Alternative Wirklichkeiten?: Wie Fake News und Verschwörungstheorien funktionieren und warum sie Aktualität haben 9783839447178

Fake News und Verschwörungstheorien haben Konjunktur: Lügen werden als Informationen getarnt und bisweilen dubiose Theor

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Alternative Wirklichkeiten?: Wie Fake News und Verschwörungstheorien funktionieren und warum sie Aktualität haben
 9783839447178

Table of contents :
Inhalt
Einleitung: Zwischen Wissensgesellschaft und postfaktischem Denken
Kapitel 1: Fake News
Kapitel 2: Verschwörungstheorien
Kapitel 3: Krisen- und Umbruchsphänomene
Kapitel 4: Das Weltbild des Donald Trump oder Was hat es mit »alternativen Fakten« auf sich?
Kapitel 5: Die traditionellen Massenmedien
Kapitel 6: Digitale Medien
Kapitel 7: Sprache und die Erfassung von Wirklichkeit
Kapitel 8: Die Macht der Bilder, Wirklichkeiten zu zeigen
Kapitel 9: Populismus
Schluss: Wie umgehen mit Fake News und Verschwörungstheorien?
Literaturverzeichnis
Abbildungsnachweise

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Katrin Götz-Votteler, Simone Hespers Alternative Wirklichkeiten?

X-Texte zu Kultur und Gesellschaft

Katrin Götz-Votteler (Dr. phil.), geb. 1975, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Wissenschaftsreflexion und Schlüsselqualifikationen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Sie promovierte im Bereich englische Sprachwissenschaft zum Thema »Aspekte der Informationsentwicklung im Erzähltext«. In der Lehre liegt ihr Schwerpunkt bei Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens und (sprachlichen) Mechanismen der Meinungsbildung. Simone Hespers (Dr. phil.), geb. 1974, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Wissenschaftsreflexion und Schlüsselqualifikationen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Von 2014 bis 2016 war sie darüber hinaus am Interdisziplinären Zentrum für digitale Geistes- und Sozialwissenschaften der FAU tätig. Als promovierte Kunsthistorikerin hat sie u.a. zu Fragen der Bildlichkeit in der Fotografie publiziert.

Katrin Götz-Votteler, Simone Hespers

Alternative Wirklichkeiten? Wie Fake News und Verschwörungstheorien funktionieren und warum sie Aktualität haben

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Korrektorat: Jennifer Niediek, Bielefeld Satz: Justine Buri, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4717-4 PDF-ISBN 978-3-8394-4717-8 EPUB-ISBN 978-3-7328-4717-4 https://doi.org/10.14361/9783839447178 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/ vorschau-download

Inhalt Einleitung: Zwischen Wissensgesellschaft und postfaktischem Denken........ 9 Kapitel 1: Fake News.............................................................................. 17 Nicht alle Falschmeldungen sind Fake News.................................................. 19 Welche Formen können Fake News annehmen?...........................................21 Wozu werden Fake News verbreitet, und an wen richten sie sich?............ 24 Fazit.............................................................................................................28

Kapitel 2: Verschwörungstheorien..................................................... 31 Verschwörungstheorien sind keine wissenschaftlichen Theorien.............35 Handelt es sich bei Verschwörungstheorien um ein besonders aktuelles Phänomen?..................................................... 37 Psychologische Aspekte.............................................................................39 Fazit............................................................................................................. 42 Kapitel 3: Krisen- und Umbruchsphänomene..................................47 Politische Veränderungen........................................................................... 47 Technologische Entwicklungen...................................................................49 Vertrauenskrise..........................................................................................53 Fazit............................................................................................................. 57 Kapitel 4: Das Weltbild des Donald Trump oder Was hat es mit »alternativen Fakten« auf sich?............................. 61 Wahrnehmung.............................................................................................65 Kognitive Dissonanz....................................................................................68 Die Konstruktion von Wirklichkeit...............................................................69

Kapitel 5: Die traditionellen Massenmedien.................................... 75 Funktionen der Medien................................................................................ 76 (Leit-)Medien als Gatekeeper des Wissens.................................................. 79 Alles nur »Lügenpresse«?...........................................................................80 Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie...........................................84 Was hat das alles mit Fake News zu tun?....................................................89 Fazit..............................................................................................................91 Kapitel 6: Digitale Medien.................................................................... 95 Online-Medien als Nachrichten- und Informationsquellen......................... 96 Die Personalisierung von Online-Inhalten.................................................. 101 Fazit............................................................................................................105

Kapitel 7: Sprache und die Erfassung von Wirklichkeit............... 107 Narrative....................................................................................................108 Framing...................................................................................................... 114 Das Prinzip der linguistischen Relativität...................................................117 Metaphorischer Sprachgebrauch...............................................................120 Zurück zu den »alternativen Fakten«........................................................126 Fazit............................................................................................................128 Kapitel 8: Die Macht der Bilder, Wirklichkeiten zu zeigen............133 Die Glaubwürdigkeit der Technik und die Wirklichkeit der Fotografie.......134 Wie wir Bilder wahrnehmen und warum sie nicht objektiv sind................138 Was Bilder zeigen, auch wenn sie es nicht zeigen.....................................145 Welche Wirklichkeit Fotografien zeigen I: Der Blickwinkel........................148 Welche Wirklichkeit Fotografien zeigen II: Das kulturelle Gedächtnis.......150 Ein Beispiel: 9/11.........................................................................................152 Fazit............................................................................................................156 Kapitel 9: Populismus..........................................................................161 Verschwörungstheorien und Populismus als Ausdruck postdemokratischer Gesellschaften..........................................................162 Die Rolle der Leader...................................................................................167 Populismus und massenmediale Aufmerksamkeitsregeln........................168 Fazit............................................................................................................169

Schluss: Wie umgehen mit Fake News und Verschwörungstheorien?................................................................... 173 Strategien zum Umgang mit postfaktischem Denken............................... 174 Weitere einführende Literatur...................................................................176 Websites zum Faktencheck........................................................................178 Allgemeine Hinweise..................................................................................178

Literaturverzeichnis............................................................................181 Verwendete Literatur................................................................................. 181 Weitere Internetquellen............................................................................ 205 Abbildungsnachweise..........................................................................211

Einleitung: Zwischen Wissensgesellschaft und postfaktischem Denken Wie es euch gefällt. Shakespeare

»Wir sind auf einem guten Weg hin zu einer Wissensgesellschaft«, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am 29. Januar 2009 in Berlin.1 Das Schlagwort Wissensgesellschaft wird oft verwendet, um unsere gegenwärtige Gesellschaft zu beschreiben. Es reiht sich ein in Begriffe wie Agrargesellschaft und Industriegesellschaft: Das Konzept der Agrargesellschaft beschreibt das vormittelalterliche und mittelalterliche System in Europa, dessen soziale, politische und ökonomische Grundlagen vorwiegend durch Landbau geprägt waren. Die industrielle Revolution wandelte die Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft, die nun auf der Produktion von Gütern basierte. Offensichtlich beschreibt also der erste Teil dieser Wörter, welche Arbeitsform in einer Gesellschaft dominiert bzw. welches Merkmal als konstitutiv für soziale, politische und ökonomische Entwicklungen angesehen wird. Doch inwiefern kann Wissen eine dominierende Arbeitsform darstellen? Und worin zeigt sich, dass Wissen unsere Gesellschaft dermaßen durchdringt, dass es als konstitutiv für diese angesehen werden kann? 2 Der Begriff Wissensgesellschaft und das mit ihm verbundene Konzept besteht nicht erst seit dem 21. Jahrhundert. Bereits in den 1960er und verstärkt in den 1970er Jahren haben Sozialwissenschaftler·innen die Merkmale westlicher Gesellschaften beschrieben und daraus eine neue Gesellschaftskategorie abgeleitet.3 Hierzu zählen »Information, Wissen und Expertise […] als gleichberechtigte Ressourcen gesellschaftlicher Reproduktion«, eine »Zunahme wissensbasierter Wirtschaftsaktivitäten« sowie die »Zunahme wissensbasierter Berufe und deren Diffusion in immer neue Bereiche der Gesellschaft« (Maa-

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sen 2006: 194). Dabei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wie mit Wissen Geld verdient werden kann: sei es durch die forschungsbasierte Entwicklung neuer Technologien, durch die zielgerichtete Auswertung großer Mengen von Daten oder dadurch, dass in vielen Berufen auf ein spezialisiertes Wissen zurückgegriffen werden muss. Arbeitsbereiche, die im Zuge dieser gesellschaftlichen Veränderungen ausgebaut wurden, sind z.B. der Dienstleistungssektor, das Banken- und Finanzwesen oder der Logistik- und Transportbereich. Forderungen nach frühkindlicher Bildung oder die Vorstellung von lebenslangem Lernen sind Ausdruck dessen, dass Wissen als Schlüssel zum Erfolg gesehen wird. Gleichzeitig führt die wissensbasierte Spezialisierung hierzulande zu einer Abnahme von Arbeitsplätzen in verarbeitenden Industrien wie Automobilproduktion und Maschinenbau oder Chemie- und Pharmaindustrie.4 Diese strukturellen gesellschaftlichen Veränderungen gehen mit einer Veränderung des Wissens selbst einher. Im Jahre 1979 veröffentlichte der französische Philosoph und Literaturtheoretiker Jean-François Lyotard (1924-1998) einen Bericht über Das postmoderne Wissen (La Condition Postmoderne). Darin führte er aus, dass durch die allgemeine Technologisierung im 20. Jahrhundert auch eine Technologisierung von Wissen zu beobachten sein werde, was grundlegende Auswirkungen nach sich ziehe: Denn damit Wissen technologisch verfügbar gemacht werden könne, müsse es für die technische Übermittlung aufbereitet werden.5 Im Klartext heißt das: Wissen, das digital erzeugt, konserviert, verbreitet und genutzt werden soll, muss in einen binären Code aus Einsen und Nullen umgewandelt werden. Dies habe u.a. zur Folge, dass »eine starke Veräußerlichung des Wissens gegenüber dem ›Wissenden‹« (Lyotard 1979/2012: 31) stattfinden und Wissen losgelöst von Personen existieren könne, beispielsweise in Datenspeichern von Unternehmen. Dies wiederum führe dazu, dass Wissen als unabhängiges Gut zur Ware werden könne: Das Wissen ist und wird für seinen Verkauf geschaffen werden, und es wird für seine Verwertung in einer neuen Produktion konsumiert und konsumiert werden […].6 (Lyotard 1979/2012: 31; Übersetzung: Otto Pfersmann)

Einleitung: Zwischen Wissensgesellschaft und postfaktischem Denken

Technologisierung und Digitalisierung haben also die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Wissen zu einem ökonomischen Faktor werden konnte. Somit birgt die Wissensgesellschaft das Versprechen an ihre Mitglieder, durch Wissenserwerb und höhere Bildung wirtschaftlich zu profitieren. Jedoch liegen hierin auch Risiken, denn der »Zwang zum dauernden Kompetenzerwerb« und die damit einhergehende Verantwortung kann durchaus überfordern und als Belastung empfunden werden (Maasen 2006: 197). Hinzu kommt, dass höhere Bildung keine Garantie für wirtschaftlichen Aufschwung ist, was wiederum zu Enttäuschung und Abkehr vom Konzept der Wissensgesellschaft führen kann.7 Das führt uns zu einer weiteren Gegenwartsbeschreibung: »Es heißt ja neuerdings, wir lebten in postfaktischen Zeiten. Das soll wohl heißen, die Menschen interessieren sich nicht mehr für Fakten, sondern folgen allein den Gefühlen.« Auch dies sind Worte von Kanzlerin Angela Merkel; sie äußerte sie nach einer Wahlniederlage der CDU im September 2016.8 Im selben Jahr wählte die Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. (GfdS) postfaktisch zum Wort des Jahres.9 In der Begründung der GfdS hieß es: Das Kunstwort postfaktisch verweist darauf, dass es heute zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten geht. Immer größere Bevölkerungsschichten sind in ihrem Widerwillen gegen »die da oben« bereit, Tatsachen zu ignorieren und sogar offensichtliche Lügen zu akzeptieren. Nicht der Anspruch auf Wahrheit, sondern das Aussprechen der »gefühlten Wahrheit« führt zum Erfolg.10 Obwohl unsere Gesellschaft aufgrund der ökonomischen Bedeutung von Wissen also als Wissensgesellschaft bezeichnet wird, scheint es akzeptabel geworden zu sein, dass Gefühle und Stimmungen den Weg zur Meinungsbildung weisen und die »gefühlte Wahrheit« zählt. Das im selben Jahr von den Oxford Dictionaries gekürte Word of the Year post-truth betont diese Veränderung im Wahrheitsverständnis. In dem Moment, in dem die gefühlte Wahrheit als Grundlage für Meinungen und Entscheidungen herangezogen werden kann, können Fakten, die nicht in das erwünschte Bild der Wirklichkeit passen, ignoriert oder – besser noch – durch »alternative Fakten« substituiert werden. Theorien und Erklärungen, die nicht das präferierte Weltbild bedienen, werden

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durch eigene Konstrukte ersetzt, und Organen und Institutionen, die dies nicht unterstützen, wird die Legitimität und Glaubwürdigkeit abgesprochen. Was ist hier passiert? Gerade noch befanden wir uns auf einem guten Weg hin zur Wissensgesellschaft und sieben Jahre später vertrauen wir Gefühlen mehr als Fakten? Ein Grund, warum so genannte »gefühlte Wahrheiten« überhaupt faktenbasiertem Denken Konkurrenz machen konnten, liegt in der ökonomischen Struktur der Wissensgesellschaft selbst begründet: Wenn Wissen bzw. die dem Wissen zugrunde liegenden Informationen selbst zu Waren werden, liegt es nahe, diese möglichst geschickt zu vermarkten. Vermarktung funktioniert dann gut, wenn unsere Aufmerksamkeit geweckt wird, und Gefühle erreichen diese eher als reine Fakten. Gekauft (oder geglaubt) wird, wenn das Gefühl stimmt. Eine Ursache ist sicherlich aber auch die oben skizzierte Enttäuschung, selbst nicht an dem versprochenen ökonomischen Aufschwung partizipiert zu haben – unabhängig davon, ob es sich hierbei um eine messbare Tatsache handelt oder nur um ein Gefühl. Und so lassen sich unter dem Aspekt des Postfaktischen einige Phänomene betrachten, die seit wenigen Jahren Gegenstand öffentlicher Debatten geworden sind und die dem Verständnis einer Wissensgesellschaft diametral entgegenstehen:11 1. Mit dem US-Wahlkampf 2016 wurde der Begriff Fake News zu einer festen Größe in gesellschaftlichen Debatten. Falschmeldungen, mit der Absicht lanciert, politische Gegner∙innen zu schädigen, gehören seitdem anscheinend zum politischen Geschäft. 2. Personen der Öffentlichkeit oder Vertreter∙innen von Institutionen können falsche Angaben machen, ohne dass dies anhaltende Entrüstung oder Sanktionen nach sich ziehen würde. Das Präsentieren von alternativen Fakten ist offenbar salonfähig geworden. 3. Verschwörungstheorien scheinen Hochkonjunktur zu haben. Diese drei Phänomene können unter dem Schlagwort »alternative Wirklichkeiten« vereint werden: Offensichtlich ist hier das Bestreben, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben, in den Hintergrund geraten. Stattdessen werden – bei alternativen Fakten und Verschwörungstheorien – Erklärungsmuster, die besser ins eigene Weltbild passen, übernommen und nach außen vertreten. Im Fall von Fake News werden

Einleitung: Zwischen Wissensgesellschaft und postfaktischem Denken

Inhalte konstruiert, die der Durchsetzung der eigenen Vorstellungen zuträglich sind. Diesen »alternativen Wirklichkeiten« möchten wir in diesem Buch nachgehen, indem wir folgende Inhalte adressieren: Zunächst beleuchten wir die Phänomene, um die es hier geht, näher: In Kapitel 1 werden wir klären, was genau News zu Fake News macht, zu welchem Zweck diese verbreitet werden und worin sie sich von »normalen« Falschmeldungen unterscheiden. In Kapitel 2 geht es anschließend um die Eigenheiten und Auswirkungen von Verschwörungstheorien und wie es dazu kommt, dass Personen lieber einer Verschwörungstheorie anhängen, als etablierten Erklärungsmustern zu glauben. Da Fake News und Verschwörungstheorien oft als Ausdruck einer Krisenzeit gesehen werden, wirft Kapitel 3 einen Blick auf die Besonderheiten unserer Zeit. Dabei konzentrieren wir uns auf den Gesichtspunkt, inwiefern aktuelle Entwicklungen zu einer Verunsicherung beitragen können, unter deren Eindruck die Gegenwart als Krisenzeit empfunden wird. Kapitel 4 nimmt einen kurzen Exkurs vor: Zunächst betrachten wir die Umstände, die zu der – mittlerweile berühmt gewordenen – Phrase »alternative facts« führten. Im Anschluss daran diskutieren wir, welches Denken hinter diesem Ausdruck stehen kann. Fake News und Verschwörungstheorien finden ihre Verbreitung in den Medien, und zwar sowohl in den traditionellen Massenmedien als auch in den neuen digitalen Medien. In Kapitel 5 werden wir darauf eingehen, inwieweit allgemeine mediale Mechanismen die Verbreitung von Fake News unterstützen. Wir werden außerdem eine spezielle Verschwörungstheorie beleuchten, die mit den Medien zu tun hat, nämlich die der »Lügenpresse«. Welche Rolle die Digitalisierung der Medien und insbesondere die sozialen Medien für die Verbreitung von Fake News und Verschwörungstheorien spielen, werden wir in Kapitel 6 adressieren. Inwiefern die Art, wie Inhalte dargestellt und versprachlicht werden, die Akzeptanz von Fake News und Verschwörungstheorien erhöhen kann, ist Gegenstand von Kapitel 7. Dabei geht es v.a. um die Einbettung von Inhalten in bestimmte Narrative, ihre Darstellung aus spezifischen Perspektiven (Framing) und darum, wie die Sprachwahl, insbesondere Metaphern, unsere Interpretation des Gehörten oder Gelesenen beeinf lussen kann. Kapitel 8 widmet sich der Frage, welchen Anteil Bilder daran haben, wie wir die Wirklichkeit wahrnehmen. Da-

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bei wird u.a. thematisiert, warum Bilder, insbesondere Fotografien, für uns so überzeugend wirken und welche Wirklichkeit sie uns zeigen. Da alternative Wirklichkeitsmodelle auf gesellschaftspolitischer Ebene besonders oft in populistischen Argumentationen aufzutreten scheinen, wenden wir uns in Kapitel 9 diesem Zusammenhang zu. Der Schluss greift dann noch einmal den Gegensatz zwischen Wissensgesellschaft und postfaktischem Denken auf und gibt Hinweise, wie man Fake News und Verschwörungstheorien erkennen und damit umgehen kann. Das Buch wurde angeregt durch Seminare zum Thema, die wir an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg abgehalten haben, und profitierte von den Fragestellungen und Diskussionsbeiträgen der Studierenden. Aus diesen Veranstaltungen resultierte unser Entschluss, ein Buch zu schreiben, in dem Fake News und Verschwörungstheorien überblicksartig aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Wir möchten auf diese Weise dazu beitragen, ein besseres Verständnis für diese Phänomene und damit einen ref lektierten Umgang mit ihnen zu ermöglichen. Notwendigerweise sind wir dabei auch in Fachgebiete vorgestoßen, für die wir keine Expertinnen sind. Wir haben uns nach bestem Wissen und Gewissen darum bemüht, die fachspezifischen Diskussionen in ihren wesentlichen Aspekten wiederzugeben. Für die Zielsetzung des Buches war es allerdings an der ein oder anderen Stelle notwendig, deren Komplexität zu reduzieren. Dafür bitten wir um Verständnis. Sehr herzlich möchten wir uns bei denjenigen bedanken, die uns bei der Erarbeitung und Fertigstellung dieses Werks unterstützt haben, allen voran bei Daniela Bernhard und Barbara Glökler für die kritische Lektüre des Gesamtmanuskripts, bei Dieter Götz, Jon Leefmann und Sebastian Schuol für das Lesen einzelner Kapitel und ihre inhaltlichen Anregungen, sowie bei Sabine Dika und Julia Zimmermann für die Unterstützung bei der Manuskripterstellung. Weiterhin danken wir unseren Kolleginnen und Kollegen am Zentralinstitut für Wissenschaftsref lexion und Schlüsselqualifikationen (ZiWiS) für anregende Gespräche und Hinweise zum Thema, und dem Leiter des Instituts, Michael Jungert, darüber hinaus auch dafür, finanzielle Unterstützung für die Drucklegung ermöglicht zu haben.

Einleitung: Zwischen Wissensgesellschaft und postfaktischem Denken

Anmerkungen 1

Die Rede fand anlässlich eines Empfangs der Mitglieder des Wissenschaftsrats statt. Die gesamte Rede ist abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/ breg-de/service/bulletin/rede-von-bundeskanzlerin-dr-angela-merkel-799382

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Vgl. die Begriffsbestimmung von Nico Stehr (2001: 10): »Wenn Wissen in steigendem Maße nicht nur als konstitutives Merkmal für die moderne Ökonomie und deren Produktionsprozesse und -beziehungen, sondern insgesamt zum Organisationsprinzip und zur Problemquelle der modernen Gesellschaft wird, ist es angebracht, diese Lebensform als Wissensgesellschaft zu bezeichnen.« Auch Maasen 2006: 193: »Wir sprechen von Wissensgesellschaften, weil wissensbasiertes und wissenschaftsförmiges, d.h. experimentelles und reflexives Handeln zu einer sehr einflussreichen, wenn nicht zur dominanten Form gesellschaftlicher Reproduktion geworden ist.« – Der Begriff Wissensgesellschaft wird teilweise synonym zu Informationsgesellschaft verwendet. Zu Überschneidungen und Unterschieden der Konzepte vgl. Reinecke 2010; Maasen 2006: 194.

3

Zur Begriffsgeschichte vgl. Kajetzke/Engelhardt 2013; Reinecke 2010; Maasen 2006; Stehr 2001: 10.

4

Vgl. hierzu Poltermann 2013.

5

Zur Veränderung des Wissens vgl. Hofmann 2001.

6

Original: »Le savoir est et sera produit pour être vendu, et il est et sera consommé pour être valorisé dans une nouvelle production […].« (Lyotard 1979: 14)

7

Vgl. Poltermann 2013; Stehr 2001: 13.

8

Siehe auch Schaarschmidt 2018: 129.

9

Siehe https://gfds.de/wort-des-jahres-2016/ und https://languages.oup.com/ word-of-the-year/word-of-the-year-2016.

10 Nachzulesen unter: https://gfds.de/wort-des-jahres-2016/ 11 Zum Begriff »postfaktisch« siehe Hendricks/Vestergaard 2018; zum Begriff »posttruth« siehe McIntyre 2018.

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Kapitel 1: Fake News You are fake news.1 Donald Trump Bereits während seines Wahlkampfs hatte Donald Trump ihm gegenüber kritischen Medienberichten und Medienhäusern immer wieder den Vorwurf gemacht, Fake News zu verbreiten. Gegen Ende seines ersten Amtsjahrs gab er dann am 17. Januar 2018 zunächst über sein privates Twitter-Profil @realDonaldTrump die Fake News Awards bekannt, kurz darauf wurden sie auch auf der offiziellen Website der Republikanischen Partei veröffentlicht.2 Diesen – auch in der eigenen Partei nicht unumstrittenen3 – Negativpreis erhielten Medien und ihre Vertreter·innen, deren Berichterstattung nach Trumps Dafürhalten unfair war oder gar der Verbreitung von Fake News diente. Trumps Fake News Awards: Die Preisträger·innen Insgesamt vier der elf Plätze gingen an den Fernsehsender CNN, zweimal wurde die New York Times bedacht, und auch ABC News, die Washington Post, Newsweek sowie das Time Magazine finden sich in der Liste wieder. Auf Platz eins landete der amerikanische Ökonom Paul Krugman, Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 2008. Krugman hatte als Kolumnist für die New York Times prognostiziert, aus Donald Trumps Wahlsieg würden negative Folgen für die Wirtschaft resultieren – eine Aussage, die er drei Tage später deutlich relativiert hatte.4 Die Plätze zwei und drei gingen an Fernsehreporter der Sender ABC News und CNN für Falschmeldungen zur Russland-Affäre bzw. über angebliche Verbindungen von Trumps Wahlkampfteam zu WikiLeaks. Beide Meldungen waren zeitnah korrigiert und der ABC-Reporter Brian Ross war vorübergehend suspendiert worden.5

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Alternative Wirklichkeiten?

Ähnlich verhielt es sich mit den Plätzen vier und fünf, die an einen Reporter des Time Magazine, Zeke Miller, und einen Journalisten der Washington Post, David Weigel, für falsche Tweets vergeben wurden. Miller hatte fälschlicherweise getweeted, Trump habe eine Büste von Martin Luther King aus dem Weißen Haus entfernen lassen, und Weigel hatte auf Twitter geäußert, eine Veranstaltung Trumps in Florida sei schlecht besucht gewesen. Beide Reporter hatten ihre Meldungen umgehend nach der Veröffentlichung korrigiert und sich bei Trump dafür entschuldigt. Platz sechs ging an CNN für ein Video, das Trump neben dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe bei einer traditionellen Zeremonie des Koifütterns zeigt. In dem Video ist zu sehen, wie Abe lediglich kleine Mengen Fischfutter in den Teich streut, Trump jedoch, nach anfänglich ebenfalls sparsamer Dosierung, seine Schachtel vollständig ins Wasser kippt. Dass er hierin seinem Gastgeber folgte, ist allerdings nur in einer ungekürzten Version des Videos zu sehen.6 Für einen weiteren Bericht über die Russland-Affäre auf seinem Online-Portal landete CNN auf Platz sieben. Auch dieser Bericht war mit Verweis auf nicht eingehaltene redaktionelle Standards bereits zurückgezogen worden.7 Platz acht ging an Newsweek für die Meldung, die polnische Präsidentengattin Agata Kornhauser-Duda habe Trump einen Handschlag verweigert. Dabei hatte sie – wie das vollständige Video zeigt – zunächst Melania Trump begrüßt und sich erst anschließend der ausgestreckten Hand des Präsidenten zugewendet. Auch diese Meldung war durch Newsweek selbst richtiggestellt worden. Es folgte auf Platz neun CNN mit der ebenfalls korrigierten Falschmeldung, der von Trump entlassene FBI-Direktor James Comey habe Trump niemals mitgeteilt, dass gegen ihn nicht ermittelt werde. Platz zehn schließlich belegte die New York Times mit einem Bericht über einen US-Klimareport. Angeblich hatte die Zeitung in ihrem Beitrag behauptet, Trumps Regierung wolle den Klimareport verheimlichen. Die New York Times hatte allerdings getitelt: »Scientists Fear Trump Will Dismiss Blunt Climate Report«. Der elfte Platz ging ganz allgemein an alle, die über Absprachen Trumps mit Russland während des Wahlkampfs berichtet hatten.

Kapitel 1: Fake News

Nicht alle Falschmeldungen sind Fake News Auf den ersten Blick erscheinen die Meldungen, für die die Fake News Awards vergeben wurden, sehr heterogen: Es handelt sich um einen bunten Mix aus Zeitungsbeiträgen, Twitter-Meldungen und Fernsehberichten. Auffällig ist zudem, dass die meisten als fehlerhaft aufgefallenen Meldungen offenbar zeitnah von den Medien selbst korrigiert wurden. Sind das trotzdem Fake News? Oder handelt es sich nicht eigentlich um Falschmeldungen, wie sie in der Presse immer mal wieder vorkommen (so genannte Zeitungsenten)? Worin unterscheiden sich beide voneinander? Betrachten wir also zunächst einmal den Begriff »Fake News« genauer, um uns anschließend erneut die Frage zu stellen, inwiefern es sich bei den Meldungen der Fake News Awards tatsächlich um Fake News handelt. Schon die wörtliche Übersetzung von »fake news« als »gefälschte Nachrichten« weist darauf hin, dass nicht alle Falschinformationen Fake News sein können. Beginnen wir mit der Bedeutung von »news«, Nachrichten. Nachrichten sind Berichte über aktuelle Ereignisse (»Neuigkeiten«), die sich an eine Öffentlichkeit richten und in der Regel über Massenmedien wie Zeitungen, Fernsehen oder das Internet verbreitet werden. Von Nachrichten wird größtmögliche Objektivität, v.a. aber faktisch korrekte Berichterstattung erwartet ( Kapitel 5). Das Adjektiv »fake«, also »gefälscht«, verweist auf ein intentionales Moment der Täuschung. Wenn nun Informationen, die absichtsvoll falsch sind oder eine falsche Interpretation begünstigen, bewusst unter dem Deckmantel einer Nachrichtenmeldung an die Öffentlichkeit gebracht werden, liegt eine Täuschungsabsicht vor und man spricht von Fake News.8 Die Täuschungsabsicht dient somit als Unterscheidungsmerkmal für die Abgrenzung »echter« Fake News gegen andere Formen der Falschmeldung wie beispielsweise Zeitungsenten oder journalistische Irrtümer, die meist auf mangelnde Sorgfalt oder fehlerhafte Recherche zurückgeführt werden können. Diese sollten durch das Publikationsorgan selbst unmittelbar und in angemessener Weise richtiggestellt werden, was in Deutschland in einem Pressekodex festgeschrieben ist ( Kapitel 6).9 Sehen wir uns also noch einmal die einzelnen Meldungen der Fake News Awards an: Haben wir es hier tatsächlich mit Fake News zu tun? Der erste Platz wurde streng genommen gar nicht an eine Nachricht vergeben, sondern an eine Kolumne. Die Meldungen auf den Plätzen

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Alternative Wirklichkeiten?

zwei, drei, vier, fünf, sieben und neun können aufgrund ihrer zeitnahen Richtigstellung durch die Journalist·innen bzw. Distributionsorgane selbst als Falschmeldungen klassifiziert werden. Auch der Bericht der New York Times über den Klimareport kann nicht als ein Fall von Fake News eingestuft werden. Denn, anders als von Trump behauptet, hatte die Zeitung nicht selbst die Befürchtung geäußert, der Bericht könne von Trumps Regierung zurückgehalten werden, sondern in der Schlagzeile die Wissenschaftler·innen, die den Bericht verfasst hatten, zitiert.10 Bleiben noch die Plätze sechs und acht: Handelt es sich bei ihnen um gezielte Täuschungsversuche durch gefälschte Informationen? In beiden Fällen basiert die Meldung auf echtem Filmmaterial, problematisch ist jedoch die Art und Weise, wie die Inhalte auf bereitet und verbreitet wurden. Das von CNN veröffentlichte Video (Platz sechs) etwa, das den japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe und Donald Trump beim Füttern von Koi zeigt, verfälscht den Ablauf der Szene entscheidend: Zunächst ist zu sehen, wie Abe und Trump aus ihren Futterschalen abwechselnd löffelweise Futter in den Karpfenteich streuen. Dann nimmt Trump seine Futterschale, dreht sie um und leert sie in den Teich. Weil das Video jedoch geschnitten ist, zeigt es nicht, dass zunächst Abe das in seiner Schale verbliebene Futter in den Teich gestreut hatte. Durch die Kürzung erscheint die Handlung Trumps plump, auch drängt sich die Vermutung auf, er habe möglicherweise gegen japanische Konventionen verstoßen, indem er das in seiner Schale verbliebene Futter einfach in den Teich kippte. Auch die Newsweek-Meldung, die polnische Präsidentengattin Agata Kornhauser-Duda habe Trump den Handschlag verweigert (Platz acht), kann in dieser Form nicht aufrechterhalten werden. Das Video war während des Staatsbesuchs von Donald Trump in Polen im Juli 2017 gemacht worden. Es zeigt (von links nach rechts) Melania Trump, Donald Trump, den polnischen Präsidenten Andrzej Duda sowie dessen Ehefrau Agata Kornhauser-Duda bei einem öffentlichen Auftritt. Zunächst nehmen die vier Applaus entgegen und winken einem nicht zu sehenden Publikum, dann schütteln Trump und Duda sich die Hände. Als Trump seine Hand Agata Kornhauser-Duda entgegenstreckt, schreitet diese zielstrebig an ihm vorbei auf die First Lady Melania Trump zu, der sie die Hand reicht. Möglicherweise war es hier zunächst zu einem kommunikativen Missverständnis gekommen. Den nachfolgenden Handschlag zwischen Trump und Kornhauser-Du-

Kapitel 1: Fake News

da unterschlägt das Video, womit die Szene ebenfalls entscheidend verkürzt wird. In beiden Fällen werden also für das richtige Verständnis der Situation notwendige Informationsbestandteile aus dem Zusammenhang gerissen bzw. einfach unterschlagen. Dadurch wird der Interpretationsrahmen so verändert, dass Donald Trump als impulsiver und diplomatisch unversierter Staatsmann erscheint, der als Präsident der Vereinigten Staaten wenig repräsentativ wirkt. Während man bei den anderen Meldungen relativ klar ausschließen kann, dass es sich um Fake News handelt, ist bei diesen zwei Videos Folgendes festzustellen: Sie zeigen jeweils nur Ausschnitte, obwohl der Gesamtkontext eine andere Lesart nahelegen würde. Dass diese so ausgewählt wurden, dass sie Trump unvorteilhaft, ja sogar lächerlich aussehen lassen, spricht für eine absichtsvolle Täuschung. Folgt man oben genannter Begriffsbestimmung, wonach Fake News mit einer gezielten Täuschungsabsicht verbreitet werden, dann sind diese beiden Meldungen als Fake News einzustufen. Wie die Beispiele zeigen, ist es nicht immer leicht, Fake News von wahrheitsgemäßen Nachrichten zu unterscheiden oder exakt zu bestimmen, ob es sich bei falschen Nachrichten um Täuschungsversuche handelt. Zudem sind nicht allein falsche Informationen trügerisch, auch an sich zutreffende Informationen können täuschen, wenn sie zu irreführenden Interpretationen einer Nachricht beitragen und damit ursächlich für Fake News sind.

Welche Formen können Fake News annehmen? Seit dem Brexit-Referendum in Großbritannien und dem US-Wahlkampf 2016 hat das Thema Fake News Konjunktur. Entsprechend vielfältige Bemühungen gibt es seither, den Begriff zu definieren und das Phänomen näher zu bestimmen.11 Zunächst sind Fake News von anderen Formen absichtsvoller Falschinformationen abzugrenzen, wie sie etwa bei Klatsch und Tratsch, Gerüchten, scherzhaften Schwindeleien (so genannten Hoaxes) oder Urban Legends, also modernen Mythen und Legenden, auftreten können.12 Anders als bei Fake News, die sich als Nachrichten von politischer oder gesellschaftlicher Relevanz ausgeben, ist die Bedeutsamkeit von Klatsch und Tratsch in der Regel eingeschränkt. Gerüchte hingegen reklamieren für sich, (vermeintliches)

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Wissen von allgemeinem Interesse zu sein, das notfalls auch unautorisiert veröffentlicht wird. Hat sich ein Gerücht erst einmal festgesetzt, dann können sich daraus allseits bekannte Mythen und Legenden bilden, wie z.B. die Urban Legend von der Katze, die zum Trocknen in die Mikrowelle gesteckt wurde und darauf hin explodierte. Bei Hoaxes handelt es sich – wie bei Fake News auch – um bewusste Falschinformationen, die vorgeben, wahr zu sein. Allerdings verfolgen sie andere Zwecke als den der arglistigen Täuschung, denn um ihren scherzhaften Charakter ausspielen zu können, ist eine Aufdeckung der Falschheit notwendig. Entsprechend wäre es verfehlt, einen Aprilscherz als einen Fall von Fake News zu bezeichnen. Die Stiftung Neue Verantwortung unterscheidet drei Typen von Fake News hinsichtlich ihrer Machart:13 Dekontextualisierte, also dem eigentlichen Zusammenhang entrissene Inhalte können zu einer intendierten Falschinterpretation führen – so, wie dies für die Plätze sechs und acht der Fake News Awards anzunehmen ist. Zum zweiten können z.B. Bilder oder Videos gezielt und verdeckt verändert, also manipuliert werden. Schließlich können Inhalte völlig frei erfunden werden. Hinzu kommen Formen von schlechtem Journalismus (Poor Journalism), die zwar nicht direkt als Fake News zu bezeichnen sind, wohl aber den Nährboden für jene liefern können. Da aber Klatsch und Tratsch, Gerüchte oder Urban Legends ebenfalls mit Dekontextualisierung, Manipulation sowie erfundenen Inhalten arbeiten können, erscheinen diese Kategorien allein nicht geeignet, um Meldungen sicher als Fake News zu entlarven. Daher soll ergänzend die Einteilung des amerikanischen Medienwissenschaftlers Ethan Zuckerman vorgestellt werden. Auch er nennt drei Arten von Fake News, wobei er jedoch in erster Linie nach deren Funktion und Wirkung fragt: False Balance, Propaganda und Desinformation.14 Als relativ neue und seit dem US-Wahlkampf 2015/16 zunehmend relevante Form von Fake News nennt Zuckerman Nachrichten, die in den Medien mehr Aufmerksamkeit erhalten, als sie aufgrund ihres Inhalts verdienen, und dadurch ein Ungleichgewicht in der (politischen) Berichterstattung herbeiführen. Im engeren Sinne sei hier weniger von Fake News als vielmehr von False Balance zu sprechen. Exemplarisch nennt er die Konzentration der Medien auf geleakte und damit unautorisiert an die Öffentlichkeit gebrachte EMails zwischen der damaligen demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und ihrem Wahlkampfmanager John Podesta. Obwohl von der Sache her

Kapitel 1: Fake News

nichts Neues zu berichten gewesen war, wurde das Thema wieder und wieder aufgegriffen und skandalisiert, was den Ausgang der US-Wahlen mutmaßlich zugunsten Donald Trumps beeinf lusste. Auch Propaganda, also die systematische Beeinf lussung der politischen Einstellungen und Ansichten der Gesellschaft bzw. einer gesellschaftlichen Gruppe, kann eine Form von Fake News sein, werden hier doch oftmals wahre Inhalte mit betrügerischen und falschen Inhalten vermischt, um die eigene Position zu stärken und die politischen Gegner∙innen zu schwächen. Dass es sich hierbei nicht um ein neues Phänomen handelt, liegt auf der Hand, galten Propagandamaßnahmen doch seit jeher als probates Mittel, um sich die Zustimmung potenzieller Wähler·innen oder die Unterstützung für bestimmte politische Ziele zu sichern und der Verbreitung des eigenen Ruhms auf die Sprünge zu helfen. Beispiele reichen hier vom römischen Feldherrn und Imperator Gaius Julius Caesar über das Dritte Reich bis hin zu modernen Populist·innen ( Kapitel 9).15 Relativ neu wiederum ist die dritte Art von Fake News, Desinformation, die man als Zermürbungstaktik bezeichnen könnte: Das Nachrichtensystem (»news ecosystem«) wird gezielt mit Informationen überschwemmt, deren Inhalte schwer oder unmöglich zu beurteilen sind. Hier kann man als Beispiel die im Jahre 2016 als Pizzagate bekannt gewordenen Fake News nennen, die behaupteten, Hillary Clinton würde einen Kinderpornoring betreiben. Diese Fake News waren so überzeugend dargestellt, dass am 4. Dezember 2016 ein junger Mann das Lokal, in dem der angebliche Pornoring vermeintlich seine Zentrale hatte, mit einem Maschinengewehr stürmte und drei Schüsse abgab, mit dem Ziel, die Kinder zu befreien. Zu Desinformation zählt Zuckerman aber auch die wiederholte und unermüdliche Diskreditierung etablierter Nachrichtenmedien – der so genannten Mainstream-Medien – als »fake news« durch Amerikas Rechte, um systematisch deren Glaubwürdigkeit zu untergraben. Die hieraus resultierende Frustration unter den Konsumierenden kann dann zu einer allgemeinen Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen und politischen Zuständen im Allgemeinen und den Medien im Speziellen führen. Dies geht möglicherweise mit einem Vertrauensverlust einher (zu Vertrauensverlust siehe auch  Kapitel 3). Auch die Fake News Awards von Donald Trump fallen in die Kategorie Desinformation. Auffällig an der Auswahl der »Preisträger·innen« ist nämlich, dass Trump selbst Gegenstand jeder der angeführten Mel-

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Alternative Wirklichkeiten?

dungen war und dass ausnahmslos etablierte amerikanische Medien »ausgezeichnet« wurden. Wie gesehen, kann nur zwei der zehn Meldungen eine bewusst in Kauf genommene Täuschungsabsicht unterstellt werden. In den meisten Fällen benutzt Trump »fake news« als Kampf begriff: Er stellt die Glaubwürdigkeit der Medien infrage und kann sich so selbst als Opfer manipulativer Berichterstattung inszenieren.

Wozu werden Fake News verbreitet, und an wen richten sie sich? Um das Phänomen Fake News zu verstehen, reicht es nicht aus, allein die unterschiedlichen Formen und Funktionen von Fake News zu kennen. Wichtig ist auch, nach der Motivation für deren Verbreitung zu fragen. Hier lassen sich im Wesentlichen politische und ökonomische Gründe identifizieren. Wenden wir uns zunächst den politischen Gründen zu. Häufig werden Fake News geschaffen, um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen oder anzuheizen. Die Stiftung Neue Verantwortung untersuchte die Rolle und die Verbreitung derartiger Meldungen während des Bundestagswahlkampfs 2017 und kam zu dem Schluss, dass »Fake News, so wie sich das Phänomen in Deutschland empirisch darstellt, […] v.a. von den Rechten, Rechtspopulist:innen und Rechtsextremen verbreitet« werden, wenngleich auch redaktionelle Medien an deren Weitergabe beteiligt sind (Sängerlaub et al. 2018: 5). Insbesondere ideologisch geprägte Gruppierungen nutzen Fake News zur Stimmungsmache gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen oder politische Maßnahmen. Dabei muss die Botschaft gar nicht zwingend explizit formuliert sein, sondern kann auch auf subtile Art und Weise vermittelt werden. Am 30. Januar 2018 postete die Alternative für Deutschland (AfD) Bayern auf Facebook und via Twitter einen Kommentar zum geplanten Moscheebau in Regensburg und setzte folgendes Bild darunter:16

Kapitel 1: Fake News

Abbildung 1: Bildmontage AfD Bayern, Regensburger bekommen 21 Meter hohes Minarett.

Im Zentrum zu sehen sind die beiden Türme des Regensburger Doms, orangegelb leuchtend vor dem AfD-blauen Bildhintergrund. Am unteren Bildrand, von einer transparenten blauen Banderole überdeckt, sind einige Dächer zu erkennen und links am Bildrand der Uhrturm an der Steinernen Brücke. Rechts hinter dem Uhrturm erhebt sich ein rundes Minarett mit zwei Balkonen in die Höhe, dessen Spitze deutlich die Türme des Doms überragt. Auch wenn bei genauerem Hinsehen unschwer zu erkennen ist, dass es sich hier um eine Fotomontage handelt, die Dom, Stadtpanorama und Minarett zusammenfügt, suggeriert das Bild, dass das Minarett der Moschee in unmittelbarer Nähe zum Regensburger Dom stehen und es diesen an Höhe übertreffen wird. Beides ist nicht richtig: Während das Minarett 21 Meter hoch werden soll, messen die Türme des Regensburger Doms 105 Meter. Zudem wird die Moschee nicht wie der Dom in der Stadtmitte erbaut, sondern im äußersten Osten der Stadt, jenseits der Stadtautobahn.17 Das »Stadtbild«, so wie es in diesem Bild zusammengestellt wurde, wird es also nicht geben, und es ist davon auszugehen, dass das Ziel dieser bildlichen Täuschung Propaganda und Meinungsmache ist. Fake News dienen weiterhin dazu, den öffentlichen Diskurs über ausgewählte Themen und Inhalte zu bestimmen.18 Hierfür muss ihnen die Aufmerksamkeit der Medien sicher sein. Denn selbst wenn eine Meldung wie »Vergewaltigungsfälle durch Zuwanderer um 90  % ge-

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Alternative Wirklichkeiten?

stiegen« als ein Fall von Fake News einzuordnen ist,19 wird zunächst durch ihre Verbreitung und dann durch ihre Richtigstellung die Assoziation, dass Gef lüchtete bzw. Zugewanderte kriminell seien, in der öffentlichen Wahrnehmung verfestigt. Darüber hinaus werden Fake News aber auch dazu genutzt, einzelne Personen, insbesondere die politischen Gegner·innen zu verunglimpfen: Meldungen, der damalige US-Präsident Barack Obama sei Moslem und/oder homosexuell, dienten dem Zweck, Obama für konservative und fundamentalchristliche US-Bürger·innen untragbar zu machen.20 An wen richten sich nun solcherlei Veröffentlichungen? In erster Linie an die eigene Wählerschaft und diejenigen Bürger·innen, deren politische Einstellungen in eine ähnliche Richtung gehen und die somit potenzielle Wähler·innen sind. Denn durch die wiederholte Bewertung von Ereignissen, Zuständen oder Entwicklungen aus einem bestimmten Blickwinkel werden Überzeugungen perpetuiert und verstärkt, was politischen Akteur·innen Unterstützung für die eigene Agenda sichert. Erfolgreich sind solche Meldungen, da »[g]eglaubt wird, was ins Weltbild passt« (Sängerlaub et al. 2018: 5). Auf diesen Umstand werden wir auch in  Kapitel 2 eingehen. Fake News werden aber auch aus ökonomischen Gründen verbreitet. Diese lassen sich auf einen einfachen Nenner bringen: Fake News bringen Geld. Die heutigen Massenmedien stehen im Wettkampf um die Aufmerksamkeit der Rezipierenden in einer harten Konkurrenzsituation zueinander. Für den finanziellen Profit bzw. das finanzielle Überleben sind dabei Werbeeinnahmen von großer Wichtigkeit. Diese fallen umso höher aus, je größer die Reichweite eines Mediums ist. Bei Zeitungen und Zeitschriften wird Reichweite über die Auf lage, bei Fernsehsendungen über die Einschaltquoten ermittelt, und bei Onlineangeboten lässt sie sich durch die Anzahl der Klicks auf eine Internetseite berechnen. Je mehr Personen also ein Printprodukt kaufen, eine Sendung einschalten oder eine Internetseite anklicken, desto häufiger werden dort platzierte Werbungen gesehen, desto erfolgversprechender sind sie und desto höhere Einnahmen werden generiert. Insofern lockt die Versuchung, das Medienangebot so zu gestalten, dass es möglichst viele Konsumierende anzieht. Und Sensationen und Skandale verkaufen sich nun einmal besonders gut, weshalb Fake News gerne in diesem Gewand auftreten ( Kapitel 5). Ein Beispiel: Am 17. Juli 2018 titelte der E-Mail-Provider web.de auf seiner Startseite »Spinnen auf dem Mars? Neue Fotos der NASA zei-

Kapitel 1: Fake News

gen mysteriöse Gebilde auf der Oberf läche des Planeten.«21 Wird die Meldung mit dem klein hinterlegten Foto angeklickt, öffnet sich das Bild mit den »mysteriösen Gebilden« in einer größeren Ansicht, vor das die leicht modifizierte Überschrift »Neue Nasa-Fotos vom Mars zeigen mysteriöse schwarze ›Space-Spinnen‹« gesetzt wurde. Der Teaser des Beitrags lautet: »Gibt – oder gab – es Leben auf dem Mars? Das ist nicht abschließend geklärt. Nun hat die NASA neue Fotos der Oberf läche des roten Planeten veröffentlicht, die mysteriöse Formationen zeigen. Bevölkern etwa Spinnen den Mars?« Der Artikel löst zwar dann im ersten Satz auf: »Um es vorweg zu nehmen: Auch die neuen Fotos des ›Mars Reconnaissance Orbiters‹ der NASA werden uns keinen Beweis für oder gegen Leben auf dem Mars liefern.« Bis die Leser∙innen aber so weit gekommen sind, sind schon mehrere Sekunden vergangen – ein wichtiger Umstand, denn je mehr Zeit auf der Website verbracht wird, desto höher sind die Erfolgschancen der dort platzierten Werbungen. Zwar werden hier streng genommen keine Unwahrheiten verbreitet, da nicht behauptet wird, es gebe Leben bzw. Spinnen auf dem Mars, das steht jedoch erst auf der verlinkten Internetseite und auch dort erst nach dem Teaser. Überschrift und Information auf der Startseite sind hingegen so gestaltet, dass sie das sensationelle Thema »außerirdisches Leben im Weltall« nahelegen. Es geht hier also darum, Lesende auf die nächste Internetseite zu locken, ein Verfahren, das als Clickbaiting bezeichnet wird. Diese Methode, durch reißerische Überschriften eine unglaubliche Geschichte anzudeuten oder durch das Ansprechen von emotionalen Themen Aufmerksamkeit und Reichweite zu erzielen, ist weder neu noch auf Onlinemedien beschränkt (man denke an die zahlreichen Trennungen, die angeblich in europäischen Adelshäusern schon bevorstanden und ihren Weg auf die Titelseiten diverser Zeitschriften gefunden haben). Sie kann aber durchaus der Nährboden für »echte« Fake News sein, indem sich die angedeuteten Sensationen verselbstständigen und dann als tatsächliche Nachricht weiterverbreitet werden.

