savoyen auf Bitte Johann Hermanns von Nesselrode-­Landscron, des Ehemanns von Virmonds Cousine, beim ­Kaiser Fürsprache gehalten.468 Auch bei Virmonds Bewerbung um das Kammer­ richteramt unterstützte ihn seine in Wien ansässige Verwandtschaft. Darüber hinaus förderten der Mainzer Erzbischof Philipp Karl von Eltz und der Kurfürst Karl III. Philipp von der Pfalz sein Ansinnen.469 Der Mainzer Erzbischof schlug dem ­Kaiser Virmond mehrfach für das Kammerrichteramt vor. Der Kurfürst von der Pfalz wies den Grafen von Wachtendonck, seinen Geheimen Rat in Wien, an, die Bewerbung von Ambrosius Franz zu betreiben. Wachtendonck nahm mit dem Reichsvizekanzler Johann Adolf von Metsch und anderen Würdenträgern am kaiserlichen Hof Kontakt auf.470 Metsch bevorzugte zunächst Anton Dietrich Karl von Ingelheim, den Sohn des amtierenden Kammerrichters. Ab Anfang des Jahres 1739 engagierte er sich jedoch für die Bewerbung Virmonds. Im Dezember desselben Jahres teilte der ­Kaiser dem Reichskammergericht mit, er habe Virmond eine Expektanz auf das Kammerrichteramt gewährt.471 Geschmack Oettingens gewesen sein, hatte er doch bereits einige Jahre zuvor ­Kaiser Franz II. bei einem Treffen gebeten, eine Stellung außerhalb Wetzlars zu erhalten, der Aufenthalt dort sei äusserst ekelhaft. Franz II. zeigte dafür Verständnis und versprach: Sobald ich Sie erlösen kann, tue ich es mit Vergnügen. FÖWA Harburg VIII 14 3a/2 – 85, ­Philipp Karl an Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein, Frankfurt a. M. 18. Juli 1792. 468 Schulte, Ambrosius Franz Graf von Virmond, S. 31 f.; LAV NRW Abt. Rheinland FA ­Virmond II 90, Maria Ludovika von Nesselrode-­Landscron an Ambrosius Franz von ­Virmond, o. O. 10. Februar 1731. 469 Zum erneuten Engagement Johann Hermanns von Nesselrode-­Landscron vgl. LAV NRW Abt. Rheinland FA Virmond II 99, Graf von Wachtendonck an Ambrosius Franz von ­Virmond, [Datum nicht mehr vorhanden, Ende 1737], fol. 186r–187v. Zum Engagement des Erzbischofs von Mainz vgl. LAV NRW Abt. Rheinland FA Virmond II 99, Graf von ­Wachtendonck an Ambrosius Franz von Virmond, Wien o. T. November 1737, fol. 150r–153r, u. BArch AR 1-Misc./624. Vgl. auch Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 200 mit Anm. 207. Zum Engagement des Kurfürsten von der Pfalz vgl. dessen Schreiben in BArch AR 1-Misc./645, Karl III. Philipp von der Pfalz an Ambrosius Franz von Virmond, Mannheim 14. November 1737. 470 LAV NRW Abt. Rheinland FA Virmond II 99, vgl. die Schreiben des Grafen von ­Wachtendonck, fol.161r–187v. 471 LAV NRW Abt. Rheinland FA Virmond II 99, Graf von Wachtendonck an Ambrosius Franz von Virmond, Wien 18. Dezember 1737, fol. 161r–162v; ders. an dens., Wien 25. Dezember 1737, fol. 173r–174r. Zum Engagement Johann Adolfs von Metsch und Philipp Karls von Eltz vgl. BArch AR 1-Misc./624. Vgl. außerdem BArch AR 1-IV/15, ­Kaiser Karl VI. an das Reichskammergericht, Wien 7. Dezember 1739, fol. 90 f.

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Nicht immer war das Netzwerk des jeweiligen Bewerbers bereit, sich für dessen Anliegen einzusetzen. 1711 bat der spätere Kammerrichter Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein Melchior Friedrich von Schönborn, den Bruder des Mainzer Erzbischofs Lothar Franz von Schönborn, seine Bemühungen um das Kammerrichteramt zu unterstützen.472 Hohenlohes Onkel Ludwig Gustav von Hohenlohe-­ Schillingsfürst war der Ehemann von Anna Barbara, einer Schwester der beiden Schönborn-­Brüder. 1695 hatte Hohenlohe Anna Barbaras Tochter Sophie geheiratet, die jedoch bereits 1698 verstorben war.473 Melchior Friedrich von Schönborn leitete Hohenlohes Gesuch an seinen Bruder Lothar Franz von Mainz weiter. Er wies ­darauf hin, dass er Hohenlohe für geeignet halte, aber nicht sicher sei, ob die Unterstützung der Bewerbung dem Schönbornschen Familieninteresse diene.474 Lothar Franz beriet sich mit seinem Neffen, dem Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn. Sie beschlossen, Friedrich Karl solle Hohenlohes Anliegen in Wien nur soweit betreiben, als dies ohne Präjudiz meiner ansuchenden Gnade pro me et familia möglich sei.475 Sie wollten demnach das soziale Kapital, das das Haus Schönborn am Kaiserhof besaß, nicht für Philipp Karl aufwenden. Tatsächlich scheiterte die Bewerbung Hohenlohes. Denn der K ­ aiser revidierte die Ernennung Maximilian Karls von Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort, die durch die Reichsvikare erfolgt war, zunächst nicht. Nach dessen Verzicht 1714 entschied er sich für Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch.476 1722 war allerdings die erneute Bewerbung Hohenlohes erfolgreich. Er wurde dabei von Fürstenberg unterstützt, der als amtierender Kammerrichter sein Amt aufgeben wollte. Er empfahl Hohenlohe mehrfach einflussreichen Personen am Kaiserhof als fähigen Nachfolger.477 Auch Franz Joseph von Spaur wurde nur bei seiner Bewerbung um das Amt des katholischen Reichskammergerichtspräsidenten vom Mainzer Erzbischof Johann Friedrich Karl von Ostein gefördert, obwohl er zu dessen Netzwerk gehörte.478 Spaur 472 HHS tA Wien MEA WaKr 37, Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein an Melchior ­Friedrich von Schönborn, Bartenstein 9. Juni 1711. 473 Vgl. dazu Kap. III.1.3. 474 HHStA Wien MEA WaKr 37, Melchior Friedrich von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Heusenstamm 16. Juni 1711. 475 Schröcker, Die Patronage des Lothar Franz von Schönborn, S. 68, ebd. Zitat. 476 Vgl. dazu Kap. II.4, III.1.2 u. III.1.3. 477 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an Ernst Friedrich von Windisch-Graetz, Wetzlar 31. Januar 1721 (Konzept); Philipp Karl von Hohenlohe-­ Bartenstein an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Soden 28. Januar 1721. 478 Zur Empfehlung Spaurs als Reichskammergerichtspräsident vgl. HHStA Wien RK RKGVA 339b, Johann Werner von Vorster an Rudolph Joseph von Colloredo, Mainz 5. Mai 1757; Anton Heinrich Friedrich von Stadion an Rudolph Joseph von Colloredo, Mainz 6. Mai 1757. Vgl. auch Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 85, S. 934.

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war der Schwiegersohn des kurmainzischen Großhofmeisters Anton H ­ einrich Friedrich von Stadion, der seinerseits ein enger Verwandter des Erzbischofs war. Spaur stand außerdem vor seinem Wechsel an das Reichskammergericht in Diensten des Mainzer Kurfürsten und war zuletzt Vizedom von Mainz.479 Als sich Spaur 1763 um das Kammerrichteramt bemühte, wandte er sich erneut an seinen Förderer Ostein und bat ihn um eine Empfehlung beim K ­ aiser.480 Der Mainzer Erzkanzler protegierte jedoch mit Karl Friedrich Willibald von Groschlag einen anderen Favoriten. Ostein wollte Spaur seine Unterstützung nicht offenkundig versagen. Deshalb versuchte er indirekt, dessen Bewerbung zu hintertreiben. Er wählte in seinem Schreiben an den K ­ aiser eine wenig enthusiastische Ausdrucksweise, um die mangelnde Ernsthaftigkeit seiner Empfehlung zum Ausdruck zu bringen.481 Sein Plan misslang jedoch, da Spaur offenbar über ausreichend gute anderweitige Kontakte zum Kaiserhof verfügte. Franz Adolf Dietrich von Ingelheim verfügte über andere Ressourcen als die persönliche Fürsprache. Sein Onkel Anselm Franz hatte 1690 als Erzbischof von Mainz seine Zustimmung zur Krönung Josephs I. zum deutsch-­römischen K ­ aiser erst gegeben, nachdem er jahrelang eine ­zwischen dem Kaiserhof und Frankreich lavierende Politik betrieben hatte. Eine Bedingung dafür war die Ernennung Franz Adolf Dietrichs zum Reichskammergerichtspräsidenten gewesen.482 1730 befand sich Ingelheim aufgrund der einflussreichen Stellung seiner Familie in mehreren Reichsstiften gegenüber ­Kaiser Karl VI. in einer günstigen Position. Ein wesent­ liches Argument für seine Bewerbung war, dass seine Söhne in mehreren wichtigen Domkapiteln vertreten waren, namentlich in Mainz, Trier, Würzburg, Halberstadt und Lüttich.483 Am Kaiserhof fürchtete man, diese könnten in Zukunft bei Bischofswahlen die kaiserlichen Kandidaten blockieren, sollte man die Bewerbung ihres Vaters übergehen. Schon bei der Wiederbesetzung des Erzbistums Trier 1729 hatte der kaiserliche Gesandte Johann Ferdinand von Kuefstein Anton Dietrich Karl von Ingelheim nur mühsam überreden können, den kaiserlichen Kandidaten Franz Georg von Schönborn zu wählen. Möglicherweise stand hinter dem Verhalten Anton Dietrich Karls schon das Kalkül, die Chancen seines Vaters auf das Kammerrichteramt zu erhöhen.484

479 Vgl. dazu Kap. III.1.6. 480 HHStA Wien MEA RKG 254, Johann Friedrich Karl von Mainz an Rudolph Joseph von Colloredo, Mainz 4. März 1763 (Konzept). 481 HHStA Wien MEA RKG 254, Johann Friedrich Karl von Mainz an den Geheimen Rat von Bree, Mainz 4. März 1763 (Konzept). 482 Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 179 f. 483 Ebd., S. 197 f. 484 Ebd., S. 197 f.

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Nicht nur der Erwerb des Kammerrichteramts, sondern auch seine Aufgabe verlangte unter Umständen die Nutzung sozialer Ressourcen. Der einzige Kammerrichter, der im 18. Jahrhundert sein Amt resignierte, ohne unmittelbar auf eine andere kaiserliche Stelle zu wechseln, war Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch. Bereits nach zweijähriger Amtszeit ersuchte er im April 1720 den ­Kaiser um seine Entlassung.485 Der Kaiserhof war von ­diesem Wunsch wenig angetan und lehnte ab.486 Kurz zuvor hatte ­Kaiser Karl VI . einen Zusatz der protestantischen Deputierten zum Reichskammergerichtsvisitationsabschied von 1713 kassiert, in dem dem Kammerrichter das Votum Decisivum in Religionsprozessen abgesprochen wurde. Dagegen protestierten die protestantischen Reichsstände heftig.487 In dieser reichspolitisch aufgeheizten Situation wollte der ­Kaiser das Kammerrichteramt nicht neu besetzen, da er fürchtete, die protestantischen Reichsstände könnten damit weitere Forderungen verbinden. Er bat Fürstenberg deshalb, seine Resignation aufzuschieben.488 Als Karl VI . im November 1720 ein zweites Mal ablehnte, Fürstenberg von seinem Amt zu entbinden, bat dieser sein Netzwerk um Unterstützung. Der Reichshofratspräsident Ernst ­Friedrich von Windisch-Graetz, der kaiserliche Oberstallmeister Johann Michael von Althann, der Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn und Prinz Eugen von Savoyen sagten ihm daraufhin zu, sein Ansinnen beim K ­ aiser zu befürworten.489 Außerdem setzte sich der Reichshofrat Heinrich Christoph von Braillard, der zuvor unter Fürstenberg Assessor am Reichskammergericht 485 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an ­Kaiser Karl VI., Meßkirch 17. April 1720 (Konzept). 486 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Friedrich Karl von Schönborn an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Laxenburg 1. Juni 1720. 487 Vgl. dazu Kap. II.6.3. 488 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Eugen von Savoyen an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wien 29. Januar 1721; ders. an dens., Wien 6. September 1721; Friedrich Karl von Schönborn an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wien 28. Juni 1721. 489 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an K ­ aiser Karl VI ., Wetzlar 9. November 1720 (Konzept); ders. an dens., Wetzlar 12. Januar 1721 (Konzept); ders. an dens., Wetzlar 18. April 1721 (Konzept); Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an Ernst Friedrich von Windisch-Graetz, Wetzlar 13. Januar 1721 (Konzept); Ernst Friedrich von Windisch-Graetz an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wien 26. Februar 1721; Eugen von Savoyen an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wien 29. Januar 1721; Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an Johann Michael von Althann, Wetzlar 17. Juni 1721 (Kopie); Johann Michael von Althann an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wien 3. September 1721; Eugen von Savoyen an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wien 6. September 1721.

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gewesen war, bei verschiedenen Ministern für Fürstenberg ein.490 Im November 1721 gelang es Fürstenberg schließlich, wahrscheinlich aufgrund der stetigen Anstrengungen seines Beziehungsgeflechts, sein Amt zu resignieren. III.4.2 Die spezifischen Ressourcen des Kammerrichteramts Das soziale Kapital, das der Kammerrichter in den Erhalt seines Amts investieren musste, konnte er durch die Nutzung seiner spezifischen Ressourcen wieder ausgleichen. Denn obwohl er formal an den Entscheidungen des Reichskammergerichts nicht beteiligt war, konnte er auf den Ablauf der Verfahren und den Ausgang der Urteile Einfluss nehmen. Das Reichskammergerichtsverfahren bestand aus zwei Verfahrensabschnitten.491 Im ersten Teil, dem Extrajudicialverfahren, entschied das Gericht, ob eine Klage angenommen werden sollte, also beispielsweise ob es überhaupt zuständig war. Fiel das Votum positiv aus, lud es den Beklagten bzw. seinen Prokurator vor und überstellte die Klageschrift. Darauf folgte der zweite Verfahrensabschnitt, das Judicialverfahren. Es begann mit einem in zwölf Termine gegliederten Austausch von Schriftsätzen ­zwischen den Parteien. Anschließend war es notwendig, dass eine der Parteien den Aktenschluss beantragte und um ein Urteil bat. Das Gericht beriet daraufhin den Fall und fällte ein Zwischen- oder Endurteil. Der Kammerrichter hatte dabei im Wesentlichen zwei Aufgaben, die es ihm erlaubten, Verfahren zu beeinflussen. Sowohl im Extrajudicial- als auch im Judicialverfahren wurden die Akten, bevor einer der Senate über den Fall beriet, einem Assessor zu Bearbeitung übergeben, der darüber einen Bericht, die sogenannte Relation, anfertigte. Der Kammerrichter hatte das Recht, diesen Assessor, den sogenannten Referenten, auszuwählen. Im Judicialverfahren bestimmte er abhängig von der Komplexität und der Schwere des Falls zusätzlich noch einen Korreferenten. Bei der Auswahl der Referenten und Korreferenten unterlag der Kammerrichter kaum normativen Vorgaben. Die Reichskammergerichtsordnung regelte lediglich, er solle die Akten so verteilen, dass alle Assessoren mit gleich viel Arbeit belastet s­ eien. Außerdem solle nicht ein Einzelner mehrere komplizierte Fälle gleichzeitig bearbeiten müssen.492 490 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Heinrich Christoph von Braillard an Froben ­Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wien 9. April 1721; ders. an dens., Wien 28. Juni 1721. Zu Braillard vgl. zudem Gschließer, Der Reichshofrat, S. 394. 491 Zum Reichskammergerichtsverfahren vgl. Diestelkamp, Von der Arbeit des Reichskammer­ gerichts; Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses; Sellert, Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae; Wiggenhorn, Der Reichskammergerichtsprozeß. Anhand der Edition ­Oestmann, Ein Zivilprozess am Reichskammergericht, lässt sich ein exemplarischer Prozess nachvollziehen. 492 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 10, § 2, S. 83.

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Eine weitere Möglichkeit für den Kammerrichter, Prozesse zu beeinflussen, ergab sich im 17. und 18. Jahrhundert aus der chronischen Unterfinanzierung des Gerichts, die zur personellen Unterbesetzung desselben führte. Nachdem der Referent die Relation fertiggestellt hatte, wurde über sie in einem der Senate beraten. Im Extrajudicialverfahren mussten die Senate aus mindestens vier, im Judicialverfahren aus mindestens sechs Assessoren bestehen. Die Reichskammer­ gerichtsordnung von 1555 sah vor, dass das Gericht in drei Senate eingeteilt werden sollte. Diesen sollte jeweils die für Definitiventscheidungen notwendige Anzahl an Assessoren zugewiesen werden. Ihre Zusammensetzung sollte ein Viertel-, ein halbes oder ein ganzes Jahr Bestand haben.493 Die permanente personelle Unterbesetzung des Gerichts besonders im 17. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bedingte, dass nicht genügend Assessoren zur Verfügung standen, um drei Senate dauerhaft zu besetzen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde es daher üblich, die Assessoren nicht mehr in Senate, sondern in Gruppen à drei oder vier Personen einzuteilen. Wenn ein Prozess zur Entscheidung anstand, fügte der Kammerrichter dann zwei dieser Gruppen zu einem Definitiv­senat zusammen.494 Das Recht zur Bestimmung der Referenten und die Instabilität der Senate ermöglichten es dem Kammerrichter, zugunsten einzelner Prozessparteien zu agieren. Er konnte Referenten auswählen oder Assessoren zu einem Senat zusammenstellen, die juristisch mehr oder weniger versiert waren, die eine bestimmte Auffassung der Sachlage vertraten oder die einem der Prozessbeteiligten besonders gewogen waren.495 Hinzu kam, dass die Verfahren am Reichskammergericht, zumindest theoretisch, unter absoluter Geheimhaltung gegenüber den Parteien, unbeteiligten Gerichtsangehörigen oder Dritten stattfanden.496 Da dem Kammerrichter die Aufsicht über alle Geschäfte des Gerichts oblag, hatte er Zugang zu allen prozessrelevanten Informationen. Er konnte daher den Stand eines Verfahrens jederzeit in Erfahrung bringen und, falls nötig, säumige Referenten und Senate ermahnen. 493 Ebd., Teil 1, Tit. 10, § 10 f., S. 85 f. 494 Pütter, Freymüthige Betrachtungen über die Senate, § 1 – 4 4, S. 1 – 29; Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 169, S. 322 – 327. Vgl. dazu auch Sellert, Verfahrensbeschleunigung am Reichskammergericht. 495 Dass die Kammerrichter tatsächlich selbst mit diesen Aufgaben befasst waren, zeigen die zahlreichen Unterlagen, die die Verteilung der Prozessakten an Assessoren, die Einteilung von Assessoren zu Senaten und den Stand einzelner Prozesse betreffen, die sich im Nachlass Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch befinden. Vgl. FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14b–g. 496 Zum Geheimhaltungsprinzip im Reichskammergerichtsverfahren vgl. Loewenich, Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, S. 175 – 177.

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Zumindest einige Kammerrichter nutzten die Möglichkeiten ihres Amts zugunsten ihres sozialen Netzwerks. Besonders gut lässt sich dies anhand des Kammerrichters Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein (1746 – 1763) nachvollziehen. In seiner Korrespondenz finden sich zahlreiche Schreiben, in denen er mit Personen seines sozialen Umfelds die Auswahl von Referenten oder die Besetzung von Senaten berät.497 Ein Beispiel dafür ist sein Briefwechsel mit Friedrich von Leiningen-­ Dagsburg (1715 – 1774). In den 1750er und 1760er waren mehrere Prozesse der Grafen von Leiningen am Reichskammergericht anhängig. Einen davon führten sie gegen den Herrn von Hallberg, wobei es offenbar um den Verkauf des Guts Nierstein bei Jülich ging. Ende des Jahrs 1760 bat Leiningen Hohenlohe, einen für ihn günstigen evangelischen Korreferenten zu bestimmen. Leiningen wollte so verhindern, dass der Prozess bereits im Extrajudicialverfahren gestoppt würde.498 Im Postskriptum konkretisierte er seinen Wunsch. Wenn Herr von Reuss im Judicial­ verfahren wie schon im Extrajudicialverfahren Referent bliebe, solle Hohenlohe Herrn von Cramer zum Korreferenten machen.499 Eineinhalb Jahre später hatten die Referenten die Relationen fertiggestellt, so dass der Kammerrichter das Verfahren einem der Senate übergab. Hohenlohe hatte Leiningen offenbar zugesagt, den Senat nach dessen Wünschen zu besetzen. Denn Leiningen bedankte sich, dass ein hocherleuchteten Senat würde produciret werden.500 Einen weiteren Prozess führten die Grafen von Leiningen gegen die Landgrafen von Hessen-­Homburg um die Erbschaft Sophie Sybillas von Leiningen-­Westerburg (1656 – 1724). Sophie Sybilla war die Großmutter Friedrichs von Leiningen-­Dagsburg väterlicherseits gewesen und hatte in zweiter Ehe Friedrich II. von Hessen-­Homburg geheiratet. Hier hielt Leiningen jedoch keine weiteren Schritte des Kammerrichters für notwendig, da bei der Ernennung eines Herrn Referenten, so nicht partheyisch anstehe, […] die Sache 497 HZA Neuenstein Ba 125 insbes. Bü 53, 58 u. 70. Vgl. außerdem Loewenich, Korruption im Kammerrichteramt. Inwieweit andere Kammerrichter ihr Amt ähnlich nutzten, lässt sich anhand des überlieferten Quellenmaterials nur schwer entscheiden. Es ist davon auszugehen, dass diese Fragen häufig im persönlichen Gespräch erläutert wurden, etwa bei den häufigen Kurbesuchen der Kammerrichter in den umliegenden Bädern (z. B. Soden, Schlangenbad, Schwalbach). Es gibt Hinweise darauf, dass der Vater Karl Philipps, Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, sein Amt ähnlich einsetzte. Vgl. Schröcker, Die Patronage des Lothar Franz von Schönborn, S. 68 f. Des Weiteren wurden auch Franz Adolf ­Dietrich von Ingelheim und Franz Joseph von Spaur häufiger der unerlaubten Einflussnahme für bestimmte Parteien verdächtigt. Zu Ingelheim vgl. Kap. III.4.7, zu Spaur vgl. Gloël, ­Goethes Wetzlarer Zeit, S. 16 f. 498 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 70, Friedrich von Leiningen-­Dagsburg an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Mannheim 16. Dezember 1760. 499 Ebd., Postskriptum. 500 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 70, Friedrich von Leiningen-­Dagsburg an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Mannheim 25. Juni 1762.

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nicht andersten als gut auschlagen könne.501 Möglicherweise schätzte er aber auch die Chancen, dass Hohenlohe ihn unterstützen würde, als nicht sehr hoch ein. Denn Hohenlohe war mit Sophie Friederike von Hessen-­Homburg verheiratet, die eine Enkelin Sophie Sybillas aus zweiter Ehe war. Auch seine Vettern Philipp Ernst und Karl Albrecht I. von Hohenlohe-­ Schillingsfürst wandten sich regelmäßig wegen verschiedener ihrer Verfahren an den Kammerrichter. 1751 plante Philipp Ernst von Hohenlohe-­Schillingsfürst wegen einer Schuldensache, einen Prozess gegen die protestantischen Linien der Hohenlohe anzustrengen. Er bat den Kammerrichter vorsorglich, in ­diesem Fall einen Senat von 4 gutgesinnten catholischen Herren Assessoribus zu bestellen, um diesfalls eine gebuhrige Entschließung um so ehender zu erhalten.502 Karl Albrecht I. von Hohenlohe-­Schillingsfürst teilte der Kammerrichter 1759 mit, dass der Prozess gegen die Stadt Schwäbisch Hall eine erfreuliche Entwicklung nehme und er sich diesen als auch dero übrige bey dahiesigen kaysl. und Reichß Cammer Gericht, obschon beide Rechts Sachen ferner hin, bestens werde angelegen seyn laßen werde.503 Schwieriger gestaltete sich der Interventionsversuch Hohenlohes zugunsten Friedrichs von Leiningen-­Dagsburg beim Verfahren gegen Georg Wilhelm von Hessen-­Darmstadt um die Herrschaft Broich.504 Hohenlohe konnte nur eingeschränkt agieren, da er wegen seiner Verwandtschaft mit den Grafen von Limburg-­ Styrum vom Verfahren rekusiert war.505 Um dennoch im Sinne Leiningens auf das Verfahren einwirken zu können, beauftragte er seinen Hoffaktor, den Frankfurter Schutzjuden Nathan Aaron Wetzlar. Dieser sollte mit den Mitgliedern des Senats sprechen und sie überzeugen, für die Position Leiningens zu votieren.506 Der Assessor Georg Christian von Schellwitz teilte Wetzlar jedoch mit, er habe den Fall mit 501 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 70, Friedrich von Leiningen-­Dagsburg an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Mannheim 22. Februar 1761. 502 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 58, Philipp Ernst von Hohenlohe-­Schillingsfürst an Karl ­Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Schillingsfürst 2. April 1751. 503 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 68, Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein an Karl ­Albrecht I. von Hohenlohe-­Schillingsfürst, Wetzlar 22. März 1759. 504 Georg Wilhelm von Hessen-­Darmstadt (1722 – 1782) war mit Luise von Leiningen-­Dagsburg (1729 – 1818), Erbin von Broich, Oberstein und Reipoltskirchen, verheiratet. Vgl. E ­ uropäische Stammtafeln, Bd. I.2, Tafel 249. 505 Ludwig Leopold von Hohenlohe-­Bartenstein (1731 – 1799), der Sohn des Kammerrichters, war mit Polyxena von Limburg-­Styrum (1738 – 1798) verheiratet. Die Großmutter Polyxenas väterlicherseits war Elisabeth Dorothea von Leiningen-­Dagsburg (1665 – 1722), die 1702 einen Teil der Herrschaft Broich geerbt hatte. Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. XVIII, Tafel. 7. 506 HHStA Wien MEA RKG 371, Des Juden Nathan Aaron Wetzlars Schreiberungen in dem Arrest, S. 220 – 222; HHStA Wien MEA RKG 371, Sessio 615 der Reichskammergerichtsvisitation, 28. November 1771.