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Fazit Der Begriff Fake News hat zwei Bedeutungsebenen: Zum einen dient Fake News als Kampf begriff, um bestimmte Medien zu diskreditieren. In dieser Verwendung entspricht die Bezeichnung Fake News der Verschwörungstheorie der »Lügenpresse« ( Kapitel 5). Zum anderen bezeichnet Fake News gefälschte Nachrichten, die mit einer bewussten Täuschungsabsicht verbreitet werden. Die Motivation für die Erstellung solcher Meldungen besteht typischerweise in dem Wunsch, (öffentlichen) Personen oder Institutionen Schaden zuzufügen oder eigene (politische) Positionen zu stärken. Fake News können aber auch aufgrund schlampiger Recherche oder kommerziell motivierter Aufmerksamkeitsheischerei entstehen und dann ein Eigenleben entwickeln. Fake News mit Täuschungsabsicht nehmen unterschiedliche Formen an: So können objektiv falsche Zahlen oder Aussagen verbreitet werden. Sie entstehen aber auch dadurch, dass Zitate oder Ereignisse in einem verkürzten oder verzerrenden Kontext wiedergegeben werden oder bewusst und übertrieben Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Meldung gelenkt wird. Oft werden bei derartigen Fake News durchaus Fakten eingebunden bzw. sie beziehen sich auf tatsächlich Geschehenes oder Meldungen aus neutralen Quellen. Dieser wahre Kern wird dann jedoch so angepasst, dass er die eigene Sicht auf die Dinge und das eigene Denkkonzept unterstützt. All dies führt dazu, dass es meist nicht einfach ist, Fake News als solche zu erkennen.

Anmerkungen 1

Zu sehen unter: https://www.cnbc.com/video/2017/01/11/trump-to-cnn-reporteryou-are-fake-news.html

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Online verfügbar unter: https://gop.com/the-highly-anticipated-2017-fake-newsawards/ (Die Website ist außerhalb der Vereinigten Staaten nicht erreichbar.)

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Besonders harte Kritik äußerte der republikanische Senator Jeffrey Flake, der Trump in einer Rede vor dem Senat am 17. Januar 2018 vorhielt: »2017 was a year which saw the truth – objective, empirical, evidence-based truth – more battered and abused than any other in the history of our country, at the hands of the most powerful figure in our government.« Die vollständige Rede ist online verfügbar unter: https://qz.com/1181975/jef f-f lakes-speech-trumps-fake-news-is-a-nationalsecurity-threat/. Auch der republikanische Senator John McCain äußerte sich kri-

Kapitel 1: Fake News tisch zu Trumps Angriffen auf die freie Presse und warf ihm vor, die Demokratie selbst in Gefahr zu bringen. Siehe https://www.washingtonpost.com/opinions/ mr-president-stop-attacking-the-press/2018/01/16/9438c0ac-faf0-11e7-a46ba3614530bd87_story.html?noredirect=on&utm_term=.ba2bc7f4fd53 4

Nachzulesen unter: https://krugman.blogs.nytimes.com/2016/11/11/the-longhaul/

5

Vgl. https://www.faz.net/aktuell/politik/trumps-praesidentschaf t/fake-newsawards-fuer-unliebsame-medien-donald-trumps-feldzug-15404585.html

6

Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=yAaFzb0sG3s. Das ursprüngliche Video ist nicht mehr verfügbar.

7

Vgl. http://time.com/4847276/donald-trump-agata-kornhauser-duda-handshake/

8

Vgl. auch die Einteilung von Claire Wardle (2017), die sieben Arten von Informationstypen unterscheidet, denen jeweils eine unterschiedlich schwache oder starke Täuschungsabsicht zugrunde liegt.

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Deutscher Presserat 2017: Ziffer 3.

10 Der Fehler der New York Times lag in der Behauptung, den Bericht exklusiv und erstmalig zu veröffentlichen, obwohl Entwurfsfassungen schon einige Monate zuvor im Internet erschienen waren, wie die Zeitung zwei Tage darauf einräumte. Der (inzwischen redigierte) Artikel der New York Times ist online verfügbar unter: https://www.nytimes.com/2017/08/07/climate/climate-change-drastic-war ming-trump.html; die Kritik der Washington Post unter: https://www.washing tonpost.com/blogs/erik-wemple/wp/2017/08/09/new-york-times-guilty-of-largescrew-up-on-climate-change-story/?utm_term=.e7db254834e9 11 Siehe beispielsweise Jaster/Lanius 2019; Schicha 2019: 85-104; Gelfert 2018; Deutscher Bundestag 2017; Roßnagel et al. 2017. 12 Gelfert 2018: 94f. 13 Sängerlaub et al. 2018: 11. 14 Zuckerman 2017. 15 Vgl. Sachs-Hombach/Zywietz 2018. Dass »gute« Propaganda nachhaltig Wirkung zeigen kann, beweist Caesars De Bello Gallico, vgl. Schauer 2016. 16 Online verfügbar unter: https://de-de.facebook.com/afd.bayern/posts/kein-tagzum-feiern:-regensburg/1506636869453908/ 17 Vgl. http://www.sueddeutsche.de/bayern/oberpfalz-moscheebau-in-regensburg-loest-spam-flut-aus-1.3855820 18 Vgl. auch Benkler et al. 2017, die für die USA zeigen, dass Breitbart und assoziierte Medien während des Wahlkampfs 2016 die politische Agenda bestimmten. 19 Vgl. Sängerlaub et al. 2018: 61ff. 20 Vgl. beispielsweise http://www.politifact.com/punditfact/statements/2016/dec/ 27/newsexaminernet/fake-news-site-falsely-claims-obama-gay-muslim/ 21 Online verfügbar unter: https://web.de/magazine/wissen/nasa-fotos-mars-zeigenmysterioese-schwarze-space-spinnen-33072724

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Kapitel 2: Verschwörungstheorien Daß ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält. Johann Wolfgang von Goethe, Faust I

Unsere Welt wird eigentlich von Aliens regiert, die Mondlandung wurde in einem Filmstudio inszeniert, in den Kondensstreifen von Flugzeugen befinden sich Chemikalien, die die Menschheit manipulieren – Verschwörungstheorien hören sich manchmal so absurd an, dass sie v.a. einem Zweck zu dienen scheinen: unserer Unterhaltung. So bietet es sich an, eine Verschwörungstheorie wie die, dass die Illuminaten die Weltrevolution planen, als Grundlage für einen atemberaubenden Thriller zu verwenden, wie es bei Illuminati von Dan Brown geschehen ist. Sind Verschwörungstheorien also lediglich harmlose Spinnereien? Ist es ihren Anhänger·innen zu vergönnen, dass ihnen das Internet neue Kommunikations- und Vernetzungsmöglichkeiten bietet und sie sich nach Herzenslust ihren Spekulationen hingeben können? Oder handelt es sich um ein problematisches Phänomen? Bevor wir diese Fragen beantworten können, müssen wir erst einmal klären, wovon wir eigentlich sprechen. Betrachten wir einige Beispiele von Verschwörungstheorien genauer, um herauszufinden, welche Gemeinsamkeiten sie aufweisen. Hierfür haben wir bekannte Verschwörungstheorien in drei Gruppen eingeteilt:1 Gruppe (A): Verschwörungstheorien der Gruppe A negieren, dass ein bestimmtes Ereignis oder eine bestimmte Entwicklung stattfindet oder stattgefunden hat.

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Mondlandung Die bemannten Mondlandungen der NASA zwischen 1969 und 1972 werden von Verschwörungstheorien begleitet, die davon ausgehen, die Landungen sowie insbesondere der Ausstieg von Astronauten auf die Mondoberfläche hätten nie stattgefunden. Vielmehr seien sie von der US-Regierung und der NASA vorgetäuscht worden, um gegenüber der Sowjetunion die Überlegenheit der eigenen Technologie zu demonstrieren. Die vorhandenen Filmaufnahmen und Fotografien seien in einem Filmstudio entstanden, Menschen zur Vertuschung bestochen oder getötet worden. »Reichsbürger«-Bewegung Die so genannten »Reichsbürger« sind davon überzeugt, dass die Bundesrepublik kein souveräner Staat, sondern noch immer von den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs besetzt ist. Über diesen Zustand werde die Bevölkerung konsequent von Politik und Medien getäuscht. Daher lehnen die Anhänger·innen dieser Theorie jegliche staatliche Autorität als illegal ab und fühlen sich ermächtigt, das Gesetz bei Bedarf selbst in die Hand zu nehmen. Klimaschwindel Anhänger·innen dieser Theorie gehen davon aus, dass der anthropogene Klimawandel nicht existiert, sondern eine Erfindung von Wissenschaftler·innen, Politiker·innen und Vertreter·innen alternativer Energiewirtschaftszweige ist. Gruppe (B): Im Unterschied zu den Verschwörungstheorien der Gruppe A leugnen Verschwörungstheorien dieser Gruppe zwar nicht, dass etwas stattgefunden hat, allerdings akzeptieren sie nicht die allgemein geltende Erklärung für ein Ereignis, sondern bieten einen (oftmals vagen) Gegenentwurf an. Ermordung JFKs Die Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy am 22. November 1963 wird bis heute begleitet von Erklärungsansätzen, die hinter dem Täter Lee Harvey Oswald eine Verschwörung vermuten. Theorien dazu hegen u.a. Zweifel an den im offiziellen Untersuchungsbericht präsentierten Ergebnissen, die in ihren Augen zahlreiche Unstimmigkeiten zu den Zeugenaussagen aufweisen. Darüber, wer

Kapitel 2: Verschwörungstheorien

hinter der Ermordung Kennedys steckte, herrscht Uneinigkeit bei den Verschwörungstheoretiker∙innen: genannt werden die Mafia, die Sowjetunion, die CIA, das FBI oder der damalige Vizepräsident und Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson. 9/11 Um die Anschläge vom 11. September 2001 ranken sich zahlreiche Verschwörungstheorien, die sich in zwei Gruppen einteilen lassen. Die erste Gruppe von Theorien geht davon aus, dass die Anschläge zugelassen wurden, obwohl vorher bekannt gewesen war, dass sie geplant waren. So kursiert die These, die CIA hätte die Anschläge bewusst nicht verhindert, um auf diese Weise über den »War on Terrorism« die Weltherrschaft zu erlangen. Die zweite Gruppe von Theorien geht auf die Suche nach den »wahren« Verantwortlichen für die Anschläge. So sehen beispielsweise antisemitische Verschwörungsideologien die eigentlichen Auftraggeber∙innen beim israelischen Geheimdienst Mossad oder beim »internationalen Judentum« – oder aber doch wieder bei der CIA. Gruppe (C): Auch Verschwörungstheorien der Gruppe C bieten alternative Erklärungsmuster an, allerdings nicht nur bezogen auf Einzelereignisse, sondern auf übergreifende Ordnungsgefüge, die Teile der oder sogar die gesamte Weltbevölkerung betreffen. Reptiloide Diese Verschwörungstheorie geht davon aus, dass reptilienartige Außerirdische (Reptiloide) die Erde kontrollieren; hochrangige Politiker·innen wie Angela Merkel oder Barack Obama seien in Wahrheit derartige Wesen. Chemtrails Anhänger·innen der Chemtrail-Theorie behaupten, die Kondensstreifen von Flugzeugen seien in Realität Giftgaswolken (Chemtrails). Sie glauben, dass Flugzeuge im Auftrag von Regierungen, Aliens oder anderen Mächten chemische Substanzen verbreiten, um Klima und Wetter zu beeinflussen oder die Menschheit per Gedankenkontrolle zu manipulieren.

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Flat Earth Society Die Erde ist eine Scheibe – behauptet die Flat Earth Society. Auf ihrer Internetseite findet sich folgende Selbstbeschreibung: The Flat Earth Society mans the guns against oppression of thought and the Globularist lies of a new age. Standing with reason we offer a home to those wayward thinkers that march bravely on with REASON and TRUTH in recognizing the TRUE shape of the Earth – Flat.2 Die Flat Earth Society bekämpft die Unterdrückung von Gedanken und die globularistische Lüge eines neuen Zeitalters. Indem wir uns auf unseren Verstand stützen, bieten wir all denen ein Zuhause, die es wagen, unorthodox zu denken und mit dem VERSTAND und der WAHRHEIT an ihrer Seite die WAHRE Form der Erde anzuerkennen – flach. (Eigene Übersetzung) Die Flat Earth Society geht auf den Engländer Samuel Rowbotham (1816-1884) zurück. Seine Theorie erlebt nach wie vor Zuspruch und ist – wie alle anderen Verschwörungstheorien auch – im Internet bestens vertreten, sei es auf Homepages, Facebook, Twitter, YouTube etc. All den hier vorgestellten Verschwörungstheorien ist gemein, dass von offiziellen Stellen ausgegebene oder mehrheitlich akzeptierte Erklärungen abgelehnt werden mit der Unterstellung, hier würde in verschwörerischer Absicht gehandelt. Dabei kann Verschwörung definiert werden »als das geheime Zusammenwirken einer (in der Regel überschaubaren) Gruppe von Personen […], deren Absprachen und Handeln darauf zielen, die Ereignisse zu ihrem eigenen Vorteil (und damit zugleich zum Nachteil der Allgemeinheit) zu beeinf lussen« (Hepfer 2015: 24). Erinnern wir uns: Im vorigen Kapitel wurden Fake News beschrieben als gefälschte Nachrichten, die mit einer bewussten Täuschungsabsicht verbreitet werden. Verschwörungstheorien erheben also genau diesen Vorwurf, und zwar gegen Personenkreise, die in ihrem Verständnis mächtig oder einf lussreich genug seien, solche (angeblichen) Fake News f lächendeckend und systematisch zu verbreiten.

Kapitel 2: Verschwörungstheorien

Verschwörungstheorien sind keine wissenschaftlichen Theorien Damit sind Verschwörungstheorien ganz spezielle Theorien zur Erklärung und Beschreibung der Wirklichkeit. Im Folgenden möchten wir aufzeigen, warum Verschwörungstheorien nicht als wissenschaftliche Theorien bezeichnet werden können. Wissenschaftliche Theorien sind Systeme begründeter Aussagen, die die Erklärung komplexer Phänomene zum Ziel haben und auf der Grundlage methodischer, d.h. zielgerichteter und planmäßiger Verfahren zustande kommen. Wissenschaftliche Theoriefindung zeichnet sich durch folgende Aspekte aus: Eine wissenschaftliche Arbeit fokussiert sich auf eine Fragestellung, die Antwort auf diese Fragestellung ist aber zu Beginn des Forschungsvorhabens ungewiss. Grundsätzlich gilt, dass zur Beantwortung der eigenen Frage zunächst die bereits vorhandene wissenschaftliche Literatur zu rezipieren ist; vielleicht findet sich die Frage dort ganz oder teilweise schon beantwortet. Ist das nicht der Fall, so wird auf der Grundlage der bereits bestehenden Erklärungsansätze eine Art vorläufige Antwort in Form einer Hypothese aufgestellt. Ob sich diese bewahrheiten wird oder nicht, ist Gegenstand des Forschungsinteresses. Eine Theorie, die sich aus der Beantwortung einer wissenschaftlichen Fragestellung ergibt, ist also das Ergebnis unvoreingenommener Forschung. Um die formulierte Fragestellung zu beantworten bzw. die aufgestellte Hypothese zu überprüfen, wird eine Methode festgelegt, die der Fragestellung am besten entspricht. Zur Auswahl stehen zum einen Verfahren wie Experimente, Beobachtungen oder Befragungen zur Sammlung von Daten, die anschließend ausgewertet werden. Das Vorgehen wird dabei so dokumentiert, dass es durch Andere nachvollziehbar und wiederholbar ist, weshalb Belege und Beweise zugänglich gemacht werden. Aber auch Verfahren, die die Fragestellung argumentativ zu beantworten suchen, können zum Einsatz kommen. Hier muss das gewählte Verfahren ebenfalls transparent und für Andere nachvollziehbar sein. Wissenschaftlichkeit bestimmt sich weiterhin dadurch, dass sämtliche Prozesse kritisch ref lektiert werden. Dies gilt für die Formulierung der Fragestellung ebenso wie für die Auswahl der Methode, v.a. aber auch für die daraus resultierende Theorie, die in sich widerspruchsfrei sein muss. Diese Theorie stellt in der Regel nicht den End-

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punkt der Forschung dar, sondern dient wiederum als Ausgangspunkt für nachfolgende Arbeiten, die die Theorie bestätigen, weiterentwickeln – oder aber widerlegen können. Verschwörungstheorien sind hingegen nicht das Ergebnis eines wissenschaftlichen Prozesses, sondern scheitern meist bereits an sehr elementaren Prinzipien der Theoriebildung: Sie basieren nicht auf einer unvoreingenommenen Fragestellung und einer daraus abgeleiteten Methodik, sondern sind das Resultat einer subjektiven Interpretation selektiver Wahrnehmungen ( Kapitel 4). Meist werden für die Aussagen, die eine Verschwörungstheorie trifft, keine belastbaren Beweise geliefert. Belege der Gegenseite werden jedoch konsequent verworfen, nicht selten mit dem pauschalen Vorwurf, sie seien gefälscht. Um zu zeigen, dass die Mondlandung vorgetäuscht wurde, wird beispielsweise angeführt, dass die amerikanische Flagge auf dem Mond den Fotos nach anscheinend im Wind wehte. Da der Mond keine Atmosphäre hat und damit auch kein Wind auftreten kann, dürfte – so die Argumentation – sich die Flagge auf dem Mond aber nicht bewegen. Ergo: Sie hat sich nie auf dem Mond befunden. Positive Beweise für die eigene These, die Mondlandung habe nie stattgefunden und sei stattdessen in der Wüste von Nevada inszeniert und gefilmt worden, werden jedoch nicht erbracht: Bis heute bleiben die Verfechter·innen dieser Verschwörungstheorie entsprechende Artefakte wie beispielsweise Überreste des Filmsets, Drehbücher, Hinweise in Korrespondenzen etc. schuldig. (Die Bewegung der Fahne lässt sich übrigens dadurch erklären, dass sie im luftleeren Raum nach dem Aufstellen noch länger als auf der Erde nachschwingt.)3 Wenn sich Andere die Mühe machen, nach Beweisen für die von Verschwörungstheoretiker∙innen aufgestellten Behauptungen zu suchen und keine finden, führt das nicht etwa zu einer Revision der eigenen Theorie; die Ergebnisse der Untersuchungen werden gerne ignoriert oder als »Fake News« diffamiert.4 So kann letztendlich alles behauptet werden: […] [A]n die Stelle detaillierten Argumentierens für die eigenen Positionen tritt das Motto ›Nichts ist unmöglich‹, und logische Widerlegung oder Tatsachenbeweise haben folglich keinerlei Bedeutung. […] Belegbare Fakten und mit ihnen die wissenschaftlichen Prinzipien der Belegbarkeit unterliegen der Denunziation, Teil der Verschwörung zu sein. (Fischer 2018: 67)

Kapitel 2: Verschwörungstheorien

Einen Hinweis darauf, warum Beweise im Rahmen von Verschwörungstheorien eine derart untergeordnete Stellung einnehmen, gibt der britische Journalist David Aaronovitch. So liege es in unserer Natur, Geschichten zu erzählen, zu dramatisieren.5 Verstehen wir daher Verschwörungstheorien als Geschichten oder übergeordnete Rahmenerzählungen (Narrative), dann machen nicht Fakten und Beweise, sondern Unerwartetes und Staunenswertes sie zu einer guten, eindrucksvollen Geschichte. Auf das Konzept des Narrativs werden wir ausführlich in  Kapitel 7 eingehen. Der Begriff Verschwörungstheorie ist daher irreführend, denn derartige gedanklichen Konstrukte unterscheiden sich in ihrem Wesen fundamental von wissenschaftlichen Theorien. Deswegen ziehen es manche Autor·innen auch vor, sie als Verschwörungsideologien oder Verschwörungsmythen zu bezeichnen.6

Handelt es sich bei Verschwörungstheorien um ein besonders aktuelles Phänomen? Nimmt man den aktuellen öffentlichen Diskurs als Maßstab, so scheint es, als ob wir uns in einer Blütezeit für Verschwörungstheorien befinden: Eine Suche nach dem Begriff Verschwörungstheorie auf der Website der Süddeutschen Zeitung für das erste Halbjahr 2019 ergibt annähernd 150 Artikel, in denen der Begriff mindestens einmal verwendet wird – es wurde also fast jeden Tag in irgendeinem Zusammenhang über Verschwörungstheorien geschrieben.7 Allerdings sind Verschwörungstheorien kein neues Phänomen, wie wir im Folgenden zeigen werden. Trügt also das Gefühl, dass das Thema Verschwörungstheorie gerade besonders aktuell zu sein scheint? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir ein Verständnis dafür entwickeln, welche Bedingungen Verschwörungstheorien zum Erfolg verhelfen. Verschwörungstheorien sind oft Ausdruck von existenziellen Bedrohungen oder weitreichenden politischen Veränderungen, die die bestehende Gesellschafts- oder Weltordnung in eine Krise zu stürzen scheinen. Dies lässt sich mindestens bis ins Mittelalter zurückverfolgen.8 So sind spätestens seit dem 12. Jahrhundert antijüdische Verschwörungstheorien belegt, deren bekannteste wohl die von den Brunnenvergiftungen ist. Sie wurde besonders verbreitet, als zwischen 1347 und 1351 in Europa die als Schwarzer Tod bezeichnete Pest grassierte,

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die mit rund 20 Millionen Opfern etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung auslöschte.9 Als Ursache für die Pestepidemie wurde auch vermutet, die Brunnen seien vergiftet worden, und auf der Suche nach Sündenböcken wurde man bei der jüdischen Minderheit fündig. Unter Folter wurden von Juden und Jüdinnen Geständnisse erzwungen, dass sie Brunnen vergiftet hätten, oder aber von Aussätzigen, dass sie von jenen dazu angestiftet worden seien. Diese Verschwörungstheorie resultierte in Judenverfolgungen und Pogromen, die bis 1350 viele europäische Judengemeinden vernichteten. Auch um die Französische Revolution (1789) rankten und ranken sich Verschwörungstheorien. Die Französische Revolution markierte das (vorübergehende) Ende der absoluten Monarchie in Frankreich mit weitreichenden gesellschaftlichen Konsequenzen und drohte zur Gefahr für Monarchien in ganz Europa zu werden. Besonders prominent war bzw. ist die Theorie, die Revolution sei von den Illuminaten angezettelt worden, einem 1776 in Bayern gegründeten Geheimbund. Wie viele der im 18. Jahrhundert in Europa entstandenen Geheimbünde hatten sich die Illuminaten den Idealen der Auf klärung verschrieben. Neben deren Zielen – wie Primat des Rationalismus, Abschaffung von Folter und Hexenprozessen, Verbesserung der schulischen Bildung – verfolgte der Orden auch eine politische Agenda, die die Ersetzung der Monarchien durch Demokratien anstrebte. Obwohl der Orden bereits 1784/85 durch die bayerische Obrigkeit aufgelöst worden war, wurde ihm im Rahmen von Verschwörungstheorien eine maßgebliche Rolle bei der Französischen Revolution zugeschrieben. Dieser Verschwörungsglaube hält sich bis heute: So sollen Illuminaten immer noch im Verborgenen aktiv sein, mit dem Ziel, die (christliche) Weltordnung zugunsten der eigenen Weltherrschaft zu stürzen.10 Als letztes Beispiel sei die Dolchstoßlegende genannt. Sie entstand nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, mit dem das Deutsche Kaiserreich ruhmlos und endgültig zugrunde gegangen war: Nicht militärische Fehler oder die Erschöpfung der Soldaten hätten die deutsche Niederlage verursacht, sondern eine planmäßige »Zersetzung« der vaterländischen Moral von innen, herbeigeführt durch revolutionäre und sozialistische Kräfte sowie – so wurde es später von völkischer und nationalsozialistischer Propaganda behauptet – durch das »internationale Judentum«. Neben (empfundenen) Krisen begünstigen weitreichende mediale Veränderungen die Verbreitung von Verschwörungstheorien. Der

Kapitel 2: Verschwörungstheorien

Amerikanist Michael Butter weist darauf hin, dass die Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg ab 1450 und die daraus resultierende Möglichkeit, Schriftliches in großen Mengen zu verbreiten, eine wesentliche Voraussetzung für die Verbreitung von Verschwörungstheorien darstellte.11 Ähnlich revolutionären Charakter dürften die Entstehung des Zeitungswesens seit dem frühen 17. Jahrhundert sowie die Erfindung von effizienten Zeitungsdruckmaschinen zu Beginn des 19. Jahrhunderts gehabt haben. Auch gegenwärtig erleben wir eine mediale Revolution: Das Internet hat sich als wichtiger Kanal etabliert, über das eine Vielzahl von Medienerzeugnissen zugänglich ist. Befinden wir uns also in einer Blütezeit für Verschwörungstheorien? Ja und nein. Nein, da Verschwörungstheorien spätestens seit der Frühen Neuzeit ein verbreitetes Phänomen sind und damit kein Kind des 21. Jahrhunderts. Aber auch ja, denn die Voraussetzungen für Verschwörungstheorien sind gegeben: Wie wir in  Kapitel 3 zeigen werden, kann auch die Gegenwart als Zeit des Umbruchs gesehen werden, der in sowohl subjektiver als auch kollektiver Verunsicherung resultieren kann. Darüber hinaus erleichtern digitale Medien die f lächendeckende Verbreitung von Verschwörungstheorien.

Psychologische Aspekte Eine Reihe von Studien versucht zu ergründen, ob Personen, die an Verschwörungstheorien glauben, bestimmte psychologische Dispositionen aufweisen, also eine »Verschwörungsmentalität« haben. Die Ergebnisse sind allerdings uneindeutig. Der in Großbritannien lehrende Psychologe Jovan Byford zieht daraus den Schluss, dass es schwierig ist, diesbezüglich zu allgemeingültigen Urteilen zu kommen.12 Ähnliches gilt für soziodemografische Faktoren: Auch hier sind die Aussagen zu Korrelationen zwischen Geschlecht, Alter, Bildungsstatus, Beruf und dem Glauben an Verschwörungstheorien zu widersprüchlich, um gesicherte Aussagen machen zu können. So nennt Michael Butter etwa »(weiße) Männer über 40« (2017: 14) als diejenige Bevölkerungsgruppe, in denen der Glaube an Verschwörungstheorien am häufigsten vorkomme, der Journalist und Psychologe Sebastian Bartoschek hingegen weibliche Personen aus niedrigen Bildungsschichten.13 Übereinstimmung scheint lediglich dahingehend zu herrschen, dass Personen, die

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zu politischen oder religiösen Extremen tendieren, auch eine stärkere Neigung haben, an Verschwörungstheorien zu glauben.14 Die amerikanischen Psycholog·innen Emilio J. Lobato und Corinne Zimmerman machen sogar darauf aufmerksam, dass ganz normale menschliche Denkmuster dem Glauben sowohl an wissenschaftliche Theorien als auch an Verschwörungstheorien zuträglich sind. Dazu gehört beispielsweise die Eigenschaft, teleologisch, also mit Fokus auf zielgerichtete Wirkungen, zu denken:15 So sind wir es gewohnt, Ursache-Wirkung-Zusammenhänge herzustellen – möglicherweise eben auch da, wo gar keine derartigen Zusammenhänge bestehen. Der Glaube an Verschwörungstheorien geht demnach nicht unbedingt mit spezifischen psychologischen oder soziologischen Merkmalen einher. Von Verschwörungstheorien überzeugt zu sein, kann jedoch psychologische Vorteile bieten. In  Kapitel 3 werden wir zeigen, dass die Schwierigkeit, komplexe Sachverhalte zu durchdringen, zu einer krisenhaften Verunsicherung führen kann. Der Glaube zu wissen, was hinter allem steckt, gibt ein Gefühl der Kontrolle und Sicherheit.16 Darüber hinaus werden unterschiedliche Einzelereignisse in Beziehung zueinander gesetzt, was diese auf eine erklärbare Ursache zurückführt.17 Wenn man dann noch für sich selbst einen Platz in diesem Beziehungsgef lecht annimmt, so wird dem einzelnen Menschen darin eine bedeutungsvolle Position zugewiesen. Denn selbst wenn man sich als Opfer einer Verschwörung fühlt, ist das möglicherweise immer noch besser, als die eigene Unbedeutsamkeit akzeptieren zu müssen: [Conspiracism] may exist in order to reassure us that we are not the totally unconsidered objects of a blind process. (Aaronovitch 2009: 308) Der Glaube an Verschwörungstheorien existiert möglicherweise deshalb, um uns zu versichern, dass wir nicht vollkommen bedeutungslose Objekte in einem blinden Prozess sind. (Eigene Übersetzung) Dieses (vermeintliche) Wissen um das, was die Welt im Innersten zusammenhält, unterscheidet Personen, die an eine Verschwörungstheorie glauben, von den »Nicht-Wissenden« und verschafft ihnen einen subjektiven Vorteil. Da die verschwörungstheoretischen Überzeugungen zudem in der Regel von einer ganzen Gruppe geteilt werden, geht der Glaube an eine Verschwörungstheorie mit einem kollektiven Überlegenheitsgefühl einher.18

Kapitel 2: Verschwörungstheorien

Ein weiterer psychologischer Vorteil von Verschwörungstheorien liegt darin, die Verantwortung für bestimmte Ereignisse oder Gegebenheiten bequem von sich weisen zu können, beruhen sie doch grundsätzlich auf Machenschaften »der Anderen«. Wenn also die These vom menschgemachten Klimawandel als »Klimaschwindel« abgetan wird und Studien hierzu als manipulative Fälschungen zurückgewiesen werden, so muss man sich nicht mit der individuellen Verantwortung für die Erderwärmung auseinandersetzen. Eigene Verhaltensänderungen, wie beispielsweise ein Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel, werden daher als nicht nötig erachtet. Der Erfolg von Verschwörungstheorien lässt sich schließlich auch mit der damit verbundenen Emotionalität erklären. Der Glaube an Verschwörungstheorien geht einher mit Gefühlen wie Entrüstung und Wut gegen »die Anderen« sowie einem moralischen Überlegenheitsgefühl – Gefühle, die zum Teilen und Liken von Inhalten in digitalen Kommunikationsforen animieren und damit zu deren Verbreitung beitragen ( Kapitel 5 und 6). Daneben können Verschwörungstheorien dabei helfen, die emotionalen Reaktionen auf bestimmte Ereignisse zu regulieren. So schreibt der Amerikanist Karsten Wind Meyhoff bezüglich 9/11: [Ich] glaube […], dass für viele ein tiefer psychologischer Bedarf besteht, die Erinnerung und das Nachdenken über die traumatischen Ereignisse frisch und lebendig zu erhalten. Der Schock und die mentalen Wunden, die die Attacken verursacht haben, hinterlassen etwas Unbegreifliches, das immer und immer wieder reflektiert werden muss. Vielleicht drückt sich in den Verschwörungstheorien so etwas wie eine fortlaufende Trauerarbeit aus, wenn systematisch jeder Stein der Ereignisse immer von neuem umgedreht wird. (Wind Meyhoff 2009: 78) Passiert etwas Schreckliches wie ein Terroranschlag, dann können die daraus resultierenden Gefühle wie Angst, Trauer oder Hilf losigkeit gewissermaßen in eine Verschwörungstheorie kanalisiert werden – die Beschäftigung mit der Verschwörungstheorie wird somit zur Bewältigungsstrategie.19

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Fazit Kommen wir auf die eingangs gestellte Frage zurück: Sind Verschwörungstheorien lediglich harmlose Spinnereien, oder handelt es sich um ein Phänomen mit problematischen Konsequenzen? Wie die Geschichte zeigt, haben alternative Erklärungsmodelle zu bestimmten Vorgängen und Ereignissen sowie der Vorsatz, eine Verschwörung aufzudecken, selbstverständlich ihre Berechtigung – auch wenn sie auf den ersten Blick abwegig erscheinen und möglicherweise als Verschwörungstheorie gebrandmarkt werden. Man denke an den Watergate-Skandal: Im Jahre 1972 wurde in das Büro der Demokratischen Partei im Watergate-Hotel in Washington eingebrochen. Diese Aktion konnte mit dem Wahlkampf büro des amtierenden republikanischen Präsidenten Richard Nixon in Verbindung gebracht werden. Im Zuge nachfolgender Untersuchungen und journalistischer Recherchen wurde nachgewiesen, dass FBI, CIA, das Justizministerium und das Weiße Haus in die Affäre – oder Vertuschung der Affäre – verstrickt waren, was letztendlich zum Rücktritt Präsident Nixons im August 1974 führte.20 Hier hat sich also die Annahme einer Verschwörung bewahrheitet. Problematisch ist eine Verschwörungstheorie dann, wenn sie »sich nur einen kritisch-revelatorischen Anschein gibt, um die Durchsetzung ihrer eigenen Machtinteressen zu tarnen« (Zoll 2015: 127). Solche Verschwörungstheorien dienen den Interessen derjenigen, die sie verbreiten. Ihr eigentliches Ziel ist nicht die Auf klärung von möglichen Unwahrheiten, sie sind vielmehr Mittel zum Zweck: Dieser kann beispielsweise darin bestehen, (politischen) Einf luss zu erlangen, die eigene Macht zu sichern, Verwirrung zu stiften oder (politische) Gegner·innen zu diskreditieren. Die Verschwörungstheorie der »Lügenpresse« fällt in diese Kategorie ( Kapitel 5). Dabei lässt sich durchaus eine Überschneidung zu Fake News erkennen, denn Verschwörungstheorien wie die der »Lügenpresse« werden verbreitet, sowohl um Andere zu verunglimpfen oder ihnen Schaden zuzufügen, als auch, um die eigene Position zu stärken. Verschwörungstheorien können also aus mehreren Gründen als problematisch und sogar als gefährlich eingestuft werden: Ein Effekt von Verschwörungstheorien ist, dass die Neigung verstärkt wird, nicht dem zu glauben, was Expert·innen oder Institutionen verlautbaren lassen. Damit können Verschwörungstheorien

Kapitel 2: Verschwörungstheorien

wie die vom »Klimaschwindel« weiterhin bestehen, obwohl zahlreiche wissenschaftliche und öffentliche Einrichtungen keinen Zweifel am Einf luss des Menschen auf den Klimawandel haben.21 Als weiteres Beispiel seien Impfungen genannt: Hier vermuten Verschwörungstheoretiker∙innen u.a., dass Impfempfehlungen bzw. die Impfpf licht auf eine Mauschelei zwischen Pharmaindustrie, Ärzt∙innen und Politik zurückzuführen seien. Werden Impfungen aber nicht f lächendeckend verabreicht, können die entsprechenden Infektionskrankheiten nicht eingedämmt oder zum Verschwinden gebracht werden. So veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation WHO im Jahre 2013 einen globalen Impfplan, der zum Ziel hatte, Masern bis 2020 auszurotten. Ein Jahr vor diesem Zieltermin sind wir jedoch weit davon entfernt: Weltweit sind die Fälle von Masern wieder um 30 Prozent angestiegen, und in Europa hat sich die Anzahl von Erkrankungen 2018 gegenüber 2017 verdreifacht. Als einen von mehreren Gründen, warum nicht geimpft wird, führt die WHO Misstrauen gegen Impfungen an und listet gleichzeitig Impfzögerlichkeit (»vaccine hesitancy«) als eine von zehn Bedrohungen für die globale Gesundheit des Jahres 2019.22 Darüber hinaus nehmen manche Verschwörungstheorien billigend in Kauf, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen stigmatisiert werden oder sogar Gewalt gegen sie ausgeübt wird. Im Jahr 2015 hatten z.B. die Pegida-Demonstrationen, auf denen »Lügenpresse!« gerufen wurde, einen Höhepunkt – im selben Jahr erreichte die Zahl der Übergriffe gegen Journalist·innen mit 39 Fällen einen neuen Höchststand.23 Ein zweites Beispiel: Im November 2018 gab die European Union Agency for Fundamental Rights einen Bericht zu Antisemitismus heraus, demzufolge Betroffene in allen der zwölf erhobenen Länder erklären, einen Anstieg von Antisemitismus wahrzunehmen. Die Begründungen für antisemitische Äußerungen sind dabei unterschiedlich, in 43 Prozent der Fälle wird aber angegeben, dass »Juden zu viel Macht besitzen« – eine Einstellung, die mit der Verschwörungstheorie vom »internationalen Judentum« korrespondiert.24 Verschwörungstheorien verfälschen außerdem unser Verständnis von vergangenen und gegenwärtigen Ereignissen und können somit Gegenwart und Zukunft beeinf lussen. Wenn etwa der menschgemachte Anteil am Klimawandel geleugnet wird und entsprechende Gegenmaßnahmen nicht umgesetzt werden, so wird sich der Klimawandel – mit allen damit verbundenen Konsequenzen – weiter beschleunigen.

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All das trägt schließlich zur Erschütterung des gesellschaftlichen Konsenses über das, was gilt und was nicht, bei. Selbst wenn Verschwörungstheorien keine unmittelbar nachweisbaren Folgen haben (wie eine Zunahme von Gewalttaten oder einen Anstieg von Masernfällen), so fördern sie doch eine Einstellung, derzufolge man etwas nicht glauben muss, wenn man nicht will – unabhängig von der bestehenden Beweislage und ohne weiteren Rechtfertigungszwang. Der Kognitionspsychologe Christian Stöcker spricht daher von »Leugnismus« (in Analogie zum englischen denialism).25 Insofern unterwandern Verschwörungstheorien das Prinzip einer aufgeklärten Gesellschaft.

Anmerkungen 1

Mehr zu den einzelnen Verschwörungstheorien kann nachgelesen werden bei Butter 2018; Břízová et al. 2018; Wippermann 2018; Hammel 2017; Tingley/Wagner 2017; Stöcker 2017; Hepfer 2015; Wind Meyhoff 2009; Wikipedia.

2

Siehe https://theflatearthsociety.org/home/index.php/about-the-society

3

Vgl. Platoff 2011: 835ff. Eine genaue Schilderung der Mondlandung findet sich bei Chaikin 1994: 184ff.

4

So gaben beispielsweise 98,7 % der Expert·innen, die für eine Studie zu Chemtrails befragt wurden, an, dass sie keine Beweise gefunden hätten, die ein solches manipulatives Phänomen bestätigen würden – ein Befund, der für Anhänger∙innen dieser Verschwörungstheorie aber irrelevant ist. Vgl. Shearer et al. 2016; siehe auch eine Stellungnahme des Umweltbundesamts vom März 2011.

5

Aaronovitch 2009: 305. Vgl. auch Seidler 2016: 32ff.

6

So spricht Wippermann (2007: 7) von Verschwörungsideologien, Polenz (2017: 42) von Verschwörungsmythen.

7

Abfragedatum: 24.06.2019.

8

Wippermann (2007: 160-163) nennt fünf Krisenepochen, die dann wiederum Verschwörungstheorien begünstigen: 1) das ausgehende Mittelalter bzw. die Frühe Neuzeit, 2) die Aufklärung bzw. die Französische Revolution, 3) die bolschewistische Revolution, 4) der Kalte Krieg, 5) die aktuelle Zeit, eingeleitet durch die Terroranschläge am 11. September 2001.

9

Zu den Opferzahlen der Pest siehe Bergdolt (2017: 10) und Bulst (2003: 147). Zu antijüdischen Verschwörungstheorien siehe Bergdolt (2017: 119-145).

10 Vgl. u.a. Wippermann 2018: 77-80; Byford 2011: 40-46; Groh 1992: 291-295. 11 Butter 2017: 8. 12 Byford 2011: 120-143. 13 Bartoschek 2015: 164. 14 Bartoschek 2015: 151, 153; vgl. auch Leschke/Wolfram 2017: 68f. 15 Lobato/Zimmerman 2018: 24.

Kapitel 2: Verschwörungstheorien 16 Byford 2011: 141. 17 Hummel 2018: 189. 18 Hierzu und zum Folgenden Hummel 2018: 189; Byford 2011: 141. 19 Vgl. auch Sunstein 2014: 19. 20 Vgl. Plouffe 2012. 21 Siehe z.B. Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC 2018; Bundeszentrale für politische Bildung 2018; Lewis/Maslin 2015; Umweltbundesamt 2013. 22 Siehe Weltgesundheitsorganisation 2014; Weltgesundheitsorganisation 2013;  https://www.who.int/emergencies/ten-threats-to-global-health-in-2019; http:// www.euro.who.int/en/media-centre/sections/press-releases/2019/measlesin-europe-record-number-of-both-sick-and-immunized 23 Siehe https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/stei gende-gewalt-gegen-journalisten/. Zu körperlichen Angriffen auf Journalist·innen zwischen 2014 und 2016 siehe auch Hoffmann (2017: 191-208). 24 European Union Agency for Fundamental Rights FRA 2018: 11. Andere Begründungen umfassen: »Die Israelis verhalten sich den Palästinensern gegenüber wie Nazis« (51%), »Juden nutzen den Holocaust, um sich zu Opfern zu stilisieren und sich dadurch Vorteile zu verschaffen« (35%). Erhobene Länder: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Schweden, Spanien, Ungarn und Vereinigtes Königreich. 25 Stöcker 2017.

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Kapitel 3: Krisen- und Umbruchsphänomene Where are we heading? Yuval Noah Harari (2018a: xii) Fake News und Verschwörungstheorien werden oft als Zeichen eines Umbruchs oder einer Krise gedeutet. So wird die Bereitschaft, Fake News zu glauben, als Ausdruck einer Krise der Demokratie oder sogar postdemokratischer Zeiten gesehen ( Kapitel 9). Und für den Philosophen Karl Hepfer haben Verschwörungstheorien »Konjunktur in Zeiten des Umbruchs« (2015: 17). Diese Charakterisierung trifft für ihn auch auf unsere gegenwärtige Zeit zu, was in einer »Krise des modernen Subjekts« (2015: 17) resultiere, ausgelöst durch eine allgemeine Verunsicherung. Der israelische Historiker Yuval Noah Harari spricht gar von einem »Zeitalter der Verunsicherung« (2018b: 17; Übersetzung: Andreas Wirthenson).1 Um diese Einschätzungen nachvollziehen zu können, wollen wir im Folgenden auf drei Bereiche eingehen, in denen in den vergangenen Jahrzehnten ein maßgeblicher Wandel stattgefunden hat: in der globalen Politik, bei technologischen Entwicklungen und im Bereich von Vertrauensbeziehungen. Dabei beschränken wir uns auf einige exemplarische Aspekte, die die Entstehung eines Verunsicherungsgefühls illustrieren können.

Politische Veränderungen Betrachten wir zunächst die politische Ebene: Welche Entwicklungen und Ereignisse der letzten Jahrzehnte konnten zu einem Gefühl der Verunsicherung beitragen? Mit dem Ende des Ost-West-Konf likts schien sich in den 1990er Jahren die globale Bedrohungslage der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgelöst zu haben, die demokratische

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Regierungsform der westlichen Welt als Sieger hervorgegangen zu sein. So schreibt der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama im Jahre 1992: [Die weltweite Verbreitung der liberalen Revolution] ist ein Beweis dafür, daß hier ein fundamentaler Prozeß wirksam ist, in dem alle menschlichen Gesellschaften in ein gemeinsames Entwicklungsschema gezwungen werden – kurz gesagt, eine Art Universalgeschichte der Menschheit, die sich auf die liberale Demokratie zu bewegt.2 (Fukuyama 1992b: 88: Übersetzung: Helmut Dierlamm; Ute Mihr; Karlheinz Dürr) Dieses Ende gut – alles gut-Szenario hatte aber nicht lange Bestand. Bereits ein Jahr später veröffentlichte der US-Politologe Samuel P. Huntington zum ersten Mal seine These vom »Kampf der Kulturen« (»clash of civilizations«), 1996 publizierte er dazu ein umfassendes Buch. Darin heißt es: Weltpolitik wird heute nach Maßgabe von Kulturen und Kulturkreisen umgestaltet. In dieser Welt werden die hartnäckigsten, wichtigsten und gefährlichsten Konflikte nicht zwischen sozialen Klassen, Reichen und Armen oder anderen ökonomisch definierten Gruppen stattfinden, sondern zwischen Völkern, die unterschiedlichen kulturellen Einheiten angehören.3 (Huntington 1996/2007: 26; Übersetzung: Holger Fliessbach) Die Zugehörigkeit zu einem Kulturkreis wird hier definiert »sowohl durch gemeinsame objektive Elemente wie Sprache, Geschichte, Religion, Sitten, Institutionen als auch durch die subjektive Identifikation der Menschen mit ihr« (Huntington 1996/2007: 56; Übersetzung: Holger Fliessbach). Dabei geht Huntington für die Zeit nach dem Kalten Krieg von sieben oder acht derartigen Kulturkreisen aus.4 Huntingtons Ausführungen fanden großen Widerhall und schienen ein subjektives Angstgefühl, die eigene Kultur werde im Zeitalter der Globalisierung durch fremde Einf lüsse gefährdet, zu versachlichen. Seine Thesen erfuhren aber auch Widerspruch. So schreibt Erich Follath im Nachwort zur deutschen Ausgabe von »Kampf der Kulturen«: »Huntingtons Theorie hält in vielen Bereichen nicht stand« (1996/2007: 576), und der britische Historiker Niall Ferguson führt aus:

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»Tatsächlich waren die meisten bewaffneten Auseinandersetzungen in den vergangenen beiden Jahrzehnten Bürgerkriege, von denen nur eine Minderheit Huntingtons Modell entsprach« (2011b: 460; Übersetzung: Michael Bayer; Stephan Gebauer).6 Man kann aber Huntingtons These einordnen als einen Versuch zu erklären, wie es nach dem Ende des Ost-West-Konf likts weitergehen könnte. Die Angst vor einem »clash of civilizations« kann dabei als Ausdruck einer Unsicherheit, die aus diesem Vakuum resultiert, gesehen werden. Für Harari (2018) wiederum ging zwar mit dem Ende der sozialistisch-kommunistischen Regierungsstrukturen der Liberalismus als Gewinner aus dem Wettstreit der Ideologien hervor, der Glaube an diesen wurde jedoch durch die Finanzkrise 2008 nachhaltig erschüttert. Die finanziellen Verluste vieler Privatpersonen ließen Zweifel auf kommen, ob die »liberal story«, wie Harari (2018a: 4) sie nennt, zu einem glücklichen Ende führen würde. Nachdem also im 20. Jahrhundert andere politische Systeme wie Sozialismus, Kommunismus und – bereits vorher – Faschismus sich als nicht tragfähig erwiesen hatten, gibt in dieser Deutung nun also auch der Liberalismus keinen ideologischen Halt mehr.7 Zudem scheint durch terroristische Anschläge die alltägliche Sicherheit in unseren westlichen Gesellschaften erschüttert. Hierfür sind die Anschläge vom 11. September 2001 als Schlüsselereignis zu nennen; der Historiker Wolfgang Wippermann sieht sie gar als Startpunkt einer neuen Krisenepoche.8 Die Tatsache, dass Attentate sich nicht nur auf ein Land konzentrieren, sondern in den USA genauso wie in Frankreich, Deutschland, Großbritannien und vielen anderen Ländern stattfinden, lässt dabei übernational ein Gefühl der Bedrohung entstehen. Dies verstärkt den Eindruck, wir befänden uns in einer Zeit der globalen Krise.

Technologische Entwicklungen Auch technologische Fortschritte haben in den letzten drei Jahrzehnten einschneidende Veränderungen hervorgerufen, die Folgen für das Individuum haben. So hat die Digitalisierung beispielsweise auf die Arbeitswelt so umfassende Auswirkungen, dass von einer Umwälzung der bestehenden Ordnung gesprochen werden kann. Diese findet Ausdruck in Schlagworten wie New Work oder Arbeiten 4.0 und zeigt sich u.a. in folgenden Aspekten:9

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Durch die Vernetzungsmöglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, verändern sich Arbeitsprozesse. Bereits durch die Maschinisierung, also z.B. durch den Einsatz von Robotern, wurden viele Fertigungsprozesse nicht mehr von Menschen, sondern von technischen Geräten übernommen. Die Digitalisierung führt nun zu einer weiteren Automatisierung: Ist beispielsweise Teil A montiert, wird dies von der eingesetzten Technologie dem System gemeldet, und Teil B kann von der nächsten Maschine installiert werden. Dies macht den Menschen als aktiven Bestandteil im Fertigungsprozess weitgehend überf lüssig. Darüber hinaus ermöglicht die Digitalisierung eine Flexibilisierung der beruf lichen Tätigkeit, da Arbeitsaufgaben an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten erledigt werden können. Der feste Arbeitsplatz und die feste Arbeitszeit sind also keine notwendigen Voraussetzungen mehr dafür, beruf liche Aufgaben zu verrichten. Klar definierte Rahmenbedingungen ermöglichten aber – neben einer Kontrolle – auch eine unmittelbarere Unterstützung der Arbeitnehmer∙innen bei ihren Arbeitsprozessen. Fallen diese nun weg, steigt die Eigenverantwortlichkeit und damit der Druck auf die Arbeitnehmer∙innen, die ihnen zugeteilten Vorgaben erfolgreich umzusetzen. Andere technische Fortschritte, in Kombination mit soziopolitischen Entwicklungen, können ebenfalls zu grundlegenden Veränderungen des Arbeitsmarkts führen. So werden sich bestehende Industrien durch die Energiewende oder die Zunahme von Elektromobilität radikal wandeln oder ganz verschwinden. Aus einem im Dezember 2018 veröffentlichten Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit geht beispielsweise hervor, dass durch den Umstieg auf Elektromobilität ein Abbau von 83.000 Arbeitsplätzen in der herkömmlichen Automobilbranche zu erwarten sei.10 Am Anfang eines heute beginnenden Berufslebens kann daher nicht unbedingt überblickt werden, wie sich der eigene Tätigkeitsbereich im Laufe der nächsten Jahre oder Jahrzehnte verändern und ob er am Ende des Arbeitslebens in der gegenwärtigen Form überhaupt noch bestehen wird. Dies betrifft nicht nur Stellenprofile in der klassischen Industrie, traditionelle Berufsbilder in Bereichen wie Landwirtschaft oder Transportwesen sind ebenfalls von dieser Entwicklung betroffen.11 Aber auch der Einzug des Smartphones in unser alltägliches Leben hat umfangreiche Auswirkungen. Trotz aller Annehmlichkeiten, die diese Technologie mit sich bringt, führt sie bei manchen zu starken Be-

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fürchtungen. Sorgen, was das Smartphone bewirken kann, umfassen viele Aspekte:12 • gesundheitliche Beeinträchtigungen und Schädigungen wie Kurzsichtigkeit, Bewegungsmangel oder Schlafstörungen und die damit verbundenen Konsequenzen Übergewicht, Bluthochdruck oder Diabetes; • eine zunehmende Oberf lächlichkeit von Kontakten, die nicht mehr direkt, sondern über die Schnittstelle der digitalen Kommunikation stattfinden; • damit verbunden eine Vereinsamung, da virtuelle Kontakte »echten«, physischen Begegnungen den Rang abzulaufen scheinen; • ein generelles Gefühl der Überforderung aufgrund permanenter Erreichbarkeit; • Aushebelung bewährter sozialer Normen, wie beispielsweise der Konvention, einem oder einer Gesprächspartner·in ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken; • Unzufriedenheit oder sogar Depression, da das online zur Schau gestellte Leben der Anderen bunter, aufregender und erfolgreicher als das eigene zu sein scheint; • Verlust der Fähigkeit, den Moment zu genießen, da ein technologiegetriebener Effizienzzwang und das Gefühl, alles dokumentieren zu müssen, im Vordergrund stehen. Das Smartphone wird also – wie andere digitale Vernetzungsmöglichkeiten auch – von einigen als etwas empfunden, das die bestehende Ordnung nachhaltig nicht nur zum Positiven verändert hat. Dabei wird die neue Technologie als Auslöser dafür gesehen, dass »die guten alten Zeiten« unwiederbringlich der Vergangenheit angehören: In den Achtzigerjahren machten die Kinder, die ich zu ihrem Leben mit der Technologie befragte, häufig ihre Hausaufgaben mit Fernsehen und Musik im Hintergrund und einem Gameboy zur Ablenkung. Algebra und Super Mario gehörten zum selben Paket. Heute klingen solche Erinnerungen fast idyllisch. Ein Kind, das seine Hausaufgaben macht, beschäftigt sich häufig gleichzeitig mit Facebook, Shopping, Musik, Online-Spielen, Textnachrichten, Videos, Anrufen und Instant Messaging.13 (Turkle 2012: 279; Übersetzung: Joannis Stefanidis)

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So wie die Digitalisierung Einzug in nahezu all unsere Lebensbereiche gehalten hat, wird dies in den kommenden Jahrzehnten auch mit Künstlicher Intelligenz (KI) geschehen. Schon heute ist KI in vielen Bereichen präsent; sei es die automatische Einparkhilfe im Auto oder der Computergegner beim Schach oder Poker am PC: Solche Systeme agieren autonom, sind adaptiv und treffen selbstständig Entscheidungen. Doch KI findet auch in Bereichen Einsatz, die auf den ersten Blick Kreativität und Urteilsvermögen – und damit genuin »menschliche« Eigenschaften – verlangen: So werden im Journalismus Schreibprogramme eingesetzt, die beispielsweise die Berichterstattung im Sport- oder Finanzteil übernehmen – vereinfachend wird hier manchmal von Roboter-Journalismus gesprochen. Dabei werden Daten, etwa einer Fußballpartie, von einem Algorithmus ausgewertet und in Textbausteine übersetzt. Auch in Medizin und Recht wird die automatisierte Auswertung von großen Datenmengen als Hilfe bei der Entscheidungsfindung genutzt. In der Finanzbranche wiederum hat KI das Potenzial, durch die umfassende Analyse von Nutzer·innendaten individuell angepasste Angebote zu platzieren, eine Risikobewertung bei Neukund∙innen zu erstellen oder Aktienanalysen durchzuführen. Das zukünftige Smart Home schließlich wird erkennen können, wann zu lüften ist, die Kaffeemaschine eine Wartung braucht oder Zimmerpf lanzen gegossen werden müssen – und Entsprechendes veranlassen.14 Wie diese Beispiele erkennen lassen, sollen KI-Systeme der Unterstützung bei beruf lichen oder alltäglichen Aufgaben dienen. In dem Maße, in dem KI immer mehr Funktionen übernimmt, wächst aber auch die Abhängigkeit von ihr: Ebenso wie in vielen Berufen ein Arbeitstag ohne Internet heutzutage quasi nicht mehr vorstellbar ist, wird in Zukunft der beruf liche oder persönliche Alltag nur schwerlich ohne KI auskommen. Kritiker·innen der KI befürchten daher einerseits einen Kontrollverlust. Zum anderen stellt sich aber auch die Frage, ob Künstliche Intelligenz der menschlichen Intelligenz nicht irgendwann ebenbürtig sein und beruf liche Aufgaben ebenso gut erledigen können wird wie der Mensch: 50 Prozent der Expert∙innen geben an, dass dies wahrscheinlich im Jahr 2040 der Fall sein wird, für das Jahr 2075 wird eine 90-prozentige Wahrscheinlichkeit angenommen.15 Von solchen Annahmen ist es auch nicht mehr weit zu der Angst, dass sich KI zu einer Superintelligenz entwickeln und irgendwann zu einer Gefahr für die gesamte Menschheit werden könnte. In der Science Fiction-Literatur wurde diese Angst bereits 1909 von E.M. Forster in der dystopischen

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Erzählung The Machine Stops (Die Maschine steht still) zum Ausdruck gebracht, sie ist aber auch Thema zahlreicher Film- und Serienproduktionen wie Terminator, Matrix, Westworld oder I, Robot.16 Doch selbst wenn wir davon (hoffentlich) noch weit entfernt sind, so wirft der Einsatz von KI im Arbeitsalltag auch ethische Fragen auf, für die Richtlinien entwickelt werden müssen: Darf eine KI aufgrund ihrer Datenanalyse eine verbindliche Entscheidung treffen? Wer trägt die Verantwortung für eine derartige Entscheidung? Ist eine KI ab einem bestimmten Entwicklungsstand als eigenes, unabhängiges Wesen zu sehen, und wenn ja, ab wann? Die Entwicklungen in der KI gehen einher mit einem rasanten Fortschreiten der Biotechnologie, beispielsweise der Veränderung des menschlichen Erbguts. So verkündete im November 2018 der chinesische Biomediziner Dr. Jiankui He auf YouTube, dass zum ersten Mal Babys geboren wurden, die als Embryonen genetisch verändert worden waren. Die Zwillinge waren dadurch gegen HIV immun gemacht geworden.17 Ebenso ist es möglich, körperliche Beeinträchtigungen durch Implantate, von Hörgeräten bis zu Gliedmaßen, auszugleichen, wodurch letztlich technisch »verbesserte« Menschen entstehen. Harari sieht daher das Ende des Menschen, wie wir ihn kennen, gekommen und bezeichnet es als »naiv zu glauben, dass wir einfach auf die Bremse treten und den wissenschaftlichen Upgrade des Homo Sapiens stoppen können« (2013/2018: 505; Übersetzung: Jürgen Neubauer).18 Das Resultat solcher Entwicklungen können Ängste um die Stellung der Menschheit sein.

Vertrauenskrise Die vorangehend skizzierten politischen und technologischen Entwicklungen sind Teil eines Umbruchsprozesses, der unsere gegenwärtige Gesellschaft kennzeichnet und der zu Verunsicherung führen kann. Fake News hätten aber nicht die aktuelle Prominenz und Verbreitung, wenn nicht noch ein weiterer Aspekt hinzutreten würde: ein grundlegender Zweifel, was und wem man glauben soll. Dieser gründet u.a. auf einem Vertrauensverlust in Autoritäten. Bevor wir uns dem Verlust von Vertrauen zuwenden, wollen wir zunächst betrachten, unter welchen Voraussetzungen Vertrauen über-

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haupt entstehen kann. Die kanadische Philosophin Carolyn McLeod nennt drei Bedingungen dafür:19 1. Man muss bereit sein, sich in gewisser Hinsicht verletzbar zu machen. Denn wenn man jemandem in bestimmten Belangen vertraut, gibt man dort die Kontrolle ab. 2. Daher muss man von der Person eine gute Meinung haben. (Die britische Philosophin Katherine Hawley beschreibt dies als Erwartung, dass die Person aufrichtig [»honest«] ist.) 20 3. Der Person, der man vertrauen will, muss man entsprechend Kompetenz zutrauen. Sind diese Bedingungen erfüllt und erweisen sie sich als gerechtfertigt, kann man von Vertrauen profitieren: »Vertrauen reduziert soziale Komplexität, vereinfacht also die Lebensführung durch Übernahme eines Risikos« (Luhmann 2014: 93). Werden eine oder mehrere dieser Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt, kann es zu einer Vertrauenskrise kommen. Beginnen wir mit der dritten Voraussetzung: Jemandem Kompetenz zuzugestehen, über die man selbst nicht verfügt, heißt, dieser Person in einem bestimmten Bereich den Status einer Autorität zukommen zu lassen. In ihrem Aufsatz »Was ist Autorität?« führte die Philosophin Hannah Arendt (1906-1975) als ein Charakteristikum der modernen Zeiten an, dass das Konzept der Autorität verschwunden sei. Dies betreffe alle Bereiche der Gesellschaft wie Religion, Tradition, Erziehung oder Politik. Autorität sei dabei nicht gleichzusetzen mit Macht oder Überzeugungskraft, sondern basiere auf einem anerkannten hierarchischen Verhältnis.21 Mit dem allgemeinen Verlust von Autorität verschwinden aber auch epistemische Autoritäten, d.h. Personen, die ein spezialisiertes und vertieftes Wissen haben und in bestimmten Bereichen eine höhere Kompetenz besitzen als Andere. Damit löst sich die dritte Voraussetzung quasi in Luft auf, womit eine Bedingung für das Entstehen von Vertrauen nicht mehr erfüllt wird; folglich kann es zu einem Verlust von Vertrauen kommen. Auf Berufsstände bezogen, macht sich Vertrauensverlust v.a. bemerkbar bei Personen in Tätigkeitsfeldern, die stark auf gewissen Fertigkeiten beruhen, wie gut schreiben oder öffentlich reden zu können. Ihnen wird weniger vertraut als Personen, die in ihrer Arbeit auf ein ausgeprägtes inhaltliches Wissen zurückgreifen müssen und

Kapitel 3: Krisen- und Umbruchsphänomene

die in Institutionen eingebunden sind. Ärzt∙innen, Lehrer∙innen oder Richter∙innen werden als vertrauenswürdiger beurteilt als Journalist∙innen oder Politiker∙innen.22 Dies erklärt, warum eine Verschwörungstheorie wie die der »Lügenpresse«, die genau den beiden letztgenannten Berufsgruppen unlautere gemeinsame Machenschaften vorwirft, aktuell Konjunktur haben kann (mehr zur »Lügenpresse« in  Kapitel 5). Nicht nur ist eine Tendenz, Anderen nicht zu vertrauen, zu beobachten, sondern – mehr noch – ihnen sogar zu misstrauen. Dabei hängt Misstrauen stärker von einer vermuteten Unaufrichtigkeit als von einer vermuteten Inkompetenz ab; hier ist also die zweite Bedingung, eine gute Meinung von jemandem zu haben, nicht erfüllt.23 Regelmäßig wird in nationalen und internationalen Studien erfasst, ob die Befragten anderen Menschen eher vertrauen oder ihnen misstrauen; dabei lautet die Frage: »Ganz allgemein gesprochen: Glauben Sie, dass man den meisten Menschen vertrauen kann oder nicht?« In den USA beispielsweise hat die Neigung, anderen Menschen zu vertrauen, seit 1972 abgenommen – auch wenn kurzzeitige Fluktuationen festzustellen sind.24 Die oben genannten Bedingungen für Vertrauensbildung (2) und (3), dass jemand als aufrichtig und als kompetent eingeschätzt werden muss, sind also erschüttert. Wenn man sich aber nicht der Autorität von Expert∙innen aussetzen will, dann muss man seine Fragen letztendlich selbst beantworten. Mit dem Internet, so eine weit verbreitete Annahme, ist dies möglich geworden: Anscheinend ist alles, was man über ein beliebiges Thema wissen kann, online zu finden – Wissen hat sich gewissermaßen von den Expert∙innen in das Internet verlagert. Dabei wird übersehen, dass das Wissen im Netz durchaus auch von Expert·innen stammt. In der Wahrnehmung treten diese aber nur noch indirekt in Erscheinung, und es entsteht der Eindruck, man benötige sie nicht mehr. Vielmehr scheint sich jede∙r alles Nötige selbst aneignen zu können – und der »gesunde Menschenverstand« wird als ausreichend eingeschätzt, zu einem treffenden Urteil zu kommen ( Kapitel 9). Auf diese Weise wird eine neue Selbstständigkeit gewonnen, die amerikanische Philosophin Linda T. Zagzebski spricht von epistemischer Autonomie.25 Diese Selbstständigkeit ermöglicht auch, dass das Risiko der Verletzbarkeit, die McLeod als erste Bedingung für Vertrauen nennt, vermieden werden kann. Damit haben alle eingangs

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genannten Bedingungen, die benötigt werden, um Vertrauen aufzubauen, an Geltung verloren. Um jedoch über spezialisiertes und vertieftes Wissen zu verfügen, das oftmals notwendig ist, um einen Sachverhalt zu verstehen, sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: Erstens kann man erst dann wirklich von Wissen sprechen, wenn unterschiedliche Informationen zu einem Thema zueinander in Beziehung gesetzt und miteinander verknüpft werden. Will ich beispielsweise die Bedeutung eines Kunstwerks erschließen, so muss ich unterschiedliche Informationen dazu haben – also etwa Entstehungsdatum, Entstehungsort, Entstehungskontext, eingesetzte Techniken und Materialien, Hintergrundwissen über den oder die Künstler∙in, Bezug zu und Einf luss auf andere Kunstwerke, verwendete Symboliken, ökonomischer Wert etc. Die Summe dieser Einzelkenntnisse ermöglicht dann eine fundierte Einschätzung. Der zweite Aspekt betrifft die Tatsache, dass Expert∙innen zur gleichen Fragestellung oft unterschiedliche Antworten zu geben oder Positionen zu vertreten scheinen. Diese kann nur eine Person beurteilen, die sich mit einem Thema wirklich auskennt, sie also ggf. auf unterschiedliche Ansätze zurückführen und die Quellen bewerten kann. Wissen über ein Sachgebiet zu haben heißt demnach, sich fortwährend mit der Thematik auseinanderzusetzen, immer wieder neue Informationen in den Wissensstand zu integrieren und das vorhandene Wissen permanent neu zu bewerten. Das bedeutet Arbeit und setzt bestimmte Fähigkeiten voraus. Niemand verfügt jedoch über die Zeit, sich in vielen Bereichen einen Expert∙innenstatus zu erarbeiten, und nur die wenigsten von uns können unterschiedliche Themenfelder gleichermaßen intellektuell durchdringen – sei es zu verstehen, wie die Heizung funktioniert, wie eine Steuersoftware zu programmieren ist, wie ein bestimmtes Wahlergebnis eingeordnet werden kann, welche Art von Ernährung nachhaltig ist, wie am besten in die Altersvorsorge investiert wird – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Verlässt man sich aber nicht mehr auf Expert∙innen, um solche Fragen zu beurteilen, sondern lediglich auf sich selbst, so kann das zu Überforderung und zu einem Gefühl der Hilf losigkeit führen. Wahres und Falsches zu einem Thema, begründete Einsichten und persönliche Ansichten: All das findet sich nun im Internet wieder. Insofern ist es durch das Internet schwieriger geworden herauszufinden, was gilt und was nicht, und man steht letztendlich vor zwei Möglich-

Kapitel 3: Krisen- und Umbruchsphänomene

keiten: Man kann die Entscheidung fällen, doch jemandem zu vertrauen. Wenn man sich aber von epistemischen Autoritäten abgewandt hat, bleiben dafür Personen, die uns das Gefühl geben, man könne ihnen vertrauen, oder die der Stimmung gerecht werden, mit der wir einem bestimmten Thema gegenüberstehen.26 Folglich bildet nicht mehr das Wissen die Grundlage für Entscheidungsfindung und Meinungsbildung, sondern es wird ersetzt durch Gefühl und Stimmung. Die zweite Option besteht darin, im Misstrauen konsequent zu bleiben. Um aber die oben skizzierte Überforderung zu vermeiden, muss man dann selektieren und vereinfachen. Der Soziologe Niklas Luhmann (1927-1998) sah hierin Risiken, die das eigentliche Ziel, Unabhängigkeit im Bereich Informationsbeschaffung zu erlangen, unterwandern: Wer misstraut, braucht mehr Informationen und verengt zugleich die Informationen, auf die zu stützen er sich getraut. Er wird von weniger Informationen stärker abhängig. Damit gewinnt die Möglichkeit, ihn zu täuschen, wiederum an Berechenbarkeit. (Luhmann 2014: 93) Insgesamt steigt also die Wahrscheinlichkeit, uninformierte Entscheidungen zu treffen, ebenso wie die Wahrscheinlichkeit, Verschwörungstheorien oder Fake News aufzusitzen.

Fazit Dieses Kapitel wurde mit der These begonnen, dass Fake News und Verschwörungstheorien als Zeichen eines Umbruchs oder einer Krise gesehen werden. Um die Frage zu klären, ob wir uns tatsächlich in einer Umbruchszeit befinden, haben wir einige Bereiche näher beleuchtet, in denen es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten starke Veränderungen gegeben hat. Deren Auswirkungen auf die alltägliche Lebenswirklichkeit können das Auftreten von Fake News und Verschwörungstheorien begünstigen: Die Entwicklungen in den Bereichen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sowie die Folgen von Globalisierung und Terrorgefahr können zu einer Angst vor Kontrollverlust führen. Ein derartiges Gefühl begünstigt die Tendenz, an Verschwörungstheorien zu glauben.

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Hinzu treten Vertrauensverlust und Orientierungslosigkeit: Der Verlust des Vertrauens in etablierte Autoritäten kann der Ausgangspunkt sein für eine aufwändige und belastende Suche nach neuen Personen und Institutionen, auf die man sich verlassen möchte. Entscheidet man alternativ, sich nur auf sich selbst verlassen zu wollen, kann sich angesichts der besonders durch das Internet zugänglichen Fülle an Informationen ein Gefühl der Überforderung einstellen. Fühlt man sich weiterhin als Verlierer·in der westlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung, so kann das zusätzlich in dem Verlust eines ideologischen Halts resultieren. Wenn man aber nicht mehr weiß, auf wen oder was man sich verlassen kann, steigt die Gefahr, Fake News und denen, die sie propagieren, zu glauben.

Anmerkungen 1

Im Original »age of bewilderment«; Harari 2018a: Klappentext.

2

Im Original: »[The remarkable worldwide character of the current liberal revolution] constitutes further evidence that there is a fundamental process at work that dictates a common evolutionary pattern of all human societies – in short, something like a Universal History of mankind in the direction of liberal democracy.« (Fukuyama 1992a: 48)

3

Im Original: »In this new world the most pervasive, important and dangerous conflicts will not be between social classes, rich and poor, or other economically defined groups, but between people belonging to different cultural entities.« (Huntington 1996: 28)

4

Huntington 1996/2007: 30. Die sieben Kulturkreise sind nach Huntington der sinische (also chinesische), der japanische, der hinduistische, der islamische, der westliche, der lateinamerikanische und (»vielleicht«, 1996/2007: 63) der afrikanische (1996/2007: 59-64).

5

Siehe z.B. Harari 2018a: 93-109; Orsi 2018; Ferguson 2011a/b; 2006: 460f.; Sen 2006; Inglehart/Norris 2003; Chiozza 2002; Henderson/Tucker 2001.

6

Im Original: »Most wars in the past two decades have been civil wars, but only a minority of them have conformed to Huntington’s model.« (Ferguson 2001a: 313)

7

So schreibt Harari (2018a: 5): »In 1938 humans were offered three global stories to choose from [communist story, fascist story, liberal story], in 1968 just two [communist story, liberal story], in 1998 a single story seemed to prevail [liberal story]; in 2018 we are down to zero.«

8

Wippermann 2007: 163; vgl. auch Poppe et al. 2009.

9

Vgl. beispielsweise das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2015 herausgegebene Grünbuch Arbeiten 4.0 sowie Hackl et al. 2017; Rifkin 2016; Kurz/ Rieger 2013.

Kapitel 3: Krisen- und Umbruchsphänomene 10 Mönnig et al. 2018: 40. 11 Vgl. Kurz/Rieger 2013. 12 Vgl. Spitzer 2018a und 2018b; Diefenbach/Ullrich 2016; Turkle 2012 bzw. 2011; Chou/Edge 2012. 13 Im Original: »In the 1980s, the children I interviewed about their lives with technology often did their homework with television and music in the background and a hand-held video game for distraction. Algebra and Super Mario were part of the same package. Today, such recollections sound almost pastoral. A child doing homework is usually – among other things – attending to Facebook, shopping, music, online games, texts, videos, calls, and instant messages.« (Turkle 2011: 162) 14 Zum automatisierten Schreiben siehe beispielsweise Schicha 2019: 242-244; Thurman et al. 2017; Dörr 2016. Für die Finanzbranche vgl. Handelsblatt (Hg.) 2019, für weitere Aspekte Bitkom; DFKI 2017: 35. 15 Bostrom 2016: 23. 16 Der britische Computerwissenschaftler Stuart J. Russell und sein US-amerikanische Kollege Peter Norvig fassen die potenziellen Risiken von KI wie folgt zusammen: »Menschen könnten aufgrund der Automatisierung ihre Arbeit verlieren. Menschen könnten zu viel (oder zu wenig) Freizeit haben. Menschen könnten das Selbstverständnis verlieren, einzigartig zu sein. KI-Systeme könnten für unerwünschte Zwecke verwendet werden. Die Verwendung von KI-Systemen könnte zu einem Verlust von Verantwortung führen. Der Erfolg der künstlichen Intelligenz könnte das Ende der menschlichen Rasse bedeuten.« (Russell/Norvig 2012: 1191; Übersetzung: Frank Langenau) 17 Das Video ist online verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=th0vn OmFltc 18 Im Original: »[…] it is naïve to imagine that we might simply hit the brakes and stop the scientific projects that are upgrading Homo sapiens into a different kind of being.« (Harari 2015: 414) 19 McLeod 2015. 20 Hawley 2012: 46. 21 Vgl. Arendt 1956 bzw. 1968/1987. 22 Hawley 2012: 95-97. 23 Hawley 2012: 94. 24 Vgl. Ortiz-Ospina/Roser 2019. 25 Vgl. Zagzebski 2012. 26 Zur Rolle von Stimmung(en) siehe Bude 2017.

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Kapitel 4: Das Weltbild des Donald Trump oder Was hat es mit »alternativen Fakten« auf sich? You’re saying it’s a falsehood, and they’re giving, Sean Spicer, our Press Secretary gave [short pause] alternative facts to that.1 Kellyanne Conway Am 20. Januar 2017 wurde Donald Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Schon um diesen ersten Auftritt als amtierender US-Präsident entzündete sich ein Streit, bestand doch Uneinigkeit über die Umstände, die das Ereignis begleitet hatten. Dies betraf in erster Linie die Zuschauer·innenzahlen und das Wetter, das während der Rede des Präsidenten herrschte. So hatte Trump am nächsten Tag den Eindruck, dass etwa eineinhalb Millionen Personen bei seiner Amtseinführung anwesend waren: Honestly, it looked like a million and a half people. Whatever it was, it was. But it went all the way back to the Washington Monument. 2 Wirklich, es sah aus wie eineinhalb Millionen Leute. Wie viele es auch immer gewesen sein mögen, so viele waren es. Aber die Menge ging bis hinter zum Washington Monument. (Eigene Übersetzung) Und über das Wetter sagte er: […] it was almost raining, the rain should have scared away, but God looked down and He said, We’re not gonna let it rain on your speech. In fact, when I first started I said – o no. First line, I got hit by a couple of drops, and I said, o this is – this is too bad, but we’ll go right through it. But the truth is that it stopped immediately, it was amazing, and then it

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became really sunny, and then I walked off, and it poured – right after I left it poured […].3 […] es hat fast geregnet, und der Regen hätte eigentlich die Leute vertreiben sollen, aber Gott blickte hinab und sprach, Wir werden es bei deiner Rede nicht regnen lassen. Und wirklich, als ich anfing, sagte ich – oh nein. Beim ersten Satz trafen mich ein paar Tropfen, und ich sagte, oh, das ist – das ist schlecht, aber wir ziehen das durch. Aber die Wahrheit ist, dass es unmittelbar aufhörte, es war unglaublich, und dann wurde es richtig sonnig, und als ich vom Podium abtrat, schüttete es – unmittelbar, nachdem ich gegangen war, schüttete es […]. (Eigene Übersetzung) Amerikanische Zeitungen wie die New York Times und die Washington Post wiesen allerdings darauf hin, dass die Besucherzahlen bei der Vereidigung Präsident Barack Obamas 2009 höher gewesen waren, und dass es durchaus einige Minuten zu Beginn der Rede regnete, während es hingegen nach der Rede keine Regenschauer gab.4 Als Reaktion auf die unterschiedlichen Darstellungen von Seiten des Weißen Hauses und der Presse ging der Pressesprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer, bei seinem ersten Auftritt auf dieses Thema ein. Dabei sagte er: This was the largest audience to ever witness an inauguration, period – both in person and around the globe.5 Dies war das größte Publikum, das je einer Amtseinweihung beigewohnt hat, Punkt – sowohl was die Anwesenden in Washington betrifft als auch weltweit. (Eigene Übersetzung)

Kapitel 4: Das Weltbild des Donald Trump

Abbildung 2: Amerikas Präsident Donald Trump spricht am 20. Januar 2017 bei seiner Antrittsrede vor einer Menschenmenge in Washington, D.C.

Abbildung 3: Die Menschenmenge auf der National Mall in Washington, D.C. bei der Amtseinführung von Donald Trump am 20. Januar 2017 (links) und Barack Obama am 20. Januar 2009 (rechts) im Vergleich.

Abbildung 2 zeigt den Blick über die Menschenmenge vom Kapitol aus, unten im Bild befindet sich Präsident Trump. In Abbildung 3 ist links das Publikum bei der Amtseinführung Trumps 2017, rechts das Publikum bei der Amtseinführung Obamas 2009 zu sehen. Die verfügbaren Bilder und Zahlen legten bzw. legen also tatsächlich nahe, dass zur Amtseinweihung Obamas mehr Besucher·innen gekommen waren.

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Insofern fragte am 22. Januar 2017 der Journalist Chuck Todd die Beraterin von US-Präsident Donald Trump, Kellyanne Conway, warum der Pressesprecher des Weißen Hauses über die Zuschauer·innenzahlen eine falsche Aussage gemacht hatte (»utter a falsehood«). Conway verteidigte die Antwort Spicers und äußerte: Don’t be so overly dramatic about it, Chuck. You’re saying it’s a falsehood, and they’re giving, Sean Spicer, our Press Secretary gave [short pause] alternative facts to that.6 Nun machen Sie mal nicht so ein Drama daraus, Chuck. Sie sagen, er hat eine falsche Aussage gemacht, und sie haben, Sean Spicer, unser Pressesprecher, hat [kurze Pause] alternative Fakten genannt. (Eigene Übersetzung) Der Ausdruck »alternative facts«, den Conway hier benutzte, sorgte für große Aufregung und wurde mit Newspeak (Neusprech) verglichen, wie George Orwell in seinem Roman Nineteen Eighty-Four (1984) den manipulativen Sprachgebrauch des totalitären Systems Ingsoc (Engsoz) genannt hatte ( Kapitel 7). Denn die beiden Wörter »facts« und »alternative« scheinen nicht zusammenzugehen: So wird »fact« von den Oxford Dictionaries definiert als »[a] thing that is known or proved to be true« [etwas, von dem man weiß oder von dem bewiesen wurde, dass es wahr ist; eigene Übersetzung]7 und »alternative« als »available as another possibility or choice« [als weitere Möglichkeit oder Wahl verfügbar; eigene Übersetzung]. Wenn man also bei einem »fact« weiß, dass er wahr ist, so kann es dazu eigentlich keine »alternative«, keine Wahlmöglichkeit geben. Dies würde sonst konsequenterweise bedeuten, dass zu einer Gegebenheit unterschiedliche Faktenlagen gleichzeitig bestehen können, also z.B. »es regnete zu Beginn der Rede einige Minuten« (wie die Presse meinte) und »mit Beginn der Rede regnete es nicht mehr« (wie Trump meinte). Doch obwohl sich diese beiden Wetterlagen ausschließen, präsentierte Trump seine Darstellung vom Wetter als wahr (»the truth is…«), und auch Spicer ließ keinen Zweifel daran, dass er von der Höhe der Zuschauer·innenzahlen vollkommen überzeugt war. Wie kann das sein? Im Folgenden möchten wir den Weg nachskizzieren, wie aus der anfänglichen Wahrnehmung von Zuschauer·innenzahlen und Wetter »alternative Fakten« werden konnten. Eine sprachwissenschaftliche

Kapitel 4: Das Weltbild des Donald Trump

Analyse dieser Phrase werden wir später noch einmal in  Kapitel 7 vornehmen.

Wahrnehmung Sehen wir uns zunächst den Bereich der menschlichen Wahrnehmung etwas näher an: »Wahrnehmung ist die psychische Funktion, die es dem Organismus ermöglicht, mithilfe seiner Sinnesorgane Informationen aus der Innen- und Außenwelt aufzunehmen und zu verarbeiten« (Schaub 2008: 61).8 Die evolutionäre Funktion von Wahrnehmung besteht darin, über verschiedene Sinnesmodalitäten die Umgebung so zu erfassen, dass der Mensch in der Lage ist, das Überleben in der aktuellen Situation zu sichern.9 Auch wenn wir heutzutage in der glücklichen Lage sind, uns nicht mehr ausschließlich auf unser Überleben konzentrieren zu müssen, so hilft uns unsere Wahrnehmung dabei, die Anforderungen der aktuellen Situation erfolgreich zu bewältigen. Wahrnehmung ist also funktional ausgerichtet und daher ein »aktiver, informationsverarbeitender Prozess; somit ist das Ergebnis der Wahrnehmung grundsätzlich keine Eins-zu-eins-Kopie der Wirklichkeit […]« (Schaub 2008: 62). Drei Aspekte tragen dazu bei, dass zwischen unserer Wahrnehmung und der Wirklichkeit ein Unterschied besteht: (1) Unsere Sinnesorgane sind in ihrer Funktionalität beschränkt. So erkennt das menschliche Auge Wellenlängen in einem bestimmten Bereich, darüber oder darunter aber nicht: Wir Menschen können beispielsweise UV-Strahlung nicht sehen, im Gegensatz zu manchen Tieren wie Bienen oder Vogelarten wie Falken oder Papageien. Das Riechvermögen von Hunden wiederum ist um ein Vielfaches besser als das des Menschen, so dass Hunde z.B. durch bestimmte Krankheiten wie Diabetes oder Krebs ausgelöste Gerüche wahrnehmen können. Gleiches gilt für die auditive Wahrnehmung: Während der Mensch Frequenzen zwischen etwa 20 bis 20.000 Hertz hören kann, nehmen Tauben, Elefanten oder Wale auch Töne in tieferen Bereichen, Fledermäuse in höheren wahr. Wir können mit unseren Sinnesorganen also gar nicht alles erfassen, was theoretisch wahrgenommen werden könnte.10 Unsere Wahrnehmung kann sich darüber hinaus irren. Wir alle kennen optische Täuschungen, bei denen wir glauben, etwas zu erkennen, was in Realität aber nicht da ist ( Kapitel 8). Doch nicht nur bei der visuellen Wahrnehmung, auch bei anderen Sinneskanälen können

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wir einem Irrtum unterliegen: Man denke nur daran, wie oft man vermeintlich schon das Telefon gehört hat, obwohl es in Wirklichkeit ein anderer Klang gewesen war.11 (2) Unsere Aufnahmefähigkeit ist begrenzt, d.h. unser Gehirn kann nur eine bestimmte Menge an bewussten und unbewussten Reizen gleichzeitig verarbeiten. Es findet also eine selektive Wahrnehmung statt, die bewirkt, »dass aus der Menge der gleichzeitig vorhandenen Reize nur einige ›ausgefiltert‹ und beachtet werden« (Wirtz 2017: 1529). Um sicherzustellen, dass wir die Situation, in der wir uns gerade befinden, erfolgreich bewältigen, müssen wir daher unsere Aufmerksamkeit richten. Aufmerksamkeit kann beschrieben werden als »ein psychischer Zustand gesteigerter Wachheit und Aufnahmebereitschaft, bei dem das Bewusstsein auf bestimmte Objekte, Vorgänge, Gedanken ausgerichtet ist« (Schaub 2008: 64). Um beispielsweise eine Straße sicher zu überqueren, suchen wir sie mit unseren Augen nach herankommenden Autos ab, und unser Gehör fokussiert sich auf das Geräusch nahender Motoren – wir richten unsere Aufmerksamkeit also gezielt auf bestimmte Reize. Diese Konzentration auf Bestimmtes kann dazu führen, dass es zu einer Aufmerksamkeitsblindheit kommt, dass also Reize außerhalb unseres Aufmerksamkeitsfokus gar nicht wahrgenommen werden.12 Dies machen sich etwa Zauberkünstler∙innen zunutze: Dadurch, dass die Aufmerksamkeit der Zuschauer∙innen gezielt auf etwas Anderes gelenkt wird, kann der eigentliche Trick unbemerkt durchgeführt werden. Auf was sich die Aufmerksamkeit richtet, kann von den Eigenschaften des Reizes abhängen, etwa ob dieser sich bewegt, bestimmte Emotionen auslöst etc. So kann ein vorbeif liegender Vogel oder ein furchteinf lößendes Bild unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Diese kann aber auch z.B. durch Erwartungen, Motivationen oder Gefühle bestimmt werden.13 Macht man beispielsweise eine Wanderung mit dem Ziel, das Auftreten bestimmter Wiesenblumen zu dokumentieren, so fallen Pf lanzen ins Auge, die ohne diesen Vorsatz vielleicht unbemerkt geblieben wären. (3) Viele Reize in unserer Umwelt sind mehrdeutig, d.h. sie können auf verschiedene Arten interpretiert werden. Die Interpretation von solchen Reizen kann u.a. dadurch beeinf lusst werden, welche mentalen Strukturen (so genannte kognitive Schemata) aktiviert wurden:

Kapitel 4: Das Weltbild des Donald Trump

Die konstruktive und interpretierende Eigenschaft der Wahrnehmung folgt v.a. dem Bedürfnis des informationsverarbeitenden Menschen nach Unbestimmtheitsreduktion und Konsistenz […]. In unbestimmten Situationen werden Kontextinformationen genutzt, um die Ambiguität zu reduzieren und zu einer subjektiv konsistenten Interpretation der Situation zu gelangen. Dabei bezieht sich die Konsistenz auf das individuelle mentale Modell des Wahrnehmenden […], objektiv kann die damit erzeugte Konsistenz falsch sein. (Schaub 2008: 63) Seitdem beispielsweise vor rund 25 Jahren der Kaiman Sammy seinem Besitzer bei einem Baggerseeausf lug entkommen war, werden regelmäßig im Sommer Krokodilsichtungen an deutschen Gewässern gemeldet. Bestätigt hat sich davon bislang keine, meistens handelte es sich bei den gesehenen Tieren wohl um Hechte oder Welse. Durch den Vorfall mit Sammy ist es aber prinzipiell denkbar geworden, dass auch andere als Haustier gehaltene Krokodile f liehen und sich ein Gewässer suchen. Dies kann dazu führen, dass man am Badesee ein großes Tier im Wasser, das man nicht eindeutig erkennt, als Krokodil interpretiert. Ein und derselbe Reiz kann also ganz unterschiedlich wahrgenommen werden, und zwar in Abhängigkeit von der Funktionalität der Sinnesorgane, der Perspektive, vom Aufmerksamkeitsfokus und dem aktivierten Wissen, von den Erwartungen etc. Wenden wir diese Erkenntnis nun auf obiges Eingangsbeispiel von der Amtseinführung des US-Präsidenten an: Der Blickwinkel, aus dem Trump auf das Publikum sah, kann dazu geführt haben, dass er das Ende der Menschenmenge nicht eindeutig ausmachen konnte. Seine Wahrnehmung war also beschränkt. Diese wurde darüber hinaus eventuell von der Erwartung beeinf lusst, dass das Ereignis eine riesige Menschenmenge anziehen würde. Was den Regen betrifft, so war möglicherweise seine Aufmerksamkeit so stark auf seine Rede gerichtet, dass er den Regen nicht mehr wahrnahm, sobald er einmal zu sprechen begonnen hatte. Die subjektiven Wahrnehmungen, die Trump bei diesem Ereignis hatte, mögen daher durchaus so gewesen sein, wie er sie im Nachhinein schilderte.

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Kognitive Dissonanz Die subjektive Wahrnehmung ist also das eine. Wie kam es aber dazu, dass Trump und sein Pressesprecher an ihrer Deutung festhielten, obwohl andere Quellen eine andere Schlussfolgerung nahelegten? Dies lässt sich mit dem Prinzip der kognitiven Dissonanz erklären:14 Den Kern der Dissonanztheorie bildet die Annahme, dass einander widersprechende Kognitionen oder nicht zueinander passende Kognitionen und Verhaltensweisen einen unangenehmen motivationalen Zustand (= Dissonanz) und eine gewisse Spannung hervorrufen. Somit wird davon ausgegangen, dass nach einer Entscheidung bevorzugt Informationen ausgewählt werden, die eine getroffene Entscheidung als richtig erscheinen lassen, und dass gegenteilige Informationen ›abgewehrt‹ oder nicht beachtet werden. (Wirtz 2017: 900) Ein Beispiel: Zunehmend wird thematisiert, dass übermäßiger Fleischkonsum nicht gesund ist und Masttierhaltung Umwelt und Klima belastet.15 Dennoch hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch in Deutschland zwischen 1991 bis 2018 kaum verändert: Waren es 1991 noch 63,9 kg pro Person jährlich, aßen die Deutschen 2018 mit 60,2 kg pro Person lediglich 3,7 kg weniger Fleisch.16 Es kann hier also ein kognitives Unbehagen entstehen: Obwohl man weiß, dass es der eigenen Gesundheit und der Umwelt schadet, findet man sich regelmäßig an der Fleisch- und Wursttheke wieder. Um diese Dissonanz aufzulösen, hat man drei Möglichkeiten: das eigene Verhalten zu ändern, das Wissen über die Schädlichkeit von Fleischkonsum auszublenden oder sich positive Argumente dafür zu suchen. Für eine Änderung des eigenen Verhaltens müsste man Ernährungs-, Einkaufs- und Kochgewohnheiten umstellen. Da dies sehr aufwändig ist, ist es der Weg des geringeren Widerstands, z.B. die gesundheitlichen und umweltbezogenen Risiken in Zukunft zu bagatellisieren, Studien, die diese belegen, als nicht stimmig, aussagekräftig oder gar als Propaganda der Ökolobby abzuweisen sowie den Eisengehalt von Fleisch und die Bedeutung von Masttierhaltung als ökonomische Branche zu betonen.17 Es gilt daher: Die Theorie der kognitiven Dissonanz stellt den Menschen nicht als ein vernunftgeleitetes, sondern als rationalisierendes Wesen dar. Sie setzt nicht voraus, daß wir Menschen motiviert sind, uns richtig zu verhalten,

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sondern daß wir motiviert sind zu glauben, wir verhielten uns richtig (und klug und anständig und gut). (Aronson 1994: 190; Übersetzung: Angelika Hildebrandt-Essig) Wenn zwei widersprüchliche Kognitionen aufeinandertreffen, ist die Stärke von kognitiver Dissonanz nicht immer gleichermaßen ausgeprägt. Das Unbehagen ist dann besonders groß, wenn das eigene Selbstverständnis angegriffen wird: Vielmehr erkannte man, dass Dissonanz dann am stärksten und beunruhigendsten wirkt, wenn Menschen sich auf eine Weise verhalten, die ihr Selbstbild bedroht. Das erzeugt deshalb so großes Unbehagen, weil es uns zwingt, uns der Diskrepanz zwischen dem, was wir zu sein glauben, und unserem tatsächlichen Verhalten auszusetzen […]. (Aronson et al. 2008: 164; Übersetzung: Dagmar Mallett; Ursula Pesch; Elsbeth Ranke; Franka Reinhart) Gehen wir noch einmal zurück zu unserem Eingangsbeispiel: Präsident Trump hatte von der Amtseinführung eine bestimmte subjektive Wahrnehmung. Diese wurde nun durch andere Berichte in Zweifel gezogen. Nicht nur wurde damit die Richtigkeit seiner Eindrücke in Frage gestellt, sondern möglicherweise auch sein Selbstbild bedroht. So hat Trump seine Amtsübernahme in seinen eigenen Worten quasi religiös legitimiert (»but God looked down and He said, We’re not gonna let it rain on your speech«). Auch hatte er sich bereits in seinem Wahlkampf stark von seinem Amtsvorgänger Barack Obama abgegrenzt und sein Missfallen über dessen Regierungsarbeit zum Ausdruck gebracht. Vielleicht rief daher die Befürchtung, es hätten sich 2009 mehr Menschen für Obama interessiert als 2017 für ihn, besonders starke Dissonanz hervor. Vor die Wahl gestellt, öffentlich eine größere Beliebtheit Obamas eingestehen zu müssen oder die eigene Wahrnehmung vehement zu verteidigen, wurde letztere Strategie gewählt.

Die Konstruktion von Wirklichkeit Die amerikanischen Psycholog∙innen Philip G. Zimbardo, Robert L. Johnson und Vivian McCann kommen daher zu dem Schluss,

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[…] dass wir die Welt nicht lediglich so sehen, wie sie ist; wir nehmen sie wahr. Das Ziel des Prozesses, durch den die Stimulation zur Empfindung und am Ende zur Wahrnehmung wird, besteht darin, in unserer Erfahrung eine Bedeutung auszumachen. Doch man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass wir der sensorischen Erfahrung unsere eigene Bedeutung aufzwingen. (Zimbardo et al. 2016: 172; Übersetzung: Matthias Reiss) Für die evolutionäre Funktion der Wahrnehmung als Garantin für das Überleben heißt dies beispielsweise: Werden bei einer Straßenüberquerung keine Fahrzeuge in der Nähe gesehen und gehört, ergibt sich aus dieser Wahrnehmung die Interpretation der Situation: Überqueren ungefährlich. Wird jedoch ein 10-Tonner ausgemacht, erhält dies die Bedeutungszuschreibung: Lebensgefahr. Diese Ausführungen leiten zu einem Ansatz über, der die »Wirklichkeit […] als Resultat von Konstruktionsprozessen« (Pörksen 2015: 11) sieht. Dabei ist die Ausgangsüberlegung folgende: Will man sich als Individuum Gedanken um die Welt, in der man lebt, machen, so kann dies nur abhängig vom eigenen Wahrnehmungsapparat und den eigenen kognitiven Fähigkeiten geschehen. Eine wirklich objektive, d.h. vom Subjekt losgelöste Erkenntnis ist daher nicht möglich. Das Bild, das wir von dem haben, was um uns herum existiert und stattfindet, wird somit von uns konstruiert; unser Verständnis von Wirklichkeit ergibt sich über eine Konstruktion von Bedeutung. Die bisherigen Ausführungen basierten in erster Linie auf psychologischen Erkenntnissen. Konstruktivistische Ansätze kommen aber aus den unterschiedlichsten Disziplinen; so finden sie sich z.B. in der Biologie, Sprachwissenschaft, Bildwissenschaft oder den Kulturwissenschaften.18 Entsprechend unterschiedlich ist der Fokus, unter dem die Konstruktion von Wirklichkeit betrachtet wird: Während sich Biologie und Psychologie z.B. auf die neuronale, physiologische oder psychologische Seite von Wahrnehmungsprozessen konzentrieren, untersuchen kulturwissenschaftliche Fragestellungen etwa, wie unser Wissen über bestimmte Themen durch die Art und Weise, wie sie in Literatur und Film dargestellt werden, beeinf lusst wird. Wie Sprache und Bilder Wirklichkeiten schaffen können, wird in den  Kapiteln 7 und 8 noch näher beleuchtet. Aber Wirklichkeit wird nicht nur durch Wahrnehmungen und Erkenntnisse, sondern auch durch Handlungen konstruiert.19 Daher betreffen andere konstruktivistische Überlegun-

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gen, beispielsweise aus der Soziologie oder Pädagogik, die Frage, wie soziale Gegebenheiten wie Rollen, Gender oder Schichtzugehörigkeit und die damit verbundenen Handlungsmuster Wirklichkeit schaffen.20 Die Erkenntnis, dass unser Verständnis von Wirklichkeit notwendigerweise subjektive und konstruktivistische Elemente enthält, heißt aber nicht, dass es nur individuelle Wirklichkeiten gibt. So unterschied der österreichisch-amerikanische Psychologe Paul Watzlawick (19212007) zwischen Wirklichkeit erster Ordnung und Wirklichkeit zweiter Ordnung: Die Wirklichkeit erster Ordnung ist die materielle, wahrnehmbare Welt, die uns unsere Sinnesorgane vermitteln, die Wirklichkeit zweiter Ordnung entsteht dann über die Zuschreibung von Bedeutung, Sinn und Wert zu dieser Wahrnehmung. Bekommt man z.B. einen Strauß langstieliger roter Rosen geschenkt, so werden diese als Zeichen der Liebe gesehen. Dabei stellen die materiellen Blumen die Wirklichkeit erster Ordnung dar, während die Bedeutung einer Liebeserklärung der Wirklichkeit zweiter Ordnung zuzuschreiben ist.21 Diese Wirklichkeit gründet auf einem sozialen Konsens, man weiß daher, welche Interpretation zu erwarten ist, wenn man einen Strauß roter Rosen überreicht. Somit können aber unterschiedliche soziale Gruppierungen durchaus unterschiedliche Bedeutungs-, Sinn- und Wertzuschreibungen haben und folglich unterschiedliche Wirklichkeiten (zweiter Ordnung) konstruieren. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Prinzipiell könnten Liebeserklärungen genauso gut mit einem Sack Steine zum Ausdruck gebracht werden. Dieser Aspekt, dass das, was gilt, in Abhängigkeit zu einem Bezugsrahmen steht, wird durch den Begriff Relativismus zum Ausdruck gebracht: Relativistische Positionen machen darauf aufmerksam, dass bestimmte Größen, wie die Epoche oder die Gesellschaft, Einf luss darauf haben, was als gültig, als »wahr«, angesehen wird.22 Blicken wir also ein letztes Mal auf die Amtseinführung von Donald Trump: Oben haben wir das Festhalten an der eigenen Wahrnehmung als mögliches Ergebnis von Dissonanzreduktion beschrieben. Konstruktivistische Überlegungen fügen aber noch eine weitere Komponente hinzu: Wenn sich unser Verständnis von Wirklichkeit dadurch ergibt, dass wir bestimmten Wahrnehmungen eine Bedeutung zuschreiben, so ist es durchaus wichtig, welche Wahrnehmungen dafür herangezogen und als die geltenden ausgemacht werden. Diese bestimmen nämlich gewissermaßen die Deutungshoheit über eine Situation oder ein Ereignis. Möchte man also die Deutung erzielen, bei der Amtseinfüh-

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Alternative Wirklichkeiten?

rung Trumps hätte es sich um ein monumentales Ereignis gehandelt, so ist es wesentlich, dass die von Trump perzipierte und von Spicer verteidigte Wahrnehmung als die richtige etabliert wird. Und damit kommen wir zurück zu der Phrase »alternative facts«. Durch die Wortwahl »facts« (»[a] thing that is known or proved to be true«) wird Trumps Wahrnehmung als Wahrheit verkauft, die Deutungshoheit somit für die eigene Seite reklamiert.

Anmerkungen 1

Siehe https://www.theguardian.com/commentisfree/2017/jan/23/kellyanne-con way-alternative-facts-lies

2

Siehe https://www.washingtonpost.com/politics/trump-in-cia-visit-attacks-me dia-for-coverage-of-his-inaugural-crowds/2017/01/21/f4574dca-e019-11e6-ad42f3375f271c9c_story.html?utm_term=.ebade0bd85cd

3

Siehe https://www.washingtonpost.com/politics/trump-in-cia-visit-attacks-me dia-for-coverage-of-his-inaugural-crowds/2017/01/21/f4574dca-e019-11e6-ad42f3375f271c9c_story.html?utm_term=.ebade0bd85cd

4

Siehe https://www.washingtonpost.com/politics/trump-in-cia-visit-attacks-media-for-coverage-of-his-inaugural-crowds/2017/01/21/f4574dca-e019-11e6-ad42f3375f271c9c_story.html?utm_term=.ebade0bd85cd; https://www.nytimes.com/ interactive/2017/01/20/us/politics/trump-inauguration-crowd.html?module=in line; https://www.nytimes.com/video/us/politics/100000004887057/comparinginauguration-crowds.html

5

Siehe https://www.washingtonpost.com/news/post-politics/wp/2017/01/21/ trumps-press-secretary-lashes-out-at-press-calling-crowd-coverage-shame ful-and-wrong/?noredirect=on&utm_term=.0011aa1b11c7

6

Siehe https://www.theguardian.com/commentisfree/2017/jan/23/kellyanne-con way-alternative-facts-lies

7

Siehe https://www.lexico.com/en/definition/fact; https://www.lexico.com/en/de finition/alternative

8

Zu Wahrnehmung und Aufmerksamkeit vgl. Zimbardo et al. 2016: 150-173; Wendt 2014: 273-306; Schaub 2008: 61-66.

9

Schaub (2008: 61) nennt als Sinnesmodalitäten: visuelles System, auditives System, taktiles System, vestibuläres System, kinästhetisches System, chemische Systeme.