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Herrn von Cramer besprochen. Sie s­eien beide der Auffassung, dass zugunsten Georg Wilhelms von Hessen-­Darmstadt entschieden werden müsse. Der Senat traf wenig später ein entsprechendes Urteil. Leiningen, der zu d ­ iesem Zeitpunkt im Haus des Kammerrichters zu Besuch weilte, war laut Wetzlar so erzürnt, dass er den Herren Assessor von Cramer brügelen wollte.507 Noch ein weiterer Umstand, der sich aus der personellen Unterbesetzung des Gerichts ergab, ermöglichte es dem Kammerrichter, auf Verfahren Einfluss zu nehmen. Die Reichskammergerichtsordnung von 1555 regelte, das Gericht solle die Prozesse in der Reihenfolge ihres Eingangs bearbeiten.508 Ausgenommen waren lediglich privilegierte Streitgegenstände, denen eine gewisse Dringlichkeit beigemessen wurde. Dazu gehörten Vormundschafts- und Friedbruchsachen sowie alle Streitsachen, bei denen Gefahr im Verzug war.509 In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden diese Vorgaben überwiegend befolgt.510 Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nahm der Geschäftsanfall jedoch stetig zu.511 Außerdem stellte das Reichskammergericht während des Dreißigjährigen Kriegs seine Arbeit fast vollständig ein. Wegen des ausbleibenden Kammerzielers verließen viele Assessoren das Gericht, neue Assessoren wurden nicht präsentiert.512 Dies führte zu einem zunehmenden Rückstand unerledigter Verfahren. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war das Gericht aufgrund seiner schlechten finanziellen Ausstattung ebenfalls nicht mit der vollen Anzahl an Assessoren besetzt, so dass es auch in dieser Zeit den Geschäftsanfall nicht bewältigen konnte.513 Schon im Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613 wurde daher festgelegt, dass das Gericht Verfahren, die von den Parteien nicht mehr sollicitirt wurden, zurückstellen sollte.514 Im Jüngsten Reichsabschied von 1654 wurde die Bestimmung erneut

507 HHStA Wien MEA RKG 371, Des Juden Nathan Aaron Wetzlars Schreiberungen in dem Arrest, S. 220 – 222. 508 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 10, § 8, S. 85. Vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 23, § 5, S. 385. Vgl. außerdem Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 74 f. 509 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 10, § 8, S. 85. Vgl. außerdem Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 74 f. 510 Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 75 f. 511 Ranieri, Recht und Gesellschaft, Bd. 2, S. 296 – 300; ders., Die Arbeit des Reichskammergerichts, S. 11 – 16. 512 Smend, Das Reichskammergericht, S. 200 – 207. Vgl. auch Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 76. 513 Smend, Das Reichskammergericht, S. 212 f. Vgl. auch Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 76. 514 Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 12, § 4, S. 355.

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aufgenommen.515 Damit wurde vermieden, dass das Reichskammergericht Zeit in Verfahren investierte, an deren Fortführung die Parteien kein Interesse mehr hatten. Zum Teil wurden Prozesse nur anhängig gemacht, um einen außergerichtlichen Vergleich zu erzwingen. Außerdem verstarben viele Prozessbeteiligte während der langen Verfahren. Ihre Erben waren nicht in jedem Fall an einer Fortführung des Prozesses interessiert.516 Die Sollicitatur betrieben die Parteien entweder selbst, oder sie beauftragten einen Bevollmächtigten.517 Gemäß den gesetzlichen Vorgaben war sie nur gegenüber dem Kammerrichter oder stellvertretend gegenüber den beiden Präsidenten möglich. Tatsächlich wurde die Sollicitatur aber auch bei den Assessoren und fast allen anderen Gerichtsangehörigen betrieben.518 Durch die Einführung der Sollicitatur wurde die Pflicht zur Bearbeitung der Verfahren in der Reihenfolge ihres Eingangs aufgehoben. Damit gewann der Kammerrichter den Ermessensspielraum, w ­ elchen der sollicitierten Prozesse er als besonders dringlich einstufte und deshalb einem Referenten, einem Korreferenten oder einem Senat zur Bearbeitung zuwies.519 Er konnte also relativ frei entscheiden, ob ein Verfahren schnell oder weniger schnell zum Abschluss kam. Auch damit konnte der Kammerrichter die Interessen seines Netzwerks bedienen. Friedrich von Leiningen-­ Dagsburg bat Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein dementsprechend Anfang des Jahres 1761, seine Prozesse am Reichskammergericht ruhen zu lassen. Er plante für längere Zeit abwesend zu sein und wollte vermeiden, dass während dieser Zeit wichtige Verfahrensschritte eingeleitet würden. Er schrieb: Ich ersuche ew. Durchl. unterthänig in meinen Wetzlar Angelegenheiten biß zu meinen Retour nicht das Mindeste gegen mich vornehmen zu lassen, indeme meine Acta, wie hoch denenselben bekannt, in meinem Quartier verschloßen seynd, mithin [ich] nicht agiren kann.520 Viel häufiger jedoch wurden die Kammerrichter von ihrem sozialen Umfeld ersucht, einen eigenen Prozess oder den eines Klienten zu beschleunigen. 1746 bat der Reichsvizekanzler Rudolph Joseph von Colloredo den Kammerrichter Karl 515 Der Jüngste Reichsabschied von 1654, § 152, S. 72. Auch im Jüngsten Visitationsabschied wurde das Thema erneut aufgegriffen, vgl. Reichskammergerichtsvisitationsabschied von 1713, § 70, S. 1173 f. Vgl. außerdem Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 77. 516 Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 73. 517 Ebd., S. 88 – 143. 518 Ebd., S. 143 – 162. Zur Sollicitaturspraxis vgl. auch Baumann, Advokaten und ­Prokuratoren, S. 46 – 53. 519 Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 80 – 82. Die Nachteile der Sollicitatur sahen auch schon die Zeitgenossen, vgl. Pütter, Von der Sollicitatur am kayserlichen und Reichs-­Cammergerichte. 520 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 70, Friedrich von Leiningen-­Dagsburg an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Mannheim 14. Januar 1761.

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Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, den Prozess seiner Schwägerin, der Baronesse von Blaspiel, zu einem schnellen Ende zu führen. Hohenlohe sicherte ihm zu, nach Möglichkeit beyzutragen, was zur endlichen Beförderung in Rechts Sachen gedeylich seyn mag.521 Und Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch versprach 1721 dem Erzbischof Franz Anton von Salzburg, dass er der Sache Wolkenstein contra Sizzo, Gentilotti und Cazuff die möglichste Beförderung pro justitia angedeihen lassen werde, wie dann allbereit einen Referente hat, bey welchem es an einer Erinnerung, das Referat möglichster Dingen zu beschleunigen, nicht erwinden sollte.522 III.4.3 Ressourcen in der Beziehung zum Kaiser Der Erhalt und die Ausübung des Kammerrichteramts sind nicht nur im Zusammenhang mit den Tauschbeziehungen im sozialen Umfeld des Inhabers zu sehen. Sie waren auch Bestandteil der direkten Beziehung ­zwischen ­Kaiser und Kammer­ richter bzw. dessen Familie.523 Wie erläutert war für den Erhalt des Kammerrichteramts notwendig, gegenüber dem ­Kaiser soziale Ressourcen aufzuwenden.524 Die Ausübung des Kammerrichteramts dagegen ermöglichte, Kredit beim K ­ aiser und damit soziales Kapital zu erwerben. 1748 gelang beispielsweise Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, beim ­Kaiser für seinen Verwandten Karl Joseph von Limburg-­Styrum den kaiserlichen Kammerherrenschlüssel zu erwirken.525 Besonders bedeutsam für den Erwerb kaiserlichen Kredits waren die hohen Kosten, die mit der Ausübung des Kammerrichteramts verbunden waren. Denn die Kammerrichter forderten vom ­Kaiser mehr oder weniger offen eine Gegenleistung für ihren beträchtlichen Einsatz privater Mittel. 1753 bemühte sich Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein um die Beförderung seines ältesten Sohnes Ludwig L ­ eopold, der in einem kaiserlichen Kürrassierregiment diente. In seinem Bittschreiben an den Reichsvizekanzler Rudolph Joseph von Colloredo merkte er an, er sei aufgrund des auffhabenden schweren Cammer Richter Ambt und dreier weiterer Söhne nicht in der Lage, für seinen ältesten Sohn aufzukommen.526 Kurze Zeit später wurde 521 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 55, Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein an Rudolph Joseph von Colloredo, Wetzlar [1746] (Konzept). 522 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an Franz Anton von Salzburg, Wetzlar 3. Februar 1721 (Konzept). 523 Press, Patronat und Klientel, S. 35 – 46. 524 Vgl. Kap. III.4.1. 525 HHStA Wien RK kleine Reichsstände 201, [Rudolph Joseph von Colloredo] an Karl P ­ hilipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 17. Juli 1748 (Konzept). 526 HHStA Wien RK kleine Reichsstände 201, Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein an Rudolph Joseph von Colloredo, Wetzlar 19. Juli 1753.

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­ udwig Leopold zum Kompaniechef im Kollowratischen Dragonerregiment ernannt, L wofür sich sein Vater bei Kaiserin Maria Theresia bedankte.527 Franz Joseph von Spaur formulierte 1765 eine ähnliche Bitte. Der gerade ­Kaiser gewordene Joseph II . hatte ihm die Lokalhuldigung für die Reichsstadt Wetzlar übertragen. Das Amt des Huldigungskommissars brachte hohe finanzielle Belastungen mit sich, die nur zum Teil durch das Geschenk, das die Städte dem Kommissar machten, ausgeglichen wurden.528 Spaur machte diese Ausgaben gegenüber dem Reichsvizekanzler geltend. Er argumentierte, er habe die Aufwendungen für die Lokalhuldigung und alle im Rahmen der Ausübung des Kammerrichteramts in den vergangenen Jahren angefallenen Kosten selbst getragen, wie etwa für seine Einsetzung 1763 und die Feierlichkeiten 1765 anlässlich des Tods Kaisers Franz I. Darüber hinaus habe er sein Amt als Kammerrichter bisher vorbildlich ausgeübt, da er in seiner dreijährigen Amtszeit stets persönlich in Wetzlar anwesend gewesen sei. Er nehme sich deshalb die Freiheit, zwei seiner Söhne für den Erhalt von geistlichen Pfründen in Vorschlag zu bringen, wobei er insbesondere an die Stifte in Salzburg, Augsburg, Ellwangen oder Köln denke.529 Seinem Ansinnen wurde offenbar nicht sofort entsprochen. Seine Söhne F ­ riedrich Franz Joseph und Johann Nepomuk Theodor erhielten erst 1777 bzw. 1780 Domherrenstellen in Salzburg.530 Den Kredit, den ein einzelnes Familienmitglied beim K ­ aiser erwirtschaftete, konnte es nicht nur selbst n ­ utzen, sondern die gesamte Familie. Verdienste konnten wie ein Guthaben über Generationen angesammelt werden und sich so für eine Familie langfristig auszahlen. Neben dem konkreten Nutzen, beispielsweise durch den Erwerb neuer Ämter, diente die Erinnerung an die dem ­Kaiser geleisteten Dienste dazu, die Bindung ­zwischen der jeweiligen Familie und dem Kaiser­hof zu erneuern.531 Johann Nepomuk, der Bruder des Kammerrichters Franz Joseph von Spaur, bemühte sich 1763 am Kaiserhof um eine kaiserliche Geheime Ratsstelle. 527 HHStA Wien RK kleine Reichsstände 201, Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein an Kaiserin Maria Theresia, Wetzlar 9. September 1753. 528 Vgl. dazu Kap. III.3.1. 529 HHStA Wien RK WaKr 94b, Franz Joseph von Spaur an Rudolph Joseph von Colloredo, Wetzlar 29. August 1765. 530 Vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 276 f. 531 Derartige Beobachtungen haben auch Heiko Droste für die schwedischen Diplomaten im 17. Jahrhundert und Hillard von Thiessen für das Verhältnis des spanischen Königs zum römischen Adel gemacht. Vgl. Droste, Im Dienst der Krone, S. 242 – 244; Thiessen, Außenpolitik im Zeichen ­­ personaler Herrschaft, S. 136; Andreas Pečar geht dagegen davon aus, dass die aus kaiserlichen Ämtern zu gewinnenden Ressourcen in der Regel mit der Amtsaufgabe oder dem Tod des Amtsinhabers erloschen. Vgl. Pečar, Die Ökonomie der Ehre, S. 266 f. u. 300.

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Er argumentierte mit seiner eigenen Stellung als oberösterreichischer Regierungsrat, aber auch mit der seines Vaters als Statthalter in Tirol.532 Gleiches galt auch für das Kammerrichteramt. Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch führte 1714 in seiner Aufstellung der Vor- und Nachteile des Kammerrichteramts zugunsten desselben an: Dörfte die Bekhleidung diser Stelle, sowohl meiner annoch von Gott verhoffenden Posterität alß auch dem gesambten Hauß in Vorfallenheiten zue einem nicht geringen Verdienst, Vortheil und Ansehen geraichen.533 Und tatsächlich verwendete Joseph Anton von Hohenlohe-­Pfedelbach, einer der Söhne Philipp Karls von Hohenlohe-­Bartenstein (1722 – 1729), die Verdienste seines Vaters als Kammerrichter als Argument. 1754 bat er K ­ aiser Franz I. um die Unterstützung seiner Bewerbung um die Probstei im Stift Ellwangen. Er selbst könne sich nicht vieler Verdienste rühmen, doch seine Voreltern, insbesondere sein Vater als Kammerrichter hätten sich aber um das Erzhaus verdient gemacht, weshalb er auf kaiserliche Unterstützung hoffe.534 Diese wurde ihm gewährt. Er gab jedoch seine Bewerbung vorzeitig zugunsten von Anton Ignaz von Fugger-­Glött auf, um die Wahl Johann Theodors von Bayern zu verhindern.535 Dementsprechend waren die Verdienste des Kandidaten oder die seiner Familie bei der Besetzung von Ämtern durch den K ­ aiser auch eine legitime Begründung. Die kaiserlichen Reskripte anlässlich der Ernennung zum Kammerrichter, aber auch die Ernennungsdekrete zum kaiserlichen Kämmerer, kaiserlichen Geheimen Rat oder Reichshofrat rechtfertigen die Auswahl des Kandidaten ausnahmslos mit persönlichen und familiären Verdiensten. Die persönliche Qualifikation und Leistungsfähigkeit des Kandidaten erscheinen dabei nur als zweitrangiges Kriterium.536 Die Verdienste wurden meist nicht genau beschrieben, gelegentlich wurden sie aber auch konkretisiert. Der Reichskammergerichtspräsident und spätere Kammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim ersuchte 1712 K ­ aiser Karl VI., seine kaiser­liche Geheime Ratswürde zu erneuern. Er argumentierte dabei mit der Bereitschaft seines Onkels Anselm Franz von Ingelheim 1690, in seiner Funktion als Erzbischof von Mainz Joseph I. zum römisch-­deutschen König zu wählen. Im vom K ­ aiser ausgestellten Ernennungsdekret Ingelheims zum kaiserlichen Geheimen Rat wird 532 HHStA Wien RK Geh. Räte 6, Johann Nepomuk von Spaur an ­Kaiser Franz I., o. O. 9. Oktober 1763. 533 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, ­Rationes pro et contra, [Meßkirch Mai 1714]. 534 HHSTA Wien RK kleine Reichsstände 201, Joseph Anton von Hohenlohe-­Pfedelbach an ­Kaiser Franz I., Pfedelbach 10. Juli 1754. 535 Seiler, Das Augsburger Domkapitel, S. 452 f. 536 Vgl. u. a. die Akten BArch AR 1-IV/15, HHStA Wien RK Geh. Räte, FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 3 u. 14, HZA Neuenstein Ba 125 Bü 13, 42 u. 43 sowie FÖWA Harburg VIII 13 9c/5 – 8.

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diese Begründung aufgegriffen.537 1730 anlässlich der Ernennung Ingelheims zum Kammerrichter wurde dagegen auf seine langjährige Tätigkeit als Reichskammergerichtspräsident verwiesen. Im entsprechenden kaiserlichen Reskript heißt es, er sei in Ansehung seiner zweiunddreißig Jahr lang als Praesident und Cammerrichteramtsverweser geleistete Dienste ernannt worden.538 Die Begründung einer Amtsübergabe mit persönlichen und familiären Verdiensten dem ­Kaiser gegenüber entwickelte sich allerdings zum Teil zum Topos. Sie findet sich auch dann in den Ernennungsreskripten, wenn der Kandidat aus einer aufsteigenden Familie stammte, die dem K ­ aiser oder dem Reich bisher keine besonderen Dienste geleistet hatte. Der letzte Kammerrichter Heinrich Aloys von Reigersberg (1803 – 1806) war Spross einer Familie, die erst Mitte des 17. Jahrhunderts in den Reichsritterstand erhoben worden war und sich in keiner ersichtlichen Weise hervorgetan hatte.539 Dennoch wurde seine Ernennung zum Kammerrichter folgendermaßen begründet: Nachdem wir nun in solcher Absicht [der Wiederbesetzung des Kammerrichteramtes] unsern wirklichen Geheimen Rath und zeitherigen Kammergerichts Präsidenten, den Heinrich des hl. röm. Reichs Grafen von R ­ eigersberg in mildesten Anbetracht sowohl der von seinem altadeligen Geschlechte um unsere glorwürdigesten Vorfahren römische K ­ aiser und Könige und um das Heilige Römische Reich vielfältig erworbener Verdienste […] zu dieser hohen Richterstelle gnädigst ausersehen und erwählet haben […].540 III.4.4 Korruption und Normenkonkurrenz Die historische Forschung hat sich in jüngerer Zeit intensiv mit der Frage beschäftigt, ob und ab wann in der Vormoderne von Korruption gesprochen werden kann.541 Die heute übliche Definition, die unter Korruption den Missbrauch 537 HHStA Wien RK Geh. Räte 3, ­Kaiser Karl VI. an Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, Wien 7. April 1712 (Konzept). 538 BArch AR 1-IV/15, ­Kaiser Karl VI. an Franz Ludwig von Mainz, Wien 17. April 1730, fol. 79 f. 539 Vgl. dazu Kap. III.1.8. 540 BArch AR 1-IV/15, ­Kaiser Franz II. an das Reichskammergericht, Wien 4. September 1803, fol. 174 f. 541 Vgl. u. a. Engels, Politische Korruption in der Moderne; ders., Die Geschichte der Korruption, S. 37 – 82; ders. / Fahrmeir / Nützenadel (Hrsg.), Geld – Geschenke – Politik; ­Groebner, Gefährliche Geschenke; ders., Angebote, die man nicht ablehnen kann; Karsten / Thiessen (Hrsg.), Nützliche Netzwerke; dies. (Hrsg.), Normenkonkurrenz in historischer Perspektive; Grüne / Slanička (Hrsg.), Korruption. Vgl. zum Folgenden auch Loewenich, Korruption im Kammerrichteramt; Stollberg-­Rilinger, Die Frühe Neuzeit – eine Epoche der Formalisierung, S. 11 – 20.

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eines öffentlichen Amts zum privaten Nutzen versteht, lässt sich in der Vormoderne besonders im Bereich der „politischen“ Korruption nur schwer anwenden. Sie setzt nämlich voraus, dass ­zwischen öffentlichem Amt und privater Sphäre unterschieden, dass also z­ wischen den verschiedenen sozialen Rollen einer Person differenziert wird.542 Hinzu kommt, dass von Korruption nur gesprochen werden kann, wenn ein Normenverstoß vorliegt, also wenn geltende rechtliche, moralische oder politische Standards verletzt werden.543 In der politischen Sphäre der Frühen Neuzeit finden sich diese Bedingungen nicht oder nur unvollständig.544 Für das Reichskammergericht wurden in den ersten hundert Jahren seines Bestehens mehrere Prozessordnungen erlassen, die die Befugnisse und Kompetenzen der Kameralen detailreich definieren. Der Rollendifferenzierung der Kameralen widmen sie sich dabei in besonderem Maße. Die Reichskammergerichtsordnung von 1555 sah so vor: Es soll auch cammerrichter und beisitzer an dem rechtlichen erkennen und an allem dem, wie ob und hernach gemelt, keyn andere pflicht verbinden oder irren.545 Das Personal des Gerichts stand vor seiner Aufschwörung häufig in Diensten des Kaisers oder eines Reichsstands. Daher wurde verlangt, dass Kammerrichter und Beisitzer von allen ihren früheren Eiden gegenüber K ­ aiser, Kurfürsten 546 und Ständen befreit werden sollten. Konkrete Handlungsanweisungen für den Verfahrensablauf ergänzten diese allgemeinen Bestimmungen. Der Kammerrichter und die Assessoren sollten nicht an einem Prozess beteiligt sein, der sie selbst betraf. Sie sollten auch ausgeschlossen werden, wenn sie aufgrund von Verwandtschaft oder Freundschaft mit einer der Parteien befangen waren.547 Ein Prokurator konnte einen Gerichtsangehörigen vom Verfahren ausschließen lassen, wenn er den begründeten Verdacht hatte, dass dieser nicht neutral war.548 Außerdem durften der Kammerrichter und die übrigen Kameralen keinen gesellschaftlichen Umgang mit den Prozessparteien oder deren Vertretern pflegen, um informelle Kontakte zu verhindern.549 542 Engels, Politische Korruption in der Moderne, S. 322; Nützenadel, „Serenissima corrupta“, S. 123 f. 543 Nützenadel, „Serenissima corrupta“, S. 124. 544 Engels, Politische Korruption in der Moderne, S. 321 – 327; Thiessen, Korruption und Normenkonkurrenz, S. 91 f. 545 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 6, § 2, S. 80. Vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 7, § 3, S. 343. Verstöße von Richtern gegen das Unabhängigkeitsgebot wurden stets als besonders gravierend bewertet. Vgl. dazu Thiessen, Korrupte Gesandte, S. 211; Isenmann, Rector est Raptor, S. 215 f. 546 Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 5, § 10, S. 339. 547 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 13, § 13, S. 96; vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 12, § 8, S. 356 u. § 15, S. 357. 548 Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 19, § 5, S. 374. 549 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 13, § 14, S. 97. Vgl. auch das Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 12, § 15, S. 357. Zu Kontakten

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Die Annahme von Geschenken, Geld und Diensten war streng verboten. Schon die erste Reichskammergerichtsordnung von 1495 bestimmte, dass der Kammerrichter und die Assessoren bei der Amtseinsetzung schwören sollten, dass sie alle Parteien gleich richten und kein Sach sich dagegen bewegen zulassen, auch von den Partheyen, oder jemands anders, keiner Sachen halb, so in Gericht hanget oder hangen würden kein Gab, Schenck, oder eynichen Nutze durch sich selb oder ander, wye das Mennschen Syn erdencken möcht, zunemen oer nemen lassen.550 Ferner war untersagt, das Verfahren durch das Erteilen von Ratschlägen und Informationen zu beeinflussen. Die Reichskammergerichtsordnung von 1555 und das Konzept von 1613 wiederholten diese Verbote.551 Und auch der Abschied der Reichskammergerichtsvisitation von 1713 betonte, dass kein Gerichtsangehöriger entgegen seinem Eid, in denen am Cammer Gericht Rechtshängigen Sachen weder durch sich selbst, noch die seinige einiges Geschenk, oder Nuzen, es seye vor oder nach ergangenem Urtheil […] directe oder indirecte annehmen dürfe.552 Der Verstoß der Kammerrichter und der übrigen Kameralen gegen diese normativen Vorgaben kann dennoch nicht an heutigen Maßstäben gemessen und durchweg als moralisches Fehlverhalten gedeutet werden. Vielmehr bestand ein strukturelles Spannungsverhältnis. Wie dargelegt, waren die sozialen Bereiche in der frühneuzeitlichen Gesellschaft weit weniger ausdifferenziert als heute. Auch wenn die Gerichtsordnungen klare Verhaltensnormen formulierten, konnten sich die Kammerrichter und die übrigen Gerichtsangehörigen daher nur bedingt den Anforderungen entziehen, die ihr persönliches Umfeld an sie stellte. Denn ihre Verwandten, Freunde, Klienten und Patrone erwarteten, dass sie die Ressourcen ihres Amts in den Gabentausch einbrachten.553 Die Erwartungshaltung des Netzwerks kommt in einer Forderung Karl Thomas’ von Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort (1714 – 1789) an den Kammerrichter Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein zum Ausdruck. Löwenstein bat 1755 Hohenlohe, ihn in einem Prozess zu unterstützen, den sein Gärtner Johann Georg Witt gegen ihn angestrengt hatte. Löwenstein beanspruchte, dass ihm als Reichsfürsten ein Austrägalverfahren zustehe. Witt z­ wischen Parteien und Richtern und sogenannten Kontaktsystemen vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 75 – 81. 550 Reichskammergerichtsordnung von 1495, § 3, S. 7. Vgl. auch Ehrenpreis, Korruption im Verfahren, S. 289 f.; Sellert, Richterliche Unabhängigkeit am Reichskammergericht und am Reichshofrat, S. 123. 551 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, Teil 1, Tit. 57, S. 151; Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613, Teil 1, Tit. 71, S. 497 f. 552 Reichskammergerichtsvisitationsabschied von 1713, § 46, S. 1162 f. 553 Thiessen, Korruption und Normenkonkurrenz, S. 94 f.; ders., Korrupte Gesandte, bes. S. 211 f. Zum Umgang mit einander widersprechenden Normensystemen vgl. Krischer, Korruption vor Gericht, S. 312 f.