10 Vgl. Ansorge/Leder 2017: 8; Müller 2016b; Müller et al. 2015; Frings/Müller 2014; Lind et al. 2014. 11 Technische Geräte scheinen bei diesem Problem Abhilfe schaffen zu können, denn sie schließen subjektive Sinnestäuschungen aus. In der Tat gilt für die moderne Wissenschaft, dass Forschungsergebnisse oft mit technischer Hilfe, also z.B. mit Messgeräten, Teleskopen etc., zustande kommen. Doch dies bedeutet,

Kapitel 4: Das Weltbild des Donald Trump dass Ergebnisse einerseits davon abhängen, welche aktuellen technischen Möglichkeiten es gerade gibt. Andererseits übernehmen die Gerätschaften eine Mittlerfunktion: Forscher∙innen können nicht selbst und unmittelbar z.B. Einzeller ansehen oder Aufnahmen von der Rückseite des Mondes machen, sie sind auf die Art der Darstellung durch die technischen Hilfsmittel angewiesen. Insofern weist auch diese Art der Wirklichkeitserfassung gewisse Einschränkungen auf. 12 Zur Aufmerksamkeitsblindheit siehe Zimbardo et al. 2016: 154. 13 Dies wird als Bottom Up- vs. Top Down-Prozess bezeichnet; vgl. Zimbardo et al. 2016: 152f. 14 Zur kognitiven Dissonanz siehe Aronson et al. 2008: 163-165; Tavris/Wade 2001: 291-293; Aronson 1994: 185-206. 15 Vgl. beispielsweise Weltgesundheitsorganisation 2015; https://www.helmholtz. de/gesundheit/wie-viel-fleisch-ist-gesund/; https://www.umweltbundesamt. de/daten/land-forstwirtschaf t/beitrag-der-landwirtschaf t-zu-den-treibhaus gas#textpart-1; https://www.umweltbundesamt.de/themen/warum-fleischzu-billig-ist; https://www.boell.de/sites/default/files/fleischatlas_2018_iv_web. pdf?dimension1=ds_fleischatlas_2018 16 BLE (o.J.). 17 Für die kognitive Dissonanz, die bei Raucher·innen entsteht, wurde diese Strategie in mehreren Studien nachgewiesen. Vgl. beispielsweise Fotuhi et al. 2013. 18 Für eine Einführung in den Konstruktivismus und einen Überblick über unterschiedliche disziplinäre Ausrichtungen siehe Pörksen 2015. 19 Vgl. Siebert 2005: 22. 20 Dazu Siebert 2005: 55: »Der individuelle Konstruktivismus und der soziale Konstruktivismus sind keine Gegensätze, sondern eine Einheit. Menschliche Subjektivität ist individuell und sozial zugleich.« Vgl. beispielsweise auch Berger/Luckmann 1966 bzw. 1969/2004. 21 Vgl. Siebert 2005: 62. 22 Vgl. Baghramian/Carter 2018; Baumann 2015: 146f.

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Kapitel 5: Die traditionellen Massenmedien Watching the news gives me the blues. The Mystery Lights Damit sie sich in der Öffentlichkeit verbreiten können, benötigen Fake News und Verschwörungstheorien eine Plattform. Daher sind sie unweigerlich mit den Medien verbunden. In  Kapitel 2 zu Verschwörungstheorien wurde bereits erwähnt, dass technische Neuerungen und die damit geschaffenen Verbreitungsmöglichkeiten die Konjunktur von Verschwörungstheorien ankurbeln. Aber auch Fake News werden von den Medien übermittelt: In der bereits genannten Studie zu Fake News während des Bundestagswahlkampfs 2017 untersuchten die Autor∙innen, von wem die als Fake News identifizierten Nachrichten verbreitet wurden. Dabei traten neben Akteur·innen wie AfD-Politiker∙innen oder ideologisch ausgerichteten Medien wie der Epoch Times Deutschland auch Publikationsorgane, die den etablierten Medien zugerechnet werden, in Erscheinung – sei es, weil sie durch schlampigen Journalismus (Poor Journalism) die Grundlage für Fake News schufen oder diese selbst verbreiteten.1 Die Medien sind aber auch Gegenstand einer weit verbreiteten Verschwörungstheorie. Mit der Anschuldigung »Lügenpresse« wird ihnen vorgeworfen, sie würden nicht frei agieren, sondern als verlängerter Arm »der Anderen« gezielte und politisch gerichtete Falschinformationen verbreiten und somit Meinungsmache betreiben. Die Massenmedien sind also eng mit unseren Themen Fake News und Verschwörungstheorien verbunden. Im Folgenden möchten wir dieses Verhältnis daher näher beleuchten. Dazu ist es zunächst nötig, auf die Funktionen der Massenmedien einzugehen. Danach erläutern wir den Begriff Leitmedien und die Rolle der Medien als Gatekeeper und setzen beides in Bezug zum Vorwurf der »Lügenpresse«. Im An-

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Alternative Wirklichkeiten?

schluss daran wird erklärt, wie der mediale Kampf um die Aufmerksamkeit die Verbreitung von Fake News begünstigen kann.

Funktionen der Medien In einer Demokratie, in der alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht (Art. 20 Abs. 2 GG), müssen die Bürger·innen in die Lage versetzt werden, sich eine eigene Meinung zu politischen und gesellschaftlichen Fragen zu bilden, um ihre Entscheidungsgewalt ausüben zu können. Daher sind freie und unabhängige Medien eine wesentliche Voraussetzung für funktionierende demokratische Gesellschaften. So kommen insbesondere den Massenmedien (also Medien, die eine sehr große Anzahl von Rezipient·innen erreichen) in einer Demokratie drei grundlegende Funktionen zu: (1) Informationsfunktion, (2) Mitwirkung an der Meinungsbildung sowie (3) Kontrolle und Kritik.2 Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht beispielhaft im so genannten Spiegel-Urteil von 1966 festgeschrieben: Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung. In ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung; die Argumente klären sich in Rede und Gegenrede, gewinnen deutliche Konturen und erleichtern so dem Bürger Urteil und Entscheidung. In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungsund Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung. Sie fasst die in der Gesellschaft und ihren Gruppen unaufhörlich sich neu bildenden Meinungen und Forderungen kritisch zusammen, stellt sie zur Erörterung und trägt sie an die politisch handelnden Staatsorgane heran, die auf diese Weise ihre Entscheidungen auch in Einzelfragen der Tagespolitik ständig am Maß-

Kapitel 5: Die traditionellen Massenmedien

stab der im Volk tatsächlich vertretenen Auffassungen messen können. (BVerfGE 20, 162: 174f.)3 Im Einzelnen bedeutet das, dass die Medien Informationen für unterschiedliche Öffentlichkeiten und Adressat∙innenkreise auf bereiten und so bereitstellen müssen, dass alle Mitglieder einer Gesellschaft – unabhängig von kulturellem und sozialem Hintergrund, Bildungsgrad oder Alter – in der Lage sind, sich zu informieren und an Meinungsbildungsprozessen teilzunehmen. Insbesondere Nachrichtenformate sind wesentliche Informationsträger und daher ein grundlegender Bestandteil der Rundfunkprogramme. Dabei werden v.a. aktuelle Themen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur im nationalen und internationalen Rahmen, aber auch aus anderen, gesellschaftlich relevanten Bereichen, wie Lifestyle und Sport, präsentiert. Informierung und Meinungsbildung sind jedoch nicht beschränkt auf Nachrichten- und andere Informationsangebote. Allein dadurch, dass Themen in die Öffentlichkeit gebracht und der Diskussion ausgesetzt werden, werden sie der Meinungsbildung unterworfen. Entsprechend haben auch Unterhaltungsformate Anteil an der öffentlichen Meinungsbildung. So hat beispielsweise die seit 1985 (bis voraussichtlich 2020) wöchentlich in der ARD ausgestrahlte Serie Lindenstraße immer wieder bis dato brisante Themen wie AIDS (1988) oder (männliche) Homosexualität (1987/1990) in die Wohnzimmer der Zuschauer·innen getragen und damit teilweise hitzige öffentliche Debatten angestoßen. Besonders öffentlichkeitswirksam wird die Kontroll- und Kritikfunktion der Medien dann, wenn sie über Themen und Inhalte berichten, über die die Akteur∙innen selbst es vorziehen würden zu schweigen. Dies kann in Form investigativer journalistischer Arbeit passieren, für die die Aufdeckung der Watergate-Affäre während der Amtszeit des US-Präsidenten Richard Nixon ein bekanntes Beispiel ist ( Kapitel 2),4 aber auch durch die Veröffentlichung von Informationen, die den Medien oder einzelnen Journalist∙innen von so genannten Whistleblower·innen zugetragen werden. So wurden mit Hilfe Edward Snowdens im Jahr 2013 Überwachungspraktiken der US-Geheimdienste enthüllt. Und 2016 wurden die Panama Papers geleakt, die legale und illegale Strategien der Steuervermeidung des panamaischen Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca offenlegten, in die zahlreiche Politiker∙innen und Prominente verwickelt waren.

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Alternative Wirklichkeiten?

Die Regelung der Aufgaben, Rechte und Pf lichten der (Massen-) Medien ist bereits im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland angelegt worden: Art. 5 Grundgesetz: (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Seit 1987 sind sowohl öffentlich-rechtlicher wie auch privatrechtlicher Rundfunk im Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien, kurz Rundfunkstaatsvertrag (RStV), der freien Meinungsbildung sowie der Meinungsvielfalt verpf lichtet. Dabei ist für die öffentlich-rechtlichen Sender explizit als Auftrag formuliert, »dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen« (§ 11).5 Im Unterschied zu den Rundfunkmedien existieren für das Zeitungs- und Zeitschriftenwesen kaum staatliche Vorgaben, die Inhalte und Berichterstattung regeln – abgesehen von den allgemeinen Bestimmungen im Grundgesetz. Allerdings übernimmt der 1956 gegründete Presserat in Form einer freiwilligen Selbstregulierung auf Basis journalistisch-ethischer Grundregeln diverse Kontrollfunktionen, die in einem erstmals 1973 verfassten und seither regelmäßig überarbeiteten Pressekodex festgeschrieben wurden. Dieser Pressekodex bezieht sich auf die im Grundgesetz verbürgte Pressefreiheit und umfasst in seinem Regelapparat insgesamt 16 Punkte zur »Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit« (Präambel), in denen Journalist∙innen sich u.a. der Wahrheit, einer sorgfältigen Recherche und Berichterstattung sowie der Achtung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte verpf lichten ( Kapitel 6).6

Kapitel 5: Die traditionellen Massenmedien

(Leit-)Medien als Gatekeeper des Wissens Medien oder einzelne Medienangebote, die einen besonderen Einf luss auf die öffentliche Meinungsbildung haben, werden auch als Leitmedien bezeichnet.7 Häufig wird der Begriff Leitmedium auch mit Qualitätsmedium gleichgesetzt, und zwar insbesondere in Hinblick auf das Zielpublikum. Qualitätsmedien richten sich angesichts des Wissens, das für das Verständnis der Beiträge erforderlich ist, der anspruchsvollen Sprache sowie der Auswahl und Auf bereitung der Themen an ein Publikum mit einem gewissen Bildungsgrad.8 Zu den Leitmedien werden v.a. thematisch umfassende Massenmedien mit hoher Reichweite gerechnet, die aufgrund ihrer Reputation eine normative Leit- oder Vorbildfunktion für die Berichterstattung anderer Medien haben. Hierzu zählen im Bereich Information die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF ebenso wie die Tageszeitungen Süddeutsche Zeitung (SZ), die Frankfurter Allgemeine (FAZ), Die Welt, Frankfurter Rundschau, Die Tageszeitung (taz), die Bild-Zeitung, die Wochenzeitung Die Zeit sowie die Nachrichtenmagazine Der Spiegel, Focus und Stern. Internationale Leitmedien sind z.B. die BBC, France 2, ORF, The New York Times, The Wall Street Journal, The Guardian, The Times, Le Monde, Le Figaro, Corriere della Sera, La Repubblica oder die Neue Zürcher Zeitung.9 Die Reichweite eines Mediums, gemessen an der Anzahl der Nutzer∙innen, sichert den dort präsentierten Themen eine große Öffentlichkeit und bringt sie in die allgemeine Debatte ein. So hatte die 20:00 Uhr-Ausgabe der Tagesschau 2018 täglich durchschnittlich 9,63 Millionen Zuschauer·innen, die Süddeutsche Zeitung, Deutschlands auf lagenstärkste überregionale Tageszeitung, erreichte mit ca. 343.500 verkauften Exemplaren täglich 1,25 Millionen Leser·innen. Noch größer ist die Reichweite der Bild-Zeitung, die 2018 täglich ca. 9,3 Millionen Leser·innen hatte. Im ersten Quartal 2019 lag die Bild-Zeitung im Ranking der meistzitierten nationalen und internationalen Medien in Deutschland hinter dem Spiegel auf Rang zwei noch vor der New York Times (Rang drei); die Süddeutsche Zeitung folgte auf Rang acht und die Frankfurter Allgemeine auf Rang zehn.10 Die Relevanz oder Reputation eines Mediums hat weiterhin – unabhängig von seiner tatsächlichen Reichweite – Einf luss darauf, wie sehr andere Medienschaffende sich an ihm orientieren. Kann ein Publikationsorgan aufgrund seiner ausgewiesenen publizistischen Qualität in bestimmten Bereichen re-

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gelmäßig Themen platzieren, so kann es zugleich als vertrauensvolle Grundlage oder Quelle für die Arbeit weiterer Journalist∙innen dienen. Schließlich gelten solche Medien als Leitmedien, die es sich selbst zur Aufgabe gemacht haben, zum Funktionieren der Demokratie beizutragen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, verfügen sie über eine große, thematisch vielfältige Redaktion und ein eigenes Korrespondent∙innennetz im In- und Ausland. Darin unterscheiden sich zu den Leitmedien zählende Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine oder die Süddeutsche Zeitung nicht nur von der Boulevardpresse, sondern auch von den meisten Lokalzeitungen, die ihre Informationen oft von Presseagenturen wie der Deutschen Presse-Agentur (dpa), der Agence France-Press (AFP) oder Reuters beziehen oder aber Beiträge von freischaffenden Journalist∙innen einkaufen. Alle Medien, egal ob Leitmedium oder nicht, haben den Status von so genannten Gatekeepern (»Torhüter«). Denn Verleger∙innen, Herausgeber∙innen, Redakteur∙innen und Journalist∙innen entscheiden darüber, welche Informationen als von allgemeinem Interesse erachtet und entsprechend an die Öffentlichkeit gebracht werden und in welcher Form und Tiefe über ausgewählte Themen berichtet wird. Das heißt, allein durch die Entscheidung von Programmverantwortlichen oder Redakteur∙innen, über ein Thema zu berichten oder nicht, haben Medien Anteil an bzw. Einf luss auf die Meinungsbildung.

Alles nur »Lügenpresse«? Diese Eigenschaften von Medien dienen häufig als Argumente für die Verschwörungstheorie der »Lügenpresse«. So hat die Tatsache, dass sich die meisten Leitmedien aufgrund ihres Sprachniveaus und ihrer Themenauswahl in der Regel an ein eher gebildetes Publikum und damit auch an gesellschaftliche Entscheidungsträger·innen richten, ihnen den Beinamen »Elitemedien« eingebracht (die FAZ wirbt beispielweise mit dem Slogan »Wissen für kluge Köpfe«). Damit ist einerseits der Vorwurf verbunden, dass Rezipient·innen, die nicht über ein entsprechendes Bildungsniveau verfügen, ausgeschlossen würden. Andererseits wird aber auch bemängelt, dass sich die Themenauswahl am Interesse einer gehobenen sozialen Schicht orientiere. Inhalte, die für Angehörige anderer sozialer Schichten relevant wären, würden dagegen vernachlässigt.

Kapitel 5: Die traditionellen Massenmedien

Die Orientierungsfunktion der Leitmedien sowie die GatekeeperFunktion von Medien im Allgemeinen wird darüber hinaus so ausgelegt, dass diese willkürlich bestimmte Inhalte platzieren, andere dagegen zensieren würden. Dies äußert sich beispielsweise in Anschuldigungen, über ein Ereignis nicht rechtzeitig oder nicht ausführlich genug berichtet oder ein falsches Bild davon an die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Von hier ist es nicht mehr weit zu der verschwörungstheoretischen Annahme, dass im Hintergrund entweder Absprachen getroffen werden oder aber jemand die Medien entsprechend lenkt. Der Verdacht, dass das Bild, welches medial vom gesellschaftlichen und politischen Geschehen vermittelt wird, nicht der Wirklichkeit entspreche und wichtige Ereignisse und Entscheidungen vor der Öffentlichkeit verborgen würden, ist nicht neu. Anhand der »Print-Explosion« um 1800, die sich durch technische Neuerungen und gesellschaftliche Veränderungen ergab, zeigt der Medienwissenschaftler John David Seidler auf, dass ein Zusammenhang besteht zwischen Reichweite der Medien und ihrer Rolle bei der Informationsvermittlung auf der einen Seite sowie dem Misstrauen ihnen gegenüber auf der anderen.11 Der Begriff »Lügenpresse« tauchte bereits im 19. Jahrhundert auf, beispielsweise im Zuge der Revolution von 1848/49. Hier richtete er sich von katholisch-konservativer Seite an Publikationen liberal-demokratischer Ausrichtung. Aber auch während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 wurde er eingesetzt, um die französische Presse zu stigmatisieren.12 Im 20. Jahrhundert hatte das Schlagwort Konjunktur während des Ersten Weltkriegs sowie während des Dritten Reichs, als es v.a. vom Reichspropagandaministerium unter Joseph Goebbels benutzt wurde, um u.a. die ausländische Presse oder die Propaganda der Kriegsgegner zu verunglimpfen.13 Es wurde also zur bewussten Ausgrenzung und Diffamierung mit einer politischen Zielsetzung eingesetzt, um den medialen Output eines innen- oder außenpolitischen Gegners zu diskreditieren. »Lügenpresse« war somit von Beginn an als Kampf begriff verwendet worden. Ob diejenigen, die im Zuge der seit 2014 auftretenden Pegida-Kundgebungen »Lügenpresse« rufen, sich der gesamten historischen Dimension des Begriffs bewusst sind, kann nicht nachvollzogen werden. Er ist aber Ausdruck der oben skizzierten Verschwörungstheorie, die die etablierten Medien unter den Generalverdacht stellt, ein manipuliertes Bild der Wirklichkeit zu zeigen. Einzig so genannte »alternative Medien«, die »sagen, was Sache ist«, inszenieren

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sich als Leuchtfeuer im Täuschungsnebel. Die Verschwörungstheorie beschränkt sich dabei nicht auf Deutschland; das englische Pendant »Fake News« (als Vorwurf an Medienvertreter·innen) hat einen festen Platz in der Rhetorik des amerikanischen Präsidenten Donald Trump.14 Das Schlagwort »Mainstream-Medien« formuliert ebenfalls den Vorwurf, die Medien würden überall dasselbe sagen und schreiben, nur die Ansichten des »Establishments« wiedergeben oder in ihrer Berichterstattung lediglich politischen Vorgaben folgen.15 Auch in diesem Fall fühlen Kritiker∙innen sich mit ihren Themen und Meinungen in den Medien unterrepräsentiert. Die Schlagworte »Lügenpresse« und »Mainstream-Medien« unterstellen also, dass die Medien ihre gesellschaftlichen Aufgaben, wie sie oben skizziert wurden, vernachlässigen würden. Sind diese Vorwürfe haltbar? Tatsächlich lässt sich immer wieder beobachten, dass in den Medien ein gewisses Thema dominiert oder auch eine weitgehende Übereinstimmung der Meinungen zu diesem Thema herrscht. Schaut man sich beispielsweise die abendlichen Nachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und Sat 1 an, so stellt man fest, dass bei der Auswahl der Themen aus nationaler und internationaler Politik und Wirtschaft eine hohe Deckungsgleichheit besteht. Solcherlei Übereinstimmungen bedeuten jedoch weder, dass es sich hier um Absprachen handeln würde, noch, dass andere Themen und Meinungen keinerlei Berücksichtigung finden. Vielmehr kann die Fokussierung auf bestimmte Themen unterschiedliche Ursachen haben, denn bei der Entscheidung, ob und wie über etwas berichtet wird, spielen verschiedene Faktoren zusammen: (1) die Kriterien, nach denen Journalist∙innen Themen für die Berichterstattung auswählen, (2) die zur Verfügung stehenden Quellen, (3) die Orientierung an bestehenden Diskursen. 1.

Ein übergeordnetes Kriterium, nach dem Journalist∙innen und Redaktionen Themen für die Veröffentlichung auswählen, ist die Relevanz.16 Ein Thema kann dadurch Relevanz erlangen, dass ihm im politischen oder wirtschaftlichen Kontext Bedeutung beigemessen wird (wie z.B. Präsidentschaftswahlen in den USA), oder dadurch, dass es von direktem Publikumsinteresse ist (wie z.B. die Ankündigung einer langen Trockenperiode). Bei diesem Entscheidungsprozess spielt die generelle Ausrichtung des Publikationsorgans eine Rolle: Eine Zeitung wie die FAZ, deren Zielpublikum eher bürgerlich ist und wirtschaftliche Interessen hat, wird

Kapitel 5: Die traditionellen Massenmedien

bei der Themenauswahl einen anderen Fokus setzen als die taz, die sich an dezidiert linke Leser∙innen richtet.Was Nachrichten in Rundfunk und Presse betrifft, so sind neben der allgemeinen Bedeutung auch Aktualität und Faktizität (also der Umstand, dass etwas überprüf bar stattgefunden hat) für die Wahl des Themas ausschlaggebend. Bei Reportagen, Dokumentationen oder Berichten werden Themen und Ereignisse hingegen auch dann als relevant erachtet, wenn dem Thema eine längerfristige Bedeutung zugestanden wird. Darüber hinaus können praktische Kriterien wie vorgegebener Umfang eines Beitrags, Sendezeit, Qualität des Bildmaterials oder die finanziellen Mittel die Entscheidung beeinf lussen.17 Schließlich kann es durchaus vorkommen, dass Journalist∙innen und Medienvertreter∙innen nach eigenem Ermessen und im Rahmen der durch das Grundgesetz, den Rundfunkstaatsvertrag sowie den Pressekodex formulierten Aufgaben und Verantwortlichkeiten entscheiden, Meinungen, die gegen die Grundsätze der Demokratie und die Achtung der Menschenwürde verstoßen, nicht in die öffentliche Debatte einzubringen – was bei bestimmten Gruppierungen durchaus den Anschein erwecken kann, sie würden durch die Medien nicht repräsentiert. 2. Hinzu kommt, dass Journalist∙innen und Redaktionen ihre Informationen aus denselben Quellen – Nachrichtenagenturen, Pressekonferenzen und Pressemitteilungen – beziehen. Auch rezipieren Journalist∙innen sich gegenseitig, was nicht zwingend auf einen Mangel an Zeit für eigene Recherche oder gar auf Bequemlichkeit zurückzuführen sein muss, sondern in erster Linie in dem Vertrauen auf die Reputation der Fachkolleg·innen begründet ist. Dies gilt insbesondere, wenn diese für ein Leitmedium arbeiten. 3. Schließlich orientieren sich Journalist∙innen und Redaktionen auch an den Themen, die Entscheidungsträger∙innen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft für wichtig erachten, nicht zuletzt, weil sie auf möglichst aktuelle, verlässliche und für den jeweiligen Bereich einschlägige Inhalte angewiesen sind. Es gibt also mehrere Gründe, warum unterschiedliche Medien eine ähnliche Themenauswahl aufweisen können. Sieht man jedoch bei den Nachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und Sat  1 oder bei unterschiedlichen Zeitungen genauer hin, so differieren die Formate durch-

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aus, z.B. in Bezug auf Position oder Länge des Beitrags zu einem bestimmten Thema. Darüber hinaus werden in der Regel verschiedene Stellungnahmen, Einschätzungen oder Blickwinkel auf das Thema gebracht; dies zeigt, dass das Geschehen durchaus divers eingeschätzt und eingeordnet wird. Dadurch, dass in unterschiedlichen Medien die gleichen Themen präsentiert werden, werden die Gesellschaft als Ganzes betreffende Problemfelder medienübergreifend behandelt. Durch die unterschiedliche Art der medialen Auf bereitung wird aber dennoch Meinungsvielfalt abgebildet.

Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie Die Eigenheiten unseres Medienwesens, dass es Leitmedien gibt und Medien als Gatekeeper fungieren, liefern also Argumente für die Verschwörungstheorie der »Lügenpresse«. In welchem Zusammenhang stehen aber Medien und Fake News zueinander? Die Medien in Deutschland gliedern sich in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und in privatwirtschaftlich organisierte Organe. Zu ersterem gehören ARD, ZDF, die dritten Programme der ARD mit ihren Fernseh-, Radio- und Onlineangeboten sowie Deutschlandfunk und Deutsche Welle. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist überwiegend aus Rundfunkgebühren und nur geringfügig aus Werbeeinnahmen finanziert,18 alle anderen Medien sind hingegen darauf angewiesen, die Finanzierung des laufenden Betriebs sowie Gewinne über die Gesetze des Markts zu erzielen. Eine weitgehend privatwirtschaftliche Organisation der Medien bedeutet jedoch – bei aller Verpf lichtung zu repräsentativer Berichterstattung und Programmgestaltung –, dass letztlich nur das produziert wird, was auch ein Publikum findet. Das gilt in besonderem Maße für den privatrechtlichen Rundfunk, der sich ausschließlich durch Werbeeinnahmen finanziert, aber auch für das Zeitungs- und Zeitschriftenwesen, das in der Regel mischfinanziert ist aus Verkauf und Werbung:19 Der Umsatz steigt jeweils mit der Reichweite. Doch auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk spielen die Einschaltquoten bei der Auswahl des Programms eine entscheidende Rolle, denn die Ausgabe der Rundfunkgebühren will gerechtfertigt sein. Ziel muss es daher sein, möglichst viele Konsument∙innen zu erreichen. Insofern müssen Verantwortliche sich unweigerlich die Frage

Kapitel 5: Die traditionellen Massenmedien

stellen, wann eine Zeitung oder Zeitschrift gekauft bzw. eine Fernsehoder Radiosendung eingeschaltet wird. Zwar ist in unserer Gesellschaft der Zugang zu Informationen nahezu unbegrenzt, unsere Aufnahmefähigkeit ist es aber nicht ( Kapitel 4). Aufmerksamkeit wird daher zu einer knappen Ressource, um die entsprechend heftig konkurriert wird.20 Will man die eigenen Informationen platzieren, das eigene Blatt verkaufen, die eigenen Einschaltquoten erhöhen, müssen Themen und Inhalte so ausgewählt und präsentiert werden, dass sie die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen. Daher spielen aufmerksamkeitsökonomische Aspekte eine entscheidende Rolle, und zwar sowohl bei der Auswahl der Inhalte als auch bei deren Präsentation. Wenden wir uns zunächst den inhaltlichen Aspekten zu. Auf dem Blog der Tagesschau findet sich ein Brief von Grundschüler·innen, in dem diese sich darüber beklagen, dass in der Tagesschau »so viele schlechte Nachrichten verbreitet« würden.21 In seiner Antwort auf diesen Brief schreibt der Chefredakteur von ARD-aktuell, Kai Gniff ke: »Wir glauben, dass Nachrichten über das Besondere berichten sollen, also über die Abweichung von der Normalität.« In den Nachrichten sind also Außergewöhnliches und Neuigkeiten von Interesse; dies können spektakuläre Sportereignisse, seltene Wetterphänomene oder Großeinsätze der Polizei sein. Als Zuschauer·innen reagieren wir auf derartige Meldungen, indem wir ihnen unsere Aufmerksamkeit schenken. Negativität steigert diese noch zusätzlich ( Kapitel 6 und 8).22 So schreibt der israelisch-amerikanische Psychologe und Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman: Das Gehirn des Menschen und anderer Säugetiere enthält einen Mechanismus, der darauf ausgelegt ist, schlechten Nachrichten den Vorrang zu geben. Indem dieser Schaltkreis die Zeitspanne für die Wahrnehmung eines Fressfeindes um ein paar Hundertstelsekunden verkürzt, erhöht er die Chancen des Tieres, lange genug zu leben, um sich fortzupflanzen. […] Selbst auf rein symbolische Bedrohungen reagiert das Gehirn schnell. Emotional aufgeladene Wörter ziehen rasch die Aufmerksamkeit auf sich, und negativ besetzte Wörter (»Krieg«, »Verbrechen«) ziehen die Aufmerksamkeit schneller auf sich als positiv besetzte (»Frieden«, »Liebe«). Es gibt keine reale Bedrohung, aber die bloße Erinnerung an ein negatives Ereignis wird […] als bedrohlich eingestuft23 (Kahneman 2012b: 370; Übersetzung: Thorsten Schmidt)

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Insofern scheint das Motto zu stimmen: »Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten«, denn sie kurbeln den Konsum an. Dies kann die Dominanz von Berichten aus Kriegsgebieten und über terroristische Anschläge, über politische oder wirtschaftliche Skandale, Natur- oder sonstige Katastrophen, dramatische Rettungseinsätze sowie Verkehrsunfälle mit Todesopfern erklären. Der Kampf um Aufmerksamkeit bestimmt aber nicht nur die Themenauswahl, er hat auch maßgeblichen Einf luss auf die Präsentationsform. Anfang der 1990er Jahre kritisierte der damalige Chefredakteur von RTL, Dieter Lesche, die Tagesschau für ihre »langweilige« Darbietung und ihr »strohtrockenes Nachrichtendeutsch«: Im Jahre des Herrn 1992 einen Berufssprecher seelenlos, monoton und autoritär die Meldung vom Blatt ablesen zu lassen, ist zwar mit einer langen Tradition zu erklären, aber keinesfalls zu verzeihen. Öder kann Fernsehen sich kaum präsentieren. Früher übertraf wenigstens die sozialistische Nachrichtengebung unsere TAGESSCHAU noch an Langeweile, jetzt hat die alte Dame auch auf diesem Terrain kaum noch Konkurrenz. Zum Beispiel die Sprache: Sie muss sinnlicher, verständlicher sein, sich nicht am strohtrockenen Nachrichtendeutsch orientieren, sondern an der Umgangssprache. Vielleicht würden die Zuschauer auf diese Weise Meldungen nicht nur hören, sondern sogar verstehen […] Die nahezu endlose Abfolge von Filmen, in denen Menschen herumsitzen, in Autos fahren, sich die Hände schütteln, Ehrenformationen abschreiten, Statements abgeben, ist an Öde nicht zu überbieten. (Zitiert nach Meyn/Tonnemacher 2012: 140) Würde man daraus Kriterien für eine gelungene Nachrichtensendung im Sinne Lesches ableiten, so sollten Nachrichten da, wo die Tagesschau »seelenlos« sei, emotional, gefühlsbetont und menschlich sein; anstatt »monoton«, »langweilig« und »öde« interessant, spannend, aufregend und unterhaltsam; anstatt »autoritär« locker und eher kumpelhaft. Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Sprache als auch auf die Bildauswahl in der Nachrichtenpräsentation. Wie versucht der Privatsender RTL also, seine eigene Nachrichtensendung RTL Aktuell von »Deutschlands ältester, bekanntester und erfolgreichster Nachrichtensendung« (so die Selbstbeschreibung der Tagesschau)24 abzugrenzen? Allgemein ist die Ausdrucksweise der RTL Aktuell-Moderator·innen umgangssprachlicher, salopper als die der

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Tagesschau-Sprecher·innen. Neben der Nachrichtenmeldung erhalten die Zuschauer·innen auch Einblicke in irrelevantes Randgeschehen, wie z.B. das vorherrschende Wetter oder die Dekoration am Ort des Ereignisses. Auf Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft folgt die ein oder andere Meldung, die eher dem Boulevard-Bereich zuzurechnen ist, wie Berichte über Tierbabys in Zoos. Im Wesentlichen weicht RTL Aktuell somit in zwei Aspekten von der Nachrichtenpräsentation der Tagesschau ab: (1) In die so genannten harten Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, bei denen der Informationsgehalt und die Folgen eines Ereignisses im Vordergrund stehen, werden »weiche« Elemente integriert, die das Geschehen aus einem menschlichen Blickwinkel präsentieren und dadurch nahbar machen. (2) Darüber hinaus werden auch die harten Nachrichten selbst auf eine Art und Weise vermittelt, die zugleich der Unterhaltung der Zuschauer∙innen dienen soll: So geben die Moderator·innen direkte, teils ironische Kommentare ab, die Bildauswahl ist emotionaler und die Bildschnitte sind dynamischer, und zwischen den einzelnen Meldungen wird ein Jingle eingespielt. Insofern verschmelzen bei RTL Aktuell Information und Unterhaltung; man spricht von Infotainment (aus Information und Entertainment). Infotainment-Formate folgen bestimmten Inszenierungs- und Darstellungsstrategien, die der klassischen, rein sachlich ausgerichteten Nachrichtenpräsentation entgegenlaufen: An die Stelle von Sachbezogenheit tritt Personalisierung, die nüchterne Darstellung wird durch Emotionalisierung und Anekdoten ergänzt. Infotainment-Formate müssen der Informationsaufnahme nicht abträglich sein.25 Um jedoch die Verstehens- und Deutungsprozesse der Zuschauer·innen zu vereinfachen, arbeiten sie mit Simplifizierung und Stereotypisierung.26 Simplifizierung bedeutet, dass die Komplexität einer Meldung reduziert wird; solange alle wesentlichen Faktoren genannt werden, muss dies nicht heißen, dass eine Nachricht verfälscht wird. Allerdings kann Simplifizierung auch Folge des Zeitdrucks, der zu den Rahmenbedingungen journalistischer Arbeit gehört, sein. Denn insbesondere im Nachrichtensektor entscheidet nicht zuletzt die Aktualität und Exklusivität einer Meldung darüber, ob das Publikum ihr Aufmerksamkeit schenkt und sie große Reichweite erzielt. Zeitdruck erlaubt jedoch möglicherweise keine tiefe Recherche, weshalb insbesondere Eilmeldungen einen Sachverhalt oftmals vergleichsweise vereinfacht und ohne Hintergrundinformationen präsen-

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tieren. Auch geschieht es immer wieder, dass Quellen nur lückenhaft überprüft werden und sich auf diese Weise Fehler in die Berichterstattung einschleichen. Die häufig für schnelle Meldungen genutzten Technologien können ebenfalls inhaltliche Verkürzungen forcieren. Um etwas möglichst rasch an die Öffentlichkeit zu bringen, eignen sich v.a. Push-Dienste und soziale Medien wie Twitter. Dabei ist ein Tweet bei Twitter auf 280 Zeichen begrenzt und auch Push-Nachrichten orientieren sich in der Darstellung an der begrenzten Anzahl von Zeichen, die beispielsweise auf einem Smartphone-Bildschirm oder einer Smartwatch darstellbar sind. Stereotype stellen ebenfalls eine Art von Vereinfachung dar. Stereotype sind »mentale Schubladen«, die entweder im persönlichen Umfeld oder durch Medienrezeption vermittelt werden: Medien, genauer: Journalistinnen, Journalisten und Werbetreibende, setzen bewusst und unbewusst auf Stereotype. Wenn sie Medieninhalte produzieren, greifen sie auf die »Bilder in ihren Köpfen« zurück. Diese Kognitionen werden materialisiert, in grafische und optische Bilder transferiert und mittels Sprache und sprachlichen Bildern medial vermittelt. Als rezipierte Medienbilder knüpfen sie dann wieder an bereits vorhandene Bilder in unseren Köpfen an. So versorgen uns Journalismus und Werbung mit Hinweisen auf gesellschaftliche Normen, beispielsweise Geschlechternormen, also wie sich »Männer« und wie sich »Frauen« zu verhalten haben, wenn sie denn als solche wahrgenommen werden wollen. (Thiele 2016: 24) Indem ihnen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden, werden Menschen und Objekte in Typen und Klassen eingeteilt. Da ein Stereotyp erst einmal nur das »geglaubte Wissen« über eine bestimmte Gruppe zusammenfasst, müssen Stereotype nicht grundsätzlich negativ sein, sie können auch positiv oder neutral besetzt sein, oder aber je nach Sichtweise das Eine oder Andere. Das Stereotyp der ordnungsliebenden, pünktlichen Deutschen mag als Selbstbild z.B. positiv sein, kann in der Fremdsicht aber durchaus genervte Untertöne haben. Regelmäßig greifen Medien in Unterhaltungsformaten auf Stereotype zurück, die von den Betroffenen durchaus kritisch gesehen werden. So monierte der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau aus Sorge um das Image seiner Stadt den am 20. Januar 2019 ausge-

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strahlten Tatort Zorn, den immerhin 9,22 Millionen Menschen gesehen hatten: Darin werde ein klischeehaftes, also stereotypes Bild der Stadt und seiner Bewohner∙innen als arbeitslos und Bier trinkend gezeichnet, das die Zuschauer∙innen – obwohl Fiktion – »für bare Münze nehmen«.27 Aber auch Nachrichtenformate arbeiten mit Stereotypen. Berichte über Altersarmut sind beispielsweise gerne mit Bildern von eintönig gekleideten, einsamen alten Menschen illustriert, gelegentlich werden sie beim Sammeln von Pfandf laschen aus Mülleimern gezeigt. Und Berichte über die Elternzeit von Vätern zeigen neue Männerbilder von »Hipster«-Vätern, die mit ihren Kindern auf den Spielplatz gehen oder ihnen vorlesen, während die Mütter das Bild der gutaussehenden Karrierefrau erfüllen. Oftmals werden Stereotype auch mit Narrativen verknüpft, beispielsweise wenn Sportler·innen als Held∙innen oder Menschen mit Behinderung als Opfer dargestellt werden (mehr zu Narrativen in  Kapitel 7). Auf diese Weise verzerren Stereotypisierungen die Wirklichkeit nicht nur, ihr repetitiver Abruf in den Medien trägt sogar zu einer nachhaltigen Verankerung dieser verzerrten Wirklichkeit in den Köpfen bei und fördert in letzter Konsequenz sogar Vorurteile.28

Was hat das alles mit Fake News zu tun? Die Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie unterstützen Neues, Emotionales, Sensationelles. Fake News machen sich diese Prinzipien zunutze: Während sich wahre Meldungen meist einem bekannten Inhalt zuordnen lassen, handelt es sich bei vielen Inhalten von Fake News um wirklich noch nie Gehörtes, sensationelle Neuigkeiten oder Negativinformationen, die starke Emotionen triggern: Barack Obama – kein US-Staatsbürger? Das wusste ich nicht, ich bin hellwach. Spinnen auf dem Mars – sensationell! Schnell auf den Link geklickt. Schon wieder sexuelle Übergriffe von Flüchtlingen auf Frauen? Der Blutdruck steigt. – Bei dieser Art von gefälschten Meldungen werden also die gleichen Mechanismen angewandt, die wir aus unserem täglichen medialen Konsum bereits kennen. Daher fallen sie uns auch nicht als ungewöhnlich oder ungebührlich auf. Fake News folgen hier nur einem breit ausgetretenen Weg. Aber die Prinzipien der Aufmerksamkeitsökonomie erleichtern nicht nur frei erfundenen Meldungen die Verbreitung. Auch dadurch, dass bestimmte Themen, die »gut gehen«, in der medialen Bericht-

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erstattung gehalten werden, kann eine Form von Fake News kreiert werden, nämlich die der False Balance ( Kapitel 1): Wird über ein Thema umfassend und ausgiebig über mehrere Tage oder Wochen hinweg berichtet, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ihm auch von den Rezipient∙innen eine gewisse Relevanz beigemessen wird, getreu dem Motto: Wenn alle ständig darüber reden, muss es ja wichtig sein. False Balance kann auch ganze Themenbereiche betreffen, die überproportional präsentiert werden, wie z.B. Straftaten, die von gef lüchteten Menschen begangen werden. Wird über ein derartiges Thema häufig und immer wieder berichtet, so kann das zu einer falschen Wahrnehmung der Wirklichkeit und zu Verunsicherung führen, indem z.B. die Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse überschätzt wird. Gleichzeitig wird einer bestimmten Meinung zu einer unverhältnismäßigen Öffentlichkeit verholfen. Dieser Typ von Fake News, False Balance, kann auch in der Dominanz mancher Medienkonzerne begründet sein. So finden sich beispielsweise unter dem Dach des Bertelsmann-Konzerns die RTL Group, Penguin Random House und Gruner + Jahr (zu denen wiederum Verlage wie btb, Goldmann, Prestel und Siedler bzw. Zeitschriftenmarken wie Brigitte, Geo und Stern gehören); das Verlagshaus Axel Springer bringt die Bild und Die Welt heraus. Hat ein Medienkonzern oder Verlagshaus Anteile an Fernsehsendern, Radioprogrammen, Tageszeitungen und Zeitschriften, so liegt schon aus ökonomischen Gründen die Überlegung nahe, die vorhandenen Informationen auf unterschiedlichen Wegen zu verbreiten. Dies kann wiederum eine überproportionale Fokussierung auf einzelne Themen zur Folge haben. Wie erwähnt, können Infotainment-Formate zu Verzerrungen der Wirklichkeit führen. Wird die Berichterstattung primär oder nahezu ausschließlich so ausgerichtet, dass sie eine bestimmte Wirkung erzielt, so wird letztlich auch die Informationsvermittlung darunter leiden, da sie sich von einer sachbezogenen hin zu einer boulevardlastigen Berichterstattung verschiebt. Schlimmstenfalls kann die Wahrheit gebeugt oder so genutzt werden, wie sie gerade in die Dramaturgie der Story passt. Insbesondere die Bild-Zeitung stand deswegen in der Vergangenheit häufig in der Kritik, weil Sachverhalte bis zur Verfälschung des Nachrichtenkerns vereinfacht, unwichtige Themen aufgebauscht und wichtige Themen weggelassen worden seien.29 Auch der Fall des Reporters Claas Relotius, der über mehrere Jahre hinweg für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel und andere Publikationsorgane

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verfasste Artikel und Reportagen in großem Stil gefälscht oder erfunden hatte, lässt sich hier einordnen: Relotius verpackte journalistische Inhalte in personalisierte, emotional anrührende Geschichten, um die Leser∙innenschaft anzusprechen – dabei wurde die Wirkung des Endprodukts über die Richtigkeit der Fakten gestellt ( Kapitel 7). Die oben erwähnte Tendenz zur Simplifizierung von komplexen Sachverhalten kann ebenfalls einen Nährboden für Fake News bieten, z.B. wenn Ereignisse so verkürzt wiedergegeben werden, dass eine falsche Interpretation begünstigt wird. Ebenso kann die Verwendung von Stereotypen Einschätzungen entstehen lassen, die Wasser auf die Mühlen von Fake News sein können, wie beispielsweise das Klischee vom gewaltbereiten (muslimischen) Flüchtling. Aber auch die allgemeinen Rahmenbedingungen, die die journalistische Arbeit begleiten, können Fake News generieren. Oben wurde bereits der Zeitdruck angesprochen, unter dem Journalist·innen oft arbeiten müssen. Dies kann zu Fällen von Poor Journalism führen, die dann wiederum ein Eigenleben als Fake News entwickeln ( Kapitel 1). So wurden beispielsweise bei einer dpa-Meldung über ein Stadtfest in Schorndorf aus 1000 Jugendlichen, von denen der Großteil Migrationshintergrund hatte und einige randalierten, 1000 randalierende junge Leute mit größtenteils Migrationshintergrund. Diese Meldung wurde dann ungeprüft von anderen Medien übernommen.30

Fazit Fassen wir noch einmal zusammen: Die Medien haben die Aufgabe, uns eine unabhängige Meinungsbildung zu ermöglichen. Die vorangehenden Ausführungen haben aber gezeigt, dass die Repräsentation der Wirklichkeit in den Medien von bestimmten Faktoren beeinf lusst wird: Da unsere Welt höchst komplex ist, können Medien nur Ausschnitte der Wirklichkeit zeigen. Dabei spielen sowohl für die Auswahl als auch für die Präsentation der Themen aufmerksamkeitsökonomische Aspekte eine Rolle. Ist also das Misstrauen, das den Medien in den letzten Jahren entgegengeschlagen ist, berechtigt? Nein, ist es nicht. Wer sich einmal die Mühe macht, die Darstellungen zu einem Thema in unterschiedlichen Medien zu lesen, zu hören oder sich anzusehen, wird feststellen, dass durch die Vielfalt unseres Mediensystems eine umfassende Auf bereitung von Inhalten stattfin-

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det. Dass sich die Ausführungen nicht immer decken und sich Einschätzungen widersprechen mögen, ist dabei kein Qualitätsmangel, sondern Ausdruck von Meinungsvielfalt und einem sich ergänzenden System. Allerdings verlangt dies von den Konsument·innen eine Kenntnis dessen, wie Medienmeldungen zustande kommen und was sie leisten können, sowie eine aktive, ref lektierte Nutzung des Medienangebots. Die Verantwortung dafür, umfassend informiert zu sein, kann also nicht an die Medien abgegeben werden, sondern liegt bei jedem und jeder Einzelnen.

Anmerkungen 1

Sängerlaub et al. 2018: 85.

2

Meyn/Tonnemacher 2012:1318, 245.

3

Zitiert nach Detjen 2009: 216f.

4

Die Reporter der Washington Post, Bob Woodward und Carl Bernstein, erhielten für ihre Recherchen den Pulitzer-Preis.

5

Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV) vom 31.  August 1991 in der Fassung des Einundzwanzigsten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Einundzwanzigster Rundfunkänderungsstaatsvertrag), in Kraft seit 25. Mai 2018.

6

Deutscher Presserat 2017.

7

Künzler 2013; Jarren/Vogel 2011.

8

Blum 2011: 10.

9

Vgl. Krüger 2016: 23; Blum 2011: 7.

10 Zur Reichweite der Tagesschau siehe https://www.tagesspiegel.de/adverto rials/ots/ndr-das-erste-9-6-millionen-taeglich-sehen-die-20-uhr-tagesschau /23820128.html, zu der der Süddeutschen Zeitung siehe https://sz-media.sued deutsche.de/de/home/index.html. Statista nennt für das erste Quartal 2019 für die SZ 338.001 Leser∙innen pro Ausgabe; vgl. IVW 2019. Zur Reichweite der Bild siehe Springer o.J. [2012-2018], zum Ranking der meistzitierten Medien vgl. Media Tenor o.J. [2019]. 11 Seidler 2016: 115-173. 12 van Raden 2017: 202. 13 Hierzu und zum Folgenden vgl. Klausnitzer 2017. 14 So wurde beispielsweise am 6. November 2018 in einer verbalen Auseinandersetzung auf einer Pressekonferenz zwischen Donald Trump und dem CNN-Chefkorrespondenten Jim Acosta vom US-Präsidenten der Vorwurf geäußert »When you report Fake News, which CNN does a lot, you are the enemy of the people«. Acosta wurde darüber hinaus im Anschluss an die Pressekonferenz seine Akkreditierung entzogen (er erhielt sie jedoch rund zwei Wochen später zurück). Siehe https://

Kapitel 5: Die traditionellen Massenmedien www.zeit.de/politik/ausland/2018-11/donald-trump-us-praesident-jim-acos ta-cnn-journalist-akkreditierung; https://www.sueddeutsche.de/medien/jimacosta-cnn-trump-1.4218781 15 Eine kritische Analyse des Begriffs bei Krüger 2016. 16 Die Kriterien werden in der Literatur ganz unterschiedlich diskutiert, vgl. Lischka/ Stöcker 2017: 19; Weischenberg et al. 2006: 346. 17 Vgl. Jäckel 2008: 203ff. 18 2016 etwa lagen die Einnahmen aus Rundfunkgebühren bei 5,258 Milliarden Euro und die Einnahmen aus Werbeumsätzen von ARD und ZDF netto bei 346,5 Millionen bzw. brutto bei 592,1 Millionen. Vgl. PwC 2019a. Zu den Werbefernsehumsätzen von ARD und ZDF siehe http://www.ard.de/home/die-ard/fakten/ard-me diendaten/Werbefernsehumsaetze_von_ARD_und_ZDF/408628/index.html 19 Im Jahr 2018 haben Zeitungen 65% ihres Umsatzes über den Vertrieb generiert (60% Print, 5% Digital) und zu 35% aus Werbeaufträgen (31% Print, 4% Digital); vgl. PwC 2019b. 20 Vgl. hierzu grundlegend Franck 1998. 21 Siehe https://blog.tagesschau.de/2019/02/01/gute-nachrichten/ 22 Siehe auch Berger/Milkman 2012; Jaster/Lanius 2019: 52. 23 Im Original: »The brains of humans and other animals contain a mechanism that is designed to give priority to bad news. By shaving a few hundredth of a second from the time needed to detect a predator, this circuit improves the animal’s odds of living long enough to reproduce. […] The brain responds quickly even to purely symbolic threats. Emotionally loaded words quickly attract attention, and bad words (war, crime) attract attention faster than do happy words (peace, love). There is no real threat, but the mere reminder of a bad event is treated […] as threatening.« (Kahneman 2012a: 301) 24 Siehe http://intern.tagesschau.de/ 25 Vgl. hierzu Leidenberger 2015: 52, 99; Bernhard 2012, insbesondere 14ff., 3850; Klöppel 2008: 9-41. 26 Vgl. hierzu Klöppel 2008: 20-31. 27 Vgl. Denk 2019; FAZ/dpa 2019. 28 Appel 2008. 29 Meyn/Tonnemacher 2012: 75. 30 Sängerlaub et al. 2018: 35f.

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Kapitel 6: Digitale Medien When people use Facebook to see exactly what they want to see, their understanding of the world can be greatly affected. Cass R. Sunstein (2017: 2) In den 1990er Jahren veränderte sich die Medienlandschaft durch die Entwicklung der Computertechnik und des Internets radikal.1 Zunächst hatte die Erfindung des Personal Computers (PC) Mitte der 1970er Jahre auch für Privatpersonen einen Zugang zu neuen Kommunikationstechnologien ermöglicht. Die Verbesserung der Nutzer∙innenfreundlichkeit sowie die Senkung des Anschaffungspreises von PCs führte dann in den 1990ern dazu, dass jene immer stärker Einzug in Privathaushalte hielten. Mit der Entwicklung des so genannten Web 2.0 zu Beginn des 21. Jahrhunderts konnten die Nutzer∙innen, die bis dahin reine Konsument·innen gewesen waren, nun über neue Webservices selbst Inhalte bereitstellen, ohne über eigene fundierte technische Kenntnisse verfügen zu müssen. Da gleichzeitig immer mehr Menschen Zugang zum Internet hatten, etablierte sich dieses als interaktives Format. Das schuf die Grundlage für soziale Netzwerke wie Facebook (seit 2004), aber auch für technologische Innovationen wie Cloud Computing, wodurch das Web selbst zur Plattform für Inhalte wurde: Daten wurden und werden nun vermehrt dezentral auf Servern abgelegt und sind damit unabhängig vom Zugriff auf ein bestimmtes Speichermedium. Die Entwicklung und Verbreitung bedienfreundlicher und massentauglicher mobiler Endgeräte wie Smartphones und Tabletcomputer – das erste iPhone kam 2007 auf den Markt, das erste iPad 2010 – sowie mobiler Internetzugänge steigerten darüber hinaus die Möglichkeiten der Kommunikation, des interaktiven Austauschs und der kollaborativen Zusammenarbeit. Durch den nahezu unbegrenzten Zugang zu Infor-

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mationen und der Möglichkeit, an Diskussionen und Wissensproduktion zu partizipieren, hat sich gleichzeitig auch der Kontrolldruck der Nutzer∙innen auf die traditionellen Massenmedien verstärkt.

Online-Medien als Nachrichten- und Informationsquellen Die Deutschen nutzen neben den traditionellen Massenmedien zunehmend auch das Internet als bevorzugte Nachrichten- und Informationsquelle; dies gilt v.a. für die Altersgruppen der unter 45-Jährigen. Auch soziale Medien werden für diesen Zweck genutzt, und zwar umso öfter, je jünger die Konsument·innen sind.2 Dies lässt vermuten, dass Online-Medien und insbesondere soziale Medien in Zukunft über die Gesamtbevölkerung gesehen eine immer stärkere Rolle dabei spielen werden, wo man sich über das aktuelle Tagesgeschehen informiert. Zwar verfügen auch klassische Nachrichtenmedien wie die Tagesschau oder die Süddeutsche Zeitung über eigene Kanäle bei Facebook und Twitter, dennoch verlieren sie in der digitalen Welt ihren exklusiven Status als Informationsvermittler. Denn zum einen kann im Internet prinzipiell jede∙r Inhalte veröffentlichen. Zum anderen bestimmen bei sozialen Netzwerken wie Facebook die Algorithmen, welche Meldungen den Nutzer·innen angezeigt werden. Dadurch bröckelt bei den klassischen Nachrichtenmedien ihr traditioneller Status als Gatekeeper des Wissens ( Kapitel 5).3 Klassische Nachrichtenmedien unterscheiden sich von Internetangeboten und sozialen Medien in zwei wesentlichen Punkten: 1. Klassische Nachrichtenmedien sind redaktionell betreut, d.h. sie verfügen über eine Redaktion ausgebildeter Journalist·innen, die Nachrichten und Berichte auswählen und prüfen. Journalist·innen, die für Nachrichtenorgane arbeiten, folgen Verhaltensgrundsätzen, die in Deutschland in einem Pressekodex verankert sind und für das publizistische Arbeiten gelten ( Box am Ende dieses Unterkapitels). Diese Verhaltensgrundsätze betreffen sowohl die journalistische Arbeit selbst, zu der eine genaue und möglichst sorgfältige Recherche ebenso gehört wie die Richtigstellung von Fehlern oder Falschmeldungen sowie die Achtung der Menschenwürde oder das Verbot von Diskriminierung. Personen, die im Internet Inhalte ver-

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öffentlichen, sind hingegen nicht an ethische Richtlinien gebunden. 2. Klassische Nachrichtenmedien und die meisten der rein onlinebasierten Angebote unterscheiden sich in der Finanzierung. Während die Konsument∙innen die Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über ihre Gebühren und Zeitungen und Zeitschriften über den Kaufpreis (mit-)finanzieren, scheinen onlinebasierte Angebote kostenlos zu sein. Gerade weit verbreitete soziale Medien wie Facebook oder WhatsApp verlangen keine Nutzungsgebühr, was bedeutet, dass sie ihr Geld mit etwas Anderem verdienen müssen. Dies geschieht – ähnlich wie bei den privaten Rundfunkanbietern – in erster Linie durch Werbeeinnahmen, die umso höher sind, je attraktiver die jeweilige Plattform für die Werbetreibenden ist. Darüber hinaus ging beispielsweise die Firma Facebook Inc. im Mai 2012 an die Börse, weshalb das Unternehmen gewinnorientiert agieren muss. Das hat weitreichende Auswirkungen: Da jede∙r – egal ob Einzelperson, Interessensgemeinschaft oder politische Gruppierung – eigene Meinungen oder Ansichten über einen Onlinekanal verbreiten kann, wird das Meinungsbild insgesamt vielfältiger. Dies ist zunächst einmal nicht negativ, problematisch wird es allerdings dann, wenn als Nachrichten oder Sachinformationen ausgegebene Veröffentlichungen zu stark meinungsgefärbt oder aufgrund mangelhafter Überprüfung der Fakten fehlerbehaftet sind. Denn solange keine Gesetze gebrochen werden – wie es beispielsweise bei übler Nachrede oder Verleumdung der Fall wäre –, kann alles behauptet werden, ohne dass die Urheber·innen zur Richtigstellung verpf lichtet wären. Auf diese Weise finden Fake News und Verschwörungstheorien Verbreitung. Gleichzeitig ermöglicht das Internet prinzipiell eine nahezu unbegrenzte Reichweite. Ein Beispiel ist der YouTuber LeFloid, alias Florian Diedrich, dessen YouTube-Kanal 3.030.898 Abonnent∙innen hat (Stand: 18. Juni 2019). Eine Unterkategorie dieses Kanals ist LeNews, in dem LeFloid in ca. fünf bis zehn Minuten Meldungen präsentiert und kommentiert. Diese Videos werden im Schnitt von 300.000 bis 500.000 Nutzer·innen gesehen. So können Einzelpersonen zu Influencer·innen werden, indem sie maßgeblich an der Meinungsbildung im Netz beteiligt sind. Eine noch größere Dimension erreichte ein Video des YouTubers Rezo, das am 18. Mai 2019, eine Woche vor der Europawahl, veröffentlicht wurde. Dieses

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Video mit dem Titel »Zerstörung der CDU« griff die Politik der CDU und der zu diesem Zeitpunkt regierenden großen Koalition, insbesondere im Bereich Klimapolitik, scharf an und gab klare Wahlempfehlungen an die Zuschauer∙innen. Zwei Tage vor der Europawahl am 26. Mai 2019 war das Video bereits 7,5 Millionen Mal angeklickt worden, eine Woche später bereits 14 Millionen Mal – eine Reichweite, von der klassische Medien nur träumen können. Dazu bietet das Internet die Möglichkeit, Inhalte auf einfachste Weise zu teilen. Musste man früher Zeitungsartikel ausschneiden und kopieren oder zum Telefonhörer greifen, um auf eine bestimmte Nachricht aufmerksam zu machen, so genügt heute ein Klick, um einer anderen Person unmittelbar einen Inhalt zukommen zu lassen. Auf diese Weise können sich Meldungen in kurzer Zeit sehr schnell verbreiten, d.h. viral gehen. Reichweite kann im Internet auch automatisiert angekurbelt werden; dazu werden so genannte Bots eingesetzt. Das können verhältnismäßig einfache Programme sein, die selbstständig auf Seiten klicken und damit künstlichen Traffic erzeugen (Click Bots). Andere Programme können das Netzverhalten von Nutzer·innen simulieren, indem sie beispielsweise Kommentare in Foren posten oder auf Kommentare reagieren (Social Bots). Ziel ist es, »echte« Nutzer·innen zu weiteren Kommentaren oder zum Teilen von Posts zu animieren, denn höherer Traffic und aktive User·innen erhöhen die Auffindbarkeit von Seiten für Suchmaschinen und ihren Werbewert. Auszüge aus dem Pressekodex4 Im Folgenden finden sich Auszüge aus dem Deutschen Pressekodex. Abgedruckt sind dabei diejenigen Aspekte, die unmittelbare Auswirkungen auf journalistische Arbeit haben, die aber von Privatpersonen, die im Internet veröffentlichen, nicht beachtet werden müssen. Kommentare der Autorinnen zu diesen Aspekten sind kursiv gesetzt. Präambel Die im Grundgesetz der Bundesrepublik verbürgte Pressefreiheit schließt die Unabhängigkeit und Freiheit der Information, der Meinungsäußerung und der Kritik ein. Verleger, Herausgeber und Journalisten müssen sich bei ihrer Arbeit der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und ihrer Verpf lichtung für das Ansehen der Presse bewusst sein. Sie nehmen ihre publizistische Aufgabe fair, nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinf lusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen wahr. […]

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Personen, die im Internet publizieren und nicht zu einer der genannten Berufsgruppen gehören, sind weder der Öffentlichkeit noch dem Ansehen der Presse verpf lichtet. Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien. […] Onlineinhalte müssen sich nicht der Wahrhaftigkeit und der Achtung der Menschenwürde als oberstes Gebot verpf lichtet fühlen (Rechtsverletzungen werden allerdings geahndet). Ziffer 2 – Sorgfalt Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. […] Sorgfältige Recherche kann bei Onlineinhalten nicht vorausgesetzt werden. Unbestätigte Behauptungen, Gerüchte und Vermutungen sind möglicherweise nicht von Meldungen, die auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft wurden, zu unterscheiden. Ziffer 3 – Richtigstellung Veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen, insbesondere personenbezogener Art, die sich nachträglich als falsch erweisen, hat das Publikationsorgan, das sie gebracht hat, unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtig zu stellen. […] Fehlerhafte oder falsche Behauptungen müssen nicht korrigiert oder gelöscht werden – es sei denn, der Gesetzgeber verpf lichtet dazu. Solange eine falsche Behauptung online ist, ist sie auch zugänglich.

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Ziffer 6 – Trennung von Tätigkeiten Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage stellen könnten. […] Die Trennung von Tätigkeiten soll Interessenskonf likte vermeiden. Während Verleger·innen, Herausgeber·innen und Journalist∙innen der Öffentlichkeit verpf lichtet sind, können Personen, die im Internet publizieren und nicht zu einer der genannten Berufsgruppen gehören, im Sinne ganz unterschiedlicher Interessen publizieren (vgl. auch Anmerkung zu Ziffer 7). Ziffer 7 – Trennung von Werbung und Redaktion Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein. […] Ob es sich bei einer Veröffentlichung um Werbung oder um eine sorgfältig recherchierte Information handelt, ist nicht zwingend erkenntlich. Gerade auf Online-Portalen kann die Vermischung von Werbung und Information leitendes Geschäftsprinzip sein (Clickbaiting;  Kapitel 1). Die deutsche Rechtsprechung ist hier gerade erst dabei, Richtlinien zu entwickeln (vgl. auch Anmerkung zu Ziffer 6). Ziffer 9 – Schutz der Ehre Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen. Siehe Anmerkung zu Ziffer 10. Ziffer 10 – Religion, Weltanschauung, Sitte Die Presse verzichtet darauf, religiöse, weltanschauliche oder sittliche Überzeugungen zu schmähen. Stereotypisierungen, Beleidigungen und Diffamierung sind immer wieder Gegenstand von Darstellungen und Kommentaren im Internet. Ziffer 11 – Sensationsberichterstattung, Jugendschutz Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Die Presse beachtet den Jugendschutz. Sensationen spielen eine wichtige Rolle, weil sie Leser∙innen und Zuschauer∙innen anziehen und damit Klicks und Reichweite bringen. Das erhöht den Umsatz.

Kapitel 6: Digitale Medien

Ziffer 12 – Diskriminierungen Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden. […] Siehe Anmerkung zu Ziffer 10. Ziffer 13 – Unschuldsvermutung Die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse. […] Meinungsäußerungen wie Kommentare enthalten oft Vorverurteilungen. Ziffer 16 – Rügenveröffentlichung Es entspricht fairer Berichterstattung, vom Deutschen Presserat öffentlich ausgesprochene Rügen zu veröffentlichen, insbesondere in den betroffenen Publikationsorganen bzw. Telemedien. […] Ein solches Organ gibt es für das Internet nicht (siehe auch Anmerkung zu Ziffer 3).

Die Personalisierung von Online-Inhalten Wie bereits erwähnt, finanzieren sich soziale Medien primär über Werbung. Sie haben daher v.a. das Ziel, dass möglichst viele Nutzer∙innen möglichst viel Zeit auf der jeweiligen Plattform verbringen, um zum Zielpublikum der dort platzierten Werbung zu werden. So erzielte beispielsweise Facebook Inc. im Jahre 2017 Werbeeinnahmen von knapp 40 Milliarden Dollar.5 Dabei ist Werbung umso erfolgreicher, je individueller sie auf die Konsument·innen zugeschnitten ist. Zu diesem Zweck werden von Internetdiensten Daten über die Nutzer∙innen gesammelt, um dann wiederum über passgenaue Werbung oder Empfehlungen Umsatz zu machen. Daten können auf zwei Arten gesammelt werden: 1.

Sie können von den Nutzer·innen freiwillig hinterlegt werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn man auf Facebook Alter, Geschlecht, Wohnort, Telefonnummer, besuchte Schule etc. einträgt. 2. Daten werden auch durch die Auswertung des Nutzer·innenverhaltens gesammelt. Digitale Dienste verfolgen, speichern und

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analysieren Onlineaktivitäten und erstellen so umfangreiche Profile. Große Firmen wie Facebook Inc. und Google LLC verknüpfen im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten im Hintergrund die Daten unterschiedlicher Dienste der Firma.6 Auch bei Produkten, die mit einer Schnittstelle zu digitalen Diensten ausgestattet sind, wie Fitness-Armbänder, digitale Haushaltsgeräte oder Sprachcomputer, werden Daten gesammelt. Schließlich gibt es mit so genannten Datenbrokern eigene Firmen, die durch die Verwendung bestimmter Apps, Dienste oder Produkte generierte Daten miteinander in Beziehung setzen und die dadurch entstandenen Profile verkaufen.7 In allen Fällen gilt: Je mehr Zeit die Nutzer·innen mit einem Dienst, einem Produkt oder einer App verbringen, desto mehr Daten können über sie gesammelt werden. Daher ist es im Interesse der dahinterstehenden Betreiberfirmen, dass die Nutzer∙innen möglichst lange und/oder möglichst oft diese Dienste in Anspruch nehmen. Im Jahr 2014 erschien ein Ratgeber namens Hooked: How to Build Habit-Forming Products (Hooked: Wie Sie Produkte erschaffen, die süchtig machen; 2017), in dem der Autor Nir Eyal freimütig beschreibt, wie Angebote am besten gestaltet werden, um Konsument·innen an sich zu binden und sie nach einem Produkt süchtig zu machen: »Hooked will die enorme neue Macht entfesseln, die Innovatoren und Unternehmer besitzen, um das tägliche Leben von Milliarden von Menschen zu beeinf lussen« (2014/2017: 19; Übersetzung: Jordan T.A. Wegberg).8 Als einen Mechanismus nennt Eyal das Generieren von Belohnungserwartungen.9 Eine solche Erwartung kann beispielsweise darin bestehen, dass die Nutzer∙innen für den Besuch einer Website mit ideal auf sie zugeschnittenen Inhalten belohnt werden: Rufe ich einen Onlinebuchhandel auf, freue ich mich über Empfehlungen, die meinem Lesegeschmack entsprechen; suche ich in einer Suchmaschine nach Websites zu einem bestimmten Thema, möchte ich für mich relevante Ergebnisse finden; und logge ich mich bei Facebook ein, gefällt es mir, wenn meine Startseite für mich interessante Artikel und Posts von engen Freunden zeigt. Diese positive Rezeptionserfahrung wird durch die personalisierte Präsentation der Seiten ermöglicht. Der hier zugrunde liegende Mechanismus nennt sich algorithmische Entscheidungsfindung (algorithmic decision-making – ADM). Aufgrund der gesammelten Daten errechnen Algorithmen, welche Vor-

Kapitel 6: Digitale Medien

schläge oder Ergebnisse von den Nutzer∙innen wahrscheinlich als relevant empfunden werden, die darauf hin präsentiert werden. Diese Personalisierung findet f lächendeckend statt, sei es bei Onlinehändlern wie Amazon, sozialen Netzwerken wie Facebook, Suchmaschinen wie Google – selbst die Websites von Zeitungen können sich personalisiert präsentieren, indem Artikel zu Themen, die in der Vergangenheit von den Nutzer·innen gelesen wurden, oben gelistet werden.10 Dies hat drei Konsequenzen: 1. Während die klassischen Massenmedien Relevanz nach Aktualität, Faktizität und allgemeinem Interesse beurteilen ( Kapitel 5), hängt die Entscheidung, ob ein Ereignis auf einer Website als relevant präsentiert wird, vorwiegend von den individuellen Vorlieben des Nutzers oder der Nutzerin ab. Oder, wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg formulierte: »A squirrel dying in front of your house may be more relevant to your interests right now than people dying in Africa.«11 (Ein Eichhörnchen, das vor Ihrem Haus stirbt, kann für Sie in diesem Moment relevanter sein als Menschen, die in Afrika sterben; eigene Übersetzung.) Dabei entscheidet aber letztendlich das Unternehmen, was als relevant für die Nutzer∙innen erachtet wird. So verändert beispielsweise Facebook aufgrund unternehmensstrategischer Überlegungen regelmäßig den News Feed, d.h. die personalisierte Startseite, für seine Nutzer∙innen. Im Jahr 2018 wurde dieser dem Unternehmen zufolge so angepasst, dass Facebook »hauptsächlich ein Ort für den Austauschs [sic!] zwischen Freunden und der Familie wird […]. Infolge dieser Änderungen werden den Menschen auf Facebook weniger öffentliche Beiträge angezeigt, einschließlich Nachrichten-Beiträgen, Videos sowie Beiträgen von Unternehmen.«12 2. Wenn uns im Internet primär das präsentiert wird, was auf unsere Interessen, Vorlieben und Überzeugungen zugeschnitten ist, führt das zu einer Einschränkung dessen, was wir wahrnehmen. Dieses Phänomen hat der Internet-Aktivist Eli Pariser als Filterblase (filter bubble) bezeichnet.13 So werden beispielsweise im Bereich Nachrichten bei sozialen Medien v.a. Artikel der Nachrichtenorgane angezeigt, die der politischen Ausrichtung des Nutzers oder der Nutzerin entsprechen. Dies kann dazu führen, dass – zumindest auf dieser Website – eine andere Sicht auf die Dinge ausgeblendet wird,

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auch wenn sie möglicherweise für die ausgewogene Beurteilung einer Situation notwendig wäre. Ob jedoch die Personalisierung von Informationen in sozialen Netzwerken grundsätzlich zu einer einseitigen Informierung führt, ist umstritten. Das scheint von den benutzten Onlinekanälen ebenso abzuhängen wie von der sozialen Zugehörigkeit und der politischen Orientierung der Nutzer·innen.14 3. Ein weiterer Effekt personalisierter Websites besteht darin, dass sich eine Echokammer ergeben kann. Dieser aus der Akustik entlehnte Begriff beschreibt, dass sich durch die selektive Präsentation von Inhalten vorhandene Einstellungen und Überzeugungen verstärken – ebenso wie ein akustischer Resonanzraum zur Verstärkung eines akustischen Signals dient. Wenn beispielsweise Impfgegner·innen bei der Internetsuche v.a. solche Ergebnisse angezeigt werden, die die Schädlichkeit von Impfungen betonen, so führt das zu der immer stärker werdenden Gewissheit, dass es richtig ist, sich und ggf. die eigene Familie nicht impfen zu lassen. Diese Überzeugung, die eigene Einschätzung sei die einzig wahre, wird dadurch verstärkt, dass sich in Internetforen oft geschlossene Interessensgemeinschaften finden, die die dort behandelten Themen nur einseitig diskutieren – Filterblase und Echokammer hängen also eng miteinander zusammen.15 Dazu kommt eine menschliche Eigenheit, die Psycholog·innen als motivated reasoning bezeichnen: Bei der Beurteilung von Sachverhalten oder als Grundlage von Entscheidungen werden v.a. diejenigen Gründe und Aspekte berücksichtigt, die die bereits bestehende Ansicht unterstützen, um einem inneren Konf likt bzw. einer kognitiven Dissonanz vorzubeugen ( Kapitel 4).16 Gegenargumenten wird hingegen nicht die gleiche Wertigkeit eingeräumt, im Gegenteil, sie scheinen in einer Art und Weise verarbeitet zu werden, die die existierende Einstellung noch verstärkt. Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler·innen um den amerikanischen Soziologen Christopher A. Bail in einem in den USA durchgeführten Experiment: Personen, die den Republikanern politisch nahestanden, erhielten Twitter-Nachrichten liberaler Ausrichtung, während Anhänger·innen der Demokraten konservative Nachrichten zugesandt wurden. Es zeigte sich, dass die Republikaner·innen noch konservativer wurden und die Demokrat·innen noch liberaler.17 In Konsequenz ist das Richtigstellen von Fake News, das so genannte Debunking, in der Regel nicht sehr erfolgreich.18 Zum einen

Kapitel 6: Digitale Medien

erreichen Gegendarstellungen aufgrund der bestehenden Filterblasen gar nicht das intendierte Zielpublikum, zum anderen werden sie als »irrelevant« abgetan oder verstärken als weitere angebliche »Lügen der Anderen« das bestehende Denkschema.

Fazit Der Erfolg von Fake News im Internet hat mehrere Ursachen. Einerseits spielen medienspezifische Mechanismen und die Strukturen der genutzten Plattformen eine Rolle, die zu so genannten Filterblasen oder Echokammern führen können. Andererseits sind es menschliche Aufmerksamkeitsmechanismen, die zur Rezeption und Weiterverbreitung bestimmter Nachrichteninhalte führen. Prinzipiell werden Inhalte, die Emotionen auslösen, bereitwilliger geteilt als nüchterne Sachbeiträge. Je stärker die emotionale Aktivierung ist – egal ob positiv oder negativ –, desto häufiger wird ein Beitrag geteilt. Stark aktivierende Gefühle sind auf der positiven Seite z.B. Ehrfurcht, auf der negativen Angst oder Wut.19 Auch die Adressierung von Gefühlen, die mit einer moralischen Wertung einhergehen, trägt zu einer gesteigerten Verbreitung von Meldungen bei.20 Angst, Wut oder die Überzeugung, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen, sind nun aber Reaktionen, die die Themen von Fake News oft auslösen. Bots können ebenfalls über die Steigerung der Reichweite oder das Posten von Kommentaren dazu beitragen, dass »echte« Nutzer·innen zu weiteren Kommentaren oder zum Teilen von gefakten Posts animiert werden. Insbesondere bei politisch aktuellen oder brisanten Themen und Meinungen kann dies dazu führen, dass jene eine Aufmerksamkeit erfahren, die nicht ihrer tatsächlichen Relevanz entspricht. So wird eine False Balance erzeugt ( Kapitel 1 und 5).21 Durch die Etablierung der digitalen Medien haben Konsument·innen insgesamt wesentlich einfacher Zugang zu einer Vielfalt von Meinungen und Informationsangeboten als vor der f lächendeckenden Verbreitung des Internets. Dies kann der eigenen Meinungsbildung durchaus förderlich sein; allerdings liegt die Verantwortung, die Medienangebote auf Faktentreue hin zu überprüfen, ungleich stärker bei den Konsument·innen selbst.

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Anmerkungen 1

Vgl. Herold et al. 2012; Warnke 2011.

2

Im Jahr 2018 traf dies auf ca. 20% der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren zu, drei Jahre zuvor waren es noch rund fünf Prozent weniger gewesen. Werden nur diejenigen befragt, die auch das Internet benutzen (die so genannten Onliner), so zeigt sich für 2018: Zwar werden die traditionellen Medien Fernsehen, Radio und Print auch von dieser Gruppe mit insgesamt 85% immer noch am häufigsten als Nachrichtenquellen genutzt, diesen folgen aber Online-Angebote mit 65% (inkl. der Internetangebote der traditionellen Medien). Etwa ein Drittel der Befragten gab an, auch soziale Medien als Nachrichtenquelle zu nutzen, 7% nutzen sie sogar als Hauptnachrichtenquelle. Siehe dazu IfD Allensbach 2019; VuMA 2019; Hölig/Hasebrink 2018: 14-16. Für den internationalen Vergleich siehe Newman et al. 2018: 10, 81.

3

Vgl. auch Wallace 2018.

4

Deutscher Presserat 2017.

5

WirtschaftsWoche 2018: 59.

6

Im Falle von Facebook Inc. sind das Daten aus WhatsApp, Instagram und Facebook, während Google LLC die Daten von Google Search, GoogleMaps, Gmail, Google Chrome, YouTube u.a. auswertet und verknüpft.

7

WirtschaftsWoche 2018: 57; vgl. auch Pariser 2011: 42ff.

8

Im Original: »Hooked seeks to unleash the tremendous new powers innovators and entrepreneurs have to influence the everyday lives of billions of people.« (Eyal 2014: 12)

9

Eyal 2017: 91ff.

10 Vgl. Pariser 2011: 38f. 11 Zitiert nach Pariser 2011: 1. 12 Facebook Pressemeldung zur News Feed-Aktualisierung vom 2. Juni 2018, online verfügbar unter: https://de.newsroom.fb.com/news/2018/07/nachrichten-ausvertrauenswuerdigen-quellen/ 13 Vgl. Pariser 2011. Zur Kritik an sozialen Medien und ihren Auswirkungen siehe auch Lanier 2018; Keen 2015; Lanier 2011. 14 Vgl. Benkler et al. 2017; Flaxman et al. 2016: 318; Bakshy et al. 2015: 1131. 15 Vgl. Del Vicario et al. nach einer Analyse von Facebook-Daten zur Verbreitung von wissenschaftlichen Theorien vs. Verschwörungstheorien: »Users tend to aggregate in communities of interest, which causes reinforcement and fosters confirmation bias, segregation, and polarization.« (2016: 558) 16 Vgl. Bail et al. 2018; Quattrociocchi 2018; Schaarschmidt 2018. Zu motivated reasoning siehe Ditto et al. 2009. 17 Vgl. Bail et al. 2018; siehe dazu auch Schaarschmidt 2018: 132ff. 18 Vgl. Sängerlaub et al. 2018: 79ff. 19 Vgl. Berger/Milkman 2012. 20 Vgl. Brady et al. 2017. 21 Vgl. Hegelich/Janetzko 2016; Kollanyi et al. 2016.

Kapitel 7: Sprache und die Erfassung von Wirklichkeit »When I use a word,« Humpty Dumpty said in rather a scornful tone, »it means just what I choose it to mean – neither more nor less.« »The question is,« said Alice, »whether you can make words mean so many different things.« »The question is,« said Humpty Dumpty, »which is to be master – that’s all.« Lewis Carroll: Through the LookingGlass In  Kapitel 4 sind wir bereits der Formulierung »alternative facts« begegnet, die im Nachgang zu Präsident Trumps Amtseinführung von Kellyanne Conway geprägt wurde. Dort haben wir die Phrase unter dem Gesichtspunkt betrachtet, wie es um das Verhältnis zwischen alternativen Fakten und Wirklichkeit steht. In diesem Kapitel werden wir darauf noch einmal zurückkommen, allerdings möchten wir hier auf die Formulierung und ihre genaue Bedeutung eingehen. Denn die Art und Weise, wie Sachverhalte versprachlicht werden, spiegelt wider, wie sie von dem oder der Sprecher∙in interpretiert wurden. Die Wortwahl bestimmt aber auch, zu welcher Interpretation die Hörer∙innen gelangen können. Dabei kann das Thema aus zwei Perspektiven betrachtet werden: zum einen von der inhaltlichen Seite, d.h. welche Aspekte eines Themas behandelt, hervorgehoben und wie sie miteinander verknüpft werden. Dies wird von den Konzepten Narrativ und Framing beschrieben. Zum anderen lässt sich die Frage stellen, wie Sprache selbst unser Denken und unsere Wahrnehmung beeinf lusst. Hier befassen wir uns mit

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dem Prinzip der linguistischen Relativität und dem metaphorischen Sprachgebrauch. Beide Seiten, Auswahl des Inhalts einerseits und Zusammenhang zwischen Sprache und Denken andererseits, sind keine separaten Phänomene, sondern gehen ineinander über und wirken zusammen. Anhand von Beispielen wird zudem deutlich, welche Rolle Sprache bei der Schaffung und Verbreitung von Fake News spielen kann.

Narrative Vom Tellerwäscher zum Millionär – jeder kennt diese Geschichte. Es ist eine Geschichte, die anscheinend vor allem in den USA wahr werden kann: Sei es der ehemalige Chef der Starbucks-Kette Howard Schultz, aufgewachsen in einer ärmlichen Familie und als Eigentümer von Starbucks zum Milliardär geworden, oder die Moderatorin Oprah Winfrey, hineingeboren in schwierigste Verhältnisse und heute eine der einf lussreichsten Persönlichkeiten in den USA – sie verkörpern den American Dream. Dieser besagt, dass all diejenigen, die in den Vereinigten Staaten von Amerika nur hart genug arbeiten, den gesellschaftlichen Aufstieg schaffen können, oder anders herum formuliert: Die amerikanische Gesellschaft lässt einen derartigen Erfolg in besonderem Maße zu. Damit bildet der American Dream eine Art Rahmenerzählung, in die sich einzelne Geschichten – wie die von Schultz und Winfrey –eingliedern lassen; er stellt ein so genanntes Narrativ dar. Auch Donald Trump ordnet sich in dieses bekannte Narrativ ein, wenn er schreibt: Wir lebten in einem geräumigen Haus, aber wir Kinder hatten nie das Gefühl, zur wohlhabenden Bevölkerungsschicht zu gehören. Man brachte uns frühzeitig bei, den Wert des Geldes und harter Arbeit zu schätzen.1 (Trump/Schwartz 1989: 63; Übersetzung: Ursula Bischoff) Der American Dream ist ein Beispiel für ein großes Narrativ, das das Selbstverständnis einer gesamten Nation oder Kultur bestimmen kann. Das Wort Narrativ kann aber auch für die Erklärung einzelner Phänomene verwendet werden, wie das folgende Zitat aus der Süddeutschen Zeitung vom 4. Februar 2018 zur RTL-Sendung Dschungelcamp zeigt:2

Kapitel 7: Sprache und die Erfassung von Wirklichkeit

Ja, Jenny Frankhauser ist eine würdige Dschungelkönigin. Eine perfekte Repräsentantin all jener Menschen, die sich von RTL alles nehmen lassen – Privatsphäre, Selbstbestimmung, Würde – in der Hoffnung, dass der Sender sie neu erschafft. Ihnen ein Helden-Narrativ schreibt, weil sie tapfer die Bisse von Feuerameisen ertragen haben, in eine Grube mit Schlangen geklettert sind oder Tier-Genitalien runtergeschluckt haben. (Bruckner 2018; Fettdruck hinzugefügt) »Helden-Narrativ« verweist auf die klassischen Stationen, die ein Held oder eine Heldin durchlaufen muss, um ans Ziel zu gelangen: Aufgebrochen, um eine bestimmte Mission zu erfüllen, treffen sie auf eine Reihe von (fast) unüberwindbaren Hindernissen, die aber gemeistert werden; so wird die Aufgabe letztendlich erfolgreich erledigt. Den Ablauf derartiger Geschichten haben wir in unzähligen Versionen bereits gehört und als Narrativ verinnerlicht – man denke an Odysseus, an Siegfried aus der Nibelungensaga, an Johanna von Orléans oder an Frodo aus Der Herr der Ringe. In obigem Zitat wird dieses Geschichtenschema nun angewandt auf das Dschungelcamp, wobei Feuerameisen, Schlangen und Tier-Genitalien die (fast) unüberwindbaren Hindernisse darstellen und das Missionsziel darin besteht, die Dschungelkrone zu erhalten. Die Voraussetzung für den Erfolg von Narrativen besteht darin, dass das Erzählen von Geschichten ein wesentlicher und ursprünglicher Bestandteil der menschlichen Kommunikation ist. So bezeichnete der amerikanische Kommunikationswissenschaftler Walter R. Fisher (1931-2018) den Menschen als Homo narrans.3 Nach seiner Einschätzung beurteilen Menschen das, was sie hören, danach, ob es eine gute Geschichte ist: Klingt sie wahrscheinlich, ist sie in sich kohärent, lässt sie sich mit anderen Geschichten, die man kennt, in Einklang bringen? Für Fisher setzt sich die Welt, wie wir sie wahrnehmen, aus einer Reihe von Geschichten zusammen, die immer wieder neu variiert werden. Fisher weist somit Geschichten die herausragende Funktion zu, unsere Weltsicht zu konstruieren – wir haben es hier also mit einem konstruktivistischen Ansatz zu tun ( Kapitel 4): Geschichten und Narrative geben den übergeordneten Interpretationsrahmen vor und weisen damit auch den Einzelelementen innerhalb der Erzählung ihre Bedeutung zu. So schreibt der Politikwissenschaftler Willy Viehöver: »Narrationen versehen Menschen, gleich Mythen, mit Weltsichten, Motiven, Handlungsorientierungen und kulturellen Werten, indem sie Ereignisse, Objekte, Akteure, Handlungen durch narrative

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Strukturen konfigurieren oder verknüpfen.« (2011: 198) Um noch einmal auf das Beispiel des Dschungelcamps zurückzukommen: Wird das Held∙innennarrativ als übergeordneter Interpretationsrahmen etabliert, so wird der Person, die die Mission mit ihren Herausforderungen am besten erfüllt, Held·innenstatus zugewiesen. Es wäre aber auch denkbar, die Ereignisse zu einem anderen Narrativ in Beziehung zu setzen, z.B. zur Geschichte eines Aufnahmeritus: Man denke an jugendliche Banden, bei denen zukünftige neue Mitglieder einer Reihe von willkürlichen, gefährlichen oder demütigenden Prüfungen unterzogen werden. Werden diese erfolgreich absolviert, ist die Person in die Bande aufgenommen – der oder die Gewinner∙in des Dschungelcamps wäre in diesem Narrativ als Neumitglied einer subkulturellen Gruppierung zu deuten. Welches Narrativ aber als Interpretationsrahmen zum Einsatz kommt, darüber entscheidet bei einem Format wie dem Dschungelcamp u.a. die Inszenierung durch den Sender: Werden die Teilnehmer·innen in Held·innenposen gezeigt, kommt eine entsprechende Wortwahl und Musik zum Einsatz etc. Der Begriff Narrativ – manchmal wird auch von Narration oder Erzählung gesprochen4 – hat in den letzten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit erfahren. So hat die Beschreibung von Kommunikationsprozessen in der gesellschaftlichen und politischen Öffentlichkeit Eingang in die soziologische und politikwissenschaftliche Forschung gefunden.5 Die Politikwissenschaftler Frank Gadinger, Sebastian Jarzebski und Taylan Yildiz beschreiben beispielsweise die Möglichkeit, »Politik als Wettkampf von Erzählungen zu konzipieren« und erläutern näher: »Für die Analyse politischer Kontroversen ist der Hinweis auf die Verfügbarkeit unterschiedlicher Erzählmuster von besonderer Bedeutung.« (2014: 9; 25) So bezeichnet der Germanist Albrecht Koschorke Samuel Huntingtons These vom Kampf der Kulturen (»clash of civilizations«) als eines von zwei gegensätzlichen Erzählmustern ( Kapitel 3).6 In Huntingtons Erzählung entstehen Konf likte an den Grenzen von historisch gewachsenen, kollektiven Identitäten. Das Gegennarrativ betont hingegen, dass Menschen sich durch eine ganze Reihe von Merkmalen unterscheiden, wie Geschlecht, Beruf oder soziale Zugehörigkeit. Je nachdem, auf welche Aspekte man sich fokussiert, entstehen aber verschiedene Schnittmengen, die sich nicht unbedingt decken. Wenn also, wie im ersten Erzählmuster, an kulturellen, vor allem religiösen Einheiten festgehalten wird, entspricht dies nicht der Wirklichkeit und bewirkt letztendlich sogar Konf likte:

Kapitel 7: Sprache und die Erfassung von Wirklichkeit

Oft wird die Welt ausschließlich als eine Ansammlung von Religionen (oder »Zivilisationen« oder »Kulturen«) betrachtet, unter Absehung von anderen Identitäten, welche die Menschen haben und schätzen, darunter Klasse, Geschlecht, Beruf, Sprache, Wissenschaft, Moral und Politik. Eine solche einseitige Einteilung löst mehr Konflikte aus als das ganze Universum der pluralen und mannigfaltigen Zuordnungen, welche die Welt prägen, in der wir heute leben. Der Reduktionismus der hohen Theorie kann, oft ungewollt, zur Gewalt der niederen Politik beitragen. (Sen 2007: 12; Übersetzung: Friedrich Griese) Je nach der Erzählung, der man anhängt, rücken also ganz unterschiedliche Ursachen von Konf likten in den Vordergrund. Auch allgemeine politische Gegenpositionen lassen sich als gegensätzliche Narrative interpretieren. Hier können als Beispiel zwei Erzählungen genannt werden, von denen die erste lautet: Regulierung durch eine übergeordnete Institution schränkt Freiheiten ein, verhindert Kreativität und führt damit zu (ökonomischer) Verschlechterung. Das Gegennarrativ hierzu lautet: Regulierung durch eine übergeordnete Institution ist die einzige Möglichkeit, soziale Gerechtigkeit annäherungsweise umzusetzen. Diese zwei Narrative können als Grundgegensatz der beiden großen US-amerikanischen Parteien, Republikaner und Demokraten, gesehen werden, kamen aber auch in der Debatte um den Brexit zum Einsatz. So argumentierte der (damalige) britische Außenminister Boris Johnson hinsichtlich der Vorteile des Brexits im Februar 2018:7 It is only by taking back control of our laws that UK firms and entrepreneurs will have the freedom to innovate, without the risk of having to comply with some directive devised by Brussels, at the urgings of some lobby group, with the aim of holding back a UK competitor. That would be intolerable, undemocratic, and would make it all but impossible for us to do serious free trade deals. Nur wenn wir die Kontrolle über unsere Gesetze zurückgewinnen, werden die Firmen und Unternehmen des Vereinigten Königreichs die Freiheit für Innovationen haben, ohne dass das Risiko besteht, dass sie sich irgendwelchen Direktiven aus Brüssel beugen müssten, die von irgendwelchen Lobbygruppen durchgesetzt wurden, um einen Konkurrenten aus dem Vereinigten Königreich zurückzuhalten. Wir können das nicht

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tolerieren, es wäre undemokratisch und würde ernsthaften freien Handel für uns unmöglich machen. (Eigene Übersetzung) Auch für Fake News und Verschwörungstheorien ist das Konzept der Narrative aufschlussreich. In  Kapitel 2 wurde bereits erläutert, dass diese eher den Charakter einer Geschichte haben als den einer wissenschaftlichen Theorie. Diese Geschichten leiten ihre Plausibilität davon ab, ob sie sich mit einem übergeordneten Narrativ in Verbindung bringen lassen. Und tatsächlich: Das grundlegende Narrativ, auf dem an sich alle Verschwörungsgeschichten basieren, ist das Narrativ vom Kampf Gut gegen Böse. Verschwörungstheoretiker·innen identifizieren sich dabei mit den Guten und nehmen den Kampf gegen die Machenschaften der Bösen auf. Die Bösen können in unterschiedlicher Gestalt auftreten, wie als »Establishment«, Nachrichtendienste, Medien oder Aliens. Durch ihre Absicht, die Guten (»uns«) zu täuschen, werden sie zu »unseren« Antagonisten. Und obwohl das Böse (vermeintlich) mächtiger ist, gewinnt (so die Überzeugung) zum Schluss das Gute. Dieses Motiv ist uns so vertraut, dass eine neue Geschichte, die sich dessen bedient, problemlos in bekannte Erzählmuster eingeordnet werden kann. Damit ist sie kohärent zu diesen Mustern und besteht dadurch den ersten Plausibilitätstest. Für die Überzeugungskraft von Fake News spielen Narrative ebenfalls eine wichtige Rolle. Ende des Jahres 2018 wurde aufgedeckt, dass der Journalist Claas Relotius, der in den Jahren zuvor vor allem für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel tätig war, viele Elemente seiner Reportagen erfunden und gefälscht hatte. Besonders pikant war, dass Relotius zahlreiche, auch internationale Auszeichnungen für sein Werk erhalten hatte, u.a. vier Mal den Deutschen Reporterpreis und die Auszeichnung Journalist of the Year der CNN (die Preise wurden nach Bekanntwerden des Skandals aberkannt oder von Relotius zurückgegeben).8 Ein Grund für den Erfolg von Relotiusʼ Reportagen ist, dass sie perfekte Geschichten erzählten, sich nahtlos in bestehende Narrative eingliederten. Philipp Krohn (2019) beschreibt sie in der Frankfurter Allgemeinen als »Texte, in denen Protagonisten das passende (rührende) Lied zum Inhalt summen, in denen Zitate klingen wie fürs Archiv geschrieben, nicht wie vom Protagonisten abgehört, deren Figureninventar so perfekt ist, dass es nicht in diese Welt zu passen scheint«. Anhand eines Artikels von Relotius soll veranschaulicht werden, wie Fake News, indem sie auf bekannten Erzählmustern aufsetzen, als

Kapitel 7: Sprache und die Erfassung von Wirklichkeit

stimmig und wahr akzeptiert werden: In dem Spiegel-Beitrag Königskinder vom 9. Juli 2016 wird über zwei syrische Geschwister berichtet, die infolge des Kriegs in Syrien in die Türkei f liehen mussten und dort nun unter schlechtesten Bedingungen als Näherin bzw. Schrottsammler leben.9 Im einleitenden Teil des Texts lässt Relotius das Mädchen, das wahrscheinlich gar nicht existiert, ein Lied singen über zwei Kinder, die alles verloren haben, aber zum Schluss doch noch Königin und König von Syrien werden. Dadurch wird ein bestimmtes Narrativ für den Artikel aufgespannt und als Interpretationsrahmen etabliert, nämlich das Narrativ vom märchenhaften Aufstieg aus der Armut hin zu einem (materiell) sorgenfreien Leben. Dieses ist uns wohl bekannt durch Geschichten wie Sterntaler oder Aschenputtel. Der in weiten Teilen erfundene Artikel verortet sich selbst in diesem Narrativ, indem die Beschreibung der schrecklichen Verhältnisse, in denen die Kinder leben müssen, als Zwischenbericht über ihren Weg in ein besseres Leben stilisiert wird. Abschließend heißt es nämlich in der Notiz zum Autor: Claas Relotius, Jahrgang 1985, studierte Kultur- und Politikwissenschaft und schreibt seit 2014 Reportagen für den SPIEGEL. Er flog zweimal in die Türkei, um beide Kinder zu begleiten. Seither schreibt er sich mit ihnen Nachrichten und versucht, ein Flüchtlingsheim für sie zu finden. (Relotius 2016) Das bessere Leben, das bei Sterntaler die Form von Goldmünzen annimmt und bei Aschenputtel mit der Heirat des Prinzen beginnt, ist hier das Flüchtlingsheim, das als Ausgangspunkt für ein besseres Leben dienen soll. (Später behauptete Relotius, dass die Kinder mit seiner Hilfe von einer deutschen Familie adoptiert worden seien.) Wie überzeugend die Geschichte wirkte, lässt sich daran erkennen, dass Leser∙innen des Spiegel für die beiden Kinder spenden wollten. So kamen 7000,- € zusammen, die Relotius laut einer Pressemitteilung seiner Anwälte auf 9000,- € aufstockte und an die Diakonie Katastrophenhilfe spendete.10 Narrative bestimmen somit die Deutungshoheit über ein Ereignis oder eine Entwicklung: »Sie [Erzählungen] beschreiben also nicht nur, was geschieht, sondern intervenieren in das Geschehen, indem sie ihm ein Deutungsschema und cognitive mapping aufprägen« (Koschorke 2012: 245). Außerdem können sie intendierten Interpretationen zusätzliche Plausibilität verleihen, indem sie als übergeordneter, etablierter

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und damit akzeptierter Rahmen fungieren, in den sich die Interpretation einordnen lässt.

Framing Die Etablierung eines Narrativs ist eine Möglichkeit, ein Thema in eine bestimmte Deutungsrichtung zu lenken. Eine andere Möglichkeit stellt das Framing dar. Das Konzept des Framings bzw. Frames wird je nach Fachdisziplin unterschiedlich ausgelegt und definiert.11 Für unseren Zweck werden wir uns im Folgenden dem Framing widmen, wie es in der Medien- und Kommunikationswissenschaft verstanden wird. Im anschließenden Unterkapitel zur sprachlichen Formulierung von Sachverhalten werden wir dann auf das (kognitions-)linguistische Konzept des Frames treffen. Im medien- und kommunikationswissenschaftlichen Kontext wird unter Framing eine Strategie verstanden, mit der Inhalte hervorgehoben und perspektiviert werden. So schreibt der amerikanische Kommunikationswissenschaftler Robert Entman: Framing essentially involves selection and salience. To frame is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in a communicating text, in such a way as to promote a particular problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and/or treatment recommendation for the item described. (1993: 52; Hervorhebung im Original) Framing geschieht durch Auswahl und Hervorheben. Wenn man etwas framet, wählt man einige Aspekte einer wahrgenommenen Wirklichkeit aus und hebt sie in einem kommunikativen Text hervor, um z.B. eine bestimmte Problemdefinition, eine kausale Interpretation, eine moralische Bewertung und/oder Handlungsempfehlung für das Thema zu geben. (Eigene Übersetzung) Durch die Auswahl bestimmter Aspekte eines Themas werden diese also stärker betont und damit eine bestimmte Deutung favorisiert. Der Kommunikationswissenschaftler Jörg Matthes spricht daher im Zusammenhang mit Framing von »Blickwinkel auf ein Thema« oder von »›Sinnhorizonte[n]‹ von Akteuren […], die gewisse Informationen und Positionen hervorheben und andere ausblenden« (Matthes 2014: 9; 10).

Kapitel 7: Sprache und die Erfassung von Wirklichkeit

Ein Bericht über eine neue Technologie kann beispielsweise Erfolge in der Entwicklung aufzeigen oder auf die Höhe der Kosten hinweisen, er kann potenzielle positive Anwendungsfälle anführen oder die Gefahren, die damit einhergehen – und je nachdem, welches Framing vorgenommen wird, wird die Aufmerksamkeit der Leser·innen auf bestimmte Aspekte gelenkt. Framing geschieht auch dadurch, dass eine Begebenheit in einen bestimmten Deutungskontext gerückt wird. So formulierte Donald Trump seine Eindrücke von seiner Amtseinführung ( Kapitel 4): […] it was almost raining, the rain should have scared away, but God looked down and He said, We’re not gonna let it rain on your speech.12 […] es hat fast geregnet, und der Regen hätte eigentlich die Leute vertreiben sollen, aber Gott blickte hinab und sprach, Wir werden es bei deiner Rede nicht regnen lassen. (Eigene Übersetzung) Durch die Referenz auf Gott wird das politische Ereignis in einen religiösen Zusammenhang gestellt, Wahl und Amtsübernahme Trumps somit religiös legitimiert. Ebenso wie der Begriff des Narrativs Einzug in die politikwissenschaftliche Beschreibung von Kommunikationsprozessen gefunden hat, hat auch das Konzept des Framings in diesem Zusammenhang Aufmerksamkeit erfahren: »Framing ist zweifellos eines der zentralen Schlagwörter der politischen Kommunikationsforschung.« (Matthes 2014: 17) Beide Konzepte ergänzen sich; das Narrativ kann als die übergeordnete Ebene gesehen werden, das durch die Auswahl bestimmter Frames unterstützt wird.13 Ein Beispiel: Ein prominentes politisches Thema der letzten Jahre ist die Flucht bzw. Migration von Nicht-Europäer∙innen in die Europäische Union bzw. nach Deutschland. Dieses Thema ist äußerst komplex und facettenreich, Einzelaspekte umfassen u.a. die Herkunft der f lüchtenden Menschen, die Lage in den Herkunftsländern, unterschiedliche Fluchtrouten, Gefahren auf der Flucht, Aufenthaltsorte der Flüchtenden, die Situation in den Flüchtlingslagern, Ankunft, Aufnahme und Verteilung in der EU, Konsequenzen für die aufnehmenden Länder (wie logistische Herausforderungen, finanzielle Belastungen, Möglichkeiten der Integration, Chancen für den Arbeitsmarkt, Kriminalität),

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Reaktionen der aufnehmenden Bevölkerungen oder politische Maßnahmen zum Umgang mit den einzelnen Teilaspekten. Diese Liste ließe sich noch weiter fortsetzen, es wird aber bereits deutlich, dass es eine große Menge an Teilbereichen zum Thema »Flucht/Migration in die EU« gibt. Durch die Auswahl einzelner Aspekte wird nun ein Framing vorgenommen und damit die Deutung des Themas bestimmt. So stellt beispielsweise die Politikwissenschaftlerin Florence Tsagué Assopgoum in einer Studie über die Berichterstattung ausgewählter deutscher und senegalesischer Zeitungen über die afrikanische Migration in die EU fest, dass dieses Thema in Deutschland nicht ausschließlich, aber dominierend unter einem Bedrohungsaspekt dargestellt wird, während z.B. eine Deutung als Chance selten vorkommt.14 Dieses Ergebnis wird auch durch die Studie der Stiftung Neue Verantwortung zu Fake News während des Bundestagswahlkampfs 2017 unterstützt. Die Autor∙innen untersuchten die zehn Fälle von Fake News mit der stärksten Reichweite in den Monaten vor der Wahl; acht davon hatten mit der Thematik Flüchtende bzw. Migrant∙innen zu tun. Hier die Kurzbeschreibungen: (1) »1000 Migranten randalieren auf Fest in Schorndorf«; (2) »Polizei weist an, Straftaten von Migranten zu vertuschen«; (3) »Flüchtlinge machen Urlaub in ihren Heimatländern«; (4) »59 % aller Migranten haben keinen Schulabschluss«; (5) »Wie Migranten mit VoteBuddy wählen können«; (6) »Vergewaltigungsfälle durch Zuwanderer um 90 % gestiegen«; (7) »360.000 € im Jahr vom Staat für syrischen Geschäftsmann«; (8) »Flüchtlinge bekommen kostenlos einen Führerschein«.15 All diese Fake News beziehen sich auf den oben genannten Teilaspekt »Konsequenzen für die aufnehmenden Länder«. Folgende untergeordnete Frames finden dabei besonders Anwendung: Drei Fake News erfinden finanzielle Belastungen (3, 7, 8), und vier Fake News haben durch Gef lüchtete begangene Straftaten zum Inhalt (1, 2, 5, 6). Die falschen Angaben zum Schulabschluss von Migrant∙innen (4) fallen in den Bereich Integration, wobei die gefälschte Meldung die Schwierigkeit der Integration von Gef lüchteten in die deutsche Gesellschaft betont. Insofern haben die Fake News gemeinsam, dass sie negative Konsequenzen von Migration und Ankunft f lüchtender Menschen hervorheben: Das bestehende System des Aufnahmelandes, hier Deutschland, werde entweder belastet, ausgenutzt oder in seiner Sicherheit erschüttert. Die Frames Kriminalität, finanzielle Belastungen und Integration

Kapitel 7: Sprache und die Erfassung von Wirklichkeit

haben als Teilbereiche des übergeordneten Themas »Flucht/Migration in die EU« zwar ihre Berechtigung. Die genannten Fake News sorgen mit ihrer Reichweite aber dafür, dass diesen Frames eine unverhältnismäßig große Aufmerksamkeit entgegengebracht und das gesamte Thema verstärkt unter diesen Aspekten betrachtet wird. Wir haben es hier also mit einem Fall von False Balance zu tun ( Kapitel 1). Auf diese Weise werden Stimmungen geschürt, die für eine bestimmte politische Agenda Unterstützung generieren sollen.