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habe ­dieses durch seine Klage vor dem Reichskammergericht umgangen. Löwenstein verlangte deshalb, das Reichskammergericht solle den Prozess im Extrajudi­ cialverfahren abweisen, da der Konflikt nicht in dessen Zuständigkeit falle. Bei der Durchsetzung dieser Forderung solle Hohenlohe ihm behilflich sein. Es müsse im Interesse Hohenlohes sein, dass die Vorrechte der Reichsfürsten gewahrt würden. Löwenstein sah Hohenlohe außerdem in einer Bringschuld. Er schrieb: Ew. Gn. habe ich in verschiedenen Gelegenheiten werkthätige Proben meiner ergebensten Freundschafft dargeleget.554 Zusätzlich bot er als Beweis seiner Freundschaft an, die Interessen Hohenlohes beim fränkischen Kreis zu unterstützen. Erfüllten die Kammerrichter die Forderungen ihres Netzwerks nicht, hatte dies ein erhebliches Konfliktpotential. Es gefährdete ihre Stellung im sozialen Gefüge und damit das symbolische und soziale Kapital, das ihr Amt ihnen vermittelte. 1801 kam es zu einer entsprechenden Auseinandersetzung ­zwischen dem vorletzten Kammerrichter Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein und seinem Bruder Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein. 1798 war die Linie Oettingen-­Baldern ausgestorben. Die Linie Oettingen-­Wallerstein erhob Anspruch auf das Erbe, unter anderem da die ­Mutter der beiden Brüder die Schwester des letzten Grafen von Oettingen-­Baldern gewesen war.555 Mit Philippine von Colloredo-­Mansfeld, der Tochter Joseph Antons von Oettingen-­Baldern, entstand vor allem um die Herrschaft Dagstuhl ein Konflikt. Sie war während der Revolutionskriege 1793 an Frankreich gefallen, weshalb das Haus Oettingen-­Wallerstein eine Entschädigung für diesen Erbteil forderte. 1801 verlangte Kraft Ernst von seinem Bruder, er solle sich in dieser Angelegenheit engagieren und sich so für die ihm von seiner Familie gewährte Unterstützung revanchieren. Er schrieb: Je crois que le moment est venu ou vous pouvez rendre par votre influence les services les plus essentielles à votre maison.556 Philipp Karl solle seinen Einfluss als Kammerrichter ­nutzen, um ­seiner Familie einen Ausgleich für die Herrschaft Dagstuhl zu verschaffen. Obwohl der Prozess offenbar am Reichshofrat anhängig war, sollte Philipp Karl eine nicht näher benannte Entscheidung des Reichskammergerichts beeinflussen, um die Forderung des Hauses Oettingen-­Wallerstein durchzusetzen.557 Kraft Ernst führte gegenüber seinem jüngeren Bruder ihre gemeinsamen Vorfahren an. Die beiden Reichshofratspräsidenten Ernst II. und Wolfgang von Oettingen-­Wallerstein hätten sich beide für 554 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 53, Karl Thomas von Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Wertheim 9. Oktober 1755 (Kopie). 555 Europäische Stammtafeln, Bd. XVI, Tafel 108. 556 FÖWA Harburg VIII 14 3a/2 – 85, Kraft Ernst an Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein, Wallerstein 22. August 1801 (Kopie). Vgl. auch ebd., ders. an dens., Wallerstein 18. Juli 1801 (Kopie). 557 FÖWA Harburg VIII 14 3a/2 – 85, Philipp Karl an Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein, Wetzlar 26. Juli 1801.

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die Familie engagiert, ohne ihre Rechtschaffenheit aufzugeben.558 Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein weigerte sich, auf die Forderungen ­seines Bruders einzugehen. Selbst wenn sein Bruder und ihre gemeinsame Familie Unrecht erführen, könne er nicht ein Verfahren in deren Sinne beeinflussen.559 Er lehne es auch ab, die beiden Reichshofratspräsidenten aus dem Hause Oettingen als Vorbild zu betrachten. Es sei niederträchtig, ein Gericht zu einem jugement anticonstitutionnel zu veranlassen. Und gerade der Kammerrichter als Oberhaupt des Reichskammergerichts sei in besonderer Weise dessen Prinzipien verpflichtet.560 Er zeigte sich jedoch bereit, seine guten Kontakte zu Franz de Paula Gundaker von Colloredo-­Mansfeld zu benutzen, um die Familieninteressen zu befördern.561 Kraft Ernst reagierte darauf empört. Die Familie habe Philipp Karl stets unterstützt und seine Karriere gefördert. Sie habe zwar kein Anrecht auf seine Unterstützung, aber er müsse doch an deren gloire interessiert sein.562 Im Konflikt Philipp Karls von Oettingen-­Wallerstein mit seinem Bruder prallten vermutlich zwei gänzlich unterschiedliche Grundhaltungen aufeinander. Philipp Karl gehörte aufgrund seiner Ausbildung wahrscheinlich einem neuen Typus Jurist an, für den die Unabhängigkeit der Justiz wichtiger war als die Familienräson.563 Das Verhalten seines Bruders Kraft Ernst dagegen entsprach noch den vormodernen Regeln. Doch der Wertekonflikt, in den die Kammerrichter geraten konnten, lässt sich auch 80 Jahre zuvor bei Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch (1718 – 1722) erahnen. Fürstenberg war offenbar nicht oder nur widerwillig bereit, gegen die Reichskammergerichtsordnung zu verstoßen. Zugleich sah er sich aber mit den Erwartungen seines sozialen Umfelds konfrontiert, Verfahren zu dessen Gunsten zu beeinflussen, und zwar gegebenenfalls über den gesetzlichen Rahmen hinaus. Das 558 FÖWA Harburg VIII 14 3a/2 – 85, Kraft Ernst an Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein, Wallerstein 22. August 1801 (Kopie). 559 FÖWA Harburg VIII 14 3a/2 – 85, Philipp Karl an Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein, Wetzlar 26. Juli 1801. 560 Ebd. 561 FÖWA Harburg VIII 14 3a/2 – 85, Philipp Karl an Kraft Ernst von Oettingen-­Wallerstein, Wetzlar 26. Juli 1801. Vgl. auch ebd., Kraft Ernst an Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein, Wallerstein 22. August 1801 (Kopie). 562 FÖWA Harburg VIII 14 3a/2 – 85, Kraft Ernst an Philipp Karl von Oettingen-­Wallerstein, Wallerstein 22. August 1801 (Kopie). 563 Vgl. dazu Kap. III.1.7. Zu dieser Einschätzung passt auch die Verachtung, die Oettingen offenbar für zeremonielle Belange hegte. Während seiner Zeit als Praktikant in Wetzlar schrieb er an seine ­Mutter: La ville de Wetzlar est le plus terrible nid que j’ai jamais vu und l’étiquette est ici fort grande, et l’on est très bien venu, pour vu qu’on ne manque pas de nommes chaque dame et demoiselle Euer Gnaden. Dies ist eines der wesentlichen Stücke für jenen, der den Kammerprozeß gründlich erlernen will, FÖWA Harburg VIII 13 9c/3, Philipp Karl an Charlotte Juliane von Oettingen-­Wallerstein, Wetzlar 23. April 1780.

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Dilemma, in dem sich Fürstenberg befand, zeigt sich in seinen Antworten auf die zahlreichen Gesuche um Beförderung von Prozessen.564 Er schrieb in der Regel, er werde alles tun, soweit es die gesetzlichen Normen zuließen, bzw. die Beschleunigung von Prozessen gehöre zu seinen Aufgaben als Kammerrichter und stelle keine persönliche Begünstigung dar. 1720 antwortete er beispielsweise dem österreichischen Hofkanzler Philipp Ludwig von Sinzendorf: Daß ich mir diese Causas gleichwie bis hero also auch fürderhin zur justizmässigen möglichen Beförderung eyfrigist und aufs Beste werde angelegen seyn lassen. Und ­dieses zwar aus einer meinem obtragenden Richter Amt ohne das gemässen Schuldigkeit.565 Sinzendorf hatte Fürstenberg um Beförderung des Prozesses derer von Fink und Rolemann Erben gegen die Stadt Hamburg und Doblerische Erben gebeten. Ebenfalls 1720 differenzierte Fürstenberg gegenüber Friedrich Wilhelm von Hohenzollern-­Hechingen sogar deutlich ­zwischen seinen Rollen als Kammerrichter und als Freund. Er antwortete Hohenzollern auf die Übersendung eines Manifests, das dieser bezüglich eines Rechtsstreits mit seinen Untertanen verfasst hatte: Ewer Liebden hochverehrtes underem 2ten huius ahn mich nicht alß Cammerrichtern, sondern als dero gewißlich getrewen Freundt und Brudern abgelassenes Schreiben […] mit sonderbahrer Hochachtung zurecht erhalten. Gleichwie ich Ewer Liebden vor die mir hierinfalls bezeugte hochschätzbahre Confidentz dem schuldigsten Danck hiemit erstatte, als lasse auch deroselben hiemit (obzwahrn ebenfalls nicht alß Cammerrichter, sondern alß Ewer lieben trewlich trewergebenster Freund und Diener) in aller Aufrichtigkeit gebührend ohnverhalten, wie daß ich in Ablesung gedachten Manifests und Erwegung dero letzt gefasten Resolution wegen auf aigene psete vornemmen lassender Umbzeichnung der Felder nichts als Ewer Liebden fridliebende und zue Verhuetung des möglichst dem Underthanen sonsten und waxenden Wildschaden abzihlende mildfürstliche Intention darauß habe abnemmen khönnen.566 Teilweise nahm eine Prozesspartei irrtümlich an, Fürstenberg habe ihren Prozess zu ihren Gunsten befördert. In solchen Fällen stellte er klar, er habe nichts über seine Amtsobliegenheiten hinaus unternommen. 1721 hatten etwa die vier Grafen Georg Albrecht, Karl August, Ernst Kasimir und Ferdinand Maximilian von Isenburg-­Büdingen Fürstenberg um die Beförderung ihrer am Reichskammer­gericht anhängigen Prozesse gebeten. Fürstenberg hatte offenbar wie üblich zugesagt, dies innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu tun. Denn Ernst Kasimir dankte ihm Ende Januar 1721 für seine Unterstützung, betonte aber zugleich, dass sie von deroselben 564 Vgl. in FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, 14c, 14 f u. 14i die Konzepte der Schreiben Froben Ferdinands von Fürstenberg-­Meßkirch. 565 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an Philipp Ludwig von Sinzendorf, Wetzlar 1. November 1720 (Konzept). 566 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14 f, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an Friedrich Wilhelm von Hohenzollern-­Hechingen, [Mai 1720] (Konzept).

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nichts weiters als die Beförderung und endlichen Ausmachung der so lange und über 100 Jahren währenden Processen unterthänig ersuchen.567 Im Februar 1721 bat der Isenburger Rat Ernst Schmidt Fürstenberg erneut um den schnellen Abschluss eines Prozesses der Grafen von Isenburg, der einen Streit mit der Stadt Gelnhausen um verschiedene Jagdrechte betraf. Fürstenberg antwortete den Büdinger Grafen, er ließe ihren Prozess gern verhandeln, es liege jedoch derzeit zu viel anderes an.568 Als im Sommer überraschend ein Endurteil zugunsten der Grafen von Isenburg erging, sandten sie ihren Rat Schmidt zu Fürstenberg, damit dieser ihre tiefe Dankbarkeit übermittle.569 Offenbar nahmen sie an, dass Fürstenberg ihnen einen persönlichen Dienst erwiesen hatte. Fürstenberg dankte seinerseits den Grafen von Isenburg, stellte aber ausdrücklich fest, er sei gemäß der obhabendenden Schuldigkeit seines Amts verpflichtet gewesen, so zu handeln.570 Nicht alle Prozesse gingen so positiv aus wie der der Grafen von Isenburg. Wenn ein Mitglied seines Netzwerks ein ungünstiges Urteil erhielt, war Fürstenberg gegebenenfalls mit dessen Unzufriedenheit wegen seiner mangelnden Hilfsbereitschaft konfrontiert. Dieser Umstand gefährdete die Beziehung zum Bittsteller und dessen Umfeld. Der Bischof von Speyer, Damian Hugo von Schönborn, beispielsweise hatte Fürstenberg gebeten, seinen Prozess gegen die Reichsstadt Speyer und den Herzog von Württemberg um die Schifffahrtsrechte auf dem Rhein zu befördern. 1721 erließ das Gericht jedoch ein Mandatum sine Clausula, also eine einstweilige Verfügung, zugunsten der Stadt Speyer. Diese untersagte dem Bischof in der Zeit bis zur Urteilsverkündung das Ausüben der von ihm beanspruchten Rechte. ­Schönborn beschwerte sich daraufhin massiv bei Fürstenberg.571 Dieser erwiderte, er habe den Prozess des Bischofs gemäß seiner Amtsobliegenheiten gefördert, jedoch habe, das die Rheinfahrt und Stift Sache aber zu ew. Eminenz und Llbd. Vergnügen nicht, sondern anders ausgeschlagen, solches zu verhinderen ist, wie sie dieselbe von selbst gar wohl begreiffen, in meinen Händen nicht gestanden.572 567 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Ernst Kasimir von Isenburg-­Büdingen an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Büdingen 30. Januar 1721. 568 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an Georg Albrecht, Karl August, Ernst Kasimir und Ferdinand Maximilian von Isenburg-­ Büdingen, Wetzlar 21. Februar 1721 (Konzept). 569 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Ferdinand Maximilian von Isenburg-­Büdingen an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Wächtersbach 7. Juli 1721. 570 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an Ferdinand Maximilian von Isenburg-­Büdingen, Wetzlar 14. Juli 1721 (Konzept). 571 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14h, Damian Hugo von Speyer an Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch, Bruchsal 1. März 1721; ders. an dens., Bruchsal 4. März 1721. 572 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an Damian Hugo von Speyer, Wetzlar 21. März 1721 (Konzept).

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Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch hat möglicherweise den Konflikt ­zwischen den Normen der Reichskammergerichtsordnung und den Anforderungen seines sozialen Umfelds besonders stark wahrgenommen. Er bemühte sich als einziger Kammerrichter des 18. Jahrhunderts schon eineinhalb Jahre nach Amtsübernahme intensiv um seine Entlassung, und das ohne ein anderes hohes Amt in Aussicht zu haben.573 Fürstenberg begründete seine Resignation dem K ­ aiser gegenüber mit den Argumenten, er sei krank und außerdem sei er aufgrund seiner ­Amtspflichten gezwungen, seine eigenen Herrschaften zu sehr zu vernachlässigen. Zumindest Letzteres traf tatsächlich zu, denn die mit der Amtsführung verbundenen Kosten belasteten das Haus Fürstenberg finanziell schwer.574 Es ist jedoch auch denkbar, dass Fürstenberg die Stabilität seiner sozialen Beziehungen nicht weiterhin aufs Spiel setzen wollte. Die Mitglieder seines Netzwerks begegneten mutmaßlich mehrheitlich mit Unverständnis seiner um Neutralität bemühten Amtsführung. Wenn Fürstenberg also gegenüber dem kaiserlichen Oberstallmeister Johann Michael von Althann äußerte, das Kammerrichteramt sei für sein Haus beschwerlich und ruinos, bezog er sich damit möglicherweise nicht nur auf finanzielle, sondern auch auf soziale Probleme.575 Fürstenberg genoss jedenfalls weit über seinen Tod hinaus den Ruf der Unbestechlichkeit. Goethe schrieb in „Dichtung und Wahrheit“ über das Reichskammergericht: So stand z. B. das Direktorium Fürstenbergs noch immer in gesegnetem Andenken, und mit dem Tod ­dieses vortrefflichen Manns beginnt die Epoche vieler verderblicher Mißbräuche.576 III.4.5 Normenkonkurrenz in der Beziehung zum Kaiser Der Kammerrichter erlebte die Konkurrenz von Normen nicht nur in den Beziehungen zu seinem persönlichen Umfeld, sondern auch in der Interaktion mit dem K ­ aiser. Das Problem, ob die Kameralen unabhängig von anderen, ehemaligen Dienstherren agieren konnten, wurde zeitgenössisch besonders bezüglich der Assessoren diskutiert. Konkret ging es dabei um die Frage, ob Assessoren im Sinne der Reichsstände handelten, die sie dem Gericht präsentiert hatten. Der Visitationsabschied von 1713 und die letzte Reichskammergerichtsvisitation (1767 – 1776) mahnten dementsprechend eindrücklich, ein Assessor repräsentiere nicht den Reichsstand, der ihn dem Gericht vorgeschlagen habe, sondern das 573 Vgl. dazu Kap. II.2 u. III.4.1. 574 Vgl. dazu Kap. III.2. 575 FFA Donaueschingen OB 12 Fasz. 14, Froben Ferdinand von Fürstenberg-­Meßkirch an Johann Michael von Althann, Wetzlar 17. Juni 1721 (Kopie). 576 Goethe, Dichtung und Wahrheit, S. 588.

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gesamte Reich.577 Aber nicht nur die Assessoren, sondern auch die Kammerrichter waren vom „Repräsentationsgeist“ betroffen. Die ­Kaiser stellten immer wieder Forderungen an die Kammerrichter, die den Bestimmungen der Reichskammergerichtsordnungen zuwider liefen. Sie erwarteten von den Kammerrichtern wie von anderen kaiserlichen Repräsentanten, dass diese ihren Wünschen entsprachen und ihre Aufträge ausführten. Die Kammerrichter gerieten dadurch in einen Rollen­konflikt z­ wischen kaiserlichem Repräsentanten und Oberhaupt des Gerichts. Besonders häufig erwarteten die ­Kaiser, dass die Kammerrichter bei der Präsentation von Assessoren in ihrem Sinne handelten. Der ­Kaiser, die Kurfürsten und die Reichskreise waren berechtigt, dem Gericht nach einem bestimmten Schlüssel Kandidaten für freie Assessorenstellen vorzuschlagen, die das Gericht auf ihre Tauglichkeit hin überprüfte. Wenn das Gericht Zweifel an der persönlichen oder fachlichen Eignung eines Kandidaten hatte, konnte es diesen ablehnen.578 Die ­Kaiser forderten die Kammerrichter regelmäßig auf, dafür zu sorgen, dass ihre Kandidaten die Überprüfung bestanden. K ­ aiser Leopold I. beispielsweise befahl 1662 dem Kammerrichter Wilhelm von Baden-­Baden, die Aufnahme seiner beiden Präsentaten Jacob von Thierberg und Emmerich Friedrich von Waldendorff zu befördern.579 Sechzig Jahre später drängte ­Kaiser Karl VI. den Kammerrichter Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, die Präsentation Johann Stephan S­ peckmanns durchzusetzen. Dieser war Reichskammergerichtsadvokat und Prokurator gewesen und in den 1710er Jahren wegen seiner Aktivität im Prozess der Untertanen von Dreis gegen den Abt von Echternach in Verruf geraten. Das Reichskammergericht warf ihm vor, die Dreiser Bauern gegen ihren Herrn aufgewiegelt zu haben. Es strengte deshalb einen Fiskalprozess gegen Speckmann an.580 Speckmann erreichte 1720, dass der ­Kaiser ihn für das böhmische Kreisassessorat präsentierte. Das Gericht lehnte seine Bewerbung mit Nachdruck ab. Es begründete dies mit dem Argument, dass neben der fachlichen Qualifikation auch die persönliche Eignung eine unerläss­liche Voraussetzung für eine Assessorenstelle sei.581 Erschwerend kam hinzu, dass das Reichskammergericht Speckmann kurze Zeit später in der ­Dreiser Angelegenheit für schuldig befand. Karl VI . erklärte daraufhin die Beschlüsse des Plenums aus kaiserlicher Machtvollkommenheit für ungültig und befahl die 577 Reichskammergerichtsvisitationsabschied von 1713, § 22, S. 1153 f.; Balemann, Beiträge zur Revision und Verbesserung, S. 372 – 375. Vgl. auch Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 192 – 198. 578 Vgl. dazu Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 168 – 342. Vgl. auch Kap. II.1. 579 HHStA Wien RK RKGVA 380, ­Kaiser Leopold I. an Wilhelm von Baden-­Baden, ­Pressburg 12. August 1662 (Kopie); ders. an dens., Pressburg 17. August 1662 (Kopie). 580 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 1, Biographie 18, S. 166 f. 581 Ebd., Teil 2, Bd. 1, Biographie 18, S. 168.

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Aufnahme Speckmanns.582 Darüber hinaus wies er Hohenlohe an, dafür zu sorgen, dass diese nun ohne Verzögerung und unß mißfällige Auszüglichkeit von statten ginge.583 ­Hohenlohe tat offenbar sein Möglichstes, denn Ende Juni 1725 gab es im Plenum eine Mehrheit für die Aufnahme Speckmanns als Assessor.584 Nach Wien berichtete er, die Angelegenheit sei geglückt, die Voten der Assessoren s­ eien aber sehr niedrig ausgefallen. Deshalb empfahl er dem K ­ aiser, für Speckmann möglichst bald eine andere Verwendung zu finden.585 Als Hohenlohe im Januar 1726 die Aufschwörung Speckmanns vermeldete, regte er gleichzeitig an, der ­Kaiser solle die Zahlung des böhmischen Kammerzielers veranlassen. Dies würde zur Beruhigung der gegen die Annahme Speckmanns opponierenden Assessoren beitragen.586 Der Druck, den Maria Theresia 1750 auf den Kammerrichter Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, den Sohn Philipp Karls von Hohenlohe-­Bartenstein, ausübte, war weniger erfolgreich. 1741 präsentierte die Erzherzogin Marie Elisabeth von Österreich Franz Valerius von Hauer, den Schwiegersohn Speckmanns, für das Assessorat des burgundischen Kreises.587 Nach jahrelanger Diskussion, ob die Aufnahme Hauers wegen seiner nahen Verwandtschaft mit Speckmann zulässig sei, prüfte das Gericht Ende 1749 die Proberelation Hauers.588 Diese wurde unter Federführung des Referenten Valentin Ferdinand von Gudenus für zu schlecht befunden. Das Plenum debattierte heftig, ob Hauer eine zweite Chance erhalten sollte oder nicht.589 Die Kaiserin schrieb daraufhin an Hohenlohe und wies ihn mit bedrohlichen Ausdruckungen an, eine zweite Proberelation Hauers durchzusetzen.590 Das Schreiben kam jedoch zu spät in Wetzlar an. Bereits am 16. und am 18. Februar 1750 hatte sich das Plenum des Reichskammergerichts entschieden, die Präsentation Hauers abzulehnen.591 In ­diesem Fall verzichtete die Kaiserin darauf, auf der Präsentation zu bestehen.592 582 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 1, Biographie 18, S. 168. 583 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 19, K ­ aiser Karl VI. an Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 25. April 1725. 584 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 1, Biographie 18, S. 169. 585 HHS tA Wien RK RKGVA 337a, Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein an K ­ aiser Karl VI., Wetzlar 30. Juni 1725. 586 HHS tA Wien RK RKGVA 337a, Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein an K ­ aiser Karl VI., Wetzlar 29. Januar 1726. 587 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 1, Biographie 57, S. 560. 588 Ebd., Teil 2, Bd. 1, Biographie 57, S. 564 – 568. 589 Ebd., Teil 2, Bd. 1, Biographie 57, S. 568 f. 590 HHStA Wien RK RKGVA 335, Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein an Anton Corfitz von Ulfeld, Wetzlar 6. März 1750. Vgl. auch Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 1, Biographie 57, S. 569 f. 591 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 1, Biographie 57, S. 569 f. 592 HHStA Wien RK RKGVA 380a, Anton Corfitz von Ulfeld an Karl Philipp von Hohenlohe-­ Bartenstein, Wien 19. Mai 1750 (Konzept). Vgl. auch Jahns, Das Reichskammergericht und

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Wenn der Kammerrichter die Erwartungen des Kaisers nicht erfüllte, riskierte er, in Ungnade zu fallen und Ehre und Reputation zu verlieren. Außerdem setze er die Möglichkeit aufs Spiel, für sich und sein Umfeld die kaiserlichen Ressourcen nutzbar zu machen. Dies brachte die Kammerrichter bei Konflikten z­ wischen K ­ aiser und Reichskammergericht in eine schwierige Lage, vor allem wenn die Streitigkeiten vor der Reichsöffentlichkeit ausgetragen wurden und auch die Reichsstände Position bezogen. In eine s­ olche Situation geriet der Kammerrichter Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein während des sogenannten Kalenderstreits. Die Ferien und freien Tage des Reichskammergerichts richteten sich nach dem christlichen Festkalender.593 Als Folge der Gregorianischen Kalenderreform von 1582 berechneten Katholiken und Protestanten diese Termine unterschiedlich. Daher stellte das Gericht seit dem Visitationsabschied von 1587 sowohl an katholischen als auch an protestantischen Feiertagen die Arbeit ein.594 Ende des 17. Jahrhunderts verständigten sich die protestantischen Reichsstände, ab dem Jahr 1700 einen verbesserten julianischen Kalender einzuführen, der mit der gregorianischen Kalenderberechnung übereinstimmte.595 Die doppelten Gerichtsferien wurden dadurch überflüssig, weshalb sie im Visitationsabschied von 1713 abgeschafft wurden.596 Doch obwohl der verbesserte julianische Kalender mit dem gregorianischen identisch war, berechneten die Protestanten den Ostertermin weiterhin anders. Das führte dazu, dass das katholische und das evangelische Osterfest von Zeit zu Zeit auf unterschiedliche Daten fielen. 1724 trat dieser Fall ein.597 Das protestantische Osterfest wurde am 9. April, das katholische eine Woche später am 16. April gefeiert. Damit verschoben sich auch alle anderen von Ostern abhängigen Feste wie Himmelfahrt und Pfingsten. Zu Beginn des Jahrs 1723 informierten die protestantischen Assessoren Hohenlohe im Auftrag des Corpus Evangelicorum über die unterschiedlichen Ostertermine 1724, damit rechtzeitig eine Lösung gefunden werden könne.598 Das seine Richter, Teil 2, Bd. 1, Biographie 57, S. 570. 593 Zu den Ferienzeiten am Reichskammergericht vgl. auch Sellert, Urlaub, Ferien und Arbeitsbelastung an den Höchstgerichten, S. 525 – 531. 594 Cramer, Wetzlarische Nebenstunden, Bd. 86, S. 22. 595 Scheutz, „Den neuen bäpstischen calender anlangende würdet derselb […] durchaus nit gehalten“, S. 135. 596 Reichskammergerichtsvisitationsabschied von 1713, § 38, S. 1159. 597 Die Osterfestberechnung wich neben 1724 auch 1744 ab. Cramer, Wetzlarische Nebenstunden, Bd. 86, S. 22; Scheutz, „Den neuen bäpstischen calender anlangende würdet derselb […] durchaus nit gehalten“, S. 136. 1776 wurde auf Betreiben des preußischen Königs Friedrich II. die protestantische Osterfestberechnung mit der katholischen vereinheitlicht, weshalb es 1778 und 1798 nicht erneut zu einer Datumsdivergenz kam. Vgl. ebd., S. 136. 598 Das Corpus Evangelicorum an ­Kaiser Karl VI., Regensburg 11. März 1724, in: Schauroth, Vollständige Sammlung Aller Conclusorum, Bd. 1, S. 222 – 225, hier S. 223.

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Verhältnis ­zwischen K ­ aiser und Corpus Evangelicorum war Anfang der 1720er Jahre besonders angespannt. Wenige Jahre zuvor war es im Rahmen der Pfälzer Religionswirren zum großen Schlagabtausch gekommen.599 Karl VI. nutzte nun den Kalenderstreit als Machtdemonstration gegenüber dem Corpus Evangelicorum und um seine Stellung als Oberhaupt des Reichskammergerichts und oberster Richter im Reich zu betonen.600 Er befahl Hohenlohe, den Protestanten nicht entgegenzukommen und nur an den Terminen der katholischen Feiertage die Arbeit des Gerichts einzustellen. Denn das Reichskammergericht dürfe die Gerichtsferien nicht ohne die Erlaubnis des Kaisers verändern.601 Die protestantischen Reichsstände und Assessoren protestierten heftig und argumentierten, dass das Plenum des Gerichts die Entscheidungskompetenz bezüglich der Festlegung der Feiertage habe. Die protestantischen Assessoren und Prokuratoren beschlossen daher, an den Terminen, die sich aus der protestantischen Festberechnung ergaben, nicht bei Gericht zu erscheinen. Am 21. Februar 1724 machten sie diese Ankündigung wahr. An d ­ iesem Tag begann nach protestantischer Berechnung die Fastenzeit.602 Hohenlohe befand sich in einer schwierigen Situation. Wenn er den Protestanten entgegenkam und damit die Gerichtsautonomie achtete, zog er den Unmut des Kaisers auf sich. Wenn er dagegen den Willen des Kaisers durchsetzte, riskierte er die Spaltung und in deren Folge die Arbeitsunfähigkeit des Gerichts. Hohenlohe verfolgte eine doppelte Strategie. Innerhalb des Gerichts versuchte er, zu vermitteln und den Konflikt zu entschärfen. Er bat die protestantischen Assessoren inständig, an den Gerichtsgeschäften teilzunehmen, bis der Reichstag über die Angelegenheit entschieden habe.603 Außerdem teilte er an den strittigen Tagen vorsorglich keine protestantischen Assessoren für die Audienz ein.604 Gleichzeitig betrieb er gegenüber dem K ­ aiser eine Hinhaltetaktik. Er hatte vom K ­ aiser schon mehrfach den Befehl erhalten, hart gegen die protestantischen Assessoren vorzugehen. Trotzdem fragte er wiederholt in Wien nach, wie er sich verhalten solle. Der K ­ aiser wies 599 Vgl. dazu Haug-­Moritz, Kaisertum und Parität, S. 468 f. 600 Zum Corpus Evangelicorum vgl. Brachwitz, Die Autorität des Sichtbaren; Kalipke, Verfahren im Konflikt. 601 HHStA Wien MEA RKG 194a, ­Kaiser Karl VI. an Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 16. Februar 1724 (Kopie). 602 Vgl. dazu in BArch AR 1-II/49, Extrajudicialprotokoll des Reichskammergerichts, 21. Februar 1724, fol. 60ar: Weilen niemand von den A. C. verwandten Herren Assessoren erschienen, so haben des Herrn Cammerrichters hochgräfliche Excellenz die anwesenden catholischen Herren Assessoren in einer Raths-­Stube zusammen berufen lassen. 603 BArch AR 1-IV/91, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 5. April 1724, fol. 16v–17v, hier fol. 17 f. 604 HHStA Wien MEA RKG 230, Relation der kaiserlichen Prinzipalkommission auf dem Reichstag, Regensburg 9. Juni 1724 (Kopie).

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Hohenlohe am 29. März 1724 an, in solchen Fällen dein cammerrichterliches Ambt gegen die, ­welchen ihnen hierunter etwas zuschulden kommen lasen [gemeint sind die evangelischen Assessoren], mit der Straff der Ungehorsamben […] ohne Ruckfrag stärklich zu verfahren.605 Das kaiserliche Schreiben traf am 4. April 1724 in Wetzlar per Eilkurier ein und wurde bei Gericht verlesen. Als sich am 5. April, vier Tage vor dem protestantischen Ostertermin, die evangelischen Assessoren immer noch nicht kooperativ zeigten, beriet Hohenlohe sich am 6. April mit dem katholischen Teil des Plenums. Es wurde beschlossen, dass der Kammerrichter trotz des an sich eindeutigen kaiserlichen Befehls eine erneute Anfrage an den Kaiserhof richten solle.606 In Wien stieß ­dieses lavierende Taktieren auf Unwillen. Man kritisierte, Hohenlohe setze die Interessen des Kaisers nicht entschieden genug durch.607 Schon in seinem Schreiben vom 29. März 1724 hatte der ­Kaiser Hohenlohe deutlich angewiesen, sich in der Vollziehung der kays. Befehlen und deinem kays. Kammer-­Richter-­Amts-­ Verrichtung weder irre- noch wenig machen [zu] lassen, sondern selbige zum schuldigen Respect und pflichtmässigen Gehorsam gegen uns und unsere kayserlichen Verordnungen an[zu]weisen.608 Am 6. Mai 1724 rügte der K ­ aiser Hohenlohe wegen der geringe[n] Würckung seiner Befehle und forderte ihn auf, endlich durchzugreifen.609 Ende Mai mit dem Ende der protestantischen Pfingstfeiertage löste sich der Konflikt jedoch durch Zeitablauf von selbst. Die Strategie Hohenlohes ging also auf. Zum letzten Mal divergierte die katholische und protestantische Osterfestberechnung 1744.610 Der Kammerrichter Ambrosius Franz von Virmond zeigte großes Interesse, die kaiserlichen Vorrechte bezüglich der Feiertagsregelung durchzusetzen. Der Wittelsbacher K ­ aiser Karl VII. wollte jedoch wegen der reichspolitisch schwierigen Lage während des Österreichischen Erbfolgekriegs (1740 – 1748) keinen Konflikt mit dem Reichskammergericht und den Reichsständen riskieren. Er gestand daher den protestantischen Assessoren die doppelten Kameralferien zu.611 605 HHStA Wien MEA RKG 194a, ­Kaiser Karl VI. an Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 29. März 1724 (Kopie); weitere Kopie in HHStA Wien MEA RKG 230. 606 BArch AR 1-IV/91, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 5. April 1724, fol. 16v–17v. HHStA Wien MEA RKG 230, Plenumsprotokoll des Reichskammergerichts, 6. April 1724 (Kopie). Nicht in BArch AR 1-IV/91. 607 HHStA Wien MEA RKG 194a, Friedrich Karl von Schönborn an Baron von Kirchner, Wien 8. März 1724. 608 HHStA Wien MEA RKG 194a, ­Kaiser Karl VI. an Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, 29. März 1724 (Kopie); weitere Kopie in HHStA Wien MEA RKG 230. 609 HHStA Wien MEA RKG 194a, ­Kaiser Karl VI. an Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein, 6. Mai 1724 (Kopie). 610 Zur Osterfestberechnung vgl. Anm. 597. 611 HHStA Wien MEA RKG 230, Ambrosius Franz von Virmond an K ­ aiser Karl VII., Wetzlar 12. November 1743 (Kopie); K ­ aiser Karl VII . an Ambrosius Franz von Virmond,

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Am Beispiel des Reichskammergerichtspräsidenten und späteren Kammerrichters Franz Adolf Dietrich von Ingelheim zeigt sich, wie gefährlich eine allzu offene Konfrontation mit dem ­Kaiser für die persönliche und familiäre Position sein konnte. Ingelheim vertrat Anfang des 18. Jahrhunderts gemeinsam mit dem anderen Präsidenten Friedrich Ernst von Solms-­Laubach den permanent abwesenden Kammerrichter Johann Hugo von Orsbeck. Während dieser Zeit kam es ­zwischen ­Kaiser Leopold I. und dem Reichskammergericht zu einem schweren Konflikt. 1701 präsentierte der ­Kaiser Johann Rudolf von Ow als Assessor. Das Gericht zweifelte schon bald nicht nur an dessen Lebenswandel, sondern auch an dessen juristischen Fähigkeiten.612 Ihm wurde nachgesagt, er habe seine Proberelation nicht selbst verfasst. Das Reichskammergericht stellte deshalb die Aufschwörung Ows zurück. In der Zwischenzeit wurde die Prüfung des von Kurbayern präsentierten Grafen Nytz von Wartenberg abgeschlossen. Das Gericht entschied daher im Juni 1702 unter der Führung Ingelheims, die Aufschwörung von Nytz vorzuziehen. Der K ­ aiser interpretierte dies als Infragestellung seiner Autorität und seiner Stellung als oberster Richter im Reich. Hinzu kam, dass Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Bayern, der Nytz dem Gericht präsentiert hatte, im Spanischen Erbfolgekrieg (1701 – 1714) eine Koalition mit Frankreich gegen den ­Kaiser gebildet hatte und 1705 in die Reichsacht erklärt wurde. Leopold I. kritisierte daher das Vorgehen Ingelheims scharf und forderte die sofortige Aufnahme Ows.613 Ingelheim und die Mehrheit der Assessoren vertraten jedoch die Auffassung, sie hätten gemäß der Reichskammergerichtsordnung gehandelt. Diese bestimme, dass die Annahme oder Ablehnung von Assessoren in der Entscheidungsgewalt des Reichskammergerichts liege. Sie weigerten sich daher, ihre Entscheidung zu revidieren.614 Obwohl die Position Ingelheims ihre Berechtigung hatte und er außerdem von Lothar Franz von Schönborn, dem Erzbischof von Mainz, unterstützt wurde, hatte sein oppositionelles Verhalten dem ­Kaiser gegenüber negative Konsequenzen. Ein Frankfurt a. M. 24. November 1743 (Kopie); Johann Georg von Königsfeld an Ambrosius Franz von Virmond, Frankfurt a. M. 10. Januar 1744 (Kopie). 612 Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 184 f. Vgl. auch HHStA Wien MEA RKG 103. 613 HHS tA Wien MEA RKG 103, K ­ aiser Leopold I. an das Reichskammergericht, Wien 16. September 1702 (Kopie). 614 Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 184 f. Vgl. auch die Stellungnahme des Gerichts dem Reichstag gegenüber in HHStA Wien MEA RKG 103, das Reichskammergericht an den Reichstag, Wetzlar [Anfang 1704] (Kopie). Vgl. außerdem in RGIA Mespelbrunn Karton 6, Schublade 157, Nr. 11, das weitere anonyme Rechtfertigungsschreiben „Einige Puncta worin das kayserl. Ministerium und Reichshofrath wieder die klahren Reichs Constitutiones in der Cammer Gerichtsordnung verfahren und damit das Cammer Gericht verstöhret“.

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Jahr später nahm der ­Kaiser einen anderen Konflikt zum Anlass, Ingelheim seine Gnade zu entziehen. Das Reichskammergericht suspendierte Anfang des Jahres 1703 unter Ingelheims Präsidium den Assessor Johann Adam Ernst von Pyrck, da dieser verdächtigt wurde, Schmähschriften gegen das Gericht verfasst zu haben.615 Pyrck wehrte sich und warf Ingelheim und dem kurbayerischen Assessor Nytz von Wartenberg vor, Zeugen bestochen zu haben, damit sie gegen ihn aussagten. Der ­Kaiser benutze diese Anschuldigung, um Ingelheim und Nytz Ende 1703 zu suspendieren. Außerdem erkannte er Ingelheim seine beiden Titel, königlicher Kammerherr und kaiserlicher Geheimer Rat, ab.616 Des Weiteren stand zu befürchten, dass der ­Kaiser ihn vollständig seiner Ämter entheben würde. Nicht nur für die Familie Ingelheims bedeutete dies eine Katastrophe. Auch der mit ­diesem eng verbundene Personenkreis war von dem drohenden Verlust von Ehre, Reputation und Teilhabe an den kaiserlichen Resourcen betroffen. Dies motivierte einflussreiche Personen aus dem direkten Umfeld Ingelheims, dessen Ruin zu verhindern und das soziale und symbolische Kapital des gesamten Netzwerks zu sichern. Ingelheim hatte enge Verbindungen zur Familie Schönborn, war er doch mit einer der Nichten des Mainzer Erzbischofs Lothar Franz vermählt.617 Lothar Franz von Mainz und sein Neffe, der spätere Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn, erkannten frühzeitig, dass der ­Kaiser wegen der offenen Missachtung seiner Autorität Konsequenzen gegen Ingelheim ergreifen würde. Friedrich Karl reiste daher nach Wien, um dort den Einfluss seiner Familie geltend zu machen. Er bemühte sich, den ­Kaiser zu überzeugen, seine Autorität in einem Gnadenakt zum Ausdruck zu bringen und Ingelheim lediglich mit einer Geldstrafe zu belegen.618 Er argumentierte unter anderem damit, dass nach der Suspendierung Ingelheims der evangelische Reichskammergerichtspräsident Friedrich Ernst von Solms-­Laubach das einzige in Wetzlar verbliebene Direktoriumsmitglied sei. Dies diene den Interessen der protestantischen Reichsstände und schade dem ­Kaiser.619 Er versuchte außerdem zu erreichen, dass eine außerordentliche Visitation zur Prüfung der Vorfälle 615 Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 185 f.; Schröcker, Ein Schönborn im Reich, S. 110. 616 Kaiserliches Suspendierungsdekret für Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, Wien 13. Dezember 1703, in: Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 29, S. 378 f. Vgl. auch ­Schröcker, Ein Schönborn im Reich, S. 109. 617 Vgl. dazu Kap. III.1.4. 618 RGIA Mespelbrunn Karton 6, Schublade 157, Nr. 11, Lothar Franz von Mainz an Friedrich Karl von Schönborn, Schlangenbad 20. August 1703 (Kopie); Friedrich Karl von S­ chönborn an Lothar Franz von Mainz, o. O. 8. Dezember 1703 (Kopie). Vgl. auch Hantsch, Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn, S. 125. 619 RGIA Mespelbrunn Karton 6, Schublade 157, Nr. 11, Lothar Franz von Mainz an F ­ riedrich Karl von Schönborn, Schlangenbad 20. August 1703 (Kopie); ders. an dens., Mainz

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am Reichskammergericht eingesetzt werde.620 Schönborn warb bei verschiedenen wichtigen Persönlichkeiten des Wiener Hofs, insbesondere beim Reichsvizekanzler Dominik Andreas von Kaunitz, beim Reichshofratspräsidenten Wolfgang von Oettingen-­Wallerstein und bei Prinz Eugen von Savoyen, um die Unterstützung seiner Pläne.621 Je deutlicher sich aber abzeichnete, dass der ­Kaiser an Ingelheim ein Exempel statuieren wollte, desto schwieriger wurde es, Beistand zu finden. Kaunitz etwa fürchtete, sich durch eine offene Parteinahme für Ingelheim selbst in große Impegno und Gefahr zu begeben.622 Daher konnten die Schönborn die Suspendierung Ingelheims am 16. Dezember 1703 nicht verhindern.623 Leopold I. wollte im Fall Ingelheims mit besonderer Härte vorgehen, plante er doch alle Höfe des Reichs persönlich über die Suspendierung Ingelheims zu informieren.624 Friedrich Karl von Schönborn schrieb an seinen Onkel in Mainz, er habe wenigstens erreichen können, dass die Mitteilungen moderater ausfielen als ursprünglich geplant und dass die Falschaussagen nicht erwähnt würden.625 Außerdem gelang es ihm, den Versand der Informationsschreiben immer wieder hinauszuzögern.626 Die Familie Schönborn konzentrierte sich nun darauf, die vollständige Absetzung Ingelheims zu verhindern. Ende Dezember 1703 schrieb Lothar Franz von Schönborn schließlich selbst an den ­Kaiser. Er argumentierte, der K ­ aiser schädige nicht nur das altehrwürdige Geschlecht der Ingelheim, sondern auch alle mit ihm verbundenen Familien, zum Beispiel die Schönborn. Ingelheim könne sich für den K ­ aiser zudem 20. November 1703 (Kopie); Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Wien 5. Dezember 1703 (Kopie). 620 RGIA Mespelbrunn Karton 6, Schublade 157, Nr. 11, Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Wien 8. Dezember 1703 (Kopie); ders. an dens., Wien 12. Dezember 1703 (Kopie). 621 RGIA Mespelbrunn Karton 6, Schublade 157, Nr. 11, Lothar Franz von Mainz an F ­ riedrich Karl von Schönborn, Mainz 20. November 1703 (Kopie); Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Wien 5. Dezember 1703 (Kopie); ders. an dens., Wien 12. Dezember 1703 (Kopie); ders. an dens., Wien 19. Dezember 1703 (Kopie). 622 RGIA Mespelbrunn Karton 6, Schublade 157, Nr. 11, Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Wien 12. Dezember 1703 (Kopie); ders. an dens., Wien 22. Dezember 1703 (Kopie). 623 Kaiserliches Suspendierungsdekret für Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, Wien 13. Dezember 1703, in: Moser, Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 8,2, § 29, S. 378. 624 RGIA Mespelbrunn Karton 6, Schublade 157, Nr. 11, Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Wien 22. Dezember 1703 (Kopie). 625 RGIA Mespelbrunn Karton 6, Schublade 157, Nr. 11, Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Wien 22. Dezember 1703 (Kopie). 626 RGIA Mespelbrunn Karton 6, Schublade 157, Nr. 11, Friedrich Karl von Schönborn an Lothar Franz von Mainz, Wien 9. Januar 1704 (Kopie); ders. an dens., Wien 12. Januar 1704 (Kopie).

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als nützlich erweisen, da seine Söhne in zahlreichen Domstiften aufgeschworen ­seien oder dort Expektanzen hätten. Und nicht zuletzt würde die Suspendierung Ingelheims die katholischen Interessen am Reichskammergericht in Mitleidenschaft ziehen. Wenn der K ­ aiser Milde walten lasse, werde sich Ingelheim gewiss zukünftig wegen der Sicherung seiner Ehre und Reputation erkenntlich zeigen. Außerdem schlug Schönborn erneut eine Geldstrafe als Alternative vor.627 Gleichzeitig akzeptierten Ingelheim und die meisten Assessoren die Suspendierung nicht, da sie sie als unzulässigen Eingriff in die Belange des Gerichts auffassten. Sie argumentierten, Disziplinarmaßnahmen könnten nur vom Gericht selbst, insbesondere vom Kammerrichter, angeordnet werden.628 Der Konflikt eskalierte im Frühjahr 1704 schließlich auch innerhalb des Gerichts. Der ­Kaiser hatte dem verbliebenen Präsidenten Friedrich Ernst von Solms-­Laubach befohlen, den suspendierten Assessor Pyrck zu restituieren.629 Als Solms dies Anfang April 1704 durchzusetzen versuchte, verweigerte sich die Mehrheit des Plenums und beschloss, die Plenumssitzungen nicht mehr zu besuchen.630 Das Reichskammergericht stellte daraufhin im Frühjahr 1704 seine Arbeit ein, da nur der andere Präsident Solms und die Assessoren Zernemann, Krebs, Pyrck und Lauterbach noch zu den Plenums­sitzungen erschienen.631 Die Schönborn richteten ihre Bemühungen nun verstärkt darauf aus, die Einberufung einer außerordentlichen Reichskammergerichtsvisitation zu erreichen. Diese sollte die Vorfälle am Gericht im Allgemeinen und die Vorwürfe gegen Ingelheim im Speziellen untersuchen.632 Auch die am Gericht verbliebenen Assessoren unter Führung des Präsidenten Solms ersuchten ­Kaiser und Reichstag um eine Visitation.633 Auf dem Reichstag fand das Vorhaben schnell eine Mehrheit, so dass bereits im Oktober 1704 die Mitglieder der Visitation durch einen Reichsschluss bestimmt werden konnten.634 Auf Grund der schwierigen 627 RGIA Mespelbrunn Karton 6, Schublade 157, Nr. 11, Lothar Franz von Mainz an K ­ aiser Leopold I., Mainz 30. Dezember 1703 (Kopie). 628 HHStA Wien MEA RKG 103, das Reichskammergericht an den Reichstag, Wetzlar [1704] (Kopie). 629 HHS tA Wien MEA RKG 103, K ­ aiser Leopold I. an das Reichskammergericht, Wien 13. Dezember 1703 (Kopie). Vgl. auch Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf ­Dietrich von Ingelheim, S. 185 – 187. 630 Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 186 f. 631 Ebd., S. 186 f. 632 RGIA Mespelbrunn Karton 6, Schublade 157, Nr. 11, Franz Adolf Dietrich von Ingelheim an den kurmainzischen Rat von Gudenus, o. O. 5. Oktober 1704 (Konzept). Vgl. auch Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 189. 633 Smend, Das Reichskammergericht, S. 218 f. 634 Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 189.

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reichspolitischen Lage in Folge des Spanischen Erbfolgekriegs (1701 – 1714) nahm die Visitation ihre Arbeit allerdings erst 1707 auf. Ingelheim wurde von ihr entlastet und konnte bereits 1711 an der Einsetzung des neuen Kammerrichters Franz Alexander von Nassau-­Hadamar und der Wiedereröffnung des Reichskammergerichts teilnehmen. Der Assessor Pyrck wurde dagegen von der Visitation 1709 abgesetzt.635 III.4.6 Die Nutzung kammerrichterlicher Ressourcen im Rahmen der Ad-hoc-Bestechung Die historische Korruptionsforschung differenziert z­ wischen zwei Formen der Korruption. Die bisher beschriebene Korruptionsform beruht auf verflechtungsförmigen Beziehungen und komplexen Begünstigungssystemen. Gabe und Gegengabe folgen nicht unmittelbar aufeinander. Es wird zwar eine Gegengabe erwartet, doch zum Zeitpunkt der Leistung wird diese weder benannt noch in ihrer Höhe oder Größe beziffert.636 Die andere Korruptionsform lässt sich als Ad-­hoc-­Bestechung charakterisieren. Hierbei erfolgt die Gegengabe unmittelbar und ist genau festgelegt. In der Regel besteht der Tauschgegenstand in Geld oder mobilen Geschenken, in Ausnahmefällen auch in anderen Leistungen. Die Tauschparteien müssen für diese Korruptionsform in keiner Beziehung zueinander stehen, sie kann auch in vollkommener Anonymität stattfinden. Die Ad-­hoc-­ Bestechung ist in der Vormoderne sehr viel seltener anzutreffen als die Beziehungskorruption, jedoch nicht völlig unüblich.637 Wie häufig die Kammer­richter die Ad-­hoc-­Bestechung zur Ressourcennutzung einsetzten, lässt sich nicht sicher bestimmen. Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein (1746 – 1763) nutzte sie allerdings besonders intensiv. Ende der 1740er Jahren kam er über den Assessor Gerhard Georg Wilhelm von Vogelius mit dem Frankfurter Schutzjuden Nathan Aaron Wetzlar in Kontakt, den er 1749 zu seinem Hoffaktor ernannte.638 Wetzlar, geboren 1725, entstammte einer alten jüdischen Familie aus Frankfurt am Main. 635 Smend, Das Reichskammergericht, S. 218 – 221; Duchhardt, Reichskammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim, S. 189 – 192; Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 152, Anm. 132. 636 Engels, Politische Korruption in der Moderne, S. 320 f.; Scheuch / Scheuch, Cliquen, Klüngel und Karrieren; Höffling, Korruption als soziale Beziehung. 637 Engels, Politische Korruption in der Moderne, S. 320 f. 638 HHStA Wien MEA RKG 371, Sessio 579 der Reichskammergerichtsvisitation, 23. Juli 1771. Vgl. zum Folgenden auch Baumann, Korruption am Reichskammergericht; Denzler, Über den Schriftalltag im 18. Jahrhundert, S. 440 – 464; Loewenich, Der Kammerrichter Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein.