Das Prinzip der linguistischen Relativität Im Rahmen der beiden bislang vorgestellten Konzepte, Narrativ und Framing, werden Ereignisse mit einem bestimmten Deutungsschema versehen – und wie man über ein bestimmtes Thema denkt, spiegelt sich dann in der sprachlichen Formulierung wider. Im Umkehrschluss ergibt sich die Frage, ob, und wenn ja, wie die sprachliche Formulierung selbst unsere Wahrnehmung zu einem Thema beeinf lussen kann – inwieweit also Sprachgebrauch und linguistische Kategorien das Denken formen und bestimmen können. Die Debatte dazu besteht seit langem;16 so schrieb schon Wilhelm von Humboldt: In jeder Sprache liegt eine eigentümliche Weltansicht. Wie der einzelne Laut zwischen den Gegenstand und den Menschen, so tritt die ganze Sprache zwischen ihn und die innerlich und äußerlich auf ihn einwirkende Natur. Er umgibt sich mit einer Welt von Lauten, um die Welt von Gegenständen in sich aufzunehmen und zu bearbeiten. Diese Ausdrücke überschreiten auf keine Weise das Maß der einfachen Wahrheit. Der Mensch lebt mit den Gegenständen hauptsächlich, ja, da Empfinden und Handeln in ihm von seinen Vorstellungen abhängen, sogar ausschließlich so, wie die Sprache sie ihm zuführt. Durch denselben Akt, vermöge dessen er die Sprache aus sich herausspinnt, spinnt er sich in dieselbe ein, und jede zieht um das Volk, welchem sie angehört, einen Kreis, aus dem es nur insofern hinauszugehen möglich ist, als man zugleich in den Kreis einer andren hinübertritt. Die Erlernung einer fremden Sprache sollte daher die Gewinnung eines neuen Standpunkts in der bisherigen Weltansicht sein, und ist es in der Tat bis auf einen gewissen Grad, da jede Sprache das ganze Gewebe der Begrif-

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fe und die Vorstellungsweise eines Teils der Menschheit enthält. (von Humboldt 1836: 58f.) Für Humboldt hat die Sprache also Einf luss darauf, welche Vorstellungen der Mensch sich von der Welt machen kann (»Der Mensch lebt mit den Gegenständen hauptsächlich, ja, da Empfinden und Handeln in ihm von seinen Vorstellungen abhängen, sogar ausschließlich so, wie die Sprache sie ihm zuführt.«). Mit dem Erlernen einer anderen Sprache geht daher das Erlernen einer anderen Weltsicht einher. Auch für andere Wissenschaftler·innen und Philosoph·innen der Vergangenheit lag der Schluss nahe, dass die Sprache den Charakter der Sprecher·innen formt.17 Berühmt geworden ist die so genannte Sapir-Whorf-Hypothese. Der amerikanische Linguist Edward Sapir (1884-1939) untersuchte zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschiedene Sprachen der indigenen Völker Nordamerikas und stellte dabei fest, dass diese manche Dinge ganz anders versprachlichten als beispielsweise das Englische bzw. dass ganz andere Dinge versprachlicht wurden als im Englischen. Sapir kam daher zu dem Schluss, dass unsere Muttersprache die Art und Weise, wie wir denken, beeinf lusst.18 Sapirs Schüler Benjamin Lee Whorf (1897-1941) führte dessen Studien weiter und konzentrierte seine Beobachtungen vor allem auf grammatische Kategorien. Er folgerte, dass grammatische Kategorien und die festen Muster einer Sprache (»obligatory phenomena«) die Art und Weise, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen, strukturieren und bestimmen. Dies bezeichnete er als das Prinzip der linguistischen Relativität. Die automatischen, unwillkürlichen Strukturschemata der Sprache sind nicht für alle Menschen die gleichen, sondern in jeder Sprache andere. Sie bilden die formale Seite der jeweiligen Sprache oder ihre ›Grammatik‹ – ein Begriff der [sic!] allerdings hier viel mehr einschließt als die Grammatik, die wir in der Schule aus den Büchern lernten. Aus der Tatsache der Strukturverschiedenheit der Sprachen folgt, was ich das ›linguistische Relativitätsprinzip‹ genannt habe. Es besagt, grob gesprochen, folgendes: Menschen, die Sprachen mit sehr verschiedenen Grammatiken benützen, werden durch diese Grammatiken zu typisch verschiedenen Beobachtungen und verschiedenen Be-

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wertungen äußerlich ähnlicher Beobachtungen geführt. Sie sind daher als Beobachter einander nicht äquivalent, sondern gelangen zu irgendwie verschiedenen Ansichten von der Welt.19 (Whorf 1997: 20; Übersetzung: Peter Krausser) Nachfolgende Untersuchungen machten es sich zur Aufgabe, diese These zu überprüfen, und konnten sie in einigen Bereichen bestätigen.20 So unterscheiden sich Sprachen dadurch, ob sie die Position von Dingen relativ zu etwas (z.B. der Tisch steht links von mir) angeben oder absolut im Raum (der Tisch steht nördlich). Studien konnten zeigen, dass die Art und Weise, wie Positionsangaben in der Muttersprache versprachlicht werden, Einf luss auf die räumliche Orientierung des oder der Sprecher·in hat.21 Ein weiteres Beispiel stammt aus dem Bereich der Farben: Auch hier differieren Sprachen darin, welche Farbfelder benannt werden und wo die Grenzen zwischen den einzelnen Feldern, z.B. zwischen Blau und Grün, angesetzt werden. Dies scheint die Wahrnehmung von Farben zu bestimmen.22 Der Gedanke, dass Sprache das Denken bestimmt, wurde in der fiktionalen Literatur von George Orwell in seinem Roman 1984 auf die Spitze getrieben. Hier beschreibt er das Bestreben des totalitären Regimes Engsoz, die bestehende Sprache (Altsprech) semantisch so zu modifizieren und zu reduzieren, dass in Neusprech ein (zunächst gedankliches und dann wirkliches) Auf begehren gegen das System unmöglich wird: Neusprech sollte nicht nur ein Ausdrucksmittel für die den Anhängern des Engsoz gemäße Weltanschauung und Geisteshaltung bereitstellen, sondern auch alle anderen Denkweisen unmöglich machen. Es war geplant, daß, wenn Neusprech ein für allemal angenommen und Altsprech vergessen worden war, ein ketzerischer Gedanke – d.h. ein von den Prinzipien des Engsoz abweichender Gedanke – buchstäblich undenkbar sein sollte, insoweit wenigstens, als Denken an Worte gebunden ist.23 (Orwell 1949/2017: 361; Übersetzung: Michael Walter) Die radikale These, dass Gedanken »undenkbar« sind, wenn die dazugehörigen Konzepte nicht versprachlicht werden, wird mit dem Prinzip der linguistischen Relativität aber nicht vertreten. Denn zum einen ist es ja möglich, eine andere Sprache – und damit ggf. ein anderes Kategorisierungsschema – zu erlernen, genauso wie es möglich ist, Neues,

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d.h. noch nicht Versprachlichtes, zu denken. Zum anderen verfügt der Mensch auch über nicht-sprachliches Denken.24 Daneben gibt es Universalien im menschlichen Denken, also bestimmte kognitive Prozesse, die allen Menschen gemein sind, gleich welche Sprache sie sprechen. Das Prinzip der linguistischen Relativität geht jedoch davon aus, dass Sprache und ihre Kategorien einen Interpretationsrahmen für die Wahrnehmung darstellen.

Metaphorischer Sprachgebrauch Es wäre aber verfehlt, Sprache als ein vom Menschen und seinen Erfahrungen unabhängiges System zu betrachten, das quasi zwischen dem Menschen und der außermenschlichen Welt steht. Vielmehr werden die Konzepte, die durch Sprache ausgedrückt werden, zusammen mit den tatsächlichen Erfahrungen und den Kenntnissen von Situationen und Dingen abgespeichert. Die abgespeicherte Gesamtstruktur nennt man Frame (dabei haben wir es diesmal mit der [kognitions-]linguistischen Verwendung des Begriffs zu tun).25 Als Beispiel soll der Frame »Rettung« dienen: Bei einer Rettung wird einer Person, die sich in einer gefährlichen oder misslichen Lage befindet, von jemand Anderem erfolgreich geholfen. Dieser Frame ergibt sich aus der Gesamtsituation, die mit einer Rettung verbunden ist. Insofern ist bei einem Satz wie »Sie wurde gerettet« implizit klar, dass die Person, um die es sich handelt, von jemand Anderem aus einer gefährlichen oder misslichen Lage befreit wurde, auch wenn die letzteren Aspekte nicht genannt werden.26 Frames können also erklären, wie Verstehen und Interpretieren funktionieren: Bei Nennung eines Konzepts werden nämlich auch damit verbundene weitere Konzepte aktiviert: »Jedes Wort dient so gesehen dazu, dem Sprachrezipienten oder der Sprachrezipientin Zugang zu seinem bzw. ihrem konzeptuell bereits vorstrukturierten Bereich semantischen Wissens zu verschaffen, das im Langzeitgedächtnis abgespeichert ist.« (Ziem 2008: 41) Frames bilden somit Erwartungsstrukturen (»structures of expectation«, Tannen 1993: 16) für die Interpretation nachfolgender Informationen. Höre ich beispielsweise das Wort »Fußball«, so lässt sich die nachfolgende Nennung des Konzepts »Schiedsrichter« rasch einordnen, da in meinem Fußball-Frame dieses Konzept bereits bei der Nennung von »Fußball« aktiviert wurde; bei

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einer nachfolgenden Nennung von »Puck« entstünde jedoch ein Interpretationskonf likt. Insofern gilt: […] Frames bestimmen, mit welcher Leichtigkeit wir Fakten und Informationen begreifen, unabhängig davon, wie ›objektiv‹ gut oder schlecht begreifbar diese Fakten vermeintlich sind. Tatsächlich gibt es keine ›objektiv‹ leichter zugänglichen Fakten, sobald Frames ins Spiel kommen. Es gibt nur noch solche Fakten, die gut in den Frame passen, und solche, die schlecht oder gar nicht in den Frame passen. (Wehling 2016: 36) Die Konzeption von Frames spielt auch eine Rolle, wenn es um metaphorischen Sprachgebrauch geht. In ihrem 1980 erschienenen Buch Metaphors We Live By vertreten die beiden US-Amerikaner George Lakoff, ein Linguist, und Mark Johnson, ein Philosoph, den Ansatz, dass unser Denken in hohem Maße metaphorisch ist. Der Grund dafür liegt darin, dass viele Konzepte, mit denen wir zu tun haben, abstrakt sind. Um diese nicht unmittelbar erfahrbaren Konzepte besser für uns »begreif bar« zu machen, werden sie mit konkreteren Konzepten verbunden. Diese Metaphorisierung spiegelt sich dann auch im Sprachgebrauch wider. Lakoff und Johnson führen als Beispiel die Metapher »Time is Money« (»Zeit ist Geld«) an. Dahinter steckt das Verständnis, dass Zeit für uns eine wertvolle Ressource ist. Dies zeigt sich auf sprachlicher Ebene – abgesehen davon, dass diese Metapher sogar als Redewendung existiert – in Formulierungen wie: »Zeit verschwenden«, »Zeit sparen«, »jemandem Zeit geben«, »Zeit investieren«, »keine Zeit mehr haben«, »etwas kostet Zeit«, »sich Zeit nehmen«, »Zeit verlieren« etc. Hier wird also das Wort »Zeit« mit den gleichen Verben kombiniert wie das Wort »Geld«, so dass beiden Konzepten – Zeit und Geld – ein vergleichbarer Status zugewiesen wird.27 Sprachliche Bilder finden oft ihren Widerhall in bildlichen Darstellungen und Motiven. So zeigt der Kupferstich des niederländischen Künstlers Dirck Volkertszoon Coornhert (1522-1590) eine allegorische Darstellung, in der die Lüge (»Mendacium«), die weltliche Torheit (»Stultus mundanus«) und die Meinung (»Opinio«) die buchstäblich nackte Wahrheit verhüllen bzw. verdecken wollen (Abb. 4). Die Metapher von Wahrheit als eine nackte Person oder eine Gestalt, die verhüllt oder entblößt werden kann, findet sich in zahlreichen Ausdrücken wie

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»die Wahrheit verschleiern, verbergen, ver- oder aufdecken, enthüllen« oder »das wahre Gesicht zeigen«. Abbildung 4: Dirck Volkertszoon Coornhert (1522-1590), De valse waan ruïneert de wereld: De waarheid verborgen door leugen, nach Hendrick Goltzius, 1575-1581. (Die hinterlistige Täuschung ruiniert die Welt. Die Wahrheit, verborgen durch Lügen; eigene Übersetzung)

Beim metaphorischen Sprachgebrauch müssen die beiden Konzepte, die miteinander in Bezug gebracht werden, nicht vollständig gleichgesetzt und alle Einzelheiten des einen Konzepts auf das andere übertragen werden. So wird der Aspekt, dass Geld auch ein Zahlungsmittel ist, nicht auf Zeit übertragen. Die Bedeutung der Metapher ergibt sich vielmehr aus einer Schnittmenge, die man zwischen zwei Konzepten ansetzt, so dass eine Mischung (conceptual blending) entsteht.28 Dieses conceptual blend schafft also einerseits etwas Neues, andererseits werden Vorstellungen und Eigenschaften von einem Bereich auf den anderen übertragen. Auf diese Weise wird das Konzept, das mit einer Metapher belegt wird (hier: die Zeit), auf eine bestimmte Art und Weise inhaltlich eingeordnet (hier: als Ressource). Die Verwendung von Metaphern kann bestimmen, wie wir ein Phänomen oder Ereignis interpretieren. In einer psychologischen Stu-

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die der Stanford University wurden Testpersonen Texte vorgelegt, in denen der Anstieg von Kriminalität in einer Stadt mit zwei verschiedenen Metaphern beschrieben wurde: einmal mit der eines wilden, angreifenden Tiers und einmal mit der Metapher eines Virus, das sich verbreitet. Es zeigte sich, dass je nachdem, welcher Text gelesen wurde, die Testpersonen unterschiedliche Maßnahmen für den Umgang mit der gestiegenen Kriminalität befürworteten: Diejenigen, in deren Text die Metapher des wilden Tiers Verwendung fand, schlugen vor, die Kriminellen zu fangen und einzusperren – wie bei einer Jagd also. Diejenigen, bei denen Kriminalität mit einem Virus assoziiert worden war, befürworteten dagegen Ursachenforschung und präventive Maßnahmen wie Sozialprogramme, also ein Vorgehen wie bei der Behandlung einer Krankheit.29 Wenn also ein bestimmtes Konzept zur Hilfe genommen wird, um ein anderes zu verstehen oder zu beschreiben, wird damit ein bestimmter Interpretationsrahmen geschaffen. Damit werden – wie beim Framing – andere Aspekte ausgeblendet, eine »objektive« Bewertung tritt zunächst in den Hintergrund. George Lakoff und seine Kollegin Elisabeth Wehling kommen daher sogar zu der Einschätzung: Diese Annahme von objektiven Wahrheiten in der Welt ist schlichtweg falsch. Wir begreifen die Welt in großem Teil durch Metaphern und andere mentale Konzepte. (Lakoff/Wehling 2008: 21) Welche Relevanz hat dies nun in unserem Kontext der Fake News und Verschwörungstheorien? Ebenso wie beim Narrativ und beim Framing kann auch die Verwendung bestimmter Metaphern eine spezifische Wahrnehmung forcieren. Nehmen wir das Beispiel der »Flüchtlingswelle«, die nach mancher Einschätzung im Jahr 2015 über Deutschland schwappte. Die hinter diesem Ausdruck stehende Metapher ist »Flüchtlinge sind Wasser«, sie manifestiert sich auch in Wörtern wie »Flüchtlingsstrom«, »Flüchtlingsf lut«, »Flüchtlingsschwemme« und Wendungen wie »wir werden überrollt von Flüchtlingen«, »Flüchtlinge strömen zu uns«, »der Flüchtlingsstrom ebbt ab« etc. Dabei werden nicht kleine Mengen wie etwa Tropfen oder Rinnsale assoziiert, sondern Wassermassen. Dieses sprachliche Bild kann durch (entsprechend ausgewählte oder inszenierte) Fotografien unterstützt werden. Auf einem Pressefoto (Abb. 5), das u.a. in NBCnews.com und der Neuen Zürcher Zeitung Online Verwendung fand, wirken die Menschen auf dem Weg wie Was-

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ser in einem Flussbett; durch den Hügel, über den der Weg verläuft, ergibt sich eine Wellenform. Abbildung 5: Migrant·innen auf dem Weg von Griechenland nach Mazedonien, 14. März 2016.

Das Problematische an dieser Metapher ist, dass Wassermassen die Eigenschaft haben, mit großen Kräften zu wirken, die Zerstörung bringen: Man denke an die Schäden, die Flutwellen oder Überschwemmungen anrichten. Auch kann man Wassermassen nur schwerlich auf halten, sie bahnen sich ihren Weg oft erst durch kleine Ritzen, ehe dann die errichteten Mauern oder Dämme nicht mehr standhalten und das Wasser hereinbricht. Werden nun gef lüchtete Menschen mit Wassermassen verglichen, so werden zwei Konzepte miteinander in Beziehung gesetzt, die zunächst einmal nichts miteinander zu tun haben; schließlich sind Flüchtende Menschen und kein Wasser. Durch den Vergleich werden aber die Assoziationen, die wir mit Wassermassen haben, auf gef lüchtete Menschen übertragen: An die Stelle von menschlicher Individualität tritt eine vehemente Naturgewalt, die kontinuierlich auf uns zukommt, die wir nicht stoppen können und die das Potenzial hat, das, was wir geschaffen haben, in seinen Grundfesten zu erschüttern. Diese Assoziationen legen den Schluss nahe, dass die Ankunft gef lüchteter Menschen negative Konsequenzen nach sich ziehen wird. Dies zeigt sich auch daran, wie eine Bezeichnung wie »Flüchtlingswelle« sprachlich eingebettet wird; so wird bei einer Artikelüber-

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schrift wie »Europa droht eine gigantische Flüchtlingswelle« (Wiegel in der FAZ vom 19. Juni 2018) der Aspekt der Gefahr durch das Verb »drohen« klar formuliert. Um zu überprüfen, ob es sich bei diesem Beispiel nicht nur um einen Einzelfall handelt und das Wort »Flüchtlingswelle« nicht auch in positiven Kontexten verwendet wird (z.B. »Die Flüchtlingswelle stellt eine Lösung für den Fachkräftemangel dar«), kann man ein Korpus zu Hilfe nehmen. Ein Korpus ist eine sehr große Sammlung von Texten unterschiedlicher Herkunft, z.B. aus Journalismus, Wissenschaft oder Literatur, und soll einen repräsentativen Einblick in sprachliche Verwendungsweisen ermöglichen. Sucht man beispielsweise im Cosmas-Korpus des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache nach »Flüchtlingswelle« und sieht sich die sprachliche Umgebung dieses Wortes an, so erhält man folgende Ergebnisse:30 Die wahrscheinlichsten zehn Adjektive, die in Verbindung mit »Flüchtlingswelle« auftreten, sind in absteigender Reihenfolge: »neue«, »große« (mit »größere«/»größte«), »aktuelle«, »riesige«, »jüngste«, »gewaltige«, »weitere«, »massive«, »erneute«, »gegenwärtige«. Hierbei handelt es sich um Adjektive, die sich entweder auf den aktuellen Zeitpunkt (»aktuelle«, »jüngste«, »gegenwärtige«), auf die Größe (»groß«/»größer«/»größte«, »riesige«, »gewaltige«, »massive«) oder auf Wiederholung (»neue«, »weitere«, »erneute«) beziehen. Die zehn wahrscheinlichsten Verben, die mit »Flüchtlingswelle« auftreten, umfassen »auslösen«, »bewältigen«, »überrollen«, »drohen«, »befürchten«, »fürchten«, »schwappen«, »anhalten«, »überfordern«, »warnen«, d.h. Verben, die mit Gefahr assoziiert sind (»drohen«, »befürchten«, »fürchten«, »warnen«), mit einem Problem oder einer schwierigen Aufgabe (»bewältigen«, »überfordern«), mit der Wassermetapher (»überrollen«, »schwappen«), mit der Dauer (»anhalten«) oder einem Kausalzusammenhang (»auslösen«). Es bestätigt sich also durch diese Korpusanalyse, dass dort, wo das Wort »Flüchtlingswelle« verwendet wird, die Konnotationen der sprachlichen Umgebung primär negativ sind. Der britische Linguist Jonathan Charteris-Black spricht bei einem derartigen metaphorischen Sprachgebrauch von ideologischen Metaphern, die einerseits mit einer spezifischen Weltsicht verbunden sind und andererseits bewusst zu einem bestimmten Zweck eingesetzt werden. Bei Metaphern, die Personengruppen mit Krankheiten, Tieren, Naturkatastrophen oder mit für den Menschen gefährlichen klimatischen Phänomenen gleichsetzen, besteht nach Charteris-Black der

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Zweck darin, diese Personengruppe zu ächten und auszugrenzen.31 Mit dem Sprachgebrauch der »Flüchtlingswelle« findet also eine negative Wertung statt; es wird ein bestimmter (ideologischer) Interpretationsrahmen aufgespannt. Liest man diesen Begriff, so kann eine unbewusste Übernahme der Einschätzung, die mit einer derartigen Wortwahl verbunden ist, erfolgen. Erst wenn man sich bewusst macht, dass das dargestellte Phänomen (die Ankunft Gef lüchteter) mit Hilfe eines anderen Konzepts (Wassermassen) beschrieben wird, wird es möglich zu ref lektieren, ob die Anzahl der ankommenden Personen die Begriffe Welle, Strom oder Flut rechtfertigt, ob die Gef lüchteten tatsächlich eine Gefahr darstellen und ob es sich bei diesem Ereignis tatsächlich um ein langanhaltendes Phänomen handelt.

Zurück zu den »alternativen Fakten« Mit Sprachformen, wie z.B. Wörtern, sind also bestimmte Konzepte und Assoziationen abgespeichert, die sich aus der Verwendung ergeben und die aktiviert werden, wenn die Sprachform benutzt wird. Dies erklärt die oben skizzierte Wirkweise von metaphorischem Sprachgebrauch, ist aber längst nicht darauf beschränkt. Denn auch mit »normalen« Wörtern können implizite Deutungsvorgaben gemacht werden. Im Folgenden möchten wir dies noch einmal an der Phrase »alternative facts« aufzeigen ( Kapitel 4). Warum war die Entrüstung über diese Phrase so groß? Warum wurde sie mit George Orwells Newspeak aus dem Roman Nineteen Eighty-Four verglichen? Was passiert, wenn wir diesen Ausdruck hören? Die Oxford Dictionaries beschreiben die Bedeutung des Worts »fact« mit »a thing that is known or proved to be true« (etwas, von dem man weiß oder von dem bewiesen wurde, dass es wahr ist; eigene Übersetzung).32 Etwas als »fact« zu bezeichnen, weist diesem also einen Wahrheitsanspruch zu. Bei einer Phrase wie »alternative fact« ergibt sich für die Sprachrezipient∙innen aufgrund der Bedeutung des Nomens »fact« daher zunächst einmal die Interpretation, dass das, worum es geht, als wahr und bewiesen anzusehen ist. Das Adjektiv »alternative« hat dann die Aufgabe, das Nomen näher zu beschreiben oder zu modifizieren. Die von den Oxford Dictionaries gegebene Bedeutung von »alternative«, nämlich »available as another possibility or choice« (als weitere Möglichkeit oder Wahl verfügbar; eigene Übersetzung),33

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scheint aber im ersten Moment nicht zu der von »fact« zu passen: Wenn etwas in eine Richtung bewiesen ist, kann es ja eigentlich nicht auch in eine andere Richtung bewiesen sein. In der Kommunikation mit Anderen gehen wir prinzipiell davon aus, dass sich unser Gegenüber kooperativ verhält, d.h. dass dessen Äußerungen im aktuellen Kontext einen Sinn ergeben, den wir uns ggf. erschließen müssen:34 Eine Äußerung verstehen heißt, die geäußerten Worte und Sätze in einen Zusammenhang zu setzen mit dem, was mit ihnen gemeint sein könnte. Und das ist kein Prozess der Approximation [Annäherung] an Faktisches, sondern der Rekonstruktion von Unterstelltem. (Ziem 2008: 38). Wenn wir also eine Phrase wie »alternative facts« hören, versuchen wir, ihr eine sinnvolle Bedeutung zuzuweisen. Möglicherweise hat »alternative« also eine Bedeutungsfacette, die hier Sinn ergibt. Sehen wir uns daher an, wie das Wort in anderen Verwendungen gebraucht wird; diesmal nutzen wir dafür das Corpus of Contemporary American English.35 Dort werden die folgenden zehn Nomen am häufigsten mit dem Adjektiv »alternative« gelistet (in absteigender Reihenfolge): »energy«, »sources«, »medicine«, »fuels«, »school«, »methods«, »ways«, »programs«, »approach«, »education«. Aus diesen Verwendungsweisen lässt sich für »alternative« eine weitere Bedeutung wie »ergänzend zu Bestehendem, Etabliertem, Althergebrachtem« ableiten. Dabei ist dieses Wort durchaus positiv konnotiert, da die Alternative oft da zum Tragen kommt, wo das bislang Bestehende nicht (mehr) ausreicht, wie beispielsweise bei Energie oder Treibstoffen. Auf dieser Grundlage kann also die Phrase »alternative facts« interpretiert werden als »es handelt sich hier um eine Aussage, die als wahr einzustufen ist und die als Ergänzung zu bisherigen Befunden zu sehen ist.« Ohne die spezifische Wortwahl zu hinterfragen, entsteht also leicht der Eindruck, dass ein »alternative fact« prinzipiell zu begrüßen sei. Dabei ist es interessant zu sehen, dass Kellyanne Conway, nachdem sie diese Phrase verwendet hatte, sofort weitersprach (»But the point is …«).36 Den Zuschauer∙innen wäre also an sich keine Zeit geblieben, über diese Wortwahl und ihre Bedeutung länger nachzudenken, wenn nicht der Journalist Chuck Todd sofort auf die Phrase reagiert hätte, in-

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dem er klarstellte: »Alternative facts are not facts. They are falsehoods.« (Alternative Fakten sind keine Fakten. Sie sind falsche Aussagen; eigene Übersetzung.)

Fazit Wenn es um den Zusammenhang zwischen Fake News, Verschwörungstheorien und Sprache geht, so betrifft das nicht nur die Frage, ob etwas, das gesagt wurde, stimmt oder nicht. Behauptungen lassen sich überprüfen, z.B. anhand von Plattformen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, dies zu tun ( Schluss). Es spielt nicht nur eine Rolle, was gesagt wurde, sondern auch, wie es gesagt wurde. Bei den oben beschriebenen Konzepten handelt es sich um allgemeine Mechanismen, die bei der Versprachlichung von Inhalten zum Einsatz kommen. Deshalb ist die Verwendung bestimmter Narrative, eines metaphorischen Sprachgebrauchs oder von Framingstrategien nichts, was uns ungewöhnlich erscheint. Indem sie eine Interpretation vorgeben, können diese Mechanismen für die Vermittlung eines bestimmten Inhalts unterstützend wirken und so die Akzeptanz der damit verbundenen Konzepte oder Ansichten subtil erleichtern. Daneben reduzieren sie die Komplexität von Themen, da diese nur von bestimmten Seiten beleuchtet werden. Darüber hinaus können sie dazu benutzt werden, bestimmte Sichtweisen als »Wahrheiten« zu etablieren: In Gestalt von Narrativen kann sich ursprünglich frei Erfundenes im kollektiven Bewusstsein sedimentieren und zu einer harten sozialen Tatsache werden; narrative Elemente sickern in den Sprachschatz von Gesellschaften ein; dort verfestigen sie sich im Lauf der Zeit zu lexikalischen Wendungen, zu Sprech- und damit Denkweisen, zu Begriffen und sogar Dingwörtern. (Koschorke 2012: 24) Um auf das Eingangsbeispiel des American Dream zurückzukommen: Es kann gut sein, dass es sich beim American Dream um eine Mär handelt und dass die amerikanische Gesellschaft sozialen Aufstieg in genau dem gleichen Maße wie – oder vielleicht sogar weniger als – vergleichbare Gesellschaften zulässt. Dieses narrative Schema ist aber so

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etabliert, dass seine Berechtigung überhaupt nicht in Frage gestellt wird. Es lohnt sich also, gelegentlich einen Schritt zurückzutreten und darüber nachzudenken, wie Inhalte versprachlicht werden und inwieweit diese Versprachlichung eine bestimmte Sichtweise unterstützt. Sprachgebräuche werden oft unref lektiert übernommen, ohne dass man sich der impliziten Bedeutung bewusst ist. Der Begriff »Flüchtlingswelle« ist beispielsweise in deutschen Publikationsorganen weit verbreitet.37 Ohne zu unterstellen, dass damit eine spezifische politische Agenda verfolgt werden soll, kann man den entsprechenden Medien zumindest eine gewisse Naivität und Sorglosigkeit im Sprachgebrauch vorwerfen, vor allem wenn der Begriff auch im Zusammenhang mit dem übergeordneten Thema Migration, und nicht speziell mit Flucht, verwendet wird: Wie oben bereits genannt, überschrieb die Frankfurter Allgemeine am 19. Juni 2018 einen Artikel mit »Europa droht eine gigantische Flüchtlingswelle«. In diesem Artikel ging es jedoch gar nicht primär um aktuelle Fluchtbewegungen nach Europa, sondern um die Besprechung eines Buches, in dem mögliche zukünftige Migrationsbewegungen jeglicher Art von Afrika nach Europa beschrieben werden. Der Bezug auf Flüchtlinge ist hier somit sachlich nicht korrekt, die Verwendung des Worts »Flüchtlingswelle« vielmehr zuspitzend. (Interessanterweise lautet der Titel des Artikels in der URL »Europa steht vor einer riesigen Einwanderungswelle«. Dieser – inhaltlich korrektere – Titel entsprach möglicherweise nicht aufmerksamkeitsökonomischen Überlegungen;  Kapitel 5.) Andere Medien setzen sich explizit mit diesem Sprachgebrauch auseinander.38 Dies ist umso wichtiger, als die Implikationen metaphorischer Sprachverwendung meist nicht bewusst wahrgenommen werden: Bei der oben beschriebenen Studie, in der der Anstieg von Kriminalität entweder mit einem wilden Tier oder einer Krankheit verglichen wurde, zeigte sich, dass die Testpersonen bei einer Sichtung von weiteren Informationen zum Thema vor allem diejenigen Informationen auswählten, die mit der vorgegebenen Metapher in Einklang zu bringen waren. Darüber hinaus hatten die Testpersonen nicht bemerkt, dass die Metapher die Entscheidungsgrundlage für die Interventionsempfehlung gewesen war. Vielmehr führten sie dafür die im Text präsentierten Statistiken an – nur dass diese für beide Gruppen die gleichen gewesen waren.39

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Narrative, Framing und Metaphern vermögen es also vielleicht nicht, von sich aus Wirklichkeiten zu schaffen. Ihre Verwendung ermöglicht es aber, die Wahrnehmung der Wirklichkeit zu lenken, sogar zu manipulieren, und insofern unser subjektives Wirklichkeitsempfinden durchaus zu beeinf lussen.

Anmerkungen 1

Im Original: »We lived in a large house, but we never thought of ourselves as rich kids. We were brought up to know the value of a dollar and to appreciate the importance of hard work.« (Trump/Schwartz 1987: 48)

2

Zum Dschungelcamp vgl. auch Schicha 2019: 201f.

3

Fisher 1987: xi. Die Bezeichnung Homo narrans lehnt sich an Begriffe aus der Evolutionsgeschichte der Menschheit an, wie Homo erectus oder Homo sapiens. Insofern lässt sich Homo narrans übersetzen mit »eine Evolutionsstufe des Menschen, auf der sich das Geschichtenerzählen zu einem wesentlichen Merkmal ausgeprägt hat«.

4

Vgl. beispielsweise Viehöver 2011 für den Begriff Narration oder Koschorke 2012 für den Begriff Erzählung.

5

Für einen kurzen Überblick siehe Koschorke 2012: 19-25. Vgl. auch Denkwerk Demokratie (Hg.) 2014; Gadinger et al. (Hg.) 2014; Keller et al. (Hg.) 2011-2013.

6

Koschorke 2012: 242-244.

7

Rede vom 14. Februar 2018. Text online verfügbar unter: https://blogs.spectator. co.uk/2018/02/full-text-boris-johnsons-brexit-speech/

8

Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Claas_Relotius

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Relotius 2016. Alle Artikel, die von Claas Relotius im Spiegel erschienen sind, werden überprüft. Siehe http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/der-fall-claas-relo tius-welche-texte-gefaelscht-sind-und-welche-nicht-a-1249747.html

10 Siehe http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/fall-claas-relotius-so-sammelte -der-reporter-offenbar-spenden-ein-a-1245231.html 11 Der Begriff Frame wurde von Marvin Minsky 1974 im Zusammenhang mit der Forschung zu künstlicher Intelligenz geprägt. Er findet jedoch auch Verwendung in der psychologischen Forschung (vgl. beispielsweise Tversky/Kahneman 1981) sowie in der Soziologie (Goffman 1974), in der Bild-, Medien- und Kommunikationswissenschaft sowie in der (kognitiven) Linguistik. Zu den wissenschaftlichen Traditionen der Framing-Forschung siehe beispielsweise Matthes (2014: 24-35), zu Frames in der KI-Forschung siehe Konerding (1993: 20-42). 12 Siehe https://www.washingtonpost.com/politics/trump-in-cia-visit-attacks-me dia-for-coverage-of-his-inaugural-crowds/2017/01/21/f4574dca-e019-11e6-ad42f3375f271c9c_story.html?utm_term=.ebade0bd85cd 13 Vgl. Viehöver 2011: 206: »Allerdings kann die Rahmenanalyse die Narrationsanalyse nicht ersetzen, weil sie gerade nicht zeigt, wie eine Vielzahl von in Diskursen

Kapitel 7: Sprache und die Erfassung von Wirklichkeit kommunizierten Deutungsrahmen (frames) durch den plot zu einer (kohärenten) Narration verbunden werden.« 14 Tsagué Assopgoum 2011: 281ff. Auch in senegalesischen Zeitungen überwiegt der negative Aspekt der Flucht, wobei es hier vor allem um die Auswirkungen der irregulären Abwanderung auf das Land geht. 15 Sängerlaub et al. 2018: 36, 41, 45, 49, 58, 62, 67, 71. 16 Zur Geschichte des Prinzips der linguistischen Relativität siehe Everett 2013: 9-22. Für einen Überblick über »Sprache, Kultur und Bedeutung: Kulturvergleichende Semantik« siehe Pörings/Schmitz 2003: 139-162. 17 Für eine Einführung zur linguistischen Relativität siehe Deutscher 2011, zur weiteren Ausführung siehe Lucy 1992a/b oder Gentner/Goldin-Meadow 2003. 18 Sapirs Gedanken können nachgelesen werden in Sapir 1931/2008 oder 1933/1956. 19 Im Original: »[…] the obligatory phenomena within the apparently free flow of talk are so completely autocratic that speaker and listener are bound unconsciously as though in the grip of a law of nature. […] These automatic, involuntary patterns of language are not the same for all men but are specific for each language and constitute the formalized side of the language, or its ›grammar‹ – a term that includes much more than the grammar we learned in the textbooks of our school days. From this fact proceeds what I have called the ›linguistic relativity principle‹, which means, in informal terms, that users of markedly different grammars are pointed by the grammars toward different types of observations and different evaluations of externally similar acts of observation, and hence are not equivalent as observers but must arrive at somewhat different views of the world.« (Whorf 1940/2012: 282f.) 20 Vgl. beispielsweise Levinson 2012: xv-xviii; Lucy 1992a/b. 21 Everett 2013: 72-108. 22 Everett 2013: 170-199. Zum Verhältnis von Sprache und Farben auch ausführlich Deutscher 2011: vor allem 219-232. 23 Im Original: »The purpose of Newspeak was not only to provide a medium of expression for the worldview and mental habits proper to the devotees of Ingsoc, but to make all other modes of thought impossible. It was intended that when Newspeak had been adopted once and for all and Oldspeak forgotten, a heretical thought – that is, a thought diverging from the principles of Ingsoc – should be literally unthinkable, at least so far as thought is dependent on words.« (Orwell 1949/1956: 270) 24 Das nicht-sprachliche Denken hat »die Funktion eines Redundanzsystems unserer Weltorientierung, denn es arbeitet auch dann noch, wenn es um Leistungen geht, die Sprache allein nicht bewältigen kann, oder wenn das sprachliche System aus verschiedenen Gründen nicht gut oder gar nicht mehr arbeitet« (Lohmar 2016: 2). 25 Für einen Überblick über die Entwicklung der Frames-Theorie im linguistischen Kontext vgl. z.B. Gamerschlag et al. 2014: 3-13; Ziem 2008: 14-57; Konerding 1993: 42-64; Tannen 1993: 14-21; sehr ausführlich Busse 2012: 23-439. 26 Vgl. hierzu auch den Frame »Rescuing« des linguistischen Projekts FrameNet: https://framenet.icsi.berkeley.edu/fndrupal/frameIndex 27 Lakoff/Johnson 1980/2003: 8f.

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Alternative Wirklichkeiten? 28 Zu conceptional blending siehe Fauconnier/Turner 2003. Zur psychologischen Wirkung von Metaphern siehe Bowdle/Gentner 2005. 29 Siehe Thibodeau/Boroditsky 2011 und 2013. 30 Herangezogen wurden das Archiv der gesprochenen Sprache sowie alle öffentlichen Korpora des Archivs W. Bei der Kollokationsanalyse zu den Adjektiven wurde nach direkt vor dem Nomen stehenden Adjektiven gesucht (Span 1-0), bei den Verben nach Verben, die sich in einer Umgebung von fünf Wörtern vor oder nach dem Nomen befinden (Span 5-5). Online verfügbar unter: https://www.ids-mannheim. de/cosmas2/ 31 Charteris-Black 2018: 202f. 32 Siehe https://www.lexico.com/en/definition/fact 33 Siehe https://www.lexico.com/en/definition/alternative 34 In der Linguistik sehr bekannt ist auch das Cooperative Principle von Paul Grice, das besagt, dass erfolgreiche Kommunikation ein Resultat einer gemeinsamen Kooperation zwischen den Kommunikationspartner∙innen ist (siehe beispielsweise Bublitz 2001: 163ff.). 35 Siehe https://www.english-corpora.org/coca/ 36 Zu sehen unter: https://www.theguardian.com/commentisfree/2017/jan/23/kelly anne-conway-alternative-facts-lies 37 So listen beispielsweise der Stern und die Berliner Morgenpost auf ihren Websites Artikel zu den Themen Flucht in die EU/Migration/Geflüchtete jeweils unter dem Stichwort »Flüchtlingswelle«: https://www.stern.de/politik/ausland/themen/ fluechtlingswelle-4137780.html; https://www.morgenpost.de/themen/fluecht linge/?page=1#fwid2 38 Dies gilt beispielsweise für die Süddeutsche Zeitung oder den ORF, siehe: https://www.sueddeutsche.de/kultur/framing-check-fluechtlingswelle-wennmenschen-zur-naturkatastrophe-werden-1.4038753; https://orf.at/v2/sto ries/2292457/2292454/ 39 Thibodeau/Boroditsky 2011.

Kapitel 8: Die Macht der Bilder, Wirklichkeiten zu zeigen Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Peter Panter (alias Kurt Tucholsky) In den 1990er Jahren wurde von Wissenschaftler·innen unterschiedlicher fachlicher Herkunft der Eindruck formuliert, wir lebten in einer visuellen Kultur (visual culture), in der Bilder und ihre Trägermedien zu wesentlichen Repräsentationsformen des täglichen Lebens avanciert seien. Tatsächlich hat die zunehmende Verbreitung von Smartphones dazu geführt, dass fast jederzeit und überall Kameras verfügbar sind, und Fotoportale und Social Media-Plattformen wie Flickr oder Instagram tragen zur massenhaften Verbreitung auch privater Bilder bei.1 Bilder sind allgegenwärtig, und oft ist von einer Bilderf lut die Rede, die nicht nur unsere Alltagskultur wesentlich prägt, sondern auch unsere Rezeptions- und Kognitionsvorgänge beeinf lusst. Bilder ganz unterschiedlicher Herkunft prägen unsere Vorstellung von der Beschaffenheit der Wirklichkeit: Dies gilt beispielsweise für technisch-medial erzeugte Bilder aus dem medizinischen Bereich (wie EKGs oder Ultraschallaufnahmen) ebenso wie für mikroskopische oder teleskopische Aufnahmen, die durch ihre Visualisierungen die Welt des Sichtbaren erweitern. Hinzu kommen mithilfe von Computertechnologie erzeugte visuelle Simulationen, deren Illusionismus die Wirklichkeit in noch nie da gewesener Weise imitiert und im Rahmen virtueller Realitäten sogar erweitert. Der amerikanische Bildwissenschaftler W.J.T. Mitchell bezeichnete diese kulturelle Hinwendung zum Bild bereits 1992 als »pictorial turn«,2 womit er nicht allein auf die Allgegenwart visueller Erzeugnisse Bezug nehmen wollte. Er sah v.a. das Denken in Bildern als konstitutiv für die menschliche Wissenserzeugung an, die sich im Gebrauch von und im Umgang mit (materiellen) Bildern offenbare. Mitchell zeigte

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in seinen Studien auf, dass wir mit Bildern bisweilen so umgehen, als ob es sich bei ihnen um etwas Lebendiges handeln würde. Auch hätten Bilder maßgeblich Einf luss darauf, wie wir die Wirklichkeit sehen, aber auch durch unser Handeln gestalten, weil wir im Betrachten von Bildern selbst eine Aussage in diese hineinlegen würden. In unserem alltäglichen Umgang mit Bildern und insbesondere mit Fotografien und Filmaufnahmen gehen wir davon aus, dass sie uns die Wirklichkeit zeigen, so wie sie ist. Der Bildjournalismus lebt davon, uns diese medial zu vermitteln; Bildagenturen wie der Bildfunk der Deutschen Presse-Agentur (dpa), Reuters oder Associated Press (AP) stellen täglich Tausende von Bildern zur Verfügung, und der Bildanteil am redaktionellen Teil von Zeitungen steigt.3 Die Nachrichtenbranche versorgt uns beständig mit visuellen Informationen, welche die Authentizität ihrer Meldungen unterstreichen und uns in die Lage versetzen sollen, uns selbst ein Bild von der Welt zu machen. Das macht Bilder auch für Fake News attraktiv. Denn ebenso wie Bilder wahren Aussagen zusätzlich Glaubwürdigkeit verleihen, können sie auch bei absichtsvollen Täuschungen Hilfestellung leisten oder diese maßgeblich forcieren.4 Allerdings gehört die Veränderung von Bildern zum Alltagsgeschäft der Medienbranche: Bilder werden beschnitten, in Graustufen oder in Farbe gedruckt und mit Bildlegenden versehen, die eine bestimmte Interpretation nahelegen. Obwohl nicht jeder Beschnitt eines Bildes auch als Fälschung bezeichnet werden kann, lohnt es sich gerade bei solchen Bildern, die vorgeben, die Wirklichkeit abzubilden, ihre Wirkweise ein wenig genauer zu hinterfragen: Warum glauben wir Bildern eigentlich? Und wie beeinf lussen sie unser Denken und Handeln?