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Neben seiner Tätigkeit im Textil- und Bankgewerbe war er auch als Sollicitant am Reichskammergericht tätig.639 Wetzlar beschränkte sich jedoch nicht auf die gewöhnliche und legale Sollicitatur. Er versuchte auch, durch hohe Geldzahlungen an einzelne Gerichtsangehörige positive Urteile für seine Klienten zu erwirken. Wahrscheinlich Anfang der 1750er Jahre begannen Hohenlohe und Wetzlar gemeinsam mit einigen Assessoren, geradezu ein System der Prozessbeeinflussung zu entwickeln.640 Hohenlohe bestimmte nach der Distribution der Akten möglichst einen Referenten und gegebenenfalls einen Korreferenten, die mit Wetzlar zusammenarbeiteten. Sobald die Relationen erstellt waren, stellte Hohenlohe einen Senat zusammen, in dem weitere bestochene Assessoren vertreten waren, die die in den Relationen vertretene Rechtsauffassung stützten.641 Bei ­diesem Vorgehen waren der Kammerrichter und die Assessoren im Gegensatz zur Beziehungskorruption mit den Klienten Wetzlars in der Regel nicht bekannt und standen auch in keiner Beziehung zu ihnen. Mit Hohenlohe und Wetzlar arbeiteten regelmäßig vier Assessoren zusammen, die ungefähr im selben Zeitraum am Gericht aufgeschworen worden waren. Anfangs waren dies besonders häufig Christian von Nettelbla und Gerhard Georg Wilhelm von ­Vogelius.642 Nach seinem Tod 1752 wurde Vogelius durch den kurbayerischen Assessor P ­ hilipp Heinrich von Reuss ersetzt. Er stand schon vor seiner Aufschwörung am Reichskammergericht in einem engen Verhältnis zu Hohenlohe, da er zuvor gemeinsamer Geheimer Rat der Waldenburger Linien des Hauses Hohenlohe gewesen war.643 Seit seiner Ernennung zum Kammerrichter im Jahre 1745 hatte Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein versucht, Reuss eine Stelle als Assessor zu verschaffen, und hatte ihn mehrfach eindringlich den präsentierenden Ständen empfohlen.644 1756 kam Johann Hermann von Papius, der Assessor des burgundischen Kreises, zu ­diesem Zirkel hinzu.645 Darüber hinaus war der Assessor Johann Christoph 639 Battenberg, Hoffaktoren; Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 200 f.; Schwarz, Bribery of Judges, S. 252 f. 640 HHS tA Wien MEA RKG 371, Sessio 576 der Reichskammergerichtsvisitation, 18. Juli 1771. Nathan Aaron Wetzlar gab im Verhör etwa an, 1752 gemeinsam mit Papius und dem Kammerrichter im Prozess Nesselrode contra Oettingen aktiv gewesen zu sein. 641 HHStA Wien MEA RKG 371, vgl. die Angaben Nathan Aaron Wetzlars während seiner Verhöre. Vgl. auch Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 200 – 221 u. 227 f. 642 Vgl. etwa HHStA Wien MEA RKG 371, Sessiones 579 u. 596 der Reichskammergerichtsvisitation, 23. Juli u. 16. Oktober 1771. Vgl. außerdem Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 227 f. 643 Zu Reuss vgl. Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 1, Biographie 23, S. 243. 644 Vgl. die Korrespondenz in HZA Neuenstein Ba 125 Bü 94. 645 Zu Papius vgl. Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 1, Biographie 58, S. 575 – 588. Vgl. auch Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 200 f.;

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Veit von Tönnemann für Hohenlohe und Wetzlar interessant. Dieser ließ sich zwar offenbar nicht selbst bestechen, jedoch stand seine Ehefrau auf der Gehaltsliste Wetzlars.646 Nathan Aaron Wetzlar gab später an, er sei nach dem Tod des Assessors Vogelius eilig von Düsseldorf nach Wetzlar gereist, um beim Kammerrichter zu erwirken, dass alle von Vogelius noch nicht abgeschlossenen Akten den Assessoren Reuss und Tönnemann zugeteilt würden.647 Die Machenschaften Hohenlohes, Wetzlars und der vier Assessoren blieben vor der Wetzlarer Öffentlichkeit nicht verborgen. Besonders zwei Verfahren standen in Verdacht. Einer dieser beiden Fälle war 1760 der Appellationsprozess, den die Karthause Vallon in Savoyen gegen den Kaufmann Belli führte. Belli war der uneheliche Sohn und Erbe eines Kaufmanns aus Savoyen, der sich in Frankfurt am Main niedergelassen hatte.648 Nach dessen Tod erhob die Karthause Vallon Anspruch auf das Erbe und strengte in Frankfurt einen Prozess gegen Belli an. In erster Instanz sprach das Frankfurter Gericht dem Kloster 100 000 fl. zu.649 Belli appellierte darauf­hin an das Reichskammergericht. Sein Frankfurter Advokat ­Hoffmann beauftragte Nathan Aaron Wetzlar mit der Sollicitatur.650 Das Urteil des Reichskammergerichts reduzierte die an die Karthause zu zahlende Summe auf nur noch 30 000 fl.651 Neben ­diesem Prozessausgang erschien vor allem die kurze Verfahrensdauer verdächtig. Eine Woche nach der Kompilierung der Akten ernannte Hohenlohe im Herbst 1760 Papius zum Referenten und Nettelbla zum Korreferenten, die in Rekordzeit ihre Relationen verfassten.652 Der Göttinger Staatsrechtslehrer Johann Stephan Pütter bemerkte dazu, als der Fall im Rahmen der letzten Reichskammergerichtsvisitation (1767 – 1776) behandelt wurde, insbesondere Papius könne die Akte unmöglich gelesen, geschweige denn den Sachverhalt sorgfältig geprüft haben.653 Auch der Senat beriet den Fall Belli sofort, obwohl es zahlreiche Baumann / Eichler (Hrsg.), Die Affäre Papius. 646 Zu Tönnemann vgl. Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 1, Biographie 50, S. 485 – 495. Vgl. zur Bestechlichkeit Tönnemanns zweiter Ehefrau Anna Maria Schäffer HHStA Wien MEA RKG 371, Sessiones 579 u. 596 der Reichskammergerichtsvisitation, 23. Juli u. 16. Oktober 1771; Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 227 f. 647 Vgl. die Aufzeichnungen Nathan Aaron Wetzlars in HHStA Wien MEA RKG 371, blaue Zettel, 28. August 1771, S. 229. 648 Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 202. 649 Schwarz, Bribery of Judges, S. 256. Vgl. auch Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 202. 650 HHStA Wien MEA RKG 371, Sessio 565 der Reichskammergerichtsvisitation, 3. Juli 1771. 651 Schwarz, Bribery of Judges, S. 256. Vgl. auch Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 202. 652 Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 202 f. 653 Ebd., S. 203.

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ältere Verfahren gab, die Vorrang gehabt hätten.654 Außerdem gelang es Wetzlar, von Papius und Nettelbla noch vor Abschluss der Beratungen einen Urteilsentwurf zu erhalten, den er den Karthäusern von Vallon zuspielte. Diese sahen daraufhin ihre Chancen schwinden und gaben ihren Klageantrag weitgehend auf.655 Wetzlar erhielt vom Kaufmann Belli 10 000 fl. für seine Bemühungen.656 Er gab 1000 fl. an Hohenlohe weiter, um ihn für die Einsetzung von Papius und Nettelbla sowie die günstige Zusammenstellung des Senats zu entlohnen. Während Papius für seine Relation 1000 fl. erhielt, gelang es Nettelbla, Wetzlar auf 2500 fl. hochzuhandeln.657 Ein zweiter Prozess, den Wetzlar, Hohenlohe und einige der genannten Assessoren beeinflussten, war der der Kurpfalz gegen Kurköln um Kaiserswerth und den dortigen Rheinzoll. Dieser Prozess rief besonders beim damaligen Reichskammergerichtspräsidenten und späteren Kammerrichter Franz Joseph von Spaur Misstrauen hervor. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts hatten die Grafen von Kleve und Mark Kaiserswerth, das sie als Pfandschaft der Herzöge von Jülich innehatten, an den Erzbischof und das Domstift von Köln verkauft. Im 16. Jahrhundert forderten die Herzöge von Jülich, Kleve und Berg die Herausgabe des Pfands und reichten deswegen 1596 eine Klage beim Reichskammergericht ein.658 Der Prozess kam über die Jahrhunderte immer wieder zum Erliegen. Nach dem Aussterben der Herzöge von Jülich, Kleve und Berg 1609 übernahm das Haus Pfalz-­ Neuburg die Ansprüche. Dieses führte die Auseinandersetzung aber erst Anfang des 18. Jahrhunderts fort.659 1702 besetzte Johann Wilhelm von der Pfalz Kaiserswerth, wogegen der Domstift zu Köln protestierte und sich an den Reichshofrat wandte. Dieser verwies die Parteien 1714 an das Reichskammergericht, da dort bereits ein Verfahren in dieser Sache anhängig und ihm daher die Annahme des Falls nicht möglich sei.660 In den Jahren 1715 bis 1726 erließ das Reichskammer­gericht mehrere Zwischenurteile, doch dann geriet das Verfahren erneut ins ­Stocken.661 Erst Anfang der 1760er Jahre zeigte die Kurpfalz wieder Interesse am Abschluss des 654 Ebd., S. 203. 655 Ebd., S. 203. 656 HHStA Wien MEA RKG 371, Sessiones 545 u. 565 der Reichskammergerichtsvisitation, 17. Mai u. 3. Juli 1771. Schwarz, Bribery of Judges, S. 256, geht dagegen von einer Summe von 11 500 fl. aus. Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 203, schließt sich dessen Berechnung an. 657 Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 203 u. 227 f. Vgl. auch die Angaben Nathan Aaron Wetzlars in HHStA Wien MEA RKG 371, Sessiones 545, 565 u. 566 der Reichskammergerichtsvisitation, 17. Mai, 3. u. 4. Juli 1771. 658 Schottmann, Der Prozess um Kaiserswerth und den dortigen Rheinzoll, S. 114 – 130. 659 Ebd., S. 130 – 134. 660 Ebd., S. 133 – 136. 661 Ebd., S. 136 – 143.

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Prozesses und gab Nathan Aaron Wetzlar den Auftrag, für ein günstiges Urteil zu sorgen. Hohenlohe setzte auch in ­diesem Fall auf Wunsch Wetzlars Papius und Nettelbla als Referenten ein.662 Den Senat besetzte er auftragsgemäß mit den Assessoren Reuss, Leykam und Cramer.663 Im Mai 1762 fällte dieser unter dem Vorsitz des Präsidenten Spaur einstimmig ein Zwischenurteil zugunsten der Kurpfalz.664 Für ihren Einsatz erhielten Papius 9000 fl., Hohenlohe und Nettelbla jeweils 10 000 fl.665 Außerdem setzte sich der kurpfälzische Hof für die Karrieren von Hohenlohes Söhnen ein. So unterstützte er Hohenlohes Versuche, für seinen Sohn Joseph Christian eine Expektanz auf die Kammerrichterstelle zu erhalten.666 1763 verstarb Hohenlohe. Wetzlar und die Assessoren agierten trotzdem weiterhin im Kaiserswerther Fall, wobei der neue Kammerrichter Franz Joseph von Spaur sie misstrauisch beobachtete.667 In der Folgezeit wurden noch mehrere Zwischenurteile zugunsten der Kurpfalz gefällt, bis es 1772 zu einem außergerichtlichen Vergleich kam.668 Die Machenschaften Wetzlars, Hohenlohes und der genannten Assessoren waren einer der Gründe für die Einberufung der letzten Reichskammergerichtsvisitation, die 1767 ihre Arbeit in Wetzlar aufnahm.669 Da Hohenlohe bereits ­verstorben 662 HHStA Wien MEA RKG 371, Sessio 605 der Reichskammergerichtsvisitation, 29. Oktober 1771. 663 Ebd. Wetzlar nennt als weiteres Mitglied des Senats einen gewissen Burger sen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert gab es aber keinen Assessor ­dieses Namens. Vgl. Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2. 664 Schottmann, Der Prozess um Kaiserwerth und den dortigen Rheinzoll, S. 144 – 148. 665 HHStA Wien MEA RKG 371, Sessiones 571 u. 605 der Reichskammergerichtsvisitation, 11. Juli u. 29. Oktober 1771. Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 227 f. geht dagegen davon aus, dass auch Papius ingesamt etwa 12 000 fl. erhielt. 666 HHStA Wien MEA RKG 371, Sessio 575 der Reichskammergerichtsvisitation, 17. Juli 1771. 667 Spaur hatte sich schon 1765 mit seinen Verdacht gegen die entsprechenden Assessoren an den ­Kaiser gewandt. Der K ­ aiser fürchtete jedoch offenbar einen Skandal und schlug vor, Spaur solle diskret und sehr vorsichtig vorgehen (vgl. Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 204). 1766 teilte Spaur dann dem Reichsvizekanzler Rudolph Joseph von Colloredo mit, dass die heimlichen Bewegungen in der Kaiserwerther Frage immer noch kein Ende gefunden hätten und er deshalb nun ein anonymes Memorial verfassen und an den Höfen im Reich verteilen lassen wolle, in dem über die Vorgänge berichtet werde. In Wien war man mit d ­ iesem Plan offenbar einverstanden, denn Colloredo erteilte Spaur den Befehl, ein solches Memorial zu verfassen und zu erklären, wie er sich die Verteilung vorstelle. Vgl. HHStA Wien RK RKGVA 375a, Franz Joseph von Spaur an Rudolph Joseph von Colloredo, Wetzlar 28. April 1766; Rudolph Joseph von Colloredo an Franz Joseph von Spaur, Wien 9. Mai 1766 (Kopie). 668 Schottmann, Der Prozess um Kaiserswerth und den dortigen Rheinzoll, S. 148 – 165. 669 Denzler, Über den Schriftalltag im 18. Jahrhundert; Aretin, K ­ aiser Joseph II. und die Reichskammergerichtsvisitation; ders., ­Kaiser Joseph II. und die Reichskammergerichtsvisitation

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war, wurde seine Beteiligung nicht weiter untersucht. Wetzlar sowie die Assessoren Papius, Nettelbla und Reuss wurden von der Visitation 1773 bzw. 1774 der Korruption für schuldig befunden und verurteilt.670 Wetzlar musste in Frankfurt am Main eine Gefängnisstrafe verbüßen und eine Geldbuße leisten. Außerdem wurde ihm untersagt, die Stadt Wetzlar zu betreten und weiter als Sollicitant tätig zu sein.671 Die drei Assessoren verloren ihre Ämter einschließlich aller Titel, Rechte und Freiheiten und wurden der Stadt Wetzlar verwiesen.672 Aufgrund der Affäre um den Kammerrichter Karl Philipp von Hohenlohe und Nathan Aaron Wetzlar beschloss die Visitation, die Kompetenzen des Kammerrichters einzuschränken sowie die bereits bestehenden Bestimmungen der Reichskammergerichtsordnung von 1555 durchzusetzen. Die personelle Zusammensetzung der Senate sollte nicht mehr kurzfristig verändert werden dürfen, sondern sollte wie in der Reichskammer­ gerichtsordnung vorgesehen über längere Zeit Bestand haben. Nur in Ausnahmefällen und nach Rücksprache mit den übrigen Assessoren des betroffenen Senats sollte der Kammerrichter einen Assessor aus einem Senat entfernen können.673 Auch bei der Zuteilung der Prozesse wurden die Rechte des Kammerrichters beschnitten. Der Kammerrichter sollte nicht mehr frei entscheiden können, welcher Fall in welchem Senat beraten wurde. Stattdessen sollte er jeden Samstag in Anwesenheit des Kanzleiverwalters und einiger Assessoren die Akten auf drei gleich große Stapel verteilen und per Los einem der Senate zuordnen.674 Die Visitationskommission traf keine Festlegung bezüglich der Auswahl der Referenten. Das Gericht einigte sich aber darauf, dass die Akten in der Reihenfolge des Rangs der Assessoren reihum in den Senaten ausgegeben werden sollten.675 (Aufs. ZNR); Smend, Das Reichskammergericht, S. 228 – 238; Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 200 – 221; Zur Vorbereitung und Begleitung der Reichskammergerichtsvisitation auf dem Reichstag vgl. Rohr, Der deutsche Reichstag, S. 69 – 75, 109 – 115, 128 – 143 u. 266 – 283. 670 Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 213 – 217. 671 Vgl. das Urteil der Reichskammergerichtsvisitation bei Fuchs, Die Sollicitatur am Reichskammergericht, S. 234 f. 672 Vgl. ebd., S. 231 – 233, die Urteile der Reichskammergerichtsvisitation gegen Reuss, Papius und Nettelbla. 673 Reichsschluß vom 23. Octbr. / 15. Decbr. 1775, S. 1529; Vgl. auch Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 175, S. 355 – 358. 674 Reichsschluß vom 23. Octbr. / 15. Decbr. 1775, S. 1531; Vgl. auch Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 182, S. 393 – 396; Pütter, Neuester Reichsschluß über einige Verbesserungen, Anlage, S. 3 f. 675 Malblank, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­Gerichts- und Kanzleyverfassung, Teil 1, § 183, S. 396 – 401.

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Die Gründe, die Hohenlohe und die genannten Assessoren veranlassten, sich von Nathan Aaron Wetzlar bestechen zu lassen, sind unklar. Möglicherweise verleiteten die hohe finanzielle Belastung durch das Kammerrichteramt und die nur unregelmäßig geleistete Zahlung der Salarien sie, bestechlich zu werden.676 Hohenlohe selbst hatte bei Wetzlar hohe Schulden, so dass dieser die für die ­Kaiserswerther Sache fälligen 10 000 fl. mit Hohenlohes Ausständen verrechnete.677 Nettelbla dagegen erwarb kostspielige, seine Forschungsinteressen betreffende Werke, die er in seiner umfangreichen Bibliothek sammelte. Möglicherweise motivierte ihn dies, seinen Verdienst mit Bestechungsgeldern aufzubessern.678 Die Beziehungskorruption und die Ad-­hoc-­Bestechung lassen sich nicht immer klar trennen. Es gibt Fälle, die eher einer auf Beziehungen basierenden Korruption entsprechen, in denen aber auch konkrete Gegenleistungen angeboten, erwartet oder geleistet wurden. Karl Thomas von Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort bot Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein (1746 – 1763) an, ihn bezüglich eines besondern Hohenlohischen Fürstenanschlags beim fränkischen Reichskreis zu unterstützen. Im Gegenzug sollte Hohenlohe dafür sorgen, dass der Prozess, den der Gärtner Johann Georg Witt gegen Löwenstein am Reichskammergericht angestrengt hatte, in der Extrajudicialinstanz abgewiesen wird.679 Ebenfalls den Hohenloher Interessen beim fränkischen Kreis diente ein Vorschlag Karl Albrechts I. von Hohenlohe-­ Schillingsfürst, eines Vetters Karl Philipps von Hohenlohe-­Bartenstein. Er regte an, der Kammerrichter solle den Prozess eines Herrn Voisin zu einem glücklichen Abschluss bringen. Da Voisin der Schwager des eichstättischen Gesandten beim fränkischen Kreis war, hoffte Karl Albrecht diesen damit aufzumunteren, die persönlichen Interessen des Kammerrichters und die der Familie Hohenlohe zu vertreten.680 Eine andere Ressource konnte ein Herr von Hanxleden anbieten. Er hatte wohl einen gewissen Einfluss am Reichshofrat, wo in den 1750er und 60er Jahren einige Verfahren der katholischen Hohenloher Linien anhängig waren. Hanxleden ­wiede­r­um war in einen Prozess am Reichskammergericht verwickelt. Karl Albrecht I. von Hohenlohe-­Schillingsfürst hatte mit Hanxleden Kontakt aufgenommen und 676 Vgl. dazu Ehrenpreis, Korruption im Verfahren; Sellert, Richterbestechung am Reichskammergericht und am Reichshofrat, S. 340 – 345. 677 HHStA Wien MEA RKG 371, Sessio 571 der Reichskammergerichtsvisitation, 11. Juli 1771. 678 Zu Nettelbla vgl. Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 2, Bd. 2, Biographie 108, S. 1210. Vgl. auch Jörn, Christian von Nettelbla – Augustin von Balthasar – Hermann Heinrich von Engelbrecht; ders., Johann von Ulmenstein und Christian von Nettelbla. 679 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 53, Karl Thomas von Löwenstein-­Wertheim-­Rochefort an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Wertheim 9. Oktober 1755 (Kopie). 680 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 69, Karl Albrecht I. von Hohenlohe-­Schillingsfürst an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Schillingsfürst 26. Dezember 1761.

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rühmte gegenüber seinem Vetter Karl Philipp dessen Bemühungen, die Hohenloher Interessen zu unterstützen. Karl Albrecht riet ihm, Hanxledens Prozess am Reichskammergericht zu befördern, um sich für dessen Einsatz erkenntlich zu zeigen.681 Ein weiteres Tauschobjekt stellten Ämter und Pfründe dar. Der Kammerrichter Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein (1722 – 1729) beeinflusste 1725 auf Vermittlung Lothar Franz‘ von Schönborn den Prozess Fioramonti gegen Bogen zugunsten des ersten. Sein Sohn Joseph Anton von Hohenlohe-­Pfedelbach erhielt im Gegenzug vom Papst auf Betreiben des Kardinals Fabrizio Paolucci eine nicht näher bezeichnete Präbende.682 Wahrscheinlich handelte es sich um ein Domkanonikat entweder in Straßburg oder in Köln.683 Eine ähnliche Intervention des Kammerrichters Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein (1746 – 1763) verschaffte seinem Sohn ein Domkanonikat in Augsburg. Auf Vermittlung seines Bruders Joseph Anton von Hohenlohe-­Pfedelbach beeinflusste Karl Philipp den Rechtsstreit des Stifts Augsburg mit der Stadt Augsburg um die Landvogteien in Gersthofen und Langweid. Das Stift kam ihm dafür mit der Aufschwörung seines Sohnes im Jahre 1762 entgegen.684 III.4.7 Die delegitimierende Wirkung der Normenkonkurrenz Die Diskrepanz ­zwischen den Verhaltensnormen, denen der Kammerrichter und die anderen Gerichtsangehörigen unterlagen, und der sozialen Praxis machte den Vorwurf der Korruption zu einer Waffe gegen unliebsame Entscheidungen des Reichskammergerichts.685 Die Kameralen waren mit den Forderungen ihres persönlichen Umfelds konfrontiert und nutzten teilweise vorsätzlich ihre Amtsbefugnisse zur Vorteilsnahme. Auch die übrigen Verfahrensbeteiligten konnten oder wollten ihre verschiedenen sozialen Rollen nicht trennen. Der Vorwurf der Prozessbeeinflussung erschien somit plausibel und wurde von Dritten selbst dann für möglich gehalten, wenn kein Interessenskonflikt vorgelegen hatte.686 Die ­mangelnde 681 HZA Neuenstein Ba 125 Bü 68, Karl Albrecht I. von Hohenlohe-­Schillingsfürst an Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein, Wien 5. September 1749. 682 Schröcker, Die Patronage des Lothar Franz von Schönborn, S. 68 f. 683 Zu den Präbenden Joseph Antons von Hohenlohe-­Pfedelbach vgl. Hersche, Die deutschen Domkapitel, Bd. 1, S. 239. 684 Seiler, Das Augsburger Domkapitel, S. 451. 685 Zur Legitimation und Delegitimation von Gerichtsentscheidungen vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 57 – 135. Vgl. außerdem Loewenich, Herstellung und Darstellung von Entscheidungen. 686 Vgl. zum Beispiel die Ausführungen von Zwierlein, Vermischte Briefe und Abhandlungen, Bd. 1, S. 10 – 24.

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­ ifferenzierung der sozialen Rollen und die dadurch verursachte NormenkonkurD renz schadeten also der Legitimation von Reichskammergerichtsurteilen. Besonders häufig erhoben die Prozessparteien Vorwürfe gegen den Kammerrichter, da dieser bis zur letzten Reichskammergerichtsvisitation (1767 – 1776) grundlegende Möglichkeiten zur Verfahrensbeeinflussung hatte. Die Vorwürfe, die Wilhelm VIII. von Hessen-­Kassel 1737 gegen den Kammerrichter Franz Adolf Dietrich von Ingelheim und einige Assessoren erhob, erregten eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit. Gegenstand war der Prozess des Landgrafen gegen Kurmainz um die Rechte im Freigericht Wilmundsheim.687 Wilmundsheim war ein Kondominium des Kurfürstentums Mainz und der Grafen von Hanau-­Münzenberg. Als die Grafen von Hanau mit Johann Reinhard III. von Hanau 1736 ausstarben, wurden sie unter anderem von Hessen-­Kassel beerbt. Grundlage war ein 1643 geschlossener Erbvertrag beider Häuser, den der Kaiserhof erst 1733 bestätigt hatte.688 Der Landgraf von Hessen-­Kassel forderte nun den Hanauer Teil des Freigerichts Wilmundsheim ein, während der Kurfürst von Mainz, Philipp Karl von Eltz, beide Teile für sich beanspruchte.689 Wilhelm VIII. von Hessen-­Kassel klagte daraufhin vor dem Reichskammergericht gegen den Kurfürsten von Mainz. Dieses erließ 1737 ein Urteil, das die Position des Kurfürsten von Mainz bestätigte. Der Landgraf war aber nicht bereit, es zu akzeptieren, und rief den ­Kaiser und den Reichstag an, um eine Aufhebung des Urteils zu erreichen. Er warf dabei Ingelheim vor, im Sinne des Kurfürsten von Mainz gekünzelt zu haben. Er habe bekanntermaßen enge Verbindungen zum Mainzer Erzstift.690 687 Vgl. HHStA Wien RK RKGVA 337b, die Streitschriften der Kontrahenten Franz Adolf Dietrich von Ingelheim und Wilhelm VIII. von Hessen-­Kassel. Vgl. auch den publizistischen Niederschlag in Faber, Europäische Staats-­Cantzley, Bd. 71 – 74, und die ausführliche Analyse des Konflikts in Duchhardt, Philipp Karl von Eltz, S. 91 – 118. 688 Demandt, Geschichte des Landes Hessen, S. 298 f.; Wille, Die letzten Grafen von Hanau-­ Lichtenberg, S. 58 – 68. Zur Geschichte des Freigerichts Wilmundsheim vgl. auch Fächer, Alzenau, S. 30. 689 Demandt, Geschichte des Landes Hessen, S. 298 f. 690 So brachte Wilhelm VIII. von Hessen-­Kassel vor, dass Ingelheim ein Vasall des Kurfürsten von Mainz sei und seine Söhne zudem im dortigen Domkapitel säßen. Vgl. HHStA Wien RK RKGVA 337b, Wahrhaffte und gründliche Nachricht Daß In Causa Ihro Hochfürstl. Durchl. des Herrn Landgrafen Wilhelm von Hessen-­Cassel Contra Ihro Churfürstl. Gnaden zu Mayntz, Das Frey-­Gericht vor dem Berg Wellmizheim betreffend Von Seiten des Herrn Cammer-­Richters Grafen von Ingelheim Excellenz nach der Cammer-­Gerichts-­Ordnung […] in allem und jeden Punct seye verfahren worden, o. O. 1737, S. 4, 18 u. 20; ebd., Fernere Wahrhaffte und gründliche Nachricht daß in Causa Ihro Hochfürstl. Durchl. des Herrn Landgrafen Wilhelm zu Hessen-­Cassel contra Ihro Churfürstl. Gnaden zu Mayntz das Frey-­ Gericht vor dem Berg Welmitzheim betreffend von Seiten des Herrn Cammer-­Richters Grafen von Ingelheim Excellenz nach der Cammer-­Gerichts-­Ordnung […] in allen und

Zwischenresümee

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Die wesentlichen Vorwürfe des Landgrafen bezogen sich aber auf die Kompetenzen des Kammerrichters im Verfahren. Er warf Ingelheim vor, er habe den Senat nur mit Assessoren besetzt, die bekanntermaßen die Mainzer Position vertraten.691 Insbesondere der von Ingelheim ausgewählte Referent Heinrich Gottlob von Miltiz habe die kurfürstliche Position unterstützt. Miltiz sei dem Reichskammergericht von Friedrich August I. von Sachsen präsentiert worden, von dem bekannt sei, dass er einen Verfahrensausgang zugunsten von Kurmainz gewünscht habe.692 Außerdem habe der Mainzer Rat, der nach Wetzlar gereist war, um den Prozess zu betreiben, im Hause Ingelheims logiert.693 Ob die Vorwürfe des Landgrafen berechtigt waren, ist schwer zu beurteilen. Sie zeigten aber die von ihm beabsichtigte Wirkung. Das Urteil wurde nicht vollstreckt. 1748 wurde ein Vergleich geschlossen, der das Freigericht Wilmundsheim wie schon zuvor aufteilte, allerdings zum Vorteil von Mainz.694

III.5 Zwischenresümee Der Erwerb des Kammerrichteramts war eingebunden in die familiären Strategien des mindermächtigen Reichsadels, der versuchte, seine Einflussmöglichkeiten zu vergrößern und so der drohenden Marginalisierung im Machtgefüge des Alten Reichs entgegenzuwirken. Die kammerrichterlichen Familien bedienten sich dabei vor allem der am Kaiserhof verfügbaren Ressourcen. Die fünf Kammerrichter, die jeden Puncten seye verfahren worden, o. O. 1738, S. 17 u. 19; ebd., Beantwortung Der Von des Herrn Cammer-­Richter nunmehrigen Graffen von Ingelheims Excellenz herausgegebenen aber mit Unrecht so genannten Wahrhafften und Gründlichen Nachricht Daß in Causa Ihro Hoch-­Fürstl. Durchl. Des Hrn. Landgraffen Wilhelm von Hessen-­Cassel contra Ihro Churfürstl. Gnaden zu Mayntz, Das Frey-­Gericht vor dem Berg Welmitzheim betreffend, Kassel 1739, S. 17. 691 HHS tA Wien RK RKGVA 337b, Wahrhaffte und gründliche Nachricht […], passim; ebd. Fernere Wahrhaffte und gründliche Nachricht […], passim; ebd., Beantwortung Der Von des Herrn Cammer-­Richter nunmehrigen Graffen von Ingelheims Excellenz herausgegebenen aber mit Unrecht so genannten Wahrhafften und Gründlichen Nachricht […], passim. 692 HHStA Wien RK RKGVA 337b, Wahrhaffte und gründliche Nachricht […], passim; ebd. Fernere Wahrhaffte und gründliche Nachricht […], S. 16; ebd., Fernere Wahrhaffte und gründliche Nachricht […] von Seiten des Herrn Cammer-­Richters Grafen von Ingelheim, S. 21; ebd., Beantwortung Der Von des Herrn Cammer-­Richter nunmehrigen Graffen von Ingelheims Excellenz herausgegebenen aber mit Unrecht so genannten Wahrhafften und Gründlichen Nachricht […], S. 23 u. 37. 693 HHS tA Wien RK RKGVA 337b, Beantwortung Der Von des Herrn Cammer-­Richter nunmehrigen Graffen von Ingelheims Excellenz herausgegebenen aber mit Unrecht so genannten Wahrhafften und Gründlichen Nachricht […], Vorbericht. 694 Demandt, Geschichte des Landes Hessen, S. 299.

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Die Kammerrichter

reichsgräflichen Geschlechtern entstammten, hatten ausnahmslos dementsprechend andere kaiserliche Chargen innegehabt, bevor sie das Kammerrichteramt übernahmen. Der zur Ritterschaft gehörende Ambrosius Franz von Virmond stand zwar zuvor in kurkölnischen Diensten, doch hatte seine Familie innerhalb kurzer Zeit eine enge Bindung an den Kaiserhof aufgebaut. Eine andere strategische Ausrichtung verfolgte die Familie von Franz Adolf Dietrich von Ingelheim. Sie gehörte dem fränkischen Stiftsadel an und erwarb daher vor allem geistliche Würden. Auch die Karriere Franz Josephs von Spaur verlief nach stiftsadeligem Muster, obwohl er dem österreich-­landständischen Adel entstammte. So wurde er dabei maßgeblich vom Mainzer Erzbischof Johann Friedrich Karl von Ostein sowie von seinem Schwiegervater Anton Heinrich Friedrich von Stadion unterstützt, der kurmainzischer Großhofmeister war. Eine Ausnahme bildete der letzte Kammerrichter Heinrich Aloys von Reigersberg (1803 – 1806). Seine Familie war erst im 17. Jahrhundert geadelt und zu Beginn des 18. Jahrhunderts in den Reichsfreiherrenstand gehoben worden. Seine Ernennung zum Kammerrichter spiegelt den gesellschaftlichen Umbruch um 1800 wider. Die Attraktivität des Kammerrichteramts bestand für den mindermächtigen Reichsadel nicht im Gewinn ökonomischen Kapitals. Der Erhalt und die Ausübung des Amts erforderten im Gegenteil die Investition hoher ökonomischer Ressourcen. Schon bei Übertragung des Kammerrichteramts wurde eine Taxe an den K ­ aiser fällig. Bedeutsamer war allerdings, dass das kammerrichterliche Salär in keinem Verhältnis zu den finanziellen Aufwänden stand, die sich aus der Amtsführung ergaben. Außerdem verzögerte sich die Auszahlung der Bezüge häufig oder blieb ganz aus. Den zu investierenden ökonomischen Ressourcen stand jedoch die Möglichkeit gegenüber, symbolisches und soziales Kapital zu gewinnen. Das symbolische Kapital erwuchs aus der Stellung des Kammerrichters als kaiserlichem Repräsentanten. Diese Funktion war mit einer Vielzahl von Ehrbezeugungen verbunden, die dem Amtsinhaber am Gerichtsort, aber auch außerhalb zustanden. Dazu gehörten die Ansprache mit ehrenvollen Titeln und der Gebrauch von Baldachin, Thron und einer sechsspännigen Kutsche. Weiterer symbolischer Profit konnte sich aus der Anforderung der Reichskammergerichtsordnungen ergeben, dass der Kammerrichter ein Reichsstand sein müsse. Im 18. Jahrhundert gelang es mehrfach Personen, die die Standesanforderungen nicht erfüllten, das Kammerrichteramt zu übernehmen. Sie konnten sich in der Ausübung ihres Amts als den Reichsständen ebenbürtig darstellen. Die Chance, soziales Kapital zu erwerben, ergab sich aus den Aufgaben des Kammerrichters im Reichskammergerichtsverfahren. So war es ihm möglich, Verfahren zugunsten einer Prozesspartei zu beeinflussen. Er konnte gezielt Referenten oder Senate zur Bearbeitung bestimmter Prozesse einsetzen, die einer der beiden Prozessparteien gewogen waren oder von denen eine bestimmte Rechtsauffassung

Zwischenresümee

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bekannt war. Außerdem konnte er einzelne Verfahren verzögern oder auch besonders schnell bearbeiten lassen. Die Möglichkeiten zur Prozessbeeinflussung konnte er in den Gabentausch seines sozialen Netzwerks einbringen. Insbesondere für den Kammerrichter Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein lässt sich nachvollziehen, dass er sich dieser Option tatsächlich bedient hat. Indem die Kammerrichter ihr Amt strategisch nutzten, banden sie es in die spezifische Ökonomie der Ständegesellschaft ein. Damit wirkten sie der Autonomie des Reichskammergerichts entgegen. Da die symbolischen Profite des Kammerrichters eng mit seiner Stellung als kaiserlichem Repräsentanten verbunden waren, hatte er ein Interesse daran, dass die Position des Kaisers am Gericht gefestigt wurde. Dies betraf sowohl die explizite Symbolik zum Beispiel im Zeremoniell als auch die implizite Symbolik, wie sie unter anderem in der Ausübung bestimmter Rechte zum Ausdruck kam. Dementsprechend verteidigte etwa Karl Philipp von Hohenlohe-­Bartenstein 1757 im Halbarmsesselstreit die kaiserliche Distinktion gegen die Ansprüche der Assessoren und damit gegen das reichsständische Element am Reichskammergericht. Die Option, dass der Kammerrichter seine Amtsaufgaben in den Gabentausch seines sozialen Netzwerks einbrachte, schadete der Autonomie des Gerichts in besonderem Maße. Die Kammerrichter bewegten sich in zwei miteinander konkurrierenden Normensystemen, und zwar den Reichskammergerichtsordnungen und den Regeln ihres sozialen Umfelds. Letzteres war in hohem Maße daran interessiert, dass die Kammerrichter die spezifischen Ressourcen ihres Amts in die Netzwerkbeziehungen einbrachten. Verweigerten sie sich dem, konnte das zu Konflikten führen, die die Minderung ihres sozialen Kapitals zur Folge hatte. Ähnlich gestaltete sich die Beziehung der Kammerrichter zu den Kaisern. Denn auch die K ­ aiser erwarteten, dass die Kammerrichter ihre Interessen am Gericht vertraten. Kamen sie dem nicht nach, fielen sie gegebenenfalls beim ­Kaiser in Ungnade, womit für sie und ihr Umfeld der umfassende Verlust von Ressourcen verbunden sein konnte. Franz Adolf Dietrich von Ingelheim geriet so beispielsweise als Reichskammergerichtspräsident in Gegensatz zu ­Kaiser Leopold I. Nur die intensiven Bemühungen der mit ihm verwandten Schönborn konnte die familiäre Katastrophe verhindern. Die Einschränkung der gerichtlichen Autonomie, die sich aus der Nutzung der Ressourcen des Kammerrichteramts ergab, wirkte delegitimierend auf die Urteile des Reichskammergerichts. Denn selbst wenn ein Prozess frei von verfahrensfremden Aspekten verlaufen war, war der Vorwurf der Einflussnahme für die Zeitgenossen stets plausibel.

IV.  Zusammenfassung Im Amt des Kammerrichters zeigt sich exemplarisch der Gegensatz z­ wischen den Funktionsprinzipien der ständischen Gesellschaft und der sich ausdifferenzierenden Reichsgerichtsbarkeit, die in ihrer Widersprüchlichkeit die strukturelle Beschaffenheit des Alten Reichs spiegeln. Mit der Einrichtung des Reichskammergerichts wurde die Ausübung der Höchstgerichtsbarkeit von der Person des Kaisers als oberstem Richter im Reich getrennt. Dies leitete einen Prozess der Ausdifferenzierung ein, wodurch die oberste Rechtsprechung im Alten Reich an Autonomie gewann. Der erreichte Entwicklungsstand lässt sich besonders am Beispiel des Kammerrichteramts ablesen, da der Kammerrichter als kaiserlicher Repräsentant ­zwischen altem und neuem Prinzip stand. Die Lösung des Gerichts vom Herrscher kommt vor allem in der Transpersonalität des Kammerrichteramts zum Ausdruck. Der Amtsinhaber war nicht an die Person des Kaisers gebunden, sondern blieb über den Herrscherwechsel hinweg im Amt. Und auch die normative Regelung der Reichskammer­gerichtsordnungen, dass der Kammerrichter allein dem Gericht verpflichtet sein solle, weist in diese Richtung. Zugleich war der Kammerrichter aber auch das Bindeglied ­zwischen Reichskammergericht und ­Kaiser. Als kaiserlicher Repräsentant stellte er die Berechtigung des Gerichts dar, Recht zu sprechen. Genügte den vorherigen kaiserlichen Gerichten und dem Reichshofrat, am Kaiserhof zu tagen, musste das Reichskammergericht die räumliche Distanz zum ­Kaiser zeremoniell durch die Anwesenheit eines kaiserlichen Vertreters überbrücken. Urteile, die in Gegenwart des Kammerrichters verkündet wurden, erschienen als vom ­Kaiser selbst getroffen. Diese Entwicklung hin zu einem autonomen Höchstgericht im Reich wurde durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eingeschränkt, ja geradezu konterkariert. Die Angehörigen des Gerichts und im besonderen Maße der Kammerrichter waren nicht nur dem Normensystem der Reichskammergerichtsordnungen verpflichtet, die den Zugewinn an Autonomie im Wesentlichen regelten. Sie mussten zugleich auch die informellen Regeln ihres sozialen Umfelds beachten. Das betraf sowohl ihre Beziehungen zum ­Kaiser als auch die zu ihrem persönlichen sozialen Netzwerk. Waren die Kammerrichter in der zweiten Hälfte des 16. und im 17. Jahrhundert zum größten Teil Bischöfe von Speyer, so gehörten die Kammerrichter des 18. Jahrhunderts fast ausnahmslos der kaiserlichen Klientel im Reich an. Im Westfälischen Frieden war der Dualismus z­ wischen K ­ aiser und Reichsständen festgeschrieben worden. Diesem versuchten die K ­ aiser in der Folge entgegenzuwirken und ihre Stellung im Reich erneut zu stärken, beispielsweise indem sie gesteigerten Einfluss auf Reichsinstitutionen geltend machten. Am Reichskammergericht zeigt sich dies unter anderem in ihrem Bemühen, die

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Einsetzung des Kammerrichters von einem eigenverantwortlichen Akt des Gerichts zu einer kommissarischen Handlung des Erzbischofs von Mainz im Auftrag des Kaisers zu verwandeln. Die ­Kaiser begannen außerdem, den mindermächtigen Reichsadel durch Gunsterweise an sich zu binden. Dieser bekundete gleichzeitig auch selbst ein zunehmendes Interesse an kaiserlichen Ressourcen, insbesondere an Standeserhöhungen, und übernahm infolgedessen vermehrt kaiserliche Ämter. Auch die meisten kammerrichter­lichen Familien standen über Generationen hinweg in kaiserlichen Diensten. Diese Beziehung ­zwischen kaiserlicher Klientel und ­Kaiser wurde durch den Tausch von Diensten und Belohnungen konstituiert und aufrechterhalten. Das Kammerrichteramt stellte in ­diesem System zugleich die Anerkennung bereits geleisteter Dienste und die Möglichkeit dar, erneut Kredit beim ­Kaiser anzusammeln. Ob und wie viel Kredit eine Familie mit dem Amt erwerben konnte, hing auch davon ab, wie sich der jeweilige Kammerrichter bei der Ausübung seiner Amtsgeschäfte zu den Wünschen des Kaisers stellte. Weigerte er sich nämlich, kaiserliche Positionen bei Gericht durchzusetzen, war der Erwerb weiterer Vergünstigungen gefährdet. Das Interesse der Kammerrichter, ihre Beziehung zum K ­ aiser nicht zu gefährden, stand also der Wahrung der Gerichtsautonomie diametral entgegen. Auch die Beziehungen der Kammerrichter zu ihrem persönlichen sozialen Netzwerk waren vom Austausch von Gaben geprägt. Viele für den hohen Adel interessante Ressourcen waren nur durch den Einsatz und die Fürsprache einflussreicher Freunde und Verwandter zu erhalten. Das traf auch auf das Kammerrichter­amt selbst zu, für dessen Erwerb in hohem Maße soziales Kapital aufgebracht werden musste. Zugleich mussten die kammerrichterlichen Familien selbst Leistungen in diese Tauschbeziehungen einbringen. Die Kammerrichter konnten hier die Befugnisse ihres Amts als Ressource n ­ utzen, die ihnen die Einflussnahme auf den Verlauf einzelner Verfahren ermöglichte, also etwa die Einsetzung günstiger Referenten oder eines günstigen Senats. Umgekehrt erwartete ihr soziales Umfeld aber auch, dass sie ihre Amtsbefugnisse als Gabe einbrachten und damit gegen die Reichskammergerichtsordnung verstießen. Entsprachen sie diesen Erwartungen nicht, gefährdete dies ihre Stellung innerhalb ihres sozialen Netzwerks. Daher lag es auch hier nicht im Interesse des Kammerrichters, die Autonomie des Verfahrens zu schützen. Nicht nur konkurrierende Regelsysteme konnten der Autonomie des Gerichts schaden. Ein weiterer, wesentlicher Anreiz des Kammerrichteramts waren symbolische Profite. Der Gewinn symbolischen Kapitals ergab sich aus der Autorität des Kaisers als obersten Gerichtsherrn im Reich, der einerseits im Zeremoniell und andererseits aber auch in der impliziten Symbolik Ausdruck fand, die den Amtsobliegenheiten des Kammerrichters innewohnte. Es lag also im Interesse der Kammerrichter, die Position des Kaisers als obersten Richters im Reich zu stärken.

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Sie verteidigten dementsprechend nicht nur in zahlreichen Zeremonialkonflikten ihre Stellung, sondern verweigerten zum Beispiel den übrigen Gerichtsangehörigen auch das Recht, über ihre Befangenheit in einzelnen Verfahren zu beraten, da der Repräsentant des Kaisers nicht der Entscheidung der Präsidenten und Assessoren unterworfen werden dürfe. Im Kammerrichteramt zeigte sich also zwar in besonderem Maße die Entwicklung hin zu einer Trennung der Ausübung der obersten Gerichtsbarkeit vom Herrscher. Doch d­ iesem Ausdifferenzierungsprozess standen die Regeln und Bedingungen der gesellschaftlichen Umgebung der Amtsinhaber entgegen. Diese waren nämlich nicht Teil einer Funktionselite, sondern verbanden mit ihrem Amt spezifische, für die ständische Gesellschaft typische Interessen wie den Gewinn von Prestige, die Teilhabe an kaiserlichen Ressourcen und die Pflege sozialer Netzwerke. Während also das Kammerrichteramt in seiner Ausgestaltung Tendenzen zur Unabhängigkeit vom ­Kaiser als oberstem Gerichtsherrn und dem sozialen Umfeld seiner Inhaber zeigte, waren diese selbst den Prinzipien der ständischen Gesellschaft verhaftet. Auf der einen Seite stand das Amt und auf der anderen Seite standen die Motive und die gesellschaftliche Umgebung der Kammerrichter.

V.  Biographien der Kammerrichter Fürst Franz Alexander von Nassau-Hadamar Lebensdaten:

27. Januar 1674 bis 26. Mai 1711

Eltern:

Moritz Heinrich von Nassau-­Hadamar (1626 – 1679) und Maria Leopoldina von Nassau-­Siegen (1652 – 1675)

Ehe:

13. Oktober 1695 mit Elisabeth Katharina von Hessen-­Rheinfels (1677 – 1739)

Kinder:

Franziska Maria (1696 – 1697) Elisabeth (1698 – 1724), Kanonisse zu Thorn und Essen Joseph Hugo (1701 – 1708) Charlotte Wilhelmina (1704 – 1740), Heirat 1721 mit Johann Philipp von Merode-­Westerloo (1674 – 1732)

Karriere:

Studium in Straßburg, Köln und Trier kaiserlicher Kammerherr 1711 Kammerrichter

Fürst Froben Ferdinand von Fürstenberg-Meßkirch Lebensdaten:

6. August 1664 bis 4. April 1741

Eltern:

Franz Christoph von Fürstenberg-­Meßkirch (1625 – 1671) und Maria Theresia von Arenberg (1639 – 1705)

Ehe:

5. Juni 1690 mit Maria Theresia von Sulz (1671 – 1743)

Kinder:

Josepha (1695 – 1695) Maria Theresia (1699 – 1707) Karl Friedrich Nikolaus (1714 – 1744), Heirat 1735 mit Maria Gabriela von Holstein-­Wiesenburg (1716 – 1798)

Karriere:

1667 Domkanoniker zu Köln 1678 Domkanoniker zu Straßburg Studium an den Universitäten Prag, Würzburg und Löwen 1686 kaiserlicher Kammerherr 1687 Direktor des schwäbischen Reichsgrafenkollegiums 1688 Reichshofrat 1688 kaiserlicher Kommissar beim schwäbischen Kreis 1700 kaiserlicher Geheimer Rat (bestätigt 1706, 1709, 1712, 1715) 1712 kaiserlicher Gesandter beim Kongress der assoziierten Kreise in Frankfurt am Main 1716 Erhebung in den Reichsfürstenstand 1718 – 1722 Kammerrichter 1721 Orden vom Goldenen Vlies 1725 Prinzipalkommissar auf dem Reichstag in Regensburg

232

Biographien der Kammerrichter

Graf Philipp Karl von Hohenlohe-Bartenstein Lebensdaten:

28. September 1668 bis 15. Januar 1729

Eltern:

Christian von Hohenlohe-­Bartenstein (1627 – 1675) und Lucia von Hatzfeldt (1634 – 1716)

Ehen:

17. Mai 1695 mit Sophie von Hohenlohe-­Schillingsfürst (1673 – 1698) 12. Juni 1700 mit Sophia Leopoldina von Hessen-­Rheinfels (1681 – 1724)

Kinder:

Maria Franziska (1698 – 1757), Heirat 1731 mit Christian von Hessen-­Rheinfels (1689 – 1755) Maria Anna (1701 – 1758), Heirat 1731 mit Louis Ferdinand de Claris-­Valincourt (1696 – 1773) Karl Philipp (1702 – 1763), Kammerrichter, Heirat 1727 mit Sophie Friederike von Hessen-­Homburg (1714 – 1777) Leopoldina Franziska (1703 – 1776), Heirat 1731 mit Franz Hugo von Nassau-­Siegen (1678 – 1735) Sophie Charlotte (1704 – 1716) Luise Eleonore (1705 – 1707) Joseph Anton (1707 – 1764), Chorbischof zu Köln und Domscholastikus zu Salzburg Eleonore Juliane (1708 – 1708) Anton Ruprecht (1709 – 1745), Heirat 1737 mit Felicitas von Waldburg-­Zeil (1722 – 1751)

Karriere:

Studium in Würzburg und Dillingen 1688 kaiserlicher Kammerherr 1699 Reichshofrat Übernahme kaiserlicher Gesandtschaften an verschiedenen Höfen 1703 kaiserlicher Geheimer Rat (bestätigt 1705, 1712) 1722 Kammerrichter 1723 kaiserlicher wirklich Geheimer Rat

Graf Franz Adolf Dietrich von Ingelheim Lebensdaten:

15. Dezember 1659 bis 15. September 1742

Eltern:

Philipp Ludwig von Ingelheim (1627 – 1661) und Maria Otilia Echter von Mespelbrunn (1629 – 1701)

Ehe:

21. Februar 1683 mit Maria Ursula von Dalberg, Kämmerer von Worms (1668 – 1730)

Kinder:

Anselm Franz (1683 – 1749), Bischof von Würzburg Maria Anna (1684 – 1699) Rudolf Johann Friedrich (1685 – 1706) Anna Maria Theresia (1686 – 1734), Heirat 1703 mit Arnold Christoph von Bylandt (1679 – 1730)

Biographien der Kammerrichter

233

Maria Christina Sophia (geb. 1687), Heirat 1710 mit Wilhelm Adolph Schenck von Schmidtberg (gest. 1724) Johann Gottfried (1689 – 1721), kurmainzischer Oberamtmann und Herr zu Tauberbischofsheim Anton Dietrich Karl (1690 – 1750), Domherr zu Trier, Lüttich, Halberstadt und Würzburg Ernst Friedrich (1690 – 1690) Ludwig Anton (1691 – 1691) Franz Philipp (1692 – 1692) Maria Theresia Luise (1693 – 1702) Anna Elisabeth Charlotte (1694 – 1695) Katharina Eva Augusta (1695 – 1695) Anna Eleonora (1696 – 1730), Stiftsdame zu Dietkirchen Johann Philipp (1697 – 1784), kurmainzischer Vizedom im Rheingau, Heirat 1722 mit Maria Klara Philippa von Dalberg, Kämmerer von Worms (1707 – 1774) Anna Ernestina Wilhelmina (1700 – 1703) Anna Magdalena Friederike (1702 – 1724), Stiftsdame zu Nivelles Maria Anna Amalie (1704 – 1731), Heirat 1731 mit Friedrich Anton von Berghe, genannt von Trips (1702 – 1749) Anna Charlotte Katharina (geb. 1706), Stiftsdame zu Dietkirchen Anna Constantia Philippine (geb. 1708), Stiftsdame zu Mons Anna Caroline Lucretia (geb. 1710), Stiftsdame zu Nivelles Isabella Maria Antonia (1712 – 1714) Karriere:

Studium an den Universitäten Mainz und Erfurt 1680 Erhebung in des Reichsfreiherrenstand Kurmainzer Hofrat 1682 Vizedom im Rheingau 1687 Kurmainzer Gesandtschaft nach Wien 1688 königlich-­ungarischer Kammerherr 1690 Reichshofrat des römisch-­deutschen Königs 1698 Reichskammergerichtspräsident 1698 kaiserlicher Geheimer Rat (bestätigt 1712) 1730 Kammerrichter 1737 Erhebung in den Reichsgrafenstand

Graf Ambrosius Franz von Virmond Lebensdaten:

15. Dezember 1682 bis 19. November 1744

Eltern:

Ambrosius Adrian von Virmond (1640 – 1688) und Johanna Margaretha von Spee (gest. 1712)

Ehen:

25. November 1705 mit Eleonore Magdalena von Bentheim (1687 – 1727) 9. April 1741 mit Maria Elisabeth von Nesselrode-­Landscron (1723 – 1775)

234

Biographien der Kammerrichter

Kinder:

Maria Isabella (1706 – 1728), kaiserliche Hofdame Joseph Ernst (1707 – 1730), kurpfälzischer Kammerherr u. Hofrat Violanta Augusta (1709 – 1714) Johann Ludwig (1710 – 1714)

Karriere:

Studium an der Universität Straßburg 1700 Kurkölner Amtmann von Kempen und Oedt 1706 Erhebung in den Reichsgrafenstand 1714 Kurkölner Hofrat 1718 Kurkölner Geheimer Rat, Hofratspräsident u. Staats- u. Konferenzminister 1731 Reichskammergerichtspräsident 1731 kaiserlicher Geheimer Rat (bestätigt 1742) 1734 Erwerb der Reichsstandschaft 1738 Direktor des niederrheinischen Reichsgrafenkollegiums 1742 Kammerrichter

Fürst Karl Philipp von Hohenlohe-Bartenstein Lebensdaten:

17. Juli 1702 bis 1. März 1763

Eltern:

Philipp Karl von Hohenlohe-­Bartenstein (1668 – 1729) und Sophia Leopoldina von Hessen-­Rheinfels (1681 – 1724)

Ehe:

26. September 1727 mit Sophie Friederike von Hessen-­Homburg (1714 – 1777)

Kinder:

Ludwig Leopold (1731 – 1799), Kompaniechef im Kollowratischen Dragoner­regiment, Heirat 1757 mit Polyxena von Limburg-­Styrum (1738 – 1798) Klemens Armand (1732 – 1792), Statthalter der Deutschen Zunge des Malteserordens Joseph Christian (1740 – 1817), Bischof von Breslau Christian Ernst (1742 – 1819), Domherr zu Köln, Straßburg und Augsburg

Karriere:

Studium an den Universitäten Dillingen und Straßburg 1717 Domkanoniker in Straßburg 1719 Domkanoniker in Köln 1732 Reichshofrat 1742 kaiserlicher Geheimer Rat (bestätigt 1745) 1744 Erhebung in den Reichsfürstenstand 1746 Kammerrichter 1757 Erhebung seiner Territorien zum Reichsfürstentum 1760 russischer St.-Andreas-­Orden

Biographien der Kammerrichter

235

Graf Franz Joseph von Spaur Lebensdaten:

19. oder 29. August 1725 bis 1. August 1797

Eltern:

Johann Franz Wilhelm von Spaur (1697 – 1759) und Anna Maximiliane von Trapp (1695 – 1775)

Ehe:

1754 mit Maria Theresia von Stadion (1729 – 1773)

Kinder:

Friedrich Franz Joseph (1756 – 1821), Domherr zu Salzburg, Brixen und Passau Joseph Philipp (1757 – 1796), Reichskammergerichtsassessor, Heirat 1788 mit Sophie von Greiffenklau (1763 – 1790) und 1791 mit Henriette von Frankenstein (1767 – 1850) Johann Nepomuk Theodor (1760 – 1824), Generalmajor und Kommandant von Regensburg, Heirat 1782 mit Caroline Leopoldine zu Sayn-­Wittgenstein (1755 – 1809) (annulliert), 1798 mit Susanna Mainone und 1804 mit Christiana von Bostell (1775 – 1855) Karl Ignaz (1767 – 1767)

Karriere:

Studium an der Universität Innsbruck 1748 Kurmainzer Kammerherr u. Kurmainzer Hof- u. Regierungsrat 1754 Kurmainer Hofrichter, Vizedom der Stadt Mainz u. Präsident der kurfürstlichen Rente, des Kaufhauses und des Handelsstands 1754 kaiserlicher Kammerherr 1757 Reichskammergerichtspräsident 1763 Kammerrichter 1763 kaiserlicher Geheimer Rat

Graf Philipp Karl von Oettingen-Wallerstein Lebensdaten:

8. Februar 1759 bis 16. Dezember 1826

Eltern:

Philipp Karl Dominicus von Oettingen-­Wallerstein (1722 – 1766) und Charlotte Juliane von Oettingen-­Baldern (1728 – 1791)

Ehe:



Kinder:



Karriere:

Studium an der Universität Göttingen 1766 Domkanoniker zu Köln 1781 Praktikant am Reichskammergericht in Diensten des Bischofs von Würzburg 1785 Reichshofrat 1791 Reichskammergerichtspräsident 1791 kaiserlicher Geheimer Rat 1797 Kammerrichter 1801 Reichshofratspräsident 1808 Orden vom Goldenen Vlies 1809 kaiserlich-­königlicher Ober-­Justizpräsident 1817 kaiserlich-­königlicher Staats- u. Konferenzminister 1819 kaiserlicher-­königlicher Oberst-­Hofmarschall

236

Biographien der Kammerrichter

Graf Heinrich Aloys von Reigersberg Lebensdaten:

30. Januar 1770 bis 4. November 1865

Eltern:

Franz Gottlob von Reigersberg (1730 – 1782) und Karoline von Horben (1735 – 1808)

Ehe:

11. Juni 1793 mit Theresia von Lodron-­Laterano (1771 – 1830)

Kinder:

Joseph (1798 – 1861), bayerischer Appellationsgerichtsrat, Heirat 1827 mit Therese von Pigenot (1803 – 1855) Franz (1800 – 1868), Geistlicher Antonia (1802 – 1881), Heirat 1823 mit Franz von Völderndorff (1788 – 1827) Theresia (1804 – 1871), Heirat 1824 mit August von Harold (1799 – 1862) Karoline (1812 – 1895), Heirat 1833 mit Wilhelm von Brück (1810 – 1865)

Karriere:

Studium an der Universität Salzburg 1790 Praktikant am Reichskammergericht 1791 Kammerherr und wirklich adeliger Hofrat des Erzbischofs von Salzburg 1794 Pfleger von Staufeneck 1796 Assessor am Reichskammergericht 1797 Reichskammergerichtspräsident 1797 kaiserlicher Geheimer Rat 1803 Kammerrichter 1807 Präsident des bayerischen Oberappellationsgerichts 1810 bayerischer Staatsminister der Justiz

VI.  Quellen und Literatur VI.1 Archivalische Quellen Bundesarchiv (BArch)

AR 1-II

49 AR 1-III

29; 46; 53; 60; 72; 90; 100 AR 1-IV

14; 15; 16; 41; 42; 43; 49; 50; 51; 53; 54; 66; 71; 78; 83; 89; 91; 92; 101; 102; 118 AR 1-Misc.

294; 446; 606; 624; 625; 628 – 631; 636; 643; 645; 802 FN

11

OB 12

Fürstlich Fürstenbergisches Archiv Donaueschingen (FFA)

Fasz. 1; 3; 14; 14b–i OB 19

Vol. 40a Fasz. 1; 49 Fasz. 2

Fürstlich Öttingen-Wallersteinsches Archiv Harburg (FÖWA) VIII

13 9c/3; 5 – 10 13 10a/11; 12; 15 13 10b/29; 30 14 3a/2 – 85 NL „Volckhamer“ Kraft Ernst / Philipp Karl Umfeld Nr. 269; 370

Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA)

Abt. 46 2712; 2713; 2716 – 2718; 2745

Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (HHStA)

Mainzer Erzkanzler Archiv (MEA) RKG 19; 103; 194a; 197b; 200b; 222; 230; 237a; 254; 371; 392 Kor 92; 93

238

Quellen und Literatur

WaKr 12; 37 Reichskanzlei (RK) Geh. Räte 1; 3; 4; 5; 6; 7 Instruktionen, Instruktion zum fränkischen Kreistag kleine Reichsstände 201 RA unter Karl VII., Huldigungen in den Reichstädten 1; 2; 3a; 3b RKGVA 50; 55; 64; 68; 70; 73; 316; 332a; 335; 337a; 337b; 338; 339b; 375a; 379a; 380; 380a Staatskanzlei interiora, Geh. Räte 14 WaKr 21d; 27; 64a; 94b

Historisches Archiv der Stadt Köln (HASt)

Best. 30 C 611

Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein (HZA)

Ba 30 Bü 649 Ba 125 Bü 13; 17; 19; 41 – 43; 46; 49; 53; 55; 58; 68; 69; 70; 87; 94 Leichenpredigten 150; 199

Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Abteilung Rheinland (LAV NRW Abt. Rheinland) FA Virmond II 90; 99

Reichsgräflich Ingelheimsches Archiv Mespelbrunn (RGIA)

Karton 6 Schublade 151, Nr. 1 Schublade 157, Nr. 11 Tit. 1 Abt. A, Nr. 10; 18

3454

Spaur-Archiv Valer (SA)

Gedruckte Quellen

239

VI.2 Gedruckte Quellen Abele, Johann Martin von, Versuch über das teutsche Staatsrecht während eines Zwischenreichs, für seine Mitbürger, ­welche die Staatsverfassung ihres Vaterlandes näher kennen lernen wollen, aus den besten Quellen geschöpft und aus der Geschichte erläutert, Kempten 1792. Balemann, Georg Gottlieb, Beiträge zur Revision und Verbesserung der fünf ersten Titeln des Concepts der Kaiserlichen Kammergerichtsordnung, Worinn die Besetzung des Höchstpreißlichen Kaiserlichen- und des Reichskammergerichts aus den neuesten Reichsgesetzen und Visitationsverhandlungen erläutert worden, Lemgo 1778. Ders., Visitationsschlüsse die Verbesserung des Kaiserlichen Reichs-­Kammergerichtlichen Justiz­ wesens betreffend, Lemgo 1779. Becker, Johann Nikolaus, Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-­Franken, nach der Erstausgabe von 1798 neu hrsg. u. mit einem Nachwort u. Erläuterungen versehen v. Wolfgang Griep (Kleine Bibliothek der Aufklärung, 1), Bremen 1985. Beschreibung Der am 11ten May vorgegangenen feyerlichen Eröffnung der K. R. Cammergerichts-­Visitation, samt Beylagen, in: Wetzlarische Anzeigen, 2. Stück, d. 29. Jul. 1767, S. 9 – 15. Burgsdorf, Friedrich Adolph Ludwig von, Ueber die Frage: Ob die Stände vor Errichtung des Cammergerichts Antheil an der deutschen Gerichtsbarkeit gehabt?, [Wetzlar] 1769. Cramer, Johann Ulrich Frhr. von, Wetzlarische Nebenstunden, worinnen auserlesene, beym Höchstpreißlichen Cammergericht entschiedene Rechts-­Händel zur Erweiter- und Erläuterung der Deutschen in Gerichten üblichen Rechts-­Gelehrsamkeit angewendet werden, 128 Bde., Ulm 1755 – 1773. Danz, Wilhelm August Friedrich, Grundsätze des Reichsgerichts-­Prozesses, Stuttgart 1795. Deckherr, Johann, Gründliche historische Nachricht von denen in dem Heil. Röm. Reich Teutscher Nation von Zeiten des Ableibens weyland Kaysers Friderich des Zweyten, biß auff die Regierung des allerdurchläuchtigsten Kaysers Leopoldi vorgewesenen Interregnis, Und in denenselben hergebrachten Vicariaten, 2. erw. Aufl. o. O. 1722. Im Dienst des Fürstenhauses und des Landes Württemberg. Die Lebenserinnerungen der Freiherren Friedrich und Eugen von Maucler (1735 – 1816), bearb. v. Paul Sauer (Lebendige Vergangenheit, 9), Stuttgart 1985. Faber, Antonius, Europäische Staats-­Cantzley. In sich haltend allerhand nützlich Staats- JustizPolicey- Cameral- Militär- und andere auf Craiß- und Reichstagen passirte merckwürdige Materien […] samt vieler Potentaten […] curiosen Schrifften etc., 115 Bde., Frankfurt a. M. / Leipzig / Nürnberg 1697 – 1760. Fahnenberg, Egid Joseph Karl von, Entwurf einer Geschichte des kaiserlichen und Reichskammergerichts unter den Hohen Reichs-­Vikarien, Bd. 1, Lemgo 1790. Ders., Litteratur des Kayserlichen Reichskammergerichts, Wetzlar 1792. Flügel, Georg Thomas, Der vornehmsten Handelsplätze in Europa erklärte Courszettel, nebst andern den Wechselgeschäften dienlichen Nachrichten, Frankfurt a. M. 1781. Goethe, Johann Wolfgang, Dichtung und Wahrheit (Insel Taschenbuch, 2288), Frankfurt a. M. / Leipzig 1998.

240

Quellen und Literatur

Die Goldene Bulle von 1356, in: Quellen zur Verfassungsgeschichte des Römisch-­Deutschen Reiches im Spätmittelalter (1250 – 1500), ausgewählt und übersetzt v. Lorenz Weinrich (Freiherr vom Stein-­Gedächtnisausgabe, 33), Darmstadt 1983, S. 314 – 395. Haas, Damian Ferdinand, Patriotische Gedanken von des Herrn Cammer-­Richters Voto Decisivo, wie weit solches in der Cammer-­Gerichts-­Ordnung und dem Herkommen gegründet seye, Wetzlar 1767. Häberlein, Karl Friedrich, Handbuch des Teutschen Staatsrechts nach dem System des Herrn Geheimen Justizrath Pütter. Zum gemeinnützigen Gebrauch der gebildeten Stände in Teutsch­ land, mit Rücksicht auf die neuesten, merkwürdigsten Ereignisse, Bd. 2, 2. Aufl. Berlin 1797. Harpprecht, Johann Heinrich von, Staats-­Archiv Des Kayserl. und des H. Röm. Reichs Cammer-­ Gerichts Oder Sammlung Von gedruckten und mehrentheils ungedruckten Actis Publicis, Archival-­Urkunden, Kayserl. Rescripten, Verordnungen, Praesentations- und Visitations-­ Handlungen, etc. etc. Zu einer Historischen Einleitung und pragmatischen Erläuterung. Derer Geschichten, Verfassung, Gesetzen und Unterhaltungs-­Wercks. Des Kays. und Reichs Cammer-­Gerichts zusammen getragen Von Einem Mitglied desselben, Bd. 2, Ulm 1758. Das Hofreisejournal des Kurfürsten Clemens August von Köln 1719 – 1745, hrsg. v. Barbara Stollberg-­Rilinger, bearb. v. André Krischer (Ortstermine, 12), Siegburg 2000. Instrumentum Pacis Osnaburgensis, in: Acta Pacis Westphalicae, Serie III B: Verhandlungsakten, Bd. 1: Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden, Teil 1: Urkunden, hrsg. v. Antje Oschmann, Münster 1998, S. 95 – 170. Der jüngste Reichsabschied von 1654. Abschied der Römisch Kaiserlichen Majestät und gemeiner Stände, welcher auf dem Reichstag zu Regensburg im Jahr Christi 1654 aufgerichtet ist, bearb. v. Adolf Laufs (Quellen zur neueren Geschichte, 32), Bern / Frankfurt a. M. 1975. [Konzept der Reichskammergerichtsordnung von 1613], in: Johann Jacob Schmauß, Corpus Juris Publici S. R. Imperii Academicum, enthaltend des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation Grund-­Gesetze, nebst einem Auszuge der Reichs-­Abschiede anderer Reichs-­ Schlüsse und Vergleiche, hrsg. v. Gottlieb Schumann / Heinrich Gottlieb Franken, 2. Aufl. Leipzig 1794, ND Hildesheim / New York 1973, S. 330 – 703. Krebs, Philipp Helfrich, Quinquertium Camerale, oder In fünff Fragen vorgestellte Der Röm. Kayserl. Majestät, Und Des Heil. Röm. Reichs Ständen Bey Dero Cammer-­Gericht Vnzertrennliche Verknüpffung, Auch in derselben Ermeldten Cammer-­Gerichts Macht und Auto­ ritaet, Dann Des hohen Ertz-­Stiffts Maynz Bey vorerwehntem Cammer-­Gericht Vermög des Ertz-­Cancellariats habende besondere Gerechtigkeit, o. O. 1704. Ludolf, Georg Melchior, Modestini et Pomponii in Colloquiis familiaribus de statu Cameralis Judicii in imperio supremi ad Ordinat. Cam. Partis Primae Titulos potiores Meditationes Acroamaticae, [Wetzlar] 1735. Lünig, Johann Christian, Theatrum Ceremoniale Historico-­Politicum, Oder Historisch- und Politischer Schau-­Platz Aller Ceremonien, Welche bey Päbst- und Käyser-, auch Königlichen Wahlen und Crönungen […] Ingleichen bey Grosser Herren und dero Gesandten Einholungen […] beobachtet werden, Bd. 2, Leipzig 1720. Malblank, Julius Friedrich von, Anleitung zur Kenntniß der deutschen Reichs- und Provinzial-­ Gerichts- und Kanzleyverfassung und Praxis, Teil 1: Anleitung zur Kenntniß der Verfassung des Höchstpreißlichen Kaiserlichen und Reichskammergerichts, Nürnberg / Altdorf 1791.

Gedruckte Quellen

241

Die Matrikel der Praktikanten am Reichskammergericht in Wetzlar 1693 – 1806, hrsg. v. Werner Schmidt-­Scharff, in: Archiv für Sippenforschung und alle verwandten Gebiete 11 (1934), S. 297 – 317. Die Matrikel der Universität Dillingen. 1646 – 1695, Bd. 2, hrsg. v. Thomas Specht (Archiv für die Geschichte des Hochstifts Augsburg, 3,1), Dillingen a. d. Donau 1912. Die Matrikel der Universität Innsbruck, Abt. 1: matricula philosophica, Teil 3: 1736 – 1754, begr. v. Franz Huter, hrsg. v. Gerhard Oberkofler, bearb. v. Anton Haidacher, Innsbruck 1961. Die Matrikel der Universität Köln. 1675 – 1797, Bd. 5, vorber. v. Hermann Keussen, bearb. v. Ulrike Nyassi / Mechtild Wilkes (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, 8,5), Düsseldorf 1981. Die Alten Matrikeln der Universität Strassburg. 1621 bis 1793, bearb. v. Gustav C. Knod, 3 Bde., Straßburg 1897 – 1902. Die Matrikel der Univeristät Würzburg, Teil 1: Text, hrsg. v. Sebastian Merkle (Veröffent­ lichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte: 4. Reihe, Matrikeln fränkischer Schulen und Stände, 5,1), München / Leipzig 1922. Moser, Johann Jacob, Nebenstunden von Teutschen Staats-­Sachen So sich an dem Kayserlichen Hof, bey Reichs- und Crayß-­Conventen, bey denen höchsten Reichs-­Gerichten, auch sonsten, zugetragen, und noch zutragen möchten, Bd. 1, Frankfurt a. M. / Leipzig 1757. Ders., Vermischte Nachrichten von Reichs-­Ritterschafftlichen Sachen, Bd. 1, Nürnberg 1772. Ders., Neues teutsches Staatsrecht: Nach deren Reichs-­Gesetzen und dem Reichs-­Herkommen, wie auch denen Teutschen Staats-­Rechts-­Lehrern und eigener Erfahrung, mit beygefügter Nachricht von allen dahin einschlagenden öffentlichen und wichtigsten neuesten Staatsgeschäften […], Bd. 8,2: Von der Teutschen Justiz-­Verfassung, Frankfurt a. M. / Leipzig 1774, ND Osnabrück 1967. Nettelbla, Christian Frhr. von, Greinir or Ioeim Gaumlu Saugum, Laugum Og llroter. Oder Nachlese von Alten und Neuen, Fremden und Eigenen, Einheimischen und Ausländischen, Abhandlungen, Anmerckungen, ungedruckten und selten gedruckten Sachen, Urkunden und Actis publici, w ­ elche Das Römische- Päbstliche- Lehns-­Statuten- […] und Staats-­Recht, wie auch die Ansprüche grosser Herren, die Reichs-­Cammergerichts-­Ordnung und Verfassung, die Geschichte und gelehrte Wissenschaften betreffen. Bey müßigen Stunden, zum Vergnügen und Nutzen, gesamlet und zusammengetragen, Bd. 2, Stockholm 1764. Die Ordnungen des Reichshofrates. 1550 – 1766, eingeleitet u. hrsg. v. Wolfgang Sellert (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, 8), 2 Bde., Köln / Wien 1980 / 1990. Pütter, Johann Stephan, Von der Sollicitatur am kayserlichen und Reichs-­Cammergerichte, eine academische Vorlesung in Gegenwart des Herzog Ferdinands von Braunschweig und Lüneburg etc. Hochfürstlicher Durchlaucht am 4. Jul. 1768 gehalten, Göttingen 1768. Ders., Neuester Reichsschluß über einige Verbesserungen des kayserlichen und Reichs-­Cammer-­ Gerichts, mit einer Vorrede zu näherer Erläuterung des cammergerichtlichen Präsentationswesens, Göttingen 1776. Ders., Freymüthige Betrachtungen über die Senate am kayserlichen und Reichskammergerichte, und was nach Anleitung des kayserlichen Commissions-­Decretes vom 15. Febr. 1772 für eine dauerhafte Einrichtung damit zu treffen seyn möchte?, Göttingen 1792.

242

Quellen und Literatur

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Gedruckte Quellen

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Literatur

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VII.  Personenindex A Albini, Franz Joseph von  63 Althann, Johann Michael von  189, 206 Amira, Karl  85A Anhalt, Magnus von  28 Arco, Georg Anton Felix von  148 Arenberg, Marie Therese von  122, 231 B Baden-Baden, –– Eduard Fortunat von  109, 110 –– Jakob von, Kammerrichter  106A –– Karl Bernhard von  156 –– Ludwig Wilhelm von  110A, 118A, 156 –– Philipp II. von  31A –– Wilhelm von, Kammerrichter  32 – 35, 38, 40 f., 45, 50A, 52A, 54, 62, 66, 68A, 99, 109 f., 154 – 156, 159, 207 Baden-Durlach, –– Ernst Friedrich von  109 f. –– Friedrich V. von  159 –– Georg Friedrich von  109 f. Battenberg, Friedrich  15A Bayern, –– Clemens August von, Erzbischof von Köln  87A, 127, 162 –– Ernst von, Erzbischof von Köln  85A –– Ferdinand von  31A –– Johann Theodor von, Bischof von Regensburg, Freising und Lüttich  198 –– Karl I. Albrecht von, Kurfürst  siehe Karl VII. –– Karl VII., römischer Kaiser  47 f., 56, 74 – 76, 78 f., 93, 126, 134, 162 – 164, 166, 183, 211 –– Ludwig I. von, König  147 –– Maximilian II. Emanuel von, Kurfürst  73, 124, 212 –– Maximilian III. Joseph von, Kurfürst  76 – 79, 87A

Beaurieux, Johann Franz Ägidius von, Reichskammergerichtsassessor  173, 179 Beichlingen, Adam von, Kammerrichter  28, 50A, 106A, 107 Belli, N.N. (Prozessbeteiligter)  218 f. Bentheim, Eleonore Magdalena von  136, 233 Berghe, Friedrich Anton von  233 Blaspiel, N.N. von (Prozessbeteiligte)  196 Blum, Heinrich Balthasar  50A Bostell, Christiana von  140, 235 Bourdieu, Pierre  111, 116 Bourscheidt, Maria Elisabeth von  135 Braillard, Heinrich Christoph von, Reichskammergerichtsassessor  55, 97 f., 189 Brandenburg, Friedrich Wilhelm II. von, Kurfürst  siehe Preußen, Friedrich Wilhelm I. von Breidbach zu Bürresheim, Emmerich Joseph von, Erzbischof von Mainz  38, 63, 181 Brendel von Homburg, Daniel, Erzbischof von Mainz  30 f. Brück, Wilhelm von  236 Buwinghausen von Walmerode, Heinrich Achilles, Reichskammer­ gerichtsassessor 62 Bylandt, Arnold Christoph von  232 C Claris-Valincourt, Louis Ferdinand de  232 Colloredo, –– Hieronymus von, Erzbischof von Salzburg  139, 147, 151 –– Rudolph Joseph von, Reichsvizekanzler  57, 63, 195 – 197, 220A Colloredo-Mansfeld, –– Franz de Paula Gundaker von, Reichsvizekanzler  145, 185, 203 –– Rudolph Joseph von  145

268

Personenindex

Cramer, Johann Ulrich von, Reichskammer­ gerichtsassessor  192, 194, 220 Cramer von Clausbruch, Johann Melchior, Reichskammergerichtsassessor 67A D Dalberg, Kämmerer von Worms, –– Friedrich Dietrich von  132 –– Karl Theodor, Erzbischof von Mainz  60 –– Maria Klara Philippa von  132, 233 –– Maria Ursula von  68A, 132, 232 –– Philipp Franz Eberhard von, Reichs­ kammergerichtspräsident  45, 170 –– Wolfgang von, Erzbischof von Mainz  31, 132 Deckherr, Johann  97A Desdieu, Johann Georg  143A Dienheim, Eberhard von, Bischof von Speyer, Kammerrichter  30 – 33, 108 f., 155 Diestelkamp, Bernhard  15A, 19A, 80A Dresanus, Philipp Friedrich von, Reichs­ kammergerichtsassessor  50, 172 f. Droste, Heiko  197A Duchhardt, Heinz  20 E Echter von Mespelbrunn, –– Julius, Bischof von Würzburg  96A, 132 –– Maria Otilia  130, 132, 232 Eicken, Maria van  109 Eltz, Philipp Karl von, Erzbischof von Mainz  37, 57, 74 f., 93, 134A, 171, 183, 186, 224 Erthal, –– Franz Ludwig von, Bischof von Würzburg und Bamberg  143A –– Friedrich Karl Joseph von, Erzbischof von Mainz  63 F Fahnenberg, Egid Joseph Karl von  20A Fehr, Peter  86, 87A

Frankenstein, –– Henriette von  140, 235 –– Rudolf von, Bischof von Speyer  108 Fröschl von Marzoll, Wiguleius, Bischof von Passau, Kammerrichter  106A, 107A Fugger von Kirchheim, Johann Eusebius, Reichskammergerichtspräsident  123, 163 Fugger-Glött, Anton Ignaz von  198 Fürstenberg, Heinrich von  120 Fürstenberg-Heiligenberg –– Hermann Egon von  120A –– Maria Franziska von  119, 120A Fürstenberg-Kinzigtal –– Albrecht I. von  120, 148 –– Christoph II. von  120, 122 Fürstenberg-Meßkirch, –– Franz Christoph von  120, 122, 231 –– Froben Ferdinand von, Kammer­ richter  16A, 18 – 20, 36, 38 – 44, 53 – 55, 68A, 105, 120 – 123, 125A, 148 f., 152 – 157, 159 f., 168 f., 184 f.,187, 189 f., 191A, 196, 198, 203 – 206, 231 –– Froben Maria von  121 f., 148 –– Johann Martin von  122 –– Josepha von  231 –– Karl Friedrich Nikolaus von  120 f., 123, 231 –– Maria Dorothea von  123 –– Maria Theresia von  231 –– Philipp Karl von, Bischof von Lavant  122 –– Wratislaw II. von  120, 122 Fürstenberg-Möhringen, Wratislaw I. von 120 Fürstenberg-Stühlingen, –– Anton Maria von  122, 185A –– Friedrich Rudolf von  121 –– Joseph von  121 Fürstenberg-Weitra, –– Egon von  145, 185 –– Friedrich von  145 G Gatterer, Johann  143