Die Glaubwürdigkeit der Technik und die Wirklichkeit der Fotografie Technische Bilderzeugung wird gemeinhin für »unbestechlich« gehalten. Darauf basiert die Annahme, Fotografien bildeten die Wirklichkeit bzw. die Welt getreu ab. Diese findet sich bestätigt, wenn das, was auf dem fotografischen Bild zu sehen ist, auch (wieder-)erkennbar ist. Die Fähigkeit der Fotografie, auch Dinge außerhalb unserer sinnlich-visuellen Wahrnehmungsfähigkeit sichtbar zu machen, steigert deren Glaubwürdigkeit zusätzlich. Man denke beispielsweise an Hochge-

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schwindigkeitsaufnahmen von Vögeln im Flug oder von galoppierenden Pferden, die aufgrund der geringen Verschlusszeit der Kamera Bewegungsmomente einfrieren, die für das bloße Auge nicht wahrnehmbar sind. Ihre mechanische Entstehung umgibt technische Bilder von Beginn an mit einer Aura der Glaubwürdigkeit – schließlich kann nur fotografiert werden, was auch wirklich vorhanden ist. Entsprechend bescheinigte der französische Philosoph und Literaturkritiker Roland Barthes (1915-1980) der Fotografie ein besonderes Verhältnis zur Wirklichkeit und formulierte als ihren eigentlichen Denkinhalt ein »Es-ist-so-gewesen«.5 Ähnlich argumentierte die amerikanische Publizistin Susan Sontag (1933-2004): Eine Fotografie gilt als unwiderleglicher Beweis dafür, dass ein bestimmtes Ereignis sich tatsächlich so abgespielt hat. Das Bild mag verzerren; immer aber besteht Grund zu der Annahme, dass etwas existiert – oder existiert hat –, das dem gleicht, was auf dem Bild zu sehen ist.6 (Sontag 1977/2008a: 11f; Übersetzung: Gertrud Baruch) Die Überzeugung, das auf einer Fotografie zu Sehende habe genau so existiert und das fotografische Bild verweise unmittelbar auf die Wirklichkeit, lässt sich auf das automatische Verfahren der analogen fotografischen Bilderzeugung zurückführen, das – von menschlichen und damit subjektiven Einf lüssen – weitgehend unberührt zu sein scheint: Durch eine optische Linse dringt Licht, das von den zu fotografierenden Gegenständen auf lichtempfindliches Material ref lektiert wird, wobei der Apparat nicht zwischen Wichtigem und Unwichtigem unterscheidet.7 Diese vermeintliche Abwesenheit subjektiver Einf lussnahme auf die Bilderzeugung ist nicht zuletzt auch in der für die optische Linse gewählten Bezeichnung, Objektiv, festgehalten.8 In der Frühzeit der Fotografie – erste fotografische Verfahren wie die Daguerrotypie wurden in den 1820er und 1830er Jahren entwickelt – führte die weitgehende Unkenntnis fotomechanischer Prozesse zu erstaunlichen Erklärungen, die die Fotografie gar als physische Spur sahen, die in unmittelbarem Zusammenhang zu dem fotografierten Objekt stünde: Denn bei allen bis dahin bekannten Verfahren der Bilderzeugung wie Malerei oder Druckgrafik war die Materialität des Bildes – Papier, Farbe, Leinwand – ebenso zugänglich wie der handwerkliche Herstellungsprozess nachvollziehbar. Bei der Fotografie hingegen

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entzog sich den Betrachtenden der Entstehungsprozess weitgehend. Daher nahm man an, das Licht oder die abgebildeten Gegenstände selbst hätten Abdrücke hinterlassen oder winzige Partikel des fotografierten Objekts hätten sich von diesem gelöst und auf der Fotografie materialisiert.9 Der Naturforscher Alexander von Humboldt (1769-1859) etwa, dessen naturwissenschaftliche Werke nicht zuletzt auch aufgrund seiner detaillierten Zeichnungen von dem, was er auf seinen Reisen sah und sammelte, Berühmtheit erlangten, sprach von »Gegenständen, die sich selbst in unnachahmlicher Treue mahlen« und vom »Licht, gezwungen durch chemische Kunst, in wenigen Minuten, bleibende Spuren zu lassen« (zit.n. Geimer 2009: 15f.). Der englische Adelige William Henry Fox Talbot, der als erster Mitte der 1830er Jahre ein Positiv-Negativ-Verfahren auf Papier realisierte, sprach deshalb auch vom »Pencil of Nature« (1844), vom »Zeichenstift der Natur«. Offenbar hat die Fotografie diesbezüglich von religiösen Bilddiskursen und Glaubenswahrheiten profitiert. So werden Fotografien aufgrund des Entstehungsprozesses gelegentlich mit den – angeblich – nicht von Menschenhand gefertigten Bildern göttlichen Ursprungs (den so genannten Acheiropoieta) in Beziehung gesetzt, deren bekanntestes wohl die Vera Icon ist.10 Dieses heute verschollene »wahre Bildnis« Christi entstand der Legende nach durch dessen Schweiß und Blut, als dieser sein Gesicht in ein Tuch drückte, welches ihm eine am Kreuzweg stehende Frau gereicht hatte. Zwischen dem Bild auf dem Schweißtuch und dem abgebildeten Gesicht Christi besteht vermeintlich ein direkter, physischer Zusammenhang, der dem Bild Authentizität zusichert. Auf mittelalterlichen Abbildungen der Kreuzweg-Szene ist das Gesicht auf dem Schweißtuch daher identisch mit dem Gesicht des kreuztragenden Christus. Das Bild trägt eine körperliche Spur Christi und wird damit selbst zum Wahrheitsbeweis dafür, dass das Ereignis wirklich stattgefunden hat.11 Bereits 1927 stellte der Soziologe und Journalist Siegfried Kracauer (1889-1966) die These auf, die »Flut der Photos«, die alltäglich über die Illustrierten verbreitet werde, habe zu einer Verwechslung der fotografischen Abbilder mit »wahrem« Wissen über die Welt geführt. Die schiere Menge an abgebildeten Fotografien, die scheinbar die Welt vermittelten, verstelle tatsächlich jedoch den Blick auf die Welt und deren Wahrnehmung.12 Somit erzeugten Fotografien eine eigene Realität, auf die sich die Aufmerksamkeit der Betrachter·innen konzentriere. Ein halbes Jahrhundert nach Kracauer sah Susan Sontag hierin einen

Kapitel 8: Die Macht der Bilder, Wirklichkeiten zu zeigen

grundlegenden Unterschied zu gemalten Bildern und unter Rückgriff auf das Spurenparadigma zugleich Anlass zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Fotografie: Niemand hat angesichts eines Bildes von der Staffelei das Gefühl, dieses Bild sei von der gleichen Substanz wie sein Gegenstand. Es stellt etwas dar oder verweist auf etwas. Eine Fotografie aber ist nicht nur ›wie‹ ihr Gegenstand, eine Huldigung an den Gegenstand. Sie ist Teil, ist Erweiterung dieses Gegenstandes; und sie ist ein wirksames Mittel, ihn in Besitz zu nehmen, ihn unter Kontrolle zu bringen.13 (Sontag 1977/2008b: 148; Übersetzung: Mark W. Rien) Fotografien werden daher auch als eine Art ausgelagertes Gedächtnis gesehen, das sich auf individuelle Erinnerungsprozesse auswirken kann.14 Viele von uns werden sich beispielsweise an Geschehnisse aus ihrer Kindheit primär so erinnern, wie sie auf Fotografien festgehalten wurden, und weniger kraft des eigenen Gedächtnisses. Das Vertrauen in die Fotografie, das abzubilden, was auch wirklich gewesen ist, und eine Erinnerung daran zu bewahren, hat sie seit jeher anfällig für Manipulationen gemacht. Denn schließlich zeigt eine Fotografie nicht nur, dass überhaupt etwas gewesen ist, sondern auch wie es gewesen ist. Daher unternahm beispielsweise Josef Stalin große Anstrengungen, die in Fotografien festgehaltenen Erinnerungen zu manipulieren, indem er immer wieder Personen, die bei ihm in Ungnade gefallen waren, aus Bildern herausretuschieren ließ. Damit wurden sie zugleich aus der kollektiven Erinnerung verbannt.15 Die Retusche von Bildern ist nur eine Form, die Erinnerung an die Wirklichkeit zu manipulieren. Auch die (nachträgliche) Inszenierung von Ereignissen zum Zweck der fotografischen Aufnahme zielt darauf ab, der Nachwelt ein ganz spezifisches Bild der Wirklichkeit zu überliefern. So wurde das Foto von Joe Rosenthal, welches das Hissen der amerikanischen Flagge am 23. Februar 1945 auf der japanischen Insel Iwo Jima, zeigt, eigens nachgestellt. Die Errichtung der ersten Flagge wenige Stunden zuvor war zu unspektakulär und die Flagge zu klein gewesen. Die Bedeutung dieses Bildes zeigt sich in seiner Rezeption: Es fand Verwendung als Motiv für die letzte US-Kriegsanleihe sowie für Briefmarken, und 1954 war es Vorlage für das US Marine Corps War Memorial.16

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Neben solchen Re-Inszenierungen von Ereignissen wird auch immer wieder die Frage aufgeworfen, ob nicht die Anwesenheit einer Kamera überhaupt erst ein bestimmtes Ereignis provoziert haben könnte bzw. ob nicht ein Ereignis einzig stattgefunden habe, um fotografiert (oder gefilmt) zu werden. So bemerkte Siegfried Kracauer 1927 süffisant: »In Genf tagt der Völkerbundkongreß. Er dient dazu, die Herren Stresemann und Briand vor dem Hoteleingang im Gespräch zu zeigen.« (Kracauer 1927/1977: 33) Und auch heute darf man angesichts mancher Politikveranstaltung durchaus die Frage stellen, wie viel Inhalt und wie viel Show ist ( Kapitel 5). Wie weitreichend die Folgen einer anwesenden Kamera sein können, verdeutlicht die berühmte Fotografie »Der Schuss von Saigon«, die der amerikanische Kriegsberichterstatter Eddie Adams (1933-2004) am 1. Februar 1968 in Saigon gemacht hatte und für die er 1969 den Pulitzerpreis erhielt. Die Fotografie zeigt die Erschießung eines gefangenen Vietcong durch den südvietnamesischen Polizeichef Nguyen Ngoc Loan auf offener Straße. Schon früh wurde vermutet, es handele sich hier weniger um eine Tötung vor der Kamera, sondern vielmehr um eine Tötung für die Kamera, war der Gefangene doch gezielt dorthin geführt worden, wo sich Journalist∙innen versammelt hatten (neben Adams war auch ein Kameramann anwesend, der die Szene filmisch festhielt).17 Über diese »mediale Komplizenschaft« (Burkhardt 2008) wurde und wird immer wieder diskutiert, und in den Tötungen von Gefangenen durch Terroristen des IS vor laufender Kamera (2014/15) hat sie in ihrer abschreckenden Variante möglicherweise einen Höhepunkt erreicht.

Wie wir Bilder wahrnehmen und warum sie nicht objektiv sind Dass Fotografien visuell und damit sinnlich erfasst werden, spielt ihrer Glaubwürdigkeit zusätzlich in die Hände. Denn diese wird letztlich an unseren Erfahrungen gemessen, die aufgrund des abbildhaften Charakters fotografischer Bilder angesprochen werden: Wir erkennen die darauf abgebildeten Dinge – entweder, weil wir diese oder vergleichbare schon einmal gesehen haben (in »echt« oder bereits bildlich vermittelt) oder weil wir uns, beispielsweise aufgrund von Beschreibungen, »ein Bild davon gemacht« haben. Weil Fotografien Bilder der Welt, in der wir leben, zeigen, können wir uns selbst in die abgebildete Umwelt

Kapitel 8: Die Macht der Bilder, Wirklichkeiten zu zeigen

versetzen, indem wir beispielsweise Größenverhältnisse oder Lichteinfall mit unserer eigenen Erfahrung abgleichen. Die Verlässlichkeit eines Sinneseindrucks wird erhöht, wenn er durch weitere Sinneseindrücke bestätigt wird.18 Klassischerweise werden bei uns Menschen fünf Sinne unterschieden, mit denen wir unsere Umwelt wahrnehmen: Sehsinn, Geruchssinn, Hörsinn, Tastsinn und Geschmackssinn. Die eigene Lebensumwelt anhand dieser fünf Sinne zu erschließen, ist für Menschen und Tiere überlebensnotwendig. So müssen Nahrungsquellen ausfindig gemacht, Giftpf lanzen von ungiftigen Speisepf lanzen unterschieden und Aggressoren frühzeitig erkannt werden. Die Reaktion auf bestimmte Sinnesreize erfolgt meist intuitiv und ohne darüber nachzudenken: Ertönt hinter uns das laute Hupen eines Autos, springen wir zur Seite, weil laute Geräusche auf Gefahren hinweisen können; erscheint unerwartet etwas in unserem Blickfeld, so ducken wir uns, da es sich um einen plötzlichen Angriff handeln könnte; und bitter schmeckendes Essen spucken wir aus, weil dieser Geschmack mit Ungenießbarem assoziiert wird. Bilder sind allein durch den Reiz des Sehsinns in der Lage, auch weitere Sinne anzusprechen und damit den Eindruck einer synästhetischen Wahrnehmung, d.h. gleichzeitige Sinneseindrücke zu erzeugen: So können Bilder von Feuer bei den Betrachter·innen ein Gefühl von Hitze hervorrufen, Bilder von Wellen, die auf einen Strand branden, evozieren das dazu passende Meeresrauschen, Bilder von Zitronen rufen deren sauren Geschmack auf der Zunge hervor, und das Bild einer riesigen Müllkippe lässt uns deren Gestank scheinbar riechen. Je stärker und existenzieller die vermeintlichen Sinneseindrücke wirken, desto überzeugender erscheint das Bild. Die Fähigkeit, uns emotional anzusprechen, trägt ebenfalls maßgeblich zur Glaubwürdigkeit von Bildern bei. Emotionen wie Angst, Wut, Freude, Trauer oder Überraschung werden auch als Basisemotionen bezeichnet.19 Sie werden mit für das Überleben grundlegenden Reaktionen assoziiert: Auf Angst folgen Flucht- und Schutzimpuls, auf Wut Angriffsverhalten und Trauer signalisiert Hilfs- und Schutzbedürftigkeit. Insbesondere die Werbebranche hat die suggestive Macht von Bildern seit jeher zu nutzen verstanden. Schließlich gehört es zu ihrem Kerngeschäft, uns zu (Kauf-)Handlungen zu verführen, um Bedürfnisse zu befriedigen, die wir ohne sie (vielleicht) gar nicht hätten. Bilder in der Werbung nutzen die aus unseren Emotionen resultierenden Handlungsmuster als Geschäftsmodell: Werbung für Haussicher-

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heitstechnik zeigt bevorzugt maskierte Männer mit Brecheisen bei Nacht, womit die Furcht vor einem Einbruch adressiert wird (was zur Anschaffung der beworbenen Sicherheitsschlösser führen soll). Autowerbung zeigt zufriedene, glückliche Menschen, deren Lebensgefühl durch das Auto anscheinend gesteigert wird, womit die Freude am Fahren angesprochen wird (was uns zum Kauf des Wagens verleitet), und Bilder leidender Kinder evozieren über den Umweg der Traurigkeit unser Mitgefühl und fördern unsere Hilfsbereitschaft (die sich in Form von Geldspenden zeigt). Die emotionale Verfasstheit von Menschen spiegelt sich am deutlichsten in ihren Gesichtern wider. Bestimmte Gesichtsausdrücke sind dabei so universell, dass die sie auslösenden Emotionen von den meisten Menschen erkannt werden. Betrachten wir eine Fotografie, auf der Menschen abgebildet sind, so ermöglicht uns insbesondere die Auswertung von Mimik und Gestik, ihre Stimmung und Gefühle empathisch nachzuempfinden. Diese Fähigkeit erlaubt es uns, Menschen auf Bildern als Handelnde wahrzunehmen. Obwohl es sich bei einem gewissermaßen eingefrorenen Gefühlsausdruck nur um eine Momentaufnahme handelt, konstruieren wir aufgrund unserer eigenen Körpererfahrung Handlungsabläufe: Wir erfassen Möglichkeiten, was der auf dem Bild festgehaltenen Gestik und Mimik vorausgegangen sein mag, aber auch, welche Handlungen daraus folgen könnten. Ohne dass es sich um einen bewussten Vorgang handelt, rekonstruieren wir eine Geschichte, die das Bild uns erzählt – de facto jedoch von uns an das Bild herangetragen wird. Am stärksten reagieren wir auf das Gefühl der Angst. Dies lässt sich aus evolutionärer Perspektive damit erklären, dass diese Emotion überlebenswichtig war: Sie half, Bedrohungen durch Tiere oder Artgenossen ebenso wie Gefahren, die in der Umwelt lauerten, richtig einzuschätzen und im Zweifel lieber die Flucht zu ergreifen. Offenbar ist dieses Reaktionsmuster tief in unserer DNA verankert, denn noch immer reagieren wir auf schlechte Nachrichten schneller als auf positive, und zwar noch bevor uns bewusst wird, worauf wir eigentlich reagieren ( Kapitel 5). Daniel Kahneman bezeichnet diese Tendenz als Negativdominanz und führt aus, dass sowohl bedrohliche Bilder, wie wütende Gesichter, als auch negativ besetzte Wörter körperliche Reaktionen oder abwehrende Meinungsäußerungen provozieren.20 Daher erhöhen negative Ereignisse die Absatzzahlen von Zeitungen und die Einschaltquoten von Nachrichtensendungen (»Bad news is good news.«), und in

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sozialen Medien wie Facebook werden Inhalte, die negative Emotionen provozieren, besonders häufig geteilt ( Kapitel 6). Egal, ob negative oder positive Emotionen hervorgerufen werden, die unmittelbare affektive Wirkung, die ein visueller Eindruck bei uns hinterlässt, entzieht sich zunächst unserem Bewusstsein, weil die Wahrnehmung von Bildern grundsätzlich nicht bewusst erfolgt. Wie alles, was wir sehen, »fallen sie ins Auge« (Waldenfels 2008: 47). In einer Sekunde nimmt das Auge Millionen von Informationen auf, die das Gehirn weiterverarbeitet: Gegenstände ref lektieren Lichtstrahlen auf die Hornhaut des Auges, die über die Iris auf die Linse weitergeleitet werden. Von dort aus gelangt das Licht auf die Netzhaut mit ihren Sehzellen, die u.a. dafür sorgen, dass wir Farben und Hell-Dunkel-Kontraste sehen. Sie übersetzen das Licht in Nervenimpulse, die an das Gehirn weitergeleitet werden, wo schließlich das Bild entsteht.21 Abbildung 6: Kanizsa-Dreieck.

Allerdings interpretiert das Gehirn die erhaltenen Rohinformationen nicht vorurteilsfrei. Zunächst geht es bei dem Versuch, erkennbare Zusammenhänge herzustellen, konstruktiv vor, indem es beispielsweise unvollständige Strukturen zu ganzen Formen vervollständigt, wie das nach dem italienischen Psychologen Gaetano Kanizsa (1913-1993) benannte Kanizsa-Dreieck (Abb. 6) belegt: Vor einer schwarz konturierten dreieckigen Fläche sehen wir ein weißes Dreieck, dessen Ecken drei schwarze Kreise überlagert. Dabei zeigt das Bild tatsächlich nur Linien und Kreissegmente. Unser Gehirn bemüht sich, die wahrgenommenen

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Reize sinnvoll zu verbinden und damit Diskontinuitäten zu überbrücken. Ziel ist es, eine möglichst widerspruchsfreie Interpretation zu finden. Dass unser Gehirn fehlende visuelle Informationen ergänzt, lässt sich leicht nachprüfen: Verdecken Sie doch einmal die obere oder untere Hälfte dieser Textzeile: Ihr Gehirn wird dennoch in der Lage sein, den Text zu lesen, weil es die unvollständigen Buchstaben nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit ergänzt.22 Auch neigen wir dazu, Elemente, die räumlich nahe beieinanderliegen, zu Einheiten zu gruppieren. Dies erscheint durchaus sinnvoll, bedenkt man, wie eingeschränkt unser Gesichtsfeld ist: Es kann die Wirklichkeit immer nur in Teilen erfassen oder die Umgebung, beispielsweise bei schlechten Lichtverhältnissen, nur eingeschränkt erkennen. Für die Orientierung ist eine möglichst rasche und intuitive Vervollständigung also unumgänglich. Bei der Interpretation der wahrgenommenen Elemente helfen uns Erfahrung und Wissen. Unser Sehsystem ist aufgrund unserer Erfahrung in der Lage, zweidimensionale Bilder so zu rekonstruieren, dass ein dreidimensionaler Eindruck entsteht. So gehen wir davon aus, dass Licht von oben kommt und sich deshalb unterhalb von beleuchteten Objekten Schatten bilden. Daher werden Abbildungen kreisrunder Elemente, deren obere Hälfte hell und deren untere Hälfte dunkel ist, als nach außen gebogene Strukturen (wie Kugeln) interpretiert, während umgekehrt schattierte Gebilde als nach innen gebogene Strukturen erkannt werden. Unser Sehsystem konstruiert damit Bilder, die keine direkten Abbildungen einer faktischen Wirklichkeit sind – und dennoch zur Wirklichkeit in Bezug gesetzt werden. Ebenso können dreidimensionale Raumeindrücke durch zweidimensionale Bilder erschaffen werden, wenn z.B. Abstände zwischen dargestellten Gegenständen und deren Größenverhältnis zueinander räumlich interpretiert werden. Ausgehend von einem angenommenen Betrachter∙innenstandpunkt können mithilfe von Perspektivenrastern Gegenstände maßstabsgerecht im fiktiven Raum dargestellt werden. Das Gesehene wird für uns unmittelbar erfahrbar, weil wir uns bei der Konstruktion der visuellen Sinneseindrücke auf eigene Erfahrungen stützen. Diese Fähigkeit zur erfahrungsbasierten und beinahe intuitiven Interpretation liegt der Wahrnehmung optischer Täuschungen zugrunde. Der niederländische Künstler M. C. Escher (1898-1972) demonstrierte in seinen Zeichnungen, wie unsere Seherfahrung gegen sich selbst ausgespielt wird: In seinen irrealen Raumkonstruktionen

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scheint Wasser bergauf zu f ließen, Einblicke in Gebäude scheinen sich gleichzeitig von unten nach oben wie seitlich zu öffnen, und innen und außen, rechts und links, vorne und hinten lösen vexierbildartig einander ab. Weil unsere Wahrnehmung konstruktiv verfährt, werden wir getäuscht. Auch Fotografien nutzen die Möglichkeit, unsere Wahrnehmung zu täuschen. Eine Bildersuche im Internet mit den Schlagworten »optische Täuschung« und »Fotografie« fördert eine ganze Reihe entsprechender Bilder zutage. Abbildung 7: William Ely Hill, My wife and my mother-in-law. They are both in this picture – find them (Meine Frau und meine Schwiegermutter. Sie sind beide im Bild – finde sie).

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Das konstruktive Vorgehen unserer Wahrnehmung lässt sich gut anhand von so genannten Kippbildern demonstrieren: Farbf lächen in Schwarz und Weiß werden so gegeneinandergesetzt, dass das Auge aus ihnen entweder eine Vase bzw. einen Pokal oder aber zwei sich anblickende Gesichter formt. Um das Eine oder Andere zu sehen, muss man es zunächst erkennen. Sehen und Erkennen sind demnach zwei Seiten einer Medaille. Vorannahmen, die Hinweise auf das zu Sehende geben, unterstützen dabei die Wahrnehmung. Betrachtet man beispielsweise das Kippbild My wife and my mother-in-law (1915) des britischen Cartoonisten William Ely Hill (1887-1962) (Abb. 7), so sehen wir in dem Bild – abhängig von unserer Erwartungshaltung – entweder die junge Ehefrau oder aber die greise Schwiegermutter. Hat unsere Wahrnehmung sich erst einmal auf eine Sichtweise festgelegt, wird es uns umso schwerer fallen, die jeweils andere Variante in dem Bild zu erkennen. Wir sind in unserer Wahrnehmung also keineswegs vorurteilsfrei, wie der amerikanische Philosoph Nelson Goodman (1906-1998) vermerkte: […] das unschuldige Auge gibt es nicht. Das Auge beginnt immer schon erfahren seine Arbeit, es wird von seiner eigenen Vergangenheit und von alten und neuen Einflüsterungen des Ohrs, der Nase, der Zunge, der Finger, des Herzens und des Gehirns beherrscht. Es funktioniert nicht allein und als Instrument aus eigener Kraft, sondern als pflichtbewußtes Glied eines komplexen und kapriziösen Organismus. Nicht nur wie, sondern auch was es sieht, wird durch Bedürfnis und Vorurteil reguliert. Es wählt aus, verwirft, organisiert, unterscheidet, assoziiert, klassifiziert, konstruiert.23 (Goodman 1968/2012: 19; Übersetzung: Bernd Philippi) Die komplexen Mechanismen unserer Wahrnehmung sowie unsere Erfahrung helfen uns, Bilder zu erkennen und zu verstehen. Allerdings tragen dieselben Mechanismen auch dazu bei, dass wir uns von Bildern täuschen lassen. Insbesondere Erscheinungsformen, die an Menschen oder Tiere erinnern, führen zu oftmals fragwürdigen Interpretationen. So wird angesichts von Aufnahmen der Marsoberf läche immer wieder spekuliert, ob sie nicht doch Spuren von Leben zeigen ( Kapitel 1). Auch hier führt eine entsprechende Bildersuche im Internet zu zahlreichen Treffern.

Kapitel 8: Die Macht der Bilder, Wirklichkeiten zu zeigen

Was Bilder zeigen, auch wenn sie es nicht zeigen Fotografien sind immer nur Momentaufnahmen. Für den Bruchteil einer Sekunde öffnet sich die Blende des Fotoapparats und hält, vermeintlich unvoreingenommen, einen Augenblick der Wirklichkeit fest. Zwei Aspekte gilt es hier jedoch zu bedenken: Erstens bestimmen bewusste Entscheidungen vor der Aufnahme, was und wie etwas fotografiert wird, beispielsweise durch die Wahl der Kameraposition und des Objektivs, durch Blende und Belichtungszeit, und in der analogen Fotografie durch die Wahl des Films. Fotografien sind demnach niemals objektiv, sondern voreingenommen, weil ihre Konzeption auf bestimmten Vorstellungen gründet, die der oder die Fotograf·in von dem fertigen Bild hat. Zweitens ist jede Fotografie aus dem Kontext der tatsächlichen Abläufe gerissen, sie zeigt uns weder ein Vorher noch ein Nachher. Das macht einerseits den Reiz von Schnappschüssen aus, die gerade das Momenthafte und Spontane betonen, vielleicht sogar Dinge sichtbar machen, die dem bloßen Auge entgehen. Gleichzeitig animieren sie uns jedoch auch dazu, eine passende Geschichte mitzudenken. Dieser Hang zum Narrativen ( Kapitel 2 und Kapitel 7) beeinf lusst die Deutung des auf einer Fotografie zu Sehenden. Das wird insbesondere dann problematisch, wenn von dieser Fotografie Rückschlüsse auf den gesamten Kontext gezogen werden. Dennoch werden Fotografien immer wieder als Beweise vorgebracht – und ebenso häufig wird ihre Beweisfähigkeit angezweifelt. Dabei beziehen sich die Zweifel keinesfalls ausschließlich auf die grundsätzliche Möglichkeit, Bilder technisch zu bearbeiten und damit zu fälschen. Im Zentrum steht häufig vielmehr die Frage, was Fotografien eigentlich zeigen – und was nicht. Denn gerade auch in dem, was sie nicht zeigen, öffnen sie Interpretationsräume, die durchaus zu widersprüchlichen Aussagen führen können. Am 1. Mai 2011 nahm Pete Souza, zu diesem Zeitpunkt offizieller Fotograf des Weißen Hauses, im dortigen Situation Room eine Fotografie auf, die in den Tagen nach ihrer Veröffentlichung am 2. Mai ein breites Medienecho erfahren sollte (Abb. 8). Rasch wurde das Bild in den Rang einer Ikone der politischen Ikonografie erhoben und als solche auch in Publikationen außerhalb der Tagespresse besprochen und diskutiert.8

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Abbildung 8: Pete Souza, Barack Obama und sein Krisenstab im »Situation Room« des Weißen Hauses am 1. Mai 2011 (P050111PS-0210, 01.05.2011, 16:05 ECT).

Auf der Fotografie sind der damalige US-Präsident Barack Obama, ein Teil der US-Regierung sowie Angehörige des nationalen Sicherheitsteams zu sehen. Die Aufnahme wurde um 16:05 Uhr Ortszeit gemacht, als die Anwesenden live über die Operation Neptune’s Spear informiert wurden, den Angriff der Navy Seals auf das Anwesen Osama bin Ladens in einem Vorort von Abbottabat in Pakistan. Bin Laden war seit den Anschlägen der Terrorgruppe al-Quaida, als deren Drahtzieher er galt, der US-Staatsfeind Nr. 1, und seine Tötung war, wenn auch rechtlich höchst umstritten, ein Kernziel des amerikanischen »War on Terrorism«. Im Zuge der militärischen Operation wurden insgesamt fünf Personen getötet, darunter Osama bin Laden. Interessant an dieser Fotografie ist u.a. das, was sie nicht zeigt. Der Raum ist klein, die Personen drängen sich um den Tisch. Das runde Hoheitszeichen des US-Präsidenten an der rückseitigen Wand wird durch eine stehende Person verdeckt, und auch der Präsident selbst zeigt keinerlei präsidialen Habitus. Wir sehen also eine Gruppe von Personen, die eng gedrängt um einen Tisch sitzen bzw. stehen und die (mit Ausnahme des Generals am Ende des Tisches) alle auf einen Punkt aus Betrachter·innensicht links blicken. Allerdings sehen wir nicht, was ihre Blicke auf sich zieht. Aus Rekonstruktionen des Raums wissen wir, dass sich an der Wand links wohl zwei Bildschirme befinden, und es wurde vermutet,

Kapitel 8: Die Macht der Bilder, Wirklichkeiten zu zeigen

zumindest auf einem seien Videoaufnahmen vom Einsatz der Spezialeinheit übertragen worden. Einzig ein Bildausdruck auf der Tastatur vor Hillary Clinton könnte Hinweise auf den Kontext und die Hintergründe liefern; dieser wurde jedoch vor der Publikation der Fotografie verpixelt. (Da die Verpixelung bald nach Veröffentlichung durch Aktivist·innen entschlüsselt wurde, wissen wir, dass das Bild den Gebäudekomplex, in dem sich Osama bin Laden aufhielt, zeigte.) Uns bleiben also lediglich Vermutungen darüber, was die Anwesenden gesehen haben mögen. Allerdings geben ihre Gesichter außer einer angespannten Konzentration der Blicke wenig preis. Lediglich Hillary Clinton zeigt eine Geste, in der die Anspannung der Situation zu kulminieren scheint. Und so war es ihre vor den Mund gehaltene Hand, die entscheidend zur Rezeption und Wirkung des Bildes beigetragen hat, bot sie doch Anlass zu Interpretationen ihrer emotionalen Verfasstheit, die wiederum Vermutungen über das eigentliche Geschehen zuließen: Es war von Entsetzen, Schock, Angst oder Sorge die Rede, hervorgerufen durch Bilder, die u.a. die Erschießung von fünf Menschen zeigten. Clinton selbst dementierte dies und verwies auf eine Allergie, aufgrund derer sie vermutlich habe niesen müssen. Wie konnte es zu dieser Interpretation der Geste als Ausdruck des Schreckens und der damit verbundenen Bedeutungsauf ladung des Bildes kommen, obwohl es bis heute keine Belege dafür gibt, dass es sich tatsächlich um den Moment handelte, in dem Osama bin Laden getötet wurde? Ganz einfach: Die vorhandenen Informationen wurden zusammengeführt und die Lücken zu einer logisch sinnvollen Geschichte ergänzt. Dabei wurde für die an sich ambivalente Geste Clintons die im Kontext wahrscheinlichste Erklärung gesucht, um Interpretationskonf likte zu vermeiden. Angesichts der Situation – ein Kampfeinsatz mit Toten – erscheint eine Schreck- oder Angstreaktion wahrscheinlicher als der Versuch, ein Niesen zu unterdrücken. Die Erwartungshaltung, die sich mit einem Ereignis wie »Erstürmung eines Anwesens durch Elitesoldaten und Tötung von fünf Menschen« verbindet, führt zu der Interpretation »Hand wird als Ausdruck des Erschreckens/des Schocks/ der Angst vor den Mund gehalten«. Dass wir selbst nicht sehen können, was die Anwesenden sehen, verstärkt den Drang zur Interpretation. Die Abwesenheit von Bildern, die die Tötung bin Ladens oder seinen Leichnam zeigen, verbunden mit dem Wissen um den Entstehungskontext des Bilds, forciert den Wunsch, in dem Bild selbst einen Beweis für das Geschehen zu sehen.

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Welche Wirklichkeit Fotografien zeigen I: Der Blickwinkel Wenn wir in einem Museum oder auf einem öffentlichen Platz eine dreidimensionale Skulptur betrachten, so geben wir uns in der Regel nicht damit zufrieden, sie lediglich von einer Seite anzuschauen. Nach Möglichkeit umrunden wir sie, betrachten sie von allen Seiten und aus möglichst vielen Blickwinkeln, um uns ein vollständiges Bild von ihr zu machen. Eine einzelne Fotografie zeigt jedoch lediglich einen einzelnen Betrachter∙innenstandpunkt, der nicht verändert werden kann. So kann es allzu leicht zu fehlerhaften Einschätzungen über die abgebildete Szenerie kommen. Nehmen wir noch einmal die Amtseinführung von Donald Trump am 20. Januar 2017, die seinen damaligen Sprecher Sean Spicer veranlasste zu behaupten, die Menschenmenge sei nicht nur größer gewesen als bei Barack Obamas Amtseinführung 2009, sondern größer als bei jeder Amtseinführung zuvor. Aus der Perspektive Donald Trumps, der vom Kapitol aus auf den Platz und die sich dahinter erstreckende National Mall blickte und der zweifelsohne eine riesige Menschenmenge vor sich sah, mag sich tatsächlich der subjektive Eindruck eingestellt haben, mehr Menschen könnten es bei keiner bisherigen Amtseinführung gewesen sein. Problematisch war jedoch, dass Sean Spicer dies als Tatsache präsentierte, denn Luftaufnahmen (d.h. Aufnahmen aus einer ganz anderen Perspektive) zeigten ein ganz anderes Bild ( Kapitel 4).25 So wie Donald Trumps und Sean Spicers subjektive Perspektive ihre Sicht auf die Wirklichkeit geprägt haben mag, so zeigen auch Fotografien immer nur Wirklichkeitsausschnitte. In der Filmwissenschaft bezeichnet man die Auswahl des Bildausschnitts auch als Framing, das einzelne Bild auf dem Filmstreifen ist ein Frame. Je nachdem, welchen Ausschnitt wir zu Gesicht bekommen, werden wir das Bild in unterschiedliche Deutungsraster einordnen und ganz unterschiedlich interpretieren bzw. »framen« ( Kapitel 7). Daher wirken Fotografien immer auch bedeutungskonstruierend.26 Dabei sind die Grenzen zwischen Bildgestaltung und Bildmanipulation f ließend. Viele Fotografien werden an den Rändern beschnitten, bevor sie in der Tagespresse an die Öffentlichkeit gelangen, in der Regel, um den Blick auf den eigentlichen Kern des Bilds zu fokussieren und ablenkende Motive oder Nebenschauplätze auszublenden. Diese Konzentration der Aufmerksamkeit kann aber nicht nur die affektive

Kapitel 8: Die Macht der Bilder, Wirklichkeiten zu zeigen

Wirkung des zentralen Motivs verstärken, sondern infolge der hierdurch bereits angelegten Interpretation auch zu einer gesteigerten Bedeutungsauf ladung führen. Wohl eines der bekanntesten Beispiele ist die auch »Napalm Girl« (Abb. 9) genannte Fotografie, die der Pressefotograf Nick Út am 8. Juni 1972 in Trang Bang (Vietnam) anfertigte. Das Bild wurde vor der Veröffentlichung oben und rechts beschnitten, so dass die Figur des nackten, schreienden Mädchens direkt im Zentrum erscheint. Der auf der beschnittenen Fotografie erweckte Eindruck einer unmittelbaren Gefahr, verschärft durch die Soldaten, die die Kinder scheinbar verfolgen, wird deutlich relativiert, nimmt man auch den Kontext am rechten Bildrand in den Blick (Abb. 10): Wie auf dem unbeschnittenen Kontaktabzug zu sehen ist, begleiteten weitere Fotografen das Geschehen; während der Kameramann vorne rechts offenbar einen Film wechselte, schaute ein anderer sich nach hinten um. Die Szene ist nicht weniger schrecklich, wirkt aber weniger dramatisch, die Gefahr weit weniger akut. Es darf durchaus als fraglich angesehen werden, ob das Bild im unbeschnittenen Zustand diesen Status einer Ikone erlangt hätte, als die es bis heute gilt.27 Abbildung 9: Nick Út, Straße nach Trang Bang, 8. Juni 1972.

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Abbildung 10: Nick Út, Straße nach Trang Bang, 8. Juni 1972. Kontaktabzug.

Welche Wirklichkeit Fotografien zeigen II: Das kulturelle Gedächtnis Ebenso, wie sich Bilder in unser Gedächtnis einschreiben und damit auch die Erinnerung an bestimmte Ereignisse prägen, obwohl wir vielleicht gar nicht dabei waren, wird die Interpretation und Bedeutungszuschreibung von Bildern aus unserem Gedächtnis gespeist. Bestimmte Formen und Motive evozieren eine spezifische Bedeutung, die dem abgebildeten Bildgegenstand nicht zwingend entsprechen muss, ihm jedoch Nachdruck und unter Umständen einen tieferen Sinn verleihen. Besonders wirkmächtig sind Bildformeln, die nicht nur emotional aufgeladen sind, wie Gesten großen Schmerzes oder stiller Trauer, sondern auch religiös konnotiert sind. Auf der Fotografie von Nick Út lässt die Figur des frontal fotografierten nackten Mädchens Kim Phúc mit den seitlich vom Körper gestreckten Armen an Bilder Christi denken, dessen Wundmale präsentiert werden. In der christlichen Theologie sind sie Zeichen von Christi Opfer zur Erlösung der Menschen, deren Schuld er auf sich genommen hat. Die Deutung des Mädchens als unschuldi-

Kapitel 8: Die Macht der Bilder, Wirklichkeiten zu zeigen

ges Opfer des Kriegs verstärkt sich also noch einmal. Ein 1996 mit dem World Press Photo Award ausgezeichnetes Foto von Joe McNally greift das christliche Narrativ von Opfer, Erlösung und Vergebung wieder auf: Es zeigt Kim Phúc als Mutter mit ihrem wenige Monate alten Sohn auf dem Arm, die linke Schulter gegen die Kamera gedreht, so dass die Brandnarben von 1972 deutlich sichtbar sind. In Verbindung mit Nick Úts Foto stellen sich hier Assoziationen von Bildern der Muttergottes mit dem Jesuskind auf dem Arm ein.28 Das kulturelle Gedächtnis Zu allen Zeiten wurde von der gedächtniskonstruierenden Kraft der Bilder Gebrauch gemacht, um kulturelle oder politisch imaginierte Identitätsstiftung und Traditionsbildung zu betreiben. Der französische Soziologe Maurice Halbwachs (1877-1945) wies darauf hin, dass soziale Gruppen wesentlich durch gemeinsames Erinnern zusammengehalten werden, und hat hierfür den Begriff kollektives Gedächtnis (mémoire collective) eingeführt. Halbwachs versteht Gedächtnis grundsätzlich als etwas, das sich in kommunikativen Prozessen konstituiert und entwickelt. Dabei steuert die jeweilige Gegenwart, was und wie es erinnert wird.29 An die Gedächtnistheorie von Halbwachs anschließend, entwickelte der Ägyptologe Jan Assmann den Begriff »kulturelles Gedächtnis«, der nicht nur die identitätsstiftende Kraft der Erinnerung, sondern auch deren wirklichkeitsbildende Eigenschaften betont: »Das kulturelle Gedächtnis richtet sich auf Fixpunkte in der Vergangenheit. Auch in ihm vermag sich Vergangenheit nicht als solche zu erhalten. Vergangenheit gerinnt hier vielmehr zu symbolischen Figuren, an die sich die Erinnerung heftet. […] Für das kulturelle Gedächtnis zählt nicht faktische, sondern nur erinnerte Geschichte. […] Dadurch wird sie nicht unwirklich, sondern im Gegenteil erst Wirklichkeit im Sinne einer fortdauernden normativen und formativen Kraft. (Assmann 2002: 52; Hervorhebung im Original)« Der Anteil von Bildern an der Rekonstruktivität des Gedächtnisses wurde erstmals systematisch durch den Kunst- und Kulturwissenschaftler Aby M. Warburg (1866-1929) untersucht. Mit seinen Arbeiten an dem Mnemosyne Bilderatlas konnte er aufzeigen, dass Bilder und Motive insbesondere aufgrund ihrer Ausdruckskraft rezipiert und tradiert werden. Bei ihm finden sich auch die Begriffe soziales Gedächtnis sowie kollektive oder soziale Mneme.30

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Gesten, Körperhaltungen oder Motive ergeben sich in der Wirklichkeit oft zufällig. Sehen wir sie allerdings auf einer Fotografie, die den Moment eingefroren hat, haben wir ausreichend Gelegenheit zur Interpretation. Auf der Suche nach Bedeutung gleichen wir das Gesehene mit unserem Wissen bzw. mit Bildern ab, die wir in ganz unterschiedlichen Kontexten (Werbung, Kunstausstellungen, Zeitung, Fernsehen, Film, Videospiele) gesehen haben und die unser Welt- und Wirklichkeitsverständnis formen.

Ein Beispiel: 9/11 Auf welche Weise sich vorhandene Denkkonzepte, Bilder und Sprache bei der Erfassung und Konstruktion von Wirklichkeit wechselseitig bedingen, soll abschließend anhand des Ereignisses aufgezeigt werden, das wohl wie kein anderes bislang das 21. Jahrhundert geprägt hat: die Anschläge vom 11. September 2001. (Vielleicht halten Sie an dieser Stelle einen Augenblick inne und machen sich bewusst, welche Bilder bei dem Stichwort 9/11 vor Ihrem inneren Auge erscheinen.) Erstmals in der Geschichte konnten Fernsehzuschauer·innen weltweit einen terroristischen Anschlag live miterleben. Medienhistorisch handelt es sich bei diesen Angriffen auf das World Trade Center (WTC) in New York um das bis heute am meisten fotografierte und gefilmte Ereignis der Mediengeschichte. Nicht allein die unzähligen Bilder der brennenden und in sich zusammenfallenden Zwillingstürme, auch die Aufnahmen von Zeug∙innen vor Ort wie auch von Menschen, die das Ereignis an ganz unterschiedlichen Orten gebannt vor öffentlichen Bildschirmen verfolgten, wurden damals in Endlosschleifen über die Fernsehkanäle gesendet. Bis heute sind die Bilder Bezugspunkt für eine Reihe von Themen: Wenn von al-Quaida, vom islamistischen Terror oder vom Krieg in Afghanistan gegen den IS die Rede ist, so werden sie aktiviert. Gleichzeitig sind sie auch Symbolbilder des Widerstands- und Freiheitswillens der US-amerikanischen Nation, wenn nicht der gesamten westlichen Welt. Weil sie im Fernsehen, in Zeitungen und Zeitschriften, auf Buchcovern und besonders im Internet so oft wiederholt wurden, sind sie eingegangen in das kollektive Gedächtnis der Menschheit, so dass die mittlerweile historischen Ereignisse anhand dieser Bilder erinnert werden – unabhängig davon, ob man damals live vor dem Fernseher saß oder nicht.31

Kapitel 8: Die Macht der Bilder, Wirklichkeiten zu zeigen

Erwartungsgemäß war die internationale Presse am 12. September 2001 vom Geschehen des Vortags geprägt. Auch die Frankfurter Allgemeine hatte mit entsprechenden Beiträgen aufgemacht, die von zwei großformatigen Bildern auf der Titelseite begleitet wurden (Abb. 11). Das größere, vier Spalten breite Bild links zeigt den brennenden Nordturm des WTC, aus dem dichter schwarzer Qualm in den Himmel steigt, dicke weiße Wolken aus Rauch und Staub hüllen die Gebäude in der Umgebung ein. Es ist der Moment, in dem der Südturm des WTC in sich zusammenstürzt. Rechts von diesem Bild ist eine Aufnahme des damaligen US-Präsidenten George W. Bush platziert, der mit gesenktem Kopf am Rednerpult steht. Bildunterschriften gibt es nicht. Die Schlagzeile über den Bildern lautet: »Angriff auf Amerika«; die Unterzeile ergänzt zentrale Informationen im Telegrammstil: »World Trade Center zerstört/Tausende Tote/Großbrand im Verteidigungsministerium/Weißes Haus und Kapitol geräumt/Bush: Nationale Tragödie«. Auf der unteren Seitenhälfte sind die Beiträge zu lesen. Bemerkenswert ist, dass die FAZ bis dahin nie Bilder auf ihrer Titelseite abdruckte; und es sollte weitere sechs Jahre, bis zum 5. Oktober 2007, dauern, bis eine Layout-Reform der FAZ täglich ein Foto auf der Titelseite bescherte. Abbildung 11: Frankfurter Allgemeine, Ausgabe vom 12. September 2001, Titelseite und Seite 2.

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Obwohl die FAZ damals eher sparsam mit dem Abdruck von Bildmaterial verfuhr, liefert die zweite Seite drei weitere großformatige Bilder: Links ein Standbild mit einem der beiden für den Anschlag entführten Flugzeuge unmittelbar neben der brennenden Spitze des Nordturms, kurz bevor es in den Südturm einschlagen wird. Das Bild rechts daneben zeigt aus einer anderen Perspektive einen Blick auf beide Türme in dem Moment, als die Spitze des Südturms in einem Feuerball explodiert. Und auf einer Fotografie des Fotojournalisten Shannon Stapleton (Abb. 12) am Fuß der Seite ist zu sehen, wie der offiziell als Opfer Nr. 1 geführte Kaplan der New Yorker Feuerwehr, Father Mychal Judge, auf einem Stuhl sitzend von Helfern tot geborgen wird. Er war von herabfallenden Trümmern erschlagen worden, während er Anderen als Seelsorger Beistand leistete. Ähnlich wie bei dem Bild des Mädchens Kim Phúc weist bereits die Bezeichnung als Opfer über das reine Ereignis hinaus. Der religiöse Kontext wird hier aber auch wieder visuell aufgerufen, erinnert die Personenkonstellation doch an Bilder der Kreuzabnahme oder der Grablegung Christi, wie sie in der Kunstgeschichte zahlreich überliefert sind.32 Gleichzeitig bedient die Fotografie in Gestalt der Helfer das Narrativ von tapferen, selbstlosen und unerschrockenen Helden, die sich einer herausfordernden Aufgabe stellen und darin außergewöhnliche Leistungen vollbringen. Die Anstrengung ist den Männern an ihren Gesichtern anzusehen, und dass der Hintergrund in Rauch und Staub verborgen liegt, fokussiert das Geschehen noch einmal. Die Bilder adressieren damit die Emotionen der Betrachter·innen und evozieren gleichzeitig eine synästhetische Wirkung. Auffälligerweise werden – mit Ausnahme des Präsidenten – allein Aufnahmen aus New York abgedruckt. Dabei war eine weitere entführte Passagiermaschine, deren Ziel vermutlich ein Regierungsgebäude in Washington sein sollte, bei Shanksville abgestürzt und eine vierte hatte das Pentagon schwer beschädigt. Warum wurde diese Bildauswahl getroffen? Zum einen wird dies der vorhandenen großen Menge an Bildmaterial aus New York geschuldet sein, denn nicht einmal zwei Minuten nach dem ersten Einschlag berichteten erste Fernsehsender live, und zahlreiche Augenzeug·innen hatten Amateurvideos angefertigt. Zum anderen bedienen die Bilder der brennenden Zwillingstürme des WTC die Aufmerksamkeitsregeln der Massenmedien in nahezu perfekter Weise ( Kapitel 5): Sie zeigen ein außergewöhnliches Ereignis, etwas nie Dagewesenes, sie sind emotional eindrucksvoll, erschütternd und angsteinf lößend. Und es darf

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davon ausgegangen werden, dass die Terroristen selbst sich der Wirkung der Bilder, die zweifelsohne entstehen würden, bewusst waren und diese als »Aufmerksamkeitsterror« (Paul 2013) für ihre Zwecke zu nutzen wussten. Abbildung 12: Helfer bergen den tödlich verletzten Kaplan des New York City Fire Department, Rev. Mychal Judge, aus den Trümmern des World Trade Centers. 11. September 2001, New York.

Rein funktional sind die Bilder als Dokumente für ein Ereignis anzusehen. Im Rahmen der journalistischen Berichterstattung ergänzen und veranschaulichen sie die schriftlichen Berichte, die dadurch an Authentizität und Glaubwürdigkeit gewinnen. Angesichts der Außergewöhnlichkeit und der Unvorstellbarkeit des Ereignisses kann sicherlich behauptet werden, dass das Geschehen erst anhand der Bilder glaubhaft wird, die Bilder also als Beweise fungieren. Darüber hinaus lohnt sich die Frage, welchen Anteil die Bilder an der Deutung des Geschehens hatten. Betrachten wir daher noch einmal den Kontext des Ereignisses sowie seine Darstellung in den Zeitungsberichten und stellen die Frage, ob er durch das, was auf den Bildern zu sehen ist, gedeckt wird. Nach dem Einschlag der ersten Passagiermaschine war man noch von einem tragischen Unglück ausgegangen, doch die Kollision des zweiten Flugzeugs mit dem Südturm des WTC etwa 20 Minuten später schloss einen Zufall weitgehend aus. In einer ersten Stellungnahme nicht einmal eine Stunde nach dem ersten Einschlag sprach George

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W. Bush dann auch von einer »Terrorattacke«. Allerdings scheinen die Bilder nicht so ganz zu den Erfahrungen zu passen, die bislang in Verbindung mit Terroranschlägen gemacht wurden: Dort wurden Kofferbomben, Autobomben oder andere Sprengsätze, Messer und Schusswaffen als Waffen genutzt. Flugzeuge waren Angriffsziele, v.a. bei Entführungen, dass sie jedoch selbst als Waffe eingesetzt wurden, war völlig neu. Neu waren auch die Ausmaße der Anschläge: Nahezu zeitgleich wurden drei Ziele ins Visier genommen, fast 3000 Menschen wurden getötet und die Zerstörungen in New York haben das Stadtbild nachhaltig verändert. Und so etablierten sich schnell andere Sprachregelungen, die den Terroranschlag nicht nur als »Angriff auf Amerika«, sondern auch als »Krieg gegen Amerika« bezeichneten. Gerade die Kriegsdeutung scheinen die Bilder zu bestätigen, wenn nicht gar zu forcieren: Bilder von brennenden, zerstörten Städten begleiten Kriegsereignisse nicht erst seit dem 20. Jahrhundert. Gleichzeitig war ein kriegerischer Angriff auf Amerika auf eigenem Terrain gut zehn Jahre nach Beendigung des Kalten Krieges kaum vorstellbar, und so erscheint es nur folgerichtig, dass schnell weitere Bedeutungsebenen geöffnet wurden. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder etwa interpretierte die Ereignisse des 11. September 2001 als »Kriegserklärung gegen die gesamte zivilisierte Welt« und Bush sprach davon, die »Freiheit selbst [sei] von einem gesichtslosen Feigling attackiert« worden.33 Auch hier boten die Bilder Anschlussmöglichkeiten, denn die 1970 und 1971 fertiggestellten Zwillingstürme des WTC waren nicht nur architektonische Wahrzeichen New Yorks, sondern galten auch als Symbole einer westlich-liberalen Weltordnung, in der die USA die Führungsrolle beanspruchten. Die Ereignisse führten zu einem »War on Terrorism«, der sich in das Narrativ vom Kampf Gut gegen Böse einordnen lässt. Dieses Narrativ sicherte die Deutungshoheit auch für zahlreiche Folgebilder: die Bombardierung Bagdads, die Tötung Saddam Husseins, die aufgebahrten getöteten Söhne Saddams, die Folterbilder aus Abu Ghraib.

Fazit Die vielbeschworene Macht der Fotografie gründet in ihrem besonderen Verhältnis zur Wirklichkeit, an deren Konstruktion sie auf mehreren Ebenen beteiligt sind. Im Allgemeinen werden fotografische Bilder

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als Abbilder der Wirklichkeit wahrgenommen. Gleichzeitig substituieren Fotos in gewisser Weise auch Ausschnitte der Wirklichkeit, sind sie doch zu einem entscheidenden Medium der Wirklichkeitsvermittlung avanciert. Damit sind Bilder nicht nur wesentlicher Bestandteil unserer alltäglichen Erinnerung, sondern haben auch Anteil daran, wie wir Wirklichkeit gestalten, indem wir beispielsweise aufgrund von Bildern zu Handlungen veranlasst werden, wie zu einer Spende für Katastrophenopfer oder zum Kauf eines neuen Autos. Will man der Frage nachgehen, welche Wirklichkeit eine Fotografie denn nun zeigt bzw. welche Aussagen über die gezeigte Wirklichkeit eine Fotografie zulässt, dann sehen wir uns mit einigen Herausforderungen konfrontiert: Grundsätzlich erschließt sich der Inhalt von Bildern nicht von selbst, wir müssen sie erst interpretieren. Dass Bilder zunächst kontextlos sind und immer nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit zeigen, erleichtert diese Aufgabe nicht unbedingt. Abhängig von individuellen Reaktionen und Assoziationen ebenso wie von bereits vorhandenem Wissen sowie dem Denkrahmen kann die Interpretation eines Bildes ganz unterschiedlich ausfallen. Weil dem Bild selbst keine klare Bedeutung innewohnt, wirken die Rezipierenden maßgeblich an der Bedeutungskonstruktion mit. Zugleich machen Bilder durch ihre affektive Wirkung und infolge unserer konstruktiv verfahrenden Wahrnehmung Dinge erfahrbar, die wir selbst bislang vielleicht noch nicht in Worte gefasst hatten. Darüber, dass retuschierte Bilder als Fälschung angesehen werden und gerade auch im journalistischen Kontext tabu sein sollten, herrscht wohl Einigkeit. Anders verhält es sich mit moderaten Veränderungen an Farbigkeit, Kontrast oder Sättigung, selbst die Konvertierung von Farbe in Graustufen gehört zum bildjournalistischen Alltag. Wo also fängt die Täuschungsabsicht an, die Fake News zugrunde liegt? Grundsätzlich muss man zwischen dem manipulativen Einsatz von Bildern zum Zweck der Täuschung und der Manipulation der Bilder selbst unterscheiden. Denn auch unbearbeitete Bilder können für die Verbreitung fragwürdiger Nachrichten oder von Fake News missbraucht werden, indem sie von falschen Kontext- oder Hintergrundinformationen oder einem entsprechenden Framing begleitet werden. Gleichzeitig bedeutet nicht jede Veränderung eines Bildes, dass damit Fake News intendiert werden. Nick Úts Bild aus Trang Bang (»Napalm Girl«) etwa wurde zwar beschnitten, um den Fokus zu konzentrieren

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und damit die Wirkung zu steigern, allerdings geschah dies nicht, um falsche Tatsachen vorzutäuschen. Obwohl heute mehr Bilder verbreitet werden als jemals zuvor, darf doch nicht übersehen werden, dass viele Dinge eben auch nicht auf Bildern gezeigt oder an die Öffentlichkeit gebracht werden. Die Ansichten hierüber sind geteilt: So hatte Barack Obama nach Abschluss der Operation Neptuneʼs Spear zunächst angekündigt, Bilder der Leiche Osama bin Ladens zu veröffentlichen, diese Absicht jedoch zurückgezogen. Während die einen hierin eine Verletzung der Transparenz sahen, begrüßten Andere dies als Rücksichtnahme auf religiöse und emotionale Befindlichkeiten. Und Dritte fühlten sich veranlasst, gefälschte Bilder der angeblichen Leiche bin Ladens in Umlauf zu bringen. Vielfach werden nur Bilder lanciert, die der eigenen Sichtweise, dem eigenen Denkrahmen, entsprechen. Das gilt für Selfies ebenso wie für offizielle Regierungsbilder: Beide zeigen die Wirklichkeit so, wie sie von Anderen gesehen werden soll.

Anmerkungen 1

Vgl. Gerling et al. 2018; Rimmele/Stiegler 2012; Mirzoeff 1998.

2

Mitchell 1992. Etwa zeitgleich sprach Gottfried Boehm (1994) von einem iconic turn. Vgl. hierzu auch Bachmann-Medick 2006.

3

Der dpa-Bildfunk bietet täglich mehr als 1.000 neue Bilder (https://www.pressepor tal.de/pm/8218/4173481), die Nachrichtenagentur Reuters 1.600 (https://agency. reuters.com/de.html), der AP European Photostream bis zu 1.500 (https://www. dpa.com/fileadmin/user_upload/Produkte_Services/AP/AP-European_Photo stream_PI.pdf).

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Zum Betrugspotenzial von Bildern vgl. Dietz 2009; Albrecht 2007; Schreitmüller 2005. Beispiele für Bildmanipulationen u.a. unter: http://www.spiegel.de/fotostrecke/manipulierte-bilder-fotostrecke-107186-3.html; https://uebermedien. de/9405/ein-bild-luegt-mehr-als-tausend-worte/. Vgl. auch Coen et al. 2015.

5

Barthes 1980/2005: 86ff.

6

Im Original: »A photograph passes for incontrovertible proof that a given thing happened. The picture may distort; but there is always a presumption that something exists, or did exist, which is like what’s in the picture.« (Sontag 1977/2005a: 3)

7

Buddemeier 1981: 15.

8

Das heißt jedoch nicht, dass Fotografien selbstverständlich für objektiv gehalten wurden. Zwar wurde die Fotografie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt auch zu wissenschaftlichen Zwecken eingesetzt, weil sie aufgrund ihrer Mechanik den subjektiven, interpretierenden Einfluss der Wissenschaftler∙innen auf die Bildgebung zu unterbinden und damit vorurteilsfreie Bilder zu liefern schien.

Kapitel 8: Die Macht der Bilder, Wirklichkeiten zu zeigen Doch bereits im frühen 20. Jahrhundert mehrten sich die Stimmen, dass wissenschaftliche Bilder ohne subjektive Urteile schlichtweg nutzlos seien. Vgl. Daston/ Galison 2007, bes. 121-200. 9

Siehe hierzu Geimer 2009: 13-69.

10 Vgl. Mitchell 1992; Bazin 1945/1983; Barthes 1980/2005. 11 Bredekamp 2008: 366ff. 12 Kracauer 1927/1999: 109. 13 Im Original: »No one takes an easel painting to be in any sense co-substantial with its subject; it only represents or refers. But a photograph is not only like its subject, a homage to the subject. It is part of, an extension of that subject; and a potent means of acquiring it, of gaining control over it.« (Sontag 1977/2005b: 121) 14 Vgl. Assmann/Assmann 1994; Welzer 2002; Beiträge in Paul 2006. 15 Vgl. King 1997; Jaubert 1989. 16 Jäger 2017; Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 2003: 30-33, 44-47; Weber 2003. 17 Schwingeler/Weber 2008. 18 Vgl. Singer 2004; Paul 2005. 19 Vgl. Eder/Brosch 2017; Kalat/Shiota 2017; Goschke/Dreisbach 2010. 20 Kahneman 2012b: 369ff. 21 Vgl. Gerhards 2003; Gregory 2001. 22 Vgl. Goldstein 2015; Deussen 2007. Zur Gestaltpsychologie vgl. Fitzek 2014. 23 Im Original: » […] there is no innocent eye. The eye comes always ancient to its work, obsessed by its own past and by old and new insinuations of the ear, nose, tongue, fingers, heart, and brain. It functions not as an instrument self-powered and alone, but as a dutiful member of a complex and capricious organism. Not only how but what it sees is regulated by need and prejudice. It selects, rejects, organizes, discriminates, associates, classifies, analyzes, constructs.« (Goodman 1968: 7f.) 24 Die politische Ikonografie befasst sich mit der Inszenierung politischer Macht in Malerei, Fotografie und Film ebenso wie in der Architektur und der Skulptur. Zu den Entstehungsumständen der Fotografie und zur unmittelbaren Rezeption vgl. Kauppert 2014. Vgl. auch die Bildanalysen von Ayaß 2014 und Diers 2014 im selben Band. 25 Wie im September 2018 bekannt wurde, hatten Donald Trump und sein Sprecher Sean Spicer bereits am frühen Morgen des 21. Januar beim National Park Service Fotos angefragt, die die Menge der Zuschauer belegen sollten. Ein offizieller Fotograf der Regierung sah sich daraufhin offenbar dazu veranlasst, manipulierte Bilder zu veröffentlichen, die die Menschenmenge größer erscheinen lassen, als sie tatsächlich war. Inwiefern Spicer und Trump von der Manipulation wussten, kann nur vermutet werden. Siehe https://www.theguardian.com/world/2018/sep/06/ donald-trump-inauguration-crowd-size-photos-edited 26 Die Bedeutungskonstruktion von Fotografien kann ganz unterschiedlich beeinflusst werden. Produktionsbedingt sind u.a. zu nennen: Die Wahl des Ausschnitts und der Perspektive (die Froschperspektive lässt abgebildete Personen mächtig

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Alternative Wirklichkeiten? erscheinen, die Vogelperspektive eher schutzbedürftig), die Tiefenschärfe (Schärfe zieht Aufmerksamkeit auf sich, Unschärfe maskiert scheinbar Unbedeutendes), das Objektiv (bestimmt bei ein und demselben Standpunkt den Bildwinkel und damit in gewisser Weise den fotografierten Ausschnitt; je nach Brennweite erscheint das Motiv jedoch unterschiedlich plastisch, flach oder verzerrt). Auch der Präsentationskontext selbst und erst recht die Kontextualisierung durch Text haben Einfluss auf die Bedeutungskonstruktion von Bildern. Vgl. Holzwarth 2013. 27 Vgl. Paul 2013: 435-478; Paul 2005. 28 Das Bild von McNally ist online verfügbar unter: https://www.worldpressphoto. org/collection/photo/1996/32741/1/1996-Joseph-McNally-PN3 29 Vgl. Paul 2013: 566-599; Weichert 2008; Mitchell 2006; Paul 2004. 30 Vgl. z.B. Hans Memling (1433-1494): Kreuzabnahme, um 1475, Museo de la Capilla Real, Granada, Spanien: http://capillarealgranada.com/en/the-sacristy-museum/ flemish-wood-panels/. Am 27. Juli 2002 wurde Father Mychal Judge durch die Orthodox-Catholic Church of America heiliggesprochen, und 2006 erschien ein Biopic über ihn mit dem Titel »Saint of 9/11«. 31 Vgl. die Beiträge in der FAZ. 32 Vgl. Mitchell 2008: 29 und Anm. 18. 33 Siehe beispielsweise auch die Richtlinien für den WorldPress Photo Award: https:// www.worldpressphoto.org/programs/contests/photo-contest/entry-rules/28589

Kapitel 9: Populismus Fear is the path to the dark side. Fear leads to anger. Anger leads to hate. Hate leads to suffering. Yoda, Star Wars, Episode I Schon seit einigen Jahren beobachten Expert·innen, dass sich immer wieder Protestbewegungen gründen, die sich gegen das etablierte politische System, herrschende gesellschaftliche Strukturen oder wirtschaftliche Interessen richten und dabei maßgeblich auch von Verschwörungstheorien getragen zu werden scheinen:1 So demonstrierten im Frühjahr 2014 Aktivist·innen mit der so genannten Demo für Alle gegen Beschlüsse der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg, das Thema sexuelle Vielfalt in die schulischen Lehrpläne aufzunehmen. Die Demonstrant·innen sahen hinter diesen Beschlüssen die verschwörerische Absicht der Landesregierung, die traditionelle Kernfamilie und die klassischen Geschlechterrollen zu schwächen, indem bereits Schüler·innen im Sinne einer »Frühsexualisierung« und »grünen«, »feministischen« »Gender-Ideologie« umerzogen werden sollten.2 Ein weiteres Beispiel: Die Organisation Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida), die sich im Oktober 2014 in Dresden formierte, greift die klassische Verschwörungstheorie der »Lügenpresse« auf: Angeblich würden die Massenmedien im Auftrag der politischen Eliten gezielt positive Falschmeldungen über Gef lüchtete verbreiten, um die in den Augen der Pegida-Anhänger·innen katastrophale Flüchtlingspolitik der Regierung zu vertuschen ( Kapitel 5). Häufig ist es von diesen Protestbewegungen nicht weit bis zum politischen Populismus. In unserem Zusammenhang stellt sich dabei die Frage, warum gerade populistische Strömungen einen besonders fruchtbaren Nährboden für Fake News und Verschwörungstheorien zu

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bieten scheinen. Darauf wollen wir in diesem Kapitel näher eingehen. Dabei lassen sich viele Aspekte, die wir in den vergangenen Kapiteln bereits diskutiert haben, im Phänomen des Populismus zusammenführen.

Verschwörungstheorien und Populismus als Ausdruck postdemokratischer Gesellschaften Der britische Politikwissenschaftler und Soziologe Colin Crouch warf bereits 2004 die These auf, die westlichen Demokratien befänden sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einer Repräsentationskrise. Hierfür prägte er den Begriff Postdemokratie: Der Begriff Postdemokratie kann uns dabei helfen, Situationen zu beschreiben, in denen sich nach einem Augenblick der Demokratie Langeweile, Frustration und Desillusionierung breitgemacht haben; in denen die Repräsentanten mächtiger Interessengruppen, die nur für eine kleine Minderheit sprechen, weit aktiver sind als die Mehrheit der Bürger, wenn es darum geht, das politische System für die eigenen Ziele einzuspannen; in denen politische Eliten gelernt haben, die Forderungen der Menschen zu lenken und zu manipulieren; in denen man die Bürger durch Werbekampagnen »von oben« dazu überreden muß, überhaupt zur Wahl zu gehen.3 (Crouch 2004/2008: 30; Übersetzung: Nikolaus Gramm) Obwohl die Demokratie als Staatsform formal weltweit verbreiteter ist denn je, seien insbesondere in den etablierten westlichen Demokratien Krisenmerkmale zu verzeichnen, wie ein Rückgang der politischen Beteiligung, ein Vertrauensverlust in die politischen Vertreter·innen und ein zunehmender Einf luss unterschiedlichster Lobbyvereinigungen, so Crouchs Analyse. An diesem Punkt setzen Protestbewegungen und populistische Strömungen an. Sie mobilisieren die Menschen, indem sie sowohl auf deren politische Unzufriedenheit bauen als auch an ökonomische und kulturelle Sorgen und Ängste anschließen. So lässt sich das Erstarken des Populismus insbesondere in der westlichen Welt mit Francis Fukuyama auf ökonomische, politische und kulturelle Gründe zurückführen:4

Kapitel 9: Populismus

1. Aus ökonomischer Perspektive habe sich das Versprechen der Globalisierung auf Verbesserung der Lebensumstände nicht für alle gleichermaßen erfüllt. Insbesondere weniger gut Ausgebildete und Angehörige der Mittelschicht könnten nicht unbedingt finanziell von den wirtschaftlichen Veränderungen profitieren. Die Folge seien unbestimmte Zukunftsängste, beispielsweise vor dem Verlust der materiellen und sozialen Lebensgrundlagen. 2. Auf politischer Ebene zeige sich ein Vertrauensverlust gegenüber den politischen Akteur·innen. In Zeiten großer Koalitionen scheinen, so Fukuyama, die inhaltlichen Differenzen zwischen den regierenden Parteien minimiert, so dass insbesondere deren Ränder zu Ankerpunkten für populistische Strömungen werden. In den USA erscheine die Regierung durch Vetorechte der politischen Opposition in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. 3. Schließlich sei ein wesentlicher Motor für die Entstehung und Verbreitung populistischer Ideen die Angst vor dem Verlust der eigenen kulturellen Identität. Dabei gingen ökonomische und kulturelle Verlustangst oftmals Hand in Hand: »Die Fremden« würden nicht nur als Bedrohung für den eigenen Arbeitsplatz oder das eigene Sozialsystem empfunden, sondern aufgrund ihrer kulturellen oder religiösen Andersartigkeit zugleich auch als Bedrohung für die eigene Identität. In dieser Situation der Verunsicherung liefern nun Verschwörungstheorien Lösungen auf der Suche nach Erklärungen und Verantwortlichen für die persönliche Misere. Komplexe Sachverhalte und Zusammenhänge werden durch Verkürzung und Vereinfachung so dargestellt, dass sie verständlich erscheinen. Dabei können Genauigkeit und Korrektheit verloren gehen. Oft werden bestehende gesellschaftliche Ressentiments bemüht, wie sie beispielsweise gegenüber Zugewanderten bestehen. Dadurch, dass Verantwortliche konkret benannt werden, wird auch die eigene missliche Situation erklärbar und weniger zufällig. Und indem Anhänger·innen von Verschwörungstheorien sich selbst als Opfer der Verschwörung sehen, entziehen sie sich der Übernahme individueller Verantwortung ( Kapitel 2).5 Auch Populist·innen reagieren auf die Ängste der Menschen, indem sie zunächst eine moralisch positiv besetzte Wir-Identität (»das Volk«) beschwören und diese nach außen hin durch die Schaffung konkreter Feindbilder abgrenzen. Dabei schließt der Populismus an das

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diffuse Gefühl an, von der politischen Elite nicht (mehr) verstanden zu werden und von der Macht ausgeschlossen zu sein.6 Zugleich präsentieren sich Populist·innen als Agenda Setter, die vermeintlich vernachlässigte oder unliebsame Themen auf den Tisch bringen und sich der Sorgen und Ängste der »breiten Bevölkerung« annehmen. Dabei werden in erster Linie Gegen-Gefühle wie z.B. Ablehnung oder sogar Hass aufgegriffen und auf Feindbilder projiziert. Diese Feindbilder zu beseitigen, wird als angeblich alternativloser Ausweg aus der Misere dargestellt.7 Indem politische und soziale Probleme im öffentlichen Diskurs pauschal auf eine singuläre Ursache reduziert werden, werden Zusammenhänge simplifiziert – wie bei Verschwörungstheorien auch. Und so funktionieren Verschwörungstheorien »als Medium, um tabuisierte Meinungen zu transportieren« (Hammel 2017: 36). Auf diese Weise wird verschleiert, dass die angebotenen, oftmals radikalen Lösungen realistischerweise kaum durchzusetzen oder aber mit Folgeproblemen behaftet sind. So ist nach wie vor (Stand: Juni 2019) nicht geklärt, wie Donald Trump sein Wahlversprechen, eine Mauer entlang der mexikanischen Grenze zu errichten, einlösen will oder wie bei einem Austritt Großbritanniens aus der EU die weitreichenden Forderungen der Brexiteers erfüllt werden sollen, ohne eine Reihe an Kollateralschäden zu hinterlassen. Dass Populismus und Verschwörungstheorien so gut miteinander harmonieren, ist auf strukturelle Überschneidungen zwischen den beiden Phänomenen zurückzuführen, von denen im Folgenden drei hervorgehoben werden sollen: (1) Der ideologische Kern beider Phänomene verdichtet sich jeweils in einem »Wir-gegen-die-Anderen«-Narrativ und verfolgt eine klare Abgrenzung zwischen Drinnen und Draußen, getreu der Maxime: »Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.« (2) Damit einher geht ein Vertrauensverlust gegenüber den Eliten, zu denen die arrivierten Medien ebenso zählen wie Expert·innen. (3) An die Stelle der Eliten tritt der »gesunde Menschenverstand« (common sense), die Reduktion komplexer Zusammenhänge und deren Rückführung auf einfache Ursachen, sowie eine von Fakten losgelöste und emotional aufgeladene Argumentation. (1) Die Basis populistischer Strömungen und ideologische Konstante ist das »wahre Volk«, meist ergänzt um den Gegensatz zwischen »Volk« und »Elite«.8 Während der Linkspopulismus mit seinem Volksbegriff unterprivilegierte Bevölkerungsgruppen umfasst und eine Umverteilung der Ressourcen mit dem Ziel der Teilhabe aller an-

Kapitel 9: Populismus

strebt, bauen rechtspopulistische Strömungen auf einem kulturell definierten und dadurch ausschließenden Volksbegriff auf. Insofern reklamieren sie Zugehörigkeit sowie politische und soziale Teilhabe allein für die eigene Bevölkerungsgruppe. Die Ausgeschlossenen sind je nach ideologischer Ausprägung z.B. Immigrant·innen, Asylbewerber·innen, Gef lüchtete, ethnische Minderheiten oder Menschen anderer Religionszugehörigkeit. Das Volk, besser das »wahre Volk«, wird in diesem Gefüge als moralisch rein und homogen beschrieben und einer unmoralischen, korrupten Elite gegenübergestellt. Die Eliten sind jeweils die politischen und wirtschaftlichen Machthaber·innen oder Entscheider·innen, denen ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber »dem Volk« unterstellt sowie Unverständnis und Missachtung von dessen Ansichten und Wünschen vorgeworfen wird. Für den Fall, dass die Populist·innen selbst die Regierung stellen (und damit an die Stelle »der Eliten« treten), werfen sie den »alten Eliten« vor, nach wie vor und aus dem Hintergrund heraus die Politik zu unterwandern. Insbesondere unter rechtspopulistischen Strömungen mit rassistischen Tendenzen fand seit den frühen 2000er Jahren eine ideologische Verschiebung statt:9 Zwar wird auf exkludierenden, tendenziell volksnationalen Programmen aufgesetzt, aber unter dem Deckmantel einer liberalen Agenda. Nun heißt es nicht mehr primär »Volk« gegen »Elite«, sondern »Freiheit« gegen »Totalitarismus«. Dabei bleibt die auf dem »Volk« auf bauende Ideologie insofern bestehen, als sich bereits vorhandene Ressentiments gegenüber dem Islam nun in Form einer Islamophobie als Anti-Totalitarismus ausgeben. Auch bleibt der etablierte Volk-Elite-Antagonismus in dem Vorwurf erhalten, das (politische) Establishment und die gesellschaftlichen Eliten würden die aus Sicht der Populist∙innen gerechtfertigte Islamkritik tabuisieren. Zuerst brachte der Niederländer Pim Fortuyn diese Form eines auf Islamophobie gründenden »liberalen Populismus« oder »populistischen Liberalismus« (Priester 2012: 8) zum Ausdruck, ihm folgte sein Landsmann Geert Wilders mit seiner 2006 gegründeten Partij voor de Vrijheid (dt. Partei für die Freiheit), in Frankreich bedienen Marine Le Pen und der Rassemblement National (dt. Nationaler Zusammenschluss; bis Juni 2018 Front National) antiislamische Ressentiments, ebenso wie Fidesz in Ungarn, Pis in Polen oder die FPÖ in Österreich. In Deutschland schließen die 2014 formierte Bewegung Pegida ebenso wie die 2013 gegründete Partei AfD an die Grundidee eines die westliche Freiheit bedrohenden Islam an.10

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Insgesamt manifestiert sich in populistischen Strömungen und in ihrer Fokussierung auf die Kategorie eines »wahren Volks« letztlich auch die »rückwärtsgewandte Utopie einer romantisierten, unhistorischen, idealen Welt wie ›Middle America‹ oder ›La France profonde‹« (Priester 2012: 5), die als heartland oder Lebenswelt bezeichnet wird. Dies verdichtet sich in der Formel »Früher war alles besser«. Es ist allerdings nicht klar, auf welches konkrete Früher Bezug genommen wird: Vor der Einführung des Euro 2002? Vor den Anschlägen des 11. September 2001? Vor dem Mauerfall 1989? Vor dem Ende des Kalten Krieges?11 (2) Im Rahmen populistischer Logik ist den arrivierten Medien insofern zu misstrauen, als sie Teile der Eliten sind. Wie Untersuchungen nahelegen, ist die Skepsis gegenüber den etablierten Medien unter Menschen mit populistischen Einstellungen besonders groß bzw. das Vertrauen in diese ist bei Menschen, die sich politisch rechts situieren, am geringsten ausgeprägt.12 Entsprechend wird den Medien von populistischen Akteur·innen regelmäßig die Legitimation abgesprochen. Wie wir in  Kapitel 5 gezeigt haben, hat sich der verschwörungstheoretisch konnotierte Kampf begriff »Lügenpresse« in Deutschland seit den Pegida-Demonstrationen erneut verbreitet, und Donald Trump wettert im selben Sinne gegen die angeblichen »Fake News« der US-amerikanischen Leitmedien. Auch die AfD sieht sich als Opfer unfairer Berichterstattung. So warf Alexander Gauland der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung bezüglich seiner umstrittenen Äußerungen über den damaligen Fußball-Nationalspieler Jerôme Boateng im Mai 2016 zunächst vor, ihn nicht nur gegen seinen Willen, sondern auch absichtlich falsch zitiert zu haben;13 Alice Weidel wies Medienberichte um die AfD-Spendenaffäre im November 2018 als haltlos und »in wesentlichen Punkten falsch, unvollständig und tendenziös«14 zurück. (3) Populistische Selbstbestimmung drückt sich somit in einer anti-elitären, anti-intellektuellen Haltung gegen »das Establishment« aus. Als Protestpopulismus formiert er sich gegen »Die-da-oben«, und unter Berufung auf den »gesunden Menschenverstand«, der im Gegensatz zu einem intellektuellen Ref lexionswissen auf Erfahrung beruht und daraus einen unmittelbaren Wahrheitsanspruch ableitet, wird eine moralische Überlegenheit »des Volks« gegenüber der Elite postuliert. So versteht sich die AfD explizit als »›Partei des gesunden Menschenverstandes‹«, die »auf das politische Urteilsvermögen und die Verantwortungsbereitschaft der mündigen Bürger« setzt.15 Der (politischen) Elite wird unterstellt, »korrupt, doppelzüngig, eigennüt-

Kapitel 9: Populismus

zig, abgehoben und arrogant« (Priester 2012: 5) zu sein, die freie Meinungsäußerung zu behindern und den Kontakt zum »Volk« verloren zu haben. Die Einstellung des »Das-wird-man-doch-wohl-mal-sagendürfen!« rechtfertigt dann gezielte Verstöße gegen gesellschaftlich auferlegte Tabus (oder was als solche empfunden wird).16

Die Rolle der Leader Während in Demokratien den Massenmedien die Aufgabe zukommt, zwischen Volk und politischen oder wirtschaftlichen Akteur·innen zu vermitteln ( Kapitel 5), bedarf es dieser Mediatoren in der populistischen Logik nicht, da diese auf eine direkte Verbindung zwischen Führungspersönlichkeit bzw. Leader und Volk setzt. Meist stehen charismatische Führungspersönlichkeiten an der Spitze populistischer Bewegungen. Sie reklamieren für sich nicht nur eine besondere Nähe zum Volk, sondern erheben v.a. den moralischen Alleinvertretungsanspruch, für das »wahre Volk« in seiner Gesamtheit sprechen zu können, weil sie es gleichsam selbst abbilden und damit repräsentieren würden.17 Dieser Alleinvertretungsanspruch ist eine Absage an den demokratischen Pluralismus, denn unter Berufung auf den Willen des einen »wahren Volks« wird die sachbezogene, außerwie innerparteiliche Diskussion überf lüssig. Damit ergibt sich aber auch kein demokratisch ausgehandelter Konsens, der das Ergebnis solcher Debatten ist. Das Verhältnis vom Populismus zur Demokratie wird daher auch als »parasitär« bezeichnet, weil er zwar einerseits den Anspruch auf demokratische Volkssouveränität erhebt und die Beteiligung des Volks an politischen Entscheidungsprozessen propagiert. Andererseits wird jedoch gerade die Volkssouveränität insofern unterwandert, als diese auf charismatische Führungspersönlichkeiten bzw. Leader als Sprachrohre des Volks übertragen wird. Dadurch wird die Rolle des Volks im Wesentlichen auf die akklamatorische Bestätigung des Volkswillens reduziert.18 Und so verlagert sich die Kommunikation zwischen Leader und Volk in den medialen Raum sozialer Netzwerke wie Twitter und Facebook. Diese schließen die Lücke, die der Vertrauensverlust in die arrivierten Medien hinterlassen hat, da sie eine direkte Kommunikation zwischen den Akteur∙innen ermöglichen. Soziale Medien können (wie

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in  Kapitel 6 beschrieben) jedoch Filterblasen und Echokammern der eigenen Überzeugung generieren: Wer immer nur einen Teil der Bevölkerung sieht, hört oder auch nur getweetet bekommt, wird einen populistischen Alleinvertretungsanspruch wohl eher plausibel finden. Denn die vermeintliche demokratische Online-Town-Hall ist ein populistischer Hallraum. (Müller 2016a: 57) Damit schaffen soziale Medien in sich weitgehend geschlossene Teilöffentlichkeiten, deren Debatten außerhalb der allgemeinen Öffentlichkeit geführt werden.19 Entsprechend einfach und erfolgreich können auch Fake News und Verschwörungstheorien über soziale Netzwerke verbreitet werden: Sie werden auf den News Feed oder die Startseite der User·innen gespielt und lassen sich mit nur einem Klick auch in weitere Teilöffentlichkeiten bringen, ohne nennenswerten kritischen Stimmen von außen ausgesetzt zu sein.

Populismus und massenmediale Aufmerksamkeitsregeln Unabhängig von ihrer Kritik an den arrivierten Medien nutzen Populist·innen diese gleichzeitig für ihre Zwecke der Selbstinszenierung und des Agenda Settings. Das funktioniert insbesondere deshalb, da zwischen den Strategien und Mechanismen des Populismus auf der einen Seite und den Aufmerksamkeitsregeln der Massenmedien auf der anderen Seite gewisse Überschneidungen bestehen.20 Wie in  Kapitel 5 beschrieben, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die Aufmerksamkeit des Publikums auf Meldungen zu lenken: Fixierung auf Personen, die selbst Aufmerksamkeit erzeugen, Konzentration auf außergewöhnliche, unerwartete Ereignisse wie Katastrophen oder Skandale, Emotionalisierung der Berichterstattung sowie ein packendes Storytelling, das mitunter Dramatisierung und Zuspitzung beinhaltet. Populistische Akteur·innen tendieren zu Provokationen und Tabubrüchen ebenso wie zu Übertreibungen, was in den Augen der Massenmedien wiederum als außergewöhnliches Ereignis gewertet werden kann, das berichtenswert erscheint. Damit schaffen die Massenmedien populistischen Akteur·innen nicht nur eine Öffentlichkeit, sie bieten ihnen auch ein Forum, die eigene Agenda medienwirksam

Kapitel 9: Populismus

zu platzieren. Was auch immer Gauland mit seinen Äußerungen über Jerôme Boateng bezweckt haben mag: Jedenfalls schaffte er es damit nicht nur in die tagesaktuellen Leitmedien, sondern erreichte auch, dass das Thema »Guter Nachbar, schlechter Nachbar – Wie rassistisch ist Deutschland?« am 5. Juni 2016 bei Anne Will im Ersten verhandelt wurde. Dies bot ihm als Gast erneut die Gelegenheit, die eigenen Positionen in aller Ausführlichkeit auszubreiten. Auch die Veröffentlichung von Fotos, die den Bremer AfD-Vorsitzenden Frank Magnitz, der bei einem Angriff auf offener Straße am 7. Januar 2019 am Kopf verletzt worden war, im Krankenhaus zeigen, dienten dem Zweck, gezielt »mediale Betroffenheit zu erzeugen«. Auf diese Weise sollte die AfD Gesprächsthema werden, wie Magnitz später in einem internen Schreiben an die AfD-Mitglieder bekannte: »Wir haben die gesamte Nation aufgerüttelt und einen Diskussionsprozess in Gang gesetzt, was uns sonst nie gelungen wäre!« Als Motiv nannte er den Vorwurf gegen die Medien, Pressemitteilungen der AfD würden »zu nahezu 100 Prozent nicht veröffentlicht«.21

Fazit Zu Beginn dieses Kapitels haben wir die These aufgestellt, dass viele Aspekte, die im Verlauf des Buchs besprochen wurden, für ein Verständnis der Wirkweise von populistischen Strömungen relevant sind. Es hat sich gezeigt, dass zwischen populistischen Methoden, massenmedialen Mechanismen sowie Fake News und verschwörungstheoretischen Denkweisen ein komplexes Beziehungsgef lecht bestehen kann. Populistische Bewegungen können als Resultat einer Krise der Demokratie gesehen werden. Sie werden oft getragen von dem Gefühl, dass »die da oben« die Probleme »derer da unten« nicht sehen oder sie einfach ignorieren würden. Dieses Gefühl kann direkt an das grundlegende verschwörungstheoretische Narrativ Gut (»wir da unten«) gegen Böse (»die da oben«) anschließen. Wenn dabei noch zusätzlich davon ausgegangen wird, dass die Personen oder Institutionen, gegen die sich der Frust richtet, mächtig genug sind, die Dinge zu ihren eigenen Gunsten zu beeinf lussen, scheint der Tatbestand der Verschwörung unwiderruf lich erfüllt. Rechtspopulismus hat darüber hinaus einen ausschließenden Charakter, d.h. die eigene Bezugsgruppe wird gegen eine Gruppe von

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außen abgegrenzt. Um bei der eigenen anvisierten Wählerschaft ein identitätsstiftendes »Wir-Gefühl« zu schaffen, ist es hilfreich, die Abgrenzung nach außen zu stärken. Dies gelingt durch die Etablierung eines gemeinsamen Feindbilds, wie z.B. »die Flüchtlinge«, »der Islam«, »die EU«, »die Medien«. Negative Meldungen über das Feindbild nutzen also der eigenen Sache. Dies kann erklären, warum acht der zehn Fake News, die vor der Bundestagswahl 2017 die größte Reichweite erzielten, Flüchtlinge zum Thema hatten – sie dienten klaren politischen Interessen22 ( Kapitel 7). Indem durch Fake News mit derartigen Inhalten eine False Balance generiert wird, bleibt das für rechtspopulistische Gruppierungen nützliche Thema in der Diskussion. Je mehr Meldungen außerdem die negativen Konsequenzen der Aufnahme von Gef lüchteten betonen, desto stärker wird bei der Bevölkerung die Überzeugung, dass es nur Nachteile haben kann, Asylsuchende aufzunehmen – dies mag die Wahlentscheidung entsprechend beeinf lussen. Zu der Symbiose zwischen Populismus einerseits sowie Fake News und Verschwörungstheorien andererseits gesellen sich nun noch mediale Mechanismen: Denn sowohl Fake News und Verschwörungstheorien als auch populistische Strömungen profitieren von aufmerksamkeitsökonomischen Strategien der Medien. Gleichzeitig bedienen sie auch die Kriterien, mit denen in sozialen Netzwerken Reichweite erzielt wird. Diese erweiterte Symbiose birgt die Gefahr, zu einer explosiven Mischung zu werden. Damit es nicht so weit kommt, werden wir im anschließenden Schlusskapitel Hinweise zu einem ref lektierten Umgang mit Informationen und Meldungen geben.

Anmerkungen 1

Hammel 2017: 34.

2

Siehe den Blog des Aktionsbündnisses »Demo für alle«: https://demofueralle. blog/

3

Im Original: »The ideal of post-democracy helps us describe situations when boredom, frustration and disillusion have settled in after a democratic movement; when powerful minority interests have become far more active than the mass of ordinary people in making the political system work for them; where political elites have learned to manage and manipulate popular demands; where people have to be persuaded to vote by top-down publicity campaigns.« (Crouch 2004: 19f.)

4

Fukuyama o.J. [2017]: 13-16. Vgl. auch Hartleb 2014: 73.

5

Vgl. Hammel 2017: 36.

Kapitel 9: Populismus 6

Hartleb 2014: 49.

7

Vgl. auch Salzborn 2018: 26.

8

Zum Folgenden vgl. Fukuyama o.J. [2017]; Müller 2016a; Priester 2012.

9

Zum Folgenden vgl. Priester 2012.

10 Vgl. auch Hartleb 2014: 177-186. Zu Pegida vgl. die Beiträge in Rehberg et al. 2016. 11 Das Grundsatzprogramm der AfD beispielsweise zeigt über weite Teile diese Rückwärtsgewandtheit. Gegenwärtige Zustände werden als Zerfall oder als Folge irriger Entwicklungen beschrieben, und die daraus abgeleiteten Forderungen richten sich auf die Wiederherstellung oder Konsolidierung (vermeintlich) besserer Zustände: Ein Europa der Nationalstaaten, Abschaffung des Euro, Wiederherstellung des Rechtssystems, Verschärfung des Strafrechts, Wiedereinführung von Kontrollen an der deutschen Grenze, Wiedereinführung der Wehrpflicht, Abschaffung von »Gender-Mainstreaming«, Anti-Migrationspolitik, Abschaffung von Geschlechterquoten, Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Besonders eklatant fällt die utopische Rückwärtsgewandtheit im Bekenntnis »zur deutschen Leitkultur« aus, ein Konstrukt aus Christentum, wissenschaftlich-humanistischer Tradition und römischem Recht (Art. 7.2, S. 92). 12 Fuchs 2018; Hölig/Hasebrink 2018: 22. 13 Alexander Gauland war von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit folgender Äußerung zitiert worden: »Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.« Vgl. hierzu Bender/Lohse 2016. 14 Pressemitteilung der AfD vom 16.11.2018, siehe https://www.presseportal.de/ pm/110332/4117100 15 Alternative für Deutschland: Programm für Deutschland. 16 Vgl. Hartleb 2014: 50. 17 Vgl. Müller 2016a. 18 Vgl. Diehl 2012: 17. 19 So hatte die AfD im Februar 2019 mehr als 460.000 Abonnent·innen und damit deutlich mehr als Die Linke (263.000) und mehr als doppelt so viele wie CSU (215.000), CDU (211.000) oder SPD (202.000). Aufruf der Facebook-Seiten am 5. Februar 2019. Bezüglich der Anzahl ihrer Follower liegt die satirepolitisch ausgerichtete Kleinpartei Die PARTEI mit 310.000 Followern noch zwischen AfD und CSU. Vgl. Decker 2018: 20. 20 Vgl. hierzu Zehnder 2017; Moffitt 2016: 70-94; Diehl 2012. 21 Frank Magnitz, zitiert nach Baeck 2019; vgl. auch Zeit Online 2019. 22 Vgl. Sängerlaub et al. 2018.

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Schluss: Wie umgehen mit Fake News und Verschwörungstheorien? For knowledge itself is power. Francis Bacon Zu Beginn dieses Buches wurde die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit zwei Stellungnahmen zitiert, in denen sie unsere Gesellschaft charakterisierte: 2009 glaubte sie uns auf dem Weg hin zur Wissensgesellschaft, doch bereits 2016, also nur sieben Jahre später, schien es ihr, als lebten wir doch eher in postfaktischen Zeiten. Diese beiden Einschätzungen scheinen sich zu widersprechen: Wie kann eine Gesellschaft, deren ökonomischer und sozialer Erfolg auf Wissen basieren soll, leugnen, dass dieses Wissen wesentlich auf überprüf baren Fakten und Tatsachen gründet, und stattdessen auf Gefühle vertrauen? Wurde die Wissensgesellschaft – kaum erreicht – etwa von postfaktischem Denken abgelöst? Müssen wir uns mit der Existenz »alternativer Wirklichkeiten« abfinden? In den vorangehenden Kapiteln haben wir ausführlich beleuchtet, welche gesellschaftlichen, medialen und politischen Umstände zur Verbreitung von Fake News und Verschwörungstheorien beitragen können. Darüber hinaus widmeten wir uns der Frage, wie allgemeine sprachliche und visuelle Mechanismen diese in ihrer Wirkweise unterstützen können. Vielleicht ist dabei der Eindruck entstanden, die ungehinderte Ausbreitung postfaktischen Denkens sei unausweichlich. Zwei Dinge dürfen aber nicht vergessen werden: 1. Wie wir in  Kapitel 1 und 2 gesehen haben, sind Fake News und Verschwörungstheorien keine Erfindungen des 21. Jahrhunderts. Durch die Digitalisierung haben allerdings sowohl die Schaffung als auch die Verbreitung ein qualitativ und quantitativ neues Ausmaß erhalten. Hinzu kommt, dass die technische Entwicklung

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nicht stillsteht. Neue Videosoftware beispielsweise ermöglicht es, Fälschungen herzustellen, die täuschend echt sind: So kann die Sprechbewegung in Gesichtern durch algorithmische Verfahren so manipuliert werden, dass es aussieht, als hätten die Personen das Gehörte wirklich gesagt. Wir haben es also erst seit sehr kurzer Zeit mit Fake News und Verschwörungstheorien in ihrer aktuellen Form zu tun. 2. Auch wenn Fake News und Verschwörungstheorien gerade Aktualität haben, so bedeutet dies nicht, dass wir f lächendeckend und ausschließlich damit konfrontiert sind und keine Möglichkeit haben, an verlässliche Informationen zu gelangen. Dies stellt uns nun vor die Aufgabe, den richtigen Umgang mit Fake News, Verschwörungstheorien und verwandten Phänomenen in ihrer gegenwärtigen Form zu erarbeiten. Machen wir uns also die Möglichkeiten zunutze, die uns die Wissensgesellschaft bietet.

Strategien zum Umgang mit postfaktischem Denken (1) Zunächst ist es wichtig, über die Phänomene selbst Bescheid zu wissen: In welchem Kontext entstehen Fake News und Verschwörungstheorien? Wie funktionieren sie? Was wird mit ihnen bezweckt? Wir haben uns darauf konzentriert zu erläutern, in welchem gesellschaftlichen Klima Fake News und Verschwörungstheorien besonders gedeihen und welche Mechanismen ihrer Entstehung und Verbreitung förderlich sind. Dabei haben wir einige Aspekte, die zu einem vertieften Verständnis dieser vielschichtigen Phänomene beitragen, nur streifen können oder sogar weitgehend außer Acht gelassen. Für diejenigen, die hier weiterlesen möchten, haben wir im Anschluss einige Titel zusammengestellt, die als Ergänzung zu unserem Buch ebenso geeignet sind wie als Einstieg in weitere, mit unseren Fragen verbundene Themenbereiche. (2) Im Umgang mit einzelnen Beiträgen sollte man zunächst deren Herkunft ref lektieren, indem folgende Fragen geklärt werden: • Wer sind die Autor·innen? Sind sie einem politischen, journalistischen, wissenschaftlichen oder unternehmerischen Kontext zu-

Schluss: Wie umgehen mit Fake News und Verschwörungstheorien?

zuordnen? Was war die mutmaßliche Motivation der Autor∙innen, diesen Beitrag zu veröffentlichen? • In welchem Publikationsorgan wurde der Beitrag veröffentlicht? Was ist über dieses Publikationsorgan bekannt: Wem gehört es, wie ist es finanziert? Erste Anhaltspunkte liefert hierzu das Impressum des Druckwerks bzw. der Website. (3) An die Inhalte von Beiträgen lässt sich ebenfalls eine Checkliste anlegen: • Welche Fakten werden präsentiert, welche Behauptungen aufgestellt? Werden diese belegt und wenn ja, wie? Werden Studien oder Quellen genannt? Ist die Darstellung ausgewogen, kommen mehrere Sichtweisen zu Wort? Da es mühsam ist, Behauptungen im Einzelnen selbstständig nachzuprüfen, wurden Websites gegründet, die Tatsachenchecks übernehmen. Im Anschluss haben wir einige solcher Seiten gelistet. • Welche Sprache wird verwendet? Ist sie sachlich oder emotional? Wird ein bestimmtes Narrativ bemüht? Werden sprachliche Ausdrücke benutzt, die eine Interpretation vorwegnehmen? • Werden Bilder gezeigt? Woher stammen sie? Sind sie echt, kann die Möglichkeit der Manipulation ausgeschlossen werden? Welche (emotionale) Wirkung erzeugen sie? Mit welcher Motivation wurden möglicherweise gerade diese Bilder ausgewählt, sollen sie eine bestimmte Deutung nahelegen? Bei der Google-Bildersuche gibt es die Möglichkeit, Bilder hochzuladen und auf diese Weise nachzuverfolgen, woher sie stammen und in welchen anderen Kontexten sie verwendet wurden. (4) Wie oben angesprochen, entwickeln sich technische Verfahren, mit denen digitale Inhalte erstellt werden können, rasant. Daher ist es wichtig, in diesem Bereich auf dem Laufenden zu bleiben. Weiß man, welche Möglichkeiten es gibt, kann man bei der Rezeption von Texten, Bildern und Videos entsprechende Vorsicht walten lassen. (5) Manchmal passiert es auch im persönlichen Gespräch, dass das Gegenüber Verschwörungstheorien oder Fake News zu verbreiten scheint. Oft ist dabei der Glaube an das Gesagte so stark, dass er kaum erschüttert werden kann. Kommt es aber zu einer Diskussion, ist es

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Alternative Wirklichkeiten?

ratsam, diese auf einer rationalen Ebene zu führen und genau die Fragen zu stellen, die oben skizziert wurden: Was sind die Beweise für die dargelegte Meinung? Woher stammen sie? Mit welchen Gegenbeweisen werden die etablierten Erklärungen abgewiesen? Wie diese Strategien erkennen lassen, kann der Umgang mit den hier diskutierten Phänomenen durchaus aufwändig sein − ein Aufwand, der jedoch von immenser Wichtigkeit ist. Denn Fake News und Verschwörungstheorien können unser individuelles Lebensgefühl beeinträchtigen: Nicht nur gedeihen sie in einem Klima der Unsicherheit, sie schaffen auch ein Klima der Verunsicherung und des Misstrauens. Fake News und verschwörungstheoretisches Gedankengut können sogar zu einer Bedrohung für eine aufgeklärte, demokratische Gesellschaft werden. Deshalb ist es essenziell, dass wir aktiv zum Erhalt der Grundlage dessen beitragen, was unsere gegenwärtige Gesellschaft Ausmacht: das Wissen.

Weitere einführende Literatur Aus Politik und Zeitgeschichte 62/5-6 (2012): Themenheft Populismus. Online verfügbar unter: www.bpb.de/shop/zeitschriften/ apuz/75844/populismus Aus Politik und Zeitgeschichte 64/22-23 (2014): Themenheft Politik, Medien, Öffentlichkeit. Online verfügbar unter: www.bpb.de/shop/ zeitschriften/apuz/184705/politik-medien-oeffentlichkeit Aus Politik und Zeitgeschichte 67/13 (2017): Themenheft Wahrheit. Online verfügbar unter: www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/245227/ wahrheit Burke, Peter (2014): Die Explosion des Wissens. Von der Encyclopédie bis Wikipedia. 2. Auf l. Berlin: Wagenbach. Butter, Michael (2018): »Nichts ist, wie es scheint.« Über Verschwörungstheorien. Berlin: Suhrkamp. Deutscher Bundestag (2017): Fake-News. Definitionen und Rechtslage. Online verfügbar unter: https://www.bundestag.de/resource/ blob/502158/99feb7f3b7fd1721ab4ea631d8779247/wd-10-003-17-pdfdata.pdf Harari, Yuval Noah (2018): 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert. München: C.H. Beck.

Schluss: Wie umgehen mit Fake News und Verschwörungstheorien?

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Websites zum Faktencheck ARD-Faktenfinder: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/ Der ARD-Faktenfinder greift aktuelle nationale und internationale Themen und Diskussionen auf. Dabei gibt er Hintergrundinformationen und überprüft Behauptungen. Correctiv: https://correctiv.org/faktencheck/ Correctiv ist ein gemeinnütziges Recherchezentrum von Journalistinnen und Journalisten. Neben investigativer Tätigkeit wird dort auch ein Faktencheck betrieben. Fakten gegen Rechts: http://fakten-gegen-rechts.de Auf dieser Website werden populistische Behauptungen aufgegriffen und dazu Zahlen und Verweise auf offizielle Publikationen gegeben. Factcheck: https://www.factcheck.org Bei Factcheck handelt es sich um eine US-amerikanische Website, die in erster Linie amerikanische Themen behandelt. In dieses Angebot sind noch weitere Dienste eingebunden, z.B. SciCheck, der sich auf wissenschaftliche Inhalte konzentriert, oder die Facebook-Initiative, die in Zusammenarbeit mit Facebook falsche auf der Plattform kursierende Informationen richtigstellt. Mimikama: https://www.mimikama.at Die österreichische Website Mimikama definiert als ihre Aufgabe »Falschmeldungen entlarven, verdrehte Inhalte klarstellen, auf Nutzerprobleme reagieren«. Sie konzentriert sich v.a. auf Inhalte in sozialen Medien. Politifact: https://www.politifact.com Auch Politifact stammt aus den USA und widmet sich primär dort relevanten Themen. Dabei werden Äußerungen und Behauptungen überprüft und anhand eines Truth-O-Meters anhand ihrer Wahrhaftigkeit eingeordnet.

Allgemeine Hinweise Bereits bei der Suche nach Informationen kann man relativ einfach die Entstehung eigener Echokammern und Filterblasen verhindern oder zumindest begrenzen, beispielsweise durch die Verwendung neutraler Suchmaschinen:

Schluss: Wie umgehen mit Fake News und Verschwörungstheorien?

Startpage: https://www.startpage.com Startpage leitet die Suchanfrage anonymisiert an Google weiter, allerdings ohne Daten über die Nutzer·innen zu sammeln. Die Suchergebnisse sind daher nicht personalisiert. DuckDuckGo: https://duckduckgo.com DuckDuckGo ist eine Suchmaschine, die ebenfalls keine persönlichen Daten sammelt und speichert sowie keine zielgerichtete Werbung schaltet. Weitere Alternativen zu Google: https://t3n.de/news/google-alterna tive-474551/ Um die Herkunft von Internetinhalten zu überprüfen, gibt es ebenfalls Möglichkeiten: Bilder-Rückwärtssuche: Google und andere Suchmaschinen bieten die Möglichkeit, Bilddateien hochzuladen oder direkt nach der URL eines Bildes zu suchen. Die Ergebnisse zeigen, wo das Bild im Internet Verwendung gefunden hat. Botometer: https://botometer.iuni.iu.edu/#!/ Prüft, ob ein Twitter-Account möglicherweise ein Bot ist. Flagfox: Der Browser Firefox bietet die Möglichkeit, das Add-on Flagfox zu installieren. Anhand eines kleinen Flaggensymbols in der Adresszeile wird der Serverstandort der aktuell aufgerufenen Website angezeigt. WayBackMachine: https://archive.org/web/ Die Betreiber·innen dieses Internet Archive archivieren Internetseiten. Über die WayBackMachine können alte Versionen von Websites ebenso aufgerufen werden wie gelöschte oder geänderte Inhalte. Youtube DataViewer: https://citizenevidence.amnestyusa.org Die von Amnesty International betriebene Website liest die Quellen von YouTube-Videos aus und zeigt sie an.

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Abbildungsnachweise Abbildung 1: AfD Bayern. Abbildung 2: picture alliance/Reuters/Brian Snyder. Abbildung 3: picture alliance/Reuters/Lucas Jackson (links), picture alliance/Reuters/Stelios Varias (rechts). Abbildung 4: Rijksmuseum, Amsterdam. Abbildung 5: picture alliance/AP Photo/Vadim Ghirda. Abbildung 6: Eigenes Werk, nach Fibonacci, CC BY-SA 3.0; siehe https:// de.wikipedia.org/wiki/Optische_Täuschung#/media/Datei:Kaniz sa_triangle.svg. Abbildung 7: Library of Congress, Washington, D.C. Abbildung 8: The White House. Abbildung 9: picture alliance/AP Photo/Nick Út. Abbildung 10: picture alliance/AP Photo/Nick Út; Herkunft: http://time. com/4485344/napalm-girl-war-photo-facebook/(19.05.2019). Abbildung 11: FAZ. Abbildung 12: picture alliance/Reuters/Shannon Stapleton.

Kulturwissenschaft Johannes F.M. Schick, Mario Schmidt, Ulrich van Loyen, Martin Zillinger (Hg.)

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Thomas Hecken, Moritz Baßler, Robin Curtis, Heinz Drügh, Mascha Jacobs, Nicolas Pethes, Katja Sabisch (Hg.)

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María do Mar Castro Varela, Paul Mecheril (Hg.)

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