Personenindex Glaubitz, Friedrich Erdmann von, Reichs­ kammergerichtsassessor  48, 52A, 55 Goethe, Johann Wolfgang  9, 206 Greiffenklau, Sophie von  140, 235 Groschlag, –– Karl Friedrich Willibald von  111, 188 –– Philipp Karl Anton von, Reichs­ kammergerichtspräsident  77, 179 Gruben, Ignaz Friedrich von, Reichs­ kammergerichtsassessor  64, 83A Gschließer, Oswald von  31A Gudenus, –– Johann Christoph von  35 –– N.N. von (Geheimer Rat)  172, 174A –– Valentin Ferdinand von, Reichs­ kammergerichtsassessor  55, 172 f., 175 f., 208 H Haag, Sigmund von, Kammerrichter  106A, 107 Haas, Damian Ferdinand, Reichskammer­ gerichtsprokurator  99, 101A, 102A, 158 Hallberg, N.N. von (Prozessbeteiligter)  192 Hanau, Johann Reinhard III. von  224 Hanxleden, N.N. von (Prozessbeteiligter)  222 f. Harold, August von  236 Harpprecht, –– Johann Heinrich von  102A –– N.N. von (Wien)  177 –– Stephan Christoph von  170A Harrach, –– Franz Anton von, Erzbischof von Salzburg 196 –– Leonhard von  142 Hattstein, Marquard von, Bischof von Speyer, Kammerrichter  30, 32 f., 53, 85A, 108 f. Hatzfeldt, –– Franz von, Bischof von Bamberg und Würzburg  128 –– Lucia von  128, 232 –– Maria Eleonore von  128

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Hauer, Franz Valerius von, Reichskammergerichtspräsentatus 208 Helding, Michael, Bischof von Merseburg, Kammerrichter 106A Helfenstein, –– Franziska Karolina von  122 –– Johanne Eleonora von  122 Henneberg, Berthold von, Erzbischof von Mainz  13 Hessen-Darmstadt, Georg Wilhelm von  193 f. Hessen-Homburg, –– Friedrich II. von  192 –– Sophie Friederike von  129, 193, 232, 234 Hessen-Kassel, Wilhelm VIII. von  57, 171, 224 f. Hessen-Rheinfels, –– Christian von  232 –– Elisabeth Katharina von  119, 231 –– Sophia Leopoldina von  129, 232, 234 –– Wilhelm II. von  72, 111 Heynitz, Johann Friedrich von, Reichs­ kammergerichtsassessor  47, 77, 79 Hoffenheim, Schweikhard von  31A Hoffmann, N.N. (Frankfurter Advokat)  218 Hohenlohe-Bartenstein, –– Anton Ruprecht von  129, 232 –– Christian von  124, 127 f., 148, 232 –– Christian Ernst von  127, 223, 234 –– Christina Lucia von  128 –– Eleonore Juliane von  232 –– Joseph Christian von, Bischof von Breslau und Leros  111, 126 f., 220, 234 –– Karl Philipp von, Kammerrichter  16A, 18, 19A, 39 f., 50A, 52A, 57, 80, 86, 94, 123 – 129, 138, 148 f., 153 f., 155A, 157, 175, 179 f., 192 – 197, 201 f., 208, 216 – 223, 227, 232, 234 –– Klemens Armand von  127, 234 –– Leopoldina Franziska von  232 –– Ludwig Leopold von  126, 193A, 196 f., 234

270 –– –– –– ––

Personenindex

Luise Eleonore von  232 Maria Anna von  232 Maria Franziska von  232 Philipp Karl von, Kammerrichter  16A, 18 f., 37, 44, 46 f., 67A, 99, 111, 123 – 129, 148 f., 152A, 160, 168, 172 f., 174A, 175 – 177, 187, 192A, 198, 207 – 211, 223, 232, 234 –– Sophie Charlotte von  232 Hohenlohe-Langenburg, Albrecht Wolfgang von 169 Hohenlohe-Pfedelbach, Joseph Anton von  126 f., 198, 223, 232 Hohenlohe-Schillingsfürst –– Anna Augusta von  128 –– Franz Karl von, Bischof von Augsburg  127 –– Johann Philipp von  125A –– Karl Albrecht I. von  111, 126, 193, 222 f. –– Karl Albrecht II. von  126 –– Karl Philipp von  127 –– Ludwig Gustav von  124, 128, 148, 187 –– Maria Anna von  119 –– Philipp Ernst von  111, 124 f., 128, 168, 193 –– Sophie von  187, 232 Hohenzollern, –– Eitelfriedrich II. von, Kammerrichter  28, 83 f., 106A, 107 –– Eitelfriedrich IV. von  31A –– Karl I. von  31A Hohenzollern-Hechingen, –– Friedrich Wilhelm von  204 –– Johann Georg von, Reichskammer­ gerichtspräsident 71 Holstein-Wiesenburg, –– Leopold von  123 –– Maria Gabriela von  123, 231 Horben, –– Franz Joseph von  147 –– Karoline von  236 Hoscher, Hermann Theodor Moritz  64A Hoya, Johann von, Bischof von Osnabrück, Kammerrichter  106A, 108

I Ingelheim, –– Anna Caroline Lucretia von  233 –– Anna Charlotte Katharina von  233 –– Anna Constantia Philippine von  233 –– Anna Eleonora von  233 –– Anna Elisabeth Charlotte von  233 –– Anna Ernestina Wilhelmina von  233 –– Anna Magdalena Friederike von  233 –– Anna Maria Theresia von  232 –– Anselm Franz von, Erzbischof von Mainz  130 f., 188, 198 –– Anselm Franz von, Bischof von Würzburg  130, 232 –– Anton Dietrich Karl von  130, 186, 188, 233 –– Christoph Adolf Karl von  130A –– Ernst Friedrich von  233 –– Franz Adolf Dietrich von, Kammer­ richter  16A, 18, 20, 37, 46 f., 50 f., 57, 62, 68A, 74 f., 88, 89A, 91 – 93, 97, 98A, 102, 129 – 132, 135A, 150 f., 153, 161, 169 – 171, 173, 177 f., 182 f., 186, 188, 192A, 198 f., 212 – 216, 224 – 227, 232 f. –– Franz Philipp von  233 –– Isabella Maria Antonia von  233 –– Johann Gottfried von  233 –– Johann Philipp von  131 f., 233 –– Johannes von  129 –– Karl Philipp von  132 –– Katharina Eva Augusta von  233 –– Lothar Franz von  130A –– Ludwig Anton von  233 –– Maria Anna von  232 –– Maria Anna Amalie von  233 –– Maria Christina Sophia von  233 –– Maria Theresia Luise von  233 –– Philipp Ludwig von  130, 232 –– Philipp Wilhelm von  130 f. –– Rudolf Johann Friedrich von  232 Isenburg, Salentin von, Erzbischof von Köln  31A Isenburg-Büdingen, –– Ernst Kasimir von  204 f.

Personenindex –– Ferdinand Maximilian von  204 f. –– Georg Albrecht von  204 f. –– Karl August von  204 f.

271

K Kaunitz, Dominik Andreas von, Reichsvizekanzler 214 Kayserfeld, N.N. von (Kavalier Karl Philipps von Hohenlohe-Bartenstein)  52A Kirchberg, Christian Albrecht Kasimir von, Reichskammergerichtspräsident  88 f. Königsegg-Aulendorf, –– Anton Eusebius von  128 –– Hugo von, Reichskammer­ gerichtspräsident  119, 128 –– Johanna Claudia von  119 Königsegg-Rothenfels, –– Leopold Wilhelm von  119, 128 –– Maximilian Friedrich von, Erzbischof von Köln  127 Königsfeld, Johann Georg von, Reichs­ vizekanzler 166 Körndörfer, Johann Ernst von  76 Krebs, –– Philipp Helfrich, Reichskammer­ gerichtsassessor  42, 55, 215 –– Philipp Jacob, Reichspfennigmeister beim Reichskammergericht  155 Kronberg, Johann Schweikhard von, Erzbischof von Mainz  32 f., 108A Kuefstein, Johann Ferdinand von  188 L’Eau, Theodor Karl von, Reichs­ kammergerichtsassessor 99

–– Elisabeth Dorothea von  193A –– Friedrich von  192 – 195 –– Luise von  193A Leiningen-Westerburg, –– Ernst Ludwig von  111 –– Sophie Sybilla von  192 f. Leuchtenberg, Georg Ludwig von  31A Leyen, Damian Hartard von der, Erzbischof von Mainz  35 f., 38A Leykam, Franz Georg von, Reichs­ kammergerichtsassessor 220 Liechtenstein, –– Johann Adam Andreas von  123 –– Maria Elisabeth von  123 Ligne, Ernestine Yolande von  119 Limburg, Heinrich von  71 Limburg-Styrum, –– Karl Joseph von  196 –– Polyxena von  193A, 234 Lobkowitz, Ferdinand August von  118 Lodron, Paris von, Erzbischof von Salzburg 147 Lodron-Laterano, Theresia von  147 f., 236 Lothringen, –– Franz I., römischer Kaiser  47A, 57, 63, 74, 79 f., 126, 138, 175, 180, 182, 188, 196 – 198 –– Franz Stephan von  siehe Franz I. –– Leopold von  185A Löwenstein, Friedrich von, Kammerrichter  29, 50A, 106A, 107, 155 Löwenstein-Wertheim-Rochefort, –– Dominikus Marquard von  129A –– Karl Thomas von  123A, 201 f., 222 –– Maximilian Karl von  73, 111, 119, 129A, 152, 168, 184A f., 187 Ludolf, Georg Melchior  52A Luhmann, Niklas  14

L Lasser, Johann Georg von  172 f. Lauterbach, Ulrich Thomas, Reichs­ kammergerichtsassessor 215 Leiningen-Dagsburg,

M Mainone, –– Johann Wilhelm, Reichskammer­ gerichtsprokurator 140 –– Susanna  140, 235

J Jahns, Sigrid  20, 138A Jodoci, Karl Heinrich von, Reichs­ kammergerichtsassessor  92A, 183A

272

Personenindex

Malblank, Julius Friedrich von  20 Manderscheid, Johann IV. von, Bischof von Straßburg  30 Manderscheid-Blankenheim, Anna Ludovika von 118 Manderscheid-Gerolstein, Karl Ferdinand von, Reichskammergerichtspräsident  131 Mauerer, Esteban  20, 116 Merode-Westerloo, Johann Philipp von  231 Metsch, Johann Adolf von, Reichs­ vizekanzler 186 Metternich-Burscheid, Lothar Friedrich von, Bischof von Speyer  109 Miltiz, Heinrich Gottlob von, Reichs­ kammergerichtsassessor 225 Montfort, –– Ernst von  75 – 80 –– Johann von  31A –– Johann II. von, Kammerrichter  28, 50A, 106A, 107 –– Maria Theresia von  76 Moraw, Peter  11 Moser, Johann Jacob  14, 21, 24 f., 80, 167, 170A, 175 N Nagel, Arnold, Reichskammer­ gerichtsprokurator 97A Nassau, –– Adolf von, Kammerrichter  106A, 107 –– Arnold von  116 –– Dudo von  116 –– Otto von  116 –– Rupert von  116 –– Walram II. von  116 Nassau-Dillenburg, Johann VI. von  116 Nassau-Hadamar, –– Albertina Johanna von  118 f. –– Charlotte Wilhelmina von  231 –– Claudia Franziska von  118 –– Elisabeth von  231 –– Franz Alexander von, Kammerrichter  16A, 18, 36, 46, 50A, 52A, 54, 64A, 71, 85, 110 f., 116 – 119, 148, 156, 216, 231

–– Franz Bernhard von  118 –– Franziska Maria von  231 –– Hermann Otto von  118A –– Johann Ernst von  118A –– Johann Ludwig von  117, 148 –– Joseph Hugo von  231 –– Moritz Heinrich von  117 f., 231 Nassau-Siegen, –– Ernestine Charlotte von  118 –– Franz Hugo von  232 –– Johann VIII. von  116 – 119 –– Johann Franz Desideratus von  118 f. –– Maria Leopoldina von  118, 231 –– Wilhelm Hyacinth von  117, 119 Nesselrode-Landscron, –– Johann Hermann von  134A, 135, 186 –– Maria Elisabeth von  75, 136, 233 Nesselrode-Reichenstein, Johanna von  135 Nettelbla, Christian von, Reichskammer­ gerichtsassessor  21, 217 – 222 Nytz von Wartenberg, N.N., Reichs­ kammergerichtsassessor  212 f. O Oettingen-Baldern, –– Charlotte Juliane von  142, 185A, 202, 203A, 235 –– Franz Wilhelm von  142 –– Joseph Anton von  202 –– Kraft Anton Wilhelm von  142 –– Notker Wilhelm von  142A –– Philipp Karl Ignaz von  142 –– Philippine von  145, 202 Oettingen-Oettingen und OettingenSpielberg, Johann Aloys von  123A Oettingen-Spielberg, –– Franz Albrecht von  142 –– Franz Anton von  142 Oettingen-Wallerstein, –– Dominicus Joseph von  39, 142 –– Eleonora Maria von  145, 185 –– Ernst II. von  141, 144A, 202 f. –– Franz Ludwig von  185A –– Friedrich V. von  141

Personenindex –– –– –– –– ––

Friedrich VI. von  141 Friedrich Karl von  142, 185A Johann Karl von  144A Joseph Anton Karl von  39, 144A Kraft Ernst von  143A, 145, 158, 185A, 202 f. –– Maria Anna von (1)  144A –– Maria Anna von (2)  128 –– Maria Christina von  144A –– Maria Ernestina von  144A –– Maria Margaretha von  142 –– Philipp von  142A, 144A –– Philipp Karl von, Kammerrichter  16A, 18, 43 – 45, 50A, 51, 56, 60, 63 f., 68A, 83A, 89A, 141 – 145, 147 – 149, 151, 152A, 158, 185, 186A, 202 f., 235 –– Philipp Karl Dominicus von  144A, 235 –– Sophie Marie von  145, 185 –– Wolfgang von  128, 129A, 141 f., 202 f., 214 Orsbeck, Johann Hugo von, Erzbischof von Trier, Bischof von Speyer, Kammerrichter  16, 35 f., 38, 41 – 43, 46, 53 – 55, 61 f., 87, 106, 108A, 110, 156, 167, 174A, 212 Ostein, Johann Friedrich Karl von, Erzbischof von Mainz  39 f., 57, 76, 78 f., 140, 150, 180, 187 f., 226 Österreich, –– Ferdinand I., römischer König  28A, 30, 43, 65, 108 –– Ferdinand II., römischer Kaiser  54A, 110, 120, 133 –– Ferdinand III., römischer Kaiser  32 – 36, 54, 62, 66, 97 –– Franz II., römischer Kaiser  44 f., 147, 185, 186A –– Friedrich III., römischer Kaiser  13 –– Joseph I., römischer Kaiser  71, 73, 124 f., 131, 163, 188, 198. –– Joseph II., römischer Kaiser  56, 94 f., 143, 157 f., 163, 197, 220A

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–– Karl V., römischer Kaiser  25, 28 – 30, 43, 107 –– Karl VI., römischer Kaiser  36, 38, 39A, 40A, 41 – 44, 47, 50, 55A, 70A, 73 – 75, 77, 92, 98, 105, 121, 123A, 125, 126A, 131, 134, 163, 168, 176 – 178, 184 – 189, 198, 206 – 208, 210 f., 224 –– Leopold I., römischer Kaiser  35 f., 41 f., 45 f., 119, 121, 124 f., 129, 141, 148, 170, 207, 212 – 215, 227 –– Maria Theresia, Kaiserin  57, 145, 197, 208 –– Marie Elisabeth von, Statthalterin der Niederlande  208 –– Matthias, römischer Kaiser  71 –– Maximilian I., römischer Kaiser  13, 28 f., 83, 100, 107 –– Maximilian II., römischer Kaiser  29 f., 31A, 84, 108 –– Rudolf II., römischer Kaiser  30 – 33, 54, 66, 71, 108 f., 120, 148 Ow, Johann Rudolf von, Reichskammer­ gerichtspräsentatus 212 P Paolucci, Fabrizio  223 Papius, Johann Hermann von, Reichs­ kammer­gerichtsassessor  217 – 222 Pečar, Andreas  197A Pfalz, –– Johann Wilhelm von der, Kurfürst  71 – 73, 185A, 187, 219 –– Karl III. Philipp von der, Kurfürst  74 f., 93, 134A, 183, 186 –– Karl IV. Theodor von der, Kurfürst  76 – 79 –– Ludwig V. von der, Kurfürst  69A Pfalz-Neuburg, Franz Ludwig von, Erzbischof von Mainz  72, 86A f. Pfalz-Simmern, Johann II. von, Kammer­ richter  28, 30, 43, 45A, 106A, 167 Pigenot, Therese von  236 Pistorius, Wilhelm Friedrich von  170 Press, Volker  11

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Personenindex

Preußen, –– Friedrich I. von, König  167 –– Friedrich II. von, König  209A –– Friedrich Wilhelm I. von, König  87A Pütter, Johann Stephan  85, 102A, 143, 149, 218 Pütz, Theodor Wilhelm Franz zum, Reichs­ kammergerichtsassessor  92A, 183A Pyrck, Johann Adam Ernst von, Reichs­ kammergerichtsassessor  135A, 213, 215 f. R Reigersberg, –– Antonia von  236 –– Franz von  236 –– Franz Gottlob von  146, 236 –– Friedrich Karl von  146 f. –– Heinrich Aloys von, Kammerrichter  16A, 18, 21, 50A, 51, 56, 58, 62, 66A, 67 f., 145 – 148, 151, 174A, 199, 226, 236 –– Johann Baptist Ignaz von  146 –– Johann Franz Gotthard von  146 –– Joseph von  236 –– Karoline von  236 –– Nikolaus Georg d. Ä. von  146 –– Nikolaus Georg d. J. von  146 –– Theresia von  236 Reuss, Philipp Heinrich von, Reichs­ kammergerichtsassessor  192, 217 – 222 Riemensperger, Thomas  157, 184A Rüding, Friedrich Wilhelm, Kanzleiverwalter am Reichskammergericht  37, 40, 63, 79 S Sachs, Johann Rudolf, Reichskammer­ gerichtsprokurator 99 Sachsen, –– Albrecht von  107 –– Friedrich August I. von, Kurfürst ­ 71 – 73, 185A, 187, 225 –– Friedrich August II. von, Kurfürst  74 – 79, 87A, 93, 183 Salm, –– Karl Theodor zu  119

–– Ludwig zu  163 –– Ludwig Otto zu  119 Savoyen, Eugen von  135, 184 – 186, 189, 214 Sayn-Wittgenstein, Caroline Leopoldine zu  139 f., 235 Schäffer, Anna Maria  218A Schellwitz, Georg Christian von, Reichs­ kammergerichtsassessor  193 f. Schenck von Schmidtberg, Wilhelm Adolph 233 Schmidt, Ernst  205 Schmidt-Scharff, Werner  143A Schönborn, –– Anna Barbara von  128, 187 –– Anna Charlotte von  76 –– Anselm Franz von  76 –– Damian Hugo von, Bischof von Speyer 205 –– Eleonore von  142 –– Franz Georg von, Erzbischof von Trier  74 – 76, 87A, 188 –– Friedrich Karl von, Bischof von Würzburg und Bamberg, Reichs­ vizekanzler  43, 73A, 91, 128, 130, 140, 159, 176, 183, 187, 189, 213 – 215 –– Johann Philipp von, Erzbischof von Mainz  33 – 35, 40A, 62, 128 –– Lothar Franz von, Erzbischof von Mainz  36, 38, 40 f., 44, 55, 68A, 71, 73A, 128, 132, 139 f., 142, 159, 168, 173, 175 f., 187, 212 – 215, 223 –– Maria Anna von  139 –– Maria Klara von  132 –– Melchior Friedrich von  187 Schraut, Sylvia  116 Schurff, N.N. von (kurkölnischer Kämmerer) 162 Schwarzenberg, –– Johann Nepomuk von  145, 185 –– Joseph von  145, 185 Sellert, Wolfgang  15A Sinzendorf, Philipp Ludwig von  204 Smend, Rudolf  19 – 21

Personenindex Solms-Laubach, Friedrich Ernst von, Reichskammergerichtspräsident  46, 83, 163, 212 f., 215 Sötern, Philipp Christoph von, Erzbischof von Trier, Bischof von Speyer, Kammerrichter  31 – 33, 35, 41A, 45A, 50A, 54, 66, 71A, 87, 96A, 108A, 109 f., 153A, 155, 167 Spaur, –– Anton von  136 –– Christoph Andreas von, Bischof von Brixen 137 –– Franz Joseph von, Kammerrichter  16A, 18, 38, 50A, 56, 59, 63, 89A, 98 f., 101A, 103A, 111, 136 – 140, 144, 150 f., 157 f., 161, 163 – 166, 169 f., 172, 174A, 181 f., 185, 187 f., 192A, 197, 219 f., 226, 235 –– Friedrich Franz Joseph von  137, 197, 235 –– Ignaz Joseph von, Bischof von Brixen  137 f. –– Johann Anton von  137 –– Johann Franz von  137 –– Johann Franz Wilhelm von  137, 138A, 139, 198, 235 –– Johann Nepomuk von  137, 197 f. –– Johann Nepomuk Theodor von  137, 139 f., 197, 235 –– Johann Thomas von, Bischof von Brixen 137 –– Joseph Philipp von, Bischof von Brixen  137 f. –– Joseph Philipp von, Reichskammer­ gerichtsassessor  138 – 140, 150, 235 –– Karl Ignaz von  235 –– Leopold Maximilian Joseph von, Bischof von Brixen  137 f. –– Maria Clara von, Äbtissin von Essen 138 –– Maria Magdalena von  139 –– Peter I. von  137 Speckmann, Johann Stephan, Reichs­ kammergerichtsassessor  207 f. Spee, Johanna Margaretha von  135, 233

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Stadion, –– Anton Heinrich Friedrich von  138A, 139 f., 150, 188, 226 –– Johann Philipp von  139 f. –– Maria Theresia von  139 f., 235 Starhemberg, –– Konrad Sigismund von  120A –– Maria Eva Sophia von  120 Stollberg-Rilinger, Barbara  27 Sulz, Maria Theresia von  123, 231 T Tettenborn, N.N. von (Kavalier Karl Philipps von Hohenlohe-Bartenstein)  52A Thierberg, Jacob von, Reichskammer­ gerichtspräsentatus 207 Thiessen, Hillard von  197A Thüngen, Johann Siegmund Karl von, Reichskammergerichtspräsident  63 f., 89A Thurn und Taxis, –– Eugen Alexander von  128 –– Maria Theresia von  145 Tönnemann, Johann Christoph Veit von, Reichskammergerichtsassessor  77, 92A, 183A, 217 f. Trapp, Anna Maximiliane von  139, 235 Trott zu Solz, –– Friedrich Rudolf Joseph von, Reichs­ kammergerichtspräsident 89A –– N.N. von (Kavalier Ambrosius Franz’ von Virmond)  52A U Überacker, Wolfgang Christoph von  144 Ulfeld, –– Anton Corfitz von  135 –– Leo von  135 V Vahlkampf, Joseph Anton  21, 58 Virmond, –– Adrian Wilhelm von  133 –– Ambrosius Adrian von  133, 233

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Personenindex

–– Ambrosius Franz von, Kammer­ richter  16A, 18, 37, 39, 47 f., 50A, 51, 52A, 55, 59, 74 – 76, 89A, 91 f., 132 – 136, 150 f., 153A, 161 – 166, 169, 173A f., 177 f., 183, 186, 211, 226, 233 f. –– Damian Hugo von  133, 134A, 135, 150 f. –– Franz Adrian von  135 –– Johann von  133 –– Johann Ludwig von  234 –– Joseph Ernst von  134, 234 –– Maria Anna von  135 –– Maria Isabella von  134 f., 234 –– Maria Ludovika von  135 f. –– Violanta Augusta von, 234 Vogelius, Gerhard Georg Wilhelm von, Reichskammergerichtsassessor  216 – 218, 222 Voisin, N.N. (Prozessbeteiligter)  222 Völderndorff, Franz von  236 W Wachtendonck, N.N. von (kurpfälzischer Geheimer Rat)  186 Waldbott zu Bassenheim von, Johann Maria Rudolf, Reichskammergerichtspräsident  88 f., 153 Waldburg, N.N. von (Kandidat für das Kammerrichteramt) 108 Waldburg-Trauchburg, Gebhard von, Erzbischof von Köln  31A Waldburg-Zeil, –– Felicitas von  129, 232 –– Johann von  168 –– Maria Antonia von  78, 80A –– Sebastian Wunibald von  129

Waldenburg, N.N. von (Mainzer Oberst­ hofmeister) 34 Waldendorff, Emmerich Friedrich von, Reichskammergerichtsassessor 207 Waldenfels, Christian von, Reichskammer­ gerichtsassessor  143, 149 Wallraff, Johannes, Reichskammer­ gerichtsprokurator 52A Wendehorst, Stephan  11A Westphal, Siegrid  11A Wetzlar, Nathan Aaron  94 f., 158, 165, 193 f., 216 – 222 Wied-Neuwied, Alexander zu  172, 174A f. Wied-Runkel, Karl zu, Reichskammer­ gerichtspräsident  37, 39 f., 47 f., 63, 77, 89A, 91 – 93, 161A, 177 f., 180, 183 Windisch-Graetz, Ernst Friedrich von  189 Winneburg, Philipp d. Ä. von, Kammer­ richter  30 – 32, 53, 108A, 109, 167 Witt, Johann Georg  201, 222 Wolkenstein, Georg Ulrich von  145A Württemberg, Eberhard Ludwig von  205 Wüst, Pia  157A Z Zernemann, Matthias von, Reichskammer­ gerichtsassessor 215 Zimben, N.N. von (Kandidat für das Kammerrichteramt) 30 Zimmern, –– Wilhelm von  31A –– Wilhelm Werner von, Kammerrichter  50A, 106A, 107 Zwierlein, Christian Jacob von, Reichs­ kammergerichtsprokurator  101A, 143, 149, 170